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-The Project Gutenberg EBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by
-Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
-almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
-re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
-with this eBook or online at www.gutenberg.org/license
-
-
-Title: Der abenteuerliche Simplicissimus
-
-Author: Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen
-
-Editor: Eugen Guido Kolbenheyer
-
-Release Date: July 22, 2017 [EBook #55171]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS ***
-
-
-
-
-Produced by Peter Becker and the Online Distributed
-Proofreading Team at http://www.pgdp.net
-
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- +------------------------------------------------------------------+
- | Anmerkungen zur Transkription |
- | |
- | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, Antiqua-Schrift |
- | als ~Antiqua~. |
- | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs. |
- +------------------------------------------------------------------+
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-
- Hans Jakob Christoffel von
- Grimmelshausen
-
- [Illustration]
-
-
-
-
- Der
- abenteuerliche
- Simplicissimus
-
- Das ist Beschreibung des Lebens
- eines seltsamen Vaganten
-
- [Illustration]
-
- In unwesentlicher Kürzung
- herausgegeben von
-
- E. G. Kolbenheyer
-
- [Illustration]
-
- Volksverband der Bücherfreunde
- Wegweiser-Verlag G. m. b. H. Berlin
- 1920
-
-
- Der abenteuerliche Simplicissimus erschien 1669 in zweiter Auflage,
- die erste ging verloren. Der Volksverband der Bücherfreunde bringt
- durch seine Neuausgabe, die 1919 veranstaltet wurde, in Erinnerung,
- daß sich das Erscheinen des für die deutsche Literatur- und
- Sittengeschichte so bedeutungsvollen Kulturromans zum 250. Male
- jährt.
-
-
- Steig auf aus deinem Grab, du blanker Sittenrichter,
- Und siehe, wie das Rad sich abermals gewandt.
- Du, deutscher Sterbensnot und Mühsal herber Dichter,
- Durchstreife kundgen Augs dein wundes Vaterland.
-
- Und findest du nicht Dorf und Stadt in Trümmern rauchen,
- Weil endlich die Gewalt sich selber ausgebrannt,
- So wird dein Blick doch in des Volkes Herzen tauchen,
- Und, ach, du findest viel im alten, irren Stand.
-
- Wirst du nicht neu dein bittres Klagelied erheben,
- Dem Trümmerhauf entfliehn im härnen Bußgewand?
- O schnöde, arge Welt! O, du vergeudet Leben!
- Du hoffartstrunknes Herz, wie liegst du tief im Sand! --
-
- Ein Vierteltausend-Jahr spannt seinen bunten Bogen
- Von dir zu uns, und alles Einzelglück und -leid
- Verschwebt, weil unsres Volkes welterschütternd Wogen
- Erschwoll und sank zu Tal im Taumel der Gezeit.
-
- Des Gottes schwere Hand lag auch auf deinen Tagen:
- Deutschland zutiefst in Not, verblutet und vertan!
- Aus eigner Kraft ermannt und himmelhoch getragen,
- Rang es empor und fiel in doppeltharter Bahn.
-
- Uns fruchtet kein Gewinn auf glatten Maklerwegen,
- Jung stürmt das herbe Blut und muß im Schmerz erblühn.
- So aber wächst und reift in uns ein Weltensegen
- Und wird in reinerm Licht erglühen, wird erglühn!
-
- Nun schüttle ab, Simplicius, die Schweigenshülle,
- Zeig' deiner fernen Zeiten nahverwandte Fülle!
-
-
-
-
-Das erste Buch
-
-
-
-
-Das erste Kapitel
-
-
-Diese unsere Zeit, von der man meint, sie sei der Welt Ende, hat all-
-und jedermann mit einer sonderbaren Sucht geschlagen. Wer nur soviel
-zusammengeraspelt und erschachert hat, daß ihm etliche Heller im Beutel
-kützeln, muß sich im Narrenkleid auf die neue Mode tragen, und wen ein
-Glücksfall als mannhaft und ehrlich erwiesen, der glaubt rittermäßig,
-gleich einer Adelsperson aufziehen zu müssen.
-
-Solchem Narrenvolk mag ich mich nicht gleichstellen, obzwar meine
-Abkunft und Auferziehung sich mit der eines Fürsten wohl vergleichen
-läßt. Etliche Unterschiede sollen billig vor gering angeschlagen sein.
-
-Mein Knän (dann also nennet man die Väter im Spessart) hatte seinen
-Palast sowohl als ein anderer, ja, kein König vermöchte ihn mit
-eigenen Händen besser zu bauen. Der war mit Lehm gemalet und anstatt
-des unfruchtbaren Schiefers, kalten Bleies und roten Kupfers mit
-Stroh bedeckt, darauf das edel Getreid wächst. Des Schlosses Mauern
-ließ mein Knän nicht mit gemeinem Feldstein und liederlich gebackenen
-Ziegeln aufbauen, sondern aus festem, hundertjährigem Eichenholz, auf
-dem -- so man der Eichelmast gedenkt -- Bratwürst und fette Schunken
-wachsen. Wo ist ein Monarch, der ihm dergleichen nachtut! Zimmer, Säl
-und Gemächer hatte er vom Rauch ganz erschwarzen lassen, nur weil das
-die beständigste Farbe der Welt ist und solche Tünche auch mehr Zeit
-braucht, als ein Maler zu seinen trefflichsten Kunststücken erheischet.
-Die Tapezereien bestunden in dem zärtesten Gewebe, das auf dem
-Erdboden gesponnen wird, unzählig kleine Weberinnen hatten sie mit
-ihren zierlichen Beinen gewirkt. Dem Sankt Nit-Glas waren die Fenster
-geweiht, und edler als das beste und durchsichtigste Glas von Murano
-verhüllete sie Leinwand, an der des Baurn und der Weiber redliche
-Mühsal hängt. Seinem Adel nach beliebet es meinem Knän zu glauben,
-daß alles was durch viel Müh zuweg gebracht würde, auch schätzbar
-und desto köstlicher sei, was aber köstlich, das wäre dem Adel am
-anständigsten. Pagen, Lakaien und Stallknecht stellten Schaf, Böck und
-Säu und jedes ging fein ordentlich in seiner natürlichen Livrei. Sie
-warteten mir täglich auf, bis ich sie von der Weid heimtrieb. Rüst-
-und Harnischkammer war mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen, Schaufeln,
-Mist- und Heugabeln genugsam versehen und mein Vater übte sich
-täglich in den Waffen. Ochsenanspannen war sein hauptmannschaftliches
-Kommando, Mistausführen sein Fortifikationswesen, Ackern sein Feldzug,
-Stallausmisten seine adelige Kurzweil und sein Turnierspiel. Damit
-rannte er die ganze Weltkugel, soweit er immer reichen konnte, an und
-jagte ihr zu allen Erntezeiten eine gute Beute ab. Dieses alles setze
-ich hintan und überhebe mich dessen gar nicht, damit niemand Ursache
-habe, mich mit den andern neuen Nobilisten auszulachen. Um geliebter
-Kürze willen aber dozier ich vor diesmal nichts Ausführliches von
-meines Vaters Geschlecht, Stamm und Namen. Meines Knäns Schloß stand an
-einem sehr lustigen Ort im Spessart erbaut, allwo die Wölfe einander
-gute Nacht geben.
-
-Und rittermäßig wie das ganze Hauswesen war meine Auferziehung. Mit
-zehn Lebensjahren hatte ich die Prinzipien in obgemeldeten adeligen
-Übungen vollauf begriffen. Mein Knän war vielleicht eines viel zu
-hohen Geistes und folgte dahero dem gewöhnlichen Brauch, darnach, wer
-vornehm ist, sich billig um Schulpossen nicht viel bekümmert, weil er
-seine Leute hat, die derlei Plackschmeißerei abwarten. Ich konnte nicht
-über fünf zählen, solches aber gar wohl. Sonst war ich ein trefflicher
-Musikus auf der Sackpfeifen. Und was Gottesgelahrtheit anlangt, glich
-keiner mir in der ganzen Christenwelt: ich kannte weder Gott noch
-Menschen, weder Himmel noch Hölle, nicht Engel noch Teufel, wußte
-nichts von Gutem und Bösem, wie unsere ersten Eltern im Paradies, die
-in ihrer Unschuld nichts von Krankheit, Tod und Sterben, desto weniger
-von der Auferstehung gewußt haben. Also auch ich. Und gleichermaßen
-war ich wohlbewandert in Medizin, Juristerei und sonst den Künsten und
-Wissenschaften allen. Ich war vollkommen, dann mir war unmüglich zu
-wissen, daß ich so gar nichts wußte. O wahrhaft edeles Leben!
-
-
-
-
-Das ander Kapitel
-
-
-Sonach begabete mich mein Knän mit der herrlichsten Würde nicht
-allein seiner Hofhaltung, sondern der ganzen Welt: mit dem Hirtenamt.
-Ich mußte die Säu, Ziegen und seine ganze Schafherde hüten, weiden
-und vermittels meiner Sackpfeifen vor dem Wolf beschützen. Damals
-glich ich wohl dem David, nur hatte ich an seiner Harfen Statt den
-Dudelsack. Kein schlimmer Anfang und ein gutes Omen! Von der Welt
-Anbeginn seind jeweils hohe Personen Hirten gewesen, wie wir von Abel,
-Abraham, Isaak, Jakob und seinen Söhnen und Moise selbst in der hl.
-Schrift lesen, da er zuvor seines Schwähers Schafe hüten mußte, eh er
-Heerführer und Gesetzgeber von ganz Israel ward. Ja, möchte mir jemand
-vorwerfen, das waren Heilige und keine spessarter Baurenbuben, die von
-Gott nichts wußten. Dawider muß ich gestehen: Was hat meine damalige
-Unschuld dessen zu entgelten? Also aber redet ~Philo~ der Jud in seiner
-Lebensbeschreibung Moisis vortrefflich: Das Hirtenamt ist Vorbereitung
-und Anfang zum Regiment, gleichwie Kriegskünst und Waffenhandwerk
-auf der Jagd geübt und angeführt werden. -- Solches alles muß mein
-Knän wohl verstanden haben und hat mir also keine geringe Hoffnung zu
-künftiger Herrlichkeit gemacht.
-
-Allein ich kannte den Wolf ebensowenig als meine eigene Unwissenheit,
-derowegen war mein Vater in seiner Instruktion desto fleißiger:
-
-»Bub, bis flissig! Los die Schof nit ze wit umanander laffen! Un spill
-wacker uff der Sackpfiffa, daß der Wolf nit komm und Schada dau! Dann
-he is a solcher veirboinigter Schelm und Dieb, der Menscha und Vieha
-frißt. Un wann dau awer fahrlässi bist, so will eich dir da Buckel
-arauma!«
-
-Ich antwortete mit gleicher Holdseligkeit: »Knäno, sag mir aa, wei der
-Wolf seihet? Eich huun noch kan Wolf gesien.«
-
-»Ah, dau grober Eselkopp,« repliziert er hinwider, »dau bleiwest
-dein Lewelang a Narr! Gait meich Wunner, was aus dir wera wird. Bist
-schun su a grusser Dölpel und weist noch neit, was der Wolf für a
-veirfeussiger Schelm is!«
-
-Er gab mir noch mehr Unterweisungen und ward zuletzt unwillig, maßen er
-mit einem Gebrümmel fortging, weil er sich bedünken ließ, mein grober
-Verstand könnte seine subtilen Unterweisungen nicht fassen.
-
-Da fing ich an mit der Sackpfeife so gut Geschirr zu machen, daß man
-den Kroten im Krautgarten mit meinen Schalmeien hätte vergeben mögen.
-Daneben sang ich, daß die Mutter oft gesagt, sie besorge, die Hühner
-werden dermaleins von dem Gesang sterben. Demnach ich mich vor dem Wolf
-sicher genug zu sein bedünkte.
-
-
-
-
-Das dritte Kapitel
-
-
-Sang also auf ein Zeit ein Lied, das ich von meiner Mutter selbst
-gelernet hatte:
-
- Du sehr verachter Baurenstand
- Bist doch der beste in dem Land,
- Kein Mann dich gnugsam preisen kann,
- Wann er dich nur recht siehet an.
-
- Es ist fast alles unter dir,
- Ja was die Erde bringt herfür,
- Wovon ernähret wird das Land,
- Geht dir anfänglich durch die Hand.
-
- Der Kaiser, den uns Gott gegeben,
- Uns zu beschützen, muß doch leben
- Von deiner Hand, auch der Soldat,
- Der dir doch zufügt manchen Schad.
-
- Die Erde wär ganz wild durchaus,
- Wann du auf ihr nicht hieltest Haus.
- Ganz traurig auf der Welt es stünd,
- Wann man kein Bauersmann mehr fünd.
-
- Vom bitterbößen Podagram
- Hört man nicht, daß an Bauren kam,
- Das doch den Adel bringt in Not
- Und manchen Reichen gar in Tod.
-
- Der Hoffart bist du sehr gefeit,
- Absonderlich zu dieser Zeit.
- Und daß sie auch nicht sei dein Herr,
- So gibt dir Gott des Kreuzes mehr.
-
- Ja der Soldaten böser Brauch
- Dient gleichwohl dir zum Besten auch,
- Daß Hochmut dich nicht nehme ein
- Sagt er: dein Hab und Gut ist mein.
-
-Bis hieher und nicht weiter kam ich mit meinem Gesang, dann ich ward
-im Augenblick samt meiner Schafherde von einem Trupp Reuter umgeben,
-die im Walde verirrt gewesen und durch meine Musik und Geschrei waren
-zurecht gebracht worden.
-
-Hoho, dachte ich, dies seind die rechten Kauz! Die vierbeinig Schelmen
-und Diebe, davon mein Knän sagte! Dann ich sahe Roß und Mann vor eine
-einzige Kreatur an und vermeinete nicht anders, als es müßten Wölfe
-sein. Da erdappte mich einer beim Flügel, schleuderte mich so ungestüm
-auf ein leer Baurenpferd, daß ich auf der andern Seite wieder herab
-und auf meine liebe Sackpfeife fiel, die so jämmerlich aufschrie, als
-wollet sie aller Welt Erbarmen bewegen. Half nichts, ich mußte wieder
-zu Pferd. Am meisten verdroß mich, daß die Reuter vorgaben, ich hätte
-dem Dudelsack im Fallen weh getan, darum er so ketzerlich geschrieen
-hätte. Meine Mähre trabet stetig dahin und mir kams seltsam für, daß
-ich nicht also auch in einen eisernen Kerl verwandlet wurde.
-
-Sintemalen keiner von denen Reutern ein Schaf hinwegfraß, gedachte ich,
-sie seien da, mir die Schafe helfen heimzutreiben, dann geradewegs
-eileten sie auf meines Knäns Hof zu. Derowegen sahe ich mich fleißig
-um, ob er und meine Mutter uns nicht bald entgegengehen und uns
-willkommenheißen wollten. Aber vergebens, mein Knän und die Mutter samt
-unserm Ursele hatten die Hintertür getroffen und wollten dieser Gäste
-nicht erwarten.
-
-Kurz zuvor wußte ich nichts andres, als daß mein Knän, die Mutter, ich
-und das übrige Hausgesind allein auf der Erden seien. Nun aber lernte
-ich meinen Herrgott im Himmel kennen. Ich erfuhr gar bald darnach die
-Herkunft der Menschen in diese Welt und daß sie wieder heraus müssen.
-
-Ja, ich war nur in Gestalt Mensch, mit Namen ein Christenkind, im
-übrigen eine Bestia. Gott, der allmächtige, sahe meine Unschuld mit
-barmherzigen Augen an und wählet aus seinen tausenderlei Wegen diesen,
-mich zu beidem: zu seiner und meiner Erkanntnus zu bringen.
-
-Vorerst stelleten die Reuter ihre Pferde ein, hernach hatte jeglicher
-seine sonderliche Verrichtung, und jede war lauter Untergang und
-Verderben. Dann obzwar etliche anfingen zu metzgen, zu sieden und
-zu braten, als sollte ein lustig Bankett gehalten werden, so waren
-hingegen andere, die durchstürmten das Haus unten und oben, ja das
-heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das gölden Fließ
-darin verborgen. Andere packten Tuch, Kleidung und Hausrat zusammen,
-als wollten sie einen Krempelmarkt anrichten. Was sie aber nicht
-mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen. Etliche durchstachen Heu
-und Stroh mit ihren Degen, andere schütteten die Federn aus den
-Bettzüchen und füllten hingegen Speck, Fleisch und sonstiges Gerät
-hinein, als seie alsdann besser darauf zu schlafen. Sie schlugen Öfen
-und Fensterläden ein, gleich als hätten sie einen ewigen Sommer zu
-verkünden. Kupfer- und Zinngeschirr stampften sie zusammen und packten
-die gebogenen und verderbten Stücke. Bettladen, Tische, Stühle und
-Bänke verbrannten sie, da doch viel Klafter dürr Holz im Hof lag.
-Häfen und Schüsseln mußten entzwei. Unsere Magd ward im Stall dermaßen
-traktiert, daß sie nicht mehr daraus gehen konnte. Den Knecht legten
-sie gebunden auf die Erde, steckten ein Sperrholz in sein Maul und
-schütteten ihm einen Melkkübel voll Jauche in Leib. Das nannten sie
-den schwedischen Trunk. Zwangen ihn so, etliche von denen Reutern
-anderwärts zu führen, allda sie Menschen und Viehe hinwegnahmen und
-in unsern Hof brachten. Auch mein Knän, meine Mutter und unser Ursele
-waren darunter.
-
-Da schraubten sie die Stein von den Pistolenhähnen ab und anstatt
-deren die Baurendaumen auf, folterten die armen Schelme, als wollten
-sie Hexen brennen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren in
-Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren, unangesehen er
-noch nichts bekannt hatte. Einem andern schlangen sie ein Seil um den
-Schädel und drehten es mit einem Holzbengel zusammen, daß ihm Blut zu
-Mund und Ohren heraussprang. ~In summa~, es hatte jeder seine eigene
-Erfindung die Bauren zu peinigen.
-
-Mein Knän war meinem damaligen Bedünken nach der Glücklichste, ohn
-Zweifel darum, weil er der Hausvater war. Sie satzten ihn zu einem
-Feuer, banden ihn, daß er weder Hände noch Füße regen konnte, rieben
-seine Sohlen mit feuchtem Salz, das ihm unser alte Geiß wieder ablecken
-und dadurch also kützlen mußte, daß er vor Lachen hätte zerbersten
-mögen. (Ich hab Gesellschaft halber vom Herzen mitgelacht.) In solchem
-Gelächter bekannte er seine Schuldigkeit und öffnete seinen verborgenen
-Schatz, der von Geld, Perlen und Kleinodien reicher war, als man hinter
-dem Bauren hätte suchen mögen.
-
-Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern vermag ich sonderlich
-nichts zu sagen, doch weiß ich wohl, daß man hin und wieder in den
-Winkeln erbärmlich schreien hörte. Schätze, es sei der Mutter und dem
-Ursele nicht besser gegangen als den andern.
-
-Unter all dem Elend wandte ich den Braten am Spieß und half die Pferde
-tränken, dadurch ich zu unserer Magd in den Stall kam. Die sahe
-wunderwerklich zerstrobelt aus, ich kannte sie kaum und sie sprach zu
-mir mit kränklicher Stimme:
-
-»O Bub, lauf weg, sonst nehmen dich die Reuter mit! Guck, daß du
-davonkommst! Du siehest wohl, wie es so übel ...«
-
-Mehres konnte sie nicht sagen.
-
-
-
-
-Das vierte Kapitel
-
-
-Wohin aber? Dazu war mein Verstand viel zu gering, einen Vorschlag zu
-tun; doch ist es mir so weit gelungen, daß ich gegen Abend in Wald
-bin entlaufen. Wo nun aber weiter hinaus? -- Die stockfinstre Nacht
-bedeuchte meinem finstern Verstand nicht schwarz genug, dahero verbarg
-ich mich in ein dickes Gesträuch. Da konnte ich das Geschrei der
-getrillten Bauren vernehmen. Allein ich hörete auch der Nachtigallen
-lieblichen Gesang, unbekümmert um alle Menschennot. Darum so legte ich
-mich auch ohn alle Sorg auf ein Ohr und entschlief.
-
-Als der Morgenstern im Osten herfürflackerte, sahe ich meines Knäns
-Haus in voller Flamme stehen, und ich schlich näher, jemand vom Hof
-anzutreffen. Gleich ward ich von fünf Reutern erblickt und angeschrieen:
-
-»Jung, kom heröfer oder skall mi de Tüfel halen, ich schiete dik, dat
-di de Dampf tom Hals utgat!«
-
-Ich hielt stockstill, das Maul offen. Sie konnten wegen eines Morastes
-nicht zu mir gelangen, was sie ohn Zweifel rechtschaffen vexierte.
-Lösete einer den Karabiner auf mich, von welchem urplötzlichem Feuer
-und unversehenlichem Krach, den mir ein Echo durch vielfältige
-Verdoppelung grausamer machte, ich dermaßen erschröckt ward, daß ich
-alsobald zur Erde niederfiel. Ich regete vor Angst keine Ader mehr. Die
-Reuter ritten ihres Wegs und ließen mich ohn Zweifel vor tot liegen. So
-hatte ich jedoch den ganzen Tag das Herz nicht, mich aufzurichten.
-
-Als mich aber die Nacht wieder ergriff, stund ich auf und wanderte,
-bis ich im Walde von ferne einen faulen Baum schimmern sahe, kehrete
-in neuer Forcht derowegen spornstreichs um und lief so lang, bis ich
-wieder einen gleichen Baum erblickte, davon ich gleichfalls floh. Also
-trieben mich die gefäuleten Bäum einer zum andern, bis mir zuletzt der
-liebe Tag zu Hilfe kam. Aber mein Herz stak voll Angst und Jammer,
-die Schenkel voll Müdigkeit, der Magen knurrte, das Maul lechzete,
-närrische Einbildungen erfüllten mein Hirn und schwerer Schlaf meine
-Augen. Ich ging dannoch fürder, wußte aber nicht wohin: je weiter, je
-tiefer von den Menschen hinweg in die Wildnus. Ein unvernünftig Tier
-hätt besser aus und ein gewußt. Doch war ich noch so witzig, als mich
-abermal die Nacht ereilte, daß ich in einen hohlen Baum kroch, darin zu
-schlafen. --
-
-Kaum war ich aber dargesunken, hörte ich eine Stimme:
-
-»O große Liebe, du mein einziger Trost! Meine Hoffnung, du mein
-Reichtum, o mein Gott!«
-
-Ganz unverständlich wallte die Stimme weiter, vor deren Seltsamkeit
-ich mich entsatzte. Allein es klang herfür, daß Hunger und Durst
-gestillet werden sollten, also riet mir mein ohnerträglich Verlangen,
-mich auch zu Gast zu laden; fasset ein Herz und kroch hinzu. Da wurde
-ich eines großen Mannes gewahr, in langen, schwarzgrauen Haaren, die
-ganz verworren auf den Achseln lagen. Er hatte einen wilden Bart, sein
-Angesicht war zwar bleich, gelb und mager, aber ziemlich lieblich.
-Der lange Rock starrte von tausend aufeinander gesetzten Flicken. Um
-Hals und Leib trug er eine schwere eiserne Kette gebunden wie ~St.
-Wilhelmus~. Ich fing an zu zittern wie ein nasser Hund. Was meine Angst
-noch mehrete, war ein Krucifix an sechs Schuhe lang, so er an seine
-Brust druckte. Ich konnte mich nicht anders entsinnen: ohn Zweifel, das
-war der Wolf!
-
-In solcher Angst wischte ich mit meiner Sackpfeifen herfür, ich bließ
-zu, stimmte an, ließ mich gewaltig hören, diesen greulichen Wolf zu
-vertreiben. Über solch gählinger und ungewöhnlicher Musik an einem so
-wilden Ort der Einsiedel anfänglich nicht wenig stutzte, ohn Zweifel
-vermeinend, der Teufel wollte ihn wie ~St. Antonio~ tribulieren und
-seine Andacht stören. Ich retirieret in den Baum, er aber ging mich an,
-den Feind des Menschengeschlechts genugsam auszuhöhnen:
-
-»Ha, du bist ein Gesell darzu, die Heiligen ohn göttliche Verhängnus...«
-
-Ich hab mehrers nit verstanden. Vor Grausen und Schröcken sank ich in
-Ohnmacht nieder.
-
-
-
-
-Das fünfte Kapitel
-
-
-Was gestalten mir wieder zu mir selbst verholfen worden, weiß ich
-nicht. Als ich mich erholet lag mein Kopf in des Alten Schoß und vorn
-war meine Juppe geöffnet. Da ich den Einsiedel so nahe bei mir sahe,
-fing ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir das Herz hätte
-aus dem Leibe reißen wollen. Er aber sagte:
-
-»Mein Sohn, schweig, ich tue dir nichts.«
-
-Je mehr er mich aber tröstete und mir liebkoste, je mehr ich schrie:
-
-»Du frißt mich! Du frißt mich! Du bist der Wolf und willst mich
-fressen!«
-
-»Eija wohl nein, mein Sohn. Sei zufrieden, ich friß dich nicht!«
-
-Dies Gefecht währete lang. Endlich ließ ich mich soweit weisen, mit ihm
-in die Hütte zu gehen. Da war Armut Hofmeisterin, Hunger Koch, Mangel
-Küchenmeister. Mein Magen aber ward mit Gemüs und einem Trunk Wasser
-gelabet und mein verwirrt Gemüt durch tröstliche Freundlichkeit wieder
-aufgerichtet. Der Schlaf befing mich zusehends und der Einsiedel ließ
-mir sein Lager, obgleich nur einer darin liegen konnte.
-
-Um Mitternacht erwachte ich und hörte den Alten singen:
-
- Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall,
- Laß deine Stimm mit Freudenschall
- Aufs lieblichste erklingen.
- Komm, komm, und lob den Schöpfer dein,
- Weil andre Vöglein schlafen sein
- Und nicht mehr mögen singen.
- Laß dein Stimmlein
- Laut erschallen, dann vor allen
- Kannst du loben
- Gott im Himmel hoch dort oben!
-
- Obschon ist hin der Sonnenschein,
- Und wir im Finstern müssen sein,
- So können wir doch singen
- Von Gottes Güt und seiner Macht,
- Weil uns kann hindern keine Nacht,
- Sein Lob zu vollenbringen.
- Drum dein Stimmlein
- Laß erschallen, dann vor allen
- Kannst du loben
- Gott im Himmel hoch dort oben.
-
- Echo, der wilde Widerhall,
- Will sein bei diesem Freudenschall
- Und lässet sich auch hören,
- Verweist uns alle Müdigkeit,
- Der wir ergeben allezeit,
- Lehrt uns den Schlaf betören.
- Drum dein Stimmlein
- Laß erschallen, dann vor allen
- Kannst du loben
- Gott im Himmel hoch dort oben.
-
- Die Sterne, so am Himmel stehn,
- Sich lassen zum Lob Gottes sehn
- Und Ehre ihm beweisen.
- Die Eul auch, die nicht singen kann,
- Zeigt doch mit ihrem Heulen an,
- Daß sie Gott auch tu preisen.
- Drum dein Stimmlein
- Laß erschallen, dann vor allen
- Kannst du loben
- Gott im Himmel hoch dort oben.
-
- Nur her, mein liebes Vögelein,
- Wir wollen nicht die Fäulsten sein
- Und schlafend liegen bleiben.
- Vielmehr bis daß die Morgenröt
- Erfreuet diese Wälder öd,
- In Gottes Lob vertreiben.
- Laß dein Stimmlein
- Laut erschallen, dann vor allen
- Kannst du loben
- Gott im Himmel hoch dort oben.
-
-Unter währendem diesem Gesang bedünkte mich wahrhaftig, daß Nachtigall
-sowohl als Eule und Echo eingestimmet hätten. Als wann ich je der
-Melodei des Morgensterns auf meiner Sackpfeifen gefolget wär, also
-trieb es mich, den Alten zu begleiten, da mir diese Harmonie so
-lieblich schiene -- doch ich entschlief.
-
-Bei hohem Tag stund der Einsiedel vor mir und sagte:
-
-»Auf, Kleiner und iß! Ich will dir alsdann den Weg weisen, daß du noch
-vor Nacht in das nächste Dorf und wieder zu den Leuten kommest.«
-
-Ich fragte ihn: »Was für Dinger? Dorf und Leut?«
-
-»Behüte Gott, weißt du nicht was Dorf und Leute seind? Bist du närrisch
-oder gescheit?«
-
-»Nein,« sagte ich, »ich bin meines Knäns Bub.«
-
-Darauf fielen unsere Reden und Gegenreden:
-
-»Wie heißt du?« -- »Bub.« -- »Wie hat dich Vater und Mutter gerufen?«
--- »Ich weiß von kein Vater und Mutter nicht.« -- »Wer hat dir das
-Hemd geben?« -- »Ei, mein Meuder.« -- »Wie hieße dich dann dein
-Meuder?« -- »Bub, Schelm, ungeschickter Dölpel, Galgenvogel.« -- »Wer
-ist deiner Meuder Mann?« -- »Niemand.« -- »Bei wem hat sie des Nachts
-geschlafen?« -- »Bei meinem Knän.« -- »Wie heißt der?« -- »Knän.«
--- »Wie hat ihn deine Meuder gerufen?« -- »Knän, auch Meister.« --
-»Niemalen anders?« -- »Ja.« -- »Wie dann?« -- »Rülp, grober Bengel,
-volle Sau.« -- »Du bist wohl ein unwissender Tropf!« -- »Ei, kennst du
-einen andern Namen?« -- »Und was weißt du von unserm Herrgott?« -- »Den
-kenn ich wohl.« -- »Also, wie kennst du ihn?« -- »Ja, der ist daheim an
-unserer Stubentür gestanden auf dem Gesims. Mein Meuder hat ihn von der
-Kirchweih heimgebracht und hingekleibt.« -- »Ach, daß Gott walte! Weißt
-du anders nicht? Bist du nie in die Kirche gangen?« -- »Ei ja wohl!
-Ich kann wacker klettern und hab als einen ganzen Wams voll Kirschen
-gebrockt.«
-
-»Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was vor eine große Gnade und
-Wohltat es ist, wem du deine Erkanntnus mitteilest, und wie gar nichts
-ein Mensch sei, dem du solche nicht gibest. Wüßte ich nur, wo deine
-Eltern wohneten, so wollte ich dich gern hinbringen und sie lehren, wie
-sie Kinder erziehen sollten.«
-
-»Unser Haus ist verbrannt. Mein Meuder und der Knän, also auch unser
-Ursele seind hinweggeloffen und wiederkommen und unser Magd ist krank
-im Stall gelegen.«
-
-»Wie ist das geschehen?«
-
-»Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die auf Ochsen ohn Hörn gesessen
-seind, haben Schaf, Küh' und Säu gestochen. Da bin ich auch weggeloffen
-und darnach hat das Haus gebrannt.«
-
-»Wo war dann dein Knän?«
-
-»Sie haben ihn angebunden und unser alte Geiß hat ihm die Füß geleckt,
-da hat mein Knän lachen müssen und hat denselben eisernen Männern viel
-Weißpfennig geben, groß und klein, hübsche gelbe und sonst glitzerechte
-Dinger und Schnüre voll weißer Küglein. Darauf hat unser Ann gesagt,
-ich soll auch weglaufen, sonst nehmen mich die Krieger mit.«
-
-»Wo hinaus willst du?«
-
-»Ich weiß Weger nit und will bei dir bleiben.«
-
-»So geh und iß,« sagte der Einsiedel.
-
-Das war unser ~discurs~, unter welchem mich der Alte oft mit
-allertiefstem Seufzen anschauete. Weiß nicht, ob es aus Mitleiden
-geschahe oder aus Ursach, die ich erst etliche Jahr hernach erfuhr.
-
-
-
-
-Das sechste Kapitel
-
-
-Ich futterte nach Notdurft, sonach mich der Einsiedel fortgehen hieß.
-Da suchte ich meine allerzartesten Worte herfür, daß er mich bei sich
-behielte, bis er beschloß meine verdrüßliche Gegenwart zu leiden, darum
-daß er mich unterrichtete.
-
-Ich hielt mich wohl, und er fand Gefallen an mir, da ich begierig seine
-Unterweisungen hörete und die wachsweiche, und zwar noch glatte Tafel
-meines Herzens seine Worte zu fassen sich geschickt erwies.
-
-Er lernete mir vom Fall Luzifers und wie unsere ersten Eltern aus dem
-Paradies verstoßen wurden, unterwies mich im Gesetz Moisis und den zehn
-Geboten, kam also auf das Leben, Sterben und die Auferstehung unseres
-Heilands, zuletzt beschloß er mit dem jüngsten Tag. Sein Leben und sein
-Reden waren mir eine immerwährende Predigt und ich gewann solche Liebe
-zu seinem Unterricht, daß ich des Nachts nicht davor schlafen konnte.
-So lernte ich auch beten. Da ich aber in purer Einfalt verblieben, hat
-mich der Einsiedel, weil weder er noch ich meinen rechten Namen gewußt,
-~SIMPLICIUS~ benannt.
-
-Wir baueten vor mich eine Hütte gleich der seinen von Holz, Reisern
-und Erde, fast formiert wie der Musketierer im Feld ihre Zelten, oder
-besser zu sagen, wie die Bauren ihre Rubenlöcher decken, kaum daß ich
-aufrecht darin sitzen konnte, so nieder. Mein Bett war von dürrem Laub
-und Gras, ebensogroß als die Hütte selbst.
-
-Als ich das erste Mal den Einsiedel in der Bibel lesen sahe, konnte ich
-mir nicht einbilden, mit wem er doch ein solch heimlich und, meinem
-Bedünken nach, sehr ernstlich Gespräch haben müßte; ich sahe wohl die
-Bewegung seiner Lippen, hingegen aber niemand, der mit ihm redete,
-und merkte doch an seinen Augen, daß ers mit etwas in selbigem Buch
-zu tun hatte. Ich gab Achtung auf das Buch, und nachdem er solches
-beigelegt, machte ich mich darhinter, schlugs auf und bekam im ersten
-Griff das erste Kapitel des Hiobs und die davor stehende Figur, so
-ein feiner Holzschnitt und schön illuminieret war, in die Augen. Ich
-fragte dieselbigen Bilder seltsame Sachen, weil mir aber keine Antwort
-widerfahren wollte, ward ich ungeduldig und sagte eben, als der
-Einsiedel hinter mich schlich:
-
-»Ihr kleine Hudler, habet ihr dann keine Mäuler mehr? Habet ihr nicht
-allererst mit meinem Vater lang genug schwätzen können? Ich sehe wohl,
-daß ihr auch dem armen Knän da seine Schafe heim treibet und das Haus
-angezündet habet. Halt! Halt! Ich will das Feuer noch wohl löschen!«
-
-Damit stund ich auf, Wasser zu holen.
-
-»Wohin, ~Simplici~?«
-
-»Ei Vater, da sind auch Krieger, die haben Schafe und wollen sie
-wegtreiben. Sie habens dem armen Mann da genommen, mit dem du erst
-geredet hast. So brennet sein Haus auch schon lichterlohe und wird
-verbrennen, wann ich nicht bald lösche.«
-
-Und ich zeigte mit dem Finger, was ich sahe.
-
-»Bleib nur, es ist noch keine Gefahr.«
-
-»Bist du dann blind? Wehre du, daß sie die Schafe nicht forttreiben, so
-will ich Wasser holen!«
-
-»Ei, diese Bilder leben nicht, sie seind nur gemacht, uns vorlängst
-geschehene Dinge vor Augen zu stellen.«
-
-»Du hast ja erst mit ihnen geredet, warum sollten sie dann nicht
-leben?«
-
-Der Einsiedel mußte wider Willen und Gewohnheit lachen.
-
-»Liebes Kind, die Bilder können nicht reden, was aber ihr Tun und Wesen
-sei, kann ich aus diesen schwarzen Zeichen sehen. Das nennt man Lesen.«
-
-Ich antwortete: »Wäre ich ein Mensch wie du, so müßte ich auch aus
-denen schwarzen Zeilen sehen können, was du kannst. Wie soll ich mich
-in dein Gespräch mit ihnen richten?«
-
-»Wohlan, mein Sohn, ich will dich lehren.«
-
-Demnach schrieb er mir ein Alphabet auf einer birkenen Rinden nach dem
-Druck formiert, und ich lernte buchstabieren, folgends lesen, endlich
-besser schreiben, als der Einsiedel selber konnte, weil ich alles dem
-Druck nachmalete. --
-
-Unsere Speise war allerhand Gewächs, Ruben, Kraut, Bohnen, Erbsen, und
-wir verschmäheten auch nicht Buchecker, wilde Äpfel, Birn und Kirschen,
-ja, die Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm. Brotfladen buken
-wir in heißer Aschen aus gestoßenem Welschkorn. Im Winter fingen wir
-Vögel an Sprinkeln und Stricken, im Frühling bescherete uns Gott Junge
-aus den Nestern. Wir behalfen uns mit Schnecken und Fröschen, so war
-uns auch mit Reusen und Anglen das Fischen und Krebsen nicht zu wider,
-welches alles unser grob Gemüs hinunterconvoieren mußte. Wir hatten
-auf ein Zeit ein junges wildes Schweinlein gefangen, welches wir, in
-einen Pferch versperret, mit Eicheln und Eckern auferzogen, gemästet
-und endlich verzehret, weil mein Einsiedel wußte, daß solches keine
-Sünde sein konnte, wann man genießet, was Gott dem ganzen menschlichen
-Geschlecht zu diesem End erschaffen. Von Gewürz brauchten wir nichts,
-dann wir dörften die Lust zum Trunk nicht erwecken. Die Notdurft an
-Salz gab uns ein Pfarrer, der ungefähr drei Meilwegs von uns wohnete.
-
-Des Hausrates war genug vorhanden: Schaufel, Haue, Axt, Beil und ein
-eiserner Kochhafen. Das wir von obgemeldtem Pfarrer entlehnet hatten.
-Jeder besaß ein stumpfes Messer zu eigen. Wir bedorften weder Schüssel
-noch Teller, Löffel, Gabel, Kessel, Pfannen, Rost und Bratspieß. Unser
-Hafen war Schüssel zugleich, unsere Hände Gabeln und Löffel. Wollten
-wir trinken, so hingen wir das Maul hinein, wie Gideons Kriegsleute.
-Von allerhand Gewand, Wolle, Seiden, Baumwolle und Leinen, alles zu
-Betten, Tischen und Tapezereien, hatten wir nichts, als wir auf dem
-Leibe trugen, weil wir genug zu haben schätzten, wann wir uns vor
-Regen und Frost beschützen könnten. Wir hielten keine gewisse Regul
-oder Ordnung, außerhalb an Sonn- und Feiertägen, an welchen wir schon
-um Mitternacht hinzugehen anfingen, damit wir noch frühe genug, ohn
-männliches Vermerken, in des obgemeldten Pfarrherrn Kirche kommen und
-dem Gottesdienst abwarten konnten.
-
-Ich lernete in solchem hartem Leben Hunger, Durst, Hitze, Kälte und
-große Arbeit überstehen und zuvorderst Gott erkennen und wie man ihm
-rechtschaffen dienen sollte, welches das vornehmste war. Zwar wollte
-mich mein getreuer Einsiedel ein Mehrers nicht wissen lassen, dann er
-hielte davor, es sei einem Christen genug, zu seinem Ziel und Zweck
-zu gelangen. Dahero es gekommen, obzwar ich mein Christentum wohl
-verstand und die deutsche Sprache so schön redete, als wann sie die
-~Orthographia~ selbst ausspräche, daß ich dannoch der Einfältigste
-verblieb, gestalten ich, wie ich den Wald verlassen, ein solch elender
-Tropf in der Welt war, daß man keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte
-locken können.
-
-
-
-
-Das siebente Kapitel
-
-
-Zwei Jahre ungefähr hatte ich zugebracht und das harte eremitische
-Leben kaum gewohnet, als mein bester Freund auf Erden seine Haue nahm,
-mir aber die Schaufel gab und mich an der Hand in unsern Garten führete.
-
-»Nun, ~Simplici~, liebes Kind, dieweil gottlob die Zeit vorhanden,
-daß ich aus der Welt scheiden, die Schuld der Natur bezahlen und
-dich in dieser Welt hinter mir verlassen soll, so habe ich dich auf
-dem angetretenen Weg der Tugend stärken und dir einzige Lehren zum
-Unterricht geben wollen, wie du dein irdisch Leben anstellen solltest,
-damit du gewürdigt werdest das Angesicht Gottes in jenem Leben ewiglich
-zu schauen, zumalen ich deines Lebens künftige Begegnüsse beiläufig
-sehe und wohl weiß, daß du in dieser Einöde nicht lange verharren
-wirst.«
-
-Diese Worte setzten meine Augen ins Wasser, wie hiebevor des Feindes
-Erfindung die Stadt Villingen, und sie waren mir so unerträglich, daß
-ich sie nicht ertragen konnte.
-
-»Herzliebster Vater, willst du mich allein in diesem wilden Wald
-verlassen?«
-
-Mehrers vermochte ich nicht heraus zu bringen, dann meines Herzens
-Qual ward aus überfließender Liebe, die ich zu meinem Vater trug,
-also heftig, daß ich gleichsam wie tot zu seinen Füßen niedersank.
-Er hingegen richtete mich auf, tröstete mich, so gut es Zeit und
-Gelegenheit zuließ, und verwiese mich gleichsam fragend:
-
-»Willst du der Ordnung des Allerhöchsten widerstreben? Was unterstehst
-du dich, meinem schwachen Leib, der nach Ruhe lechzet, aufzubürden?
-Ach nein, mein Sohn, laß mich fahren!«
-
-Und er riete mir getreulich: »Anstatt deines unnützen Geschreies folge
-meinen letzten Worten, welche seind, daß du dich je länger je mehr
-selbst erkennen sollst. Dann daß die meisten Menschen verdammt werden,
-ist Ursache, daß sie nicht gewußt haben, was sie gewesen und was sie
-werden müssen. Und hüt dich jederzeit vor böser Gesellschaft, dann
-derselben Schädlichkeit ist unaussprechlich. Bleib standhaft vor allen
-Dingen. Wer verharret bis ans Ende, der wird selig. So du aber aus
-menschlicher Schwachheit fällst, dann stehe durch rechtschaffene Buße
-geschwind wieder auf.«
-
-Nachdem mir der sorgfältige, fromme Mann solches vorgehalten, hat er
-mit seiner Haue angefangen, sein eigenes Grab zu machen. Ich half, so
-gut ich konnte, wie er mir befahl.
-
-»Mein lieber und wahrer, einziger Sohn, wann meine Seele an ihren Ort
-gegangen ist, so leiste meinem Leib deine Schuldigkeit und die letzte
-Ehre. Scharre mich mit dieser Erde wieder zu, die wir anjetzo aus der
-Grube graben.«
-
-Darauf nahm er mich in seine Arme und druckte mich küssend viel härter
-an seine Brust, als einem Mann, wie er zu sein schiene, hätte müglich
-sein können.
-
-»Liebes Kind, ich befehle dich in Gottes Schutz.«
-
-Ich hingegen konnte nichts anders als klagen und heulen, ich hing mich
-an seine Büßerketten und vermeinte ihn damit zu halten.
-
-Er aber sagte: »Laß mich, daß ich sehe, ob mir das Grab lang genug sei.«
-
-Legte demnach die Kette ab samt dem Oberrock und begab sich in das
-Grab wie einer, der sich sonst schlafen legen will.
-
-»Ach großer Gott, nun nimm wieder hin die Seele, die du mir gegeben!«
-
-Hierauf beschloß er seine Lippen und Augen sänftiglich. Ich aber
-stund da wie ein Stockfisch etlich Stunden, dieweil ich ihn öfters
-in dergleichen Verzuckungen gesehen. Da sich aber mein allerliebster
-Einsiedel nicht mehr aufrichten wollte, stieg ich zu ihm ins Grab und
-fing an ihn zu schütteln, zu küssen und zu liebeln. Aber da war kein
-Leben mehr.
-
-Nachdem ich lang mit jämmerlichem Geschrei hin und her geloffen, begann
-ich ihn zuzuscharren. Und wann ich kaum sein Angesicht bedeckt hatte,
-stieg ich wieder hinunter, entblößte es wieder, damit ichs noch einmal
-sehen und küssen konnte.
-
-
-
-
-Das achte Kapitel
-
-
-Über etliche Tage verfügte ich mich zu obgemeldtem Pfarrer und begehrte
-Rat von ihm. Unangesehen er mir nun stark widerraten, länger im Walde
-zu verbleiben, bin ich doch tapfer in meines Vorgängers Fußstapfen
-getreten, maßen ich den ganzen Sommer tät, was ein frommer Einsiedel
-tun soll. Aber gleichwie die Zeit alles ändert, so verringerte sich
-auch nach und nach mein Leid, und die scharfe Winterkälte löschte die
-innerliche Hitze meines steifen Vorsatzes zugleich aus. Jemehr ich
-anfing zu wanken, je träger ward ich in meinem Gebet und ich ließ
-mich die Begierde überherrschen, die Welt auch zu beschauen. Demnach
-gedachte ich wieder zu dem Pfarrer zu gehen und machte mich seinem Dorf
-zu, fand es aber in voller Flamme stehen, dann es eben eine Partei
-Reuter ausgeplündert und angezündet hatte. Die Bauren waren teils
-niedergemacht, viel verjaget und etliche gefangen, darunter auch der
-Pfarrer war. Die Reuter ruckten eben wegfertig aus und führten den
-Pfarrer an einem Strick daher. Unterschiedliche schrieen: Schieß den
-Schelmen nieder! Andre wollten Geld von ihm. Er hub die Hände auf und
-bat um des jüngsten Gerichtes willen um Verschonung und Barmherzigkeit.
-Aber einer ritte ihn übern Haufen und versetzte ihm gleich eins an
-Kopf, davon er alle vier von sich streckte.
-
-Indem kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren aus dem Wald, als ob
-man in ein Wespennest gestochen hätte. Die fingen an so gräulich zu
-schreien, so grimmig drein zu setzen und drauf zu schießen, daß mir
-alle Haar zu Berg stunden, weil ich noch niemals bei dergleichen
-Kirchweih gewesen, dann die spessarter Bauren lassen sich fürwahr so
-wenig als andre auf ihrem Mist foppen. Davon rissen die Reuter aus und
-schlugen ihre ganze Beute in den Wind.
-
-Diese Kurzweil benahm mir beinahe die Lust, die Welt zu beschauen,
-dann meine Wildnus mir anmutiger erschiene. Der Pfarrer lag ganz matt,
-schwach und kraftlos, doch hielt er mir vor, daß er nun selbst auf
-den Bettel geraten wäre, so hätte ich mich seiner Hilfleistung nichts
-zu getrösten. Zog demnach ganz traurig gegen den Wald, gedachte die
-Wildnus nimmer zu verlassen und ob es nicht möglich wäre, daß ich ohn
-Salz leben und also aller Menschen entbehren könnte. Mich zu bestärken
-zog ich meines Einsiedels hinterlassen hären Hemd an und hing seine
-Ketten über.
-
-Den andern Tag als ich bei meiner Hütte saß und zugleich neben dem
-Gebet gelbe Ruben zu meines Leibes Unterhaltung briet, umringten
-mich an fünfzig Musketierer. Zwar sie ob meiner Person Seltsamkeit
-erstauneten, so durchstürmten sie doch meine Hütte, suchten, was
-da nicht zu finden war, und warfen die Bücher durcheinander, weil
-sie ihnen nichts taugten. Endlich sahen sie, als sie mich besser
-betrachteten, an meinen Federn, was vor einen schlechten Vogel sie
-gefangen hatten, und konnten leicht ihre Rechnung machen; doch
-verwunderten sie sich über mein hartes Leben. Ja, der Offizierer ehrte
-mich und begehrte gleichsam bittend, ich wolle ihm den Weg aus dem Wald
-weisen. Ich widerte mich nicht und führte sie am nächsten Weg dem Dorf
-zu.
-
-Ehe wir aber vor den Wald kamen, sahen wir ungefähr zehn Bauren, deren
-ein Teil mit Feuerrohren bewehrt, die übrigen aber beschäftigt waren,
-etwas einzugraben. Die Musketierer schrieen: Halt! Halt! Jene aber
-antworteten mit den Rohren. Wie sie jedoch sahen, daß sie übermannet
-waren, gingen sie schnell durch. Die müden Soldaten konnten keinen
-ereilen, huben aber an auszugraben. Sie hatten wenig Streich getan, da
-hörten sie eine Stimme von unten herauf:
-
-»O, ihr Erzbösewichter, vermeinet ihr wohl, daß der Himmel euer
-unchristliche Grausamkeit und Bubenstücke ungestraft hingehen lassen
-werde? Nein, eure Unmenschlichkeit soll vergolten werden.«
-
-Hierüber sahen die Soldaten einander an, weil sie nicht wußten, was sie
-tun sollten. Etliche vermeinten, sie hätten ein Gespenst. Ich gedachte,
-es träume mir. Ihr Offizier hieß sie tapfer zu graben.
-
-Sie kamen auf ein Faß, schlugens auf und fanden einen Kerl darin, der
-weder Nasen noch Ohren mehr hatte, gleichwohl noch lebte. Sobald er
-sich ein wenig ermunterte, erzählte er: Ihrer sechs seines Regiments,
-so auf Fourage gewesen, seien von den Bauren ergriffen worden. Sie
-hätten hintereinander stehen müssen, davon die ersten Fünf von einer
-Kugel tot geschossen worden seien, ihn aber, den letzten, habe
-die Kugel nicht mehr erlanget. Da hätten sie ihm Nase und Ohren
-abgeschnitten, zuvor aber ihn gezwungen, daß er ihrer fünfen (~salva
-venia~) den Hintern lecken müssen. Da er sich so gar geschmähet
-gesehen, hätte er ihnen die allerunnützesten Worte gegeben, der
-Hoffnung, es würde ihm etwan einer aus Ungeduld eine Kugel schenken,
-aber vergebens. Nachdem er sie so erbittert, hätten sie ihn in
-gegenwärtig Faß gesteckt und also lebendig begraben, sprechend: Weil er
-des Todes so eifrig begehre, wollten sie ihm zum Possen hierin nicht
-willfahren.
-
-Indem kam eine andre Partei Soldaten den Wald herauf, sie hatten
-obgedachte Bauren angetroffen, fünf davon gefangen, die andern
-erschossen. Unter den gefangenen waren vier, denen der übel
-zugerichtete Reuter zuvor so schandlich hatte zu Willen sein müssen.
-Als nun beide Parteien erkannten einerlei Kriegsvolk zu sein, traten
-sie zusammen.
-
-Da sollte man sein blaues Wunder gesehen haben, wie die Bauren getrillt
-wurden. Etliche wollten sie zwar in der ersten Furi totschießen,
-andere aber sagten: »Nein, man muß die leichtfertigen Vögel zuvor
-rechtschaffen quälen und ihnen eintränken, was sie diesem Reuter zu
-tun geheißen.« Dahingegen sagte ein anderer: »Dieser Kerl ist nichts
-wert, dann wäre er kein Bernheuter gewesen, so hätte er allen redlichen
-Soldaten zu Spott solch schändliche Arbeit nicht verrichtet, sondern
-wäre tausendmal lieber gestorben.« Endlich ward beschlossen, daß ein
-jeder von den sauber gemachten Bauren an zehn Soldaten wett mache,
-was er von dem Reuter empfangen, und darzu sagen sollte: ‚Hiermit
-lösche ich wieder aus und wische ab die Schande, die sich die Soldaten
-einbilden empfangen zu haben, als uns ein Bernheuter tat, wie ich ihnen
-tue.’
-
-Darauf schritten sie zur Sache, aber die Bauren waren so halsstarrig,
-daß sie weder durch Verheißung des Lebens noch durch Marter dazu
-gezwungen werden konnten.
-
-Einer führete den fünften Bauren, an dem der Reuter nicht schandbar
-geworden war, etwas beiseits und sagte zu ihm: »Wann du Gott und seine
-Heiligen verläugnen wilt, werde ich dich dahin laufen lassen, wohin
-du begehrest.« Der Bauer antwortete, er hätte sein Lebtag nichts auf
-Heilige gehalten und auch geringe Kundschaft mit Gott selbst gehabt.
-Schwur darauf ~solenniter~, daß er Gott nicht kenne. Hierauf jagte ihm
-der Soldat eine Kugel an die Stirn, welche aber so viel effektuiert,
-als wann die an einen stählernen Berg gangen wäre. Also zuckte er seine
-Plempe und rief:
-
-»Holla, bist du solch ein Schelm! Ich habe versprochen, dich laufen
-zu lassen, wohin du begehrest, so schicke ich dich nun ins höllische
-Reich, weil du nicht in den Himmel wilt!«
-
-Und spaltete ihm damit den Kopf bis an die Zähne.
-
-Indessen banden die andern Soldaten die vier übrigen Bauren mit
-Händen und Füßen an einen umgefallenen Baum so artlich, daß sie ihre
-Posteriora gerad in die Höhe kehrten. Nachdem sie den Bauren die Hosen
-abgezogen, nahmen sie etliche Klafter Lunten, machten Knöpfe daran und
-fidelten die armen Schelme also bis Haut und Fleisch ganz von dem Bein
-hinweg war. Mich aber ließen sie nach meiner Hütte gehen.
-
-Da ich wieder heim kam, befand ich, daß mein Feuerzeug und ganzer
-Hausrat samt allem Vorrat an armseligen Speisen, die ich im Garten
-erzogen und auf den künftigen Winter vor mein Maul gesparet hatte, mir
-einander fort war. -- Wo nun hinaus?
-
-Überdas lagen mir die Sachen, so ich denselben Tag gehöret und gesehen,
-ohn Unterlaß im Sinn. Ich dachte nicht sowohl meiner Erhaltung nach als
-der ~Antipathia~, die sich zwischen Soldaten und Bauren enthält. Ich
-meinte, es müßten ohnfehlbar zweierlei Menschen in der Welt sein, wilde
-und zahme, weil sie einander so grausam verfolgten.
-
-
-
-
-Das neunte Kapitel
-
-
-In solchen Gedanken entschlief ich vor Unmut und Kälte mit einem
-hungrigen Magen.
-
-Da dünkte mich, als wenn sich alle Bäume gähling veränderten. Auf
-jedem Gipfel saß ein Kavalier und anstatt der Blätter trugen die Äste
-allerhand Kerle. Von solchen hatten etliche lange Spieße, andere
-Musketen, kurz Gewehr, Partisanen, Fähnlein, auch Trommeln und Pfeifen,
-lustig anzusehen und fein gradweis auseinandergeteilet. Die Wurzel aber
-war von ungültigen Leuten, als Handwerkern, Taglöhnern, mehrenteils
-Bauren und dergleichen bestanden, welche nichts desto weniger dem Baum
-seine Kraft verliehen und erneureten; ja, sie ersetzten den Mangel
-der abgefallenen Blätter aus den Ihrigen zum eigenen noch größeren
-Verderben. Benebens seufzten sie über diejenigen, so auf dem Baume
-saßen, dann die ganze Last des Baums lag auf ihnen und drückte sie
-dermaßen, daß ihnen das Geld aus dem Beutel herfürging. So es aber
-nicht herfürwollte, striegelten sie die ~Commissarii~ mit Besen, die
-man militarische ~Execution~ nennet, daß ihnen die Seufzer aus dem
-Herzen, die Tränen aus den Augen, das Blut aus den Nägeln und das Mark
-aus den Beinen herausging.
-
-Also mußten sich die Wurzeln dieser Bäume in lauter Mühseligkeit,
-diejenigen aber auf den untersten Ästen in größerer Arbeit und Ungemach
-gedulden und durchbringen. Doch waren diese jeweils lustiger, aber auch
-trotzig, mehrenteils gottlos und jederzeit eine schwere, unerträgliche
-Last der Wurzel.
-
- Hunger und Durst, auch Hitz und Kält,
- Arbeit und Armut, wie es fällt,
- Gewalttat, Ungerechtigkeit
- Treiben die Landsknecht allezeit.
-
-Schlemmen und dämmen, Hunger und Durst, huren und buben, raßlen und
-spielen, morden und gemordet werden, tribulieren und wieder getrillet
-werden, jagen und gejagt werden, plündern und geplündert werden,
-förchten und wieder geförchtet werden, Jammer anstellen und wieder
-jämmerlich leiden, ~in summa~ nur verderben, beschädigen und verderbt,
-beschädigt werden, das war ihr ganzes Tun und Wesen. Und nicht Winter
-und Sommer, nicht Regen noch Wind, Berg noch Tal, weder Morast, Gruben,
-Meer, Mauer, Feuer noch Wälle, weder Vater noch Mutter, weder Gefahr
-ihrer Leiber, Seelen und Gewissen, ja, nicht Verlust des Lebens noch
-des Himmels verhinderte sie daran. Sie weberten in ihren Werken emsig
-fort, bis sie endlich in Schlachten, Belägerungen, Stürmen, Feldzügen
-und den Quartieren selbsten umkamen, verdarben und krepierten. Etliche
-wenige, die in ihrem Alter, wann sie nicht wacker geschunden und
-gestohlen hatten, Bettler und Landstürzer abgaben.
-
-Zunächst darüber saßen alte Hühnerfänger, die sich etliche Jahre mit
-höchster Gefahr auf den untersten Ästen gehalten hatten, sie sahen
-etwas reputierlicher aus. Darüber befanden sich noch höhere, die
-Wammesklopfer, weil sie die untersten zu kommandieren hatten. Sie
-fegten den Pikenieren mit Prügeln und Höllenpotzmarter Rücken und Kopf
-und gaben den Musketierern Baumöl.
-
-Darüber hatte des Baumes Stamm einen Absatz, ein glatt Stück ohne Äste
-mit seltsamen Seifen der Mißgunst geschmieret. Kein Kerl, er sei dann
-vom Adel, konnte da hinaufsteigen, dann der Stamm war glätter poliert
-als ein stählerner Spiegel.
-
-Und darüber saßen die mit den Fähnlein, Junge, denen ihre Vettern
-hinaufgeholfen, Alte, so auf der silbernen Leiter, die man Schmiralia
-nennet, oder mangels anderer hinaufgestiegen waren. Je höher, desto
-besser saßen sie.
-
-Wann ein ~Commissarius~ daherkam und eine Wanne voll Geld über den Baum
-abschüttete, solchen zu erquicken, ließen sie den Untersten soviel
-wie nichts zukommen. Dahero pflegten von den Untersten mehr Hungers
-zu sterben, als ihrer vom Feind umkamen. So war ein unaufhörliches
-Gekrappel und Aufklettern an diesem Baum. Die Untersten hofften der
-Oberen Fall, geriet es einem unter zehentausend, so stund er im
-verdrüßlichen Alter, daß er besser hinter den Ofen taugte, Äpfel zu
-braten, als im Feld vor dem Feind zu liegen. Man nahm dahero anstatt
-der alten Soldaten viel lieber Plackschmeißer, Kammerdiener, arme
-Edelleute, irgends Vettern und Schmarotzer und Hungerleider, die denen,
-so etwas meritiert, das Brot vorm Maul abschnitten und Fähnrich wurden.
-
-Dieses verdroß einen Feldwaibel so sehr, daß er trefflich anfing zu
-schmälen. Aber Adelhold sagte:
-
-»Graue Bärte schlagen den Feind nicht, man könnte sonst eine Herde
-Böcke zu solchem Geschäft dingen. Sage mir, du alter Krachwadel, ob
-nicht edelgeborene Offizierer von der Soldateska besser respektieret
-werden, dann die, so zuvor gemeine Knechte gewesen? Ist einem
-Baurenbuben, der seinem Vater vom Pfluge entlaufen, besser zu trauen?
-Ein rechtschaffener Edelmann, eh er seinem Geschlecht durch Untreue,
-Feldflucht oder sonst dergleichen einen Schandfleck anhinge, eh
-würde er ehrlich sterben. Und wann schon einer von euch ein guter
-Soldat ist, der Pulver riechen und in allen Begebenheiten treffliche
-Anschläge geben kann, so ist er darum nicht gleich tüchtig andere zu
-kommandieren. Wenn man den Baur über den Edelmann setzte und also
-strack zu Herren machte, es stünde nach dem gemeinen Sprichwort nicht
-fein:
-
- Es ist kein Schwert, das schärfer schiert,
- Als wann der Baur zum Herren wird.
-
-Hingegen aber ist ein junger Hund zum jagen viel freudiger als ein
-alter Löw.«
-
-Der Feldwaibel antwortete: »Welcher Narr wollte dann dienen, wann
-er nicht hoffen darf, um seine Treue belohnt zu werden? Der Teufel
-hole solchen Krieg! Dann gilt es gleich, ob sich einer wohl hält oder
-nicht. Ich habe von unserm alten Obristen vielmals gehöret, daß er
-keinen Soldaten begehre, der sich nicht festiglich einbilde, durch
-Wohlverhalten ein General zu werden.
-
- Die Lampe leucht' dir fein, doch mußt du sie auch laben
- Mit fett Olivensaft, die Flamm sonst bald verlischt.
- Getreuer Dienst durch Lohn gemehrt wird und erfrischt.
- Soldatentapferkeit will Unterhaltung haben.
-
-Ich sehe wohl, die Türen zu Würde und Amt werden uns durch den Adel
-verschlossen gehalten. Man setzet den Adel, wann er aus der Schalen
-gekrochen, gleich an solche Örter, da wir uns nimmermehr keine Gedanken
-hin machen dörfen, wanngleich wir mehr getan haben, als mancher
-~Nobilist~, den man jetzo für einen Obristen vorstellet. Also veraltet
-manch wackerer Soldat unter seiner Muskete, der billiger ein Regiment
-meritierte.«
-
-Ich wollte dem alten Esel nicht mehr zuhören, der oft die armen
-Soldaten prügelte wie die Hunde.
-
-Ich wandte mich wieder gegen die Bäume. Das ganze Land stund deren voll
-und ich sahe, wie sie sich bewegten und zusammenstießen. Da prasselten
-die Kerl haufenweise herunter, augenblicklich frisch und tot. Und
-mich bedauchte alle Bäume wären nur einer, auf dessen Gipfel saße der
-Kriegsgott ~Mars~ und bedeckte mit des Baumes Ästen ganz Europam.
-
-Da hob sich ein scharfer Nordwind. Unter gewaltigem Gerassel und
-Zertrümmerung des Baums höret ich eine Stimme:
-
- Die Steineich, durch den Wind getrieben und verletzet,
- Ihr eigen Äst abbricht, sich ins Verderben setzet:
- Durch innerlichen Krieg und brüderlichen Streit
- Wird alles umgekehrt und folget lauter Leid.
-
-Und ich ward aus dem Schlaf erweckt und sahe mich nur allein in meiner
-Hütte.
-
-Dahero fing ich wieder an zu bedenken, was ich immermehr beginnen
-sollte. Nichts war mir übrig als noch etliche Bücher, welche hin- und
-hergestreut und durch einander geworfen lagen. Als ich solche mit
-weinenden Augen auflase, fand ich ungefähr ein Brieflein, das mein
-Einsiedel bei seinem Leben noch geschrieben hatte.
-
-‚Lieber ~Simplici~, wenn du dies Brieflein findest, so gehe alsbald
-aus dem Wald und errette dich und den Pfarrer aus gegenwärtigen Nöten.
-Bedenke und tue ohn Unterlaß nach meinen letzten Reden, so wirst du
-bestehen mögen. ~Vale~!’
-
-Ich küßte das Brieflein und das Grab des Einsiedels zu viel tausend
-Malen und machte mich auf den Weg, Menschen zu suchen. Den dritten Tag
-kam ich nach Gelnhausen auf ein Feld, das lag überall voller Garben,
-welche die Bauren, weil sie nach der namhaften Schlacht vor Nördlingen
-verjagt worden, nicht hatten einführen können. Da genosse ich gleichsam
-eines hochzeitlichen Mahles und sättigte mich mit ausgeriebenem Weizen.
-
-
-
-
-Das zehent Kapitel
-
-
-Da es tagete, begab ich mich zum nächsten nach Gelnhausen und fand
-das Tor offen, zum Teil verbrannt, halber noch mit Mist verschanzt.
-Ich konnte keines lebendigen Menschen gewahr werden. Die Gassen hin
-und her lagen mit Toten überstreut, deren etliche ganz, etliche aber
-bis aufs Hemd ausgezogen waren. Dieser jämmerliche Anblick war mir
-ein erschröcklich ~Spectacul~. Kaum zween Steinwürfe weit kam ich in
-die Stadt, als ich mich derselben schon sattgesehen hatte. Derowegen
-kehrete ich wieder um, ging durch die Aue nebenhin und kam vor die
-herrliche Festung Hanau. Aber mich erdappten von deren erster Wacht
-gleich zween Musketierer, die mich in ihre ~Corps de Garde~ führten.
-
-Meine Kleidung und Gebärden waren genugsam verwunderlich, widerwärtig
-und durchaus seltsam: Meine Haare waren in dritthalb Jahren weder
-auf griechisch, deutsch, noch französisch abgeschnitten, gekampelt,
-noch gekräuselt oder gebüfft worden, sondern sie stunden in ihrer
-natürlichen Verwirrung noch mit mehr als jährigem Staub anstatt des
-Puders durchstreut. Ich sahe darunter mit meinem bleichen Angesicht
-herfür, wie eine Schleiereule, die auf eine Maus spannet. Und weil
-meine Haare von Natur kraus waren, hatte es das Ansehen, als wann
-ich einen Turban aufgehabt hätte. Der übrige Habit stimmte mit der
-Hauptzier überein. Ich trug meines Einsiedels tausendfältig geflickten
-Rock und darüber das hären Hemd wie ein Schulterkleid, weil ich
-die Ärmel an Strumpfs Statt brauchte und dieselben zu solchem End
-herabgetrennt hatte. Der ganze Leib war mit eisernen Ketten hinten
-und vorn, fein kreuzweis, wie man ~St. Wilhelmum~ zu malen pfleget,
-umgürtet, so daß ich fast denen glich, so von den Türken gefangen und
-vor ihre Freunde zu betteln im Land umziehen. Meine Füße schlurften
-in Holzschuhen und waren krebsrot, als wann ich ein Paar Strümpfe auf
-spanisch Leibfarb angehabt oder die Haut mit Fernambuc gefärbt hätte.
-Ein Gaukler oder Marktschreier vermochte mich wohl als einen Samojeden
-oder Grünländer dargeben, so daß er manchen Narren angetroffen hätte,
-der einen Kreuzer an mir versehen konnte. Obzwar ich nach meinem
-magern und ausgehungerten Anblick keinem Frauenzimmer oder irgendeines
-großen Herrn Hofhaltung entlaufen sein mochte, so ward ich jedoch
-unter der Wacht streng examiniert. Und gleichwie sich die Soldaten
-an mir vergafften, also betrachtet ich hingegen ihres Offizierers
-tollen Aufzug, dem ich Red und Antwort geben mußte. Ich wußte nicht,
-ob er Sie oder Er wäre, dann er trug Haare und Bart auf französisch:
-zu beiden Seiten hatte er lange Zöpfe wie Pferdeschwänze und sein
-Bart war so elend zugerichtet und verstümpelt, daß zwischen Maul und
-Nase nur noch etliche wenige Haare kurz davongekommen. Nicht weniger
-satzten mich seine weiten Hosen des Geschlechtes halber in nicht
-geringe Zweifel, als welche mir vielmehr einen Weiberrock dann ein Paar
-Mannshosen vorstelleten. Gewißlich ist es ein Weib, gedachte ich, dann
-eine ehrlicher Mann wird seinen Bart wohl nimmermehr so jämmerlich
-verketzern lassen. Endlich hielt ich ihn für einen Mann und Weib
-zugleich.
-
-Dieser weibische Mann ließ mich überall besuchen, fand aber nichts bei
-mir als ein Büchlein von Birkenrinden, darin ich meine täglichen Gebete
-geschrieben und auch meines frommen Einsiedels Zettlein, so er mir zum
-~Valete~ hinterlassen, liegen hatte. Solches nahm er mir. Ich fiel vor
-ihm nieder, fasste ihn um beide Knie und sagte:
-
-»Mein lieber Hermaphrodit, laß mir doch mein Gebetbüchlein!«
-
-»Du Narr,« antwortete er, »wer Teufel hat dir gesagt, daß ich Hermann
-heiß!«
-
-Befahl darauf zweien Soldaten mich mitsamt dem Büchlein, dann der Geck
-konnte nicht lesen, zum Gubernator zu bringen. Und jedermann lief zu,
-als wenn ein Meerwunder zur Schau geführet würde.
-
-Der Gubernator fragte mich, wo ich herkäme. Ich antwortete: »Ich
-weiß es nicht.« Er fragte weiter: »Wo willst du dann hin?« Meine
-Antwort war: »Ich weiß es nicht.« -- »Was Teufel weißt du dann? Was
-ist deine Hantierung?« Ich kunnt nur sagen: »Ich weiß es nicht.« --
-»Wo bist du zuhaus?« Als ich nun wiederum antwortete, ich wüßte es
-nicht, veränderte er seine Mienen, weiß nicht, ob es aus Zorn oder
-Verwunderung geschahe. Dieweil aber jedermann das Böse zu argwöhnen
-pfleget, zumal auch der Feind nahe war, der in voriger Nacht Gelnhausen
-eingenommen und ein Regiment Dragoner darin zu Schanden gemacht hatte,
-hielt mich der Gubernator für einen Kundschafter. Die Wachtsoldaten
-gaben Bericht, daß anders nichts bei mir wäre gefunden worden, als
-gegenwärtiges Büchlein, darin er alsbald ein paar Zeilen las und
-fragte, wer mir das Büchlein gegeben hätte. Ich antwortete, es wäre von
-Anfang mein Eigen und von mir selbst gemacht und überschrieben.
-
-»Warum eben auf birkenen Rinden?«
-
-»Weil sich die Rinden von andern Bäumen nicht darzu schicken.«
-
-»Du Flegel, ich frage, warum du nicht auf Papier geschrieben hast.«
-
-»Wir haben keins mehr im Wald gehabt.«
-
-»Wo, in welchem Wald?«
-
-Ich antwortete wieder auf meinem alten Schrot, ich wüßte es nicht.
-Da wandte sich der Gubernator zu etlichen Offizierern, die ihm eben
-aufwarteten: »Entweder ist dieser ein Erzschelm oder gar ein Narr.« Und
-indem er redete, blätterte er in meinem Büchlein so stark herum, daß
-des Einsiedel Briefchen herausfallen mußte. Solches ließ er aufheben,
-ich aber entfärbte mich darüber, weil ichs vor meinen höchsten Schatz
-und Heiligtum hielt, daher der Gubernator noch größeren Argwohn
-schöpfte. Er las den Brief und sagte: »Ich kenne einmal diese Hand und
-weiß, daß sie von einem wohlbekannten Kriegsoffizier ist geschrieben
-worden, ich kann mich aber nicht entsinnen von welchem.«
-
-So kam ihm auch der Inhalt seltsam und unverständlich vor.
-
-»Dies ist ohn Zweifel,« erkläret er, »eine abgeredte Sprache, die sonst
-niemand verstehet. Wie heißt du?«
-
-»~Simplicius~.«
-
-»Ja, ja, du bist eben der rechte Kauz. Fort, daß man ihn alsobald an
-Hand und Fuß in Eisen schließe!«
-
-Also wanderten die beiden Soldaten mit mir nach meiner neuen Herberge,
-dem Stockhaus, und überantworteten mich dem Gewaltiger, der mich mit
-Ketten an Händen und Füßen zierete, gleichsam als hätte ich nicht genug
-an mir getragen.
-
-Dieser Willkomm war der Welt noch zu lieblich, dann es kamen Henker und
-Steckenknechte mit erschröcklichen Folterungsinstrumenten, die meinen
-elenden Zustand allererst grausam machten.
-
-»Ach Gott,« sagte ich zu mir, »wie geschiehet dir so recht! O, du
-unglückseliger ~Simplici~! Dahin bringet dich deine Undankbarkeit:
-Siehe Gott hatte dich kaum zu seiner Erkanntnus und in seine Dienste
-gebracht, so laufst du hingegen aus seinen Diensten. O blinder Ploch,
-du hast dieselben verlassen, deinen schändlichen Begierden genug zu
-tun und die Welt zu sehen! Jetzt fahre hin und empfahe den Lohn deiner
-gehabten eitelen Gedanken und vermessenen Torheit!«
-
-Indessen näherten wir uns dem Diebsturm, und als die Not am größten, da
-war die Hilfe Gottes am nähesten: dann als ich mit den Schergen samt
-einer großen Menge vorm Gefängnus stund, zu warten bis es aufgemachet,
-wollte mein Pfarrer (dann er lag zunächst dabei auch im Arrest) sehen,
-was da vorhanden wäre. Er sahe mich und rief überlaut: »O ~Simplici~,
-bist du es!«
-
-Da hub ich beide Hände auf und schrie: »O Vater! O Vater!«
-
-Er fragte mich, was ich getan hätte. Ich antwortete, ich wüßte es
-nicht. Als er aber den Umstand vernahm, bat er, man wollte mit mir
-inhalten, bis er meine Beschaffenheit dem Herrn Gubernator berichtet
-hätte, dann solches würde verhüten, daß er sich an uns beiden
-vergreife.
-
-
-
-
-Das elfte Kapitel
-
-
-Es wurde erlaubt, und über eine halbe Stunde ward ich auch geholt
-und in die Gesindestube gesetzet, allwo sich schon zween Schneider,
-ein Schuster mit Schuhen, ein Kaufmann mit Hüten und Strümpfen und
-ein anderer mit allerhand Gewand eingestellt hatten, damit ich ehist
-gekleidet würde. Folgends erschien ein Feldscherer mit scharfer Lauge
-und wohlriechender Seife und eben als dieser seine Kunst an mir üben
-wollte, kam ein anderer Befehl, welcher mich greulich erschreckte: Ich
-sollte meinen Habit wieder anziehen. War aber nicht böß gemeint, dann
-es kam ein Maler mit seinen Werkzeugen daher, nämlich mit Minien und
-Zinober zu meinen Augenlidern, mit Lack, Endig und Lasur zu meinen
-Korallenlippen, mit Auripigmentum, Rausch-schütt und Bleigelb zu meinen
-weißen Zähnen, die ich vor Hunger bleckte, mit Kienruß, Kohlschwärz
-und Umbra zu meinen blonden Haaren, mit Bleiweiß zu meinen gräßlichen
-Augen und mit sonst vielerlei Farben zu meinem wetterfarbigen Rock,
-auch hatte er eine ganze Hand voll Pensel. Dieser fing an, mich zu
-beschauen, abzureißen, zu untermalen, seinen Kopf über die Seite zu
-hängen, um seine Arbeit gegen meine Gestalt genau zu betrachten, und
-änderte so lange, bis er endlich ein natürliches Muster entworfen
-hatte, wie ~Simplicius~ eins war. Alsdann dorfte allererst der
-Feldscherer über mich herwischen, derselbe zwackte mir den Kopf und
-richtete wohl anderthalb Stund an meinen Haaren, folgends schnitt er
-sie ab auf die damalige Mode, dann ich hatte Haar übrig. Nachgehends
-satzte er mich in ein Badstüblein und säuberte meinen ausgehungerten
-Leib von mehr als drei- und vierjähriger Unlust. Kaum war er fertig,
-da brachte man mir ein weißes Hemd, Schuhe und Strümpfe samt einem
-Überschlag und Kragen, auch Hut und Feder. Die Hosen waren gar schön
-ausgemacht und überall mit Galaunen verbrämt. Die Schneider arbeiteten
-noch auf die Eil am Wams. Der Koch stellte sich mit einem kräftigen
-Süpplein ein und die Kellerin mit einem Trunk. Da saß mein Herr
-~Simplicius~ wie ein junger Graf zum besten ~accommodiert~. Ich glaube
-schwerlich, daß ich mein Lebtag ein einzig Mal eine größere Wollust
-empfunden als eben damals. Mein Waldkleid samt Ketten und allem Zugehör
-ward in die Kunstkammer zu andern raren Sachen und Antiquitäten getan,
-daneben mein Bildnus.
-
-Nach dem Nachtessen ward ich in ein Bette geleget, dergleichen ich nie
-gekannt. Aber mein Bauch knurrte und murrte die ganze Nacht hindurch,
-daß ich nicht schlafen konnte, weil er entweder nicht wußte, was gut
-war, oder weil er sich über die anmütigen, neuen Speisen verwunderte.
-Ich blieb aber liegen, bis die liebe Sonne wieder leuchtete.
-
-Denselben Morgen gab mir der Gubernator einen Leibschützen, der mich zu
-meinem Pfarrer brachte. In dessen ~Museo~ satzten wir uns und er ließ
-mich vernehmen:
-
-»Lieber ~Simplici~, der Einsiedel, den du im Walde angetroffen und
-bis zu seinem Tode Gesellschaft geleistet hast, ist nicht allein
-des hießigen Gouverneurs Schwager, sondern auch im Krieg sein
-Beförderer und wertester Freund gewesen, wie dem Gubernator mir zu
-erzählen beliebet. Ihm ist von Jugend auf weder an Tapferkeit noch an
-Gottseligkeit niemals nichts abgegangen, welche beiden Tugenden man
-zwar selten bei einander zu finden pflegt. Sein geistlicher Sinn und
-widerwärtige Begegnüsse hemmten endlich den Lauf seiner weltlichen
-Glückseligkeit, daß er Adel und ansehnliche Güter verschmähete und
-hintan setzte und sein Dichten und Trachten fortan nur nach einem
-erbärmlichen, eremitischen Leben gerichtet war. -- Ich will dir aber
-auch nicht verhalten, wie er in den Spessart zu solchem Einsiedlerleben
-gekommen sei.
-
-Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht von Höchst verloren
-worden, kam er einzig und allein vor meinen Pfarrhof, als ich eben mit
-meinem Weib und Kindern gegen den Morgen entschlafen war, weil wir
-wegen des Lärmens im Land, beides: der Flüchtigen und Nachjagenden, die
-vorige und auch selbige halbe Nacht durch und durch gewachet hatten.
-Er klopfte erst sittig an, folgends ungestüm genug, bis er mich und
-mein schlaftrunkenes Gesind erweckte. Nach wenig Wortwechseln, welches
-beiderseits gar bescheiden fiel, ward ihm die Tür geöffnet, und ich
-sahe den Kavalier vom Pferde steigen. Sein kostbarlich Kleid war
-ebenso sehr mit seiner Feinde Blut besprengt als mit Gold und Silber
-verbrämt. Er besänftigte Forcht und Schrecken, indem er seinen bloßen
-Degen einsteckte, und ich sprach ihn seiner schönen Person und des
-herrlichen Ansehens halber vor den Mansfelder selbst an. Er aber sagte,
-er sei denselben vor diesmal nur in der Unglückseligkeit nicht allein
-zu vergleichen, sondern auch vorzuziehen. Drei Dinge beklagte er: Seine
-verlorene, hochschwangere Gemahlin, die verlorene Schlacht und, daß er
-nicht vor das Evangelium sein Leben zu lassen das Glück gehabt hätte.
-Ich wollte ihn trösten, sahe aber bald, daß seine Großmütigkeit keines
-Trostes bedurfte. Er begehrte ein Soldatenbett von frischem Stroh.
-
-Das erste am folgenden Morgen war, daß er mir sein Pferd schenkte
-und sein Gold samt etlichen köstlichen Ringen unter meine Frau,
-Kinder und Gesinde austeilete. Ich trug Bedenken, so große Verehrung
-anzunehmen. Er aber sagte, er wollte mich vor Gefahr des Argwohns mit
-seiner eigenen Handschrift versichern, ja er begehrte sogar sein Hemd,
-geschweige seine Kleider aus meinem Pfarrhof nicht zu tragen. Ich
-wehrete mit Händen und Füßen, was ich konnte, weil solches Vorhaben
-zumal nach dem Papsttum schmäcke (dann er eröffnete unumwunden, ein
-Eremit zu werden) mit Erinnerung, daß er dem Evangelio mehr mit
-seinem Degen würde dienen können. Aber vergeblich. Ich mußte ihn mit
-denjenigen Büchern und Hausrat montieren, die du bei ihm gefunden,
-und er ließ sich einen Rock aus der wollenen Decke machen, darunter
-er dieselbe Nacht auf dem Stroh geschlafen. So mußte ich auch meine
-Wagenketten mit ihm um eine göldene, daran er seiner Liebsten
-Conterfait trug vertauschen.
-
-Nachdem nun neulich die Schlacht vor Nördlingen verloren, habe ich mich
-hierher in Sicherheit geflehnet, weil ich ohn das schon meine besten
-Sachen hier hatte. Als mir die baren Geldmittel aufgehen wollten, nahm
-ich drei Ringe und obgemeldte göldene Kette mit samt dem anhangenden
-Conterfait und trugs zum Juden, solches zu versilbern. Der hat es aber
-der Köstlichkeit und schönen Arbeit wegen dem Gubernator käuflich
-angetragen, welcher das Wappen, maßen ein Petschierring darunter
-war, und das Conterfait erkannt, nach mir geschickt und mich befragt
-hat. Ich wiese des Einsiedlers Handschrift oder Übergabsbrief auf
-und erzählte, wie er gelebet und gestorben. Er wollte solches nicht
-glauben, sondern kündete mir den Arrest an, bis er die Wahrheit am Orte
-ergründet und dich hierher gebracht hätte. Da ist mir nun durch dich,
-indem du mich erkannt, insonderheit aber durch das Brieflein, so in
-deinem Gebetbuch gefunden ward, ein trefflichs Zeugnis gegeben worden.
-Als will er dir und mir wegen seines Schwagers selig Gutes tun, du
-darfst dich jetzt nur resolviern, was du wilt, daß er dir tun soll.«
-
-Ich antwortete, es gälte mir gleich.
-
-Der Pfarrer zögerte mich auf seinem Losament bis zehn Uhr, eh er mit
-mir zum Gubernator ging, damit er bei demselben zu mittags Gast sein
-könne. Dann es war damals Hanau blockiert und eine solche klemme
-Zeit bei dem gemeinen Mann, bevor aber den Flüchtlingen in selbiger
-Festung, daß auch etliche, die sich etwas einbildeten, die angefrorenen
-Rubschälen auf den Gassen, so die Reichen etwa hinwarfen, aufzuheben
-nicht verschmäheten. Es glückte dem Pfarrer auch sowohl, daß er
-neben dem Gubernator selbst über der Tafel zu sitzen kam. Ich aber
-wartete auf mit einem Teller in der Hand, wie mich der Hofmeister
-anwiese, in welches ich mich zu schicken wußte wie ein Esel ins
-Schachspiel. Aber der Pfarrer ersatzte allein mit seiner Zunge, was die
-Ungeschicklichkeit meines Leibes nicht vermochte. Er erzählte meine
-Auferziehung in der Wildnus und wie ich dahero wohl vor entschuldigt zu
-halten, meine Treue, die ich dem Einsiedel erwiesen und unser hartes
-Leben, weiters daß der Einsiedel all seine Freude an mir gehabt, weil
-ich seiner Liebsten von Angesicht so ähnlich sei. Er rühmte meine
-Beständigkeit und unveränderlichen Willen. ~In summa~ er konnte nicht
-genugsam aussprechen, wie der Einsiedel mich ihm mit ernstlicher
-Inbrünstigkeit kurz vor seinem Tod ~rekommendieret~.
-
-Dies kützelte mich dermaßen in Ohren, daß mich bedünkte, ich hätte
-schon Ergötzlichkeit genug vor alles empfangen, das ich je bei dem
-Einsiedel ausgestanden. Der Gubernator fragte, ob sein seliger Schwager
-nicht gewußt hätte, daß er derzeit in Hanau kommandiere. »Freilich,«
-antwortete der Pfarrer, »ich habe es ihm selbst gesagt. Er hat es aber
-zwar mit einem fröhlichen Gesicht und kleinem Lächlen, jedannoch so
-kaltsinnig angehört, daß ich mich über des Mannes Beständigkeit und
-festen Vorsatz verwundern muß.«
-
-Dem Gubernator, der sonst kein weichherzig Weibergemüt hatte, stunden
-die Augen voll Wasser, da er sagte:
-
-»Hätte ich gewußt, daß er noch im Leben, so wollte ich ihn auch wider
-Willen haben holen lassen, damit ich ihm seine Guttaten hätte erwidern
-können. Als will ich anstatt seiner seinen ~Simplicium~ versorgen.
-Ach, der redliche Kavalier hat wohl Ursache gehabt, seine schwangere
-Gemahlin zu beklagen, dann sie ist von einer Partei kaiserlicher Reuter
-im Spessart gefangen worden. Ich habe einen Trompeter zum Gegenteil
-geschickt, meine Schwester zu ranzionieren, habe aber nichts erfahren,
-als daß meine Schwester denen Reutern im Spessart verloren gegangen
-sei, da sie von etlichen Bauren zertrennt worden.«
-
-Ich ward also des Gubernators Page und ein solcher Kerl, den die Leute,
-sonderlich die Bauren, bereits Herr Jung nannten.
-
-
-
-
-Das zwölfte Kapitel
-
-
-Damals war bei mir nichts schätzbarliches als ein rein Gewissen. Ich
-kannte von den Lastern nichts anderes, als daß ich sie etwan nennen
-gehört oder davon gelesen hatte, und wann ich deren eines wirklich
-begehen sahe, wars mir eine erschröckliche und seltene Sache. Herr
-Gott, wie wunderte ich mich anfänglich, wann ich das Gesetz und
-Evangelium samt den getreuen Warnungen Christi betrachtete und hingegen
-derjenigen Werke ansahe, die sich vor seine Jünger und Nachfolger
-ausgaben! Ich fand eitel Heuchelei und unzählbare Torheiten bei allen
-Weltmenschen, daß ich verzweifelte, ob ich Christen vor mir hätte oder
-nicht. Also hatte ich wohl tausenderlei Grillen und seltsame Gedanken
-in meinem Gemüt und geriet in schwere Anfechtung wegen des Befehles
-Christi: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet.
-
-Nächst der Hoffart und dem Geiz samt deren ehrbaren Anhängen waren
-Fressen und Saufen, Huren und Buben bei den Vermüglichen eine tägliche
-Übung. Aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gottes machten
-sie nur einen Scherz. Zum Exempel hörete ich einsmals einen Ehebrecher,
-der seiner Tat noch gerühmet sein wollte: »Es tuts dem geduldigen
-Hanrei genug, daß er meinetwegen ein Paar Hörner trägt. Ich habs mehr
-dem Mann zu Leid als der Frau zu Lieb getan, damit ich mich an ihm
-rächen möchte.«
-
-»O, kahle Rache,« antwortete ein ehrbar Gemüt, »dadurch man sein
-eigen Gewissen beflecket und den schändlichen Namen eines Ehebrechers
-überkommt!«
-
-»Was Ehebrecher,« antwortete der mit Gelächter, »ich bin darum kein
-Ehebrecher, wannschon ich diese Ehe ein wenig gebogen habe. Dies
-seind Ehebrecher, wovon das sechst Gebot saget, daß keiner einem
-andern in Garten steigen und die Kirschen eher brechen solle als der
-Eigentumsherr.«
-
-Und er nannte nach seinem Teufelskatechismo den gütigen Gott einen
-Ehebrecher, weil er Mann und Weib durch den Tod von einander trennet.
-
-Ich sagte, wiewohl er ein Offizierer war, aus übrigem Eifer und Verdruß
-zu ihm: »Meinst du nicht, daß du dich mit diesen gottlosen Worten mehr
-versündigest, als mit dem Ehebruch selbst?«
-
-Er aber antwortete: »Du Mauskopf, soll ich dir ein paar Ohrfeigen
-geben?«
-
-Und ich vermerkte bald, daß jeder Weltmensch einen besonderen Nebengott
-hatte, ja, etliche hatten wohl mehr als die alten und neuen Heiden
-selbsten. Einige hatten den ihren in den Geldkisten, andere in der
-Reputation, noch andere in ihrem Kopf, so ihnen Gott ein gesund Gehirn
-verliehen, also daß sie einzige Künste und Wissenschaften zu fassen
-geschickt waren. Auch gab es viel, deren Gott ihr eigener Bauch war,
-welchem sie täglich zu allen Mahlzeiten opferten, und wann solcher
-sich unwillig erzeigte, so machten die elenden Menschen einen Gott aus
-dem ~Medico~ und suchten ihres Leibes Aufenthalt in der Apotheke, aus
-welcher sie zwar öfters zum Tod befördert wurden. Manche Narren machten
-Göttinnen aus glatten Metzen, sie nannten sie mit andern Namen und
-beteten sie Tag und Nacht an mit tausend Seufzen und Liedern. Hingegen
-waren Weibsbilder, die hatten ihre eigene Schönheit vor ihren Gott
-aufgeworfen. Sie brachten ihr Opfer mit Schminke, Salben, Wassern,
-Pulvern und sonst Schmiersel genug. Ich sahe Leute, die wohlgelegene
-Häuser vor Götter hielten, und ich kannte einen Kerl, der konnte in
-etlichen Jahren vor dem Tabackhandel nicht recht schlafen, weil er
-demselben sein Herz, Sinne und Gedanken geschenkt hatte. Aber der
-Phantast starb und fuhr dahin wie der Tabakrauch selbst. Ein anderer
-Gesell, als bei einer Gesellschaft erzählet ward, wie jeder sich in dem
-greulichen Hunger und teueren Zeiten ernährt und durchgebracht, sagte
-mit deutschen Worten: Die Schnecken und Frösche seien sein Herrgott
-gewesen.
-
-Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in eine Kunstkammer, darin
-schöne Raritäten waren. Unter den Gemälden gefiel mir nichts besser als
-ein ~Ecce-Homo~ wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es
-die Anschauenden gleichsam zum Mitleiden verzuckte. Darneben hing eine
-papierene Karte, in China gemalt, darauf stunden der Chineser Götter
-in ihrer Majestät sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren.
-Der Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner Kunstkammer
-mir am besten gefiele. Ich deutete auf besagtes ~Ecce-Homo~. Er aber
-sagte ich irre mich, der Chineser Gemält wäre rarer und dahero auch
-köstlicher, er wolle es nicht um zehen solcher ~Ecce-Homo~ manglen.
-Ich antwortete: »Herr ist Euer Herz wie Euer Mund?« Er sagte: »Ich
-versehe michs.« Darauf ich: »So ist auch Eures Herzens Gott derjenige,
-dessen Conterfait Ihr mit dem Mund bekennet, das Köstlichste zu sein.«
-»Phantast,« rief er, »ich ~aestimiere~ die Rarität!«
-
-So sehr wurden nun diese Abgötter nicht geehret, als hingegen die wahre
-Göttliche Majestät verachtet. Christus spricht: ‚Liebet eure Feinde,
-segnet die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für
-die, so euch beleidigen und verfolgen, aufdaß ihr Kinder seid eures
-Vaters im Himmel. Dann so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr
-für einen Lohn haben? Tun solches nicht auch die Zöllner? Und so ihr
-euch nur zu eueren Brüdern freundlich zeiget, was tut ihr Sonderlichs?
-Tun nicht die Zöllner also auch?’
-
-Aber ich fand nicht allein niemand, der diesem Befehl Christi
-nachzukommen begehrte, sondern jeder tät gerade das Widerspiel.
-
-Es hieß: viel Schwäger, viel Knebelspieße. Und nirgends fand ich mehr
-Neid, Haß, Mißgunst, Hader und Zank als zwischen Brüdern und Schwestern
-und andern angeborenen Freunden, sonderlich wann ihnen ein Erbe zu
-teilen zugefallen. Wo die größte Liebe und Treue sein sollte, fand ich
-höchste Untreue und den gewaltigsten Haß. Herren schunden ihre getreuen
-Diener, und solche wurden an ihren frommen Herren zu Schelmen. Den
-continuierlichen Zank vermerkte ich zwischen vielen Eheleuten. Mancher
-Tyrann hielt sein ehrlich Weib ärger als einen Hund, und manch lose
-Vettel ihren frommen Mann vor einen Narren und Esel. Die Handelsleute
-und Handwerker rannten mit dem Judenspieß gleichsam um die Wette und
-sogen durch allerhand Fünde und Vorteil dem Baursmann seinen sauren
-Schweiß ab. Hingegen waren teils Bauren so gottlos, andere Leute, wann
-die nicht rechtschaffen genug mit Boßheit durchtrieben waren, oder wohl
-gar ihren Herren selbst, unter Schein der Einfalt zu begaunern.
-
-Ich sahe einsmals einen Soldaten einem andern eine dichte Maulschelle
-geben und bildete mir ein, der Geschlagene würde den andern Backen
-auch darbieten. Aber ich irrte, dann der Beleidigte zog vom Leder und
-versatzte dem Täter eins vor den Kopf.
-
-Ich sagte: »Ach Freund, was machst du!«
-
-Er antwortete: »Da wäre einer ein Bernheuter! Ich will mich, schlag
-mich der Donner und hol mich der Teufel, selbst rächen oder das Leben
-nicht haben! Hei, müßte doch einer ein Schelm sein, der sich so
-coujonieren ließe!«
-
-Das Lärmen zwischen den zweien Duellanten vergrößerte sich, weilen
-beiderseits Beiständer auch in die Haare kamen. Da bliebs bei geringen
-Kinderschwüren nicht. Die heiligen Sakramente mußten nicht nur
-siebenfach, sondern auch mit hunderttausenden soviel Tonnen, Galeeren
-und Stadtgräben voll heraus, also daß mir alle Haare zu Berg stunden.
-
-Zum allerschröcklichsten kam es mir vor, wann ich etliche Großsprecher
-sich ihrer Boßheit, Sünden, Schande und Laster rühmen hörte. Da vernahm
-ich zu unterschiedlichen Zeiten:
-
-»Potz Blut, wie haben wir gestern gesoffen! Ich habe mich in einem Tag
-wohl dreimal vollgesoffen und eben soviel Mal gekotzt!«
-
-»Potz Stern, wie haben wir die Bauren, die Schelmen, tribuliert!«
-
-»Potz Strahl, wie haben wir Beuten gemacht!«
-
-»Potz hundert Gift, wie haben wir einen Spaß mit den Weibern und Mägden
-gehabt!«
-
-»Ich habe ihn darniedergehauen, als wenn ihn der Hagel hätte darnieder
-geschlagen.«
-
-»Ich habe ihn geschossen, daß er das Weiße über sich kehrte.«
-
-»Ich habe ihn so artlich über den Tölpel geworfen, daß ihn der Teufel
-hätte holen mögen. -- Ich habe ihm den Stein gestoßen, daß er den Hals
-hätte brechen mögen.«
-
-In Gottes Namen sündigten sie, was wohl zu erbarmen ist: »Wir wollen in
-Gottesnamen auf Partei, plündern, niedermachen, in Brand stecken.«
-
-Wann ich so etwas hörete und sahe und, wie meine Gewohnheit war, mit
-der Hl. Schrift hervorwischte, so hielten mich die Leute vor einen
-Narren und ich ward ausgelachet, daß ich endlich auch unwillig wurde
-und mir vorsatzte, gar zu schweigen.
-
-Als ich demnach vermeinete, ich hätte Ursach zu zweifeln, ob ich unter
-Christen wäre oder nicht, ging ich zu dem Pfarrer mit der Bitte, er
-wolle mir doch aus dem Traum helfen. Der Pfarrer antwortete: »Freilich
-sind sie Christen und wollte ich dir nicht raten, daß du sie anderst
-nennen solltest. Dessen verwundere dich nicht. Wann die Apostel selbst
-anjetzo auferstehen und in die Welt kommen sollten, sie würden jeder
-männiglich vor Narren gehalten sein. Was du siehest und hörest ist eine
-allgemeine Sache und nur Kinderspiel dagegen, was sonsten so heimlich,
-als offentlich und mit Gewalt wider Gott und den Menschen vorgeht.
-Laß dich das nicht ärgern. Du wirst wenig Christen finden, wie dein
-Einsiedel einer gewesen ist.«
-
-Indem führet man etliche Gefangene über den Platz und wir beschaueten
-sie auch. Da vernahm ich eine neue Mode einander zu grüßen und zu
-bewillkommnen, dann einer unserer Guarnison kannte einen Gefangenen. Zu
-dem ging er, gab ihm die Hand und druckete sie vor lauter Freude und
-Treuherzigkeit, dabei er sagte: »Daß dich der Hagel erschlage, lebst du
-noch, Bruder? Potz Fickerment, wie führt uns der Teufel hier zusammen!
-Ich habe, schlag mich der Donner vorlängst gemeinet, du wärest gehängt
-worden!«
-
-Darauf antwortete der andere: »Potz Blitz Bruder, bist dus oder bist
-dus nicht? Daß dich der Teufel hole, wie bist du hierher gekommen? Ich
-hätte mein Lebtag nicht vermeinet, daß ich dich wieder antreffen würde,
-sondern habe gedacht, der Teufel hätte dich vorlängst hingeführet!«
-
-Und als sie von einander gingen, sagte einer zum andern:
-
-»Strick zu, Strick zu, morgen kommen wir vielleicht zusammen, dann
-wollen wir brav mit einander saufen!«
-
-Ich verwunderte mich und ging, dem Gubernator aufzuwarten, dann ich
-hatte gewisse Zeiten Erlaubnus, die Stadt zu beschauen, weil mein Herr
-von meiner Einfalt Wind hatte und gedachte, solche würde sich legen,
-wann ich herumterminierte und von andern gehobelt und gerülpt würde.
-
-
-
-
-Das dreizehnte Kapitel
-
-
-Meines Herren Gunst mehrete sich täglich, weil ich nicht allein seiner
-Schwester je länger, je gleicher sahe, sondern auch ihm selbsten,
-indem die guten Speisen und faulen Täge mich glatthärig machten. Wer
-etwas mit dem Gubernator zu tun hatte, erzeigte sich mir günstig,
-und sonderlich mochte mich der ~Secretarius~ wohl leiden, indem mir
-derselbe rechnen lernen mußte.
-
-Er war erst von den Studien gekommen und stak noch voller Schulpossen,
-die ihm zu Zeiten ein Ansehen gaben, als wann er einen Sparren zu viel
-oder zu wenig gehabt hätte. Er überredete mich oft, schwarz sei weiß
-und weiß sei schwarz, dahero kam es, daß ich ihm in der Erste alles und
-aufs letzte gar nichts mehr glaubte.
-
-Einsmals tadelte ich sein schmierig Tintenfaß, er aber antwortete
-solches sei sein bestes Stück in der ganzen Kanzlei, dann daraus lange
-er hervor, was er begehre, die schönsten Dukaten, Kleider und ~in
-summa~, was er vermöchte, hätte er nach und nach herausgefischt. Ich
-wollte das von einem so kleinen, verächtlichen Ding nicht glauben.
-Hingegen sagte er, solches Vermöge der ~spiritus papyri~ (also nannte
-er die Tinte) und das Tintenfaß würde darum Faß genannt, weil es große
-Dinge fasse.
-
-»Wie soll mans herausbringen, sintemal man kaum zween Finger
-hineinstecken kann?«
-
-Er antwortete, er hätte einen Arm im Kopf, der solche Arbeit verrichten
-müsse und verhoffe sich bald auch eine schöne, reiche Jungfrau
-herauszulangen. Wann er Glück hätte, so getraue er auch ein eigen Land
-und Leute heraus zu bringen.
-
-Ich mußte mich über diese künstlichen Griffe verwundern und fragte, ob
-noch mehr Leute solche Kunst könnten.
-
-»Freilich, alle Kanzler, Doktoren, ~Secretarii~, Prokuratoren oder
-Advokaten, ~Commissarii~, ~Notarii~, Kauf- und Handelsherren, so, wann
-sie nur fleißig fischen, zu reichen Herren daraus werden.«
-
-Ich meinte so seien die Bauren und andere arbeitsame Leute nicht
-witzig, daß sie im Schweiß ihres Angesichtes ihr Brot essen und diese
-Kunst nicht auch lernen. Er aber sagte: »Etliche wissen der Kunst
-Nutzen nicht, dahero begehren sie solche auch nicht zu lernen; etliche
-wolltens gern, mangeln aber des Arms im Kopfe oder anderer Mittel;
-etliche lernen die Kunst und haben Arms genug, wissen aber die Griffe
-nicht, so die Kunst erfordert, wenn man dadurch will reich werden;
-andere wissen und können alles, was dazu gehöret, sie wohnen aber in
-der Fehlhalde und haben keine Gelegenheit wie ich, die Kunst zu üben.«
-
-Als wir dergestalt vom Tintenfaß diskurierten, kam mir das Titularbuch
-ungefähr in die Hände, darin fand ich mehr Torheiten, als mir bisher
-noch nie vor Augen gekommen.
-
-Ich rief: »Alles sind ja Adamskinder und eines Gemächts miteinander,
-Staub und Aschen, woher kommt ein so großer Unterschied? Allerheiligst,
-Unüberwindlichst, Durchleuchtigst! Sind das nicht göttliche
-Eigenschaften? _Der_ ist gnädig, der ander gestreng und was tut das
-Geboren dabei? _Die_ heißen Hoch-, Wohl-, Vor-Großgeachte! Was ist das
-vor ein närrisch Wort: Vorsichtig! Wem stehen dann die Augen hinten
-im Kopf? Es ist viel rühmlicher, wann einer freundlich tituliert
-wird. ~Item~ wann das Wort Edel an sich selbsten hochschätzbare
-Tugenden bedeutet, warum es bei Fürsten und Grafen zwischen hoch und
-geboren setzen? Und Wohlgeboren ist eine Lüge, solches möchte eines
-jeden Barons Mutter bezeugen, wann man sie fragte, wie es ihr bei der
-Entbindung ergangen sei.«
-
-Der ~Secretarius~ und ich lacheten gar sehr. Indem entrann mir ein
-so grausamer Leibsdunst, daß beide ich und der ~Secretarius~ darüber
-erschraken.
-
-»Trolle dich, du Sau,« sagte er, »zu den andern Säuen im Stall, mit
-denen, du Rülp, besser zustimmen, als mit ehrlichen Leuten konversieren
-kannst!«
-
-Und also hatte ich den guten Handel in der Schreibstube, dem gemeinen
-Sprüchwort nach, auf einmal verkerbt.
-
-Ich kam unschuldig in das Unglück, dann die ungewöhnlichen Speisen und
-Arzneien, die mein eingeschnurrtes Gedärm zurecht bringen sollten,
-erregten viel garstige Wetter und Stürm in mir, maßen weder mein
-Einsiedel noch mein Knän mich unterrichtet, daß es übel getan sei, wann
-man dies Orts der Natur willfahre.
-
-Mein Herr hatte nun einen ausgestochenen Essig zum Pagen neben mir,
-dem schenkte ich mein Herz. Aber er eiferte mit mir, wegen der
-großen Gunst, die mein Herr zu mir trug. Er besorgte, ich möchte ihm
-vielleicht die Schuhe gar austreten und sahe mich heimlich mit Mißgunst
-an. Er sann auf Mittel, wie er mir den Stein stoßen möge und mich zu
-Fall brächte. Ich aber vertraute ihm alle meine Heimlichkeiten, so alle
-auf kindischer Einfalt und Frömmigkeit bestunden.
-
-Einsmals schwätzten wir im Bett vom Wahrsagen, und er versprach mir
-solches umsonst zu lernen. Hieße mich darauf den Kopf unter die Decke
-tun. Ich gehorchte fleißig und gab auf die Ankunft des Wahrsagegeistes
-genaue Achtung. Potz Glück! Desselben Einzug in meine Nase war so
-stark, daß ich eilends unter der Decke herfürwischte.
-
-»Was hast du,« fragte der Lehrmeister. Ich antwortete ihm. Da meinte
-er: »Du kannst also die Kunst des Wahrsagens am besten.«
-
-Ich nahms vor keinen Schimpf, dann ich hatte damals noch keine Galle
-und begehrte allein zu wissen, wie ihm dies so stillschweigend gelungen
-sei. Er antwortete: »Du darfst nur das linke Bein lupfen und darneben
-heimlich sagen: ~je pete, je pete, je pete~ und mithin so stark
-gedruckt, als du kannst.«
-
-»Es ist gut,« sagte ich, »man meinet sodann, die Hunde haben die Luft
-verfälscht. Ach, hätte ich doch diese Kunst heute in der Schreibstube
-gewußt!«
-
-
-
-
-Das vierzehnte Kapitel
-
-
-Des andern Tags hatte mein Herr seinen Offizierern und andern guten
-Freunden eine fürstliche Gasterei angestellt, weil die Unsrigen das
-feste Haus Braunfels ohn Verlust eines einzigen Mannes genommen. Da
-mußte ich helfen Speisen auftragen, einschenken und mit einem Teller
-aufwarten.
-
-Den ersten Tag ward mir ein großer, fetter Kalbskopf (von welchen man
-saget, daß sie kein Armer fressen dörfe) aufzutragen eingehändigt.
-Weil nun derselbig ziemlich mürb gesotten war, ließ er das eine Aug
-weit herauslappen, welches mir ein anmutiger und verführerischer
-Anblick war. Und da mich der frische Geruch von der Speckbrühe und
-aufgestreutem Ingwer zugleich anreizete, empfand ich einen solchen
-Appetit, daß mir das Maul ganz voll Wasser ward: ~in summa~ das Aug
-lachte meine Augen, meine Nase und meine Zunge zugleich an und bat
-gleichsam, ich wollte es doch meinem heißhungrigen Magen einverleiben.
-Ich ließ mir nicht lang den Rock zerreißen, sondern folgte den
-Begierden. Im Gang hub ich das Aug mit einem Löffel so meisterlich
-heraus und schickte es ohn Anstoß so geschwind an seinen Ort, daß
-es auch niemand inne ward, bis das Essen auf den Tisch kam und mich
-verriet. So mangelte eins von den allerbesten Gliedmaßen dem Kalbskopf.
-Mein Herr wollte fürwahr den Spott nicht haben, daß man ihm einen
-einäugigen Kalbskopf aufzustellen wagte. Der Koch mußte vor die Tafel
-und zuletzt kam das ~facit~ über den armen ~Simplicium~ heraus. Mein
-Herr fragte mit einer schröcklichen Miene, wohin ich mit dem Kalbsaug
-gekommen wäre. Geschwind zuckte ich mit meinem Löffel aus dem Sack,
-gab dem Kalbskopf den andern Fang und wiese kurz und gut, was man
-wissen wollte, maßen ich das ander Aug in einem Hui verschlang.
-
-»~Par dieu~,« sagte mein Herr, »dieser Akt schmäckt mir besser als zehn
-Kälber!«
-
-Etliche Possenreißer, Fuchsschwänzer und Tischräte lobten meine
-kluge Erfindung, da ich beide Kalbsaugen zusammenlogiert, als eine
-Vorbedeutung künftiger Tapferkeit und unerschrockener Resolution. Also
-ich vor diesmal meiner verdieneten Strafe entging. Mein Herr aber
-sagte, ich sollte ihm nicht wieder so kommen.
-
-Bei dieser Mahlzeit trat man ganz christlich zur Tafel und sprach das
-Tischgebet sehr still und andächtig. Solche Andacht kontinuierte,
-solang als man mit den ersten Speisen zu tun hatte, als wann man
-in einem Kapuziner-~Convent~ gesessen hätte. Aber kaum hatte jeder
-drei- oder viermal »gesegnet Gott« gesagt, ward schon alles lauter.
-Je länger, je höher erhub sich nach und nach eines jeden Stimme
-ohnbeschreiblich.
-
-Man brachte Gerichte, deswegen »Voressen« genannt, weil sie gewürzt
-und vor dem Trunk zu genießen verordnet waren, ~item~ Beiessen, weil
-sie bei dem Trunk nicht übel schmeckten, allerhand französischer
-~Potagen~ und spanischer ~Ollapotriden~ zu geschweigen, welche durch
-tausendfältige Zubereitung und unzählbare Zusätze dermaßen verpfeffert,
-verdümmelt, vermummet, mixiert und zum Trunk gerüstet waren, daß sie
-nach ihrer natürlichen Substanz unerkenntlich blieben. Wer weiß, ob die
-Zauberin ~Circe~ andere Mittel gebraucht hat, des Ulisses Gefährten in
-Schweine zu verwandeln? Dann die Gäste fraßen die Gerichte wie Säue,
-darauf soffen sie wie Kühe, stellten sich dabei wie Esel und spien wie
-die Gerberhunde.
-
-Den edlen Hochheimer, Bacheracher und Klingenberger gossen sie in
-kübelmäßigen Gläsern hinunter und brachten einander Trünke zu, die je
-länger, je größer wurden, als ob sie um die Wette miteinander stritten.
-
-Bis dahin hatte jeder mit gutem Appetit das Geschirr geleert, nachdem
-aber Mägen und Köpfe voll und toll wurden, mußten bei einem Courage,
-beim andern Treuherzigkeit, seinem Freunde eins zuzubringen, beim
-dritten die deutsche Redlichkeit, ritterlich Bescheid zu tun, den Trunk
-fördern. Maßen aber solches der Länge nach auch nicht bestehen konnte,
-beschwur je einer den andern bei großer Herren, lieber Freunde oder bei
-der Liebsten Gesundheit den Wein maßweis in sich zu schütten, worüber
-manchem die Augen übergingen und der Angstschweiß ausbrach, doch mußte
-es gesoffen sein. Ja, man machte zuletzt mit Trommeln, Pfeifen und
-Saitenspiel ein Lärmen und schoß mit Stücken darzu, ohn Zweifel darum,
-dieweil der Wein die Mägen mit Gewalt einnehmen mußte.
-
-Mein Pfarrer war auch bei dieser Gasterei. Ich trat zu ihm und sagte:
-»Warum tun die Leute so seltsam? Woher kommt es doch, daß sie so hin
-und her dorkeln? Mich dünkt schier, sie sein nicht recht witzig, sie
-haben sich alle sattgegessen und getrunken, daß sie schwören bei
-Teufelholen, wann sie mehr saufen könnten, und dannoch hören sie nicht
-auf sich auszuschoppen! Müssen sie es tun?«
-
-Der Pfarrer flüsterte mir zu: »Liebes Kind, Wein ein, Witz aus. Das ist
-noch nichts demgegenüber, was noch kommen soll.«
-
-»Zerbersten dann ihre Bäuche nicht, wann sie immer so unmäßig
-einschieben? Können dann ihre Seelen, die Gottes Ebenbild sein, in
-solchen Mastschweinkörpern verharren?«
-
-»Halts Maul,« antwortete der Pfarrer, »du dörftest sonst greulich
-Pumpes kriegen. Hier ist keine Zeit zu predigen, ich wollt's sonst
-besser als du verrichten.«
-
-Ich sahe ferner stillschweigend zu, wie man Speise und Trank mutwillig
-verderbte, unangesehen des armen Lazarus, den man damit hätte laben
-können in Gestalt vieler vertriebener Flüchtlinge, denen der Hunger aus
-den Augen heraus guckte und die vor unsern Türen verschmachteten.
-
-
-
-
-Das fünfzehnte Kapitel
-
-
-Als ich dergestalt mit einem Teller vor der Tafel aufwartete, und mein
-Gemüt von merklichen Gedanken geplagt ward, ließ mich auch mein Bauch
-nicht zufrieden. Er knurrte und murrte ohn Unterlaß. Ich gedachte dem
-ungeheuern Gerümpel abzuhelfen und mich dabei meiner neuerlernten Kunst
-zu bedienen. Lupfete also das Bein, druckte von allen Kräften, was ich
-konnte, und wollte heimlich meinen Spruch: ~je pete~ -- sagen, aber
-das ungeheuere Gespann entwischte wider mein Verhoffen mit greulichem
-Bellen. Mir wars einsmals so bang, als wenn ich auf der Leiter am
-Galgen gestanden wäre und mir der Henker bereits den Strick hätte
-anlegen wollen. In solcher gählingen Angst verwirrt, wurde mein Maul
-in diesem urplötzlichen Lärmen rebellisch, und wo es heimlich brummeln
-sollte, entfuhr ihm desto grausamer mit erschröcklicher Stimme sein:
-~je pete~.
-
-Hiedurch bekam ich Linderung, dagegen einen ungnädigen Herrn an meinem
-Gouverneur. Seine Gäste wurden über diesem unversehenen Knall fast
-wieder alle nüchtern, ich aber über die Futtertruhe gespannt und also
-gepeitscht, daß ich noch bis auf diese Stund daran gedenke. Solches
-waren die ersten Pastonaden, die ich kriegte.
-
-Da brachte man Rauchtäfelein und Kerzen, und die Gäste suchten ihre
-Bisemknöpfe und Balsambüchslein, auch sogar ihren Schnupftabak hervor,
-aber die besten ~Aromata~ wollten schier nichts erklecken.
-
-Wie dies nun überstanden, mußte ich wieder aufwarten wie zuvor. Mein
-Pfarrer war auch noch vorhanden und ward zum Trunk genötiget. Er aber
-wollte nicht recht daran und sagte, er möchte so viehisch nicht saufen.
-Hingegen erwiese ihm ein guter Zechbruder, daß er wie ein Viehe, sie
-aber, die andern, wie Menschen söffen.
-
-»Dann eine Vieh säuft nur so viel, als ihm wohl schmäcket und den
-Durst löschet, weil es nicht weiß, was gut ist. Uns Menschen aber
-beliebt, daß wir uns den Trunk zu Nutz machen und den edlen Rebensaft
-einschleichen lassen.«
-
-»Sehr wohl,« sagte der Pfarrer, »es gebühret mir aber das rechte Maß zu
-halten.«
-
-»Wohl,« antwortete jener, »ein ehrlicher Mann hält Wort,« und ließ
-einen mäßigen Becher einschenken, denselben den Pfarrer zuzuzotteln.
-Der hingegen ging durch und ließ den Säufer mit seinem Eimer stehen.
-
-Als der Pfarrer abgeschafft war, ging es drunter und drüber. Es ließe
-sich an, als wenn die Gasterei einzig Gelegenheit sein sollte, sich
-gegen einander mit Vollsaufen zu rächen, einander in Schande zu bringen
-oder sonst einen Possen zu reißen. Wann dergestalt einer expediert
-ward, daß er weder sitzen, gehen oder stehen mehr konnte, so hieß es:
-»Nun ist es wett! Du hast mirs hiebevor auch so gekocht. Jetzt ist
-dirs eingetränkt!« Welcher aber ausdauren und am besten saufen konnte,
-wußte sich dessen groß zu machen und dünkte sich kein geringer Kerl
-zu sein. Zuletzt dürmelten sie alle herum, als wann sie Bilsensamen
-genossen hätten. Einer sang, der ander weinete, einer lachte, der
-ander traurete, einer fluchte, der ander betete. Der schrie überlaut:
-Courage! -- jener saß stille und friedlich. Einer wollte den Teufel
-mit Raufhändeln bannen, ein anderer schlief, der dritte plauderte, daß
-keiner ihm zuvorkommen konnte. Da erzählte einer von seiner lieblichen
-Buhlerei, der ander von seinen erschröcklichen Kriegstaten. Etliche
-redeten von der Kirchen und geistlichen Sachen, andere von Politik
-und Reichshändeln. Teils liefen hin und wieder und konnten nirgends
-bleiben, teils lagen und vermochten nicht den kleinsten Finger zu
-regen. Etliche fraßen wie die Trescher, als hätten sie acht Tage Hunger
-gelitten, andere wußten sich dessen zu entledigen, was sie den Tag
-eingeschlungen hatten. ~In summa~ meine Kunst, darum ich so greulich
-zerschlagen worden, nur ein Scherz dargegen zu rechnen war.
-
-Endlich satzte es unten an der Tafel ernstliche Streithändel. Da warf
-man einander Gläser, Becher, Schüsseln und Teller an die Köpfe und
-schlug mit Fäusten, Stühlen, Stuhlbeinen und Degen, daß endlich der
-rote Saft über die Ohren lief. Aber mein Herr stillet den Handel.
-
-Da nun wieder Friede worden, nahmen die Meistersäufer die Spielleute
-samt den Frauenzimmern und wanderten in ein ander Haus, dessen Saal
-auch einer andern Torheit gewidmet war. Mein Herr ging ihnen nach und
-ich folget ihm.
-
-Ich sahe in dem Saal Männer, Weiber und ledige Personen so schnell
-untereinander herumhaspeln, daß es schier wimmelte. Sie hatten ein
-solch Getrappel und Gejöhl, daß ich vermeinte, sie wären all rasend
-worden, dann ich konnte nicht ersinnen, was sie doch mit diesem Wüten
-und Toben vorhaben möchten. Ihr Anblick kam mir grausam, förchterlich
-und schröcklich vor, daß ich mich entsatzte. Mein Gott, dachte ich,
-es hat sie gewißlich eine Unsinnigkeit befallen. Vielleicht möchten
-es auch höllische Geister sein, welche dem ganzen menschlichen
-Geschlecht durch solch Geläuf und Affenspiel spotteten. Als mein Herr
-in den Hausflur kam und zum Saal eingehen wollte, hörete die Wut
-eben auf, nur daß sie noch ein Buckens und Duckens mit den Köpfen und
-ein Kratzens und Schuhschleifens auf dem Boden machten, als wollten
-sie ihre Fußtapfen wieder austilgen. Am Schweiß, der ihnen über die
-Gesichter floß, und an ihrem Geschnäuf konnte ich abnehmen, daß sie
-sich stark zerarbeitet hatten.
-
-Ich fragte dahero meinen Kameraden, der mir erst kürzlich wahrsagen
-gelernet, was solche Wut bedeute. Der berichtete mir, daß die
-Anwesenden vereinbart hätten, dem Saal den Boden mit Gewalt
-einzutreten. »Warum vermeinst du wohl, daß sie sich sonst so tapfer
-tummeln sollten,« sagte er zu mir. »Hast du nicht gesehen, wie sie die
-Fenster vor Kurzweile schon ausgeschlagen?«
-
-»Herr Gott, so müssen wir mit zugrunde gehen und samt ihnen Hals und
-Bein brechen!«
-
-»Ja,« sagte der Kamerad, »darauf ist's angesehen. Du wirst merken,
-wann sie sich in Todesgefahr begeben, daß jeder eine hübsche Frau und
-Jungfer erwischt, dann es pfleget denen Paaren, so also zusammenhaltend
-fallen, nicht bald wehe zu geschehen.«
-
-Mich überfiel eine solche Todesangst, daß ich nicht wußte, wo ich
-bleiben sollte. Als aber die Musikanten sich noch darzu hören ließen
-und jeder eine bei der Hand erdappte, ward mirs nicht anderst, als wenn
-ich allbereits den Boden eingehen und mir und den andern die Hälse
-brechen sähe. Sie fingen an zu gumpen, daß der ganze Bau zitterte, weil
-man eben einen drollichten Gassenhauer aufmachte; ich vermeinte im
-Todesschröcken das Haus fiele urplötzlich ein. Derowegen erwischte ich
-in der allerhöchsten Not eine Dame von hohem Adel und vortrefflichen
-Tugenden, mit welcher mein Herr eben konversierte, unversehens beim
-Arm wie ein Bär und hielte sie wie eine Klette. Da sie aber zuckte,
-spielte ich den ~Desperat~ und fing aus Verzweiflung an zu schreien.
-Die Musikanten wurden gähling still, die Tänzer und Tänzerinnen hörten
-auf und die ehrliche Dame, der ich am Arm hing, befand sich offendiert.
-
-Darauf befahl mein Herr mich zu prügeln und hernach irgendhin
-einzusperren, weil ich denselben Tag schon mehr Possen gerissen hatte.
-Die Fourierschützen, so dies exequieren sollten, hatten Mitleiden mit
-mir, entübrigten mich derohalben der Stöße und sperrten mich unter eine
-Stiege in den Gänsstall.
-
-
-
-
-Das andere Buch
-
-
-
-
-Das erste Kapitel
-
-
-Drei ganzer Stunden, bis das ~praeludium veneris~ oder der ehrlich
-Tanz geendet hatte, mußte ich im Gansstall sitzen bleiben, eh einer
-herzuschlich und an dem Riegel anfing zu rappeln. Ich lausterte
-scharf, der Kerl aber machte die Tür nicht allein auf, sondern wischte
-auch ebenso geschwind hinein, als ich gern heraußen gewesen wäre,
-und schleppte noch darzu ein Weibsbild an der Hand mit sich daher
-gleichwie beim Tanz. Weil ich aber vielen seltsamen Abenteuern an
-diesem Tag begegnet und mich darein ergeben hatte, fürderhin alles mit
-Geduld und Stillschweigen zu ertragen, als schmiegte ich mich zu der
-Tür mit Forcht und Zittern, das End erwartend. Gleich darauf erhub
-sich zwischen diesen beiden ein Gelispel, woraus ich entnahm, daß
-sich der eine Teil über den üblen Geruch des Ortes beklagte, hingegen
-der ander Teil hinwiederum tröstete: »Gewißlich, schöne Dame, mir
-ist, versichert, vom Herzen leid, daß uns, die Früchte der Liebe zu
-genießen, vom mißgünstigen Glück kein ehrlicher Ort gegönnet wird. Aber
-ich kann darneben beteuern, daß mir Ihre holdselige Gegenwart diesen
-verächtlichen Winkel anmutiger machet, als das lieblichste Paradeis
-selbsten.«
-
-Hierauf hörete ich küssen und vermerkte seltsame Posturen, wußte aber
-nicht, was es bedeuten sollte, schwieg derowegen noch fürders so still
-wie eine Maus. Wie sich aber auch sonst ein possierlich Geräusch erhob
-und der Gansstall zu krachen anfing, da wußte ich, das sein zwei von
-denen wütenden Leuten, die den Boden helfen eintreten. In der Angst
-ums Leben und dem Tode zu entfliehen, wischte ich aus der Tür mit
-Mordiogeschrei, warf den Riegel zu und suchte das Haustor.
-
-In meines Herren Quartier war alles still und schlafend, dahero dorfte
-ich mich der Schildwache, die vorm Haus stund, nicht nähern, und es war
-schon weit nach Mitternacht. So fiel mir ein, ich sollte meine Zuflucht
-zu dem Pfarrer nehmen.
-
-Dort kam ich so ungelegen, daß mich die Magd nur mit Unwillen einließ,
-ihr Herr aber, der nunmehr fast ausgeschlafen hatte, an dem Gekeife
-unser gewahr wurde. Er rief uns beide vor sich ans Bett und hieß mich
-niederlegen, da er sahe, daß ich vor Nachtfrost und Müdigkeit ganz
-erstarrt war. Ich erwarmet aber kaum, dann da es anfing zu tagen, so
-stund der Pfarrer schon vorm Bette, zu vernehmen, wie meine Händel
-beschaffen wären. Ich erzählte ihm alles und machte den Anfang bei
-der Kunst, die mich mein Kamerad gelehret, und wie sie übel geraten.
-Folgendes meldete ich, daß die Gäste, nachdem er hinweg gewesen, ganz
-unsinnig wären worden, maßen mein Kamerad mir berichtet, sie wollten
-dem Haus den Boden eintreten, ~item~ in was vor schröckliche Angst ich
-darüber geraten und auf was Weise ich mich vorm Untergang erretten
-gewollt, darüber aber in Gänsstall gesperret worden seie. Auch was
-ich in denselben von den zweien, so mich wieder erlöst, vernommen und
-welcher Gestalt ich sie wieder eingesperret hätte, berichtet ich dem
-Pfarrer.
-
-»~Simplici~,« meinte er, »deine Sachen stehen lausig. Du hattest einen
-guten Handel, aber ich besorge, es sei verscherzt. Packe dich nur
-geschwind aus dem Bette und trolle dich aus dem Haus, damit ich nicht
-samt dir in deines Herren Ungnade komme, wann man dich bei mir findet.«
-
-Also mußte ich zum ersten Mal erfahren, wie wohl einer bei männiglich
-daran ist, wann er seines Herren Gunst hat, und wie scheel einer
-angesehen wird, wann solche hinket.
-
-In meines Herrn Quartier schlief alles noch steinhart bis auf den
-Koch und ein paar Mägde; diese putzten das Zimmer, darin man gestern
-gezecht, jener aber rüstete aus den Abschrötlein wieder ein Frühstück
-oder vielmehr einen Imbiß zu. Das Zimmer lag hin und wieder voller
-zerbrochener so Trink- als Fenstergläser, voll Unflat und großen Lachen
-von verschüttetem Wein und Bier, also daß der Boden einer Landkarten
-gleich sahe, darin man hat unterschiedliche Meere, Insuln und fußfeste
-Länder vor Augen stellen wollen. Es stank viel übler als in meinem
-Gänsstall. Derowegen machte ich mich in die Küchen, mit Forcht und
-Zittern erwartend, was das Glück, wann mein Herr ausgeschlafen hätte,
-ferners in mir würken wollte. Darneben betrachtete ich der Welt Torheit
-und Unsinnigkeit, so daß ich damals meines Einsiedlers dörftig und
-elend Leben vor glückselig schätzte und ihn und mich wieder in den
-früheren Stand wünschte.
-
-
-
-
-Das ander Kapitel
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-Indessen mußten die Diener hin und wider laufen, die gestrigen Gäste
-zum Frühstück einzuholen, unter welchen der Pfarrer zeitlicher als
-alle andern erscheinen mußte, weil mein Herr fürderst meinetwegen mit
-ihm reden wollte, maßen man ihm berichtet, ich sei aus dem Gänsstall
-ausgebrochen, indem ich ein Loch hinter dem Riegel mit dem Messer
-geschnitten.
-
-Er fragte ihn ernstlich, ob er mich vor witzig oder vor närrisch
-hielte, ob ich so einfältig oder so boßhaftig sei, und erzählete ihm,
-wie unehrbarlich ich mich gehalten, was teils von seinen Gästen übel
-empfunden und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt mit
-Fleiß so angestellet worden, ~item~, daß ich nun in der Küchen umgehe
-wie ein Junker, der nicht mehr aufwarten dörfe. Sein Lebtag sei ihm
-kein solcher Possen widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler
-ehrlicher Leute gerissen. Er wüßte nichts anders mit mir anzufangen,
-als daß er mich lasse abprügeln und wieder vor den Teufel hinjagen.
-
-Derweilen sammelten sich die Gäste. Der Pfarrer aber antwortete, wann
-ihm der Gouverneur zuzuhören beliebte, so wolle er vom ~Simplicio~ eins
-und anders erzählen, daraus dessen Unschuld zu ersehen sei und alle
-ungleichen Gedanken benommen würden.
-
-Inzwischen akkordierte der tolle Fähnrich aus dem Gänsstall mit mir in
-der Küchen, und brachte mich durch Drohworte und einen Taler dahin, daß
-ich versprach, reinen Mund zu halten.
-
-Die Tafeln wurden gedeckt und mit Speisen und Leuten besetzt. Wermut-,
-Salbei-, Alant-, Quitten- und Zitronenwein mußte neben dem Hippokras
-den Säufern ihre Köpfe und Mägen wieder begütigen, dann sie waren
-schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erst Gespräch war von ihnen
-selbsten: wie sie gestern einander so brav vollgesoffen ... mit
-nichten! sie hätten allein gute »Räusche« gehabt, dann keiner säuft
-sich mehr voll, sintemal die »Räusche« aufgekommen sind. Als sie aber
-von ihren eigenen Torheiten zu reden und zu hören müde waren, mußte
-der arme ~Simplicius~ herhalten. Der Gouverneur selbst erinnerte den
-Pfarrer, die lustigen Sachen zu eröffnen.
-
-Dieser bat zuvörderst, man wolle ihm nicht vor ungut halten, dafern er
-Wörter reden müßte, die seiner geistlichen Person übel vermerkt werden
-könnten. Fing darauf an zu erzählen, aus was natürlichen Ursachen ich
-dem ~Secretario~ merkliche Unlust in seiner Kanzlei angerichtet, wie
-ich sonach das Wahrsagen gelernet und solches schlimm erprobt, wie
-seltsam mir das Tanzen vorgekommen sei und wie ich darüber in den
-Gänsstall gelangt wäre. Solches brachte er in einer wohlanständigen Art
-vor, daß sich die Gäste trefflich zerlachen mußten. Aber von dem, was
-mir im Gänsstall begegnet, wollte er nichts sagen.
-
-Hingegen fragte mich mein Herr, was ich vor so saubere Künste und
-Lehren meinem Kameraden gegeben hätte. Ich antwortete: »Nichts«. »So
-will ich dein Lehrgelt zahlen,« versprach mein Herr und ließ ihn darauf
-über eine Futtertruhe spannen und allerdings karbaitschen.
-
-Er wollte mich ferner meiner Einfalt wegen stimmen, ihn und seinen
-Gästen mehr Lust zu machen, dann ich galt mit meinen närrischen
-Einfällen selbigen Tags über allen Musikanten. Und er fragte, warum
-ich die Stalltür erbrochen. Ich sagte: »Das mag jemand anders getan
-haben.« -- »Wer?« -- »Das darf ich niemand sagen.« Mein Herr war aber
-ein geschwinder Kopf und sahe wohl, wie man mich Lausen müßte. »Wer hat
-dir solches verboten?« -- »Der tolle Fähnrich da.«
-
-Ich merket an jedermanns Gelächter, daß ich mich gewaltig verhauen
-haben mußte, und der tolle Fähnrich ward so rot wie eine glühende
-Kohlen.
-
-Darauf gebot mein Herr zu reden und fragte: »Was hat der tolle Fähnrich
-bei dir im Gänsstall zu tun gehabt?« Ich antwortete: »Er brachte eine
-Jungfer mit hinein.«
-
-Darüber erhub sich bei allen Anwesenden ein solch Gelächter, daß mich
-mein Herr nicht mehr hören, geschweige etwas weiters fragen konnte.
-
-So brachten etliche mehr Possen auf die Bahn, sunderlich meine
-einfältigen Straf- und Mahnreden, daß man schier denselben Imbiß von
-nichts, als nur von mir zu reden und zu lachen hatte.
-
-Und das verursachte einen allgemeinen Entschluß zu meinem Untergang:
-man sollte mich nur tapfer agieren, so würde ich mit der Zeit einen
-raren Narren abgeben, den man auch den größten Potentaten der Welt
-verehren und mit dem man die Sterbenden zum Lachen bringen könnte. --
-
-Wie man nun also schlampampte und wieder gut Geschirr machen wollte,
-meldete die Wacht einen ~Commissarium~ an, der vor dem Tor sei. Das
-eingehändiget Schreiben besagte, er wäre von den schwedischen Kronräten
-abgeordnet, die Guarnison zu mustern und die Festung zu visitieren.
-Solches versalzte allen Spaß und das Freudengelag verlummerte wie ein
-Dudelsackzipfel, dem der Blast entgangen. Die Musikanten und Gäste
-zerstoben wie Tabakrauch, der nur den Geruch hinter sich läßt. Mein
-Herr trollete selbst mit dem Adjutanten, der den Schlüssel trug, samt
-einem Ausschuß von der Tagwacht und vielen Windlichtern dem Tor zu, den
-Plackschmeißer, wie er ihn nannte, selbst einzulassen. Er wünschte, daß
-ihm der Teufel den Hals in tausend Stücke bräche, ehe er in die Festung
-käme.
-
-Sobald er ihn aber eingelassen und auf der inneren Fallbrücke
-bewillkommnete, fehlte wenig oder gar nichts, daß er ihm nicht
-selbst den Steigbügel hielte, seine ~Devotion~ zu bezeugen, ja
-die Ehrerbietung war augenblicklich zwischen beiden so groß, daß
-der ~Commissarius~ abstieg und zu Fuß mit meinem Herrn gegen sein
-Losament schritt. Da wollte ein jeder zur linken Hand gehen und mehr
-dergleichen. Ach, gedachte ich, was vor ein Geist regiert die Menschen,
-indem er je einen durch den andern zum Narren machet!
-
-Wir näherten also der Hauptwache und die Schildwacht rufte ihr Wer-da,
-wiewohl sie sahe, daß es mein Herr war. Dieser wollte nicht antworten,
-sondern dem andern die Ehre lassen, daher stellet sich die Schildwacht
-mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger. Endlich antwortete der
-~Commissarius~: »Der Mann, ders Geld gibt.«
-
-Wie wir bei der Schildwacht vorbeipassierten, und ich so hinten
-nachzog, hörete ich den Posten brummen: »Ein Mann ders Geld gibt!
-Verlogener Kund! Ein Schindhund, ders Geld nimmt, das bist! Daß dich
-der Hagel erschlüge, eh du wieder aus der Stadt kommst!«
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-Also meinete ich, der fremde Herr mit der sammeten Mutzen müßte ein
-Heiliger sein, weil nicht allein keine Flüche an ihm hafteten, sondern
-dieweil ihm auch seine Hasser alle Ehre, alles Liebe und alles Gute
-erwiesen. Er ward noch diese Nacht fürstlich traktieret, blind
-vollgesoffen und in ein herrlich Bette gelegt.
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-Folgenden Tags ging es bei der Musterung bunt über Eck her. Ich
-einfältiger Tropf war selbst geschickt genug, den klugen ~Commissarium~
-zu betrügen. Daß ich ihm zu klein vor die Musketen erschiene,
-staffieret man mich mit einem entlehnten Kleid und einer Trummel aus.
-Mein Herr ließ in die Rolle meinen Namen einschreiben und nannte mich
-~Simplicius Simplicissimus~.
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-
-Das dritte Kapitel
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-Als der ~Commissarius~ wieder weg war, ließ mich der Pfarrer heimlich
-zu sich in sein Losament kommen und sagte:
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-»O ~Simplici~, deine Jugend dauert mich und deine Unglückseligkeit
-bewegt mich zum Mitleiden. Höre, mein Kind, dein Herr ist entschlossen,
-dich aller Vernunft zu berauben und dich zum Narren zu machen, maßen
-er bereits ein Kleid vor dich anfertigen läßt. Morgen mußt du in
-die Schule, darin du deine Vernunft verlernen sollst. Man wird dich
-ohn Zweifel so greulich trillen, daß du ein Phantast werden mußt,
-wenn anderst Gott und natürliche Mittel solches nicht verhindern. Um
-deines Einsiedlers Frömmigkeit und deiner eigenen Unschuld willen sei
-dir mit Rat und notwendigen guten Arzneien beigesprungen. Folge nun
-meiner Lehre: Nimm dieses Pulver ein, welches dir Hirn und Gedächtnus
-dermaßen stärken wird, daß du, unverletzt deines Verstandes, alles
-leicht überwinden magst. Auch schmiere dir mit diesem Balsam Schläfen,
-Wirbel und Genick samt den Naslöchern. Beides brauch auf den Abend,
-sintemal du keiner Stunde sicher sein wirst. Wann man dich in dieser
-verfluchten Kur haben wird, so achte und glaube nicht alles, stelle
-dich jedoch, als wenn du alles glaubtest. Wenn du aber das Narrenkleid
-anhaben wirst, so komme wieder zu mir, damit ich deiner mit fernerem
-Rat pflegen möge. Indessen will ich Gott bitten, daß er deinen Verstand
-und Gesundheit erhalten wolle.«
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-Wie der Pfarrer gesagt, also ging es: Im ersten Schlaf kamen vier Kerl
-in schröcklichen Teufelslarven, die sprungen herum wie Gaukler. Einer
-hatte einen glühenden Hacken, der andere eine Fackel. Zween aber
-wischten über mich her, zogen mich aus dem Bette, tanzten mit mir hin
-und her, zwangen mir meine Kleider an Leib. Ich aber verführete ein
-jämmerliches Zetergeschrei und ließ die allerforchtsamsten Gebärden
-erscheinen. Hierauf verbanden sie mir den Kopf mit einem Handtuch und
-führeten mich unterschiedliche Umwege, viel Stiegen auf und ab und
-endlich in einen Keller, darin ein großes Feuer brannte. Sie banden
-das Handtuch ab und fingen an, mir mit spanischem Wein und Malvasier
-zuzutrinken. Ich stellet mich mit allem Fleiß, als wäre ich nun
-gestorben und im Abgrund der Hölle.
-
-»Sauf zu! Willtu nicht ein guter Gesell sein, so mußt du in
-gegenwärtiges Feuer!«
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-Die armen Teufeln wollten ihre Sprache und Stimme verquanten, damit
-ich sie nicht kennen sollte, ich merkte aber gleich, daß es meines
-Herrn Fourierschützen waren. So trank ich mein Teil, sie aber soffen,
-weil derlei himmlischer ~Nectar~ selten an solche Gesellen kommt.
-Da michs aber Zeit zu sein bedünkte, stellete ich mich mit Hin- und
-Hertorkeln, wie ichs gesehen hatte, und wollte endlich gar nicht mehr
-saufen, sondern schlafen. Sie hingegen jagten und stießen mich mit
-ihren Hacken, die sie allezeit im Feuer liegen hatten, in allen Ecken
-des Kellers herum. Und wann ich in solcher Hatz niederfiel, so packten
-sie mich auf, als wann sie mich ins Feuer werfen wollten. Also ging
-mirs wie einem Falken, den man wacht. Ich hätte zwar Trunkenheit und
-Schlafes halber ausgedauert, aber sie lösten einander ab. Drei Täge und
-zwei Nächte habe ich in diesem raucherichten Keller zugebracht. Der
-Kopf fing mir an zu brausen und zu wüten, als ob er zerreißen wollte.
-Ich warf mich hin und stellet mich tot. Da legten sie mich in ein
-Leinlach und zerplotzten mich so unbarmherzig, daß mir alles Eingeweide
-samt der Seele hätte herausfahren mögen. Wovon ich meiner Sinne beraubt
-ward und nicht weiß, was sie ferners mit mir gemacht haben.
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-Als ich zu mir selber kam befand ich mich in einem schönen Saal unter
-den Händen dreier alter Weiber, die vor eine treffliche Arznei wider
-die unsinnige Liebe hätten dienen mögen, so garstig waren sie. Ich
-erkannte wohl, daß die eine unsere Schüsselwäscherin, die andern zwo
-aber zweier Fourierschützen Weiber waren. Da stellete ich mich, als
-wann ich mich nicht zu regen vermöchte, wie mich dann in Wahrheit auch
-nicht tanzerte, als die ehrlichen Alten mich auszogen und mich wie ein
-klein Kindlein säuberten. Doch tät mir solches trefflich sanft. Sie
-bezeugten unter währender Arbeit große Geduld und Mitleiden, also daß
-ich ihnen beinahe offenbaret hätte, wie gut mein Handel noch stünde.
-Zum Glück gedachte ich: Nein, ~Simplici~, vertraue keinem alten Weibe!
--- Da sie nun mit mir fertig waren, legten sie mich in ein köstlich
-Bette, darin ich ungewiegt entschlummerte. Meines Davorhaltens schliefe
-ich in einem Satz länger als vierundzwenzig Stunden. Da ich erwachte
-stunden zween schöne, geflügelte Knaben vorm Bette, welche mit weißen
-Hemden, taffeten Binden, Perlen, Kleinodien, göldenen Ketten und
-andern scheinbarlichen Sachen köstlich gezieret waren. Einer hatte
-ein vergöldtes Lavor voller Hippen, Zuckerbrot, Marzipan und anderm
-Konfekt, der ander aber einen göldnen Becher in Händen. Diese Engel
-wollten mich bereden, daß ich nunmehr im Himmel sei, weil ich das
-Fegfeuer so glücklich überstanden. Derohalben sollte ich nur begehren,
-was mein Herz wünsche. Mich quälte der Durst, mich verlangete nur nach
-einem Trunk, der mir auch mehr als gutwillig gereichet wurde. Es war
-aber kein Wein, sondern ein lieblicher Schlaftrunk.
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-Den andern Tag erwachte ich wiederum (dann sonst schliefe ich noch
-heute), befand mich aber nicht mehr im Bette noch im vorigen Saal,
-sondern in meinem Gänskerker und überdas trug ich ein Kleid von
-Kalbsfellen, daran das rauhe Teil nach auswendig gekehrt war. Die Hosen
-waren auf polnisch oder schwäbisch, der Wams auf närrisch gemacht.
-Oben am Hals stund eine Kappe wie eine Mönchsgugel, die war mir über
-den Kopf gestreift und mit einem Paar großer Eselsohren gezieret. Ich
-mußte meines Unsterns selbst lachen, weil ich an Nest und Federn sahe,
-was ich vor ein Vogel sein sollte. Ich bedachte mich aufs beste und
-satzte mir vor, mich so närrisch zu stellen, als mir immer müglich sei,
-darneben mit Geduld zu verharren.
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-
-Das vierte Kapitel
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-Weil ich ein Narr sein sollte, der nicht so witzig ist, von sich selbst
-herauszugehen, achtet ich des Loches, das der tolle Fähnrich in die
-Tür geschnitten hatte, nicht, sondern blieb und stellte mich als ein
-hungrig Kalb, das sich nach der Mutter sehnet. Mein Geplärr ward auch
-bald von zween Soldaten gehöret, die darzu bestellt waren. Sie fragten
-mich, wer da sei. Ich antwortete: »Ihr Narren, höret ihr dann nicht,
-daß ein Kalb da ist?« Sie nahmen mich heraus und verwunderten sich
-wie neugeworbene Komödianten, die nicht wohl agieren können, daß ein
-Kalb rede. Sie beratschlagten, mich dem Gubernator zu verehren, der
-ihnen mehr schenken würde, als der Metzger vor mich bezahlt hätte. Sie
-fragten mich, wie demnach mein Handel stünde.
-
-»Liederlich genug,« antwortete ich.
-
-»Warum?«
-
-»Darum, dieweil hier Brauch ist, redliche Kälber in Gänsstall zu
-sperren.«
-
-Sie führten mich gegen des Gouverneurs Quartier zu und uns folgte eine
-große Schar Buben nach, die ebensowohl als ich, wie Kälber schrien.
-
-Also ward ich dem Gouverneur präsentiert, als ob ich von denen Soldaten
-erst auf Partei erbeutet worden wäre. Er versprach mir die beste Sach.
-Ich sagte: »Wohl Herr, man muß mich aber in keinen Gänsstall sperren,
-dann wir Kälber können solches nicht erdulden, wann wir anders wachsen
-und zu einem Stück Hauptviehe werden sollen.«
-
-Er vertröstete mich eines besseren und dünkte sich gar gescheit zu
-sein, daß er einen solchen visierlichen Narren aus mir gemachet hätte.
-Hingegen gedachte ich: Harre mein, lieber Herr, ich habe die Probe des
-Feuers überstanden.
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-Indem trieb ein geflüchteter Baur sein Viehe zur Tränke. Ich sahe
-es und eilete mit einem Kälbergeplärr den Kühen zu, so sich vor mir
-ärger entsatzten als vor einem Wolf, ja, sie wurden so schellig und
-zerstoben von einander, daß sie der Bauer am selbigen Ort nicht mehr
-zusammenbringen konnte. Im Hui war ein Haufen Volk darbei, das der
-Gaukelfuhre zusahe. Mein Herr lachte, daß er hätte zerbersten mögen,
-und meinte endlich: »Ein Narr macht ihrer hundert!« Ich aber gedachte,
-eben du bist derjenige, dem du jetzt wahrsagest.
-
-Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an das Kalb nannte,
-also nannte ich hingegen auch einen jeden mit einem besonderen Namen.
-~In summa~ mich schätzte männiglich vor einen ohnweisen Toren und ich
-hielte jeglichen vor einen gescheiten Narren. Dieser Brauch ist meines
-Erachtens in der Welt noch üblich, maßen ein jeder mit seinem Witz
-zufrieden und sich einbildet, er sei der Gescheiteste unter allen.
-
-Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor, brachte aber
-daneben seltsame Sachen auf die Bahn, und, als ich essen sollte,
-konnte niemand menschliche Speise oder Trank in mich bringen. Ich
-wollte kurzum nur Gras haben, was zur selbigen winterlichen Zeit zu
-bekommen unmüglich war. So ließ mein Herr zweien kleinen Knaben frische
-Kalbfell überstreifen, diese satzte er zu mir und traktierte uns mit
-Wintersalat. Ich aber sahe so starr drein, als wann ich mich darüber
-verwunderte.
-
-»Jawohl,« sagten sie, weil sie mich so kaltsinnig sahen, »es ist nichts
-Neues, daß Kälber Fleisch, Fisch, Käse, Butter und anders fressen. Sie
-saufen auch zu Zeiten einen guten Rausch.«
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-Ich ließ mich desto ehender überreden, als ich hiebevor schon selbst
-gesehen, wie teils Menschen säuischer als Schweine, geiler als Böcke,
-neidiger als Hunde, unbändiger als Pferde, gröber als Esel, versoffener
-als Rinder, gefräßiger als Wölfe, närrischer als Affen und giftiger als
-Schlangen und Kroten waren, so dannoch allesamt menschlicher Nahrung
-genossen und nur durch die Gestalt von den Tieren unterschieden waren.
-
-Gleichwie meine beiden Schmarotzer mit mir zehreten, also mußten sie
-auch mit mir zu Bette, wann mein Herr anders nicht zugeben wollte, daß
-ich im Kühestall schliefe. Der grundgütige Gott gab mir so viel Witz
-vor meinen Stand, als er einem jeden Menschen zu seiner Selbsterhaltung
-verleihet, dannenhero ich erkannte: Doktor hin, Doktor her, was bildet
-ihr euch ein, allein witzig zu sein und Hans in allen Gassen. Hinter
-den Bergen, da wohnen auch noch Leute.
-
-Gegen Mittag so mußte ich auch in die Stube, weil adelig Frauenzimmer
-bei meinem Herren war, den neuen Narren zu hören und zu sehen. Ich
-erschiene und stund da wie ein Stummer. Dahero diejenige, so ich
-hiebevor beim Tanze erdappet hatte, Ursach nahm zu sagen, sie hätte
-gehört, daß dieses Kalb könne reden, nunmehr verspüre sie aber, daß es
-nicht wahr sei.
-
-Ich antwortete: »So habe ich vermeint, die Affen können nicht reden,
-höre aber wohl, das dem auch nicht so sei.«
-
-»Wie,« sagte mein Herr, »vermeinst du dann, diese Damen seien Affen?«
-
-»Sein sie es nicht,« gab ich entgegen, »so werden sie es bald werden.
-Wer weiß wie es fällt, ich habe mich auch nicht versehen, ein Kalb zu
-werden, und bins doch.«
-
-Da fragte mein Herr, woran ich sehe, daß diese Damen Affen werden
-sollten.
-
-Ich antwortete: »Der Affe trägt seinen Hintern bloß, diese Jungfer
-allbereits ihre Brüstlein, dann andre Mägde pflegen sonst solche zu
-bedecken.«
-
-»Schlimmer Vogel,« sagte mein Herr, »so redest du? Diese lassen billig
-sehen, was sehenswert ist, der Affe aber gehet aus Armut nackend.
-Geschwind bringe ein, was du gesündiget hast, oder man wird dich mit
-Hunden in den Gänsstall hetzen!«
-
-Hierauf betrachtete ich die Dame so steif und lieblich, als hätte
-ich sie heuraten wollen. Endlich sagte ich: »Herr, ich sehe wohl der
-Diebsschneider ist an allem schuldig, er hat das Gewand, das oben um
-den Hals gehört, unten am Rock stehen lassen, darum schleift es so weit
-hinten nach. Man soll dem Hudler die Hand abhauen. Jungfer, schafft
-ihn ab, wann er Euch nicht so verschänden soll und sehet, daß ihr
-meiner Meuder, des Ursele und der Ann Schneider bekommt, die haben Röck
-gehabt, so nicht im Dreck geschlappt wie Eurer.«
-
-Mein Herr fragte, ob dann meines Knäns Ann und Ursele schöner gewesen
-als diese Jungfer.
-
-»Ach wohl nein,« sagte ich, »diese Jungfer hat ja Haare so gelb,
-als kleine Kindlein die Windlen zeichnen, und sie sein so hübsch
-zusammengerollt, als hätte sie auf jeder Seite ein paar Pfund Lichter
-oder ein Dutzend Bratwürst hangen. Wie hat sie so eine schöne glatte
-Stirn, weißer als ein Totenkopf, der viel Jahr lang im Wetter gehangen.
-Jammerschad ist, daß ihre zarte Haut durch den Puder bemackelt wird,
-als habe die Jungfer den Erbgrind, der solche Schuppen von sich werfe.
-Wie zwitzern doch ihre funkelnden Augen, vor Schwärze klärer als meines
-Knäns Ofenloch. Und die zwei Reihen Zähne, so in ihrem Maul stehen,
-schimmern so schön, als wann sie aus einem Stück von einer weißen Rübe
-geschnitzelt wären worden. O Wunderbild, ich glaube nicht, daß es einem
-wehe tut, so du einen damit beißest! Wie ist ihr Hals schier so weiß,
-als eine gestandene Sauermilch und ihre Brüstlein sein von gleicher
-Farbe und ohn Zweifel so hart, als eine Geißmämm, die von übriger Milch
-strotzet. Ach Herr, sehet ihre Hände und Finger so subtil, so lang, so
-gelenk, so geschmeidig und so geschickt, damit sie einem in den Sack
-greifen können, wann sie fischen wollen. Aber was soll dieses gegen
-ihren ganzen Leib, den ich zwar nicht sehen kann. Ist er nicht so zart,
-so schmal und anmutig, als wann sie acht ganzer Wochen die schnelle
-Katharina gehabt hätte?«
-
-Hierüber erhub sich eine solch Gelächter, daß man mich nicht mehr
-hören, noch ich mehr reden konnte. Ging hiemit durch wie ein Holländer
-und ließ mich, solang mirs gefiel, von andern vexieren.
-
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-
-Das fünfte Kapitel
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-Bei allen Mahlzeiten ließ ich mich tapfer gebrauchen, dann ich hatte
-mir vorgesatzt, alle Torheiten zu bereden und alle Eitelkeiten zu
-bestrafen. Ich rupfte ihre Laster, und wer sichs nicht gefallen ließe,
-ward noch darzu ausgelacht.
-
-Der erste, der mir mit Vernunft begegnen wollte, war der ~Secretarius~,
-dann ich denselben einen Titulschmied nannte und ihn fragte, wie man
-der Menschen ersten Vater titulieret hätte.
-
-»Du redest wie ein Kalb, maßen nach unseren ersten Eltern Leute gelebt,
-die durch seltene Tugenden und gute Künste sich und ihr Geschlecht
-dergestalt geadelt haben, daß sie übers Gestirn zu den Göttern erhoben
-worden. Wärest du ein Mensch, so hättest du die Historien gelesen und
-verstündest auch den Unterscheid, sintemalen du aber ein Kalb und
-keiner menschlichen Ehre würdig noch fähig, so redest du wie ein dummes
-Kalb und gönnest ihnen den Ehrentitul nicht.«
-
-»Ich bin«, antwortete ich, »sowohl ein Mensch gewesen als du und habe
-bei meinem Einsiedel auch ziemlich viel gelesen. Sage mir, was sein
-vor herrliche Taten begangen und Künst erfunden, die genugsam seien,
-ein ganzes Geschlecht von etlich hundert Jahr nach Absterben des
-Helden und Künstlers zu adlen? Ist nicht beides: des Helden Stärke
-und des Künstlers Weisheit mit hinweggestorben? So aber der Eltern
-Qualitäten auf die Kinder überkommen, halt ich davor, daß dein Vater
-ein Stockfisch und deine Mutter eine Schneegans gewesen.«
-
-»Ha,« rief der ~Secretarius~, »wann es damit wohl ausgericht sein
-wird, wann wir einander schänden, so könnte ich dir vorwerfen, daß dein
-Knän ein grober spessarter Bauer gewesen, und daß du dich noch mehr
-verringert habest, indem du zum unvernünftigen Kalb geworden bist.«
-
-»Da recht! Das ist, was ich behaupten will, daß der Eltern Tugenden
-nicht allerweg auf die Kinder vererbt werden, und dahero die Kinder
-ihrer Eltern Tugendtitul auch nicht allerweg würdig sein. Mir zwar ist
-es keine Schande, daß ich ein Kalb bin worden, dieweil ich in solchem
-Falle dem großmächtigen König Nabuchodonosor nachzufolgen die Ehre
-habe.«
-
-»Nun gesetzt, aber nicht zugestanden, du habest recht, so mußt du doch
-gestehen, daß diejenigen alles Lobs wert sein, die sich selbst durch
-Tugend edel machen. Wann aber -- so folget, daß man die Kinder der
-Eltern wegen billig ehre, dann der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
-Wer wollte in ~Alexandri Magni~ Nachkömmlingen, wann anders noch
-einzige vorhanden wären, ihres alten Ur-Ahnherren herzhafte Tapferkeit
-nicht rühmen? Hat er nicht vor dem dreißigsten Jahr die Welt bezwungen,
-hat er nicht in einer Schlacht mit den Indiern, da er von den Seinigen
-verlassen war, aus Zorn Blut geschwitzet? War er nicht von lauter
-Feuerflammen umgeben, daß die Barbaren vor ihm flohen? Bezeugt nicht
-~Quintus Curtius~, daß sein Atem wie Balsam, der Schweiß wie Bisem,
-sein toter Leib aber nach köstlicher Spezerei roch? -- Da könnte ich
-auch den ~Julium Cäsarem~ und ~Pompeium~ anführen, deren der eine
-fünfzigmal in offener Feldschlacht gestritten und 1152000 Mann erlegt
-und totgeschlagen hat, der ander aber hat neben 940 den Meerräubern
-abgenommenen Schiffen vom Alpengebürg an bis in das äußerste Hispanien
-876 Städte und Flecken eingenommen und überwunden. Ist nicht von dem
-~Lucio Siccio Dentato~, welcher Zunftmeister in Rom war, zu sagen, daß
-er in 110 Feldschlachten gestanden und achtmal diejenigen überwunden
-hat, die ihn herausgefordert, und daß er 45 Wundmäler an seinem Leib
-zeigen konnte. Mit neun Obrist Feldherren ist er in ihren Triumphen
-in Rom eingezogen. Wo bleibet der starke Herkules, Theseus und andre,
-deren unsterbliches Lob zu beschreiben unmüglich.
-
-Ich will aber die Waffen fahren lassen und mich zu den Künsten wenden.
-Was findet sich für Geschicklichkeit am ~Zeuxis~, welcher mit seinen
-Schildereien die Vögel in der Luft betrog, ~item~ am ~Apelles~, der
-eine ~Venus~ so natürlich, so ausbündig und mit allen Lineamenten
-so subtil und zart dahermalete, daß sich die Junggesellen darein
-verliebten. ~Plutarchus~ schreibet, daß ~Archimedes~ ein großes Schiff
-mit Kaufmannswaren über den Markt von Syrakus nur mit einer Hand, an
-einem einzigen Seil vermöge seiner Schrauben daher gezogen, welches
-200 deinesgleichen Kälber nicht hätten zu tun vermocht. Sollten diese
-Meister nicht mit einem besonderen Ehrentitul begabt sein? Und welcher
-die edle und der ganzen Welt höchst nutzbare Kunst der Buchdruckerei
-erfunden, wer wollte den nicht preisen? Zwar ist wenig daran gelegen,
-ob du grobes Kalb solches in deinem unvernünftigen Ochsengehirn fassest
-oder nicht! Es geht dir eben wie jenem Hund, der auf einem Haufen Heu
-lag und solches dem Ochsen auch nicht gönnte, weil er es selbst nicht
-genießen konnte.«
-
-Da ich mich so gehetzt sahe, satzte ich dagegen: »Die herrlichen
-Heldentaten wären höchlich zu rühmen, wann sie nicht mit anderer
-Menschen Untergang und Schaden vollbracht wären worden. Was ist
-das aber vor ein Lob, welches mit so vielem unschuldig vergossenem
-Menschenblut besudelt, und was vor ein Adel, der mit so vieler tausend
-anderer Menschen Verderben erobert und zuwegen gebracht worden? Und die
-Künste, was seinds anders als lauter Vanitäten und Torheiten, dienen
-zum Geiz, zur Wollust, zur Üppigkeit. So könnte man der Druckerei
-und Schriften auch wohl entbehren, dann der Heilige saget: Die ganze
-Welt ist Buchs genug, die Wunder des Schöpfers zu betrachten und die
-göttliche Allmacht zu erkennen.«
-
-Mein Herr wollte auch mit mir scherzen und sagte: »Ich merke wohl, weil
-du nicht edel zu werden getrauest, verachtest du des Adels Ehrentitul.«
-Ich antwortete: »Wann schon ich in dieser Stund an deine Ehrenstell
-treten sollte, ich wollte sie doch nicht annehmen.« Mein Herr lachte.
-»Das glaub ich, dann dem Ochsen gehöret Haberstroh. Ich meinesteils
-acht es für kein Geringes, wann mich das Glück über andere erhebet.«
-Ich seufzte und sagte: »Ach, armselige Glückseligkeit! Herr, du bist
-der allerelendeste Mensch in ganz Hanau.«
-
-»Wieso, wieso, du Kalb!«
-
-»Wann du nicht weißt oder empfindest, mit wieviel Sorgen und Unruhe du
-als Gubernator beladen bist, so verblendet dich allzu große Begierde
-der Ehre. Zwar hast du zu befehlen und wer dir unter Augen kommt, muß
-dir gehorsamen, aber bist du nicht ihrer aller Knecht? Schaue, du
-bist jetzt rund umher mit Feinden umgeben und die Konservation dieser
-Festung liegt dir auf dem Hals. Bedörfte es nicht öfters, daß du
-selber wie ein gemeiner Knecht Schildwacht stündest? Du mußt um Geld,
-Munition, Proviant und, daß dein Volk im Posten erscheine, bedacht
-sein und das ganze Land durch stetiges Exequieren und Tribulieren
-in Kontribution erhalten. Schickest du die Deinigen zu solchem End
-hinaus, so ist Rauben, Plündern, Stehlen, Brennen und Morden ihre beste
-Arbeit. Sie haben erst neulich Orb geplündert, Braunfels eingenommen
-und Staden in Asche gelegt. Davon haben sie sich zwar Beuten, du dir
-aber eine schwere Verantwortung vor Gott gemacht. Und wirst du nicht
-Ehr und Reichtum in der Welt lassen und nichts mit dir nehmen als die
-Sünde, dadurch du selbige erworben hast? Du verschwendest der Armen
-Schweiß und Blut, die jetzt gar verderben und Hungers sterben. Und
-dafern anders etwas versäumet wird, das zur Erhaltung deiner Völker
-und der Festung hätte observiert werden sollen, so kostet es deinen
-Kopf. Sterbe ich jung, so bin ich der Mühseligkeit eines Zugochsens
-überhoben, dir aber stellet man auf tausendfältige Weise nach und dein
-ganzes Leben ist Sorge und Schlafbrechen, dann du mußt Freunde und
-Feinde förchten umb deiner Reputation und deines Kommandos willen. Ich
-geschweige, daß dich täglich deine brennenden Begierden quälen, wie du
-dir einen noch größeren Namen und Ruhm zu machen, höher in Kriegsämtern
-zu steigen, größeren Reichtum zu sammeln, dem Feind eine Tücke zu
-beweisen, einen oder den andern Ort zu überrumpeln, ~in summa~ fast
-alles tun solltest, was andere Leute schädigt, deine Seele verderbt
-und der göttlichen Majestät mißfällt. Du aber lässest dich von deinen
-Fuchsschwänzern verwöhnen, daß du dich selbst nicht mehr erkennst
-und den gefährlichen Weg nicht siehest. Sie hetzen und jagen dich zu
-anderer Leute Schaden, ihrem Beutel zu nutz.«
-
-»Du Bernheuter, wer lernet dich so predigen?«
-
-»Sage ich nicht wahr, daß du von deinen Ohrenbläsern und Daumendrehern
-dergestalt verderbt seiest, daß dir bereits nicht mehr zu helfen ist?
-Aber auch du entgehst dem Tadel nicht. Hast du nicht Exempel genug an
-hohen Personen, so vor der Zeit gelebet? Die Lacedämonier schalten an
-ihrem ~Lycurgo~, daß er allezeit gesenkten Hauptes daherging, die Römer
-verargeten dem ~Scipioni~ das Schnarchen und es dünkte sie häßlich zu
-sein, daß sich ~Pompeius~ nur mit einem Finger kratzte. Des ~Julii
-Cäsaris~ spotteten sie, weil er den Gürtel nicht artig und lustig
-antrug. Die Uticenser verleumdeten ihren ~Catonem~, weil es zu gierig
-auf beiden Backen aß. Die Karthager redeten dem ~Hannibali~ übel nach,
-weil er immerzu mit der Brust aufgedeckt und bloß daherging. Herr, ich
-tausche mit keinem, der vielleicht neben zwölf Fuchsschwänzern und
-Schmarotzern tausend so heimliche als öffentliche Feinde hat. Ich sehe
-wohl, wie sauer du dirs mußt werden lassen und wieviel Beschwerden du
-trägst. Und was wird endlich dein Lohn sein? Sage mir, lieber Herr, was
-hast du davon? Wann dus nicht weißt, so laß dirs von dem griechischen
-~Demosthenes~ sagen, den die Athener des Landes verwiesen und ins Elend
-gejagt haben. Dem ~Sokrati~ ist mit Gift vergeben worden. ~Hannibal~
-hat elendiglich, in der Welt landflüchtig herumschweifen müssen.
-~Lykurg~ ward gesteiniget. ~Solo~ wurde verbrannt, nachdem ihm ein Aug
-ausgestochen ward. Darum behalte du dein Kommando samt seinem Lohn.
-Dann wann alles wohl mit dir abgehet, so bringst du aufs wenigste ein
-böses Gewissen davon.«
-
-
-
-
-Das sechste Kapitel
-
-
-Und währendem meinem Diskurs sahe mich jedermann verwundert an. Mein
-Herr aber sagte:
-
-»Ich weiß nicht, was ich an dir habe. Du bedünkest mich vor ein Kalb
-viel zu verständig zu sein. Ich vermeine schier, du seiest unter deiner
-Kalbshaut mit einer Schalkshaut überzogen.«
-
-Ich stellete mich zornig und rief: »Vermeinet ihr Menschen dann wohl,
-wir Tiere seien gar Narren? Das dörft ihr euch wohl nicht einbilden.
-Ältere Tiere möchten euch anderst aufschneiden, so sie reden könnten
-als ich. Saget mir doch, wer die wilden Waldtauben, Häher, Amseln und
-Rebhühner gelehret hat sich mit Lorbeerblättern zu purgieren und die
-Turteltäublein und Hühner mit St. Peterskraut? Wer lehret Hunde und
-Katzen das betaute Gras fressen, wann sie ihren vollen Bauch reinigen
-wollen? Wer den angeschossenen Hirsch seine Zuflucht zur wilden Poley
-nehmen? Wer hat das Wieselin unterrichtet, daß es Raute gebrauchen
-solle, wann es mit der Feldmaus oder irgendeiner Schlange kämpfen will?
-Wer gibt den wilden Schweinen Efeu und den Bären Alraun vor Arznei zu
-erkennen? Wer unterweiset die Schwalbe, daß sie ihrer Jungen blöde
-Augen mit dem Chelidonio arzneien soll? Wer instruieret die Schlange,
-daß sie Fenchel esse, wann sie ihre Haut abstreifen will? Schier dorfte
-ich sagen, daß ihr eure Künste und Wissenschaften von uns Tieren
-erlernet habt. Aber ihr freßt und sauft euch krank und tot, das tun wir
-Tiere nicht. Ein Löw oder Wolf, wann er zu fett werden will, so fastet
-er, bis er frisch und gesund wird. Wer aber sagt den Sommervögeln,
-wann sie im Frühjahr zu uns kommen, Junge hecken und im Herbste wieder
-von dannen in warme Länder ziehen sollen? Leihet ihr Menschen ihnen
-vielleicht eueren Kalender oder Seekompaß? Beschauet die mühsame
-Spinne, deren Geweb beinahe ein Wunderwerk ist. Sehet ob ihr auch einen
-einzigen Knopf in aller ihrer Arbeit finden möget. Welcher Jäger hat
-sie gelehrt, das Wildpret zu belaustern? Die alten Philosophi haben
-solches ernstlich erwogen und sich nicht geschämet zu fragen und zu
-disputieren, ob die Tiere nicht auch Verstand hätten. Gehet hin zu den
-Immen und sehet, wie sie Wachs und Honig machen, und alsdann saget mir
-euer Meinung wieder.«
-
-Hierauf fielen unterschiedliche Urteile über mich. Der ~Secretarius~
-hielt davor, ich sei närrisch, weil ich mich selbsten vor ein
-unvernünftig Tier schätze, maßen diejenigen, so einen Sparen zu viel
-oder zu wenig hätten und sich jedoch weise zu sein dünkten, die aller
-artlichsten und visierlichsten Narren wären. Andere sagten, wann man
-mir die Imagination benehme, daß ich ein Kalb sei, so würde ich vor
-vernünftig und witzig gelten müssen.
-
-Mein Herr sagte: »Er ist ein Narr, weil er jedem ungescheut die
-Wahrheit sagt, hingegen stehen seine klugen Diskursen keinem Narren zu.«
-
-Solches redeten sie auf latein, damit ich's nicht verstehen sollte.
-
-Der tolle Fähnrich aber schloß: »Wat wolts met deesem Kerl sin, hei
-hett den Tüfel in Liff, hei ist beseeten. De Tüfel, de kühret ut jehme!«
-
-Dahero nahm mein Herr Ursache, mich zu fragen, sintemal ich dann
-nunmehr zu einem Kalb worden wäre, ob ich noch wie vor diesem, gleich
-andern Menschen zu beten pflege und in Himmel zu kommen getraue.
-
-»Freilich,« antwortete ich, »ich habe ja meine unsterbliche menschliche
-Seele noch, die wird ja, wie du leicht gedenken kannst, nicht in die
-Hölle begehren, vornehmlich weil mir's schon einmal so übel darin
-ergangen. Ich bin verändert wie vordem Nabuchodonosor und dörfte ich
-noch wohl zu einer Zeit wieder zu einem Menschen werden.«
-
-»Das wünsche ich dir,« sagte mein Herr mit einem ziemlichen Seufzen.
-Daraus ich leichtlich schließen konnte, daß ihm eine Reue ankommen.
-»Aber laß hören, wie pflegst du zu beten?«
-
-Darauf kniete ich nieder, hub Augen und Hände auf gut einsiedlerisch
-zum Himmel, und weilen mich meines Herren Reue mit Trost berührte,
-konnte ich mich der Tränen nicht enthalten. Betete also mit größter
-Andacht das Vaterunser und bat weiters vor meine Freunde und Feinde
-und, daß mich Gott in dieser Zeitlichkeit also leben lasse, daß ich der
-ewigen Seligkeit würdig werde. Mein Einsiedel hatte mich ein solches
-Gebet mit andächtig concipierten Worten gelehret. Hievon etliche
-weichherzige Zuseher auch beinahe zu weinen anfingen, ja meinem Herren
-selbst stunden die Augen voll Wasser.
-
-Alsbald schickte mein Herr zum Pfarrer, dem erzählte er alles, daß er
-besorge, es gehe nicht recht mit mir zu, und daß vielleicht der Teufel
-mit unter der Decke läge. Der Pfarrer aber, dem meine Beschaffenheit am
-besten bekannt war, meinte, man sollte solches bedacht haben, eh man
-mich zum Narren zu machen unterstanden hätte, Menschen seien Ebenbilder
-Gottes, mit welchen nicht wie mit Bestien zu scherzen sei. Doch glaube
-er nicht an ein Spiel des Bösen, dieweil ich jederzeit inbrünstig zu
-Gott bete. Sollte aber solches wider Verhoffen zugelassen werden, so
-hätte man es bei Gott schwer zu verantworten, maßen es keine schwerere
-Sünde gibt, als einen Menschen der Vernunft zu berauben. Er wisse
-aber, daß ich auch hiebevor Witz genug gehabt, mich aber in diese
-Welt nicht habe schicken können. Hätte man sich ein wenig geduldet,
-so würde ich mich mit der Zeit besser angelassen haben. »Wann man ihm
-nur die Einbildung nehmen kann, daß er nicht mehr glaubet, er sei ein
-Kalb! Ich habe selbsten einen kranken Baur in meiner Pfarr gehabt,
-der klagte mir, daß er auf vier Ohm Wasser im Leib hätte, ich sollet
-ihn aufschneiden oder ihn in Rauch hängen lassen, damit dasselbe
-herauströckne. Darauf sprach ich ihm zu und überredete ihn, es könne
-das Wasser auf eine andere Weise von ihm gebracht werden. Nahm demnach
-einen Weinhahn, daran ich einen Darm steckte, das ander End des Darms
-band ich an das Spuntloch eines Wasserzubers. Darauf stellet ich mich,
-als wann ich ihm den Hahn in den Bauch steckte, welchen er überall mit
-Lumpen umwickelt hatte, damit er nicht zerspringen sollte. Ich ließ das
-Wasser durch den Hahn hinweglaufen, darüber sich der Tropf herzlich
-erfreuete. Er tät nach solcher Verrichtung die Lumpen von sich und
-kam in wenigen Tagen wieder allerdings zurecht. Also kann dem guten
-~Simplicio~ auch wieder geholfen werden.«
-
-»Dieses alles glaube ich wohl,« sagte mein Herr, »allein es liegt mir
-an, daß er zuvor so unwissend gewesen, nun aber ein jeder sein Reden
-vor ein Orakul oder Warnung Gottes halten muß.«
-
-»Herr,« sagte der Pfarrer, »dieses kann natürlicher Weise wohl sein,
-doch weiß ich, daß er belesen ist, maßen er sowohl als sein Einsiedel
-alle meine Bücher durchgangen hat. Obgleich er nun seiner eigenen
-Person vergißt, kann er dannoch hervorbringen, was er hiebevor ins
-Gehirn gefaßt hat.«
-
-Also satzte der Pfarrer den Gubernator zwischen Forcht und Hoffnung,
-das brachte mir gute Tage und ihm einen Zutritt bei meinem Herrn, so
-daß er ihn endlich bei der Guarnison zum Kaplan machte.
-
-Von dieser Zeit besaß ich meines Herrn Gnade, Gunst und Liebe
-vollkömmlich, nichts manglete mir zu meinem besseren Glück, als daß
-ich an einem Kalbskleid zu viel und an Jahren noch zu wenig hatte. So
-wollte mich der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihm solches
-noch nicht Zeit und seinem Nutzen verträglich zu sein bedünkte.
-
-Demnach aber mein Herr sahe, daß ich Lust zur Musik hatte, ließ er
-mich solche lernen und verdingte mich zugleich einem vortrefflichen
-Lautenisten, dessen Kunst ich in Bälde ziemlich begriff und ihn um
-soviel übertraf, weil ich besser singen konnte. Also dienet ich meinem
-Herrn zur Lust, Kurzweile, Ergetzung und Verwunderung. Alle Offizierer
-erzeugten mir ihren geneigten Willen, die reichsten Bürger verehreten
-mich, Hausgesind und Soldaten wollten mir wohl. Einer schenkte mir
-hier, der andere dort, daß ich sie nicht verfuchsschwänzen sollte. Ich
-brachte ziemlich Geld zu Wege, welches ich mehrenteils dem Pfarrer
-zusteckte. Ich wuchs auf wie ein Narr in Zwiebelland und meine
-Leibskräfte nahmen handgreiflich zu. Man sahe mir in Bälde an, daß
-ich nicht mehr im Wald mit Wasser, Eicheln, Bucheckern, Wurzeln und
-Kräutern mortifizierte, sondern daß mir bei guten Bissen der rheinische
-Wein und das hanauische Doppelbier wohl zuschlug. Mein Herr gedachte
-mich nach beendeter Belagerung dem Kardinal Richelieu oder Herzog
-Bernhard von Weimar zu schenken, dann ohn daß er hoffte, einen großen
-Dank mit mir zu verdienen, gab er auch vor, daß mein Anblick ihm schier
-unmöglich länger zu ertragen, weil ich seiner Schwester je länger, je
-ähnlicher wurde und dies im Narrenhabit.
-
-Der Pfarrer widerriet, dann er hielt davor, die Zeit wäre gekommen,
-in welcher er ein Mirakul tun und mich vernünftig machen wollte.
-Es sollten andere Knaben in gleichen Kalbsfellen und mit denselben
-Zeremonien von einer Person in Gestalt eines Arztes, Propheten oder
-Landfahrers aus Tieren zu Menschen gemacht werden. Der Gouverneur ließ
-sich solchen Vorschlag belieben, mir aber communicierte der Pfarrer,
-was er mit meinem Herrn abgeredet hätte.
-
-Aber das neidische Glück wollte mich so leichtlich nicht meines
-Narrenkleides erledigen. Indem die Komödia noch in Händen der Schneider
-und Gerber lag, terminierte ich mit etlichen andern Knaben vor der
-Festung auf dem Eise herum, da überfiel uns eine Partei Kroaten; die
-satzten uns auf gestohlene Baurenpferd und führeten uns davon.
-
-
-
-
-Das siebente Kapitel
-
-
-Obzwar nun die Hanauer gleich Lärm schlugen, sich zu Pferd heraus
-ließen, so mochten sie doch denen Kroaten nichts abgewinnen. Diese
-leichte Ware ging sehr vorteilhaftig durch und nahm ihren Weg auf
-Büdingen zu, allwo sie fütterten und den Bürgern daselbst die
-gefangenen hanauischen reichen Söhnlein wieder zu lösen gaben, auch
-ihre gestohlenen Pferde und andere Beute verkauften. Von dannen brachen
-sie wieder auf und gingen schnell durch den Büdinger Wald auf Stift
-Fulda zu. Sie nahmen unterwegs mit, was sie fortbringen konnten, das
-Rauben und Plündern hinderte sie an ihrem schleunigen Fortzug im
-geringsten nichts, dann sie konntens machen wie der Teufel, maßen
-wir noch denselben Abend im Stift Hirschfeld, allwo sie ihr Quartier
-hatten, mit einer großen Beute ankamen. Das ward alles partiert, ich
-aber fiel dem Obristen Corpes zu.
-
-Bei diesem Herrn kam mir alles widerwärtig und fast spanisch vor. Die
-hanauischen Schleckerbissen hatten sich in schwarzes Brot und mager
-Rindfleisch verändert, Wein und Bier war mir zu Wasser geworden, so
-schlief ich bei den Pferden. Anstatt Lautenschlagen mußte ich zu Zeiten
-gleich andern Jungen untern Tisch kriechen, wie ein Hund heulen und
-mich von Sporen stechen lassen. Vor das hanauische Herumterminieren
-mußte ich Pferde striegeln. Mein Herr hatte kein Weib, keinen
-Pagen, keinen Kammerdiener, keinen Koch, hingegen aber einen Haufen
-Reutknechte und Jungen. Er schämete sich nicht, sein Roß zu satteln und
-ihm Futter fürzuschütten. Er schlief auf der bloßen Erde und bedeckte
-sich mit seinem Pelzrock, daher sahe man oft die Müllerflöhe auf seinen
-Kleidern herumwandern, deren er sich im geringsten nicht schämete,
-sondern noch darzu lachte, wann ihm jemand einen herablas. Er trug
-kurze Haupthaar und einen Schweizerbart, welcher ihm wohl zustatten
-kam, weil er zuweilen selbst auf Kundschaft ging. Von den Seinen und
-andern, die ihn kannten, ward er geliebt, geehrt und geförchtet.
-
-Dies Leben schmäckte mir ganz nicht, dann wir waren niemals ruhig.
-Mit den Burschen konnte ich nicht reden, mußte mich stoßen, plagen,
-schlagen und jagen lassen. Die größte Kurzweil, die mein Obrister mit
-mir hatte, war, daß ich ihm auf deutsch singen und eins vorblasen
-mußte. Ich kriegte alsdann so dichte Ohrfeigen, daß der rote Saft
-hernach ging. Zuletzt lernte ich das Kochen und meines Herrn Gewehr
-sauber halten, darauf er viel hielt. Das schlug mir so vortrefflich zu,
-daß ich endlich seine Gunst erwarb, maßen er mir ein neues Narrenkleid
-aus Kalbsfellen mit viel größeren Eselsohren machen ließ. Ich trachtete
-Tag und Nacht, wie ich mit guter Manier wieder ausreißen möchte,
-vornehmlich weil ich den Frühling wieder erlanget hatte.
-
-Derhalben nahm ich mich an, die Schaf- und Kühkutteln, deren es voll um
-unser Quartier lag, fern hinweg zu schleifen, damit sie keinen so üblen
-Geruch machten. Solches ließ sich der Obrist gefallen. Zuletzt aber
-blieb ich gar aus und entwischte in den nächsten Wald.
-
-
-
-
-Das achte Kapitel
-
-
-Allein ich war wenig Stunden von den Kroaten hinweg, so erhascheten
-mich etliche Schnapphahnen, die mein närrisch Kleid in der finstern
-Nacht nicht sahen und mich durch zween von ihnen an einen gewissen Ort
-im Walde führen ließen. Als wir dort waren, wollte der eine Kerl kurzum
-Geld von mir und legte Handschuh und Feuerrohr nieder, um mich zu
-visitieren. Sobald er aber mein haarigs Kleid und die langen Eselsohren
-an meiner Kappe begriff, davon helle Funken stoben, fuhr er vor Schröck
-ineinander. Solches merkte ich gleich, derowegen striegelte ich mein
-Kleid, daß es schimmerte, als wann ich inwendig voller brennenden
-Schwefels gestocken wäre. Ich schrie ihn mit schröcklicher Stimme
-an: »Ich bin der Teufel und will dir und deinem Gesellen die Hälse
-abdrähen!«
-
-Da rannten alle beide durch Stöcke und Stauden, als wann sie
-das höllische Feuer gejaget hätte. Ich aber lachte unterdessen
-förchterlich, daß es im ganzen Wald erschallete.
-
-Als ich mich abwegs machen wollte, strauchelte ich über das Feuerrohr
-und da ich weiterschritte, stieß ich auch an einen Knappsack, daran
-unten eine Patronentasche, mit Pulver, Blei und Zugehör wohlversehen,
-hing. Das nahm ich alles an mich, weil ich mit dem Geschoß umzugehen
-bei den Kroaten wohl gelernet hatte, und verbarg mich unweit davon in
-einem dicken Busch.
-
-Sobald der Tag anbrach kam die ganze Partei auf vorbenannten Platz
-und suchte das verloren Feuerrohr samt Knappsack. Ich aber hielt mich
-stiller als eine Maus.
-
-»Pfui, ihr feige Tropfen,« sagte einer, »daß ihr euch von einem einigen
-Kerl erschröcken, verjagen und das Gewehr abnehmen lasset!«
-
-Jedoch der eine schwur, der Teufel solle ihn holen, wann es nicht der
-Teufel selbst gewesen sei, er hätte die Hörner und seine rauhe Haut
-wohl begriffen. Der Anführer antwortete: »Was meinest du wohl, daß der
-Teufel mit deinem Ranzen und Feuerrohr machen wollte. Ich dörfte meinen
-Hals verwetten, wo nicht der Kerl beide Stücke mit sich genommen!«
-
-Diesem hielt ein andrer Widerpart und sagte: es könne wohl auch sein,
-daß seither etlich Bauren dagewesen wären.
-
-Zuletzt glaubten sie den grausamen Flüchen der beiden, so meine
-funkelnde Haut gesehen hatten, daß es der Teufel gewesen sei, und
-nahmen ihren Weg weiters.
-
-Ich aber machte den Ranzen auf zu frühstücken und langte mit dem ersten
-Griff einen Säckel heraus, in welchen dreihundert und etliche sechzig
-Dukaten waren. Viel mehr erfreuete mich aber, daß ich den Sack mit
-Proviant wohl gefüllet befand. Also zehrete ich bei einem lustigen
-Brünnlein fröhlich zu morgen.
-
-Solang mein Proviant währete, blieb ich im Wald, als aber mein Ranzen
-leer worden, jagte mich der Hunger in die Baurenhäuser. Da kroch ich
-bei Nacht in Keller und Küchen, nahm, was ich fand, und schleppte es
-mit mir dahin, wo es am allerwildesten war. Noch stund der Sommer im
-Anfang und ich konnte mit meinem Rohr Feuer machen.
-
-Unter währendem diesem Herumschweifen haben mich unterschiedliche
-Baursleute angetroffen, die seind aber allezeit vor mir geflohen. Also
-ward ruchbar, der böse Feind wandere wahrhaftig in selbiger Gegend
-umher. Derowegen mußte ich sorgen, der Proviant möchte mir ausgehen.
-Ich wollte wieder Wurzeln und Kreuter essen, deren war ich aber nicht
-mehr gewohnt.
-
-Einsmals hörete ich zween Holzheuer. Ich ging dem Schlag nach, und als
-ich sie sahe, nahm ich eine Handvoll Dukaten, schlich nahe zu ihnen,
-zeigte ihnen das anziehende Geld und sagte: »Ihr Herren, wann ihr
-meiner wartet, so will ich euch die Handvoll Gold schenken.«
-
-Aber sobald sie mich und das Gold sahen, gaben sie Fersengeld und
-ließen Schlegel und Keil samt ihrem Käs- und Brotsack liegen. Den nahm
-ich, verschlug mich in den Wald und verzweifelte schier, wieder einmal
-unter Menschen zu kommen.
-
-Nach langem Hin- und Hersinnen gedachte ich meinen Schatz zu sichern,
-derowegen machte ich mir aus meinen Eselsohren zwei Armbinden,
-gesellete darein meine hanauischen zu den schnapphahnischen Dukaten und
-arrestieret die Armbänder oberhalb den Ellbogen um meine Arme. Sodann
-fuhr ich den Bauren wieder ein und holte von ihrem Vorrat, was ich
-bedurfte und erschnappen konnte, jedoch so, daß ich niemals wieder an
-denselbigen Ort kam.
-
-Als ich zu Ende Mai wieder in einen Baurenhof geschlichen war, kam ich
-in die Küche, merkte aber bald, daß noch Leute auf waren. Blieb demnach
-mausstill sitzen und wartete. Unterdessen nahm ich einen Spalt gewahr,
-den das Küchenschälterlein hatte. Ich schlich hinzu und sahe anstatt
-des Lichts eine schweflichte, blaue Flamme auf der Bank stehen, bei
-welcher sie Stecken, Besen, Gabeln, Stühl und Bänke schmierten und nach
-einander damit zum Fenster hinaus flogen. Ich wunderte mich schröcklich
-und empfand großes Grauen, weil ich aber größerer Schröcklichkeiten
-gewohnt war, verfügte ich mich, nachdem sie alle abgefahren, in die
-Stube und bedachte, wo ich etwas finden sollte. Satzte mich in solchen
-Gedanken auf eine Bank rittlings nieder. Ich war aber kaum aufgesessen,
-da fuhr ich samt der Bank gleichsam augenblicklich zum Fenster hinaus
-und ließ meinen Ranzen und Feuerrohr vor den Schmierlohn und die
-künstliche Salben dahinter.
-
-Ich kam in einem Nu zu einer großen Schar Volkes, diese tanzten einen
-wunderlichen Tanz, dergleichen ich mein Lebtag nie gesehen. Sie hatten
-sich bei den Händen gefaßt und viel Ring ineinander gemacht mit
-zusammengekehrten Rücken, also, daß sie die Angesichter hinauswarts
-kehrten. Ein Ring tanzte um den andern links, der ander rechts herum
-und würblete dermaßen, daß ich nicht sehen konnte, was sie in der Mitte
-stehen hatten. Gleich seltsam war die Musik, welche eine wunderliche
-~Harmoniam~ abgab. Meine Bank hatte mich bei den Spielleuten
-niedergelassen. Die hatten anstatt Flöten, Zwerchpfeifen und Schalmeien
-nichts anderes als Nattern, Vipern und Blindschleichen, darauf sie
-lustig daherpfiffen. Etliche geigten auf Roßköpfen, andere schlugen
-Harfe auf einem Kühgerippe, wie solche auf dem Wasen liegen. Einer
-hatte eine Hündin am Arm, deren leierte er am Schwanz und fingerte an
-den Dütten. Darunter trompeteten die Teufel durch die Nase, daß es im
-ganzen Wald erschallete. Wie der Tanz bald aus war, fing die ganze
-höllische Gesellschaft an zu rasen, zu rufen, zu rauschen, zu brausen,
-zu wüten und zu toben, als ob sie alle toll wären.
-
-In diesem Lärmen kam ein Kerl auf mich dar und hatte eine ungeheuere
-Krote unterm Arm, der waren die Därme ausgezogen und wieder zum Maul
-hineingeschoppt.
-
-»Sieh hin, ~Simplici~, ich weiß du bist ein guter Lautenist, laß doch
-ein Stückgen hören!«
-
-Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der Kerl mit meinem
-Namen nannte. Ich sahe ihn mit seiner Krot steif an und er zog seinen
-Nase aus und ein. Endlich stieß er mir vor die Brust, daß ich bald
-davon erstickte, derowegen rief ich überlaut zu Gott. Im Hui war es
-stockfinster und mir so förchterlich ums Herz, daß ich zu Boden fiel
-und wohl hundert Kreuz vor mich machte.
-
-
-
-
-Das neunte Kapitel
-
-
-Demnach es etliche, und zwar vornehme, gelehrte Leute gibt, die nicht
-glauben, daß Hexen und Unholden sein, als zweifele ich nicht, es werden
-sich etliche finden, die sagen, ~Simplicius~ schneide hier mit dem
-großen Messer auf. Mit denen begehre ich nicht zu fechten, dann weil
-Aufschneiden jetziger Zeit fast das gemeinste Handwerk ist, als kann
-ich nicht leugnen, daß ichs nicht auch könnte.
-
-Welche aber der Hexen Ausfahren leugnen, die sollen sich erinnern,
-daß Simon, der Zauberer, welcher vom bösen Geist in die Luft erhoben
-ward, auf ~St. Petri~ Gebet wieder heruntergefallen. Weiters ~Nicolaus
-Remigius~, ein gelehrter und verständiger Mann, so im Herzogtum
-Lothringen nicht nur ein halbes Dutzend Hexen hat verbrennen lassen,
-erzählet von Johann von Hembach, daß ihn seine Mutter, die Hexe war,
-im sechzehnten Jahr seines Alters mit auf ihre Versammlung genommen.
-~Majolus~ setzet zwei Exempel: von einem Knecht, so sich an seine
-Frau gehängt, und von einem Ehebrecher, so der Ehebrecherin Büchsen
-genommen, sich mit deren Salbe geschmiert und also beide zu der
-Zauberer Zusammenkunft kommen sein. So ist auch mehr als genugsam
-bekannt, was Gestalt teils Weiber und ledige Dirnen in Böhmen ihre
-Beischläfer des Nachts einen weiten Weg auf Böcken zu sich holen
-lassen. Was ~Torquemadus~ in seinem ~Hexamerone~ erzählet, mag bei ihm
-gelesen werden. Wie Doktor Faust neben noch andern mehr, die gleichwohl
-keine Zauberer waren, durch die Luft gefahren, ist aus seiner Histori
-genugsam bekannt.
-
-Mag einer nun meine Geschicht glauben oder nicht, es gilt mir gleich,
-doch wer's nicht glauben will, der mag einen andern Weg erfinden, auf
-welchen ich aus dem Stift Hirschfeld oder Fulda in so kurzer Zeit ins
-Erzstift Magdeburg marschiert sei.
-
-Ich fange meine Histori wieder an und versichere den Leser, daß ich
-auf dem Bauch liegen blieb, bis es allerdings heller Tag war, weil ich
-nicht das Herz hatte, mich aufzurichten. Etliche Fouragierer weckten
-mich auf und nahmen mich in das Läger vor Magdeburg, allda ich einem
-Obristen zu Fuß zu teil ward. Dem erzählte ich alles haarklein und wie
-ich von denen Kroaten entloffen wäre; von meinen Dukaten schwieg ich
-still. Indessen sammlete sich ein Haufen Volks um mich, dann ein Narr
-macht tausend Narren. Unter denselben war einer, so das vorige Jahr zu
-Hanau gefangen gewesen. »Hoho,« rief er, »dies ist des Kommandanten
-Kalb zu Hanau!« Der Obrist fragte ihn, der Kerl aber wußte nichts,
-als daß ich wohl auf der Laute schlagen könnte, ~item~ daß mich die
-Kroaten von des Obrist Corpes Regiment hinweggenommen hätten. Hierauf
-schickte die Obristin zu einer andern Obristin, die auf der Lauten
-spielen konnte, und ließ um ihre Lauten bitten. Solche ward mir
-präsentiert mit Befehl, ich solle mich hören lassen. Ich aber meinte,
-daß mein leerer Bauch nicht wohl mit dem dicken, wie die Laute einen
-hatte, zusammenstimmen würde. Also bekam ich ziemlich zu kröpfen und
-zugleich einen guten Trunk Zerbster Bier. Sodann ließ ich beides, die
-Lauten und meine Stimme hören. Darunter redete ich allerlei, so daß ich
-mit geringer Mühe die Leute dahin brachte, daß sie glaubten, ich wäre
-von derjenigen Qualität, die meine Kleidung vorstellete. Der Obrist
-fragte mich, wo ich weiters hinwollte, und da ich antwortete, daß es
-mir gleich sei, so machte er mich zu seinem Hofjunker. Er wollte auch
-wissen, wo meine Eselsohren wären.
-
-»Ja, wann du wüßtest, wo sie wären,« sagte ich, »so würden sie dir
-nicht übel anstehen.«
-
-Ich ward in kurzer Zeit bei den meisten hohen Offizierern sowohl im
-kur-sächsischen als im kaiserlichen Läger bekannt, sonderlich bei den
-Frauenzimmern, welche meine Kappe, Ärmel und gestutzten Ohren überall
-mit seidenen Banden zierten. Was mir aber an Geld geschenkt ward, das
-verspendierte ich in Hamburger und Zerbster Bier an gute Gesellen.
-Überall, wo ich nur hinkam, hatte ich genug zu schmarotzen.
-
-Als meinem Obristen aber eine eigene Laute vor mich überkam, dann er
-gedachte ewig an mir zu haben, da dorft ich nicht mehr in den beiden
-Lägern so hin und wieder schwärmen, sondern er stellete mir einen
-Hofmeister dar, der mich beobachten und dem ich hingegen gehorsamen
-sollte. Dieser war ein Mann nach meinem Herzen, still, verständig,
-wohlgelehrt, von guter Konversation und was das gröbste gewesen,
-überaus gottesförchtig. Er war vordem eines vornehmen Fürsten Rat
-und Beamter, aber von den Schwedischen bis in Grund ruiniert worden.
-Er ließ sich bei diesem Obristen vor einen Stallmeister gebrauchen,
-indem sein einziger Sohn unter der kur-sächsischen Armee vor einen
-Musterschreiber dienete.
-
-In der ersten Woche schon kam er mir hinter die Briefe und erkannte,
-daß ich kein solcher Narr war, wie ich mich stellete, wie er dann vom
-ersten Tag an aus meinem Angesicht ein anders geurteilet hatte, weil er
-sich wohl auf ~Physiognomiam~ verstund.
-
-Ich erwachte einsmals um Mitternacht und machte über mein Leben und
-seltsame Begegnüssen allerlei Gedanken, knieet neben den Bette nieder
-und erzählete danksagungsweise alle Guttaten, die mir mein lieber
-Gott erwiesen, und alle Gefahren, daraus er mich errettet. Weil mein
-Hofmeister mehr alt als jung war und die ganze Nacht nicht durchgehend
-schlafen konnte, hörete er alles, tät aber, als wenn er schliefe und
-redete nicht mit mir im Zelt hievon, weil es zu dünne Wände hatte;
-wollte auch meiner Unschuld versichert sein.
-
-Bei einer Gelegenheit fand er mich einsmals nach Wunsch an einem
-einsamen Ort und sagte:
-
-»Lieber, guter Freund, ich weiß, daß du kein Narr bist, wie du
-dich stellest, zumalen auch in diesem elenden Stand nicht zu leben
-begehrest. Ich will womüglich mit Rat und Tat bedacht sein, wie dir
-etwan zu helfen sein möchte, so du zu mir, als einem ehrlichen Mann,
-dein Vertrauen setzen willst.«
-
-Hierauf fiel ich ihm um den Hals und erzeugete mich vor übriger Freude
-nicht anders, als wann er ein Prophet gewesen wäre, mich von meiner
-Narrenkappe zu erlösen. Nachdem wir auf die Erde gesessen, erzählete
-ich ihm mein ganzes Leben. Er beschauete meine Hände und verwunderte
-sich über beides: die verwichenen und künftigen seltsamen Zufälle,
-so er aus meinen Händen las. Widerriet mir durchaus, daß ich mein
-Narrenkleid ablegen sollte, dann er vermittelst ~Chiromantia~ sehe, daß
-mir mein Fatum ein Gefängnis androhe unter Leibes- und Lebensgefahr. Er
-wollte mein treuer Freund und Vater bleiben.
-
-Demnach stunden wir auf und kamen auf den Spielplatz, da man mit
-Würfeln turnieret und alle Schwüre mit hundert und tausend Galeeren,
-Rennschifflein, Tonnen und Städtgräben voll herausfluchte. Der Platz
-war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln, überall mit Mänteln
-überstreut und mit Tischen bestellt, die alle von Spielern umgeben
-waren. Jede Gesellschaft hatte drei viereckichte Schelmenbeiner, denen
-sie ihr Glück vertraueten. So hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen
-Schunderer, dessen Amt war zu sehen, daß kein Unrecht geschähe. Die
-liehen auch Mäntel, Tische und Würfel her und erschnappten gewöhnlich
-das meiste Geld, doch blieb es ihnen nicht, dann sie verspieltens
-gemeiniglich wieder oder bekams der Feldscherer, weil ihnen die Köpfe
-oft gewaltig geflickt wurden.
-
-Alle vermeineten zu gewinnen, als hätten sie aus einer fremden Tasche
-gesetzt, weil aber etlich trafen, etlich fehlten, so donnerten und
-flucheten auch etlich und betrogen und wurden gesäbelt; war ein
-Gelächter und Zähneaufeinanderbeißen. Etliche begehrten redliche
-Würfel, andere führten unvermerkt falsche ein, die wieder andere
-hinwegwurfen, mit den Zähnen zerbissen und darüber aus Zorn den
-Schunderern die Mäntel zerrissen. Unter den falschen Würfeln befanden
-sich Niederländer, die man schleifend rollen mußte, sie hatten spitze
-Rücken, drauf sie Fünfer und Sechser trugen. Andere waren oberländisch,
-denen mußte man die bayrische Höhe geben, wenn man sie werfen wollte.
-Etliche waren aus Hirschhorn, oben leicht und unten schwer, andre
-mit Quecksilber oder Blei, aber andere mit zerschnittenen Haaren,
-Schwämmen, Spreu und Kohlen gefüttert. Etliche hatten spitze Ecken,
-andern waren solche glatt hinweggeschliffen. Teils waren lange Kolben,
-teils sahen sie aus wie Schildkrotten. Mit solchen Schelmbeinern
-zwackten, laureten, stahlen sie einander ihr Geld ab.
-
-Mein Hofmeister sagte: »Dieses ist der allerärgste und abscheulichste
-Ort im ganzen Läger. Wann einer nur den Fuß hierher setzet, so hat
-er das zehende Gebot übertreten: du sollst deines nächsten Gut nicht
-begehren. So du aber spielest und gewinnst, sonderlich durch Betrug
-und falsche Würfel, so übertrittst du das siebend und achte Gebot. Ja,
-es kann kommen, daß du auch zum Mörder wirst aus äußerster Not und
-Desperation. Ein jeder auf diesem Platze ist in Gefahr, sein Geld und
-auch sein Leib, Leben und gar seiner Seelen Seligkeit zu verlieren.«
-
-Ich fragte: »Liebster Herr, warum lassens dann die Vorgesetzten zu?«
-
-Er antwortete: »Ich will nicht sagen darum, dieweil teils Offizierer
-selbst mitmachen, sondern es geschiehet, weils die Soldaten nicht
-mehr lassen wollen, ja, auch nicht lassen können. Dann wer sich dem
-Spielen einmal ergeben, der wird nach und nach, er gewinne oder
-verspiele, so verpicht darauf, daß er's weniger lassen kann als den
-natürlichen Schlaf. Man siehet etliche die ganze Nacht durch und durch
-raßlen und vor das beste Essen und Trinken hineinspielen und sollten
-sie auch ohn Hemd davongehen. Es ist zu unterschiedlichen Malen bei
-Leib- und Lebensstrafe verboten und auf Befehl der Generalität durch
-Rumormeister, Profosen, Henker und Steckenknechte mit gewaffneter Hand
-offentlich und mit Gewalt verwehret worden, aber das half alles nichts.
-Also daß man, der Heimlichkeit zu wehren, das Spielen wieder offentlich
-erlauben und gar diesen eigenen Platz darzu widmen mußte, damit die
-Hauptwacht bei der Hand wäre. Ich versichere dich, ~Simplici~, daß ich
-willens bin, von dieser Materi ein ganz Buch zu schreiben, sobald ich
-wieder bei den Meinigen zur Ruhe komme. Da will ich den Verlust der
-edlen Zeit beschreiben, die man mit Spielen unnütz verbringet, nicht
-weniger will ich die grausamen Flüche, mit welchen man Gott lästert,
-und die Scheltworte erzählen, mit denen einer den andern antastet,
-viel schröckliche Exempel und Historien einbringen, die sich bei,
-mit und in dem Spielen zutragen. Und will nicht vergessen der Duell
-und Totschläge, des Geizes, Zorns, Neides, Eifers, der Falschheit,
-des Betrugs und Diebstahls und beides: der Würfel- und Kartenspieler
-unsinnige Torheiten mit ihren lebendigen Farben abmalen und vor
-Augen stellen, daß jeder Leser ein solch Abscheuen vor dem Spielen
-gewinnen soll, als wann er Säumilch gesoffen hätte, welche man den
-Spielsüchtigen wider solche ihre Krankheit unwissend eingibt.«
-
-
-
-
-Das zehent Kapitel
-
-
-Mein Hofmeister ward mir je länger, je holder und ich hingegen wieder
-ihm, doch hielten wir unsere Verträulichkeit sehr geheim. Ich agierte
-zwar den Narren, brachte aber keine grobe Zotten und Büffelpossen vor,
-so daß meine Gaben zwar vielfältig genug, aber jedoch mehr sinnreich
-als närrisch fielen.
-
-So gab mir auch meines Herren Schreiber, ein arger Gast und
-durchtriebener Schalk, viel Materi an die Hand, dadurch ich auf dem
-Wege, den die Narren zu wandeln pflegen, unterhalten ward, indem mich
-der Speivogel zu Torheiten überredete, die ich dann nicht allein vor
-mich selbsten glaubte, sondern auch anderen mitteilte.
-
-Als ich ihn einsmals fragte, was unseres Regiments Kaplan vor einer
-sei, sagte er:
-
-»Er ist der Herr ~Dicis-et-non-facis~, das ist auf deutsch soviel als
-ein Kerl, der andern Leuten Weiber gibet und selbst keine nimmt. Er
-ist den Dieben spinnefeind, weil sie nicht sagen, was sie tun, er aber
-hingegen saget, was er nicht tut. Hingegen sein die Diebe ihm auch
-nicht gar so hold, weil sie gemeiniglich gehenkt werden, wann sie mit
-ihm in Umgang kommen.«
-
-Da ich nachgehends den guten ehrlichen Pater so nannte, ward er
-ausgelacht, ich aber selber gebaumölt.
-
-Ferner überredete er mich, es kämen von den Soldaten keine tapferen
-Helden in den Himmel, sondern bloß einfältige Tropfen, Bernheuter
-und dergleichen, die sich an ihrem Sold genügen ließen; auch keine
-politischen Alamode-Kavaliers und galante Dames, sondern nur geduldige
-Job, Siemänner, langweilige Mönche, melancholische Pfaffen,
-Betschwestern und allerhand Auswürflinge, die der Welt weder zu sieden
-noch zu braten taugen. Er überredete mich auch, daß man zu Zeiten mit
-göldenen Kugeln schieße und je kostbarer solche wären, je größeren
-Schaden pflegten sie zu tun. Ja, man führet wohl eh ganze Kriegsheere
-mitsamt der Artollerei, Munition und Bagage in göldenen Ketten gefangen
-daher. Weiters beschwatzete er mich von den Weibern, daß mehr als der
-halbe Teil Hosen trügen, obschon man sie nicht sähe, und daß vielen
-ihrer Männer Hörner auf den Köpfen gaukelten, als solche ehmals Aktäon
-getragen, obschon die Weiber keine Dianen wären. Welches ich ihm alles
-glaubte, so ein dummer Narr war ich.
-
-Hingegen brachte mich mein Hofmeister in Kundschaft seines Sohns,
-der, wie hiebevor gemeldet, bei der kur-sächsischen Armee ein
-Musterschreiber war. Den mochte mein Obrister gern leiden und
-war bedacht, ihn von seinem Kapitän loszuhandeln und zu seinem
-Regimentssekretär zu machen. Mit ihm, welcher wie sein Vater Ulrich
-Herzbruder hieß, machte ich Freundschaft, so daß wir ewige Brüderschaft
-zusammen schwuren, kraft deren wir einander in Glück und Unglück, in
-Liebe und Leid nimmermehr verlassen wollten. Nichts lag uns härter
-an, als wie wir meines Narrenkleides mit Ehren loswerden und einander
-rechtschaffen dienen könnten. Allein der alte Herzbruder verwarnte
-uns: Wann ich in kurzer Zeit meinen Stand ändere, daß mir solches
-ein schweres Gefängnis und Leib- und Lebensgefahr gebären würde. Und
-gleicherweise prognostizierte er sich selbst und seinem Sohn einen
-großen bevorstehenden Spott.
-
-Kurz nachher merkte ich, daß meines Obristen Schreiber meinen neuen
-Bruder schröcklich neidete, weil er vor ihm zu der Sekretariatsstelle
-erhoben werden wollte. Ich sahe, wie er zu Zeiten griesgramete, wie ihn
-die Mißgunst bedrängte und er in schweren Gedanken allezeit seufzete,
-wann der den alten oder den jungen Herzbruder ansahe. Ich kommunizierte
-meinem Bruder beides aus getreuer Affektion und tragender Schuldigkeit,
-damit er sich vor dem Judas vorsehe. --
-
-Weil es nun Gebrauch im Krieg ist, daß man alte versuchte Soldaten
-zu Profosen machet, so hatten wir bei uns einen abgefeumten Erzvogel
-und Kernbösewicht, der mehr als vonnöten erfahren war. Ein rechter
-Schwarzkünstler, Siebdreher und Teufelsbanner, war er und von sich
-selbsten nicht allein so fest als Stahl, sondern ein solcher Geselle,
-der andere fest machen und noch darzu ganze Esquadronen Reuter ins Feld
-stellen konnte. So gab es Leute, die gern mit diesem Wendenschimpf
-umgingen, sonderlich Olivier unser Schreiber, um so mehr, als sich
-dessen Neid gegen den jungen Herzbruder vermehrete.
-
-Eben damals ward meine Obristin mit einem jungen Sohn erfreuet und
-die Taufsuppe fast fürstlich dargereicht. Der junge Herzbruder
-war aufzuwarten ersuchet worden und weil er sich aus Höflichkeit
-einstellte, schiene solches dem Olivier die erwünschte Gelegenheit.
-Dann, als nun alles vorüber war, manglete meines Obristen großer
-vergöldter Becher, welcher noch vorhanden gewesen, da alle fremden
-Gäste schon hinweg waren. Hierauf ward der Profos geholt, in der Sache
-Rat zu schaffen und das Werk so einzurichten, daß nur dem Obristen
-kund wurde, wer der Dieb war, weil noch Offizierer von seinem Regiment
-vorhanden, die er nicht gern zu Schanden machen wollte, wann sich
-vielleicht einer davon versehen hätte.
-
-Weil sich nun jeder unschuldig wußte, so kamen wir alle lustig in des
-Obristen Zelt. Als der Zauberer aber etliche Worte gemurmelt hatte,
-sprangen dem einen von uns hier, dem andern dort ein, zwei, drei, auch
-mehr Hündlein aus den Hosensäcken, Ärmeln, Stiefeln, Hosenschlitzen,
-diese wusselten behend im Zelt hin und wieder herum, daß es ein recht
-lustig Spektakul war. Mir aber wurden meine kroatischen Kälberhosen, so
-voller junge Hunde gegaukelt, daß ich solche ausziehen, und weil mein
-Hemd vorlängst im Walde am Leib verfaulet war, nackend dastehen mußte.
-Zuletzt sprang den jungen Herzbruder ein Hündlein mit göldenem Halsband
-aus dem Hosenschlitz und das verschlang alle andern Hündlein, ward aber
-selbsten je länger, je kleiner, das Halsband nur desto größer, bis es
-sich endlich gar in des Obristen Tischbecher verwandelte.
-
-Da sagte der Obrist zu meinem Herzbruder:
-
-»Siehe, du undankbarer Gast, ich habe dich zu meinem ~Secretario~ des
-morgenden Tages machen wollen. Nun aber hast du mit diesen Diebsstücken
-verdient, daß ich dich noch heut aufhängen ließe. Das auch unfehlbar
-geschehen sollte, wann ich deinen ehrlichen, alten Vater nicht
-verschonete. Geschwind, pack dich aus meinem Läger!«
-
-Mein junger Herzbruder ward nicht gehört. Indem er fortging, ward dem
-guten alten Herzbruder ganz ohnmächtig, daß man genug an ihm zu laben
-und der Obrist selbst an ihm zu trösten hatte.
-
-Sobald des jungen Herzbruders Kapitän diese Geschichte erfuhr, nahm er
-ihm die Musterschreiberstelle und lud ihm eine Picke auf, von welcher
-Zeit an er bei männiglich so verachtet ward, daß er sich oft den Tod
-wünschete. Sein Vater aber bekümmerte sich dergestalt, daß er in eine
-schwere Krankheit fiel und sich auf das Sterben gefaßt machte. Demnach
-er sich ohndas prognostizieret, daß er den 26. ~Julii~ Leib- und
-Lebensgefahr ausstehen müsse, verlangte er von dem Obristen, daß sein
-Sohn noch einmal zu ihm kommen dörfte. Ich ward der dritte Mitgesell
-ihres Leides. Da sahe ich, daß der Sohn keiner Entschuldigung bedörftig
-gegen seinen Vater, der als weiser, tiefsinniger Mann unschwer ermaß,
-daß Olivier seinem Sohn hatte das Bad durch den Profosen zurichten
-lassen. Aber was vermochte er gegen den Zauberer! Überdies versahe
-er sich des Todes und wußte doch nicht geruhiglich zu sterben, weil
-er seinen Sohn in solcher Schande hinter sich lassen sollte. Es war,
-versichert, dieser beiden Jammer so erbärmlich anzuschauen, daß ich
-vom Herzen weinen mußte. Zuletzt beschlossen sie, Gott ihre Sache in
-Geduld heimzustellen und auf Mittel zu gedenken, wie sich der junge
-Herzbruder von seiner Kompagnia loswürken und anderwärts sein Glück
-suchen könnte. Da mangelte es aber am Gelde und ich gedachte meiner
-gespickten Eselsohren, fragte derowegen, wieviel sie zu ihrer Notdurft
-haben mußten. Der junge Herzbruder meinte, mit hundert Talern aus
-seinen Nöten zu kommen. Ich rief: »Hab' ein gut Herz, Bruder, ich will
-dir hundert Dukaten geben!« -- »Bist du ein rechter Narr und scherzest
-in unserer äußersten Trübseligkeit?«
-
-Ich streifete mein Wams ab und melkete aus dem einen Eselsohr hundert
-Dukaten, das Übrige behielt ich und sagte: »Hiemit will ich deinem
-kranken Vater aufwarten.«
-
-Da fielen sie mir um den Hals, küßten mich und wußten vor Freuden
-nicht, was sie taten, wollten mir auch eine Handschrift zustellen, daß
-sie mich um diese ~Summam~ samt dem Interesse hinwiederum mit großem
-Dank befriedigen wollten, so ich aber nicht annahm, sondern mich in
-ihre beständige Freundschaft befahl.
-
-Hierauf wollte der junge Herzbruder verschwören, sich an dem Olivier zu
-rächen oder darum zu sterben. Aber sein Vater verbot ihm solches und
-versicherte ihn, daß derjenige, der den Olivier totschlüge, wiederum
-vom ~Simplicio~ den Rest kriegen werde. »Doch,« sagte er, »ich bin
-dessen wohl vergewissert, daß ihr beide einander nicht umbringen
-werdet, weil keiner von euch durch Waffen umkommen soll.«
-
-Der junge Herzbruder entledigte sich mit dreißig Talern, daß ihm sein
-Kapitän einen ehrlichen Abschied gab, verfügte sich mit dem übrigen
-Geld und guter Gelegenheit nach Hamburg, montierte sich allda mit zwei
-Pferden und ließ sich unter der schwedischen Armee vor einen Freireuter
-gebrauchen.
-
-
-
-
-Das elfte Kapitel
-
-
-Keiner schickte sich besser, dem alten Herzbruder abzuwarten, als ich,
-so ward mir auch solches Amt von dem Obristen aufgetragen. Es besserte
-sich von Tag zu Tag mit ihm, also daß er noch vor dem 26. ~Julii~ fast
-wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte. Doch wollte er sich
-noch inhalten und krank stellen, bis vermeldter Tag, vor welchem er
-sich merklich entsatzte, vorbei wäre.
-
-Indessen besuchten ihn allerhand Offizierer von beiden Armeen, die
-ihr künftig Glück von ihm wissen wollten, dann weil er ein guter
-~Mathematicus~ und Nativitätensteller, benebens auch ein vortrefflicher
-~Physiognomist~ und ~Chiromanticus~ war, ging seine Aussag selten
-fehl. Er nannte sogar den Tag, an welchem die Schlacht vor Wittstock
-nachgehends geschahe, sintemal ihm viel zukamen, denen um dieselbige
-Zeit, einen gewalttätigen Tod zu erleiden, angedroht war.
-
-Dem falschen Olivier, der sich gar däppisch bei ihm zu machen wußte,
-sagte er ausdrücklich, daß er eines gewalttätigen Todes sterben müsse,
-und daß ich seinen Tod rächen werde, weswegen mich Olivier folgender
-Zeit hochhielt. Auch mein zukünftiges Leben erzählete er mir, welches
-ich aber wenig achtete.
-
-Als nun der 26. ~Julii~ eingetreten war, vermahnete er mich und einen
-Fourierschützen, den mir der Obrist auf sein Begehren denselben Tag
-zugegeben hatte, ganz treulich, wir sollten niemand zu ihm ins Zelt
-lassen. Er lag allein darin und betete. Da es aber Nachmittag ward,
-kam ein Leutenant aus dem Reuterläger dahergeritten, welcher nach des
-Obristen Stallmeister fragte. Er ward zu uns und gleich darauf wieder
-von uns abgewiesen. Er wollte sich aber nicht abweisen lassen, sondern
-bat den Fourierschützen mit untergemischten Verheißungen, ihn vor den
-Stallmeister zu lassen, als mit welchem er noch diesen Abend notwendig
-reden müßte. Weil aber solches auch nicht helfen wollte, fing er an
-zu fluchen, mit Donner und Hagel dreinzukollern und zu sagen, er sei
-schon so vielmal dem Stallmeister zu Gefallen geritten und hätte ihn
-noch niemals daheim angetroffen, so er nun jetzt einmal vorhanden sei,
-so sollte er abermal die Ehre nicht haben, nur ein einzig Wort mit
-ihm zu reden? Stieg darauf ab, ließ sich nicht verwehren, das Zelt
-selbst aufzuknüpfen, worüber ich ihm in die Hand biß und eine dichte
-Maulschelle davor bekam.
-
-Sobald er meinen Alten sahe, sagte er:
-
-»Der Herr sei gebeten, mir zu verzeihen, daß ich die Frechheit
-gebrauche, ein Wort mit ihm zu reden.«
-
-»Wohl,« antwortete der Stallmeister, »was beliebt dann dem Herrn?«
-
-»Nichts anders,« sagte der Leutenant, »als daß ich den Herrn bitten
-wollte, ob er sich ließe belieben, mir meine Nativität zu stellen.«
-
-Der Stallmeister entgegnete: »Ich will verhoffen, mein hochgeehrter
-Herr werde mir vergeben, daß ich demselben vor diesmal meiner Krankheit
-halber nicht willfahren kann. Weil diese Arbeit viel Rechnens brauchet,
-wirds mein blöder Kopf jetzo nicht verrichten können. Wann er sich aber
-bis morgen zu gedulden beliebet, will ich ihm verhoffentlich genugsame
-~Satisfaction~ tun.«
-
-»Herr,« sagte hierauf der Leutenant, »Er sage mir nur etwas dieweil aus
-der Hand.«
-
-»Mein Herr,« antwortete der alte Herzbruder, »dieselbe Kunst ist gar
-mißlich und betrüglich, derowegen bitte ich, der Herr wolle mich damit
-soweit verschonen, ich will morgen hergegen alles gern tun, was der
-Herr von mir begehret.«
-
-Der Leutenant wollte sich doch nicht abweisen lassen, sondern trat
-meinem Vater vors Bette, streckte ihm die Hand dar und sagte:
-
-»Herr, ich bitte nur um ein paar Worte, meines Lebens Ende betreffend
-mit Versicherung, wann solches etwas Böses sein sollte, daß ich des
-Herren Rede als eine Warnung von Gott annehmen will, um mich desto
-besser vorzusehen. Darum bitte ich um Gottes willen, der Herr wolle mir
-die Wahrheit nicht verschweigen!«
-
-Der redliche Alte antwortete ihm hierauf kurz und sagte: »Nun wohlan,
-so sehe sich der Herr dann wohl vor, damit er nicht in dieser Stunde
-noch aufgehängt werde.«
-
-»Was, du alter Schelm,« schrie der Leutenant, »solltest du einen
-Kavalier solche Worte vorhalten dörfen!« Zog damit vom Leder und stach
-meinen lieben alten Herzbruder im Bette zu Tode.
-
-Ich und der Fourierschütz riefen alsbald Lärmen und Mordio, also daß
-alles dem Gewehr zulief. Der Leutenant aber machte sich unverweilet auf
-seinen Schnellfuß und wäre auch ohn Zweifel entritten, wann nicht eben
-persönlich der Kurfürst von Sachsen mit vielen Pferden vorbei gekommen
-wäre und ihn hätte einholen lassen. Als derselbe den Handel vernahm,
-wandte er sich zu dem von Hatzfeld, als unserm General, und sagte
-nichts andres als dieses:
-
-»Das wäre eine schlechte ~Disciplin~ in einem kaiserlichen Läger, wann
-auch ein Kranker im Bette vor den Mördern seines Lebens nicht sicher
-sein sollte!«
-
-Das war ein scharfer Sentenz und genugsam, den Leutenant um das Leben
-zu bringen, gestalt ihn unser General alsbald an seinem allerbesten
-Hals aufhängen ließ.
-
-Aus dieser wahrhaftigen Histori ist zu sehen, daß nicht sogleich alle
-Wahrsagungen zu verwerfen sein, wie etliche Gecken tun, die gar nichts
-glauben können. Allein ich habe oft gewünscht und wünsche es noch, daß
-mein lieber alter Herzbruder zu mir geschwiegen hätte. Dann der Mensch
-kann sein vorausgesetztes Ziel schwerlich überschreiten, also auch ich
-die unglücklichen Fälle, so er mir angezeiget, habe niemals umgehen
-können. Was half mir, daß der alte Herzbruder hoch und teuer schwur,
-ich wäre von edlen Eltern geboren und erzogen worden, da ich doch von
-niemand anders wußte, als von meinen Knän und meiner Meuder! ~Item~ was
-halfs dem Wallenstein, Herzog von Friedland, daß ihm profezeit ward,
-er werde gleichsam mit Saitenspiel zum König gekrönt werden. Weiß man
-nicht, wie er zu Eger ist eingewieget worden?
-
-
-
-
-Das zwölfte Kapitel
-
-
-Meine beiden Herzbrüder hatte ich verloren, das ganze Läger vor
-Magdeburg war mir verleidet, ich ward meines Standes so müd und satt,
-als wann ich's mit lauter eisernen Kochkesseln gefressen hätte.
-
-Olivier, der ~Secretarius~, welcher nach des alten Herzbruders Tod mein
-Hofmeister geworden war, erlaubte mir oft mit den Knechten auf Fourage
-zu reuten. Als wir nun einsmals in ein großes Dorf kamen, darin etliche
-den Reutern zuständige Bagage logierte, und jeder hin und wider in die
-Häuser ging, zu suchen, was etwan mitzunehmen wäre, stahl ich mich auch
-hinweg und suchte, ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden möchte.
-Aber ich mußte mit einem Weiberkleid vorlieb nehmen, zog es an und warf
-den Narrenhabit in ein ~Secret~. In diesem Aufzuge ging ich über die
-Gasse etlichen Offiziersweibern entgegen und machte enge Schrittlein.
-Ich war aber kaum außer Dach, da mich etliche Fouragierer sahen und
-besser springen lehrten. Sie schrieen: Halt! Halt! -- ich lief zu den
-obgemeldten Offiziererinnen, vor denselben fiel ich auf die Knie und
-bat, meine Jungfernschaft vor diesen geilen Buben zu schützen. Da ward
-ich von einer Rittmeisterin vor eine Magd angenommen, bei welcher ich
-mich auch beholfen, bis Magdeburg von den unseren eingenommen ward.
-
-Die Rittmeisterin war kein Kind mehr, wiewohl sie noch jung war,
-und vernarrete sich dermaßen in meinen glatten Spiegel und geraden
-Leib, daß sie mir endlich nach lang gehabter Mühe und vergeblicher,
-umschweifender Weitläufigkeit nur allzu deutsch zu verstehen gab,
-wo sie der Schuh am meisten drucke. Ich aber, damals noch viel zu
-gewissenhaft, tät, als wann ichs nicht merkte und ließ keine anderen
-Anreizungen erscheinen, als solche daraus man eine fromme Jungfer
-urteilen mochte. Der Rittmeister und sein Knecht lagen an derselben
-Kränke wie die Rittmeisterin, dahero befahl er seinem Weibe, sie sollte
-mich besser kleiden, damit sie sich meines garstigen Baurenkittels
-nicht schämen dörfte. Sie tät mehr, als ihr befohlen war, und putzte
-mich heraus wie eine franzsche Poppe, welches das Feuer bei allen
-dreien noch mehr schürete. Ja, es ward endlich bei ihnen so groß, daß
-Herr und Knecht eifrigst von mir begehreten, was ich ihnen nit leisten
-konnte und der Frau selbst mit einer schönen Manier verweigerte. Und
-weil die Rittmeisterin mich noch endlich zu überwinden verhoffte,
-verlegte sie dem Manne alle Pässe und liefe ihm alle Ränke ab, also
-daß er vermeinete, er müsse toll und töricht darüber werden. Einsmals
-stund der Knecht vor dem Wagen, darin ich alle Nacht schlafen mußte,
-klagte mir seine Liebe mit heißen Tränen und bat andächtig um Gnade und
-Barmherzigkeit. Ich aber erzeigte mich härter als Stein und gab ihm zu
-verstehen, daß ich meine Keuschheit bis in Ehstand bewahren wollte. Da
-er mir die Ehe wohl tausendmal anbot, und ich ihm stets versicherte,
-daß es unmöglich sei, verzweifelte er endlich gar, dann er zog den
-Degen aus, satzte die Spitze an die Brust, den Knopf an den Wagen und
-tät nicht anders, als wann er sich jetzt erstechen wollte. Ich sprach
-ihm zu und gab ihm Vertröstung auf morgen frühe. So ward er ~content~
-und ging schlafen, ich aber wachte desto länger. Und ich befand,
-daß meine Sache mit der Zeit nicht gut tun würde. Die Rittmeisterin
-ward je länger, je ~importuner~ mit ihren Reizungen, der Rittmeister
-verwegener mit seinen Zumutungen, der Knecht verzweifelter in seiner
-Liebe. Ich mußte oft meiner Frau bei hellem Tage Flöhe fangen, nur
-darum, daß ich ihre Alabasterbrüstlein sehen und ihren zarten Leib
-genug betasten sollte, welches mir, weil ich auch Fleisch und Blut
-hatte, zu ertragen stets schwerer fallen wollte. Ließ mich die Frau
-zufrieden, so quälete mich der Rittmeister, und wann ich von diesen
-beiden Ruhe haben sollte, so peinigte mich der Knecht. Also kam mich
-das Weiberkleid zu tragen viel sauerer an, als meine Narrenkappe. Ich
-steckte würklich in derjenigen Gefängnus, auch Leib- und Lebensgefahr,
-als mein alter Herzbruder wahrgesaget hatte. Was sollte ich tun? Ich
-beschloß endlich, mich dem Knecht zu offenbaren, sobald es Tag würde,
-dann ich dachte, seine Liebesregungen werden sich alsdann legen.
-
-Mein Hans ließ es gleich nach Mitternacht tagen, sein Jawort zu holen,
-und fing an am Wagen zu rappeln, als ich eben am allerstärksten
-schlief. Er rief etwas zu laut: »Sabina, Sabina, ah, mein Schatz,
-stehet auf und haltet mir Euer Versprechen!« Also weckte er den
-Rittmeister eher als mich, weil der sein Zelt am Wagen stehen hatte.
-Ihm ward vor Eifersucht grün und gelb vor den Augen, doch kam er nicht
-heraus, sondern stund nur auf zu sehen, wie der Handel liefe. Zuletzt
-weckte mich der Knecht. Ich schalt ihn, er aber nötigte mich mit seiner
-Importunität, aus dem Wagen zu kommen, oder ihn einzulassen. Wie ich
-nun mit meinen aufgestreiften Ärmeln herabstieg, ward mein Hans durch
-meine weißen Arme so heftig ~inflammieret~, daß er mich mit Küssen
-anfiel. Solches vermochte der Rittmeister nicht zu erdulden, sondern
-sprang mit bloßem Degen aus dem Zelt, meinem armen Liebhaber den Fang
-zu geben, aber der ging durch und vergaß das Wiederkommen.
-
-»Du Bluthur, ich will dich lernen ...« mehrers konnte der Rittmeister
-vor Zorn nicht sagen, sondern schlug auf mich zu, als wann er unsinnig
-wäre. Ich fing an zu schreien, darum mußte er aufhören, damit er keinen
-Alarm erregte, dann beide Armeen, die sächsische und die kaiserliche,
-lagen damals gegeneinander, weil sich die schwedische unter dem Panier
-näherte.
-
-Als es nun Tag worden, gab mich mein Herr den Reuterjungen preis, eben
-als beide Armeen aufbrachen. Das war nun ein Schwarm von Lumpengesind,
-und dahero die Hatz desto größer und erschröcklicher. Sie eileten
-mit mir einem Busch zu, ihre viehischen Begierden zu sättigen, wie
-dann diese Teufelskinder im Brauch haben, wann ihnen ein Weibsbild
-dergestalt übergeben wird. So folgten ihnen auch sonst viel Bursche
-nach, die dem elenden Spaß zusahen, unter welchen auch mein Hans war.
-Der ließ mich nicht aus den Augen. Er wollte mich mit Gewalt erretten,
-und sollte es seinen Kopf kosten. Er bekam Beiständer, weil er sagte,
-ich sei seine versprochene Braut. Solches war den Reuterjungen, die ein
-besser Recht auf mich zu haben vermeineten, allerdings ungelegen. Da
-fing man an Stöße auszuteilen, der Zulauf ward je länger, je größer,
-ihr Geschrei lockte den Rumormeister herzu, welcher eben ankam, als
-sie mir die Kleider vom Leibe gerissen und gesehen hatten, daß ich
-kein Weibsbild war. Seine Gegenwart machte alles stockstill, weil er
-mehr geförchtet ward als der Teufel selbst. Er informierte sich der
-Sache kurz und nahm mich gefangen, weil es ein ungewöhnlich und fast
-argwöhnisch Ding war, daß sich ein Mannsbild in Weiberkleidern sollte
-finden lassen.
-
-Ich ward zum General-Auditor geführt, der fing an mich zu examinieren.
-Da erzählete ich meine Händel, wie sie waren, es ward mir aber nicht
-geglaubt. Auch konnte der General-Auditor nicht wissen, ob er einen
-Narren oder einen ausgestochenen Bösewicht vor sich hatte. Frage und
-Antwort fiel so artlich und der Handel an sich selbst war seltsam.
-
-Er hieß mich, eine Feder nehmen und schreiben, ob etwa meine
-Handschrift bekannt oder doch so beschaffen wäre, daß man etwas daraus
-abnehmen möchte. Ich ergriff Papier und Feder geschicklich und fragte,
-was ich schreiben sollte. Der General-Auditor, der vielleicht unwillig
-war, weil das Examen sich verzog, antwortete.
-
-»Hei, schreib: deine Mutter, die Hur!«
-
-Ich satzte ihm diese Worte hin, und sie machten meinen Handel nur desto
-schlimmer, dann der General-Auditor glaubte jetzt erst, daß ich ein
-rechter Vogel sei. Er fragte den Profosen, ob man mich visitiert, der
-Profos antwortete: nein, dann mich der Rumormeister gleichsam nackend
-eingebracht hätte. Aber ach, das half nichts, der Profos mußte mich
-besuchen und fand meine beiden Eselsohren mit den Dukaten.
-
-Da hieß es: was bedörfen wir ferner Zeugnus; dieser Verräter hat ohn
-Zweifel ein groß Schelmstück zu verrichten. Warum sollte sich sonst
-ein Gescheiter in ein Narrenkleid oder ein Mannsbild in Weiberkittel
-verstellen, zu was End wäre er sonst mit einem so ansehnlichen Stück
-Geld versehen? Saget er nicht selbst, er habe bei dem Gubernator zu
-Hanau, dem allerverschlagensten Soldaten in der Welt, lernen auf der
-Lauten schlagen? Was mag er sonst bei denselben Spitzköpfen vor listige
-Praktiken gesehen haben! Der nächste Weg ist, daß man ihn auf die
-Folter bringe!
-
-Wie mir damals zu Mut gewesen, kann sich ein jeder leicht einbilden.
-
-Aber eh man diesen strengen Prozeß mit mir ins Werk satzte, gerieten
-die Schweden den Unsrigen in die Haare. Gleich anfänglich kämpften die
-Armeen um den Vortel und gleich darauf um das schwere Geschütz, dessen
-die Unsrigen stracks verlustig wurden.
-
-Unser Profos hielt zwar ziemlich weit mit seinen Leuten und den
-Gefangenen hinter der Battaglia, gleichwohl waren wir unserer Brigade
-so nahe, daß wir jeden von hinterwärts an den Kleidern erkennen
-konnten. Und als eine schwedische Eskadron auf die unsrige traf, waren
-wir sowohl als die Fechtenden selbst in Todesgefahr, dann in einem
-Augenblick flog die Luft so häufig voller singender Kugeln über uns
-her, daß es das Ansehen hatte, als ob die Salve uns zu Gefallen wäre
-gegeben worden. Davon duckten sich die Forchtsamen, als ob sie sich in
-sich selbst hätten verbergen wollen, diejenigen aber, so Courage hatten
-und mehr bei dergleichen Scherz gewesen, ließen solche unverblichen
-über sich hinstreichen. Im Treffen selbst suchte jeder seinem Tode
-mit Niedermachung des Nächsten, der ihm aufstieß, vor zu kommen. Das
-gräuliche Schießen, das Gekläpper der Harnische, das Krachen der
-Piken, das Geschrei beider: der Verwundeten und Angreifenden machten
-neben den Trompeten, Trommeln und Pfeifen eine erschröckliche Musik.
-Da sahe man nichts als einen dicken Rauch und Staub, welcher schien,
-als wolle er die Abscheulichkeit der Verwundeten und Toten bedecken.
-In demselben hörete man ein jämmerliches Wehklagen der Sterbenden und
-ein lustiges Geschrei derjenigen, die noch voller Mut staken. Die
-Pferde selbst hatten das Ansehen, als wenn sie zur Verteidigung ihrer
-Herren je länger, je frischer würden, so hitzig zeigten sie sich in
-dieser Schuldigkeit. Deren sahe man etliche unter ihren Herren tot
-darniederfallen, voller Wunden, die sie unverschuldet in getreuem
-Dienste empfangen hatten, andere fielen auf ihre Reuter und wurden
-so von ihnen getragen, die sie bei Lebzeiten hatten tragen müssen,
-wiederum andere, nachdem sie ihrer herzhaften Last, die sie kommandiert
-hatte, entladen worden, ließen die Menschen in ihrer Wut und Raserei,
-rissen aus und suchten im weiten Feld ihre einstige Freiheit.
-
-Die Erde, die sonst alle Toten deckt, war damals selbst mit Toten
-überstreut. Köpfe und Leiber lagen getrennt, etlichen hing in grausamer
-und jämmerlicher Weise das Ingeweid heraus, andern war der Kopf
-zerschmettert und das Hirn zerspritzt. Da sahe man die entseelten
-Leiber ihres eigenen Geblüts beraubet und hingegen Lebendige mit
-fremdem Blute begossen. Da lagen abgeschossene Arme, an welchen sich
-die Finger noch regten, gleichsam als ob sie wieder in das Gedräng
-wollten, hingegen rissen Kerle aus, die noch keinen Tropfen Blut
-vergossen hatten. Dort lagen abgelöste Schenkel, die, obwohl der Bürde
-ihres Körpers entladen, dennoch viel schwerer geworden waren. Da sahe
-man verstümmelte Soldaten um Beförderung ihres Todes, hingegen andere
-um Quartier und Verschonung ihres Lebens bitten. ~Summa summarum~ da
-war nichts anderes als ein elender, jämmerlicher Anblick.
-
-Die schwedischen Sieger trieben die Unsrigen, um sie mit ihrer
-schnellen Verfolgung vollends zu zerstreuen. Mein Herr Profos ergriff
-die Flucht und nötigte uns, samt ihm durchzugehen. Da jagte der junge
-Herzbruder daher mit noch fünf Pferden und grüßte ihn mit einer
-Pistole:
-
-»Siehe da, du alter Hund, ist es noch Zeit junge Hündlein zu machen?
-Ich will dir deine Mühe bezahlen!«
-
-Aber der Schuß beschädigte den Profosen so wenig wie einen stählernen
-Ambos.
-
-»Oho, bist du der Haare,« rief mein Herzbruder, »ich will nicht
-vergeblich dir zu Gefallen herkommen sein. Du mußt sterben und wäre dir
-deine Seele angewachsen!«
-
-Er befahl darauf einen Musketierer von des Profosen eigener Wacht, ihn
-mit der Axt niederzuschlagen.
-
-Ich aber ward erkannt, meiner Ketten und Bande entlediget und auf ein
-Pferd gesatzt, das mein Herzbruder durch einen Knecht in Sicherheit
-führen ließ.
-
-
-
-
-Das dreizehnte Kapitel
-
-
-Demnach die sieghaften Überwinder ihre Beuten teilten und ihre Toten
-begruben, ermanglete mein Herzbruder, der durch Begierde der Ehre und
-Beute sich hatte so weit verhauen, daß er gefangen ward. So erbte mich
-sein Rittmeister, bei welchem ich mich vor einen Reuterjungen mußte
-gebrauchen lassen.
-
-Gleich hernach ward er zum Obrist-Leutenant befördert, ich aber schlug
-ihm in den Quartieren die Lauten, im Marschieren mußte ich ihm den
-Küraß nachtragen, welches mir eine beschwerliche Sache war. Dann
-obzwar diese Waffen vor feindlichen Püffen schützen, so befand ich
-an ihnen ein Widerspiel, indem unter ihrem Schutz auf meinem Leibe
-eine Armada oder Heerhauf ausgebrütet ward, die ihren freien Paß und
-Tummelplatz behaupteten, sintemal ich mit meinen Händen nicht unter
-den Harnisch konnte, einen kleinen Streif unter sie zu tun. Ich hatte
-weder Zeit noch Gelegenheit, sie durch Feuer, Wasser oder Gift (maßen
-ich wohl wußte was Backöfen und Quecksilber vermöchten) auszurotten
-und mußte mich mit ihnen schleppen, meinen Leib und Blut zum besten
-geben. Endlich erfand ich eine Kunst, daß ich einen Pelzfleck um den
-Ladestecken der Pistole wickelte, wenn ich dann mit dieser Lausangel
-unter den Harnisch fuhr, fischte ich sie dutzendweis aus ihrem Vorteil,
-es mochte aber wenig erklecken.
-
-Einsmals ward mein Obrist-Leutenant kommandiert eine Cavalcada mit
-einer starken Partei in Westfalen zu tun, und wäre er so stark an
-Reutern gewesen, als ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt
-erschröckt, so aber mußte er behutsam gehen. Ich war damals mit meiner
-Einquartierung auf höchste kommen und ich getraute meine Pein nicht
-länger zu gedulden. Als teils die Reuter fütterten, teils schliefen und
-teils Schildwacht hielten, ging ich abseits unter einen Baum, meinen
-Feinden eine Schlacht zu liefern. Zu solchem End zog ich den Harnisch
-aus, unangesehen andre einen anziehen, wann sie fechten wollen, und
-fing ein solches Würgen und Morden an, daß mir gleich beide Schwerter
-an den Daumen vom Blut troffen. So oft mir dieses ~Rencontre~ zu
-Gedächtnus kommt, beißt mich die Haut noch allenthalben. Ich dachte
-zwar, ich sollte nicht so wider mein Geblüt wüten, vornehmlich wider so
-getreue Diener, die sich mit einem hängen und radbrechen ließen, aber
-ich fuhr mit meiner Tyrannei unbarmherzig fort, daß ich nicht gewahrte,
-wie die Kaiserlichen meinen Obrist-Leutenant ~chargierten~, bis sie
-endlich auch an mich kamen, meine Läus entsatzten und mich selbst
-gefangen nahmen. Sie scheueten meine Mannheit gar nicht, mit der ich
-kurz zuvor viel Tausend erlegt und den Titul des Schneiders »Sieben auf
-einen Streich« überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner, und ich
-mit ihm meinen sechsten Herrn, weil ich sein Jung sein mußte.
-
-Unsere Wirtin wollte nicht, daß ich sie und ihr ganzes Haus mit meinen
-Völkern besetzte, so machte sie ihnen den Prozeß kurz und gut, steckte
-meine Lumpen in Backofen und brannte sie so sauber aus wie eine alte
-Tabakpfeife.
-
-Hingegen bekam ich ein neues Kreuz auf den Hals, weil mein Herr einer
-von denjenigen war, die in Himmel zu kommen sich getrauen. Er ließ
-sich glatt am Sold genügen und betrübte im übrigen kein Kind. Seine
-ganze Prosperität bestund in dem, was er mit Wachen verdienete und von
-seiner wochentlichen Löhnung erkargete. Ich und sein Pferd mußten ihm
-sparen helfen. Davon kams, daß ich den trockenen Pumpernickel gewaltig
-beißen und mich, wanns wohl ging, mit Dünnbier behelfen mußte. Wollte
-ich aber besser futtern, so mußte ich stehlen, aber mit ausdrücklicher
-Bescheidenheit, daß er nichts davon innewurde. Seinethalben hätte man
-weder Galgen, Esel, Henker, Steckenknechte noch Feldscherer bedörft,
-auch keinen Marketender noch Trommelschlager, die den Zapfenstreich tun
-müssen. Sein ganzes Tun war fern von Fressen, Saufen, Spielen und allen
-Duellen, ward er aber auf ~Convoi~, Partei oder sonst einen Anschlag
-kommandiert, so schlenderte er mit dahin, wie ein alt Weib am Stecken.
-
-Ich hatte mich keines Kleides bei ihm zu getrösten, weil er selbst
-zerflickt daherging. Sein Pferd war vor Hunger so hinfällig, daß sich
-weder Schwede noch Hesse vor seinem dauerhaften Nachjagen zu förchten
-hatten. Dieses alles bewegte seinen Hauptmann, ihn ins sogenannte
-Paradeis, einem Frauenkloster, auf ~Salvaguardi~ zu legen. Dort sollte
-er sich begrasen und wieder montieren. Auch hatten die Nonnen um einen
-frommen und stillen Kerl gebeten.
-
-»Potz Glück, Simprecht,« sagte er, dann er konnte meinen Namen nicht
-behalten, »kommen wir gar in das Paradeis! Wie wollen wir fressen!«
-Und wir fanden, was wir begehrten, daß ich in Kürze wieder einen
-glatten Balg bekam. Dann da satzte es das fetteste Bier, die besten
-westfälischen Schunken und Knackwürste, wohlgeschmack und sehr delikat
-Rindfleisch, das man aus dem Salzwasser kochte und kalt zu essen
-pflegte. Da lernte ich das schwarze Brot fingersdick mit gesalzener
-Butter schmieren und mit Käs belegen, damit es desto besser rutschte,
-und wann ich so über einen Hammelskolben kam, der mit Knoblauch
-gespickt war, und eine gute Kanne Bier darneben stehen hatte, so
-erquickte ich Leib und Seele und vergaß meines ausgestandenen Leides.
-
-Das Glück wollte es wieder wettspielen, da mich ehebevor das Unglück
-haufenweis überfallen hatte: dann als mich mein Herr nach Soest
-schickte, seine Bagage vollends zu holen, fand ich unterwegs einen Pack
-mit etlichen Ellen Scharlach, samt einem Sammetfutter. Das vertauschte
-ich zu Soest bei einem Tuchhändler um gemein, grünwullen Tuch zu einem
-Kleid samt Ausstaffierung mit dem Geding, mir das Kleid machen zu
-lassen. Ich gab ihm auch die silbernen Knöpf und Galaunen vor ein Hemd
-und ein Paar neuer Schuhe. Also kehrete ich nagelneu herausgeputzt
-wieder ins Paradeis zu meinem Herrn zurück, der gewaltig kollerte, daß
-ich ihm den Fund nicht zugebracht, und der Filz schamet sich wohl auch,
-daß sein Junge besser gekleidet war als er selbst. Derowegen ritt er
-nach Soest, borgte Geld auf seinen wochentlichen ~Salvaguardi~-Sold und
-montierte sich damit aufs beste.
-
-Von dieser Zeit an hatten wir das allerfäulste Leben. Das Kloster
-war auch von den Hessen, unserm Gegenteil, mit einem Musketier
-salvaguadiert, derselb war seines Handwerks ein Kürschner und dahero
-nicht allein ein Meistersänger, sondern auch ein trefflicher Fechter.
-Damit er seine Kunst nicht vergäße, übte er sich täglich mit mir in
-allen Gewehren, wovon ich so fix ward, daß ich mich nicht scheuete ihm
-Bescheid zu tun, wann er wollte.
-
-Das Stift vermochte eine eigene Wildbahn und hielt einen eigenen
-Jäger. Weil ich nun grün gekleidet war, gesellete ich mich zu ihm
-und lernete ihm denselben Herbst und Winter seine Künste ab. Solcher
-Ursachen halber nannte mich jedermann »dat Jäjerken«. Mir wurden alle
-Wege und Stege bekannt, was ich mir hernach trefflich zu nutz machte.
-Bei üblem Wetter las ich allerhand Bücher, die mir der Klosterverwalter
-liehe, und da die Klosterfrauen gewahr wurden, daß ich neben meiner
-guten Stimme auch auf der Laute und etwas wenigs auf dem Instrument
-schlagen konnte, weil ich zudem eine ziemliche Leibsproportion und
-schönes Gesicht hatte, hielten sie alle meine Sitten, Wesen, Tun und
-Lassen vor adelig und ich mußte unversehens ein sehr beliebter Junker
-sein.
-
-Da ward mein Herr abgelöst, was ihn auf das gute Leben so übel bekam,
-daß er darüber erkrankte, und weil starkes Fieber darzu schlug, zumalen
-noch die alten Mucken, die er sein Lebtag im Kriege aufgefangen,
-hinzukamen, machte ers kurz und ward in drei Wochen hernach begraben.
-Ich machte ihm die Grabschrift:
-
- Der Schmalhans lieget hier, ein tapferer Soldat,
- Der all sein Lebetag kein Blut vergossen hat.
-
-Ich war damals ein frischer, aufgeschossener Jüngling, der seinen
-Mann stellen konnte, also ward mir von meinem Hauptmann das Erbe
-des Dragoners angeboten, wann ich mich an meines toten Herren Statt
-anwerben lassen wollte. Das nahm ich desto lieber an, weil mir bekannt,
-daß meines Herren alte Hosen mit ziemlichen Dukaten gespickt waren.
-
-Allein dem Kommandanten zu Soest mangelte ein Kerl, wie ich ihm einer
-zu sein dünkte, so unterstund er sich, mich noch zu bekommen, maßen
-er meine Jugend vorwandte, und mich vor keinen Mann passieren lassen
-wollte. Er schickte nach mir und sagte:
-
-»Hör, Jägerken, du sollt mein Diener sein und meine Pferde warten.«
-
-»Herr, wir sind nicht vor einander. Ich hätte lieber einen Herrn, in
-dessen Diensten die Pferde auf mich warten. Ich will Soldat bleiben.«
-
-»Dein Bart ist noch viel zu klein.«
-
-»O nein, ich getraue einen Mann zu bestehen, der achtzig Jahre alt ist.
-Der Bart schlägt keinen Mann, sonst würden die Böcke hoch ~aestimieret~
-werden.«
-
-»Wann die ~Courage~ so gut ist, als das Maulleder, so will ich dich
-passieren lassen.«
-
-»Das kann in der nächsten ~Occasion~ probiert werden,« gab ich zu
-verstehen. Und er ließ mich bleiben.
-
-Hierauf anatomierte ich meines Dragoners Hosen, schaffte mir aus deren
-Eingeweid noch ein gut Pferd und das beste Gewehr und ließ mich von
-neuem grün kleiden, weil mir der Name Jäger beliebte. Also ritt ich
-mit meinem Jungen selbander daher wie ein Edelmann und dünkte mich
-fürwahr keine Sau zu sein. Ich war so kühn, meinen Hut mit einem tollen
-Federbusch zu zieren wie ein Offizier, daher bekam ich bald Neider und
-Mißgönner, und es satzte empfindliche Worte, endlich gar Ohrfeigen. Ich
-hatte aber kaum einem oder dreien gewiesen, was ich im Paradies von dem
-Kürschner gelernt hatte, da ließ mich nicht allein jedermann zufrieden,
-sondern suchte auch meine Freundschaft.
-
-Auf Partei warf ich mich wohl herfür, daß ich in kurzer Zeit bei Freund
-und Feind bekannt und so berühmt ward, daß beide Teile viel von mir
-hielten. Allermaßen mir die gefährlichsten Anschläge zu verrichten
-und ganze Parteien zu kommandieren anvertraut wurden, griff ich bald
-zu wie ein Böhme und, wann ich etwas namhaftes erschnappte, gab ich
-meinen Offizierern so reich Part davon, daß ich selbig Handwerk auch an
-verbotenen Orten treiben dorfte, weil mir überall durchgeholfen ward.
-
-Der General Graf von Götz hatte in Westfalen drei feindliche
-Guarnisonen übriggelassen zu Dorsten, Lippstadt und Coesfeld, denen war
-ich gewaltig molest, dann ich lag ihnen bald hier, bald dort schier
-täglich vor den Toren, und weil ich überall glücklich durchkam, hielten
-die Leute von mir, ich könnte mich unsichtbar machen und wäre so fest
-wie Stahl. Davon ward ich geförchtet wie die Pestilenz.
-
-Zuletzt kam es dahin: wo nur ein Ort in Kontribution zu setzen war,
-mußte ich solches verrichten, wodurch mein Beutel so groß ward als
-mein Name. Meine Offizierer und Kameraden liebten ihren Jäger, die
-vornehmsten Parteigänger vom Gegenteil entsatzten sich und den Landmann
-hielt ich durch Forcht und Liebe auf meiner Seiten, dann ich wußte
-meine Widerwärtigen zu strafen und die, so mir nur den geringsten
-Dienst täten, reichlich zu belohnen, allermaßen ich beinahe die Hälfte
-meiner Beuten verspendierte oder auf Kundschaft auslegte. Derhalben
-entging mir keine Partei, kein ~Convoi~, noch eine Reis' aus des
-Gegenteils Posten, alsdann ich ihr Vorhaben durchkreuzte und allen
-Anschlägen mit Glück begegnete. Darneben erzeigte ich mich gegen meine
-Gefangenen überaus diskret, sodaß sie mich oft mehr kosteten als die
-Beute wert war, sonderlich unterließ ichs nicht, denen Offizierern,
-obschon ich sie nicht kannte, ohn Verletzung meiner Pflicht und
-Herrendienste eine ~Courtoisie~ zu tun.
-
-Durch solch ein Verhalten wäre ich zeitlich zum Offizier befördert
-worden, wann meine Jugend es nicht verhindert hätte. Wer in solchem
-Alter ein Fähnlein wollte, mußte ein Guter von Adel sein, zudem mein
-Hauptmann an mir mehr als eine melkende Kuhe verloren hätte. Also
-brachte ichs allein zum Gefreiten. Ich spekulierte Tag und Nacht, wie
-ich etwas anstellen möchte, mich noch größer zu machen und konnte vor
-solchem närrischen Nachsinnen oft nicht schlafen.
-
-
-
-
-Das vierzehnte Kapitel
-
-
-Ich muß ein Stücklein noch erzählen, das mir begegnet, eh ich wieder
-von meinen Dragonern kam.
-
-Mein Hauptmann ward mit etlichen fünfzig Mann zu Fuß nach
-Recklinghausen kommandiert, einen Anschlag auf eine reiche Karawane
-zu machen. Wir mußten uns in den Büschen heimlich halten, so nahm ein
-jeder auf acht Tag Proviant zu sich. Demnach aber die Kaufleut, denen
-wir aufpaßten, die bestimmte Zeit nicht ankamen, ging uns das Brot aus,
-dahero uns der Hunger gewaltig preßte, dann wir dorften nichts rauben,
-wir hätten uns damit selbst verraten.
-
-Mein Kamerad, ein lateinischer Handwerksgesell, der erst kürzlich der
-Schule entloffen, seufzete vergeblich nach den Gerstensuppen, die
-ihm hiebevor seine Eltern zum besten verordnet, er aber verschmähet
-und verlassen hatte. Und als er solcher Speisen gedachte, erinnerte
-er sich auch seines Schulsacks: »Ach Bruder,« sagte er, »wärs nicht
-eine Schande, wann ich nicht so viel Künste erstudiert haben sollte,
-mich jetzund zu füttern? Wann ich nur zum Pfaffen in jenes Dorf gehen
-dürfte, es sollte ein treffliches ~Convivium~ bei ihm setzen!«
-
-Ich überlief die Worte ein wenig, ermaß unsern Zustand und machte einen
-Anschlag auf unsern Studenten hin. Der Hauptmann willigte ein.
-
-So wechselte ich meine Kleider mit einem andern und zottelte mit
-meinem Studenten in weitem Umschweif, wiewohl das Dorf eine halbe
-Stunde vor uns lag, auf die Kirche zu. Das nächste Haus bei ihr
-erkannten wir vor des Pfarrers Wohnung, es stund an einer Mauer, die
-um den ganzen Pfarrhof ging. Mein Kamerad hatte seine abgeschabten
-Studentenkleidlein noch an, ich gab mich vor einen Malergesellen
-aus, dann ich dachte diese Kunst im Dorf nicht üben zu müssen. Der
-geistliche Herr war höflich, als ihm mein Gesell eine tiefe lateinische
-Reverenz gemacht und einen Haufen dahergelogen hatte, was Gestalt ihn
-die Soldaten auf der Reise ausgeplündert. Er bot dem Studenten ein
-Stück Brot und Butter nebst einem Trunk Bier an, ich aber stellete
-mich, als ob ich im Wirtshaus essen wollte und ihn alsdann anrufen,
-damit wir noch ein Stück Weges hinter sich legen konnten. Also ging
-ich, mich im Dorf umzusehen und hatte auch Glück, daß ich einen Baur
-antraf, der seinen Backofen zukleibte, darin er große Pumpernickel
-hatte, die vier und zwanzig Stunden sitzen und ausbacken sollten.
-Demnach wußte ich genug und machte es beim Wirte kurz.
-
-Da ich auf den Pfarrhof kam, hatte mein Kamerad schon gekröpft und dem
-Pfarrer gesagt, daß ich Maler sei, willens meine Kunst in Holland zu
-perfectionieren. Der Pfarrer hieße mich sehr willkommen und bat mich,
-mit ihm in die Kirche zu gehen, da er mir etliche schadhafte Stück
-weisen wolle. Ich mußte folgen, er führte mich durch die Küche, und
-während er das Nachtschloß an der starken Eichentür aufmachte, die
-auf den Kirchhof ging -- ~ominorum~! -- da sahe ich, daß der schwarze
-Himmel seiner Kuchelesse voller Lauten, Flöten und Geigen hing in
-Gestalt von Schinken, Knackwürsten und Speckseiten. Trostmütig blicket
-ich sie an, weil mich bedünkte, als lachten sie mir und ich erwog, wie
-ich sie dem obgemeldten Ofen voll Brot zugesellen möchte. Allein der
-Pfarrhof war ummauret, alle Fenster mit Eisengittern genugsam verwahrt
-und so lagen auch zween ungeheure Hunde im Hof, welche bei Nacht
-gewißlich nicht schlafen würden, wenn man dasjenige stehlen wollte,
-daran auch ihnen zu nagen gebühret.
-
-Wie wir nun in die Kirche kamen, von den Gemälden allerhand
-diskurierten und mir der Pfarrer etliches auszubessern verdingen
-wollte, ich aber Ausflüchte suchte, meinte der Meßner: »Du Kerl, ich
-sehe dich eher vor einen verloffenen Soldatenjungen an, als vor einen
-Malergesellen!« Ich antwortete: »O du Kerl, gib mir geschwind Pensel
-und Farben, so will ich dir im Hui einen Narren gemalet haben, als du
-einer bist.«
-
-Der Pfarrer machte ein Gelächter daraus und meinete, es gezieme sich
-nicht an einem so heiligen Ort, einander wahr zu sagen. Er ließ uns
-beiden noch einen Trunk langen und also dahin ziehen. Ich aber vergaß
-mein Herz bei den Knackwürsten.
-
-Um Mitternacht kamen wir wieder ins Dorf und ich hatte sechs gute Kerle
-ausgelesen, darunter meinen munteren Knecht Spring-ins-Feld. In aller
-Stille huben wir das Brot aus dem Ofen, weil wir einen mithatten,
-der Hunde bannen konnte. Da wir nun bei dem Pfarrhof vorüberwollten,
-konnte ichs nicht übers Herz bringen, ohne Speck weiter zu passieren.
-Ich wußte aber keinen andern Eingang als den Kamin, der sollte vor
-diesmal meine Tür sein. Wir brachten Leiter und Seil aus einer Scheuer
-zuwege, ich stieg selbander mit Spring-ins-Feld aufs Dach, welches von
-Hohlziegeln doppelt belegt und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebauet
-war. Meine langen Haar wicklete ich zu einem Büschel über dem Kopf
-zusammen und ließ mich mit einem End des Seils hinunter zu meinem
-geliebten Speck. Band also einen Schinken nach dem andern und eine
-Speckseite nach der andern an das Seil, was alles der andere fein
-ordentlich zum Dach hinaus fischete und weitergab.
-
-Aber, potz Unstern, da ich allerdings Feierabend gemachet hatte, brach
-eine Stange, sodaß ~Simplicius~ hart hinunterfiele und das Seil riß,
-ehe mich meine Kameraden vom Boden brachten. Ich dachte, Jäger, nun
-mußt du eine Hatze ausstehen, in welcher dir selbst das Fell gewaltig
-zerrissen wird werden, dann der Pfarrer war erwacht und befahl seiner
-Köchin alsbald ein Licht anzuzünden. Sie kam im Hemd zu mir in die
-Kuchen, hatte den Rock über der Achsel hangen und stund so nahe neben
-mir, daß sie mich damit rührete. Sie griff nach einem Brand und hielt
-das Licht daran und fing an zu blasen. Ich aber blies viel stärker zu,
-davon das gute Mensch erschrak, daß sie Feuer und Licht fallen ließ und
-sich zu ihrem Herrn retirierte.
-
-Ich bedachte mich und wehrete meine Kameraden, die mir zu verstehen
-gaben, daß sie das Haus aufstoßen wollten. Allein Spring-ins-Feld
-sollte oben bleiben, die andern an das Gewehr. Inzwischen schlug der
-Geistliche sich selber ein Licht an, seine Köchin aber erzählete
-ihm, daß ein gräulich Gespenst mit zween Köpfen, davor sie meinen
-Haarbüschel angesehen, in der Kuchen wäre. Das hörete ich, rieb mir
-derowegen mein Angesicht mit Asche, Ruß und Kohlen, daß ich ohn
-Zweifel keinem Engel mehr -- wie hiebevor die Klosterfrauen sagten --
-gleich sahe und der Meßner mich wohl vor einen geschwinden Maler hätte
-passieren lassen. Ich fing an in der Kuchen schröcklich zu poltern und
-das Geschirr untereinander zu werfen. Den Kesselring hing ich an den
-Hals, den Feuerhaken behielt ich auf den Notfall.
-
-Solches ließ sich der fromme Pfaffe nicht irren, dann er kam mit
-seiner Köchin prozessionsweis daher, welche zwei Wachslichter in den
-Händen und einen Weihwasserkessel am Arm trug, er selbsten war mit
-dem Chorrock bewaffnet samt den Stollen und hatte den Sprengel in der
-einen und ein Buch in der andern Hand. Aus demselben fing er an, mich
-zu exorcisieren, fragende: »Wer bist du und was willst du?« -- »Ich bin
-der Teufel und will dir und deiner Köchin die Hälse umdrähen!«
-
-Da fuhr er eifrig in seinem ~Exorcismo~ weiter fort und hielt mir vor,
-daß ich weder mit ihm noch mit seiner Köchin nichts zu schaffen hätte,
-hieß mich auch mit der allerhöchsten Beschwörung wieder hinfahren, wo
-ich herkommen wäre. Ich aber antwortete mit ganz förchterlicher Stimme,
-daß solches unmöglich sei, wannschon ich gern wollte. Indessen hatte
-Spring-ins-Feld, der ein abgefäumter Erzvogel war und kein Latein
-verstund, seine seltsamen Tausendhändel auf dem Dach, dann er hörete,
-daß ich mich vor den Teufel ausgab, und mich auch der Geistliche also
-hielt. Er wixte wie eine Eule, bellte wie ein Hund, wieherte wie ein
-Pferd, blökte wie ein Geißbock, schrie wie ein Esel und ließ sich bald
-durch den Kamin hinunter hören wie ein Haufen Katzen, die im Hornung
-rammeln, bald wie eine Henne, die legen wollte, dann dieser Kerl konnte
-aller Tiere Stimmen nachmachen. Solches ängstigte den Pfarrer und die
-Köchin auf das Höchste, ich aber machte mir ein Gewissen, daß ich mich
-vor den Teufel beschwören ließe.
-
-Mitten in solchen Ängsten, die uns beiderseits umgaben, ward ich
-gewahr, daß das Nachtschloß an der Tür, die auf den Kirchhof ging,
-nicht eingeschlagen, sonder der Riegel nur vorgeschoben war. Ich schob
-ihn geschwind zurück und wischte hinaus.
-
-Wir liefen in den Busch, weil wir im Dorf nichts mehr zu verrichten
-hatten. Dort erquickte sich die ganze Partei an dem, was von uns
-gestohlen worden, und bekam kein einziger den Klucksen darvon, so
-gesegnete Leute waren wir.
-
-Also lagen wir noch zween Tage an selbigem Ort und erwarteten
-diejenigen, denen wir schon so lange aufgepaßt hatten. Wir verloren
-keinen einzigen Mann und bekamen dreißig Gefangene. Ich erhielt doppelt
-Part, das waren drei schöne Frießländer Hengst mit Kaufmannswaren
-beladen, was sie in Eil forttragen mochten. Wir retirierten uns mehrer
-Sicherheit halber auf Rehnen.
-
-Daselbst gedachte ich wieder an den Pfaffen, dem ich den Speck
-gestohlen hatte, nahm einen Saphir, in einen göldenen Ring gefaßt, aus
-meiner Beute und schickte ihn von Rehnen aus durch einen gewissen Boten
-mit einem Brieflein an den Geistlichen.
-
-»Wohlehrwürdiger usw. Wann ich dieser Tagen im Wald noch etwas zu
-leben gehabt hätte, so wäre kein Ursache gewesen Euer Wohlehrwürden
-ihren Speck zu stehlen, wobei Sie vermutlich sehr erschröckt worden.
-Ich bezeuge beim Höchsten, daß Sie solche Angst wider meinen Willen
-eingenommen, hoffe derowegen um Vergebung. Was den Speck anbelangt,
-schicke ich derohalben gegenwärtigen Ring mit Bitte, Euer Wohlehrwürden
-belieben damit Vorlieb zu nehmen. Versichere darneben, daß Dieselbe
-im übrigen auf alle Begebenheit einen dienstfertigen und getreuen
-Diener hat an dem, den dero Meßner vor keinen Maler hält, welcher sonst
-genannt wird
-
- der
- Jäger.«
-
-Dem Bauren aber schickte die Partei aus gemeiner Beute sechzehen
-Reichstaler.
-
-Von Rehnen gingen wir auf Münster und von dar auf Ham und heim nach
-Soest in unser Quartier, allwo ich nach einigen Tagen eine Antwort von
-dem Pfarrer empfing.
-
-»Edler Jäger usw. Wann derjenige, dem Ihr den Speck gestohlen, hätte
-gewußt, daß Ihr ihm in teuflischer Gestalt erscheinen würdet, hätte er
-sich nicht so oft gewünscht, den landberufenen Jäger auch zu sehen.
-Gleichwie aber das geborgte Fleisch und Brot viel zu teuer bezahlt
-worden, also ist auch der eingenommene Schröcken desto leichter zu
-verschmerzen, weil er von einer so berühmten Person ist wider ihren
-Willen verursachet worden, deren hiemit allerdings verziehen wird, mit
-Bitte, dieselbe wolle ein andermal ohne Scheu zusprechen bei dem, der
-sich nicht scheut, den Teufel zu beschwören.
-
- ~Vale~!«
-
-Also machte ichs allerorten und überkam dadurch einen großen Ruf.
-
-
-
-
-Das dritte Buch
-
-
-
-
-Das erste Kapitel
-
-
-In Soest suchte ich Ruhm und Gunst in Handlungen, die sonst strafwürdig
-gewesen wären. Ich war ehrgeizig geworden, und meine Torheit ließ
-mich Leib- und Lebensgefahr vor gering anschlagen. Wann andere
-schliefen, hielten mich meine wunderlichen Grillen wach, und ich sann
-auf neue Fündgen und Listen. So erfand ich eine Gattung Schuhe, die
-man den Absatz zuvorderst anziehen konnte, deren ließe ich dreißig
-unterschiedliche Paar machen. Wann ich solche unter meine Burschen
-austeilete, war es unmöglich, uns aufzuspüren, dann wir trugen bald
-diese, bald unsere rechten Schuhe an den Füßen, und es sahe am Ziele
-aus, als wann zwo Parteien allda zusammengekommen wären und mit
-einander verschwunden seien. Ohndas verwirrete ich unsere Spur, so
-daß mich niemand hätte auskünden können. Ich lag oft allernächst bei
-denen vom Gegenteil, die mich in der Ferne suchten, und noch öfter
-etliche Meilwegs von dem Busch, den sie umstellten und durchstreiften.
-Also ließ ich auch an Scheid- und Kreuzwegen unversehens absteigen und
-den Pferden die Eisen das hinterst zu vörderst aufschlagen. Ganz zu
-geschweigen der gemeinen Vorteil, die man brauchet, wann man schwach
-auf Partei ist und doch vor stark aus der Spur judiziert werden will.
-
-Wann ich nicht auf Partei dorfte, so ging ich sonst aus zu stehlen,
-und dann war kein Stall vor mir sicher. Rindviehe und Pferden wußte
-ich Stiefel und Schuhe anzulegen, bis ich sie auf eine gänge Straße
-brachte. Die großen fetten Schweinspersonen, die Faulheit halber nicht
-reisen mögen, wußte ich meisterlich fort zu bringen, wann sie schon
-grunzten und nicht daran wollten. Ich machte ihnen mit Mehl und Wasser
-einen wohlgesalzenen Brei, ließ solchen einen Badeschwamm in sich
-saufen, an welchen ich einen starken Bindfaden gebunden hatte. Ließ
-nachgehends diejenigen, um welche ich buhlete, den Schwamm voll Mus
-fressen und behielt die Schnur in der Hand, worauf sie ohne Wortwechsel
-geduldig mitgingen und mir die Zeche mit Schinken und Würsten
-bezahleten.
-
-Was ich brachte, teilete ich sowohl den Offizierern als meinen
-Kameraden getreulich mit. Im übrigen dünkte ich mich viel zu gut darzu
-zu sein, daß ich die Armen bestehlen, Hühner fangen oder andere geringe
-Sachen hätte mausen sollen.
-
-Dahero fing ich an nach und nach mit Fressen und Saufen ein epikuräisch
-Leben zu führen, weil ich meines Einsiedels Lehren vergessen und
-niemand hatte, der meine Jugend regierte. Meine Offizierer schmarotzten
-bei mir und reizten mich viel mehr zu allen Lastern, wo sie mich hätten
-strafen und abmahnen sollen. So ward ich endlich gottlos und verrucht,
-daß mir kein Schelmstück zu groß schien, und zuletzt auch heimlich
-beneidet, beides: von Kameraden und Offizieren, da ich mir einen
-größeren Namen und Ansehen machte, als sie selbst hatten.
-
-Während ich im Begriffe stund, mir einige Teufelslarven und
-darzugehörige Kleidungen mit Roß- und Ochsenfüßen machen zu lassen,
-vermittels deren ich Freund und Feind in Schröcken setzen könnte,
-bekam ich Zeitung, daß ein Kerl sich in Werle aufhielte, welcher ein
-trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lasse und hin und her
-auf dem Land, sonderlich bei unsern Kontribuenten, unter meinem Namen
-mit Weiberschänden und Plünderungen allerhand Exorbitantien verübe,
-maßen dahero gräuliche Klagen auf mich einkamen. Solches gedachte ich
-ihm nicht zu schenken, weit weniger zu leiden, daß er sich länger
-meines Namens bediene. Ich ließ ihn mit Wissen des Kommandanten in
-Soest auf Degen und Pistolen ins freie Feld zu Gast laden, nachdem er
-aber das Herz nicht hatte zu erscheinen, ließ ich mich vernehmen, daß
-ich mich an ihm revangieren wollte, so ich ihn auf Partei ertappte,
-werde er von mir als Feind traktiert werden. Darauf verbrannte ich
-in Soest vor meinem Quartier offentlich meine ganze grüne Kleidung,
-unangesehen, daß sie über hundert Dukaten wert war, und fluchte in
-solcher Wut noch darüber hin, daß der nächste, der mich mehr »Jäger«
-nenne, entweder mich ermorden oder von meinen Händen sterben müsse, und
-sollte es auch meinen Hals kosten. Ich wollte auch keine Partei mehr
-führen, ich hätte mich zuvor an meinem Widerpart zu Werle gerochen.
-
-Dies erscholl gar bald in der Nachbarschaft, davon wurden die Parteien
-vom Gegenteil so kühn und sicher, daß sie schier täglich vor unsern
-Schlagbäumen lagen. Was mir aber gar zu unleidlich viel war, daß der
-Jäger von Werle noch immer fortfuhr sich vor mich auszugeben.
-
-Indessen jedermann meinete, ich läge auf der Bernhaut, kündigte ich
-meines Gegenteils von Werle Tun und Lassen aus und machte meinen
-Anschlag darauf. Meine beiden Knechte, sonderlich Spring-ins-Feld,
-hatte ich nach und nach abgerichtet wie die Wachtelhunde. Davon
-schickte ich den einen nach Werle zu meinem Gegenteil. Der wandte
-vor, daß ich nunmehr anfinge zu leben, wie ein anderer Kujon und
-verschworen hätte nimmer auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr
-bei mir bleiben mögen. Er wisse alle Wege und Stege im Lande und könne
-manchen Anschlag geben, gute Beute zu machen. Der einfältige Narr von
-Werle glaubte meinem Knecht und nahm ihn an. So bekam ich Wind, daß sie
-in einer bestimmten Nacht auf eine Schäferei zuhielten, etliche fette
-Hämmel zu holen. Ich bestach den Schäfer, daß er seine Hunde anbinden
-und die Ankömmlinge unverhindert in die Scheuer minieren lassen sollte,
-so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon gesegnen. Indessen paßte
-ich und Spring-ins-Feld mit einem andern Knecht auf, die ich hiebevor
-beide mit meinen Teufelslarven und Kleidern wohl ausstaffieret.
-
-Da nun der Jäger von Werle und sein Knecht ein Loch durch die Wand
-gegraben hatten, wollte der Jäger haben, daß der Knecht zum erstenmal
-hineinschliefe. Der aber sagte: »Ich sehe wohl, daß Ihr nicht mausen
-könnt, man muß zuvor visieren, ob Bläsi zu Hause sei oder nicht.«
-
-Er zog hierauf seinen Degen und hing den Hut an die Spitze, stieß
-etliche Male durchs Loch. Als solches geschehen, kroch der Jäger als
-erster hinein, aber Spring-ins-Feld erwischte ihn gleich bei der
-Degenhand. Da hörete ich, daß sein anderer Gesell durchgehen wollte,
-und weil ich nicht wußte, welches der Jäger sei, eilete ich nach und
-ertappte ihn.
-
-»Was Volks?« -- »Kaiserisch.« -- »Was Regiments, ich bin auch
-kaiserisch, ein Schelm, der seinen Herrn verleugnet!« -- »Wir seind von
-den Dragonern von Soest,« sagte er, »Bruder, ich hoffe, Ihr werdet uns
-passieren lassen.« -- »Wer seid Ihr dann aus Soest.« -- »Mein Kamerad,
-den Ihr im Stall ertappet, ist der Jäger.« -- »Schelmen seid ihr! Warum
-plündert ihr dann euer eigen Quartier, der Jäger von Soest ist so kein
-Narr, daß er sich in einem Schafstall fangen läßt!« -- »Ach, von Wörle
-wollt ich sagen,« antwortete er mir.
-
-Indem ich so disputierte, kam mein Knecht und Spring-ins-Feld mit
-meinem Gegenteil auch daher.
-
-»Siehe da, du ehrlicher Vogel, kommen wir hier zusammen? Wann ich
-kaiserliche Waffen nicht respektierte, so wollte ich dir gleich eine
-Kugel durch den Kopf jagen. Ich bin der Jäger von Soest und du bist
-ein Schelm, bis du einen von gegenwärtigen Degen zu dir nimmst und den
-andern auf Soldatenmanier mit mir missest.«
-
-Indem legte Spring-ins-Feld uns zwei gleiche Degen vor die Füße. Der
-arme Jäger erschrak so gewaltig, daß er seine Hosen verderbte, davon
-schier niemand bei ihm bleiben konnte. Er und sein Kamerad zitterten
-wie nasse Hunde, sie fielen auf die Knie und baten um Gnade. Aber
-Spring-ins-Feld kollerte wie aus einem hohlen Hafen heraus: »Du
-mußt einmal raufen, oder ich will dir den Hals brechen!« -- »Ach,
-hochgeehrter Herr Teufel, ich bin nicht des Raufens halber herkommen!
-Der Herr Teufel überhebe mich dessen, so will ich hingegen tun, was du
-willst.«
-
-Mein Knecht zwang ihm den Degen in die Hand, er zitterte aber so, daß
-er ihn nicht halten konnte. Der Schäfer kam herbei und stellte sich,
-als ob er von den beiden Teufeln nichts sähe, er fragte mich, was ich
-mit diesen beiden Kerlen lang in seiner Schäferei zu zanken hätte, ich
-sollte es an einem andern Ort ausmachen, dann unsere Händel gingen ihm
-nichts an. Er gäbe monatlich seine Konterbission und wolle in Frieden
-leben. Zu den beiden sagte er, warum sie sich von mir einzigem Kerl
-geheien ließen und mich nicht niederschlügen.
-
-»Du Flegel,« rief ich, »sie haben dir deine Schafe stehlen wollen!«
-
-Da sagte der Bauer: »So wollte ich, daß sie meinen Schafen müßten den
-Hintern lecken.« Damit ging er weg.
-
-Ich drang auf das Fechten, mein armer Jäger aber konnte vor Forcht
-schier nicht mehr auf den Füßen stehen, also daß er mich daurete. Er
-und sein Kamerad brachten so bewegliche Worte vor, daß ich ihm endlich
-alles verziehe und vergab.
-
-Aber Spring-ins-Feld war damit nicht zufrieden, er zwang den Jäger an
-dreien Schafen zu tun, was der Baur gewünscht hatte, und zerkratzte
-ihn mit seinen Teufelskrallen noch darzu so abscheulich im Gesicht,
-daß er aussahe, als ob er mit den Katzen gefressen hätte, mit welcher
-schlichten Rache ich mich zufrieden gab.
-
-Der Jäger von Werle verschwand bald aus der Gegend, weil er sich zu
-sehr schämte, dann sein Kamerad sprengte aller Orten aus und beteuret
-es mit heftigen Flüchen, daß ich wahrhaftig zween leibhaftiger Teufel
-hätte, die mir auf den Dienst warteten. Darum ward ich noch mehr
-geförchtet, hingegen aber desto weniger geliebet.
-
-
-
-
-Das ander Kapitel
-
-
-Solches wurde ich bald gewahr, daher stellete ich mein vorig gottlos
-Leben allerdings ab. Ich ging zwar auf Partei, zeigete mich aber gegen
-Freund und Feind so leutselig und diskret, daß alle, die mir unter die
-Hände kamen, ein anderes glaubten, als sie von mir gehöret hatten.
-Ich sammlete mir viel schöne Dukaten und Kleinodien, welche ich hin
-und wieder auf dem Lande in hohle Bäume verbarg, dann ich hatte mehr
-Feinde in der Stadt Soest und im Regiment, die mir und meinem Gelde
-nachstellten, als außerhalb und bei den feindlichen Guarnisonen.
-
-Ich saß einsmals mit fünfundzwanzig Feuerröhren nicht weit von Dorsten
-und paßte einer Bedeckung mit etlichen Fuhrleuten auf, die nach Dorsten
-kommen sollte. Ich hielt selbst Schildwacht, weil wir dem Feinde nahe
-waren. Da sah ich einen Mann daherkommen, fein ehrbar gekleidet, der
-redete mit sich selbst und focht dabei seltsam mit den Händen.
-
-»Ich will einmal die Welt strafen, es sei dann, mir wolle es das große
-~Numen~ nicht zugeben!«
-
-Woraus ich mutmaßete, er möcht etwan ein mächtiger Fürst sein, der so
-verkleideter Weise herumginge, seiner Untertanen Leben und Sitten zu
-erkunden. Ich dachte, ist dieser Mann vom Feind, so setzt es ein gutes
-Lösegeld, wo nicht, so willst du ihn aufs höflichste traktieren. Sprang
-derohalben hervor und präsentierte mein Gewehr mit aufgezogenem Hahnen.
-
-»Der Herr wird belieben, vor mir hin in den Busch zu gehen.«
-
-Er antwortete sehr ernsthaftig: »Solcher ~Tractation~ ist
-meinesgleichen nicht gewohnt.«
-
-Ich tummlete ihn höflich fort. »Der Herr wird sich vor diesmal in die
-Zeit schicken.«
-
-Als die Schildwachen wieder besetzt waren, fragte ich ihn, wer er
-sei. Er antwortete großmütig, es würde mir wenig daran gelegen sein,
-wannschon ich es wüßte: Er sei auch ein großer Gott!
-
-Ich gedachte, er mochte mich vielleicht kennen und etwan ein Edelmann
-von Soest sein und so sagen, um mich zu hetzen, weil man die Soester
-mit dem großen Gott und dem göldenen Fürtuch zu vexieren pfleget, ward
-aber bald in, daß ich anstatt eines Fürsten einen Phantasten gefangen
-hätte, der sich überstudieret und in der Poeterei gewaltig verstiegen,
-dann er gab sich vor den Gott Jupiter aus. Ich wünschte zwar, daß ich
-den Fang nicht getan, mußte den Narren aber wohl behalten. Mir ward ohn
-das die Zeit lang, so gedachte ich diesen Kerl zu stimmen.
-
-»Nun dann, mein lieber Jove, wie kommt es doch, daß deine hohe Gottheit
-ihren himmlischen Thron verlässet und zu uns auf Erden steiget? Vergib
-mir, o Jupiter, meine Frage, die du vor fürwitzig halten möchtest, dann
-wir seind den himmlischen Göttern auch verwandt und eitel ~Sylvani~,
-von den ~Faunis~ und ~Nymphis~ geboren, denen diese Heimlichkeit billig
-unverborgen bleiben sollte.«
-
-»Ich schwöre beim ~Styx~,« antwortete er, »daß du nichts erfahren
-solltest, wann du meinem Mundschenken ~Ganymed~ nicht so ähnlich
-sähest! Zu mir ist ein groß Geschrei über der Welt Laster durch die
-Wolken gedrungen, darüber ward in aller Götter Rat beschlossen,
-den Erdboden wieder mit Wasser auszutilgen. Weil ich aber dem
-Menschengeschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin, vagiere ich jetzt
-herum, der Menschen Tun und Lassen selbst zu erkündigen. Obwohl ich
-alles ärger finde, als es vor mich gekommen, so will ich doch nicht
-alle Menschen zugleich und ohn Unterscheid ausrotten, sondern allein
-die Schuldigen.«
-
-Ich verbiß das Lachen, so gut ich konnte.
-
-»Ach Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst
-sein. Schickest du zur Straf einen Krieg, so laufen alle verwegenen
-Buben mit, welche die friedliebenden, frommen Menschen nur quälen
-werden; schickest du eine Teuerung, so ists eine erwünschte Sache vor
-die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickest du
-aber eine Sterben, so haben die Geizhälse und alle übrigen Menschen ein
-gewonnenes Spiel, indem sie hernach viel erben. Wirst derhalben die
-ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen.«
-
-»Du redest von der Sache wie ein natürlicher Mensch,« antwortete
-Jupiter, »als ob du nicht wüßtest, daß es einem Gott möglich ist, die
-Bösen zu strafen, die Guten zu erhalten! Ich will einen deutschen
-Helden erwecken, der soll alles mit der Schärfe seines Schwertes
-vollenden.«
-
-Ich meinte: »So muß ja ein solcher Held auch Soldaten haben, und wo
-man Soldaten braucht, da ist auch Krieg, und wo Krieg ist, da muß der
-Unschuldige sowohl als der Schuldige herhalten.«
-
-»Ich will einen solchen Helden schicken, der keiner Soldaten bedarf und
-doch die ganze Welt reformieren soll. In seiner Geburtsstunde will ich
-ihm verleihen einen wohlgestalten und stärkeren Leib, als ~Herkules~
-einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand überflüssig
-gezieret. ~Mercurius~ soll ihn mit unvergleichlich sinnreicher Vernunft
-begaben, ~Vulcan~ soll ihm ein Schwert schmieden, mit welchem er die
-ganze Welt bezwingen und alle Gottlosen niedermachen wird, ohne fernere
-Hilfe eines einzigen Menschen. Eine jede große Stadt soll vor seiner
-Gegenwart erzittern, und eine jede Festung, die sonst unüberwindlich
-ist, wird er in der ersten Viertelstunde in seinem Gehorsam haben.
-Zuletzt wird er den größten Potentaten der Welt befehlen und die
-Regierung über Meer und Erden so löblich anstellen, daß beides: Götter
-und Menschen ein Wohlgefallen darob haben sollen.«
-
-Ich sagte: »Wie kann die Niedermachung aller Gottlosen ohn
-Blutvergießen und das Kommando über die ganze weite Welt ohn sonderbare
-große Gewalt und starken Arm geschehen? O Jupiter, ich bekenne dir
-unverhohlen, daß ich diese Dinge weniger als ein sterblicher Mensch
-begreifen kann.«
-
-»Weil du nicht weißt, was meines Helden Schwert vor eine seltene
-Kraft an sich haben wird. Wann er solche entblößet und nur einen
-Streich in die Luft tut, so kann er einer ganzen Armada, wenngleich
-sie hinter einem Berg stünde, auf einmal die Köpfe herunterhauen,
-sodaß die armen Teufel ohne Kopf daliegen müssen, eh sie einmal
-wissen wie ihnen geschehen. Er wird von einer Stadt zur andern
-ziehen und das halsstarrig und ungehorsam Volk, Mörder, Wucherer,
-Diebe, Schelme, Ehebrecher, Hurer und Buben ausrotten. Er wird jeder
-Stadt ihren Teil Landes, um sie her gelegen, im Frieden zu regieren
-übergeben. Von jeder Stadt durch ganz Deutschland wird er zween von
-den klügsten und gelehrtesten Männern zu sich nehmen, aus denselben
-ein Parlament machen, die Städte mit einander auf ewig vereinigen,
-die Leibeigenschaften samt allen Zöllen, Accisen, Zinsen, Gülten und
-Umgelten durch ganz Deutschland aufheben und solche Anstalten machen,
-daß man von keinem Frohnen, Wachen, Contribuieren, Geldgeben, Kriegen,
-noch einziger Beschwerung beim Volk mehr wissen wird. Alsdann werde ich
-mit dem ganzen Götterchor oftmals herunter zu den Deutschen steigen und
-die Musen von neuem darauf pflanzen. Ich will dann nur deutsch reden
-und mit einem Wort mich so gut deutsch erzeigen, daß ich ihnen auch
-endlich, wie vordem den Römern, die Beherrschung über die ganze Welt
-werde zukommen lasse.«
-
-Ich sagte: »Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren dazu
-sagen?«
-
-Er antwortete: »Hierum wird sich mein Held wenig bekümmern. Er wird die
-Großen in drei Teile unterscheiden und diejenigen, so unexemplarisch
-und verrucht leben, gleich den Gemeinen strafen, denen andern aber
-wird er die Macht geben, im Land zu bleiben oder nicht. Wer bleibet
-und sein Vaterland liebet, der wird leben müssen wie andere gemeine
-Leute, die dritten aber, die ja Herren bleiben und immerzu herrschen
-wollen, wird er durch Ungarn und Italien in die Moldau, Wallachei, in
-Macedoniam, Thraciam, Griechenland, ja, über den Hellespontum in Asiam
-hineinführen, ihnen dieselbigen Länder gewinnen, alle Kriegsgurgeln in
-ganz Deutschland mitgeben und sie alldort zu lauter Königen machen.
-Alsdann wird er Konstantinopel in einem Tag einnehmen und allen Türken,
-die sich nicht bekehren, die Köpfe vor den Hintern legen. Daselbst
-wird er das römische Kaisertum wieder aufrichten und sich wieder
-nach Deutschland begeben und mit seinem Parlament eine Stadt mitten
-in Deutschland bauen, welche viel größer sein wird und goldreicher
-als Jerusalem zu Salomonis Zeiten, deren Wälle sich dem tirolischen
-Gebirg und ihre Wassergräben der Breite des Meeres zwischen Hispania
-und Afrika vergleichen sollen. Er wird einen Tempel darin bauen und
-eine Kunstkammer aufrichten, darin sich alle Raritäten der ganzen Welt
-versammeln.«
-
-Ich fragte den Narren, was dann die christlichen Könige bei der Sache
-tun würden, und er antwortete:
-
-»Die in England, Schweden und Dänemark werden, weil sie deutschen
-Geblütes und Herkommens, die in Hispania, Frankreich und Portugal,
-weil die alten Deutschen selbige Länder hiebevor regieret haben, ihre
-Kronen, Königreiche und inkorporierten Länder von der deutschen Nation
-aus freien Stücken zu Lehen empfangen. Alsdann wird, wie zu Augusti
-Zeiten, ein ewiger beständiger Friede zwischen allen Völkern in der
-ganzen Welt sein.«
-
-
-
-
-Das dritte Kapitel
-
-
-Spring-ins-Feld hätte den Handel beinahe verderbet, weil er sagte: »Und
-alsdann wirds in Deutschland hergehen wie im Schlauraffenland, da es
-lauter Muskateller regnet und die Kreuzerpastetlein über Nacht wie die
-Pfifferlinge wachsen! Da werd ich mit beiden Backen fressen müssen wie
-ein Drescher, und Malvasier saufen, daß mir die Augen übergehen!«
-
-Da sagte Jupiter zu mir: »Ich habe vermeint, ich sei bei lauter
-Waldgöttern, so sehe ich aber, daß ich den neidigen, dürren Tadler
-~Momus~ und ~Zoilus~ angetroffen habe. Ja, man soll edle Perlen nicht
-vor die Säue werfen!«
-
-Ich verbiß mein Lachen, so gut ich konnte, und sagte zu ihm:
-»Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben Waldgottes
-Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede nicht verhalten, wie es
-weiter in Deutschland hergehen wird.«
-
-»O nein, aber befiehl diesem säuischen ~Commentatori~ fürderhin seine
-Zunge im Zaum zu halten. -- Höre, lieber Ganymed, es wird alsdann
-in Deutschland das Goldmachen so gewiß und so gemein werden als das
-Hafnerhandwerk, daß schier ein jeder Roßbub den Stein der Weisen wird
-umschleppen.«
-
-»Wie aber wird Deutschland bei so unterschiedlichen Religionen einen
-langwierigen Frieden haben können? Werden die Pfaffen nicht die Ihrigen
-hetzen und des Glaubens wegen wiederum einen Krieg anspinnen?«
-
-»Nein,« sagte Jupiter, »mein Held wird weislich zuvorkommen und alle
-Glauben vereinigen.«
-
-»O Wunder! Das wäre ein groß Werk! Wie müßte das geschehen?«
-
-»Das will ich dir herzlich gern offenbaren: Nachdem mein Held den
-Universal-Frieden der ganzen Welt verschafft, wird er geistliche und
-weltliche Vorsteher der unterschiedlichen Völker und Kirchen mit
-einem sehr beweglichen Sermon anreden und sie durch hochvernünftige
-Gründe und unwiderlegliche Argumenta dahin bringen, daß sie sich
-selbst eine allgemeine Vereinigung wünschen. Alsdann wird er die
-allergeistreichsten, gelehrtesten und frömmsten von allen Orten und
-Enden her aus allen Religionen zusammenbringen und ihnen auferlegen,
-daß sie sobald immer möglich die Streitigkeiten ernstlich beilegen und
-nachgehends mit rechter Einhelligkeit die wahre, heilige, christliche
-Religion gemäß der heiligen Schrift, der uralten Tradition und der
-probierten heiligen Väter Meinung schriftlich verfassen sollen. Wenn er
-aber merken sollte, daß sich einer oder der andere von Teufel einnehmen
-läßt, so wird er die ganze Versammlung wie in einem ~Conclave~ mit
-Hunger quälen, und wann sie nicht daran wollen, ein so hohes Werk zu
-befördern, so wird er ihnen allen vom Hängen predigen, daß sie eilands
-zur Sache schreiten und mit ihren halsstarrigen, falschen Meinungen,
-die Welt nicht mehr wie vor Alters foppen.
-
-Nach erlangter Einigkeit wird er ein großes Jubelfest anstellen und
-der ganzen Welt diese geläuterte Religion publizieren. Welcher alsdann
-darwider glaubet, den wird er mit Schwefel und Pech martyrisieren oder
-einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken und dem Teufel zum neuen
-Jahr schenken.
-
-Jetzt weißt du, lieber Ganymed, alles was du zu wissen begehrt hast.«
-
-Ich dachte bei mir selbst, der Kerl dörfte vielleicht kein Narr sein,
-wie er sich stellet, sondern mirs kochen, wie ichs zu Hanau gemachet,
-um desto besser von uns zu kommen. Derowegen gedachte ich ihn zornig
-zu machen, weil man einen Narren am besten im Zorn erkennt, und wollte
-ihm vorhalten, wie alle Götter in der weiten Welt vor so verrucht,
-leichtfertig und stinkend als Diebe, Kuppler, Ehebrecher, Hanreien,
-Wüteriche, Mörder und unverschämte Hurenjäger verschrieen seien, daß
-man sie sonst nirgendshin als in des Augias Stall logieren wolle --
-da wurde mein Jupiter von einer seltsamen Unruhe ergriffen: Er zog in
-Gegenwart meiner und der ganzen Partei ohn einzige Scham seine Hosen
-herunter und stöberte die Flöhe daraus, welche ihn, wie man an seiner
-sprenklichten Haut wohl sahe, schröcklich tribulieret hatten.
-
-»Schert euch fort, ihr kleinen Schinder,« sagte er, »ich schwöre euch
-beim ~Styx~, das ihr in Ewigkeit nicht erhalten sollt, was ihr so
-sorgfältig sollicitiert!«
-
-Ich fragte ihn, was er meine. Er antwortete, daß das Geschlecht der
-Flöhe, als sie vernommen, er sei auf Erden, ihre Gesandten zu ihm
-geschickt hätten, ihn zu komplimentieren. Sie hätten ihm darneben
-vorgebracht, daß sie aus ihrem ~Territorio~, da man ihnen die
-Hundshäute zu bewohnen zugesichert, durch die Weiber vertrieben worden
-seien, gestalt manche ihr Schoßhündchen mit Bürsten, Kämmen, Seifen,
-Laugen und anderen mörderischen Dingen durchstreift hätten, so daß sie
-ihr Vaterland quittieren und andere Wohnungen hätten aufsuchen müssen.
-So sie aber den Weibern in die Pelze gerieten, würden solche verirrte,
-arme Tropfen übel tractieret, gefangen und nicht allein ermordet,
-sondern auch zuvor zwischen den Fingern elendiglich gemartert und
-zerrieben, daß es einen Stein erbarmen möchte.
-
-»Ja,« sagte Jupiter ferner, »sie brachten mir die Sache so beweglich
-vor, daß ich Mitleiden mit ihnen haben mußte und also ihnen Hilfe
-zusagte, jedoch mit dem Vorbehalt, daß ich die Weiber zuvor auch
-hören möchte. Sie aber wandten vor, wann den Weibern erlaubet würde,
-Widerpart zu halten, so wüßten sie wohl, daß sie mit ihren giftigen
-Hundszungen entweder meine Frömmigkeit und Güte betäuben und die Flöhe
-überschreien oder aber durch ihre lieblichen Worte und Schönheit mich
-betören und zu einem falschen Urteil verleiten würden, mit fernerer
-Bitte, ich wolle sie ihrer untertänigsten Treue genießen lassen,
-welche sie auch allezeit erzeiget, indem sie doch jeweils am nächsten
-dabei gewesen und am besten gewußt hätten, was zwischen mir und der
-Io, Callisto, Europa, Semele und andern mehr vorgangen, hätten aber
-niemals nichts aus der Schule geschwätzt, noch meiner Ehefrau ein
-einzigs Wort gesaget, maßen sie sich einer solchen Verschwiegenheit
-beflissen, wie dann kein Mensch bis dato von ihnen etwas dergleichen
-erfahren hätte. Wann ich aber je zulassen wollte, daß die Weiber sie
-in ihrem Bann jagen, fangen und nach Weidmannsrecht metzeln dörften,
-so wäre ihre Bitte, zu gebieten, daß sie hinfort mit einem heroischen
-Tod hingerichtet und entweder mit einer Axt wie Ochsen niedergeschlagen
-oder wie ein Wildpret gefället würden, aber nicht mehr so schimpflich
-zwischen den Fingern zerquetscht und geradbrecht werden sollten, was
-allen ehrlichen Mannsbildern eine Schande wäre. Sonach erlaubte ich
-ihnen, bei mir einzukehren, damit ich ein Urteil darnach fassen könne,
-ob sie die Weiber allzuhützig tribulierten. Da fing das Lumpengesind
-an mich zu geheien, daß ich sie habe, wie ihr sehet, wieder abschaffen
-müssen.«
-
-Wir dorften nicht rechtschaffen lachen, weil wir stillhalten mußten
-und weils der Phantast nicht gern hatte, wovon Spring-ins-Feld hätte
-zerbersten mögen. Da zeigte unsere Hochwacht an, daß er in der Ferne
-etwas kommen sähe. Ich stieg hinauf und gewahrte die Fuhrleute, denen
-wir aufpaßten. Sie hatten dreißig Reuter zur ~Convoi~ bei sich, dahero
-ich mir die Rechnung leicht machen konnte, daß sie nicht durch den
-Wald, sondern übers freie Feld kommen würden, wiewohl es daselbst einen
-bösen Weg hatte.
-
-Von unsrer Lägerstatt ging feldwärts eine Wasserrunze in einer Klämme
-hinunter. Deren Ausgang besatzte ich mit zwenzig Mann, nahm auch selbst
-meinen Stand bei ihnen, ließ aber Spring-ins-Feld zurück. Ich befahl
-meinen Burschen, wann der ~Convoi~ hinkomme, daß jeder seinen Mann
-gewiß nehmen sollte, und sagte auch jedem, wer Feuer geben und wer
-seinen Schuß im Rohr zum Vorrat zu behalten habe. Etliche verwunderten
-sich, ob ich wohl vermeine, daß die Reuter an einen Ort kommen
-werden, wo sie nichts zu tun hätten und dahin wohl hundert Jahr kein
-Baur gekommen sei. Aber ich brauchte keine Teufelskunst, sondern nur
-Spring-ins-Feld, dann als der ~Convoi~, welcher ziemlich Ordnung hielt,
-~recte~ gegen uns über vorbeipassieren wollte, fing Spring-ins-Feld so
-schröcklich an zu brüllen wie ein Ochs und zu wiehern wie ein Pferd,
-daß der ganze Wald widerhallte. Der ~Convoi~ hörets, gedachte Beute zu
-machen und etwas zu erschnappen, sie ritten sämtlich so geschwind und
-unordentlich in unsern Halt, als wann ein jeder der erste hätte sein
-wollen, die beste Schlappe zu holen. Gleich im ersten Willkommen wurden
-dreizehn Sättel geleeret und sonst noch etliche aus ihnen gequetscht.
-Hierauf schrie Spring-ins-Feld: »Jäger hierher!« -- davon die Kerl
-noch mehr erschröckt und irre wurden. Ich bekam sie alle siebzehn und
-spannte vierundzwenzig Pferde aus. Doch hatten sich die Fuhrleute zu
-Pferd aus dem Staub gemacht. Wir packten auf, dorften uns aber nicht
-viel Zeit nehmen, die Wägen recht zu durchsuchen.
-
-Mein Jupiter lief aus dem Wald und schrie uns nach, bis ich ihn hinten
-aufsetzen ließ, dann er nicht besser reuten konnte als eine Nuß.
-
-Also brachte ich meine Beute und Gefangenen den andern Morgen glücklich
-nach Soest und bekam mehr Ehre und Ruhm von dieser Partei, als zuvor
-nimmer. Jeder sagete: »Dies gibt wieder einen Johann de Werdt!« welches
-mich trefflich kützelte.
-
-
-
-
-Das vierte Kapitel
-
-
-Meines Jupiter konnte ich nicht los werden, dann der Kommandant
-begehrete ihn nicht, weil nichts an ihm zu rupfen war, sondern sagte,
-er wollte ihn mir schenken. Also bekam ich einen eigenen Narren und
-dorfte mir keinen kaufen. Kurz zuvor tribuliereten mich die Läuse, und
-jetzt hatte ich den Gott der Flöhe in meiner Gewalt. Es war noch kein
-Jahr vergangen, da mir die Buben nachliefen, und jetzt vernarreten
-sich die Mägdlein aus Liebe gegen mich. Vor einem halben Jahr dienete
-ich einem schlechten Dragoner, jetzt nannten mich zween Knechte ihren
-Herrn. O wunderliche Welt, darinnen nichts Beständigeres ist als die
-Unbeständigkeit!
-
-Damals zog der Graf von der Wahl als Obrister-Gubernator des
-westfälischen Kreises aus allen Guarnisonen einige Völker zusammen,
-eine Cavalcade durchs Stift Münster zu tun, vornehmlich aber zwo
-Kompagnien hessischer Reuter im Stift Paderborn auszuheben, die
-den Unsrigen daselbsten viel Dampfs antäten. Ich ward unter unsern
-Dragonern mitkommandiert. Und als sie einzige Truppen zum Ham
-gesammlet, gingen wir schnell vor und berannten gemeldter Reuter
-Quartier, ein schlecht verwahrtes Städtlein, ehe die Unsrigen kamen.
-Sie unterstunden durchzugehen, wir aber jagten sie wieder zurück in ihr
-Nest. Es ward ihnen angeboten, ohne Pferd und Gewehr, jedoch mit dem
-was der Gürtel beschließe zu passieren, sie aber wollten sich nicht
-darzu verstehen, sondern sich mit ihren Karabinern wie Musketierer
-wehren. Also kam es, daß ich noch dieselbe Nacht probieren mußte,
-was ich vor Glück im Stürmen hätte. Wir leerten die Gassen bald,
-weil niedergemacht ward, was sich im Gewehr befand, und weil sich die
-Bürger nicht hatten wehren wollen. Also ging es mit uns in die Häuser.
-Spring-ins-Feld sagte: »Wir müssen ein Haus vornehmen, vor welchem ein
-großer Haufen Mist liegt, dann darin sitzen reiche Kauzen.«
-
-Darauf griffen wir ein solches an, Spring-ins-Feld visitierte den
-Stall, ich aber das Haus mit Abrede, daß jeder mit dem andern parten
-sollte. Also zündete jeder seinen Wachsstock an. Ich rief nach dem
-Hausvater, kriegte aber keine Antwort, geriet indessen in eine Kammer
-und fand dort nichts, als ein leer Bett und eine beschlossene Truhe.
-Die hämmerte ich auf in der Hoffnung, etwas Kostbares zu finden. Aber
-da ich den Deckel auftät, richtete sich ein kohlschwarzes Ding gegen
-mich auf, welches ich vor den Lucifer selbst ansahe.
-
-Ich kann schwören, daß ich mein Lebtag nie so erschrocken bin, als eben
-damals, da ich diesen schwarzen Teufel so unversehens erblickte. »Daß
-dich der Donner schlag,« rief ich gleichwohl in solchem Schröcken und
-zuckte mein Äxtlein, hatte doch das Herz nicht, ihms in den Kopf zu
-hauen.
-
-»Min leve Heer, ick bidde ju doer Gott, schinkt mi min Levend!«
-
-Da hörete ich erst, daß es kein Teufel war, befahl ihm aus der Truhe
-zu steigen und er stand vor mir in seiner Schwärze, nackend wie ihn
-Gott geschaffen hatte, ein Mohr. Ich schnitt ein Stück von meinem
-Wachsstock, gabs ihm zu leuchten und er führete mich in ein Stüblein,
-da ich den Hausvater fand, der samt seinem Gesind dies lustige
-Spektakul ansahe und mit Zittern um Gnade bat. Er händigte mir eines
-Rittmeisters Bagage, darunter ein ziemlich wohlgespickt, verschlossen
-Felleisen war, ein, mit Bericht, daß der Rittmeister und seine Leute
-bis auf gegenwärtigen Mohren sich zu wehren auf ihre Posten gegangen
-wären. Inzwischen hatte Spring-ins-Feld sechs schöne gesattelte Pferde
-im Stall erwischt.
-
-Als hernach die Tore geöffnet, die Posten besetzt und unser
-General-Feldzeugmeister Herr Graf von der Wahl eingelassen ward, nahm
-er sein Logiment in ebendemselben Hause, darum mußten wir bei finsterer
-Nacht ein ander Quartier suchen. Wir fanden eines und brachten den
-Rest der Nacht mit Fressen und Saufen zu. Ich bekam vor mein Teil
-den Mohren, die zwei besten Pferde, darunter ein spanisches war, auf
-welchen ein Soldat sich gegen sein Gegenteil dorfte sehen lassen, mit
-den ich nachgehends nicht wenig prangte. Aus dem Felleisen aber kriegte
-ich unterschiedliche köstliche Ringe und in einer göldenen Kapsel
-mit Rubinen besetzt des Prinzen von Uranien Conterfait, kam also mit
-Pferden und allem über zwei hundert Dukaten. Vor den Mohren, der mich
-am aller saursten ankommen war, ward mir von General-Feldzeugmeister,
-als welchem ich ihn präsentierte, nicht mehr als zwei Dutzend Taler
-verehret.
-
-Als wir demnach Recklinghausen zu kamen, nahm ich Erlaubnis, mit
-Spring-ins-Feld meinem Pfaffen zuzusprechen, mit dem ich mich lustig
-macht, da ich ihm erzählete, daß mir der Mohr den Schröcken, den er und
-seine Köchin neulich empfunden, wieder eingetränkt hätte. Ich verehrete
-ihm auch eine schöne schlagende Halsuhr zum freundlichen ~Valete~.
-
-Meine Hoffart vermehrete sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts
-andres als mein Fall erfolgen konnte.
-
-Ungefähr eine halbe Stunde von Rehnen kampierten wir und erhielten
-Erlaubnus, in demselben Städtlein etwas an unserm Gewehr flicken zu
-lassen. Unser Meinung war, sich einmal rechtschaffen miteinander
-lustig zu machen. Also kehreten wir im besten Wirtshaus ein und ließen
-Spielleute kommen, die uns Wein und Bier hinuntergeigen mußten. Da ging
-es ~in floribus~ her und blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe
-tun möchte. Ich stellete mich nicht anders als wie ein junger Prinz,
-der Land und Leute vermag und alle Jahre ein groß Geld zu verzehren
-hat. Dahero ward uns besser als einer Gesellschaft Reuter aufgewartet,
-die gleichfalls dort zehrete. Das verdroß sie und fingen an mit uns zu
-kipplen.
-
-»Woher kommts, daß diese Stieglhupfer ihre Heller so weisen?« Dann sie
-hielten uns vor Musketierer, maßen kein Tier in der Welt ist, das einem
-Musketierer ähnlicher siehet, als ein Dragoner, und wann ein Dragoner
-vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer wieder auf.
-
-Ein anderer Reuter meinete: »Jener Jüngling ist gewiß ein Strohjunker,
-dem seine Mutter etliche Milchpfennige geschicket, die er jetzo
-spendiert, damit ihm künftig irgendswo seine Kameraden aus dem Dreck
-oder etwan durch den Graben tragen sollen.«
-
-Solches ward mir durch die Kellerin hinterbracht. Weil ichs aber nicht
-selbst gehört, konnte ich anders nichts darzu tun, als daß ich ein
-groß Bierglas mit Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller
-rechtschaffenen Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen Alarm
-darzu machen ließ, daß keiner sein eigen Wort hören konnte. Das verdroß
-sie noch mehr, derowegen sagten sie offentlich:
-
-»Was Teufels haben doch die Stiegelhüpfer vor ein Leben!«
-
-Spring-ins-Feld antwortete: »Was gehts die Stiefelschmierer an?« -- Das
-ging ihm hin, dann er sahe so gräßlich drein und machte so grausame und
-bedrohliche Mienen, daß sich keiner an ihm reiben dorfte.
-
-Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einem ansehnlichen Kerl, der
-sagte: »Wann sich die Maurenhofierer auf ihrem Mist (er vermeinte, wir
-lägen in Guarnison stille) nicht so breit machen dörften, wo wollten
-sie sich sonst sehen lassen? Man weiß ja wohl, daß jeder in offener
-Feldschlacht unser Raub sein muß.«
-
-Ich antwortete: »Wir nehmen Städt und Festungen ein und verwahren sie,
-dahingegen ihr Reuter auch vor dem geringsten Rattennest keinen Hund
-aus dem Ofen locken könnet. Warum sollten wir uns dann in den Städten
-nicht dörfen lustig machen?«
-
-Der Reuter gab dawider: »Wer Meister im Felde ist, dem folgen die
-Festungen. Daß wir aber die Feldschlachten gewinnen müssen, folget aus
-dem, daß ich so drei Kinder, wie du eins bist, mitsamt ihren Musketen
-nicht allein nicht förchte, sondern ein Paar davon auf dem Hut stecken
-und den dritten erst fragen wollte, wo seiner noch mehr wären. Und säße
-ich bei dir, so wollte ich dem Junker zur Bestätigung ein paar Tachteln
-geben.«
-
-Ich antwortete: »Ich vermein ein Paar so guter Pistolen zu haben als
-du, wiewohl ich kein Reuter, sondern nur ein Zwitter zwischen ihnen
-und den Musketierern bin. Schau, so hab ich Kind ein Herz, mit meiner
-Musketen allein einen solchen Prahler zu Pferd, wie du einer bist,
-gegen all sein Gewehr im freien Feld zu Fuß zu begegnen.«
-
-»Ach, du Kujon,« rief der andere, »ich halte dich vor einen Schelmen,
-wann du nicht wie ein redlicher von Adel alsbald deinen Worten eine
-Kraft gibst.«
-
-Hierauf warf ich ihm einen Handschuh zu.
-
-Wir zahleten den Wirt und der Reuter machte Karabiner und Pistolen,
-ich aber meine Muskete fertig, und da er mit seinen Kameraden vor uns
-an den bestimmten Ort ritt, sagte er zu Spring-ins-Feld, er solle
-mir allgemach das Grab bestellen. Ich lachte hingegen, weil ich mich
-vorlängst besonnen hatte, wie ich einem wohlmontierten Reuter begegnen
-müßte, wann ich einmal zu Fuß mit meiner Musketen allein im weiten
-Felde stünde.
-
-Da wir nun an den Ort kamen, wo der Betteltanz angehen sollte, hatte
-ich meine Musketen bereits mit zweien Kugeln geladen, frisch Zündkraut
-aufgerührt und den Deckel auf der Zündpfanne mit Unschlitt verschmiert,
-wie vorsichtige Musketierer zu tun pflegen, wann sie Zündloch und
-Pulver auf der Pfanne vor Regenwetter verwahren wollen.
-
-Eh wir nun aufeinander gingen, bedingten beiderseits die Kameraden, daß
-wir uns im freien Felde angreifen und zu solchem End der eine von Ost,
-der andre von West in ein umzäuntes Feld eintreten sollten, dann möge
-jeder sein Bestes gegen den andern tun. Keiner von den Parteien sollte
-sich unterstehen, seinem Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder
-Beschädigung zu rächen.
-
-So gaben ich und mein Gegner einander die Hände und verziehen je einer
-dem andern seinen Tod, unter welcher allerunsinnigsten Torheit, die je
-ein vernünftiger Mensch begehen kann, ein jeder hoffte seiner Gattung
-Soldaten das ~Prae~ zu erhalten, gleichsam als ob des einen oder
-andern Teil Ehre und Reputation an dem Ausgang unseres trefflichen
-Beginnens gelegen gewesen wäre.
-
-Ich trat mit doppelt brennender Lunte in angeregtes Feld, stellte mich,
-als ob ich das alte Zündkraut im Gang abschütte, ich täts aber nicht,
-sondern rührete nur Zündpulver auf den Deckel meiner Pfannen, bließ ab
-und paßte mit zween Fingern auf der Pfanne auf, wie bräuchlich ist. Eh
-ich noch meinem Gegenteil, der mich wohl im Gesicht hielt, das Weiße
-in Augen sehen konnte, schlug ich auf ihn an und brannte mein falsch
-Zündkraut auf dem Deckel vergeblich hinweg. Mein Gegner vermeinte,
-die Muskete hätte mir versagt, und das Zündloch wäre mir verstopft,
-sprengte dahero mit einer Pistole in der Hand gar zu gierig ~recte~
-auf mich dar. Aber eh er sichs versah, hatte ich die Pfanne offen und
-wieder angeschlagen, hieß ihn auch dergestalt willkommen, daß Knall und
-Fall eins war.
-
-Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden, die mich gleichsam
-küssend empfingen. Die seinigen entledigten ihn aus den Steigbügeln und
-täten gegen ihn und uns wie redliche Kerle, maßen sie mir auch meinen
-Handschuh mit großem Lob wiederschickten.
-
-Aber da ich meine Ehre am größten zu sein schätzte, kamen
-fünfundzwenzig Musketierer aus Rehnen, welche mich und meine Kameraden
-gefangen nahmen. Ich zwar ward alsbald in Ketten und Banden geschlossen
-und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei Leib- und
-Lebensstrafe verboten waren.
-
-
-
-
-Das fünfte Kapitel
-
-
-Demnach unser General-Feldzeugmeister strenge Kriegsdisziplin zu halten
-pflegte, besorgte ich, meinen Kopf zu verlieren. Meine Hoffnung stund
-auf dem großen Ruf und Namen meiner Tapferkeit, so ich in blühender
-Jugend durch Wohlverhalten erworben, doch war ich ungewiß, weil
-dergleichen tägliche Händel erforderten ein ~Exemplum~ zu statuieren.
-
-Die Unsrigen hatten damals ein festes Rattennest berannt, waren aber
-abgeschlagen, da der Feind wußte, daß wir kein grob Geschütz führten.
-Derowegen ruckte unser Graf von der Wahl mit dem ganzen ~Corpo~ vor
-besagten Ort, begehrete durch einen Trompeter abermal die Übergabe,
-drohete zu stürmen. Es erfolgte aber nichts als ein Schreiben:
-
-»Hochwohlgeborener Graf etc. wissen dero hohen Vernunft nach, wie
-übelanständig, ja unverantwortlich es einem Soldaten fallen würde, wenn
-er einen so festen Ort dem Gegenteil ohn sonderbare Not einhändigte.
-Weswegen Eure Hochgräfliche Exzellenz mir dann hoffentlich nicht
-verdenken werden, wann ich mich befleißige zu verharren, bis die Waffen
-Eurer Exzellenz dem Orte zugesprochen. Kann aber meine Wenigkeit dero
-außerhalb Herrendiensten in ichtwas zu gehorsamen die Gelegenheit
-haben, so werde ich sein Eurer Exzellenz allerdienstwilligster Diener
-
- N. N.«
-
-Den Ort liegen zu lassen war nicht ratsam, zu stürmen ohn eine Presse
-hätte viel Blut gekostet und wäre doch noch mißlich gestanden, ob
-mans übermeistert hätte. Die Stücke und alles Zugehör von Münster
-und Ham herzuholen, da wäre viel Mühe, Zeit und Unkosten darauf
-geloffen. Indem man bei Groß und Klein ratschlagte, fiel mir ein, ich
-sollte mir diese Occasion zu Nutz machen, um mich zu erledigen. Ich
-ließ meinen Obrist-Leutenant wissen, daß ich Anschläge hätte, durch
-welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen wäre, wann ich nur
-Pardon erlangen und wieder auf freien Fuß gestellt werden könnte. Da
-lachten etliche: wer hangt, der langt! Andere, die mich kannten, auch
-der Obrist-Leutenant selbst glaubten mir, weswegen er sich in eigener
-Person an den General-Feldzeugmeister wandte. Der hatte hiebevor auch
-vom Jäger gehöret, ließ mich holen und solange meiner Bande entledigen.
-Als er mich fragte, was mein Anbringen wäre, antwortete ich:
-
-»Gnädiger Herr etc., obzwar mein Verbrechen und Eurer Exzellenz
-rechtmäßig Gebot und Verbot mir beide das Leben absprechen, so
-heißet mich doch meine alleruntertänigste Treue, die ich dero
-römischen kaiserlichen Majestät meinem allergnädigsten Herrn bis in
-den Tod zu leisten schuldig bin, dem Feind einen Abbruch zu tun und
-erstallerhöchst gedachter römischer kaiserlicher Majestät Nutzen und
-Kriegswaffen zu befördern ...«
-
-Der Graf fiel mir in meine allerschönste Rede: »Hast du mir nicht
-neulich den Mohren gebracht?«
-
-»Ja, gnädiger Herr.«
-
-»Wohl, dein Fleiß und Treue möchten vielleicht meritieren, dir das
-Leben zu schenken. Was hast du aber vor einen Anschlag?«
-
-»Weil der Ort vor grobem Geschütz nicht bestehen kann, so hält meine
-Wenigkeit davor, der Feind werde bald accordieren, wann er nur
-eigentlich glaubte, daß wir Stücke bei uns haben.«
-
-»Das hätte mir wohl ein Narr gesagt,« fiel der Graf ein. »Wer wird sie
-aber überreden, solches zu gläuben?«
-
-»Ihre eigenen Augen. Ich habe ihre hohe Wacht mit meinem Perspektiv
-gesehen. Die kann man betrügen, wann man nur etliche Holzblöcke, den
-Brunnenrohren gleich, auf Wägen ladet, dieselben mit großem Gespann in
-das Feld führet und hiebevor ein Stückfundament aufwerfen lässet.«
-
-»Mein liebes Bürschchen, es seind keine Kinder darin. Die werden die
-Stück auch hören wollen, und wann der Posse dann nicht angeht, so
-werden wir von aller Welt verspottet.«
-
-»Gnädiger Herr, ich will schon Stücke in ihre Ohren lassen klingen,
-wann ich nur ein paar Doppelhacken und ein ziemlich groß Faß haben
-kann. Sollte man aber wider Verhoffen nur Spott daraus erlangen, so
-werde ich, der Erfinder, denselben mit meinem Leben aufheben.«
-
-Obzwar nun der Graf nicht dran wollte, so persuadierte ihn jedoch mein
-Obrist-Leutenant dahin, daß er sagte, ich sei in dergleichen Sachen
-glückselig. Der Graf willigte endlich ein und meinte im Scherz zu ihm,
-die Ehre so er damit erwürbe, sollte ihm allein zustehen.
-
-Also wurden drei Blöcke zuwegen gebracht und vor jeden vierundzwenzig
-Pferde gespannt, die führeten wir gegen Abend dem Feind ins Gesicht,
-dreien Doppelhacken gab ich zweifache Ladung, die ließ ich durch
-ein Stückfaß losgehen, gleich ob es drei Losungsschüsse hätten sein
-sollen. Das donnerte dermaßen, daß jedermann Stein und Bein geschworen
-hätte, es wären Quartierschlangen oder halbe Kartaunen. Unser
-General-Feldzeugmeister mußte der Gugelfuhre lachen und ließ dem Feind
-abermals einen Accord anbieten mit Anhang, wann sie sich nicht noch
-diesen Abend bequemen würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so gut
-werden sollte.
-
-Darauf wurden alsbald beiderseits Geißeln geschickt, der Accord
-geschlossen und uns noch dieselbige Nacht ein Tor der Stadt eingegeben.
--- Das kam mir trefflich gut, dann der Graf schenkte mir nicht allein
-das Leben und ließ mich noch selbige Nacht auf freien Fuß stellen,
-sondern er befahl dem Obrist-Leutenant in meiner Gegenwart, daß er
-mir das erste Fähnlein, so ledig würde, geben sollte. Das kam dem
-Obrist-Leutenant ungelegen, dann er hatte der Vettern und Schwäger so
-viel.
-
-Ich fing an mich etwas reputierlicher zu halten als zuvor, weil ich
-so stattliche Hoffnungen hatte, und gesellete mich allgemach zu den
-Offizierern und jungen Edelleuten, die eben auf dasjenige spanneten,
-was ich in Bälde zu kriegen mir einbildete. Sie waren deswegen meine
-ärgsten Feinde und stelleten sich doch als meine besten Freunde gegen
-mich. So war mir der Obrist-Leutenant nicht gar grün, weil er mich
-vor seinen Verwandten hätte befördern sollen. Mein Hauptmann war mir
-abhold, dann ich mich an Pferden, Kleidern und Gewehr viel prächtiger
-hielt als er. Also hassete mich auch mein Leutenant wegen eines
-einzigen Wortes halber, das ich neulich unbedachtsam hatte laufen
-lassen. Wir waren miteinander in der letzten Cavalcada kommandiert,
-eine gleichsam verlorene Wacht zu halten. Als nun die Schildwacht an
-mir war, kroch der Leutenant auch auf dem Bauch zu mir und sagete:
-»Schildwacht, merkst du was?« Ich antwortete: »Ja, Herr Leutenant.« --
-»Was da! Was da!« sagte er. -- »Ich merke, daß sich der Herr förchtet.«
-Von dieser Zeit an hatte ich keine Gunst mehr bei ihm, und wo es am
-ungeheuersten war, ward ich zum ersten hinkommandiert. Nicht weniger
-feindeten mich die Feldwaibel an, weil ich ihnen allen vorgezogen ward.
-Was aber gemeine Knechte waren, die fingen auch an in ihrer Liebe und
-Freundschaft zu wanken, weil es das Ansehen hatte, als ob ich sie
-verachte, indem ich mich nicht sonderlich mehr zu ihnen, sondern zu den
-großen Hansen gesellete. Ich lebte eben dahin wie ein Blinder in aller
-Sicherheit und ward je länger, je hoffärtiger.
-
-Ich scheuete mich nicht einen Koller von sechzig Reichstalern, rote
-scharlachene Hosen und weiße atlassene Ärmel, überall mit Gold
-und Silber verbrämt, zu tragen, welche Tracht damals den höchsten
-Offizierern anstund. Ich war ein schröcklich junger Narr, daß ich den
-Hasen so laufen ließ, dann hätte ich mich anders gehalten und das
-Geld, das ich so unnützlich an den Leib hing, an gehörige Ort und Ende
-verschmieret, so hätte ich nicht allein das Fähnlein bald bekommen,
-sondern mir auch nicht so viel zu Feinden gemacht.
-
-Nichts vexierte mich mehr, als daß ich mich nicht als Edelmann wußte,
-damit ich meinen Knecht und Jungen auch in meine Livrei hätte kleiden
-können. Und ich gedachte, alle Dinge hätten ihren Anfang -- wann du ein
-Wappen hast, so hast du schon ein eigne Livrei, und wann du Fähnrich
-wirst, so mußt du ja ein Petschier haben, wannschon du kein Junker
-bist. Ich ließ mir also durch einen ~Comitem Palatinum~ ein Wappen
-geben. Das waren drei rote Larven in einem weißen Feld und auf dem
-Helm das Brustbild eines jungen Narren in kälbernem Habit mit ein Paar
-Eselsohren, vorn mit Schellen gezieret. Und dünket mich wahrlich schon
-jetzt keine Sau zu sein. So mich jemand damit hätte foppen wollen, so
-wären ihm ohn Zweifel Degen und ein Paar Pistolen präsentieret worden.
-
-Wiewohl ich damals noch nichts nach dem Weibervolk fragte, so ging
-ich doch gleichwohl mit denen von Adel, wann sie irgends Jungfern
-besuchten, mich sehen zu lassen und mit meinen schönen Haaren,
-Kleidern und Federbüschen zu prangen. Ich muß gestehen, daß ich andern
-vorgezogen wurde, aber auch, daß verwöhnte Schleppsäcke mich einem
-wohlgeschnitzten hölzernen Bild verglichen, an welchem außer der
-Schönheit sonst weder Kraft noch Saft wäre. Ich sagte, so man mich der
-holzböckischen Art und Ungeschicklichkeit halber anstach, daß mirs
-genug sei, wann ich noch zur Zeit meine Freude an einem blanken Degen
-und einer guten Muskete hätte. Die Frauenzimmer billigten auch solche
-Reden, da keiner war, der das Herz hatte, mich heraus zu fordern oder
-Ursach zu ein Paar Ohrfeigen oder sonst ziemlich empfindlichen Worten
-zu geben, zu denen ich mich bereit zeigte.
-
-
-
-
-Das sechste Kapitel
-
-
-Wann ich so durch die Gassen daherprangete und mein Pferd unter mir
-tanzte, da sagte das alberne Volk wohl: »Sehet, das ist der Jäger! Min
-God, wat vor en prave Kerl is nu dat!« Ich spitzte die Ohren gewaltig
-und ließ mirs gar sanft tun. Aber ich Narr hörete meine Mißgönner
-nicht, die mir ohn Zweifel wünschten, daß ich Hals und Bein bräche.
-Verständige Leute hielten mich gewißlich vor einen jungen Lappen,
-dessen Hoffart notwendig nicht lang dauern würde.
-
-Meine Gewohnheit war, herum zu terminieren und alle Wege und Stege,
-alle Gräben, Moräste, Büsche und Wasser zu bereiten, um vor eine
-künftige Occasion des Orts Gelegenheit so offensive als defensive
-zu Nutz machen zu können. Einst ritt ich unweit der Stadt bei einem
-alten Gemäuer vorüber, darauf vor Zeiten ein Haus gestanden. Ich drang
-mit meinem Pferd in den Hof ein, zu sehen, ob man sich auch auf den
-Notfall zu Pferd darin salvieren könne. Als ich nun bei dem Keller,
-dessen Gemäuer noch rund umher aufrecht stund, vorüberreiten wollte,
-war mein Pferd, das sonst im geringsten nichts scheute, weder mit Liebe
-noch Leid dahin zu bringen. Ich stieg ab und führete es an der Hand
-die verfallene Kellersteigen hinunter, wovor es doch scheuete, damit
-ich mich ein andermal darnach richten könnte. Mit guten Worten und
-Streichen brachte ich es endlich so weit, indem ward ich gewahr, daß
-es vor Angst schwitzte und die Augen stets nach der Ecke des Kellers
-richtete, dahin es am allerwenigsten wollte, ob ich auch gleich nichts
-gewahrete. Ich stund mit Verwunderung, und wie mein Pferd je länger,
-desto ärger zitterte, da kam mich ein solches Grausen an, als ob man
-mich bei den Haaren aufzöge und einen Kübel voll kalt Wasser über mich
-abgösse. Mein Pferd stellete sich immer seltsamer, doch konnte ich
-nichts sehen, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte, als ich
-müßte vielleicht mitsamt dem Pferd verzaubert sein. Derowegen wollte
-ich wieder zurück, aber mein Pferd folgte mir nicht. Dahero ward ich
-noch ängstlicher und so verwirrt, daß ich schier nicht wußte, was ich
-tät. Zuletzt nahm ich meine Pistole auf den Arm und band mein Pferd an
-eine Holderstockwurzel, der Meinung, aus dem Keller zu gehen und Leute
-zu suchen, die meinem Pferde heraushülfen. Indem fällt mir ein, ob
-nicht in dem Gemäuer vielleicht ein Schatz läge, dahero es so ungeheuer
-sein möchte. Ich sehe mich um, sonderlich nach der Ecke, dahin mein
-Pferd nicht wollte, und ward eines Stückes im Gemäuer gewahr, so groß
-als ein gemeiner Kammerladen, welches in Farbe und Arbeit dem andern
-Gemäuer nicht allerdings glich. Ich wollte hinzugehen, da sträubten
-sich alle meine Haare gen Berg und das bestärket mich in der Meinung,
-daß ein Schatz verborgen sein müsse.
-
-Hundertmal lieber hätte ich Kugel gewechselt, als mich in solcher Angst
-befunden. Ich ward gequält und wußte doch nicht recht von wem, dann ich
-sahe oder hörte nichts. Ich wollte durchbrennen, vermochte aber die
-Stiegen nicht hinauf zu kommen, weil mich eine starke Luft aufhielt. Da
-lief mir die Katze wohl den Buckel hinauf! Zuletzt fiel mir ein, ich
-sollte meine Pistole lösen, damit mir die Bauren im Feld zuliefen. Ich
-war so erzörnt oder viel mehr desperat, da ich sonst kein Mittel noch
-Hoffnung sahe, aus diesen ungeheuern Wunderort zu kommen, daß ich mich
-gegen den Ort kehrete, wo ich die Ursache meiner seltsamen Begegnus
-vermeinete, und traf obgemeldtes Gemäuerstück mit zweien Kugeln so
-hart, daß es ein Loch gab, zwo Fäuste groß.
-
-Als der Schuß geschehen, wieherte mein Pferd und spitzte die Ohren,
-was mich herzlich erquickte. Ich faßte einen frischen Mut und ging ohn
-Forcht zu dem Loch, da brach die Maur vollends ein. Ich fand einen
-reichen Schatz an Silber, Gold und Edelsteinen. Es waren aber sechs
-Dutzend altfränkische silberne Tischbecher, ein großer göldner Pokal,
-etliche Duplet, eine altfränkische göldene Kette, unterschiedliche
-Diamanten, Rubine, Saphire und Smaragde, alles in Ringe und Kleinodien
-gefasset, ~item~ ein ganz Lädlein voll großer Perlen, aber alle
-verdorben und abgestanden, dann ein verschimmelter lederener Sack mit
-achtzig von den ältesten Joachimsthalern aus feinem Silber, sodann 893
-Goldstücke mit dem französischen Wappen und einem Adler. Dieses Geld,
-die Ringe und Kleinodien steckte ich in meine Hosensäcke, Stiefeln,
-Hosen und Pistolenhalftern und, weil ich keinen Sack bei mir hatte,
-schnitt ich meine Schabracke vom Sattel und füllete sie zwischen Zeug
-und Futter mit Silber- und Goldbechern, hing die gölden Kette um den
-Hals, saß fröhlich zu Pferd und wandte mich meinem Quartier zu. Wie
-ich aber aus dem Hof kam, rissen zween Bauren vor mir eilends aus, ich
-ereilete sie leichtlich, weil ich sechs Füße und ein eben Feld hatte
-und rief sie an. Da erzählten sie mir, daß sie vermeinet hätten, ich
-wäre das Gespenst, das in gegenwärtigem, ödem Edelhof wohne und Leute,
-die zu nahe kämen, elendiglich zu traktieren pflege. Aus Furcht vor
-dem Ungeheuer käme oft in vielen Jahren kein Mensch an diesen Ort.
-Die gemeine Sage ginge im Land, es wäre ein eiserner Trog voller
-Geldes darin, den ein schwarzer Hund hüte zusamt einer verfluchten
-Jungfer. Sollte aber ein fremder Edelmann, der weder seinen Vater noch
-seine Mutter kenne, ins Land kommen, so werde er die Jungfer erlösen,
-den eisernen Trog mit einem feurigen Schlüssel aufschließen und das
-verborgene Geld davonbringen. Derlei alberne Fabeln erzählten sie
-mir noch viel. Ich fragte, was sie dann beide da gewollt hätten. Sie
-sagten, sie hätten einen Schuß samt einem lauten Schrei gehöret, da
-seien sie zugeloffen. Sie wollten viel Dings von mir wissen, und ich
-hätte ihnen sattsam Bären aufbinden können, aber ich konnte schweigen
-und ritt meines Wegs in mein Quartier. --
-
-Diejenigen, die wissen, was Geld ist, und dahero solches vor ihren
-Gott halten, haben dessen nicht geringe Ursach, dann ist jemand in der
-Welt, der des Geldes Kräfte und beinahe göttliche Tugenden erfahren
-hat, so bin es ich: Ich weiß wie einem zu Mut ist, der einen ziemlichen
-Vorrat hat, und wie der gesinnet sei, der keinen einzigen Heller
-vermag. Kräftiger als alles Edelgestein ist Geld, dann es vertreibet
-die Melancholei wie der Diamant, es machet Lust und Beliebung zu den
-~Studiis~ wie der Smaragd, darum werden gemeiniglich mehr reicher als
-armer Leute Kinder Studenten; es nimmt hinweg Forchtsamkeit, machet den
-Menschen fröhlich und glückselig wie der Rubin; oft ist es dem Schlafe
-hinderlich, wie die Granate; hingegen hat es auch eine große Kraft,
-die Ruhe und den Schlaf zu befördern, wie der Hyazinth; es stärket das
-Herz und machet den Menschen freudig, sittsam, frisch und mild wie
-der Saphir und Amethyst; es vertreibet böse Träume, machet fröhlich,
-schärfet den Verstand und so man mit jemand zanket, machet es, daß man
-sieget wie der Sardonyx, vornehmlich wann man den Richter brav damit
-schmieret; es löschet die geile Begierden, weil man schöne Weiber um
-Geld kriegen kann. In Kürze, es ist nicht auszusprechen, was das liebe
-Geld vermag, wann man es nur richtig brauchen und anzulegen weiß.
-
-Das meinige war seltsamer Natur, es machte mich hoffärtiger, es
-hinderte mir den Schlaf, es machte mich zu einem bekümmerten
-Rechenmeister, es machte mich geizig.
-
-Einmal kam mirs in Sinn, ich sollte den Krieg quittieren, mich irgends
-hinsetzen und mit einem schmutzigen Maul zum Fenster aussehen, dann
-gereuete mich aber wieder mein freies Soldatenleben und die Hoffnung,
-ein großer Hans zu werden. Oder verwünschete ich wiederum mein
-unvollkommen Alter und ich sagte zu mir selber, dann so nähmest du eine
-schöne, junge, reiche Frau und kauftest du irgendeinen adeligen Sitz
-und führtest ein geruhiges Leben. Allein ich war noch viel zu jung.
-
-Damals hatte ich meinen Jupiter noch bei mir, der redete zu Zeiten sehr
-subtil und war etliche Wochen gar klug, hatte mich auch über alle Maßen
-lieb. Er warnete mich: »Liebster Sohn, schenkt euer Schindgeld, Gold
-und Silber hinweg!«
-
-»Warum, mein lieber Jove?«
-
-»Darum, damit Ihr Euch Freunde dadurch machet und Eurer unnützen Sorgen
-los werdet. Lasset die Schabhälse geizig sein. Haltet Euch, wie es
-einem jungen, wackeren Kerl zustehet!«
-
-Ich dachte der Sache nach. Zuletzt verehrete ich dem Kommandanten
-ein paar silberner und vergöldter Duplet, meinem Hauptmann ein paar
-silberner Salzfässer, aber es wurde ihnen das Maul nach dem Übrigen
-nur wässeriger, weil es rare Antiquitäten waren. Meinem getreuen
-Spring-ins-Feld schenkte ich zwölf Reichstaler. Auch er riet mir, ich
-solle meinen Reichtum von mir tun, dann die Offizierer sähen nicht
-gern, daß der gemeine Mann mehr Geld hätte als sie. Auch wären etlich
-um Geldes halber heimlich ermordet worden. Es ginge um im ganzen Läger,
-und jeder mache den gefundenen Schatz größer, als er an sich selbst
-sei, er müsse oft hören, was unter den Burschen vor ein Gemürmel gehe.
-Er ließe Krieg Krieg sein, und setzte sich irgendwo in Sicherheit.
-
-Ich sagte zu ihm: »Höre, Bruder, wie kann ich die Hoffnung auf mein
-Fähnlein so leicht in den Wind schlagen!«
-
-»Hol mich dieser und jener, wann du ein Fähnlein bekommst. So die
-andern sehen, daß ein Fähnlein ledig, möchten sie tausendmal eh dir den
-Hals brechen helfen. Lerne mich nur keine Karpfen kennen, mein Vater
-war ein Fischer!«
-
-Ich erwog diese und meines Jupiters Reden und bedachte, daß ich keinen
-einzigen angeborenen Freund hätte, der sich meiner in Nöten annehmen,
-oder meinen Tod rächen würde. -- Indem sich nun eben eine Gelegenheit
-präsentierte, daß ich mit hundert Dragonern, etlichen Kaufleuten und
-Güterwägen von Münster nach Köln convoieren mußte, packte ich meinen
-Schatz zusammen und übergab ihn einen von den vornehmsten Kaufleuten zu
-Köln gegen spezifizierte Handschrift aufzuheben. Meinen Jupiter brachte
-ich auch dahin, weil er in Köln ansehnliche Verwandte hatte, gegen die
-er meine Guttaten rühmete, daß sie mir viel Ehre erwiesen.
-
-
-
-
-Das siebente Kapitel
-
-
-Auf dem Zurückweg machte ich mir allerhand Gedanken, wie ich mich
-ins Künftige halten wollte, damit ich doch jedermanns Gunst erlangen
-möchte, dann Spring-ins-Feld hatte mir einen Floh ins Ohr gesetzt
-und mich zu glauben persuadieret, als ob mich jedermann neide. Ich
-verwunderte mich, daß alle Welt so falsch sei, mir lauter gute
-Wort gebe und mich doch nicht liebe. Derowegen gedachte ich mich
-anzustellen wie die andern und zu reden, was jedem gefiele, auch jedem
-mit Ehrerbietung zu begegnen, obschon es mir nicht ums Herz wäre.
-Vornehmlich aber merkte ich klar, daß meine eigene Hoffart mich mit
-den meisten Feinden beladen hatte, deswegen wollte ich mich fürder
-demütig stellen, obschon ichs nicht sei, mit den gemeinen Kerlen wieder
-unten und oben liegen, vor den Höheren aber den Hut in Händen tragen,
-mich der Kleiderpracht enthalten, bis ich etwan meinen Stand änderte.
-Ich hatte mir von meinem Kaufmann in Köln hundert Taler geben lassen,
-dieselben gedachte ich unterwegs dem ~Convoi~ halb zu verspendieren.
-Solcher Gestalt war ich entschlossen, mich zu ändern und auf diesem Weg
-schon den Anfang zu machen. Ich machte aber die Zeche ohn dem Wirt.
-
-Da wir durch das bergische Land passieren wollten, lauerten uns an
-einem sehr vortelhaften Ort 80 Feuerröhrer und 50 Reuter auf, eben als
-ich selbfünft mit einem Korporal geschickt ward voran zu reuten. Der
-Feind hielt sich still, als wir in seinen Halt kamen, ließ uns auch
-passieren, damit der ~Convoi~ nicht gewarnet würde, bis er auch in
-die Enge käme. Da wir den Hinterhalt merkten und umkehrten, gingen
-sie beiderseits los und fragten, ob wir Quartier wollten. Ich hatte
-mein bestes Roß unter mir, schwang mich herum auf eine kleine Ebene,
-zu sehen, ob da Ehre einzulegen sei, indessen hörete ich stracks an
-der Salve, welche die Unsrigen empfingen, was die Glocke geschlagen,
-trachtete derowegen nach der Flucht, aber ein Kornet hatte uns den Paß
-abgeschnitten. Indem ich mich durchhauen wollte, bot er mir, weil er
-mich vor einen Offizier ansahe, nochmals Quartier an, und ich besann
-mich, das Leben davon zu bringen.
-
-Also präsentierte ich ihm den Degen. Er fragte mich, was ich vor einer
-sei, er sehe mich vor einen Edelmann und Offizier an. Da ich ihm
-antwortete, ich werde der Jäger von Soest genannt, sagte er: »Da hat Er
-gut Glück, daß Er uns nicht vor vier Wochen in die Hände geraten, dann
-zur selben Zeit hätte ich Ihm kein Quartier halten können, dieweil man
-Ihn bei uns vor einen offentlichen Zauberer gehalten hat.«
-
-Dieser Kornet war ein tapferer, junger Kavalier, es freuete ihn
-trefflich, daß er die Ehre hatte, den berühmten Jäger gefangen zu
-haben, deswegen hielt er mir das versprochene Quartier sehr ehrlich
-und auf holländisch, deren Brauch ist, den gefangenen Feinden von dem,
-was der Gürtel beschleußt, nichts zu nehmen. Da es an ein Parten ging,
-sagete ich ihm heimlich, er sollte sehen, daß ihm mein Pferd, Sattel
-und Zeug zuteil würde, dann im Sattel dreißig Dukaten seien und das
-Pferd ohndas seinesgleichen schwerlich hätte. Davon ward mir der Kornet
-so hold, als ob ich sein leiblicher Bruder wäre, er saß auch gleich auf
-mein Pferd und ließ mich auf dem seinigen reuten.
-
-Schweden und Hessen gingen noch am selbigen Abend in ihre
-unterschiedlichen Guarnisonen mit ihrer Beute und den Gefangenen.
-Mich und den Korporal samt noch dreien Dragonern behielt der Kornet
-und führet uns in eine Festung, die nicht gar zwei Meilen von unserer
-Guarnison lag. Und weil ich hiebevor demselben Ort viel Dampfs angetan,
-war mein Name daselbst wohl bekannt, ich selber aber mehr geförcht als
-geliebt. Der Kornet schickte einen Reuter voran, dem Kommandanten zu
-verkünden, wie es abgeloffen und wen er gefangen brächte. Davon gab
-es ein Geläuf in der Stadt, das nit auszusagen, weil jeder den Jäger
-gern sehen wollte, und war nicht anders anzusehen, als ob ein großer
-Potentat seinen Einzug gehalten hätte.
-
-Wir wurden zum Gewaltiger geführt, doch ward es dem Kornet erlaubt, uns
-zu gastieren, weil ich hiebevor meinen Gefangenen, darunter sich des
-Kornets Bruder befunden, auch solcher Gestalt diskret begegnet war.
-Da nun der Abend kam, fanden sich unterschiedlich Offizierer, sowohl
-Soldaten von Fortun, als geborenen Kavaliers ein, und ich ward, die
-Wahrheit zu bekennen, von ihnen überaus höflich traktiert. Ich machte
-mich so lustig, als ob ich nichts verloren gehabt, und ließ mich so
-vertreulich und offenherzig vernehmen, als ob ich nicht in Feindeshand,
-sondern bei meinen besten Freunden wäre. Dabei beflisse ich mich
-der Bescheidenheit, dann ich konnte mir leicht einbilden, daß dem
-Kommandanten mein Verhalten notifiziert würde.
-
-Den andern Tag wurden wir Gefangenen von dem Regimentsschulzen
-examiniert. Sobald ich in den Saal trat, verwunderte er sich über meine
-Jugend und sagte: »Mein Kind, was hat dir der Schwede getan, daß du
-wider ihn kriegest?«
-
-Das verdroß mich, antwortete derhalben: »Die schwedischen Krieger
-haben mir meine Schnellküglein und mein Steckenpferd genommen, die
-wollte ich gern wieder haben.«
-
-Da ich ihn so bezahlete, schämten sich seine beisitzenden Offizierer,
-maßen einer auf Latein sagte, er solle von ernstlichen Sachen mit
-mir reden, er hätte kein Kind vor sich, und ich merkte dabei, daß
-er Eusebius hieße. Darauf fragte er mich nach meinem Namen, und als
-ich ihn genannt, sagte er: »Es ist kein Teufel in der Hölle, der
-~Simplicissimus~ heißet.«
-
-Ich antwortete, so sei auch vermutlich keiner in der Höllen, der
-Eusebius hieße, was aber von den Offizierern nicht am besten
-aufgenommen ward, dann sie erinnerten mich, daß ich ihr Gefangener sei
-und nicht scherzenshalber wäre hergeholet worden.
-
-Ich ward dieses Verweises wegen darum nicht rot, bat auch nicht um
-Verzeihung, sondern gab zurück, weil sie mich vor einen Soldaten
-gefangen hielten und nicht vor ein Kind wieder laufen lassen würden, so
-hätte ich mich nicht versehen, als ein Kind gefoppt zu werden. Wie man
-mich gefraget, so hätte ich geantwortet.
-
-Darauf ward ich um mein Vaterland, Herkommen, Geburt examiniert,
-vornehmlich aber ob ich auf schwedischer Seite gedienet hätte, ~item~
-wie es in Soest beschaffen. Ich antwortete auf alles behend, wegen
-Soest und selbiger Guarnison aber soviel, als ich zu verantworten
-getrauet.
-
-Indessen erfuhr man zu Soest, wie es mit dem ~Convoi~ abgeloffen,
-derhalben kam gleich am andern Tag ein Trommelschläger, uns abzuholen.
-Dem wurden der Korporal und die andern drei ausgefolgt und ein
-Schreiben mitgegeben, das mir der Kommandant zu lesen überschickte.
-
-»Monsieur etc. Auf Ihr Schreiben schicke ich gegen empfangene Ranzion
-den Korporal samt den übrigen drei Gefangenen. Was aber ~Simplicium~,
-den Jäger, anbelanget, kann selbiger, weil er hiebevor auf dieser
-Seite gedienet, nicht hinübergelassen werden. -- Kann ich aber dem
-Herren im übrigen außerhalb Herrenpflichten in etwas bedienet sein, so
-hat derselbe in mir einen willigen Diener, als der ich soweit bin und
-verbleibe dem Herren dienstwilliger
-
- ~N. de S. A.~«
-
-Dieses Schreiben gefiel mir nicht halb und ich mußte mich doch für die
-Mitteilung bedanken. Ich begehrete mit dem Kommandanten zu reden, bekam
-aber zur Antwort, daß er schon selbst nach mir schicken würde.
-
-Das geschahe und mir widerfuhr das erste Mal die Ehre, an seiner
-Tafel zu sitzen. Solang man aß, ließ er mir mit dem Trunk zusprechen,
-gedachte aber weder klein noch groß von demjenigen, was er mit mir
-vorhatte. Demnach man abgegessen und nur ein ziemlicher Dummel
-aufgehängt war, sagte er: »Lieber Jäger, Ihr habet aus meinem Schreiben
-verstanden, unter was vor ein ~Prätext~ ich Euch hier behalte. Ich
-habe nichts vor, das wider ~Raison~ oder Kriegsbrauch wäre. Ihr
-habet selbst gestanden, daß Ihr hiebevor auf unserer Seite bei der
-Hauptarmee gedienet, werdet Euch derhalben resolvieren müssen, unter
-meinem Regiment Dienst zu nehmen. So will ich Euch mit der Zeit
-dergestalt accommodieren, dergleichen Ihr bei der kaiserlichen Armee
-nimmer hättet hoffen dörfen. Widrigen Falls ich Euch wieder demjenigen
-Obrist-Leutenant überschicke, welchen Euch die kaiserlichen Dragoner
-abgefangen haben.«
-
-Ich antwortete: »Hochgeehrter Herr Obrister (dann damals war noch
-nicht Brauch, daß man Soldaten von Fortun »Ihr Gnaden« titulierte) ich
-hoffe, weil ich weder der Krone Schweden noch deren Konföderierten,
-viel weniger dem Obrist-Leutenant niemalen mit Eid verpflichtet,
-sondern nur ein Pferdejung gewesen, daß dannenhero ich nicht verbunden
-sei, schwedische Dienste anzunehmen und dadurch den Eid zu brechen, den
-ich dem römischen Kaiser geschworen, derowegen ich hochgeboren Herrn
-Obristen allergehorsamst bitte, er beliebe mich dieser Zumutung zu
-überheben.«
-
-»Was, verachtet Ihr dann schwedische Dienste? Eh' ich Euch wieder nach
-Soest lasse, dem Gegenteil zu dienen, eh' will ich Euch einen andern
-Proceß weisen oder im Gefängnus verderben lassen.«
-
-Ich erschrak zwar über diese Worte, gab mich aber doch nicht, sondern
-antwortete: Gott wolle mich vor solcher Verachtung sowohl als vor dem
-Meineid behüten. Im übrigen stünde ich in untertäniger Hoffnung, der
-Herr Obrist würde mich seiner weitgerühmten ~Discretion~ nach, wie
-einen Soldaten traktieren.
-
-»Ja,« sagte er, »ich wüßte wohl, wie ich Euch traktieren könnte. Aber
-bedenkt Euch besser.«
-
-Darauf ward ich wieder ins Stockhaus geführet und jedermann kann
-unschwer erachten, daß ich dieselbige Nacht nicht viel geschlafen.
-
-Den Morgen aber kamen etliche Offizierer mit dem Kornet unter Schein,
-mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit aber mir weis zu machen, als ob
-der Obrist gesinnet wäre, mir als einem Zauberer den Proceß machen
-zu lassen, sofern ich mich nicht anders bequemen würde. Wollten mich
-also erschröcken und sehen, was hinter mir stecke, weil ich mich aber
-meines guten Gewissens getröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an
-und redete nicht viel. Ich merkte wohl, daß es dem Obristen um nichts
-andres zu tun war, als daß er mich ungern in Soest sahe. Er konnte sich
-leicht einbilden, daß ich den Ort wohl nicht verlassen würde, weil ich
-meine Beförderung dort erhoffte, zwei schöne Pferde und sonst köstliche
-Sachen allda hatte.
-
-Den folgenden Tag ließ er mich wieder zu sich kommen, und fragte, ob
-ich mich auf ein und anders resolviert hätte.
-
-Ich antwortete: »Dies Herr Obrister, ist mein Entschluß, daß ich eh'
-sterben, als meineidig werden will. Wann aber mein hochgeboren Herr
-Obrister mich auf freien Fuß zu stellen und mit keinen Kriegsdiensten
-zu belegen belieben wird, so will ich dem Herrn Obristen mit Herz, Mund
-und Hand versprechen, in sechs Monaten keine Waffen wider Schwed- und
-Hessische zu tragen.«
-
-Solches ließ er sich stracks gefallen, bot mir die Hand und schenkte
-mir zugleich die Ranzion, befahl auch dem ~Secretär~, daß er einen
-Revers ~in duplo~ aufsetze, den wir beide unterschrieben. Ich
-reversierte neben obigem Punkte, nichts Nachteiliges wider die
-Guarnison und ihren Kommandanten praktizieren noch etwas zu Nachteil
-und Schaden zu unternehmen, sondern deren Nutzen und Frommen zu fördern
-und dieselbe defendieren zu helfen.
-
-Hierauf behielt er mich wieder bei dem Mittagsimbiß und tät mir mehr
-Ehre an, als ich von den Kaiserlichen mein Lebtag hätte hoffen dörfen.
-
-
-
-
-Das achte Kapitel
-
-
-Ich hatte in Soest einen Knecht, der war mir über alle Maßen getreu,
-weil ich ihm viel Gutes tät. Dahero sattelte er meine Pferde und ritt
-dem Trommelschlager, der mich abholen sollte, ein gut Stück Weges
-von Soest entgegen. Er begegnete ihm mit den Gefangenen und hatte
-mein bestes Kleid aufgepackt, dann er vermeinete, ich wäre ausgezogen
-worden. Da er mich aber nicht sahe, sondern vernahm, daß ich bei dem
-Gegenteil Dienste anzunehmen aufgehalten werde, gab er den Pferden die
-Sporen und sagte: »Adieu Tampour und Ihr, Korporal, wo mein Herr ist,
-da will ich auch sein.«
-
-Ging also durch und kam zu mir, eben als mich der Kommandant ledig
-gesprochen hatte und mir große Ehre antät. Der priese mich glücklich,
-wegen meines Knechtes Treue, verwunderte sich auch, daß ein so junger
-Kerl wie ich, so schöne Pferde vermögen und so wohl montiert sein
-sollte. Lobte auch das eine Pferd so trefflich, daß ich gleich merkte,
-er hätte mirs gerne abgekauft. Weil er es mir aber aus ~Discretion~
-nicht feil machte, sagte ich, wann ich die Ehre begehren dörfte, daß
-ers von meinetwegen behalten wollte, so stünde es zu seinen Diensten.
-Er schlugs aber rund ab, dieweil ich einen ziemlichen Rausch hatte, und
-er die Nachrede scheute, daß er einem Trunkenen etwas abgeschwätzt, so
-dem vielleicht nüchtern reuen möchte, also daß er des edlen Pferdes
-gern gemangelt.
-
-Des Morgens frühe anatomierte ich meinen Sattel und ließ mein bestes
-Pferd vor des Obristen Quartier bringen. Ich sagte ihm, er wolle
-belieben gegenwärtigen Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen
-zu gönnen, indem mir mein Pferd allhier nichts nütz, und solches von
-mir als Zeichen dankbarer Erkanntnus vor empfangene Gnaden unschwer
-annehmen. Der Obrister bedankte sich mit großer Höflichkeit und
-sehr courtoisen Offerten, schickte mir auch denselbigen Nachmittag
-seinen Hofmeister mit einem gemästeten lebendigen Ochsen, zwei fetten
-Schweinen, einer Tonne Wein, vier Tonnen Bier, zwölf Fuder Brennholz,
-welches er mir vor mein neu Losament, das mir mein Knecht erkundet und
-ich auf ein Halbjahr bestellet hatte, bringen und sagen ließ, weil er
-sich leicht einbilden könnte, es sei im Anfang vor mich mit Viktualien
-schlecht bestellet, so schicke er mir zur Haussteuer eben einen Trunk,
-ein Stück Fleisch mitsamt dem Kochholz. Ich bedankte mich so höflich
-als ich konnte, verehrete dem Hofmeister zwo Dukaten und bat ihn, mich
-seinem Herrn bestens zu rekommendieren.
-
-Ich gedachte mir aber auch durch meinen Knecht bei dem gemeinen Mann
-ein gutes Lob zu machen, damit man mich vor keinen kahlen Bernheuter
-hielte. Ließ derowegen in Gegenwart meines Hauswirtes meinen Knecht vor
-mich kommen, zu demselben sagte ich:
-
-»Lieber Niklas, du hast mir mehr Treue erwiesen, als ein Herr seinem
-Knecht zumuten darf, nun aber, da ich selbst keinen Herren habe, daß
-ich etwas erobern könnte, dich zu belohnen, so gedenke ich keinen
-Knecht mehr zu halten. Ich gebe dir hiemit vor deinen Lohn das andere
-Pferd, samt Sattel-Zeug und Pistolen, mit Bitte, du wollest damit
-vorlieb nehmen und dir vor diesmal einen andern Herren suchen. Kann ich
-dir ins Künftige in etwas bedienet sein, so magst du jederzeit mich
-darum ersuchen.«
-
-Hierauf küßte er mir die Hände und konnte vor Weinen schier nicht
-reden, wollte auch durchaus das Pferd nicht haben bis ich ihm
-versprochen, ihn wieder in Dienst zu nehmen, sobald ich jemand brauche.
-
-Über diesem Abschied ward mein Hausvater so mitleidig, daß ihm auch die
-Augen übergingen. Und gleichwie mich mein Knecht bei der Soldateska, so
-erhub mich der Hausvater bei der Bürgerschaft mit großem Lob über alle
-schwangere Bauren. Der Kommandant aber hielt mich vor einen resoluten
-Kerl, daß er auch getraute Schlösser auf meine Parole zu bauen.
-
-Ich glaube es ist kein Mensch in der Welt, der nicht einen Hasen im
-Busen habe, dann wir sind ja alle einerlei Gemächts und ich kann bei
-meinen Birnen wohl merken, wann andere zeitig sein. »Hui, Geck,« möcht
-mir da einer antworten, »wann du ein Narr bist, meinest du darum
-andre seien es auch?« -- »Nein, das sage ich nicht, dann es wäre
-zuviel geredt, aber dies halte ich davor, daß einer den Narren besser
-verbirgt als der ander.« Es ist einer darum kein Narr, wann schon er
-närrische Einfälle hat, dann wir haben in der Jugend gemeiniglich alle
-dergleichen. Welcher aber seinen Narren hinausläßt, wird vor einen
-gehalten, weil teils etliche ihn gar nicht andere aber nur halb sehen
-lassen. Welche den ihren gar unterdrücken sein rechte Saurtöpfe. Ich
-halte vor die besten und verständigsten Leute, die den Ihren nach Zeit
-und Gelegenheit bisweilen ein wenig mit den Ohren fürragen und Atem
-schöpfen lassen, damit er nicht gar bei ihnen ersticke. Den Meinen ließ
-ich mir zu weit heraus, da ich mich in einem so freien Stand sahe,
-maßen ich einen Jungen annahm, den ich als Edelpagen kleidete, und zwar
-in die Farben Veigelbraun und Gelb. Derselbe mußte mir aufwarten, als
-wann ich ein Freiherr wäre.
-
-Dies war die erste Torheit, die ich in der Stadt beging, sie ward aber
-von niemand getadelt. Die Welt ist der Narreteien so voll, daß sie
-keiner mehr achtet, noch selbige verlacht oder sich darüber verwundert;
-sie ist deren gewohnt.
-
-Ich dingte mich und meinen Jungen bei meinem Hausvater in die Kost und
-gab ihm an Bezahlung auf Abschlag, was mir der Kommandant verehret
-hatte. Zum Getränk aber mußte mein Jung den Schlüssel haben, weil ich
-denen, die mich besuchten, gern davon mitteilete. Sintemalen ich weder
-Bürger noch Soldat war, hielt ich mich zu beiden Teilen und bekam
-dahero Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließ.
-
-Der Stadtorganist, zu dem ich Kundschaft erhielt, lehrete mich, wie
-ich komponieren sollte, ~item~ auf dem Instrument besser schlagen, als
-auch auf der Harfe; ohn das war ich auf der Lauten ein Meister. Wann
-ich dann satt hatte am Musicieren, ließ ich meinen Kürschner kommen,
-der mich im Paradeis in allen Gewehren unterwiesen, mit dem exerzierte
-ich mich, um noch perfecter zu werden. So erlangete ich auch beim
-Kommandanten, daß er mich von einem Constablen die Büchsenmeisterkunst
-und etwas mit dem Feuerwerk umzugehen lernte. Im übrigen hielt ich
-mich sehr still, also daß sich die Leute verwunderten, weil ich auch
-viel über den Büchern saß wie ein Student, da ich doch Raubens und
-Blutvergießens gewohnt gewesen.
-
-Mein Hausvater war des Kommandanten Spürhund und mein Hüter, maßen
-ich merkte, daß er all mein Tun und Lassen demselben hinterbrachte.
-Doch ich gedachte des Kriegswesens kein einziges Mal, und wann man
-davon redete, tät ich, als ob ich niemals kein Soldat gewesen. Zwar
-wünschte ich, daß meine sechs Monate bald herum wären, es konnte aber
-niemand abnehmen, welchem Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem
-Obristen aufwartete, behielt er mich bei seiner Tafel, da setzte es
-zuweilen solche Diskurse, dadurch mein Vorsatz ausgeholt werden sollte,
-ich antwortete aber jederzeit vorsichtig.
-
-»Wie stehet es, Jäger, wollet Ihr noch nicht schwedisch werden? Gestern
-ist ein Fähnrich gestorben.«
-
-»Herr Obrister, stehet doch einem Weib wohl an, wann sie nach ihres
-Mannes Tod nicht gleich wieder heuratet, warum sollte ich mich dann
-nicht sechs Monate gedulden?«
-
-Kriegte gleichwohl des Obristen Gunst je länger, je mehr, so daß er
-mich in und außerhalb der Festung herumspatzieren, ja, endlich den
-Hasen, Feldhühnern und Vögeln nachstellen ließ. Darum leget ich mir
-ein schlicht Jägerkleid bei, in demselben strich ich des Nachts in das
-Soestische und holet meine verborgenen Schätze hin und wieder zusammen,
-schleppte solche in die Festung und ließ mich an, als ob ich ewig bei
-den Schweden wohnen wollte.
-
-Da stieß einmal die Wahrsagerin von Soest zu mir, die mich erkannte.
-»Ich versichre dich, es war dein Glück,« sagte sie, »daß du gefangen
-worden. Einige Kerle, welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen bist
-beim Frauenzimmer vorgezogen worden, hätten dich auf der Jagd erwürgt.«
-
-Ich antwortete: »Wie kann jemand mit mir eifern, da ich doch dem
-Frauenzimmer nichts nachfrage?«
-
-»Du wirst des Sinnes nicht bleiben, sonst wird dich das Frauenzimmer
-mit Spott und Schande zum Lande hinausjagen. Ich schwöre dir, daß sie
-dich nur gar zu lieb haben und daß dir solche übermachte Liebe zum
-Schaden gereichen wird, wann du dich nicht accommodierst.«
-
-Ich fragte sie, wann sie ja so viel wüßte, so sollte sie mir davon
-sagen, wie es mit meinen Eltern stünde und ob ich sie mein Lebtag
-wieder zu sehen bekommen würde, sie sollte aber fein deutsch mit der
-Sprache heraus.
-
-Darauf sagte sie, ich sollte alsdann nach den Eltern fragen, wann
-mir mein Pflegvater unversehens begegnen würde und führete meiner
-Säugeammen Tochter am Strick daher. -- Lachte darauf überlaut und
-machte sich geschwind von mir.
-
-Ich hatte damals ein schön Stück Geld und viel köstliche Ringe und
-Kleinodien beieinander. Solches schriee mich immerzu an, es wollte gar
-gern wieder unter die Leute. Ich folgte auch, dann weil ich ziemlich
-hoffärtig war, prangte ich mit meinem Gut und ließ solches meinen Wirt
-sehen, der bei den Leuten mehr daraus machte, als es war.
-
-Mein Vorsatz, die Büchsenmeisterei und Fechtkunst in diesen sechs
-Monaten zu lernen, war gut und ich begriffs auch. Aber es war nicht
-genug, mich vor Müßiggang allerdings zu behüten, vornehmlich weil
-niemand war, der mir zu gebieten hatte. Ich saß zwar auch emsig über
-allerhand Büchern, aus denen ich viel Gutes lernete, es kamen mir aber
-auch teils unter die Hände, die mir wie dem Hund das Gras gesegnet
-wurden. Die unvergleichliche ~Arcadia~, daraus ich die Wohlredenheit
-lernen wollte, war das erste Stück, das mich von den rechten Historien
-zu den Liebe-Büchern und von den wahrhaften Geschichten zu den
-Heldengedichten zog. Solcherlei Gattung brachte ich zuwege, wo ich
-konnte, und wann mir eins zuteil ward, hörete ich nicht auf, bis ichs
-durchgelesen und sollte Tag und Nacht darüber gesessen sein. Diese
-lerneten mich statt wohlreden mit der Leimstange laufen, doch war
-dieser Mangel damals vor mich keine Ursach zu klagen, dann wo meine
-Liebe hinfiel, erhielt ich ohn sonderbare Mühe, was ich begehrete,
-und ich brauchet nicht wie andere Buhler und Leimstängler voller
-phantastischer Gedanken, Begierden, heimlich Leiden, Zorn, Eifer,
-Rachgier, Weinen, Protzen und dergleichen tausendfältigen Torheiten
-stecken und mir vor Ungeduld den Tod zu wünschen.
-
-Ich hatte Geld und ließ mich dasselbe nicht dauren, überdas eine
-gute Stimme, übete mich stetig auf allerhand Instrumenten, wiese die
-Geradheit meines Leibes, wann ich mit meinem Kürschner focht. So hatte
-ich auch einen trefflich glatten Spiegel und gewöhnte mich zu einer
-freundlichen Lieblichkeit, also daß mir das Frauenzimmer von selbst
-nachlief.
-
-Um dieselbige Zeit fiel Martini ein, da fängt bei uns Deutschen das
-Fressen und Saufen an und währet teils bis in die Fastnacht. Da ward
-ich an unterschiedliche Örter, sowohl bei Offizierern als Bürgern, die
-Martinsgans verzehren zu helfen, eingeladen. Bei solchen Gelegenheiten
-kam ich mit den Frauenzimmern in Kundschaft. Meine Laute und Gesang,
-die zwangen eine jede mich anzuschauen, und wann sie mich also
-betrachteten, wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber
-machte, so anmutige Blicke und Gebärden hervorzubringen, daß sich
-manches hübsche Mägdlein darüber vernarrete und mir unversehens hold
-ward.
-
-Und damit ich nicht vor einen Hungerleider gehalten wurde, stellete ich
-auch zwo Gastereien, die eine zwar vor die Offizierer und die andere
-vor die vornehmsten Bürger, an, dadurch ich mir bei beiden Teilen
-Gunst und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen ließ.
-Es war mir aber alles nur um die lieben Jungfern zu tun. Und obgleich
-ich bei einer oder der andern nicht fand, was ich suchte, so ging ich
-gleichwohl allerweg zu ihnen als zu andern, daß alle glauben sollten,
-daß ich mich bei den andern auch nur Diskurs halber aufhielte. Ich
-hatte gerade sechs und sie hinwiederum mich, doch hatte keine mein Herz
-gar und mich allein.
-
-Mein Jung, der ein Erzschelm war, hatte genug zu tun mit Kupplen und
-Buhlenbrieflein hin und wider tragen und wußte reinen Mund zu halten.
-Davon bekam er von den Schleppsäcken einen Haufen ~Favor~, so mich aber
-am meisten kostete. Was mit Trommeln gewonnen wird, gehet mit Pfeifen
-dahin.
-
-Ich hielt meine Sachen so geheim, daß mich kaum einer vor einen Buhler
-halten konnte, ausgenommen der Pfarrer, bei dem ich nicht mehr so viel
-geistliche Bücher entlehnte.
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-Das neunte Kapitel
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-Ich ging oft zum ältesten Pfarrer und brachte ich ihm ein Buch zurück,
-so diskutierete er von allerhand Sachen mit mir. Wir accomodierten
-uns so miteinander, daß einer den andern gern leiden mochte. Als nun
-nicht nur die Martinsgans hin und wider und alle Metzelsuppen sondern
-auch die heiligen Weihnachtsfeiertäge vorbei waren, verehrete ich ihm
-eine Flaschen voll Straßburger Branntewein zum Neuen Jahr, welchen er
-dem westfälischen Gebrauch nach mit Kandelzucker gern einläpperte.
-Darauf besuchete ich ihn und er machte mich zu ihm sitzen, lobte
-den Branntewein und kam nach einigem Hin und Wider auf obgemeldten
-Umstand, nämlich daß ich in geistlichen Dingen merklich nachlasse. Ich
-entschuldiget mich mit der edlen Musik und der Büchsenmeistereikunst.
-Er aber antwortete: »Ja, ja, das glaube ich gern. Aber Er versichere
-sich, daß ich mehr von Ihm weiß, als Er sich einbildet.«
-
-Ich erschrak, da ich diese Worte hörete, und dachte, hat dir's St.
-Velten gesagt. Und weil er sahe, daß ich meine Farbe änderte, fuhr er
-ferner fort: »Der Herr ist frisch und jung, Er ist müßig und schön, Er
-lebet ohn Sorge und wie ich vernehme, in allem Überfluß, darum bitte
-und vermahne ich Ihn im Herrn, daß Er bedenken wolle, in was vor einem
-gefährlichen Stand Er sich befindet. Er hüte sich vor dem Tier, das
-Zöpfe hat, will Er anders Sein Glück und Heil beobachten. Der Herr
-möchte zwar bedenken, was geht's dem Pfaffen an -- (ich gedachte,
-du hast es erraten) -- oder was hat er mir zu befehlen! Herr, seid
-versichert, daß mir Euere, als meines Guttäters, zeitliche Wohlfahrt
-aus christlicher Liebe hoch angelegen ist. Ihr habet Talente, leget
-doch Euere Jugend und Euere Mittel, die Ihr hier unnütz verschwendet,
-zu ernsten Studien an, damit Ihr heut oder morgen beides: Gott und den
-Menschen und Euch selbst bedient sein könnet. Lasset das Kriegswesen,
-eh Ihr eine Schlappe davontraget, dann: Junge Soldaten, alte Bettler.«
-
-Ich hörete die Sentenz mit großer Ungeduld, jedoch stellete ich mich
-viel anders, als mir ums Herz war, damit ich mein Lob, daß ich ein
-feiner Mensch wäre, nicht verliere, bedankte mich zumal auch sehr vor
-seine erwiesene Treuherzigkeit und versprach, mich auf sein Einraten
-zu bedenken. Allein ich war des Zaumes und der Sporen der Tugenden
-entwohnet und wollte nunmehr gekostete Liebe-Wollüste nicht mehr
-entbehren.
-
-Jedoch so gar ersoffen in den Leidenschaften und so dumm war ich
-nicht, daß ich nicht gedacht hätte, jedermanns Freundschaft zu
-behalten, solange ich in der Festung zu bleiben willens war. Ich
-erkannte auch wohl, was es einem vor Unrat bringen konnte, wann er der
-Geistlichen Haß hätte, als welche Leute einen großen Kredit haben.
-Derowegen nahm ich meinen Kopf zwischen die Ohren und trat gleich den
-andern Tag wieder auf frischem Fuß zu obgedachten Pfarrer und log
-ihm mit gelehrten Worten einen solchen Haufen daher, was gestalten
-ich mich resolvieret hätte, ihm zu folgen, daß er sich sichtbarlich
-darüber freuete. Mir hätte seithero auch schon in Soest ein solcher
-englischer Ratgeber gemangelt, wann nur der Winter bald vorüber, daß
-ich fortreisen könnte. Bat ihn darneben, er wollte mir doch ferner mit
-gutem Rat beförderlich sein, auf welche Universität ich mich begeben
-sollte. Er antwortete, was ihn anbelange, so hätte er in Leyden
-studieret, mir aber wollte er nach Genf geraten haben, weil ich ein
-Hochdeutscher wäre.
-
-»Jesus Maria,« rief ich, »Genf ist weiter von meiner Heimat als Leyden!«
-
-»Was vernehme ich,« sagte er hierauf mit großer Bestürzung, »ich
-höre wohl, der Herr ist ein Papist! O mein Gott, wie finde ich mich
-betrogen!«
-
-»Wieso, wieso, Herr Pfarrer? Weil ich nicht nach Genf will?«
-
-»O nein, weil Er Mariam anrufet!«
-
-»Sollte es einem Christen nicht gebühren, die Mutter seines Erlösers zu
-nennen?«
-
-»Das wohl, aber ich vermahne und bitte Ihn so hoch als ich kann,
-Er wolle Gott die Ehre geben und mir gestehen, welcher Religion Er
-beigetan sei, dann ich zweifle sehr, daß Er dem Evangelio glaube.«
-
-»Der Herr Pfarrer höret ja wohl, daß ich ein Christ bin. Im übrigen
-gestehe ich, daß ich weder petrisch noch paulisch, sondern allein
-~simpliciter~ glaube, was die zwölf Artikul des allgemeinen, heiligen,
-christlichen Glaubens in sich halten. Ich werde mich auch zu keinem
-Teil vollkommen verpflichten, bis mich einer durch genugsame Erweisung
-persuadieret zu glauben, daß er vor den andern die rechte, wahre und
-allein seligmachende Religion habe.«
-
-»Jetzt glaube ich erst recht, daß Er ein kühnes Soldatenherz habe, sein
-Leben dran zu wagen, weil Er gleichsam ohn Religion und Gottesdienst
-auf den alten Kaiser hinein dahinleben und frevelhaftig seine Seligkeit
-in die Schanze schlagen darf. Mein Gott, wie kann ein sterblicher
-Mensch immermehr so keck sein!«
-
-»Herr Pfarrer, es sagen alle von ihrer Religion, daß sie die rechte
-sei und deren Fundamente sowohl in Natur als in der heiligen Schrift
-sonnenklar am Tage liegen. Welchem soll ich aber glauben? Vermeinet
-der Herr, es sei so ein Gerings, wann ich einem Teil, den die andern
-alle lästern und einer falschen Lehre bezüchtigen, meiner Seelen
-Seligkeit anvertraue? Er sehe doch mit unparteiischen Augen, was
-Konrad Vetter und Johannes Nas wider Lutherum, und hingegen Luther
-und die Seinigen wider den Papst, sonderlich aber Spangenberg wider
-~Franciscum~, der etliche hundert Jahr vor einen heiligen und
-gottseligen Mann gegolten, in offenem Druck ausgehen lassen. Zu welchem
-Teil soll ich mich dann tun, wann je eins das ander ausschreiet, als
-sei kein gut Haar an ihm? Sollte mir wohl jemand raten, hineinzuplumpen
-wie eine Fliege in den heißen Brei? O nein, das wird der Herr Pfarrer
-verhoffentlicht mit gutem Gewissen nicht tun können! Ich will lieber
-gar von der Straßen bleiben, als nur irr laufen. Zudem sein noch mehr
-Religionen, dann die in Europa, als die Armenier, Abessinier, Griechen,
-Gregorianer und dergleichen. Was ich vor eine davon annehme, so muß ich
-mit meinen Religionsgenossen den andern allen widersprechen.«
-
-Darauf sagte er: »Der Herr steckt in großem Irrtum, aber ich hoffe zu
-Gott, er werde Ihm aus dem Schlamm helfen, zu welchem Ende ich Ihm dann
-unsere Confession ins Künftige dergestalt aus der heiligen Schrift
-bewähren will, daß sie auch wider die Pforten der Hölle bestehen
-sollte.«
-
-Ich antwortete, dessen würde ich mit großem Verlangen gewärtig sein,
-gedachte aber bei mir selber, wann du mir nur nichts mehr von meinen
-Liebgen vorhältst, so bin ich mit deinem Glauben wohl zufrieden, und
-bis du mit deinen Beweistümern fertig bist, so bin ich vielleicht, wo
-der Pfeffer wächst.
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-Das zehent Kapitel
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-Gegen meinem Quartier über wohnete ein reformierter Obrist-Leutenant,
-der hatte eine überaus schöne Tochter, die sich ganz adelig trug. Ich
-hätte längst gern Kundschaft mit ihr gemachet, unangesehen, daß ich
-sie anfänglich allein zu lieben und auf ewig zu haben begehrete. Ich
-schenkte ihr manchen Gang und noch viel mehr liebreicher Blicke. Sie
-ward mir aber so fleißig verhütet, daß ich kein einzig Mal mit ihr
-reden konnte. So unverschämt dorfte ich auch nicht hineinplatzen, weil
-ich mit ihren Eltern keine Kundschaft hatte und mir der Ort vor einen
-Kerl von so geringem Herkommen, als mir das meinige bewußt war, viel
-zu hoch vorkam. Am allernächsten gelangte ich zu ihr, wann wir etwan
-in oder aus der Kirche gingen. Da nahm ich dann die Zeit so fleißig in
-Acht, mich ihr zu nähern, daß ich oft ein paar Seufzer anbrachte, was
-ich meisterlich konnte, obzwar sie alle aus falschem Herzen gingen.
-Hingegen nahm sie solche so kaltsinnig an, daß ich mir einbilden mußte,
-sie werde sich nicht so leicht wie eine Bürgerstochter verführen
-lassen. Indem wurden meine Begierden nach ihr nur desto heftiger.
-
-Der Stern, den die Schüler zu Hl. Dreikönig umtragen, ist es gewesen,
-der mir in ihre Wohnung geleuchtet, da ihr Vater selbst nach mir
-schickte.
-
-»Monsieur,« sagte er zu mir, »seine Neutralität zwischen Bürgern und
-Soldaten ist eine Ursache, daß ich Ihn habe zu mir bitten lassen. Ich
-will zwischen beiden Teilen eine Sache ins Werk richten, die eines
-unparteiischen Zeugen bedarf.«
-
-Ich vermeinete, er hätte was Wundergroßes im Sinn, weil Schreibzeug und
-Papier auf dem Tisch lag, bot ihm derowegen mit sondern Komplimenten
-meine bereitwilligsten Dienste an, daß ich mirs nämlich vor eine große
-Ehre halten würde, wann ich so glücklich sei, ihm beliebige Dienste zu
-leisten. Es war aber nichts andres als ein Dreikönigsfest zu machen.
-Dabei sollte ich zusehen, daß es recht zuginge, wie die Ämter ohn
-Ansehung der Personen durch das Los ausgeteilet würden. Zu diesem
-Geschäft, bei welchem des Obristen ~Secretarius~ auch war, ließ der
-Obrist-Leutenant Wein und Konfekt bringen, weil er ein trefflicher
-Zechbruder und es ohn das nach dem Nachtessen war. Der ~Secretarius~
-schrieb, ich las die Namen und die Jungfer zog die Zettel, ihre Eltern
-aber sahen zu. Sie beklagten sich über die langen Winternächte und
-gaben mir zu verstehen, daß ich, solche desto leichter zu passieren,
-wohl zu ihnen zu Licht kommen dörfte.
-
-So fing ich wieder auf ein Neues an mit der Leimstangen zu laufen und
-am Narrenseil zu ziehen, also, daß sich beide: die Jungfrau und ihre
-Eltern einbilden mußten, ich hätte den Angel geschluckt, wiewohl mirs
-nicht halber Ernst war. Ich stellete Buhlenbrieflein an meine Liebste,
-eben als ob ich hundert Meilwegs von ihr gewohnet hätte oder in viel
-Jahren erst zu ihr könne. Zuletzt machte ich mich gar zutätig, weil
-mir meine Löffelei nicht sonderlich von den Eltern gewehret, sondern
-zugemutet ward, ich sollte ihre Tochter auf der Laute lernen schlagen.
-Da hatte ich nun meinen freien Zutritt bei Tag sowohl als wie hiebevor
-des Abends, also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen:
-
- Ich und meine Fledermaus
- Fliegen nur bei Nachtzeit aus
-
-änderte und ein frommes Liedlein machte, darin ich mein Glück lobte,
-weil es mir auf so manchen guten Abend auch so freudereiche Tage
-verliehe, in denen ich in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen weiden
-und mein Herz um etwas erquicken könnte, hingegen beklagte ich meine
-Nächte. Ich sang es meiner Liebsten mit andächtigem Seufzen und einer
-lustreizenden Melodei, dabei die Laute das Ihre trefflich tät und
-gleichsam die Jungfer mit mir bat, sie wollte doch cooperieren, daß
-mir die Nächte so glücklich als die Täge bekommen möchten. Aber ich
-bekam ziemlich abschlägige Antwort, dann sie war trefflich klug und
-konnte mich auf meine Erfindungen gar höflich beschlagen. Ich nahm
-mich gleichwohl in Acht, von der Verehelichung zu schweigen, und wenn
-schon discursweis davon geredet ward, stellete ich alle meine Worte auf
-Schrauben. Welches meiner Jungfrau verheiratete Schwester bald merkte
-und dahero mir und meinem Mägdlein alle Pässe verlegte, dann sie sahe
-wohl, daß mich ihre Schwester von Herzen liebete und daß die Sache in
-die Länge kein Guttun würde.
-
-Es ist unnötig alle Torheiten meiner Löffelei umständlich zu erzählen.
-Genug, zuletzt kam es dahin, daß ich erstlich mein liebes Dingelgen zu
-küssen und endlich auch andre Narrenpossen zu tun mich erkühnen dorfte.
-Und solchen erwünschten Fortgang verfolgte ich mit allerhand Reizungen,
-bis ich bei Nacht von meiner Liebsten eingelassen ward und mich so
-hübsch zu ihr ins Bette fügte, als wann ich zu ihr gehöret hätte.
-
-Weil jedermann weiß, wie es bei derlei Kirchweih pfleget gemeiniglich
-herzugehen, so dörfte sich wohl der Leser einbilden, ich hätte etwas
-Ungebührliches begangen. Jawohl nein! Dann alle meine Gedanken waren
-umsonst. Ich fand einen solchen Widerstand, dergleichen ich nimmermehr
-bei keinem Weibsbild anzutreffen gewähnet hätte, weil ihr Absehen
-einzig und allein auf Ehre und Ehestand gerichtet war. Wenngleich ich
-ihr solchen mit den allergrausamsten Flüchen versprach, so wollte sie
-doch vor der Copulation kurzum nichts geschehen lassen. Doch gönnete
-sie mir auf ihrem Bette neben ihr liegen zu bleiben, auf welchem ich
-auch ganz ermüdet vor Unmut sanft einschlummerte.
-
-Ich ward aber gar ungestüm aufgeweckt. Dann morgens um vier Uhr stund
-der Obrist-Leutenant vorm Bette mit einer Pistole in der einen und
-einer Fackel in der andern Hand.
-
-»Krabat,« schrie er überlaut seinem Diener zu, der auch mit einem
-bloßen Säbel bei ihm stund, »geschwind, Krabat, hole den Pfaffen!«
-
-Wovon ich dann erwachte.
-
-O weh, gedachte ich, du sollst gewiß zuvor beichten, eh er dir den
-Rest gibet! Es ward mir ganz grün und gelb vor den Augen und ich wußte
-nicht, ob ich sie recht auftun sollte oder nicht.
-
-»Du leichtfertiger Geselle,« schrie er mich an, »soll ich dich finden,
-daß du mein Haus schändest! Tät ich dir unrecht, wenn ich dir und
-dieser Vettel den Hals bräche? Ach, du Bestia, wie kann ich mich doch
-nur enthalten, daß ich dir nicht das Herz aus dem Leib herausreiße und
-den Hunden vorwerfe!«
-
-Dabei biß er die Zähne zusammen und verkehrte die Augen als wie ein
-unsinnig Tier.
-
-Ich wußte nicht, was ich sollte, und meine liebe Beischläferin konnte
-nichts als weinen. Endlich, da ich mich ein wenig erholete, wollte ich
-etwas von unserer Unschuld vorbringen, er aber hieß mich das Maul
-halten. Indessen war seine Frau auch darzu gekommen, die fing eine
-nagelneue Predigt an, also daß ich wünschte, ich läge irgends in einer
-Dornhecke. Sie hätte auch in zweien Stunden nicht aufgehört, wann der
-Krabat mit dem Pfarrer nicht gekommen wäre.
-
-Wohl hatte ich, eh dieser ankam, etlichmal aufzustehen unterstanden,
-aber der Obrist-Leutenant machte mich unter bedrohlichen Mienen liegen
-bleiben, also daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein
-Kerl hat, der auf einer bösen Tat ertappt wird, und wie einem Dieb
-ums Herz wird, den man erwischt, wann er eingebrochen, obgleich er
-noch nichts gestohlen hat. Ich gedenke der lieben Zeit, wann mir der
-Obrist-Leutenant samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen wäre, daß ich
-sie alle drei zu jagen unterstanden. Aber jetzt lag ich da wie ein
-Bernheuter und hatte nicht das Herz nur das Maul, geschweige die Fäuste
-recht auf zu tun.
-
-»Sehet, Herr Pfarrer das schöne Spektakul, zu welchen ich Euch zum
-Zeugen meiner Schande berufen muß.«
-
-Und kaum hatte er diese Worte vorgebracht, so fing er wieder an zu
-wüten und das Tausendste ins Hundertste zu werfen, daß ich nichts
-anderes als vom Halsbrechen und Hände in meinem Blut waschen verstehen
-konnte. Er schaumete ums Maul wie ein Eber und stellete sich also, daß
-ich alle Augenblicke gedachte, jetzt jagt er dir eine Kugel durch den
-Kopf.
-
-Der Pfarrer aber wehrete mit Händen und Füßen, daß kein Totschlag
-geschehe, so ihn hernach reuen möchte.
-
-»Was? Herr Obrist-Leutenant, brauchet Euere hohe Vernunft und bedenkt
-das Sprüchwort, daß man zu geschehenen Dingen das beste reden soll.
-Dies schöne junge Paar, das seinesgleichen schwerlich im Lande hat, ist
-nicht das erste und nicht das letzte, so sich von den unüberwindlichen
-Kräften der Liebe hat meistern lassen. Dieser Fehler, da es anders ein
-Fehler zu nennen, den sie beide begangen, kann auch durch sie wieder
-leichtlich gebessert werden. Zwar lobe ichs nicht, sich auf diese Art
-zu verehelichen, aber gleichwohl hat dieses junge Paar hiedurch weder
-Galgen noch Rad verdient. Es ist auch keine Schande zu erwarten, wann
-der Herr Obrist-Leutenant seinen Consens zu beider Verehelichung geben
-und diese Ehe durch den gewöhnlichen Kirchgang öffentlich bestätigen
-lassen wird.«
-
-»Was! Ich wollte sie ehe morgenden Tags beide zusammen binden und in
-der Lippe ertränken lassen! In diesem Augenblick müssen sie copuliert
-sein! Deswegen habe ich Euch holen lassen!«
-
-Ich dachte, was willtu tun -- es heißt: Vogel friß oder stirb. Zudem
-ist sie eine solche Jungfrau, deren du dich nicht schämen darfst. Doch
-schwur ich und bezeugte hoch und teuer, daß wir nichts Unehrliches
-miteinander zu schaffen gehabt hätten.
-
-Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer im Bette sitzend
-zusammengegeben und, nachdem dies geschehen, aufzustehen und
-miteinander aus dem Haus zu gehen gemüßiget.
-
-Unter der Tür sagte der Obrist-Leutenant zu mir und seiner Tochter,
-wir sollten uns in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sehen lassen.
-Ich aber, da ich den Degen an meiner Seite hatte, antwortete gleichsam
-im Scherz: »Ich weiß nicht, Herr Schwehrvater, warum Er alles so
-Widersinns anstellet! Wann andre neue Eheleute copuliert werden, so
-führen sie die nächsten Verwandten schlafen. Er aber jaget mich nach
-der Copulation nicht allein aus dem Bette, sondern auch aus dem Haus.
-Und anstatt des Glücks, das Er mir in Ehestand wünschen sollte, will Er
-mich nicht so glückselig wissen, meines Schwehers Angesicht zu sehen
-und Ihm zu dienen. Wahrlich, wann dieser Brauch aufkommen sollte,
-so würden die Verehelichungen wenig Freundschaft mehr in der Welt
-stiften!« --
-
-Die Leute in meinem Losament verwunderten sich alle, da ich diese
-Jungfrau mit mir heimbrachte, und noch viel mehr da sie sahen, daß ich
-so ungescheut mit ihr schlafen ging. Dann obzwar mir dieser Posse, so
-mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so war ich doch
-so närrisch nicht, meine Braut zu verschmähen. So hatte ich zwar die
-Liebste im Arm, hingegen aber tausenderlei Gedanken, wie ich meine
-Sache heben und legen wollte. Zuweilen vermeinete ich, es wäre mir der
-allergrößte Schimpf widerfahren, welchen ich ohn billige Rache mit
-Ehren nicht verschmerzen könnte, wann ich aber besann, daß solche Rache
-wider meinen Schwehrvater und also auch wider meine unschuldige, fromme
-Liebste laufen müßte, fielen alle meine Anschläge dahin. Ich schämete
-mich so sehr.
-
-Endlich war mein Schluß, vor allen Dingen meines Schwehrvaters
-Freundschaft wieder zu gewinnen und mich im übrigen gegen jedermann an
-zu lassen, als ob mir nichts Übles widerfahren sei.
-
-In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen und schickte am allerersten
-nach meinem Schwager, hielt ihm kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt
-worden, und ersuchte ihn, er wolle seine Liebste kommen lassen, um
-etwas ausrichten zu helfen, damit ich den Leuten auch bei meiner
-Hochzeit zu essen geben könnte, er aber wolle belieben unsere Schwehr
-und Schwieger meinetwegen zu begütigen.
-
-Ich verfügte mich zum Kommandanten, dem erzählte ich mit einer
-kurzweiligen und artlichen Manier, was ich und mein Schwehrvater vor
-eine neue Mode angefangen hätten, Hochzeit zu machen, welche Gattung
-so geschwind zugehe, daß ich in einer Stunde die Heiratsabrede,
-den Kirchgang und die Hochzeit auf einmal vollzogen. Weil nun mein
-Schwehrvater die Morgensuppe gesparet hätte, wäre ich bedacht, anstatt
-deren, ehrlichen Leuten von der Specksuppen mit zu teilen, zu der ich
-untertänig einlade. Der Kommandant wollte sich meines lustigen Vortrags
-schier zu Stücken lachen. Er fragte mich, wie es mit der Heurats-Notul
-beschaffen wäre, und wie viel mir mein Schwehrvater Füchse, deren der
-alte Schabhals viel hätte, zum Heiratgut gebe. Ich antwortete, daß
-unsere Heiratsabrede nur in einem Punkt bestünde, der laute, daß ich
-und seine Tochter sich in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sollten
-sehen lassen, dieweil aber weder Zeugen noch Notarien dabeigewesen,
-hoffte ich, es solle wieder revociert werden.
-
-Mit solchen Schwänken, deren man an mir diesorts nicht gewohnt war,
-erhielt ich, daß der Kommandant samt meinem Schwehrvater, welchen er
-hiezu wohl persuadieren wollte, bei meiner Specksuppe zu erscheinen
-versprach. Er schickte auch gleich ein Faß Wein und einen Hirsch in
-meine Küchen. Ich aber ließ dergestalt zurichten, als ob ich Fürsten
-hätte tractieren wollen, brachte auch eine ansehnliche Gesellschaft
-zuwege, die sich nicht allein miteinander recht lustig machten,
-sondern auch vor allen Dingen meinen Schwehrvater und die Schwieger
-mit mir und meinem Weibe versöhneten, daß sie uns mehr Glückes
-wünschten, als sie uns die vorige Nacht fluchten. In der ganzen Stadt
-aber ward ausgesprengt, daß unsere Copulation mit Fleiß auf so fremde
-Art wäre angestellt worden, damit uns beiden kein Posse von bößen
-Leuten widerfahre. Mir war diese Hochzeit trefflich gesund, dann wann
-ich gemeinem Brauch nach über der Kanzel hätte abgeworfen werden
-sollen, so hätten sich besorglich Schleppsäcke gefunden, die mir ein
-verhinderliches Gewirr drein zu machen unterstanden.
-
-Den andern Tag traktierte mein Schwehrvater meine Hochzeitsgäste, aber
-bei weitem nicht so wohl als ich. Da ward erst mit mir geredet, was
-ich vor eine Hantierung treiben und wie ich die Haushaltung anstellen
-wollte, und ich merkte, daß ich meine edle Freiheit verloren hatte.
-
-Ich ließ mich dabei gar gehorsamlich an und begehrte zuvor meines
-lieben Schwehrvaters, als eines verständigen Kavaliers, Rat. Das lobte
-der Kommandant und sagte: »Dieweil Er ein junger, frischer Soldat ist,
-so wäre es eine große Torheit mitten in jetzigen Kriegsläuften ein
-anderes, als das Soldatenhandwerk zu treiben. Was mich anbelanget, so
-will ich Ihm ein Fähnlein geben, wann Er will.«
-
-Mein Schweher und ich bedankten uns und ich schlugs nicht mehr aus.
-Wiese aber doch dem Kommandanten des Kaufmanns Handschrift, der meinen
-Schatz zu Köln in Verwahrung hatte. »Dieses«, sagte ich, »muß ich
-zuvor holen, ehe ich schwedische Dienste nehme, dann sollte man gewahr
-werden, daß ich dem Gegenteil diene, so werden sie mir zu Köln die
-Feige weisen und das Meinige behalten.«
-
-Sie gaben mir beide recht, ward also zwischen uns dreien abgeredet,
-zugesaget und beschlossen, daß ich in wenig Tagen mich nach Köln
-begeben und nachgehends ein Fähnlein annehmen sollte.
-
-Der Kommandant versahe sich auf den künftigen Frühling einer Belägerung
-und bewarb sich dahero um gute Soldaten, sintemal der Graf von Götz
-damalen mit vielen kaiserlichen Soldaten in Westfalen lag.
-
-
-
-
-Das elfte Kapitel
-
-
-Es schicket sich ein Ding auf mancherlei Weise. Des einen Unstern kommt
-staffelweis und allgemach und einen andern überfällt der seinige mit
-Haufen. Mein Unstern aber hatte einen so süßen und angenehmen Anfang,
-daß ich mirs wohl vor das höchste Glück rechnete.
-
-Kaum über acht Tage hatte ich mit meinem lieben Weib im Ehstand
-zugebracht, da ich in meinem Jägerkleid, mit einem Feuerrohr auf der
-Achsel, von ihr und ihren Freunden Abschied nahm. Ich schlich mich
-glücklich durch, weil mir alle Wege bekannt waren, also daß mir keine
-Gefahr unterwegs aufstieß, ja ich ward von keinem Menschen gesehen, bis
-ich nachher bei Dütz, so gegen Köln über, diesseits des Rheins lieget,
-vor den Schlagbaum kam.
-
-In Köln kehrete ich bei meinem Jupiter ein, so damals ganz klug war. Er
-sagte mir aber gleich, daß ich besorglich leer Stroh dreschen würde,
-weil der Kaufmann, dem ich das Meinige aufzuheben gegeben, Bankerott
-gespielet und ausgerissen wäre. Zwar seien meine Sachen obrigkeitlich
-verpetschiert und der Kaufmann citiert worden, aber man zweifle sehr an
-seiner Wiederkunft. Bis nun die Sache erörtert würde, könne viel Wasser
-den Rhein hinunterlaufen.
-
-Wie angenehm mir diese Botschaft kam, kann jeder leicht ermessen. Ich
-fluchte ärger als ein Fuhrmann, aber was halfs! Auch hatte ich über
-zehn Taler Zehrgeld nicht zu mir genommen, daß ich also auch nicht
-so lang aushalten konnte, als die Zeit erforderte. So mußte ich auch
-besorgen, daß ich verkundschaft' würde, weil ich einer feindlichen
-Guarnison zugetan wäre. Unverrichteter Sache wollte ich aber nicht
-wieder zurück und das Meinige mutwillig dahinten lassen. So ward ich
-mit mir selber ein: Ich wollte mich in Köln aufhalten, bis die Sache
-erörtert würde, und die Ursache meines Ausbleibens meiner Liebsten
-berichten. Verfügte mich demnach zu einem ~Procurator~, der ein
-~Notarius~ war, und erzählete ihm mein Tun, bat ihn, mir um die Gebühr
-mit Rat und Tat beizuspringen. Ich wollte ihm neben dem Tax, wann er
-meine Sache beschleunigte, mit einer guten Verehrung begegnen. Er
-nahm mich gutwillig an, dann er an mir zu fischen hoffte, und dingte
-mich auch in die Kost. Darauf ging er des andern Tags mit mir zu
-denjenigen Herrn, welche die Bankerott-Sachen zu erörtern haben, gab
-die vidimierte Copie von des Kaufmanns Handschrift ein und legte das
-Original vor, worauf wir die Antwort bekamen, daß wir uns bis zur
-gänzlichen Erörterung gedulden müßten, weil nicht alle Sachen, davon
-die Handschrift sage, vorhanden wären.
-
-Also versahe ich mich des Müßiggangs wieder auf eine Zeitlang. Mein
-Kostherr war, wie gehört, ein ~Notarius~ und ~Procurator~, darneben
-hatte er ein halb Dutzend Kostgänger und hielt stets acht Pferde auf
-der Streu, welche er den Reisenden um Geld hinzuleihen pflegte, darbei
-hatte er einen deutschen und einen wällischen Knecht, die sich beides:
-zu Führen und zu Reiten gebrauchen ließen. Und weil keine Juden nach
-Köln kommen dörfen, konnte er mir allerlei Sachen desto besser wuchern.
-
-Mein ~Notarius~ zehrete von seinen Kostgängern, doch seine Kostgänger
-nicht von ihm, er hätte sich und sein Hausgesind reichlich ernähren
-können, wanns der Schindhund nur darzu hätte angewendet. Aber er
-mästete uns auf schwedisch und hielt gewaltig zurück. Ich aß anfangs
-nicht mit seinen Kostgängern, sondern mit seinen Kindern und Gesind,
-weil ich nicht viel Geld bei mir hatte. Da satzte es schmale Bißlein,
-so meinen Magen, der nunmehr zu den westfälischen Tractamenten gewöhnet
-war, ganz spanisch vorkamen. Kein gut Stück Fleisch kriegten wir auf
-den Tisch, sondern nur dasjenige, so acht Tage zuvor von der Studenten
-Tafel getragen, von denselben überall wohl benagt und nunmehr vor Alter
-so grau als Methusalem geworden war. Darüber machte dann die Kostfrau
-eine schwarze, sauere Brühe und überteufelts mit Pfeffer. Da wurden
-dann die Beiner so sauber geschleckt, daß man alsbald Schachsteine
-daraus hätte drehen können. Und doch waren sie dann noch nicht recht
-ausgenutzt, sondern sie kamen in einen hiezu verordneten Behalter,
-und wann unser Geizhals deren eine Quantität beisammen hatte, mußten
-sie erst kleingehackt und das übrige Fett bis auf das alleräußerste
-herausgesotten werden. Nicht weiß ich, wurden die Suppen daraus
-geschmälzt oder die Schuhe damit geschmieret. An den Fasttägen, deren
-mehr als genug einfielen und alle ~solenniter~ gehalten wurden, weil
-der Hausvater diesfalls gar gewissenhaft war, mußten wir uns mit
-stinkenden Bücklingen, versalzenen Polchen, faulen Stock- und andern
-abgestandenen Fischen herumbeißen, dann er kaufte alles der Wohlfeile
-nach und ließ sich die Mühe nicht dauren, zu solchem Ende selbst auf
-den Fischmarkt zu gehen und anzupacken, was die Fischer auszuschmeißen
-im Sinne hatten. Unser Brot war gemeiniglich schwarz und alt, der Trank
-aber ein dünn, saur Bier, das mir die Därme hätte zerschneiden mögen,
-und mußt doch gut abgelegen Märzbier heißen.
-
-Von dem deutschen Knecht vernahm ich, daß es Sommerszeit noch schlimmer
-hergehe, dann da sei das Brot schimmlich, das Fleisch voller Würmer
-und ihre beste Speise wäre irgends zu Mittags ein paar Rettiche und
-auf den Abend eine Handvoll Salat. Ich fragte, warum er dann bei dem
-Filz bleibe, da antwortete er mir, daß er die meiste Zeit auf der Reise
-sei, und derhalben mehr auf der Reisenden Trinkgelder als auf seinen
-Schimmel-Juden bedacht sein müßte. Er getraue seinem Weib und Kindern
-nicht im Keller, wie er sich selbsten den Tropfen Wein nicht gönne.
-
-Einsmals brachte er sechs Pfund Sülzen oder Rinderkutteln heim, das
-setzte er in seinen Speiskeller. Weil zu seiner Kinder großem Glück das
-Tagfenster offen stund, banden sie eine Eßgabel an einen Stecken und
-angelten damit die Kuttelflecke heraus, welche sie also bald in großer
-Eile verschlangen, dann sie waren gekocht. Darnach gaben sie vor, die
-Katze hätte es getan, aber der Erbsenzähler wollte es nicht glauben,
-fing derhalben die Katze, wog sie und befand, daß sie mit Haut und Haar
-nicht so schwer war, als seine Kutteln gewesen.
-
-Weil er dann so gar unverschämt handelte, begehrte ich an gemeldter
-Studenten Tafel zu essen, es koste was es wolle. Dort ging es zwar
-etwas herrlicher her, ward mir aber wenig damit geholfen, dann alle
-Speisen waren nur halb gar, was meinem Kostherrn zwiefach zu baß kam,
-erstlich am Holz, so er gesparet, und daß wir viel zurück ließen. Über
-das so dünkte mich, er zählete uns alle Mundvoll in Hals hinein und
-kratzte sich hintern Ohren, wann wir einmal recht futterten. Sein Wein
-war gewässert, der Käs, den man am Ende jeder Mahlzeit aufstellete,
-steinhart, die holländische Butter aber dermaßen versalzen, daß keiner
-über ein Lot davon auf einen Imbiß genießen konnte. Das Obst mußte man
-wohl so lang auf- und abtragen, bis es mürbe und zum essen tauglich
-war. Wann dann etwan ein oder der andere darauf stichelte, so fing
-er einen erbärmlichen Hader mit seinem Weibe an, daß wirs höreten,
-heimlich aber befahl er ihr, sie solle nur bei der alten Geigen bleiben.
-
-Einsmals brachte ihm einer seiner Klienten einen Hasen zur Verehrung,
-den sahe ich in der Speiskammer hangen und gedachte, wir würden einmal
-Wildpret essen. Aber der deutsche Knecht sagte, daß der Has uns nicht
-an den Zähnen brennen würde, ich sollte Nachmittags auf den Alten Markt
-gehen und sehen, ob er nicht dort zum Verkauf hinge. Darauf schnitt ich
-dem Hasen ein Stücklein vom Ohr. Als wir über dem Mittagsimbiß saßen,
-und unser Kostherr nicht bei uns war, erzählete ich, daß unser Geizhals
-einen Hasen zu verkaufen hätte, um den ich ihn zu betrügen gedächte,
-wann mir einer von ihnen folgen wollte. Jeder sagte ja, dann sie hätten
-unserm Wirt gern vorlängst einen Schabernack angetan.
-
-Also verfügten wir uns den Nachmittag auf den Alten Markt, da unser
-Kostherr stund, um aufzupassen, was der Verkäufer lösete. Wir sahen ihn
-bei vornehmen Leuten, mit denen er discurierte.
-
-Ich hatte nun einen Kerl angestellt, der ging zu dem Höcker, wo der
-Hase hing:
-
-»Landsmann, der Has ist mein. Ich nehme ihn als mein gestohlen Gut auf
-Recht hinweg. Er ist mir heut Nacht von meinem Fenster hinweggefischet
-worden. Läßt du ihn nicht gutwillig folgen, so gehe ich auf deine
-Gefahr und Unrechts Kosten mit dir hin, wo du wilt.«
-
-Der Unterhändler antwortete, er sollte sehen, was er zu tun hätte. Dort
-stünde ein vornehmer Herr, der ihm den Hasen zu verkaufen gegeben und
-ohn Zweifel nicht gestohlen habe.
-
-Als nun die Zween so wortwechselten, bekamen sie gleich einen Umstand,
-so unser Geizhals stracks in Acht nahm und hörete, wieviel die Glocke
-schlug. Winkte derohalben dem Unterkäufer, daß er den Hasen folgen
-lassen sollte. Mein Kerl aber wußte den Umstehenden das Stück Ohr zu
-weisen und an dem Schnitte zu messen, daß ihm jedermann recht gab.
-
-Indessen näherte ich mich auch von ungefähr mit meiner Gesellschaft,
-stund an dem Kerl, der den Hasen hatte und fing an mit ihm zu marken,
-und nachdem wir des Kaufs eins wurden, stellete ich den Hasen meinem
-Kostherrn zu mit Bitte, solchen mit sich heimzunehmen und auf unsern
-Tisch zurichten zu lassen, dem Kerl aber gab ich statt der Bezahlung
-ein Trinkgeld zu zwo Kannen Bier. Also mußte uns der Geizhals den Hasen
-wider Willen zukommen lassen und dorfte noch darzu nichts sagen. Dessen
-wir genug zu lachen hatten.
-
-
-
-
-Das vierte Buch
-
-
-
-
-Das erste Kapitel
-
-
-Allzuscharf machet schartig und wenn man den Bogen überspannet, so
-muß er endlich zerbrechen. Der Posse, den ich meinem Kostherren mit
-dem Hasen riß, war mir nicht genug. Ich lehrete seine Kostgänger, wie
-sie die versalzene Butter wässern und dadurch das überflüssige Salz
-herausziehen, den harten Käs aber wie Parmesaner schaben und mit Wein
-anfeuchten sollten, was dem Geizhals lauter Stiche ins Herz waren. Ich
-zog durch meine Kunststücke über Tisch das Wasser aus dem Wein, und
-machte ein Lied, darin ich den Geizigen einer Sau vergliche, von der
-nichts Gutes zu hoffen sei, bis sie der Metzger tot auf dem Schragen
-hätte. Dafür bezahlete er mich mit folgender Untreue.
-
-Die zween Jungen von Adel bekamen einen Wechsel und Befehl von ihren
-Eltern, sich nach Frankreich zu begeben und die Sprache zu lernen.
-Unseres Kostherren deutscher Knecht war anderwärts auf Reise und dem
-wälschen wollte er die Pferde nicht vertrauen. Er bat mich derowegen,
-ob ich ihm nicht den großen Dienst tun und beide Edelleute mit den
-Pferden nach Paris führen wollte, weil ohn das meine Sache in vier
-Wochen noch nicht erörtert werden könnte, indessen wollte er hingegen
-meine Geschäfte, wann ich ihm vollkommene Gewalt geben würde, so
-getreulich befördern, als ob ich selbst gegenwärtig wäre. Die von Adel
-ersuchten mich deswegen auch, und mein Fürwitz, Frankreich zu besehen,
-riet mir solches gleichfalls, weil ichs jetzt ohn sondere Unkosten tun
-konnte.
-
-Also macht ich mich mit diesen Edelleuten anstatt eines Postillions auf
-den Weg, auf welchem mir nichts Merkwürdiges zuhanden stieß.
-
-Da wir nach Paris kamen und bei unseres Kostherren Korrespondenten, von
-dem die Edelleute auch ihre Wechsel empfingen, einkehrten, ward ich den
-andern Tag nicht allein mit den Pferden arrestiert, sondern derjenige,
-so vorgab, mein Kostherr wäre ihm eine Summe Geldes schuldig, griffe
-mit Bewilligung des Viertels-~Commissarii~ zu und versilberte die
-Pferde. Also saß ich da wie Matz von Dresden und wußte mir selber nicht
-zu helfen viel weniger zu raten, wie ich einen so weiten Weg wieder
-zurückkommen sollte.
-
-Die von Adel bezeugeten ein groß Mitleiden mit mir und verehreten mich
-desto ehrlicher mit einem guten Trinkgeld, wollten mich auch nicht
-ehender von sich lassen, bis ich entweder einen guten Herrn oder eine
-Gelegenheit hätte wieder nach Deutschland zu kommen. Ich hielt mich
-etliche Tage in ihrem Losament, weil ich den einen, so etwas unpäßlich
-war, auswartete. Demnach ich mich so fein anließ, schenkte er mir sein
-Kleid, dann er sich auf die neue Mode kleiden ließ.
-
-Als ich nun in Zweifel stund, was ich tun sollte, hörete mich einsmals
-der ~Medicus~, so meinen kranken Junker kurieret, auf der Laute
-schlagen und ein deutsch Liedlein darein singen. Das gefiele ihm so
-wohl, daß er mir eine gute Bestallung anbot samt seinem Tisch, da ich
-mich zu ihm begeben und seine zween Söhne unterrichten wollte, dann
-er wußte schon besser, wie mein Handel stund, als ich selbst und, daß
-ich einen guten Herrn nicht ausschlagen würde. Ich verdingte mich aber
-nicht länger als von einem Vierteljahr zum andern.
-
-Dieser Doktor redete so gut deutsch als ich und italienisch wie seine
-Muttersprache. Als ich nun die Letze mit meinen Edelleuten zehrte, war
-er auch dabei. Mir gingen üble Grillen im Kopf herum, dann da lag mir
-mein frischgenommen Weib, mein versprochen Fähnlein und mein Schatz
-in Köln im Sinn, von welchem allem ich mich so leichtfertig hinweg zu
-begeben hatte bereden lassen. Ich sagte auch über den Tisch: »Wer weiß,
-ob vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hierher praktizieret,
-damit er das Meinige zu Köln erheben und behalten möge.«
-
-Der Doktor meinte, das könne wohl sein, vornehmlich wann ich ein Kerl
-von geringem Herkommen sei.
-
-»Nein,« antwortete der eine Edelmann, »wann er zu solchem Ende hierher
-geschickt worden ist, daß er hier bleiben solle, so ists darum
-geschehen, weil er ihm seines Geizes wegen soviel Drangsal antäte.«
-
-Der Doktor sagte: »Es sei geschehen, aus was vor einer Ursache es
-wolle, so lasse ich wohl gelten, daß die Sache so angestellt worden,
-daß Er hier bleiben muß. Er lasse sich aber das nicht irren. Ich will
-Ihm schon wieder mit guter Gelegenheit nach Deutschland verhelfen.
-Er schreibe dem ~Notarius~ nur, daß er den Schatz wohl beachte,
-sonst werde er scharfe Rechenschaft geben müssen. Es gibet mir einen
-Argwohn, daß es ein angestellter Handel sei, weil derjenige, so sich
-vor den ~Creditor~ dargegeben, Eures Kostherren und seines hiesigen
-Korrespondenten sehr guter Freund ist.«
-
-~Monsigneur Canard~, so hieß mein neuer Herr, erbot sich mir mit
-Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich des Meinigen zu Köln nicht
-verlustig würde, dann er sahe wohl, daß ich traurig war. In seiner
-Wohnung begehrete er, ich sollte ihm erzählen, wie meine Sachen
-beschaffen wären. Ich gab mich vor einen armen deutschen Edelmann
-aus, der weder Vater noch Mutter, sondern nur etliche Verwandte in
-einer Festung hätte, darin schwedische Guarnison läge, welches ich vor
-meinem Kostherrn und denen von Adel verborgen hätte, damit sie das
-Meinige als ein Gut, so dem Feinde zuständig, nicht an sich zögen.
-Meine Meinung wäre, ich wollte dem Kommandanten der Festung schreiben,
-als unter dessen Regiment ich die Stelle eines Fähnrichs hätte, und
-ihm berichten, was gestalten ich hierher praktiziert worden, ihn
-auch bitten, sich des Meinigen habhaft zu machen und indessen meinen
-Freunden zuzustellen.
-
-~Canard~ befand mein Vorhaben ratsam und versprach mir die Schreiben an
-ihren Ort zu bestellen, und sollten sie gleich nach Mexiko oder China
-lauten.
-
-Demnach schrieb ich an meine Liebste, an meinen Schwehervater und
-den Obristen ~de S. A.~, Kommandanten in L., an welchen ich auch das
-~Copert~ richtete und ihm die übrigen beiden beischloß: Ich wollte mich
-mit ehisten wieder einstellen, dann ich nur die Mittel in die Hand
-kriegte, eine so weite Reise zu vollenden. Er und mein Schweher möchten
-vermittels der ~Militiae~ das Meinige zu bekommen unterstehen, eh Gras
-darüber wüchse. Darneben berichtete ich, wieviel es an Gold, Silber und
-Kleinodien sei. -- Solche Briefe verfertigte ich ~in duplo~, ein Teil
-bestellete ~Mons. Canard~, den andern gab ich auf die Post, damit eins
-desto gewisser einliefe.
-
-Also ward ich wieder fröhlich und ich instruierte meines Herrn zween
-Söhne desto leichter. Die wurden wie die Prinzen erzogen, dann weil
-~Mons. Canard~ sehr reich als auch überaus hoffärtig war, wollte er
-sich sehen lassen. Welche Krankheit er von großen Herren an sich
-genommen, weil er täglich mit Fürsten umging und ihnen alles nachäffte.
-
-Sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in welcher kein anderer
-Mangel erschien, als daß man ihn nicht auch einen gnädigen Herrn
-nannte. Einen ~Marquis~, da ihn etwan einer besuchen kam, traktierte er
-nicht höher als seinesgleichen. So teilete er zwar auch geringen Leuten
-von seinen Arzeneien mit, nahm aber kein geringstes Geld von ihnen,
-sondern schenkte ihnen eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen
-Namen haben möchte.
-
-Weil ich ziemlich ~curiös~ war und wußte, daß er mit meiner Person
-prangte, als weil ich auch stets in seinem Laboratorio ihm arzeneien
-half, davon ich einigermaßen vertraut mit ihm ward, fragte ich ihn
-einsmals, warum er sich nicht von seinem adeligen Sitz her schreibe,
-den er neulich nahend Paris um 20000 Kronen gekauft, ~item~ warum
-er lauter Doktores aus seinen Söhnen zu machen gedenke und sie so
-streng studieren lasse, ob nicht besser wäre, daß er ihnen, wie andern
-Kavaliers, irgend Ämter kaufe und sie also vollkommen in den adeligen
-Stand treten lasse, den sie durch den Landsitz schon namensweis
-erworben hätten.
-
-»Nein,« sagte er, »wann ich zu einem Fürsten komme, so heißt es: Herr
-Doktor, setze Er sich nieder. Zum Edelmann aber wird gesagt: Wart auf!«
-
-Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß ein Arzt dreierlei
-Angesichter hat: Das erste eines Engels, wann ihn der Kranke ansichtig
-wird, das ander eines Gottes, wann er hilft, das dritte eines Teufels,
-wann man gesund ist und ihn wieder abschafft. Also währet solche Ehrung
-nicht länger, als solang dem Kranken der Wind im Leib herumgeht, höret
-das Rumpeln auf, so hat die Ehre ein Ende und heißt alsdann auch:
-Doktor, vor der Tür ist's dein! Der Edelmann kommt aber niemals von des
-Prinzen Seite. Auch hat der Herr Doktor neulich etwas von einem Fürsten
-in den Mund genommen und demselben seinen Geschmack abgewinnen müssen,
-da wollte ich lieber zehn Jahre stehen und aufwarten, als ich eines
-andern Kot versuchete und wanngleich man mich auf Rosen setzte.«
-
-Er antwortete: »Das muß ich nicht tun, sondern tus gern. Wann der Fürst
-sieht, wie sauer michs ankommt, seinen Zustand recht zu erkunden, wird
-meine Verehrung desto größer. Und warum sollte ich dessen Kot nicht
-versuchen, der mir etlich hundert Dukaten dafür zum Lohn gibet? Ihr
-redet von der Sache wie ein Deutscher. Wann Ihr aber einer andern
-Nation wäret, so wollet ich sagen, Ihr hättet geredet wie ein Narr.«
-
-Mit dieser Sentenz nahm ich vorlieb.
-
-
-
-
-Das ander Kapitel
-
-
-~Mons. Canard~ hatte täglich viel Schmarotzer und hielt gleichsam eine
-freie Tafel. Einsmals besuchte ihn des Königs Zeremonienmeister und
-andere vornehme Personen vom Hof, denen er eine fürstliche Collation
-darreichte. Damit er nun denselben seinen allergeneigtesten Willen
-erzeugte und ihnen alle Lust machte, begehrete er, ich wolle ihm
-zu Ehren und der ansehnlichen Gesellschaft zu Gefallen ein deutsch
-Liedlein in meine Laute hören lassen. Ich folgte gern, weil ich eben in
-Laune war und befliß mich derhalben, das beste Geschirr zu machen.
-
-Daran fanden die Anwesenden ein solch Ergötzen, daß der
-Zeremonienmeister sagte, es wäre immer schade, daß ich nicht die
-franzsche Sprache könnte, er wollte mich trefflich wohl beim König und
-der Königin anbringen.
-
-Mein Herr besorgte, ich möchte ihm aus seinen Diensten entzuckt werden
-und antwortete, ich sei einer von Adel, der nicht lange in Frankreich
-zu verbleiben gedächte, würde mich demnach schwerlich vor einen
-Musikanten gebrauchen lassen.
-
-Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er seine Tage nicht eine so
-seltene Schönheit, eine so klare Stimme und einen so künstlichen
-Lautenisten in einer Person gefunden. Es sollte ehist vorm König
-in ~Louvre~ eine ~Comoedia~ gespielet werden, wann er mich darzu
-gebrauchen könnte, so verhoffe er große Ehre mit mir einzulegen. Das
-hielt mir ~Mons. Canard~ vor, und ich antwortete, wann man mir sagete,
-was vor eine Person ich darstellen und was vor ein Lied ich in meine
-Laute singen sollte, so könnte ich ja beides: Melodeien und Lieder
-auswendig lernen, wannschon sie in franzscher Sprache wären. Als mich
-der Zeremonienmeister so willig sahe, mußte ich ihm versprechen den
-andern Tag in ~Louvre~ zu kommen, um zu probieren. Also stellete ich
-mich ein. Die Melodeien schlug ich gleich perfekt auf dem Instrument,
-weil ich das Tabulaturbuch vor mir hatte. Die franzschen Lieder, welche
-mir zugleich verdeutscht wurden, kamen mich gar nicht schwer an, also
-daß ichs eher konnte, als sichs jemand versahe.
-
-Ich habe die Zeit meines Lebens keinen so angenehmen Tag gehabt, als
-mir derjenige war, an welchem die ~Comoedia~ gespielet ward. ~Mons.
-Canard~ gab mir etwas ein, meine Stimme desto klärer zu machen; da er
-aber meine Schönheit mit ~oleo talci~ erhöhen und meine halbkrausen
-Haare, die vor Schwärze glitzerten, verpudern wollte, fand er, daß er
-mich dadurch nur entstellet hätte.
-
-Ich ward mit einem Lorbeerkranz gekrönt und in ein antiquisch meergrün
-Kleid angetan, in welchem man mir den ganzen Hals, den Oberteil der
-Brust, die Arme bis hinter die Ellenbogen und die Knie von den halben
-Schenkeln an bis auf die halben Waden nackend und bloß sehen konnte. Um
-solches schlug ich einen leibfarbenen taffeten Mantel, der sich mehr
-einem Feldzeichen vergliche. In solchem Kleid löffelte ich um meine
-~Eurydice~, rufte die ~Venus~ mit einem schönen Liedlein um Beistand
-an und brachte endlich meine Liebste davon. In welchem Akt ich mich
-trefflich zu stellen und meine Liebste mit Seufzen und spielenden Augen
-anzublicken wußte.
-
-Nachdem ich aber meine ~Eurydice~ verloren, zog ich ein ganz schwarz
-Habit an, auf die vorige Mode gemacht, aus welchem meine weiße Haut
-hervorschien wie Schnee. In solchem beklagte ich meine verlorene
-Liebste und bildete mir die Sache so erbärmlich ein, daß mir mitten
-in meinen traurigen Liedern und Melodeien die Tränen herausruckten.
-Bis ich vor ~Plutonem~ und ~Proserpinam~ in die Hölle kam, stellete
-ich denselben in einem sehr beweglichen Liede die Liebe vor, so wir
-beide zusammen trügen, bat mit den allerandächtigsten Gebärden, und
-zwar alles in die Harfe singend, sie sollten mir die ~Eurydice~ wieder
-zukommen lassen, und bedankte, nachdem ich das Jawort erhalten, mit
-einem Liede, wußte dabei das Angesicht, samt Gebärden und Stimme so
-fröhlich zu verkehren, daß sich alle Anwesenden darüber verwunderten.
-Da ich aber meine ~Eurydice~ wieder unversehens verlor, fing ich an,
-auf einem Felsen sitzend, den Verlust mit erbärmlichsten Worten und
-einer traurigen Melodei zu beklagen und alle Kreaturen um Mitleiden
-anzurufen. Darauf stellten sich allerhand zahme und wilde Tiere,
-Berge, Bäume und dergleichen bei mir ein, also daß es in Wahrheit ein
-Ansehen hatte, als ob alles mit Zauberei übernatürlicher Weise wäre
-zugerichtet worden. Da ich aber zuletzt allen Weibern abgesagt und von
-den Bacchantinnen erwürget und ins Wasser geworfen ward, daß man nur
-meinen Kopf sahe, sollte mich ein erschröcklicher Drache benagen. Der
-Kerl aber so im Drachen stak, denselben zu regieren, konnte meinen Kopf
-nicht sehen und ließ das Drachenmaul neben dem meinigen grasen. Solches
-kam mir lächerlich vor, daß ich mir nicht abbrechen konnte, darüber zu
-schmollen, welches die Damen, so mich gar wohl betrachteten, in Acht
-nahmen.
-
-Von dieser ~Comoedia~ bekam ich neben dem Lob nicht allein eine
-treffliche Verehrung, sondern auch einen andern Namen, indem mich
-forthin die Franzosen nicht anders als ~Beau Alman~ nannten. Es wurden
-noch mehr dergleichen Spiele und Ballett gehalten, in welchen ich
-mich gebrauchen ließ. Ich befand aber zuletzt, daß ich von den andern
-geneidet ward, weil ich die Augen der Zuseher, sonderlich der Weiber,
-gewaltig auf mich zog. Tät mich derowegen ab, maßen ich einsmals
-ziemlich Stöße kriegte, da ich als ein ~Herkules~, gleichsam nackend in
-einer Löwenhaut, mit dem Flußgott ~Achelous~ um die ~Deianira~ kämpfte,
-da er mir's gröber machte, als in einem Spiel Gebrauch ist. --
-
-Einsmals kam ein Lakai, der sprach meinen ~Mons. Canard~ an und
-brachte ihm ein Brieflein, eben als ich in seinem Laboratorio über
-alchimistischer Arbeit saß, dann ich hatte aus Lust bei meinem Doktor
-manchen chimischen Prozeß gefördert mit Resolvieren, Sublimieren,
-Kalcinieren, Digerieren und unzählig vielen andern Praktiken.
-
-»~Monsieur Beau Alman~,« rief der Doktor, »das Schreiben betrifft Euch.
-Es schicket ein vornehmer Herr, Ihr wollet gleich zu ihm kommen, daß
-er Euch ansprechen könnte, ob Euch nicht beliebe, seinen Sohn auf der
-Laute zu informieren. Er bittet mit sehr courtoisen Versprechen, daß
-ich Euch zurede, Ihr wollet ihm diesen Gang nicht abschlagen.«
-
-Ich antwortete: »Wann ich Euretwegen jemand dienen könnte, so will ich
-am Fleiße nicht sparen.«
-
-Darauf sagte er, ich solle mich anders anziehen, indessen wolle er mir
-etwas zu essen machen, dann ich hätte einen ziemlich weiten Weg zu
-gehen.
-
-Also putzte ich mich und verschluckte in Eil etwas von den Gerichten,
-sonderlich aber ein paar kleiner delikater Würstlein, welche mir zwar,
-als mich deuchte, ziemlich stark apothekerten. Ging demnach mit
-gedachtem Lakai durch seltsame Umwege eine Stunde lang, bis wir gegen
-Abend an eine Gartentür kamen, die nur zugelehnt war. Der Lakai stieß
-sie vollends auf und schlug sie hinter uns zu, führete mich nachgehends
-in ein Lusthaus, so in einer Ecke des Gartens stund. Nachdem wir
-einen ziemlich langen Gang passierten, klopfte er vor einer Tür, so
-von einer alten adeligen Dame stracks aufgemachet ward. Diese hieß
-mich in deutscher Sprache sehr höflich willkommen und zu ihr vollends
-hineintreten. Der Lakai aber, so kein Deutsch konnte, nahm mit tiefer
-Reverenz Abschied.
-
-Die Alte führte mich bei der Hand vollends in das Zimmer, das rundumher
-mit köstlichen Tapeten behängt und sonsten auch schön gezieret war. Sie
-hieß mich niedersitzen, damit ich verschnaufen und zugleich vernehmen
-könnte, aus was Ursachen ich an diesen Ort geholet worden.
-
-Ich folgte gern und satzte mich auf einen Sessel, den sie mir zum Feuer
-stellete, sie aber ließ sich neben mir auf einen andern nieder und
-sagte:
-
-»~Monsieur~, wann Er etwas von den Kräften der Liebe weiß, daß nämlich
-solche die allertapfersten, stärksten und klügsten Männer überwältige
-und zu beherrschen pflege, so wird Er sich umso viel mehr desto weniger
-verwundern, wann dieselbe auch ein schwaches Weibsbild meistert. Er
-ist nicht der Laute halber, wie man Ihn und ~Mon. Canard~ überredet
-hat, von einem Herrn, aber wohl seiner übertrefflichen Schönheit halber
-von der allervortrefflichsten Dame in Paris hierher berufen worden.
-Sie versiehet sich allbereits des Todes, so sie nicht bald des Herren
-überirdische Gestalt zu beschauen und sich daran zu erquicken das Glück
-haben sollte. Derowegen hat sie mir befohlen, dem Herrn, als meinem
-Landsmann, solches anzuzeigen und ihn höher zu bitten als ~Venus~
-ihren ~Adonis~, daß er diesen Abend sich bei ihr einfinden und seine
-Schönheit genugsam von ihr betrachten lasse, welches er ihr hoffentlich
-als einer vornehmen Dame nicht abschlagen wird.«
-
-Ich antwortete: »~Madame~, ich weiß nicht, was ich denken, viel weniger
-hierauf sagen soll. Ich erkenne mich nicht darnach beschaffen zu sein,
-daß eine Dame von so hoher Qualität nach meiner Wenigkeit verlangen
-sollte. Wann die Dame, so mich zu sehen begehret, so vortrefflich und
-vornehm sei, als mir meine hochgeehrte Frau Landsmännin vorbringt, so
-hätte sie wohl bei früher Tageszeit nach mir schicken dörfen und mich
-nicht erst hierher an diesen einsamen Ort bei so spätem Abend berufen.
-Was habe ich in diesem Garten zu tun? Meine Landsmännin vergebe, wann
-ich als verlassener Fremder in die Forcht gerate, man wolle mich auch
-sonst hintergehen. Sollte ich aber merken, daß man mir so verräterisch
-mit bösen Tücken an den Leib wollte, würde ich vor meinem Tode den
-Degen zu gebrauchen wissen.«
-
-»Sachte, sachte, mein hochgeehrter Herr Landsmann, Er lasse diese
-unmutigen Gedanken aus dem Sinn. Die Weibsbilder sind seltsam und
-vorsichtig in ihren Anschlägen, daß man sich nicht gleich anfangs so
-leicht darein schicken kann. Wann diejenige, die Ihn über alles liebet,
-gern hätte, daß Er Wissenschaft von ihrer Person haben sollte, so hätte
-sie Ihn freilich nicht erst hierher, sondern den geraden Weg zu sich
-kommen lassen. Dort liegt eine Kappe, die muß der Herr ohndas erst
-aufsetzen, wann Er zu ihr geführt wird, weil sie auch sogar nicht will,
-daß Er den Ort, geschweige, bei wem er gesteckt, wissen sollte. Bitte
-und ermahne demnach den Herrn so hoch als ich immer kann, Er zeige
-sich gegen diese Dame so, wie es ihre Hoheit als auch ihre gegen Ihn
-tragende unaussprechliche Liebe meritiert. Anders wolle Er gewärtig
-sein, daß sie mächtig genug sei, seinen Hochmut und Verachtung auch in
-diesem Augenblick zu strafen.«
-
-Es ward allgemach finster und ich hatte allerhand Sorgen und forchtsame
-Gedanken, also daß ich wie ein geschnitzt Bild dasaß. Konnte mir wohl
-auch einbilden, daß ich diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen
-könnte. So willigte ich denn in alles, so man mir zumutete, und sagte
-der Alten: »Wenn ihm dann so ist, wie Sie vorgebracht, so vertraue ich
-meine Person Ihrer angeborenen deutschen Redlichkeit, der Hoffnung, sie
-werde nicht zulassen, daß einem unschuldigen Deutschen eine Untreue
-widerführe. Sie vollbringe also, was Ihr befohlen.«
-
-»Ei, behüte Gott, Er wird mehr Ergötzen finden, als Er sich hat sein
-Tag niemals einbilden dörfen!«
-
-Sie rief: ~Jean~, ~Pierre~! -- alsobald traten diese in vollem,
-blanken Küraß, vom Scheitel bis auf die Fußsohle gewaffnet, mit einer
-Hellebarden und Pistolen in Händen, hinter einer Tapezerei herfür.
-Davon ich dergestalt erschrak, daß ich mich entfärbte. Die Alte ward
-solches lächelnd gewahr.
-
-»Man muß sich nicht förchten, wenn man zum Frauenzimmer gehet.«
-
-Sie befahl den beiden ihren Harnisch abzulegen, die Laterne zu nehmen
-und nur mit ihren Pistolen zu folgen. Demnach streifte sie mir die
-schwarze Sammetkappe über den Kopf und führete mich an der Hand durch
-seltsame Wege.
-
-Ich spürte wohl, daß ich durch viel Türen und auch über einen
-gepflasterten Weg passierte. Endlich mußte ich etwan eine halbe
-Viertelstunde eine kleine steinerne Stiege steigen, da tät sich ein
-Türlein auf, von dannen kam ich über einen belegten Gang und mußte eine
-Wendelstiege hinauf, folgends etliche Staffeln wieder hinab, allda sich
-etwa sechs Schritte weiters eine Tür öffnete.
-
-Als ich endlich durch solche kam, zog mir die Alte die Kappe wieder
-herunter. Da befand ich mich in einem Saal, der überaus zierlich
-aufgeputzt war. Die Wände waren mit schönen Gemälden, der Tresor mit
-Silbergeschirr und das Bette, so darin stund, mit Umhängen von göldenen
-Stücken gezieret. In der Mitten stund der Tisch, prächtig gedeckt, und
-bei dem Feuer befand sich eine Badewanne, die wohl hübsch war, aber
-meinem Bedünken nach schändete sie den ganzen Saal.
-
-Die Alte sagte zu mir: »Nun willkommen, Herr Landsmann, kann Er noch
-sagen, daß man Ihn mit Verräterei hintergehe? Er lege nur allen Unmut
-ab und erzeige sich wie neulich auf dem Theatro, da er seine ~Eurydice~
-wieder erhielt. Er wird hier, ich versichere, eine schönere antreffen,
-als Er dort eine verloren.«
-
-
-
-
-Das dritte Kapitel
-
-
-Ich merkte schon an diesen Worten, daß ich mich nicht nur an diesem
-Ort beschauen lassen, sondern noch gar was anderes tun sollte. Sagte
-derowegen zu der Alten:
-
-»Es ist einem Durstigen wenig damit geholfen, wann er bei einem
-verbotenen Brunnen sitzt.«
-
-Sie antwortete, man sei in Frankreich und also nicht so mißgünstig, daß
-man einem das Wasser verbiete, sonderlich, wo dessen ein Überfluß sei.
-
-»Ja,« sagte ich, »Sie saget mir wohl davon, wann ich nicht schon
-verheiratet wäre.«
-
-»Das sind Possen,« meinte das gottlose Weib, »man wird Euch solches
-nicht glauben, dann die verehelichten Kavaliers ziehen selten nach
-Frankreich. Und wenngleich dem so wäre, kann ich nicht glauben, daß
-der Herr so albern sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden
-Brunnen zu trinken.«
-
-Dies war unser Diskurs, dieweil mir eine adelige Jungfer, so das Feuer
-pflegte, Schuhe und Strümpfe auszog, die ich überall im Finstern
-besudelt hatte, wie dann Paris ohn das eine sehr kotige Stadt ist.
-
-Gleich darauf kam Befehl, daß man mich noch vor dem Essen baden sollte,
-dann bemeldtes Jungfräulein ging ab und zu und brachte Badezeug, so
-alles nach Bisem und wohlriechender Seife duftete. Das leinen Gerät war
-von reinstem Kammertuch und mit teueren holländischen Spitzen besetzt.
-
-Ich wollte mich schämen und vor der Alten nicht nackend sehen lassen,
-aber es half nichts, ich mußte dran und mich von ihr ausreiben lassen,
-das Jungfergen mußte eine Weile abtreten.
-
-Nach dem Bad ward mir ein zartes Hemd gegeben und ein köstlicher
-Schlafpelz von veielblauem Taffet angelegt, samt ein Paar Strümpfen von
-gleicher Farbe. So war meine Schlafhaube samt den Pantoffeln mit Gold
-und Perlen gestickt, also daß ich nach dem Bad dort saß zu protzen wie
-der Herzkönig.
-
-Indessen mir nun meine Alte das Haar trücknete und kämpelte trug
-mehrgemeldtes Jungfergen die Speisen auf, und nachdem der Tisch
-überstellet war, traten drei heroische Damen in den Saal, welche
-ihre Alabasterbrüstlein zwar ziemlich weit entblößt trugen, vor den
-Angesichtern aber ganz vermaskiert waren.
-
-Sie dünkten mich alle drei vortrefflich schön zu sein, aber doch war
-eine viel schöner als die andern. Ich machte ihnen ganz stillschweigend
-einen Bückling und sie bedankten sich mit der gleichen Zeremonie,
-welches natürlich aussahe, als ob etliche Stumme beieinander seien. Sie
-satzten sich alle drei zugleich, daß ich nicht erraten konnte, welche
-die Vornehmste gewesen.
-
-Der ersten Rede war, ob ich nicht französisch könnte. Meine Landsmännin
-sagte nein. Hierauf befahl ihr die andre, sie solle mir sagen, ich
-wollte belieben niederzusitzen. Dann bedeutete die Dritte der Alten,
-sie solle sich auch setzen. Woraus ich abermal nicht abnehmen konnte,
-welche die Vornehmste unter ihnen war.
-
-Ich saß neben dem alten Gerippe und sie blickten mich alle drei sehr
-anmütig, lieb- und huldreich an, und ich dörfte schwören, daß sie viel
-hundert Seufzer gehen ließen.
-
-Meine Alte fragte mich, welche ich unter den dreien vor die Schönste
-hielte. Ich antwortete, daß einem die Wahl wehe tue. Hierüber fing sie
-an zu lachen, daß man alle vier Zähne sahe, die sie noch im Maul hatte,
-und sagte: »Warum das?«
-
-»Soviel ich sehe, sein alle drei nit häßlich.«
-
-Dieses ward die Alte gefragt und sie log darzu, ich hätte gesagt, einer
-jeden Mund wäre hunderttausend Mal Küssens wert, dann ich konnte ihre
-Mäuler unter den Masken wohl sehen. Ich stellete mich unter all diesem
-Diskurs über Tisch, als ob ich kein Wort französisch verstünde.
-
-Weil es nun so still herging, machten wir desto früher Feierabend. Die
-Damen wünschten eine gute Nacht und gingen ihres Wegs, ich durfte aber
-das Geleite nicht weiter als bis an die Tür geben, so die Alte gleich
-nach ihnen zuriegelte.
-
-Ich fragte, wo ich dann schlafen müßte. Sie sagte, ich müßte bei ihr in
-gegenwärtigem Bette vorlieb nehmen. Ich meinte das Bette wäre immerhin
-gut genug.
-
-Indem wir so plauderten, zog eine schöne Dame den Bettvorhang etwas
-zurück und sagte der Alten, sie solle aufhören zu schwätzen und
-schlafen gehen. Stracks nahm ich ihr das Licht und wollte sehen, wer im
-Bette läge. Sie aber löschte solches aus.
-
-»Herr, wann Ihm sein Kopf lieb ist, so unterstehe er sich dessen
-nicht, was Er im Sinne hat. Er sei versichert, da Er im Ernst sich
-bemühen wird, diese Dame wider ihren Willen zu sehen, daß Er nimmermehr
-lebendig von hinnen kommt.«
-
-Damit ging sie durch und beschloß die Tür. Die Jungfer aber, so dem
-Feur gewartet, löschte es vollends aus und ging hinter einer Tapezerei
-durch eine verborgene Tür hinweg.
-
-»~Allez, monsieur Beau Aleman~, geh slaff mein 'erz, gomm, rick su mir!«
-
-Soviel hatte ihr die Alte Deutsch gelernet. Ich begab mich zum Bette,
-zu sehen, wie dann dem Ding zu helfen sein möchte, sobald ich aber
-hinzu kam, fiel sie mir um den Hals und bisse mir vor Hitze schier die
-unter Lefzen herab, ja, sie fing an das Hemd gleichsam zu zerreißen,
-zog mich also zu sich und stellete sich vor unsinniger Liebe also an,
-daß nicht auszusagen.
-
-Sie konnte nichts anders Deutsch als: Rick su mir, mein 'erz! -- das
-übrige gab sie sonst zu verstehen.
-
-Ich dachte zwar heim an meine Liebste, aber was half es. Ich war leider
-ein Mensch und fand eine so wohlproportionierte Kreatur, daß ich ein
-Holzblock hätte sein müssen. --
-
-Dergestalt brachte ich acht Täge an diesem Orte zu. Nach geendigter
-Zeit satzte man mich im Hof mit verbundenen Augen in eine zugemachte
-Kutsche zu meiner Alten, die mir unterwegs die Augen wieder aufband.
-Man führete mich in meines Herren Hof, und die Kutsche fuhr wieder
-schnell hinweg. Meine Verehrung waren zweihundert Dukaten, und da ich
-die Alte fragte, ob ich niemand kein Trinkgeld davon geben könnte,
-sagte sie, bei Leibe nicht!
-
-Nachgehends bekam ich noch mehr dergleichen Kunden, welche es mir
-endlich so grob machten, daß ich der Narrenposse ganz überdrüssig ward.
-
-Auch fing ich an und ging in mich selber, nicht zwar aus Gottseligkeit
-oder Trieb meines Gewissens, sondern aus Sorge, daß ich einmal auf
-solch einer Kirchweih erdappt und nach Verdienst bezahlt würde. An
-Geld und andern Sachen hatte ich so viel Verehrungen zusammen, daß mir
-Angst dabei ward und ich mich nicht mehr verwunderte, daß sich die
-Weibsbilder aus dieser viehischen Unfläterei ein Handwerk machen.
-
-Derhalben trachtete ich wieder nach Deutschland zu kommen und das
-umso viel mehr, weil der Kommandant zu L. mir geschrieben hatte, daß
-er etliche kölnische Kaufleute bei den Köpfen gekriegt, die er nit
-aus den Händen lassen wollte, es seien ihm dann meine Sachen zuvor
-eingehändiget, ~item~ daß er mir das versprochene Fähnlein aufhalte und
-meiner noch im Frühling gewärtig sei, dann sonst müßte er die Stelle
-mit einem andern besetzen.
-
-So schickte mir mein Weib auch ein Brieflein darbei, das voll
-liebreicher Bezeugung ihres großen Verlangens war. Hätte sie aber
-gewußt, wie ich so ehrbar gelebet, so sollte sie mir wohl einen andern
-Gruß hineingesetzt haben.
-
-Ich konnte mir wohl einbilden, daß ich mit ~Monsignore Canards~
-Einwilligung schwer hinweg käme, gedachte derhalben heimlich durch zu
-gehen. Und als ich einsmals etliche Offizierer von der weimarischen
-Armee antraf, gab ich mich ihnen als Fähnrich von des Obristen ~de
-S. A.~ Regiment zu erkennen mit Bitte, sie wollten mich in ihrer
-Gesellschaft als Reisegefährten mitnehmen, da ich meiner Geschäfte
-in Paris ledig sei. Also eröffneten sie mir den Tag ihres Aufbruches
-und nahmen mich willig mit. An ~Mons. Canard~ schrieb ich aber zurück
-und datierte zu Mastrich, damit er meinen sollte, ich wäre auf Köln
-gegangen, und nahm meinen Abschied mit Vermelden, daß mir unmöglich
-gewesen länger zu bleiben, weil ich seine aromatischen Würstlein nicht
-mehr hätte verdauen können.
-
-Im zweiten Nachtläger von Paris aus ward mir wie einem, der den Rotlauf
-bekommt. Mein Kopf tät mir so grausam weh, daß mir unmöglich war
-aufzustehen. Ich lag in einem gar schlechten Dorf, darin ich keinen
-~Medicum~ haben konnte, und was das ärgste war, so hatte ich auch
-niemand, der meiner wartete, dann die Offizierer reisten des Morgens
-früh ihres Weges fort gegen den Elsaß zu. Sie ließen mich als einen,
-der sie nichts anginge, gleichsam todkrank daliegen. Doch hinterließen
-sie bei dem Schulzen, daß er mich als einen Kriegsoffizier, der dem
-König diene, beobachten sollte.
-
-Also lag ich ein paar Tage dort, daß ich nichts von mir selber
-wußte, sondern wie ein Hirnschelliger fabelte. Man brachte den
-Pfaffen, derselbe konnte aber nichts Verständiges von mir vernehmen.
-Doch gedachte er auf Mittel, mir nach Vermögen zu Hilfe zu kommen,
-allermaßen er mir eine Ader öffnen, einen Schweißtrank eingeben und
-mich in ein warmes Bette legen ließ, zu schwitzen. Das bekam mir so
-wohl, daß ich mich in derselben Nacht wieder besann, wo ich war.
-
-Am folgenden Tag fand mich der Pfaffe ganz desperat, dieweil mir nicht
-allein all mein Geld, es waren fünf hundert Dublonen, entführt war,
-sondern auch ich nicht anders vermeinte, als hätte ich ~salva venia~
-die lieben Franzosenblatteren, weil sie mir billiger als die Dublonen
-gebühreten. Ich war auch über den ganzen Leib so voller Flecken als wie
-ein Tieger, konnte weder gehen, stehen, sitzen, liegen und war auch
-keine Geduld bei mir. Ja, ich stellete mich nicht anders, als ob ich
-ganz hätte verzweifeln wollen, daß also der gute Pfarrer genug an mir
-zu trösten hatte, weil mich der Schuh an zweien Orten so heftig druckte.
-
-»Nach dem Geld fragte ich nichts, wann ich nur diese abscheuliche,
-verfluchte Krankheit nicht am Hals hätte oder wäre an Ort und Enden,
-da ich wieder kuriert werden könnte!«
-
-»Ihr müßt Euch gedulden. Wie müßten erst die armen, kleinen Kinder tun,
-deren im hießigen Dorf über fünfzig daran krank liegen.«
-
-Wie ich hörete, daß auch Kinder damit behaftet, war ich alsbald
-herzhafter, dann ich konnte ja leicht gedenken, daß selbige jene
-garstige Seuch nit kriegen würden, nahm derowegen mein Felleisen zur
-Hand und suchte, was es etwan noch vermöchte. Da war ohn das weiße Zeug
-nicht Schätzbares drin, als eine Kapsel mit einer Damen Conterfait,
-rund herum mit Rubinen besetzt, so mir eine zu Paris verehret hatte.
-Ich nahm das Conterfait heraus und stellete das übrige dem Pfarrer
-zu mit Bitte, solches in der nächsten Stadt zu versilbern. Auch mein
-Klepper mußte dran glauben. Damit reichte ich kärglich aus, bis die
-Blattern anfingen zu dörren und mir besser ward.
-
-
-
-
-Das vierte Kapitel
-
-
-Womit einer sündiget, damit pflegt er auch gestraft zu werden. Die
-Kindsblattern richteten mich dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den
-Weibsbildern gute Ruhe hatte. Ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich
-aussahe wie eine Scheurtenne, darauf man Erbsen gedroschen. Ja, ich
-ward so häßlich, daß sich mein schönes, krauses Haar, in welchem sich
-so manch Weibsbild verstrickt, meiner schämte und seine Heimat verließ,
-daß ich also notwendig eine Perücke tragen mußte. Meine liebliche
-Stimme ging als auch dahin, dann ich den Hals voller Blattern gehabt.
-Meine Augen, die man hiebevor niemalen ohne Liebesfeuer finden konnte,
-eine jede zu entzünden, sahen jetzt rot und triefend aus wie die eines
-achtzigjährigen Weibes. Über das alles war ich in fremden Landen,
-kannte weder Hund noch Menschen, verstund die Sprache kaum und hatte
-allbereits kein Geld.
-
-Da fing ich erst an hinter sich zu denken und die herrliche Gelegenheit
-zu bejammern, die mir hiebevor zur Beförderung meiner Wohlfahrt
-angestanden, ich aber so liederlich hatte verstreichen lassen. Ich
-merkte, daß mein außergewöhnlich Kriegsglück und mein gefundener Schatz
-nur Ursache und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen. Da war kein
-Einsiedel mehr, der es treulich mit mir meinete, kein Pfarrer, der
-mir das Beste riete. Da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte auch
-fort und meine Gelegenheit anderswo suchen. O schnelle, unglückselige
-Veränderung! Vor vier Wochen war ich ein Kerl, der die Fürsten zur
-Verwunderung bewegte, das Frauenzimmer entzuckte, dem Volk als ein
-Meisterstück der Natur, ja, ein Engel vorkam, jetzt aber so unwert, daß
-mich die Hunde anpißten.
-
-Der Wirt stieß mich aus dem Haus, da ich nicht bezahlen konnte, kein
-Werber wollte mich vor einen Soldaten annehmen, weil ich wie ein
-grintiger Kuckuck aussahe, arbeiten konnte ich nit, dann ich war noch
-zu matt und keiner Arbeit gewohnt. Mich tröstete allein, daß es gegen
-den Sommer ging und ich mich zur Not hinter einer Hecken behelfen
-konnte, weil mich niemand mehr im Hause litt. Mein stattlich Kleid und
-Leinenzeug wollte mir niemand abkaufen, weil jeder sorgte, ich möchte
-ihm auch eine Krankheit damit an den Hals hängen.
-
-Ich nahms also auf den Buckel, den Degen in die Hand und den Weg unter
-die Füße, der mich in ein klein Städtlein trug, so gleich wohl über
-eine eigene Apotheke vermochte. In dieselbe ging ich und ließ mir eine
-Salbe zurichten, die mir die Blatternnarben im Gesicht vertreiben
-sollte. Ich gab ein schön, zart Hemd davor.
-
-Es war ein Markt daselbst, und auf demselben befand sich ein
-Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da er doch liederlich Ding den
-Leuten dafür anhing.
-
-»Narr,« sagte ich zu mir selber, »was machst du, daß du nicht auch so
-einen Kram aufrichtest! Bist du so lang bei ~Mons. Canard~ gewesen und
-hast nicht so viel gelernt, einen einfältigen Baur zu betrügen und dein
-Maulfutter davon zu gewinnen? Da mußt du wohl ein elender Tropf sein.«
-
-Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann mein Magen war nicht
-zu ersättigen. Ich hatte aber nur noch einen einzigen göldenen Ring mit
-einem Diamant, der etwa zwenzig Kronen wert war. Den versilberte ich um
-zwölfe und resolvierte mich, ein Arzt zu werden. Kaufte die Materialia
-zu einem Theriak und richtete ihn zu für kleine Städt und Flecken. Vor
-die Bauren aber nahm ich ein Teil Wacholderlatwerge, vermischte solches
-mit Eichenlaub, Weidenblättern und dergleichen herben Ingredienzien,
-alsdann machte ich auch aus Kräutern, Wurzeln, Blättern und etlichen
-Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit man wohl ein
-gedruckt Pferd hätte heilen können, ~item~ aus Galmei, Kieselsteinen,
-Krebsaugen, Schmirgel und Trippel ein Pulver, weiße Zähne damit
-zu machen, ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Ammoniak und
-Kampfer vor Mundfäule, Zähn- und Augenweh. Ich bekam auch einen Haufen
-blecherner und hölzerner Büchslein, Papier und Gläslein, meine Ware
-darein zu schmieren. Damit es auch ein Ansehen haben möchte, ließ ich
-mir einen französischen Zettel koncipieren und drucken, darin man sehen
-konnte, wozu ein und das ander gut war. Ich hatte kaum drei Kronen in
-die Apotheke und vor Geschirr angewendet und war in drei Tagen fertig.
-Also packte ich auf und nahm mir vor, von einem Dorf zum andern bis in
-das Elsaß hinein zu streichen und endlich zu meinem Weib zu finden.
-
-Da ich das erste Mal mit meiner Quacksalberei vor eine Kirche kam
-und feil hatte, war die Losung gar schlecht, weil ich noch viel zu
-blöd war. Sahe demnach gleich, daß ichs anders angreifen müßte. Im
-Wirtshaus vernahm ich über Tisch vom Wirt, daß den Nachmittag allerhand
-Leute unter der Linden vor seinem Haus zusammenkommen würden, da
-dörfte ich wohl so etwas verkaufen, wann man nur an einer Probe vor
-Augen sähe, daß mein Theriak ausbündig gut wäre. Als ich dergestalt
-vernommen, woran es mangele, bekam ich ein halbes Trinkgläslein voll
-gutem Straßburger Branntewein und fing eine Art Kroten, so in den
-unsauberen Pfützen sitzen und singen, sind fast rotgelb unten am Bauch
-schwarz gescheckigt, gar unlustig anzusehen. Ein solche satzte ich
-in ein Schoppenglas mit Wasser und stellets neben meine Ware auf den
-Tisch unter der Linde. Wie sich nun die Leute versammleten und um mich
-herumstunden, vermeineten etliche, ich würde mit der Zange, so ich von
-dem Wirte aus der Kuchen entlehnet, die Zähn ausbrechen, ich aber fing
-an:
-
-»Ihr Herren und gueti Freund, bin ich kein Brech-dir-die-Zahn-aus,
-allein hab ich gut Wasser vor die Aug, es mag all die Flüß aus die rote
-Aug ...«
-
-»Ja,« antwortete einer, »man siehets an Euren Augen wohl, die sehen ja
-aus wie zween Irrwische!«
-
-»Das ist wahr, wann ich aber der Wasser vor mich nicht hab, so wär
-ich wohl gar blind werd. Ich verkauf sonst das Wasser nit. Der
-Theriak und das Pulver vor die weiße Zähn und das Wundsalb will ich
-verkauf und der Wasser noch darzu schenk! Ich bin kein Schreier und
-Bescheiß-dir-die-Leut. Hab ich mein Theriak feil, wann ich sie hab
-probiert, und sie dir nit gefallt, so darfst du sie nit kauf ab.«
-
-Indem ließ ich einen von meinem Umstand aus den Theriakbüchslein
-wählen, daraus tät ich etwan eine Erbse groß in meinen Branntewein, den
-die Leute vor Wasser ansahen, zerrieb den Theriak darin und kriegte mit
-der Zange die Krot zu fassen.
-
-»Secht ihr, gueti Freund, wann dies giftig Wurm kann mein Theriak trink
-und sterbe nit, do ist der Ding nit nutz, dann kauf ihr nur nit ab.«
-
-Hiemit steckte ich die arme Krote, welche im Wasser geboren und
-erzogen, in meinen Branntewein und hielt ihn mit einem Papier zu, daß
-die Krot nicht herausspringen konnte. Da fing sie dergestalt an darin
-zu wüten und zu zablen, ja viel ärger zu tun, als ob ichs auf glühend
-Kohlen geworfen hätte, und streckte endlich alle vier von sich.
-
-Die Bauren sperrten Maul und Beutel auf, da war in ihrem Sinn kein
-besserer Theriak als der meinige, und ich hatte genug zu tun, den
-Plunder in die Zettel zu wickeln und Geld davor einzunehmen. Es kauften
-etliche drei-, vier-, fünf- und sechsfach, damit sie auf den Notfall
-mit so köstlicher Giftlatwerge versehen wären, ja, sie kauften auch vor
-ihre Freunde und Verwandten.
-
-Ich machte mich noch dieselbe Nacht in ein anderes Dorf, weil ich
-besorgte, es möchte etwan auch ein Baur so kurios sein und eine Kroten
-in ein Wasser setzen, meinen Theriak zu probieren, und mir der Buckel
-geraumet werden.
-
-Damit ich aber gleichwohl die Vortrefflichkeit meiner Giftlatwerge auf
-eine andere Manier erweisen könnte, machte ich mir aus Mehl, Safran
-und Gallus einen gelben ~Arsenicum~ und aus Mehl und Vitriol einen
-~Mercurium Sublimatum~. Wann ich die Probe tun wollte, hatte ich zwei
-gleiche Gläser mit frischem Wasser auf dem Tisch, davon das eine
-ziemlich stark mit ~Aqua Fort~ oder ~Spiritus Victril~ vermischt war.
-In dasselbe zerrührte ich ein wenig von meinem Theriak und schabte
-alsdann von meinen beiden Giften so viel, als genug war, hinein. Davon
-ward das eine Wasser, so keinen Theriak und also auch kein ~Aqua Fort~
-hatte, so schwarz als Tinte, das andre blieb wegen des Scheidewassers
-wie es war.
-
-»Ha,« sagten dann die Leute, »das ist fürwahr ein köstlicher Theriak um
-so ein gering Geld!«
-
-Wann ich aber beide untereinander goß, so ward wieder alles klar.
-Davon zogen die guten Bauren ihre Beutel und ich kam glücklich an die
-deutsche Grenze.
-
-
-
-
-Das fünfte Kapitel
-
-
-Da ich durch Lothringen passierte ging mir meine Ware aus und
-also auch meine Gläslein. Demnach ich aber von einer Glashütte im
-fleckensteinischen Gebiet hörete, begab ich mich darauf zu, mich wieder
-zu montieren. Und indem ich Abwege suchte, weilen ich die Guarnisonen
-scheuete, ward ich ungefähr von einer Partei aus Philippsburg, die sich
-auf dem Schloß Wagelnburg aufhielt, gefangen. Der Baur, so mir den Weg
-zu weisen mitgegangen war, hatte den Kerln gesagt, ich sei ein Doctor,
-ward also wider des Teufels Dank vor einen Doctor nach Philippsburg
-geführet.
-
-Ich scheuete mich gar nicht zu sagen, wer ich wäre, aber ich sollte ein
-Doctor sein. Ich schwor, daß ich unter die kaiserlichen Dragoner nach
-Soest gehörig, aber es hieß, der Kaiser brauche sowohl in Philippsburg
-als in Soest Soldaten, man würde mir bei ihnen Aufenthalt geben, wann
-mir dieser Vorschlag nicht schmecke, so möchte ich mit dem Stockhaus
-vorlieb nehmen.
-
-Also kam ich vom Pferd auf den Esel und mußte wider Willen Musketierer
-sein. Das kam mir blutsauer an, weil der Schmalhans dort herrschte und
-das Kommißbrot schröcklich klein war. Und die Wahrheit zu bekennen,
-so ist es wohl eine elende Kreatur um einen Musketierer in einer
-Guarnison. Dann da ist keiner anders als ein Gefangener, der mit
-Wasser und Brot der Trübsal sein armseliges Leben verzögert. Ja, ein
-Gefangener hat es noch besser, dann er darf weder wachen, Runden gehen,
-noch Schildwacht stehen, sondern bleibt in seiner Ruhe liegen.
-
-Etliche nahmen, und sollten es auch verloffene Huren gewesen sein,
-in solchem Elend keiner andern Ursache halber Weiber, als daß sie
-von solchen entweder durch Arbeiten als nähen, wäschen, spinnen oder
-krämpeln und schachern und gar stehlen ernähret würden. Da war eine
-Fähnrichin unter den Weibern, die hatte eine Gage wie ein Gefreiter.
-Eine andre war Hebamme und brachte dadurch sich selbsten und ihrem
-Mann manchen Schmauß zuwege. Eine andre konnte stärken und wäschen,
-andre verkauften Tobak und versahen die Kerle mit Pfeifen, andere
-handelten mit Branntewein und eine war eine Näherin. Es gab ihrer, die
-sich blöslich vom Felde ernähreten: im Winter gruben sie Schnecken, im
-Frühling ernteten sie Salat, im Sommer nahmen sie Vogelnester aus, im
-Herbste wußten sie sonst tausenderlei Schnabelweide zu kriegen. Solcher
-Gestalt nun meine Nahrung zu haben, war nicht vor mich, dann ich
-hatte schon ein Weib. Zur Arbeit auf der Schanze war ich zu faul, ein
-Handwerk hatte ich Tropf nie gelernet und einen Musikanten hatte man
-in dem Hungerland nicht vonnöten. Auf Partei zu gehen ward mir nicht
-vertraut. Etliche konnten besser mausen als Katzen, ich aber haßte
-solche Hantierung wie die Pest. ~In summa~ wo ich mich nur hinkehrete,
-da konnte ich nichts ergreifen, das meinen Magen hätte stillen mögen.
-»Du sollst ein Doctor sein,« sagten sie mir, »und kannst anders keine
-Kunst als Hunger leiden.«
-
-Zuletzt war anderer Unglück mein Glück, dann nachdem ich etliche
-Gelbsüchtige und ein paar Fiebernde kurierte, die einen besonderen
-Glauben an mich gehabt haben müssen, ward mir erlaubt, vor die Festung
-zu gehen, meinem Vorwande nach Wurzeln und Kräuter zu meinen Arzneien
-zu sammeln. Da richtete ich hingegen den Hasen mit Stricken und fing
-die erste Nacht zween. Dieselben brachte ich dem Obristen und erhielt
-dadurch nicht allein einen Taler zur Verehrung, sondern auch Erlaubnus,
-daß ich hinausdörfte, wann ich die Wacht nicht hätte. Als kam das
-Wasser wieder auf meine Mühle, maßen es das Ansehen hatte, als ob ich
-Hasen in meine Stricke bannen könnte, so viel fing ich in dem erödeten
-Land.
-
-Ich ward unter meiner Muskete ein recht wilder Mensch. Keine Boßheit
-war mir zuviel, alle Gnaden und Wohltaten, die ich von Gott jemals
-empfangen, waren allerdings vergessen. Ich lebte auf den alten Kaiser
-hinein wie ein Viehe. Selten kam ich in die Kirche und gar nicht zur
-Beichte. Wo ich nur jemand berücken konnte, unterließ ichs nicht, so
-daß schier keiner ungeschimpft von mir kam. Davon kriegte ich oft
-dichte Stöße und noch öfter den Esel zu reuten, ja man bedrohete mich
-mit Galgen und Wippe, aber es half alles nichts. Ich trieb meine
-gottlose Weise fort, daß es das Ansehen hatte, als ob ich desperat
-spiele und mit Fleiß der Höllen zurenne. Und obgleich ich keine Übeltat
-beging, dadurch ich das Leben verwürkt hätte so war ich jedoch so
-ruchlos, daß man hat kaum einen wüsteren Menschen antreffen mögen.
-
-Dies nahm unser Regimentskaplan in Acht, und weil er ein rechter
-frommer Seeleneiferer war, schickte er auf die österliche Zeit nach
-mir, zu vernehmen, warum ich mich nicht bei der Beichte und Communion
-eingestellet hätte. Ich traktierte ihn wie hiebevor den Pfarrer zu L.,
-also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten konnte. Er verdonnerte
-mich zum Beschluß:
-
-»Ach, du elender Mensch, ich habe vermeinet du irrest aus Unwissenheit,
-aber nun merke ich, daß du aus lauter Boßheit und gleichsam
-vorsätzlicher Weis zu sündigen fortfährest! Welcher Heiliger vermeinst
-du wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und ihrer Verdammnus
-haben werde? Ich protestiere vor Gott und Welt, daß ich an deiner
-Verdammnus keine Schuld habe, weil ich getan habe und noch ferner
-unverdrossen tun wollte, was zur Beförderung deiner Seligkeit vonnöten
-wäre. Es wird aber besorglich künftig mehrers zu tun nicht obliegen,
-dann daß ich deinen Leib, wann ihn deine arme Seel in solchem
-verdammten Stand verläßt, an keinen geweihten Ort zu andern frommen
-abgestorbenen Christen begraben, sondern auf den Schindwasen zu den
-Kadavern des verreckten Viehes hinschleppen lasse, oder an denjenigen
-Ort, da man andere Gottvergessene und Verzweifelte hintut.«
-
-Diese ernstliche Bedrohung fruchtete nichts. Ich schämete mich vorm
-Beichten.
-
-O ich großer Narr! Oft erzählte ich meine Bubenstücke bei ganzen
-Gesellschaften und log noch darzu, aber jetzt, da ich einem einzigen
-Menschen anstatt Gottes meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung
-zu empfangen, war ich ein verstockter Stummer.
-
-Ich antwortete: »Ich dien vor einen Soldaten. Wann ich nun sterbe
-als ein Soldat, so wirds kein Wunder sein, wann ich als irgendein
-Gefallener auf freiem Feld, mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen
-werde.«
-
-Also schied ich von dem seeleneifrigen Geistlichen, den ich wohl
-einsmals einen Hasen abgeschlagen hatte mit Vorwand, weil der Has an
-einem Strick gehangen und sich selbst ums Leben gebracht, daß sich
-dannenhero nicht gebühre, den Verzweifelten in ein geweiht Erdreich zu
-begraben.
-
-Ich mußte wider meines Herzens Willen bleiben und Hunger leiden bis
-in den Sommer hinein. Da ward ich unverhofft von der Muskete befreit.
-Je mehr sich der Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers
-näherte ich auch meine Erlösung.
-
-Dann als selbiger zu Brucksal das Haupt-Quartier hatte, ward mein
-Herzbruder, dem ich im Läger zu Magdeburg getreulich geholfen, von der
-Generalität mit etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, allwo
-man ihm die größte Ehre antät. Ich stund eben vor des Obristen Quartier
-Schildwacht und erkannte ihn gleich im ersten Augenblick, obwohl er
-einen schwarzen sammtenen Rock antrug. Ich hatte aber nicht das Herz,
-ihn sogleich anzusprechen, dann ich mußte sorgen, er würde dem Weltlauf
-nach sich meiner schämen oder mich sonst nicht kennen wollen; ich war
-ein lausiger Musketierer.
-
-Nachdem ich aber abgelöst ward, erkundigte ich mich bei dessen Dienern
-nach seinem Stand und Namen, damit ich versichert sei, hatte gleichwohl
-das Herz nicht, ihn anzureden, sondern schrieb ein Brieflein:
-
-‚~Monsieur etc.~ Wann meinem hochgeborenen Herrn beliebte, denjenigen,
-den er hiebevor durch seine Tapferkeit aus Eisen und Banden errettet,
-auch anjetzo durch sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten
-Stand von der Welt zu erlösen, wohin er als ein Ball des unbeständigen
-Glückes geraten -- so würde Ihm solches nicht allein nicht schwer
-fallen, sondern Er würde auch vor einen ewigen Diener obligieren seinen
-ohn das getreu verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen
-
- ~S. Simplicissimum.~’
-
-Sobald er solches gelesen ließ er mich hineinkommen.
-
-»Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch das Schreiben gegeben hat?«
-
-»Herr, er lieget in dieser Festung gefangen.«
-
-»So gehet zu ihm und saget, ich wolle ihm davon helfen, und sollte er
-schon den Strick an den Hals kriegen.«
-
-»Herr, es wird solcher Mühe nicht bedörfen, ich bin der ~Simplicius~
-selber ...«
-
-Er ließ mich nicht ausreden, sondern umfing mich brüderlich. Und eh er
-mich fragte, wie ich in die Festung und solche Dienstbarkeit geraten,
-schickte er seinen Diener zum Juden, Pferd und Kleider vor mich zu
-kaufen. Indessen erzählete ich ihm, wie mirs ergangen, sint sein Vater
-vor Magdeburg gestorben. Und als er vernahm, daß ich der Jäger von
-Soest gewesen, beklagte er, daß er solches nicht eher gewußt hätte,
-dann er mir damals gar wohl zu einer Kompagnie hätte verhelfen können.
-
-Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast von Kleidern daherkam,
-las er mir das Beste heraus und ließ michs anziehen und nahm mich mit
-sich zum Obristen.
-
-»Herr, ich habe in Seiner Guarnison gegenwärtigen Kerl angetroffen,
-dem ich so hoch verobligiert bin, daß ich ihn in so niedrigem Stand,
-wannschon seine Qualitäten keinen besseren meritieren, nicht lassen
-kann. Bitte dahero den Herrn Obristen, Er wolle mir den Gefallen
-erweisen und zulassen, daß ich ihn mit mir nehme, um ihm bei der Armee
-fort zu helfen.«
-
-Der Obrist verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß er mich einmal
-loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter Herr vergebe mir, wann ich
-glaube, ihm beliebe nur zu probieren, ob ich ihm auch so dienstwillig
-sei, als Er dessen wohl wert ist. Was diesen Kerl anlanget, ist solcher
-eigentlich nicht mir, sondern seinem Vorgeben nach unter ein Regiment
-Dragoner gehörig, darneben ein so schlimmer Gast, der meinem Profosen,
-sint er hier ist, mehr Arbeit geben als sonst eine ganze Kompanei.«
-
-Endete damit die Rede und wünschte mir Glück ins Feld.
-
-Dies war meinem Herzbruder noch nicht genug, sondern er bat den
-Obristen, mich an seine Tafel zu nehmen. Er täts aber zu dem End, daß
-er den Obristen in meiner Gegenwart erzählte, was er in Westfalen nur
-gesprächsweis von dem Grafen von der Wahl und dem Kommandanten von
-Soest über mich gehöret hatte. Das strich er nun dergestalt heraus, daß
-alle Zuhörer mich vor einen guten Soldaten halten mußten. Dabei hielt
-ich mich so bescheiden, daß der Obrist und seine Leute nicht anders
-glauben konnten, als ich wäre mit andern Kleidern auch ein ganz anderer
-Mensch geworden.
-
-Darauf erzählte er Obrist viel Bubenstücklein, die ich begangen: Wie
-ich Erbsen gesotten und obenauf mit Schmalz übergossen, sie vor eitel
-Schmalz zu verkaufen, ~item~ ganze Säck voll Sand vor Salz, indem
-ich die Säcke unten mit Sand und oben mit Salz gefüllet, wie ich dem
-einen hier, dem andern dort einen Bären aufgebunden und die Leute mit
-Pasquillen vexieret.
-
-Ich gestund auch unverholen, daß ich willens gewesen, den Obristen mir
-allerhand Boßheiten dergestalt zu perturbieren und abzumatten, daß er
-mich endlich aus der Guarnison hätte schaffen müssen.
-
-Nach beendetem Imbiß hatte der Jud kein Pferd, so meinem Herzbruder vor
-mich gefallen hätte. Endlich verehrete ihm der Obrist eins mit Sattel
-und Zeug aus seinem Stall, auf welches sich Herr ~Simplicius~ satzte
-und mit seinem Herzbruder zur Festung hinausritte.
-
-
-
-
-Das sechste Kapitel
-
-
-Also ward ich in Eil wieder ein Kerl, der einem braven Soldaten gleich
-sahe. Mein Herzbruder verschaffte mir noch ein Pferd samt einem Knecht
-und tat mich als Freireuter zum Neun-Eckischen Regiment. Ich tät aber
-denselben Sommer wenig Taten, als daß ich am Schwarzwald hin und wider
-etliche Kühe stehlen half und mir das Brißgäu und Elsaß ziemlich
-bekannt machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern. Mein Knecht
-samt dem Pferd ward von den Weimarischen gefangen, also mußte ich das
-ander desto härter strapazieren und endlich gar niederreuten.
-
-So kam ich in den Orden der Merode-Brüder, dann mein Herzbruder
-gedachte mich zappeln zu lassen, bis ich mich besser vorzusehen
-lernete. So begehrte ich solches auch nicht, dann ich fand an meinen
-Consorten eine so angenehme Gesellschaft, daß ich mir bis in das
-Winterquartier keinen besseren Handel wünschte.
-
-Ich muß nun ein wenig erzählen, was die Merode-Brüder vor Leute sind,
-dann ich habe bisher noch keinen Scribenten getroffen, der etwas von
-ihren Gebräuchen, Gewohnheiten, Rechten und Privilegien in seine
-Schriften einverleibt hätte, unangesehen es wohl wert ist, daß nicht
-allein die jetzigen Feldherren, sondern auch der Bauersmann wisse, was
-es vor eine Zunft sei.
-
-Als der berühmte General Johann Graf von Merode einsmals ein
-neugeworben Regiment zur Armee brachte, waren die Kerl so schwacher
-baufälliger Natur, daß sie also das Marschieren und ander Ungemach, das
-ein Soldat im Felde ausstehen muß, nicht erleiden konnten, derowegen
-dann ihre Brigade zeitlich so schwach ward, daß sie kaum die Fähnlein
-mehr bedecken konnte. Wo man einen oder mehr Kranke und Lahme auf dem
-Markt, in Häusern und hinter Zäunen und Hecken antraf und fragte:
-Wes Regiments? -- so war gemeiniglich die Antwort: von Merode. Davon
-entsprang, daß man endlich alle diejenigen, sie wären gleich krank
-oder gesund, verwundt oder nit, wann sie nur außerhalb der Zugordnung
-daherzottelten oder sonst nicht bei ihren Regimentern das Quartier im
-Feld nahmen, Merode-Brüder nannte, welche Bursche man zuvor Säusenger
-und Immenschneider genannt hatte, dann sie sind die Brummser in den
-Immenstöcken, die, wann sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr
-arbeiten noch Honig machen, sondern nur fressen können. Wann ein Reuter
-sein Pferd und ein Musketier seine Gesundheit verleurt oder ihm Weib
-und Kind erkrankt und er zurück bleiben will, so ists schon anderthalb
-Paar Merode-Brüder, ein Gesindlein, so sich mit nichts besser als mit
-den Zigeunern vergleichet, weil es denselben beides: an Sitten und
-Gewohnheiten ähnlich ist. Da siehet man sie haufenweis beieinander,
-wie Feldhühner im Winter, hinter den Hecken, im Schatten oder an der
-Sonne um irgend ein Feuer herumliegen, Tabak saufen und faulenzen,
-wann unterdessen anderwärts ein rechtschaffener Soldat beim Fähnlein
-Hitze, Durst, Hunger, Frost und allerhand Elend überstehet. Da gehet
-eine Merodeschar auf die Mauserei, wann indessen manch armer Soldat
-unter seinen Waffen versinken möchte. Sie spolieren vor, neben und
-hinter der Armee, alles was sie antreffen und nicht genießen können,
-verderben sie, also daß die Regimenter, wann sie in die Quartier oder
-Läger kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser finden. Wann sie allen
-Ernstes angehalten werden, bei der Bagage zu bleiben, so wird man oft
-sie stärker finden, als die Armee selbst. Wann sie aber gesellenweis
-marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben sie keinen
-Wachtmeister, der sie kommandiert, keinen Feldweibel oder Schergianten,
-der ihren Wams ausklopfet, keinen Korporal, der sie wachen heißt,
-keinen Tampour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar- und Tagwacht
-erinnert und ~in summa~ niemand, der sie anstatt des Adjutanten
-in Schlachtordnung stellet oder anstatt des Fouriers einlogiert,
-sondern leben vielmehr wie die Freiherren. Wann aber etwas an Kommiß
-der Soldateska zukommt, so sind sie die ersten, die ihr Teil holen,
-obgleich sie es nicht verdient. Hingegen sind die Rumormeister und
-Generalgewaltiger ihre allergrößte Pest, als welche ihnen zu Zeiten,
-wann sie es zu bunt machen, eisernes Silbergeschirr an Händ und Füß
-legen oder sie mit den Kragen zieren und sie an ihre allerbesten Hälse
-anhängen lassen.
-
-Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht und kommen auch
-in keine Schlachtordnung und sie ernähren sich doch. Der heilloseste
-Reuterjung, der nichts tut als fouragieren, ist dem Feldherren nützer,
-als tausend Merode-Brüder, die ein Handwerk daraus machen und ohn
-Not auf der Bernhaut liegen. Sie werden vom Gegenteil hinweggefangen
-und von den Bauren auf die Finger geklopft. Dadurch wird die Armee
-gemindert und der Feind gestärkt. Man sollte sie zusammenkuppeln wie
-die Windhunde und sie in den Guarnisonen kriegen lernen oder gar auf
-Galeeren schmieden, wann sie nicht auch zu Fuß im Feld das Ihrige tun
-wollten, bis sie gleichwohl wieder ein Pferd kriegen.
-
-Ein solcher ehrbarer Bruder war ich damals auch und verbliebs
-bis zu dem Tag vor der Wittenweyrer Schlacht, zu welcher Zeit das
-Hauptquartier in Schuttern lag. Als ich damals mit meinen Kameraden in
-das Geroldseckische ging, Kühe und Ochsen zu stehlen, ward ich von den
-Weimarischen gefangen, die uns viel besser zu traktieren wußten, dann
-sie luden uns Musketen auf und stießen uns hin und wieder unter die
-Regimenter.
-
-Weil ich nunmehr Weimarisch war, mußte ich Breisach belägern helfen,
-da wachte ich dann wie andere Musketierer Tag und Nacht und lernte
-trefflich schanzen. Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt,
-weil der Beutel leer, Wein, Bier und Fleisch eine Rarität, Äpfel und
-hart, schimmelig Brot (jedoch kümmerlich genug) mein bestes Wildpret.
-
-Solches war mir sauer zu ertragen, Ursache: wann ich zurück an die
-egyptischen Fleischtöpfe, das ist an westfälische Schinken und
-Knackwürste zu L. gedachte. Ich sehnete mich niemalen mehr nach meinem
-Weib, als wann ich im Zelte lag und vor Frost halb erstarrt war. Da
-sagte ich dann oft zu mir selber: Hui, ~Simplici~, meinest du auch
-wohl, es geschehe dir unrecht, wann dir einer wieder wett spielte, was
-du zu Paris begangen? -- Und mit solchen Gedanken quälte ich mich wie
-ein anderer eifersüchtiger Hanrei, da ich doch meinem Weib nichts als
-Ehre und Tugend zutrauen konnte.
-
-Zuletzt ward ich so ungeduldig, daß ich mich meinem Kapitain eröffnete.
-Schrieb auch auf der Post nach L. und erhielt durch den Obristen ~de
-S. A.~ und meinem Schwehrvater, daß sie durch ihre Schreiben bei dem
-Fürsten von Weimar einen Paß von meinem Kapitain zuwege brachten.
-
-Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten marschierte ich mit einem
-guten Feuerrohr vom Läger ab und das Brißgäu hinunter der Meinung, auf
-selbiger Weihnachtsmesse zu Straßburg von meinem Schwehr ein Geldstück
-zu empfangen und mit Kaufleuten den Rhein hinunter zu fahren.
-
-Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert und zu einem Haus kam, geschah
-ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzte.
-Gleich darauf sprang ein starker, vierschrötiger Kerl aus dem Haus
-auf mich los und schrie, ich sollte das Gewehr ablegen. »Bei Gott,
-Landsmann, dir zu Gefallen nicht!« Und zog den Hahn über.
-
-Er aber wischte mit einem Ding vom Leder, das mehr einem Henkersschwert
-als einem Degen glich.
-
-Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an und traf ihn dergestalt
-an die Stirn, daß er herumtaumelte und endlich zu Boden fiel. Das
-machte ich mir zu Nutz, rang ihm geschwind sein Schwert aus der Faust
-und wollts ihm in den Leib stoßen, da es aber nicht durchgehen wollte,
-sprang er unversehens auf, erwischte mich beim Haar und ich ihm auch,
-sein Schwert hatte ich schon weggeworfen.
-
-Darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines
-jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnte doch
-keiner des andern Meister werden. Bald lag ich, bald er oben und im
-Hui kamen wir wieder auf die Füße, so aber nicht lang dauerte, weil ja
-einer des andern Tod suchte.
-
-Das Blut, so mir häufig zu Hals und Mund herauslief, spie ich meinem
-Feind ins Gesicht, weil ers so hitzig begehrte. Das war mir gut, dann
-es hinderte ihn am sehen. Also zogen wir einander bei anderthalb Stund
-im Schnee herum, davon wurden wir so matt, daß allem Ansehen nach die
-Unkraft des einen der Müdigkeit des andern nicht Herr werden konnte.
-Meine Ringkunst kam mir damals wohl zustatten, dann mein Feind war viel
-stärker als ich und überdas eisenfest.
-
-Endlich sagte er: »Bruder, höre auf, ich gebe mich dir zu eigen!«
-
-Ich antwortete: »Hättest du mich passieren lassen.«
-
-»Was hast du mehr, wanngleich ich sterbe?«
-
-»Und du, wann du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich keinen
-Heller bei mir habe.«
-
-Darauf bat er um Verzeihung und ich ließ mich erweichen. Wir stunden
-auf und gaben einander die Hände, daß alles, was geschehen, vergessen
-sein sollte. Verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen
-Meister gefunden, dann jener meinte, ich sei auch mit einer solchen
-Schelmenhaut überzogen wie er.
-
-Ich ließ ihm dabei bleiben, damit er sich mit seinem Gewehr nicht noch
-einmal an mir reibe. Er hatte von meinem Schuß eine große Beule an der
-Stirn und ich hatte mich sehr verblutet.
-
-Weil es gegen Abend war, ließ ich mich überreden und ging mit ihm, da
-er dann unterwegs oft mit Seufzen bezeugte, wie leid ihm sei, daß er
-mich beleidigt habe.
-
-
-
-
-Das siebente Kapitel
-
-
-Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein Leben zu wagen,
-ist wohl ein dummes Vieh! Man hätte nicht einen von tausend Kerlen
-gefunden, der mit seinem Mörder an einen unbestimmten Ort zu Gast
-gegangen wäre. -- Ich fragte ihn auf dem Weg, wes Volks er sei. Er
-sagte, daß er für sich selbst kriege. So wollte er auch meinen Namen
-wissen. Ich sagte: »~Simplicius.~« Da kehrte er sich um, dann ich ließ
-ihn vor mir gehen, und sahe mir steif ins Gesicht.
-
-»Heißt du auch ~Simplicissimus~?«
-
-»Ja, es ist ein Schelm, der seinen Namen verleugnet. Wie heißest aber
-du?«
-
-»Ach, Bruder, ich bin Olivier, den du vor Magdeburg hast gekannt.«
-
-Warf damit sein Rohr von sich und fiel auf die Knie nieder, mich um
-Verzeihung zu bitten, sagend, daß er keinen besseren Freund in der
-Welt hätte als mich, weil ich seinen Tod nach des alten Herzbruder
-Profezeihung tapfer rächen sollte.
-
-Da konnte ich mich wohl verwundern.
-
-»Ich bin aus einem ~Secretario~ ein Waldfischer, du aber aus einem
-Narren ein tapferer Soldat geworden, und das ist wohl seltsam. Sei
-versichert, Bruder, unserer zehntausend hätten morgenden Tags Breisach
-entsetzt und zu Herren der ganzen Welt gemacht.«
-
-Obzwar mir solche Prahlerei nicht gefiel, gab ich ihm doch recht,
-vornehmlich weil mir sein schelmisch Gemüt bekannt war.
-
-Wir kamen in ein klein, abgelegen Taglöhnerhäuslein, in welchem ein
-Baur eben die Stube einhitzte. Zu dem sagte er: »Hast du etwas
-gekocht?« »Nein, ich hab den gebratenen Kalbsschlegel noch.« »Nun dann,
-so geh und lang her, was du hast und bring das Fäßlein Wein.«
-
-»Bruder, du hast einen willigen Wirt,« meinte ich.
-
-»Das dank dem Schelmen der Teufel! Ich ernähre ihn mit Weib und
-Kindern. Ich lasse ihm darzu alle Kleider, die ich erobere.«
-
-Sodann berichtete Olivier, daß er diese Freibeuterei schon lang
-getrieben und sie ihm besser als Herrendienst zuschlage, er gedächte
-auch nicht früher aufzuhören, bis er seinen Beutel rechtschaffen
-gespickt hätte.
-
-»Bruder, du lebest in einen gefährlichen Stand, wann du ergriffen
-wirst, wie meinest du wohl, daß man mit dir umginge?«
-
-»Ha, ich höre, daß du noch der alte ~Simplicius~ bist! Ich weiß wohl,
-daß derjenige, so kegeln will, aufsetzen muß, aber die Herren von
-Nürnberg lassen keinen hängen, sie haben ihn dann.«
-
-»Dannoch ist ein solch Leben, wie du es führest, das allerschändlichste
-der Welt, daß ich also nicht glaube, du begehrest darin zu sterben.«
-
-»Was? Das schändlichste? Mein tapferer ~Simplici~, ich versichere
-dich, daß die Räuberei das alleradeligste ~Exercitium~ ist, das man
-dieser Zeit auf der Welt haben kann! Sage mir, wieviel Königreiche
-und Fürstentümer sind nicht mit Gewalt geraubt und zuwege gebracht
-worden? Oder wo wird einem König oder Fürsten auf dem ganzen Erdboden
-vor übel genommen, wann er seiner Länder Gefälle geneußt, die doch
-gemeiniglich durch seiner Vorfahren verübte Gewalt erworben worden?
-Was könnte doch adeliger genannt werden, als eben das Handwerk, dessen
-ich mich jetzt bediene? Willst du mir vorhalten, daß ihrer viel wegen
-Mordens, Raubens und Stehlens sein gerädert, gehängt und geköpft
-worden? Du wirst keine andern als arme und geringe Diebe haben hängen
-sehen, was auch billig ist, weil sie sich dieser vortrefflichen Übung
-haben unterfangen, die doch allein herzhaften Gemütern gebührt und
-vorbehalten ist. Wo hast du jemals eine vornehmere Standesperson durch
-die ~Justitia~ strafen sehen? Ja, was noch mehr ist, wird doch kein
-Wucherer gestraft, der diese Kunst heimlich treibet, und zwar unter dem
-Deckmantel der christlichen Liebe! Warum sollte ich strafbar sein, der
-ich solche offentlich auf gut alt-deutsch ohn einzige Bemäntelung und
-Gleißnerei übe? Mein lieber ~Simplici~, du hast den ~Machiavellum~ noch
-nicht gelesen! Ich bin eines recht aufrichtigen Gemüts. Ich fecht und
-wage mein Leben darüber, wie die alten Helden. Weil ich mein Leben in
-Gefahr setze, so folgt unwidersprechlich, daß mirs billig und erlaubt
-sei, diese Kunst zu üben.«
-
-Ich antwortete: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei dir erlaubt oder
-nicht, es ist dannoch wider die Natur, die nicht will, daß einer einem
-andern tun solle, was er nicht will, daß es ihm geschehe. Gott lässet
-kein Sünde ungestraft.«
-
-Da sagte Olivier: »Es ist so, du bist noch ~Simplicius~, der den
-~Machiavellum~ nicht studiert hat. Könnte ich aber auf solche Art eine
-~Monarchiam~ aufrichten, so wollte ich sehen, wer mir alsdann viel
-dawider predigte.«
-
-Wir hätten noch mehr miteinander disputiert, weil aber der Baur mit dem
-Essen und Trinken kam, saßen wir zusammen und stilleten unsere Mägen,
-dessen ich dann trefflich hoch vonnöten hatte.
-
-Unser Essen war weiß Brot und ein gebratener kalter Kalbsschlegel,
-dabei hatten wir einen guten Trunk Wein und eine warme Stube.
-
-»Gelt, ~Simplici~, hier ist es besser als vor Breisach in den
-Laufgräben!«
-
-»Das wohl, wann man solch ein Leben mit gewisser Sicherheit und
-besserer Ehre zu genießen hätte.«
-
-Darüber lachte er überlaut.
-
-»Mein lieber ~Simplici~, ich sehe zwar, daß du deine Narrenkappe
-abgeleget, hingegen aber deinen närrischen Kopf noch behalten hast, der
-nit begreifen kann, was gut und bös ist.«
-
-Ich gedachte, du mußt andere Worte hervorsuchen als bisher.
-
-»Wo ist sein Tag je erhört,« sagte ich, »daß der Lehrjung das Handwerk
-besser versteht als der Lehrmeister. Bruder, hast du ein so edel,
-glückselig Leben, wie du vorgibst, so mache mich seiner teilhaftig,
-sintemal ich eines guten Glückes hoch vonnöten.«
-
-»Sei versichert, Bruder,« antwortete Olivier, »daß ich dich so sehr
-liebe als mich selbsten, und daß mir die Beleidigung, die ich dir heut
-zugefügt, viel weher tut, als die Kugel, damit du mich an meine Stirn
-getroffen. Warum sollte ich dir dann etwas versagen können? Wann dirs
-beliebet, so bleib bei mir, ich will vor dich sorgen als wie vor mich.
-Damit du aber glaubest, so will ich dir die Ursache meiner Liebe sagen.
--- Der alte Herzbruder hat mir vor Magdeburg diese Worte geweissaget:
-‚Olivier, siehe unsern Narren an wie du wilt, so wird er dannoch durch
-seine Tapferkeit dich erschröcken und dir den größten Possen erweisen,
-der dir dein Lebtag je geschehen wird, weil du ihm darzu verursachet.
-Doch wird er dir dein Leben schenken, so in seinen Händen gestanden,
-und wird an den Ort kommen, da du erschlagen wirst, daselbst wird er
-glückselig deinen Tod rächen.’ -- Dieser Weissagung halber, lieber
-~Simplici~, bin ich bereit, dir mein Herz im Leib zu teilen, dann
-etlichs von den Worten des alten Herzbruder ist mit heutigem Tag
-erfüllet. Also zweifle ich nicht, daß das übrige von meinem Tod auch
-im wenigsten fehlschlagen werde. Aus solcher Rache nun, mein lieber
-Bruder, muß ich schließen, daß du mein getreuer Freund seiest. Da hast
-du nun die ~Concepta~ meines Herzens.«
-
-Ich gedachte: traue dir der Teufel, ich nicht. Nehme ich Geld von dir
-auf den Weg, so möchtest du mich erst niedermachen, bleibe ich bei dir,
-so muß ich sorgen, mit dir gevierteilt zu werden. Satzte mir demnach
-vor, ich wollte ihm eine Nase drehen und bei ihm bleiben, bis ich mit
-Gelegenheit von ihm kommen könnte. Ich sagte ihm derhalben, so er mich
-leiden möchte, so wollte ich mich ein Tag oder acht bei ihm aufhalten,
-ob ich auf solche Art zu leben gewöhnen könnte. So sollte er beides:
-einen guten Soldaten und einen getreuen Freund an mir haben.
-
-Hierauf satzte er mir mit dem Trunk zu, ich getraute aber auch nicht
-und stellete mich voll eh ichs war.
-
-Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf, ~Simplici~, wir wollen in
-Gottes Namen hinaus und sehen, was etwan zu bekommen sein möchte.«
-
-Ach Gott, dachte ich, soll ich dann nun in deinem hochheiligen Namen
-auf die Rauberei gehen und bin hiebevor nit so kühn gewesen, ohn
-Erstaunen zuzuhören, wann einer sagte: Komm Bruder, wir wollen in
-Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen. O himmlischer Vater, wie
-habe ich mich verändert, ach, hemme meinen Lauf!
-
-Mit dergleichen Gedanken folgete ich Olivier in ein Dorf, darin keine
-lebendige Kreatur war. Da stiegen wir des fernen Aussehens halber auf
-den Kirchturm. Dort hatte er zwei Laib Brot, etliche Stücke gesotten
-Dörrfleisch und ein Fäßlein voll Wein im Vorrat. Er sagte mir, daß er
-noch etliche solcher Örter hätte, die mit Speis und Trank versehen
-wären, damit, wann Bläsi an dem einen Ort nicht zu Haus wäre, er ihn am
-andern finden könnte. Ich mußte zwar seine Klugheit loben, gab ihm aber
-zu verstehen, daß es doch nicht schön stünde, einen so heiligen Ort zu
-beflecken.
-
-»Was beflecken? Die Kirchen, so sie reden könnten, würden gestehen, daß
-sie meine Laster entgegen denen, so hiebevor in ihnen begangen worden,
-noch vor ganz gering aufnehmen müßten. Wie mancher und wie manche seit
-Erbauung dieser Kirchen sein hereingetreten unter dem Schein, Gott zu
-dienen, da sie doch nur hergekommen, ihre neuen Kleider, ihre schöne
-Gestalt, ihre Würden und sonst so etwas sehen zu lassen. Da kommt
-einer zur Kirche wie ein Pfau und stellet sich vor den Altar, als
-ob er den Heiligen die Füße abbeten wollte, dort steht einer in der
-Ecke, zu seufzen wie der Zöllner im Tempel, welche Seufzer aber nur zu
-seiner Liebsten gehen, in deren Angesicht er seine Augen weidet, um
-derentwillen er sich auch eingestellet. Ein anderer kommt vor oder,
-wanns wohlgerät, in die Kirche mit einem Gebund Briefe, wie einer,
-der eine Brandsteuer sammlet, seine Zinsleute zu mahmen. Hätte er
-aber nicht gewußt, daß seine Schuldner zur Kirche kommen müßten, so
-wäre er fein daheim über seinen Registern sitzen geblieben. Meinest
-du nicht, es werden auch von denenjenigen in die Kirche begraben, die
-Schwert, Galgen, Feuer und Rad verdienet hätten? Mancher könnte seine
-Buhlerei nicht zu Ende bringen, da ihm die Kirche nicht beförderlich
-wäre. Ist etwas zu verkaufen oder zu verleihen, so wird es an die
-Kirchtür geschlagen. Wann mancher Wucherer die ganze Woche keine Zeit
-nimmt, seiner Schinderei nachzusinnen, so sitzt er unter währendem
-Gottesdienst in der Kirche und dichtet, wie der Judenspieß zu führen
-sei. Da sitzen sie wohl hier und dort unter der Messe und Predigt,
-miteinander zu diskurieren und dann werden oft Sachen beratschlagt,
-deren man an Privatörtern nicht gedenken dörfte. Teils sitzen dort
-und schlafen, als ob sie es verdingt hätten. Etliche richten die Leut
-aus: Ach wie hat der Pfarrer diesen und jenen so artlich in seiner
-Predigt getroffen! Andere geben fleißig Achtung auf ihren Seelsorger,
-damit sie ihn, wann er nur im geringsten anstößt, durchziehen und
-tadeln möchten. Nicht allein in ihrem Leben beschmutzen die Menschen
-mit Lastern die Kirchen, sondern auch nach ihrem Tod mit Eitelkeit
-und Torheit. Du wirst an den Grabsteinen sehen, wie diejenigen noch
-prangen, die doch die Würmer schon längst gefressen. Siehest du dann
-in die Höhe der Kirche, so kommen dir mehr Schilde, Helme, Waffen,
-Degen, Fahnen, Stiefel, Sporen und dergleichen Ding ins Gesicht als
-in mancher Rüstkammer, dahero kein Wunder, daß sich die Bauren diesen
-Krieg über an etlichen Orten aus den Kirchen, wie aus Festungen um das
-Ihre gewehrt. -- Ist es billig, daß mancher Reiche um ein Stück Geld in
-die Kirche begraben wird, hingegen der Arme außerhalb in einem Winkel
-verscharrt werden muß? Warum endlich sollte mir verboten sein, meine
-Nahrung vermittels eines Kirchtums zu suchen, da sich doch sonst so
-viel Menschen von der Kirche ernähren?«
-
-Ich hätte Olivier gerne geantwortet, doch getrauete ich mich nicht nach
-meinem Herzen zu reden.
-
-Er fragte mich, wie mirs ergangen, sint wir vor Magdeburg voneinder
-gekommen, weil ich aber wegen der Halsschmerzen gar zu unlustig,
-entschuldigte ich mich mit Bitte, er wollte mir doch zuvor seines
-Lebens Lauf erzählen.
-
-
-
-
-Das achte Kapitel
-
-
-»Mein Vater«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt Aach von geringen
-Leuten geboren worden. Er mußte bei einem reichen Kaufmann, der
-mit Kupfer schacherte, dienen und hielt sich so fein, daß der ihm
-Schreiben, Lesen und Rechnen lernen ließ und endlich über seinen ganzen
-Handel satzte. Dies schlug beiden Teilen wohl zu. Der Kaufmann ward je
-länger je reicher, mein Vater aber je länger je stolzer, daß er sich
-auch seiner Eltern schämete und sie verachtete. Der Kaufmann starb und
-verließ seine alte Witwe samt deren einziger Tochter, die kürzlich
-in eine Pfanne getreten und sich von einem Gademhengst ein Junges
-hatte zweigen lassen, das aber seinem Großvater bald nachfolgte. Da
-nun mein Vater sahe, daß die Tochter zwar vater- und kinderlos aber
-nicht geldlos worden, achtete er nicht, daß sie keinen Kranz mehr
-tragen dorfte, sondern erwug ihren Reichtum und machte sich bei ihr
-zutäppisch, so ihre Mutter gern zuließ, dann mein Vater hatte um den
-ganzen Kindeshandel Wissenschaft und konnte sonst mit dem Judenspieß
-trefflich fechten. Also ward mein Vater unversehens ein reicher
-Kaufmann, ich aber, sein Erbe, ward in Kleidung gehalten wie ein
-Edelmann, in Essen wie ein Freiherr und in der übrigen Wartung wie ein
-Graf.
-
-Kein Schelmstück war mir zu viel, dann was zur Nessel werden soll,
-brennt bei Zeiten. Ich terminierte mit bößen Buben durch dick und dünn
-auf der Gasse. Kriegte ich Stöße, so sagten meine Eltern: soll so ein
-großer Flegel sich mit einem Kinde schlagen! Überwand ich, maßen ich
-kratzte, biß und warf, so sagten sie: unser Oliviergen wird ein braver
-Kerl. Ich ward immer ärger, bis man mich zur Schule schickte. Was die
-bösen Buben ersannen und nicht praktizieren dorften, das satzte ich ins
-Werk. Meinen Schulmeister tät ich großen Dampf an, dann er dorfte mich
-nicht hart halten, weil er ziemliche Verehrung von meinen Eltern bekam.
-
-Ich stäubte Nießwurz an den Ort, da man die Knaben zu kastigieren
-pflegte; wann sich dann etwa ein halsstarriger wehrte, so stob mein
-Pulver herum und machte mir eine angenehme Kurzweile, dann alles nießen
-mußte. Ich stahl oft dem einen etwas und steckte es dem andern in den
-Sack, dem ich gern Stöße angerichtet. Mit solchen Griffen konnte ich so
-behutsam umgehen, daß ich fast niemals darüber erdappt ward.
-
-Weilen sich meines Vaters Reichtum täglich mehrete, als bekam er
-auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer, die meinen guten
-Kopf trefflich lobten und meine Untugenden zu entschuldigen wußten.
-Derowegen hatten meine Eltern eine Freude an ihrem Sohn, als die
-Grasmücke, die einen Guckuck aufzeucht. Sie dingten mir einen eigenen
-~Praeceptor~ und schickten mich nach Lüttich, mehr daß ich dort Welsch
-lernen, als studieren sollte, weil sie keinen Theologum, sondern
-einen Handelsmann aus mir erziehen wollten. Dieser hatte Befehl, mich
-beileib nicht streng zu halten, daß ich kein forchtsam knechtisch Gemüt
-überkäme und nicht leutscheu, sondern ein Weltmann würde.
-
-Ermeldter ~Praeceptor~ war dieser Weisung unbedürftig und von sich
-selbsten auf alle Büberei geneigt, aufs Buhlen und Saufen aber am
-meisten, ich aber von Natur aus aufs Balgen und Schlagen. Daher ging
-ich schon bei Nacht mit ihm und seines gleichen ~gassatim~ und lernte
-ihm in Kürze mehr Untugenden ab als Latein. Beim Studieren verließ
-ich mich auf mein gut Gedächtnis und scharfen Verstand. Mein Gewissen
-war bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte fahren
-mögen. Ich fragte nichts darnach, wann ich in der Kirche unter der
-Predigt schlüpfrige Bücher lase, und hörte nichts Liebers vom ganzen
-Gottesdienst, als wann man sagte: ~Ite, missa est.~ Darneben dünkte ich
-mich keine Sau zu sein, sondern hielt mich recht stutzerisch, alle Tage
-wars mir Martins-Abend oder Faßnacht. Da mir mein Vater zur Notdurft
-reichlich schickte und auch meiner Mutter fette Milchpfennige tapfer
-durchgehen ließe, lockte uns auch das Frauenzimmer an sich. Bei diesen
-Schleppsäcken lernte ich Löffeln, Buhlen und Spielen; Hadern, Balgen
-und Schlagen konnte ich zuvor.
-
-Mein Vater erfuhr dieses herrliche Leben durch seinen Faktor in
-Lüttich. Der bekam Befehl, den ~Praeceptor~ abzuschaffen und den Zügel
-fürderhin nicht so lang zu lassen, mich ferner genauer im Gelde zu
-halten. Solches verdroß uns beide. Demnach wir aber nicht mehr wie
-hiebevor spendieren konnten, gesellten wir uns zu einer Bursch, die den
-Leuten des Nachts auf der Gasse die Mäntel abzwackte oder sie gar in
-der Maas ersäufte. Was wir solchergestalt eroberten, verschlemmten wir
-mit unseren Huren und ließen das Studieren beinahe ganz unterwegen.
-
-Als wir nun einsmals bei Nacht herum schlingelten, den Studenten ihre
-Mäntel hinweg zu vulpinieren, wurden wir überwunden, mein ~Praeceptor~
-erstochen und ich neben andern fünfen, die rechte Spitzbuben
-waren, erdappt und eingezogen. Auf Bürgschaft des Faktors, der ein
-ansehnlicher Mann war, ward ich losgelassen, doch daß ich bis auf
-weiteren Bescheid in seinem Hause im Arrest bleiben sollte. Jene fünf
-wurden als Spitzbuben, Räuber und Mörder gestraft. Mein Vater kam
-eiligst selbst auf Lüttich, richtete meine Sache mit Geld aus, hielt
-mir eine scharfe Predigt und verwiese mir, was ich ihm vor Kreuz und
-Unglück und meiner Mutter vor Verzweiflung machte -- auch, daß er mich
-enterben und vorn Teufel hinwegjagen wollte. Ich versprach Besserung
-und ritte mit ihm nach Haus; also hat mein Studieren ein Ende genommen.
-
-Ich war kein ehrbarer ~Domine~ geworden, sondern ein Disputierer und
-Schnarcher, der sich einbildete, er verstehe trefflich viel. Und mein
-Vater befand, daß ich im Grund verderbt wäre.
-
-»Höre, Olivier,« sagte er, »ich sehe deine Eselsohren je länger je
-mehr hervorragen, du bist eine unnütze Last auf Erden. Ein Handwerk zu
-lernen bist du zu groß, einem Herren zu dienen bist du zu flegelhaftig,
-meine Hantierung zu begreifen und zu treiben bist du nichts nutz. Ich
-habe gehofft dich zum Manne zu machen, so habe ich dich hingegen jetzt
-aus des Henkers Händen erkaufen müssen: Pfui, der Schande!«
-
-Dergleichen Lectionen mußte ich täglich hören, bis ich zuletzt auch
-ungeduldig ward und sagte, ich wäre an allem nicht schuldig, sondern er
-und mein ~Praeceptor~, der mich verführt hätte. Daß er keine Freude an
-mir erlebe, wäre billig, sintemal seine Eltern sich auch seiner nicht
-erfreuen, als er sie gleichsam im Bettel verhungern lasse. Da erdappte
-er einen Prügel und wollte mir meine Wahrsagung lohnen, hoch und teuer
-sich verschwörend, er wolle mich nach Amsterdam ins Zuchthaus tun. Ich
-ging durch und ritte seinen besten Hengst auf Köln zu.
-
-Den versilberte ich, kam abermals in eine Gesellschaft der Spitzbuben
-und Diebe und half bei Nacht einfahren. Maßen aber einer kurz hernach
-ergriffen ward, als er einer vornehmen Frau auf dem Alten Markt ihren
-schweren Beutel doll machen wollte und ich ihn einen halben Tag mit
-dem eisernen Halskragen am Pranger stehen sah, dergleichen wie sie ihm
-ein Ohr abschnitten und ihn mit Ruten aushieben, ward mir das Handwerk
-verleidet. Unser Obrister, bei dem wir vor Magdeburg gewesen, nahm
-eben damals Knechte an; ich ließ mich derowegen vor einen Soldaten
-unterhalten.
-
-Nachgehends ging sein Schreiber mit Tod ab, so nahm mich der Obrist an
-dessen Statt zu sich, dann er hatte vernommen, daß ich eines reichen
-Kaufmanns Sohn wäre. Ich lernte von unserm ~Secretario~, wie ich mich
-halten sollte, und mein Vorsatz, groß zu werden, verursachte, daß ich
-mich ehrbar und reputierlich einstellte und nit mehr mit Lumpenpossen
-schleppte.«
-
-Sonach erzählte mir Olivier das Schelmenstück, das er meinem jungen
-Herzbruder mit dem übergöldten Becher angetan, damit er den alten
-Herzbruder auf den Tod gekränket, und mir ward grün und gelb vor Augen,
-als ich es aus seinem eigenen Maul hören mußte. Gleichwohl dorfte ich
-keine Rache nehmen.
-
-»Im Treffen vor Wittstock«, sagte Olivier, »hielt ich mich nicht wie
-ein Federspitzer, der nur auf das Tintenfaß bestellt ist. Ich war wohl
-beritten und so fest als Eisen, ließ derhalben meinen ~Valor~ sahen,
-als einer der durch den Degen hoch zu kommen oder zu sterben gedenket.
-Wie eine Windsbraut vagierte ich um unsere Brigade herum, mich zu
-exerzieren und zu erweisen, daß ich besser zu den Waffen als zur Feder
-tauge. Aber das Glück der Schweden überwand, ich wurde gefangen.
-
-In einem Regiment, welches nach Pommern gelegt ward, sich wieder zu
-erholen, ließ ich treffliche Courage verspüren und ward zum Korporal
-gemacht. Aber ich gedachte wieder unter die Kaiserlichen zu kommen.
--- Einsmals hatte ich mit sieben Musketierern achthundert Gulden
-ausständige Kontribution in unseren abgelegenen Quartieren erpreßt.
-Da ich nun das Geld beisammen trug, zeigte ich es meinen Burschen und
-machte ihre Augen nach demselben lüsternd, also daß wir des Handels
-einig wurden zu teilen und durchzugehen. Sonach persuadierte ich drei,
-daß sie mir halfen die andern vier tot zu schießen, und wir teileten
-das Geld. Unterwegs überredete ich noch einen, daß er auch die zween
-übrigen nieder schießen half. Den letzten erwürgte ich auch. So kam ich
-nach Werle, allwo ich mich anwerben ließ und mit dem Gelde ziemlich
-lustig machte.
-
-Ich hörte daselbst viel Rühmens von einem jungen Soldaten in Soest, der
-sich treffliche Beuten und einen großen Namen machte. Man nannte ihn
-wegen seiner grünen Kleidung den Jäger. Mein Geld ging auf die Neige,
-derhalben ich mir einen grünen Wams und Hosen machen ließ und auf
-seinem Namen mit Verübung allerhand Exorbitantien in allen Quartieren
-stahl, soviel ich konnte. Der Jäger ließ mich herausfordern, aber der
-Teufel hätte mit ihm fechten mögen, den er auch in den Haaren sitzen
-hatte. Der würde mir meine Festigkeit schön aufgetan haben. Doch
-konnte ich seiner List nicht entgehen. Er praktizierte mich mich Hülfe
-zweier leibhaftiger Teufel in eine Schäferei und zwang mich zu der
-spöttlichsten Sache von der Welt, davon ich mich dergestalt schämte,
-daß ich hinweg nach Lippstadt lief.
-
-Ich nahm fürders holländische Dienste, allwo ich zwar richtigere
-Bezahlung aber vor meinen Humor einen langweiligen Krieg fand, dann da
-wurden wir eingehalten wie die Mönche und sollten züchtiger leben als
-die Nonnen.
-
-Also gedachte ich mich zu den Spanischen zu schlagen und entwich,
-maßen mir der holländer Boden heiß geworden war. Allein mir ward der
-Kompaß verruckt, daß ich unversehens an die Bayrischen geriet. Mit
-denselben marschierte ich unter den Merode-Brüdern aus Westfalen bis
-ins Brißgäu und nährte mich mit Spielen und Stehlen, bis das Treffen
-vor Wittenweyer vorüberging, in welchem ich gefangen, abermals unter
-ein Regiment zu Fuß gestoßen und also zu einem Weimarischen Soldaten
-gemacht ward. Es wollte mir aber im Läger vor Breisach nicht gefallen,
-darum quittierte ichs bei Zeiten und ging davon, vor mich selbst zu
-kriegen, wie du siehest.«
-
-
-
-
-Das neunte Kapitel
-
-
-Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführte, konnte ich mich
-nicht genugsam über die göttliche Vorsehung verwundern. Dann sollte
-diese Bestia gewußt haben, daß ich der Jäger von Soest gewesen wäre,
-so hätte er mir gewißlich wieder eingetränkt, was ich ihm hiebevor
-auf der Schäferei getan. Ich sahe erst, was ich dem Olivier vor einen
-Possen erwiesen und wie weislich und obscur der alte Herzbruder seine
-Weissagungen gegeben, und wie es dannoch schwer fallen würde und
-seltsam hergehen müßte, da ich eines solchen Tod, der Galgen und Rad
-verdienet hätte, rächen sollte. Indem ich nun solche Gedanken machte,
-ward ich in Oliviers Gesicht etlicher Ritze gewahr, die ich vor
-Wahrzeichen des Spring-ins-Feld und seiner Teufelskrallen hielte. Ich
-fragte, woher ihm solche Zeichen kämen.
-
-»Ach Bruder,« antwortete er, »wann ich dir alle meine Bubenstücke und
-Schelmerei erzählen sollte, so würde beides: mir und dir die Zeit zu
-lang werden. Ich will dir hievon auch die Wahrheit sagen, obschon es
-scheinet, als gereiche sie mir zum Spott.
-
-Ich glaube gänzlich, daß ich vom Mutterleib an zu einem gezeichneten
-Angesicht vorbestimmt gewesen sei. In meiner Jugend ward ich von
-meinesgleichen Schuljungen zerkratzt, so hielt mich auch einer von
-denen Teufeln, die dem Jäger von Soest aufwarteten, überaus hart, maßen
-man seine Klauen wohl sechs Wochen in seinem Gesicht spürete. Diese
-Striemen aber, die du jetzt siehest, haben einen anderen Ursprung:
-Als ich unter den Schweden im Pommer lag und eine schöne Matresse
-hatte, mußte mein Wirt aus seinem Bette weichen und uns hineinlegen
-lassen. Seine Katze, die in demselben Bette zu schlafen gewohnt war,
-kam alle Nacht und machte uns große Ungelegenheit, dann meine Matresse
-konnte keine Katze leiden und verschwur sich hoch, sie wollte mir in
-keinem Fall mehr Liebes erweisen, bis ich ihr zuvor die Katze hätte
-abgeschafft. So gedachte ich mich an der Katze zu rächen, daß ich auch
-eine Lust daran haben möchte. Steckte sie derhalben in einen Sack, nahm
-meines Wirts beide starke Baurenhunde mit mir auf eine breite, lustige
-Wiese und gedachte da meinen Spaß zu haben, dann ich vermeinte, weil
-kein Baum in der Nähe war, auf den sich die Katze retirieren konnte,
-würden sie die Hunde eine Weile hin und her jagen, wie einen Hasen
-raumen und mir eine treffliche Kurzweile anrichten. Aber Potz Stern! es
-ging mir nicht allein hundeübel, wie man zu sagen pfleget, sondern auch
-katzenübel, maßen die Katze, sobald ich den Sack auftat, nur ein weites
-Feld, ihre zwei starken Feinde und nichts Hohes vor sich sahe, dahin
-sie ihre Zuflucht hätte nehmen mögen. Derowegen sprang sie auf meinen
-Kopf. -- Je mehr ich sie nun herunter zu zerren trachtete, je fester
-schlug sie ihre Krallen ein. Solch unserem Gefecht konnten die beiden
-Hunde nicht lang zusehen, sondern mengten sich mit ins Spiel, sie
-sprangen mit offenem Rachen hinten, vorne, zur Seite nach der Katze,
-die sich mit ihren Klauen einkrallete, so gut sie konnte. Tät sie aber
-mit ihrem Dornhandschuh einen Fehlstreich nach den Hunden, so traf
-mich derselbe gewiß. Weil sie aber auch die Hunde auf die Nase schlug,
-beflissen sich dieselbigen, sie mit ihren Talpen herunter zu bringen
-und gaben mir damit manchen Griff ins Gesicht. Wann ich aber selbst mit
-beiden Händen nach der Katze tastete, sie herunter zu reißen, biß und
-kratzte sie nach ihrem besten Vermögen. Also ward ich beides: von den
-Hunden und von der Katze dergestalt schröcklich zugerichtet, daß ich
-schwerlich einem Menschen gleichsahe. Mein Kragen und Koller war blutig
-wie eines Schmiedes Notstall am St. Stefanstag, wann man die Pferde
-zur Ader läßt, und ich wußte ganz kein Mittel, mich aus diesen Ängsten
-zu erretten. Zuletzt so mußte ich von freien Stücken auf die Erde
-niederfallen, damit beide Hunde die Katze erwischen konnten, wollte
-ich anderst nicht, daß mein Kapitolium noch länger ihr Fechtplatz sein
-sollte. Die Hunde erwürgten zwar die Katze, ich hatte aber bei weitem
-keinen so herrlichen Spaß davon. Dessentwegen ward ich so ergrimmt,
-daß ich nachgehends beide Hunde totschoß und meine Matreß dergestalt
-abprügelte, daß sie hätte Öl geben mögen und darüber von mir weglief,
-weil sie ohn Zweifel keine solche abscheuliche Larve länger lieben
-konnte.«
-
-Ich hätte gerne gelacht und mußte mich doch mitleidentlich erzeigen.
-Und als ich eben auch anfing, meines Lebens Lauf zu erzählen, sahen
-wir eine Kutsche samt zwei Reutern das Land herauf kommen. Wir satzten
-uns in ein Haus, das an der Straße lag und sehr bequem war, Reisende
-anzugreifen. Olivier legte mit einem Schuß gleich den einen Reuter und
-das Pferd, eh sie unserer inne wurden, deswegen dann der andere gleich
-durchging. Indem ich mit übergezogenem Hahn den Kutscher halten und
-absteigen gemachet, sprang Olivier auf ihn dar und spaltete ihm mit
-seinem breiten Schwert den Kopf bis auf die Zähne, wollte auch gleich
-die Frauenzimmer und Kinder metzgen, so vor Schröcken mehr den toten
-Leichen als den Lebenden gleich sahen. Ich aber wollte es rund nicht
-gestatten und sagte, er müßte mich zuvor erwürgen.
-
-»Ach, du närrischer ~Simplici~, daß du so ein heilloser Kerl bist und
-dich dergestalt anläßt!«
-
-»Bruder, wes willst du die unschuldigen Kinder zeihen? Wann es Kerl
-wären, die sich stellen könnten!«
-
-»Was! Eier in die Pfannen, so werden keine Junge draus! Ich kenne
-diese jungen Blutsauger wohl! Ihr Vater, der Major, ist ein rechter
-Schindhund und der erste Wamsklopfer von der Welt.«
-
-Mit solchen Worten wollte er immer fortwürgen, doch enthielt ich ihn so
-lang, bis er sich endlich erweichen ließe. Es waren aber einer Majors
-Weib, ihre Magd und drei Kinder, die mich von Herzen daureten. Wir
-sperrten sie in einen Keller, auf daß sie uns nicht so bald verraten
-sollten, darin sie sonst nichts als Obst und weiße Rüben zu beißen
-hatten, bis sie gleichwohl von jemand erlöst würden. Demnach plünderten
-wir die Kutschen und zogen mit schönen Pferden in Wald, wo er zum
-dicksten war.
-
-Da sahe ich unweit von uns einen Kerl stockstill an einem Baum stehen,
-solchen wiese ich dem Olivier aus Vorsicht.
-
-»Ha, Narr,« antwortete er, »es ist ein Jud, den hab ich hingebunden.
-Der Schelm ist aber vorlängst erfroren und verreckt.« Indem ging er zu
-ihm, klopfte ihm mit der Hand unten ans Kinn und sagte: »Du Hund, hast
-mir viel schöne Dukaten gebracht!«
-
-Da rollten dem Juden etliche Dublonen zum Maul heraus, welche der arme
-Schelm noch bis in seinen Tod davon bracht hatte. Olivier griff ihn
-darauf ins Maul und brachte zwölf Dublonen und einen köstlichen Rubin
-zusammen.
-
-»Diese Beute habe ich dir zu danken, ~Simplici~.«
-
-Schenkte mir darauf den Rubin, stieß das Geld zu sich und ging
-seinen Baurn zu holen mir Befehl, ich sollte indessen bei den Pferden
-verbleiben, aber wohl zusehen, daß mich der tote Jud nicht beiße.
-
-Derweilen schlug mir das Gewissen merklich, darum daß ich die Kutsche
-aufgehalten, daß der Kutscher so erbärmlich ums Leben kommen und beide
-Weibsbilder mit denen unschuldigen Kindern in den Keller versperrt
-worden, worin sie vielleicht wie dieser Jude verderben mußten. Allein
-ich fand nicht Mittel noch Ausweg, dann ich gedachte, würdest du von
-den Weimarischen mit diesen Pferden erwischt, so wirst du als ein
-überzeugter Mörder aufs Rad gelegt, und ob deine Füße auch schnell
-genug wären, du wolltest desto weniger den Bauren auf dem Schwarzwald,
-so damals den Soldaten auf die Hauben klopften, entrinnen. Indem ich
-mich nun selbst so marterte und quälete und doch nichts entschließen
-konnte, kam Olivier mit dem Baur daher. Der führte uns mit den Pferden
-auf einen Hof, da wir fütterten. Wir ritten nach Mitternacht weiters
-und kamen gegen Mittag an die äußerste Grenzen der Schweizer, allwo
-Olivier wohl bekannt war und uns stattlich auftragen ließ. Der Wirt
-schickte nach zweien Juden, die uns die Pferde abhandelten. Es war
-alles so nett und just bestellt, daß es wenig Wortwechselns brauchte.
-Der Juden große Frage war, ob die Pferde kaiserisch oder schwedisch
-gewesen. Da sie vernahmen, daß sie von den Weimarischen herkämen,
-sagten sie, so müsse man solche nicht nach Basel sondern in das
-Schwabenland zu den Bayrischen reuten. Über welche große Kundschaft und
-Verträulichkeit ich mich verwundern mußte.
-
-Wir bankettierten edelmännisch und ich ließ mir die guten Waldforellen
-und köstlichen Krebs wohl schmäcken. Wie es Abend ward, so machten wir
-uns wieder auf den Weg, hatten unsern Baur mit Gebratens und andern
-Viktualien wie einen Esel beladen. Damit kamen wir den andern Tag auf
-einen einzelnen Baurenhof, allwo wir freundlich aufgenommen wurden und
-uns wegen ungestümen Wetters ein paar Tage aufhielten. Folgends kamen
-wir auf Wald und Abwegen wieder in das Häuslein, dahin mich Olivier
-anfänglich geführet.
-
-
-
-
-Das zehent Kapitel
-
-
-Wie wir nun so dasaßen auszuruhen, schickte Olivier den Baur aus,
-Essensspeise samt Zündkraut und Lot einzukaufen. Und als selbiger
-hinweg war, zog er seinen Rock aus und sagte:
-
-»Bruder, ich mag das Teufelsgeld nicht mehr allein herumschleppen!« --
-Band demnach ein paar Würste oder Wülste, die er auf bloßem Leib trug,
-herunter und warf sie auf den Tisch. »Das Donnergeld hat mir Beulen
-gedruckt.«
-
-Ich ergriff die Wülste und befand sie trefflich gewichtig, weil es
-lauter Goldsorten waren. Ich sagte, es sei alles unbequem gepackt, ich
-wollts einnähen, daß einem das Tragen nicht halb so sauer ankäme. Es
-gefiel ihm und ich machte mir und ihm ein Scapulier oder Schulterkleid
-aus einem Paar Hosen und versteppte manchen schönen, roten Batzen
-darein, daß wir unter dem Hemde hinten und vorn mit Gold gewappnet
-waren. So verriete er mir auch, daß er mehr als tausend Taler in einem
-Baume liegen hätte, aus welchem er den Baur hausen ließe, weil er
-solchen Schafmist nicht hoch halte.
-
-Wir bäheten uns beim Ofen und gedachten an kein Ungemach, da kamen,
-als wir uns dessen am wenigsten versahen, sechs Musketierer samt einem
-Korporal mit fertigem Gewehr und aufgepaßten Lunten ins Häuslein,
-stießen die Stubentür auf und schrieen, wir sollten uns gefangen geben.
-Aber Olivier, der sowohl als ich seine gespannte Musketen neben sich
-liegen hatte, antwortete ihnen mit einem Paar Kugeln, durch welche
-er gleich zween zu Boden fällete, ich aber erlegte den dritten und
-beschädigte den vierten durch einen gleichmäßigen Schuß. Darauf
-wischte Olivier mit seinem notfesten Schwert, welches Haare schur, vom
-Leder und hieb den fünften von der Achsel bis auf den Bauch hinunter,
-daß ihme das Eingeweide heraus und er neben demselben nieder fiel,
-indessen schlug ich dem sechsten mit umgekehrtem Feuerrohr auf den
-Kopf, daß er alle vier von sich streckte. Einen solchen Streich kriegte
-Olivier von dem siebenten, und zwar mit solcher Gewalt, daß ihm das
-Hirn herausspritzte, ich aber traf diesen wiederum dermaßen, daß er
-seinen Kameraden beim Totenreigen Gesellschaft leisten mußte. Der
-Beschädigte aber fing an zu laufen, als ob ihn der Teufel selbst gejagt
-hätte. Und dies Gefecht währte kürzer als eines Vaterunsers Länge.
-
-Sonach ich nun dergestalt allein Meister auf dem Platze blieb,
-beschauete ich den Olivier, ob er vielleicht noch einen lebendigen Atem
-in sich hätte. Da ich ihn aber ganz entseelt befand, dünkte es mich
-ungereimt zu sein, einem toten Körper so viel Goldes zu lassen, zog ihm
-derowegen das golden Fell ab und hing es mir an den Hals zu dem andern.
-Ich nahm auch Oliviers Muskete und Schwert zu mir, maßen mein Rohr
-zerschlagen war, und machte mich aus dem Staub auf einen Weg, da ich
-wußte, daß der Baur herkommen müsse.
-
-Und kaum eine halbe Stunde ging ich in meinen Gedanken, so kam unser
-Baur daher und schnaubte wie ein Bär, dann er lief von allen Kräften.
-
-»Warum so schnell? Was Neues?«
-
-»Geschwind, machet Euch abwegs! Es kommt ein Korporal mit sechs
-Musketierern, die haben mich gefangen, daß ich sie zu euch führen
-sollte, ich bin ihnen aber entronnen.«
-
-O Schelm, dachte ich, du hast uns um des Olivier Silbergeld verraten,
-ließe mich aber doch nichts merken, sondern sagte, daß Olivier und
-die andern tot wären. Das wollte er nicht glauben, bis ich ihn in das
-Häuslein führte, daß er das Elend an den sieben Körpern sehen könnte.
-
-Der Baur erstaunte vor Schröcken und fragte, was Rats.
-
-»Rat ist schon beschlossen. Unter dreien Dingen geb ich dir Wahl:
-Entweder führe mich alsbald durch sichere Abwege über den Wald hinaus
-nach Villingen oder zeige mir Oliviers Geld im Baum oder stirb hier.
-Führst du mich, so bleibt das Geld dein, wirst du mirs weisen, so teil
-ichs mit dir, tust du aber keines, so schieß ich dich tot.« -- Der Baur
-wäre gern entloffen, aber er forchte die Muskete; fiele derhalben auf
-die Knie und erbot sich, mich über Wald zu führen.
-
-Also wanderten wir denselben Tag und folgende Nacht ohn Essen und
-Trinken, bis wir gegen Tag die Stadt Villingen vor uns liegen sahen.
-Den Baur trieb Todesfurcht, mich aber die Begierde, mich selbst und
-mein Gold davon zu bringen, und muß fast glauben, daß einem Menschen
-das Gold große Kräfte mitteilet, dann obzwar ich schwer genug daran
-trug, so empfand ich jedoch keine sonderbare Müdigkeit.
-
-Ich hielt es vor ein glücklich Omen, daß man die Pforte eben öffnete,
-als ich vor Villingen kam. Der Offizier von der Wacht examinierte mich,
-und da ich mich vor einen Freibeuter ausgab von jenem Regiment, wohin
-mich Herzbruder getan, wie auch, daß ich aus dem Läger vor Breisach
-von den Weimarischen herkäme und nunmehr zu meinem Regiment unter die
-Bayrischen begehrte, gab er mir einen Musketierer zu, der mich zum
-Kommandanten führte. Dem bekannte ich alles, daß ich mich ein Tag oder
-vierzehn bei einem Kerl aufgehalten und mit demselben eine Kutschen
-angegriffen, der Meinung, von den Weimarischen Beute zu holen und
-rechtschaffen montiert wieder zu unserem Regiment zu kommen. Wir seien
-aber von einem Korporal mit sechs andern Kerlen überfallen worden,
-dadurch mein Kamerad und sechs vom Gegenteil auf dem Platze geblieben.
-Der Kommandant wollte es fast nicht glauben, daß wir zween sollten
-sechs Mann niedergemacht haben und ich nahm Gelegenheit von Oliviers
-Schwert zu reden. Das gefiel ihm so wohl, daß ichs ihm, wollte ich
-anders mit guter Manier von ihm kommen und Paß erlangen, gegen einen
-andern Degen lassen mußte. Im Wahrheit aber so war dasselbe trefflich
-schön und gut. Es war ein ganzer, ewigwährender Kalender darauf geätzt.
-
-Ich ging den nächsten Weg ins Wirtshaus und wußte nicht, ob ich am
-ersten schlafen oder essen sollte. Doch wollte ich zuvor meinen Magen
-stillen und machte mir unterdessen Gedanken, wie ich meine Sachen
-anstellen, daß ich mit meinem Gold sicher nach L. zu meinem Weibe
-kommen möchte.
-
-Indem ich nun so spekulierte, hinkte ein Kerl mit einem Stecken in der
-Hand in die Stube, der hatte einen verbundenen Kopf, einen Arm in der
-Schlinge und so elend verlauste Kleider an, daß ich ihm keinen Heller
-darum gegeben hätte. Der Hausknecht wollte ihn austreiben, weil er übel
-stank. Er aber bat, ihn um Gottes Willen zu lassen, sich nur ein wenig
-zu erwärmen, so aber nichts half. Demnach ich mich seiner erbarmete und
-vor ihn bat, ward er kümmerlich zum Ofen gelassen. Er sahe mir, wie
-mich bedünkte, mit begierigem Appetit und großer Andacht zu, wie ich
-darauf hieb und ließ etliche Seufzer laufen. Und als der Hausknecht
-ging, mir ein Stück Gebratenes zu holen, ging er gegen mich zum Tisch
-zu und reichte ein irden Pfennighäfelein in der Hand dar, daß ich mir
-wohl einbilden konnte, warum er käme; nahm derhalben die Kanne und goß
-ihm seinen Hafen voll, eh er heischte.
-
-»Ach Freund,« sagte er, »um Herzbruders willen gebet mir auch zu essen!«
-
-Solches ging mir durchs Herz und ich befand, daß es Herzbruder selbsten
-war. Ich wäre beinahe in Ohnmacht gesunken, doch erhielt ich mich, fiel
-ihm um den Hals, satzte ihn zu mir, da uns beiden die Augen übergingen.
-
-
-
-
-Das elfte Kapitel
-
-
-Wir konnten fast weder essen noch trinken, nur fragte einer den andern,
-wie's ihm ergangen. Der Wirt wunderte sich, daß ich einen so lausigen
-Kerl bei mir litte, ich aber sagte, solches sei unter Kriegskameraden
-Brauch. Da ich auch verstund, daß sich Herzbruder bisher im Spital
-aufgehalten, vom Almosen sich ernähret, und seine Wunden liederlich
-verbunden worden, dingte ich dem Wirt ein sonderlich Stüblein ab, legte
-Herzbruder in ein Bette, ließ ihm den besten Wundarzt kommen, wie auch
-einen Schneider und eine Näherin, ihn zu kleiden und den Läusen aus den
-Zähnen zu ziehen. Ich hatte eben diejenigen Dublonen, so Olivier dem
-toten Juden aus dem Maul bekommen, bei mir in einem Säckel. Dieselben
-schlug ich auf den Tisch und sagte dem Wirt zu Gehör:
-
-»Schau Herzbruder, das ist mein Geld, das will ich an dich wenden und
-mit dir verzehren.«
-
-Darnach der Wirt uns wohl aufwartete. Dem Barbier aber wies ich den
-Rubin, der ungefähr zwanzig Taler wert war und sagte, weil ich mein
-wenig Geld vor uns zu Zehrung und Kleidung aufwenden müßte, so wollte
-ich ihm denselben Ring geben, wenn er meinen Kameraden in Bälde von
-Grund aus kurieren wollte, dessen er dann wohl zufrieden war, daß er
-seinen besten Fleiß aufwandte.
-
-Also pflegte ich Herzbrudern wie meinem andern Ich. Der Kommandant, dem
-ich alles anzeigete, gönnte mir zu bleiben, bis mein Kamerad mir würde
-folgen können und versprach uns beide alsdann mit gemeinsamen Paß zu
-versehen.
-
-Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam, bat ich ihn, er wollte mir
-unbeschwert erzählen, wie er in einen so armseligen Stand geraten
-wäre, dann ich bildete mir ein, er möchte vielleicht eines Versehens
-halber von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemachet und in
-gegenwärtiges Elend versetzt worden sei.
-
-Er aber sagte: »Du weißt, Bruder, daß ich des Grafen von Götz
-~Factotum~ und geheimster Freund gewesen, daß aber der verwichene
-Feldzug unter seiner Generalität eine unglückliche Endschaft erreichet,
-indem wir die Schlacht bei Wittenweyer verloren. Weil nun deswegen
-hin und wieder von aller Welt sehr ungleich geredet ward, zumalen
-wohlgemeldter Graf sich zu verantworten nach Wien ist citieret, so
-lebe ich beides: vor Scham und Forcht freiwillig in dieser Niedere und
-wünsche mir oft entweder in diesem Elend zu sterben oder doch wenigst
-mich so lang verborgen zu halten, bis der Graf seine Unschuld an Tag
-gebracht. -- Vor Breisach armierte ich mich selbst, da ich sahe, daß
-es unserseits so schläfrig herging, den andern zum Exempel. Ich kam
-unter den ersten Angängern an den Feind auf die Brücke, da es dann
-scharf herging. So empfing ich zugleich einen Schuß in meinen rechten
-Arm und den andern Schenkel, daß ich weder ausreißen, noch meinen Degen
-gebrauchen konnte. Und als die Enge des Ortes und der große Ernst nicht
-zuließ, viel von Quartiernehmen und -geben zu parlamentieren, kriegte
-ich einen Hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel. Und weil ich fein
-gekleidet war, wurde ich in der Furi von etlichen ausgezogen und vor
-tot in Rhein geworfen. In solchen Nöten schrie ich zu Gott, indem ich
-unterschiedliche Gelübde tät, spürete auch seine Hilfe. Der Rhein warf
-mich ans Land, allwo ich meine Wunden mit Moos verstopfte und beinahe
-erfror. Jedoch ich kroch davon und stieß unter etliche Merode-Brüder
-und Soldatenweiber, die sich meiner erbarmeten. Ich mußte aber sehen,
-daß sich die Unsrigen zu einem spöttlichen Abzug rüsteten, resolvierte
-derhalben bei mir selbsten, mich niemand zu offenbaren, und nahm meinen
-Elendsweg, von dem du mich hast aufgehoben.«
-
-Ich tröstete Herzbrudern so gut ich konnte und vertraute ihm, daß ich
-noch mehr Geld hätte als jene Dublonen. Und ich erzählte ihm Oliviers
-Untergang und was Gestalt ich seinen Tod habe rächen müssen. Welches
-sein Gemüt dermaßen erquickte, also daß es ihm auch an seinen Leib
-zustatten kam, maßen es sich an allen Wunden täglich mit ihm besserte.
-
-
-
-
-Das fünfte Buch
-
-
-
-
-Das erste Kapitel
-
-
-Nachdem Herzbruder wieder allerdings erstärkt, vertrauete er mir, daß
-er in den höchsten Nöten eine Wallfahrt nach Einsiedeln zu tun gelobt.
-Weil er dann jetzt ohn das so nahe am Schweizerland wäre, so wollte
-er solche verrichten und sollte er auch dahin betteln. Ich bot ihm
-Geld und meine Gesellschaft an, ja, ich wollte gleich zween Klepper
-kaufen. Nicht zwar der Ursache, daß mich die Andacht darzu getrieben,
-sondern um die Eidgenoßschaft zu besehen, als das einzige Land, darin
-der liebe Friede noch grünete. So freute mich auch nicht wenig, daß
-ich Gelegenheit hatte, Herzbrudern auf solcher Reise zu dienen, maßen
-ich ihn fast höher als mich selbst liebte. Er aber schlug beides:
-meine Hilfe und meine Gesellschaft ab mit Vorwand, seine Wallfahrt
-müsse zu Fuß und darzu auf Erbsen geschehen, meine Gesellschaft würde
-ihn nicht allein an der Andacht verhindern, sondern mir selbst große
-Ungelegenheit aufladen. Das redete er aber, mich von sich zu schieben,
-weil er sich ein Gewissen machte auf einer so heiligen Reise von dem
-Gelde zu zehren, das mit Morden und Rauben erobert worden. Er sagte
-unverholen, daß ich bereits mehr an ihm getan, weder ich schuldig
-gewesen, noch er zu erwidern getraue. Hierüber gerieten wir in ein
-freundlich Gezänke, das war so lieblich, als ich dergleichen niemals
-habe hören hadern. Bis ich endlich merkte, daß er beides: an Oliviers
-Geld und meinem gottlosen Leben einen Ekel hatte. Derhalben behalf ich
-mich mit Lügen und überredete ihn, daß mich mein Bekehrungsvorsatz
-nach Einsiedeln triebe, sollte er mich nun von einem so guten Werk
-abhalten und ich darüber sterben, so würde ers schwer verantworten
-können. Hierdurch persuadierte ich ihn, daß er es zuließ, sonderlich
-weil ich eine große Reue bezeugte, als ich ihn dann auch überredete,
-daß ich sowohl als er auf Erbsen nach Einsiedeln gehen wollte.
-
-Er willigte endlich drein, wiewohl mit Widerstreben, daß ich einen Paß
-bekam nach meinem Regiment (und nicht nach Einsiedeln) zu gehen. Mit
-demselben wanderten wir bei Beschließung des Tores samt einem getreuen
-Wegweiser aus der Stadt, als wollten wir nach Rottweil, wandten uns
-aber kurz durch Nebenwege und kamen noch dieselbige Nacht über die
-schweizerische Grenze und folgenden Morgen in ein Dorf, allda wir uns
-mit schwarzen langen Röcken, Pilgerstäben und Rosenkränzen montierten
-und den Boten wieder zurückschickten.
-
-Das Land kam mir so fremd vor gegen andern deutschen Ländern, als wann
-ich in Brasilia oder in China gewesen wäre. Da sahe ich die Leute
-im Frieden handeln und wandeln. Die Ställe stunden voll Viehe. Die
-Baurenhöfe liefen voll Hühner, Gäns und Enten. Die Straßen wurden
-sicher von den Reisenden gebrauchet. Die Wirtshäuser saßen voll Leute,
-die sich lustig machten. Da war ganz keine Forcht vor dem Feind,
-keine Sorge vor der Plünderung und keine Angst, sein Gut, Leib noch
-Leben zu verlieren. Ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und
-Feigenbaum, und zwar, gegen andere deutsche Länder zu rechnen, in
-lauter Wollust und Freude, also daß ich dieses Land vor ein irdisch
-Paradies hielt, wiewohln es von Art rauh genug zu sein schiene.
-
-Das machte, daß ich auf dem ganzen Weg nur hin und her gaffte, wann
-hingegen Herzbruder an seinem Rosenkranz betete. Deswegen ich manchen
-Filz bekam, dann er wollte, daß ich wie er bete, welches ich aber nicht
-gewöhnen konnte.
-
-Zu Zürich kam er mir recht hinter die Briefe und dahero sagte er mir
-die Wahrheit auch am tröckensten heraus. Dann als wir zu Schaffhausen,
-allwo mir die Füße von den Erbsen sehr wehe täten, die vorige Nacht
-geherberget und ich mich den künftigen Tag wieder auf Erbsen zu gehen
-förchtete, ließ ich sie kochen und tät sie wieder in die Schuhe.
-
-»Bruder, du hast große Gnade vor Gott,« meinte Herzbruder zu Zürich,
-»daß du unangesehen der Erbsen, dannoch so wohl fortkommen kannst.«
-
-»Ja,« sagte ich, »liebster Herzbruder, ich habe sie gekocht, sonst
-hätte ich soweit nicht darauf gehen können.«
-
-»Ach, daß Gott erbarme, was hast du getan! Du hättest sie lieber gar
-aus den Schuhen gelassen, wann du nur dein Gespötte damit treiben
-willst. Gott wird dich und mich zugleich strafen. Ich besorge, es stehe
-deine Seligkeit in höchster Gefahr. Ich liebe keinen Menschen mehr als
-dich, leugne aber auch nit, daß ich mir ein Gewissen machen muß, solche
-Liebe zu kontinuieren.«
-
-Ich verstummte vor Schröcken, daß ich mich schier nicht wieder erholen
-konnte. Zuletzt bekannte ich frei, daß ich die Erbsen nicht aus
-Andacht, sondern allein ihm zu Gefallen in die Schuhe getan, damit er
-mich mitgenommen hätte.
-
-»Ach Bruder, ich sehe, daß du weit vom Weg der Seligkeit bist. Gott
-verleihe dir Besserung, dann ohne die kann unsere Freundschaft nicht
-bestehen.«
-
-Von dieser Zeit folgte ich ihm traurig nach, als einer, den man zu
-Galgen führet. Mein Gewissen fing an mich zu drucken, alle meine
-Bubenstücke stelleten sich mir vor Augen, da beklagte ich erst
-die verlorene Unschuld. Und was meinen Jammer vermehrete war, daß
-Herzbruder nicht viel mehr mit mir redete und mich nur mit Seufzen
-anschauete, als hätte er meine Verdammnis an mir bejammert.
-
-Solchergestalt langten wir zu Einsiedeln an und kamen eben in die
-Kirche, als ein Priester einen Besessenen exorcisieret. Das war mir neu
-und seltsam, derowegen ließ ich Herzbrudern knien und beten, so lange
-er wollte, und ging hin, diesem Spektakul aus Fürwitz zuzusehen.
-
-Aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da schrie mich der böse
-Geist aus dem armen Menschen an: »Oho, du Kerl, schlägt dich der
-Hagel auch her? Ich habe vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem
-Olivier in unserer höllischen Wohnung anzutreffen! Du ehebrecherischer,
-mörderischer Jäger, darfst du dir wohl einbilden, uns zu entrinnen?
-O ihr Pfaffen, nehmt ihn nur nicht an, er ist ein Gleißner und ärger
-Lügner als ich, er foppt euch nur und spottet beides: Gott und
-Religion!«
-
-Der ~Exorcist~ befahl dem Geist zu schweigen, weil man ihm als einem
-Erzlügner ohn das nicht glaube.
-
-»Ja, ja, fraget des ausgesprungenen Mönches Reisegesellen, der wird
-euch wohl erzählen, daß dieser ~Atheist~ die Erbsen gekocht, auf
-welchen er hierher zu gehen versprochen!«
-
-Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopfe oder Füßen stund, da ich dieses
-alles hörete und mich jedermann ansahe. Der Priester strafte den Geist,
-konnte ihn aber denselben Tag nicht austreiben.
-
-Indessen kam Herzbruder auch herzu, als ich eben vor Angst mehr einem
-Toten als Lebendigen gleich sahe und zwischen Furcht und Hoffnung
-nicht wußte, was ich tun sollte. Er tröstete mich und versicherte die
-~Patres~, daß ich mein Tag kein Mönch gewesen, aber wohl ein Soldat,
-der vielleicht mehr Böses als Gutes getan haben möchte. Ich aber war
-in meinem Gemüt dermaßen verwirrt, als ob ich allbereits die höllische
-Pein selbst empfände, als daß die Geistlichen genug an mir zu beruhigen
-hatten. Sie vermahneten mich zur Beichte und Kommunion, aber der Geist
-schrie abermals aus dem Besessenen:
-
-»Ja, ja, er wird fein beichten! Er weiß nicht einmal, was beichten ist!
-Seine Eltern sein mehr wiedertäuferisch als calvinisch gewesen!«
-
-Der ~Exorcist~ befahl dem Geist abermals zu schweigen und sagte:
-
-»So wird dichs desto mehr verdrießen, wenn dir das verloren Schäflein
-wieder aus dem Rachen gezogen und der Herde Christi einverleibet wird.«
-
-Darauf fing der Geist so grausam an zu brüllen, daß es schröcklich
-zu hören war. Aus welchem greulichen Gesang ich meinen größten Trost
-schöpfte, dann ich dachte, wann ich keine Gnade vor Gott mehr erlangen
-könnte, so würde sich der Teufel nicht so übel anstellen.
-
-Ich empfand eine solche Reue und Begierde zur Buße und mein Leben zu
-bessern, daß ich alsobald einen Beichtvater begehrte, worüber sich
-Herzbruder höchlich erfreuete, weil er wahrgenommen und wohl gewußt,
-daß ich bisher noch keiner Religion beigetan gewesen. Demnach bekannte
-ich mich offentlich zur katholischen Kirche, ging zur Beichte und
-kommunizierte nach empfangener ~Absolution~. Worauf mir dann so leicht
-und wohl ums Herz ward, daß ichs nicht aussprechen kann. Der Geist in
-dem Besessenen ließ mich fürderhin zufrieden.
-
-Wir verblieben vierzehn ganzer Tage an diesem gnadenreichen Ort, wo
-ich die Wunder, so allda geschehen, betrachtete, welches alles mich
-zu ziemlicher Andacht und Gottseligkeit reizete, doch währte solches
-auch nur so lang, als es mochte. Dann wie meine Bekehrung aus Angst und
-Forcht entsprungen, also ward ich auch nach und nach wieder lau und
-träg, weil ich allmählich des Schreckens vergaß.
-
-Wir begaben uns nach Baden, alldorten vollends auszuwintern.
-
-
-
-
-Das ander Kapitel
-
-
-Ich dingete daselbst eine lustige Stube und Kammer vor uns, deren
-sonst zur Sommerszeit die Badegäste zu gebrauchen pflegen, welches
-gemeiniglich reiche Schweizer sein, die mehr hinziehen sich zu
-erlustieren und zu prangen, als einiger Gebrechen halber zu baden.
-
-Als Herzbruder sahe, daß ich so herrlich angriff, ermahnete er mich
-zur Gesparsamkeit. Viel Geld sei bald vertan, es stäube hinaus wie
-der Rauch und verspreche, nimmermehr wieder zu kommen. Auf solche
-treuherzige Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen,
-wie reich mein Säckel wäre. Es sei zudem billig, daß Herzbruder aus
-Oliviers Säckel vergnügt würde, um die Schmach, die er hiebevor von ihm
-vor Magdeburg empfangen, sintemal die Erwerbung dieses Goldes ohn das
-alles Segens unwürdig wäre, so daß ich keinen Meierhof daraus zu kaufen
-gedächte. Ich zog meine beiden Scapulier ab, trennte die Dukaten und
-Pistoletten heraus und sagte zu Herzbruder, er möge nun mit dem Gelde
-nach Belieben verfahren, maßen ich mich in aller Sicherheit zu sein
-wüßte.
-
-Er sagte: »Bruder, du tust nichts, so lange ich dich kenne, als deine
-gegen mich habende Liebe bezeugen. Womit meinst du, daß ichs wieder
-um dich werde beschulden können? Es ist nicht nur um das Geld zu tun,
-sondern um deine Liebe und Treue, vornehmlich aber um dein zu mir
-habendes hohes Vertrauen, so nicht zu schätzen ist. Bruder, mit einem
-Wort, dein tugendhaft Gemüt machet mich zu deinem Sklaven, und was du
-gegen mich tust, ist mehr zu verwundern als zu wiedergelten möglich.
-Versichert, Bruder, dieses Beweistum deiner wahren Freundschaft
-verbindet mich mehr gegen dich als ein reicher Herr, der mir viel
-tausend verehrte. Allein bitte ich, mein Bruder, bleibe selber
-Verwahrer und Austeiler über dein Geld. Mir ist genug, daß du mein
-Freund bist.«
-
-Ich antwortete: »Was wunderliche Reden sein das, hochgeehrter
-Herzbruder? Er gibt mündlich zu vernehmen, daß Er mir verbunden sei
-und will doch nicht davor sein, daß ich dieses Geld nicht unnütz
-verschwende?«
-
-Also redeten wir beiderseits gegeneinander läppisch genug, weil ja
-einer des andern Liebe trunken war. Und ward Herzbruder zu gleich mein
-Hofmeister, Säckelmeister, Diener und Herr. Und in solcher müßiger Zeit
-erzählete er mir seines Lebens Lauf und ich ihm den meinen. Da er nun
-hörete, daß ich ein junges Weib zu L. hatte, verwiese er mir, daß ich
-mich nicht ehender zu derselbigen, als mit ihm in das Schweizerland
-begeben, dann solches wäre anständiger und auch meine Schuldigkeit
-gewesen. Demnach ich mich entschuldiget, daß ich ihn als meinen
-allerliebsten Freund in seinem Elend zu verlassen nicht übers Herz
-bringen können, beredete er mich, daß ich meinem Weibe schrieb und ihr
-meine Gelegenheit zu wissen machte mit Versprechen, mich mit ehistem
-wieder zu ihr zu begeben. Tät meines langen Ausbleibens widriger
-Begegnüssen halber Entschuldigung.
-
-Dieweil dann Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen erfuhr, daß es
-um den Grafen von Götz wohl stünde und er gar wiederum das Kommando
-über eine Armee kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand
-nach Wien und schrieb auch nach der kur-bayrischen Armee wegen seiner
-Bagage.
-
-Herzbruder erhielt von hochgemeldten Grafen eine Wiederantwort und
-treffliche Promessen von Wien, ich aber bekam von L. keinen einzigen
-Buchstaben, unangesehen ich unterschiedliche Posttäge ~in duplo~
-hinschriebe. Das machte mich unwillig und verursachete, daß ich
-denselbigen Frühling meinen Weg nicht nach Westfalen antrat, sondern
-von Herzbrudern erhielt, daß er mich mit ihm nach Wien nahm, mich
-seines verhofften Glückes genießen zu lassen. Also montierten wir uns
-aus meinem Geld wie zwei Kavaliers beides: mit Kleidungen, Pferden,
-Dienern und Gewehren. Gingen durch Konstanz auf Ulm, allda wir uns auf
-die Donau satzten und von dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich
-anlangten. Auf demselben Weg beobachtete ich sonst nichts, als daß die
-Weibsbilder, so an dem Strand wohnen, den Vorüberfahrenden, so ihnen
-zuschreien, nicht mündlich sondern schlicht mit dem Beweistum selbst
-antworten, davon ein Kerl manch feines Einsehen haben kann.
-
-Es geht wohl seltsam in der veränderlichen Welt her! Wer alles wüßte,
-der würde bald reich. Ich sage: Wer sich allweg in die Zeit schicken
-könnte der würde auch bald groß und mächtig. Wer aber weiß, sich
-groß und mächtig zu machen, dem folget der Reichtum auf dem Fuß. Das
-Glück, so Macht und Reichtum zu haben pfleget, blickte mich trefflich
-holdselig an.
-
-Der Graf von der Wahl, unter dessen Kommando ich mich hiebevor in
-Westfalen bekannt gemacht, war eben auch zu Wien. Herzbruder ward zu
-einem Bankett geladen, da sich verschiedene kaiserliche Kriegsräte
-neben dem Grafen von Götz und andern mehr befanden. Als man von
-allerhand seltsamen Köpfen und berühmten Parteigängern redete, erzählte
-der Graf von der Wahl auch etliche Stücklein des Jägers von Soest,
-daß man sich teils über einen so jungen Kerl verwunderte, teils
-bedauerte, daß der listige hessische Obrist ~de S. A.~ ihm einen
-Weh-Bengel angehängt, damit er entweder den Degen beiseite legen oder
-schwedische Waffen tragen sollte. Herzbruder, der eben dort stund, bate
-um Verzeihung und Erlaubnis zu reden und sagte, daß er den Jäger von
-Soest besser kenne als sonst einen Menschen, er sei nicht allein ein
-guter Soldat, sondern auch ein ziemlicher Reuter, perfekter Fechter,
-trefflicher Büchsenmeister und Feuerwerker, über dies alles einer, der
-einem Ingenieur im Fortifikationswesen nichts nachgeben würde. Er hätte
-nicht nur sein Weib, weil er mit ihr schimpflich hintergangen worden,
-sondern auch alles was er gehabt zu L. hinterlassen und wiederum
-kaiserliche Dienste gesucht, maßen er mit ihm selbsten nach Wien
-gekommen des Willens, sich abermals wider der römischen kaiserlichen
-Majestät Feinde gebrauchen zu lassen, doch soferne er solche Kondition
-haben könnte, die ihm anständig seien.
-
-Damals war diese ansehnliche Kompanei mit dem lieben Trunk schon
-dergestalt begeistert, daß sie ihre Kuriosität, den Jäger zu sehen
-befriedigt wissen wollte, maßen Herzbruder geschickt ward, mich in
-einer Kutsche zu holen. Er instruierte mich unterwegs, derhalben
-antwortete ich, als ich hinkam, auf alles sehr kurz und redete nichts,
-es müßte dann einen klugen Nachdruck haben. Ich erschien dergestalt,
-daß ich jedem angenehm war. Mithin kriegte ich auch einen Rausch und
-glaube wohl, daß ich dann habe scheinen lassen, wie wenig ich bei Hof
-gewesen. Endlich versprach mir ein Obrister zu Fuß eine Kompagnie unter
-seinem Regiment.
-
-Also ward ich derselbigen vor einen Hauptmann vorgestellt. Obzwar
-meine Kompagnie samt mir ganz komplett war, hatte sie nicht mehr als
-sieben Schillerhälse, zudem waren meine Unter-Offizierer mehrenteils
-alte Krachwadel, darüber ich mich hinter Ohren kratzte. Dahero ward ich
-mit ihnen bei der nächsten scharfen Occasion desto leichter gemarscht.
-Dabei verlor der Graf von Götz das Leben, Herzbruder und ich bekamen
-einen Schuß. Wir begaben uns auf Wien, um uns kurieren zu lassen, wo
-sich bei Herzbruder ein anderer gefährlicher Zustand zeigte, dann
-er ward lahm an allen vieren, wie ein ~Cholericus~, den die Galle
-verderbt, und war doch am wenigsten selbiger Komplexion noch dem
-Zorn beigetan. Nichts desto weniger ward ihm eine Sauerbrunnkur, der
-Gießbacher an dem Schwarzwald, vorgeschlagen.
-
-Also veränderte sich das Glück unversehens. Herzbruder machte sein
-Testament und satzte mich zum einzigen Erben, und ich schlug mein Glück
-in den Wind und quittierte meine Kompagnie, damit ich ihn begleiten und
-ihm in Sauerbrunn aufwarten könnte.
-
-
-
-
-Das dritte Kapitel
-
-
-Ein erfahrener Medicus, den ich von Straßburg eingeholet, befand, daß
-dem Herzbruder mit Gift vergeben worden, das Gift sei aber nicht stark
-genug gewesen, ihn gleich hinzurichten. Es müsse durch Gegenmittel
-und Schweißbäder ausgetrieben werden, und würde sich solche Kur auf
-ungefähr eine Woche oder acht belaufen. Mein Herzbruder resolvierte
-sich, in Sauerbrunn die Kur zu vollenden, weil er nicht allein eine
-gesunde Luft, sondern auch allerhand anmutige Gesellschaft unter den
-Badegästen hatte.
-
-Solche Zeit mochte ich nicht vergeblich hinbringen, weil ich Begierde
-hatte, dermalen eins mein Weib auch wiederum zu sehen. Herzbruder
-hatte meiner nicht vonnöten und lobte solches Fürnehmen. Gab mir auch
-etliche kostbare Kleinodien, die ich ihr seinetwegen verehren und sie
-um Verzeihung bitten sollte, daß er eine Ursache gewesen sei, daß ich
-sie nicht ehender besuchet.
-
-Also ritt ich auf Straßburg, allwo mein Geld auf Wechsel lag, machte
-mich nicht allein mit Geld gefaßt, sondern erkundigte auch, wie ich
-meine Reise anstellen möchte, um zwischen so vielen Guarnisonen der
-beiderseits kriegenden Teile am sichersten fort zu kommen. Erhielt
-derowegen einen Paß vor einen Straßburger Botenläufer und machte
-etliche Schreiben an mein Weib, ihre Schwester und deren Eltern, als
-ob ich einen Boten nach L. schicken wollte. Ich verkleidete mich aber
-selbsten in ein weiß und rote Livrei und fuhr also botenweis bis nach
-Köln, welche Stadt damals zwischen den kriegenden Parteien neutral war.
-
-Ich ging zuforderst hin, meinen ~Jovem~ zu besuchen, den ich hiebevor
-bei Soest gefangen hatte, um zu erkundigen, welche Bewandnus es mit
-meinen hinterlegten Sachen hätte. Mein ~Jupiter~ war aber damals wieder
-ganz hirnschellig und unwillig über das menschliche Geschlecht.
-
-»O ~Mercuri~,« sagte er zu mir, »was bringst du neues von Münster?
-Vermeinen die Menschen wohl ohn meinem Willen Frieden zu machen?
-Nimmermehr! Sie hatten ihn. Warum haben sie ihn nicht behalten? Gingen
-nicht alle Laster im Schwang, als sie mich bewegten den Krieg zu
-senden? Womit haben sie seithero verdient, daß ich ihnen den Frieden
-wiedergeben sollte? Haben sie sich dann selbiger Zeit her bekehrt?
-Seind sie nicht ärger worden und selbst mit in Krieg geloffen wie
-zu einer Kirmeß? Oder haben sie sich vielleicht wegen der Teuerung
-bekehret, die ich ihnen zugesandt, darin so viel tausend Seelen Hungers
-gestorben? Oder hat sie vielleicht das grausame Sterben erschröcket
-(das so viel Millionen hingerafft) daß sie sich gebessert? Nein, nein,
-~Mercuri~, die übrig Verbliebenen, die den elenden Jammer mit ihren
-Augen angesehen, haben sich nicht allein nicht gebessert, sondern seind
-viel ärger worden als sie zuvor jemals gewesen. Haben sie sich nun
-wegen so vieler scharfen Heimsuchungen nicht bekehret, sondern unter
-dem schweren Kreuz und Trübsal gottlos zu leben nicht aufgehöret,
-was werden sie dann erst tun, wann ich ihnen den wohl-lustbarlichen,
-göldenen Frieden wieder zusendete? Aber ich will ihrem Mutwillen wohl
-bei Zeiten steuern und sie im Elend hocken lassen.«
-
-Weil ich nun wußte, wie man diesen Gott lausen mußte, wann man ihn
-recht stimmen wollte, sagte ich: »Ach, großer Gott, es seufzet aber
-alle Welt nach dem Frieden und verspricht eine große Besserung.«
-
-»Ja,« antwortete ~Jupiter~, »sie seufzen wohl, aber nicht meinet-
-sondern um ihrentwillen. Nicht daß jeder unter seinem Weinstock und
-Feigenbaum Gott loben, sondern daß sie deren edle Früchte mit guter
-Ruhe und in aller Wollust genießen möchten. -- Ich fragte neulich
-einen Schneider, ob ich den Frieden geben sollte. Er antwortete es
-sei ihm gleich, er müsse sowohl zu Kriegs- als Friedenszeiten mit der
-stählernen Stange fechten. Eine solche Antwort kriegte ich auch von
-einem Rotgießer, der sagte, wann er im Frieden keine Glocken zu gießen
-hätte, so wäre im Kriege genug an Stücken und Feuermörsern zu tun. Also
-antwortete mir auch ein Schmied: er habe keine Pflüge und Baurenwägen
-zu beschlagen, so kämen ihm im Krieg genug Reuterpferde und Heerwägen
-unter die Hände, also daß er des Friedens wohl entbehren könne.
-Siehe nun, lieber ~Mercuri~, warum soll ich ihnen dann den Frieden
-verleihen? Alle so ihn wünschen, begehren seiner um ihres Bauchs und
-der Wollust willen, hingegen sind andere die den Krieg wollen, weil
-er ihnen einträget. Und gleichwie die Mäuerer und Zimmerleute den
-Frieden wünschen, damit sie in Auferbauung der eingeäscherten Häuser
-Geld verdienen, also verlangen andere die Fortsetzung des Krieges, im
-selbigen zu stehlen.«
-
-Weil nun mein ~Jupiter~ mit solchen Sachen umging, konnte ich mir
-leicht einbilden, daß er mir in seinem verwirrten Stand von dem
-Meinigen wenig Nachricht würde geben können. Nahm also den Kopf
-zwischen die Ohren und ging durch Abwege nach L.
-
-Daselbst erfuhr ich, vor einen fremden Boten gehalten, daß mein
-Schweher samt der Schwieger bereits vor einem halben Jahr diese Welt
-gesegnet, und dann, daß meine Liebste, nachdem sie mit einem Sohn
-niedergekommen, den ihre Schwester bei sich hätte, gleichfalls stracks
-nach ihrem Kindbette, diese Zeitlichkeit verlassen.
-
-Darauf lieferte ich meinem Schwager die Schreiben, die ich selbst
-an meine Liebste und ihre Schwester gerichtet hatte, aus. Derselbe
-wollte mich nun beherbergen, damit er erfahren könnte, wes Standes
-~Simplicius~ sei und wie er sich verhielte. Zu dem Ende diskutierte
-meine Schwägerin lang mit mir von mir selbsten, und ich redete auch
-von mir, was ich nur Löbliches wußte, dann die Pocken hatten mich
-dergestalt verderbt und verändert, daß mich kein Mensch erkannte.
-
-Als ich ihr nun nach der Länge erzählte, daß Herr ~Simplicius~ viel
-schöner Pferde und Diener hätte und in einer schwarzen sammeten Mütze
-aufzöge, die überall mit Gold verbrämt wäre, sagte sie:
-
-»Ich habe mir jederzeit eingebildet, daß er keines so schlichten
-Herkommens sei, als er sich davor ausgeben. Der hießige Kommandant
-hat meine Eltern selig mit großen Verheißungen persuadiert, daß sie
-ihm meine Schwester selig, die wohl eine fromme Jungfrau gewesen,
-ganz vorteilhaftiger Weise aufgesattelt. Er hat einen Vorrat in Köln
-gehabt und ihn hierher holen wollen, ist aber darüber ganz schelmischer
-Weise nach Frankreich prakticiert worden. -- Meine Schwester hat ihn
-kaum vier Wochen gehabt. Weil dann nunmehr mein Vater und Mutter tot,
-ich und mein Mann aber keine Kinder miteinander erhoffen, haben wir
-meiner Schwester Kind zum Erben angenommen und mit Hülfe des hießigen
-Kommandanten seines Vaters Habe zu Köln erhoben, welche sich auf
-dreitausend Gulden belaufen möchte. Wann also dieser junge Knab einmal
-zu seinen Jahren kommt, wird er nicht Ursach haben sich unter die
-Armen zu rechnen. Ich und mein Mann lieben das Kind auch so sehr, daß
-wirs nicht mehr seinem Vater ließen, wannschon er selbst käme. Ich
-weiß, wann mein Schwager wüßte, was er vor einen schönen Sohn hier
-hätte, daß ihn nichts halten könnte hierher zu kommen.«
-
-Indem lief mein Kind in seinen ersten Hosen um uns und ich erfreuete
-mich vom Herzen. Ich suchte die Kleinodien herfür, so ich hätte meiner
-Liebsten bringen sollen, und gab sie meinem Schwager vor das Kind, was
-er mit Freuden empfing.
-
-Mithin drang ich auf meine Abfertigung, und als ich dieselbe bekam,
-begehrete ich im Namen des ~Simplicii~ den kleinen ~Simplicium~ zu
-küssen, damit ich solches seinem Vater als Wahrzeichen erzählen könnte.
-Als dies nun auf Vergünstigung meiner Schwägerin geschah, fing beiden,
-mir und dem Kinde, die Nase an zu bluten, darüber mir das Herz hätte
-brechen mögen, doch ich verbarg meine ~Affecten~. Damit man nicht Zeit
-haben möchte, der Ursache dieser Sympathie nachzudenken, machte ich
-mich stracks aus dem Staube.
-
-
-
-
-Das vierte Kapitel
-
-
-Nach meiner Rückkunft in Sauerbrunn ward ich gewahr, daß es sich mit
-Herzbrudern eher gebösert als gebessert hatte, wiewohl ihn die Doktores
-und Apotheker strenger als eine fette Gans gerupft. Er kam mir auch
-ganz kindisch vor und konnte nur kümmerlich gehen. Sein Trost war, daß
-ich bei ihm sein sollte, wann er die Augen würde zutun.
-
-Hingegen machte ich mich lustig und suchte meine Freude; doch solcher
-Gestalt, daß an seiner Pflege nichts manglete. Und weil ich mich ein
-Witwer zu sein wußte, reizten mich die guten Täge und meine Jugend
-wiederum zur Buhlerei, dann ich den zu Einsiedeln eingenommenen
-Schröcken allerdings wieder vergessen hatte. Ich machte mit den
-Lustigsten Kundschaft, die dahin kamen, und fing an courtoise Reden
-und Komplimenten zu lernen, deren ich meine Tage sonst niemals viel
-geachtet hatte. Man hielt mich vor einen vom Adel, weil mich meine
-Leute Herr Hauptmann nannten. Dannhero machten die reichen Stutzer mit
-mir Brüderschaft und war alle Kurzweile, Spielen, Saufen, Fressen meine
-allergrößte Arbeit und Sorge.
-
-Unterdessen ward es mit Herzbrudern je länger je ärger, also daß er
-endlich die Schuld der Natur bezahlen mußte. Ich ließ ihn ganz herrlich
-begraben und seine Diener mit Trauerkleidern und einem Stück Geld ihres
-Wegs laufen.
-
-Sein Abschied tät mir schmerzlich weh, vornehmlich weil ihm mit Gift
-vergeben worden. Obzwar ich solches nicht ändern konnte, so änderte
-es doch mich, dann ich flohe alle Gesellschaft und suchte nur die
-Einsamkeit, meinen betrübten Gedanken Audienz zu geben. Ich verbarg
-mich etwan irgends in einem Busch und betrachtete nicht allein, was ich
-vor einen Freund verloren, sondern ich machte auch allerhand Anschläge
-von Anstellung meines künftigen Lebens. Bald wollte ich wieder in
-Krieg und unversehens gedachte ich, es hättens die geringsten Bauren
-in dieser Gegend besser, maßen noch alle Baurenhöfe gleich als zu
-Friedenszeiten in trefflichem Bau und alle Ställe voll Vieh waren.
-
-Als ich mich nun mit Anhörung des lieblichsten Vogelgesangs ergötzte
-und mir einbildete, daß die Nachtigall durch ihre Lieblichkeit andere
-Vögel banne, still zu schweigen und ihr zuzuhören, da näherte sich
-jenseits dem Bache eine Schönheit an Gestalt, die mich mehr bewegte,
-weil sie nur den Habit einer Bauerdirne antrug, als eine stattliche
-~Demoiselle~ sonst mir nicht hätte tun mögen. Sie hub einen Korb vom
-Kopf, darin sie einen Ballen frische Butter trug, solchen im Sauerbrunn
-zu verkaufen. Denselben erfrischte sie im Wasser. Unterdessen satzte
-sie sich nieder ins Gras, warf ihr Kopftuch und den Baurenhut von
-sich und wischte den Schweiß vom Angesicht, also daß ich sie genug
-betrachten und meine vorwitzigen Augen an ihr weiden konnte. Da dünkte
-mich, ich hätte die Tage meines Lebens kein schöner Mensch gesehen. Die
-Proportion des Leibes schien vollkommen und ohn Tadel, Arme und Hände
-schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarzen Augen aber
-voller Feuer und liebreizender Blicke.
-
-Als sie nun ihre Butter wieder einpackte, schrie ich hinüber:
-
-»Ach Jungfer, Ihr habt zwar mit Euren schönen Händen Euere Butter im
-Wasser abgekühlt, hingegen aber mein Herz durch Euere klaren Augen ins
-Feuer gesetzt.«
-
-Sobald sie mich sahe und hörete, lief sie davon, als ob man sie gejagt
-hätte. Sie hinterließ mich mit all denjenigen Torheiten beladen, damit
-die verliebten Phantasten gepeinigt zu werden pflegen.
-
-Meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen zu werden, ließen
-mich nicht in meiner Einsamkeit, sondern machten, daß ich den Gesang
-der Nachtigallen nicht höher achtete als ein Geheul der Wölfe.
-Derhalben tollete ich auch dem Sauerbrunn zu und schickte meinen Jungen
-voran, die Butterverkäuferin anzupacken und mit ihr zu marken, bis ich
-hernach käme. Er tät das Seinige und ich nach meiner Ankunft auch das
-Meinige, aber ich fand ein steinern Herz und solche Kaltsinnigkeit,
-dergleichen ich hinter einem Baurenmensch nimmermehr zu finden getrauet
-hätte, welches mich aber viel verliebter machte.
-
-Damals hätte ich entweder einen strengen Feind oder einen guten Freund
-haben sollen. Einen Feind, damit ich meine Gedanken gegen denselben
-hätte richten und der närrischen Liebe hätte vergessen müssen, oder
-einen Freund, der mir ein anderes geraten und mich von meiner Torheit
-hätte abmahnen mögen. Ach leider, ich hatte nichts als mein Geld, das
-mich verblendete, meine blinden Begierden, die mich verführeten, weil
-ich ihnen den Zaum schießen ließ, und meine grobe Unbesonnenheit, die
-mich verderbete und in alles Unglück stürzete. Mit einem Wort, ich war
-mit dem Narrenseil rechtschaffen verstrickt und derhalben ganz blind
-und ohn Verstand. Und weil ich meine viehischen Begierden nicht anders
-zu sättigen getrauete, entschloß ich mich, das Mensch zu heiraten. Was,
-gedachte ich, du bist deines Herkommens doch nur ein Baurensohn und
-wirst deiner Tage kein Schloß besitzen; du hast Geld genug, auch den
-besten Baurenhof in dieser Gegend zu bezahlen. Du wirst dies ehrliche
-Baurngretlein heiraten und dir einen geruhigen Herrenhandel inmitten
-der Bauren schaffen. -- Ich erhielt, wiewohl nicht ohne Mühe, das
-Jawort.
-
-Zur Hochzeit ließ ich trefflich rüsten, dann der Himmel hing mir voller
-Geigen. Das Baurengut, darauf meine Braut geboren worden, lösete ich
-nicht allein ganz an mich, sondern fing noch darzu einen schönen, neuen
-Bau an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- als haushalten hätte
-wollen. Eh die Hochzeit vollzogen, hatte ich daselbst über dreißig
-Stück Viehe stehen, weil man soviel auf dem Gut erhalten konnte. Ich
-bestellte alles aufs Beste und sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir
-nur meine Torheit eingab.
-
-Aber die Pfeife fiel mir bald in Dreck. Dann als ich nunmehr vermeinete
-mit gutem Wind in Engelland zu schiffen, kam ich wider alle Zuversicht
-nach Holland. Viel zu spat ward ich erst gewahr, was Ursache mich meine
-Braut hatte so ungern nehmen wollen. Und ich konnte mein spöttlich
-Anliegen keinem Menschen klagen. So zahlete ich nach Maß und Billigkeit
-meine Schulden, was Erkanntnus mich darum doch nichts desto geduldiger,
-viel weniger frömmer machte. Ich fand mich betrogen und gedachte meine
-Betrügerin wieder zu prellen, maßen ich anfing grasen zu gehen, wo
-ich zukommen konnte. Überdas stack ich mehr bei guter Gesellschaft in
-Sauerbrunn als zu Haus.
-
-Meine Frau war ebenso liederlich. Sie hatte einen Ochsen, den ich ins
-Haus hatte schlagen lassen, in etliche Körbe eingesalzen; als sie eine
-Spänsau zurichten sollte, unterstund sie sich solche wie einen Vogel zu
-rupfen; sie wollte die Krebse am Rost und die Forellen am Spieß braten.
-Nichts desto weniger trank sie auch das liebe Weingen gern und teilete
-andern guten Leuten auch mit. --
-
-Einsmals spazierete ich mit etlichen Stutzern das Tal hinunter, eine
-Gesellschaft im untern Bad zu besuchen. Da begegnete uns ein alter
-Baur mit einer Geiß am Strick, die er verkaufen wollte. Und weil mich
-dünkte, ich hätte ihn mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit der Geiß
-herkomme.
-
-Er zog sein Hütlein und sagte: »Gnädiger Hearr, eich darffs ouch werli
-neit sän.«
-
-»Du wirst sie ja nicht gestohlen haben.«
-
-»Nein, ich bring sie aus dem Städtgen im Tal, welches ich eben gegen
-den Hearrn nit darf nennen, dieweil wir vor einer Geiß reden.«
-
-Solches bewegte die Gesellschaft zum Lachen, und weil ich mich
-entfärbte, gedachten sie, ich hätte Verdruß, maßen mir der Baur so
-artig eingeschenkt. Aber ich hatte andere Gedanken, dann an der großen
-Warze, die der Baur mitten auf der Stirn stehen hatte, ward ich
-eigentlich versichert, daß es mein Knän aus dem Spessart war. -- Wollte
-derhalben zuvor einen Wahrsager agieren, eh ich mich ihm offenbarte.
-
-»Mein lieber alter Vater, seid Ihr nicht im Spessart zu Haus?«
-
-»Ja, Hearr.«
-
-»Haben Euch nicht vor ungefähr achtzehen Jahren die Reuter Euer Haus
-und Hof geplündert und verbrannt?«
-
-»Ja, Gott erbarms, es ist aber noch nit so lang.«
-
-»Habet Ihr nicht zwei Kinder, nämlich eine erwachsene Tochter und einen
-jungen Knaben gehabt?«
-
-»Hearr, die Tochter war mein Kind, der Bub nit. Ich hab ihn aber an
-Kindesstatt aufziehen wollen.«
-
-Hieraus verstund ich wohl, daß ich dieses Knollfinken Sohn nicht sei,
-welches mich eines Teils erfreuete, hingegen aber auch betrübete, weil
-mir einfiel, ich müßte sonst ein Bankert oder ein Findling sein. Fragte
-derowegen den Knän, wo er den Buben aufgetrieben.
-
-»Ach, der Krieg hat mir ihn gegeben und der Krieg hat nur ihn wieder
-genommen.«
-
-Weil ich dann besorgte, es dörfte wohl ein ~Facit~ herauskommen, das
-mir wegen meiner Geburt nachteilig sein möchte, fragte ich, ob er die
-Geiß der Wirtin in die Küche verkauft hätte.
-
-»Ach nein, Hearr, ich bring sie der Gräfin, die im Sauerbrunn badet.
-Der Doktor Hans in allen Gassen hat etliche Kräuter geordnet, so die
-Geiß essen muß. Was sie dann vor Milch gibt, die nimmt der Doktor und
-machet der Gräfin noch so ein Arznei drüber, dann muß sie die Milch
-trinken. Man seit, es mangle der Gräfin am Gehäng.«
-
-Unter währender solcher Relation besann ich, auf was Weise ich noch mit
-dem Baurn reden möchte, bot ihm derhalben einen Taler mehr um die Geiß
-als die Gräfin. Solches ging er gleich ein, doch mit dem Beding, er
-sollte der Gräfin zuvor angeben, daß ihm ein Taler mehr darauf geboten,
-er wollte mir den Handel auf den Abend anzeigen.
-
-Also ging mein Knän seines Wegs und auch ich drehete mich bald von der
-Kompanie ab und ging hin, wo ich meinen Knän wiederfand; der hatte
-seine Geiß noch. Ich führete ihn auf meinen neuen Hof, bezahlte die
-Geiß und hängte ihm einen halben Rausch an. Sodann fragte ich ihn nach
-seinem Knaben.
-
-»Ach Herr, der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert, und die
-Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder genommen.« Nach verlorener
-Schlacht bei Höchst habe des Mansfelder flüchtig Volk sich weit und
-breit zerstreuet. Viel seien in den Spessart gekommen, weil sie die
-Büsche suchten, sich zu verbergen, aber indem sie dem Tod in der Ebene
-entgingen, hätten sie einen in den Bergen gefunden, dann damalen
-ginge selten ein Baur in die Büsche ohn sein Feuerrohr, da man zu
-Haus bei Hauen und Pflügen nicht bleiben konnte. In demselben Tumult
-habe er nicht weit von seinem Hof in dem wilden ungeheuren Wald eine
-schöne, junge Edelfrau samt einem stattlichen Pferd getroffen, so er
-anfänglich vor einen Kerl gehalten, weil sie so mannlich daherritte.
-Indem sie beides: Händ und Augen zum Himmel aufgehoben und auf wälsch
-mit einer erbärmlichen Stimme zu Gott gerufen, habe er sein Rohr sinken
-lassen und den Hahn wieder zurückgezogen, dann er gesehen, daß sie ein
-betrübtes Weibsbild wäre. Indem er näher getreten riefe sie ihn an:
-»Ach, wann Ihr ein ehrlicher Christenmensch seid, so bitte ich Euch um
-Gottes und seiner Barmherzigkeit, ja um des jüngsten Gerichtes willen,
-Ihr wollet mich zu ehrlichen Weibern führen, die mich durch göttliche
-Hilfe von meines Leibes Bürde entledigen helfen!« Diese Worte hätten
-ihn samt der holdseligen Aussprache zu solcher Erbärmde gezwungen, daß
-er ihr Pferd beim Zügel nahm und sie durch Hecken und Stauden an den
-allerdicksten Ort des Gesträuchs führete, da er selbst Weib, Kind,
-Gesind und Viehe hingeflüchtet gehabt. Daselbst seie sie ehender als in
-einer halben Stund des jungen Knaben genesen.
-
-Ich sprach ihm gütlich zu. Da er aber sein Glas ausgeleert hatte,
-fragte ich wie es darnach weiter mit der Frau gegangen.
-
-Er antwortete, sie habe ihn zum Gevatter gebeten und ihm auch ihres
-Mannes und ihren Namen genennt, damit sie möchten ins Taufbuch
-geschrieben werden. Indem habe sie ihr Felleisen aufgetan, darin sie
-wohl köstliche Sachen hatte, und ihm, seinem Weib und Kind, der Magd
-und sonst allen geschenkt. Aber indem sie so damit umging und von
-ihrem Mann erzählete, sei sie unter den Händen der Weiber gestorben.
-Pfarrer und Schultz hätten ihm darnach befohlen, das Kind aufzuziehen
-und vor Mühe und Kosten der Fraue ganze Hinterlassenschaft zu behalten,
-ausgenommen etliche Paternoster, Edelsteine und sonst Geschmeiß. Also
-sei das Kind von der Bäurin mit Geißmilch auferzogen worden.
-
-»Ihr habet mir,« sagte ich, »eine artliche Geschichte erzählt und doch
-das Beste vergessen, dann Ihr habet nicht gesagt, weder wie die Frau
-noch ihr Mann oder das Kind geheißen.«
-
-Er antwortete: die Edelfrau habe Susanna Ramst, ihr Mann Kapitain
-Sternfels von Fuchsheim geheißen, und weil er Melchior hieße, so habe
-er den Buben bei der Taufe auch Melchior Sternfels von Fuchsheim nennen
-und ins Taufbuch schreiben lassen.
-
-Hieraus vernahm ich umständlich, daß ich meines Einsiedels und der
-Schwester des Gubernators Ramsey leiblicher Sohn gewesen. Aber ach,
-leider viel zu spat! Dann meine Eltern waren schon beide tot.
-
-Ich deckte meinen Paten vollends mit Wein zu und ließ den andern
-Tag auch sein Weib holen. Da ich mich ihnen nun offenbarte, wollten
-sie's nicht glauben, bis ich ihnen einen schwarzen haarigen Fleck
-aufgewiesen, den ich auf der Brust habe.
-
-
-
-
-Das fünfte Kapitel
-
-
-Ohnlängst hernach nahm ich meinen Pflegvater zu mir und tät mit ihm
-einen Ritt hinunter in Spessart, glaubwürdigen Schein und Urkund
-meines Herkommens und ehelicher Geburt zu Wege zu bringen, welches ich
-unschwer erhielt. Ich kehrete auch bei dem Pfarrer ein, der sich zu
-Hanau aufgehalten, und ließ über meine ganze Histori aus der Zeugen
-Mund durch einen ~Notarium~ ein ~Instrument~ aufrichten, dann ich
-dachte, wer weiß, wo du es noch einmal brauchst. Solche Reise kostete
-mich über vierhundert Taler, dann auf dem Rückweg ward ich von einer
-Partei erhascht, abgesetzt und geplündert, also daß ich und mein Knän
-nackend und kaum mit dem Leben davonkam.
-
-Indessen ging es daheim noch schlimmer zu. Dann nachdem mein Weib
-vernommen, daß ihr Mann ein Junker sei, spielte sie nicht allein die
-große Frau, sondern verliederlichte auch alles in der Haushaltung,
-was ich, weil sie großen Leibes war, stillschweigend ertrug. Überdas
-ward mir das meiste und beste Viehe von einer Seuche dahingerafft.
-Dieses alles wäre noch zu verschmerzen gewesen. Aber, ~o mirum~, kein
-Unglück allein! In der Stunde, darin mein Weib genase, ward die Magd
-auch Kindbetterin. Das Kind zwar, so sie brachte, sahe mir allerdings
-ähnlich, das Kind meines Weibes hingegen sahe dem Knecht so gleich,
-als wanns ihm aus dem Gesicht wäre geschnitten worden. Jedoch es gehet
-nicht anders her, wann man in einem so gottlosen und verruchten Leben
-seinen viehischen Begierden folget.
-
-Nun was halfs, ich mußte taufen. Andernteils nahm es mein Weibgen nur
-auf die leichte Achsel. Doch die Magd mußte aus dem Haus, dann mein
-Weib argwöhnete, was ich ihretwegen vom Knecht gedachte. Indessen ich
-ward von dieser Anfechtung heftig gepeinigt, daß ich meinem Knecht ein
-Kind aufziehen, das Meinige aber von der Magd nicht mein Erbe sein
-sollte, und daß ich dabei froh sein mußte, weil sonst niemand nichts
-wußte.
-
-Mit solchen Gedanken marterte ich mich täglich, mein Weib aber
-delektierte sich stündlich mit Wein, dann sie hatte sich das Kumpen
-sint unserer Hochzeit dergestalt angewöhnt, das es ihr selten vom Maul
-kam und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne einen ziemlichen Rausch
-schlafen ging. Davon soff sie ihrem Kind zeitlich das Leben ab und
-entzündete sich das Gehäng dergestalt, daß es ihr bald hernach entfiel
-und mich wieder zum Witwer machte. Das ging mir so zu Herzen, daß ich
-mich fast krank darüber gelachet hätte.
-
-Ich befand mich solchergestalt wieder in meiner ersten Freiheit. Mein
-Beutel war ziemlich geleeret, ich hingegen mit großer Haushaltung
-vielem Viehe und Gesind beladen. Also nahm ich meinen Paten Melchior
-vor einen Vater und dessen Frau vor eine Mutter, den Magdsohn aber vor
-meinen Erben an und übergab den beiden Alten Haus und Hof samt meinem
-ganzen Vermögen, bis auf gar wenig gelbe Batzen und Kleinodien. Ich
-hatte einen Ekel ob aller Weiber Beiwohnung und Gemeinschaft, ich nahm
-mir vor, mich nicht mehr zu verheiraten.
-
-Diese beiden Alten gossen meine Haushaltung gleich in einen andern
-Model. Sie schafften vom Gesind und Viehe ab, was nichts nütze und
-bekamen hingegen auf den Hof, was etwas eintrug. Sie vertrösteten
-mich alles Guten und versprachen, wann ich sie nur hausen ließe,
-so wollten sie mir allweg ein gut Pferd auf der Streu halten und so
-viel verschaffen, daß ich je zu Zeiten mit einem ehrlichen Biedermann
-eine Maß Wein trinken könnte. Ich spürete es auch gleich. Mein Pate
-bestellte mit dem Gesind den Feldbau, schacherte mit Viehe und mit dem
-Holz- und Harzhandel ärger als ein Jud und meine Götfrau legte sich auf
-die Viehzucht und wußte Milchpfennige besser zu gewinnen und zusammen
-zu halten, als zehen solcher Weiber, wie ich eins gehabt hatte. Auf
-solche Weise ward mein Baurenhof in kurzer Zeit vor den besten in der
-ganzen Gegend geschätzet. --
-
-Einsmals spazierte ich in Sauerbrunn, jedoch nicht um mich mit Stutzern
-bekannt zu machen, dann ich fing an meiner Alten Kargheit nachzuahmen,
-gleichwohl geriet ich zu einer Gesellschaft mittelmäßigen Standes, weil
-sie von einer seltenen Sache, nämlich vom Mummelsee diskutierten. Der
-war in der Nachbarschaft auf einem von den höchsten Bergen gelegen,
-unergründlich, und wunderbarliche Fabeln verlauteten von ihm.
-
-Einer sagte, wann man ungrad, es seien gleich Erbsen, Steinlein oder
-etwas andres in ein Nastüchlein binde und hinein hänge, so veränderte
-es sich in grad, also auch grad in ungrad. Die meisten aber gaben vor
-und befestigten es auch mit Exempel, wann man ein oder mehrere Steine
-hineinwürfe, so erhebe sich gleich, Gott gebe wie schön auch der Himmel
-zuvor gewesen, ein grausam Ungewitter mir schröcklichem Regen, Schloßen
-und Sturmwinde. Einer erzählte, daß auf ein Zeit, da etliche Hirten ihr
-Viehe bei dem See gehütet, ein brauner Stier herausgestiegen, welcher
-sich zu dem andern Rindviehe gesellet, dem aber gleich ein kleines
-Männlein nachgefolget, ihn wieder zurück zu treiben. Auch seie einsmals
-ein Baur mit seinem Ochsen und etlichen Holzplöchern über den gefrornen
-See gefahren, ohn einzigen Schaden, als ihm aber sein Hund nachkommen,
-sei das Eis mit ihm gebrochen und der arme Hund allein hinunter
-gefallen und nicht mehr gesehen worden. Noch einer behauptete bei
-großer Wahrheit, es sei ein Schütze auf der Spur des Wildes bei dem See
-vorübergegangen, der hätte auf dem Wasser ein Männlein sitzen sehen,
-das einen ganzen Schoß voll gemünzter Goldsorten gehabt und gleichsam
-damit gespielet hätte. Und als er nach demselben Feuer geben wollen,
-hätte sich das Männlein geduckt und gerufen: »Wann du mich gebeten
-deiner Armut zu Hilf zu kommen, so wollte ich dich reich genug gemacht
-haben.«
-
-Solche und andere Historien verlachte ich. Aber es fanden sich
-Baursleute, und zwar alte, glaubwürdige Männer, die erzählten, wie
-dann ein regierender Herzog von Württemberg ein Floß machen ließ, die
-Tiefe zu ergründen. Nachdem die Messenden aber bereits neun Zwirnnetz
-mit einem Senkel hinunter gelassen und gleichwohl noch keinen Boden
-gefunden, hätte das Floß wider die Natur des Holzes angefangen zu
-sinken, also daß sie von ihrem Vornehmen abstehen und sich hätten
-ans Land salvieren müssen, maßen man noch heutzutag die Stücke des
-Flosses am Ufer und zum Gedächtnus dieser Geschicht das fürstlich
-württembergsche Wappen in Stein gehauen vor Augen sehe.
-
-Die Begierde, den Mummelsee zu beschauen, vermehrte sich bei mir, als
-ich von dem Knän verstund, daß er auch dort gewesen und den Weg wisse.
-Da er aber hörete, daß ich überein auch darzu wollte, sagte er: »Der
-Herr Sohn wird nichts andres sehen, als das Ebenbild eines Weihers,
-der mitten in einem großen Walde liegt, und wann er seine jetzige Lust
-mit beschwerlicher Unlust gebüßet, so wird er nichts andres als Reue,
-müde Füße und den Hergang vor den Hingang davon haben.«
-
-Da er aber meinen Ernst sahe, meinete er, dieweil die und auf dem Hof
-weder zu hauen noch zu ernten, wolle er selbst mit mir gehen; dann
-er hatte mich so lieb und prangte mit mir, weil die Leute im Land
-glaubten, daß ich sein leiblicher Sohn sei.
-
-Also wanderten wir miteinander über Berg und Tal und kamen zum
-Mummelsee, eh wir sechs Stunden gegangen waren, dann mein Pate war noch
-so käfermäßig und sowohl zu Fuß als ein Junger. Nachdem wir uns an
-Speis und Trank erquickt, beschauete ich den See und fand die etlichen
-gezimmerten Hölzer des Württembergischen Flosses darin liegen. Die Luft
-war ganz windstill und wohl temperiert, so wollte ich auch probieren,
-was Wahrheit an der Sagenmär wäre, sintemal ich allbereit die Sage, daß
-der See keine Forellen leide, am mineralischen Geschmack des Wassers
-als natürlich zu sein befunden.
-
-Ich ging gegen der linken Hand an dem See hin, da das Wasser wegen der
-abscheulichen Tiefe des Sees gleichsam kohlschwarz zu sein scheinet und
-deswegen so förchterlich aussiehet. Daselbst fing ich an große Steine
-hinein zu werfen, als ich sie nur immer erheben und ertragen konnte.
-Mein Knän warnete mich und bat, ich aber continuierete meine Arbeit
-emsig fort, bis ich über dreißig Steine in den See brachte.
-
-Da fing die Luft an, den Himmel mit schwarzen Wolken zu bedecken, in
-welchen ein grausamer Donner gehöret ward, also daß mein Knän, der
-jenseits des Sees bei dem Auslauf stund, über meine Arbeit lamentierte
-und mir zuschrie, ich sollte mich doch salvieren, damit uns Regen und
-das schröckliche Wetter nicht ergreife. Ich aber antwortete: »Vater,
-ich will bleiben und des Endes erwarten, sollte es auch Hellebarten
-regnen.«
-
-Er schmälete noch weiterhin zu mir herüber, ich verwandte aber die
-Augen nicht von der Tiefe und sahe weit untern gegen den Abgrund
-etliche Kreaturen im Wasser herumfladern, die mich der Gestalt nach
-an Frösche ermahneten und gleichsam wie Schwärmerlein aus einer
-aufsteigenden Rakete in der Luft herumvagierten. Je näher sie kamen,
-desto größer und an Gestalt den Menschen ähnlicher schienen sie meinen
-Augen, weswegen mich dann erstlich eine große Verwunderung und endlich
-ein Grausen und Entsetzen ankam.
-
-»Ach,« rief ich vor Schröcken so laut, daß es mein Knän wohl hören
-konnte, »wie seind die Wunderwerke des Schöpfers auch sogar im Bauch
-der Erden und in der Tiefe des Wassers so groß!«
-
-Da war schon eins von den Sylphen oben auf dem Wasser und antwortete:
-»Das bekennst du, ehe du etwas davon gesehen hast, was würdest du wohl
-sagen, wann du erst selbsten im ~Centro~ der Erden wärest und unsere
-Wohnung, die dein Fürwitz beunruhiget, beschautest!«
-
-Unterdessen kamen noch mehr dergleichen Wassermännlein, gleichsam wie
-Tauchentlein hervor. Sie brachten die Steine wieder herauf, worüber ich
-ganz erstaunete. Der Erste und Vornehmste unter ihnen, dessen Kleidung
-wie lauter Gold und Silber glänzete, warf mir einen leuchtenden Stein
-zu, so groß wie ein Taubenei und so grün und durchsichtig, wie ein
-Smaragd.
-
-»Nimm das Kleinod, damit du etwas von uns und diesem See zu sagen
-wissest.«
-
-Ich hatte ihn aber kaum aufgehoben und zu mir gesteckt, da ward mir
-nicht anderst, als ob mich die Luft hätte ersticken und ersäufen
-wollen, derhalben ich mich dann nicht länger aufrecht behalten konnte,
-sondern herumtaumelte wie eine Garnwinde und endlich gar in den See
-hinunter fiel. Sobald ich aber ins Wasser kam, erholete ich mich wieder
-und atmete aus Kraft des Steins das Wasser anstatt der Luft. Ich konnte
-auch gleich sowohl als die Wassermännlein in dem See herumwebern, maßen
-ich mich mit ihnen in den Abgrund hinunter tät, als wann sich eine
-Schar Vögel mit Umschweifen gegen die Erde nieder lässet.
-
-Da mein Knän dies Wunder, samt meiner gählingen Verzückung gesehen,
-trollete er sich von dem See hinweg und heim zu, als ob ihm der Kopf
-brennte. Daselbst erzählete er den Verlauf. Etliche glaubten ihm, die
-meisten aber hielten es vor eine Fabel.
-
-
-
-
-Das sechste Kapitel
-
-
-Der Fürst über den Mummelsee, so mich begleitete, sagte mir, daß wir
-durch die halbe Erde just neunhundert deutscher Meilen hätten, und wer
-zum ~Centro~ der Erde wolle, der müßte durch einen dergleichen Seen
-seinen Weg nehmen, deren hin und wieder so viel, als Tag im Jahr seien,
-in der Welt wären und alle bei ihres Königs Wohnung zusammen stießen.
-In solchem sanften Abfahren konnte ich mit dem Mummelseeprinzen
-allerhand diskurieren, dann ich bemerkte seine Freundlichkeit. So
-fragte ich, zu was Ende sie mich einen so weiten, gefährlichen Weg mit
-sich nähmen. Er antwortete mir gar bescheiden, der Weg sei nicht weit
-und in einer Stunde spaziert, er sei nicht gefährlich, dieweil ich
-in seiner Gesellschaft mit dem überreichten Stein hinabführe, daß er
-mir aber ungewöhnlich vorkomme, sei nicht zu verwundern. Darauf bat
-ich ihn ferner, mir zu berichten, weshalb der gütige Schöpfer so viel
-wunderbarliche Seen erschaffen.
-
-»Du fragst billig um dasjenige, was du nicht verstehst, diese Seen
-sind um dreierlei Ursachen willen geschaffen. Erstlich werden durch
-sie alle Meere gleichsam wie mit Nägeln an die Erde geheftet, zweitens
-werden von uns durch diese Seen die Wasser aus den Tiefen des Ozeans
-in alle Quellen der Erde getrieben, wovon Flüsse und Ströme entstehen,
-der Erdboden befeuchtiget, die Gewächse erquicket und beides: Mensch
-und Vieh getränket werden, drittens, daß wir als vernünftige Kreaturen
-Gottes darin leben und Gott loben. Wann wir aber aus einer andern
-Ursache unsere Geschäfte unterlassen müssen, so wird die Welt durchs
-Feuer untergehen, dann zu dieser Zeit, so alle Wasser verschwinden,
-wird die Erde von sich selbst durch die Sonnenhitze entzündet.«
-
-Da ich ihn also gleichsam die heilige Schrift anziehen hörete, fragte
-ich, ob sie sterbliche Kreaturen wären, oder ob sie Geister seien.
-Darauf antwortete er, sie seien keine Geister sondern sterbliche
-Leutlein und gab mir folgends eine ~Genealogia~ oder Stammtafel aller
-Kreatur, indem er mir fürderst von der Erschaffung der Engel erzählete
-und den Sturz derer, so aus Hoffart gefallen, folgends wie Gott die
-Welt mit allen Kreaturen aus seinem göttlichen Willen hervorgehen
-ließe und also auch den irdischen Menschen zu solchem End geschaffen,
-daß er Gott loben und sich vermehren sollte, bis sein Geschlecht so
-groß sei, die Zahl der gefallenen Engel zu ersetzen. Dann die heilige,
-entleibte Seele eines zwar irdischen, doch himmlisch gesinnten Menschen
-hat alle guten Eigenschaften des Engels an sich, der entseelte
-Leib eines irdischen Menschen aber ist gleich dem andern Aas eines
-unvernünftigen Tieres. Kam demnach zum Beschluß auf das Geschlecht der
-Sylphen und sagte: »Uns selbsten setzten wir vor das Mittel zwischen
-euch und allen lebendigen Kreaturen der Welt. Sintemal obgleich wir
-wie ihr vernünftige Seelen haben, so sterben jedoch dieselbige mit
-unseren Leibern hinweg, gleichsam als wie die lebhaften Geister der
-unvernünftigen Tiere in ihrem Tod verschwinden. Zwar ist uns kundbar,
-daß ihr durch den ewigen Sohn Gottes aufs höchste geadelt seid und euch
-die ewige Seligkeit wiederum erworben ist, aber ich rede und verstehe
-nichts von der Seligkeit, weil wir deren zu genießen nicht fähig
-sein. Uns hat der allgütige Schöpfer genugsam in dieser Zeitlichkeit
-beseeligt, als mit einer guten, gesunden Vernunft, mit Erkanntnus
-seines heiligen Willens, mit gesunden Leibern, langem Leben und einer
-edlen Freiheit, mit genugsam Wissenschaft und Kunst und, was das
-allermeiste ist, wir sind keiner Sünde, dannenhero auch keiner Strafe,
-ja nicht einmal der geringsten Krankheit unterworfen.«
-
-Ich antwortete, da sie keiner Missetat und auch keiner Strafe
-unterworfen, wozu sie dann eines Königs bedörftig, ~item~ wie sie
-sich der Freiheit rühmen könnten, wann sie einem König untertan.
-Darauf sagte er, sie hätten ihren König nicht, daß er Justiz übe, noch
-daß sie ihm dienen sollten, sondern er dirigiere wie der Weisel im
-Immenstock ihre Geschäfte. Sie würden ohne Wollust gezeugt und ohne
-Schmerzen geboren und also stürben sie auch nicht mit Schmerzen sondern
-gleichsam, wie ein Licht verlösche, wann es seine Zeit geleuchtet habe,
-also verschwinden auch ihre Leiber samt den Seelen. Gegen ihre Freiheit
-aber sei die Freiheit des allergrößten Monarchen unter uns irdischen
-Menschen gar nichts, dann sie könnten weder getötet noch zu etwas
-Unbeliebigem genötigt werden. Kein Gefängnus könne sie halten, weil sie
-Feuer, Wasser, Luft und Erde ohne einzige Mühe und Müdigkeit durchgehen
-könnten.
-
-Darauf sagte ich: »So ist euer Geschlecht von dem Schöpfer weit höher
-geadelt und beseeligt als das unsrige.«
-
-»Ach nein,« antwortete der Fürst, »Ihr sündigt, wann Ihr dies glaubt,
-dann Ihr vergesset der ewigen Seligkeit.«
-
-Ich sagte: »Was haben darum die Verdammten davon?«
-
-Da fragte er: »Was kann die Güte Gottes davor, wann euer einer sein
-Selbst vergisset und sich der Welt schändlichen Wollüsten ergibet,
-seinen viehischen Begierden die Zügel schießen lässet und sich dem
-unvernünftigen Vieh, ja den höllischen Geistern gleich machet?«
-
-Ich sagte zu dem Fürstlein, weil ich auf dem Erdboden ohn das mehr
-Gelegenheit hätte von dieser ~Materia~ zu hören, als ich mir zu nutz
-machte, so wollte ich ihn gebeten haben, mir die Ursache zu erzählen,
-warum ein so groß Ungewitter entstehe, wann man Steine in solche Seen
-werfe.
-
-»Weil alle Steine, so hineingeworfen werden, notwendig und natürlicher
-Weise in unsere Wohnung fallen und liegen bleiben müßten, so schaffen
-wir sie mit einer Ungestüme wieder hinaus, damit der Mutwille der
-Menschen abgeschreckt und in Zaum gehalten werden möge. An dieser
-einzigen Verrichtung kannst du die Notwendigkeit unseres Geschlechtes
-abnehmen, sintemal wann die Steine von uns nicht wieder ausgetragen
-würden, so müßten endlich die Gebäude, damit das Meer an die Erde
-geheftet und befestiget ist, zerstört und die Gänge, durch die die
-Quellen aus dem Abgrund des Meeres auf die Erde geleitet werden,
-verstopft bleiben, das dann eine schädliche Konfusion und der ganzen
-Welt Untergang mit sich bringen könnte.«
-
-Ich bedankte mich dieser Kommunikation und fragte, ob es auch möglich
-sein könnte, daß er mich wieder durch einen andern als den Mummelsee
-nach einem andern Ort der Erde auf die Welt bringen könnte.
-
-»Freilich, warum das nicht? Wann es nur Gottes Wille ist. Dann auf
-solche Weise haben unsere Voreltern vor alten Zeiten etliche Kanaaneer,
-die dem Schwert Josuas entronnen und sich aus Desperation in einen
-solchen See gesprenget, in Amerikam geführet, maßen deren Nachkömmlinge
-noch auf den heutigen Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre
-Ureltern anfänglich entsprungen.«
-
-Als ich nun sahe, daß er über meine Verwunderung erstaunete, gleichsam
-als ob seine Erzählung nicht Verwunderns würdig wäre, fragte ich ihn,
-ob er dann nicht auch Seltsames und Wunderliches von uns Menschen
-gesehen.
-
-Hierauf sagte er: »Wir wundern uns an euch nichts mehrers, als daß ich
-euch, da ihr doch zum ewigen, seligen Leben erschaffen, durch zeitliche
-und irdische Wollüste, die doch so wenig ohn Unlust und Schmerzen als
-Rosen ohne Dörner sind, dergestalt betören lasset. Ach, möcht unser
-Geschlecht an euerer Stelle sein, wir möchten euerer nichtigen und
-flüchtigen Zeitlichkeit Probe besser halten als ihr. Dann das Leben, so
-ihr habet, ist nicht euer Leben, sondern euer Leben oder Tod wird euch
-erst gegeben, wann ihr die Zeitlichkeit verlasset. Dannenhero halten
-wir die Welt vor einen Probierstein Gottes, auf welchem der Allmächtige
-das Gold des Menschen probieret.«
-
-Das war das Ende unseres Gesprächs, weil wir uns dem Sitz des Königs
-näherten, vor welchen ich ohn Zeremonien oder Verlust einiger Zeit
-hingebracht ward. Da hatte ich nun wohl Ursache mich über seine
-Majestät zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte Hofhaltung
-noch einziges Gepränge, ja aufs Wenigste keinen Kanzler oder geheime
-Räte, noch einzigen Dolmetschen oder Trabanten und Leibguarde, sogar
-keinen Schalksnarren, noch Koch, Keller, Page oder einzigen Favoriten
-oder Tellerlecker sahe, sondern rings um ihn her schwebten die Fürsten
-über alle Seen, die sich in der ganzen Welt befinden, jedweder in
-derjenigen Landestracht aufziehend, in welches sich sein See vom
-~Centro~ der Erde aus erstreckte. Dannenhero sahe ich zugleich die
-Ebenbilder der Chineser und Afrikaner, Troglodyten und Novazembler,
-Tataren und Mexikaner, Samojeden und Moluccenser, ja auch von denen
-so unter den ~Polis arctico~ und ~antarctico~ wohnen, das wohl ein
-seltsames Spektakul war; derjenige, so ober den Pilatussee die
-Obersicht trug, zog mit einem breiten, ehrbaren Bart und ein paar
-Ploderhosen auf, wie ein reputierlicher Schweizer, und derjenige, so
-ober den See Camarina die Aufsicht hatte, sahe beides: mit Kleidern und
-Geberden einem Sizilianer so ähnlich, daß einer tausend Eide geschworen
-hätte, er wäre niemalen aus Sicilia weggekommen.
-
-Ich bedorfte nicht viel Komplimenten zu machen, dann der König fing
-selbst an, gut deutsch mit mir zu reden.
-
-»Aus was Ursache hast du dich unterfangen, uns gleichsam ganz
-mutwilliger Weise so einen Haufen Steine zuzuschicken?«
-
-»Weil bei uns einem jeden erlaubt ist an einer verschlossenen Tür
-anzuklopfen.«
-
-»Wie wann du aber den Lohn deiner fürwitzigen ~Importunität~
-empfingest?«
-
-»Ich kann mit keiner größeren Strafe beleget werden, als daß ich
-sterbe. Sintemal ich aber seithero so viel Wunder erfahren und gesehen,
-wie unter Millionen Menschen keiner das Glück nicht hat, würde mir mein
-Tod vor gar keine Strafe zu rechnen sein.«
-
-»Ach, elende Blindheit! Ihr Menschen könnet nur einmal sterben und ihr
-Christen sollet den Tod nicht eher getrost zu überstehen wissen, ihr
-wäret dann gegen Gott durch eine unzweifelhafte Hoffnung versichert.
-Aber ich habe vor, diesmal weit anderes mit dir zu reden. Es ist mit
-bekannt worden, daß ihr Christen euch des jüngsten Tages ehistens
-versehet, weilen alles, was auf der Erden lebet, den Lastern so
-schröcklich ergeben seie, also daß der allmächtige Gott nicht lange
-verziehen werde. Darob entsetzten wir uns nicht wenig, wegen der
-Nähe solcher erschröcklichen Zeit. Haben dich derowegen zu uns holen
-lassen, um zu vernehmen, was etwan nach etlichen Wahrzeichen, die euer
-Heiland für seine Ankunft hiebevor selbsten hinterlassen, vor Sorge
-oder Hoffnung sein möchte. Ersuchen dich derowegen ganz holdselig, du
-wollest uns bekennen, ob derjenige Glaube noch auf Erden sei, welchen
-der Richter bei seiner Ankunft schwerlich mehr finden wird.«
-
-Ich sagte, das zu beantworten seie mir viel zu hoch. Die Ankunft des
-Herrn sei Gott allein bekannt.
-
-»Nun wohlan, so sage mir, wie sich die Stände der Welt in ihrem Beruf
-halten, damit ich daraus der Welt Untergang absehe. Hingegen will ich
-dich, wann du mir die Wahrheit bekennst, mit einer solchen Verehrung
-abfertigen, deren du dich dem Lebtag wirst zu erfreuen haben.«
-
-Als ich nun hierauf schwieg und mich bedachte, fuhr der König fort:
-»Dran! Dran! Fang am höchsten an und beschließ am niedersten. Es muß
-doch sein, wann du anders wieder auf den Erdboden willst.«
-
-Ich antwortete: »Wann ich am höchsten anfahen soll, so mach ichs billig
-bei den Geistlichen, diese seind gemeiniglich alle, sie seien auch
-gleich, was vor Religion sie immer wollen, rechtschaffene Verächter
-der Ruhe, Vermeider der Wollüste, in ihrem Beruf begierig zur Arbeit,
-geduldig gegen Verachtung, demütig bei ihren Verdiensten, hochmütig
-gegen die Laster. Und gleichwie sie sich allein befleißen, Gott zu
-dienen und andere Menschen mehr durch ihre Exempel als durch Worte
-zum Reiche Gottes zu bringen, also haben die weltlichen hohen Häupter
-allein ihr Absehen auf die liebe ~Justitia~, welche sie dann ohn
-Ansehen der Person einem jedweden, Armen oder Reichen, durch die Bank
-hinaus schnurgerad erteilen und widerfahren lassen. Die Kaufleute
-handeln nie aus Geiz oder um Gewinns willen, sondern damit sie ihren
-Nebenmenschen mit ihrer Ware, die sie zu solchem Ende aus fernen Landen
-herbringen, bedient sein können. Die Wirte treiben nicht deswegen
-ihre Wirtschaften, reich zu werden, sondern damit sich der Hungrige,
-Durstende und Reisende bei ihnen erquicken, und sie die Bewirtung
-als ein Werk der Barmherzigkeit an den müden und kraftlosen Menschen
-üben können. Also suchet der ~Medicus~ nicht seinen Nutz, sondern die
-Gesundheit seines Patienten, wohin dann auch die Apotheker zielen.
-Die Handwerker wissen von keinen Vorteln, Lügen und Betrug, sondern
-befleißen sich, ihre Kunden mit dauerhafter und rechtschaffener Arbeit
-am besten zu versehen. Den Schneidern tut nichts Gestohlenes im Auge
-wehe, und die Weber bleiben aus Redlichkeit arm, daß sich auch keine
-Mäus bei ihnen ernähren können, denen sie ein Knäul Garn nachwerfen
-müßten. Man weiß von keinem Wucher, sondern der Wohlhäbige hilft dem
-Dürftigen aus christlicher Liebe ganz ungebeten. Und wann ein Armer
-nicht zu bezahlen hat, ohn merklichen Schaden und Abgang seiner
-Nahrung, so schenkt ihm der Reiche die Schuld aus freien Stücken. Man
-spüret keine Hoffart, dann jeder weiß und bedenkt, daß er sterblich
-ist. Man merket keinen Neid, dann es weiß und erkennet je einer den
-andern vor ein Ebenbild Gottes, das von seinem Schöpfer geliebt wird.
-Keiner erzörnt sich über den andern, weil sie wissen, daß Christus
-vor alle gelitten und gestorben. Man höret von keiner Unkeuschheit
-oder unordentlichen fleischlichen Begierden, sondern was so vorgehet,
-das geschieht aus Begierde und Liebe zur Kinderzucht. Da findet man
-keine Trunkenbolde oder Vollsäufer, sondern wann einer den andern mit
-einem Trunk ehrt, so lassen sich beide nur mit einem christlichen
-Räuschlein begnügen. Da ist keine Trägheit im Gottesdienst, dann
-ein jeder erzeiget einen emsigen Fleiß und Eifer, wie er vor allem
-andern Gott rechtschaffen dienen möge; und eben deswegen sind jetzund
-so schwere Kriege auf Erden, weil je ein Teil vermeinet, der andere
-diene Gott nicht recht. Es gibt keine Geizigen mehr, sondern Sparsame,
-keine Verschwender, sondern Freigebige, keine Kriegsgurgeln, die Leute
-berauben und verderben, sondern Soldaten die das Vaterland beschirmen,
-keine mutwilligen, faulen Bettler, sondern Verächter der Reichtümer und
-Liebhaber der freiwilligen Armut, keine Korn- und Weinjuden, sondern
-vorsichtige Leute, die den überflüssigen Vorrat auf den besorglichen
-künftigen Notfall vor das Volk aufheben und zusammenhalten.«
-
-
-
-
-Das siebente Kapitel
-
-
-Ich pausierte ein wenig und bedachte mich, aber der König sagte, er
-hätte bereits so viel gehöret, daß er nicht mehr zu wissen begehrete,
-wann ich wollte, so sollten sie mich gleich wieder an den Ort bringen,
-von wo sie mich genommen. Wollte ich aber eins oder das andere
-beschauen, so sollte ich in seinem Reiche sicher begleitet sein und
-alsdann werde ich mit einer Verehrung abgefertigt werden, daß ich
-zufrieden sein könnte. Da ich mich aber zu nichts entschließen konnte,
-wandte er sich zu etlichen, die eben in den Abgrund des ~Mare del Zur~
-sich begaben. »Nehmt ihn mit und bringet ihn bald wieder, damit er noch
-heut auf den Erdboden gestellet werde!« Zu mir sagte er, ich möchte
-mich auf einen Wunsch besinnen.
-
-Durch ein Loch, das etliche hundert Meilen lang war, kamen wir auf den
-Grund des friedsamen Meeres ~del Zur~, darauf standen Korallenzinken
-so groß wie Eichbäume, von denen sie zur Speise mit sich nahmen, was
-noch nicht erhärtet und gefärbet war, dann sie pflegten sie zu essen,
-wie wir die jungen Hirschgeweihe. Da sahe ich Schneckenhäuser so groß
-als ein Rondell und breit als ein Scheuertor. ~Item~ Perlen so dick
-als Fäuste, welche sie anstatt der Eier aßen. Der Boden lag überall
-mit Smaragden, Türkis, Rubinen, Diamanten und andern Edelsteinen
-überstreut, gemeiniglich so groß wie Bachkiesel. Da sahe man hier und
-dort gewaltige Schröffen viel Meilwegs in die Höhe ragen, die vor das
-Wasser hinausgingen und lustige Insuln trugen. Sie waren rund herum mit
-allerhand wunderbarlichen Meergewächsen gezieret und von mancherlei
-seltsamen Kreaturen bewohnet. Die Fische aber, groß und klein, von
-unzählbarer Art vagierten über uns im Wasser herum und gemahneten mich
-allerdings an so vielerlei Vögel, die sich in Frühlingszeit und im
-Herbst bei uns in der Luft erlustieren.
-
-Als der, in dessen Obhut ich befohlen war, sahe, wie mir alles so
-wunderbarlich vorkam und ich darüber erstaunete, daß sie als Peruaner,
-Brasilianer, Mexikaner und Insulaner ~de los latrones~ dannoch so gut
-deutsch redeten, da sagte er, daß sie nicht mehr als eine Sprache
-könnten, die aber alle Völker auf den ganzen Umkreis der Erden in ihrer
-Sprache verstünden und sie hingegen wiederum, welches daher komme,
-daß ihr Geschlecht mit der Torheit des babylonischen Turmes nichts zu
-schaffen hätte.
-
-Weil sich nun meine Begleitung genugsam verproviantiert hatte, kehrten
-wir in das ~Centrum~ der Erde zurück. Auf dem Wege sagte ich, die
-Wunder, die ich bisher gesehen, hätten mich so gar aus mir selbst
-gebracht, daß ich mich auf nichts bedenken könnte, sie wollten mir
-raten, was ich von dem König begehren sollte. Meine Meinung wäre, von
-ihm einen Gesundbrunnen auf meinen Hof zu erbitten, wie derjenige wäre,
-der neulich von sich selbst in Deutschland entsprungen sei. Mein Führer
-antwortete mir, solches würde in seines Königs Macht nicht stehen.
-Darauf fragte ich nach Ursach dessen und er antwortete: »Es befinden
-sich hin und wieder in der Erde leere Stätten, die sich nach und nach
-mit allerhand Metallen ausfüllen, schläget sich zu Zeiten durch die
-Spälte aus dem ~Centro~, davon alle Quellen getrieben werden, Wasser
-darzu, welches dann um und zwischen den Metallen viel hundert Jahr
-sich enthält und der Metallen edle Art und heilsame Eigenschaften an
-sich nimmt, und suchet es endlich durch seinen starken Trieb einen
-Auslauf, so wird das Heilwasser nach so und soviel hundert Jahren zum
-allerersten ausgestoßen und tät alsdann in denen menschlichen Körpern
-die wunderbarliche Wirkung, die man an solchen neuen Heilbrunnen
-siehet. So es aber in schnellem Lauf durch die Metalle passieret,
-vermöchte es keine Tugenden oder Kräfte von den Metallen an sich
-nehmen.« Wann ich die Gesundheit, sagte er, so sehr affectiere, so
-sollte ich den König ersuchen, daß er mich dem König der Salamander,
-mit welchem er in Korrespondenz stünde, in eine Kur empfehle. Derselbe
-könne die menschlichen Körper durch einen Edelstein begaben, daß sie
-in keinem Feuer verbrennen mögen. Wenn man solche Menschen wie eine
-schleimige, alte, stinkende Tabakspfeife mitten in das Feuer setze, da
-verzehrten sich dann alle bösen Humores und schädlichen Feuchtigkeiten,
-und komme ein Patient wieder so jung, frisch, gesund und neugeschaffen
-hervor, als wann er ~Elixir Theophrasti~ eingenommen hätte.
-
-Ich wußte nicht, ob mich der Kerl foppte oder ob es ihm ernst war, doch
-bedankte ich mich der vertraulichen ~Communication~ und sagte, ich
-besorge diese Kur sei mir als einem ~Cholerico~ zu hitzig. Mir würde
-nichts Lieberes sein, als wann ich meinen Mitmenschen eine heilsame,
-rare Quelle mit mir auf den Erdboden bringen könnte, welches ihnen zu
-Nutz, dem Könige im ~Centro~ der Erden zur Ehre, mir aber zu einem
-unsterblichen Namen und ewigem Gedächtnus gereichen würde. Darauf mußte
-ich hören, daß der König im ~Centro~ der Erden der Ehre oder Schande,
-so ihm unter den Menschen zugelegt werde, gleichviel achte.
-
-Mithin kamen wir wiederum vor das Angesicht des Königs, da bemerkte
-ich, wie die Sonne einen See nach dem andern beschiene und ihre
-Strahlen bis in diese schröckliche Tiefe herunter warf, also daß den
-Sylphis niemalen kein Licht mangelte. Man brauchte zum Imbiß weder Wein
-noch stark Getränke, aber anstatt dessen tranken sie Perlen, als welche
-noch nicht erhärtet waren, aus; die gaben ihnen treffliche Stärke.
-
-Indessen hatte sich die Zeit genähert, daß ich wieder heim sollte,
-derhalben befahl der König, ich sollte meinen Wunsch tun. Da antwortete
-ich, es könnte mir keine größere Gnade widerfahren, als wann er mir
-einen rechtschaffenen medicinalischen Sauerbrunn auf meinen Hof würde
-zukommen lassen.
-
-»Ist es nur das? Ich hätte vermeint, du würdest etliche große Smaragde
-mit dir nehmen. Jetzt sehe ich, daß kein Geiz bei euch Christen ist.«
-
-Mithin reichte er mir einen Stein von seltsam wechselnden Farben und
-sagte: »Diesen stecke zu dir. Wo du ihn auf den Erdboden legen wirst,
-daselbst wird er anfahen, das ~Centrum~ wieder zu suchen und die
-bequemsten Mineralia durchgehen, bis er wieder zu uns kommt und dir
-unsretwegen eine herrliche Sauerbrunnquelle zuschicket, die dir so wohl
-bekommen und zuschlagen soll, als du mit Eröffnung der Wahrheit um uns
-verdienet hast.«
-
-Darauf nahm mich der Fürst vom Mummelsee wieder in sein Geleit. Diese
-Heimfahrt dünkte mich viel weiter als die Hinfahrt, also daß ich
-auf dritthalbtausend wohlgemessener deutscher Meilen rechnete. Auch
-redete ich mit meinen Begleitern nichts. Im übrigen war ich in meiner
-Phantasie mit meinem Sauerbrunn so reich, daß alle meine Gedanken und
-Witz genug zu tun hatten zu beratschlagen, wo ich ihn hinsetzen und
-wie ich mir ihn zu Nutz machen wollte. Da hatte ich allbereits meine
-Anschläge wegen der ansehnlichen Gebäude, die ich dazusetzen mußte,
-damit die Badegäste auch rechtschaffen accomodiert seien und ich ein
-großes Losamentgeld aufheben möchte. Ich ersann schon, durch was vor
-Schmiralia ich die ~Medicos~ dahinbringen wollte, daß sie meinen neuen
-Wundersauerbrunn allen andern, ja gar den Schwalbacher vorziehen und
-mir einen Haufen neuer Badegäste zuschaffen sollten. Ich machte schon
-ganze Berge eben, damit sich die Ab- und Zufahrenden über keinen
-mühsamen Weg beschwereten. Ich dingete schon verschmitzte Hausknechte,
-geizige Köchinnen, vorsichtige Bettmägde, wachsame Stallknechte,
-saubere Bad- und Brunnenverwalter und sann auch allbereits einen
-Platz aus, auf welchem ich mitten im wilden Gebürge, bei meinem Hof
-einen schönen, ebenen Lustgarten pflanzen und allerlei rare Gewächse
-darin ziehen wollte, damit die fremden Herren Badegäste mit ihren
-Frauen darin spazieren, sich die Kranken erfrischen, die Gesunden mit
-allerhand kurzweiligen Spielen ergötzen und errammlen können. Da mußten
-mir die ~Medici~, doch um die Gebühr, einen herrliche Tractat von
-meinem Brunn und dessen köstliche Qualität zu Papier bringen, welchen
-ich alsdann neben einem schönen Kupferstich, darin mein Baurenhof im
-Grundriß entworfen, wohl drucken lassen konnte, aus welchem ein jeder
-abwesende Kranke sich gleichsam halb gesund lesen und hoffen möchte.
-Ich ließ bereits meinen Sohn von L. holen, doch dorfte er mir kein
-Bader werden, dann ich hatte mir vorgenommen, meinen Gästen obzwar
-nicht den Rücken, so doch aber ihren Beutel tapfer zu schröpfen.
-
-Mit solchen reichen Gedanken und überseligem Phantasiehandel erreichte
-ich wiederum die Luft, maßen mich mein Prinz allerdings mit trockenen
-Kleidern aus seinem Mummelsee ans Land satzte. Doch mußte ich das
-Kleinod, so er mir anfänglich gegeben, stacks von mir tun, dann ich
-hätte sonst in der Luft ersaufen oder Atem zu holen den Kopf wieder in
-das Wasser stecken müssen. Da er den Stein wieder zu sich genommen,
-beschirmten wir einander als Leute, die einander nimmer wieder zu sehen
-würden bekommen. Er duckte sich und fuhr wieder mit den seinigen in den
-Abgrund. Ich aber ging mit meinem Quellenstein voll Freuden davon.
-
-Aber ach, meine Freude währete nicht lang! Indem ich noch immerfort
-Kalender machte, wie ich den köstlichen Wunderbrunn auf meinen Hof
-setzen und mir darbei einen geruhigen Herrenhandel schaffen möchte,
-stund ich, eh ich meiner Verirrung gewahr ward, mitten in einer Wildnus
-wie Matz von Dresden beides: ohne Speis und Gewehr, dessen ich gegen
-die bevorstehende Nacht wohl bedörftig gewesen wäre. Geduld, Geduld,
-dein Stein wird dich aller überstandenen Not wiederum ergetzen! Gut
-Ding will Weile haben! Vortreffliche Sachen werden ohne große Mühe
-und Arbeit nicht erworben, sonst würde jeder Narr ohn Schnaufens und
-Bartwischens einen solchen edlen Sauerbrunn zuwege bringen.
-
-Ich trat tapferer auf die Sohlen. Der Vollmond leuchtete mir zwar fein,
-aber die hohen Tannen ließen mir sein Licht nicht so wohl gedeihen,
-doch kam ich soweit fort, bis ich um Mitternacht von weitem ein Feuer
-gewahr ward. Etliche Waldbauren saßen darbei, die mit Harz zu tun
-hatten.
-
-Wiewohl nun solchen Gesellen nicht allezeit zu trauen, so zwang mich
-doch die Not zu ihnen. Ich hinterschlich sie unversehens und sagte:
-»Guten Abend, ihr Herrn!«
-
-Da stunden und saßen sie alle sechse vor Schröcken zitternd. Dann weil
-ich einer von den Längsten bin, noch schwarze Trauerkleider anhatte,
-zumalen einen schröcklichen Prügel in den Händen trug, auf welchem ich
-mich wie ein wilder Mann steurete, kam ihnen meine Gestalt entsetzlich
-vor. Endlich erholete sich einer.
-
-»Wer ischt dann der Hair?«
-
-Da hörete ich, daß er schwäbischer Nation sein müßte, die man zwar
-(aber vergeblich) vor einfältig schätzet, sagte derowegen, ich sei ein
-fahrender Schüler, der jetzo erst aus dem Venusberg komme.
-
-»Oho,« antwortete einer, »jetzt glaube ich, Gottlob, daß ich den
-Frieden wieder erleben werde, weil die fahrenden Schüler wieder
-anfangen zu reisen.«
-
-
-
-
-Das achte Kapitel
-
-
-Also kamen wir ins Gespräch und ich genoß so vieler Höflichkeit von
-ihnen, daß sie mich hießen zu Feuer niedersitzen und mir ein Stück
-schwarz Brot und magern Kühkäs anboten, welches ich gern annahm.
-Endlich wurden sie so verträulich, daß sie mir zumuteten, ich sollte
-ihnen als fahrender Schüler gute Wahrheit sagen. Da fing ich an einem
-nach dem andern auf seine Hand hin aufzuschneiden, was ich meinete,
-daß es ihnen wohl gelegen sei. Sie begehreten weiterhin allerhand
-fürwitzige Künste von mir zu lernen, ich aber vertröstete sie auf den
-künftigen Tag, und begehrete, daß sie mich ein wenig ruhen wollten
-lassen. Legte mich also beiseits, mehr zu horchen als zu schlafen. Je
-mehr ich nun schnarchte, je wachsamer sie sich erzeigeten. Sie stießen
-die Köpfe zusammen und fingen an zu beraten, wer ich sein möchte. Vor
-keinen Soldaten wollten sie mich halten, weil ich ein schwarz Kleid
-antrug, und vor keinen Bürgerskerl konnten sie mich schätzen, weil ich
-zu einer solchen ungewöhnlichen Zeit so fern von den Leuten in das
-Mückenloch (so heißet der Wald) angestochen käme. Zuletzt beschlossen
-sie, ich müßte dannoch ein lateinischer Handwerksgeselle sein, der
-verirrt wäre, oder ein fahrender Schüler, weil ich so trefflich
-wahrsagen konnte.
-
-»Ja,« fing einer an, »er hat darum doch nicht alles gewußt. Etwan ist
-er ein loser Krieger und hat sich so verkleidet, unser Viehe und die
-Schliche im Wald auszukunden. Ach, daß wir es wüßten, wir wollten ihn
-schlafen legen, daß er das Aufstehen vergessen sollte!«
-
-Indessen lag ich dort und spitzte die Ohren. Ich gedachte: werden mich
-diese Knollfinken angreifen, so muß mir zuvor einer oder drei ins Gras
-beißen.
-
-Demnach nun diese ratschlagten und ich mich mit Sorgen ängstigte,
-ward mir gähling, als ob ein Bettnässer bei mir läge, dann ich lag
-unversehens ganz naß. ~O mirum!~ Da war Troja verloren! Alle meine
-trefflichen Anschläge waren dahin, dann ich merkte am Geruch, daß es
-mein Sauerbrunn war. Da geriet ich vor Zorn und Unwillen in eine solche
-Raserei, daß ich mich beinahe mit den sechs Bauren eingelassen und
-herumgeschlagen hätte.
-
-»Ihr gottlosen Flegel! An diesem Sauerbrunn, der auf meiner Lagerstätte
-hervorquillet, könnet ihr merken, wer ich sei! Es wäre kein Wunder, ich
-strafe Euch alle, daß euch der Teufel holen möchte, weil ihr so böse
-Gedanken traget.«
-
-Machte darauf so bedrohliche und erschröckliche Mienen, daß sie sich
-alle vor mir entsatzten. Doch kam ich wieder zu mir selber und dachte,
-besser den Sauerbrunn als das Leben verloren, gab ihnen derhalben gute
-Worte und sagte: »Stehet auf und versuchet den herrlichen Sauerbrunn,
-den ihr und alle Harz- und Holzmacher hinfort in dieser Wildnus
-meinetwegen zu genießen haben werdet.«
-
-Sie sahen einander an wie lebendige Stockfische, bis sie merkten, daß
-ich fein nüchtern aus meinem Hut den ersten Trunk tät. Da stunden sie
-nacheinander vom Feuer auf, besahen das Wunder, versuchten das Wasser
-und begannen zu lästern: Sie wollten, daß ich mit meinem Sauerbrunn an
-einen andern Ort geraten wäre, dann sollte ihre Herrschaft dessen inne
-werden, so müßte das ganze Amt Dornstädt fröhnen und Wege darzu machen.
-
-»Dahingegen«, sagte ich, »habet ihr dessen alle zu genießen. Eure
-Hühner, Eier, Butter, Viehe und alles könnet ihr besser ans Geld
-bringen.«
-
-»Nein, nein,« riefen sie, »nein! Die Herrschaft setzt einen Wirt hin,
-der wird allein reich und wir müssen seine Narren sein, ihm Wege und
-Stege erhalten und werden keinen Dank darzu haben!«
-
-Zuletzt entzweiten sie sich, zween wollten den Sauerbrunn behalten,
-vier muteten mir zu, ich sollte ihn wieder abschaffen. Weil aber
-nunmehr Tag vorhanden war und ich nichts mehr da zu tun hatte, sagte
-ich, wann sie nicht wollten, daß alle Kühe im ganzen bayersbrunner Tal
-rote Milch geben sollten, solang der Brunn liefe, so sollten sie mir
-alsobald den Weg in Seebach weisen. Sie gaben mir zwei mit, maßen sich
-einer allein bei mir forchtete.
-
-Also schied ich von dannen und obzwar dieselbe ganze Gegend unfruchtbar
-war und nichts als Tannzapfen trug, so hätte ich sie doch noch elender
-verfluchen mögen, weil ich alle meine Hoffnung daselbst verloren. --
-Nach vieler Mühe und Arbeit kam ich gegen Abend wieder heim auf meinen
-Baurenhof und sahe, daß mein Knän mir wahrgesagt hatte: nichts als müde
-Beine und den Hergang vor den Hingang würde ich von dieser Wallfahrt
-haben.
-
-Nach meiner Heimkunft hielt ich mich gar eingezogen, meine größte
-Freude und Ergötzung war, hinter den Büchern zu sitzen, deren ich mir
-dann viel beischaffte, so von allerhand Sachen handelten, sonderlich
-die eines großen Nachsinnens bedörfen. Aber ~Grammaticam~ und
-~Arithmeticam~, ~Mathematicam~ und ~Geometriam~ auch ~Astronomiam~
-warf ich bald von mir, teils sie mir gar bald erleidet und ich ihrer
-überdrüssig ward, teils sie mich zwar trefflich erlustigten aber mir
-endlich auch falsch und ungewiß vorkamen, also, daß ich mich auch nicht
-länger mit ihnen schleppen mochte. Bei der Lullischen Kunst befand ich
-viel Geschrei und wenig Wolle. Ich machte mich hinter die ~Kabbala~ der
-Hebräer und ~Hieroglyphicas~ der Egypter, fand aber als Allerletztes
-von allen meinen Künsten und Wissenschaften, daß keine bessere sei als
-~Theologia~.
-
-Nach derselben Richtschnure erfand ich vor die Menschen eine Art
-zu leben, die mehr englisch als menschlich sein könnte. Es sollte
-sich meines Davorhaltens eine Gesellschaft zusammen tun beides:
-von verehelichten als ledigen so Manns- als Weibspersonen, die
-auf Manier der Wiedertäufer allein sich beflissen, unter einem
-verständigen Vorsteher durch ihrer Hände Arbeit ihren Unterhalt zu
-gewinnen und sich die übrige Zeit mit dem Lob und Dienst Gottes und
-um ihrer Seelen Seligkeit zu bemühen. Ich hatte hiebevor in Ungarn
-auf den wiedertäuferischen Höfen ein solches Leben gesehen und vor
-das seligste in der ganzen Welt geschätzet, dann sie kamen mir in
-ihrem Tun und Leben allerdings für wie die jüdischen Essäer. Sie
-hatten erstlich große Schätze und überflüssige Nahrung, die sie aber
-keineswegs verschwendeten. Kein Fluch, Murmelung, noch Ungeduld ward
-bei ihnen gespüret, ja, man hörete kein unnützes Wort. Da sahe ich
-Handwerker in ihren Werkstätten arbeiten, als wann sie es verdingt
-hätten. Ihr Schulmeister unterrichtete die Jugend, als wann sie alle
-seine leiblichen Kinder gewesen wären. Nirgends sahe ich Manns- und
-Weibsbilder untereinander vermischt, sondern an jedem bestimmten Ort
-auch jedes Geschlecht absonderlich seine obliegend Arbeit verrichten.
-Ich fand Zimmer, in welchen nur Kindbetterinnen waren, die ohne
-Obsorge ihrer Männer durch ihre Mitschwestern mit aller notwendigen
-Pflege samt ihren Kindern reichlich versehen wurden. Andere sonderbare
-Säle standen voll Wiegen mit Säuglingen, die von andern Weibern, das
-waren Witwen, beobachtet wurden, daß sich deren Mütter ferners nicht
-um sie bekümmern durften, als wann sie täglich zu dreien gewissen
-Zeiten kamen, ihnen ihre mildreichen Brüste zu bieten. Anderswo sahe
-ich das weibliche Geschlecht sonst nichts tun als spinnen, also daß man
-über die hundert Kunkeln oder Spinnrocken in einem Zimmer beieinander
-antraf. Da war eine die Wäscherin, die andere die Bettmacherin, die
-dritte Viehmagd, die vierte Schüsselwäscherin, die fünfte Kellerin, die
-sechste hatte das weiße Zeug zu verwalten und also auch die übrigen
-alle wußten eine jede, was sie tun sollten. Und gleichwie die Ämter
-unter dem weiblichen Geschlecht ordentlich ausgeteilet waren, also
-wußte auch unter den Männern und Jünglingen ein jeder sein Geschäft.
-Die Kranken hatten Wärter und Wärterin und stund ihnen ein allgemeiner
-~Medicus~ und Apotheker bei, wiewohl sie wegen löblicher Diät und
-guter Ordnung selten erkrankten. Sie hatten ihre gewissen Stunden
-zum Essen und Schlafen, aber keine einzige Minute zum Spielen noch
-Spazieren, außerhalb die Jugend, welche mit ihrem Präceptor jedesmal
-nach dem Essen der Gesundheit halber eine Stunde spazierte. Da war kein
-Zorn, kein Eifer, keine Rachgier, kein Neid, keine Feindschaft, keine
-Sorge um Zeitliches, keine Hoffart, keine Reue. Kein Mann sahe sein
-Weib, als wann er auf die bestimmte Zeit sich mit derselben in seiner
-Schlafkammer befand, in welcher er sein zugerichtetes Bette und sonst
-nichts darbei als einen Wasserkrug und weißen Handzwilch fand, damit
-sie mit gewaschenen Händen schlafen gehen und des Morgens an die Arbeit
-aufstehen möchten. Und alle hießen einander Schwester und Bruder, und
-war doch solche ehrbare Verträulichkeit keine Ursache unkeusch zu sein.
-Ein solches seliges Leben, wie diese Wiedertäuferischen Ketzer führten,
-hätte ich gern auch aufgebracht. Und hätte als ein anderer ~Dominicus~
-oder ~Franciscus~ einer solchen vereinigten Christengesellschaft
-meinen Hof und ganzes Vermögen zum besten gegeben, unter denselben ein
-Mitglied zu sein. Aber mein Knän profezeite mir stracks, daß ich wohl
-nimmermehr solche Bursche zusammenbringen würde.
-
-
-
-
-Das neunte Kapitel
-
-
-Denselbigen Herbst näherten sich französische, schwedische und
-hessische Völker, sich bei uns zu erfrischen, deswegen dann jedermann
-sich selbst samt seinem Viehe und besten Sachen in die hohen Wälder
-flüchtete. Ich machte es wie meine Nachbarn und ließ das Haus ziemlich
-leer stehen, in welches ein reformierter schwedischer Obrister logieret
-ward. Derselbige fand in meinem Kabinett noch etliche Bücher, dann
-ich in der Eil nicht alles hinwegbringen konnte, und unter andern
-einzige mathematische und geometrische Abrisse, auch etwas vom
-Fortifikationswesen. Er schloß deshalben, daß sein Quartier keinem
-gemeinen Bauren zuständig sein müßte, fing derowegen an, sich um meine
-Person zu erkundigen und ihr nach zu trachten, maßen er selbsten durch
-courtoise Zuentbietungen und untermischte Drohworte mich dahin brachte,
-daß ich mich zu ihm auf meinem Hof begab. Mit großer Freundlichkeit
-brachte er zu Wege, daß ich ihm mein Geschlecht und Herkommen und alle
-meine Beschaffenheit vertraute. Er verwunderte sich, daß ich mitten im
-Kriege meine Gaben, die mir Gott verliehen, hinter dem Ofen und beim
-Pflug verschimmeln lasse. Wenn ich schwedische Dienste annehmen würde,
-so wüßte er, daß mich meine Qualitäten und Kriegswissenschaften bald
-hoch bringen würden. Ich ließ mich hiezu kaltsinnig an. Aber er drang
-weiter in mich, maßen ihm von Torstensohn ein Regiment versprochen
-sei, wann er ein solches erhalten würde, woran er dann gar nicht
-zweifle, so wolle er mich alsbald zu seinem Obrist-Leutnant machen. Mit
-dergleichen Worten machte er mir das Maul ganz wässerig und weilen
-noch schlechte Hoffnung auf den Frieden war und ich deswegen sowohl
-fernerer Einquartierung als gänzlichen Ruins unterworfen, resolvierete
-ich mich wieder um mitzumachen, sofern er mir seine Parola halten und
-die Obrist-Leutnantstelle geben wollte.
-
-Also ward die Glocke gegossen, ich ließ meinen Knän holen, derselbe
-war noch mit meinem Viehe zu Bayrischbrunn, verschrieb ihm meinen Hof
-vor Eigentum, doch daß ihn nach seinem Tod der Magdsohn erben sollte,
-weil kein ehelicher Erbe vorhanden. Folgends holete ich mein Pferd und
-was ich noch an Geld und Kleinodien hatte. Da ward die Einquartierung
-plötzlich aufgehoben und wir mußten, ehe wir uns dessen versahen zur
-Hauptarmee marschieren.
-
-Die torstensohnischen Promessen, mit denen sich der Obrist auf meinem
-Hof breit gemachet, waren bei weitem nicht so groß, als er vorgeben, er
-ward vielmehr nur über die Achsel angesehen. Und demnach er argwöhnete,
-daß ich mich bei ihm in die Länge nicht gedulden würde, dichtete er
-Briefe, als wenn er in Livland, allwo er zu Haus war, ein frisch
-Regiment zu werben hätte, und überredete mich, daß ich gleich ihm zu
-Wismar aufsaß und mit nach Livland fuhr. Allein er hatte kein Regiment
-zu werben und war auch sonsten ein blutarmer Edelmann.
-
-Obzwar nun ich mich hatte zweimal betrügen und so weit hinweg
-führen lassen, so ging ich doch auch das dritte Mal an, dann er
-wiese mir Schreiben vor, die er aus Moskau bekommen, in welchen ihm
-hohe Kriegschargen angetragen wurden. Und weil er gleich mit Weib
-und Kindern aufbrach, dachte ich, er wird ja um der Gänse willen
-nicht hinziehen. -- An der reußischen Grenze begegneten uns aber
-unterschiedliche abgedankte deutsche Soldaten, vornehmlich Offizierer,
-also daß mir anfing zu graueln.
-
-»Was Teufels machen wir! Wo Krieg ist ziehen wir hinweg, und wo es
-Friede und die Soldaten abgedankt werden, da kommen wir hin?«
-
-Er gab mir immer gute Worte, ich sollte ihn nur sorgen lassen, er wüßte
-besser, was zu tun sei.
-
-Nachdem wir nun sicher in der Stadt Moskau angekommen, konferierte mein
-Obrist täglich mit den Magnaten und vielmehr noch mit dem Metropoliten.
-Endlich gab er mir bekannt, daß es nichts mehr mit dem Krieg wäre, und
-daß ihn sein Gewissen treibe, die griechische Religion anzunehmen. Sein
-treuherziger Rat wäre, weil er mir ohndas nunmehr nicht helfen könnte,
-wie er versprochen, ich sollte ihm nachfolgen. Des Zaren Majestät hätte
-bereits gute Nachricht von meiner Person und vortrefflichen Qualitäten,
-die würden gnädigst belieben, sofern ich mich fügen wollte, mich als
-einen Kavalier mit einem stattlichen Gut und vielen Untertanen zu
-begnadigen.
-
-Ich ward hierüber ganz bestürzt, deswegen ich dann, eh ich mich auf
-eine Antwort resolvieren konnte, lange stillschwieg. Endlich brachte
-ich vor, ich wäre gekommen ihrer zarischen Majestät als ein Soldat zu
-dienen, seien nun dieselbe meiner Kriegsdienste nicht bedörftig, so
-könnte ich nichts ändern, daß aber dieselbe mir eine so hohe zarische
-Gnade allergnädigst widerfahren zu lassen geruhten, wäre mir mehr
-Pflicht zu rühmen, als solche alleruntertänigst zu acceptieren, weil
-ich mich meine Religion zu ändern noch zurzeit nicht entschließen
-könnte, wünschete vielmehr, daß ich wiederum im Schwarzwald auf meinem
-Baurenhof säße.
-
-Hierauf antwortete er: »Der Herr tue nach seinem Belieben, allein
-ich hätte vermeinet, wann Ihn Gott und das Glück grüßeten, so sollte
-Er beiden billig danken. Wann Er sich ja nicht helfen lassen und Er
-gleichsam wie ein Prinz leben will, so verhoffe ich gleichwohl, Er
-werde davor halten, ich habe an Ihm das Meinige nach äußersten Vermögen
-zu tun keinen Fleiß gesparet.«
-
-Daraufhin machte er einen tiefen Bückling, ging seines Wegs und ließ
-mich dort sitzen, ohn daß er zulassen wollte, ihm nur bis zur Tür das
-Geleite zu geben.
-
-Als ich nun ganz perplex dasaß und meinen damaligen Zustand
-betrachtete, hörete ich zween reußische Wägen vor unserm Losament.
-Sahe darauf zum Fenster hinaus und wie mein guter Herr Obrister mit
-seinen Söhnen in dem einen und die Frau Obristin mit ihren Töchtern in
-den andern einstieg. Es waren großfürstliche Fuhren und Livrei zumalen
-etliche Geistliche dabei, so diesem Ehevolk gleichsam aufwarteten und
-allen guten, geneigten Willen erzeugeten.
-
-
-
-
-Das zehent Kapitel
-
-
-Von dieser Zeit an ward ich zwar nicht offentlich, sondern heimlich
-durch etliche Strelitzen verwachet und mein Obrister oder die Seinigen
-kamen mir nicht ein Mal mehr zu Gesicht. Damals satzte es seltsame
-Grillen und viele graue Haare auf meinem Kopf. Ich machte Kundschaft
-mit den Deutschen, die sich von Kauf- und Handwerksleuten in Moskau
-~ordinari~ aufhalten, und klagte ihnen mein Anliegen. Sie gaben
-mir Trost und Anleitung, wie ich wieder mit guter Gelegenheit nach
-Deutschland kommen könne. Sobald sie aber Wind bekamen, daß der Zar
-mich im Land zu behalten entschlossen sei und mich dazu drängen wollte,
-wurden sie alle zu Stummen an mir, ja sie entäußerten sich meiner und
-es ward mir schwer, auch nur vor meinen Leib Herberge zu bekommen;
-Pferd und Sattelzeug war bereits verzehret. Als ich dann alle Dukaten
-aus meinen Kleidern getrennt, fing ich an, meine Ringe und Kleinodien
-zu versilbern. Indessen lief ein Vierteljahr herum, nach welchem
-oftgemeldter Obrister samt seinem Hausgesind umgetauft und mit einem
-ansehnlichen Gut und vielen Untertanen versehen ward.
-
-Damals ging ein Mandat aus, daß man wie unter den Einheimischen so
-auch unter den Fremden keine Müßiggänger bei hoher unausbleiblicher
-Strafe leiden sollte, als die den Arbeitenden nur das Brot vor dem
-Maul wegfressen. Was von Fremdem nicht arbeiten wollte, das sollte in
-einem Monat das Land verlassen. Also schlugen sich unserer bei fünfzig
-zusammen, der Meinung den Weg nach Deutschland miteinander zu machen.
-Wir wurden aber nicht zwei Stunden weit von der Stadt von reußischen
-Reutern eingeholet mit Vorwand, daß ihre zarische Majestät ein groß
-Mißfallen hätte, daß wir uns frevelhafter Weise unterstanden, in so
-starker Anzahl zusammen zu rotten und ohn Paß dero Land durchzögen. Auf
-unserm Rückwege erfuhr ich, wie mein Handel beschaffen war, dann der
-Führer sagte mir ausdrücklich, daß die zarische Majestät mich nicht aus
-dem Land lassen würden, sein treuherziger Rat wäre, ich sollte mich in
-dero allergnädigsten Willen fügen, zu ihrer Religion übertreten, sonst
-ich wider Willen als ein Knecht dienen müßte. Einen so wohlerfahrenen
-Mann wolle ihre zarische Majestät nicht aus dem Lande lassen.
-
-Ich verringerte mich bescheidentlich ob meiner Tugend und
-Wissenschaften mit Versicherung, daß ich an meinem äußersten Vermögen
-nichts verwinden lassen würde, sofern ich in einzigerlei Wege ihrer
-zarischen Majestät ohn Beschwerung meines Gewissens und ohne meine
-Religion zu ändern, dienen könnte.
-
-Ich ward von den andern abgesondert und zu einem Kaufherrn logiert,
-allwo ich nunmehr offentlich verwachet, hingegen aber täglich mit
-herrlichen Speisen und köstlichem Getränk vom Hof aus versehen wurde.
-Hatte auch täglich Leute, die mir zusprachen und mich hin und wieder
-zu Gast luden, sonderlich einer. Dieser diskurierte mehrenteils mit
-mir von allerhand mechanischen Künsten, ~item~ Kriegs- und anderen
-Maschinen, vom Fortifikationswesen und der Artollerei mit freundlichen
-Gesprächen, dann ich konnte schon ziemlich reußisch reden. Als er
-unterschiedliche Mal auf den Busch geklopft und keine Hoffnung fassen
-konnte, daß ich mich im geringsten ändern würde, so bat er mich, ich
-sollte doch dem großen Zar zu Ehren ihrer Nation etwas von meinen
-Wissenschaften mitteilen, ihr Zar würde meine Willfährigkeit mit hohen
-kaiserlichen Gnaden erkennen. Darauf antwortete ich, meine ~Affection~
-wäre jederzeit dahin gestanden.
-
-Als er nun solche Offerten verstund, sagte er, daß ihre zarische
-Majestät allergnädigst bedacht wären, in dero Landen selber Salpeter
-zu graben und Pulver zurichten zu lassen, weil aber niemand unter
-ihnen wäre, der damit umgehen könnte, würde ich der zarischen Majestät
-einen angenehmen Dienst erweisen, wann ich mich des Werks unterfinge,
-sie würden mir hierzu Leute und Mittel genug an die Hand schaffen.
-Er vor seine Person wolle mich aufs aufrichtigste gebeten haben, ich
-sollte solches allergnädigstes Ansinnen nicht abschlagen, dieweilen
-sie bereits genugsam Nachricht hätten, daß ich mich auf diese Sachen
-trefflich wohl verstünde. Darauf sagte ich mit courtoisen Worten zu,
-soferne ihre zarische Majestät gnädigst geruhten, mich in meiner
-Religion passieren zu lassen. So ward dieser Reuße trefflich lustig,
-also daß er mir mit dem Trunk mehr zusprach als ein Deutscher.
-
-Am andern Tag kamen vom Zar zween Knesen und ein Dolmetsch, die
-ein endlichs mit mir beschlossen und von wegen des Zaren mir ein
-köstlich reußisch Kleid verehreten. Also fing ich gleich etliche
-Tage hernach an, Salpetererde zu suchen und meinen Leuten zu lernen,
-wie sie dieselbe von der Erde separieren und läutern sollten. Mithin
-verfertigte ich die Abrisse zu einer Pulvermühle und lehrete andere
-die Kohlen brennen, daß wir also in ganz kurzer Zeit sowohl des
-besten Pirsch- als des groben Stückpulvers eine ziemliche Quantität
-verfertigten, dann ich hatte Leute genug und darneben auch meine
-sonderbaren Diener, die mir aufwarteten, oder besser zu sagen, die
-mich hüten und verwahren sollten.
-
-Ich war einsmals geschäftig auf den Pulvermühlen, die ich hatte
-außerhalb Moskaus an den Fluß bauen lassen, da ward unversehens Alarm,
-weilen sich die Tataren bereits vier Meilen weit auf hunderttausend
-Pferde stark befanden, das Land plünderten und also immerhin
-fortavancierten. Wir mußten uns an Hof begeben, allwo wir aus des
-Zars Rüstkammer und Marstall montiert wurden. Ich zwar ward anstatt
-des Kürasses mit einem gesteppten seidenen Panzer angetan, welcher
-jeden Pfeil aufhielt, aber vor keiner Kugel schußfrei sein konnte;
-Stiefeln, Sporen, und eine fürstliche Hauptzier mit einem Reiherbusch,
-samt einem Säbel, der Haar schur, mit lauter Gold beschlagen und
-Edelsteinen versetzt, wurden mir dargegeben. Von des Zaren Pferden ward
-mir ein solches unterzogen, dergleichen ich zuvor mein Lebtag keines
-gesehen, geschweige geritten. Ich und das Pferdzeug glänzten von Gold,
-Silber, Edelsteinen und Perlen. Ich hatte eine stählerne Streitkolbe
-angehangen. Mir folgte eine weiße Fahne mit einem doppelten Adler,
-welcher von allen Orten und Winkeln gleichsam Volk zuschneiete, also
-daß wir eh zwei Stunden verzogen bei vierzig und nach vier Stunden bei
-sechzigtausend Pferde stark waren.
-
-Es ist meiner Histori an diesem Treffen nicht viel gelegen, ich will
-allein dies sagen, daß wir die Tataren, so mit müden Pferden und vielen
-Beuten beladen anzogen, urplötzlich in einem ziemlich tiefen Gelände
-antrafen, als sie sich dessen am allerwenigsten versahen. Im ersten
-Angriff sagte ich zu meinen Nachfolgern in reußischer Sprache: »Nun
-wohlan, es tue jeder wie ich!«
-
-Solches schrieen sie einander zu. Dem ersten, welcher ein ~Mirsa~ war,
-schlug ich den Kopf entzwei. Die Reußen folgten meinem heroischen
-Exempel, so daß die Tataren sich in allgemeine Flucht wandten. Ich tät
-wie ein Rasender oder wie einer, der aus Desperation den Tod sucht und
-nicht finden kann. Was mir vorkam, schlug ich nieder, es wäre gleich
-Tatar oder Reuße gewesen. Und die, so vom Zar auf mich bestellet waren,
-drangen mir so fleißig nach, daß ich allezeit einen sichern Rücken
-behielt. Die Luft flog voller Pfeile, als wann Immen geschwärmt hätten,
-wovon mir dann einer in Arm zu teil wird. Eh ich den Pfeil auffing,
-lachte mein Herz in meinem Leib an solcher Blutvergießung, da ich aber
-meine eigen Blut fließen sahe, verkehrete sich das Lachen in unsinnige
-Wut. Demnach sich aber diese grimmigen Feinde in eine hauptsächliche
-Flucht wandten, ward mir von etlichen Knesen im Namen des Zaren
-befohlen, ihrem Kaiser die Botschaft zu bringen, ich hatte hundert
-Pferde zur Nachfolge. Da ritt ich durch die Stadt der zarischen Wohnung
-zu und ward von allen Menschen mit Frohlocken und Glückwünschung
-empfangen. Sobald ich aber von dem Treffen Bericht erstattet, mußte ich
-meine festlichen Kleider wieder ablegen, welche wiederum in des Zaren
-Kleiderbehaltnus aufgehoben wurden, wiewohl sie samt dem Pferdgezeug
-über und über mit Blut besprengt und besudelt waren und also fast gar
-zunicht gemachet waren. Sie sollten mir zum wenigsten samt dem Pferd
-als Ehrengabe überlassen worden sein.
-
-Solang meine Wunde zu heilen hatte, ward ich allerdings fürstlich
-traktieret. Ich ging in einem Schlafpelz von göldenem Stück mit Zobel
-gefüttert, wiewohl der Schade weder tötlich noch gefährlich war, und
-ich habe die Tage meines Lebens niemals keiner solchen fetten Küchen
-genossen als eben damals. Solches aber war alle meine Beute, die ich
-von meiner Arbeit hatte, ohn das Lob, so mir der Zar verliehe.
-
-Als ich gänzlich heil war, ward ich mit einem Schiff die Wolga hinunter
-nach Astrachan geschickt, daselbsten wie in Moskau eine Pulvermacherei
-anzuordnen, weil dem Zar unmöglich war, diese Grenzfestungen allezeit
-von Moskau aus mit frischem und gerechtem Pulver zu versehen. Ich ließ
-mich gern gebrauchen, weil ich Promessen hatte, der Zar würde mich nach
-Verrichtung solchen Geschäftes wiederum in Holland fertigen und mir,
-meinen Verdiensten gemäß, ein namhaftes Stück Geld mitgeben.
-
-Als ich aber im besten Tun war und mich außerhalb der Festung über
-Nacht in einer Pulvermühle befand, ward ich von einer Schar Tataren
-diebischenweise gestohlen und aufgehoben, weit ins Land hinein
-verschleppt und endlich um etliche chinesisch Kaufmannswaren den
-niuchischen Tataren vertauscht, welche mich nachher dem König von
-Korea als ein sonderbares Präsent verehreten. Daselbst ward ich wert
-gehalten, und weil ich dem König lehrete, wie er mit dem Rohr, auf
-der Achsel liegend und mit dem Rücken gegen die Scheibe gekehrt,
-dannoch ins Schwarze treffen könnte, schenkte er mir die Freiheit und
-fertigte mich durch ~Japonia~ nach ~Makao~ zu den Portugesen. Etlich
-Kaufleute nahmen mich mit ihren Waren nach Alexandria in Egypten, und
-von dort kam ich nach Konstantinopel. Weil aber der türkische Kaiser
-eben damalen etliche Galeeren wider die Venediger ausrüstete, mußten
-viel türkische Kaufleute ihre christlichen Sklaven um bare Bezahlung
-hergeben, worunter ich mich dann als ein junger, starker Kerl auch
-befand. Also mußte ich lernen rudern. Aber solche schwere Dienstbarkeit
-währete nicht über zween Monat, dann unsere Galeere ward in ~Levante~
-von denen Venetianern ritterlich übermannet und ich aus der türkischen
-Gewalt erlediget.
-
-Ich bekam leichtlich einen Paß, weil ich nach Rom und Loretto
-pilgerweis wollte, um Gott vor meine Erledigung zu danken.
-
-Von dannen kam ich über den Gotthart durchs Schweizerland wieder auf
-den Schwarzwald zu meinem Knän, welcher meinen Hof treu bewahret. Ich
-brachte nichts besonders heim als einen Bart, der mir in der Fremde
-gewachsen war.
-
-Indessen war der deutsche Friede geschlossen worden, also daß ich bei
-meinem Knän in sicherer Ruh leben konnte. Ich ließ ihn sorgen und
-hausen und satzte mich hinter die Bücher, welches dann beides: meine
-Arbeit und Ergetzung war.
-
-
-
-
-Das elfte Kapitel
-
-
-Ich lase einsmals, was das Orakel den römischen Abgesandten, als sie es
-fragten, was sie tun müßten, damit ihre Untertanen friedlich regiert
-würden, zur Antwort gabe: »~Nosce te ipsum~«, das ist: Es soll sich
-jeder selbst erkennen. Solches machte, daß ich mich hintersann und
-Rechnung über mein geführtes Leben begehrete. Da sagte ich alsdann zu
-mir selbst:
-
-Dein Leben ist kein Leben gewesen sondern ein Tod, deine Tage ein
-schwerer Schatten, deine Jahre ein schwerer Traum, deine Wollüste
-schwere Sünden, deine Jugend eine Phantasei, deine Wohlfahrt ein
-Alchimistenschatz, der zum Schornstein hinausfähret und dich verläßt,
-eh du dich dessen versiehst. Du hast im Krieg viel Glück und Unglück
-eingenommen, bist bald hoch, bald nieder, bald groß, bald klein, bald
-reich, bald arm, bald fröhlich, bald betrübt, beliebt und verhaßt,
-geehrt und veracht gewesen -- aber nun du, meine arme Seele, was hast
-du von dieser ganzen Reise zuwege gebracht?
-
-Arm bin ich an Gut, mein Herz ist beschwert mit Sorgen, zu allem
-Guten bin ich faul, träg und verderbt. Mein Gewissen ist ängstlich
-und beladen, ich bin mit Sünden überhäuft und abscheulich besudelt.
-Der Leib ist müde, der Verstand verwirrt, die Unschuld ist hin, meine
-beste Jugend verschlissen, die edle Zeit verloren. Nichts ist, das mich
-erfreuet, ich bin mir selber feind.
-
-Mit solchen Gedanken quälte ich mich täglich und eben damals kamen mir
-etliche Schriften des Antonio de Guevara unter die Hände, davon ich
-etwas zum Beschluß hierher setze, weil sie kräftig waren, mir die Welt
-vollends zu verleiten.
-
-Diese lauten also:
-
-~Adieu~ Welt, dann auf dich ist nicht zu trauen. In deinem Haus ist
-das Vergangene schon verschwunden, das Gegenwärtige verschwindet uns
-unter den Händen, das Zukünftige hat nie angefangen, also daß du ein
-Toter bist unter den Toten und in hundert Jahren läßt du uns nicht eine
-Stunde leben.
-
-~Adieu~ Welt, dann du nimmst uns gefangen und läßt uns nicht wieder
-ledig, du bindest uns und lösest uns nicht wieder auf, du tötest ohne
-Urteil, begräbst ohne Sterben. Bei dir ist keine Freude ohne Kummer,
-kein Fried ohn Uneinigkeit, keine Ruhe ohne Forcht, keine Fülle ohne
-Mängel, keine Ehre ohne Makel, kein Gut ohne bös Gewissen, keine
-Freundschaft ohne Falschheit.
-
-~Adieu~ Welt, dann in deinem Palast dienet man ohn Entgelt, man
-liebkoset, um zu töten, man erhöhet, um zu stürzen, man hilft, um zu
-fällen, man ehrt, um zu schänden, man straft ohn Verzeihen.
-
-Behüt dich Gott, Welt, dann in deinem Haus werden die großen Herren
-und Favoriten gestürzet, die Unwürdigen herfürgezogen, Verräter mit
-Gnaden angesehen, Getreue in Winkel gestellet, Unschuldige verurteilet,
-den Weisen und Qualifizierten gibt man Urlaub, den Ungeschickten große
-Besoldung, den Hinterlistigen wird geglaubet, und Aufrichtige und
-Redliche haben keinen Kredit. Ein jeder tut, was er will, und keiner,
-was er soll.
-
-~Adieu~ Welt, dann in dir wird niemand mit seinem rechten Namen
-genennet, den Vermessenen nennt man kühn, den Verzagten fürsichtig,
-den Ungestümen emsig, den Nachlässigen friedsam, ein Verschwender wird
-herrlich genannt, ein Karger eingezogen. Einen hinterlistigen Schwätzer
-und Plauderer nennet man beredt, den Stillen einen Narren oder
-Phantasten, einen Ehebrecher und Jungfrauenschänder nennt man einen
-Buhler, einen Unflat nennt man Hofmann, einen Rachgierigen eifrig,
-einen Sanftmütigen einen Phantasten.
-
-~Adieu~ Welt, dann du verführest jedermann: den Ehrgeizigen verheißest
-du Ehre, dem Unruhigen Veränderung, dem Hochtragenden Fürstengnade, dem
-Nachlässigen Ämter, Fressern und Unkeuschen Freude und Wollust, Feinden
-Rache, Dieben Heimlichkeit.
-
-~Adieu~ Welt, dann in deinem Palast findet weder Wahrheit noch Treue
-Herberge! Wer mit dir redet, wird verschamt, wer dir trauet, betrogen,
-wer dir folget, verführt. Du betreugst, stürzest, schändest, besudelst,
-drohest, vergissest jedermann; dannenhero weinet, seufzet, jammert,
-klaget und verderbt jedermann und jedermann nimmt ein Ende. Bei dir
-siehet und lernet man nichts, als einander hassen bis zum Würgen, reden
-bis zum Lügen, lieben bis zum Verzweifeln, handeln bis zum Stehlen,
-bitten bis zum Betrügen, sündigen bis zum Sterben.
-
-Behüt dich Gott, Welt, dann dieweil man dir nachgehet verzehret man
-die Zeit in Vergessenheit, die Jugend mit Rennen, Laufen, Spielen,
-die Mannheit mit Pflanzen und Bauen, Sorgen und Klagen, Kaufen und
-Verkaufen, Zanken, Hadern, Kriegen, Lügen und Betrügen, das Alter in
-Jammer und Elend, ~in summa~ nichts als Mühe und Arbeit bis in den Tod.
-
-~Adieu~ Welt, dann niemand ist mit dir content oder zufrieden. Ist er
-arm, so will er haben, ist er reich, so will er gelten, ist er veracht,
-so will er hoch steigen, ist er beleidigt, so will er sich rächen, ist
-er in Gnaden, so will er viel gebieten, ist er lasterhaftig, so will er
-nur bei gutem Mut sein.
-
-~Adieu~ Welt, dann bei dir ist nichts beständig. Die hohen Türme werden
-vom Blitz erschlagen, die Mühlen vom Wasser hinweggeführet, das Holz
-wird von Würmern, das Korn von Mäusen, die Frucht von Raupen, die
-Kleider von Schaben gefressen. Das Viehe verdirbt vor Alter, der Mensch
-vor Krankheit.
-
-O Welt, behüt dich Gott, dann in deinem Haus führet man weder ein
-heilig Leben noch einen gleichmäßigen Tod, der eine stirbt in der
-Wiege, der ander in der Jugend auf dem Bette, der dritt am Strick, der
-viert am Schwert, der fünft am Rad, der sechst auf dem Scheiterhaufen,
-der siebend im Weinglas, der acht in Freßhafen, der neunt verworgt am
-Gift, der zehnt durch Zauberei, der elft stirbt in der Schlacht, der
-zwölft ertränkt seine arme Seel im Tintenfaß.
-
-Behüt dich Gott, Welt, dann mich verdreußt deine ~Conversation~!
-Das Leben, das du uns gibst, ist eine elende Pilgerfahrt, ein
-unbeständiges, ungewisses, hartes, rauhes, hinflüchtiges und unreines
-Leben voll Armseligkeit und Irrtum. Du lässest dich der Bitterkeit
-des Todes, mit deren du umgeben und durchsalzen bist, nicht genügen,
-sondern betreugst noch darzu die meisten mit deinem Schmeicheln. Du
-gibst aus dem goldenen Kelch Lüge und Falschheit zu trinken und machest
-blind, taub, toll, voll und sinnlos. Du machst aus uns einen finsteren
-Abgrund, ein elendes Erdreich, ein Kind des Zorns, ein stinkend Aas,
-ein unreines Geschirr in der Mistgrube voller Gestank und Greuel.
-Darum, o Welt, behüt dich Gott!
-
-~Adieu~, o Welt, o schnöde, arge Welt! Anstatt deiner Freuden und
-Wollüste werden die bösen Geister an die unbußfertigen, verdammten
-Seelen Hand anlegen und sie in einem Augenblick in den Abgrund der
-Hölle reißen. Alsdann ist alle Hoffnung der Gnade und Milderung aus!
-Und je mehr einer sich bei dir, o arge, schnöde Welt, hat herrlich
-gemachet, je mehr schenket man ihm Qual und Leiden ein, dann so
-erforderts die göttliche Gerechtigkeit! Alsdann wird die arme Seele
-ächzen: Verflucht seist du, Welt, weil ich durch dein Anstiften Gottes
-und meiner selbst vergessen! Verflucht sei die Stunde, in deren Schoß
-mich Gott erschuf! Verflucht der Tag, darin ich geboren bin! O ihr
-Berge, Hügel und Felsen, fallet auf mich und verberget mich vor dem
-grimmigen Zorn des Lamms, vor dem Angesicht dessen, der auf dem Stuhl
-sitzet! Ach Wehe und aber Wehe in Ewigkeit!
-
-O Welt, du unreine Welt, derhalben beschwöre ich dich, ich bitte, ich
-versuche, ich ermahne dich und protestiere wider dich, du wollest
-keinen Teil mehr an mir haben!
-
-Ich habe das Ende gesetzt der Sorge. Lebet wohl, Hoffnung und Glück!
-
- * * * * *
-
-Diese Worte erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken. Endlich
-verließ ich die Welt und wurde wieder Einsiedel. Ich hätte gern bei
-meinem Sauerbrunn im Muckenloch gewohnet, aber die Bauren in der
-Nachbarschaft wollten es nicht leiden. Sie besorgten, ich würde den
-Brunn verraten.
-
-Ich begab mich deshalb in eine andere Wildnus und fing mein spessarter
-Leben wieder an.
-
-Gott verleihe uns allen seine Gnade, das wir allesamt das von ihm
-erlangen, woran uns am meisten gelegen: nämlich ein seliges
-
- _Ende_!
-
-
-
-
- Dieses Buch wurde als zweiter Band der Jahresreihe 1919/1920 für
- den Volksverband der Bücherfreunde hergestellt. Herausgegeben
- von E. G. Kolbenheyer. Gedruckt wurde der Band von der Druckerei
- Poeschel & Trepte, Leipzig, in der altschwabacher Drucktype. Der
- Entwurf zum Einband, der vom Kunstmaler Willy Belling stammt,
- wurde in der Spamer'schen Buchdruckerei, Leipzig, in Offsetdruck
- hergestellt.
-
- Ausschließlich für die Mitglieder des Volksverbands der
- Bücherfreunde.
-
-
- +--------------------------------------------------------------+
- | Anmerkungen zur Transkription |
- | |
- | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen |
- | gebräuchlich waren, wie: |
- | |
- | abgefäumt -- abgefeumt |
- | accomodiert -- accommodiert |
- | accordieren -- akkordieren |
- | Affection -- Affektion |
- | Bauersmann -- Baursmann |
- | Belägerung -- Belagerung |
- | blies -- bließ |
- | Böck -- Böcke |
- | bößen -- bösen |
- | Cavalcada -- Cavalcade |
- | dabei -- darbei |
- | dagegen -- dargegen |
- | darauf -- drauf |
- | discurierte -- diskurierte -- diskutierte |
- | Doctor -- Doktor |
- | dorfte -- dörfte |
- | Ehestand -- Ehstand |
- | eigene -- eigne |
- | Erlaubnis -- Erlaubnus |
- | Eskadron -- Esquadronen |
- | Faßnacht -- Fastnacht |
- | Feldwaibel -- Feldweibel |
- | Fußstapfen -- Fußtapfen |
- | Gansstall -- Gänsstall |
- | Gebärden -- Geberden |
- | Gedächtnis -- Gedächtnus |
- | Gefängnis -- Gefängnus |
- | gräulich -- greulich |
- | Hellebarden -- Hellebarten |
- | hie- -- hier- |
- | hiesigen -- hießigen |
- | irgendswo -- irgendwo |
- | ist's -- ists |
- | Kapitain -- Kapitän |
- | Lucifer -- Luzifer |
- | Mauer -- Maur |
- | Obrist-Leutenant -- Obrist-Leutnant |
- | öffentliche -- offentliche |
- | Paradeis -- Paradies |
- | perfecter -- perfekter |
- | Phantasei -- Phantasie |
- | Präceptor -- Praeceptor |
- | prakticiert -- praktiziert |
- | Rauberei -- Räuberei |
- | Ruben -- Rüben |
- | Sattel-Zeug -- Sattelzeug |
- | schrieen -- schrien |
- | Schultz -- Schulz |
- | Schwäher -- Schweher -- Schwehr |
- | seind -- sind |
- | stack -- stak |
- | Stiegelhüpfer -- Stieglhupfer |
- | Taback -- Tabak -- Tobak |
- | ungeheuere -- ungeheure |
- | unmöglich -- unmüglich |
- | unseren -- unsern |
- | unverholen -- unverhohlen |
- | verträulich -- vertraulich -- vertreulich |
- | Vorteil -- Vortel |
- | Wammesklopfer -- Wamsklopfer |
- | zehen -- zehn |
- | zuforderst -- zuvorderst |
- | zwanzig -- zwenzig |
- | |
- | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. |
- | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: |
- | |
- | S. 4 »Erdboten« in »Erdboden« geändert. |
- | S. 11 »Geis« in »Geiß« geändert. |
- | S. 14 »vohin« in »wohin« geändert. |
- | S. 18 »bedunkte« in »bedünkte« geändert. |
- | S. 24 »Parrherrn« in »Pfarrherrn« geändert. |
- | S. 29 »Officierer« in »Offizierer« geändert. |
- | S. 31 »müßen« in »müssen« geändert. |
- | S. 39 »Corps de Guarde« in »Corps de Garde« geändert. |
- | S. 45 »abgegeangen« in »abgegangen« geändert. |
- | S. 46 »Mannsfelder« in »Mansfelder« geändert. |
- | S. 47 »wollinen« in »wollenen« geändert. |
- | S. 59 »Einsiedl« in »Einsiedel« geändert. |
- | S. 59 »solichs« in »solches« geändert. |
- | S. 63 »sattgessen« in »sattgegessen« geändert. |
- | S. 67 »Bulerei« in »Buhlerei« geändert. |
- | S. 76 »mollte« in »wollte« geändert. |
- | S. 77 »Unsachen« in »Ursachen« geändert. |
- | S. 79 »erschüge« in »erschlüge« geändert. |
- | S. 97 »Immagination« in »Imagination« geändert. |
- | S. 98 »Nabochodonosor« in »Nabuchodonosor« geändert. |
- | S. 103 »Orfeigen« in »Ohrfeigen« geändert. |
- | S. 108 »forchterlich« in »förchterlich« geändert. |
- | S. 111 »hamburger und zerbster Bier« in |
- | »Hamburger und Zerbster Bier« geändert. |
- | S. 114 »aus Befehl« in »auf Befehl« geändert. |
- | S. 123 »war beliebt« in »was beliebt« geändert. |
- | S. 131 »Kurasche« in »Courage« geändert. |
- | S. 137 »allerfeulste« in »allerfäulste« geändert. |
- | S. 137 »salvaguadiert« in »salvaguardiert« geändert. |
- | S. 140 »Goesfeld« in »Coesfeld« geändert. |
- | S. 142 »Reckinghusen« in »Recklinghausen« geändert. |
- | S. 146 »Geisbock« in »Geißbock« geändert. |
- | S. 147 »Wohlerwürden« in »Wohlehrwürden« geändert. |
- | S. 155 »was du wilt« in »was du willst« geändert. |
- | S. 171 »Reckinghausen« in »Recklinghausen« geändert. |
- | S. 173 »dahingenen« in »dahingegen« geändert. |
- | S. 175 »wider« in »wieder« geändert. |
- | S. 181 »gnug« in »genug« geändert. |
- | S. 197 »Narre« in »Narren« geändert. |
- | S. 204 »selbt« in »selbst« geändert. |
- | S. 204 »gemanglet« in »gemangelt« geändert. |
- | S. 211 »Krobaten« in »Kroaten« geändert. |
- | S. 215 »Schaz« in »Schatz« geändert. |
- | S. 218 »Copei« in »Copie« geändert. |
- | S. 218 »Halb« in »halb« geändert. |
- | S. 228 »instruieret« in »instruierte« geändert. |
- | S. 237 »Latern« in »Laterne« geändert. |
- | S. 243 »verstrochene« in »versprochene« geändert. |
- | S. 247 »machtst« in »machst« geändert. |
- | S. 253 »krigte« in »kriegte« geändert. |
- | S. 254 »Welicher« in »Welcher« geändert. |
- | S. 258 »muße« in »mußte« geändert. |
- | S. 285 »gesannte« in »gespannte« geändert. |
- | S. 286 »wachet« in »machet« geändert. |
- | S. 292 »Tot« in »Tod« geändert. |
- | S. 298 »Spectakul« in »Spektakul« geändert. |
- | S. 299 »wiederteuferisch« in »wiedertäuferisch« geändert. |
- | S. 302 »Begegnussen« in »Begegnüssen« geändert. |
- | S. 305 »verdrebt« in »verderbt« geändert. |
- | S. 313 »stürtzete« in »stürzete« geändert. |
- | S. 316 »bezahte« in »bezahlte« geändert. |
- | S. 328 »Weißel« in »Weisel« geändert. |
- | S. 331 »Samogeten« in »Samojeden« geändert. |
- | S. 336 »kommen« in »komme« geändert. |
- | S. 341 »jetz« in »jetzt« geändert. |
- | S. 345 »uns« in »und« geändert. |
- | S. 351 »ihn« in »ihm« geändert. |
- | S. 352 »Stelitzen« in »Strelitzen« geändert. |
- | S. 354 »Wisseuschaften« in »Wissenschaften« geändert. |
- | |
- +--------------------------------------------------------------+
-
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-
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-
-End of the Project Gutenberg EBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by
-Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS ***
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-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
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-To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
-and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
-
-
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
-Foundation
-
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
-http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
-permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
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-The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
-Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
-throughout numerous locations. Its business office is located at
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-business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
-information can be found at the Foundation's web site and official
-page at http://pglaf.org
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- Dr. Gregory B. Newby
- Chief Executive and Director
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-Literary Archive Foundation
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-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by
-Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
-almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
-re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
-with this eBook or online at www.gutenberg.org/license
-
-
-Title: Der abenteuerliche Simplicissimus
-
-Author: Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen
-
-Editor: Eugen Guido Kolbenheyer
-
-Release Date: July 22, 2017 [EBook #55171]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS ***
-
-
-
-
-Produced by Peter Becker and the Online Distributed
-Proofreading Team at http://www.pgdp.net
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-
-
-<p class="center big18">Hans Jakob Christoffel von
-Grimmelshausen</p>
-
-<div class="figcenter" style="width: 100px;">
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-</div>
-
-
-<h1>Der
-abenteuerliche
-Simplicissimus</h1>
-
-<p class="center big16">Das ist Beschreibung des Lebens
-eines seltsamen Vaganten</p>
-
-<div class="figcenter" style="width: 200px;">
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-
-<p class="center">In unwesentlicher Kürzung
-herausgegeben von</p>
-
-<p class="center big14">E. G. Kolbenheyer</p>
-
-<div class="figcenter" style="width: 100px;">
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-</div>
-
-<p class="center big14">Volksverband der Bücherfreunde<br />
-Wegweiser-Verlag G. m. b. H. Berlin<br />
-1920
-</p>
-
-<p class="pagebreak"></p>
-
-
-<blockquote>
-
-<p>Der abenteuerliche Simplicissimus erschien 1669 in zweiter
-Auflage, die erste ging verloren. Der Volksverband der
-Bücherfreunde bringt durch seine Neuausgabe, die 1919
-veranstaltet wurde, in Erinnerung, daß sich das Erscheinen
-des für die deutsche Literatur- und Sittengeschichte
-so bedeutungsvollen Kulturromans
-zum 250. Male jährt.</p></blockquote>
-
-<p class="pagebreak"></p>
-
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Steig auf aus deinem Grab, du blanker Sittenrichter,<br /></span>
-<span class="i0">Und siehe, wie das Rad sich abermals gewandt.<br /></span>
-<span class="i0">Du, deutscher Sterbensnot und Mühsal herber Dichter,<br /></span>
-<span class="i0">Durchstreife kundgen Augs dein wundes Vaterland.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Und findest du nicht Dorf und Stadt in Trümmern rauchen,<br /></span>
-<span class="i0">Weil endlich die Gewalt sich selber ausgebrannt,<br /></span>
-<span class="i0">So wird dein Blick doch in des Volkes Herzen tauchen,<br /></span>
-<span class="i0">Und, ach, du findest viel im alten, irren Stand.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Wirst du nicht neu dein bittres Klagelied erheben,<br /></span>
-<span class="i0">Dem Trümmerhauf entfliehn im härnen Bußgewand?<br /></span>
-<span class="i0">O schnöde, arge Welt! O, du vergeudet Leben!<br /></span>
-<span class="i0">Du hoffartstrunknes Herz, wie liegst du tief im Sand! &mdash;<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Ein Vierteltausend-Jahr spannt seinen bunten Bogen<br /></span>
-<span class="i0">Von dir zu uns, und alles Einzelglück und -leid<br /></span>
-<span class="i0">Verschwebt, weil unsres Volkes welterschütternd Wogen<br /></span>
-<span class="i0">Erschwoll und sank zu Tal im Taumel der Gezeit.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Des Gottes schwere Hand lag auch auf deinen Tagen:<br /></span>
-<span class="i0">Deutschland zutiefst in Not, verblutet und vertan!<br /></span>
-<span class="i0">Aus eigner Kraft ermannt und himmelhoch getragen,<br /></span>
-<span class="i0">Rang es empor und fiel in doppeltharter Bahn.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Uns fruchtet kein Gewinn auf glatten Maklerwegen,<br /></span>
-<span class="i0">Jung stürmt das herbe Blut und muß im Schmerz erblühn.<br /></span>
-<span class="i0">So aber wächst und reift in uns ein Weltensegen<br /></span>
-<span class="i0">Und wird in reinerm Licht erglühen, wird erglühn!<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Nun schüttle ab, Simplicius, die Schweigenshülle,<br /></span>
-<span class="i0">Zeig' deiner fernen Zeiten nahverwandte Fülle!<br /></span>
-</div></div>
-
-
-
-<hr class="chap" />
-
-<h2><a name="Das_erste_Buch" id="Das_erste_Buch">Das erste Buch</a></h2>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_erste_Kapitel" id="Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3>
-
-
-<div class="nopagebreak">
- <img class="drop-cap" src="images/i003_cap.png" width="150" height="154" alt="" />
-</div>
-
-<p class="drop-cap">Diese unsere Zeit, von der man meint, sie
-sei der Welt Ende, hat all- und jedermann
-mit einer sonderbaren Sucht
-geschlagen. Wer nur soviel zusammengeraspelt
-und erschachert hat, daß ihm
-etliche Heller im Beutel kützeln, muß
-sich im Narrenkleid auf die neue Mode tragen, und wen
-ein Glücksfall als mannhaft und ehrlich erwiesen, der
-glaubt rittermäßig, gleich einer Adelsperson aufziehen
-zu müssen.</p>
-
-<p>Solchem Narrenvolk mag ich mich nicht gleichstellen,
-obzwar meine Abkunft und Auferziehung sich mit der
-eines Fürsten wohl vergleichen läßt. Etliche Unterschiede
-sollen billig vor gering angeschlagen sein.</p>
-
-<p>Mein Knän (dann also nennet man die Väter im
-Spessart) hatte seinen Palast sowohl als ein anderer,
-ja, kein König vermöchte ihn mit eigenen Händen besser
-zu bauen. Der war mit Lehm gemalet und anstatt des unfruchtbaren
-Schiefers, kalten Bleies und roten Kupfers
-mit Stroh bedeckt, darauf das edel Getreid wächst. Des
-Schlosses Mauern ließ mein Knän nicht mit gemeinem
-Feldstein und liederlich gebackenen Ziegeln aufbauen, sondern
-aus festem, hundertjährigem Eichenholz, auf dem
-&mdash; so man der Eichelmast gedenkt &mdash; Bratwürst und
-fette Schunken wachsen. Wo ist ein Monarch, der ihm
-dergleichen nachtut! Zimmer, Säl und Gemächer hatte
-er vom Rauch ganz erschwarzen lassen, nur weil das
-die beständigste Farbe der Welt ist und solche Tünche
-auch mehr Zeit braucht, als ein Maler zu seinen trefflichsten
-Kunststücken erheischet. Die Tapezereien bestunden<span class="pagenum"><a name="Seite_p004" id="Seite_p004">[S. 4]</a></span>
-in dem zärtesten Gewebe, das auf dem Erdboden
-gesponnen wird, unzählig kleine Weberinnen hatten sie
-mit ihren zierlichen Beinen gewirkt. Dem Sankt Nit-Glas
-waren die Fenster geweiht, und edler als das beste
-und durchsichtigste Glas von Murano verhüllete sie
-Leinwand, an der des Baurn und der Weiber redliche
-Mühsal hängt. Seinem Adel nach beliebet es meinem
-Knän zu glauben, daß alles was durch viel Müh zuweg
-gebracht würde, auch schätzbar und desto köstlicher
-sei, was aber köstlich, das wäre dem Adel am anständigsten.
-Pagen, Lakaien und Stallknecht stellten Schaf,
-Böck und Säu und jedes ging fein ordentlich in seiner
-natürlichen Livrei. Sie warteten mir täglich auf, bis
-ich sie von der Weid heimtrieb. Rüst- und Harnischkammer
-war mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen,
-Schaufeln, Mist- und Heugabeln genugsam versehen
-und mein Vater übte sich täglich in den Waffen. Ochsenanspannen
-war sein hauptmannschaftliches Kommando,
-Mistausführen sein Fortifikationswesen, Ackern sein Feldzug,
-Stallausmisten seine adelige Kurzweil und sein
-Turnierspiel. Damit rannte er die ganze Weltkugel, soweit
-er immer reichen konnte, an und jagte ihr zu allen
-Erntezeiten eine gute Beute ab. Dieses alles setze ich
-hintan und überhebe mich dessen gar nicht, damit niemand
-Ursache habe, mich mit den andern neuen Nobilisten
-auszulachen. Um geliebter Kürze willen aber
-dozier ich vor diesmal nichts Ausführliches von meines
-Vaters Geschlecht, Stamm und Namen. Meines Knäns
-Schloß stand an einem sehr lustigen Ort im Spessart
-erbaut, allwo die Wölfe einander gute Nacht geben.</p>
-
-<p>Und rittermäßig wie das ganze Hauswesen war meine
-Auferziehung. Mit zehn Lebensjahren hatte ich die
-Prinzipien in obgemeldeten adeligen Übungen vollauf begriffen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p005" id="Seite_p005">[S. 5]</a></span>
-Mein Knän war vielleicht eines viel zu hohen
-Geistes und folgte dahero dem gewöhnlichen Brauch,
-darnach, wer vornehm ist, sich billig um Schulpossen
-nicht viel bekümmert, weil er seine Leute hat, die derlei
-Plackschmeißerei abwarten. Ich konnte nicht über
-fünf zählen, solches aber gar wohl. Sonst war ich ein
-trefflicher Musikus auf der Sackpfeifen. Und was Gottesgelahrtheit
-anlangt, glich keiner mir in der ganzen Christenwelt:
-ich kannte weder Gott noch Menschen, weder
-Himmel noch Hölle, nicht Engel noch Teufel, wußte
-nichts von Gutem und Bösem, wie unsere ersten Eltern
-im Paradies, die in ihrer Unschuld nichts von Krankheit,
-Tod und Sterben, desto weniger von der Auferstehung
-gewußt haben. Also auch ich. Und gleichermaßen
-war ich wohlbewandert in Medizin, Juristerei
-und sonst den Künsten und Wissenschaften allen. Ich
-war vollkommen, dann mir war unmüglich zu wissen,
-daß ich so gar nichts wußte. O wahrhaft edeles Leben!</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p006" id="Seite_p006">[S. 6]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_ander_Kapitel" id="Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Sonach begabete mich mein Knän mit der herrlichsten
-Würde nicht allein seiner Hofhaltung, sondern der
-ganzen Welt: mit dem Hirtenamt. Ich mußte die Säu,
-Ziegen und seine ganze Schafherde hüten, weiden und vermittels
-meiner Sackpfeifen vor dem Wolf beschützen.
-Damals glich ich wohl dem David, nur hatte ich an
-seiner Harfen Statt den Dudelsack. Kein schlimmer Anfang
-und ein gutes Omen! Von der Welt Anbeginn
-seind jeweils hohe Personen Hirten gewesen, wie wir
-von Abel, Abraham, Isaak, Jakob und seinen Söhnen
-und Moise selbst in der hl. Schrift lesen, da er zuvor
-seines Schwähers Schafe hüten mußte, eh er Heerführer
-und Gesetzgeber von ganz Israel ward. Ja,
-möchte mir jemand vorwerfen, das waren Heilige und
-keine spessarter Baurenbuben, die von Gott nichts
-wußten. Dawider muß ich gestehen: Was hat meine
-damalige Unschuld dessen zu entgelten? Also aber redet
-<span class="antiqua">Philo</span> der Jud in seiner Lebensbeschreibung Moisis
-vortrefflich: Das Hirtenamt ist Vorbereitung und Anfang
-zum Regiment, gleichwie Kriegskünst und Waffenhandwerk
-auf der Jagd geübt und angeführt werden. &mdash;
-Solches alles muß mein Knän wohl verstanden haben
-und hat mir also keine geringe Hoffnung zu künftiger
-Herrlichkeit gemacht.</p>
-
-<p>Allein ich kannte den Wolf ebensowenig als meine
-eigene Unwissenheit, derowegen war mein Vater in
-seiner Instruktion desto fleißiger:</p>
-
-<p>»Bub, bis flissig! Los die Schof nit ze wit umanander
-laffen! Un spill wacker uff der Sackpfiffa, daß der Wolf
-nit komm und Schada dau! Dann he is a solcher veirboinigter<span class="pagenum"><a name="Seite_p007" id="Seite_p007">[S. 7]</a></span>
-Schelm und Dieb, der Menscha und Vieha
-frißt. Un wann dau awer fahrlässi bist, so will eich
-dir da Buckel arauma!«</p>
-
-<p>Ich antwortete mit gleicher Holdseligkeit: »Knäno,
-sag mir aa, wei der Wolf seihet? Eich huun noch kan
-Wolf gesien.«</p>
-
-<p>»Ah, dau grober Eselkopp,« repliziert er hinwider,
-»dau bleiwest dein Lewelang a Narr! Gait meich Wunner,
-was aus dir wera wird. Bist schun su a grusser Dölpel
-und weist noch neit, was der Wolf für a veirfeussiger
-Schelm is!«</p>
-
-<p>Er gab mir noch mehr Unterweisungen und ward
-zuletzt unwillig, maßen er mit einem Gebrümmel fortging,
-weil er sich bedünken ließ, mein grober Verstand
-könnte seine subtilen Unterweisungen nicht fassen.</p>
-
-<p>Da fing ich an mit der Sackpfeife so gut Geschirr
-zu machen, daß man den Kroten im Krautgarten mit
-meinen Schalmeien hätte vergeben mögen. Daneben sang
-ich, daß die Mutter oft gesagt, sie besorge, die Hühner
-werden dermaleins von dem Gesang sterben. Demnach
-ich mich vor dem Wolf sicher genug zu sein bedünkte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p008" id="Seite_p008">[S. 8]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_dritte_Kapitel" id="Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Sang also auf ein Zeit ein Lied, das ich von meiner
-Mutter selbst gelernet hatte:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Du sehr verachter Baurenstand<br /></span>
-<span class="i0">Bist doch der beste in dem Land,<br /></span>
-<span class="i0">Kein Mann dich gnugsam preisen kann,<br /></span>
-<span class="i0">Wann er dich nur recht siehet an.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Es ist fast alles unter dir,<br /></span>
-<span class="i0">Ja was die Erde bringt herfür,<br /></span>
-<span class="i0">Wovon ernähret wird das Land,<br /></span>
-<span class="i0">Geht dir anfänglich durch die Hand.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Der Kaiser, den uns Gott gegeben,<br /></span>
-<span class="i0">Uns zu beschützen, muß doch leben<br /></span>
-<span class="i0">Von deiner Hand, auch der Soldat,<br /></span>
-<span class="i0">Der dir doch zufügt manchen Schad.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Die Erde wär ganz wild durchaus,<br /></span>
-<span class="i0">Wann du auf ihr nicht hieltest Haus.<br /></span>
-<span class="i0">Ganz traurig auf der Welt es stünd,<br /></span>
-<span class="i0">Wann man kein Bauersmann mehr fünd.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Vom bitterbößen Podagram<br /></span>
-<span class="i0">Hört man nicht, daß an Bauren kam,<br /></span>
-<span class="i0">Das doch den Adel bringt in Not<br /></span>
-<span class="i0">Und manchen Reichen gar in Tod.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Der Hoffart bist du sehr gefeit,<br /></span>
-<span class="i0">Absonderlich zu dieser Zeit.<br /></span>
-<span class="i0">Und daß sie auch nicht sei dein Herr,<br /></span>
-<span class="i0">So gibt dir Gott des Kreuzes mehr.<br /></span><span class="pagenum"><a name="Seite_p009" id="Seite_p009">[S. 9]</a></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Ja der Soldaten böser Brauch<br /></span>
-<span class="i0">Dient gleichwohl dir zum Besten auch,<br /></span>
-<span class="i0">Daß Hochmut dich nicht nehme ein<br /></span>
-<span class="i0">Sagt er: dein Hab und Gut ist mein.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Bis hieher und nicht weiter kam ich mit meinem
-Gesang, dann ich ward im Augenblick samt meiner
-Schafherde von einem Trupp Reuter umgeben, die im
-Walde verirrt gewesen und durch meine Musik und
-Geschrei waren zurecht gebracht worden.</p>
-
-<p>Hoho, dachte ich, dies seind die rechten Kauz! Die
-vierbeinig Schelmen und Diebe, davon mein Knän sagte!
-Dann ich sahe Roß und Mann vor eine einzige Kreatur
-an und vermeinete nicht anders, als es müßten Wölfe
-sein. Da erdappte mich einer beim Flügel, schleuderte
-mich so ungestüm auf ein leer Baurenpferd, daß ich
-auf der andern Seite wieder herab und auf meine liebe
-Sackpfeife fiel, die so jämmerlich aufschrie, als wollet
-sie aller Welt Erbarmen bewegen. Half nichts, ich mußte
-wieder zu Pferd. Am meisten verdroß mich, daß die
-Reuter vorgaben, ich hätte dem Dudelsack im Fallen
-weh getan, darum er so ketzerlich geschrieen hätte. Meine
-Mähre trabet stetig dahin und mir kams seltsam für,
-daß ich nicht also auch in einen eisernen Kerl verwandlet
-wurde.</p>
-
-<p>Sintemalen keiner von denen Reutern ein Schaf hinwegfraß,
-gedachte ich, sie seien da, mir die Schafe helfen
-heimzutreiben, dann geradewegs eileten sie auf meines
-Knäns Hof zu. Derowegen sahe ich mich fleißig um, ob er
-und meine Mutter uns nicht bald entgegengehen und uns
-willkommenheißen wollten. Aber vergebens, mein Knän
-und die Mutter samt unserm Ursele hatten die Hintertür
-getroffen und wollten dieser Gäste nicht erwarten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p010" id="Seite_p010">[S. 10]</a></span>
-
-Kurz zuvor wußte ich nichts andres, als daß mein
-Knän, die Mutter, ich und das übrige Hausgesind allein
-auf der Erden seien. Nun aber lernte ich meinen Herrgott
-im Himmel kennen. Ich erfuhr gar bald darnach
-die Herkunft der Menschen in diese Welt und daß sie
-wieder heraus müssen.</p>
-
-<p>Ja, ich war nur in Gestalt Mensch, mit Namen ein
-Christenkind, im übrigen eine Bestia. Gott, der allmächtige,
-sahe meine Unschuld mit barmherzigen Augen an
-und wählet aus seinen tausenderlei Wegen diesen, mich
-zu beidem: zu seiner und meiner Erkanntnus zu bringen.</p>
-
-<p>Vorerst stelleten die Reuter ihre Pferde ein, hernach
-hatte jeglicher seine sonderliche Verrichtung, und jede
-war lauter Untergang und Verderben. Dann obzwar
-etliche anfingen zu metzgen, zu sieden und zu braten,
-als sollte ein lustig Bankett gehalten werden, so waren
-hingegen andere, die durchstürmten das Haus unten und
-oben, ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam
-ob wäre das gölden Fließ darin verborgen. Andere
-packten Tuch, Kleidung und Hausrat zusammen, als
-wollten sie einen Krempelmarkt anrichten. Was sie aber
-nicht mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen. Etliche
-durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, andere
-schütteten die Federn aus den Bettzüchen und füllten
-hingegen Speck, Fleisch und sonstiges Gerät hinein, als
-seie alsdann besser darauf zu schlafen. Sie schlugen
-Öfen und Fensterläden ein, gleich als hätten sie einen
-ewigen Sommer zu verkünden. Kupfer- und Zinngeschirr
-stampften sie zusammen und packten die gebogenen und
-verderbten Stücke. Bettladen, Tische, Stühle und Bänke
-verbrannten sie, da doch viel Klafter dürr Holz im Hof
-lag. Häfen und Schüsseln mußten entzwei. Unsere Magd
-ward im Stall dermaßen traktiert, daß sie nicht mehr<span class="pagenum"><a name="Seite_p011" id="Seite_p011">[S. 11]</a></span>
-daraus gehen konnte. Den Knecht legten sie gebunden
-auf die Erde, steckten ein Sperrholz in sein Maul und
-schütteten ihm einen Melkkübel voll Jauche in Leib.
-Das nannten sie den schwedischen Trunk. Zwangen ihn
-so, etliche von denen Reutern anderwärts zu führen,
-allda sie Menschen und Viehe hinwegnahmen und in
-unsern Hof brachten. Auch mein Knän, meine Mutter
-und unser Ursele waren darunter.</p>
-
-<p>Da schraubten sie die Stein von den Pistolenhähnen
-ab und anstatt deren die Baurendaumen auf, folterten
-die armen Schelme, als wollten sie Hexen brennen,
-maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren in
-Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren,
-unangesehen er noch nichts bekannt hatte. Einem andern
-schlangen sie ein Seil um den Schädel und drehten es
-mit einem Holzbengel zusammen, daß ihm Blut zu
-Mund und Ohren heraussprang. <span class="antiqua">In summa</span>, es hatte
-jeder seine eigene Erfindung die Bauren zu peinigen.</p>
-
-<p>Mein Knän war meinem damaligen Bedünken nach
-der Glücklichste, ohn Zweifel darum, weil er der Hausvater
-war. Sie satzten ihn zu einem Feuer, banden ihn,
-daß er weder Hände noch Füße regen konnte, rieben
-seine Sohlen mit feuchtem Salz, das ihm unser alte
-Geiß wieder ablecken und dadurch also kützlen mußte,
-daß er vor Lachen hätte zerbersten mögen. (Ich hab
-Gesellschaft halber vom Herzen mitgelacht.) In solchem
-Gelächter bekannte er seine Schuldigkeit und öffnete
-seinen verborgenen Schatz, der von Geld, Perlen und
-Kleinodien reicher war, als man hinter dem Bauren
-hätte suchen mögen.</p>
-
-<p>Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern
-vermag ich sonderlich nichts zu sagen, doch weiß ich
-wohl, daß man hin und wieder in den Winkeln erbärmlich<span class="pagenum"><a name="Seite_p012" id="Seite_p012">[S. 12]</a></span>
-schreien hörte. Schätze, es sei der Mutter und dem
-Ursele nicht besser gegangen als den andern.</p>
-
-<p>Unter all dem Elend wandte ich den Braten am Spieß
-und half die Pferde tränken, dadurch ich zu unserer
-Magd in den Stall kam. Die sahe wunderwerklich zerstrobelt
-aus, ich kannte sie kaum und sie sprach zu mir
-mit kränklicher Stimme:</p>
-
-<p>»O Bub, lauf weg, sonst nehmen dich die Reuter
-mit! Guck, daß du davonkommst! Du siehest wohl, wie
-es so übel ...«</p>
-
-<p>Mehres konnte sie nicht sagen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p013" id="Seite_p013">[S. 13]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_vierte_Kapitel" id="Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Wohin aber? Dazu war mein Verstand viel zu gering,
-einen Vorschlag zu tun; doch ist es mir so
-weit gelungen, daß ich gegen Abend in Wald bin entlaufen.
-Wo nun aber weiter hinaus? &mdash; Die stockfinstre Nacht
-bedeuchte meinem finstern Verstand nicht schwarz genug,
-dahero verbarg ich mich in ein dickes Gesträuch. Da
-konnte ich das Geschrei der getrillten Bauren vernehmen.
-Allein ich hörete auch der Nachtigallen lieblichen Gesang,
-unbekümmert um alle Menschennot. Darum so
-legte ich mich auch ohn alle Sorg auf ein Ohr und
-entschlief.</p>
-
-<p>Als der Morgenstern im Osten herfürflackerte, sahe
-ich meines Knäns Haus in voller Flamme stehen, und
-ich schlich näher, jemand vom Hof anzutreffen. Gleich
-ward ich von fünf Reutern erblickt und angeschrieen:</p>
-
-<p>»Jung, kom heröfer oder skall mi de Tüfel halen,
-ich schiete dik, dat di de Dampf tom Hals utgat!«</p>
-
-<p>Ich hielt stockstill, das Maul offen. Sie konnten wegen
-eines Morastes nicht zu mir gelangen, was sie ohn
-Zweifel rechtschaffen vexierte. Lösete einer den Karabiner
-auf mich, von welchem urplötzlichem Feuer und
-unversehenlichem Krach, den mir ein Echo durch vielfältige
-Verdoppelung grausamer machte, ich dermaßen
-erschröckt ward, daß ich alsobald zur Erde niederfiel.
-Ich regete vor Angst keine Ader mehr. Die Reuter
-ritten ihres Wegs und ließen mich ohn Zweifel vor
-tot liegen. So hatte ich jedoch den ganzen Tag das
-Herz nicht, mich aufzurichten.</p>
-
-<p>Als mich aber die Nacht wieder ergriff, stund ich auf
-und wanderte, bis ich im Walde von ferne einen faulen<span class="pagenum"><a name="Seite_p014" id="Seite_p014">[S. 14]</a></span>
-Baum schimmern sahe, kehrete in neuer Forcht derowegen
-spornstreichs um und lief so lang, bis ich wieder
-einen gleichen Baum erblickte, davon ich gleichfalls floh.
-Also trieben mich die gefäuleten Bäum einer zum andern,
-bis mir zuletzt der liebe Tag zu Hilfe kam. Aber
-mein Herz stak voll Angst und Jammer, die Schenkel
-voll Müdigkeit, der Magen knurrte, das Maul lechzete,
-närrische Einbildungen erfüllten mein Hirn und schwerer
-Schlaf meine Augen. Ich ging dannoch fürder, wußte
-aber nicht wohin: je weiter, je tiefer von den Menschen
-hinweg in die Wildnus. Ein unvernünftig Tier hätt
-besser aus und ein gewußt. Doch war ich noch so
-witzig, als mich abermal die Nacht ereilte, daß ich in
-einen hohlen Baum kroch, darin zu schlafen. &mdash;</p>
-
-<p>Kaum war ich aber dargesunken, hörte ich eine Stimme:</p>
-
-<p>»O große Liebe, du mein einziger Trost! Meine Hoffnung,
-du mein Reichtum, o mein Gott!«</p>
-
-<p>Ganz unverständlich wallte die Stimme weiter, vor
-deren Seltsamkeit ich mich entsatzte. Allein es klang
-herfür, daß Hunger und Durst gestillet werden sollten,
-also riet mir mein ohnerträglich Verlangen, mich
-auch zu Gast zu laden; fasset ein Herz und kroch hinzu.
-Da wurde ich eines großen Mannes gewahr, in langen,
-schwarzgrauen Haaren, die ganz verworren auf den
-Achseln lagen. Er hatte einen wilden Bart, sein Angesicht
-war zwar bleich, gelb und mager, aber ziemlich
-lieblich. Der lange Rock starrte von tausend aufeinander
-gesetzten Flicken. Um Hals und Leib trug er eine schwere
-eiserne Kette gebunden wie <span class="antiqua">St. Wilhelmus</span>. Ich fing an
-zu zittern wie ein nasser Hund. Was meine Angst noch
-mehrete, war ein Krucifix an sechs Schuhe lang, so
-er an seine Brust druckte. Ich konnte mich nicht anders
-entsinnen: ohn Zweifel, das war der Wolf!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p015" id="Seite_p015">[S. 15]</a></span>
-
-In solcher Angst wischte ich mit meiner Sackpfeifen
-herfür, ich bließ zu, stimmte an, ließ mich gewaltig
-hören, diesen greulichen Wolf zu vertreiben. Über solch
-gählinger und ungewöhnlicher Musik an einem so wilden
-Ort der Einsiedel anfänglich nicht wenig stutzte, ohn
-Zweifel vermeinend, der Teufel wollte ihn wie <span class="antiqua">St. Antonio</span>
-tribulieren und seine Andacht stören. Ich retirieret in
-den Baum, er aber ging mich an, den Feind des Menschengeschlechts
-genugsam auszuhöhnen:</p>
-
-<p>»Ha, du bist ein Gesell darzu, die Heiligen ohn göttliche
-Verhängnus...«</p>
-
-<p>Ich hab mehrers nit verstanden. Vor Grausen und
-Schröcken sank ich in Ohnmacht nieder.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p016" id="Seite_p016">[S. 16]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_fuenfte_Kapitel" id="Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Was gestalten mir wieder zu mir selbst verholfen
-worden, weiß ich nicht. Als ich mich erholet lag
-mein Kopf in des Alten Schoß und vorn war meine Juppe
-geöffnet. Da ich den Einsiedel so nahe bei mir sahe,
-fing ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir
-das Herz hätte aus dem Leibe reißen wollen. Er aber
-sagte:</p>
-
-<p>»Mein Sohn, schweig, ich tue dir nichts.«</p>
-
-<p>Je mehr er mich aber tröstete und mir liebkoste, je
-mehr ich schrie:</p>
-
-<p>»Du frißt mich! Du frißt mich! Du bist der Wolf
-und willst mich fressen!«</p>
-
-<p>»Eija wohl nein, mein Sohn. Sei zufrieden, ich friß
-dich nicht!«</p>
-
-<p>Dies Gefecht währete lang. Endlich ließ ich mich soweit
-weisen, mit ihm in die Hütte zu gehen. Da war
-Armut Hofmeisterin, Hunger Koch, Mangel Küchenmeister.
-Mein Magen aber ward mit Gemüs und einem
-Trunk Wasser gelabet und mein verwirrt Gemüt durch
-tröstliche Freundlichkeit wieder aufgerichtet. Der Schlaf
-befing mich zusehends und der Einsiedel ließ mir sein
-Lager, obgleich nur einer darin liegen konnte.</p>
-
-<p>Um Mitternacht erwachte ich und hörte den Alten
-singen:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall,<br /></span>
-<span class="i0">Laß deine Stimm mit Freudenschall<br /></span>
-<span class="i0">Aufs lieblichste erklingen.<br /></span>
-<span class="i0">Komm, komm, und lob den Schöpfer dein,<br /></span>
-<span class="i0">Weil andre Vöglein schlafen sein<br /></span>
-<span class="i0">Und nicht mehr mögen singen.<br /></span><span class="pagenum"><a name="Seite_p017" id="Seite_p017">[S. 17]</a></span>
-<span class="i2">Laß dein Stimmlein<br /></span>
-<span class="i2">Laut erschallen, dann vor allen<br /></span>
-<span class="i2">Kannst du loben<br /></span>
-<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben!<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Obschon ist hin der Sonnenschein,<br /></span>
-<span class="i0">Und wir im Finstern müssen sein,<br /></span>
-<span class="i0">So können wir doch singen<br /></span>
-<span class="i0">Von Gottes Güt und seiner Macht,<br /></span>
-<span class="i0">Weil uns kann hindern keine Nacht,<br /></span>
-<span class="i0">Sein Lob zu vollenbringen.<br /></span>
-<span class="i2">Drum dein Stimmlein<br /></span>
-<span class="i2">Laß erschallen, dann vor allen<br /></span>
-<span class="i2">Kannst du loben<br /></span>
-<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Echo, der wilde Widerhall,<br /></span>
-<span class="i0">Will sein bei diesem Freudenschall<br /></span>
-<span class="i0">Und lässet sich auch hören,<br /></span>
-<span class="i0">Verweist uns alle Müdigkeit,<br /></span>
-<span class="i0">Der wir ergeben allezeit,<br /></span>
-<span class="i0">Lehrt uns den Schlaf betören.<br /></span>
-<span class="i2">Drum dein Stimmlein<br /></span>
-<span class="i2">Laß erschallen, dann vor allen<br /></span>
-<span class="i2">Kannst du loben<br /></span>
-<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Die Sterne, so am Himmel stehn,<br /></span>
-<span class="i0">Sich lassen zum Lob Gottes sehn<br /></span>
-<span class="i0">Und Ehre ihm beweisen.<br /></span>
-<span class="i0">Die Eul auch, die nicht singen kann,<br /></span>
-<span class="i0">Zeigt doch mit ihrem Heulen an,<br /></span>
-<span class="i0">Daß sie Gott auch tu preisen.<br /></span>
-<span class="i2">Drum dein Stimmlein<br /></span><span class="pagenum"><a name="Seite_p018" id="Seite_p018">[S. 18]</a></span>
-<span class="i2">Laß erschallen, dann vor allen<br /></span>
-<span class="i2">Kannst du loben<br /></span>
-<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span>
-</div><div class="stanza">
-<span class="i0">Nur her, mein liebes Vögelein,<br /></span>
-<span class="i0">Wir wollen nicht die Fäulsten sein<br /></span>
-<span class="i0">Und schlafend liegen bleiben.<br /></span>
-<span class="i0">Vielmehr bis daß die Morgenröt<br /></span>
-<span class="i0">Erfreuet diese Wälder öd,<br /></span>
-<span class="i0">In Gottes Lob vertreiben.<br /></span>
-<span class="i2">Laß dein Stimmlein<br /></span>
-<span class="i2">Laut erschallen, dann vor allen<br /></span>
-<span class="i2">Kannst du loben<br /></span>
-<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Unter währendem diesem Gesang bedünkte mich wahrhaftig,
-daß Nachtigall sowohl als Eule und Echo eingestimmet
-hätten. Als wann ich je der Melodei des
-Morgensterns auf meiner Sackpfeifen gefolget wär, also
-trieb es mich, den Alten zu begleiten, da mir diese Harmonie
-so lieblich schiene &mdash; doch ich entschlief.</p>
-
-<p>Bei hohem Tag stund der Einsiedel vor mir und sagte:</p>
-
-<p>»Auf, Kleiner und iß! Ich will dir alsdann den Weg
-weisen, daß du noch vor Nacht in das nächste Dorf
-und wieder zu den Leuten kommest.«</p>
-
-<p>Ich fragte ihn: »Was für Dinger? Dorf und Leut?«</p>
-
-<p>»Behüte Gott, weißt du nicht was Dorf und Leute
-seind? Bist du närrisch oder gescheit?«</p>
-
-<p>»Nein,« sagte ich, »ich bin meines Knäns Bub.«</p>
-
-<p>Darauf fielen unsere Reden und Gegenreden:</p>
-
-<p>»Wie heißt du?« &mdash; »Bub.« &mdash; »Wie hat dich Vater
-und Mutter gerufen?« &mdash; »Ich weiß von kein Vater
-und Mutter nicht.« &mdash; »Wer hat dir das Hemd geben?«
-&mdash; »Ei, mein Meuder.« &mdash; »Wie hieße dich dann dein<span class="pagenum"><a name="Seite_p019" id="Seite_p019">[S. 19]</a></span>
-Meuder?« &mdash; »Bub, Schelm, ungeschickter Dölpel,
-Galgenvogel.« &mdash; »Wer ist deiner Meuder Mann?« &mdash;
-»Niemand.« &mdash; »Bei wem hat sie des Nachts geschlafen?«
-&mdash; »Bei meinem Knän.« &mdash; »Wie heißt der?« &mdash;
-»Knän.« &mdash; »Wie hat ihn deine Meuder gerufen?« &mdash;
-»Knän, auch Meister.« &mdash; »Niemalen anders?« &mdash;
-»Ja.« &mdash; »Wie dann?« &mdash; »Rülp, grober Bengel, volle
-Sau.« &mdash; »Du bist wohl ein unwissender Tropf!« &mdash;
-»Ei, kennst du einen andern Namen?« &mdash; »Und was
-weißt du von unserm Herrgott?« &mdash; »Den kenn ich
-wohl.« &mdash; »Also, wie kennst du ihn?« &mdash; »Ja, der ist
-daheim an unserer Stubentür gestanden auf dem Gesims.
-Mein Meuder hat ihn von der Kirchweih heimgebracht
-und hingekleibt.« &mdash; »Ach, daß Gott walte!
-Weißt du anders nicht? Bist du nie in die Kirche
-gangen?« &mdash; »Ei ja wohl! Ich kann wacker klettern und
-hab als einen ganzen Wams voll Kirschen gebrockt.«</p>
-
-<p>»Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was vor
-eine große Gnade und Wohltat es ist, wem du deine
-Erkanntnus mitteilest, und wie gar nichts ein Mensch
-sei, dem du solche nicht gibest. Wüßte ich nur, wo deine
-Eltern wohneten, so wollte ich dich gern hinbringen
-und sie lehren, wie sie Kinder erziehen sollten.«</p>
-
-<p>»Unser Haus ist verbrannt. Mein Meuder und der
-Knän, also auch unser Ursele seind hinweggeloffen und
-wiederkommen und unser Magd ist krank im Stall gelegen.«</p>
-
-<p>»Wie ist das geschehen?«</p>
-
-<p>»Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die auf
-Ochsen ohn Hörn gesessen seind, haben Schaf, Küh'
-und Säu gestochen. Da bin ich auch weggeloffen und
-darnach hat das Haus gebrannt.«</p>
-
-<p>»Wo war dann dein Knän?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p020" id="Seite_p020">[S. 20]</a></span>
-
-»Sie haben ihn angebunden und unser alte Geiß hat
-ihm die Füß geleckt, da hat mein Knän lachen müssen
-und hat denselben eisernen Männern viel Weißpfennig
-geben, groß und klein, hübsche gelbe und sonst glitzerechte
-Dinger und Schnüre voll weißer Küglein. Darauf
-hat unser Ann gesagt, ich soll auch weglaufen, sonst
-nehmen mich die Krieger mit.«</p>
-
-<p>»Wo hinaus willst du?«</p>
-
-<p>»Ich weiß Weger nit und will bei dir bleiben.«</p>
-
-<p>»So geh und iß,« sagte der Einsiedel.</p>
-
-<p>Das war unser <span class="antiqua">discurs</span>, unter welchem mich der
-Alte oft mit allertiefstem Seufzen anschauete. Weiß
-nicht, ob es aus Mitleiden geschahe oder aus Ursach,
-die ich erst etliche Jahr hernach erfuhr.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p021" id="Seite_p021">[S. 21]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_sechste_Kapitel" id="Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich futterte nach Notdurft, sonach mich der Einsiedel
-fortgehen hieß. Da suchte ich meine allerzartesten
-Worte herfür, daß er mich bei sich behielte, bis er
-beschloß meine verdrüßliche Gegenwart zu leiden, darum
-daß er mich unterrichtete.</p>
-
-<p>Ich hielt mich wohl, und er fand Gefallen an mir,
-da ich begierig seine Unterweisungen hörete und die
-wachsweiche, und zwar noch glatte Tafel meines Herzens
-seine Worte zu fassen sich geschickt erwies.</p>
-
-<p>Er lernete mir vom Fall Luzifers und wie unsere
-ersten Eltern aus dem Paradies verstoßen wurden,
-unterwies mich im Gesetz Moisis und den zehn Geboten,
-kam also auf das Leben, Sterben und die Auferstehung
-unseres Heilands, zuletzt beschloß er mit dem
-jüngsten Tag. Sein Leben und sein Reden waren mir
-eine immerwährende Predigt und ich gewann solche
-Liebe zu seinem Unterricht, daß ich des Nachts nicht
-davor schlafen konnte. So lernte ich auch beten. Da
-ich aber in purer Einfalt verblieben, hat mich der Einsiedel,
-weil weder er noch ich meinen rechten Namen
-gewußt, <span class="antiqua">SIMPLICIUS</span> benannt.</p>
-
-<p>Wir baueten vor mich eine Hütte gleich der seinen
-von Holz, Reisern und Erde, fast formiert wie der
-Musketierer im Feld ihre Zelten, oder besser zu sagen,
-wie die Bauren ihre Rubenlöcher decken, kaum daß ich
-aufrecht darin sitzen konnte, so nieder. Mein Bett war von
-dürrem Laub und Gras, ebensogroß als die Hütte selbst.</p>
-
-<p>Als ich das erste Mal den Einsiedel in der Bibel
-lesen sahe, konnte ich mir nicht einbilden, mit wem er
-doch ein solch heimlich und, meinem Bedünken nach,<span class="pagenum"><a name="Seite_p022" id="Seite_p022">[S. 22]</a></span>
-sehr ernstlich Gespräch haben müßte; ich sahe wohl
-die Bewegung seiner Lippen, hingegen aber niemand,
-der mit ihm redete, und merkte doch an seinen Augen,
-daß ers mit etwas in selbigem Buch zu tun hatte.
-Ich gab Achtung auf das Buch, und nachdem er solches
-beigelegt, machte ich mich darhinter, schlugs auf und
-bekam im ersten Griff das erste Kapitel des Hiobs und
-die davor stehende Figur, so ein feiner Holzschnitt und
-schön illuminieret war, in die Augen. Ich fragte dieselbigen
-Bilder seltsame Sachen, weil mir aber keine
-Antwort widerfahren wollte, ward ich ungeduldig und
-sagte eben, als der Einsiedel hinter mich schlich:</p>
-
-<p>»Ihr kleine Hudler, habet ihr dann keine Mäuler mehr?
-Habet ihr nicht allererst mit meinem Vater lang genug
-schwätzen können? Ich sehe wohl, daß ihr auch dem
-armen Knän da seine Schafe heim treibet und das Haus
-angezündet habet. Halt! Halt! Ich will das Feuer noch
-wohl löschen!«</p>
-
-<p>Damit stund ich auf, Wasser zu holen.</p>
-
-<p>»Wohin, <span class="antiqua">Simplici</span>?«</p>
-
-<p>»Ei Vater, da sind auch Krieger, die haben Schafe
-und wollen sie wegtreiben. Sie habens dem armen Mann
-da genommen, mit dem du erst geredet hast. So brennet
-sein Haus auch schon lichterlohe und wird verbrennen,
-wann ich nicht bald lösche.«</p>
-
-<p>Und ich zeigte mit dem Finger, was ich sahe.</p>
-
-<p>»Bleib nur, es ist noch keine Gefahr.«</p>
-
-<p>»Bist du dann blind? Wehre du, daß sie die Schafe
-nicht forttreiben, so will ich Wasser holen!«</p>
-
-<p>»Ei, diese Bilder leben nicht, sie seind nur gemacht,
-uns vorlängst geschehene Dinge vor Augen zu stellen.«</p>
-
-<p>»Du hast ja erst mit ihnen geredet, warum sollten
-sie dann nicht leben?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p023" id="Seite_p023">[S. 23]</a></span>
-
-Der Einsiedel mußte wider Willen und Gewohnheit
-lachen.</p>
-
-<p>»Liebes Kind, die Bilder können nicht reden, was
-aber ihr Tun und Wesen sei, kann ich aus diesen
-schwarzen Zeichen sehen. Das nennt man Lesen.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Wäre ich ein Mensch wie du, so
-müßte ich auch aus denen schwarzen Zeilen sehen können,
-was du kannst. Wie soll ich mich in dein Gespräch mit
-ihnen richten?«</p>
-
-<p>»Wohlan, mein Sohn, ich will dich lehren.«</p>
-
-<p>Demnach schrieb er mir ein Alphabet auf einer birkenen
-Rinden nach dem Druck formiert, und ich lernte buchstabieren,
-folgends lesen, endlich besser schreiben, als der Einsiedel
-selber konnte, weil ich alles dem Druck nachmalete. &mdash;</p>
-
-<p>Unsere Speise war allerhand Gewächs, Ruben, Kraut,
-Bohnen, Erbsen, und wir verschmäheten auch nicht
-Buchecker, wilde Äpfel, Birn und Kirschen, ja, die
-Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm. Brotfladen
-buken wir in heißer Aschen aus gestoßenem Welschkorn.
-Im Winter fingen wir Vögel an Sprinkeln und
-Stricken, im Frühling bescherete uns Gott Junge aus
-den Nestern. Wir behalfen uns mit Schnecken und
-Fröschen, so war uns auch mit Reusen und Anglen
-das Fischen und Krebsen nicht zu wider, welches alles
-unser grob Gemüs hinunterconvoieren mußte. Wir hatten
-auf ein Zeit ein junges wildes Schweinlein gefangen,
-welches wir, in einen Pferch versperret, mit Eicheln
-und Eckern auferzogen, gemästet und endlich verzehret,
-weil mein Einsiedel wußte, daß solches keine Sünde
-sein konnte, wann man genießet, was Gott dem ganzen
-menschlichen Geschlecht zu diesem End erschaffen. Von
-Gewürz brauchten wir nichts, dann wir dörften die
-Lust zum Trunk nicht erwecken. Die Notdurft an Salz<span class="pagenum"><a name="Seite_p024" id="Seite_p024">[S. 24]</a></span>
-gab uns ein Pfarrer, der ungefähr drei Meilwegs von
-uns wohnete.</p>
-
-<p>Des Hausrates war genug vorhanden: Schaufel, Haue,
-Axt, Beil und ein eiserner Kochhafen. Das wir von
-obgemeldtem Pfarrer entlehnet hatten. Jeder besaß ein
-stumpfes Messer zu eigen. Wir bedorften weder Schüssel
-noch Teller, Löffel, Gabel, Kessel, Pfannen, Rost und
-Bratspieß. Unser Hafen war Schüssel zugleich, unsere
-Hände Gabeln und Löffel. Wollten wir trinken, so
-hingen wir das Maul hinein, wie Gideons Kriegsleute.
-Von allerhand Gewand, Wolle, Seiden, Baumwolle
-und Leinen, alles zu Betten, Tischen und Tapezereien,
-hatten wir nichts, als wir auf dem Leibe trugen, weil
-wir genug zu haben schätzten, wann wir uns vor Regen
-und Frost beschützen könnten. Wir hielten keine gewisse
-Regul oder Ordnung, außerhalb an Sonn- und Feiertägen,
-an welchen wir schon um Mitternacht hinzugehen
-anfingen, damit wir noch frühe genug, ohn männliches
-Vermerken, in des obgemeldten Pfarrherrn Kirche kommen
-und dem Gottesdienst abwarten konnten.</p>
-
-<p>Ich lernete in solchem hartem Leben Hunger, Durst,
-Hitze, Kälte und große Arbeit überstehen und zuvorderst
-Gott erkennen und wie man ihm rechtschaffen dienen
-sollte, welches das vornehmste war. Zwar wollte mich
-mein getreuer Einsiedel ein Mehrers nicht wissen lassen,
-dann er hielte davor, es sei einem Christen genug, zu
-seinem Ziel und Zweck zu gelangen. Dahero es gekommen,
-obzwar ich mein Christentum wohl verstand und die
-deutsche Sprache so schön redete, als wann sie die
-<span class="antiqua">Orthographia</span> selbst ausspräche, daß ich dannoch der Einfältigste
-verblieb, gestalten ich, wie ich den Wald verlassen,
-ein solch elender Tropf in der Welt war, daß man
-keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte locken können.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p025" id="Seite_p025">[S. 25]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_siebente_Kapitel" id="Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Zwei Jahre ungefähr hatte ich zugebracht und das
-harte eremitische Leben kaum gewohnet, als mein
-bester Freund auf Erden seine Haue nahm, mir aber
-die Schaufel gab und mich an der Hand in unsern
-Garten führete.</p>
-
-<p>»Nun, <span class="antiqua">Simplici</span>, liebes Kind, dieweil gottlob die Zeit
-vorhanden, daß ich aus der Welt scheiden, die Schuld
-der Natur bezahlen und dich in dieser Welt hinter mir
-verlassen soll, so habe ich dich auf dem angetretenen
-Weg der Tugend stärken und dir einzige Lehren zum
-Unterricht geben wollen, wie du dein irdisch Leben
-anstellen solltest, damit du gewürdigt werdest das Angesicht
-Gottes in jenem Leben ewiglich zu schauen,
-zumalen ich deines Lebens künftige Begegnüsse beiläufig
-sehe und wohl weiß, daß du in dieser Einöde
-nicht lange verharren wirst.«</p>
-
-<p>Diese Worte setzten meine Augen ins Wasser, wie
-hiebevor des Feindes Erfindung die Stadt Villingen,
-und sie waren mir so unerträglich, daß ich sie nicht
-ertragen konnte.</p>
-
-<p>»Herzliebster Vater, willst du mich allein in diesem
-wilden Wald verlassen?«</p>
-
-<p>Mehrers vermochte ich nicht heraus zu bringen, dann
-meines Herzens Qual ward aus überfließender Liebe,
-die ich zu meinem Vater trug, also heftig, daß ich gleichsam
-wie tot zu seinen Füßen niedersank. Er hingegen
-richtete mich auf, tröstete mich, so gut es Zeit und Gelegenheit
-zuließ, und verwiese mich gleichsam fragend:</p>
-
-<p>»Willst du der Ordnung des Allerhöchsten widerstreben?
-Was unterstehst du dich, meinem schwachen<span class="pagenum"><a name="Seite_p026" id="Seite_p026">[S. 26]</a></span>
-Leib, der nach Ruhe lechzet, aufzubürden? Ach nein,
-mein Sohn, laß mich fahren!«</p>
-
-<p>Und er riete mir getreulich: »Anstatt deines unnützen
-Geschreies folge meinen letzten Worten, welche seind,
-daß du dich je länger je mehr selbst erkennen sollst.
-Dann daß die meisten Menschen verdammt werden,
-ist Ursache, daß sie nicht gewußt haben, was sie gewesen
-und was sie werden müssen. Und hüt dich jederzeit vor
-böser Gesellschaft, dann derselben Schädlichkeit ist unaussprechlich.
-Bleib standhaft vor allen Dingen. Wer verharret
-bis ans Ende, der wird selig. So du aber aus
-menschlicher Schwachheit fällst, dann stehe durch rechtschaffene
-Buße geschwind wieder auf.«</p>
-
-<p>Nachdem mir der sorgfältige, fromme Mann solches
-vorgehalten, hat er mit seiner Haue angefangen, sein
-eigenes Grab zu machen. Ich half, so gut ich konnte,
-wie er mir befahl.</p>
-
-<p>»Mein lieber und wahrer, einziger Sohn, wann meine
-Seele an ihren Ort gegangen ist, so leiste meinem Leib
-deine Schuldigkeit und die letzte Ehre. Scharre mich
-mit dieser Erde wieder zu, die wir anjetzo aus der
-Grube graben.«</p>
-
-<p>Darauf nahm er mich in seine Arme und druckte
-mich küssend viel härter an seine Brust, als einem
-Mann, wie er zu sein schiene, hätte müglich sein
-können.</p>
-
-<p>»Liebes Kind, ich befehle dich in Gottes Schutz.«</p>
-
-<p>Ich hingegen konnte nichts anders als klagen und
-heulen, ich hing mich an seine Büßerketten und vermeinte
-ihn damit zu halten.</p>
-
-<p>Er aber sagte: »Laß mich, daß ich sehe, ob mir das
-Grab lang genug sei.«</p>
-
-<p>Legte demnach die Kette ab samt dem Oberrock und<span class="pagenum"><a name="Seite_p027" id="Seite_p027">[S. 27]</a></span>
-begab sich in das Grab wie einer, der sich sonst schlafen
-legen will.</p>
-
-<p>»Ach großer Gott, nun nimm wieder hin die Seele,
-die du mir gegeben!«</p>
-
-<p>Hierauf beschloß er seine Lippen und Augen sänftiglich.
-Ich aber stund da wie ein Stockfisch etlich Stunden,
-dieweil ich ihn öfters in dergleichen Verzuckungen gesehen.
-Da sich aber mein allerliebster Einsiedel nicht
-mehr aufrichten wollte, stieg ich zu ihm ins Grab und
-fing an ihn zu schütteln, zu küssen und zu liebeln.
-Aber da war kein Leben mehr.</p>
-
-<p>Nachdem ich lang mit jämmerlichem Geschrei hin
-und her geloffen, begann ich ihn zuzuscharren. Und
-wann ich kaum sein Angesicht bedeckt hatte, stieg ich
-wieder hinunter, entblößte es wieder, damit ichs noch
-einmal sehen und küssen konnte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p028" id="Seite_p028">[S. 28]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_achte_Kapitel" id="Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Über etliche Tage verfügte ich mich zu obgemeldtem
-Pfarrer und begehrte Rat von ihm. Unangesehen
-er mir nun stark widerraten, länger im Walde zu verbleiben,
-bin ich doch tapfer in meines Vorgängers Fußstapfen
-getreten, maßen ich den ganzen Sommer tät,
-was ein frommer Einsiedel tun soll. Aber gleichwie die
-Zeit alles ändert, so verringerte sich auch nach und nach
-mein Leid, und die scharfe Winterkälte löschte die
-innerliche Hitze meines steifen Vorsatzes zugleich aus.
-Jemehr ich anfing zu wanken, je träger ward ich in
-meinem Gebet und ich ließ mich die Begierde überherrschen,
-die Welt auch zu beschauen. Demnach gedachte
-ich wieder zu dem Pfarrer zu gehen und machte mich
-seinem Dorf zu, fand es aber in voller Flamme stehen,
-dann es eben eine Partei Reuter ausgeplündert und
-angezündet hatte. Die Bauren waren teils niedergemacht,
-viel verjaget und etliche gefangen, darunter auch der
-Pfarrer war. Die Reuter ruckten eben wegfertig aus
-und führten den Pfarrer an einem Strick daher. Unterschiedliche
-schrieen: Schieß den Schelmen nieder! Andre
-wollten Geld von ihm. Er hub die Hände auf und bat
-um des jüngsten Gerichtes willen um Verschonung und
-Barmherzigkeit. Aber einer ritte ihn übern Haufen und
-versetzte ihm gleich eins an Kopf, davon er alle vier
-von sich streckte.</p>
-
-<p>Indem kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren
-aus dem Wald, als ob man in ein Wespennest gestochen
-hätte. Die fingen an so gräulich zu schreien, so grimmig
-drein zu setzen und drauf zu schießen, daß mir alle Haar
-zu Berg stunden, weil ich noch niemals bei dergleichen<span class="pagenum"><a name="Seite_p029" id="Seite_p029">[S. 29]</a></span>
-Kirchweih gewesen, dann die spessarter Bauren lassen
-sich fürwahr so wenig als andre auf ihrem Mist foppen.
-Davon rissen die Reuter aus und schlugen ihre ganze
-Beute in den Wind.</p>
-
-<p>Diese Kurzweil benahm mir beinahe die Lust, die
-Welt zu beschauen, dann meine Wildnus mir anmutiger
-erschiene. Der Pfarrer lag ganz matt, schwach und kraftlos,
-doch hielt er mir vor, daß er nun selbst auf den
-Bettel geraten wäre, so hätte ich mich seiner Hilfleistung
-nichts zu getrösten. Zog demnach ganz traurig gegen
-den Wald, gedachte die Wildnus nimmer zu verlassen
-und ob es nicht möglich wäre, daß ich ohn Salz leben
-und also aller Menschen entbehren könnte. Mich zu
-bestärken zog ich meines Einsiedels hinterlassen hären
-Hemd an und hing seine Ketten über.</p>
-
-<p>Den andern Tag als ich bei meiner Hütte saß und
-zugleich neben dem Gebet gelbe Ruben zu meines Leibes
-Unterhaltung briet, umringten mich an fünfzig Musketierer.
-Zwar sie ob meiner Person Seltsamkeit erstauneten,
-so durchstürmten sie doch meine Hütte, suchten,
-was da nicht zu finden war, und warfen die Bücher
-durcheinander, weil sie ihnen nichts taugten. Endlich
-sahen sie, als sie mich besser betrachteten, an meinen
-Federn, was vor einen schlechten Vogel sie gefangen
-hatten, und konnten leicht ihre Rechnung machen; doch
-verwunderten sie sich über mein hartes Leben. Ja, der
-Offizierer ehrte mich und begehrte gleichsam bittend,
-ich wolle ihm den Weg aus dem Wald weisen. Ich
-widerte mich nicht und führte sie am nächsten Weg
-dem Dorf zu.</p>
-
-<p>Ehe wir aber vor den Wald kamen, sahen wir ungefähr
-zehn Bauren, deren ein Teil mit Feuerrohren
-bewehrt, die übrigen aber beschäftigt waren, etwas<span class="pagenum"><a name="Seite_p030" id="Seite_p030">[S. 30]</a></span>
-einzugraben. Die Musketierer schrieen: Halt! Halt! Jene
-aber antworteten mit den Rohren. Wie sie jedoch sahen,
-daß sie übermannet waren, gingen sie schnell durch.
-Die müden Soldaten konnten keinen ereilen, huben
-aber an auszugraben. Sie hatten wenig Streich getan,
-da hörten sie eine Stimme von unten herauf:</p>
-
-<p>»O, ihr Erzbösewichter, vermeinet ihr wohl, daß
-der Himmel euer unchristliche Grausamkeit und Bubenstücke
-ungestraft hingehen lassen werde? Nein, eure
-Unmenschlichkeit soll vergolten werden.«</p>
-
-<p>Hierüber sahen die Soldaten einander an, weil sie
-nicht wußten, was sie tun sollten. Etliche vermeinten,
-sie hätten ein Gespenst. Ich gedachte, es träume mir.
-Ihr Offizier hieß sie tapfer zu graben.</p>
-
-<p>Sie kamen auf ein Faß, schlugens auf und fanden
-einen Kerl darin, der weder Nasen noch Ohren mehr
-hatte, gleichwohl noch lebte. Sobald er sich ein wenig
-ermunterte, erzählte er: Ihrer sechs seines Regiments,
-so auf Fourage gewesen, seien von den Bauren ergriffen
-worden. Sie hätten hintereinander stehen müssen,
-davon die ersten Fünf von einer Kugel tot geschossen
-worden seien, ihn aber, den letzten, habe die Kugel
-nicht mehr erlanget. Da hätten sie ihm Nase und Ohren
-abgeschnitten, zuvor aber ihn gezwungen, daß er ihrer
-fünfen (<span class="antiqua">salva venia</span>) den Hintern lecken müssen. Da er
-sich so gar geschmähet gesehen, hätte er ihnen die
-allerunnützesten Worte gegeben, der Hoffnung, es würde
-ihm etwan einer aus Ungeduld eine Kugel schenken,
-aber vergebens. Nachdem er sie so erbittert, hätten sie
-ihn in gegenwärtig Faß gesteckt und also lebendig begraben,
-sprechend: Weil er des Todes so eifrig begehre,
-wollten sie ihm zum Possen hierin nicht willfahren.</p>
-
-<p>Indem kam eine andre Partei Soldaten den Wald<span class="pagenum"><a name="Seite_p031" id="Seite_p031">[S. 31]</a></span>
-herauf, sie hatten obgedachte Bauren angetroffen, fünf
-davon gefangen, die andern erschossen. Unter den gefangenen
-waren vier, denen der übel zugerichtete Reuter
-zuvor so schandlich hatte zu Willen sein müssen. Als
-nun beide Parteien erkannten einerlei Kriegsvolk zu
-sein, traten sie zusammen.</p>
-
-<p>Da sollte man sein blaues Wunder gesehen haben,
-wie die Bauren getrillt wurden. Etliche wollten sie
-zwar in der ersten Furi totschießen, andere aber sagten:
-»Nein, man muß die leichtfertigen Vögel zuvor rechtschaffen
-quälen und ihnen eintränken, was sie diesem
-Reuter zu tun geheißen.« Dahingegen sagte ein anderer:
-»Dieser Kerl ist nichts wert, dann wäre er kein Bernheuter
-gewesen, so hätte er allen redlichen Soldaten
-zu Spott solch schändliche Arbeit nicht verrichtet, sondern
-wäre tausendmal lieber gestorben.« Endlich ward
-beschlossen, daß ein jeder von den sauber gemachten
-Bauren an zehn Soldaten wett mache, was er von
-dem Reuter empfangen, und darzu sagen sollte: &#8218;Hiermit
-lösche ich wieder aus und wische ab die Schande,
-die sich die Soldaten einbilden empfangen zu haben,
-als uns ein Bernheuter tat, wie ich ihnen tue.&#8217;</p>
-
-<p>Darauf schritten sie zur Sache, aber die Bauren
-waren so halsstarrig, daß sie weder durch Verheißung
-des Lebens noch durch Marter dazu gezwungen werden
-konnten.</p>
-
-<p>Einer führete den fünften Bauren, an dem der Reuter
-nicht schandbar geworden war, etwas beiseits und sagte
-zu ihm: »Wann du Gott und seine Heiligen verläugnen
-wilt, werde ich dich dahin laufen lassen, wohin du begehrest.«
-Der Bauer antwortete, er hätte sein Lebtag
-nichts auf Heilige gehalten und auch geringe Kundschaft
-mit Gott selbst gehabt. Schwur darauf <span class="antiqua">solenniter</span>,<span class="pagenum"><a name="Seite_p032" id="Seite_p032">[S. 32]</a></span>
-daß er Gott nicht kenne. Hierauf jagte ihm der Soldat
-eine Kugel an die Stirn, welche aber so viel effektuiert,
-als wann die an einen stählernen Berg gangen wäre.
-Also zuckte er seine Plempe und rief:</p>
-
-<p>»Holla, bist du solch ein Schelm! Ich habe versprochen,
-dich laufen zu lassen, wohin du begehrest, so
-schicke ich dich nun ins höllische Reich, weil du nicht in
-den Himmel wilt!«</p>
-
-<p>Und spaltete ihm damit den Kopf bis an die Zähne.</p>
-
-<p>Indessen banden die andern Soldaten die vier übrigen
-Bauren mit Händen und Füßen an einen umgefallenen
-Baum so artlich, daß sie ihre Posteriora gerad in die
-Höhe kehrten. Nachdem sie den Bauren die Hosen abgezogen,
-nahmen sie etliche Klafter Lunten, machten
-Knöpfe daran und fidelten die armen Schelme also
-bis Haut und Fleisch ganz von dem Bein hinweg war.
-Mich aber ließen sie nach meiner Hütte gehen.</p>
-
-<p>Da ich wieder heim kam, befand ich, daß mein Feuerzeug
-und ganzer Hausrat samt allem Vorrat an armseligen
-Speisen, die ich im Garten erzogen und auf
-den künftigen Winter vor mein Maul gesparet hatte,
-mir einander fort war. &mdash; Wo nun hinaus?</p>
-
-<p>Überdas lagen mir die Sachen, so ich denselben Tag
-gehöret und gesehen, ohn Unterlaß im Sinn. Ich dachte
-nicht sowohl meiner Erhaltung nach als der <span class="antiqua">Antipathia</span>,
-die sich zwischen Soldaten und Bauren enthält. Ich
-meinte, es müßten ohnfehlbar zweierlei Menschen in
-der Welt sein, wilde und zahme, weil sie einander so
-grausam verfolgten.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p033" id="Seite_p033">[S. 33]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_neunte_Kapitel" id="Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">In solchen Gedanken entschlief ich vor Unmut und
-Kälte mit einem hungrigen Magen.</p>
-
-<p>Da dünkte mich, als wenn sich alle Bäume gähling
-veränderten. Auf jedem Gipfel saß ein Kavalier und
-anstatt der Blätter trugen die Äste allerhand Kerle.
-Von solchen hatten etliche lange Spieße, andere Musketen,
-kurz Gewehr, Partisanen, Fähnlein, auch Trommeln
-und Pfeifen, lustig anzusehen und fein gradweis
-auseinandergeteilet. Die Wurzel aber war von ungültigen
-Leuten, als Handwerkern, Taglöhnern, mehrenteils
-Bauren und dergleichen bestanden, welche nichts desto
-weniger dem Baum seine Kraft verliehen und erneureten;
-ja, sie ersetzten den Mangel der abgefallenen
-Blätter aus den Ihrigen zum eigenen noch größeren
-Verderben. Benebens seufzten sie über diejenigen, so
-auf dem Baume saßen, dann die ganze Last des Baums
-lag auf ihnen und drückte sie dermaßen, daß ihnen das
-Geld aus dem Beutel herfürging. So es aber nicht
-herfürwollte, striegelten sie die <span class="antiqua">Commissarii</span> mit Besen,
-die man militarische <span class="antiqua">Execution</span> nennet, daß ihnen die
-Seufzer aus dem Herzen, die Tränen aus den Augen,
-das Blut aus den Nägeln und das Mark aus den
-Beinen herausging.</p>
-
-<p>Also mußten sich die Wurzeln dieser Bäume in lauter
-Mühseligkeit, diejenigen aber auf den untersten Ästen
-in größerer Arbeit und Ungemach gedulden und durchbringen.
-Doch waren diese jeweils lustiger, aber auch
-trotzig, mehrenteils gottlos und jederzeit eine schwere,
-unerträgliche Last der Wurzel.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p034" id="Seite_p034">[S. 34]</a></span></p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Hunger und Durst, auch Hitz und Kält,<br /></span>
-<span class="i0">Arbeit und Armut, wie es fällt,<br /></span>
-<span class="i0">Gewalttat, Ungerechtigkeit<br /></span>
-<span class="i0">Treiben die Landsknecht allezeit.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Schlemmen und dämmen, Hunger und Durst, huren
-und buben, raßlen und spielen, morden und gemordet
-werden, tribulieren und wieder getrillet werden, jagen
-und gejagt werden, plündern und geplündert werden,
-förchten und wieder geförchtet werden, Jammer anstellen
-und wieder jämmerlich leiden, <span class="antiqua">in summa</span> nur
-verderben, beschädigen und verderbt, beschädigt werden,
-das war ihr ganzes Tun und Wesen. Und nicht Winter
-und Sommer, nicht Regen noch Wind, Berg noch Tal,
-weder Morast, Gruben, Meer, Mauer, Feuer noch
-Wälle, weder Vater noch Mutter, weder Gefahr ihrer
-Leiber, Seelen und Gewissen, ja, nicht Verlust des
-Lebens noch des Himmels verhinderte sie daran. Sie
-weberten in ihren Werken emsig fort, bis sie endlich
-in Schlachten, Belägerungen, Stürmen, Feldzügen und
-den Quartieren selbsten umkamen, verdarben und krepierten.
-Etliche wenige, die in ihrem Alter, wann sie
-nicht wacker geschunden und gestohlen hatten, Bettler
-und Landstürzer abgaben.</p>
-
-<p>Zunächst darüber saßen alte Hühnerfänger, die sich
-etliche Jahre mit höchster Gefahr auf den untersten
-Ästen gehalten hatten, sie sahen etwas reputierlicher aus.
-Darüber befanden sich noch höhere, die Wammesklopfer,
-weil sie die untersten zu kommandieren hatten.
-Sie fegten den Pikenieren mit Prügeln und Höllenpotzmarter
-Rücken und Kopf und gaben den Musketierern
-Baumöl.</p>
-
-<p>Darüber hatte des Baumes Stamm einen Absatz,<span class="pagenum"><a name="Seite_p035" id="Seite_p035">[S. 35]</a></span>
-ein glatt Stück ohne Äste mit seltsamen Seifen der
-Mißgunst geschmieret. Kein Kerl, er sei dann vom
-Adel, konnte da hinaufsteigen, dann der Stamm war
-glätter poliert als ein stählerner Spiegel.</p>
-
-<p>Und darüber saßen die mit den Fähnlein, Junge,
-denen ihre Vettern hinaufgeholfen, Alte, so auf der
-silbernen Leiter, die man Schmiralia nennet, oder
-mangels anderer hinaufgestiegen waren. Je höher, desto
-besser saßen sie.</p>
-
-<p>Wann ein <span class="antiqua">Commissarius</span> daherkam und eine Wanne
-voll Geld über den Baum abschüttete, solchen zu erquicken,
-ließen sie den Untersten soviel wie nichts zukommen.
-Dahero pflegten von den Untersten mehr
-Hungers zu sterben, als ihrer vom Feind umkamen.
-So war ein unaufhörliches Gekrappel und Aufklettern
-an diesem Baum. Die Untersten hofften der Oberen Fall,
-geriet es einem unter zehentausend, so stund er im verdrüßlichen
-Alter, daß er besser hinter den Ofen taugte,
-Äpfel zu braten, als im Feld vor dem Feind zu liegen.
-Man nahm dahero anstatt der alten Soldaten viel
-lieber Plackschmeißer, Kammerdiener, arme Edelleute,
-irgends Vettern und Schmarotzer und Hungerleider, die
-denen, so etwas meritiert, das Brot vorm Maul abschnitten
-und Fähnrich wurden.</p>
-
-<p>Dieses verdroß einen Feldwaibel so sehr, daß er
-trefflich anfing zu schmälen. Aber Adelhold sagte:</p>
-
-<p>»Graue Bärte schlagen den Feind nicht, man könnte
-sonst eine Herde Böcke zu solchem Geschäft dingen.
-Sage mir, du alter Krachwadel, ob nicht edelgeborene
-Offizierer von der Soldateska besser respektieret werden,
-dann die, so zuvor gemeine Knechte gewesen? Ist einem
-Baurenbuben, der seinem Vater vom Pfluge entlaufen,
-besser zu trauen? Ein rechtschaffener Edelmann, eh er<span class="pagenum"><a name="Seite_p036" id="Seite_p036">[S. 36]</a></span>
-seinem Geschlecht durch Untreue, Feldflucht oder sonst
-dergleichen einen Schandfleck anhinge, eh würde er
-ehrlich sterben. Und wann schon einer von euch ein
-guter Soldat ist, der Pulver riechen und in allen Begebenheiten
-treffliche Anschläge geben kann, so ist er
-darum nicht gleich tüchtig andere zu kommandieren.
-Wenn man den Baur über den Edelmann setzte und
-also strack zu Herren machte, es stünde nach dem gemeinen
-Sprichwort nicht fein:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Es ist kein Schwert, das schärfer schiert,<br /></span>
-<span class="i0">Als wann der Baur zum Herren wird.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Hingegen aber ist ein junger Hund zum jagen viel
-freudiger als ein alter Löw.«</p>
-
-<p>Der Feldwaibel antwortete: »Welcher Narr wollte
-dann dienen, wann er nicht hoffen darf, um seine Treue
-belohnt zu werden? Der Teufel hole solchen Krieg!
-Dann gilt es gleich, ob sich einer wohl hält oder nicht.
-Ich habe von unserm alten Obristen vielmals gehöret,
-daß er keinen Soldaten begehre, der sich nicht festiglich
-einbilde, durch Wohlverhalten ein General zu werden.</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Die Lampe leucht' dir fein, doch mußt du sie auch laben<br /></span>
-<span class="i0">Mit fett Olivensaft, die Flamm sonst bald verlischt.<br /></span>
-<span class="i0">Getreuer Dienst durch Lohn gemehrt wird und erfrischt.<br /></span>
-<span class="i0">Soldatentapferkeit will Unterhaltung haben.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Ich sehe wohl, die Türen zu Würde und Amt werden
-uns durch den Adel verschlossen gehalten. Man setzet
-den Adel, wann er aus der Schalen gekrochen, gleich
-an solche Örter, da wir uns nimmermehr keine Gedanken
-hin machen dörfen, wanngleich wir mehr getan
-haben, als mancher <span class="antiqua">Nobilist</span>, den man jetzo für einen
-Obristen vorstellet. Also veraltet manch wackerer Soldat<span class="pagenum"><a name="Seite_p037" id="Seite_p037">[S. 37]</a></span>
-unter seiner Muskete, der billiger ein Regiment
-meritierte.«</p>
-
-<p>Ich wollte dem alten Esel nicht mehr zuhören, der
-oft die armen Soldaten prügelte wie die Hunde.</p>
-
-<p>Ich wandte mich wieder gegen die Bäume. Das ganze
-Land stund deren voll und ich sahe, wie sie sich bewegten
-und zusammenstießen. Da prasselten die Kerl
-haufenweise herunter, augenblicklich frisch und tot. Und
-mich bedauchte alle Bäume wären nur einer, auf dessen
-Gipfel saße der Kriegsgott <span class="antiqua">Mars</span> und bedeckte mit des
-Baumes Ästen ganz Europam.</p>
-
-<p>Da hob sich ein scharfer Nordwind. Unter gewaltigem
-Gerassel und Zertrümmerung des Baums höret ich
-eine Stimme:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Die Steineich, durch den Wind getrieben und verletzet,<br /></span>
-<span class="i0">Ihr eigen Äst abbricht, sich ins Verderben setzet:<br /></span>
-<span class="i0">Durch innerlichen Krieg und brüderlichen Streit<br /></span>
-<span class="i0">Wird alles umgekehrt und folget lauter Leid.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Und ich ward aus dem Schlaf erweckt und sahe mich
-nur allein in meiner Hütte.</p>
-
-<p>Dahero fing ich wieder an zu bedenken, was ich
-immermehr beginnen sollte. Nichts war mir übrig als
-noch etliche Bücher, welche hin- und hergestreut und
-durch einander geworfen lagen. Als ich solche mit
-weinenden Augen auflase, fand ich ungefähr ein Brieflein,
-das mein Einsiedel bei seinem Leben noch geschrieben
-hatte.</p>
-
-<p>&#8218;Lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, wenn du dies Brieflein findest, so
-gehe alsbald aus dem Wald und errette dich und den
-Pfarrer aus gegenwärtigen Nöten. Bedenke und tue
-ohn Unterlaß nach meinen letzten Reden, so wirst du
-bestehen mögen. <span class="antiqua">Vale</span>!&#8217;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p038" id="Seite_p038">[S. 38]</a></span>
-
-Ich küßte das Brieflein und das Grab des Einsiedels
-zu viel tausend Malen und machte mich auf den Weg,
-Menschen zu suchen. Den dritten Tag kam ich nach
-Gelnhausen auf ein Feld, das lag überall voller Garben,
-welche die Bauren, weil sie nach der namhaften Schlacht
-vor Nördlingen verjagt worden, nicht hatten einführen
-können. Da genosse ich gleichsam eines hochzeitlichen
-Mahles und sättigte mich mit ausgeriebenem Weizen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p039" id="Seite_p039">[S. 39]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_zehent_Kapitel" id="Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Da es tagete, begab ich mich zum nächsten nach
-Gelnhausen und fand das Tor offen, zum Teil
-verbrannt, halber noch mit Mist verschanzt. Ich konnte
-keines lebendigen Menschen gewahr werden. Die Gassen
-hin und her lagen mit Toten überstreut, deren etliche
-ganz, etliche aber bis aufs Hemd ausgezogen waren.
-Dieser jämmerliche Anblick war mir ein erschröcklich
-<span class="antiqua">Spectacul</span>. Kaum zween Steinwürfe weit kam ich in
-die Stadt, als ich mich derselben schon sattgesehen hatte.
-Derowegen kehrete ich wieder um, ging durch die Aue
-nebenhin und kam vor die herrliche Festung Hanau.
-Aber mich erdappten von deren erster Wacht gleich zween
-Musketierer, die mich in ihre <span class="antiqua">Corps de Garde</span> führten.</p>
-
-<p>Meine Kleidung und Gebärden waren genugsam verwunderlich,
-widerwärtig und durchaus seltsam: Meine
-Haare waren in dritthalb Jahren weder auf griechisch,
-deutsch, noch französisch abgeschnitten, gekampelt, noch
-gekräuselt oder gebüfft worden, sondern sie stunden in
-ihrer natürlichen Verwirrung noch mit mehr als jährigem
-Staub anstatt des Puders durchstreut. Ich sahe
-darunter mit meinem bleichen Angesicht herfür, wie
-eine Schleiereule, die auf eine Maus spannet. Und weil
-meine Haare von Natur kraus waren, hatte es das
-Ansehen, als wann ich einen Turban aufgehabt hätte.
-Der übrige Habit stimmte mit der Hauptzier überein.
-Ich trug meines Einsiedels tausendfältig geflickten Rock
-und darüber das hären Hemd wie ein Schulterkleid,
-weil ich die Ärmel an Strumpfs Statt brauchte und
-dieselben zu solchem End herabgetrennt hatte. Der ganze
-Leib war mit eisernen Ketten hinten und vorn, fein<span class="pagenum"><a name="Seite_p040" id="Seite_p040">[S. 40]</a></span>
-kreuzweis, wie man <span class="antiqua">St. Wilhelmum</span> zu malen pfleget,
-umgürtet, so daß ich fast denen glich, so von den Türken
-gefangen und vor ihre Freunde zu betteln im Land umziehen.
-Meine Füße schlurften in Holzschuhen und waren
-krebsrot, als wann ich ein Paar Strümpfe auf spanisch
-Leibfarb angehabt oder die Haut mit Fernambuc gefärbt
-hätte. Ein Gaukler oder Marktschreier vermochte
-mich wohl als einen Samojeden oder Grünländer dargeben,
-so daß er manchen Narren angetroffen hätte,
-der einen Kreuzer an mir versehen konnte. Obzwar ich
-nach meinem magern und ausgehungerten Anblick keinem
-Frauenzimmer oder irgendeines großen Herrn Hofhaltung
-entlaufen sein mochte, so ward ich jedoch unter
-der Wacht streng examiniert. Und gleichwie sich die Soldaten
-an mir vergafften, also betrachtet ich hingegen
-ihres Offizierers tollen Aufzug, dem ich Red und Antwort
-geben mußte. Ich wußte nicht, ob er Sie oder
-Er wäre, dann er trug Haare und Bart auf französisch:
-zu beiden Seiten hatte er lange Zöpfe wie Pferdeschwänze
-und sein Bart war so elend zugerichtet und
-verstümpelt, daß zwischen Maul und Nase nur noch
-etliche wenige Haare kurz davongekommen. Nicht weniger
-satzten mich seine weiten Hosen des Geschlechtes
-halber in nicht geringe Zweifel, als welche mir vielmehr
-einen Weiberrock dann ein Paar Mannshosen vorstelleten.
-Gewißlich ist es ein Weib, gedachte ich, dann
-eine ehrlicher Mann wird seinen Bart wohl nimmermehr
-so jämmerlich verketzern lassen. Endlich hielt ich
-ihn für einen Mann und Weib zugleich.</p>
-
-<p>Dieser weibische Mann ließ mich überall besuchen,
-fand aber nichts bei mir als ein Büchlein von Birkenrinden,
-darin ich meine täglichen Gebete geschrieben
-und auch meines frommen Einsiedels Zettlein, so er<span class="pagenum"><a name="Seite_p041" id="Seite_p041">[S. 41]</a></span>
-mir zum <span class="antiqua">Valete</span> hinterlassen, liegen hatte. Solches nahm
-er mir. Ich fiel vor ihm nieder, fasste ihn um beide
-Knie und sagte:</p>
-
-<p>»Mein lieber Hermaphrodit, laß mir doch mein Gebetbüchlein!«</p>
-
-<p>»Du Narr,« antwortete er, »wer Teufel hat dir gesagt,
-daß ich Hermann heiß!«</p>
-
-<p>Befahl darauf zweien Soldaten mich mitsamt dem
-Büchlein, dann der Geck konnte nicht lesen, zum Gubernator
-zu bringen. Und jedermann lief zu, als wenn
-ein Meerwunder zur Schau geführet würde.</p>
-
-<p>Der Gubernator fragte mich, wo ich herkäme. Ich
-antwortete: »Ich weiß es nicht.« Er fragte weiter:
-»Wo willst du dann hin?« Meine Antwort war: »Ich
-weiß es nicht.« &mdash; »Was Teufel weißt du dann? Was
-ist deine Hantierung?« Ich kunnt nur sagen: »Ich weiß
-es nicht.« &mdash; »Wo bist du zuhaus?« Als ich nun wiederum
-antwortete, ich wüßte es nicht, veränderte er
-seine Mienen, weiß nicht, ob es aus Zorn oder Verwunderung
-geschahe. Dieweil aber jedermann das Böse
-zu argwöhnen pfleget, zumal auch der Feind nahe war,
-der in voriger Nacht Gelnhausen eingenommen und
-ein Regiment Dragoner darin zu Schanden gemacht
-hatte, hielt mich der Gubernator für einen Kundschafter.
-Die Wachtsoldaten gaben Bericht, daß anders
-nichts bei mir wäre gefunden worden, als gegenwärtiges
-Büchlein, darin er alsbald ein paar Zeilen las und
-fragte, wer mir das Büchlein gegeben hätte. Ich antwortete,
-es wäre von Anfang mein Eigen und von
-mir selbst gemacht und überschrieben.</p>
-
-<p>»Warum eben auf birkenen Rinden?«</p>
-
-<p>»Weil sich die Rinden von andern Bäumen nicht
-darzu schicken.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p042" id="Seite_p042">[S. 42]</a></span>
-
-»Du Flegel, ich frage, warum du nicht auf Papier
-geschrieben hast.«</p>
-
-<p>»Wir haben keins mehr im Wald gehabt.«</p>
-
-<p>»Wo, in welchem Wald?«</p>
-
-<p>Ich antwortete wieder auf meinem alten Schrot, ich
-wüßte es nicht. Da wandte sich der Gubernator zu
-etlichen Offizierern, die ihm eben aufwarteten: »Entweder
-ist dieser ein Erzschelm oder gar ein Narr.«
-Und indem er redete, blätterte er in meinem Büchlein
-so stark herum, daß des Einsiedel Briefchen herausfallen
-mußte. Solches ließ er aufheben, ich aber entfärbte
-mich darüber, weil ichs vor meinen höchsten
-Schatz und Heiligtum hielt, daher der Gubernator noch
-größeren Argwohn schöpfte. Er las den Brief und
-sagte: »Ich kenne einmal diese Hand und weiß, daß sie
-von einem wohlbekannten Kriegsoffizier ist geschrieben
-worden, ich kann mich aber nicht entsinnen von welchem.«</p>
-
-<p>So kam ihm auch der Inhalt seltsam und unverständlich
-vor.</p>
-
-<p>»Dies ist ohn Zweifel,« erkläret er, »eine abgeredte
-Sprache, die sonst niemand verstehet. Wie heißt du?«</p>
-
-<p>»<span class="antiqua">Simplicius</span>.«</p>
-
-<p>»Ja, ja, du bist eben der rechte Kauz. Fort, daß man
-ihn alsobald an Hand und Fuß in Eisen schließe!«</p>
-
-<p>Also wanderten die beiden Soldaten mit mir nach
-meiner neuen Herberge, dem Stockhaus, und überantworteten
-mich dem Gewaltiger, der mich mit Ketten
-an Händen und Füßen zierete, gleichsam als hätte ich
-nicht genug an mir getragen.</p>
-
-<p>Dieser Willkomm war der Welt noch zu lieblich, dann
-es kamen Henker und Steckenknechte mit erschröcklichen
-Folterungsinstrumenten, die meinen elenden Zustand
-allererst grausam machten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p043" id="Seite_p043">[S. 43]</a></span>
-
-»Ach Gott,« sagte ich zu mir, »wie geschiehet dir so
-recht! O, du unglückseliger <span class="antiqua">Simplici</span>! Dahin bringet dich
-deine Undankbarkeit: Siehe Gott hatte dich kaum zu
-seiner Erkanntnus und in seine Dienste gebracht, so
-laufst du hingegen aus seinen Diensten. O blinder Ploch,
-du hast dieselben verlassen, deinen schändlichen Begierden
-genug zu tun und die Welt zu sehen! Jetzt fahre
-hin und empfahe den Lohn deiner gehabten eitelen
-Gedanken und vermessenen Torheit!«</p>
-
-<p>Indessen näherten wir uns dem Diebsturm, und als
-die Not am größten, da war die Hilfe Gottes am
-nähesten: dann als ich mit den Schergen samt einer
-großen Menge vorm Gefängnus stund, zu warten bis
-es aufgemachet, wollte mein Pfarrer (dann er lag zunächst
-dabei auch im Arrest) sehen, was da vorhanden
-wäre. Er sahe mich und rief überlaut: »O <span class="antiqua">Simplici</span>,
-bist du es!«</p>
-
-<p>Da hub ich beide Hände auf und schrie: »O Vater!
-O Vater!«</p>
-
-<p>Er fragte mich, was ich getan hätte. Ich antwortete,
-ich wüßte es nicht. Als er aber den Umstand vernahm,
-bat er, man wollte mit mir inhalten, bis er meine Beschaffenheit
-dem Herrn Gubernator berichtet hätte, dann
-solches würde verhüten, daß er sich an uns beiden
-vergreife.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p044" id="Seite_p044">[S. 44]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_elfte_Kapitel" id="Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Es wurde erlaubt, und über eine halbe Stunde ward
-ich auch geholt und in die Gesindestube gesetzet,
-allwo sich schon zween Schneider, ein Schuster mit
-Schuhen, ein Kaufmann mit Hüten und Strümpfen
-und ein anderer mit allerhand Gewand eingestellt hatten,
-damit ich ehist gekleidet würde. Folgends erschien ein
-Feldscherer mit scharfer Lauge und wohlriechender Seife
-und eben als dieser seine Kunst an mir üben wollte,
-kam ein anderer Befehl, welcher mich greulich erschreckte:
-Ich sollte meinen Habit wieder anziehen. War
-aber nicht böß gemeint, dann es kam ein Maler mit
-seinen Werkzeugen daher, nämlich mit Minien und
-Zinober zu meinen Augenlidern, mit Lack, Endig und
-Lasur zu meinen Korallenlippen, mit Auripigmentum,
-Rausch-schütt und Bleigelb zu meinen weißen Zähnen,
-die ich vor Hunger bleckte, mit Kienruß, Kohlschwärz
-und Umbra zu meinen blonden Haaren, mit Bleiweiß
-zu meinen gräßlichen Augen und mit sonst vielerlei
-Farben zu meinem wetterfarbigen Rock, auch hatte er
-eine ganze Hand voll Pensel. Dieser fing an, mich zu
-beschauen, abzureißen, zu untermalen, seinen Kopf über
-die Seite zu hängen, um seine Arbeit gegen meine Gestalt
-genau zu betrachten, und änderte so lange, bis er
-endlich ein natürliches Muster entworfen hatte, wie
-<span class="antiqua">Simplicius</span> eins war. Alsdann dorfte allererst der Feldscherer
-über mich herwischen, derselbe zwackte mir den
-Kopf und richtete wohl anderthalb Stund an meinen
-Haaren, folgends schnitt er sie ab auf die damalige
-Mode, dann ich hatte Haar übrig. Nachgehends satzte
-er mich in ein Badstüblein und säuberte meinen ausgehungerten<span class="pagenum"><a name="Seite_p045" id="Seite_p045">[S. 45]</a></span>
-Leib von mehr als drei- und vierjähriger
-Unlust. Kaum war er fertig, da brachte man mir ein
-weißes Hemd, Schuhe und Strümpfe samt einem Überschlag
-und Kragen, auch Hut und Feder. Die Hosen
-waren gar schön ausgemacht und überall mit Galaunen
-verbrämt. Die Schneider arbeiteten noch auf die Eil
-am Wams. Der Koch stellte sich mit einem kräftigen
-Süpplein ein und die Kellerin mit einem Trunk. Da
-saß mein Herr <span class="antiqua">Simplicius</span> wie ein junger Graf zum
-besten <span class="antiqua">accommodiert</span>. Ich glaube schwerlich, daß ich
-mein Lebtag ein einzig Mal eine größere Wollust empfunden
-als eben damals. Mein Waldkleid samt Ketten
-und allem Zugehör ward in die Kunstkammer zu andern
-raren Sachen und Antiquitäten getan, daneben
-mein Bildnus.</p>
-
-<p>Nach dem Nachtessen ward ich in ein Bette geleget,
-dergleichen ich nie gekannt. Aber mein Bauch knurrte
-und murrte die ganze Nacht hindurch, daß ich nicht
-schlafen konnte, weil er entweder nicht wußte, was gut
-war, oder weil er sich über die anmütigen, neuen Speisen
-verwunderte. Ich blieb aber liegen, bis die liebe Sonne
-wieder leuchtete.</p>
-
-<p>Denselben Morgen gab mir der Gubernator einen
-Leibschützen, der mich zu meinem Pfarrer brachte. In
-dessen <span class="antiqua">Museo</span> satzten wir uns und er ließ mich vernehmen:</p>
-
-<p>»Lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, der Einsiedel, den du im Walde
-angetroffen und bis zu seinem Tode Gesellschaft geleistet
-hast, ist nicht allein des hießigen Gouverneurs Schwager,
-sondern auch im Krieg sein Beförderer und wertester
-Freund gewesen, wie dem Gubernator mir zu erzählen
-beliebet. Ihm ist von Jugend auf weder an Tapferkeit
-noch an Gottseligkeit niemals nichts abgegangen, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_p046" id="Seite_p046">[S. 46]</a></span>
-beiden Tugenden man zwar selten bei einander zu finden
-pflegt. Sein geistlicher Sinn und widerwärtige Begegnüsse
-hemmten endlich den Lauf seiner weltlichen Glückseligkeit,
-daß er Adel und ansehnliche Güter verschmähete
-und hintan setzte und sein Dichten und Trachten fortan
-nur nach einem erbärmlichen, eremitischen Leben gerichtet
-war. &mdash; Ich will dir aber auch nicht verhalten,
-wie er in den Spessart zu solchem Einsiedlerleben gekommen
-sei.</p>
-
-<p>Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht
-von Höchst verloren worden, kam er einzig und allein
-vor meinen Pfarrhof, als ich eben mit meinem Weib
-und Kindern gegen den Morgen entschlafen war, weil
-wir wegen des Lärmens im Land, beides: der Flüchtigen
-und Nachjagenden, die vorige und auch selbige
-halbe Nacht durch und durch gewachet hatten. Er
-klopfte erst sittig an, folgends ungestüm genug, bis er
-mich und mein schlaftrunkenes Gesind erweckte. Nach
-wenig Wortwechseln, welches beiderseits gar bescheiden
-fiel, ward ihm die Tür geöffnet, und ich sahe den Kavalier
-vom Pferde steigen. Sein kostbarlich Kleid war
-ebenso sehr mit seiner Feinde Blut besprengt als mit
-Gold und Silber verbrämt. Er besänftigte Forcht und
-Schrecken, indem er seinen bloßen Degen einsteckte, und
-ich sprach ihn seiner schönen Person und des herrlichen
-Ansehens halber vor den Mansfelder selbst an. Er
-aber sagte, er sei denselben vor diesmal nur in der
-Unglückseligkeit nicht allein zu vergleichen, sondern auch
-vorzuziehen. Drei Dinge beklagte er: Seine verlorene,
-hochschwangere Gemahlin, die verlorene Schlacht und,
-daß er nicht vor das Evangelium sein Leben zu lassen
-das Glück gehabt hätte. Ich wollte ihn trösten, sahe
-aber bald, daß seine Großmütigkeit keines Trostes bedurfte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p047" id="Seite_p047">[S. 47]</a></span>
-Er begehrte ein Soldatenbett von frischem
-Stroh.</p>
-
-<p>Das erste am folgenden Morgen war, daß er mir
-sein Pferd schenkte und sein Gold samt etlichen köstlichen
-Ringen unter meine Frau, Kinder und Gesinde
-austeilete. Ich trug Bedenken, so große Verehrung
-anzunehmen. Er aber sagte, er wollte mich vor Gefahr
-des Argwohns mit seiner eigenen Handschrift versichern,
-ja er begehrte sogar sein Hemd, geschweige seine Kleider
-aus meinem Pfarrhof nicht zu tragen. Ich wehrete mit
-Händen und Füßen, was ich konnte, weil solches Vorhaben
-zumal nach dem Papsttum schmäcke (dann er
-eröffnete unumwunden, ein Eremit zu werden) mit Erinnerung,
-daß er dem Evangelio mehr mit seinem
-Degen würde dienen können. Aber vergeblich. Ich mußte
-ihn mit denjenigen Büchern und Hausrat montieren,
-die du bei ihm gefunden, und er ließ sich einen Rock
-aus der wollenen Decke machen, darunter er dieselbe
-Nacht auf dem Stroh geschlafen. So mußte ich auch
-meine Wagenketten mit ihm um eine göldene, daran er
-seiner Liebsten Conterfait trug vertauschen.</p>
-
-<p>Nachdem nun neulich die Schlacht vor Nördlingen
-verloren, habe ich mich hierher in Sicherheit geflehnet,
-weil ich ohn das schon meine besten Sachen hier hatte.
-Als mir die baren Geldmittel aufgehen wollten, nahm
-ich drei Ringe und obgemeldte göldene Kette mit samt
-dem anhangenden Conterfait und trugs zum Juden,
-solches zu versilbern. Der hat es aber der Köstlichkeit
-und schönen Arbeit wegen dem Gubernator käuflich
-angetragen, welcher das Wappen, maßen ein Petschierring
-darunter war, und das Conterfait erkannt, nach
-mir geschickt und mich befragt hat. Ich wiese des Einsiedlers
-Handschrift oder Übergabsbrief auf und erzählte,<span class="pagenum"><a name="Seite_p048" id="Seite_p048">[S. 48]</a></span>
-wie er gelebet und gestorben. Er wollte solches nicht
-glauben, sondern kündete mir den Arrest an, bis er die
-Wahrheit am Orte ergründet und dich hierher gebracht
-hätte. Da ist mir nun durch dich, indem du mich erkannt,
-insonderheit aber durch das Brieflein, so in
-deinem Gebetbuch gefunden ward, ein trefflichs Zeugnis
-gegeben worden. Als will er dir und mir wegen seines
-Schwagers selig Gutes tun, du darfst dich jetzt nur
-resolviern, was du wilt, daß er dir tun soll.«</p>
-
-<p>Ich antwortete, es gälte mir gleich.</p>
-
-<p>Der Pfarrer zögerte mich auf seinem Losament bis
-zehn Uhr, eh er mit mir zum Gubernator ging, damit
-er bei demselben zu mittags Gast sein könne. Dann es
-war damals Hanau blockiert und eine solche klemme Zeit
-bei dem gemeinen Mann, bevor aber den Flüchtlingen
-in selbiger Festung, daß auch etliche, die sich etwas einbildeten,
-die angefrorenen Rubschälen auf den Gassen,
-so die Reichen etwa hinwarfen, aufzuheben nicht verschmäheten.
-Es glückte dem Pfarrer auch sowohl, daß
-er neben dem Gubernator selbst über der Tafel zu sitzen
-kam. Ich aber wartete auf mit einem Teller in der
-Hand, wie mich der Hofmeister anwiese, in welches ich
-mich zu schicken wußte wie ein Esel ins Schachspiel.
-Aber der Pfarrer ersatzte allein mit seiner Zunge, was
-die Ungeschicklichkeit meines Leibes nicht vermochte.
-Er erzählte meine Auferziehung in der Wildnus und
-wie ich dahero wohl vor entschuldigt zu halten, meine
-Treue, die ich dem Einsiedel erwiesen und unser hartes
-Leben, weiters daß der Einsiedel all seine Freude an
-mir gehabt, weil ich seiner Liebsten von Angesicht so
-ähnlich sei. Er rühmte meine Beständigkeit und unveränderlichen
-Willen. <span class="antiqua">In summa</span> er konnte nicht genugsam
-aussprechen, wie der Einsiedel mich ihm mit ernstlicher<span class="pagenum"><a name="Seite_p049" id="Seite_p049">[S. 49]</a></span>
-Inbrünstigkeit kurz vor seinem Tod <span class="antiqua">rekommendieret</span>.</p>
-
-<p>Dies kützelte mich dermaßen in Ohren, daß mich bedünkte,
-ich hätte schon Ergötzlichkeit genug vor alles
-empfangen, das ich je bei dem Einsiedel ausgestanden.
-Der Gubernator fragte, ob sein seliger Schwager nicht
-gewußt hätte, daß er derzeit in Hanau kommandiere.
-»Freilich,« antwortete der Pfarrer, »ich habe es ihm
-selbst gesagt. Er hat es aber zwar mit einem fröhlichen
-Gesicht und kleinem Lächlen, jedannoch so kaltsinnig
-angehört, daß ich mich über des Mannes Beständigkeit
-und festen Vorsatz verwundern muß.«</p>
-
-<p>Dem Gubernator, der sonst kein weichherzig Weibergemüt
-hatte, stunden die Augen voll Wasser, da er sagte:</p>
-
-<p>»Hätte ich gewußt, daß er noch im Leben, so wollte
-ich ihn auch wider Willen haben holen lassen, damit
-ich ihm seine Guttaten hätte erwidern können. Als will
-ich anstatt seiner seinen <span class="antiqua">Simplicium</span> versorgen. Ach,
-der redliche Kavalier hat wohl Ursache gehabt, seine
-schwangere Gemahlin zu beklagen, dann sie ist von
-einer Partei kaiserlicher Reuter im Spessart gefangen
-worden. Ich habe einen Trompeter zum Gegenteil geschickt,
-meine Schwester zu ranzionieren, habe aber
-nichts erfahren, als daß meine Schwester denen Reutern
-im Spessart verloren gegangen sei, da sie von etlichen
-Bauren zertrennt worden.«</p>
-
-<p>Ich ward also des Gubernators Page und ein solcher
-Kerl, den die Leute, sonderlich die Bauren, bereits
-Herr Jung nannten.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p050" id="Seite_p050">[S. 50]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_zwoelfte_Kapitel" id="Das_zwoelfte_Kapitel">Das zwölfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Damals war bei mir nichts schätzbarliches als ein
-rein Gewissen. Ich kannte von den Lastern nichts
-anderes, als daß ich sie etwan nennen gehört oder
-davon gelesen hatte, und wann ich deren eines wirklich
-begehen sahe, wars mir eine erschröckliche und seltene
-Sache. Herr Gott, wie wunderte ich mich anfänglich,
-wann ich das Gesetz und Evangelium samt den getreuen
-Warnungen Christi betrachtete und hingegen
-derjenigen Werke ansahe, die sich vor seine Jünger und
-Nachfolger ausgaben! Ich fand eitel Heuchelei und
-unzählbare Torheiten bei allen Weltmenschen, daß ich
-verzweifelte, ob ich Christen vor mir hätte oder nicht.
-Also hatte ich wohl tausenderlei Grillen und seltsame
-Gedanken in meinem Gemüt und geriet in schwere
-Anfechtung wegen des Befehles Christi: Richtet nicht,
-so werdet ihr auch nicht gerichtet.</p>
-
-<p>Nächst der Hoffart und dem Geiz samt deren ehrbaren
-Anhängen waren Fressen und Saufen, Huren
-und Buben bei den Vermüglichen eine tägliche Übung.
-Aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gottes
-machten sie nur einen Scherz. Zum Exempel hörete ich
-einsmals einen Ehebrecher, der seiner Tat noch gerühmet
-sein wollte: »Es tuts dem geduldigen Hanrei
-genug, daß er meinetwegen ein Paar Hörner trägt.
-Ich habs mehr dem Mann zu Leid als der Frau zu
-Lieb getan, damit ich mich an ihm rächen möchte.«</p>
-
-<p>»O, kahle Rache,« antwortete ein ehrbar Gemüt,
-»dadurch man sein eigen Gewissen beflecket und den
-schändlichen Namen eines Ehebrechers überkommt!«</p>
-
-<p>»Was Ehebrecher,« antwortete der mit Gelächter,<span class="pagenum"><a name="Seite_p051" id="Seite_p051">[S. 51]</a></span>
-»ich bin darum kein Ehebrecher, wannschon ich diese
-Ehe ein wenig gebogen habe. Dies seind Ehebrecher,
-wovon das sechst Gebot saget, daß keiner einem andern
-in Garten steigen und die Kirschen eher brechen solle
-als der Eigentumsherr.«</p>
-
-<p>Und er nannte nach seinem Teufelskatechismo den
-gütigen Gott einen Ehebrecher, weil er Mann und
-Weib durch den Tod von einander trennet.</p>
-
-<p>Ich sagte, wiewohl er ein Offizierer war, aus übrigem
-Eifer und Verdruß zu ihm: »Meinst du nicht, daß du
-dich mit diesen gottlosen Worten mehr versündigest, als
-mit dem Ehebruch selbst?«</p>
-
-<p>Er aber antwortete: »Du Mauskopf, soll ich dir
-ein paar Ohrfeigen geben?«</p>
-
-<p>Und ich vermerkte bald, daß jeder Weltmensch einen
-besonderen Nebengott hatte, ja, etliche hatten wohl
-mehr als die alten und neuen Heiden selbsten. Einige
-hatten den ihren in den Geldkisten, andere in der Reputation,
-noch andere in ihrem Kopf, so ihnen Gott
-ein gesund Gehirn verliehen, also daß sie einzige Künste
-und Wissenschaften zu fassen geschickt waren. Auch gab
-es viel, deren Gott ihr eigener Bauch war, welchem
-sie täglich zu allen Mahlzeiten opferten, und wann
-solcher sich unwillig erzeigte, so machten die elenden
-Menschen einen Gott aus dem <span class="antiqua">Medico</span> und suchten
-ihres Leibes Aufenthalt in der Apotheke, aus welcher
-sie zwar öfters zum Tod befördert wurden. Manche
-Narren machten Göttinnen aus glatten Metzen, sie
-nannten sie mit andern Namen und beteten sie Tag
-und Nacht an mit tausend Seufzen und Liedern. Hingegen
-waren Weibsbilder, die hatten ihre eigene Schönheit
-vor ihren Gott aufgeworfen. Sie brachten ihr
-Opfer mit Schminke, Salben, Wassern, Pulvern und<span class="pagenum"><a name="Seite_p052" id="Seite_p052">[S. 52]</a></span>
-sonst Schmiersel genug. Ich sahe Leute, die wohlgelegene
-Häuser vor Götter hielten, und ich kannte
-einen Kerl, der konnte in etlichen Jahren vor dem
-Tabackhandel nicht recht schlafen, weil er demselben sein
-Herz, Sinne und Gedanken geschenkt hatte. Aber der
-Phantast starb und fuhr dahin wie der Tabakrauch
-selbst. Ein anderer Gesell, als bei einer Gesellschaft
-erzählet ward, wie jeder sich in dem greulichen Hunger
-und teueren Zeiten ernährt und durchgebracht, sagte
-mit deutschen Worten: Die Schnecken und Frösche seien
-sein Herrgott gewesen.</p>
-
-<p>Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in
-eine Kunstkammer, darin schöne Raritäten waren. Unter
-den Gemälden gefiel mir nichts besser als ein <span class="antiqua">Ecce-Homo</span>
-wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es
-die Anschauenden gleichsam zum Mitleiden verzuckte.
-Darneben hing eine papierene Karte, in China gemalt,
-darauf stunden der Chineser Götter in ihrer Majestät
-sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren. Der
-Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner
-Kunstkammer mir am besten gefiele. Ich deutete auf
-besagtes <span class="antiqua">Ecce-Homo</span>. Er aber sagte ich irre mich, der
-Chineser Gemält wäre rarer und dahero auch köstlicher,
-er wolle es nicht um zehen solcher <span class="antiqua">Ecce-Homo</span>
-manglen. Ich antwortete: »Herr ist Euer Herz wie
-Euer Mund?« Er sagte: »Ich versehe michs.« Darauf
-ich: »So ist auch Eures Herzens Gott derjenige, dessen
-Conterfait Ihr mit dem Mund bekennet, das Köstlichste
-zu sein.« »Phantast,« rief er, »ich <span class="antiqua">aestimiere</span> die
-Rarität!«</p>
-
-<p>So sehr wurden nun diese Abgötter nicht geehret,
-als hingegen die wahre Göttliche Majestät verachtet.
-Christus spricht: &#8218;Liebet eure Feinde, segnet die euch<span class="pagenum"><a name="Seite_p053" id="Seite_p053">[S. 53]</a></span>
-fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die,
-so euch beleidigen und verfolgen, aufdaß ihr Kinder
-seid eures Vaters im Himmel. Dann so ihr liebet, die
-euch lieben, was werdet ihr für einen Lohn haben?
-Tun solches nicht auch die Zöllner? Und so ihr euch
-nur zu eueren Brüdern freundlich zeiget, was tut ihr
-Sonderlichs? Tun nicht die Zöllner also auch?&#8217;</p>
-
-<p>Aber ich fand nicht allein niemand, der diesem Befehl
-Christi nachzukommen begehrte, sondern jeder tät
-gerade das Widerspiel.</p>
-
-<p>Es hieß: viel Schwäger, viel Knebelspieße. Und
-nirgends fand ich mehr Neid, Haß, Mißgunst, Hader
-und Zank als zwischen Brüdern und Schwestern und
-andern angeborenen Freunden, sonderlich wann ihnen
-ein Erbe zu teilen zugefallen. Wo die größte Liebe und
-Treue sein sollte, fand ich höchste Untreue und den
-gewaltigsten Haß. Herren schunden ihre getreuen Diener,
-und solche wurden an ihren frommen Herren zu
-Schelmen. Den continuierlichen Zank vermerkte ich
-zwischen vielen Eheleuten. Mancher Tyrann hielt sein
-ehrlich Weib ärger als einen Hund, und manch lose
-Vettel ihren frommen Mann vor einen Narren und
-Esel. Die Handelsleute und Handwerker rannten mit
-dem Judenspieß gleichsam um die Wette und sogen
-durch allerhand Fünde und Vorteil dem Baursmann
-seinen sauren Schweiß ab. Hingegen waren teils Bauren
-so gottlos, andere Leute, wann die nicht rechtschaffen
-genug mit Boßheit durchtrieben waren, oder wohl
-gar ihren Herren selbst, unter Schein der Einfalt zu
-begaunern.</p>
-
-<p>Ich sahe einsmals einen Soldaten einem andern eine
-dichte Maulschelle geben und bildete mir ein, der Geschlagene
-würde den andern Backen auch darbieten.<span class="pagenum"><a name="Seite_p054" id="Seite_p054">[S. 54]</a></span>
-Aber ich irrte, dann der Beleidigte zog vom Leder und
-versatzte dem Täter eins vor den Kopf.</p>
-
-<p>Ich sagte: »Ach Freund, was machst du!«</p>
-
-<p>Er antwortete: »Da wäre einer ein Bernheuter! Ich
-will mich, schlag mich der Donner und hol mich der
-Teufel, selbst rächen oder das Leben nicht haben! Hei,
-müßte doch einer ein Schelm sein, der sich so coujonieren
-ließe!«</p>
-
-<p>Das Lärmen zwischen den zweien Duellanten vergrößerte
-sich, weilen beiderseits Beiständer auch in die
-Haare kamen. Da bliebs bei geringen Kinderschwüren
-nicht. Die heiligen Sakramente mußten nicht nur siebenfach,
-sondern auch mit hunderttausenden soviel Tonnen,
-Galeeren und Stadtgräben voll heraus, also daß mir
-alle Haare zu Berg stunden.</p>
-
-<p>Zum allerschröcklichsten kam es mir vor, wann ich
-etliche Großsprecher sich ihrer Boßheit, Sünden, Schande
-und Laster rühmen hörte. Da vernahm ich zu unterschiedlichen
-Zeiten:</p>
-
-<p>»Potz Blut, wie haben wir gestern gesoffen! Ich
-habe mich in einem Tag wohl dreimal vollgesoffen
-und eben soviel Mal gekotzt!«</p>
-
-<p>»Potz Stern, wie haben wir die Bauren, die Schelmen,
-tribuliert!«</p>
-
-<p>»Potz Strahl, wie haben wir Beuten gemacht!«</p>
-
-<p>»Potz hundert Gift, wie haben wir einen Spaß mit
-den Weibern und Mägden gehabt!«</p>
-
-<p>»Ich habe ihn darniedergehauen, als wenn ihn der
-Hagel hätte darnieder geschlagen.«</p>
-
-<p>»Ich habe ihn geschossen, daß er das Weiße über
-sich kehrte.«</p>
-
-<p>»Ich habe ihn so artlich über den Tölpel geworfen,
-daß ihn der Teufel hätte holen mögen. &mdash; Ich habe<span class="pagenum"><a name="Seite_p055" id="Seite_p055">[S. 55]</a></span>
-ihm den Stein gestoßen, daß er den Hals hätte brechen
-mögen.«</p>
-
-<p>In Gottes Namen sündigten sie, was wohl zu erbarmen
-ist: »Wir wollen in Gottesnamen auf Partei,
-plündern, niedermachen, in Brand stecken.«</p>
-
-<p>Wann ich so etwas hörete und sahe und, wie meine
-Gewohnheit war, mit der Hl. Schrift hervorwischte,
-so hielten mich die Leute vor einen Narren und ich
-ward ausgelachet, daß ich endlich auch unwillig wurde
-und mir vorsatzte, gar zu schweigen.</p>
-
-<p>Als ich demnach vermeinete, ich hätte Ursach zu
-zweifeln, ob ich unter Christen wäre oder nicht, ging
-ich zu dem Pfarrer mit der Bitte, er wolle mir doch
-aus dem Traum helfen. Der Pfarrer antwortete: »Freilich
-sind sie Christen und wollte ich dir nicht raten,
-daß du sie anderst nennen solltest. Dessen verwundere
-dich nicht. Wann die Apostel selbst anjetzo auferstehen
-und in die Welt kommen sollten, sie würden jeder
-männiglich vor Narren gehalten sein. Was du siehest
-und hörest ist eine allgemeine Sache und nur Kinderspiel
-dagegen, was sonsten so heimlich, als offentlich
-und mit Gewalt wider Gott und den Menschen vorgeht.
-Laß dich das nicht ärgern. Du wirst wenig Christen
-finden, wie dein Einsiedel einer gewesen ist.«</p>
-
-<p>Indem führet man etliche Gefangene über den Platz
-und wir beschaueten sie auch. Da vernahm ich eine neue
-Mode einander zu grüßen und zu bewillkommnen, dann
-einer unserer Guarnison kannte einen Gefangenen. Zu dem
-ging er, gab ihm die Hand und druckete sie vor lauter Freude
-und Treuherzigkeit, dabei er sagte: »Daß dich der Hagel
-erschlage, lebst du noch, Bruder? Potz Fickerment, wie
-führt uns der Teufel hier zusammen! Ich habe, schlag mich
-der Donner vorlängst gemeinet, du wärest gehängt worden!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p056" id="Seite_p056">[S. 56]</a></span>
-
-Darauf antwortete der andere: »Potz Blitz Bruder,
-bist dus oder bist dus nicht? Daß dich der Teufel hole,
-wie bist du hierher gekommen? Ich hätte mein Lebtag
-nicht vermeinet, daß ich dich wieder antreffen würde,
-sondern habe gedacht, der Teufel hätte dich vorlängst
-hingeführet!«</p>
-
-<p>Und als sie von einander gingen, sagte einer zum
-andern:</p>
-
-<p>»Strick zu, Strick zu, morgen kommen wir vielleicht
-zusammen, dann wollen wir brav mit einander saufen!«</p>
-
-<p>Ich verwunderte mich und ging, dem Gubernator
-aufzuwarten, dann ich hatte gewisse Zeiten Erlaubnus,
-die Stadt zu beschauen, weil mein Herr von meiner
-Einfalt Wind hatte und gedachte, solche würde sich
-legen, wann ich herumterminierte und von andern gehobelt
-und gerülpt würde.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p057" id="Seite_p057">[S. 57]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_dreizehnte_Kapitel" id="Das_dreizehnte_Kapitel">Das dreizehnte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Meines Herren Gunst mehrete sich täglich, weil ich
-nicht allein seiner Schwester je länger, je gleicher
-sahe, sondern auch ihm selbsten, indem die guten Speisen
-und faulen Täge mich glatthärig machten. Wer etwas
-mit dem Gubernator zu tun hatte, erzeigte sich mir
-günstig, und sonderlich mochte mich der <span class="antiqua">Secretarius</span>
-wohl leiden, indem mir derselbe rechnen lernen mußte.</p>
-
-<p>Er war erst von den Studien gekommen und stak
-noch voller Schulpossen, die ihm zu Zeiten ein Ansehen
-gaben, als wann er einen Sparren zu viel oder zu
-wenig gehabt hätte. Er überredete mich oft, schwarz
-sei weiß und weiß sei schwarz, dahero kam es, daß ich ihm
-in der Erste alles und aufs letzte gar nichts mehr glaubte.</p>
-
-<p>Einsmals tadelte ich sein schmierig Tintenfaß, er
-aber antwortete solches sei sein bestes Stück in der
-ganzen Kanzlei, dann daraus lange er hervor, was er
-begehre, die schönsten Dukaten, Kleider und <span class="antiqua">in summa</span>,
-was er vermöchte, hätte er nach und nach herausgefischt.
-Ich wollte das von einem so kleinen, verächtlichen
-Ding nicht glauben. Hingegen sagte er, solches
-Vermöge der <span class="antiqua">spiritus papyri</span> (also nannte er die Tinte)
-und das Tintenfaß würde darum Faß genannt, weil
-es große Dinge fasse.</p>
-
-<p>»Wie soll mans herausbringen, sintemal man kaum
-zween Finger hineinstecken kann?«</p>
-
-<p>Er antwortete, er hätte einen Arm im Kopf, der
-solche Arbeit verrichten müsse und verhoffe sich bald
-auch eine schöne, reiche Jungfrau herauszulangen.
-Wann er Glück hätte, so getraue er auch ein eigen
-Land und Leute heraus zu bringen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p058" id="Seite_p058">[S. 58]</a></span>
-
-Ich mußte mich über diese künstlichen Griffe verwundern
-und fragte, ob noch mehr Leute solche Kunst
-könnten.</p>
-
-<p>»Freilich, alle Kanzler, Doktoren, <span class="antiqua">Secretarii</span>, Prokuratoren
-oder Advokaten, <span class="antiqua">Commissarii</span>, <span class="antiqua">Notarii</span>, Kauf-
-und Handelsherren, so, wann sie nur fleißig fischen,
-zu reichen Herren daraus werden.«</p>
-
-<p>Ich meinte so seien die Bauren und andere arbeitsame
-Leute nicht witzig, daß sie im Schweiß ihres
-Angesichtes ihr Brot essen und diese Kunst nicht auch
-lernen. Er aber sagte: »Etliche wissen der Kunst
-Nutzen nicht, dahero begehren sie solche auch nicht zu
-lernen; etliche wolltens gern, mangeln aber des Arms
-im Kopfe oder anderer Mittel; etliche lernen die Kunst
-und haben Arms genug, wissen aber die Griffe nicht,
-so die Kunst erfordert, wenn man dadurch will reich
-werden; andere wissen und können alles, was dazu gehöret,
-sie wohnen aber in der Fehlhalde und haben
-keine Gelegenheit wie ich, die Kunst zu üben.«</p>
-
-<p>Als wir dergestalt vom Tintenfaß diskurierten, kam
-mir das Titularbuch ungefähr in die Hände, darin fand
-ich mehr Torheiten, als mir bisher noch nie vor Augen
-gekommen.</p>
-
-<p>Ich rief: »Alles sind ja Adamskinder und eines Gemächts
-miteinander, Staub und Aschen, woher kommt
-ein so großer Unterschied? Allerheiligst, Unüberwindlichst,
-Durchleuchtigst! Sind das nicht göttliche Eigenschaften?
-<em>Der</em> ist gnädig, der ander gestreng und was
-tut das Geboren dabei? <em>Die</em> heißen Hoch-, Wohl-, Vor-Großgeachte!
-Was ist das vor ein närrisch Wort: Vorsichtig!
-Wem stehen dann die Augen hinten im Kopf?
-Es ist viel rühmlicher, wann einer freundlich tituliert
-wird. <span class="antiqua">Item</span> wann das Wort Edel an sich selbsten hochschätzbare<span class="pagenum"><a name="Seite_p059" id="Seite_p059">[S. 59]</a></span>
-Tugenden bedeutet, warum es bei Fürsten
-und Grafen zwischen hoch und geboren setzen? Und
-Wohlgeboren ist eine Lüge, solches möchte eines jeden
-Barons Mutter bezeugen, wann man sie fragte, wie
-es ihr bei der Entbindung ergangen sei.«</p>
-
-<p>Der <span class="antiqua">Secretarius</span> und ich lacheten gar sehr. Indem
-entrann mir ein so grausamer Leibsdunst, daß beide
-ich und der <span class="antiqua">Secretarius</span> darüber erschraken.</p>
-
-<p>»Trolle dich, du Sau,« sagte er, »zu den andern
-Säuen im Stall, mit denen, du Rülp, besser zustimmen,
-als mit ehrlichen Leuten konversieren kannst!«</p>
-
-<p>Und also hatte ich den guten Handel in der Schreibstube,
-dem gemeinen Sprüchwort nach, auf einmal
-verkerbt.</p>
-
-<p>Ich kam unschuldig in das Unglück, dann die ungewöhnlichen
-Speisen und Arzneien, die mein eingeschnurrtes
-Gedärm zurecht bringen sollten, erregten
-viel garstige Wetter und Stürm in mir, maßen weder
-mein Einsiedel noch mein Knän mich unterrichtet, daß
-es übel getan sei, wann man dies Orts der Natur
-willfahre.</p>
-
-<p>Mein Herr hatte nun einen ausgestochenen Essig
-zum Pagen neben mir, dem schenkte ich mein Herz.
-Aber er eiferte mit mir, wegen der großen Gunst, die
-mein Herr zu mir trug. Er besorgte, ich möchte ihm
-vielleicht die Schuhe gar austreten und sahe mich
-heimlich mit Mißgunst an. Er sann auf Mittel, wie
-er mir den Stein stoßen möge und mich zu Fall brächte.
-Ich aber vertraute ihm alle meine Heimlichkeiten, so
-alle auf kindischer Einfalt und Frömmigkeit bestunden.</p>
-
-<p>Einsmals schwätzten wir im Bett vom Wahrsagen,
-und er versprach mir solches umsonst zu lernen. Hieße
-mich darauf den Kopf unter die Decke tun. Ich gehorchte<span class="pagenum"><a name="Seite_p060" id="Seite_p060">[S. 60]</a></span>
-fleißig und gab auf die Ankunft des Wahrsagegeistes
-genaue Achtung. Potz Glück! Desselben Einzug
-in meine Nase war so stark, daß ich eilends unter der
-Decke herfürwischte.</p>
-
-<p>»Was hast du,« fragte der Lehrmeister. Ich antwortete
-ihm. Da meinte er: »Du kannst also die Kunst
-des Wahrsagens am besten.«</p>
-
-<p>Ich nahms vor keinen Schimpf, dann ich hatte damals
-noch keine Galle und begehrte allein zu wissen,
-wie ihm dies so stillschweigend gelungen sei. Er antwortete:
-»Du darfst nur das linke Bein lupfen und
-darneben heimlich sagen: <span class="antiqua">je pete, je pete, je pete</span> und
-mithin so stark gedruckt, als du kannst.«</p>
-
-<p>»Es ist gut,« sagte ich, »man meinet sodann, die
-Hunde haben die Luft verfälscht. Ach, hätte ich doch
-diese Kunst heute in der Schreibstube gewußt!«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p061" id="Seite_p061">[S. 61]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_vierzehnte_Kapitel" id="Das_vierzehnte_Kapitel">Das vierzehnte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Des andern Tags hatte mein Herr seinen Offizierern
-und andern guten Freunden eine fürstliche
-Gasterei angestellt, weil die Unsrigen das feste Haus
-Braunfels ohn Verlust eines einzigen Mannes genommen.
-Da mußte ich helfen Speisen auftragen, einschenken
-und mit einem Teller aufwarten.</p>
-
-<p>Den ersten Tag ward mir ein großer, fetter Kalbskopf
-(von welchen man saget, daß sie kein Armer fressen
-dörfe) aufzutragen eingehändigt. Weil nun derselbig
-ziemlich mürb gesotten war, ließ er das eine Aug weit
-herauslappen, welches mir ein anmutiger und verführerischer
-Anblick war. Und da mich der frische Geruch
-von der Speckbrühe und aufgestreutem Ingwer zugleich
-anreizete, empfand ich einen solchen Appetit, daß mir
-das Maul ganz voll Wasser ward: <span class="antiqua">in summa</span> das Aug
-lachte meine Augen, meine Nase und meine Zunge zugleich
-an und bat gleichsam, ich wollte es doch meinem
-heißhungrigen Magen einverleiben. Ich ließ mir nicht
-lang den Rock zerreißen, sondern folgte den Begierden.
-Im Gang hub ich das Aug mit einem Löffel so meisterlich
-heraus und schickte es ohn Anstoß so geschwind
-an seinen Ort, daß es auch niemand inne ward, bis
-das Essen auf den Tisch kam und mich verriet. So
-mangelte eins von den allerbesten Gliedmaßen dem
-Kalbskopf. Mein Herr wollte fürwahr den Spott nicht
-haben, daß man ihm einen einäugigen Kalbskopf aufzustellen
-wagte. Der Koch mußte vor die Tafel und
-zuletzt kam das <span class="antiqua">facit</span> über den armen <span class="antiqua">Simplicium</span> heraus.
-Mein Herr fragte mit einer schröcklichen Miene,
-wohin ich mit dem Kalbsaug gekommen wäre. Geschwind<span class="pagenum"><a name="Seite_p062" id="Seite_p062">[S. 62]</a></span>
-zuckte ich mit meinem Löffel aus dem Sack, gab
-dem Kalbskopf den andern Fang und wiese kurz und
-gut, was man wissen wollte, maßen ich das ander Aug
-in einem Hui verschlang.</p>
-
-<p>»<span class="antiqua">Par dieu</span>,« sagte mein Herr, »dieser Akt schmäckt
-mir besser als zehn Kälber!«</p>
-
-<p>Etliche Possenreißer, Fuchsschwänzer und Tischräte
-lobten meine kluge Erfindung, da ich beide Kalbsaugen
-zusammenlogiert, als eine Vorbedeutung künftiger Tapferkeit
-und unerschrockener Resolution. Also ich vor diesmal
-meiner verdieneten Strafe entging. Mein Herr aber
-sagte, ich sollte ihm nicht wieder so kommen.</p>
-
-<p>Bei dieser Mahlzeit trat man ganz christlich zur
-Tafel und sprach das Tischgebet sehr still und andächtig.
-Solche Andacht kontinuierte, solang als man mit
-den ersten Speisen zu tun hatte, als wann man in einem
-Kapuziner-<span class="antiqua">Convent</span> gesessen hätte. Aber kaum hatte
-jeder drei- oder viermal »gesegnet Gott« gesagt, ward
-schon alles lauter. Je länger, je höher erhub sich nach
-und nach eines jeden Stimme ohnbeschreiblich.</p>
-
-<p>Man brachte Gerichte, deswegen »Voressen« genannt,
-weil sie gewürzt und vor dem Trunk zu genießen verordnet
-waren, <span class="antiqua">item</span> Beiessen, weil sie bei dem Trunk
-nicht übel schmeckten, allerhand französischer <span class="antiqua">Potagen</span>
-und spanischer <span class="antiqua">Ollapotriden</span> zu geschweigen, welche durch
-tausendfältige Zubereitung und unzählbare Zusätze dermaßen
-verpfeffert, verdümmelt, vermummet, mixiert
-und zum Trunk gerüstet waren, daß sie nach ihrer natürlichen
-Substanz unerkenntlich blieben. Wer weiß, ob
-die Zauberin <span class="antiqua">Circe</span> andere Mittel gebraucht hat, des Ulisses
-Gefährten in Schweine zu verwandeln? Dann die Gäste
-fraßen die Gerichte wie Säue, darauf soffen sie wie Kühe,
-stellten sich dabei wie Esel und spien wie die Gerberhunde.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p063" id="Seite_p063">[S. 63]</a></span>
-
-Den edlen Hochheimer, Bacheracher und Klingenberger
-gossen sie in kübelmäßigen Gläsern hinunter und
-brachten einander Trünke zu, die je länger, je größer
-wurden, als ob sie um die Wette miteinander stritten.</p>
-
-<p>Bis dahin hatte jeder mit gutem Appetit das Geschirr
-geleert, nachdem aber Mägen und Köpfe voll
-und toll wurden, mußten bei einem Courage, beim andern
-Treuherzigkeit, seinem Freunde eins zuzubringen,
-beim dritten die deutsche Redlichkeit, ritterlich Bescheid
-zu tun, den Trunk fördern. Maßen aber solches der
-Länge nach auch nicht bestehen konnte, beschwur je einer
-den andern bei großer Herren, lieber Freunde oder bei
-der Liebsten Gesundheit den Wein maßweis in sich zu
-schütten, worüber manchem die Augen übergingen und
-der Angstschweiß ausbrach, doch mußte es gesoffen sein.
-Ja, man machte zuletzt mit Trommeln, Pfeifen und
-Saitenspiel ein Lärmen und schoß mit Stücken darzu,
-ohn Zweifel darum, dieweil der Wein die Mägen mit
-Gewalt einnehmen mußte.</p>
-
-<p>Mein Pfarrer war auch bei dieser Gasterei. Ich trat
-zu ihm und sagte: »Warum tun die Leute so seltsam?
-Woher kommt es doch, daß sie so hin und her dorkeln?
-Mich dünkt schier, sie sein nicht recht witzig, sie haben
-sich alle sattgegessen und getrunken, daß sie schwören bei
-Teufelholen, wann sie mehr saufen könnten, und dannoch
-hören sie nicht auf sich auszuschoppen! Müssen
-sie es tun?«</p>
-
-<p>Der Pfarrer flüsterte mir zu: »Liebes Kind, Wein
-ein, Witz aus. Das ist noch nichts demgegenüber, was
-noch kommen soll.«</p>
-
-<p>»Zerbersten dann ihre Bäuche nicht, wann sie immer so
-unmäßig einschieben? Können dann ihre Seelen, die Gottes
-Ebenbild sein, in solchen Mastschweinkörpern verharren?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p064" id="Seite_p064">[S. 64]</a></span>
-
-»Halts Maul,« antwortete der Pfarrer, »du dörftest
-sonst greulich Pumpes kriegen. Hier ist keine Zeit zu
-predigen, ich wollt's sonst besser als du verrichten.«</p>
-
-<p>Ich sahe ferner stillschweigend zu, wie man Speise
-und Trank mutwillig verderbte, unangesehen des armen
-Lazarus, den man damit hätte laben können in Gestalt
-vieler vertriebener Flüchtlinge, denen der Hunger aus
-den Augen heraus guckte und die vor unsern Türen
-verschmachteten.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p065" id="Seite_p065">[S. 65]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Das_fuenfzehnte_Kapitel" id="Das_fuenfzehnte_Kapitel">Das fünfzehnte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Als ich dergestalt mit einem Teller vor der Tafel
-aufwartete, und mein Gemüt von merklichen Gedanken
-geplagt ward, ließ mich auch mein Bauch nicht
-zufrieden. Er knurrte und murrte ohn Unterlaß. Ich
-gedachte dem ungeheuern Gerümpel abzuhelfen und mich
-dabei meiner neuerlernten Kunst zu bedienen. Lupfete
-also das Bein, druckte von allen Kräften, was ich
-konnte, und wollte heimlich meinen Spruch: <span class="antiqua">je pete</span> &mdash;
-sagen, aber das ungeheuere Gespann entwischte wider
-mein Verhoffen mit greulichem Bellen. Mir wars einsmals
-so bang, als wenn ich auf der Leiter am Galgen
-gestanden wäre und mir der Henker bereits den Strick
-hätte anlegen wollen. In solcher gählingen Angst verwirrt,
-wurde mein Maul in diesem urplötzlichen Lärmen
-rebellisch, und wo es heimlich brummeln sollte, entfuhr
-ihm desto grausamer mit erschröcklicher Stimme sein:
-<span class="antiqua">je pete</span>.</p>
-
-<p>Hiedurch bekam ich Linderung, dagegen einen ungnädigen
-Herrn an meinem Gouverneur. Seine Gäste
-wurden über diesem unversehenen Knall fast wieder
-alle nüchtern, ich aber über die Futtertruhe gespannt
-und also gepeitscht, daß ich noch bis auf diese Stund
-daran gedenke. Solches waren die ersten Pastonaden,
-die ich kriegte.</p>
-
-<p>Da brachte man Rauchtäfelein und Kerzen, und die
-Gäste suchten ihre Bisemknöpfe und Balsambüchslein,
-auch sogar ihren Schnupftabak hervor, aber die besten
-<span class="antiqua">Aromata</span> wollten schier nichts erklecken.</p>
-
-<p>Wie dies nun überstanden, mußte ich wieder aufwarten
-wie zuvor. Mein Pfarrer war auch noch vorhanden<span class="pagenum"><a name="Seite_p066" id="Seite_p066">[S. 66]</a></span>
-und ward zum Trunk genötiget. Er aber wollte
-nicht recht daran und sagte, er möchte so viehisch nicht
-saufen. Hingegen erwiese ihm ein guter Zechbruder, daß
-er wie ein Viehe, sie aber, die andern, wie Menschen
-söffen.</p>
-
-<p>»Dann eine Vieh säuft nur so viel, als ihm wohl
-schmäcket und den Durst löschet, weil es nicht weiß,
-was gut ist. Uns Menschen aber beliebt, daß wir uns
-den Trunk zu Nutz machen und den edlen Rebensaft
-einschleichen lassen.«</p>
-
-<p>»Sehr wohl,« sagte der Pfarrer, »es gebühret mir
-aber das rechte Maß zu halten.«</p>
-
-<p>»Wohl,« antwortete jener, »ein ehrlicher Mann hält
-Wort,« und ließ einen mäßigen Becher einschenken,
-denselben den Pfarrer zuzuzotteln. Der hingegen ging
-durch und ließ den Säufer mit seinem Eimer stehen.</p>
-
-<p>Als der Pfarrer abgeschafft war, ging es drunter
-und drüber. Es ließe sich an, als wenn die Gasterei
-einzig Gelegenheit sein sollte, sich gegen einander mit
-Vollsaufen zu rächen, einander in Schande zu bringen
-oder sonst einen Possen zu reißen. Wann dergestalt
-einer expediert ward, daß er weder sitzen, gehen oder
-stehen mehr konnte, so hieß es: »Nun ist es wett! Du
-hast mirs hiebevor auch so gekocht. Jetzt ist dirs eingetränkt!«
-Welcher aber ausdauren und am besten saufen
-konnte, wußte sich dessen groß zu machen und dünkte
-sich kein geringer Kerl zu sein. Zuletzt dürmelten sie
-alle herum, als wann sie Bilsensamen genossen hätten.
-Einer sang, der ander weinete, einer lachte, der ander
-traurete, einer fluchte, der ander betete. Der schrie überlaut:
-Courage! &mdash; jener saß stille und friedlich. Einer
-wollte den Teufel mit Raufhändeln bannen, ein anderer
-schlief, der dritte plauderte, daß keiner ihm zuvorkommen<span class="pagenum"><a name="Seite_p067" id="Seite_p067">[S. 67]</a></span>
-konnte. Da erzählte einer von seiner lieblichen
-Buhlerei, der ander von seinen erschröcklichen Kriegstaten.
-Etliche redeten von der Kirchen und geistlichen
-Sachen, andere von Politik und Reichshändeln. Teils
-liefen hin und wieder und konnten nirgends bleiben,
-teils lagen und vermochten nicht den kleinsten Finger
-zu regen. Etliche fraßen wie die Trescher, als hätten
-sie acht Tage Hunger gelitten, andere wußten sich dessen
-zu entledigen, was sie den Tag eingeschlungen hatten.
-<span class="antiqua">In summa</span> meine Kunst, darum ich so greulich zerschlagen
-worden, nur ein Scherz dargegen zu rechnen war.</p>
-
-<p>Endlich satzte es unten an der Tafel ernstliche Streithändel.
-Da warf man einander Gläser, Becher, Schüsseln
-und Teller an die Köpfe und schlug mit Fäusten, Stühlen,
-Stuhlbeinen und Degen, daß endlich der rote Saft über
-die Ohren lief. Aber mein Herr stillet den Handel.</p>
-
-<p>Da nun wieder Friede worden, nahmen die Meistersäufer
-die Spielleute samt den Frauenzimmern und
-wanderten in ein ander Haus, dessen Saal auch einer
-andern Torheit gewidmet war. Mein Herr ging ihnen
-nach und ich folget ihm.</p>
-
-<p>Ich sahe in dem Saal Männer, Weiber und ledige
-Personen so schnell untereinander herumhaspeln, daß
-es schier wimmelte. Sie hatten ein solch Getrappel und
-Gejöhl, daß ich vermeinte, sie wären all rasend worden,
-dann ich konnte nicht ersinnen, was sie doch mit diesem
-Wüten und Toben vorhaben möchten. Ihr Anblick kam
-mir grausam, förchterlich und schröcklich vor, daß ich
-mich entsatzte. Mein Gott, dachte ich, es hat sie gewißlich
-eine Unsinnigkeit befallen. Vielleicht möchten es
-auch höllische Geister sein, welche dem ganzen menschlichen
-Geschlecht durch solch Geläuf und Affenspiel
-spotteten. Als mein Herr in den Hausflur kam und<span class="pagenum"><a name="Seite_p068" id="Seite_p068">[S. 68]</a></span>
-zum Saal eingehen wollte, hörete die Wut eben auf,
-nur daß sie noch ein Buckens und Duckens mit den
-Köpfen und ein Kratzens und Schuhschleifens auf dem
-Boden machten, als wollten sie ihre Fußtapfen wieder
-austilgen. Am Schweiß, der ihnen über die Gesichter
-floß, und an ihrem Geschnäuf konnte ich abnehmen,
-daß sie sich stark zerarbeitet hatten.</p>
-
-<p>Ich fragte dahero meinen Kameraden, der mir erst
-kürzlich wahrsagen gelernet, was solche Wut bedeute.
-Der berichtete mir, daß die Anwesenden vereinbart
-hätten, dem Saal den Boden mit Gewalt einzutreten.
-»Warum vermeinst du wohl, daß sie sich sonst so tapfer
-tummeln sollten,« sagte er zu mir. »Hast du nicht gesehen,
-wie sie die Fenster vor Kurzweile schon ausgeschlagen?«</p>
-
-<p>»Herr Gott, so müssen wir mit zugrunde gehen und
-samt ihnen Hals und Bein brechen!«</p>
-
-<p>»Ja,« sagte der Kamerad, »darauf ist's angesehen.
-Du wirst merken, wann sie sich in Todesgefahr begeben,
-daß jeder eine hübsche Frau und Jungfer erwischt, dann
-es pfleget denen Paaren, so also zusammenhaltend fallen,
-nicht bald wehe zu geschehen.«</p>
-
-<p>Mich überfiel eine solche Todesangst, daß ich nicht
-wußte, wo ich bleiben sollte. Als aber die Musikanten
-sich noch darzu hören ließen und jeder eine bei der
-Hand erdappte, ward mirs nicht anderst, als wenn ich
-allbereits den Boden eingehen und mir und den andern
-die Hälse brechen sähe. Sie fingen an zu gumpen, daß
-der ganze Bau zitterte, weil man eben einen drollichten
-Gassenhauer aufmachte; ich vermeinte im Todesschröcken
-das Haus fiele urplötzlich ein. Derowegen erwischte ich
-in der allerhöchsten Not eine Dame von hohem Adel
-und vortrefflichen Tugenden, mit welcher mein Herr<span class="pagenum"><a name="Seite_p069" id="Seite_p069">[S. 69]</a></span>
-eben konversierte, unversehens beim Arm wie ein Bär
-und hielte sie wie eine Klette. Da sie aber zuckte, spielte
-ich den <span class="antiqua">Desperat</span> und fing aus Verzweiflung an zu
-schreien. Die Musikanten wurden gähling still, die Tänzer
-und Tänzerinnen hörten auf und die ehrliche Dame,
-der ich am Arm hing, befand sich offendiert.</p>
-
-<p>Darauf befahl mein Herr mich zu prügeln und hernach
-irgendhin einzusperren, weil ich denselben Tag
-schon mehr Possen gerissen hatte. Die Fourierschützen,
-so dies exequieren sollten, hatten Mitleiden mit mir,
-entübrigten mich derohalben der Stöße und sperrten
-mich unter eine Stiege in den Gänsstall.</p>
-
-
-
-
-<hr class="chap" />
-
-
-<h2><a name="Das_andere_Buch" id="Das_andere_Buch">Das andere Buch</a></h2>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_erste_Kapitel" id="Buch2_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3>
-
-
-<div class="nopagebreak">
- <img class="drop-cap" src="images/i073_cap.png" width="150" height="150" alt="" />
-</div>
-
-<p class="drop-cap">Drei ganzer Stunden, bis das <span class="antiqua">praeludium
-veneris</span> oder der ehrlich Tanz geendet
-hatte, mußte ich im Gansstall sitzen
-bleiben, eh einer herzuschlich und an
-dem Riegel anfing zu rappeln. Ich
-lausterte scharf, der Kerl aber machte
-die Tür nicht allein auf, sondern wischte auch ebenso
-geschwind hinein, als ich gern heraußen gewesen wäre,
-und schleppte noch darzu ein Weibsbild an der Hand
-mit sich daher gleichwie beim Tanz. Weil ich aber
-vielen seltsamen Abenteuern an diesem Tag begegnet
-und mich darein ergeben hatte, fürderhin alles mit
-Geduld und Stillschweigen zu ertragen, als schmiegte
-ich mich zu der Tür mit Forcht und Zittern, das End
-erwartend. Gleich darauf erhub sich zwischen diesen
-beiden ein Gelispel, woraus ich entnahm, daß sich der
-eine Teil über den üblen Geruch des Ortes beklagte,
-hingegen der ander Teil hinwiederum tröstete: »Gewißlich,
-schöne Dame, mir ist, versichert, vom Herzen leid,
-daß uns, die Früchte der Liebe zu genießen, vom mißgünstigen
-Glück kein ehrlicher Ort gegönnet wird. Aber
-ich kann darneben beteuern, daß mir Ihre holdselige
-Gegenwart diesen verächtlichen Winkel anmutiger machet,
-als das lieblichste Paradeis selbsten.«</p>
-
-<p>Hierauf hörete ich küssen und vermerkte seltsame
-Posturen, wußte aber nicht, was es bedeuten sollte,
-schwieg derowegen noch fürders so still wie eine Maus.
-Wie sich aber auch sonst ein possierlich Geräusch erhob
-und der Gansstall zu krachen anfing, da wußte ich,
-das sein zwei von denen wütenden Leuten, die den<span class="pagenum"><a name="Seite_p074" id="Seite_p074">[S. 74]</a></span>
-Boden helfen eintreten. In der Angst ums Leben und
-dem Tode zu entfliehen, wischte ich aus der Tür mit
-Mordiogeschrei, warf den Riegel zu und suchte das
-Haustor.</p>
-
-<p>In meines Herren Quartier war alles still und schlafend,
-dahero dorfte ich mich der Schildwache, die vorm
-Haus stund, nicht nähern, und es war schon weit nach
-Mitternacht. So fiel mir ein, ich sollte meine Zuflucht
-zu dem Pfarrer nehmen.</p>
-
-<p>Dort kam ich so ungelegen, daß mich die Magd nur
-mit Unwillen einließ, ihr Herr aber, der nunmehr fast
-ausgeschlafen hatte, an dem Gekeife unser gewahr
-wurde. Er rief uns beide vor sich ans Bett und hieß
-mich niederlegen, da er sahe, daß ich vor Nachtfrost
-und Müdigkeit ganz erstarrt war. Ich erwarmet aber
-kaum, dann da es anfing zu tagen, so stund der Pfarrer
-schon vorm Bette, zu vernehmen, wie meine Händel
-beschaffen wären. Ich erzählte ihm alles und machte
-den Anfang bei der Kunst, die mich mein Kamerad
-gelehret, und wie sie übel geraten. Folgendes meldete
-ich, daß die Gäste, nachdem er hinweg gewesen, ganz
-unsinnig wären worden, maßen mein Kamerad mir
-berichtet, sie wollten dem Haus den Boden eintreten,
-<span class="antiqua">item</span> in was vor schröckliche Angst ich darüber geraten
-und auf was Weise ich mich vorm Untergang erretten
-gewollt, darüber aber in Gänsstall gesperret worden
-seie. Auch was ich in denselben von den zweien, so mich
-wieder erlöst, vernommen und welcher Gestalt ich sie
-wieder eingesperret hätte, berichtet ich dem Pfarrer.</p>
-
-<p>»<span class="antiqua">Simplici</span>,« meinte er, »deine Sachen stehen lausig.
-Du hattest einen guten Handel, aber ich besorge, es sei
-verscherzt. Packe dich nur geschwind aus dem Bette
-und trolle dich aus dem Haus, damit ich nicht samt<span class="pagenum"><a name="Seite_p075" id="Seite_p075">[S. 75]</a></span>
-dir in deines Herren Ungnade komme, wann man dich
-bei mir findet.«</p>
-
-<p>Also mußte ich zum ersten Mal erfahren, wie wohl
-einer bei männiglich daran ist, wann er seines Herren
-Gunst hat, und wie scheel einer angesehen wird, wann
-solche hinket.</p>
-
-<p>In meines Herrn Quartier schlief alles noch steinhart
-bis auf den Koch und ein paar Mägde; diese
-putzten das Zimmer, darin man gestern gezecht, jener
-aber rüstete aus den Abschrötlein wieder ein Frühstück
-oder vielmehr einen Imbiß zu. Das Zimmer lag hin
-und wieder voller zerbrochener so Trink- als Fenstergläser,
-voll Unflat und großen Lachen von verschüttetem
-Wein und Bier, also daß der Boden einer Landkarten
-gleich sahe, darin man hat unterschiedliche Meere, Insuln
-und fußfeste Länder vor Augen stellen wollen.
-Es stank viel übler als in meinem Gänsstall. Derowegen
-machte ich mich in die Küchen, mit Forcht und
-Zittern erwartend, was das Glück, wann mein Herr
-ausgeschlafen hätte, ferners in mir würken wollte. Darneben
-betrachtete ich der Welt Torheit und Unsinnigkeit,
-so daß ich damals meines Einsiedlers dörftig und
-elend Leben vor glückselig schätzte und ihn und mich
-wieder in den früheren Stand wünschte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p076" id="Seite_p076">[S. 76]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_ander_Kapitel" id="Buch2_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Indessen mußten die Diener hin und wider laufen,
-die gestrigen Gäste zum Frühstück einzuholen, unter
-welchen der Pfarrer zeitlicher als alle andern erscheinen
-mußte, weil mein Herr fürderst meinetwegen mit ihm
-reden wollte, maßen man ihm berichtet, ich sei aus dem
-Gänsstall ausgebrochen, indem ich ein Loch hinter dem
-Riegel mit dem Messer geschnitten.</p>
-
-<p>Er fragte ihn ernstlich, ob er mich vor witzig oder
-vor närrisch hielte, ob ich so einfältig oder so boßhaftig
-sei, und erzählete ihm, wie unehrbarlich ich mich gehalten,
-was teils von seinen Gästen übel empfunden
-und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt
-mit Fleiß so angestellet worden, <span class="antiqua">item</span>, daß ich nun
-in der Küchen umgehe wie ein Junker, der nicht mehr
-aufwarten dörfe. Sein Lebtag sei ihm kein solcher
-Possen widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler
-ehrlicher Leute gerissen. Er wüßte nichts anders mit
-mir anzufangen, als daß er mich lasse abprügeln und
-wieder vor den Teufel hinjagen.</p>
-
-<p>Derweilen sammelten sich die Gäste. Der Pfarrer aber
-antwortete, wann ihm der Gouverneur zuzuhören beliebte,
-so wolle er vom <span class="antiqua">Simplicio</span> eins und anders erzählen,
-daraus dessen Unschuld zu ersehen sei und alle
-ungleichen Gedanken benommen würden.</p>
-
-<p>Inzwischen akkordierte der tolle Fähnrich aus dem
-Gänsstall mit mir in der Küchen, und brachte mich
-durch Drohworte und einen Taler dahin, daß ich versprach,
-reinen Mund zu halten.</p>
-
-<p>Die Tafeln wurden gedeckt und mit Speisen und
-Leuten besetzt. Wermut-, Salbei-, Alant-, Quitten- und<span class="pagenum"><a name="Seite_p077" id="Seite_p077">[S. 77]</a></span>
-Zitronenwein mußte neben dem Hippokras den Säufern
-ihre Köpfe und Mägen wieder begütigen, dann sie
-waren schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erst Gespräch
-war von ihnen selbsten: wie sie gestern einander
-so brav vollgesoffen ... mit nichten! sie hätten allein
-gute »Räusche« gehabt, dann keiner säuft sich mehr
-voll, sintemal die »Räusche« aufgekommen sind. Als
-sie aber von ihren eigenen Torheiten zu reden und zu
-hören müde waren, mußte der arme <span class="antiqua">Simplicius</span> herhalten.
-Der Gouverneur selbst erinnerte den Pfarrer,
-die lustigen Sachen zu eröffnen.</p>
-
-<p>Dieser bat zuvörderst, man wolle ihm nicht vor ungut
-halten, dafern er Wörter reden müßte, die seiner
-geistlichen Person übel vermerkt werden könnten. Fing
-darauf an zu erzählen, aus was natürlichen Ursachen
-ich dem <span class="antiqua">Secretario</span> merkliche Unlust in seiner Kanzlei
-angerichtet, wie ich sonach das Wahrsagen gelernet und
-solches schlimm erprobt, wie seltsam mir das Tanzen
-vorgekommen sei und wie ich darüber in den Gänsstall
-gelangt wäre. Solches brachte er in einer wohlanständigen
-Art vor, daß sich die Gäste trefflich zerlachen
-mußten. Aber von dem, was mir im Gänsstall begegnet,
-wollte er nichts sagen.</p>
-
-<p>Hingegen fragte mich mein Herr, was ich vor so
-saubere Künste und Lehren meinem Kameraden gegeben
-hätte. Ich antwortete: »Nichts«. »So will ich
-dein Lehrgelt zahlen,« versprach mein Herr und ließ
-ihn darauf über eine Futtertruhe spannen und allerdings
-karbaitschen.</p>
-
-<p>Er wollte mich ferner meiner Einfalt wegen stimmen,
-ihn und seinen Gästen mehr Lust zu machen, dann ich
-galt mit meinen närrischen Einfällen selbigen Tags über
-allen Musikanten. Und er fragte, warum ich die Stalltür<span class="pagenum"><a name="Seite_p078" id="Seite_p078">[S. 78]</a></span>
-erbrochen. Ich sagte: »Das mag jemand anders
-getan haben.« &mdash; »Wer?« &mdash; »Das darf ich niemand
-sagen.« Mein Herr war aber ein geschwinder Kopf
-und sahe wohl, wie man mich Lausen müßte. »Wer
-hat dir solches verboten?« &mdash; »Der tolle Fähnrich da.«</p>
-
-<p>Ich merket an jedermanns Gelächter, daß ich mich
-gewaltig verhauen haben mußte, und der tolle Fähnrich
-ward so rot wie eine glühende Kohlen.</p>
-
-<p>Darauf gebot mein Herr zu reden und fragte: »Was
-hat der tolle Fähnrich bei dir im Gänsstall zu tun gehabt?«
-Ich antwortete: »Er brachte eine Jungfer mit
-hinein.«</p>
-
-<p>Darüber erhub sich bei allen Anwesenden ein solch
-Gelächter, daß mich mein Herr nicht mehr hören, geschweige
-etwas weiters fragen konnte.</p>
-
-<p>So brachten etliche mehr Possen auf die Bahn,
-sunderlich meine einfältigen Straf- und Mahnreden,
-daß man schier denselben Imbiß von nichts, als nur
-von mir zu reden und zu lachen hatte.</p>
-
-<p>Und das verursachte einen allgemeinen Entschluß zu
-meinem Untergang: man sollte mich nur tapfer agieren,
-so würde ich mit der Zeit einen raren Narren abgeben,
-den man auch den größten Potentaten der Welt verehren
-und mit dem man die Sterbenden zum Lachen
-bringen könnte. &mdash;</p>
-
-<p>Wie man nun also schlampampte und wieder gut
-Geschirr machen wollte, meldete die Wacht einen <span class="antiqua">Commissarium</span>
-an, der vor dem Tor sei. Das eingehändiget
-Schreiben besagte, er wäre von den schwedischen Kronräten
-abgeordnet, die Guarnison zu mustern und die
-Festung zu visitieren. Solches versalzte allen Spaß und
-das Freudengelag verlummerte wie ein Dudelsackzipfel,
-dem der Blast entgangen. Die Musikanten und Gäste<span class="pagenum"><a name="Seite_p079" id="Seite_p079">[S. 79]</a></span>
-zerstoben wie Tabakrauch, der nur den Geruch hinter
-sich läßt. Mein Herr trollete selbst mit dem Adjutanten,
-der den Schlüssel trug, samt einem Ausschuß von der
-Tagwacht und vielen Windlichtern dem Tor zu, den
-Plackschmeißer, wie er ihn nannte, selbst einzulassen.
-Er wünschte, daß ihm der Teufel den Hals in tausend
-Stücke bräche, ehe er in die Festung käme.</p>
-
-<p>Sobald er ihn aber eingelassen und auf der inneren
-Fallbrücke bewillkommnete, fehlte wenig oder gar nichts,
-daß er ihm nicht selbst den Steigbügel hielte, seine
-<span class="antiqua">Devotion</span> zu bezeugen, ja die Ehrerbietung war augenblicklich
-zwischen beiden so groß, daß der <span class="antiqua">Commissarius</span>
-abstieg und zu Fuß mit meinem Herrn gegen sein Losament
-schritt. Da wollte ein jeder zur linken Hand
-gehen und mehr dergleichen. Ach, gedachte ich, was
-vor ein Geist regiert die Menschen, indem er je einen
-durch den andern zum Narren machet!</p>
-
-<p>Wir näherten also der Hauptwache und die Schildwacht
-rufte ihr Wer-da, wiewohl sie sahe, daß es mein
-Herr war. Dieser wollte nicht antworten, sondern dem
-andern die Ehre lassen, daher stellet sich die Schildwacht
-mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger.
-Endlich antwortete der <span class="antiqua">Commissarius</span>: »Der Mann,
-ders Geld gibt.«</p>
-
-<p>Wie wir bei der Schildwacht vorbeipassierten, und
-ich so hinten nachzog, hörete ich den Posten brummen:
-»Ein Mann ders Geld gibt! Verlogener Kund! Ein
-Schindhund, ders Geld nimmt, das bist! Daß dich der
-Hagel erschlüge, eh du wieder aus der Stadt kommst!«</p>
-
-<p>Also meinete ich, der fremde Herr mit der sammeten
-Mutzen müßte ein Heiliger sein, weil nicht allein keine
-Flüche an ihm hafteten, sondern dieweil ihm auch seine
-Hasser alle Ehre, alles Liebe und alles Gute erwiesen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p080" id="Seite_p080">[S. 80]</a></span>
-Er ward noch diese Nacht fürstlich traktieret, blind
-vollgesoffen und in ein herrlich Bette gelegt.</p>
-
-<p>Folgenden Tags ging es bei der Musterung bunt
-über Eck her. Ich einfältiger Tropf war selbst geschickt
-genug, den klugen <span class="antiqua">Commissarium</span> zu betrügen. Daß
-ich ihm zu klein vor die Musketen erschiene, staffieret
-man mich mit einem entlehnten Kleid und einer Trummel
-aus. Mein Herr ließ in die Rolle meinen Namen einschreiben
-und nannte mich <span class="antiqua">Simplicius Simplicissimus</span>.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p081" id="Seite_p081">[S. 81]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_dritte_Kapitel" id="Buch2_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Als der <span class="antiqua">Commissarius</span> wieder weg war, ließ mich
-der Pfarrer heimlich zu sich in sein Losament
-kommen und sagte:</p>
-
-<p>»O <span class="antiqua">Simplici</span>, deine Jugend dauert mich und deine
-Unglückseligkeit bewegt mich zum Mitleiden. Höre, mein
-Kind, dein Herr ist entschlossen, dich aller Vernunft zu
-berauben und dich zum Narren zu machen, maßen er
-bereits ein Kleid vor dich anfertigen läßt. Morgen
-mußt du in die Schule, darin du deine Vernunft verlernen
-sollst. Man wird dich ohn Zweifel so greulich
-trillen, daß du ein Phantast werden mußt, wenn anderst
-Gott und natürliche Mittel solches nicht verhindern.
-Um deines Einsiedlers Frömmigkeit und deiner eigenen
-Unschuld willen sei dir mit Rat und notwendigen guten
-Arzneien beigesprungen. Folge nun meiner Lehre: Nimm
-dieses Pulver ein, welches dir Hirn und Gedächtnus
-dermaßen stärken wird, daß du, unverletzt deines Verstandes,
-alles leicht überwinden magst. Auch schmiere dir
-mit diesem Balsam Schläfen, Wirbel und Genick samt
-den Naslöchern. Beides brauch auf den Abend, sintemal
-du keiner Stunde sicher sein wirst. Wann man dich
-in dieser verfluchten Kur haben wird, so achte und
-glaube nicht alles, stelle dich jedoch, als wenn du alles
-glaubtest. Wenn du aber das Narrenkleid anhaben wirst,
-so komme wieder zu mir, damit ich deiner mit fernerem
-Rat pflegen möge. Indessen will ich Gott bitten, daß
-er deinen Verstand und Gesundheit erhalten wolle.«</p>
-
-<p>Wie der Pfarrer gesagt, also ging es: Im ersten
-Schlaf kamen vier Kerl in schröcklichen Teufelslarven,
-die sprungen herum wie Gaukler. Einer hatte einen<span class="pagenum"><a name="Seite_p082" id="Seite_p082">[S. 82]</a></span>
-glühenden Hacken, der andere eine Fackel. Zween aber
-wischten über mich her, zogen mich aus dem Bette,
-tanzten mit mir hin und her, zwangen mir meine
-Kleider an Leib. Ich aber verführete ein jämmerliches
-Zetergeschrei und ließ die allerforchtsamsten Gebärden
-erscheinen. Hierauf verbanden sie mir den Kopf mit
-einem Handtuch und führeten mich unterschiedliche Umwege,
-viel Stiegen auf und ab und endlich in einen
-Keller, darin ein großes Feuer brannte. Sie banden
-das Handtuch ab und fingen an, mir mit spanischem
-Wein und Malvasier zuzutrinken. Ich stellet mich mit
-allem Fleiß, als wäre ich nun gestorben und im Abgrund
-der Hölle.</p>
-
-<p>»Sauf zu! Willtu nicht ein guter Gesell sein, so mußt
-du in gegenwärtiges Feuer!«</p>
-
-<p>Die armen Teufeln wollten ihre Sprache und Stimme
-verquanten, damit ich sie nicht kennen sollte, ich merkte
-aber gleich, daß es meines Herrn Fourierschützen waren.
-So trank ich mein Teil, sie aber soffen, weil derlei
-himmlischer <span class="antiqua">Nectar</span> selten an solche Gesellen kommt.
-Da michs aber Zeit zu sein bedünkte, stellete ich mich
-mit Hin- und Hertorkeln, wie ichs gesehen hatte, und
-wollte endlich gar nicht mehr saufen, sondern schlafen.
-Sie hingegen jagten und stießen mich mit ihren Hacken,
-die sie allezeit im Feuer liegen hatten, in allen Ecken
-des Kellers herum. Und wann ich in solcher Hatz
-niederfiel, so packten sie mich auf, als wann sie mich
-ins Feuer werfen wollten. Also ging mirs wie einem
-Falken, den man wacht. Ich hätte zwar Trunkenheit
-und Schlafes halber ausgedauert, aber sie lösten einander
-ab. Drei Täge und zwei Nächte habe ich in diesem
-raucherichten Keller zugebracht. Der Kopf fing mir an
-zu brausen und zu wüten, als ob er zerreißen wollte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p083" id="Seite_p083">[S. 83]</a></span>
-Ich warf mich hin und stellet mich tot. Da legten sie
-mich in ein Leinlach und zerplotzten mich so unbarmherzig,
-daß mir alles Eingeweide samt der Seele hätte
-herausfahren mögen. Wovon ich meiner Sinne beraubt
-ward und nicht weiß, was sie ferners mit mir gemacht
-haben.</p>
-
-<p>Als ich zu mir selber kam befand ich mich in einem
-schönen Saal unter den Händen dreier alter Weiber,
-die vor eine treffliche Arznei wider die unsinnige Liebe
-hätten dienen mögen, so garstig waren sie. Ich erkannte
-wohl, daß die eine unsere Schüsselwäscherin, die andern
-zwo aber zweier Fourierschützen Weiber waren. Da
-stellete ich mich, als wann ich mich nicht zu regen vermöchte,
-wie mich dann in Wahrheit auch nicht tanzerte,
-als die ehrlichen Alten mich auszogen und mich wie
-ein klein Kindlein säuberten. Doch tät mir solches
-trefflich sanft. Sie bezeugten unter währender Arbeit
-große Geduld und Mitleiden, also daß ich ihnen beinahe
-offenbaret hätte, wie gut mein Handel noch stünde.
-Zum Glück gedachte ich: Nein, <span class="antiqua">Simplici</span>, vertraue keinem
-alten Weibe! &mdash; Da sie nun mit mir fertig waren,
-legten sie mich in ein köstlich Bette, darin ich ungewiegt
-entschlummerte. Meines Davorhaltens schliefe ich
-in einem Satz länger als vierundzwenzig Stunden. Da
-ich erwachte stunden zween schöne, geflügelte Knaben
-vorm Bette, welche mit weißen Hemden, taffeten Binden,
-Perlen, Kleinodien, göldenen Ketten und andern
-scheinbarlichen Sachen köstlich gezieret waren. Einer
-hatte ein vergöldtes Lavor voller Hippen, Zuckerbrot,
-Marzipan und anderm Konfekt, der ander aber einen
-göldnen Becher in Händen. Diese Engel wollten mich
-bereden, daß ich nunmehr im Himmel sei, weil ich das
-Fegfeuer so glücklich überstanden. Derohalben sollte ich<span class="pagenum"><a name="Seite_p084" id="Seite_p084">[S. 84]</a></span>
-nur begehren, was mein Herz wünsche. Mich quälte
-der Durst, mich verlangete nur nach einem Trunk, der
-mir auch mehr als gutwillig gereichet wurde. Es war
-aber kein Wein, sondern ein lieblicher Schlaftrunk.</p>
-
-<p>Den andern Tag erwachte ich wiederum (dann sonst
-schliefe ich noch heute), befand mich aber nicht mehr im
-Bette noch im vorigen Saal, sondern in meinem Gänskerker
-und überdas trug ich ein Kleid von Kalbsfellen,
-daran das rauhe Teil nach auswendig gekehrt war.
-Die Hosen waren auf polnisch oder schwäbisch, der
-Wams auf närrisch gemacht. Oben am Hals stund eine
-Kappe wie eine Mönchsgugel, die war mir über den
-Kopf gestreift und mit einem Paar großer Eselsohren
-gezieret. Ich mußte meines Unsterns selbst lachen, weil
-ich an Nest und Federn sahe, was ich vor ein Vogel
-sein sollte. Ich bedachte mich aufs beste und satzte mir
-vor, mich so närrisch zu stellen, als mir immer müglich
-sei, darneben mit Geduld zu verharren.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p085" id="Seite_p085">[S. 85]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_vierte_Kapitel" id="Buch2_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Weil ich ein Narr sein sollte, der nicht so witzig
-ist, von sich selbst herauszugehen, achtet ich des
-Loches, das der tolle Fähnrich in die Tür geschnitten
-hatte, nicht, sondern blieb und stellte mich als ein hungrig
-Kalb, das sich nach der Mutter sehnet. Mein Geplärr
-ward auch bald von zween Soldaten gehöret, die darzu
-bestellt waren. Sie fragten mich, wer da sei. Ich antwortete:
-»Ihr Narren, höret ihr dann nicht, daß ein
-Kalb da ist?« Sie nahmen mich heraus und verwunderten
-sich wie neugeworbene Komödianten, die nicht
-wohl agieren können, daß ein Kalb rede. Sie beratschlagten,
-mich dem Gubernator zu verehren, der ihnen
-mehr schenken würde, als der Metzger vor mich bezahlt
-hätte. Sie fragten mich, wie demnach mein
-Handel stünde.</p>
-
-<p>»Liederlich genug,« antwortete ich.</p>
-
-<p>»Warum?«</p>
-
-<p>»Darum, dieweil hier Brauch ist, redliche Kälber in
-Gänsstall zu sperren.«</p>
-
-<p>Sie führten mich gegen des Gouverneurs Quartier
-zu und uns folgte eine große Schar Buben nach, die
-ebensowohl als ich, wie Kälber schrien.</p>
-
-<p>Also ward ich dem Gouverneur präsentiert, als ob
-ich von denen Soldaten erst auf Partei erbeutet worden
-wäre. Er versprach mir die beste Sach. Ich sagte:
-»Wohl Herr, man muß mich aber in keinen Gänsstall
-sperren, dann wir Kälber können solches nicht erdulden,
-wann wir anders wachsen und zu einem Stück Hauptviehe
-werden sollen.«</p>
-
-<p>Er vertröstete mich eines besseren und dünkte sich gar<span class="pagenum"><a name="Seite_p086" id="Seite_p086">[S. 86]</a></span>
-gescheit zu sein, daß er einen solchen visierlichen Narren
-aus mir gemachet hätte. Hingegen gedachte ich: Harre
-mein, lieber Herr, ich habe die Probe des Feuers überstanden.</p>
-
-<p>Indem trieb ein geflüchteter Baur sein Viehe zur
-Tränke. Ich sahe es und eilete mit einem Kälbergeplärr
-den Kühen zu, so sich vor mir ärger entsatzten
-als vor einem Wolf, ja, sie wurden so schellig und zerstoben
-von einander, daß sie der Bauer am selbigen
-Ort nicht mehr zusammenbringen konnte. Im Hui war
-ein Haufen Volk darbei, das der Gaukelfuhre zusahe.
-Mein Herr lachte, daß er hätte zerbersten mögen, und
-meinte endlich: »Ein Narr macht ihrer hundert!« Ich
-aber gedachte, eben du bist derjenige, dem du jetzt
-wahrsagest.</p>
-
-<p>Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an
-das Kalb nannte, also nannte ich hingegen auch einen
-jeden mit einem besonderen Namen. <span class="antiqua">In summa</span> mich
-schätzte männiglich vor einen ohnweisen Toren und ich
-hielte jeglichen vor einen gescheiten Narren. Dieser
-Brauch ist meines Erachtens in der Welt noch üblich,
-maßen ein jeder mit seinem Witz zufrieden und sich
-einbildet, er sei der Gescheiteste unter allen.</p>
-
-<p>Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor,
-brachte aber daneben seltsame Sachen auf die Bahn,
-und, als ich essen sollte, konnte niemand menschliche
-Speise oder Trank in mich bringen. Ich wollte kurzum
-nur Gras haben, was zur selbigen winterlichen Zeit zu
-bekommen unmüglich war. So ließ mein Herr zweien
-kleinen Knaben frische Kalbfell überstreifen, diese satzte
-er zu mir und traktierte uns mit Wintersalat. Ich aber
-sahe so starr drein, als wann ich mich darüber verwunderte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p087" id="Seite_p087">[S. 87]</a></span>
-
-»Jawohl,« sagten sie, weil sie mich so kaltsinnig
-sahen, »es ist nichts Neues, daß Kälber Fleisch, Fisch,
-Käse, Butter und anders fressen. Sie saufen auch zu
-Zeiten einen guten Rausch.«</p>
-
-<p>Ich ließ mich desto ehender überreden, als ich hiebevor
-schon selbst gesehen, wie teils Menschen säuischer
-als Schweine, geiler als Böcke, neidiger als Hunde,
-unbändiger als Pferde, gröber als Esel, versoffener als
-Rinder, gefräßiger als Wölfe, närrischer als Affen und
-giftiger als Schlangen und Kroten waren, so dannoch
-allesamt menschlicher Nahrung genossen und nur durch
-die Gestalt von den Tieren unterschieden waren.</p>
-
-<p>Gleichwie meine beiden Schmarotzer mit mir zehreten,
-also mußten sie auch mit mir zu Bette, wann mein
-Herr anders nicht zugeben wollte, daß ich im Kühestall
-schliefe. Der grundgütige Gott gab mir so viel Witz
-vor meinen Stand, als er einem jeden Menschen zu
-seiner Selbsterhaltung verleihet, dannenhero ich erkannte:
-Doktor hin, Doktor her, was bildet ihr euch ein, allein
-witzig zu sein und Hans in allen Gassen. Hinter den
-Bergen, da wohnen auch noch Leute.</p>
-
-<p>Gegen Mittag so mußte ich auch in die Stube, weil
-adelig Frauenzimmer bei meinem Herren war, den neuen
-Narren zu hören und zu sehen. Ich erschiene und stund
-da wie ein Stummer. Dahero diejenige, so ich hiebevor
-beim Tanze erdappet hatte, Ursach nahm zu sagen, sie
-hätte gehört, daß dieses Kalb könne reden, nunmehr
-verspüre sie aber, daß es nicht wahr sei.</p>
-
-<p>Ich antwortete: »So habe ich vermeint, die Affen
-können nicht reden, höre aber wohl, das dem auch
-nicht so sei.«</p>
-
-<p>»Wie,« sagte mein Herr, »vermeinst du dann, diese
-Damen seien Affen?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p088" id="Seite_p088">[S. 88]</a></span>
-
-»Sein sie es nicht,« gab ich entgegen, »so werden sie
-es bald werden. Wer weiß wie es fällt, ich habe mich
-auch nicht versehen, ein Kalb zu werden, und bins doch.«</p>
-
-<p>Da fragte mein Herr, woran ich sehe, daß diese Damen
-Affen werden sollten.</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Der Affe trägt seinen Hintern bloß,
-diese Jungfer allbereits ihre Brüstlein, dann andre
-Mägde pflegen sonst solche zu bedecken.«</p>
-
-<p>»Schlimmer Vogel,« sagte mein Herr, »so redest du?
-Diese lassen billig sehen, was sehenswert ist, der Affe
-aber gehet aus Armut nackend. Geschwind bringe ein,
-was du gesündiget hast, oder man wird dich mit Hunden
-in den Gänsstall hetzen!«</p>
-
-<p>Hierauf betrachtete ich die Dame so steif und lieblich,
-als hätte ich sie heuraten wollen. Endlich sagte ich:
-»Herr, ich sehe wohl der Diebsschneider ist an allem
-schuldig, er hat das Gewand, das oben um den Hals
-gehört, unten am Rock stehen lassen, darum schleift es
-so weit hinten nach. Man soll dem Hudler die Hand
-abhauen. Jungfer, schafft ihn ab, wann er Euch nicht
-so verschänden soll und sehet, daß ihr meiner Meuder,
-des Ursele und der Ann Schneider bekommt, die haben
-Röck gehabt, so nicht im Dreck geschlappt wie Eurer.«</p>
-
-<p>Mein Herr fragte, ob dann meines Knäns Ann und
-Ursele schöner gewesen als diese Jungfer.</p>
-
-<p>»Ach wohl nein,« sagte ich, »diese Jungfer hat ja
-Haare so gelb, als kleine Kindlein die Windlen zeichnen,
-und sie sein so hübsch zusammengerollt, als hätte sie
-auf jeder Seite ein paar Pfund Lichter oder ein Dutzend
-Bratwürst hangen. Wie hat sie so eine schöne glatte
-Stirn, weißer als ein Totenkopf, der viel Jahr lang
-im Wetter gehangen. Jammerschad ist, daß ihre zarte
-Haut durch den Puder bemackelt wird, als habe die<span class="pagenum"><a name="Seite_p089" id="Seite_p089">[S. 89]</a></span>
-Jungfer den Erbgrind, der solche Schuppen von sich
-werfe. Wie zwitzern doch ihre funkelnden Augen, vor
-Schwärze klärer als meines Knäns Ofenloch. Und die
-zwei Reihen Zähne, so in ihrem Maul stehen, schimmern
-so schön, als wann sie aus einem Stück von einer
-weißen Rübe geschnitzelt wären worden. O Wunderbild,
-ich glaube nicht, daß es einem wehe tut, so du
-einen damit beißest! Wie ist ihr Hals schier so weiß,
-als eine gestandene Sauermilch und ihre Brüstlein sein
-von gleicher Farbe und ohn Zweifel so hart, als eine
-Geißmämm, die von übriger Milch strotzet. Ach Herr,
-sehet ihre Hände und Finger so subtil, so lang, so gelenk,
-so geschmeidig und so geschickt, damit sie einem
-in den Sack greifen können, wann sie fischen wollen.
-Aber was soll dieses gegen ihren ganzen Leib, den ich
-zwar nicht sehen kann. Ist er nicht so zart, so schmal
-und anmutig, als wann sie acht ganzer Wochen die
-schnelle Katharina gehabt hätte?«</p>
-
-<p>Hierüber erhub sich eine solch Gelächter, daß man
-mich nicht mehr hören, noch ich mehr reden konnte.
-Ging hiemit durch wie ein Holländer und ließ mich,
-solang mirs gefiel, von andern vexieren.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p090" id="Seite_p090">[S. 90]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch2_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Bei allen Mahlzeiten ließ ich mich tapfer gebrauchen,
-dann ich hatte mir vorgesatzt, alle Torheiten zu
-bereden und alle Eitelkeiten zu bestrafen. Ich rupfte
-ihre Laster, und wer sichs nicht gefallen ließe, ward
-noch darzu ausgelacht.</p>
-
-<p>Der erste, der mir mit Vernunft begegnen wollte, war
-der <span class="antiqua">Secretarius</span>, dann ich denselben einen Titulschmied
-nannte und ihn fragte, wie man der Menschen ersten
-Vater titulieret hätte.</p>
-
-<p>»Du redest wie ein Kalb, maßen nach unseren ersten
-Eltern Leute gelebt, die durch seltene Tugenden und
-gute Künste sich und ihr Geschlecht dergestalt geadelt
-haben, daß sie übers Gestirn zu den Göttern erhoben
-worden. Wärest du ein Mensch, so hättest du die Historien
-gelesen und verstündest auch den Unterscheid,
-sintemalen du aber ein Kalb und keiner menschlichen
-Ehre würdig noch fähig, so redest du wie ein dummes
-Kalb und gönnest ihnen den Ehrentitul nicht.«</p>
-
-<p>»Ich bin«, antwortete ich, »sowohl ein Mensch gewesen
-als du und habe bei meinem Einsiedel auch ziemlich
-viel gelesen. Sage mir, was sein vor herrliche Taten
-begangen und Künst erfunden, die genugsam seien, ein
-ganzes Geschlecht von etlich hundert Jahr nach Absterben
-des Helden und Künstlers zu adlen? Ist nicht
-beides: des Helden Stärke und des Künstlers Weisheit
-mit hinweggestorben? So aber der Eltern Qualitäten
-auf die Kinder überkommen, halt ich davor, daß dein
-Vater ein Stockfisch und deine Mutter eine Schneegans
-gewesen.«</p>
-
-<p>»Ha,« rief der <span class="antiqua">Secretarius</span>, »wann es damit wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_p091" id="Seite_p091">[S. 91]</a></span>
-ausgericht sein wird, wann wir einander schänden, so
-könnte ich dir vorwerfen, daß dein Knän ein grober
-spessarter Bauer gewesen, und daß du dich noch mehr
-verringert habest, indem du zum unvernünftigen Kalb
-geworden bist.«</p>
-
-<p>»Da recht! Das ist, was ich behaupten will, daß der
-Eltern Tugenden nicht allerweg auf die Kinder vererbt
-werden, und dahero die Kinder ihrer Eltern
-Tugendtitul auch nicht allerweg würdig sein. Mir zwar
-ist es keine Schande, daß ich ein Kalb bin worden,
-dieweil ich in solchem Falle dem großmächtigen König
-Nabuchodonosor nachzufolgen die Ehre habe.«</p>
-
-<p>»Nun gesetzt, aber nicht zugestanden, du habest recht,
-so mußt du doch gestehen, daß diejenigen alles Lobs
-wert sein, die sich selbst durch Tugend edel machen.
-Wann aber &mdash; so folget, daß man die Kinder der Eltern
-wegen billig ehre, dann der Apfel fällt nicht weit vom
-Stamm. Wer wollte in <span class="antiqua">Alexandri Magni</span> Nachkömmlingen,
-wann anders noch einzige vorhanden wären,
-ihres alten Ur-Ahnherren herzhafte Tapferkeit nicht
-rühmen? Hat er nicht vor dem dreißigsten Jahr die
-Welt bezwungen, hat er nicht in einer Schlacht mit
-den Indiern, da er von den Seinigen verlassen war,
-aus Zorn Blut geschwitzet? War er nicht von lauter
-Feuerflammen umgeben, daß die Barbaren vor ihm
-flohen? Bezeugt nicht <span class="antiqua">Quintus Curtius</span>, daß sein Atem
-wie Balsam, der Schweiß wie Bisem, sein toter Leib
-aber nach köstlicher Spezerei roch? &mdash; Da könnte ich
-auch den <span class="antiqua">Julium Cäsarem</span> und <span class="antiqua">Pompeium</span> anführen,
-deren der eine fünfzigmal in offener Feldschlacht gestritten
-und 1152000 Mann erlegt und totgeschlagen hat, der
-ander aber hat neben 940 den Meerräubern abgenommenen
-Schiffen vom Alpengebürg an bis in das<span class="pagenum"><a name="Seite_p092" id="Seite_p092">[S. 92]</a></span>
-äußerste Hispanien 876 Städte und Flecken eingenommen
-und überwunden. Ist nicht von dem <span class="antiqua">Lucio Siccio Dentato</span>,
-welcher Zunftmeister in Rom war, zu sagen, daß
-er in 110 Feldschlachten gestanden und achtmal diejenigen
-überwunden hat, die ihn herausgefordert, und daß er
-45 Wundmäler an seinem Leib zeigen konnte. Mit neun
-Obrist Feldherren ist er in ihren Triumphen in Rom
-eingezogen. Wo bleibet der starke Herkules, Theseus und
-andre, deren unsterbliches Lob zu beschreiben unmüglich.</p>
-
-<p>Ich will aber die Waffen fahren lassen und mich zu
-den Künsten wenden. Was findet sich für Geschicklichkeit
-am <span class="antiqua">Zeuxis</span>, welcher mit seinen Schildereien die Vögel in
-der Luft betrog, <span class="antiqua">item</span> am <span class="antiqua">Apelles</span>, der eine <span class="antiqua">Venus</span> so
-natürlich, so ausbündig und mit allen Lineamenten so
-subtil und zart dahermalete, daß sich die Junggesellen
-darein verliebten. <span class="antiqua">Plutarchus</span> schreibet, daß <span class="antiqua">Archimedes</span>
-ein großes Schiff mit Kaufmannswaren über den Markt
-von Syrakus nur mit einer Hand, an einem einzigen
-Seil vermöge seiner Schrauben daher gezogen, welches
-200 deinesgleichen Kälber nicht hätten zu tun vermocht.
-Sollten diese Meister nicht mit einem besonderen Ehrentitul
-begabt sein? Und welcher die edle und der ganzen
-Welt höchst nutzbare Kunst der Buchdruckerei erfunden,
-wer wollte den nicht preisen? Zwar ist wenig daran gelegen,
-ob du grobes Kalb solches in deinem unvernünftigen
-Ochsengehirn fassest oder nicht! Es geht dir eben
-wie jenem Hund, der auf einem Haufen Heu lag und
-solches dem Ochsen auch nicht gönnte, weil er es selbst
-nicht genießen konnte.«</p>
-
-<p>Da ich mich so gehetzt sahe, satzte ich dagegen: »Die
-herrlichen Heldentaten wären höchlich zu rühmen, wann
-sie nicht mit anderer Menschen Untergang und Schaden<span class="pagenum"><a name="Seite_p093" id="Seite_p093">[S. 93]</a></span>
-vollbracht wären worden. Was ist das aber vor ein
-Lob, welches mit so vielem unschuldig vergossenem
-Menschenblut besudelt, und was vor ein Adel, der mit
-so vieler tausend anderer Menschen Verderben erobert
-und zuwegen gebracht worden? Und die Künste, was
-seinds anders als lauter Vanitäten und Torheiten, dienen
-zum Geiz, zur Wollust, zur Üppigkeit. So könnte man
-der Druckerei und Schriften auch wohl entbehren, dann
-der Heilige saget: Die ganze Welt ist Buchs genug, die
-Wunder des Schöpfers zu betrachten und die göttliche
-Allmacht zu erkennen.«</p>
-
-<p>Mein Herr wollte auch mit mir scherzen und sagte:
-»Ich merke wohl, weil du nicht edel zu werden getrauest,
-verachtest du des Adels Ehrentitul.« Ich antwortete:
-»Wann schon ich in dieser Stund an deine
-Ehrenstell treten sollte, ich wollte sie doch nicht annehmen.«
-Mein Herr lachte. »Das glaub ich, dann dem
-Ochsen gehöret Haberstroh. Ich meinesteils acht es
-für kein Geringes, wann mich das Glück über andere
-erhebet.« Ich seufzte und sagte: »Ach, armselige Glückseligkeit!
-Herr, du bist der allerelendeste Mensch in ganz
-Hanau.«</p>
-
-<p>»Wieso, wieso, du Kalb!«</p>
-
-<p>»Wann du nicht weißt oder empfindest, mit wieviel
-Sorgen und Unruhe du als Gubernator beladen bist,
-so verblendet dich allzu große Begierde der Ehre. Zwar
-hast du zu befehlen und wer dir unter Augen kommt,
-muß dir gehorsamen, aber bist du nicht ihrer aller
-Knecht? Schaue, du bist jetzt rund umher mit Feinden
-umgeben und die Konservation dieser Festung liegt dir
-auf dem Hals. Bedörfte es nicht öfters, daß du selber
-wie ein gemeiner Knecht Schildwacht stündest? Du mußt
-um Geld, Munition, Proviant und, daß dein Volk im<span class="pagenum"><a name="Seite_p094" id="Seite_p094">[S. 94]</a></span>
-Posten erscheine, bedacht sein und das ganze Land durch
-stetiges Exequieren und Tribulieren in Kontribution
-erhalten. Schickest du die Deinigen zu solchem End hinaus,
-so ist Rauben, Plündern, Stehlen, Brennen und
-Morden ihre beste Arbeit. Sie haben erst neulich Orb
-geplündert, Braunfels eingenommen und Staden in
-Asche gelegt. Davon haben sie sich zwar Beuten, du
-dir aber eine schwere Verantwortung vor Gott gemacht.
-Und wirst du nicht Ehr und Reichtum in der Welt
-lassen und nichts mit dir nehmen als die Sünde, dadurch
-du selbige erworben hast? Du verschwendest der
-Armen Schweiß und Blut, die jetzt gar verderben und
-Hungers sterben. Und dafern anders etwas versäumet
-wird, das zur Erhaltung deiner Völker und der Festung
-hätte observiert werden sollen, so kostet es deinen Kopf.
-Sterbe ich jung, so bin ich der Mühseligkeit eines Zugochsens
-überhoben, dir aber stellet man auf tausendfältige
-Weise nach und dein ganzes Leben ist Sorge
-und Schlafbrechen, dann du mußt Freunde und Feinde
-förchten umb deiner Reputation und deines Kommandos
-willen. Ich geschweige, daß dich täglich deine brennenden
-Begierden quälen, wie du dir einen noch größeren
-Namen und Ruhm zu machen, höher in Kriegsämtern
-zu steigen, größeren Reichtum zu sammeln, dem Feind
-eine Tücke zu beweisen, einen oder den andern Ort zu
-überrumpeln, <span class="antiqua">in summa</span> fast alles tun solltest, was andere
-Leute schädigt, deine Seele verderbt und der göttlichen
-Majestät mißfällt. Du aber lässest dich von deinen
-Fuchsschwänzern verwöhnen, daß du dich selbst nicht
-mehr erkennst und den gefährlichen Weg nicht siehest.
-Sie hetzen und jagen dich zu anderer Leute Schaden,
-ihrem Beutel zu nutz.«</p>
-
-<p>»Du Bernheuter, wer lernet dich so predigen?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p095" id="Seite_p095">[S. 95]</a></span>
-
-»Sage ich nicht wahr, daß du von deinen Ohrenbläsern
-und Daumendrehern dergestalt verderbt seiest,
-daß dir bereits nicht mehr zu helfen ist? Aber auch du
-entgehst dem Tadel nicht. Hast du nicht Exempel genug
-an hohen Personen, so vor der Zeit gelebet? Die Lacedämonier
-schalten an ihrem <span class="antiqua">Lycurgo</span>, daß er allezeit
-gesenkten Hauptes daherging, die Römer verargeten
-dem <span class="antiqua">Scipioni</span> das Schnarchen und es dünkte sie häßlich
-zu sein, daß sich <span class="antiqua">Pompeius</span> nur mit einem Finger kratzte.
-Des <span class="antiqua">Julii Cäsaris</span> spotteten sie, weil er den Gürtel
-nicht artig und lustig antrug. Die Uticenser verleumdeten
-ihren <span class="antiqua">Catonem</span>, weil es zu gierig auf beiden
-Backen aß. Die Karthager redeten dem <span class="antiqua">Hannibali</span> übel
-nach, weil er immerzu mit der Brust aufgedeckt und
-bloß daherging. Herr, ich tausche mit keinem, der vielleicht
-neben zwölf Fuchsschwänzern und Schmarotzern
-tausend so heimliche als öffentliche Feinde hat. Ich sehe
-wohl, wie sauer du dirs mußt werden lassen und wieviel
-Beschwerden du trägst. Und was wird endlich dein
-Lohn sein? Sage mir, lieber Herr, was hast du davon?
-Wann dus nicht weißt, so laß dirs von dem griechischen
-<span class="antiqua">Demosthenes</span> sagen, den die Athener des Landes verwiesen
-und ins Elend gejagt haben. Dem <span class="antiqua">Sokrati</span> ist mit
-Gift vergeben worden. <span class="antiqua">Hannibal</span> hat elendiglich, in der
-Welt landflüchtig herumschweifen müssen. <span class="antiqua">Lykurg</span> ward
-gesteiniget. <span class="antiqua">Solo</span> wurde verbrannt, nachdem ihm ein
-Aug ausgestochen ward. Darum behalte du dein Kommando
-samt seinem Lohn. Dann wann alles wohl mit
-dir abgehet, so bringst du aufs wenigste ein böses Gewissen
-davon.«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p096" id="Seite_p096">[S. 96]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_sechste_Kapitel" id="Buch2_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Und währendem meinem Diskurs sahe mich jedermann
-verwundert an. Mein Herr aber sagte:</p>
-
-<p>»Ich weiß nicht, was ich an dir habe. Du bedünkest
-mich vor ein Kalb viel zu verständig zu sein. Ich vermeine
-schier, du seiest unter deiner Kalbshaut mit einer
-Schalkshaut überzogen.«</p>
-
-<p>Ich stellete mich zornig und rief: »Vermeinet ihr
-Menschen dann wohl, wir Tiere seien gar Narren?
-Das dörft ihr euch wohl nicht einbilden. Ältere Tiere
-möchten euch anderst aufschneiden, so sie reden könnten
-als ich. Saget mir doch, wer die wilden Waldtauben,
-Häher, Amseln und Rebhühner gelehret hat sich mit
-Lorbeerblättern zu purgieren und die Turteltäublein
-und Hühner mit St. Peterskraut? Wer lehret Hunde
-und Katzen das betaute Gras fressen, wann sie ihren
-vollen Bauch reinigen wollen? Wer den angeschossenen
-Hirsch seine Zuflucht zur wilden Poley nehmen? Wer
-hat das Wieselin unterrichtet, daß es Raute gebrauchen
-solle, wann es mit der Feldmaus oder irgendeiner
-Schlange kämpfen will? Wer gibt den wilden Schweinen
-Efeu und den Bären Alraun vor Arznei zu erkennen?
-Wer unterweiset die Schwalbe, daß sie ihrer Jungen
-blöde Augen mit dem Chelidonio arzneien soll? Wer
-instruieret die Schlange, daß sie Fenchel esse, wann sie
-ihre Haut abstreifen will? Schier dorfte ich sagen, daß
-ihr eure Künste und Wissenschaften von uns Tieren
-erlernet habt. Aber ihr freßt und sauft euch krank und
-tot, das tun wir Tiere nicht. Ein Löw oder Wolf,
-wann er zu fett werden will, so fastet er, bis er frisch
-und gesund wird. Wer aber sagt den Sommervögeln,<span class="pagenum"><a name="Seite_p097" id="Seite_p097">[S. 97]</a></span>
-wann sie im Frühjahr zu uns kommen, Junge hecken
-und im Herbste wieder von dannen in warme Länder
-ziehen sollen? Leihet ihr Menschen ihnen vielleicht
-eueren Kalender oder Seekompaß? Beschauet die mühsame
-Spinne, deren Geweb beinahe ein Wunderwerk
-ist. Sehet ob ihr auch einen einzigen Knopf in aller
-ihrer Arbeit finden möget. Welcher Jäger hat sie gelehrt,
-das Wildpret zu belaustern? Die alten Philosophi
-haben solches ernstlich erwogen und sich nicht geschämet
-zu fragen und zu disputieren, ob die Tiere nicht auch
-Verstand hätten. Gehet hin zu den Immen und sehet,
-wie sie Wachs und Honig machen, und alsdann saget
-mir euer Meinung wieder.«</p>
-
-<p>Hierauf fielen unterschiedliche Urteile über mich. Der
-<span class="antiqua">Secretarius</span> hielt davor, ich sei närrisch, weil ich mich
-selbsten vor ein unvernünftig Tier schätze, maßen diejenigen,
-so einen Sparen zu viel oder zu wenig hätten
-und sich jedoch weise zu sein dünkten, die aller artlichsten
-und visierlichsten Narren wären. Andere sagten,
-wann man mir die Imagination benehme, daß ich
-ein Kalb sei, so würde ich vor vernünftig und witzig
-gelten müssen.</p>
-
-<p>Mein Herr sagte: »Er ist ein Narr, weil er jedem
-ungescheut die Wahrheit sagt, hingegen stehen seine
-klugen Diskursen keinem Narren zu.«</p>
-
-<p>Solches redeten sie auf latein, damit ich's nicht verstehen
-sollte.</p>
-
-<p>Der tolle Fähnrich aber schloß: »Wat wolts met deesem
-Kerl sin, hei hett den Tüfel in Liff, hei ist beseeten.
-De Tüfel, de kühret ut jehme!«</p>
-
-<p>Dahero nahm mein Herr Ursache, mich zu fragen,
-sintemal ich dann nunmehr zu einem Kalb worden
-wäre, ob ich noch wie vor diesem, gleich andern<span class="pagenum"><a name="Seite_p098" id="Seite_p098">[S. 98]</a></span>
-Menschen zu beten pflege und in Himmel zu kommen
-getraue.</p>
-
-<p>»Freilich,« antwortete ich, »ich habe ja meine unsterbliche
-menschliche Seele noch, die wird ja, wie du leicht
-gedenken kannst, nicht in die Hölle begehren, vornehmlich
-weil mir's schon einmal so übel darin ergangen.
-Ich bin verändert wie vordem Nabuchodonosor und
-dörfte ich noch wohl zu einer Zeit wieder zu einem
-Menschen werden.«</p>
-
-<p>»Das wünsche ich dir,« sagte mein Herr mit einem
-ziemlichen Seufzen. Daraus ich leichtlich schließen konnte,
-daß ihm eine Reue ankommen. »Aber laß hören, wie
-pflegst du zu beten?«</p>
-
-<p>Darauf kniete ich nieder, hub Augen und Hände auf
-gut einsiedlerisch zum Himmel, und weilen mich meines
-Herren Reue mit Trost berührte, konnte ich mich der
-Tränen nicht enthalten. Betete also mit größter Andacht
-das Vaterunser und bat weiters vor meine Freunde
-und Feinde und, daß mich Gott in dieser Zeitlichkeit
-also leben lasse, daß ich der ewigen Seligkeit würdig
-werde. Mein Einsiedel hatte mich ein solches Gebet
-mit andächtig concipierten Worten gelehret. Hievon etliche
-weichherzige Zuseher auch beinahe zu weinen anfingen,
-ja meinem Herren selbst stunden die Augen voll
-Wasser.</p>
-
-<p>Alsbald schickte mein Herr zum Pfarrer, dem erzählte
-er alles, daß er besorge, es gehe nicht recht mit mir zu,
-und daß vielleicht der Teufel mit unter der Decke läge.
-Der Pfarrer aber, dem meine Beschaffenheit am besten
-bekannt war, meinte, man sollte solches bedacht haben,
-eh man mich zum Narren zu machen unterstanden
-hätte, Menschen seien Ebenbilder Gottes, mit welchen
-nicht wie mit Bestien zu scherzen sei. Doch glaube er<span class="pagenum"><a name="Seite_p099" id="Seite_p099">[S. 99]</a></span>
-nicht an ein Spiel des Bösen, dieweil ich jederzeit inbrünstig
-zu Gott bete. Sollte aber solches wider Verhoffen
-zugelassen werden, so hätte man es bei Gott
-schwer zu verantworten, maßen es keine schwerere Sünde
-gibt, als einen Menschen der Vernunft zu berauben.
-Er wisse aber, daß ich auch hiebevor Witz genug gehabt,
-mich aber in diese Welt nicht habe schicken können.
-Hätte man sich ein wenig geduldet, so würde ich mich
-mit der Zeit besser angelassen haben. »Wann man ihm
-nur die Einbildung nehmen kann, daß er nicht mehr
-glaubet, er sei ein Kalb! Ich habe selbsten einen kranken
-Baur in meiner Pfarr gehabt, der klagte mir, daß er
-auf vier Ohm Wasser im Leib hätte, ich sollet ihn
-aufschneiden oder ihn in Rauch hängen lassen, damit
-dasselbe herauströckne. Darauf sprach ich ihm zu und
-überredete ihn, es könne das Wasser auf eine andere
-Weise von ihm gebracht werden. Nahm demnach einen
-Weinhahn, daran ich einen Darm steckte, das ander End
-des Darms band ich an das Spuntloch eines Wasserzubers.
-Darauf stellet ich mich, als wann ich ihm den
-Hahn in den Bauch steckte, welchen er überall mit
-Lumpen umwickelt hatte, damit er nicht zerspringen
-sollte. Ich ließ das Wasser durch den Hahn hinweglaufen,
-darüber sich der Tropf herzlich erfreuete. Er
-tät nach solcher Verrichtung die Lumpen von sich und
-kam in wenigen Tagen wieder allerdings zurecht. Also
-kann dem guten <span class="antiqua">Simplicio</span> auch wieder geholfen werden.«</p>
-
-<p>»Dieses alles glaube ich wohl,« sagte mein Herr, »allein
-es liegt mir an, daß er zuvor so unwissend gewesen,
-nun aber ein jeder sein Reden vor ein Orakul oder
-Warnung Gottes halten muß.«</p>
-
-<p>»Herr,« sagte der Pfarrer, »dieses kann natürlicher
-Weise wohl sein, doch weiß ich, daß er belesen ist,<span class="pagenum"><a name="Seite_p100" id="Seite_p100">[S. 100]</a></span>
-maßen er sowohl als sein Einsiedel alle meine Bücher
-durchgangen hat. Obgleich er nun seiner eigenen Person
-vergißt, kann er dannoch hervorbringen, was er
-hiebevor ins Gehirn gefaßt hat.«</p>
-
-<p>Also satzte der Pfarrer den Gubernator zwischen
-Forcht und Hoffnung, das brachte mir gute Tage und
-ihm einen Zutritt bei meinem Herrn, so daß er ihn
-endlich bei der Guarnison zum Kaplan machte.</p>
-
-<p>Von dieser Zeit besaß ich meines Herrn Gnade, Gunst
-und Liebe vollkömmlich, nichts manglete mir zu meinem
-besseren Glück, als daß ich an einem Kalbskleid zu viel
-und an Jahren noch zu wenig hatte. So wollte mich
-der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihm
-solches noch nicht Zeit und seinem Nutzen verträglich
-zu sein bedünkte.</p>
-
-<p>Demnach aber mein Herr sahe, daß ich Lust zur Musik
-hatte, ließ er mich solche lernen und verdingte mich
-zugleich einem vortrefflichen Lautenisten, dessen Kunst
-ich in Bälde ziemlich begriff und ihn um soviel übertraf,
-weil ich besser singen konnte. Also dienet ich
-meinem Herrn zur Lust, Kurzweile, Ergetzung und
-Verwunderung. Alle Offizierer erzeugten mir ihren geneigten
-Willen, die reichsten Bürger verehreten mich,
-Hausgesind und Soldaten wollten mir wohl. Einer
-schenkte mir hier, der andere dort, daß ich sie nicht
-verfuchsschwänzen sollte. Ich brachte ziemlich Geld zu
-Wege, welches ich mehrenteils dem Pfarrer zusteckte.
-Ich wuchs auf wie ein Narr in Zwiebelland und meine
-Leibskräfte nahmen handgreiflich zu. Man sahe mir
-in Bälde an, daß ich nicht mehr im Wald mit Wasser,
-Eicheln, Bucheckern, Wurzeln und Kräutern mortifizierte,
-sondern daß mir bei guten Bissen der rheinische
-Wein und das hanauische Doppelbier wohl zuschlug.<span class="pagenum"><a name="Seite_p101" id="Seite_p101">[S. 101]</a></span>
-Mein Herr gedachte mich nach beendeter Belagerung
-dem Kardinal Richelieu oder Herzog Bernhard von
-Weimar zu schenken, dann ohn daß er hoffte, einen
-großen Dank mit mir zu verdienen, gab er auch vor,
-daß mein Anblick ihm schier unmöglich länger zu ertragen,
-weil ich seiner Schwester je länger, je ähnlicher
-wurde und dies im Narrenhabit.</p>
-
-<p>Der Pfarrer widerriet, dann er hielt davor, die Zeit
-wäre gekommen, in welcher er ein Mirakul tun und
-mich vernünftig machen wollte. Es sollten andere Knaben
-in gleichen Kalbsfellen und mit denselben Zeremonien
-von einer Person in Gestalt eines Arztes, Propheten
-oder Landfahrers aus Tieren zu Menschen gemacht
-werden. Der Gouverneur ließ sich solchen Vorschlag
-belieben, mir aber communicierte der Pfarrer,
-was er mit meinem Herrn abgeredet hätte.</p>
-
-<p>Aber das neidische Glück wollte mich so leichtlich
-nicht meines Narrenkleides erledigen. Indem die Komödia
-noch in Händen der Schneider und Gerber lag,
-terminierte ich mit etlichen andern Knaben vor der
-Festung auf dem Eise herum, da überfiel uns eine
-Partei Kroaten; die satzten uns auf gestohlene Baurenpferd
-und führeten uns davon.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p102" id="Seite_p102">[S. 102]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_siebente_Kapitel" id="Buch2_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Obzwar nun die Hanauer gleich Lärm schlugen, sich
-zu Pferd heraus ließen, so mochten sie doch denen
-Kroaten nichts abgewinnen. Diese leichte Ware ging
-sehr vorteilhaftig durch und nahm ihren Weg auf
-Büdingen zu, allwo sie fütterten und den Bürgern daselbst
-die gefangenen hanauischen reichen Söhnlein wieder
-zu lösen gaben, auch ihre gestohlenen Pferde und andere
-Beute verkauften. Von dannen brachen sie wieder
-auf und gingen schnell durch den Büdinger Wald auf
-Stift Fulda zu. Sie nahmen unterwegs mit, was sie
-fortbringen konnten, das Rauben und Plündern hinderte
-sie an ihrem schleunigen Fortzug im geringsten
-nichts, dann sie konntens machen wie der Teufel, maßen
-wir noch denselben Abend im Stift Hirschfeld, allwo
-sie ihr Quartier hatten, mit einer großen Beute ankamen.
-Das ward alles partiert, ich aber fiel dem
-Obristen Corpes zu.</p>
-
-<p>Bei diesem Herrn kam mir alles widerwärtig und
-fast spanisch vor. Die hanauischen Schleckerbissen hatten
-sich in schwarzes Brot und mager Rindfleisch verändert,
-Wein und Bier war mir zu Wasser geworden, so schlief
-ich bei den Pferden. Anstatt Lautenschlagen mußte ich
-zu Zeiten gleich andern Jungen untern Tisch kriechen,
-wie ein Hund heulen und mich von Sporen stechen
-lassen. Vor das hanauische Herumterminieren mußte ich
-Pferde striegeln. Mein Herr hatte kein Weib, keinen
-Pagen, keinen Kammerdiener, keinen Koch, hingegen
-aber einen Haufen Reutknechte und Jungen. Er schämete
-sich nicht, sein Roß zu satteln und ihm Futter fürzuschütten.
-Er schlief auf der bloßen Erde und bedeckte<span class="pagenum"><a name="Seite_p103" id="Seite_p103">[S. 103]</a></span>
-sich mit seinem Pelzrock, daher sahe man oft die Müllerflöhe
-auf seinen Kleidern herumwandern, deren er sich
-im geringsten nicht schämete, sondern noch darzu lachte,
-wann ihm jemand einen herablas. Er trug kurze Haupthaar
-und einen Schweizerbart, welcher ihm wohl zustatten
-kam, weil er zuweilen selbst auf Kundschaft ging.
-Von den Seinen und andern, die ihn kannten, ward
-er geliebt, geehrt und geförchtet.</p>
-
-<p>Dies Leben schmäckte mir ganz nicht, dann wir waren
-niemals ruhig. Mit den Burschen konnte ich nicht
-reden, mußte mich stoßen, plagen, schlagen und jagen
-lassen. Die größte Kurzweil, die mein Obrister mit mir
-hatte, war, daß ich ihm auf deutsch singen und eins
-vorblasen mußte. Ich kriegte alsdann so dichte Ohrfeigen,
-daß der rote Saft hernach ging. Zuletzt lernte ich das
-Kochen und meines Herrn Gewehr sauber halten, darauf
-er viel hielt. Das schlug mir so vortrefflich zu,
-daß ich endlich seine Gunst erwarb, maßen er mir ein
-neues Narrenkleid aus Kalbsfellen mit viel größeren
-Eselsohren machen ließ. Ich trachtete Tag und Nacht,
-wie ich mit guter Manier wieder ausreißen möchte,
-vornehmlich weil ich den Frühling wieder erlanget hatte.</p>
-
-<p>Derhalben nahm ich mich an, die Schaf- und Kühkutteln,
-deren es voll um unser Quartier lag, fern
-hinweg zu schleifen, damit sie keinen so üblen Geruch
-machten. Solches ließ sich der Obrist gefallen. Zuletzt
-aber blieb ich gar aus und entwischte in den nächsten
-Wald.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p104" id="Seite_p104">[S. 104]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_achte_Kapitel" id="Buch2_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Allein ich war wenig Stunden von den Kroaten
-hinweg, so erhascheten mich etliche Schnapphahnen,
-die mein närrisch Kleid in der finstern Nacht nicht sahen
-und mich durch zween von ihnen an einen gewissen Ort
-im Walde führen ließen. Als wir dort waren, wollte
-der eine Kerl kurzum Geld von mir und legte Handschuh
-und Feuerrohr nieder, um mich zu visitieren.
-Sobald er aber mein haarigs Kleid und die langen
-Eselsohren an meiner Kappe begriff, davon helle Funken
-stoben, fuhr er vor Schröck ineinander. Solches
-merkte ich gleich, derowegen striegelte ich mein Kleid,
-daß es schimmerte, als wann ich inwendig voller brennenden
-Schwefels gestocken wäre. Ich schrie ihn mit
-schröcklicher Stimme an: »Ich bin der Teufel und will
-dir und deinem Gesellen die Hälse abdrähen!«</p>
-
-<p>Da rannten alle beide durch Stöcke und Stauden, als
-wann sie das höllische Feuer gejaget hätte. Ich aber
-lachte unterdessen förchterlich, daß es im ganzen Wald
-erschallete.</p>
-
-<p>Als ich mich abwegs machen wollte, strauchelte ich
-über das Feuerrohr und da ich weiterschritte, stieß ich
-auch an einen Knappsack, daran unten eine Patronentasche,
-mit Pulver, Blei und Zugehör wohlversehen,
-hing. Das nahm ich alles an mich, weil ich mit dem
-Geschoß umzugehen bei den Kroaten wohl gelernet
-hatte, und verbarg mich unweit davon in einem dicken
-Busch.</p>
-
-<p>Sobald der Tag anbrach kam die ganze Partei auf vorbenannten
-Platz und suchte das verloren Feuerrohr samt
-Knappsack. Ich aber hielt mich stiller als eine Maus.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p105" id="Seite_p105">[S. 105]</a></span>
-
-»Pfui, ihr feige Tropfen,« sagte einer, »daß ihr euch
-von einem einigen Kerl erschröcken, verjagen und das
-Gewehr abnehmen lasset!«</p>
-
-<p>Jedoch der eine schwur, der Teufel solle ihn holen,
-wann es nicht der Teufel selbst gewesen sei, er hätte
-die Hörner und seine rauhe Haut wohl begriffen. Der
-Anführer antwortete: »Was meinest du wohl, daß der
-Teufel mit deinem Ranzen und Feuerrohr machen wollte.
-Ich dörfte meinen Hals verwetten, wo nicht der Kerl
-beide Stücke mit sich genommen!«</p>
-
-<p>Diesem hielt ein andrer Widerpart und sagte: es
-könne wohl auch sein, daß seither etlich Bauren dagewesen
-wären.</p>
-
-<p>Zuletzt glaubten sie den grausamen Flüchen der beiden,
-so meine funkelnde Haut gesehen hatten, daß es der
-Teufel gewesen sei, und nahmen ihren Weg weiters.</p>
-
-<p>Ich aber machte den Ranzen auf zu frühstücken und
-langte mit dem ersten Griff einen Säckel heraus, in
-welchen dreihundert und etliche sechzig Dukaten waren.
-Viel mehr erfreuete mich aber, daß ich den Sack mit
-Proviant wohl gefüllet befand. Also zehrete ich bei
-einem lustigen Brünnlein fröhlich zu morgen.</p>
-
-<p>Solang mein Proviant währete, blieb ich im Wald,
-als aber mein Ranzen leer worden, jagte mich der
-Hunger in die Baurenhäuser. Da kroch ich bei Nacht
-in Keller und Küchen, nahm, was ich fand, und schleppte
-es mit mir dahin, wo es am allerwildesten war. Noch
-stund der Sommer im Anfang und ich konnte mit
-meinem Rohr Feuer machen.</p>
-
-<p>Unter währendem diesem Herumschweifen haben mich
-unterschiedliche Baursleute angetroffen, die seind aber
-allezeit vor mir geflohen. Also ward ruchbar, der böse
-Feind wandere wahrhaftig in selbiger Gegend umher.<span class="pagenum"><a name="Seite_p106" id="Seite_p106">[S. 106]</a></span>
-Derowegen mußte ich sorgen, der Proviant möchte mir
-ausgehen. Ich wollte wieder Wurzeln und Kreuter essen,
-deren war ich aber nicht mehr gewohnt.</p>
-
-<p>Einsmals hörete ich zween Holzheuer. Ich ging dem
-Schlag nach, und als ich sie sahe, nahm ich eine Handvoll
-Dukaten, schlich nahe zu ihnen, zeigte ihnen das
-anziehende Geld und sagte: »Ihr Herren, wann ihr
-meiner wartet, so will ich euch die Handvoll Gold
-schenken.«</p>
-
-<p>Aber sobald sie mich und das Gold sahen, gaben sie
-Fersengeld und ließen Schlegel und Keil samt ihrem
-Käs- und Brotsack liegen. Den nahm ich, verschlug
-mich in den Wald und verzweifelte schier, wieder einmal
-unter Menschen zu kommen.</p>
-
-<p>Nach langem Hin- und Hersinnen gedachte ich meinen
-Schatz zu sichern, derowegen machte ich mir aus meinen
-Eselsohren zwei Armbinden, gesellete darein meine
-hanauischen zu den schnapphahnischen Dukaten und
-arrestieret die Armbänder oberhalb den Ellbogen um
-meine Arme. Sodann fuhr ich den Bauren wieder ein
-und holte von ihrem Vorrat, was ich bedurfte und
-erschnappen konnte, jedoch so, daß ich niemals wieder
-an denselbigen Ort kam.</p>
-
-<p>Als ich zu Ende Mai wieder in einen Baurenhof
-geschlichen war, kam ich in die Küche, merkte aber bald,
-daß noch Leute auf waren. Blieb demnach mausstill
-sitzen und wartete. Unterdessen nahm ich einen Spalt
-gewahr, den das Küchenschälterlein hatte. Ich schlich
-hinzu und sahe anstatt des Lichts eine schweflichte, blaue
-Flamme auf der Bank stehen, bei welcher sie Stecken,
-Besen, Gabeln, Stühl und Bänke schmierten und nach
-einander damit zum Fenster hinaus flogen. Ich wunderte
-mich schröcklich und empfand großes Grauen, weil ich<span class="pagenum"><a name="Seite_p107" id="Seite_p107">[S. 107]</a></span>
-aber größerer Schröcklichkeiten gewohnt war, verfügte
-ich mich, nachdem sie alle abgefahren, in die Stube
-und bedachte, wo ich etwas finden sollte. Satzte mich
-in solchen Gedanken auf eine Bank rittlings nieder.
-Ich war aber kaum aufgesessen, da fuhr ich samt der
-Bank gleichsam augenblicklich zum Fenster hinaus und
-ließ meinen Ranzen und Feuerrohr vor den Schmierlohn
-und die künstliche Salben dahinter.</p>
-
-<p>Ich kam in einem Nu zu einer großen Schar Volkes,
-diese tanzten einen wunderlichen Tanz, dergleichen ich
-mein Lebtag nie gesehen. Sie hatten sich bei den Händen
-gefaßt und viel Ring ineinander gemacht mit zusammengekehrten
-Rücken, also, daß sie die Angesichter
-hinauswarts kehrten. Ein Ring tanzte um den andern
-links, der ander rechts herum und würblete dermaßen,
-daß ich nicht sehen konnte, was sie in der Mitte stehen
-hatten. Gleich seltsam war die Musik, welche eine
-wunderliche <span class="antiqua">Harmoniam</span> abgab. Meine Bank hatte
-mich bei den Spielleuten niedergelassen. Die hatten anstatt
-Flöten, Zwerchpfeifen und Schalmeien nichts anderes
-als Nattern, Vipern und Blindschleichen, darauf
-sie lustig daherpfiffen. Etliche geigten auf Roßköpfen,
-andere schlugen Harfe auf einem Kühgerippe, wie solche
-auf dem Wasen liegen. Einer hatte eine Hündin am
-Arm, deren leierte er am Schwanz und fingerte an den
-Dütten. Darunter trompeteten die Teufel durch die
-Nase, daß es im ganzen Wald erschallete. Wie der Tanz
-bald aus war, fing die ganze höllische Gesellschaft an
-zu rasen, zu rufen, zu rauschen, zu brausen, zu wüten
-und zu toben, als ob sie alle toll wären.</p>
-
-<p>In diesem Lärmen kam ein Kerl auf mich dar und hatte
-eine ungeheuere Krote unterm Arm, der waren die Därme
-ausgezogen und wieder zum Maul hineingeschoppt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p108" id="Seite_p108">[S. 108]</a></span>
-
-»Sieh hin, <span class="antiqua">Simplici</span>, ich weiß du bist ein guter Lautenist,
-laß doch ein Stückgen hören!«</p>
-
-<p>Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der
-Kerl mit meinem Namen nannte. Ich sahe ihn mit
-seiner Krot steif an und er zog seinen Nase aus und
-ein. Endlich stieß er mir vor die Brust, daß ich bald
-davon erstickte, derowegen rief ich überlaut zu Gott.
-Im Hui war es stockfinster und mir so förchterlich ums
-Herz, daß ich zu Boden fiel und wohl hundert Kreuz
-vor mich machte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p109" id="Seite_p109">[S. 109]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_neunte_Kapitel" id="Buch2_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Demnach es etliche, und zwar vornehme, gelehrte
-Leute gibt, die nicht glauben, daß Hexen und
-Unholden sein, als zweifele ich nicht, es werden sich
-etliche finden, die sagen, <span class="antiqua">Simplicius</span> schneide hier mit
-dem großen Messer auf. Mit denen begehre ich nicht
-zu fechten, dann weil Aufschneiden jetziger Zeit fast das
-gemeinste Handwerk ist, als kann ich nicht leugnen, daß
-ichs nicht auch könnte.</p>
-
-<p>Welche aber der Hexen Ausfahren leugnen, die sollen
-sich erinnern, daß Simon, der Zauberer, welcher vom
-bösen Geist in die Luft erhoben ward, auf <span class="antiqua">St. Petri</span>
-Gebet wieder heruntergefallen. Weiters <span class="antiqua">Nicolaus Remigius</span>,
-ein gelehrter und verständiger Mann, so im
-Herzogtum Lothringen nicht nur ein halbes Dutzend
-Hexen hat verbrennen lassen, erzählet von Johann von
-Hembach, daß ihn seine Mutter, die Hexe war, im sechzehnten
-Jahr seines Alters mit auf ihre Versammlung
-genommen. <span class="antiqua">Majolus</span> setzet zwei Exempel: von einem
-Knecht, so sich an seine Frau gehängt, und von einem
-Ehebrecher, so der Ehebrecherin Büchsen genommen,
-sich mit deren Salbe geschmiert und also beide zu der
-Zauberer Zusammenkunft kommen sein. So ist auch
-mehr als genugsam bekannt, was Gestalt teils Weiber
-und ledige Dirnen in Böhmen ihre Beischläfer des
-Nachts einen weiten Weg auf Böcken zu sich holen
-lassen. Was <span class="antiqua">Torquemadus</span> in seinem <span class="antiqua">Hexamerone</span> erzählet,
-mag bei ihm gelesen werden. Wie Doktor Faust
-neben noch andern mehr, die gleichwohl keine Zauberer
-waren, durch die Luft gefahren, ist aus seiner Histori
-genugsam bekannt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p110" id="Seite_p110">[S. 110]</a></span>
-
-Mag einer nun meine Geschicht glauben oder nicht,
-es gilt mir gleich, doch wer's nicht glauben will, der
-mag einen andern Weg erfinden, auf welchen ich aus
-dem Stift Hirschfeld oder Fulda in so kurzer Zeit ins
-Erzstift Magdeburg marschiert sei.</p>
-
-<p>Ich fange meine Histori wieder an und versichere
-den Leser, daß ich auf dem Bauch liegen blieb, bis es
-allerdings heller Tag war, weil ich nicht das Herz hatte,
-mich aufzurichten. Etliche Fouragierer weckten mich
-auf und nahmen mich in das Läger vor Magdeburg,
-allda ich einem Obristen zu Fuß zu teil ward. Dem
-erzählte ich alles haarklein und wie ich von denen
-Kroaten entloffen wäre; von meinen Dukaten schwieg
-ich still. Indessen sammlete sich ein Haufen Volks um
-mich, dann ein Narr macht tausend Narren. Unter
-denselben war einer, so das vorige Jahr zu Hanau gefangen
-gewesen. »Hoho,« rief er, »dies ist des Kommandanten
-Kalb zu Hanau!« Der Obrist fragte ihn,
-der Kerl aber wußte nichts, als daß ich wohl auf der
-Laute schlagen könnte, <span class="antiqua">item</span> daß mich die Kroaten von
-des Obrist Corpes Regiment hinweggenommen hätten.
-Hierauf schickte die Obristin zu einer andern Obristin,
-die auf der Lauten spielen konnte, und ließ um ihre
-Lauten bitten. Solche ward mir präsentiert mit Befehl,
-ich solle mich hören lassen. Ich aber meinte, daß
-mein leerer Bauch nicht wohl mit dem dicken, wie die
-Laute einen hatte, zusammenstimmen würde. Also bekam
-ich ziemlich zu kröpfen und zugleich einen guten
-Trunk Zerbster Bier. Sodann ließ ich beides, die Lauten
-und meine Stimme hören. Darunter redete ich allerlei,
-so daß ich mit geringer Mühe die Leute dahin brachte,
-daß sie glaubten, ich wäre von derjenigen Qualität,
-die meine Kleidung vorstellete. Der Obrist fragte mich,<span class="pagenum"><a name="Seite_p111" id="Seite_p111">[S. 111]</a></span>
-wo ich weiters hinwollte, und da ich antwortete, daß
-es mir gleich sei, so machte er mich zu seinem Hofjunker.
-Er wollte auch wissen, wo meine Eselsohren wären.</p>
-
-<p>»Ja, wann du wüßtest, wo sie wären,« sagte ich,
-»so würden sie dir nicht übel anstehen.«</p>
-
-<p>Ich ward in kurzer Zeit bei den meisten hohen Offizierern
-sowohl im kur-sächsischen als im kaiserlichen
-Läger bekannt, sonderlich bei den Frauenzimmern, welche
-meine Kappe, Ärmel und gestutzten Ohren überall mit
-seidenen Banden zierten. Was mir aber an Geld geschenkt
-ward, das verspendierte ich in Hamburger und
-Zerbster Bier an gute Gesellen. Überall, wo ich nur
-hinkam, hatte ich genug zu schmarotzen.</p>
-
-<p>Als meinem Obristen aber eine eigene Laute vor
-mich überkam, dann er gedachte ewig an mir zu haben,
-da dorft ich nicht mehr in den beiden Lägern so hin
-und wieder schwärmen, sondern er stellete mir einen
-Hofmeister dar, der mich beobachten und dem ich hingegen
-gehorsamen sollte. Dieser war ein Mann nach
-meinem Herzen, still, verständig, wohlgelehrt, von guter
-Konversation und was das gröbste gewesen, überaus
-gottesförchtig. Er war vordem eines vornehmen Fürsten
-Rat und Beamter, aber von den Schwedischen bis in
-Grund ruiniert worden. Er ließ sich bei diesem Obristen
-vor einen Stallmeister gebrauchen, indem sein einziger
-Sohn unter der kur-sächsischen Armee vor einen Musterschreiber
-dienete.</p>
-
-<p>In der ersten Woche schon kam er mir hinter die
-Briefe und erkannte, daß ich kein solcher Narr war,
-wie ich mich stellete, wie er dann vom ersten Tag an
-aus meinem Angesicht ein anders geurteilet hatte, weil
-er sich wohl auf <span class="antiqua">Physiognomiam</span> verstund.</p>
-
-<p>Ich erwachte einsmals um Mitternacht und machte<span class="pagenum"><a name="Seite_p112" id="Seite_p112">[S. 112]</a></span>
-über mein Leben und seltsame Begegnüssen allerlei Gedanken,
-knieet neben den Bette nieder und erzählete danksagungsweise
-alle Guttaten, die mir mein lieber Gott erwiesen,
-und alle Gefahren, daraus er mich errettet. Weil
-mein Hofmeister mehr alt als jung war und die ganze
-Nacht nicht durchgehend schlafen konnte, hörete er alles,
-tät aber, als wenn er schliefe und redete nicht mit mir
-im Zelt hievon, weil es zu dünne Wände hatte; wollte
-auch meiner Unschuld versichert sein.</p>
-
-<p>Bei einer Gelegenheit fand er mich einsmals nach
-Wunsch an einem einsamen Ort und sagte:</p>
-
-<p>»Lieber, guter Freund, ich weiß, daß du kein Narr
-bist, wie du dich stellest, zumalen auch in diesem elenden
-Stand nicht zu leben begehrest. Ich will womüglich
-mit Rat und Tat bedacht sein, wie dir etwan zu helfen
-sein möchte, so du zu mir, als einem ehrlichen Mann,
-dein Vertrauen setzen willst.«</p>
-
-<p>Hierauf fiel ich ihm um den Hals und erzeugete mich
-vor übriger Freude nicht anders, als wann er ein Prophet
-gewesen wäre, mich von meiner Narrenkappe zu
-erlösen. Nachdem wir auf die Erde gesessen, erzählete
-ich ihm mein ganzes Leben. Er beschauete meine Hände
-und verwunderte sich über beides: die verwichenen und
-künftigen seltsamen Zufälle, so er aus meinen Händen
-las. Widerriet mir durchaus, daß ich mein Narrenkleid
-ablegen sollte, dann er vermittelst <span class="antiqua">Chiromantia</span> sehe,
-daß mir mein Fatum ein Gefängnis androhe unter
-Leibes- und Lebensgefahr. Er wollte mein treuer Freund
-und Vater bleiben.</p>
-
-<p>Demnach stunden wir auf und kamen auf den Spielplatz,
-da man mit Würfeln turnieret und alle Schwüre
-mit hundert und tausend Galeeren, Rennschifflein,
-Tonnen und Städtgräben voll herausfluchte. Der Platz<span class="pagenum"><a name="Seite_p113" id="Seite_p113">[S. 113]</a></span>
-war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln,
-überall mit Mänteln überstreut und mit Tischen bestellt,
-die alle von Spielern umgeben waren. Jede Gesellschaft
-hatte drei viereckichte Schelmenbeiner, denen
-sie ihr Glück vertraueten. So hatte auch jeder Mantel
-oder Tisch einen Schunderer, dessen Amt war zu sehen,
-daß kein Unrecht geschähe. Die liehen auch Mäntel,
-Tische und Würfel her und erschnappten gewöhnlich
-das meiste Geld, doch blieb es ihnen nicht, dann sie
-verspieltens gemeiniglich wieder oder bekams der Feldscherer,
-weil ihnen die Köpfe oft gewaltig geflickt wurden.</p>
-
-<p>Alle vermeineten zu gewinnen, als hätten sie aus
-einer fremden Tasche gesetzt, weil aber etlich trafen,
-etlich fehlten, so donnerten und flucheten auch etlich
-und betrogen und wurden gesäbelt; war ein Gelächter
-und Zähneaufeinanderbeißen. Etliche begehrten redliche
-Würfel, andere führten unvermerkt falsche ein, die
-wieder andere hinwegwurfen, mit den Zähnen zerbissen
-und darüber aus Zorn den Schunderern die Mäntel
-zerrissen. Unter den falschen Würfeln befanden sich
-Niederländer, die man schleifend rollen mußte, sie hatten
-spitze Rücken, drauf sie Fünfer und Sechser trugen.
-Andere waren oberländisch, denen mußte man die bayrische
-Höhe geben, wenn man sie werfen wollte. Etliche
-waren aus Hirschhorn, oben leicht und unten schwer,
-andre mit Quecksilber oder Blei, aber andere mit zerschnittenen
-Haaren, Schwämmen, Spreu und Kohlen
-gefüttert. Etliche hatten spitze Ecken, andern waren
-solche glatt hinweggeschliffen. Teils waren lange Kolben,
-teils sahen sie aus wie Schildkrotten. Mit solchen
-Schelmbeinern zwackten, laureten, stahlen sie einander
-ihr Geld ab.</p>
-
-<p>Mein Hofmeister sagte: »Dieses ist der allerärgste und<span class="pagenum"><a name="Seite_p114" id="Seite_p114">[S. 114]</a></span>
-abscheulichste Ort im ganzen Läger. Wann einer nur
-den Fuß hierher setzet, so hat er das zehende Gebot
-übertreten: du sollst deines nächsten Gut nicht begehren.
-So du aber spielest und gewinnst, sonderlich durch Betrug
-und falsche Würfel, so übertrittst du das siebend
-und achte Gebot. Ja, es kann kommen, daß du auch
-zum Mörder wirst aus äußerster Not und Desperation.
-Ein jeder auf diesem Platze ist in Gefahr, sein Geld
-und auch sein Leib, Leben und gar seiner Seelen Seligkeit
-zu verlieren.«</p>
-
-<p>Ich fragte: »Liebster Herr, warum lassens dann die
-Vorgesetzten zu?«</p>
-
-<p>Er antwortete: »Ich will nicht sagen darum, dieweil
-teils Offizierer selbst mitmachen, sondern es geschiehet,
-weils die Soldaten nicht mehr lassen wollen, ja, auch
-nicht lassen können. Dann wer sich dem Spielen einmal
-ergeben, der wird nach und nach, er gewinne oder
-verspiele, so verpicht darauf, daß er's weniger lassen
-kann als den natürlichen Schlaf. Man siehet etliche die
-ganze Nacht durch und durch raßlen und vor das beste
-Essen und Trinken hineinspielen und sollten sie auch
-ohn Hemd davongehen. Es ist zu unterschiedlichen
-Malen bei Leib- und Lebensstrafe verboten und auf
-Befehl der Generalität durch Rumormeister, Profosen,
-Henker und Steckenknechte mit gewaffneter Hand offentlich
-und mit Gewalt verwehret worden, aber das half
-alles nichts. Also daß man, der Heimlichkeit zu wehren,
-das Spielen wieder offentlich erlauben und gar diesen
-eigenen Platz darzu widmen mußte, damit die Hauptwacht
-bei der Hand wäre. Ich versichere dich, <span class="antiqua">Simplici</span>,
-daß ich willens bin, von dieser Materi ein ganz Buch
-zu schreiben, sobald ich wieder bei den Meinigen zur
-Ruhe komme. Da will ich den Verlust der edlen Zeit<span class="pagenum"><a name="Seite_p115" id="Seite_p115">[S. 115]</a></span>
-beschreiben, die man mit Spielen unnütz verbringet,
-nicht weniger will ich die grausamen Flüche, mit welchen
-man Gott lästert, und die Scheltworte erzählen, mit
-denen einer den andern antastet, viel schröckliche Exempel
-und Historien einbringen, die sich bei, mit und in dem
-Spielen zutragen. Und will nicht vergessen der Duell
-und Totschläge, des Geizes, Zorns, Neides, Eifers, der
-Falschheit, des Betrugs und Diebstahls und beides: der
-Würfel- und Kartenspieler unsinnige Torheiten mit
-ihren lebendigen Farben abmalen und vor Augen stellen,
-daß jeder Leser ein solch Abscheuen vor dem Spielen
-gewinnen soll, als wann er Säumilch gesoffen hätte,
-welche man den Spielsüchtigen wider solche ihre Krankheit
-unwissend eingibt.«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p116" id="Seite_p116">[S. 116]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_zehent_Kapitel" id="Buch2_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Mein Hofmeister ward mir je länger, je holder und
-ich hingegen wieder ihm, doch hielten wir unsere
-Verträulichkeit sehr geheim. Ich agierte zwar den Narren,
-brachte aber keine grobe Zotten und Büffelpossen vor,
-so daß meine Gaben zwar vielfältig genug, aber jedoch
-mehr sinnreich als närrisch fielen.</p>
-
-<p>So gab mir auch meines Herren Schreiber, ein arger
-Gast und durchtriebener Schalk, viel Materi an die
-Hand, dadurch ich auf dem Wege, den die Narren zu
-wandeln pflegen, unterhalten ward, indem mich der
-Speivogel zu Torheiten überredete, die ich dann nicht
-allein vor mich selbsten glaubte, sondern auch anderen
-mitteilte.</p>
-
-<p>Als ich ihn einsmals fragte, was unseres Regiments
-Kaplan vor einer sei, sagte er:</p>
-
-<p>»Er ist der Herr <span class="antiqua">Dicis-et-non-facis</span>, das ist auf deutsch
-soviel als ein Kerl, der andern Leuten Weiber gibet
-und selbst keine nimmt. Er ist den Dieben spinnefeind,
-weil sie nicht sagen, was sie tun, er aber hingegen
-saget, was er nicht tut. Hingegen sein die Diebe ihm
-auch nicht gar so hold, weil sie gemeiniglich gehenkt
-werden, wann sie mit ihm in Umgang kommen.«</p>
-
-<p>Da ich nachgehends den guten ehrlichen Pater so
-nannte, ward er ausgelacht, ich aber selber gebaumölt.</p>
-
-<p>Ferner überredete er mich, es kämen von den Soldaten
-keine tapferen Helden in den Himmel, sondern
-bloß einfältige Tropfen, Bernheuter und dergleichen,
-die sich an ihrem Sold genügen ließen; auch keine politischen
-Alamode-Kavaliers und galante Dames, sondern
-nur geduldige Job, Siemänner, langweilige Mönche,<span class="pagenum"><a name="Seite_p117" id="Seite_p117">[S. 117]</a></span>
-melancholische Pfaffen, Betschwestern und allerhand
-Auswürflinge, die der Welt weder zu sieden noch zu
-braten taugen. Er überredete mich auch, daß man zu
-Zeiten mit göldenen Kugeln schieße und je kostbarer
-solche wären, je größeren Schaden pflegten sie zu tun.
-Ja, man führet wohl eh ganze Kriegsheere mitsamt
-der Artollerei, Munition und Bagage in göldenen
-Ketten gefangen daher. Weiters beschwatzete er mich
-von den Weibern, daß mehr als der halbe Teil Hosen
-trügen, obschon man sie nicht sähe, und daß vielen
-ihrer Männer Hörner auf den Köpfen gaukelten, als
-solche ehmals Aktäon getragen, obschon die Weiber
-keine Dianen wären. Welches ich ihm alles glaubte, so
-ein dummer Narr war ich.</p>
-
-<p>Hingegen brachte mich mein Hofmeister in Kundschaft
-seines Sohns, der, wie hiebevor gemeldet, bei
-der kur-sächsischen Armee ein Musterschreiber war. Den
-mochte mein Obrister gern leiden und war bedacht,
-ihn von seinem Kapitän loszuhandeln und zu seinem
-Regimentssekretär zu machen. Mit ihm, welcher wie
-sein Vater Ulrich Herzbruder hieß, machte ich Freundschaft,
-so daß wir ewige Brüderschaft zusammen
-schwuren, kraft deren wir einander in Glück und Unglück,
-in Liebe und Leid nimmermehr verlassen wollten.
-Nichts lag uns härter an, als wie wir meines Narrenkleides
-mit Ehren loswerden und einander rechtschaffen
-dienen könnten. Allein der alte Herzbruder verwarnte
-uns: Wann ich in kurzer Zeit meinen Stand ändere,
-daß mir solches ein schweres Gefängnis und Leib- und
-Lebensgefahr gebären würde. Und gleicherweise prognostizierte
-er sich selbst und seinem Sohn einen großen
-bevorstehenden Spott.</p>
-
-<p>Kurz nachher merkte ich, daß meines Obristen Schreiber<span class="pagenum"><a name="Seite_p118" id="Seite_p118">[S. 118]</a></span>
-meinen neuen Bruder schröcklich neidete, weil er vor
-ihm zu der Sekretariatsstelle erhoben werden wollte.
-Ich sahe, wie er zu Zeiten griesgramete, wie ihn die
-Mißgunst bedrängte und er in schweren Gedanken allezeit
-seufzete, wann der den alten oder den jungen Herzbruder
-ansahe. Ich kommunizierte meinem Bruder
-beides aus getreuer Affektion und tragender Schuldigkeit,
-damit er sich vor dem Judas vorsehe. &mdash;</p>
-
-<p>Weil es nun Gebrauch im Krieg ist, daß man alte
-versuchte Soldaten zu Profosen machet, so hatten wir
-bei uns einen abgefeumten Erzvogel und Kernbösewicht,
-der mehr als vonnöten erfahren war. Ein rechter Schwarzkünstler,
-Siebdreher und Teufelsbanner, war er und von
-sich selbsten nicht allein so fest als Stahl, sondern ein
-solcher Geselle, der andere fest machen und noch darzu
-ganze Esquadronen Reuter ins Feld stellen konnte. So
-gab es Leute, die gern mit diesem Wendenschimpf umgingen,
-sonderlich Olivier unser Schreiber, um so mehr, als
-sich dessen Neid gegen den jungen Herzbruder vermehrete.</p>
-
-<p>Eben damals ward meine Obristin mit einem jungen
-Sohn erfreuet und die Taufsuppe fast fürstlich dargereicht.
-Der junge Herzbruder war aufzuwarten ersuchet
-worden und weil er sich aus Höflichkeit einstellte, schiene
-solches dem Olivier die erwünschte Gelegenheit. Dann,
-als nun alles vorüber war, manglete meines Obristen
-großer vergöldter Becher, welcher noch vorhanden gewesen,
-da alle fremden Gäste schon hinweg waren.
-Hierauf ward der Profos geholt, in der Sache Rat zu
-schaffen und das Werk so einzurichten, daß nur dem
-Obristen kund wurde, wer der Dieb war, weil noch
-Offizierer von seinem Regiment vorhanden, die er nicht
-gern zu Schanden machen wollte, wann sich vielleicht
-einer davon versehen hätte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p119" id="Seite_p119">[S. 119]</a></span>
-
-Weil sich nun jeder unschuldig wußte, so kamen wir
-alle lustig in des Obristen Zelt. Als der Zauberer aber
-etliche Worte gemurmelt hatte, sprangen dem einen von
-uns hier, dem andern dort ein, zwei, drei, auch mehr
-Hündlein aus den Hosensäcken, Ärmeln, Stiefeln, Hosenschlitzen,
-diese wusselten behend im Zelt hin und wieder
-herum, daß es ein recht lustig Spektakul war. Mir
-aber wurden meine kroatischen Kälberhosen, so voller
-junge Hunde gegaukelt, daß ich solche ausziehen, und
-weil mein Hemd vorlängst im Walde am Leib verfaulet
-war, nackend dastehen mußte. Zuletzt sprang den
-jungen Herzbruder ein Hündlein mit göldenem Halsband
-aus dem Hosenschlitz und das verschlang alle andern
-Hündlein, ward aber selbsten je länger, je kleiner,
-das Halsband nur desto größer, bis es sich endlich gar
-in des Obristen Tischbecher verwandelte.</p>
-
-<p>Da sagte der Obrist zu meinem Herzbruder:</p>
-
-<p>»Siehe, du undankbarer Gast, ich habe dich zu meinem
-<span class="antiqua">Secretario</span> des morgenden Tages machen wollen. Nun
-aber hast du mit diesen Diebsstücken verdient, daß ich
-dich noch heut aufhängen ließe. Das auch unfehlbar
-geschehen sollte, wann ich deinen ehrlichen, alten Vater
-nicht verschonete. Geschwind, pack dich aus meinem
-Läger!«</p>
-
-<p>Mein junger Herzbruder ward nicht gehört. Indem
-er fortging, ward dem guten alten Herzbruder ganz
-ohnmächtig, daß man genug an ihm zu laben und der
-Obrist selbst an ihm zu trösten hatte.</p>
-
-<p>Sobald des jungen Herzbruders Kapitän diese Geschichte
-erfuhr, nahm er ihm die Musterschreiberstelle
-und lud ihm eine Picke auf, von welcher Zeit an er
-bei männiglich so verachtet ward, daß er sich oft den
-Tod wünschete. Sein Vater aber bekümmerte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_p120" id="Seite_p120">[S. 120]</a></span>
-dergestalt, daß er in eine schwere Krankheit fiel und
-sich auf das Sterben gefaßt machte. Demnach er sich
-ohndas prognostizieret, daß er den 26. <span class="antiqua">Julii</span> Leib- und
-Lebensgefahr ausstehen müsse, verlangte er von dem
-Obristen, daß sein Sohn noch einmal zu ihm kommen
-dörfte. Ich ward der dritte Mitgesell ihres Leides. Da
-sahe ich, daß der Sohn keiner Entschuldigung bedörftig
-gegen seinen Vater, der als weiser, tiefsinniger Mann
-unschwer ermaß, daß Olivier seinem Sohn hatte das
-Bad durch den Profosen zurichten lassen. Aber was
-vermochte er gegen den Zauberer! Überdies versahe er
-sich des Todes und wußte doch nicht geruhiglich zu
-sterben, weil er seinen Sohn in solcher Schande hinter
-sich lassen sollte. Es war, versichert, dieser beiden Jammer
-so erbärmlich anzuschauen, daß ich vom Herzen weinen
-mußte. Zuletzt beschlossen sie, Gott ihre Sache in Geduld
-heimzustellen und auf Mittel zu gedenken, wie sich
-der junge Herzbruder von seiner Kompagnia loswürken
-und anderwärts sein Glück suchen könnte. Da mangelte
-es aber am Gelde und ich gedachte meiner gespickten
-Eselsohren, fragte derowegen, wieviel sie zu ihrer Notdurft
-haben mußten. Der junge Herzbruder meinte, mit
-hundert Talern aus seinen Nöten zu kommen. Ich rief:
-»Hab' ein gut Herz, Bruder, ich will dir hundert Dukaten
-geben!« &mdash; »Bist du ein rechter Narr und scherzest
-in unserer äußersten Trübseligkeit?«</p>
-
-<p>Ich streifete mein Wams ab und melkete aus dem
-einen Eselsohr hundert Dukaten, das Übrige behielt
-ich und sagte: »Hiemit will ich deinem kranken Vater
-aufwarten.«</p>
-
-<p>Da fielen sie mir um den Hals, küßten mich und
-wußten vor Freuden nicht, was sie taten, wollten mir
-auch eine Handschrift zustellen, daß sie mich um diese<span class="pagenum"><a name="Seite_p121" id="Seite_p121">[S. 121]</a></span>
-<span class="antiqua">Summam</span> samt dem Interesse hinwiederum mit großem
-Dank befriedigen wollten, so ich aber nicht annahm,
-sondern mich in ihre beständige Freundschaft befahl.</p>
-
-<p>Hierauf wollte der junge Herzbruder verschwören,
-sich an dem Olivier zu rächen oder darum zu sterben.
-Aber sein Vater verbot ihm solches und versicherte
-ihn, daß derjenige, der den Olivier totschlüge, wiederum
-vom <span class="antiqua">Simplicio</span> den Rest kriegen werde. »Doch,«
-sagte er, »ich bin dessen wohl vergewissert, daß ihr
-beide einander nicht umbringen werdet, weil keiner von
-euch durch Waffen umkommen soll.«</p>
-
-<p>Der junge Herzbruder entledigte sich mit dreißig Talern,
-daß ihm sein Kapitän einen ehrlichen Abschied gab,
-verfügte sich mit dem übrigen Geld und guter Gelegenheit
-nach Hamburg, montierte sich allda mit zwei Pferden
-und ließ sich unter der schwedischen Armee vor
-einen Freireuter gebrauchen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p122" id="Seite_p122">[S. 122]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_elfte_Kapitel" id="Buch2_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Keiner schickte sich besser, dem alten Herzbruder abzuwarten,
-als ich, so ward mir auch solches Amt
-von dem Obristen aufgetragen. Es besserte sich von Tag
-zu Tag mit ihm, also daß er noch vor dem 26. <span class="antiqua">Julii</span>
-fast wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte.
-Doch wollte er sich noch inhalten und krank stellen, bis
-vermeldter Tag, vor welchem er sich merklich entsatzte,
-vorbei wäre.</p>
-
-<p>Indessen besuchten ihn allerhand Offizierer von beiden
-Armeen, die ihr künftig Glück von ihm wissen
-wollten, dann weil er ein guter <span class="antiqua">Mathematicus</span> und
-Nativitätensteller, benebens auch ein vortrefflicher
-<span class="antiqua">Physiognomist</span> und <span class="antiqua">Chiromanticus</span> war, ging seine
-Aussag selten fehl. Er nannte sogar den Tag, an welchem
-die Schlacht vor Wittstock nachgehends geschahe,
-sintemal ihm viel zukamen, denen um dieselbige Zeit,
-einen gewalttätigen Tod zu erleiden, angedroht war.</p>
-
-<p>Dem falschen Olivier, der sich gar däppisch bei ihm
-zu machen wußte, sagte er ausdrücklich, daß er eines
-gewalttätigen Todes sterben müsse, und daß ich seinen
-Tod rächen werde, weswegen mich Olivier folgender
-Zeit hochhielt. Auch mein zukünftiges Leben erzählete
-er mir, welches ich aber wenig achtete.</p>
-
-<p>Als nun der 26. <span class="antiqua">Julii</span> eingetreten war, vermahnete
-er mich und einen Fourierschützen, den mir der Obrist
-auf sein Begehren denselben Tag zugegeben hatte, ganz
-treulich, wir sollten niemand zu ihm ins Zelt lassen.
-Er lag allein darin und betete. Da es aber Nachmittag
-ward, kam ein Leutenant aus dem Reuterläger dahergeritten,
-welcher nach des Obristen Stallmeister fragte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p123" id="Seite_p123">[S. 123]</a></span>
-Er ward zu uns und gleich darauf wieder von uns
-abgewiesen. Er wollte sich aber nicht abweisen lassen,
-sondern bat den Fourierschützen mit untergemischten
-Verheißungen, ihn vor den Stallmeister zu lassen, als
-mit welchem er noch diesen Abend notwendig reden
-müßte. Weil aber solches auch nicht helfen wollte, fing
-er an zu fluchen, mit Donner und Hagel dreinzukollern
-und zu sagen, er sei schon so vielmal dem Stallmeister
-zu Gefallen geritten und hätte ihn noch niemals daheim
-angetroffen, so er nun jetzt einmal vorhanden sei, so
-sollte er abermal die Ehre nicht haben, nur ein einzig
-Wort mit ihm zu reden? Stieg darauf ab, ließ sich
-nicht verwehren, das Zelt selbst aufzuknüpfen, worüber
-ich ihm in die Hand biß und eine dichte Maulschelle
-davor bekam.</p>
-
-<p>Sobald er meinen Alten sahe, sagte er:</p>
-
-<p>»Der Herr sei gebeten, mir zu verzeihen, daß ich die
-Frechheit gebrauche, ein Wort mit ihm zu reden.«</p>
-
-<p>»Wohl,« antwortete der Stallmeister, »was beliebt
-dann dem Herrn?«</p>
-
-<p>»Nichts anders,« sagte der Leutenant, »als daß ich
-den Herrn bitten wollte, ob er sich ließe belieben, mir
-meine Nativität zu stellen.«</p>
-
-<p>Der Stallmeister entgegnete: »Ich will verhoffen,
-mein hochgeehrter Herr werde mir vergeben, daß ich
-demselben vor diesmal meiner Krankheit halber nicht
-willfahren kann. Weil diese Arbeit viel Rechnens brauchet,
-wirds mein blöder Kopf jetzo nicht verrichten können.
-Wann er sich aber bis morgen zu gedulden beliebet,
-will ich ihm verhoffentlich genugsame <span class="antiqua">Satisfaction</span> tun.«</p>
-
-<p>»Herr,« sagte hierauf der Leutenant, »Er sage mir
-nur etwas dieweil aus der Hand.«</p>
-
-<p>»Mein Herr,« antwortete der alte Herzbruder, »dieselbe<span class="pagenum"><a name="Seite_p124" id="Seite_p124">[S. 124]</a></span>
-Kunst ist gar mißlich und betrüglich, derowegen
-bitte ich, der Herr wolle mich damit soweit verschonen,
-ich will morgen hergegen alles gern tun, was der Herr
-von mir begehret.«</p>
-
-<p>Der Leutenant wollte sich doch nicht abweisen lassen,
-sondern trat meinem Vater vors Bette, streckte ihm die
-Hand dar und sagte:</p>
-
-<p>»Herr, ich bitte nur um ein paar Worte, meines Lebens
-Ende betreffend mit Versicherung, wann solches etwas
-Böses sein sollte, daß ich des Herren Rede als eine
-Warnung von Gott annehmen will, um mich desto
-besser vorzusehen. Darum bitte ich um Gottes willen,
-der Herr wolle mir die Wahrheit nicht verschweigen!«</p>
-
-<p>Der redliche Alte antwortete ihm hierauf kurz und
-sagte: »Nun wohlan, so sehe sich der Herr dann wohl
-vor, damit er nicht in dieser Stunde noch aufgehängt
-werde.«</p>
-
-<p>»Was, du alter Schelm,« schrie der Leutenant, »solltest
-du einen Kavalier solche Worte vorhalten dörfen!«
-Zog damit vom Leder und stach meinen lieben alten
-Herzbruder im Bette zu Tode.</p>
-
-<p>Ich und der Fourierschütz riefen alsbald Lärmen
-und Mordio, also daß alles dem Gewehr zulief. Der
-Leutenant aber machte sich unverweilet auf seinen
-Schnellfuß und wäre auch ohn Zweifel entritten, wann
-nicht eben persönlich der Kurfürst von Sachsen mit
-vielen Pferden vorbei gekommen wäre und ihn hätte
-einholen lassen. Als derselbe den Handel vernahm,
-wandte er sich zu dem von Hatzfeld, als unserm General,
-und sagte nichts andres als dieses:</p>
-
-<p>»Das wäre eine schlechte <span class="antiqua">Disciplin</span> in einem kaiserlichen
-Läger, wann auch ein Kranker im Bette vor
-den Mördern seines Lebens nicht sicher sein sollte!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p125" id="Seite_p125">[S. 125]</a></span>
-
-Das war ein scharfer Sentenz und genugsam, den
-Leutenant um das Leben zu bringen, gestalt ihn unser
-General alsbald an seinem allerbesten Hals aufhängen
-ließ.</p>
-
-<p>Aus dieser wahrhaftigen Histori ist zu sehen, daß nicht
-sogleich alle Wahrsagungen zu verwerfen sein, wie etliche
-Gecken tun, die gar nichts glauben können. Allein
-ich habe oft gewünscht und wünsche es noch, daß mein
-lieber alter Herzbruder zu mir geschwiegen hätte. Dann
-der Mensch kann sein vorausgesetztes Ziel schwerlich
-überschreiten, also auch ich die unglücklichen Fälle, so
-er mir angezeiget, habe niemals umgehen können. Was
-half mir, daß der alte Herzbruder hoch und teuer schwur,
-ich wäre von edlen Eltern geboren und erzogen worden,
-da ich doch von niemand anders wußte, als von
-meinen Knän und meiner Meuder! <span class="antiqua">Item</span> was halfs
-dem Wallenstein, Herzog von Friedland, daß ihm profezeit
-ward, er werde gleichsam mit Saitenspiel zum König
-gekrönt werden. Weiß man nicht, wie er zu Eger ist
-eingewieget worden?</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p126" id="Seite_p126">[S. 126]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_zwoelfte_Kapitel" id="Buch2_Das_zwoelfte_Kapitel">Das zwölfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Meine beiden Herzbrüder hatte ich verloren, das
-ganze Läger vor Magdeburg war mir verleidet,
-ich ward meines Standes so müd und satt, als wann
-ich's mit lauter eisernen Kochkesseln gefressen hätte.</p>
-
-<p>Olivier, der <span class="antiqua">Secretarius</span>, welcher nach des alten Herzbruders
-Tod mein Hofmeister geworden war, erlaubte
-mir oft mit den Knechten auf Fourage zu reuten. Als
-wir nun einsmals in ein großes Dorf kamen, darin
-etliche den Reutern zuständige Bagage logierte, und
-jeder hin und wider in die Häuser ging, zu suchen, was
-etwan mitzunehmen wäre, stahl ich mich auch hinweg
-und suchte, ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden
-möchte. Aber ich mußte mit einem Weiberkleid vorlieb
-nehmen, zog es an und warf den Narrenhabit in ein
-<span class="antiqua">Secret</span>. In diesem Aufzuge ging ich über die Gasse
-etlichen Offiziersweibern entgegen und machte enge
-Schrittlein. Ich war aber kaum außer Dach, da mich
-etliche Fouragierer sahen und besser springen lehrten.
-Sie schrieen: Halt! Halt! &mdash; ich lief zu den obgemeldten
-Offiziererinnen, vor denselben fiel ich auf die Knie und
-bat, meine Jungfernschaft vor diesen geilen Buben zu
-schützen. Da ward ich von einer Rittmeisterin vor eine
-Magd angenommen, bei welcher ich mich auch beholfen,
-bis Magdeburg von den unseren eingenommen ward.</p>
-
-<p>Die Rittmeisterin war kein Kind mehr, wiewohl sie
-noch jung war, und vernarrete sich dermaßen in meinen
-glatten Spiegel und geraden Leib, daß sie mir endlich
-nach lang gehabter Mühe und vergeblicher, umschweifender
-Weitläufigkeit nur allzu deutsch zu verstehen gab,
-wo sie der Schuh am meisten drucke. Ich aber, damals<span class="pagenum"><a name="Seite_p127" id="Seite_p127">[S. 127]</a></span>
-noch viel zu gewissenhaft, tät, als wann ichs nicht
-merkte und ließ keine anderen Anreizungen erscheinen,
-als solche daraus man eine fromme Jungfer urteilen
-mochte. Der Rittmeister und sein Knecht lagen an derselben
-Kränke wie die Rittmeisterin, dahero befahl er
-seinem Weibe, sie sollte mich besser kleiden, damit sie
-sich meines garstigen Baurenkittels nicht schämen dörfte.
-Sie tät mehr, als ihr befohlen war, und putzte mich
-heraus wie eine franzsche Poppe, welches das Feuer
-bei allen dreien noch mehr schürete. Ja, es ward endlich
-bei ihnen so groß, daß Herr und Knecht eifrigst
-von mir begehreten, was ich ihnen nit leisten konnte
-und der Frau selbst mit einer schönen Manier verweigerte.
-Und weil die Rittmeisterin mich noch endlich
-zu überwinden verhoffte, verlegte sie dem Manne alle
-Pässe und liefe ihm alle Ränke ab, also daß er vermeinete,
-er müsse toll und töricht darüber werden.
-Einsmals stund der Knecht vor dem Wagen, darin ich
-alle Nacht schlafen mußte, klagte mir seine Liebe mit
-heißen Tränen und bat andächtig um Gnade und Barmherzigkeit.
-Ich aber erzeigte mich härter als Stein und
-gab ihm zu verstehen, daß ich meine Keuschheit bis in
-Ehstand bewahren wollte. Da er mir die Ehe wohl
-tausendmal anbot, und ich ihm stets versicherte, daß
-es unmöglich sei, verzweifelte er endlich gar, dann er
-zog den Degen aus, satzte die Spitze an die Brust, den
-Knopf an den Wagen und tät nicht anders, als wann
-er sich jetzt erstechen wollte. Ich sprach ihm zu und
-gab ihm Vertröstung auf morgen frühe. So ward er
-<span class="antiqua">content</span> und ging schlafen, ich aber wachte desto länger.
-Und ich befand, daß meine Sache mit der Zeit nicht
-gut tun würde. Die Rittmeisterin ward je länger, je
-<span class="antiqua">importuner</span> mit ihren Reizungen, der Rittmeister verwegener<span class="pagenum"><a name="Seite_p128" id="Seite_p128">[S. 128]</a></span>
-mit seinen Zumutungen, der Knecht verzweifelter
-in seiner Liebe. Ich mußte oft meiner Frau bei
-hellem Tage Flöhe fangen, nur darum, daß ich ihre
-Alabasterbrüstlein sehen und ihren zarten Leib genug
-betasten sollte, welches mir, weil ich auch Fleisch und
-Blut hatte, zu ertragen stets schwerer fallen wollte.
-Ließ mich die Frau zufrieden, so quälete mich der Rittmeister,
-und wann ich von diesen beiden Ruhe haben
-sollte, so peinigte mich der Knecht. Also kam mich das
-Weiberkleid zu tragen viel sauerer an, als meine Narrenkappe.
-Ich steckte würklich in derjenigen Gefängnus, auch
-Leib- und Lebensgefahr, als mein alter Herzbruder
-wahrgesaget hatte. Was sollte ich tun? Ich beschloß
-endlich, mich dem Knecht zu offenbaren, sobald es Tag
-würde, dann ich dachte, seine Liebesregungen werden
-sich alsdann legen.</p>
-
-<p>Mein Hans ließ es gleich nach Mitternacht tagen,
-sein Jawort zu holen, und fing an am Wagen zu
-rappeln, als ich eben am allerstärksten schlief. Er rief
-etwas zu laut: »Sabina, Sabina, ah, mein Schatz,
-stehet auf und haltet mir Euer Versprechen!« Also weckte
-er den Rittmeister eher als mich, weil der sein Zelt
-am Wagen stehen hatte. Ihm ward vor Eifersucht
-grün und gelb vor den Augen, doch kam er nicht heraus,
-sondern stund nur auf zu sehen, wie der Handel liefe.
-Zuletzt weckte mich der Knecht. Ich schalt ihn, er aber
-nötigte mich mit seiner Importunität, aus dem Wagen
-zu kommen, oder ihn einzulassen. Wie ich nun mit
-meinen aufgestreiften Ärmeln herabstieg, ward mein
-Hans durch meine weißen Arme so heftig <span class="antiqua">inflammieret</span>,
-daß er mich mit Küssen anfiel. Solches vermochte der
-Rittmeister nicht zu erdulden, sondern sprang mit bloßem
-Degen aus dem Zelt, meinem armen Liebhaber den Fang<span class="pagenum"><a name="Seite_p129" id="Seite_p129">[S. 129]</a></span>
-zu geben, aber der ging durch und vergaß das Wiederkommen.</p>
-
-<p>»Du Bluthur, ich will dich lernen ...« mehrers konnte
-der Rittmeister vor Zorn nicht sagen, sondern schlug
-auf mich zu, als wann er unsinnig wäre. Ich fing an
-zu schreien, darum mußte er aufhören, damit er keinen
-Alarm erregte, dann beide Armeen, die sächsische und
-die kaiserliche, lagen damals gegeneinander, weil sich
-die schwedische unter dem Panier näherte.</p>
-
-<p>Als es nun Tag worden, gab mich mein Herr den
-Reuterjungen preis, eben als beide Armeen aufbrachen.
-Das war nun ein Schwarm von Lumpengesind, und
-dahero die Hatz desto größer und erschröcklicher. Sie
-eileten mit mir einem Busch zu, ihre viehischen Begierden
-zu sättigen, wie dann diese Teufelskinder im
-Brauch haben, wann ihnen ein Weibsbild dergestalt
-übergeben wird. So folgten ihnen auch sonst viel Bursche
-nach, die dem elenden Spaß zusahen, unter welchen auch
-mein Hans war. Der ließ mich nicht aus den Augen.
-Er wollte mich mit Gewalt erretten, und sollte es seinen
-Kopf kosten. Er bekam Beiständer, weil er sagte, ich
-sei seine versprochene Braut. Solches war den Reuterjungen,
-die ein besser Recht auf mich zu haben vermeineten,
-allerdings ungelegen. Da fing man an Stöße
-auszuteilen, der Zulauf ward je länger, je größer, ihr
-Geschrei lockte den Rumormeister herzu, welcher eben
-ankam, als sie mir die Kleider vom Leibe gerissen und
-gesehen hatten, daß ich kein Weibsbild war. Seine
-Gegenwart machte alles stockstill, weil er mehr geförchtet
-ward als der Teufel selbst. Er informierte sich
-der Sache kurz und nahm mich gefangen, weil es ein
-ungewöhnlich und fast argwöhnisch Ding war, daß sich
-ein Mannsbild in Weiberkleidern sollte finden lassen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p130" id="Seite_p130">[S. 130]</a></span>
-
-Ich ward zum General-Auditor geführt, der fing
-an mich zu examinieren. Da erzählete ich meine Händel,
-wie sie waren, es ward mir aber nicht geglaubt. Auch
-konnte der General-Auditor nicht wissen, ob er einen
-Narren oder einen ausgestochenen Bösewicht vor sich
-hatte. Frage und Antwort fiel so artlich und der Handel
-an sich selbst war seltsam.</p>
-
-<p>Er hieß mich, eine Feder nehmen und schreiben, ob
-etwa meine Handschrift bekannt oder doch so beschaffen
-wäre, daß man etwas daraus abnehmen möchte. Ich
-ergriff Papier und Feder geschicklich und fragte, was
-ich schreiben sollte. Der General-Auditor, der vielleicht
-unwillig war, weil das Examen sich verzog, antwortete.</p>
-
-<p>»Hei, schreib: deine Mutter, die Hur!«</p>
-
-<p>Ich satzte ihm diese Worte hin, und sie machten
-meinen Handel nur desto schlimmer, dann der General-Auditor
-glaubte jetzt erst, daß ich ein rechter Vogel sei.
-Er fragte den Profosen, ob man mich visitiert, der
-Profos antwortete: nein, dann mich der Rumormeister
-gleichsam nackend eingebracht hätte. Aber ach, das half
-nichts, der Profos mußte mich besuchen und fand meine
-beiden Eselsohren mit den Dukaten.</p>
-
-<p>Da hieß es: was bedörfen wir ferner Zeugnus; dieser
-Verräter hat ohn Zweifel ein groß Schelmstück zu verrichten.
-Warum sollte sich sonst ein Gescheiter in ein
-Narrenkleid oder ein Mannsbild in Weiberkittel verstellen,
-zu was End wäre er sonst mit einem so ansehnlichen
-Stück Geld versehen? Saget er nicht selbst,
-er habe bei dem Gubernator zu Hanau, dem allerverschlagensten
-Soldaten in der Welt, lernen auf der
-Lauten schlagen? Was mag er sonst bei denselben
-Spitzköpfen vor listige Praktiken gesehen haben! Der
-nächste Weg ist, daß man ihn auf die Folter bringe!</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p131" id="Seite_p131">[S. 131]</a></span>
-
-Wie mir damals zu Mut gewesen, kann sich ein jeder
-leicht einbilden.</p>
-
-<p>Aber eh man diesen strengen Prozeß mit mir ins
-Werk satzte, gerieten die Schweden den Unsrigen in
-die Haare. Gleich anfänglich kämpften die Armeen um
-den Vortel und gleich darauf um das schwere Geschütz,
-dessen die Unsrigen stracks verlustig wurden.</p>
-
-<p>Unser Profos hielt zwar ziemlich weit mit seinen
-Leuten und den Gefangenen hinter der Battaglia,
-gleichwohl waren wir unserer Brigade so nahe, daß
-wir jeden von hinterwärts an den Kleidern erkennen
-konnten. Und als eine schwedische Eskadron auf die
-unsrige traf, waren wir sowohl als die Fechtenden selbst
-in Todesgefahr, dann in einem Augenblick flog die Luft
-so häufig voller singender Kugeln über uns her, daß
-es das Ansehen hatte, als ob die Salve uns zu Gefallen
-wäre gegeben worden. Davon duckten sich die
-Forchtsamen, als ob sie sich in sich selbst hätten verbergen
-wollen, diejenigen aber, so Courage hatten und
-mehr bei dergleichen Scherz gewesen, ließen solche unverblichen
-über sich hinstreichen. Im Treffen selbst
-suchte jeder seinem Tode mit Niedermachung des Nächsten,
-der ihm aufstieß, vor zu kommen. Das gräuliche
-Schießen, das Gekläpper der Harnische, das Krachen
-der Piken, das Geschrei beider: der Verwundeten und
-Angreifenden machten neben den Trompeten, Trommeln
-und Pfeifen eine erschröckliche Musik. Da sahe man
-nichts als einen dicken Rauch und Staub, welcher schien,
-als wolle er die Abscheulichkeit der Verwundeten und
-Toten bedecken. In demselben hörete man ein jämmerliches
-Wehklagen der Sterbenden und ein lustiges Geschrei
-derjenigen, die noch voller Mut staken. Die Pferde
-selbst hatten das Ansehen, als wenn sie zur Verteidigung<span class="pagenum"><a name="Seite_p132" id="Seite_p132">[S. 132]</a></span>
-ihrer Herren je länger, je frischer würden, so hitzig
-zeigten sie sich in dieser Schuldigkeit. Deren sahe man
-etliche unter ihren Herren tot darniederfallen, voller
-Wunden, die sie unverschuldet in getreuem Dienste
-empfangen hatten, andere fielen auf ihre Reuter und
-wurden so von ihnen getragen, die sie bei Lebzeiten
-hatten tragen müssen, wiederum andere, nachdem sie
-ihrer herzhaften Last, die sie kommandiert hatte, entladen
-worden, ließen die Menschen in ihrer Wut und
-Raserei, rissen aus und suchten im weiten Feld ihre
-einstige Freiheit.</p>
-
-<p>Die Erde, die sonst alle Toten deckt, war damals
-selbst mit Toten überstreut. Köpfe und Leiber lagen
-getrennt, etlichen hing in grausamer und jämmerlicher
-Weise das Ingeweid heraus, andern war der Kopf zerschmettert
-und das Hirn zerspritzt. Da sahe man die
-entseelten Leiber ihres eigenen Geblüts beraubet und
-hingegen Lebendige mit fremdem Blute begossen. Da
-lagen abgeschossene Arme, an welchen sich die Finger
-noch regten, gleichsam als ob sie wieder in das Gedräng
-wollten, hingegen rissen Kerle aus, die noch
-keinen Tropfen Blut vergossen hatten. Dort lagen abgelöste
-Schenkel, die, obwohl der Bürde ihres Körpers
-entladen, dennoch viel schwerer geworden waren. Da
-sahe man verstümmelte Soldaten um Beförderung ihres
-Todes, hingegen andere um Quartier und Verschonung
-ihres Lebens bitten. <span class="antiqua">Summa summarum</span> da war nichts
-anderes als ein elender, jämmerlicher Anblick.</p>
-
-<p>Die schwedischen Sieger trieben die Unsrigen, um sie
-mit ihrer schnellen Verfolgung vollends zu zerstreuen.
-Mein Herr Profos ergriff die Flucht und nötigte uns, samt
-ihm durchzugehen. Da jagte der junge Herzbruder daher
-mit noch fünf Pferden und grüßte ihn mit einer Pistole:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p133" id="Seite_p133">[S. 133]</a></span>
-
-»Siehe da, du alter Hund, ist es noch Zeit junge
-Hündlein zu machen? Ich will dir deine Mühe bezahlen!«</p>
-
-<p>Aber der Schuß beschädigte den Profosen so wenig
-wie einen stählernen Ambos.</p>
-
-<p>»Oho, bist du der Haare,« rief mein Herzbruder,
-»ich will nicht vergeblich dir zu Gefallen herkommen
-sein. Du mußt sterben und wäre dir deine Seele angewachsen!«</p>
-
-<p>Er befahl darauf einen Musketierer von des Profosen
-eigener Wacht, ihn mit der Axt niederzuschlagen.</p>
-
-<p>Ich aber ward erkannt, meiner Ketten und Bande
-entlediget und auf ein Pferd gesatzt, das mein Herzbruder
-durch einen Knecht in Sicherheit führen ließ.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p134" id="Seite_p134">[S. 134]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_dreizehnte_Kapitel" id="Buch2_Das_dreizehnte_Kapitel">Das dreizehnte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Demnach die sieghaften Überwinder ihre Beuten
-teilten und ihre Toten begruben, ermanglete mein
-Herzbruder, der durch Begierde der Ehre und Beute
-sich hatte so weit verhauen, daß er gefangen ward. So
-erbte mich sein Rittmeister, bei welchem ich mich vor
-einen Reuterjungen mußte gebrauchen lassen.</p>
-
-<p>Gleich hernach ward er zum Obrist-Leutenant befördert,
-ich aber schlug ihm in den Quartieren die
-Lauten, im Marschieren mußte ich ihm den Küraß
-nachtragen, welches mir eine beschwerliche Sache war.
-Dann obzwar diese Waffen vor feindlichen Püffen
-schützen, so befand ich an ihnen ein Widerspiel, indem
-unter ihrem Schutz auf meinem Leibe eine Armada
-oder Heerhauf ausgebrütet ward, die ihren freien Paß
-und Tummelplatz behaupteten, sintemal ich mit meinen
-Händen nicht unter den Harnisch konnte, einen kleinen
-Streif unter sie zu tun. Ich hatte weder Zeit noch
-Gelegenheit, sie durch Feuer, Wasser oder Gift (maßen
-ich wohl wußte was Backöfen und Quecksilber vermöchten)
-auszurotten und mußte mich mit ihnen
-schleppen, meinen Leib und Blut zum besten geben.
-Endlich erfand ich eine Kunst, daß ich einen Pelzfleck
-um den Ladestecken der Pistole wickelte, wenn ich dann
-mit dieser Lausangel unter den Harnisch fuhr, fischte
-ich sie dutzendweis aus ihrem Vorteil, es mochte aber
-wenig erklecken.</p>
-
-<p>Einsmals ward mein Obrist-Leutenant kommandiert
-eine Cavalcada mit einer starken Partei in Westfalen
-zu tun, und wäre er so stark an Reutern gewesen, als
-ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt erschröckt,<span class="pagenum"><a name="Seite_p135" id="Seite_p135">[S. 135]</a></span>
-so aber mußte er behutsam gehen. Ich war damals
-mit meiner Einquartierung auf höchste kommen und
-ich getraute meine Pein nicht länger zu gedulden. Als
-teils die Reuter fütterten, teils schliefen und teils Schildwacht
-hielten, ging ich abseits unter einen Baum,
-meinen Feinden eine Schlacht zu liefern. Zu solchem
-End zog ich den Harnisch aus, unangesehen andre einen
-anziehen, wann sie fechten wollen, und fing ein solches
-Würgen und Morden an, daß mir gleich beide Schwerter
-an den Daumen vom Blut troffen. So oft mir dieses
-<span class="antiqua">Rencontre</span> zu Gedächtnus kommt, beißt mich die Haut
-noch allenthalben. Ich dachte zwar, ich sollte nicht so
-wider mein Geblüt wüten, vornehmlich wider so getreue
-Diener, die sich mit einem hängen und radbrechen
-ließen, aber ich fuhr mit meiner Tyrannei unbarmherzig
-fort, daß ich nicht gewahrte, wie die Kaiserlichen
-meinen Obrist-Leutenant <span class="antiqua">chargierten</span>, bis sie endlich
-auch an mich kamen, meine Läus entsatzten und mich
-selbst gefangen nahmen. Sie scheueten meine Mannheit
-gar nicht, mit der ich kurz zuvor viel Tausend erlegt
-und den Titul des Schneiders »Sieben auf einen Streich«
-überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner, und ich
-mit ihm meinen sechsten Herrn, weil ich sein Jung sein
-mußte.</p>
-
-<p>Unsere Wirtin wollte nicht, daß ich sie und ihr ganzes
-Haus mit meinen Völkern besetzte, so machte sie ihnen
-den Prozeß kurz und gut, steckte meine Lumpen in
-Backofen und brannte sie so sauber aus wie eine alte
-Tabakpfeife.</p>
-
-<p>Hingegen bekam ich ein neues Kreuz auf den Hals,
-weil mein Herr einer von denjenigen war, die in Himmel
-zu kommen sich getrauen. Er ließ sich glatt am Sold
-genügen und betrübte im übrigen kein Kind. Seine<span class="pagenum"><a name="Seite_p136" id="Seite_p136">[S. 136]</a></span>
-ganze Prosperität bestund in dem, was er mit Wachen
-verdienete und von seiner wochentlichen Löhnung erkargete.
-Ich und sein Pferd mußten ihm sparen helfen.
-Davon kams, daß ich den trockenen Pumpernickel gewaltig
-beißen und mich, wanns wohl ging, mit Dünnbier
-behelfen mußte. Wollte ich aber besser futtern, so
-mußte ich stehlen, aber mit ausdrücklicher Bescheidenheit,
-daß er nichts davon innewurde. Seinethalben
-hätte man weder Galgen, Esel, Henker, Steckenknechte
-noch Feldscherer bedörft, auch keinen Marketender noch
-Trommelschlager, die den Zapfenstreich tun müssen. Sein
-ganzes Tun war fern von Fressen, Saufen, Spielen
-und allen Duellen, ward er aber auf <span class="antiqua">Convoi</span>, Partei
-oder sonst einen Anschlag kommandiert, so schlenderte
-er mit dahin, wie ein alt Weib am Stecken.</p>
-
-<p>Ich hatte mich keines Kleides bei ihm zu getrösten,
-weil er selbst zerflickt daherging. Sein Pferd war vor
-Hunger so hinfällig, daß sich weder Schwede noch Hesse
-vor seinem dauerhaften Nachjagen zu förchten hatten.
-Dieses alles bewegte seinen Hauptmann, ihn ins sogenannte
-Paradeis, einem Frauenkloster, auf <span class="antiqua">Salvaguardi</span>
-zu legen. Dort sollte er sich begrasen und wieder montieren.
-Auch hatten die Nonnen um einen frommen
-und stillen Kerl gebeten.</p>
-
-<p>»Potz Glück, Simprecht,« sagte er, dann er konnte
-meinen Namen nicht behalten, »kommen wir gar in
-das Paradeis! Wie wollen wir fressen!« Und wir fanden,
-was wir begehrten, daß ich in Kürze wieder einen
-glatten Balg bekam. Dann da satzte es das fetteste
-Bier, die besten westfälischen Schunken und Knackwürste,
-wohlgeschmack und sehr delikat Rindfleisch, das
-man aus dem Salzwasser kochte und kalt zu essen pflegte.
-Da lernte ich das schwarze Brot fingersdick mit gesalzener<span class="pagenum"><a name="Seite_p137" id="Seite_p137">[S. 137]</a></span>
-Butter schmieren und mit Käs belegen, damit
-es desto besser rutschte, und wann ich so über einen
-Hammelskolben kam, der mit Knoblauch gespickt war,
-und eine gute Kanne Bier darneben stehen hatte, so
-erquickte ich Leib und Seele und vergaß meines ausgestandenen
-Leides.</p>
-
-<p>Das Glück wollte es wieder wettspielen, da mich ehebevor
-das Unglück haufenweis überfallen hatte: dann
-als mich mein Herr nach Soest schickte, seine Bagage
-vollends zu holen, fand ich unterwegs einen Pack mit
-etlichen Ellen Scharlach, samt einem Sammetfutter.
-Das vertauschte ich zu Soest bei einem Tuchhändler
-um gemein, grünwullen Tuch zu einem Kleid samt
-Ausstaffierung mit dem Geding, mir das Kleid machen
-zu lassen. Ich gab ihm auch die silbernen Knöpf und
-Galaunen vor ein Hemd und ein Paar neuer Schuhe.
-Also kehrete ich nagelneu herausgeputzt wieder ins
-Paradeis zu meinem Herrn zurück, der gewaltig kollerte,
-daß ich ihm den Fund nicht zugebracht, und der Filz
-schamet sich wohl auch, daß sein Junge besser gekleidet
-war als er selbst. Derowegen ritt er nach Soest, borgte
-Geld auf seinen wochentlichen <span class="antiqua">Salvaguardi</span>-Sold und
-montierte sich damit aufs beste.</p>
-
-<p>Von dieser Zeit an hatten wir das allerfäulste Leben.
-Das Kloster war auch von den Hessen, unserm Gegenteil,
-mit einem Musketier salvaguadiert, derselb war
-seines Handwerks ein Kürschner und dahero nicht allein
-ein Meistersänger, sondern auch ein trefflicher Fechter.
-Damit er seine Kunst nicht vergäße, übte er sich täglich
-mit mir in allen Gewehren, wovon ich so fix ward,
-daß ich mich nicht scheuete ihm Bescheid zu tun, wann
-er wollte.</p>
-
-<p>Das Stift vermochte eine eigene Wildbahn und hielt<span class="pagenum"><a name="Seite_p138" id="Seite_p138">[S. 138]</a></span>
-einen eigenen Jäger. Weil ich nun grün gekleidet war,
-gesellete ich mich zu ihm und lernete ihm denselben
-Herbst und Winter seine Künste ab. Solcher Ursachen
-halber nannte mich jedermann »dat Jäjerken«. Mir
-wurden alle Wege und Stege bekannt, was ich mir
-hernach trefflich zu nutz machte. Bei üblem Wetter las
-ich allerhand Bücher, die mir der Klosterverwalter
-liehe, und da die Klosterfrauen gewahr wurden, daß
-ich neben meiner guten Stimme auch auf der Laute
-und etwas wenigs auf dem Instrument schlagen konnte,
-weil ich zudem eine ziemliche Leibsproportion und schönes
-Gesicht hatte, hielten sie alle meine Sitten, Wesen, Tun
-und Lassen vor adelig und ich mußte unversehens ein
-sehr beliebter Junker sein.</p>
-
-<p>Da ward mein Herr abgelöst, was ihn auf das gute
-Leben so übel bekam, daß er darüber erkrankte, und
-weil starkes Fieber darzu schlug, zumalen noch die alten
-Mucken, die er sein Lebtag im Kriege aufgefangen,
-hinzukamen, machte ers kurz und ward in drei Wochen
-hernach begraben. Ich machte ihm die Grabschrift:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Der Schmalhans lieget hier, ein tapferer Soldat,<br /></span>
-<span class="i0">Der all sein Lebetag kein Blut vergossen hat.<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Ich war damals ein frischer, aufgeschossener Jüngling,
-der seinen Mann stellen konnte, also ward mir von
-meinem Hauptmann das Erbe des Dragoners angeboten,
-wann ich mich an meines toten Herren Statt
-anwerben lassen wollte. Das nahm ich desto lieber an,
-weil mir bekannt, daß meines Herren alte Hosen mit
-ziemlichen Dukaten gespickt waren.</p>
-
-<p>Allein dem Kommandanten zu Soest mangelte ein
-Kerl, wie ich ihm einer zu sein dünkte, so unterstund
-er sich, mich noch zu bekommen, maßen er meine Jugend<span class="pagenum"><a name="Seite_p139" id="Seite_p139">[S. 139]</a></span>
-vorwandte, und mich vor keinen Mann passieren lassen
-wollte. Er schickte nach mir und sagte:</p>
-
-<p>»Hör, Jägerken, du sollt mein Diener sein und meine
-Pferde warten.«</p>
-
-<p>»Herr, wir sind nicht vor einander. Ich hätte lieber
-einen Herrn, in dessen Diensten die Pferde auf mich
-warten. Ich will Soldat bleiben.«</p>
-
-<p>»Dein Bart ist noch viel zu klein.«</p>
-
-<p>»O nein, ich getraue einen Mann zu bestehen, der
-achtzig Jahre alt ist. Der Bart schlägt keinen Mann,
-sonst würden die Böcke hoch <span class="antiqua">aestimieret</span> werden.«</p>
-
-<p>»Wann die <span class="antiqua">Courage</span> so gut ist, als das Maulleder,
-so will ich dich passieren lassen.«</p>
-
-<p>»Das kann in der nächsten <span class="antiqua">Occasion</span> probiert werden,«
-gab ich zu verstehen. Und er ließ mich bleiben.</p>
-
-<p>Hierauf anatomierte ich meines Dragoners Hosen,
-schaffte mir aus deren Eingeweid noch ein gut Pferd
-und das beste Gewehr und ließ mich von neuem grün
-kleiden, weil mir der Name Jäger beliebte. Also ritt
-ich mit meinem Jungen selbander daher wie ein Edelmann
-und dünkte mich fürwahr keine Sau zu sein.
-Ich war so kühn, meinen Hut mit einem tollen Federbusch
-zu zieren wie ein Offizier, daher bekam ich bald
-Neider und Mißgönner, und es satzte empfindliche
-Worte, endlich gar Ohrfeigen. Ich hatte aber kaum
-einem oder dreien gewiesen, was ich im Paradies von
-dem Kürschner gelernt hatte, da ließ mich nicht allein
-jedermann zufrieden, sondern suchte auch meine Freundschaft.</p>
-
-<p>Auf Partei warf ich mich wohl herfür, daß ich in
-kurzer Zeit bei Freund und Feind bekannt und so berühmt
-ward, daß beide Teile viel von mir hielten.
-Allermaßen mir die gefährlichsten Anschläge zu verrichten<span class="pagenum"><a name="Seite_p140" id="Seite_p140">[S. 140]</a></span>
-und ganze Parteien zu kommandieren anvertraut wurden,
-griff ich bald zu wie ein Böhme und, wann ich
-etwas namhaftes erschnappte, gab ich meinen Offizierern
-so reich Part davon, daß ich selbig Handwerk auch an
-verbotenen Orten treiben dorfte, weil mir überall
-durchgeholfen ward.</p>
-
-<p>Der General Graf von Götz hatte in Westfalen drei
-feindliche Guarnisonen übriggelassen zu Dorsten, Lippstadt
-und Coesfeld, denen war ich gewaltig molest,
-dann ich lag ihnen bald hier, bald dort schier täglich
-vor den Toren, und weil ich überall glücklich durchkam,
-hielten die Leute von mir, ich könnte mich unsichtbar
-machen und wäre so fest wie Stahl. Davon
-ward ich geförchtet wie die Pestilenz.</p>
-
-<p>Zuletzt kam es dahin: wo nur ein Ort in Kontribution
-zu setzen war, mußte ich solches verrichten, wodurch
-mein Beutel so groß ward als mein Name.
-Meine Offizierer und Kameraden liebten ihren Jäger,
-die vornehmsten Parteigänger vom Gegenteil entsatzten
-sich und den Landmann hielt ich durch Forcht und
-Liebe auf meiner Seiten, dann ich wußte meine Widerwärtigen
-zu strafen und die, so mir nur den geringsten
-Dienst täten, reichlich zu belohnen, allermaßen ich beinahe
-die Hälfte meiner Beuten verspendierte oder auf
-Kundschaft auslegte. Derhalben entging mir keine Partei,
-kein <span class="antiqua">Convoi</span>, noch eine Reis' aus des Gegenteils
-Posten, alsdann ich ihr Vorhaben durchkreuzte und
-allen Anschlägen mit Glück begegnete. Darneben erzeigte
-ich mich gegen meine Gefangenen überaus diskret, sodaß
-sie mich oft mehr kosteten als die Beute wert war,
-sonderlich unterließ ichs nicht, denen Offizierern, obschon
-ich sie nicht kannte, ohn Verletzung meiner Pflicht
-und Herrendienste eine <span class="antiqua">Courtoisie</span> zu tun.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p141" id="Seite_p141">[S. 141]</a></span>
-
-Durch solch ein Verhalten wäre ich zeitlich zum Offizier
-befördert worden, wann meine Jugend es nicht
-verhindert hätte. Wer in solchem Alter ein Fähnlein
-wollte, mußte ein Guter von Adel sein, zudem mein
-Hauptmann an mir mehr als eine melkende Kuhe verloren
-hätte. Also brachte ichs allein zum Gefreiten. Ich
-spekulierte Tag und Nacht, wie ich etwas anstellen
-möchte, mich noch größer zu machen und konnte vor
-solchem närrischen Nachsinnen oft nicht schlafen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p142" id="Seite_p142">[S. 142]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch2_Das_vierzehnte_Kapitel" id="Buch2_Das_vierzehnte_Kapitel">Das vierzehnte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich muß ein Stücklein noch erzählen, das mir begegnet,
-eh ich wieder von meinen Dragonern kam.</p>
-
-<p>Mein Hauptmann ward mit etlichen fünfzig Mann
-zu Fuß nach Recklinghausen kommandiert, einen Anschlag
-auf eine reiche Karawane zu machen. Wir mußten uns
-in den Büschen heimlich halten, so nahm ein jeder auf
-acht Tag Proviant zu sich. Demnach aber die Kaufleut,
-denen wir aufpaßten, die bestimmte Zeit nicht ankamen,
-ging uns das Brot aus, dahero uns der Hunger
-gewaltig preßte, dann wir dorften nichts rauben, wir
-hätten uns damit selbst verraten.</p>
-
-<p>Mein Kamerad, ein lateinischer Handwerksgesell, der
-erst kürzlich der Schule entloffen, seufzete vergeblich
-nach den Gerstensuppen, die ihm hiebevor seine Eltern
-zum besten verordnet, er aber verschmähet und verlassen
-hatte. Und als er solcher Speisen gedachte, erinnerte er
-sich auch seines Schulsacks: »Ach Bruder,« sagte er,
-»wärs nicht eine Schande, wann ich nicht so viel Künste
-erstudiert haben sollte, mich jetzund zu füttern? Wann
-ich nur zum Pfaffen in jenes Dorf gehen dürfte, es
-sollte ein treffliches <span class="antiqua">Convivium</span> bei ihm setzen!«</p>
-
-<p>Ich überlief die Worte ein wenig, ermaß unsern Zustand
-und machte einen Anschlag auf unsern Studenten
-hin. Der Hauptmann willigte ein.</p>
-
-<p>So wechselte ich meine Kleider mit einem andern
-und zottelte mit meinem Studenten in weitem Umschweif,
-wiewohl das Dorf eine halbe Stunde vor uns
-lag, auf die Kirche zu. Das nächste Haus bei ihr erkannten
-wir vor des Pfarrers Wohnung, es stund an
-einer Mauer, die um den ganzen Pfarrhof ging. Mein<span class="pagenum"><a name="Seite_p143" id="Seite_p143">[S. 143]</a></span>
-Kamerad hatte seine abgeschabten Studentenkleidlein
-noch an, ich gab mich vor einen Malergesellen aus,
-dann ich dachte diese Kunst im Dorf nicht üben zu
-müssen. Der geistliche Herr war höflich, als ihm mein
-Gesell eine tiefe lateinische Reverenz gemacht und einen
-Haufen dahergelogen hatte, was Gestalt ihn die Soldaten
-auf der Reise ausgeplündert. Er bot dem Studenten
-ein Stück Brot und Butter nebst einem Trunk
-Bier an, ich aber stellete mich, als ob ich im Wirtshaus
-essen wollte und ihn alsdann anrufen, damit wir
-noch ein Stück Weges hinter sich legen konnten. Also
-ging ich, mich im Dorf umzusehen und hatte auch Glück,
-daß ich einen Baur antraf, der seinen Backofen zukleibte,
-darin er große Pumpernickel hatte, die vier und
-zwanzig Stunden sitzen und ausbacken sollten. Demnach
-wußte ich genug und machte es beim Wirte kurz.</p>
-
-<p>Da ich auf den Pfarrhof kam, hatte mein Kamerad
-schon gekröpft und dem Pfarrer gesagt, daß ich Maler
-sei, willens meine Kunst in Holland zu perfectionieren.
-Der Pfarrer hieße mich sehr willkommen und bat mich,
-mit ihm in die Kirche zu gehen, da er mir etliche
-schadhafte Stück weisen wolle. Ich mußte folgen, er
-führte mich durch die Küche, und während er das
-Nachtschloß an der starken Eichentür aufmachte, die
-auf den Kirchhof ging &mdash; <span class="antiqua">ominorum</span>! &mdash; da sahe ich,
-daß der schwarze Himmel seiner Kuchelesse voller Lauten,
-Flöten und Geigen hing in Gestalt von Schinken,
-Knackwürsten und Speckseiten. Trostmütig blicket ich
-sie an, weil mich bedünkte, als lachten sie mir und ich
-erwog, wie ich sie dem obgemeldten Ofen voll Brot
-zugesellen möchte. Allein der Pfarrhof war ummauret,
-alle Fenster mit Eisengittern genugsam verwahrt und
-so lagen auch zween ungeheure Hunde im Hof, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_p144" id="Seite_p144">[S. 144]</a></span>
-bei Nacht gewißlich nicht schlafen würden, wenn man
-dasjenige stehlen wollte, daran auch ihnen zu nagen
-gebühret.</p>
-
-<p>Wie wir nun in die Kirche kamen, von den Gemälden
-allerhand diskurierten und mir der Pfarrer etliches
-auszubessern verdingen wollte, ich aber Ausflüchte
-suchte, meinte der Meßner: »Du Kerl, ich sehe dich
-eher vor einen verloffenen Soldatenjungen an, als vor
-einen Malergesellen!« Ich antwortete: »O du Kerl,
-gib mir geschwind Pensel und Farben, so will ich dir
-im Hui einen Narren gemalet haben, als du einer bist.«</p>
-
-<p>Der Pfarrer machte ein Gelächter daraus und meinete,
-es gezieme sich nicht an einem so heiligen Ort,
-einander wahr zu sagen. Er ließ uns beiden noch einen
-Trunk langen und also dahin ziehen. Ich aber vergaß
-mein Herz bei den Knackwürsten.</p>
-
-<p>Um Mitternacht kamen wir wieder ins Dorf und ich
-hatte sechs gute Kerle ausgelesen, darunter meinen
-munteren Knecht Spring-ins-Feld. In aller Stille huben
-wir das Brot aus dem Ofen, weil wir einen mithatten,
-der Hunde bannen konnte. Da wir nun bei dem Pfarrhof
-vorüberwollten, konnte ichs nicht übers Herz bringen,
-ohne Speck weiter zu passieren. Ich wußte aber
-keinen andern Eingang als den Kamin, der sollte vor
-diesmal meine Tür sein. Wir brachten Leiter und Seil
-aus einer Scheuer zuwege, ich stieg selbander mit Spring-ins-Feld
-aufs Dach, welches von Hohlziegeln doppelt
-belegt und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebauet
-war. Meine langen Haar wicklete ich zu einem Büschel
-über dem Kopf zusammen und ließ mich mit einem
-End des Seils hinunter zu meinem geliebten Speck.
-Band also einen Schinken nach dem andern und eine
-Speckseite nach der andern an das Seil, was alles der<span class="pagenum"><a name="Seite_p145" id="Seite_p145">[S. 145]</a></span>
-andere fein ordentlich zum Dach hinaus fischete und
-weitergab.</p>
-
-<p>Aber, potz Unstern, da ich allerdings Feierabend gemachet
-hatte, brach eine Stange, sodaß <span class="antiqua">Simplicius</span> hart
-hinunterfiele und das Seil riß, ehe mich meine Kameraden
-vom Boden brachten. Ich dachte, Jäger, nun
-mußt du eine Hatze ausstehen, in welcher dir selbst das
-Fell gewaltig zerrissen wird werden, dann der Pfarrer
-war erwacht und befahl seiner Köchin alsbald ein Licht
-anzuzünden. Sie kam im Hemd zu mir in die Kuchen,
-hatte den Rock über der Achsel hangen und stund so
-nahe neben mir, daß sie mich damit rührete. Sie griff
-nach einem Brand und hielt das Licht daran und fing
-an zu blasen. Ich aber blies viel stärker zu, davon das
-gute Mensch erschrak, daß sie Feuer und Licht fallen
-ließ und sich zu ihrem Herrn retirierte.</p>
-
-<p>Ich bedachte mich und wehrete meine Kameraden,
-die mir zu verstehen gaben, daß sie das Haus aufstoßen
-wollten. Allein Spring-ins-Feld sollte oben bleiben, die
-andern an das Gewehr. Inzwischen schlug der Geistliche
-sich selber ein Licht an, seine Köchin aber erzählete
-ihm, daß ein gräulich Gespenst mit zween
-Köpfen, davor sie meinen Haarbüschel angesehen, in
-der Kuchen wäre. Das hörete ich, rieb mir derowegen
-mein Angesicht mit Asche, Ruß und Kohlen, daß ich
-ohn Zweifel keinem Engel mehr &mdash; wie hiebevor die
-Klosterfrauen sagten &mdash; gleich sahe und der Meßner
-mich wohl vor einen geschwinden Maler hätte passieren
-lassen. Ich fing an in der Kuchen schröcklich zu
-poltern und das Geschirr untereinander zu werfen. Den
-Kesselring hing ich an den Hals, den Feuerhaken behielt
-ich auf den Notfall.</p>
-
-<p>Solches ließ sich der fromme Pfaffe nicht irren, dann<span class="pagenum"><a name="Seite_p146" id="Seite_p146">[S. 146]</a></span>
-er kam mit seiner Köchin prozessionsweis daher, welche
-zwei Wachslichter in den Händen und einen Weihwasserkessel
-am Arm trug, er selbsten war mit dem Chorrock
-bewaffnet samt den Stollen und hatte den Sprengel
-in der einen und ein Buch in der andern Hand. Aus
-demselben fing er an, mich zu exorcisieren, fragende:
-»Wer bist du und was willst du?« &mdash; »Ich bin der Teufel
-und will dir und deiner Köchin die Hälse umdrähen!«</p>
-
-<p>Da fuhr er eifrig in seinem <span class="antiqua">Exorcismo</span> weiter fort
-und hielt mir vor, daß ich weder mit ihm noch mit
-seiner Köchin nichts zu schaffen hätte, hieß mich auch
-mit der allerhöchsten Beschwörung wieder hinfahren,
-wo ich herkommen wäre. Ich aber antwortete mit ganz
-förchterlicher Stimme, daß solches unmöglich sei, wannschon
-ich gern wollte. Indessen hatte Spring-ins-Feld,
-der ein abgefäumter Erzvogel war und kein Latein
-verstund, seine seltsamen Tausendhändel auf dem Dach,
-dann er hörete, daß ich mich vor den Teufel ausgab,
-und mich auch der Geistliche also hielt. Er wixte wie
-eine Eule, bellte wie ein Hund, wieherte wie ein Pferd,
-blökte wie ein Geißbock, schrie wie ein Esel und ließ
-sich bald durch den Kamin hinunter hören wie ein
-Haufen Katzen, die im Hornung rammeln, bald wie
-eine Henne, die legen wollte, dann dieser Kerl konnte
-aller Tiere Stimmen nachmachen. Solches ängstigte den
-Pfarrer und die Köchin auf das Höchste, ich aber machte
-mir ein Gewissen, daß ich mich vor den Teufel beschwören
-ließe.</p>
-
-<p>Mitten in solchen Ängsten, die uns beiderseits umgaben,
-ward ich gewahr, daß das Nachtschloß an der
-Tür, die auf den Kirchhof ging, nicht eingeschlagen,
-sonder der Riegel nur vorgeschoben war. Ich schob ihn
-geschwind zurück und wischte hinaus.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p147" id="Seite_p147">[S. 147]</a></span>
-
-Wir liefen in den Busch, weil wir im Dorf nichts
-mehr zu verrichten hatten. Dort erquickte sich die ganze
-Partei an dem, was von uns gestohlen worden, und
-bekam kein einziger den Klucksen darvon, so gesegnete
-Leute waren wir.</p>
-
-<p>Also lagen wir noch zween Tage an selbigem Ort
-und erwarteten diejenigen, denen wir schon so lange
-aufgepaßt hatten. Wir verloren keinen einzigen Mann
-und bekamen dreißig Gefangene. Ich erhielt doppelt
-Part, das waren drei schöne Frießländer Hengst mit
-Kaufmannswaren beladen, was sie in Eil forttragen
-mochten. Wir retirierten uns mehrer Sicherheit halber
-auf Rehnen.</p>
-
-<p>Daselbst gedachte ich wieder an den Pfaffen, dem ich
-den Speck gestohlen hatte, nahm einen Saphir, in einen
-göldenen Ring gefaßt, aus meiner Beute und schickte
-ihn von Rehnen aus durch einen gewissen Boten mit
-einem Brieflein an den Geistlichen.</p>
-
-<p>»Wohlehrwürdiger usw. Wann ich dieser Tagen im
-Wald noch etwas zu leben gehabt hätte, so wäre kein
-Ursache gewesen Euer Wohlehrwürden ihren Speck zu
-stehlen, wobei Sie vermutlich sehr erschröckt worden.
-Ich bezeuge beim Höchsten, daß Sie solche Angst wider
-meinen Willen eingenommen, hoffe derowegen um Vergebung.
-Was den Speck anbelangt, schicke ich derohalben
-gegenwärtigen Ring mit Bitte, Euer Wohlehrwürden
-belieben damit Vorlieb zu nehmen. Versichere darneben,
-daß Dieselbe im übrigen auf alle Begebenheit einen
-dienstfertigen und getreuen Diener hat an dem, den
-dero Meßner vor keinen Maler hält, welcher sonst genannt
-wird</p>
-
-<p class="center">
-der<br />
-&nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; Jäger.«
-</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p148" id="Seite_p148">[S. 148]</a></span>
-
-Dem Bauren aber schickte die Partei aus gemeiner
-Beute sechzehen Reichstaler.</p>
-
-<p>Von Rehnen gingen wir auf Münster und von dar
-auf Ham und heim nach Soest in unser Quartier,
-allwo ich nach einigen Tagen eine Antwort von dem
-Pfarrer empfing.</p>
-
-<p>»Edler Jäger usw. Wann derjenige, dem Ihr den
-Speck gestohlen, hätte gewußt, daß Ihr ihm in teuflischer
-Gestalt erscheinen würdet, hätte er sich nicht so
-oft gewünscht, den landberufenen Jäger auch zu sehen.
-Gleichwie aber das geborgte Fleisch und Brot viel zu
-teuer bezahlt worden, also ist auch der eingenommene
-Schröcken desto leichter zu verschmerzen, weil er von
-einer so berühmten Person ist wider ihren Willen verursachet
-worden, deren hiemit allerdings verziehen wird,
-mit Bitte, dieselbe wolle ein andermal ohne Scheu
-zusprechen bei dem, der sich nicht scheut, den Teufel zu
-beschwören.</p>
-
-<p class="right">
-<span class="antiqua">Vale</span>!«<br />
-</p>
-
-<p>Also machte ichs allerorten und überkam dadurch
-einen großen Ruf.</p>
-
-
-
-
-<hr class="chap" />
-
-<h2><a name="Das_dritte_Buch" id="Das_dritte_Buch">Das dritte Buch</a></h2>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_erste_Kapitel" id="Buch3_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3>
-
-
-<div class="nopagebreak">
- <img class="drop-cap" src="images/i151_cap.png" width="150" height="151" alt="" />
-</div>
-
-<p class="drop-cap">In Soest suchte ich Ruhm und Gunst
-in Handlungen, die sonst strafwürdig
-gewesen wären. Ich war ehrgeizig geworden,
-und meine Torheit ließ mich
-Leib- und Lebensgefahr vor gering anschlagen.
-Wann andere schliefen, hielten
-mich meine wunderlichen Grillen wach, und ich sann
-auf neue Fündgen und Listen. So erfand ich eine
-Gattung Schuhe, die man den Absatz zuvorderst anziehen
-konnte, deren ließe ich dreißig unterschiedliche
-Paar machen. Wann ich solche unter meine Burschen
-austeilete, war es unmöglich, uns aufzuspüren, dann
-wir trugen bald diese, bald unsere rechten Schuhe an
-den Füßen, und es sahe am Ziele aus, als wann zwo
-Parteien allda zusammengekommen wären und mit einander
-verschwunden seien. Ohndas verwirrete ich unsere
-Spur, so daß mich niemand hätte auskünden können.
-Ich lag oft allernächst bei denen vom Gegenteil, die
-mich in der Ferne suchten, und noch öfter etliche Meilwegs
-von dem Busch, den sie umstellten und durchstreiften.
-Also ließ ich auch an Scheid- und Kreuzwegen
-unversehens absteigen und den Pferden die Eisen das
-hinterst zu vörderst aufschlagen. Ganz zu geschweigen
-der gemeinen Vorteil, die man brauchet, wann man
-schwach auf Partei ist und doch vor stark aus der Spur
-judiziert werden will.</p>
-
-<p>Wann ich nicht auf Partei dorfte, so ging ich sonst
-aus zu stehlen, und dann war kein Stall vor mir sicher.
-Rindviehe und Pferden wußte ich Stiefel und Schuhe
-anzulegen, bis ich sie auf eine gänge Straße brachte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p152" id="Seite_p152">[S. 152]</a></span>
-Die großen fetten Schweinspersonen, die Faulheit halber
-nicht reisen mögen, wußte ich meisterlich fort zu bringen,
-wann sie schon grunzten und nicht daran wollten. Ich
-machte ihnen mit Mehl und Wasser einen wohlgesalzenen
-Brei, ließ solchen einen Badeschwamm in sich
-saufen, an welchen ich einen starken Bindfaden gebunden
-hatte. Ließ nachgehends diejenigen, um welche ich buhlete,
-den Schwamm voll Mus fressen und behielt die Schnur
-in der Hand, worauf sie ohne Wortwechsel geduldig
-mitgingen und mir die Zeche mit Schinken und Würsten
-bezahleten.</p>
-
-<p>Was ich brachte, teilete ich sowohl den Offizierern
-als meinen Kameraden getreulich mit. Im übrigen
-dünkte ich mich viel zu gut darzu zu sein, daß ich die
-Armen bestehlen, Hühner fangen oder andere geringe
-Sachen hätte mausen sollen.</p>
-
-<p>Dahero fing ich an nach und nach mit Fressen und
-Saufen ein epikuräisch Leben zu führen, weil ich meines
-Einsiedels Lehren vergessen und niemand hatte, der
-meine Jugend regierte. Meine Offizierer schmarotzten
-bei mir und reizten mich viel mehr zu allen Lastern,
-wo sie mich hätten strafen und abmahnen sollen. So
-ward ich endlich gottlos und verrucht, daß mir kein
-Schelmstück zu groß schien, und zuletzt auch heimlich
-beneidet, beides: von Kameraden und Offizieren, da
-ich mir einen größeren Namen und Ansehen machte,
-als sie selbst hatten.</p>
-
-<p>Während ich im Begriffe stund, mir einige Teufelslarven
-und darzugehörige Kleidungen mit Roß- und
-Ochsenfüßen machen zu lassen, vermittels deren ich
-Freund und Feind in Schröcken setzen könnte, bekam ich
-Zeitung, daß ein Kerl sich in Werle aufhielte, welcher
-ein trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lasse<span class="pagenum"><a name="Seite_p153" id="Seite_p153">[S. 153]</a></span>
-und hin und her auf dem Land, sonderlich bei unsern
-Kontribuenten, unter meinem Namen mit Weiberschänden
-und Plünderungen allerhand Exorbitantien
-verübe, maßen dahero gräuliche Klagen auf mich einkamen.
-Solches gedachte ich ihm nicht zu schenken, weit
-weniger zu leiden, daß er sich länger meines Namens
-bediene. Ich ließ ihn mit Wissen des Kommandanten
-in Soest auf Degen und Pistolen ins freie Feld zu
-Gast laden, nachdem er aber das Herz nicht hatte zu
-erscheinen, ließ ich mich vernehmen, daß ich mich an
-ihm revangieren wollte, so ich ihn auf Partei ertappte,
-werde er von mir als Feind traktiert werden. Darauf
-verbrannte ich in Soest vor meinem Quartier offentlich
-meine ganze grüne Kleidung, unangesehen, daß sie
-über hundert Dukaten wert war, und fluchte in solcher
-Wut noch darüber hin, daß der nächste, der mich mehr
-»Jäger« nenne, entweder mich ermorden oder von
-meinen Händen sterben müsse, und sollte es auch meinen
-Hals kosten. Ich wollte auch keine Partei mehr führen,
-ich hätte mich zuvor an meinem Widerpart zu Werle
-gerochen.</p>
-
-<p>Dies erscholl gar bald in der Nachbarschaft, davon
-wurden die Parteien vom Gegenteil so kühn und sicher,
-daß sie schier täglich vor unsern Schlagbäumen lagen.
-Was mir aber gar zu unleidlich viel war, daß der
-Jäger von Werle noch immer fortfuhr sich vor mich
-auszugeben.</p>
-
-<p>Indessen jedermann meinete, ich läge auf der Bernhaut,
-kündigte ich meines Gegenteils von Werle Tun
-und Lassen aus und machte meinen Anschlag darauf.
-Meine beiden Knechte, sonderlich Spring-ins-Feld, hatte
-ich nach und nach abgerichtet wie die Wachtelhunde.
-Davon schickte ich den einen nach Werle zu meinem<span class="pagenum"><a name="Seite_p154" id="Seite_p154">[S. 154]</a></span>
-Gegenteil. Der wandte vor, daß ich nunmehr anfinge
-zu leben, wie ein anderer Kujon und verschworen hätte
-nimmer auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr
-bei mir bleiben mögen. Er wisse alle Wege und Stege
-im Lande und könne manchen Anschlag geben, gute
-Beute zu machen. Der einfältige Narr von Werle
-glaubte meinem Knecht und nahm ihn an. So bekam
-ich Wind, daß sie in einer bestimmten Nacht auf eine
-Schäferei zuhielten, etliche fette Hämmel zu holen. Ich
-bestach den Schäfer, daß er seine Hunde anbinden und
-die Ankömmlinge unverhindert in die Scheuer minieren
-lassen sollte, so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon
-gesegnen. Indessen paßte ich und Spring-ins-Feld mit
-einem andern Knecht auf, die ich hiebevor beide mit
-meinen Teufelslarven und Kleidern wohl ausstaffieret.</p>
-
-<p>Da nun der Jäger von Werle und sein Knecht ein
-Loch durch die Wand gegraben hatten, wollte der Jäger
-haben, daß der Knecht zum erstenmal hineinschliefe.
-Der aber sagte: »Ich sehe wohl, daß Ihr nicht mausen
-könnt, man muß zuvor visieren, ob Bläsi zu Hause
-sei oder nicht.«</p>
-
-<p>Er zog hierauf seinen Degen und hing den Hut an
-die Spitze, stieß etliche Male durchs Loch. Als solches
-geschehen, kroch der Jäger als erster hinein, aber Spring-ins-Feld
-erwischte ihn gleich bei der Degenhand. Da
-hörete ich, daß sein anderer Gesell durchgehen wollte,
-und weil ich nicht wußte, welches der Jäger sei, eilete
-ich nach und ertappte ihn.</p>
-
-<p>»Was Volks?« &mdash; »Kaiserisch.« &mdash; »Was Regiments,
-ich bin auch kaiserisch, ein Schelm, der seinen Herrn
-verleugnet!« &mdash; »Wir seind von den Dragonern von
-Soest,« sagte er, »Bruder, ich hoffe, Ihr werdet uns
-passieren lassen.« &mdash; »Wer seid Ihr dann aus Soest.« &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_p155" id="Seite_p155">[S. 155]</a></span>
-»Mein Kamerad, den Ihr im Stall ertappet, ist der
-Jäger.« &mdash; »Schelmen seid ihr! Warum plündert ihr
-dann euer eigen Quartier, der Jäger von Soest ist so
-kein Narr, daß er sich in einem Schafstall fangen
-läßt!« &mdash; »Ach, von Wörle wollt ich sagen,« antwortete
-er mir.</p>
-
-<p>Indem ich so disputierte, kam mein Knecht und
-Spring-ins-Feld mit meinem Gegenteil auch daher.</p>
-
-<p>»Siehe da, du ehrlicher Vogel, kommen wir hier zusammen?
-Wann ich kaiserliche Waffen nicht respektierte,
-so wollte ich dir gleich eine Kugel durch den Kopf
-jagen. Ich bin der Jäger von Soest und du bist ein
-Schelm, bis du einen von gegenwärtigen Degen zu dir
-nimmst und den andern auf Soldatenmanier mit mir
-missest.«</p>
-
-<p>Indem legte Spring-ins-Feld uns zwei gleiche Degen
-vor die Füße. Der arme Jäger erschrak so gewaltig,
-daß er seine Hosen verderbte, davon schier niemand bei
-ihm bleiben konnte. Er und sein Kamerad zitterten
-wie nasse Hunde, sie fielen auf die Knie und baten um
-Gnade. Aber Spring-ins-Feld kollerte wie aus einem
-hohlen Hafen heraus: »Du mußt einmal raufen, oder
-ich will dir den Hals brechen!« &mdash; »Ach, hochgeehrter
-Herr Teufel, ich bin nicht des Raufens halber herkommen!
-Der Herr Teufel überhebe mich dessen, so
-will ich hingegen tun, was du willst.«</p>
-
-<p>Mein Knecht zwang ihm den Degen in die Hand,
-er zitterte aber so, daß er ihn nicht halten konnte. Der
-Schäfer kam herbei und stellte sich, als ob er von den
-beiden Teufeln nichts sähe, er fragte mich, was ich mit
-diesen beiden Kerlen lang in seiner Schäferei zu zanken
-hätte, ich sollte es an einem andern Ort ausmachen,
-dann unsere Händel gingen ihm nichts an. Er gäbe<span class="pagenum"><a name="Seite_p156" id="Seite_p156">[S. 156]</a></span>
-monatlich seine Konterbission und wolle in Frieden
-leben. Zu den beiden sagte er, warum sie sich von mir
-einzigem Kerl geheien ließen und mich nicht niederschlügen.</p>
-
-<p>»Du Flegel,« rief ich, »sie haben dir deine Schafe
-stehlen wollen!«</p>
-
-<p>Da sagte der Bauer: »So wollte ich, daß sie meinen
-Schafen müßten den Hintern lecken.« Damit ging er weg.</p>
-
-<p>Ich drang auf das Fechten, mein armer Jäger aber
-konnte vor Forcht schier nicht mehr auf den Füßen
-stehen, also daß er mich daurete. Er und sein Kamerad
-brachten so bewegliche Worte vor, daß ich ihm endlich
-alles verziehe und vergab.</p>
-
-<p>Aber Spring-ins-Feld war damit nicht zufrieden, er
-zwang den Jäger an dreien Schafen zu tun, was der
-Baur gewünscht hatte, und zerkratzte ihn mit seinen
-Teufelskrallen noch darzu so abscheulich im Gesicht, daß
-er aussahe, als ob er mit den Katzen gefressen hätte,
-mit welcher schlichten Rache ich mich zufrieden gab.</p>
-
-<p>Der Jäger von Werle verschwand bald aus der Gegend,
-weil er sich zu sehr schämte, dann sein Kamerad
-sprengte aller Orten aus und beteuret es mit heftigen
-Flüchen, daß ich wahrhaftig zween leibhaftiger Teufel
-hätte, die mir auf den Dienst warteten. Darum ward
-ich noch mehr geförchtet, hingegen aber desto weniger
-geliebet.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p157" id="Seite_p157">[S. 157]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_ander_Kapitel" id="Buch3_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Solches wurde ich bald gewahr, daher stellete ich
-mein vorig gottlos Leben allerdings ab. Ich ging
-zwar auf Partei, zeigete mich aber gegen Freund und
-Feind so leutselig und diskret, daß alle, die mir unter
-die Hände kamen, ein anderes glaubten, als sie von mir
-gehöret hatten. Ich sammlete mir viel schöne Dukaten
-und Kleinodien, welche ich hin und wieder auf dem
-Lande in hohle Bäume verbarg, dann ich hatte mehr
-Feinde in der Stadt Soest und im Regiment, die mir
-und meinem Gelde nachstellten, als außerhalb und bei
-den feindlichen Guarnisonen.</p>
-
-<p>Ich saß einsmals mit fünfundzwanzig Feuerröhren
-nicht weit von Dorsten und paßte einer Bedeckung mit
-etlichen Fuhrleuten auf, die nach Dorsten kommen sollte.
-Ich hielt selbst Schildwacht, weil wir dem Feinde nahe
-waren. Da sah ich einen Mann daherkommen, fein
-ehrbar gekleidet, der redete mit sich selbst und focht
-dabei seltsam mit den Händen.</p>
-
-<p>»Ich will einmal die Welt strafen, es sei dann, mir
-wolle es das große <span class="antiqua">Numen</span> nicht zugeben!«</p>
-
-<p>Woraus ich mutmaßete, er möcht etwan ein mächtiger
-Fürst sein, der so verkleideter Weise herumginge,
-seiner Untertanen Leben und Sitten zu erkunden. Ich
-dachte, ist dieser Mann vom Feind, so setzt es ein gutes
-Lösegeld, wo nicht, so willst du ihn aufs höflichste traktieren.
-Sprang derohalben hervor und präsentierte mein
-Gewehr mit aufgezogenem Hahnen.</p>
-
-<p>»Der Herr wird belieben, vor mir hin in den Busch
-zu gehen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p158" id="Seite_p158">[S. 158]</a></span>
-
-Er antwortete sehr ernsthaftig: »Solcher <span class="antiqua">Tractation</span>
-ist meinesgleichen nicht gewohnt.«</p>
-
-<p>Ich tummlete ihn höflich fort. »Der Herr wird sich
-vor diesmal in die Zeit schicken.«</p>
-
-<p>Als die Schildwachen wieder besetzt waren, fragte
-ich ihn, wer er sei. Er antwortete großmütig, es würde
-mir wenig daran gelegen sein, wannschon ich es wüßte:
-Er sei auch ein großer Gott!</p>
-
-<p>Ich gedachte, er mochte mich vielleicht kennen und
-etwan ein Edelmann von Soest sein und so sagen, um
-mich zu hetzen, weil man die Soester mit dem großen
-Gott und dem göldenen Fürtuch zu vexieren pfleget,
-ward aber bald in, daß ich anstatt eines Fürsten einen
-Phantasten gefangen hätte, der sich überstudieret und
-in der Poeterei gewaltig verstiegen, dann er gab sich
-vor den Gott Jupiter aus. Ich wünschte zwar, daß ich
-den Fang nicht getan, mußte den Narren aber wohl behalten.
-Mir ward ohn das die Zeit lang, so gedachte ich
-diesen Kerl zu stimmen.</p>
-
-<p>»Nun dann, mein lieber Jove, wie kommt es doch,
-daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verlässet
-und zu uns auf Erden steiget? Vergib mir, o Jupiter,
-meine Frage, die du vor fürwitzig halten möchtest,
-dann wir seind den himmlischen Göttern auch verwandt
-und eitel <span class="antiqua">Sylvani</span>, von den <span class="antiqua">Faunis</span> und <span class="antiqua">Nymphis</span> geboren,
-denen diese Heimlichkeit billig unverborgen bleiben
-sollte.«</p>
-
-<p>»Ich schwöre beim <span class="antiqua">Styx</span>,« antwortete er, »daß du
-nichts erfahren solltest, wann du meinem Mundschenken
-<span class="antiqua">Ganymed</span> nicht so ähnlich sähest! Zu mir ist ein groß
-Geschrei über der Welt Laster durch die Wolken gedrungen,
-darüber ward in aller Götter Rat beschlossen,
-den Erdboden wieder mit Wasser auszutilgen. Weil ich<span class="pagenum"><a name="Seite_p159" id="Seite_p159">[S. 159]</a></span>
-aber dem Menschengeschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen
-bin, vagiere ich jetzt herum, der Menschen Tun
-und Lassen selbst zu erkündigen. Obwohl ich alles ärger
-finde, als es vor mich gekommen, so will ich doch nicht
-alle Menschen zugleich und ohn Unterscheid ausrotten,
-sondern allein die Schuldigen.«</p>
-
-<p>Ich verbiß das Lachen, so gut ich konnte.</p>
-
-<p>»Ach Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich
-allerdings umsonst sein. Schickest du zur Straf einen
-Krieg, so laufen alle verwegenen Buben mit, welche
-die friedliebenden, frommen Menschen nur quälen werden;
-schickest du eine Teuerung, so ists eine erwünschte
-Sache vor die Wucherer, weil alsdann denselben ihr
-Korn viel gilt; schickest du aber eine Sterben, so haben
-die Geizhälse und alle übrigen Menschen ein gewonnenes
-Spiel, indem sie hernach viel erben. Wirst derhalben
-die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten
-müssen.«</p>
-
-<p>»Du redest von der Sache wie ein natürlicher Mensch,«
-antwortete Jupiter, »als ob du nicht wüßtest, daß es
-einem Gott möglich ist, die Bösen zu strafen, die Guten
-zu erhalten! Ich will einen deutschen Helden erwecken,
-der soll alles mit der Schärfe seines Schwertes vollenden.«</p>
-
-<p>Ich meinte: »So muß ja ein solcher Held auch Soldaten
-haben, und wo man Soldaten braucht, da ist
-auch Krieg, und wo Krieg ist, da muß der Unschuldige
-sowohl als der Schuldige herhalten.«</p>
-
-<p>»Ich will einen solchen Helden schicken, der keiner
-Soldaten bedarf und doch die ganze Welt reformieren
-soll. In seiner Geburtsstunde will ich ihm verleihen
-einen wohlgestalten und stärkeren Leib, als <span class="antiqua">Herkules</span>
-einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand<span class="pagenum"><a name="Seite_p160" id="Seite_p160">[S. 160]</a></span>
-überflüssig gezieret. <span class="antiqua">Mercurius</span> soll ihn mit unvergleichlich
-sinnreicher Vernunft begaben, <span class="antiqua">Vulcan</span> soll ihm ein
-Schwert schmieden, mit welchem er die ganze Welt bezwingen
-und alle Gottlosen niedermachen wird, ohne
-fernere Hilfe eines einzigen Menschen. Eine jede große
-Stadt soll vor seiner Gegenwart erzittern, und eine jede
-Festung, die sonst unüberwindlich ist, wird er in der
-ersten Viertelstunde in seinem Gehorsam haben. Zuletzt
-wird er den größten Potentaten der Welt befehlen und
-die Regierung über Meer und Erden so löblich anstellen,
-daß beides: Götter und Menschen ein Wohlgefallen
-darob haben sollen.«</p>
-
-<p>Ich sagte: »Wie kann die Niedermachung aller Gottlosen
-ohn Blutvergießen und das Kommando über die
-ganze weite Welt ohn sonderbare große Gewalt und
-starken Arm geschehen? O Jupiter, ich bekenne dir unverhohlen,
-daß ich diese Dinge weniger als ein sterblicher
-Mensch begreifen kann.«</p>
-
-<p>»Weil du nicht weißt, was meines Helden Schwert
-vor eine seltene Kraft an sich haben wird. Wann er
-solche entblößet und nur einen Streich in die Luft tut,
-so kann er einer ganzen Armada, wenngleich sie hinter
-einem Berg stünde, auf einmal die Köpfe herunterhauen,
-sodaß die armen Teufel ohne Kopf daliegen
-müssen, eh sie einmal wissen wie ihnen geschehen. Er
-wird von einer Stadt zur andern ziehen und das halsstarrig
-und ungehorsam Volk, Mörder, Wucherer, Diebe,
-Schelme, Ehebrecher, Hurer und Buben ausrotten. Er
-wird jeder Stadt ihren Teil Landes, um sie her gelegen,
-im Frieden zu regieren übergeben. Von jeder Stadt
-durch ganz Deutschland wird er zween von den klügsten
-und gelehrtesten Männern zu sich nehmen, aus denselben
-ein Parlament machen, die Städte mit einander auf<span class="pagenum"><a name="Seite_p161" id="Seite_p161">[S. 161]</a></span>
-ewig vereinigen, die Leibeigenschaften samt allen Zöllen,
-Accisen, Zinsen, Gülten und Umgelten durch ganz Deutschland
-aufheben und solche Anstalten machen, daß man
-von keinem Frohnen, Wachen, Contribuieren, Geldgeben,
-Kriegen, noch einziger Beschwerung beim Volk
-mehr wissen wird. Alsdann werde ich mit dem ganzen
-Götterchor oftmals herunter zu den Deutschen steigen
-und die Musen von neuem darauf pflanzen. Ich will
-dann nur deutsch reden und mit einem Wort mich so
-gut deutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vordem
-den Römern, die Beherrschung über die ganze Welt
-werde zukommen lasse.«</p>
-
-<p>Ich sagte: »Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten
-und Herren dazu sagen?«</p>
-
-<p>Er antwortete: »Hierum wird sich mein Held wenig
-bekümmern. Er wird die Großen in drei Teile unterscheiden
-und diejenigen, so unexemplarisch und verrucht
-leben, gleich den Gemeinen strafen, denen andern aber wird
-er die Macht geben, im Land zu bleiben oder nicht. Wer
-bleibet und sein Vaterland liebet, der wird leben müssen
-wie andere gemeine Leute, die dritten aber, die ja Herren
-bleiben und immerzu herrschen wollen, wird er durch
-Ungarn und Italien in die Moldau, Wallachei, in Macedoniam,
-Thraciam, Griechenland, ja, über den Hellespontum
-in Asiam hineinführen, ihnen dieselbigen Länder
-gewinnen, alle Kriegsgurgeln in ganz Deutschland
-mitgeben und sie alldort zu lauter Königen machen.
-Alsdann wird er Konstantinopel in einem Tag einnehmen
-und allen Türken, die sich nicht bekehren, die
-Köpfe vor den Hintern legen. Daselbst wird er das
-römische Kaisertum wieder aufrichten und sich wieder
-nach Deutschland begeben und mit seinem Parlament
-eine Stadt mitten in Deutschland bauen, welche viel<span class="pagenum"><a name="Seite_p162" id="Seite_p162">[S. 162]</a></span>
-größer sein wird und goldreicher als Jerusalem zu Salomonis
-Zeiten, deren Wälle sich dem tirolischen Gebirg
-und ihre Wassergräben der Breite des Meeres zwischen
-Hispania und Afrika vergleichen sollen. Er wird einen
-Tempel darin bauen und eine Kunstkammer aufrichten,
-darin sich alle Raritäten der ganzen Welt versammeln.«</p>
-
-<p>Ich fragte den Narren, was dann die christlichen
-Könige bei der Sache tun würden, und er antwortete:</p>
-
-<p>»Die in England, Schweden und Dänemark werden,
-weil sie deutschen Geblütes und Herkommens, die in
-Hispania, Frankreich und Portugal, weil die alten Deutschen
-selbige Länder hiebevor regieret haben, ihre Kronen,
-Königreiche und inkorporierten Länder von der
-deutschen Nation aus freien Stücken zu Lehen empfangen.
-Alsdann wird, wie zu Augusti Zeiten, ein ewiger
-beständiger Friede zwischen allen Völkern in der ganzen
-Welt sein.«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p163" id="Seite_p163">[S. 163]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_dritte_Kapitel" id="Buch3_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Spring-ins-Feld hätte den Handel beinahe verderbet,
-weil er sagte: »Und alsdann wirds in Deutschland
-hergehen wie im Schlauraffenland, da es lauter
-Muskateller regnet und die Kreuzerpastetlein über Nacht
-wie die Pfifferlinge wachsen! Da werd ich mit beiden
-Backen fressen müssen wie ein Drescher, und Malvasier
-saufen, daß mir die Augen übergehen!«</p>
-
-<p>Da sagte Jupiter zu mir: »Ich habe vermeint, ich
-sei bei lauter Waldgöttern, so sehe ich aber, daß ich
-den neidigen, dürren Tadler <span class="antiqua">Momus</span> und <span class="antiqua">Zoilus</span> angetroffen
-habe. Ja, man soll edle Perlen nicht vor die
-Säue werfen!«</p>
-
-<p>Ich verbiß mein Lachen, so gut ich konnte, und sagte
-zu ihm: »Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben
-Waldgottes Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede
-nicht verhalten, wie es weiter in Deutschland
-hergehen wird.«</p>
-
-<p>»O nein, aber befiehl diesem säuischen <span class="antiqua">Commentatori</span>
-fürderhin seine Zunge im Zaum zu halten. &mdash; Höre, lieber
-Ganymed, es wird alsdann in Deutschland das Goldmachen
-so gewiß und so gemein werden als das Hafnerhandwerk,
-daß schier ein jeder Roßbub den Stein der
-Weisen wird umschleppen.«</p>
-
-<p>»Wie aber wird Deutschland bei so unterschiedlichen
-Religionen einen langwierigen Frieden haben können?
-Werden die Pfaffen nicht die Ihrigen hetzen und des
-Glaubens wegen wiederum einen Krieg anspinnen?«</p>
-
-<p>»Nein,« sagte Jupiter, »mein Held wird weislich zuvorkommen
-und alle Glauben vereinigen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p164" id="Seite_p164">[S. 164]</a></span>
-
-»O Wunder! Das wäre ein groß Werk! Wie müßte
-das geschehen?«</p>
-
-<p>»Das will ich dir herzlich gern offenbaren: Nachdem
-mein Held den Universal-Frieden der ganzen Welt verschafft,
-wird er geistliche und weltliche Vorsteher der
-unterschiedlichen Völker und Kirchen mit einem sehr
-beweglichen Sermon anreden und sie durch hochvernünftige
-Gründe und unwiderlegliche Argumenta dahin
-bringen, daß sie sich selbst eine allgemeine Vereinigung
-wünschen. Alsdann wird er die allergeistreichsten, gelehrtesten
-und frömmsten von allen Orten und Enden her
-aus allen Religionen zusammenbringen und ihnen auferlegen,
-daß sie sobald immer möglich die Streitigkeiten
-ernstlich beilegen und nachgehends mit rechter Einhelligkeit
-die wahre, heilige, christliche Religion gemäß
-der heiligen Schrift, der uralten Tradition und der
-probierten heiligen Väter Meinung schriftlich verfassen
-sollen. Wenn er aber merken sollte, daß sich einer oder
-der andere von Teufel einnehmen läßt, so wird er die
-ganze Versammlung wie in einem <span class="antiqua">Conclave</span> mit Hunger
-quälen, und wann sie nicht daran wollen, ein so hohes
-Werk zu befördern, so wird er ihnen allen vom Hängen
-predigen, daß sie eilands zur Sache schreiten und mit
-ihren halsstarrigen, falschen Meinungen, die Welt nicht
-mehr wie vor Alters foppen.</p>
-
-<p>Nach erlangter Einigkeit wird er ein großes Jubelfest
-anstellen und der ganzen Welt diese geläuterte Religion
-publizieren. Welcher alsdann darwider glaubet,
-den wird er mit Schwefel und Pech martyrisieren oder
-einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken und dem
-Teufel zum neuen Jahr schenken.</p>
-
-<p>Jetzt weißt du, lieber Ganymed, alles was du zu
-wissen begehrt hast.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p165" id="Seite_p165">[S. 165]</a></span>
-
-Ich dachte bei mir selbst, der Kerl dörfte vielleicht
-kein Narr sein, wie er sich stellet, sondern mirs kochen,
-wie ichs zu Hanau gemachet, um desto besser von uns
-zu kommen. Derowegen gedachte ich ihn zornig zu machen,
-weil man einen Narren am besten im Zorn erkennt,
-und wollte ihm vorhalten, wie alle Götter in
-der weiten Welt vor so verrucht, leichtfertig und stinkend
-als Diebe, Kuppler, Ehebrecher, Hanreien, Wüteriche,
-Mörder und unverschämte Hurenjäger verschrieen seien,
-daß man sie sonst nirgendshin als in des Augias Stall logieren
-wolle &mdash; da wurde mein Jupiter von einer seltsamen
-Unruhe ergriffen: Er zog in Gegenwart meiner und der
-ganzen Partei ohn einzige Scham seine Hosen herunter und
-stöberte die Flöhe daraus, welche ihn, wie man an seiner
-sprenklichten Haut wohl sahe, schröcklich tribulieret hatten.</p>
-
-<p>»Schert euch fort, ihr kleinen Schinder,« sagte er, »ich
-schwöre euch beim <span class="antiqua">Styx</span>, das ihr in Ewigkeit nicht erhalten
-sollt, was ihr so sorgfältig sollicitiert!«</p>
-
-<p>Ich fragte ihn, was er meine. Er antwortete, daß
-das Geschlecht der Flöhe, als sie vernommen, er sei auf
-Erden, ihre Gesandten zu ihm geschickt hätten, ihn zu
-komplimentieren. Sie hätten ihm darneben vorgebracht,
-daß sie aus ihrem <span class="antiqua">Territorio</span>, da man ihnen die Hundshäute
-zu bewohnen zugesichert, durch die Weiber vertrieben
-worden seien, gestalt manche ihr Schoßhündchen
-mit Bürsten, Kämmen, Seifen, Laugen und anderen
-mörderischen Dingen durchstreift hätten, so daß sie ihr
-Vaterland quittieren und andere Wohnungen hätten aufsuchen
-müssen. So sie aber den Weibern in die Pelze
-gerieten, würden solche verirrte, arme Tropfen übel tractieret,
-gefangen und nicht allein ermordet, sondern auch
-zuvor zwischen den Fingern elendiglich gemartert und
-zerrieben, daß es einen Stein erbarmen möchte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p166" id="Seite_p166">[S. 166]</a></span>
-
-»Ja,« sagte Jupiter ferner, »sie brachten mir die
-Sache so beweglich vor, daß ich Mitleiden mit ihnen
-haben mußte und also ihnen Hilfe zusagte, jedoch mit
-dem Vorbehalt, daß ich die Weiber zuvor auch hören
-möchte. Sie aber wandten vor, wann den Weibern erlaubet
-würde, Widerpart zu halten, so wüßten sie wohl,
-daß sie mit ihren giftigen Hundszungen entweder meine
-Frömmigkeit und Güte betäuben und die Flöhe überschreien
-oder aber durch ihre lieblichen Worte und
-Schönheit mich betören und zu einem falschen Urteil
-verleiten würden, mit fernerer Bitte, ich wolle sie ihrer
-untertänigsten Treue genießen lassen, welche sie auch
-allezeit erzeiget, indem sie doch jeweils am nächsten dabei
-gewesen und am besten gewußt hätten, was zwischen
-mir und der Io, Callisto, Europa, Semele und andern
-mehr vorgangen, hätten aber niemals nichts aus der
-Schule geschwätzt, noch meiner Ehefrau ein einzigs
-Wort gesaget, maßen sie sich einer solchen Verschwiegenheit
-beflissen, wie dann kein Mensch bis dato von ihnen
-etwas dergleichen erfahren hätte. Wann ich aber je zulassen
-wollte, daß die Weiber sie in ihrem Bann jagen,
-fangen und nach Weidmannsrecht metzeln dörften, so
-wäre ihre Bitte, zu gebieten, daß sie hinfort mit einem
-heroischen Tod hingerichtet und entweder mit einer Axt
-wie Ochsen niedergeschlagen oder wie ein Wildpret gefället
-würden, aber nicht mehr so schimpflich zwischen
-den Fingern zerquetscht und geradbrecht werden sollten,
-was allen ehrlichen Mannsbildern eine Schande wäre.
-Sonach erlaubte ich ihnen, bei mir einzukehren, damit
-ich ein Urteil darnach fassen könne, ob sie die Weiber
-allzuhützig tribulierten. Da fing das Lumpengesind an
-mich zu geheien, daß ich sie habe, wie ihr sehet, wieder
-abschaffen müssen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p167" id="Seite_p167">[S. 167]</a></span>
-
-Wir dorften nicht rechtschaffen lachen, weil wir stillhalten
-mußten und weils der Phantast nicht gern hatte,
-wovon Spring-ins-Feld hätte zerbersten mögen. Da zeigte
-unsere Hochwacht an, daß er in der Ferne etwas kommen
-sähe. Ich stieg hinauf und gewahrte die Fuhrleute,
-denen wir aufpaßten. Sie hatten dreißig Reuter zur
-<span class="antiqua">Convoi</span> bei sich, dahero ich mir die Rechnung leicht
-machen konnte, daß sie nicht durch den Wald, sondern
-übers freie Feld kommen würden, wiewohl es daselbst
-einen bösen Weg hatte.</p>
-
-<p>Von unsrer Lägerstatt ging feldwärts eine Wasserrunze
-in einer Klämme hinunter. Deren Ausgang besatzte
-ich mit zwenzig Mann, nahm auch selbst meinen
-Stand bei ihnen, ließ aber Spring-ins-Feld zurück. Ich
-befahl meinen Burschen, wann der <span class="antiqua">Convoi</span> hinkomme,
-daß jeder seinen Mann gewiß nehmen sollte, und sagte
-auch jedem, wer Feuer geben und wer seinen Schuß im
-Rohr zum Vorrat zu behalten habe. Etliche verwunderten
-sich, ob ich wohl vermeine, daß die Reuter an
-einen Ort kommen werden, wo sie nichts zu tun hätten
-und dahin wohl hundert Jahr kein Baur gekommen
-sei. Aber ich brauchte keine Teufelskunst, sondern nur
-Spring-ins-Feld, dann als der <span class="antiqua">Convoi</span>, welcher ziemlich
-Ordnung hielt, <span class="antiqua">recte</span> gegen uns über vorbeipassieren
-wollte, fing Spring-ins-Feld so schröcklich an zu brüllen
-wie ein Ochs und zu wiehern wie ein Pferd, daß der
-ganze Wald widerhallte. Der <span class="antiqua">Convoi</span> hörets, gedachte
-Beute zu machen und etwas zu erschnappen, sie ritten
-sämtlich so geschwind und unordentlich in unsern Halt,
-als wann ein jeder der erste hätte sein wollen, die beste
-Schlappe zu holen. Gleich im ersten Willkommen wurden
-dreizehn Sättel geleeret und sonst noch etliche aus
-ihnen gequetscht. Hierauf schrie Spring-ins-Feld: »Jäger<span class="pagenum"><a name="Seite_p168" id="Seite_p168">[S. 168]</a></span>
-hierher!« &mdash; davon die Kerl noch mehr erschröckt und
-irre wurden. Ich bekam sie alle siebzehn und spannte
-vierundzwenzig Pferde aus. Doch hatten sich die Fuhrleute
-zu Pferd aus dem Staub gemacht. Wir packten
-auf, dorften uns aber nicht viel Zeit nehmen, die Wägen
-recht zu durchsuchen.</p>
-
-<p>Mein Jupiter lief aus dem Wald und schrie uns
-nach, bis ich ihn hinten aufsetzen ließ, dann er nicht
-besser reuten konnte als eine Nuß.</p>
-
-<p>Also brachte ich meine Beute und Gefangenen den
-andern Morgen glücklich nach Soest und bekam mehr
-Ehre und Ruhm von dieser Partei, als zuvor nimmer.
-Jeder sagete: »Dies gibt wieder einen Johann de Werdt!«
-welches mich trefflich kützelte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p169" id="Seite_p169">[S. 169]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_vierte_Kapitel" id="Buch3_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Meines Jupiter konnte ich nicht los werden, dann
-der Kommandant begehrete ihn nicht, weil nichts
-an ihm zu rupfen war, sondern sagte, er wollte ihn mir
-schenken. Also bekam ich einen eigenen Narren und
-dorfte mir keinen kaufen. Kurz zuvor tribuliereten mich
-die Läuse, und jetzt hatte ich den Gott der Flöhe in
-meiner Gewalt. Es war noch kein Jahr vergangen, da
-mir die Buben nachliefen, und jetzt vernarreten sich die
-Mägdlein aus Liebe gegen mich. Vor einem halben
-Jahr dienete ich einem schlechten Dragoner, jetzt nannten
-mich zween Knechte ihren Herrn. O wunderliche
-Welt, darinnen nichts Beständigeres ist als die Unbeständigkeit!</p>
-
-<p>Damals zog der Graf von der Wahl als Obrister-Gubernator
-des westfälischen Kreises aus allen Guarnisonen
-einige Völker zusammen, eine Cavalcade durchs
-Stift Münster zu tun, vornehmlich aber zwo Kompagnien
-hessischer Reuter im Stift Paderborn auszuheben,
-die den Unsrigen daselbsten viel Dampfs antäten.
-Ich ward unter unsern Dragonern mitkommandiert.
-Und als sie einzige Truppen zum Ham gesammlet, gingen
-wir schnell vor und berannten gemeldter Reuter Quartier,
-ein schlecht verwahrtes Städtlein, ehe die Unsrigen
-kamen. Sie unterstunden durchzugehen, wir aber jagten
-sie wieder zurück in ihr Nest. Es ward ihnen angeboten,
-ohne Pferd und Gewehr, jedoch mit dem was
-der Gürtel beschließe zu passieren, sie aber wollten sich
-nicht darzu verstehen, sondern sich mit ihren Karabinern
-wie Musketierer wehren. Also kam es, daß ich noch
-dieselbe Nacht probieren mußte, was ich vor Glück im<span class="pagenum"><a name="Seite_p170" id="Seite_p170">[S. 170]</a></span>
-Stürmen hätte. Wir leerten die Gassen bald, weil
-niedergemacht ward, was sich im Gewehr befand, und
-weil sich die Bürger nicht hatten wehren wollen. Also
-ging es mit uns in die Häuser. Spring-ins-Feld sagte:
-»Wir müssen ein Haus vornehmen, vor welchem ein
-großer Haufen Mist liegt, dann darin sitzen reiche
-Kauzen.«</p>
-
-<p>Darauf griffen wir ein solches an, Spring-ins-Feld
-visitierte den Stall, ich aber das Haus mit Abrede, daß
-jeder mit dem andern parten sollte. Also zündete jeder
-seinen Wachsstock an. Ich rief nach dem Hausvater,
-kriegte aber keine Antwort, geriet indessen in eine
-Kammer und fand dort nichts, als ein leer Bett und
-eine beschlossene Truhe. Die hämmerte ich auf in der
-Hoffnung, etwas Kostbares zu finden. Aber da ich den
-Deckel auftät, richtete sich ein kohlschwarzes Ding gegen
-mich auf, welches ich vor den Lucifer selbst ansahe.</p>
-
-<p>Ich kann schwören, daß ich mein Lebtag nie so erschrocken
-bin, als eben damals, da ich diesen schwarzen
-Teufel so unversehens erblickte. »Daß dich der Donner
-schlag,« rief ich gleichwohl in solchem Schröcken und
-zuckte mein Äxtlein, hatte doch das Herz nicht, ihms
-in den Kopf zu hauen.</p>
-
-<p>»Min leve Heer, ick bidde ju doer Gott, schinkt mi
-min Levend!«</p>
-
-<p>Da hörete ich erst, daß es kein Teufel war, befahl
-ihm aus der Truhe zu steigen und er stand vor mir in
-seiner Schwärze, nackend wie ihn Gott geschaffen hatte,
-ein Mohr. Ich schnitt ein Stück von meinem Wachsstock,
-gabs ihm zu leuchten und er führete mich in ein
-Stüblein, da ich den Hausvater fand, der samt seinem
-Gesind dies lustige Spektakul ansahe und mit Zittern
-um Gnade bat. Er händigte mir eines Rittmeisters<span class="pagenum"><a name="Seite_p171" id="Seite_p171">[S. 171]</a></span>
-Bagage, darunter ein ziemlich wohlgespickt, verschlossen
-Felleisen war, ein, mit Bericht, daß der Rittmeister
-und seine Leute bis auf gegenwärtigen Mohren sich
-zu wehren auf ihre Posten gegangen wären. Inzwischen
-hatte Spring-ins-Feld sechs schöne gesattelte Pferde im
-Stall erwischt.</p>
-
-<p>Als hernach die Tore geöffnet, die Posten besetzt und
-unser General-Feldzeugmeister Herr Graf von der Wahl
-eingelassen ward, nahm er sein Logiment in ebendemselben
-Hause, darum mußten wir bei finsterer Nacht
-ein ander Quartier suchen. Wir fanden eines und brachten
-den Rest der Nacht mit Fressen und Saufen zu. Ich
-bekam vor mein Teil den Mohren, die zwei besten Pferde,
-darunter ein spanisches war, auf welchen ein Soldat
-sich gegen sein Gegenteil dorfte sehen lassen, mit den
-ich nachgehends nicht wenig prangte. Aus dem Felleisen
-aber kriegte ich unterschiedliche köstliche Ringe und in
-einer göldenen Kapsel mit Rubinen besetzt des Prinzen
-von Uranien Conterfait, kam also mit Pferden und
-allem über zwei hundert Dukaten. Vor den Mohren,
-der mich am aller saursten ankommen war, ward mir
-von General-Feldzeugmeister, als welchem ich ihn präsentierte,
-nicht mehr als zwei Dutzend Taler verehret.</p>
-
-<p>Als wir demnach Recklinghausen zu kamen, nahm ich
-Erlaubnis, mit Spring-ins-Feld meinem Pfaffen zuzusprechen,
-mit dem ich mich lustig macht, da ich ihm
-erzählete, daß mir der Mohr den Schröcken, den er
-und seine Köchin neulich empfunden, wieder eingetränkt
-hätte. Ich verehrete ihm auch eine schöne schlagende
-Halsuhr zum freundlichen <span class="antiqua">Valete</span>.</p>
-
-<p>Meine Hoffart vermehrete sich mit meinem Glück,
-daraus endlich nichts andres als mein Fall erfolgen
-konnte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p172" id="Seite_p172">[S. 172]</a></span>
-
-Ungefähr eine halbe Stunde von Rehnen kampierten
-wir und erhielten Erlaubnus, in demselben Städtlein
-etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen. Unser Meinung
-war, sich einmal rechtschaffen miteinander lustig
-zu machen. Also kehreten wir im besten Wirtshaus ein
-und ließen Spielleute kommen, die uns Wein und Bier
-hinuntergeigen mußten. Da ging es <span class="antiqua">in floribus</span> her und
-blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe tun
-möchte. Ich stellete mich nicht anders als wie ein junger
-Prinz, der Land und Leute vermag und alle Jahre
-ein groß Geld zu verzehren hat. Dahero ward uns
-besser als einer Gesellschaft Reuter aufgewartet, die
-gleichfalls dort zehrete. Das verdroß sie und fingen an
-mit uns zu kipplen.</p>
-
-<p>»Woher kommts, daß diese Stieglhupfer ihre Heller
-so weisen?« Dann sie hielten uns vor Musketierer,
-maßen kein Tier in der Welt ist, das einem Musketierer
-ähnlicher siehet, als ein Dragoner, und wann ein
-Dragoner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer
-wieder auf.</p>
-
-<p>Ein anderer Reuter meinete: »Jener Jüngling ist
-gewiß ein Strohjunker, dem seine Mutter etliche Milchpfennige
-geschicket, die er jetzo spendiert, damit ihm
-künftig irgendswo seine Kameraden aus dem Dreck
-oder etwan durch den Graben tragen sollen.«</p>
-
-<p>Solches ward mir durch die Kellerin hinterbracht.
-Weil ichs aber nicht selbst gehört, konnte ich anders
-nichts darzu tun, als daß ich ein groß Bierglas mit
-Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller rechtschaffenen
-Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen
-Alarm darzu machen ließ, daß keiner sein eigen
-Wort hören konnte. Das verdroß sie noch mehr, derowegen
-sagten sie offentlich:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p173" id="Seite_p173">[S. 173]</a></span>
-
-»Was Teufels haben doch die Stiegelhüpfer vor ein
-Leben!«</p>
-
-<p>Spring-ins-Feld antwortete: »Was gehts die Stiefelschmierer
-an?« &mdash; Das ging ihm hin, dann er sahe so
-gräßlich drein und machte so grausame und bedrohliche
-Mienen, daß sich keiner an ihm reiben dorfte.</p>
-
-<p>Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einem ansehnlichen
-Kerl, der sagte: »Wann sich die Maurenhofierer
-auf ihrem Mist (er vermeinte, wir lägen in
-Guarnison stille) nicht so breit machen dörften, wo
-wollten sie sich sonst sehen lassen? Man weiß ja wohl,
-daß jeder in offener Feldschlacht unser Raub sein muß.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Wir nehmen Städt und Festungen
-ein und verwahren sie, dahingegen ihr Reuter auch
-vor dem geringsten Rattennest keinen Hund aus dem
-Ofen locken könnet. Warum sollten wir uns dann in
-den Städten nicht dörfen lustig machen?«</p>
-
-<p>Der Reuter gab dawider: »Wer Meister im Felde ist,
-dem folgen die Festungen. Daß wir aber die Feldschlachten
-gewinnen müssen, folget aus dem, daß ich so
-drei Kinder, wie du eins bist, mitsamt ihren Musketen
-nicht allein nicht förchte, sondern ein Paar davon auf
-dem Hut stecken und den dritten erst fragen wollte, wo
-seiner noch mehr wären. Und säße ich bei dir, so wollte
-ich dem Junker zur Bestätigung ein paar Tachteln
-geben.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Ich vermein ein Paar so guter
-Pistolen zu haben als du, wiewohl ich kein Reuter,
-sondern nur ein Zwitter zwischen ihnen und den Musketierern
-bin. Schau, so hab ich Kind ein Herz, mit
-meiner Musketen allein einen solchen Prahler zu Pferd,
-wie du einer bist, gegen all sein Gewehr im freien Feld
-zu Fuß zu begegnen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p174" id="Seite_p174">[S. 174]</a></span>
-
-»Ach, du Kujon,« rief der andere, »ich halte dich
-vor einen Schelmen, wann du nicht wie ein redlicher
-von Adel alsbald deinen Worten eine Kraft gibst.«</p>
-
-<p>Hierauf warf ich ihm einen Handschuh zu.</p>
-
-<p>Wir zahleten den Wirt und der Reuter machte
-Karabiner und Pistolen, ich aber meine Muskete fertig,
-und da er mit seinen Kameraden vor uns an den bestimmten
-Ort ritt, sagte er zu Spring-ins-Feld, er solle
-mir allgemach das Grab bestellen. Ich lachte hingegen,
-weil ich mich vorlängst besonnen hatte, wie ich einem
-wohlmontierten Reuter begegnen müßte, wann ich einmal
-zu Fuß mit meiner Musketen allein im weiten
-Felde stünde.</p>
-
-<p>Da wir nun an den Ort kamen, wo der Betteltanz
-angehen sollte, hatte ich meine Musketen bereits mit
-zweien Kugeln geladen, frisch Zündkraut aufgerührt
-und den Deckel auf der Zündpfanne mit Unschlitt verschmiert,
-wie vorsichtige Musketierer zu tun pflegen,
-wann sie Zündloch und Pulver auf der Pfanne vor
-Regenwetter verwahren wollen.</p>
-
-<p>Eh wir nun aufeinander gingen, bedingten beiderseits
-die Kameraden, daß wir uns im freien Felde angreifen
-und zu solchem End der eine von Ost, der
-andre von West in ein umzäuntes Feld eintreten sollten,
-dann möge jeder sein Bestes gegen den andern tun.
-Keiner von den Parteien sollte sich unterstehen, seinem
-Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder Beschädigung
-zu rächen.</p>
-
-<p>So gaben ich und mein Gegner einander die Hände
-und verziehen je einer dem andern seinen Tod, unter
-welcher allerunsinnigsten Torheit, die je ein vernünftiger
-Mensch begehen kann, ein jeder hoffte seiner Gattung
-Soldaten das <span class="antiqua">Prae</span> zu erhalten, gleichsam als ob des<span class="pagenum"><a name="Seite_p175" id="Seite_p175">[S. 175]</a></span>
-einen oder andern Teil Ehre und Reputation an dem
-Ausgang unseres trefflichen Beginnens gelegen gewesen
-wäre.</p>
-
-<p>Ich trat mit doppelt brennender Lunte in angeregtes
-Feld, stellte mich, als ob ich das alte Zündkraut im
-Gang abschütte, ich täts aber nicht, sondern rührete
-nur Zündpulver auf den Deckel meiner Pfannen, bließ
-ab und paßte mit zween Fingern auf der Pfanne auf,
-wie bräuchlich ist. Eh ich noch meinem Gegenteil, der
-mich wohl im Gesicht hielt, das Weiße in Augen sehen
-konnte, schlug ich auf ihn an und brannte mein falsch
-Zündkraut auf dem Deckel vergeblich hinweg. Mein
-Gegner vermeinte, die Muskete hätte mir versagt, und
-das Zündloch wäre mir verstopft, sprengte dahero mit
-einer Pistole in der Hand gar zu gierig <span class="antiqua">recte</span> auf mich
-dar. Aber eh er sichs versah, hatte ich die Pfanne offen
-und wieder angeschlagen, hieß ihn auch dergestalt willkommen,
-daß Knall und Fall eins war.</p>
-
-<p>Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden,
-die mich gleichsam küssend empfingen. Die seinigen entledigten
-ihn aus den Steigbügeln und täten gegen ihn
-und uns wie redliche Kerle, maßen sie mir auch meinen
-Handschuh mit großem Lob wiederschickten.</p>
-
-<p>Aber da ich meine Ehre am größten zu sein schätzte,
-kamen fünfundzwenzig Musketierer aus Rehnen, welche
-mich und meine Kameraden gefangen nahmen. Ich
-zwar ward alsbald in Ketten und Banden geschlossen
-und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei
-Leib- und Lebensstrafe verboten waren.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p176" id="Seite_p176">[S. 176]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch3_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Demnach unser General-Feldzeugmeister strenge
-Kriegsdisziplin zu halten pflegte, besorgte ich,
-meinen Kopf zu verlieren. Meine Hoffnung stund auf
-dem großen Ruf und Namen meiner Tapferkeit, so
-ich in blühender Jugend durch Wohlverhalten erworben,
-doch war ich ungewiß, weil dergleichen tägliche Händel
-erforderten ein <span class="antiqua">Exemplum</span> zu statuieren.</p>
-
-<p>Die Unsrigen hatten damals ein festes Rattennest berannt,
-waren aber abgeschlagen, da der Feind wußte,
-daß wir kein grob Geschütz führten. Derowegen ruckte
-unser Graf von der Wahl mit dem ganzen <span class="antiqua">Corpo</span> vor
-besagten Ort, begehrete durch einen Trompeter abermal
-die Übergabe, drohete zu stürmen. Es erfolgte aber
-nichts als ein Schreiben:</p>
-
-<p>»Hochwohlgeborener Graf etc. wissen dero hohen
-Vernunft nach, wie übelanständig, ja unverantwortlich
-es einem Soldaten fallen würde, wenn er einen so
-festen Ort dem Gegenteil ohn sonderbare Not einhändigte.
-Weswegen Eure Hochgräfliche Exzellenz mir
-dann hoffentlich nicht verdenken werden, wann ich mich
-befleißige zu verharren, bis die Waffen Eurer Exzellenz
-dem Orte zugesprochen. Kann aber meine Wenigkeit
-dero außerhalb Herrendiensten in ichtwas zu gehorsamen
-die Gelegenheit haben, so werde ich sein Eurer
-Exzellenz allerdienstwilligster Diener</p>
-
-<p class="right">
-N. N.«
-</p>
-
-<p>Den Ort liegen zu lassen war nicht ratsam, zu stürmen
-ohn eine Presse hätte viel Blut gekostet und wäre doch
-noch mißlich gestanden, ob mans übermeistert hätte.
-Die Stücke und alles Zugehör von Münster und Ham
-herzuholen, da wäre viel Mühe, Zeit und Unkosten<span class="pagenum"><a name="Seite_p177" id="Seite_p177">[S. 177]</a></span>
-darauf geloffen. Indem man bei Groß und Klein ratschlagte,
-fiel mir ein, ich sollte mir diese Occasion zu
-Nutz machen, um mich zu erledigen. Ich ließ meinen
-Obrist-Leutenant wissen, daß ich Anschläge hätte, durch
-welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen
-wäre, wann ich nur Pardon erlangen und wieder auf
-freien Fuß gestellt werden könnte. Da lachten etliche:
-wer hangt, der langt! Andere, die mich kannten, auch
-der Obrist-Leutenant selbst glaubten mir, weswegen er
-sich in eigener Person an den General-Feldzeugmeister
-wandte. Der hatte hiebevor auch vom Jäger gehöret,
-ließ mich holen und solange meiner Bande entledigen.
-Als er mich fragte, was mein Anbringen wäre, antwortete
-ich:</p>
-
-<p>»Gnädiger Herr etc., obzwar mein Verbrechen und
-Eurer Exzellenz rechtmäßig Gebot und Verbot mir
-beide das Leben absprechen, so heißet mich doch meine
-alleruntertänigste Treue, die ich dero römischen kaiserlichen
-Majestät meinem allergnädigsten Herrn bis in
-den Tod zu leisten schuldig bin, dem Feind einen Abbruch
-zu tun und erstallerhöchst gedachter römischer
-kaiserlicher Majestät Nutzen und Kriegswaffen zu befördern ...«</p>
-
-<p>Der Graf fiel mir in meine allerschönste Rede: »Hast
-du mir nicht neulich den Mohren gebracht?«</p>
-
-<p>»Ja, gnädiger Herr.«</p>
-
-<p>»Wohl, dein Fleiß und Treue möchten vielleicht meritieren,
-dir das Leben zu schenken. Was hast du aber
-vor einen Anschlag?«</p>
-
-<p>»Weil der Ort vor grobem Geschütz nicht bestehen
-kann, so hält meine Wenigkeit davor, der Feind werde
-bald accordieren, wann er nur eigentlich glaubte, daß
-wir Stücke bei uns haben.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p178" id="Seite_p178">[S. 178]</a></span>
-
-»Das hätte mir wohl ein Narr gesagt,« fiel der
-Graf ein. »Wer wird sie aber überreden, solches zu
-gläuben?«</p>
-
-<p>»Ihre eigenen Augen. Ich habe ihre hohe Wacht
-mit meinem Perspektiv gesehen. Die kann man betrügen,
-wann man nur etliche Holzblöcke, den Brunnenrohren
-gleich, auf Wägen ladet, dieselben mit großem
-Gespann in das Feld führet und hiebevor ein Stückfundament
-aufwerfen lässet.«</p>
-
-<p>»Mein liebes Bürschchen, es seind keine Kinder darin.
-Die werden die Stück auch hören wollen, und wann
-der Posse dann nicht angeht, so werden wir von aller
-Welt verspottet.«</p>
-
-<p>»Gnädiger Herr, ich will schon Stücke in ihre Ohren
-lassen klingen, wann ich nur ein paar Doppelhacken
-und ein ziemlich groß Faß haben kann. Sollte man
-aber wider Verhoffen nur Spott daraus erlangen, so
-werde ich, der Erfinder, denselben mit meinem Leben
-aufheben.«</p>
-
-<p>Obzwar nun der Graf nicht dran wollte, so persuadierte
-ihn jedoch mein Obrist-Leutenant dahin, daß
-er sagte, ich sei in dergleichen Sachen glückselig. Der
-Graf willigte endlich ein und meinte im Scherz zu ihm,
-die Ehre so er damit erwürbe, sollte ihm allein zustehen.</p>
-
-<p>Also wurden drei Blöcke zuwegen gebracht und vor
-jeden vierundzwenzig Pferde gespannt, die führeten wir
-gegen Abend dem Feind ins Gesicht, dreien Doppelhacken
-gab ich zweifache Ladung, die ließ ich durch ein
-Stückfaß losgehen, gleich ob es drei Losungsschüsse
-hätten sein sollen. Das donnerte dermaßen, daß jedermann
-Stein und Bein geschworen hätte, es wären
-Quartierschlangen oder halbe Kartaunen. Unser General-Feldzeugmeister<span class="pagenum"><a name="Seite_p179" id="Seite_p179">[S. 179]</a></span>
-mußte der Gugelfuhre lachen und
-ließ dem Feind abermals einen Accord anbieten mit
-Anhang, wann sie sich nicht noch diesen Abend bequemen
-würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so
-gut werden sollte.</p>
-
-<p>Darauf wurden alsbald beiderseits Geißeln geschickt,
-der Accord geschlossen und uns noch dieselbige Nacht
-ein Tor der Stadt eingegeben. &mdash; Das kam mir trefflich
-gut, dann der Graf schenkte mir nicht allein das
-Leben und ließ mich noch selbige Nacht auf freien Fuß
-stellen, sondern er befahl dem Obrist-Leutenant in meiner
-Gegenwart, daß er mir das erste Fähnlein, so ledig
-würde, geben sollte. Das kam dem Obrist-Leutenant
-ungelegen, dann er hatte der Vettern und Schwäger
-so viel.</p>
-
-<p>Ich fing an mich etwas reputierlicher zu halten als
-zuvor, weil ich so stattliche Hoffnungen hatte, und gesellete
-mich allgemach zu den Offizierern und jungen
-Edelleuten, die eben auf dasjenige spanneten, was ich
-in Bälde zu kriegen mir einbildete. Sie waren deswegen
-meine ärgsten Feinde und stelleten sich doch als
-meine besten Freunde gegen mich. So war mir der
-Obrist-Leutenant nicht gar grün, weil er mich vor
-seinen Verwandten hätte befördern sollen. Mein Hauptmann
-war mir abhold, dann ich mich an Pferden,
-Kleidern und Gewehr viel prächtiger hielt als er. Also
-hassete mich auch mein Leutenant wegen eines einzigen
-Wortes halber, das ich neulich unbedachtsam hatte laufen
-lassen. Wir waren miteinander in der letzten Cavalcada
-kommandiert, eine gleichsam verlorene Wacht zu halten.
-Als nun die Schildwacht an mir war, kroch der Leutenant
-auch auf dem Bauch zu mir und sagete: »Schildwacht,
-merkst du was?« Ich antwortete: »Ja, Herr<span class="pagenum"><a name="Seite_p180" id="Seite_p180">[S. 180]</a></span>
-Leutenant.« &mdash; »Was da! Was da!« sagte er. &mdash; »Ich
-merke, daß sich der Herr förchtet.« Von dieser Zeit an
-hatte ich keine Gunst mehr bei ihm, und wo es am
-ungeheuersten war, ward ich zum ersten hinkommandiert.
-Nicht weniger feindeten mich die Feldwaibel an, weil
-ich ihnen allen vorgezogen ward. Was aber gemeine
-Knechte waren, die fingen auch an in ihrer Liebe und
-Freundschaft zu wanken, weil es das Ansehen hatte,
-als ob ich sie verachte, indem ich mich nicht sonderlich
-mehr zu ihnen, sondern zu den großen Hansen gesellete.
-Ich lebte eben dahin wie ein Blinder in aller Sicherheit
-und ward je länger, je hoffärtiger.</p>
-
-<p>Ich scheuete mich nicht einen Koller von sechzig
-Reichstalern, rote scharlachene Hosen und weiße atlassene
-Ärmel, überall mit Gold und Silber verbrämt,
-zu tragen, welche Tracht damals den höchsten Offizierern
-anstund. Ich war ein schröcklich junger Narr, daß
-ich den Hasen so laufen ließ, dann hätte ich mich anders
-gehalten und das Geld, das ich so unnützlich an
-den Leib hing, an gehörige Ort und Ende verschmieret,
-so hätte ich nicht allein das Fähnlein bald bekommen,
-sondern mir auch nicht so viel zu Feinden gemacht.</p>
-
-<p>Nichts vexierte mich mehr, als daß ich mich nicht
-als Edelmann wußte, damit ich meinen Knecht und
-Jungen auch in meine Livrei hätte kleiden können.
-Und ich gedachte, alle Dinge hätten ihren Anfang &mdash;
-wann du ein Wappen hast, so hast du schon ein eigne
-Livrei, und wann du Fähnrich wirst, so mußt du ja
-ein Petschier haben, wannschon du kein Junker bist.
-Ich ließ mir also durch einen <span class="antiqua">Comitem Palatinum</span> ein
-Wappen geben. Das waren drei rote Larven in einem
-weißen Feld und auf dem Helm das Brustbild eines
-jungen Narren in kälbernem Habit mit ein Paar Eselsohren,<span class="pagenum"><a name="Seite_p181" id="Seite_p181">[S. 181]</a></span>
-vorn mit Schellen gezieret. Und dünket mich
-wahrlich schon jetzt keine Sau zu sein. So mich jemand
-damit hätte foppen wollen, so wären ihm ohn Zweifel
-Degen und ein Paar Pistolen präsentieret worden.</p>
-
-<p>Wiewohl ich damals noch nichts nach dem Weibervolk
-fragte, so ging ich doch gleichwohl mit denen von
-Adel, wann sie irgends Jungfern besuchten, mich sehen
-zu lassen und mit meinen schönen Haaren, Kleidern
-und Federbüschen zu prangen. Ich muß gestehen, daß
-ich andern vorgezogen wurde, aber auch, daß verwöhnte
-Schleppsäcke mich einem wohlgeschnitzten hölzernen Bild
-verglichen, an welchem außer der Schönheit sonst weder
-Kraft noch Saft wäre. Ich sagte, so man mich der
-holzböckischen Art und Ungeschicklichkeit halber anstach,
-daß mirs genug sei, wann ich noch zur Zeit meine
-Freude an einem blanken Degen und einer guten Muskete
-hätte. Die Frauenzimmer billigten auch solche Reden,
-da keiner war, der das Herz hatte, mich heraus zu fordern
-oder Ursach zu ein Paar Ohrfeigen oder sonst
-ziemlich empfindlichen Worten zu geben, zu denen ich
-mich bereit zeigte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p182" id="Seite_p182">[S. 182]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_sechste_Kapitel" id="Buch3_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Wann ich so durch die Gassen daherprangete und
-mein Pferd unter mir tanzte, da sagte das alberne
-Volk wohl: »Sehet, das ist der Jäger! Min God,
-wat vor en prave Kerl is nu dat!« Ich spitzte die
-Ohren gewaltig und ließ mirs gar sanft tun. Aber ich
-Narr hörete meine Mißgönner nicht, die mir ohn
-Zweifel wünschten, daß ich Hals und Bein bräche. Verständige
-Leute hielten mich gewißlich vor einen jungen
-Lappen, dessen Hoffart notwendig nicht lang dauern
-würde.</p>
-
-<p>Meine Gewohnheit war, herum zu terminieren und
-alle Wege und Stege, alle Gräben, Moräste, Büsche
-und Wasser zu bereiten, um vor eine künftige Occasion
-des Orts Gelegenheit so offensive als defensive zu Nutz
-machen zu können. Einst ritt ich unweit der Stadt bei
-einem alten Gemäuer vorüber, darauf vor Zeiten ein
-Haus gestanden. Ich drang mit meinem Pferd in den
-Hof ein, zu sehen, ob man sich auch auf den Notfall
-zu Pferd darin salvieren könne. Als ich nun bei dem
-Keller, dessen Gemäuer noch rund umher aufrecht stund,
-vorüberreiten wollte, war mein Pferd, das sonst im
-geringsten nichts scheute, weder mit Liebe noch Leid
-dahin zu bringen. Ich stieg ab und führete es an der
-Hand die verfallene Kellersteigen hinunter, wovor es
-doch scheuete, damit ich mich ein andermal darnach
-richten könnte. Mit guten Worten und Streichen brachte
-ich es endlich so weit, indem ward ich gewahr, daß
-es vor Angst schwitzte und die Augen stets nach der
-Ecke des Kellers richtete, dahin es am allerwenigsten
-wollte, ob ich auch gleich nichts gewahrete. Ich stund<span class="pagenum"><a name="Seite_p183" id="Seite_p183">[S. 183]</a></span>
-mit Verwunderung, und wie mein Pferd je länger, desto
-ärger zitterte, da kam mich ein solches Grausen an,
-als ob man mich bei den Haaren aufzöge und einen
-Kübel voll kalt Wasser über mich abgösse. Mein Pferd
-stellete sich immer seltsamer, doch konnte ich nichts
-sehen, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte,
-als ich müßte vielleicht mitsamt dem Pferd verzaubert
-sein. Derowegen wollte ich wieder zurück, aber mein
-Pferd folgte mir nicht. Dahero ward ich noch ängstlicher
-und so verwirrt, daß ich schier nicht wußte, was
-ich tät. Zuletzt nahm ich meine Pistole auf den Arm
-und band mein Pferd an eine Holderstockwurzel, der
-Meinung, aus dem Keller zu gehen und Leute zu suchen,
-die meinem Pferde heraushülfen. Indem fällt mir ein,
-ob nicht in dem Gemäuer vielleicht ein Schatz läge,
-dahero es so ungeheuer sein möchte. Ich sehe mich um,
-sonderlich nach der Ecke, dahin mein Pferd nicht wollte,
-und ward eines Stückes im Gemäuer gewahr, so groß
-als ein gemeiner Kammerladen, welches in Farbe und
-Arbeit dem andern Gemäuer nicht allerdings glich. Ich
-wollte hinzugehen, da sträubten sich alle meine Haare
-gen Berg und das bestärket mich in der Meinung, daß
-ein Schatz verborgen sein müsse.</p>
-
-<p>Hundertmal lieber hätte ich Kugel gewechselt, als
-mich in solcher Angst befunden. Ich ward gequält und
-wußte doch nicht recht von wem, dann ich sahe oder
-hörte nichts. Ich wollte durchbrennen, vermochte aber die
-Stiegen nicht hinauf zu kommen, weil mich eine starke
-Luft aufhielt. Da lief mir die Katze wohl den Buckel
-hinauf! Zuletzt fiel mir ein, ich sollte meine Pistole lösen,
-damit mir die Bauren im Feld zuliefen. Ich war so
-erzörnt oder viel mehr desperat, da ich sonst kein Mittel
-noch Hoffnung sahe, aus diesen ungeheuern Wunderort<span class="pagenum"><a name="Seite_p184" id="Seite_p184">[S. 184]</a></span>
-zu kommen, daß ich mich gegen den Ort kehrete, wo
-ich die Ursache meiner seltsamen Begegnus vermeinete,
-und traf obgemeldtes Gemäuerstück mit zweien Kugeln
-so hart, daß es ein Loch gab, zwo Fäuste groß.</p>
-
-<p>Als der Schuß geschehen, wieherte mein Pferd und
-spitzte die Ohren, was mich herzlich erquickte. Ich faßte
-einen frischen Mut und ging ohn Forcht zu dem Loch,
-da brach die Maur vollends ein. Ich fand einen reichen
-Schatz an Silber, Gold und Edelsteinen. Es waren aber
-sechs Dutzend altfränkische silberne Tischbecher, ein großer
-göldner Pokal, etliche Duplet, eine altfränkische göldene
-Kette, unterschiedliche Diamanten, Rubine, Saphire und
-Smaragde, alles in Ringe und Kleinodien gefasset, <span class="antiqua">item</span>
-ein ganz Lädlein voll großer Perlen, aber alle verdorben
-und abgestanden, dann ein verschimmelter lederener
-Sack mit achtzig von den ältesten Joachimsthalern aus
-feinem Silber, sodann 893 Goldstücke mit dem französischen
-Wappen und einem Adler. Dieses Geld, die Ringe
-und Kleinodien steckte ich in meine Hosensäcke, Stiefeln,
-Hosen und Pistolenhalftern und, weil ich keinen Sack
-bei mir hatte, schnitt ich meine Schabracke vom Sattel
-und füllete sie zwischen Zeug und Futter mit Silber-
-und Goldbechern, hing die gölden Kette um den Hals,
-saß fröhlich zu Pferd und wandte mich meinem Quartier
-zu. Wie ich aber aus dem Hof kam, rissen zween
-Bauren vor mir eilends aus, ich ereilete sie leichtlich,
-weil ich sechs Füße und ein eben Feld hatte und rief sie
-an. Da erzählten sie mir, daß sie vermeinet hätten, ich
-wäre das Gespenst, das in gegenwärtigem, ödem Edelhof
-wohne und Leute, die zu nahe kämen, elendiglich zu
-traktieren pflege. Aus Furcht vor dem Ungeheuer käme
-oft in vielen Jahren kein Mensch an diesen Ort. Die
-gemeine Sage ginge im Land, es wäre ein eiserner Trog<span class="pagenum"><a name="Seite_p185" id="Seite_p185">[S. 185]</a></span>
-voller Geldes darin, den ein schwarzer Hund hüte zusamt
-einer verfluchten Jungfer. Sollte aber ein fremder
-Edelmann, der weder seinen Vater noch seine Mutter
-kenne, ins Land kommen, so werde er die Jungfer erlösen,
-den eisernen Trog mit einem feurigen Schlüssel
-aufschließen und das verborgene Geld davonbringen.
-Derlei alberne Fabeln erzählten sie mir noch viel. Ich
-fragte, was sie dann beide da gewollt hätten. Sie sagten,
-sie hätten einen Schuß samt einem lauten Schrei gehöret,
-da seien sie zugeloffen. Sie wollten viel Dings von mir
-wissen, und ich hätte ihnen sattsam Bären aufbinden
-können, aber ich konnte schweigen und ritt meines Wegs
-in mein Quartier. &mdash;</p>
-
-<p>Diejenigen, die wissen, was Geld ist, und dahero solches
-vor ihren Gott halten, haben dessen nicht geringe Ursach,
-dann ist jemand in der Welt, der des Geldes Kräfte
-und beinahe göttliche Tugenden erfahren hat, so bin es
-ich: Ich weiß wie einem zu Mut ist, der einen ziemlichen
-Vorrat hat, und wie der gesinnet sei, der keinen
-einzigen Heller vermag. Kräftiger als alles Edelgestein
-ist Geld, dann es vertreibet die Melancholei wie der
-Diamant, es machet Lust und Beliebung zu den <span class="antiqua">Studiis</span>
-wie der Smaragd, darum werden gemeiniglich mehr
-reicher als armer Leute Kinder Studenten; es nimmt
-hinweg Forchtsamkeit, machet den Menschen fröhlich
-und glückselig wie der Rubin; oft ist es dem Schlafe
-hinderlich, wie die Granate; hingegen hat es auch eine
-große Kraft, die Ruhe und den Schlaf zu befördern,
-wie der Hyazinth; es stärket das Herz und machet den
-Menschen freudig, sittsam, frisch und mild wie der Saphir
-und Amethyst; es vertreibet böse Träume, machet
-fröhlich, schärfet den Verstand und so man mit jemand
-zanket, machet es, daß man sieget wie der Sardonyx,<span class="pagenum"><a name="Seite_p186" id="Seite_p186">[S. 186]</a></span>
-vornehmlich wann man den Richter brav damit schmieret;
-es löschet die geile Begierden, weil man schöne
-Weiber um Geld kriegen kann. In Kürze, es ist nicht
-auszusprechen, was das liebe Geld vermag, wann man
-es nur richtig brauchen und anzulegen weiß.</p>
-
-<p>Das meinige war seltsamer Natur, es machte mich
-hoffärtiger, es hinderte mir den Schlaf, es machte mich
-zu einem bekümmerten Rechenmeister, es machte mich
-geizig.</p>
-
-<p>Einmal kam mirs in Sinn, ich sollte den Krieg quittieren,
-mich irgends hinsetzen und mit einem schmutzigen
-Maul zum Fenster aussehen, dann gereuete mich aber
-wieder mein freies Soldatenleben und die Hoffnung, ein
-großer Hans zu werden. Oder verwünschete ich wiederum
-mein unvollkommen Alter und ich sagte zu mir
-selber, dann so nähmest du eine schöne, junge, reiche
-Frau und kauftest du irgendeinen adeligen Sitz und
-führtest ein geruhiges Leben. Allein ich war noch viel
-zu jung.</p>
-
-<p>Damals hatte ich meinen Jupiter noch bei mir, der
-redete zu Zeiten sehr subtil und war etliche Wochen gar
-klug, hatte mich auch über alle Maßen lieb. Er warnete
-mich: »Liebster Sohn, schenkt euer Schindgeld,
-Gold und Silber hinweg!«</p>
-
-<p>»Warum, mein lieber Jove?«</p>
-
-<p>»Darum, damit Ihr Euch Freunde dadurch machet
-und Eurer unnützen Sorgen los werdet. Lasset die Schabhälse
-geizig sein. Haltet Euch, wie es einem jungen, wackeren
-Kerl zustehet!«</p>
-
-<p>Ich dachte der Sache nach. Zuletzt verehrete ich dem
-Kommandanten ein paar silberner und vergöldter Duplet,
-meinem Hauptmann ein paar silberner Salzfässer,
-aber es wurde ihnen das Maul nach dem Übrigen nur<span class="pagenum"><a name="Seite_p187" id="Seite_p187">[S. 187]</a></span>
-wässeriger, weil es rare Antiquitäten waren. Meinem
-getreuen Spring-ins-Feld schenkte ich zwölf Reichstaler.
-Auch er riet mir, ich solle meinen Reichtum von mir
-tun, dann die Offizierer sähen nicht gern, daß der gemeine
-Mann mehr Geld hätte als sie. Auch wären etlich
-um Geldes halber heimlich ermordet worden. Es ginge
-um im ganzen Läger, und jeder mache den gefundenen
-Schatz größer, als er an sich selbst sei, er müsse oft hören,
-was unter den Burschen vor ein Gemürmel gehe. Er
-ließe Krieg Krieg sein, und setzte sich irgendwo in
-Sicherheit.</p>
-
-<p>Ich sagte zu ihm: »Höre, Bruder, wie kann ich die
-Hoffnung auf mein Fähnlein so leicht in den Wind
-schlagen!«</p>
-
-<p>»Hol mich dieser und jener, wann du ein Fähnlein bekommst.
-So die andern sehen, daß ein Fähnlein ledig,
-möchten sie tausendmal eh dir den Hals brechen helfen.
-Lerne mich nur keine Karpfen kennen, mein Vater war
-ein Fischer!«</p>
-
-<p>Ich erwog diese und meines Jupiters Reden und bedachte,
-daß ich keinen einzigen angeborenen Freund hätte,
-der sich meiner in Nöten annehmen, oder meinen Tod
-rächen würde. &mdash; Indem sich nun eben eine Gelegenheit
-präsentierte, daß ich mit hundert Dragonern, etlichen
-Kaufleuten und Güterwägen von Münster nach
-Köln convoieren mußte, packte ich meinen Schatz zusammen
-und übergab ihn einen von den vornehmsten
-Kaufleuten zu Köln gegen spezifizierte Handschrift aufzuheben.
-Meinen Jupiter brachte ich auch dahin, weil
-er in Köln ansehnliche Verwandte hatte, gegen die er
-meine Guttaten rühmete, daß sie mir viel Ehre erwiesen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p188" id="Seite_p188">[S. 188]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_siebente_Kapitel" id="Buch3_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Auf dem Zurückweg machte ich mir allerhand Gedanken,
-wie ich mich ins Künftige halten wollte,
-damit ich doch jedermanns Gunst erlangen möchte, dann
-Spring-ins-Feld hatte mir einen Floh ins Ohr gesetzt
-und mich zu glauben persuadieret, als ob mich jedermann
-neide. Ich verwunderte mich, daß alle Welt so
-falsch sei, mir lauter gute Wort gebe und mich doch
-nicht liebe. Derowegen gedachte ich mich anzustellen wie
-die andern und zu reden, was jedem gefiele, auch jedem
-mit Ehrerbietung zu begegnen, obschon es mir nicht
-ums Herz wäre. Vornehmlich aber merkte ich klar, daß
-meine eigene Hoffart mich mit den meisten Feinden beladen
-hatte, deswegen wollte ich mich fürder demütig
-stellen, obschon ichs nicht sei, mit den gemeinen Kerlen
-wieder unten und oben liegen, vor den Höheren aber
-den Hut in Händen tragen, mich der Kleiderpracht enthalten,
-bis ich etwan meinen Stand änderte. Ich hatte
-mir von meinem Kaufmann in Köln hundert Taler
-geben lassen, dieselben gedachte ich unterwegs dem <span class="antiqua">Convoi</span>
-halb zu verspendieren. Solcher Gestalt war ich entschlossen,
-mich zu ändern und auf diesem Weg schon
-den Anfang zu machen. Ich machte aber die Zeche ohn
-dem Wirt.</p>
-
-<p>Da wir durch das bergische Land passieren wollten,
-lauerten uns an einem sehr vortelhaften Ort 80 Feuerröhrer
-und 50 Reuter auf, eben als ich selbfünft mit einem
-Korporal geschickt ward voran zu reuten. Der Feind
-hielt sich still, als wir in seinen Halt kamen, ließ uns
-auch passieren, damit der <span class="antiqua">Convoi</span> nicht gewarnet würde,
-bis er auch in die Enge käme. Da wir den Hinterhalt<span class="pagenum"><a name="Seite_p189" id="Seite_p189">[S. 189]</a></span>
-merkten und umkehrten, gingen sie beiderseits los und
-fragten, ob wir Quartier wollten. Ich hatte mein bestes
-Roß unter mir, schwang mich herum auf eine kleine
-Ebene, zu sehen, ob da Ehre einzulegen sei, indessen
-hörete ich stracks an der Salve, welche die Unsrigen
-empfingen, was die Glocke geschlagen, trachtete derowegen
-nach der Flucht, aber ein Kornet hatte uns den
-Paß abgeschnitten. Indem ich mich durchhauen wollte,
-bot er mir, weil er mich vor einen Offizier ansahe,
-nochmals Quartier an, und ich besann mich, das Leben
-davon zu bringen.</p>
-
-<p>Also präsentierte ich ihm den Degen. Er fragte mich,
-was ich vor einer sei, er sehe mich vor einen Edelmann
-und Offizier an. Da ich ihm antwortete, ich werde der
-Jäger von Soest genannt, sagte er: »Da hat Er gut
-Glück, daß Er uns nicht vor vier Wochen in die Hände
-geraten, dann zur selben Zeit hätte ich Ihm kein Quartier
-halten können, dieweil man Ihn bei uns vor einen
-offentlichen Zauberer gehalten hat.«</p>
-
-<p>Dieser Kornet war ein tapferer, junger Kavalier, es
-freuete ihn trefflich, daß er die Ehre hatte, den berühmten
-Jäger gefangen zu haben, deswegen hielt er mir
-das versprochene Quartier sehr ehrlich und auf holländisch,
-deren Brauch ist, den gefangenen Feinden von
-dem, was der Gürtel beschleußt, nichts zu nehmen. Da
-es an ein Parten ging, sagete ich ihm heimlich, er sollte
-sehen, daß ihm mein Pferd, Sattel und Zeug zuteil
-würde, dann im Sattel dreißig Dukaten seien und das
-Pferd ohndas seinesgleichen schwerlich hätte. Davon
-ward mir der Kornet so hold, als ob ich sein leiblicher
-Bruder wäre, er saß auch gleich auf mein Pferd und
-ließ mich auf dem seinigen reuten.</p>
-
-<p>Schweden und Hessen gingen noch am selbigen Abend<span class="pagenum"><a name="Seite_p190" id="Seite_p190">[S. 190]</a></span>
-in ihre unterschiedlichen Guarnisonen mit ihrer Beute
-und den Gefangenen. Mich und den Korporal samt
-noch dreien Dragonern behielt der Kornet und führet
-uns in eine Festung, die nicht gar zwei Meilen von unserer
-Guarnison lag. Und weil ich hiebevor demselben
-Ort viel Dampfs angetan, war mein Name daselbst wohl
-bekannt, ich selber aber mehr geförcht als geliebt. Der
-Kornet schickte einen Reuter voran, dem Kommandanten
-zu verkünden, wie es abgeloffen und wen er gefangen
-brächte. Davon gab es ein Geläuf in der Stadt,
-das nit auszusagen, weil jeder den Jäger gern sehen
-wollte, und war nicht anders anzusehen, als ob ein
-großer Potentat seinen Einzug gehalten hätte.</p>
-
-<p>Wir wurden zum Gewaltiger geführt, doch ward es
-dem Kornet erlaubt, uns zu gastieren, weil ich hiebevor
-meinen Gefangenen, darunter sich des Kornets Bruder
-befunden, auch solcher Gestalt diskret begegnet war. Da
-nun der Abend kam, fanden sich unterschiedlich Offizierer,
-sowohl Soldaten von Fortun, als geborenen
-Kavaliers ein, und ich ward, die Wahrheit zu bekennen,
-von ihnen überaus höflich traktiert. Ich machte mich
-so lustig, als ob ich nichts verloren gehabt, und ließ
-mich so vertreulich und offenherzig vernehmen, als ob
-ich nicht in Feindeshand, sondern bei meinen besten
-Freunden wäre. Dabei beflisse ich mich der Bescheidenheit,
-dann ich konnte mir leicht einbilden, daß dem Kommandanten
-mein Verhalten notifiziert würde.</p>
-
-<p>Den andern Tag wurden wir Gefangenen von dem
-Regimentsschulzen examiniert. Sobald ich in den Saal
-trat, verwunderte er sich über meine Jugend und sagte:
-»Mein Kind, was hat dir der Schwede getan, daß du
-wider ihn kriegest?«</p>
-
-<p>Das verdroß mich, antwortete derhalben: »Die<span class="pagenum"><a name="Seite_p191" id="Seite_p191">[S. 191]</a></span>
-schwedischen Krieger haben mir meine Schnellküglein
-und mein Steckenpferd genommen, die wollte ich gern
-wieder haben.«</p>
-
-<p>Da ich ihn so bezahlete, schämten sich seine beisitzenden
-Offizierer, maßen einer auf Latein sagte, er
-solle von ernstlichen Sachen mit mir reden, er hätte
-kein Kind vor sich, und ich merkte dabei, daß er
-Eusebius hieße. Darauf fragte er mich nach meinem
-Namen, und als ich ihn genannt, sagte er: »Es ist kein
-Teufel in der Hölle, der <span class="antiqua">Simplicissimus</span> heißet.«</p>
-
-<p>Ich antwortete, so sei auch vermutlich keiner in der
-Höllen, der Eusebius hieße, was aber von den Offizierern
-nicht am besten aufgenommen ward, dann sie
-erinnerten mich, daß ich ihr Gefangener sei und nicht
-scherzenshalber wäre hergeholet worden.</p>
-
-<p>Ich ward dieses Verweises wegen darum nicht rot,
-bat auch nicht um Verzeihung, sondern gab zurück,
-weil sie mich vor einen Soldaten gefangen hielten und
-nicht vor ein Kind wieder laufen lassen würden, so
-hätte ich mich nicht versehen, als ein Kind gefoppt zu
-werden. Wie man mich gefraget, so hätte ich geantwortet.</p>
-
-<p>Darauf ward ich um mein Vaterland, Herkommen,
-Geburt examiniert, vornehmlich aber ob ich auf
-schwedischer Seite gedienet hätte, <span class="antiqua">item</span> wie es in
-Soest beschaffen. Ich antwortete auf alles behend,
-wegen Soest und selbiger Guarnison aber soviel, als
-ich zu verantworten getrauet.</p>
-
-<p>Indessen erfuhr man zu Soest, wie es mit dem <span class="antiqua">Convoi</span>
-abgeloffen, derhalben kam gleich am andern Tag ein
-Trommelschläger, uns abzuholen. Dem wurden der
-Korporal und die andern drei ausgefolgt und ein
-Schreiben mitgegeben, das mir der Kommandant zu
-lesen überschickte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p192" id="Seite_p192">[S. 192]</a></span>
-
-»Monsieur etc. Auf Ihr Schreiben schicke ich gegen
-empfangene Ranzion den Korporal samt den übrigen
-drei Gefangenen. Was aber <span class="antiqua">Simplicium</span>, den Jäger,
-anbelanget, kann selbiger, weil er hiebevor auf dieser
-Seite gedienet, nicht hinübergelassen werden. &mdash; Kann
-ich aber dem Herren im übrigen außerhalb Herrenpflichten
-in etwas bedienet sein, so hat derselbe in mir
-einen willigen Diener, als der ich soweit bin und verbleibe
-dem Herren dienstwilliger</p>
-
-<p class="right">
-<span class="antiqua">N. de S. A.</span>«<br />
-</p>
-
-<p>Dieses Schreiben gefiel mir nicht halb und ich mußte
-mich doch für die Mitteilung bedanken. Ich begehrete
-mit dem Kommandanten zu reden, bekam aber zur
-Antwort, daß er schon selbst nach mir schicken würde.</p>
-
-<p>Das geschahe und mir widerfuhr das erste Mal die
-Ehre, an seiner Tafel zu sitzen. Solang man aß, ließ
-er mir mit dem Trunk zusprechen, gedachte aber weder
-klein noch groß von demjenigen, was er mit mir vorhatte.
-Demnach man abgegessen und nur ein ziemlicher
-Dummel aufgehängt war, sagte er: »Lieber Jäger, Ihr
-habet aus meinem Schreiben verstanden, unter was
-vor ein <span class="antiqua">Prätext</span> ich Euch hier behalte. Ich habe nichts
-vor, das wider <span class="antiqua">Raison</span> oder Kriegsbrauch wäre. Ihr
-habet selbst gestanden, daß Ihr hiebevor auf unserer
-Seite bei der Hauptarmee gedienet, werdet Euch derhalben
-resolvieren müssen, unter meinem Regiment
-Dienst zu nehmen. So will ich Euch mit der Zeit dergestalt
-accommodieren, dergleichen Ihr bei der kaiserlichen
-Armee nimmer hättet hoffen dörfen. Widrigen
-Falls ich Euch wieder demjenigen Obrist-Leutenant
-überschicke, welchen Euch die kaiserlichen Dragoner abgefangen
-haben.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Hochgeehrter Herr Obrister (dann<span class="pagenum"><a name="Seite_p193" id="Seite_p193">[S. 193]</a></span>
-damals war noch nicht Brauch, daß man Soldaten
-von Fortun »Ihr Gnaden« titulierte) ich hoffe, weil ich
-weder der Krone Schweden noch deren Konföderierten,
-viel weniger dem Obrist-Leutenant niemalen mit Eid
-verpflichtet, sondern nur ein Pferdejung gewesen, daß
-dannenhero ich nicht verbunden sei, schwedische Dienste
-anzunehmen und dadurch den Eid zu brechen, den ich
-dem römischen Kaiser geschworen, derowegen ich hochgeboren
-Herrn Obristen allergehorsamst bitte, er beliebe
-mich dieser Zumutung zu überheben.«</p>
-
-<p>»Was, verachtet Ihr dann schwedische Dienste? Eh'
-ich Euch wieder nach Soest lasse, dem Gegenteil zu
-dienen, eh' will ich Euch einen andern Proceß weisen
-oder im Gefängnus verderben lassen.«</p>
-
-<p>Ich erschrak zwar über diese Worte, gab mich aber
-doch nicht, sondern antwortete: Gott wolle mich vor
-solcher Verachtung sowohl als vor dem Meineid behüten.
-Im übrigen stünde ich in untertäniger Hoffnung,
-der Herr Obrist würde mich seiner weitgerühmten <span class="antiqua">Discretion</span>
-nach, wie einen Soldaten traktieren.</p>
-
-<p>»Ja,« sagte er, »ich wüßte wohl, wie ich Euch traktieren
-könnte. Aber bedenkt Euch besser.«</p>
-
-<p>Darauf ward ich wieder ins Stockhaus geführet und
-jedermann kann unschwer erachten, daß ich dieselbige
-Nacht nicht viel geschlafen.</p>
-
-<p>Den Morgen aber kamen etliche Offizierer mit dem
-Kornet unter Schein, mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit
-aber mir weis zu machen, als ob der Obrist gesinnet
-wäre, mir als einem Zauberer den Proceß machen
-zu lassen, sofern ich mich nicht anders bequemen würde.
-Wollten mich also erschröcken und sehen, was hinter
-mir stecke, weil ich mich aber meines guten Gewissens
-getröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an und redete<span class="pagenum"><a name="Seite_p194" id="Seite_p194">[S. 194]</a></span>
-nicht viel. Ich merkte wohl, daß es dem Obristen um
-nichts andres zu tun war, als daß er mich ungern in
-Soest sahe. Er konnte sich leicht einbilden, daß ich den
-Ort wohl nicht verlassen würde, weil ich meine Beförderung
-dort erhoffte, zwei schöne Pferde und sonst
-köstliche Sachen allda hatte.</p>
-
-<p>Den folgenden Tag ließ er mich wieder zu sich kommen,
-und fragte, ob ich mich auf ein und anders resolviert
-hätte.</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Dies Herr Obrister, ist mein Entschluß,
-daß ich eh' sterben, als meineidig werden will.
-Wann aber mein hochgeboren Herr Obrister mich auf
-freien Fuß zu stellen und mit keinen Kriegsdiensten zu
-belegen belieben wird, so will ich dem Herrn Obristen
-mit Herz, Mund und Hand versprechen, in sechs Monaten
-keine Waffen wider Schwed- und Hessische zu
-tragen.«</p>
-
-<p>Solches ließ er sich stracks gefallen, bot mir die Hand
-und schenkte mir zugleich die Ranzion, befahl auch dem
-<span class="antiqua">Secretär</span>, daß er einen Revers <span class="antiqua">in duplo</span> aufsetze, den
-wir beide unterschrieben. Ich reversierte neben obigem
-Punkte, nichts Nachteiliges wider die Guarnison und
-ihren Kommandanten praktizieren noch etwas zu Nachteil
-und Schaden zu unternehmen, sondern deren Nutzen
-und Frommen zu fördern und dieselbe defendieren zu
-helfen.</p>
-
-<p>Hierauf behielt er mich wieder bei dem Mittagsimbiß
-und tät mir mehr Ehre an, als ich von den
-Kaiserlichen mein Lebtag hätte hoffen dörfen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p195" id="Seite_p195">[S. 195]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_achte_Kapitel" id="Buch3_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich hatte in Soest einen Knecht, der war mir über
-alle Maßen getreu, weil ich ihm viel Gutes tät.
-Dahero sattelte er meine Pferde und ritt dem Trommelschlager,
-der mich abholen sollte, ein gut Stück Weges
-von Soest entgegen. Er begegnete ihm mit den Gefangenen
-und hatte mein bestes Kleid aufgepackt, dann
-er vermeinete, ich wäre ausgezogen worden. Da er mich
-aber nicht sahe, sondern vernahm, daß ich bei dem
-Gegenteil Dienste anzunehmen aufgehalten werde, gab
-er den Pferden die Sporen und sagte: »Adieu Tampour
-und Ihr, Korporal, wo mein Herr ist, da will ich auch
-sein.«</p>
-
-<p>Ging also durch und kam zu mir, eben als mich der
-Kommandant ledig gesprochen hatte und mir große
-Ehre antät. Der priese mich glücklich, wegen meines
-Knechtes Treue, verwunderte sich auch, daß ein so
-junger Kerl wie ich, so schöne Pferde vermögen und
-so wohl montiert sein sollte. Lobte auch das eine Pferd
-so trefflich, daß ich gleich merkte, er hätte mirs gerne
-abgekauft. Weil er es mir aber aus <span class="antiqua">Discretion</span> nicht
-feil machte, sagte ich, wann ich die Ehre begehren
-dörfte, daß ers von meinetwegen behalten wollte, so
-stünde es zu seinen Diensten. Er schlugs aber rund ab,
-dieweil ich einen ziemlichen Rausch hatte, und er die
-Nachrede scheute, daß er einem Trunkenen etwas abgeschwätzt,
-so dem vielleicht nüchtern reuen möchte, also
-daß er des edlen Pferdes gern gemangelt.</p>
-
-<p>Des Morgens frühe anatomierte ich meinen Sattel
-und ließ mein bestes Pferd vor des Obristen Quartier
-bringen. Ich sagte ihm, er wolle belieben gegenwärtigen<span class="pagenum"><a name="Seite_p196" id="Seite_p196">[S. 196]</a></span>
-Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen zu gönnen,
-indem mir mein Pferd allhier nichts nütz, und
-solches von mir als Zeichen dankbarer Erkanntnus vor
-empfangene Gnaden unschwer annehmen. Der Obrister
-bedankte sich mit großer Höflichkeit und sehr courtoisen
-Offerten, schickte mir auch denselbigen Nachmittag seinen
-Hofmeister mit einem gemästeten lebendigen Ochsen,
-zwei fetten Schweinen, einer Tonne Wein, vier Tonnen
-Bier, zwölf Fuder Brennholz, welches er mir vor mein
-neu Losament, das mir mein Knecht erkundet und ich
-auf ein Halbjahr bestellet hatte, bringen und sagen ließ,
-weil er sich leicht einbilden könnte, es sei im Anfang
-vor mich mit Viktualien schlecht bestellet, so schicke er
-mir zur Haussteuer eben einen Trunk, ein Stück Fleisch
-mitsamt dem Kochholz. Ich bedankte mich so höflich als
-ich konnte, verehrete dem Hofmeister zwo Dukaten und
-bat ihn, mich seinem Herrn bestens zu rekommendieren.</p>
-
-<p>Ich gedachte mir aber auch durch meinen Knecht bei
-dem gemeinen Mann ein gutes Lob zu machen, damit
-man mich vor keinen kahlen Bernheuter hielte. Ließ
-derowegen in Gegenwart meines Hauswirtes meinen
-Knecht vor mich kommen, zu demselben sagte ich:</p>
-
-<p>»Lieber Niklas, du hast mir mehr Treue erwiesen,
-als ein Herr seinem Knecht zumuten darf, nun aber,
-da ich selbst keinen Herren habe, daß ich etwas erobern
-könnte, dich zu belohnen, so gedenke ich keinen Knecht
-mehr zu halten. Ich gebe dir hiemit vor deinen Lohn
-das andere Pferd, samt Sattel-Zeug und Pistolen, mit
-Bitte, du wollest damit vorlieb nehmen und dir vor
-diesmal einen andern Herren suchen. Kann ich dir ins
-Künftige in etwas bedienet sein, so magst du jederzeit
-mich darum ersuchen.«</p>
-
-<p>Hierauf küßte er mir die Hände und konnte vor<span class="pagenum"><a name="Seite_p197" id="Seite_p197">[S. 197]</a></span>
-Weinen schier nicht reden, wollte auch durchaus das
-Pferd nicht haben bis ich ihm versprochen, ihn wieder
-in Dienst zu nehmen, sobald ich jemand brauche.</p>
-
-<p>Über diesem Abschied ward mein Hausvater so mitleidig,
-daß ihm auch die Augen übergingen. Und gleichwie
-mich mein Knecht bei der Soldateska, so erhub
-mich der Hausvater bei der Bürgerschaft mit großem
-Lob über alle schwangere Bauren. Der Kommandant
-aber hielt mich vor einen resoluten Kerl, daß er auch
-getraute Schlösser auf meine Parole zu bauen.</p>
-
-<p>Ich glaube es ist kein Mensch in der Welt, der nicht
-einen Hasen im Busen habe, dann wir sind ja alle
-einerlei Gemächts und ich kann bei meinen Birnen wohl
-merken, wann andere zeitig sein. »Hui, Geck,« möcht
-mir da einer antworten, »wann du ein Narr bist,
-meinest du darum andre seien es auch?« &mdash; »Nein, das
-sage ich nicht, dann es wäre zuviel geredt, aber dies
-halte ich davor, daß einer den Narren besser verbirgt
-als der ander.« Es ist einer darum kein Narr, wann
-schon er närrische Einfälle hat, dann wir haben in der
-Jugend gemeiniglich alle dergleichen. Welcher aber seinen
-Narren hinausläßt, wird vor einen gehalten, weil teils
-etliche ihn gar nicht andere aber nur halb sehen lassen.
-Welche den ihren gar unterdrücken sein rechte Saurtöpfe.
-Ich halte vor die besten und verständigsten Leute,
-die den Ihren nach Zeit und Gelegenheit bisweilen ein
-wenig mit den Ohren fürragen und Atem schöpfen
-lassen, damit er nicht gar bei ihnen ersticke. Den Meinen
-ließ ich mir zu weit heraus, da ich mich in einem so
-freien Stand sahe, maßen ich einen Jungen annahm,
-den ich als Edelpagen kleidete, und zwar in die Farben
-Veigelbraun und Gelb. Derselbe mußte mir aufwarten,
-als wann ich ein Freiherr wäre.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p198" id="Seite_p198">[S. 198]</a></span>
-
-Dies war die erste Torheit, die ich in der Stadt beging,
-sie ward aber von niemand getadelt. Die Welt ist
-der Narreteien so voll, daß sie keiner mehr achtet, noch
-selbige verlacht oder sich darüber verwundert; sie ist
-deren gewohnt.</p>
-
-<p>Ich dingte mich und meinen Jungen bei meinem
-Hausvater in die Kost und gab ihm an Bezahlung
-auf Abschlag, was mir der Kommandant verehret hatte.
-Zum Getränk aber mußte mein Jung den Schlüssel
-haben, weil ich denen, die mich besuchten, gern davon
-mitteilete. Sintemalen ich weder Bürger noch Soldat
-war, hielt ich mich zu beiden Teilen und bekam dahero
-Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließ.</p>
-
-<p>Der Stadtorganist, zu dem ich Kundschaft erhielt,
-lehrete mich, wie ich komponieren sollte, <span class="antiqua">item</span> auf dem
-Instrument besser schlagen, als auch auf der Harfe;
-ohn das war ich auf der Lauten ein Meister. Wann
-ich dann satt hatte am Musicieren, ließ ich meinen
-Kürschner kommen, der mich im Paradeis in allen
-Gewehren unterwiesen, mit dem exerzierte ich mich,
-um noch perfecter zu werden. So erlangete ich auch
-beim Kommandanten, daß er mich von einem Constablen
-die Büchsenmeisterkunst und etwas mit dem
-Feuerwerk umzugehen lernte. Im übrigen hielt ich mich
-sehr still, also daß sich die Leute verwunderten, weil
-ich auch viel über den Büchern saß wie ein Student,
-da ich doch Raubens und Blutvergießens gewohnt gewesen.</p>
-
-<p>Mein Hausvater war des Kommandanten Spürhund
-und mein Hüter, maßen ich merkte, daß er all mein Tun
-und Lassen demselben hinterbrachte. Doch ich gedachte des
-Kriegswesens kein einziges Mal, und wann man davon
-redete, tät ich, als ob ich niemals kein Soldat gewesen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p199" id="Seite_p199">[S. 199]</a></span>
-Zwar wünschte ich, daß meine sechs Monate bald herum
-wären, es konnte aber niemand abnehmen, welchem
-Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem Obristen
-aufwartete, behielt er mich bei seiner Tafel, da setzte es
-zuweilen solche Diskurse, dadurch mein Vorsatz ausgeholt
-werden sollte, ich antwortete aber jederzeit vorsichtig.</p>
-
-<p>»Wie stehet es, Jäger, wollet Ihr noch nicht schwedisch
-werden? Gestern ist ein Fähnrich gestorben.«</p>
-
-<p>»Herr Obrister, stehet doch einem Weib wohl an, wann
-sie nach ihres Mannes Tod nicht gleich wieder heuratet,
-warum sollte ich mich dann nicht sechs Monate gedulden?«</p>
-
-<p>Kriegte gleichwohl des Obristen Gunst je länger, je
-mehr, so daß er mich in und außerhalb der Festung
-herumspatzieren, ja, endlich den Hasen, Feldhühnern und
-Vögeln nachstellen ließ. Darum leget ich mir ein schlicht
-Jägerkleid bei, in demselben strich ich des Nachts in
-das Soestische und holet meine verborgenen Schätze hin
-und wieder zusammen, schleppte solche in die Festung
-und ließ mich an, als ob ich ewig bei den Schweden
-wohnen wollte.</p>
-
-<p>Da stieß einmal die Wahrsagerin von Soest zu mir,
-die mich erkannte. »Ich versichre dich, es war dein
-Glück,« sagte sie, »daß du gefangen worden. Einige Kerle,
-welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen bist beim
-Frauenzimmer vorgezogen worden, hätten dich auf der
-Jagd erwürgt.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Wie kann jemand mit mir eifern,
-da ich doch dem Frauenzimmer nichts nachfrage?«</p>
-
-<p>»Du wirst des Sinnes nicht bleiben, sonst wird dich
-das Frauenzimmer mit Spott und Schande zum Lande
-hinausjagen. Ich schwöre dir, daß sie dich nur gar zu<span class="pagenum"><a name="Seite_p200" id="Seite_p200">[S. 200]</a></span>
-lieb haben und daß dir solche übermachte Liebe zum
-Schaden gereichen wird, wann du dich nicht accommodierst.«</p>
-
-<p>Ich fragte sie, wann sie ja so viel wüßte, so sollte
-sie mir davon sagen, wie es mit meinen Eltern stünde
-und ob ich sie mein Lebtag wieder zu sehen bekommen
-würde, sie sollte aber fein deutsch mit der Sprache
-heraus.</p>
-
-<p>Darauf sagte sie, ich sollte alsdann nach den Eltern
-fragen, wann mir mein Pflegvater unversehens begegnen
-würde und führete meiner Säugeammen Tochter
-am Strick daher. &mdash; Lachte darauf überlaut und machte
-sich geschwind von mir.</p>
-
-<p>Ich hatte damals ein schön Stück Geld und viel köstliche
-Ringe und Kleinodien beieinander. Solches schriee
-mich immerzu an, es wollte gar gern wieder unter die
-Leute. Ich folgte auch, dann weil ich ziemlich hoffärtig
-war, prangte ich mit meinem Gut und ließ solches meinen
-Wirt sehen, der bei den Leuten mehr daraus machte,
-als es war.</p>
-
-<p>Mein Vorsatz, die Büchsenmeisterei und Fechtkunst
-in diesen sechs Monaten zu lernen, war gut und ich begriffs
-auch. Aber es war nicht genug, mich vor Müßiggang
-allerdings zu behüten, vornehmlich weil niemand
-war, der mir zu gebieten hatte. Ich saß zwar auch emsig
-über allerhand Büchern, aus denen ich viel Gutes
-lernete, es kamen mir aber auch teils unter die Hände,
-die mir wie dem Hund das Gras gesegnet wurden. Die
-unvergleichliche <span class="antiqua">Arcadia</span>, daraus ich die Wohlredenheit
-lernen wollte, war das erste Stück, das mich von
-den rechten Historien zu den Liebe-Büchern und von
-den wahrhaften Geschichten zu den Heldengedichten zog.
-Solcherlei Gattung brachte ich zuwege, wo ich konnte,<span class="pagenum"><a name="Seite_p201" id="Seite_p201">[S. 201]</a></span>
-und wann mir eins zuteil ward, hörete ich nicht auf,
-bis ichs durchgelesen und sollte Tag und Nacht darüber
-gesessen sein. Diese lerneten mich statt wohlreden mit
-der Leimstange laufen, doch war dieser Mangel damals
-vor mich keine Ursach zu klagen, dann wo meine Liebe
-hinfiel, erhielt ich ohn sonderbare Mühe, was ich begehrete,
-und ich brauchet nicht wie andere Buhler und
-Leimstängler voller phantastischer Gedanken, Begierden,
-heimlich Leiden, Zorn, Eifer, Rachgier, Weinen, Protzen
-und dergleichen tausendfältigen Torheiten stecken und
-mir vor Ungeduld den Tod zu wünschen.</p>
-
-<p>Ich hatte Geld und ließ mich dasselbe nicht dauren,
-überdas eine gute Stimme, übete mich stetig auf allerhand
-Instrumenten, wiese die Geradheit meines Leibes,
-wann ich mit meinem Kürschner focht. So hatte ich
-auch einen trefflich glatten Spiegel und gewöhnte mich
-zu einer freundlichen Lieblichkeit, also daß mir das
-Frauenzimmer von selbst nachlief.</p>
-
-<p>Um dieselbige Zeit fiel Martini ein, da fängt bei uns
-Deutschen das Fressen und Saufen an und währet teils
-bis in die Fastnacht. Da ward ich an unterschiedliche
-Örter, sowohl bei Offizierern als Bürgern, die Martinsgans
-verzehren zu helfen, eingeladen. Bei solchen Gelegenheiten
-kam ich mit den Frauenzimmern in Kundschaft.
-Meine Laute und Gesang, die zwangen eine jede
-mich anzuschauen, und wann sie mich also betrachteten,
-wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber
-machte, so anmutige Blicke und Gebärden hervorzubringen,
-daß sich manches hübsche Mägdlein darüber
-vernarrete und mir unversehens hold ward.</p>
-
-<p>Und damit ich nicht vor einen Hungerleider gehalten
-wurde, stellete ich auch zwo Gastereien, die eine zwar
-vor die Offizierer und die andere vor die vornehmsten<span class="pagenum"><a name="Seite_p202" id="Seite_p202">[S. 202]</a></span>
-Bürger, an, dadurch ich mir bei beiden Teilen Gunst
-und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen
-ließ. Es war mir aber alles nur um die lieben
-Jungfern zu tun. Und obgleich ich bei einer oder der
-andern nicht fand, was ich suchte, so ging ich gleichwohl
-allerweg zu ihnen als zu andern, daß alle glauben
-sollten, daß ich mich bei den andern auch nur Diskurs
-halber aufhielte. Ich hatte gerade sechs und sie hinwiederum
-mich, doch hatte keine mein Herz gar und
-mich allein.</p>
-
-<p>Mein Jung, der ein Erzschelm war, hatte genug zu
-tun mit Kupplen und Buhlenbrieflein hin und wider
-tragen und wußte reinen Mund zu halten. Davon bekam
-er von den Schleppsäcken einen Haufen <span class="antiqua">Favor</span>, so
-mich aber am meisten kostete. Was mit Trommeln gewonnen
-wird, gehet mit Pfeifen dahin.</p>
-
-<p>Ich hielt meine Sachen so geheim, daß mich kaum
-einer vor einen Buhler halten konnte, ausgenommen
-der Pfarrer, bei dem ich nicht mehr so viel geistliche
-Bücher entlehnte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p203" id="Seite_p203">[S. 203]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_neunte_Kapitel" id="Buch3_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich ging oft zum ältesten Pfarrer und brachte ich
-ihm ein Buch zurück, so diskutierete er von allerhand
-Sachen mit mir. Wir accomodierten uns so miteinander,
-daß einer den andern gern leiden mochte. Als
-nun nicht nur die Martinsgans hin und wider und alle
-Metzelsuppen sondern auch die heiligen Weihnachtsfeiertäge
-vorbei waren, verehrete ich ihm eine Flaschen voll
-Straßburger Branntewein zum Neuen Jahr, welchen
-er dem westfälischen Gebrauch nach mit Kandelzucker
-gern einläpperte. Darauf besuchete ich ihn und er machte
-mich zu ihm sitzen, lobte den Branntewein und kam
-nach einigem Hin und Wider auf obgemeldten Umstand,
-nämlich daß ich in geistlichen Dingen merklich
-nachlasse. Ich entschuldiget mich mit der edlen Musik
-und der Büchsenmeistereikunst. Er aber antwortete:
-»Ja, ja, das glaube ich gern. Aber Er versichere sich,
-daß ich mehr von Ihm weiß, als Er sich einbildet.«</p>
-
-<p>Ich erschrak, da ich diese Worte hörete, und dachte,
-hat dir's St. Velten gesagt. Und weil er sahe, daß ich
-meine Farbe änderte, fuhr er ferner fort: »Der Herr
-ist frisch und jung, Er ist müßig und schön, Er lebet
-ohn Sorge und wie ich vernehme, in allem Überfluß,
-darum bitte und vermahne ich Ihn im Herrn, daß Er
-bedenken wolle, in was vor einem gefährlichen Stand
-Er sich befindet. Er hüte sich vor dem Tier, das Zöpfe
-hat, will Er anders Sein Glück und Heil beobachten.
-Der Herr möchte zwar bedenken, was geht's dem Pfaffen
-an &mdash; (ich gedachte, du hast es erraten) &mdash; oder was
-hat er mir zu befehlen! Herr, seid versichert, daß mir
-Euere, als meines Guttäters, zeitliche Wohlfahrt aus<span class="pagenum"><a name="Seite_p204" id="Seite_p204">[S. 204]</a></span>
-christlicher Liebe hoch angelegen ist. Ihr habet Talente,
-leget doch Euere Jugend und Euere Mittel, die
-Ihr hier unnütz verschwendet, zu ernsten Studien an,
-damit Ihr heut oder morgen beides: Gott und den
-Menschen und Euch selbst bedient sein könnet. Lasset
-das Kriegswesen, eh Ihr eine Schlappe davontraget,
-dann: Junge Soldaten, alte Bettler.«</p>
-
-<p>Ich hörete die Sentenz mit großer Ungeduld, jedoch
-stellete ich mich viel anders, als mir ums Herz war,
-damit ich mein Lob, daß ich ein feiner Mensch wäre,
-nicht verliere, bedankte mich zumal auch sehr vor seine
-erwiesene Treuherzigkeit und versprach, mich auf sein
-Einraten zu bedenken. Allein ich war des Zaumes und
-der Sporen der Tugenden entwohnet und wollte nunmehr
-gekostete Liebe-Wollüste nicht mehr entbehren.</p>
-
-<p>Jedoch so gar ersoffen in den Leidenschaften und so
-dumm war ich nicht, daß ich nicht gedacht hätte, jedermanns
-Freundschaft zu behalten, solange ich in der
-Festung zu bleiben willens war. Ich erkannte auch wohl,
-was es einem vor Unrat bringen konnte, wann er der
-Geistlichen Haß hätte, als welche Leute einen großen
-Kredit haben. Derowegen nahm ich meinen Kopf zwischen
-die Ohren und trat gleich den andern Tag wieder
-auf frischem Fuß zu obgedachten Pfarrer und log ihm
-mit gelehrten Worten einen solchen Haufen daher, was
-gestalten ich mich resolvieret hätte, ihm zu folgen, daß
-er sich sichtbarlich darüber freuete. Mir hätte seithero
-auch schon in Soest ein solcher englischer Ratgeber gemangelt,
-wann nur der Winter bald vorüber, daß ich
-fortreisen könnte. Bat ihn darneben, er wollte mir
-doch ferner mit gutem Rat beförderlich sein, auf welche
-Universität ich mich begeben sollte. Er antwortete, was
-ihn anbelange, so hätte er in Leyden studieret, mir aber<span class="pagenum"><a name="Seite_p205" id="Seite_p205">[S. 205]</a></span>
-wollte er nach Genf geraten haben, weil ich ein Hochdeutscher
-wäre.</p>
-
-<p>»Jesus Maria,« rief ich, »Genf ist weiter von meiner
-Heimat als Leyden!«</p>
-
-<p>»Was vernehme ich,« sagte er hierauf mit großer Bestürzung,
-»ich höre wohl, der Herr ist ein Papist! O
-mein Gott, wie finde ich mich betrogen!«</p>
-
-<p>»Wieso, wieso, Herr Pfarrer? Weil ich nicht nach
-Genf will?«</p>
-
-<p>»O nein, weil Er Mariam anrufet!«</p>
-
-<p>»Sollte es einem Christen nicht gebühren, die Mutter
-seines Erlösers zu nennen?«</p>
-
-<p>»Das wohl, aber ich vermahne und bitte Ihn so
-hoch als ich kann, Er wolle Gott die Ehre geben und
-mir gestehen, welcher Religion Er beigetan sei, dann
-ich zweifle sehr, daß Er dem Evangelio glaube.«</p>
-
-<p>»Der Herr Pfarrer höret ja wohl, daß ich ein Christ
-bin. Im übrigen gestehe ich, daß ich weder petrisch noch
-paulisch, sondern allein <span class="antiqua">simpliciter</span> glaube, was die zwölf
-Artikul des allgemeinen, heiligen, christlichen Glaubens
-in sich halten. Ich werde mich auch zu keinem Teil vollkommen
-verpflichten, bis mich einer durch genugsame Erweisung
-persuadieret zu glauben, daß er vor den andern
-die rechte, wahre und allein seligmachende Religion habe.«</p>
-
-<p>»Jetzt glaube ich erst recht, daß Er ein kühnes Soldatenherz
-habe, sein Leben dran zu wagen, weil Er
-gleichsam ohn Religion und Gottesdienst auf den alten
-Kaiser hinein dahinleben und frevelhaftig seine Seligkeit
-in die Schanze schlagen darf. Mein Gott, wie kann
-ein sterblicher Mensch immermehr so keck sein!«</p>
-
-<p>»Herr Pfarrer, es sagen alle von ihrer Religion, daß
-sie die rechte sei und deren Fundamente sowohl in Natur
-als in der heiligen Schrift sonnenklar am Tage liegen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p206" id="Seite_p206">[S. 206]</a></span>
-Welchem soll ich aber glauben? Vermeinet der Herr,
-es sei so ein Gerings, wann ich einem Teil, den die
-andern alle lästern und einer falschen Lehre bezüchtigen,
-meiner Seelen Seligkeit anvertraue? Er sehe doch mit
-unparteiischen Augen, was Konrad Vetter und Johannes
-Nas wider Lutherum, und hingegen Luther und die
-Seinigen wider den Papst, sonderlich aber Spangenberg
-wider <span class="antiqua">Franciscum</span>, der etliche hundert Jahr vor
-einen heiligen und gottseligen Mann gegolten, in offenem
-Druck ausgehen lassen. Zu welchem Teil soll ich mich
-dann tun, wann je eins das ander ausschreiet, als sei
-kein gut Haar an ihm? Sollte mir wohl jemand raten,
-hineinzuplumpen wie eine Fliege in den heißen Brei?
-O nein, das wird der Herr Pfarrer verhoffentlicht mit
-gutem Gewissen nicht tun können! Ich will lieber gar
-von der Straßen bleiben, als nur irr laufen. Zudem
-sein noch mehr Religionen, dann die in Europa, als
-die Armenier, Abessinier, Griechen, Gregorianer und
-dergleichen. Was ich vor eine davon annehme, so muß
-ich mit meinen Religionsgenossen den andern allen
-widersprechen.«</p>
-
-<p>Darauf sagte er: »Der Herr steckt in großem Irrtum,
-aber ich hoffe zu Gott, er werde Ihm aus dem Schlamm
-helfen, zu welchem Ende ich Ihm dann unsere Confession
-ins Künftige dergestalt aus der heiligen Schrift
-bewähren will, daß sie auch wider die Pforten der
-Hölle bestehen sollte.«</p>
-
-<p>Ich antwortete, dessen würde ich mit großem Verlangen
-gewärtig sein, gedachte aber bei mir selber,
-wann du mir nur nichts mehr von meinen Liebgen
-vorhältst, so bin ich mit deinem Glauben wohl zufrieden,
-und bis du mit deinen Beweistümern fertig bist, so
-bin ich vielleicht, wo der Pfeffer wächst.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p207" id="Seite_p207">[S. 207]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_zehent_Kapitel" id="Buch3_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Gegen meinem Quartier über wohnete ein reformierter
-Obrist-Leutenant, der hatte eine überaus
-schöne Tochter, die sich ganz adelig trug. Ich hätte
-längst gern Kundschaft mit ihr gemachet, unangesehen,
-daß ich sie anfänglich allein zu lieben und auf ewig zu
-haben begehrete. Ich schenkte ihr manchen Gang und
-noch viel mehr liebreicher Blicke. Sie ward mir aber
-so fleißig verhütet, daß ich kein einzig Mal mit ihr
-reden konnte. So unverschämt dorfte ich auch nicht
-hineinplatzen, weil ich mit ihren Eltern keine Kundschaft
-hatte und mir der Ort vor einen Kerl von so
-geringem Herkommen, als mir das meinige bewußt
-war, viel zu hoch vorkam. Am allernächsten gelangte
-ich zu ihr, wann wir etwan in oder aus der Kirche
-gingen. Da nahm ich dann die Zeit so fleißig in Acht,
-mich ihr zu nähern, daß ich oft ein paar Seufzer anbrachte,
-was ich meisterlich konnte, obzwar sie alle aus
-falschem Herzen gingen. Hingegen nahm sie solche so
-kaltsinnig an, daß ich mir einbilden mußte, sie werde
-sich nicht so leicht wie eine Bürgerstochter verführen
-lassen. Indem wurden meine Begierden nach ihr nur
-desto heftiger.</p>
-
-<p>Der Stern, den die Schüler zu Hl. Dreikönig umtragen,
-ist es gewesen, der mir in ihre Wohnung geleuchtet,
-da ihr Vater selbst nach mir schickte.</p>
-
-<p>»Monsieur,« sagte er zu mir, »seine Neutralität zwischen
-Bürgern und Soldaten ist eine Ursache, daß ich
-Ihn habe zu mir bitten lassen. Ich will zwischen beiden
-Teilen eine Sache ins Werk richten, die eines unparteiischen
-Zeugen bedarf.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p208" id="Seite_p208">[S. 208]</a></span>
-
-Ich vermeinete, er hätte was Wundergroßes im Sinn,
-weil Schreibzeug und Papier auf dem Tisch lag, bot
-ihm derowegen mit sondern Komplimenten meine bereitwilligsten
-Dienste an, daß ich mirs nämlich vor eine
-große Ehre halten würde, wann ich so glücklich sei,
-ihm beliebige Dienste zu leisten. Es war aber nichts
-andres als ein Dreikönigsfest zu machen. Dabei sollte
-ich zusehen, daß es recht zuginge, wie die Ämter ohn
-Ansehung der Personen durch das Los ausgeteilet
-würden. Zu diesem Geschäft, bei welchem des Obristen
-<span class="antiqua">Secretarius</span> auch war, ließ der Obrist-Leutenant Wein
-und Konfekt bringen, weil er ein trefflicher Zechbruder
-und es ohn das nach dem Nachtessen war. Der <span class="antiqua">Secretarius</span>
-schrieb, ich las die Namen und die Jungfer zog
-die Zettel, ihre Eltern aber sahen zu. Sie beklagten sich
-über die langen Winternächte und gaben mir zu verstehen,
-daß ich, solche desto leichter zu passieren, wohl
-zu ihnen zu Licht kommen dörfte.</p>
-
-<p>So fing ich wieder auf ein Neues an mit der Leimstangen
-zu laufen und am Narrenseil zu ziehen, also,
-daß sich beide: die Jungfrau und ihre Eltern einbilden
-mußten, ich hätte den Angel geschluckt, wiewohl mirs
-nicht halber Ernst war. Ich stellete Buhlenbrieflein an
-meine Liebste, eben als ob ich hundert Meilwegs von
-ihr gewohnet hätte oder in viel Jahren erst zu ihr
-könne. Zuletzt machte ich mich gar zutätig, weil mir
-meine Löffelei nicht sonderlich von den Eltern gewehret,
-sondern zugemutet ward, ich sollte ihre Tochter auf der
-Laute lernen schlagen. Da hatte ich nun meinen freien
-Zutritt bei Tag sowohl als wie hiebevor des Abends,
-also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen:</p>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">Ich und meine Fledermaus<br /></span>
-<span class="i0">Fliegen nur bei Nachtzeit aus<br /></span>
-</div></div>
-
-<p class="noindent"><span class="pagenum"><a name="Seite_p209" id="Seite_p209">[S. 209]</a></span>
-änderte und ein frommes Liedlein machte, darin ich
-mein Glück lobte, weil es mir auf so manchen guten
-Abend auch so freudereiche Tage verliehe, in denen ich
-in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen weiden
-und mein Herz um etwas erquicken könnte, hingegen
-beklagte ich meine Nächte. Ich sang es meiner Liebsten
-mit andächtigem Seufzen und einer lustreizenden Melodei,
-dabei die Laute das Ihre trefflich tät und gleichsam
-die Jungfer mit mir bat, sie wollte doch cooperieren,
-daß mir die Nächte so glücklich als die Täge
-bekommen möchten. Aber ich bekam ziemlich abschlägige
-Antwort, dann sie war trefflich klug und konnte mich
-auf meine Erfindungen gar höflich beschlagen. Ich
-nahm mich gleichwohl in Acht, von der Verehelichung
-zu schweigen, und wenn schon discursweis davon geredet
-ward, stellete ich alle meine Worte auf Schrauben.
-Welches meiner Jungfrau verheiratete Schwester bald
-merkte und dahero mir und meinem Mägdlein alle
-Pässe verlegte, dann sie sahe wohl, daß mich ihre
-Schwester von Herzen liebete und daß die Sache in die
-Länge kein Guttun würde.</p>
-
-<p>Es ist unnötig alle Torheiten meiner Löffelei umständlich
-zu erzählen. Genug, zuletzt kam es dahin, daß
-ich erstlich mein liebes Dingelgen zu küssen und endlich
-auch andre Narrenpossen zu tun mich erkühnen dorfte.
-Und solchen erwünschten Fortgang verfolgte ich mit
-allerhand Reizungen, bis ich bei Nacht von meiner
-Liebsten eingelassen ward und mich so hübsch zu ihr
-ins Bette fügte, als wann ich zu ihr gehöret hätte.</p>
-
-<p>Weil jedermann weiß, wie es bei derlei Kirchweih
-pfleget gemeiniglich herzugehen, so dörfte sich wohl der
-Leser einbilden, ich hätte etwas Ungebührliches begangen.
-Jawohl nein! Dann alle meine Gedanken waren umsonst.<span class="pagenum"><a name="Seite_p210" id="Seite_p210">[S. 210]</a></span>
-Ich fand einen solchen Widerstand, dergleichen
-ich nimmermehr bei keinem Weibsbild anzutreffen gewähnet
-hätte, weil ihr Absehen einzig und allein auf
-Ehre und Ehestand gerichtet war. Wenngleich ich ihr
-solchen mit den allergrausamsten Flüchen versprach,
-so wollte sie doch vor der Copulation kurzum nichts
-geschehen lassen. Doch gönnete sie mir auf ihrem Bette
-neben ihr liegen zu bleiben, auf welchem ich auch ganz
-ermüdet vor Unmut sanft einschlummerte.</p>
-
-<p>Ich ward aber gar ungestüm aufgeweckt. Dann morgens
-um vier Uhr stund der Obrist-Leutenant vorm
-Bette mit einer Pistole in der einen und einer Fackel
-in der andern Hand.</p>
-
-<p>»Krabat,« schrie er überlaut seinem Diener zu, der
-auch mit einem bloßen Säbel bei ihm stund, »geschwind,
-Krabat, hole den Pfaffen!«</p>
-
-<p>Wovon ich dann erwachte.</p>
-
-<p>O weh, gedachte ich, du sollst gewiß zuvor beichten,
-eh er dir den Rest gibet! Es ward mir ganz grün und
-gelb vor den Augen und ich wußte nicht, ob ich sie
-recht auftun sollte oder nicht.</p>
-
-<p>»Du leichtfertiger Geselle,« schrie er mich an, »soll
-ich dich finden, daß du mein Haus schändest! Tät ich
-dir unrecht, wenn ich dir und dieser Vettel den Hals
-bräche? Ach, du Bestia, wie kann ich mich doch nur
-enthalten, daß ich dir nicht das Herz aus dem Leib
-herausreiße und den Hunden vorwerfe!«</p>
-
-<p>Dabei biß er die Zähne zusammen und verkehrte die
-Augen als wie ein unsinnig Tier.</p>
-
-<p>Ich wußte nicht, was ich sollte, und meine liebe
-Beischläferin konnte nichts als weinen. Endlich, da ich
-mich ein wenig erholete, wollte ich etwas von unserer
-Unschuld vorbringen, er aber hieß mich das Maul<span class="pagenum"><a name="Seite_p211" id="Seite_p211">[S. 211]</a></span>
-halten. Indessen war seine Frau auch darzu gekommen,
-die fing eine nagelneue Predigt an, also daß ich wünschte,
-ich läge irgends in einer Dornhecke. Sie hätte auch in
-zweien Stunden nicht aufgehört, wann der Krabat mit
-dem Pfarrer nicht gekommen wäre.</p>
-
-<p>Wohl hatte ich, eh dieser ankam, etlichmal aufzustehen
-unterstanden, aber der Obrist-Leutenant machte
-mich unter bedrohlichen Mienen liegen bleiben, also
-daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein
-Kerl hat, der auf einer bösen Tat ertappt wird, und
-wie einem Dieb ums Herz wird, den man erwischt,
-wann er eingebrochen, obgleich er noch nichts gestohlen
-hat. Ich gedenke der lieben Zeit, wann mir der Obrist-Leutenant
-samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen
-wäre, daß ich sie alle drei zu jagen unterstanden. Aber
-jetzt lag ich da wie ein Bernheuter und hatte nicht das
-Herz nur das Maul, geschweige die Fäuste recht auf
-zu tun.</p>
-
-<p>»Sehet, Herr Pfarrer das schöne Spektakul, zu
-welchen ich Euch zum Zeugen meiner Schande berufen
-muß.«</p>
-
-<p>Und kaum hatte er diese Worte vorgebracht, so fing
-er wieder an zu wüten und das Tausendste ins Hundertste
-zu werfen, daß ich nichts anderes als vom Halsbrechen
-und Hände in meinem Blut waschen verstehen
-konnte. Er schaumete ums Maul wie ein Eber und
-stellete sich also, daß ich alle Augenblicke gedachte, jetzt
-jagt er dir eine Kugel durch den Kopf.</p>
-
-<p>Der Pfarrer aber wehrete mit Händen und Füßen,
-daß kein Totschlag geschehe, so ihn hernach reuen
-möchte.</p>
-
-<p>»Was? Herr Obrist-Leutenant, brauchet Euere hohe
-Vernunft und bedenkt das Sprüchwort, daß man zu<span class="pagenum"><a name="Seite_p212" id="Seite_p212">[S. 212]</a></span>
-geschehenen Dingen das beste reden soll. Dies schöne
-junge Paar, das seinesgleichen schwerlich im Lande hat,
-ist nicht das erste und nicht das letzte, so sich von den
-unüberwindlichen Kräften der Liebe hat meistern lassen.
-Dieser Fehler, da es anders ein Fehler zu nennen, den
-sie beide begangen, kann auch durch sie wieder leichtlich
-gebessert werden. Zwar lobe ichs nicht, sich auf diese
-Art zu verehelichen, aber gleichwohl hat dieses junge
-Paar hiedurch weder Galgen noch Rad verdient. Es
-ist auch keine Schande zu erwarten, wann der Herr
-Obrist-Leutenant seinen Consens zu beider Verehelichung
-geben und diese Ehe durch den gewöhnlichen Kirchgang
-öffentlich bestätigen lassen wird.«</p>
-
-<p>»Was! Ich wollte sie ehe morgenden Tags beide zusammen
-binden und in der Lippe ertränken lassen! In
-diesem Augenblick müssen sie copuliert sein! Deswegen
-habe ich Euch holen lassen!«</p>
-
-<p>Ich dachte, was willtu tun &mdash; es heißt: Vogel friß
-oder stirb. Zudem ist sie eine solche Jungfrau, deren
-du dich nicht schämen darfst. Doch schwur ich und bezeugte
-hoch und teuer, daß wir nichts Unehrliches miteinander
-zu schaffen gehabt hätten.</p>
-
-<p>Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer im Bette
-sitzend zusammengegeben und, nachdem dies geschehen,
-aufzustehen und miteinander aus dem Haus zu gehen
-gemüßiget.</p>
-
-<p>Unter der Tür sagte der Obrist-Leutenant zu mir
-und seiner Tochter, wir sollten uns in Ewigkeit vor
-seinen Augen nicht mehr sehen lassen. Ich aber, da ich
-den Degen an meiner Seite hatte, antwortete gleichsam
-im Scherz: »Ich weiß nicht, Herr Schwehrvater, warum
-Er alles so Widersinns anstellet! Wann andre neue Eheleute
-copuliert werden, so führen sie die nächsten Verwandten<span class="pagenum"><a name="Seite_p213" id="Seite_p213">[S. 213]</a></span>
-schlafen. Er aber jaget mich nach der Copulation
-nicht allein aus dem Bette, sondern auch aus
-dem Haus. Und anstatt des Glücks, das Er mir in
-Ehestand wünschen sollte, will Er mich nicht so glückselig
-wissen, meines Schwehers Angesicht zu sehen und
-Ihm zu dienen. Wahrlich, wann dieser Brauch aufkommen
-sollte, so würden die Verehelichungen wenig
-Freundschaft mehr in der Welt stiften!« &mdash;</p>
-
-<p>Die Leute in meinem Losament verwunderten sich
-alle, da ich diese Jungfrau mit mir heimbrachte, und
-noch viel mehr da sie sahen, daß ich so ungescheut mit
-ihr schlafen ging. Dann obzwar mir dieser Posse, so
-mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so
-war ich doch so närrisch nicht, meine Braut zu verschmähen.
-So hatte ich zwar die Liebste im Arm, hingegen
-aber tausenderlei Gedanken, wie ich meine Sache
-heben und legen wollte. Zuweilen vermeinete ich, es
-wäre mir der allergrößte Schimpf widerfahren, welchen
-ich ohn billige Rache mit Ehren nicht verschmerzen
-könnte, wann ich aber besann, daß solche Rache wider
-meinen Schwehrvater und also auch wider meine unschuldige,
-fromme Liebste laufen müßte, fielen alle
-meine Anschläge dahin. Ich schämete mich so sehr.</p>
-
-<p>Endlich war mein Schluß, vor allen Dingen meines
-Schwehrvaters Freundschaft wieder zu gewinnen und
-mich im übrigen gegen jedermann an zu lassen, als ob
-mir nichts Übles widerfahren sei.</p>
-
-<p>In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen und
-schickte am allerersten nach meinem Schwager, hielt ihm
-kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt worden, und ersuchte
-ihn, er wolle seine Liebste kommen lassen, um
-etwas ausrichten zu helfen, damit ich den Leuten auch
-bei meiner Hochzeit zu essen geben könnte, er aber wolle<span class="pagenum"><a name="Seite_p214" id="Seite_p214">[S. 214]</a></span>
-belieben unsere Schwehr und Schwieger meinetwegen
-zu begütigen.</p>
-
-<p>Ich verfügte mich zum Kommandanten, dem erzählte
-ich mit einer kurzweiligen und artlichen Manier, was
-ich und mein Schwehrvater vor eine neue Mode angefangen
-hätten, Hochzeit zu machen, welche Gattung so
-geschwind zugehe, daß ich in einer Stunde die Heiratsabrede,
-den Kirchgang und die Hochzeit auf einmal
-vollzogen. Weil nun mein Schwehrvater die Morgensuppe
-gesparet hätte, wäre ich bedacht, anstatt deren,
-ehrlichen Leuten von der Specksuppen mit zu teilen,
-zu der ich untertänig einlade. Der Kommandant wollte
-sich meines lustigen Vortrags schier zu Stücken lachen.
-Er fragte mich, wie es mit der Heurats-Notul beschaffen
-wäre, und wie viel mir mein Schwehrvater
-Füchse, deren der alte Schabhals viel hätte, zum Heiratgut
-gebe. Ich antwortete, daß unsere Heiratsabrede nur
-in einem Punkt bestünde, der laute, daß ich und seine
-Tochter sich in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr
-sollten sehen lassen, dieweil aber weder Zeugen noch
-Notarien dabeigewesen, hoffte ich, es solle wieder revociert
-werden.</p>
-
-<p>Mit solchen Schwänken, deren man an mir diesorts
-nicht gewohnt war, erhielt ich, daß der Kommandant
-samt meinem Schwehrvater, welchen er hiezu wohl
-persuadieren wollte, bei meiner Specksuppe zu erscheinen
-versprach. Er schickte auch gleich ein Faß Wein und
-einen Hirsch in meine Küchen. Ich aber ließ dergestalt
-zurichten, als ob ich Fürsten hätte tractieren wollen,
-brachte auch eine ansehnliche Gesellschaft zuwege, die
-sich nicht allein miteinander recht lustig machten, sondern
-auch vor allen Dingen meinen Schwehrvater und
-die Schwieger mit mir und meinem Weibe versöhneten,<span class="pagenum"><a name="Seite_p215" id="Seite_p215">[S. 215]</a></span>
-daß sie uns mehr Glückes wünschten, als sie uns die
-vorige Nacht fluchten. In der ganzen Stadt aber ward
-ausgesprengt, daß unsere Copulation mit Fleiß auf so
-fremde Art wäre angestellt worden, damit uns beiden
-kein Posse von bößen Leuten widerfahre. Mir war
-diese Hochzeit trefflich gesund, dann wann ich gemeinem
-Brauch nach über der Kanzel hätte abgeworfen werden
-sollen, so hätten sich besorglich Schleppsäcke gefunden,
-die mir ein verhinderliches Gewirr drein zu
-machen unterstanden.</p>
-
-<p>Den andern Tag traktierte mein Schwehrvater meine
-Hochzeitsgäste, aber bei weitem nicht so wohl als ich.
-Da ward erst mit mir geredet, was ich vor eine Hantierung
-treiben und wie ich die Haushaltung anstellen
-wollte, und ich merkte, daß ich meine edle Freiheit verloren
-hatte.</p>
-
-<p>Ich ließ mich dabei gar gehorsamlich an und begehrte
-zuvor meines lieben Schwehrvaters, als eines
-verständigen Kavaliers, Rat. Das lobte der Kommandant
-und sagte: »Dieweil Er ein junger, frischer Soldat
-ist, so wäre es eine große Torheit mitten in jetzigen
-Kriegsläuften ein anderes, als das Soldatenhandwerk
-zu treiben. Was mich anbelanget, so will ich Ihm ein
-Fähnlein geben, wann Er will.«</p>
-
-<p>Mein Schweher und ich bedankten uns und ich schlugs
-nicht mehr aus. Wiese aber doch dem Kommandanten
-des Kaufmanns Handschrift, der meinen Schatz zu Köln
-in Verwahrung hatte. »Dieses«, sagte ich, »muß ich
-zuvor holen, ehe ich schwedische Dienste nehme, dann
-sollte man gewahr werden, daß ich dem Gegenteil diene,
-so werden sie mir zu Köln die Feige weisen und das
-Meinige behalten.«</p>
-
-<p>Sie gaben mir beide recht, ward also zwischen uns<span class="pagenum"><a name="Seite_p216" id="Seite_p216">[S. 216]</a></span>
-dreien abgeredet, zugesaget und beschlossen, daß ich in
-wenig Tagen mich nach Köln begeben und nachgehends
-ein Fähnlein annehmen sollte.</p>
-
-<p>Der Kommandant versahe sich auf den künftigen
-Frühling einer Belägerung und bewarb sich dahero um
-gute Soldaten, sintemal der Graf von Götz damalen
-mit vielen kaiserlichen Soldaten in Westfalen lag.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p217" id="Seite_p217">[S. 217]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch3_Das_elfte_Kapitel" id="Buch3_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Es schicket sich ein Ding auf mancherlei Weise. Des
-einen Unstern kommt staffelweis und allgemach und
-einen andern überfällt der seinige mit Haufen. Mein
-Unstern aber hatte einen so süßen und angenehmen
-Anfang, daß ich mirs wohl vor das höchste Glück
-rechnete.</p>
-
-<p>Kaum über acht Tage hatte ich mit meinem lieben
-Weib im Ehstand zugebracht, da ich in meinem Jägerkleid,
-mit einem Feuerrohr auf der Achsel, von ihr und
-ihren Freunden Abschied nahm. Ich schlich mich glücklich
-durch, weil mir alle Wege bekannt waren, also daß
-mir keine Gefahr unterwegs aufstieß, ja ich ward von
-keinem Menschen gesehen, bis ich nachher bei Dütz, so
-gegen Köln über, diesseits des Rheins lieget, vor den
-Schlagbaum kam.</p>
-
-<p>In Köln kehrete ich bei meinem Jupiter ein, so
-damals ganz klug war. Er sagte mir aber gleich, daß
-ich besorglich leer Stroh dreschen würde, weil der Kaufmann,
-dem ich das Meinige aufzuheben gegeben, Bankerott
-gespielet und ausgerissen wäre. Zwar seien meine
-Sachen obrigkeitlich verpetschiert und der Kaufmann
-citiert worden, aber man zweifle sehr an seiner Wiederkunft.
-Bis nun die Sache erörtert würde, könne viel
-Wasser den Rhein hinunterlaufen.</p>
-
-<p>Wie angenehm mir diese Botschaft kam, kann jeder
-leicht ermessen. Ich fluchte ärger als ein Fuhrmann,
-aber was halfs! Auch hatte ich über zehn Taler Zehrgeld
-nicht zu mir genommen, daß ich also auch nicht
-so lang aushalten konnte, als die Zeit erforderte. So
-mußte ich auch besorgen, daß ich verkundschaft' würde,<span class="pagenum"><a name="Seite_p218" id="Seite_p218">[S. 218]</a></span>
-weil ich einer feindlichen Guarnison zugetan wäre.
-Unverrichteter Sache wollte ich aber nicht wieder zurück
-und das Meinige mutwillig dahinten lassen. So ward
-ich mit mir selber ein: Ich wollte mich in Köln aufhalten,
-bis die Sache erörtert würde, und die Ursache
-meines Ausbleibens meiner Liebsten berichten. Verfügte
-mich demnach zu einem <span class="antiqua">Procurator</span>, der ein <span class="antiqua">Notarius</span>
-war, und erzählete ihm mein Tun, bat ihn, mir um
-die Gebühr mit Rat und Tat beizuspringen. Ich wollte
-ihm neben dem Tax, wann er meine Sache beschleunigte,
-mit einer guten Verehrung begegnen. Er nahm mich
-gutwillig an, dann er an mir zu fischen hoffte, und
-dingte mich auch in die Kost. Darauf ging er des andern
-Tags mit mir zu denjenigen Herrn, welche die Bankerott-Sachen
-zu erörtern haben, gab die vidimierte Copie
-von des Kaufmanns Handschrift ein und legte das
-Original vor, worauf wir die Antwort bekamen, daß
-wir uns bis zur gänzlichen Erörterung gedulden müßten,
-weil nicht alle Sachen, davon die Handschrift sage, vorhanden
-wären.</p>
-
-<p>Also versahe ich mich des Müßiggangs wieder auf
-eine Zeitlang. Mein Kostherr war, wie gehört, ein
-<span class="antiqua">Notarius</span> und <span class="antiqua">Procurator</span>, darneben hatte er ein halb
-Dutzend Kostgänger und hielt stets acht Pferde auf der
-Streu, welche er den Reisenden um Geld hinzuleihen
-pflegte, darbei hatte er einen deutschen und einen
-wällischen Knecht, die sich beides: zu Führen und zu
-Reiten gebrauchen ließen. Und weil keine Juden nach
-Köln kommen dörfen, konnte er mir allerlei Sachen
-desto besser wuchern.</p>
-
-<p>Mein <span class="antiqua">Notarius</span> zehrete von seinen Kostgängern, doch
-seine Kostgänger nicht von ihm, er hätte sich und sein
-Hausgesind reichlich ernähren können, wanns der Schindhund<span class="pagenum"><a name="Seite_p219" id="Seite_p219">[S. 219]</a></span>
-nur darzu hätte angewendet. Aber er mästete uns
-auf schwedisch und hielt gewaltig zurück. Ich aß anfangs
-nicht mit seinen Kostgängern, sondern mit seinen Kindern
-und Gesind, weil ich nicht viel Geld bei mir hatte.
-Da satzte es schmale Bißlein, so meinen Magen, der
-nunmehr zu den westfälischen Tractamenten gewöhnet
-war, ganz spanisch vorkamen. Kein gut Stück Fleisch
-kriegten wir auf den Tisch, sondern nur dasjenige, so
-acht Tage zuvor von der Studenten Tafel getragen, von
-denselben überall wohl benagt und nunmehr vor Alter
-so grau als Methusalem geworden war. Darüber machte
-dann die Kostfrau eine schwarze, sauere Brühe und
-überteufelts mit Pfeffer. Da wurden dann die Beiner
-so sauber geschleckt, daß man alsbald Schachsteine daraus
-hätte drehen können. Und doch waren sie dann
-noch nicht recht ausgenutzt, sondern sie kamen in einen
-hiezu verordneten Behalter, und wann unser Geizhals
-deren eine Quantität beisammen hatte, mußten sie erst
-kleingehackt und das übrige Fett bis auf das alleräußerste
-herausgesotten werden. Nicht weiß ich, wurden
-die Suppen daraus geschmälzt oder die Schuhe
-damit geschmieret. An den Fasttägen, deren mehr als
-genug einfielen und alle <span class="antiqua">solenniter</span> gehalten wurden,
-weil der Hausvater diesfalls gar gewissenhaft war,
-mußten wir uns mit stinkenden Bücklingen, versalzenen
-Polchen, faulen Stock- und andern abgestandenen Fischen
-herumbeißen, dann er kaufte alles der Wohlfeile nach und
-ließ sich die Mühe nicht dauren, zu solchem Ende selbst
-auf den Fischmarkt zu gehen und anzupacken, was die
-Fischer auszuschmeißen im Sinne hatten. Unser Brot
-war gemeiniglich schwarz und alt, der Trank aber ein
-dünn, saur Bier, das mir die Därme hätte zerschneiden
-mögen, und mußt doch gut abgelegen Märzbier heißen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p220" id="Seite_p220">[S. 220]</a></span>
-
-Von dem deutschen Knecht vernahm ich, daß es
-Sommerszeit noch schlimmer hergehe, dann da sei das
-Brot schimmlich, das Fleisch voller Würmer und ihre
-beste Speise wäre irgends zu Mittags ein paar Rettiche
-und auf den Abend eine Handvoll Salat. Ich fragte,
-warum er dann bei dem Filz bleibe, da antwortete er
-mir, daß er die meiste Zeit auf der Reise sei, und derhalben
-mehr auf der Reisenden Trinkgelder als auf
-seinen Schimmel-Juden bedacht sein müßte. Er getraue
-seinem Weib und Kindern nicht im Keller, wie er sich
-selbsten den Tropfen Wein nicht gönne.</p>
-
-<p>Einsmals brachte er sechs Pfund Sülzen oder Rinderkutteln
-heim, das setzte er in seinen Speiskeller. Weil
-zu seiner Kinder großem Glück das Tagfenster offen
-stund, banden sie eine Eßgabel an einen Stecken und
-angelten damit die Kuttelflecke heraus, welche sie also
-bald in großer Eile verschlangen, dann sie waren gekocht.
-Darnach gaben sie vor, die Katze hätte es getan,
-aber der Erbsenzähler wollte es nicht glauben, fing
-derhalben die Katze, wog sie und befand, daß sie mit
-Haut und Haar nicht so schwer war, als seine Kutteln
-gewesen.</p>
-
-<p>Weil er dann so gar unverschämt handelte, begehrte
-ich an gemeldter Studenten Tafel zu essen, es koste
-was es wolle. Dort ging es zwar etwas herrlicher her,
-ward mir aber wenig damit geholfen, dann alle Speisen
-waren nur halb gar, was meinem Kostherrn zwiefach
-zu baß kam, erstlich am Holz, so er gesparet, und daß
-wir viel zurück ließen. Über das so dünkte mich, er
-zählete uns alle Mundvoll in Hals hinein und kratzte
-sich hintern Ohren, wann wir einmal recht futterten.
-Sein Wein war gewässert, der Käs, den man am Ende
-jeder Mahlzeit aufstellete, steinhart, die holländische<span class="pagenum"><a name="Seite_p221" id="Seite_p221">[S. 221]</a></span>
-Butter aber dermaßen versalzen, daß keiner über ein
-Lot davon auf einen Imbiß genießen konnte. Das Obst
-mußte man wohl so lang auf- und abtragen, bis es
-mürbe und zum essen tauglich war. Wann dann etwan
-ein oder der andere darauf stichelte, so fing er einen
-erbärmlichen Hader mit seinem Weibe an, daß wirs
-höreten, heimlich aber befahl er ihr, sie solle nur bei
-der alten Geigen bleiben.</p>
-
-<p>Einsmals brachte ihm einer seiner Klienten einen
-Hasen zur Verehrung, den sahe ich in der Speiskammer
-hangen und gedachte, wir würden einmal Wildpret essen.
-Aber der deutsche Knecht sagte, daß der Has uns nicht
-an den Zähnen brennen würde, ich sollte Nachmittags
-auf den Alten Markt gehen und sehen, ob er nicht
-dort zum Verkauf hinge. Darauf schnitt ich dem Hasen
-ein Stücklein vom Ohr. Als wir über dem Mittagsimbiß
-saßen, und unser Kostherr nicht bei uns war,
-erzählete ich, daß unser Geizhals einen Hasen zu verkaufen
-hätte, um den ich ihn zu betrügen gedächte,
-wann mir einer von ihnen folgen wollte. Jeder sagte
-ja, dann sie hätten unserm Wirt gern vorlängst einen
-Schabernack angetan.</p>
-
-<p>Also verfügten wir uns den Nachmittag auf den
-Alten Markt, da unser Kostherr stund, um aufzupassen,
-was der Verkäufer lösete. Wir sahen ihn bei vornehmen
-Leuten, mit denen er discurierte.</p>
-
-<p>Ich hatte nun einen Kerl angestellt, der ging zu dem
-Höcker, wo der Hase hing:</p>
-
-<p>»Landsmann, der Has ist mein. Ich nehme ihn als
-mein gestohlen Gut auf Recht hinweg. Er ist mir
-heut Nacht von meinem Fenster hinweggefischet worden.
-Läßt du ihn nicht gutwillig folgen, so gehe ich auf deine
-Gefahr und Unrechts Kosten mit dir hin, wo du wilt.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p222" id="Seite_p222">[S. 222]</a></span>
-
-Der Unterhändler antwortete, er sollte sehen, was
-er zu tun hätte. Dort stünde ein vornehmer Herr, der
-ihm den Hasen zu verkaufen gegeben und ohn Zweifel
-nicht gestohlen habe.</p>
-
-<p>Als nun die Zween so wortwechselten, bekamen sie
-gleich einen Umstand, so unser Geizhals stracks in Acht
-nahm und hörete, wieviel die Glocke schlug. Winkte
-derohalben dem Unterkäufer, daß er den Hasen folgen
-lassen sollte. Mein Kerl aber wußte den Umstehenden
-das Stück Ohr zu weisen und an dem Schnitte zu
-messen, daß ihm jedermann recht gab.</p>
-
-<p>Indessen näherte ich mich auch von ungefähr mit
-meiner Gesellschaft, stund an dem Kerl, der den Hasen
-hatte und fing an mit ihm zu marken, und nachdem
-wir des Kaufs eins wurden, stellete ich den Hasen
-meinem Kostherrn zu mit Bitte, solchen mit sich heimzunehmen
-und auf unsern Tisch zurichten zu lassen,
-dem Kerl aber gab ich statt der Bezahlung ein Trinkgeld
-zu zwo Kannen Bier. Also mußte uns der Geizhals
-den Hasen wider Willen zukommen lassen und
-dorfte noch darzu nichts sagen. Dessen wir genug zu
-lachen hatten.</p>
-
-
-
-
-<hr class="chap" />
-
-<h2><a name="Das_vierte_Buch" id="Das_vierte_Buch">Das vierte Buch</a></h2>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_erste_Kapitel" id="Buch4_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3>
-
-
-<div class="nopagebreak">
- <img class="drop-cap" src="images/i225_cap.png" width="150" height="157" alt="" />
-</div>
-
-<p class="drop-cap">Allzuscharf machet schartig und wenn man
-den Bogen überspannet, so muß er endlich
-zerbrechen. Der Posse, den ich meinem
-Kostherren mit dem Hasen riß, war
-mir nicht genug. Ich lehrete seine Kostgänger,
-wie sie die versalzene Butter
-wässern und dadurch das überflüssige Salz herausziehen,
-den harten Käs aber wie Parmesaner schaben und mit
-Wein anfeuchten sollten, was dem Geizhals lauter Stiche
-ins Herz waren. Ich zog durch meine Kunststücke über
-Tisch das Wasser aus dem Wein, und machte ein Lied,
-darin ich den Geizigen einer Sau vergliche, von der
-nichts Gutes zu hoffen sei, bis sie der Metzger tot auf
-dem Schragen hätte. Dafür bezahlete er mich mit folgender
-Untreue.</p>
-
-<p>Die zween Jungen von Adel bekamen einen Wechsel
-und Befehl von ihren Eltern, sich nach Frankreich zu
-begeben und die Sprache zu lernen. Unseres Kostherren
-deutscher Knecht war anderwärts auf Reise und dem
-wälschen wollte er die Pferde nicht vertrauen. Er bat
-mich derowegen, ob ich ihm nicht den großen Dienst
-tun und beide Edelleute mit den Pferden nach Paris
-führen wollte, weil ohn das meine Sache in vier Wochen
-noch nicht erörtert werden könnte, indessen wollte er
-hingegen meine Geschäfte, wann ich ihm vollkommene
-Gewalt geben würde, so getreulich befördern, als ob
-ich selbst gegenwärtig wäre. Die von Adel ersuchten
-mich deswegen auch, und mein Fürwitz, Frankreich zu
-besehen, riet mir solches gleichfalls, weil ichs jetzt ohn
-sondere Unkosten tun konnte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p226" id="Seite_p226">[S. 226]</a></span>
-
-Also macht ich mich mit diesen Edelleuten anstatt
-eines Postillions auf den Weg, auf welchem mir nichts
-Merkwürdiges zuhanden stieß.</p>
-
-<p>Da wir nach Paris kamen und bei unseres Kostherren
-Korrespondenten, von dem die Edelleute auch
-ihre Wechsel empfingen, einkehrten, ward ich den andern
-Tag nicht allein mit den Pferden arrestiert, sondern
-derjenige, so vorgab, mein Kostherr wäre ihm
-eine Summe Geldes schuldig, griffe mit Bewilligung
-des Viertels-<span class="antiqua">Commissarii</span> zu und versilberte die Pferde.
-Also saß ich da wie Matz von Dresden und wußte
-mir selber nicht zu helfen viel weniger zu raten, wie ich
-einen so weiten Weg wieder zurückkommen sollte.</p>
-
-<p>Die von Adel bezeugeten ein groß Mitleiden mit mir
-und verehreten mich desto ehrlicher mit einem guten
-Trinkgeld, wollten mich auch nicht ehender von sich
-lassen, bis ich entweder einen guten Herrn oder eine
-Gelegenheit hätte wieder nach Deutschland zu kommen.
-Ich hielt mich etliche Tage in ihrem Losament, weil
-ich den einen, so etwas unpäßlich war, auswartete.
-Demnach ich mich so fein anließ, schenkte er mir sein
-Kleid, dann er sich auf die neue Mode kleiden ließ.</p>
-
-<p>Als ich nun in Zweifel stund, was ich tun sollte,
-hörete mich einsmals der <span class="antiqua">Medicus</span>, so meinen kranken
-Junker kurieret, auf der Laute schlagen und ein deutsch
-Liedlein darein singen. Das gefiele ihm so wohl, daß
-er mir eine gute Bestallung anbot samt seinem Tisch,
-da ich mich zu ihm begeben und seine zween Söhne
-unterrichten wollte, dann er wußte schon besser, wie
-mein Handel stund, als ich selbst und, daß ich einen
-guten Herrn nicht ausschlagen würde. Ich verdingte
-mich aber nicht länger als von einem Vierteljahr zum
-andern.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p227" id="Seite_p227">[S. 227]</a></span>
-
-Dieser Doktor redete so gut deutsch als ich und italienisch
-wie seine Muttersprache. Als ich nun die Letze
-mit meinen Edelleuten zehrte, war er auch dabei. Mir
-gingen üble Grillen im Kopf herum, dann da lag mir
-mein frischgenommen Weib, mein versprochen Fähnlein
-und mein Schatz in Köln im Sinn, von welchem allem
-ich mich so leichtfertig hinweg zu begeben hatte bereden
-lassen. Ich sagte auch über den Tisch: »Wer weiß, ob
-vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hierher
-praktizieret, damit er das Meinige zu Köln erheben
-und behalten möge.«</p>
-
-<p>Der Doktor meinte, das könne wohl sein, vornehmlich
-wann ich ein Kerl von geringem Herkommen sei.</p>
-
-<p>»Nein,« antwortete der eine Edelmann, »wann er
-zu solchem Ende hierher geschickt worden ist, daß er
-hier bleiben solle, so ists darum geschehen, weil er ihm
-seines Geizes wegen soviel Drangsal antäte.«</p>
-
-<p>Der Doktor sagte: »Es sei geschehen, aus was vor
-einer Ursache es wolle, so lasse ich wohl gelten, daß
-die Sache so angestellt worden, daß Er hier bleiben
-muß. Er lasse sich aber das nicht irren. Ich will Ihm
-schon wieder mit guter Gelegenheit nach Deutschland
-verhelfen. Er schreibe dem <span class="antiqua">Notarius</span> nur, daß er den
-Schatz wohl beachte, sonst werde er scharfe Rechenschaft
-geben müssen. Es gibet mir einen Argwohn, daß es
-ein angestellter Handel sei, weil derjenige, so sich vor
-den <span class="antiqua">Creditor</span> dargegeben, Eures Kostherren und seines
-hiesigen Korrespondenten sehr guter Freund ist.«</p>
-
-<p><span class="antiqua">Monsigneur Canard</span>, so hieß mein neuer Herr, erbot
-sich mir mit Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich
-des Meinigen zu Köln nicht verlustig würde, dann er
-sahe wohl, daß ich traurig war. In seiner Wohnung
-begehrete er, ich sollte ihm erzählen, wie meine Sachen<span class="pagenum"><a name="Seite_p228" id="Seite_p228">[S. 228]</a></span>
-beschaffen wären. Ich gab mich vor einen armen deutschen
-Edelmann aus, der weder Vater noch Mutter,
-sondern nur etliche Verwandte in einer Festung hätte,
-darin schwedische Guarnison läge, welches ich vor meinem
-Kostherrn und denen von Adel verborgen hätte, damit
-sie das Meinige als ein Gut, so dem Feinde zuständig,
-nicht an sich zögen. Meine Meinung wäre, ich wollte
-dem Kommandanten der Festung schreiben, als unter
-dessen Regiment ich die Stelle eines Fähnrichs hätte,
-und ihm berichten, was gestalten ich hierher praktiziert
-worden, ihn auch bitten, sich des Meinigen habhaft zu
-machen und indessen meinen Freunden zuzustellen.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Canard</span> befand mein Vorhaben ratsam und versprach
-mir die Schreiben an ihren Ort zu bestellen, und sollten
-sie gleich nach Mexiko oder China lauten.</p>
-
-<p>Demnach schrieb ich an meine Liebste, an meinen
-Schwehervater und den Obristen <span class="antiqua">de S. A.</span>, Kommandanten
-in L., an welchen ich auch das <span class="antiqua">Copert</span> richtete
-und ihm die übrigen beiden beischloß: Ich wollte mich
-mit ehisten wieder einstellen, dann ich nur die Mittel
-in die Hand kriegte, eine so weite Reise zu vollenden.
-Er und mein Schweher möchten vermittels der <span class="antiqua">Militiae</span>
-das Meinige zu bekommen unterstehen, eh Gras darüber
-wüchse. Darneben berichtete ich, wieviel es an
-Gold, Silber und Kleinodien sei. &mdash; Solche Briefe
-verfertigte ich <span class="antiqua">in duplo</span>, ein Teil bestellete <span class="antiqua">Mons. Canard</span>,
-den andern gab ich auf die Post, damit eins desto
-gewisser einliefe.</p>
-
-<p>Also ward ich wieder fröhlich und ich instruierte
-meines Herrn zween Söhne desto leichter. Die wurden
-wie die Prinzen erzogen, dann weil <span class="antiqua">Mons. Canard</span> sehr
-reich als auch überaus hoffärtig war, wollte er sich
-sehen lassen. Welche Krankheit er von großen Herren<span class="pagenum"><a name="Seite_p229" id="Seite_p229">[S. 229]</a></span>
-an sich genommen, weil er täglich mit Fürsten umging
-und ihnen alles nachäffte.</p>
-
-<p>Sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in
-welcher kein anderer Mangel erschien, als daß man ihn
-nicht auch einen gnädigen Herrn nannte. Einen <span class="antiqua">Marquis</span>,
-da ihn etwan einer besuchen kam, traktierte er nicht
-höher als seinesgleichen. So teilete er zwar auch geringen
-Leuten von seinen Arzeneien mit, nahm aber
-kein geringstes Geld von ihnen, sondern schenkte ihnen
-eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen Namen
-haben möchte.</p>
-
-<p>Weil ich ziemlich <span class="antiqua">curiös</span> war und wußte, daß er mit
-meiner Person prangte, als weil ich auch stets in seinem
-Laboratorio ihm arzeneien half, davon ich einigermaßen
-vertraut mit ihm ward, fragte ich ihn einsmals, warum
-er sich nicht von seinem adeligen Sitz her schreibe, den
-er neulich nahend Paris um 20000 Kronen gekauft,
-<span class="antiqua">item</span> warum er lauter Doktores aus seinen Söhnen zu
-machen gedenke und sie so streng studieren lasse, ob
-nicht besser wäre, daß er ihnen, wie andern Kavaliers,
-irgend Ämter kaufe und sie also vollkommen in den
-adeligen Stand treten lasse, den sie durch den Landsitz
-schon namensweis erworben hätten.</p>
-
-<p>»Nein,« sagte er, »wann ich zu einem Fürsten komme,
-so heißt es: Herr Doktor, setze Er sich nieder. Zum
-Edelmann aber wird gesagt: Wart auf!«</p>
-
-<p>Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß
-ein Arzt dreierlei Angesichter hat: Das erste eines
-Engels, wann ihn der Kranke ansichtig wird, das ander
-eines Gottes, wann er hilft, das dritte eines Teufels,
-wann man gesund ist und ihn wieder abschafft. Also
-währet solche Ehrung nicht länger, als solang dem
-Kranken der Wind im Leib herumgeht, höret das<span class="pagenum"><a name="Seite_p230" id="Seite_p230">[S. 230]</a></span>
-Rumpeln auf, so hat die Ehre ein Ende und heißt
-alsdann auch: Doktor, vor der Tür ist's dein! Der
-Edelmann kommt aber niemals von des Prinzen Seite.
-Auch hat der Herr Doktor neulich etwas von einem
-Fürsten in den Mund genommen und demselben seinen
-Geschmack abgewinnen müssen, da wollte ich lieber zehn
-Jahre stehen und aufwarten, als ich eines andern Kot
-versuchete und wanngleich man mich auf Rosen setzte.«</p>
-
-<p>Er antwortete: »Das muß ich nicht tun, sondern tus
-gern. Wann der Fürst sieht, wie sauer michs ankommt,
-seinen Zustand recht zu erkunden, wird meine Verehrung
-desto größer. Und warum sollte ich dessen Kot nicht
-versuchen, der mir etlich hundert Dukaten dafür zum
-Lohn gibet? Ihr redet von der Sache wie ein Deutscher.
-Wann Ihr aber einer andern Nation wäret, so
-wollet ich sagen, Ihr hättet geredet wie ein Narr.«</p>
-
-<p>Mit dieser Sentenz nahm ich vorlieb.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p231" id="Seite_p231">[S. 231]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_ander_Kapitel" id="Buch4_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin"><span class="antiqua">Mons. Canard</span> hatte täglich viel Schmarotzer und
-hielt gleichsam eine freie Tafel. Einsmals besuchte
-ihn des Königs Zeremonienmeister und andere
-vornehme Personen vom Hof, denen er eine fürstliche
-Collation darreichte. Damit er nun denselben seinen
-allergeneigtesten Willen erzeugte und ihnen alle Lust
-machte, begehrete er, ich wolle ihm zu Ehren und der
-ansehnlichen Gesellschaft zu Gefallen ein deutsch Liedlein
-in meine Laute hören lassen. Ich folgte gern, weil
-ich eben in Laune war und befliß mich derhalben, das
-beste Geschirr zu machen.</p>
-
-<p>Daran fanden die Anwesenden ein solch Ergötzen,
-daß der Zeremonienmeister sagte, es wäre immer schade,
-daß ich nicht die franzsche Sprache könnte, er wollte
-mich trefflich wohl beim König und der Königin anbringen.</p>
-
-<p>Mein Herr besorgte, ich möchte ihm aus seinen
-Diensten entzuckt werden und antwortete, ich sei einer
-von Adel, der nicht lange in Frankreich zu verbleiben
-gedächte, würde mich demnach schwerlich vor einen
-Musikanten gebrauchen lassen.</p>
-
-<p>Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er seine Tage
-nicht eine so seltene Schönheit, eine so klare Stimme
-und einen so künstlichen Lautenisten in einer Person
-gefunden. Es sollte ehist vorm König in <span class="antiqua">Louvre</span> eine
-<span class="antiqua">Comoedia</span> gespielet werden, wann er mich darzu gebrauchen
-könnte, so verhoffe er große Ehre mit mir
-einzulegen. Das hielt mir <span class="antiqua">Mons. Canard</span> vor, und ich
-antwortete, wann man mir sagete, was vor eine Person
-ich darstellen und was vor ein Lied ich in meine Laute<span class="pagenum"><a name="Seite_p232" id="Seite_p232">[S. 232]</a></span>
-singen sollte, so könnte ich ja beides: Melodeien und
-Lieder auswendig lernen, wannschon sie in franzscher
-Sprache wären. Als mich der Zeremonienmeister so
-willig sahe, mußte ich ihm versprechen den andern Tag
-in <span class="antiqua">Louvre</span> zu kommen, um zu probieren. Also stellete
-ich mich ein. Die Melodeien schlug ich gleich perfekt
-auf dem Instrument, weil ich das Tabulaturbuch vor
-mir hatte. Die franzschen Lieder, welche mir zugleich
-verdeutscht wurden, kamen mich gar nicht schwer an,
-also daß ichs eher konnte, als sichs jemand versahe.</p>
-
-<p>Ich habe die Zeit meines Lebens keinen so angenehmen
-Tag gehabt, als mir derjenige war, an welchem
-die <span class="antiqua">Comoedia</span> gespielet ward. <span class="antiqua">Mons. Canard</span> gab mir
-etwas ein, meine Stimme desto klärer zu machen; da
-er aber meine Schönheit mit <span class="antiqua">oleo talci</span> erhöhen und
-meine halbkrausen Haare, die vor Schwärze glitzerten,
-verpudern wollte, fand er, daß er mich dadurch nur
-entstellet hätte.</p>
-
-<p>Ich ward mit einem Lorbeerkranz gekrönt und in ein
-antiquisch meergrün Kleid angetan, in welchem man mir
-den ganzen Hals, den Oberteil der Brust, die Arme bis
-hinter die Ellenbogen und die Knie von den halben
-Schenkeln an bis auf die halben Waden nackend und
-bloß sehen konnte. Um solches schlug ich einen leibfarbenen
-taffeten Mantel, der sich mehr einem Feldzeichen vergliche.
-In solchem Kleid löffelte ich um meine <span class="antiqua">Eurydice</span>,
-rufte die <span class="antiqua">Venus</span> mit einem schönen Liedlein um Beistand
-an und brachte endlich meine Liebste davon. In welchem
-Akt ich mich trefflich zu stellen und meine Liebste mit
-Seufzen und spielenden Augen anzublicken wußte.</p>
-
-<p>Nachdem ich aber meine <span class="antiqua">Eurydice</span> verloren, zog ich
-ein ganz schwarz Habit an, auf die vorige Mode gemacht,
-aus welchem meine weiße Haut hervorschien<span class="pagenum"><a name="Seite_p233" id="Seite_p233">[S. 233]</a></span>
-wie Schnee. In solchem beklagte ich meine verlorene
-Liebste und bildete mir die Sache so erbärmlich ein,
-daß mir mitten in meinen traurigen Liedern und Melodeien
-die Tränen herausruckten. Bis ich vor <span class="antiqua">Plutonem</span>
-und <span class="antiqua">Proserpinam</span> in die Hölle kam, stellete ich denselben
-in einem sehr beweglichen Liede die Liebe vor,
-so wir beide zusammen trügen, bat mit den allerandächtigsten
-Gebärden, und zwar alles in die Harfe singend,
-sie sollten mir die <span class="antiqua">Eurydice</span> wieder zukommen lassen,
-und bedankte, nachdem ich das Jawort erhalten, mit
-einem Liede, wußte dabei das Angesicht, samt Gebärden
-und Stimme so fröhlich zu verkehren, daß sich alle
-Anwesenden darüber verwunderten. Da ich aber meine
-<span class="antiqua">Eurydice</span> wieder unversehens verlor, fing ich an, auf
-einem Felsen sitzend, den Verlust mit erbärmlichsten
-Worten und einer traurigen Melodei zu beklagen und
-alle Kreaturen um Mitleiden anzurufen. Darauf stellten
-sich allerhand zahme und wilde Tiere, Berge, Bäume
-und dergleichen bei mir ein, also daß es in Wahrheit
-ein Ansehen hatte, als ob alles mit Zauberei übernatürlicher
-Weise wäre zugerichtet worden. Da ich aber
-zuletzt allen Weibern abgesagt und von den Bacchantinnen
-erwürget und ins Wasser geworfen ward, daß
-man nur meinen Kopf sahe, sollte mich ein erschröcklicher
-Drache benagen. Der Kerl aber so im Drachen
-stak, denselben zu regieren, konnte meinen Kopf nicht
-sehen und ließ das Drachenmaul neben dem meinigen
-grasen. Solches kam mir lächerlich vor, daß ich mir
-nicht abbrechen konnte, darüber zu schmollen, welches
-die Damen, so mich gar wohl betrachteten, in Acht
-nahmen.</p>
-
-<p>Von dieser <span class="antiqua">Comoedia</span> bekam ich neben dem Lob nicht
-allein eine treffliche Verehrung, sondern auch einen andern<span class="pagenum"><a name="Seite_p234" id="Seite_p234">[S. 234]</a></span>
-Namen, indem mich forthin die Franzosen nicht
-anders als <span class="antiqua">Beau Alman</span> nannten. Es wurden noch
-mehr dergleichen Spiele und Ballett gehalten, in welchen
-ich mich gebrauchen ließ. Ich befand aber zuletzt, daß
-ich von den andern geneidet ward, weil ich die Augen
-der Zuseher, sonderlich der Weiber, gewaltig auf mich
-zog. Tät mich derowegen ab, maßen ich einsmals ziemlich
-Stöße kriegte, da ich als ein <span class="antiqua">Herkules</span>, gleichsam
-nackend in einer Löwenhaut, mit dem Flußgott <span class="antiqua">Achelous</span>
-um die <span class="antiqua">Deianira</span> kämpfte, da er mir's gröber
-machte, als in einem Spiel Gebrauch ist. &mdash;</p>
-
-<p>Einsmals kam ein Lakai, der sprach meinen <span class="antiqua">Mons.
-Canard</span> an und brachte ihm ein Brieflein, eben als ich
-in seinem Laboratorio über alchimistischer Arbeit saß,
-dann ich hatte aus Lust bei meinem Doktor manchen
-chimischen Prozeß gefördert mit Resolvieren, Sublimieren,
-Kalcinieren, Digerieren und unzählig vielen
-andern Praktiken.</p>
-
-<p>»<span class="antiqua">Monsieur Beau Alman</span>,« rief der Doktor, »das
-Schreiben betrifft Euch. Es schicket ein vornehmer
-Herr, Ihr wollet gleich zu ihm kommen, daß er Euch
-ansprechen könnte, ob Euch nicht beliebe, seinen Sohn
-auf der Laute zu informieren. Er bittet mit sehr courtoisen
-Versprechen, daß ich Euch zurede, Ihr wollet
-ihm diesen Gang nicht abschlagen.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Wann ich Euretwegen jemand dienen
-könnte, so will ich am Fleiße nicht sparen.«</p>
-
-<p>Darauf sagte er, ich solle mich anders anziehen, indessen
-wolle er mir etwas zu essen machen, dann ich
-hätte einen ziemlich weiten Weg zu gehen.</p>
-
-<p>Also putzte ich mich und verschluckte in Eil etwas
-von den Gerichten, sonderlich aber ein paar kleiner delikater
-Würstlein, welche mir zwar, als mich deuchte,<span class="pagenum"><a name="Seite_p235" id="Seite_p235">[S. 235]</a></span>
-ziemlich stark apothekerten. Ging demnach mit gedachtem
-Lakai durch seltsame Umwege eine Stunde lang,
-bis wir gegen Abend an eine Gartentür kamen, die nur
-zugelehnt war. Der Lakai stieß sie vollends auf und
-schlug sie hinter uns zu, führete mich nachgehends in
-ein Lusthaus, so in einer Ecke des Gartens stund.
-Nachdem wir einen ziemlich langen Gang passierten,
-klopfte er vor einer Tür, so von einer alten adeligen
-Dame stracks aufgemachet ward. Diese hieß mich in
-deutscher Sprache sehr höflich willkommen und zu ihr
-vollends hineintreten. Der Lakai aber, so kein Deutsch
-konnte, nahm mit tiefer Reverenz Abschied.</p>
-
-<p>Die Alte führte mich bei der Hand vollends in das
-Zimmer, das rundumher mit köstlichen Tapeten behängt
-und sonsten auch schön gezieret war. Sie hieß mich
-niedersitzen, damit ich verschnaufen und zugleich vernehmen
-könnte, aus was Ursachen ich an diesen Ort
-geholet worden.</p>
-
-<p>Ich folgte gern und satzte mich auf einen Sessel, den
-sie mir zum Feuer stellete, sie aber ließ sich neben mir
-auf einen andern nieder und sagte:</p>
-
-<p>»<span class="antiqua">Monsieur</span>, wann Er etwas von den Kräften der Liebe
-weiß, daß nämlich solche die allertapfersten, stärksten
-und klügsten Männer überwältige und zu beherrschen
-pflege, so wird Er sich umso viel mehr desto weniger
-verwundern, wann dieselbe auch ein schwaches Weibsbild
-meistert. Er ist nicht der Laute halber, wie man
-Ihn und <span class="antiqua">Mon. Canard</span> überredet hat, von einem Herrn,
-aber wohl seiner übertrefflichen Schönheit halber von
-der allervortrefflichsten Dame in Paris hierher berufen
-worden. Sie versiehet sich allbereits des Todes, so sie
-nicht bald des Herren überirdische Gestalt zu beschauen
-und sich daran zu erquicken das Glück haben sollte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p236" id="Seite_p236">[S. 236]</a></span>
-Derowegen hat sie mir befohlen, dem Herrn, als meinem
-Landsmann, solches anzuzeigen und ihn höher zu bitten
-als <span class="antiqua">Venus</span> ihren <span class="antiqua">Adonis</span>, daß er diesen Abend sich bei
-ihr einfinden und seine Schönheit genugsam von ihr
-betrachten lasse, welches er ihr hoffentlich als einer vornehmen
-Dame nicht abschlagen wird.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »<span class="antiqua">Madame</span>, ich weiß nicht, was ich
-denken, viel weniger hierauf sagen soll. Ich erkenne
-mich nicht darnach beschaffen zu sein, daß eine Dame
-von so hoher Qualität nach meiner Wenigkeit verlangen
-sollte. Wann die Dame, so mich zu sehen begehret,
-so vortrefflich und vornehm sei, als mir meine hochgeehrte
-Frau Landsmännin vorbringt, so hätte sie wohl
-bei früher Tageszeit nach mir schicken dörfen und mich
-nicht erst hierher an diesen einsamen Ort bei so spätem
-Abend berufen. Was habe ich in diesem Garten zu tun?
-Meine Landsmännin vergebe, wann ich als verlassener
-Fremder in die Forcht gerate, man wolle mich auch sonst
-hintergehen. Sollte ich aber merken, daß man mir so
-verräterisch mit bösen Tücken an den Leib wollte,
-würde ich vor meinem Tode den Degen zu gebrauchen
-wissen.«</p>
-
-<p>»Sachte, sachte, mein hochgeehrter Herr Landsmann,
-Er lasse diese unmutigen Gedanken aus dem Sinn. Die
-Weibsbilder sind seltsam und vorsichtig in ihren Anschlägen,
-daß man sich nicht gleich anfangs so leicht
-darein schicken kann. Wann diejenige, die Ihn über alles
-liebet, gern hätte, daß Er Wissenschaft von ihrer Person
-haben sollte, so hätte sie Ihn freilich nicht erst hierher,
-sondern den geraden Weg zu sich kommen lassen.
-Dort liegt eine Kappe, die muß der Herr ohndas erst
-aufsetzen, wann Er zu ihr geführt wird, weil sie auch
-sogar nicht will, daß Er den Ort, geschweige, bei wem<span class="pagenum"><a name="Seite_p237" id="Seite_p237">[S. 237]</a></span>
-er gesteckt, wissen sollte. Bitte und ermahne demnach
-den Herrn so hoch als ich immer kann, Er zeige sich
-gegen diese Dame so, wie es ihre Hoheit als auch ihre
-gegen Ihn tragende unaussprechliche Liebe meritiert.
-Anders wolle Er gewärtig sein, daß sie mächtig genug
-sei, seinen Hochmut und Verachtung auch in diesem
-Augenblick zu strafen.«</p>
-
-<p>Es ward allgemach finster und ich hatte allerhand
-Sorgen und forchtsame Gedanken, also daß ich wie ein
-geschnitzt Bild dasaß. Konnte mir wohl auch einbilden,
-daß ich diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen
-könnte. So willigte ich denn in alles, so man mir zumutete,
-und sagte der Alten: »Wenn ihm dann so ist,
-wie Sie vorgebracht, so vertraue ich meine Person
-Ihrer angeborenen deutschen Redlichkeit, der Hoffnung,
-sie werde nicht zulassen, daß einem unschuldigen Deutschen
-eine Untreue widerführe. Sie vollbringe also, was
-Ihr befohlen.«</p>
-
-<p>»Ei, behüte Gott, Er wird mehr Ergötzen finden,
-als Er sich hat sein Tag niemals einbilden dörfen!«</p>
-
-<p>Sie rief: <span class="antiqua">Jean</span>, <span class="antiqua">Pierre</span>! &mdash; alsobald traten diese in
-vollem, blanken Küraß, vom Scheitel bis auf die Fußsohle
-gewaffnet, mit einer Hellebarden und Pistolen in
-Händen, hinter einer Tapezerei herfür. Davon ich dergestalt
-erschrak, daß ich mich entfärbte. Die Alte ward
-solches lächelnd gewahr.</p>
-
-<p>»Man muß sich nicht förchten, wenn man zum Frauenzimmer
-gehet.«</p>
-
-<p>Sie befahl den beiden ihren Harnisch abzulegen, die
-Laterne zu nehmen und nur mit ihren Pistolen zu folgen.
-Demnach streifte sie mir die schwarze Sammetkappe
-über den Kopf und führete mich an der Hand durch seltsame
-Wege.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p238" id="Seite_p238">[S. 238]</a></span>
-
-Ich spürte wohl, daß ich durch viel Türen und auch
-über einen gepflasterten Weg passierte. Endlich mußte
-ich etwan eine halbe Viertelstunde eine kleine steinerne
-Stiege steigen, da tät sich ein Türlein auf, von dannen
-kam ich über einen belegten Gang und mußte eine
-Wendelstiege hinauf, folgends etliche Staffeln wieder
-hinab, allda sich etwa sechs Schritte weiters eine Tür
-öffnete.</p>
-
-<p>Als ich endlich durch solche kam, zog mir die Alte
-die Kappe wieder herunter. Da befand ich mich in
-einem Saal, der überaus zierlich aufgeputzt war. Die
-Wände waren mit schönen Gemälden, der Tresor mit
-Silbergeschirr und das Bette, so darin stund, mit Umhängen
-von göldenen Stücken gezieret. In der Mitten
-stund der Tisch, prächtig gedeckt, und bei dem Feuer befand
-sich eine Badewanne, die wohl hübsch war, aber
-meinem Bedünken nach schändete sie den ganzen Saal.</p>
-
-<p>Die Alte sagte zu mir: »Nun willkommen, Herr
-Landsmann, kann Er noch sagen, daß man Ihn mit
-Verräterei hintergehe? Er lege nur allen Unmut ab
-und erzeige sich wie neulich auf dem Theatro, da er
-seine <span class="antiqua">Eurydice</span> wieder erhielt. Er wird hier, ich versichere,
-eine schönere antreffen, als Er dort eine verloren.«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p239" id="Seite_p239">[S. 239]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_dritte_Kapitel" id="Buch4_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich merkte schon an diesen Worten, daß ich mich
-nicht nur an diesem Ort beschauen lassen, sondern
-noch gar was anderes tun sollte. Sagte derowegen
-zu der Alten:</p>
-
-<p>»Es ist einem Durstigen wenig damit geholfen, wann
-er bei einem verbotenen Brunnen sitzt.«</p>
-
-<p>Sie antwortete, man sei in Frankreich und also nicht
-so mißgünstig, daß man einem das Wasser verbiete,
-sonderlich, wo dessen ein Überfluß sei.</p>
-
-<p>»Ja,« sagte ich, »Sie saget mir wohl davon, wann
-ich nicht schon verheiratet wäre.«</p>
-
-<p>»Das sind Possen,« meinte das gottlose Weib, »man
-wird Euch solches nicht glauben, dann die verehelichten
-Kavaliers ziehen selten nach Frankreich. Und wenngleich
-dem so wäre, kann ich nicht glauben, daß der Herr so
-albern sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden
-Brunnen zu trinken.«</p>
-
-<p>Dies war unser Diskurs, dieweil mir eine adelige
-Jungfer, so das Feuer pflegte, Schuhe und Strümpfe
-auszog, die ich überall im Finstern besudelt hatte, wie
-dann Paris ohn das eine sehr kotige Stadt ist.</p>
-
-<p>Gleich darauf kam Befehl, daß man mich noch vor
-dem Essen baden sollte, dann bemeldtes Jungfräulein
-ging ab und zu und brachte Badezeug, so alles nach
-Bisem und wohlriechender Seife duftete. Das leinen
-Gerät war von reinstem Kammertuch und mit teueren
-holländischen Spitzen besetzt.</p>
-
-<p>Ich wollte mich schämen und vor der Alten nicht
-nackend sehen lassen, aber es half nichts, ich mußte dran<span class="pagenum"><a name="Seite_p240" id="Seite_p240">[S. 240]</a></span>
-und mich von ihr ausreiben lassen, das Jungfergen
-mußte eine Weile abtreten.</p>
-
-<p>Nach dem Bad ward mir ein zartes Hemd gegeben
-und ein köstlicher Schlafpelz von veielblauem Taffet
-angelegt, samt ein Paar Strümpfen von gleicher Farbe.
-So war meine Schlafhaube samt den Pantoffeln mit
-Gold und Perlen gestickt, also daß ich nach dem Bad
-dort saß zu protzen wie der Herzkönig.</p>
-
-<p>Indessen mir nun meine Alte das Haar trücknete und
-kämpelte trug mehrgemeldtes Jungfergen die Speisen
-auf, und nachdem der Tisch überstellet war, traten drei
-heroische Damen in den Saal, welche ihre Alabasterbrüstlein
-zwar ziemlich weit entblößt trugen, vor den
-Angesichtern aber ganz vermaskiert waren.</p>
-
-<p>Sie dünkten mich alle drei vortrefflich schön zu sein,
-aber doch war eine viel schöner als die andern. Ich
-machte ihnen ganz stillschweigend einen Bückling und
-sie bedankten sich mit der gleichen Zeremonie, welches
-natürlich aussahe, als ob etliche Stumme beieinander
-seien. Sie satzten sich alle drei zugleich, daß ich nicht
-erraten konnte, welche die Vornehmste gewesen.</p>
-
-<p>Der ersten Rede war, ob ich nicht französisch könnte.
-Meine Landsmännin sagte nein. Hierauf befahl ihr die
-andre, sie solle mir sagen, ich wollte belieben niederzusitzen.
-Dann bedeutete die Dritte der Alten, sie solle sich
-auch setzen. Woraus ich abermal nicht abnehmen konnte,
-welche die Vornehmste unter ihnen war.</p>
-
-<p>Ich saß neben dem alten Gerippe und sie blickten
-mich alle drei sehr anmütig, lieb- und huldreich an,
-und ich dörfte schwören, daß sie viel hundert Seufzer
-gehen ließen.</p>
-
-<p>Meine Alte fragte mich, welche ich unter den dreien
-vor die Schönste hielte. Ich antwortete, daß einem die<span class="pagenum"><a name="Seite_p241" id="Seite_p241">[S. 241]</a></span>
-Wahl wehe tue. Hierüber fing sie an zu lachen, daß
-man alle vier Zähne sahe, die sie noch im Maul hatte,
-und sagte: »Warum das?«</p>
-
-<p>»Soviel ich sehe, sein alle drei nit häßlich.«</p>
-
-<p>Dieses ward die Alte gefragt und sie log darzu, ich
-hätte gesagt, einer jeden Mund wäre hunderttausend Mal
-Küssens wert, dann ich konnte ihre Mäuler unter den
-Masken wohl sehen. Ich stellete mich unter all diesem
-Diskurs über Tisch, als ob ich kein Wort französisch
-verstünde.</p>
-
-<p>Weil es nun so still herging, machten wir desto früher
-Feierabend. Die Damen wünschten eine gute Nacht und
-gingen ihres Wegs, ich durfte aber das Geleite nicht
-weiter als bis an die Tür geben, so die Alte gleich
-nach ihnen zuriegelte.</p>
-
-<p>Ich fragte, wo ich dann schlafen müßte. Sie sagte,
-ich müßte bei ihr in gegenwärtigem Bette vorlieb
-nehmen. Ich meinte das Bette wäre immerhin gut
-genug.</p>
-
-<p>Indem wir so plauderten, zog eine schöne Dame den
-Bettvorhang etwas zurück und sagte der Alten, sie solle
-aufhören zu schwätzen und schlafen gehen. Stracks nahm
-ich ihr das Licht und wollte sehen, wer im Bette läge.
-Sie aber löschte solches aus.</p>
-
-<p>»Herr, wann Ihm sein Kopf lieb ist, so unterstehe
-er sich dessen nicht, was Er im Sinne hat. Er sei versichert,
-da Er im Ernst sich bemühen wird, diese Dame
-wider ihren Willen zu sehen, daß Er nimmermehr
-lebendig von hinnen kommt.«</p>
-
-<p>Damit ging sie durch und beschloß die Tür. Die
-Jungfer aber, so dem Feur gewartet, löschte es vollends
-aus und ging hinter einer Tapezerei durch eine verborgene
-Tür hinweg.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p242" id="Seite_p242">[S. 242]</a></span>
-
-»<span class="antiqua">Allez, monsieur Beau Aleman</span>, geh slaff mein 'erz,
-gomm, rick su mir!«</p>
-
-<p>Soviel hatte ihr die Alte Deutsch gelernet. Ich begab
-mich zum Bette, zu sehen, wie dann dem Ding zu helfen
-sein möchte, sobald ich aber hinzu kam, fiel sie mir um
-den Hals und bisse mir vor Hitze schier die unter Lefzen
-herab, ja, sie fing an das Hemd gleichsam zu zerreißen,
-zog mich also zu sich und stellete sich vor unsinniger
-Liebe also an, daß nicht auszusagen.</p>
-
-<p>Sie konnte nichts anders Deutsch als: Rick su mir,
-mein 'erz! &mdash; das übrige gab sie sonst zu verstehen.</p>
-
-<p>Ich dachte zwar heim an meine Liebste, aber was
-half es. Ich war leider ein Mensch und fand eine so
-wohlproportionierte Kreatur, daß ich ein Holzblock
-hätte sein müssen. &mdash;</p>
-
-<p>Dergestalt brachte ich acht Täge an diesem Orte zu.
-Nach geendigter Zeit satzte man mich im Hof mit verbundenen
-Augen in eine zugemachte Kutsche zu meiner
-Alten, die mir unterwegs die Augen wieder aufband.
-Man führete mich in meines Herren Hof, und die
-Kutsche fuhr wieder schnell hinweg. Meine Verehrung
-waren zweihundert Dukaten, und da ich die Alte fragte,
-ob ich niemand kein Trinkgeld davon geben könnte,
-sagte sie, bei Leibe nicht!</p>
-
-<p>Nachgehends bekam ich noch mehr dergleichen Kunden,
-welche es mir endlich so grob machten, daß ich der
-Narrenposse ganz überdrüssig ward.</p>
-
-<p>Auch fing ich an und ging in mich selber, nicht zwar
-aus Gottseligkeit oder Trieb meines Gewissens, sondern
-aus Sorge, daß ich einmal auf solch einer Kirchweih
-erdappt und nach Verdienst bezahlt würde. An
-Geld und andern Sachen hatte ich so viel Verehrungen
-zusammen, daß mir Angst dabei ward und ich mich<span class="pagenum"><a name="Seite_p243" id="Seite_p243">[S. 243]</a></span>
-nicht mehr verwunderte, daß sich die Weibsbilder aus
-dieser viehischen Unfläterei ein Handwerk machen.</p>
-
-<p>Derhalben trachtete ich wieder nach Deutschland zu
-kommen und das umso viel mehr, weil der Kommandant
-zu L. mir geschrieben hatte, daß er etliche kölnische
-Kaufleute bei den Köpfen gekriegt, die er nit
-aus den Händen lassen wollte, es seien ihm dann meine
-Sachen zuvor eingehändiget, <span class="antiqua">item</span> daß er mir das versprochene
-Fähnlein aufhalte und meiner noch im Frühling
-gewärtig sei, dann sonst müßte er die Stelle mit
-einem andern besetzen.</p>
-
-<p>So schickte mir mein Weib auch ein Brieflein darbei,
-das voll liebreicher Bezeugung ihres großen Verlangens
-war. Hätte sie aber gewußt, wie ich so ehrbar
-gelebet, so sollte sie mir wohl einen andern Gruß
-hineingesetzt haben.</p>
-
-<p>Ich konnte mir wohl einbilden, daß ich mit <span class="antiqua">Monsignore
-Canards</span> Einwilligung schwer hinweg käme,
-gedachte derhalben heimlich durch zu gehen. Und als ich
-einsmals etliche Offizierer von der weimarischen Armee
-antraf, gab ich mich ihnen als Fähnrich von des Obristen
-<span class="antiqua">de S. A.</span> Regiment zu erkennen mit Bitte, sie
-wollten mich in ihrer Gesellschaft als Reisegefährten
-mitnehmen, da ich meiner Geschäfte in Paris ledig sei.
-Also eröffneten sie mir den Tag ihres Aufbruches und
-nahmen mich willig mit. An <span class="antiqua">Mons. Canard</span> schrieb ich
-aber zurück und datierte zu Mastrich, damit er meinen
-sollte, ich wäre auf Köln gegangen, und nahm meinen
-Abschied mit Vermelden, daß mir unmöglich gewesen
-länger zu bleiben, weil ich seine aromatischen Würstlein
-nicht mehr hätte verdauen können.</p>
-
-<p>Im zweiten Nachtläger von Paris aus ward mir
-wie einem, der den Rotlauf bekommt. Mein Kopf tät<span class="pagenum"><a name="Seite_p244" id="Seite_p244">[S. 244]</a></span>
-mir so grausam weh, daß mir unmöglich war aufzustehen.
-Ich lag in einem gar schlechten Dorf, darin ich
-keinen <span class="antiqua">Medicum</span> haben konnte, und was das ärgste
-war, so hatte ich auch niemand, der meiner wartete, dann
-die Offizierer reisten des Morgens früh ihres Weges
-fort gegen den Elsaß zu. Sie ließen mich als einen,
-der sie nichts anginge, gleichsam todkrank daliegen.
-Doch hinterließen sie bei dem Schulzen, daß er mich
-als einen Kriegsoffizier, der dem König diene, beobachten
-sollte.</p>
-
-<p>Also lag ich ein paar Tage dort, daß ich nichts von
-mir selber wußte, sondern wie ein Hirnschelliger fabelte.
-Man brachte den Pfaffen, derselbe konnte aber nichts
-Verständiges von mir vernehmen. Doch gedachte er auf
-Mittel, mir nach Vermögen zu Hilfe zu kommen, allermaßen
-er mir eine Ader öffnen, einen Schweißtrank
-eingeben und mich in ein warmes Bette legen ließ, zu
-schwitzen. Das bekam mir so wohl, daß ich mich in
-derselben Nacht wieder besann, wo ich war.</p>
-
-<p>Am folgenden Tag fand mich der Pfaffe ganz desperat,
-dieweil mir nicht allein all mein Geld, es waren fünf
-hundert Dublonen, entführt war, sondern auch ich nicht
-anders vermeinte, als hätte ich <span class="antiqua">salva venia</span> die lieben
-Franzosenblatteren, weil sie mir billiger als die Dublonen
-gebühreten. Ich war auch über den ganzen Leib
-so voller Flecken als wie ein Tieger, konnte weder gehen,
-stehen, sitzen, liegen und war auch keine Geduld bei mir.
-Ja, ich stellete mich nicht anders, als ob ich ganz hätte
-verzweifeln wollen, daß also der gute Pfarrer genug
-an mir zu trösten hatte, weil mich der Schuh an
-zweien Orten so heftig druckte.</p>
-
-<p>»Nach dem Geld fragte ich nichts, wann ich nur
-diese abscheuliche, verfluchte Krankheit nicht am Hals<span class="pagenum"><a name="Seite_p245" id="Seite_p245">[S. 245]</a></span>
-hätte oder wäre an Ort und Enden, da ich wieder
-kuriert werden könnte!«</p>
-
-<p>»Ihr müßt Euch gedulden. Wie müßten erst die
-armen, kleinen Kinder tun, deren im hießigen Dorf
-über fünfzig daran krank liegen.«</p>
-
-<p>Wie ich hörete, daß auch Kinder damit behaftet,
-war ich alsbald herzhafter, dann ich konnte ja leicht
-gedenken, daß selbige jene garstige Seuch nit kriegen
-würden, nahm derowegen mein Felleisen zur Hand und
-suchte, was es etwan noch vermöchte. Da war ohn
-das weiße Zeug nicht Schätzbares drin, als eine Kapsel
-mit einer Damen Conterfait, rund herum mit Rubinen
-besetzt, so mir eine zu Paris verehret hatte. Ich nahm
-das Conterfait heraus und stellete das übrige dem
-Pfarrer zu mit Bitte, solches in der nächsten Stadt
-zu versilbern. Auch mein Klepper mußte dran glauben.
-Damit reichte ich kärglich aus, bis die Blattern anfingen
-zu dörren und mir besser ward.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p246" id="Seite_p246">[S. 246]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_vierte_Kapitel" id="Buch4_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Womit einer sündiget, damit pflegt er auch gestraft
-zu werden. Die Kindsblattern richteten mich
-dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den Weibsbildern gute
-Ruhe hatte. Ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich
-aussahe wie eine Scheurtenne, darauf man Erbsen gedroschen.
-Ja, ich ward so häßlich, daß sich mein schönes,
-krauses Haar, in welchem sich so manch Weibsbild verstrickt,
-meiner schämte und seine Heimat verließ, daß
-ich also notwendig eine Perücke tragen mußte. Meine
-liebliche Stimme ging als auch dahin, dann ich den
-Hals voller Blattern gehabt. Meine Augen, die man
-hiebevor niemalen ohne Liebesfeuer finden konnte, eine
-jede zu entzünden, sahen jetzt rot und triefend aus wie
-die eines achtzigjährigen Weibes. Über das alles war
-ich in fremden Landen, kannte weder Hund noch Menschen,
-verstund die Sprache kaum und hatte allbereits
-kein Geld.</p>
-
-<p>Da fing ich erst an hinter sich zu denken und die
-herrliche Gelegenheit zu bejammern, die mir hiebevor
-zur Beförderung meiner Wohlfahrt angestanden, ich
-aber so liederlich hatte verstreichen lassen. Ich merkte,
-daß mein außergewöhnlich Kriegsglück und mein gefundener
-Schatz nur Ursache und Vorbereitung zu meinem
-Unglück gewesen. Da war kein Einsiedel mehr, der
-es treulich mit mir meinete, kein Pfarrer, der mir das
-Beste riete. Da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte
-auch fort und meine Gelegenheit anderswo suchen. O
-schnelle, unglückselige Veränderung! Vor vier Wochen
-war ich ein Kerl, der die Fürsten zur Verwunderung
-bewegte, das Frauenzimmer entzuckte, dem Volk als ein<span class="pagenum"><a name="Seite_p247" id="Seite_p247">[S. 247]</a></span>
-Meisterstück der Natur, ja, ein Engel vorkam, jetzt
-aber so unwert, daß mich die Hunde anpißten.</p>
-
-<p>Der Wirt stieß mich aus dem Haus, da ich nicht bezahlen
-konnte, kein Werber wollte mich vor einen Soldaten
-annehmen, weil ich wie ein grintiger Kuckuck
-aussahe, arbeiten konnte ich nit, dann ich war noch zu
-matt und keiner Arbeit gewohnt. Mich tröstete allein,
-daß es gegen den Sommer ging und ich mich zur Not
-hinter einer Hecken behelfen konnte, weil mich niemand
-mehr im Hause litt. Mein stattlich Kleid und Leinenzeug
-wollte mir niemand abkaufen, weil jeder sorgte, ich
-möchte ihm auch eine Krankheit damit an den Hals hängen.</p>
-
-<p>Ich nahms also auf den Buckel, den Degen in die
-Hand und den Weg unter die Füße, der mich in ein
-klein Städtlein trug, so gleich wohl über eine eigene
-Apotheke vermochte. In dieselbe ging ich und ließ mir
-eine Salbe zurichten, die mir die Blatternnarben im Gesicht
-vertreiben sollte. Ich gab ein schön, zart Hemd davor.</p>
-
-<p>Es war ein Markt daselbst, und auf demselben befand
-sich ein Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da
-er doch liederlich Ding den Leuten dafür anhing.</p>
-
-<p>»Narr,« sagte ich zu mir selber, »was machst du,
-daß du nicht auch so einen Kram aufrichtest! Bist du
-so lang bei <span class="antiqua">Mons. Canard</span> gewesen und hast nicht so viel
-gelernt, einen einfältigen Baur zu betrügen und dein
-Maulfutter davon zu gewinnen? Da mußt du wohl
-ein elender Tropf sein.«</p>
-
-<p>Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann
-mein Magen war nicht zu ersättigen. Ich hatte aber
-nur noch einen einzigen göldenen Ring mit einem
-Diamant, der etwa zwenzig Kronen wert war. Den
-versilberte ich um zwölfe und resolvierte mich, ein Arzt
-zu werden. Kaufte die Materialia zu einem Theriak<span class="pagenum"><a name="Seite_p248" id="Seite_p248">[S. 248]</a></span>
-und richtete ihn zu für kleine Städt und Flecken. Vor
-die Bauren aber nahm ich ein Teil Wacholderlatwerge,
-vermischte solches mit Eichenlaub, Weidenblättern und
-dergleichen herben Ingredienzien, alsdann machte ich
-auch aus Kräutern, Wurzeln, Blättern und etlichen
-Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit
-man wohl ein gedruckt Pferd hätte heilen können,
-<span class="antiqua">item</span> aus Galmei, Kieselsteinen, Krebsaugen, Schmirgel
-und Trippel ein Pulver, weiße Zähne damit zu machen,
-ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Ammoniak
-und Kampfer vor Mundfäule, Zähn- und Augenweh.
-Ich bekam auch einen Haufen blecherner und hölzerner
-Büchslein, Papier und Gläslein, meine Ware darein
-zu schmieren. Damit es auch ein Ansehen haben möchte,
-ließ ich mir einen französischen Zettel koncipieren und
-drucken, darin man sehen konnte, wozu ein und das
-ander gut war. Ich hatte kaum drei Kronen in die
-Apotheke und vor Geschirr angewendet und war in
-drei Tagen fertig. Also packte ich auf und nahm mir
-vor, von einem Dorf zum andern bis in das Elsaß
-hinein zu streichen und endlich zu meinem Weib zu finden.</p>
-
-<p>Da ich das erste Mal mit meiner Quacksalberei vor
-eine Kirche kam und feil hatte, war die Losung gar
-schlecht, weil ich noch viel zu blöd war. Sahe demnach
-gleich, daß ichs anders angreifen müßte. Im Wirtshaus
-vernahm ich über Tisch vom Wirt, daß den
-Nachmittag allerhand Leute unter der Linden vor
-seinem Haus zusammenkommen würden, da dörfte ich
-wohl so etwas verkaufen, wann man nur an einer
-Probe vor Augen sähe, daß mein Theriak ausbündig
-gut wäre. Als ich dergestalt vernommen, woran es
-mangele, bekam ich ein halbes Trinkgläslein voll gutem
-Straßburger Branntewein und fing eine Art Kroten,<span class="pagenum"><a name="Seite_p249" id="Seite_p249">[S. 249]</a></span>
-so in den unsauberen Pfützen sitzen und singen, sind
-fast rotgelb unten am Bauch schwarz gescheckigt, gar
-unlustig anzusehen. Ein solche satzte ich in ein Schoppenglas
-mit Wasser und stellets neben meine Ware auf
-den Tisch unter der Linde. Wie sich nun die Leute versammleten
-und um mich herumstunden, vermeineten
-etliche, ich würde mit der Zange, so ich von dem Wirte
-aus der Kuchen entlehnet, die Zähn ausbrechen, ich
-aber fing an:</p>
-
-<p>»Ihr Herren und gueti Freund, bin ich kein Brech-dir-die-Zahn-aus,
-allein hab ich gut Wasser vor die Aug,
-es mag all die Flüß aus die rote Aug ...«</p>
-
-<p>»Ja,« antwortete einer, »man siehets an Euren
-Augen wohl, die sehen ja aus wie zween Irrwische!«</p>
-
-<p>»Das ist wahr, wann ich aber der Wasser vor mich
-nicht hab, so wär ich wohl gar blind werd. Ich verkauf
-sonst das Wasser nit. Der Theriak und das Pulver
-vor die weiße Zähn und das Wundsalb will ich verkauf
-und der Wasser noch darzu schenk! Ich bin kein
-Schreier und Bescheiß-dir-die-Leut. Hab ich mein Theriak
-feil, wann ich sie hab probiert, und sie dir nit gefallt,
-so darfst du sie nit kauf ab.«</p>
-
-<p>Indem ließ ich einen von meinem Umstand aus den
-Theriakbüchslein wählen, daraus tät ich etwan eine
-Erbse groß in meinen Branntewein, den die Leute vor
-Wasser ansahen, zerrieb den Theriak darin und kriegte
-mit der Zange die Krot zu fassen.</p>
-
-<p>»Secht ihr, gueti Freund, wann dies giftig Wurm
-kann mein Theriak trink und sterbe nit, do ist der Ding
-nit nutz, dann kauf ihr nur nit ab.«</p>
-
-<p>Hiemit steckte ich die arme Krote, welche im Wasser
-geboren und erzogen, in meinen Branntewein und hielt
-ihn mit einem Papier zu, daß die Krot nicht herausspringen<span class="pagenum"><a name="Seite_p250" id="Seite_p250">[S. 250]</a></span>
-konnte. Da fing sie dergestalt an darin zu
-wüten und zu zablen, ja viel ärger zu tun, als ob ichs
-auf glühend Kohlen geworfen hätte, und streckte endlich
-alle vier von sich.</p>
-
-<p>Die Bauren sperrten Maul und Beutel auf, da war
-in ihrem Sinn kein besserer Theriak als der meinige,
-und ich hatte genug zu tun, den Plunder in die Zettel
-zu wickeln und Geld davor einzunehmen. Es kauften
-etliche drei-, vier-, fünf- und sechsfach, damit sie auf den
-Notfall mit so köstlicher Giftlatwerge versehen wären,
-ja, sie kauften auch vor ihre Freunde und Verwandten.</p>
-
-<p>Ich machte mich noch dieselbe Nacht in ein anderes Dorf,
-weil ich besorgte, es möchte etwan auch ein Baur so kurios
-sein und eine Kroten in ein Wasser setzen, meinen Theriak
-zu probieren, und mir der Buckel geraumet werden.</p>
-
-<p>Damit ich aber gleichwohl die Vortrefflichkeit meiner
-Giftlatwerge auf eine andere Manier erweisen könnte,
-machte ich mir aus Mehl, Safran und Gallus einen
-gelben <span class="antiqua">Arsenicum</span> und aus Mehl und Vitriol einen
-<span class="antiqua">Mercurium Sublimatum</span>. Wann ich die Probe tun
-wollte, hatte ich zwei gleiche Gläser mit frischem Wasser
-auf dem Tisch, davon das eine ziemlich stark mit <span class="antiqua">Aqua
-Fort</span> oder <span class="antiqua">Spiritus Victril</span> vermischt war. In dasselbe
-zerrührte ich ein wenig von meinem Theriak und schabte
-alsdann von meinen beiden Giften so viel, als genug war,
-hinein. Davon ward das eine Wasser, so keinen Theriak
-und also auch kein <span class="antiqua">Aqua Fort</span> hatte, so schwarz als Tinte,
-das andre blieb wegen des Scheidewassers wie es war.</p>
-
-<p>»Ha,« sagten dann die Leute, »das ist fürwahr ein
-köstlicher Theriak um so ein gering Geld!«</p>
-
-<p>Wann ich aber beide untereinander goß, so ward
-wieder alles klar. Davon zogen die guten Bauren ihre
-Beutel und ich kam glücklich an die deutsche Grenze.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p251" id="Seite_p251">[S. 251]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch4_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Da ich durch Lothringen passierte ging mir meine
-Ware aus und also auch meine Gläslein. Demnach
-ich aber von einer Glashütte im fleckensteinischen
-Gebiet hörete, begab ich mich darauf zu, mich wieder
-zu montieren. Und indem ich Abwege suchte, weilen ich
-die Guarnisonen scheuete, ward ich ungefähr von einer
-Partei aus Philippsburg, die sich auf dem Schloß
-Wagelnburg aufhielt, gefangen. Der Baur, so mir den
-Weg zu weisen mitgegangen war, hatte den Kerln gesagt,
-ich sei ein Doctor, ward also wider des Teufels
-Dank vor einen Doctor nach Philippsburg geführet.</p>
-
-<p>Ich scheuete mich gar nicht zu sagen, wer ich wäre,
-aber ich sollte ein Doctor sein. Ich schwor, daß ich
-unter die kaiserlichen Dragoner nach Soest gehörig, aber
-es hieß, der Kaiser brauche sowohl in Philippsburg
-als in Soest Soldaten, man würde mir bei ihnen
-Aufenthalt geben, wann mir dieser Vorschlag nicht
-schmecke, so möchte ich mit dem Stockhaus vorlieb
-nehmen.</p>
-
-<p>Also kam ich vom Pferd auf den Esel und mußte
-wider Willen Musketierer sein. Das kam mir blutsauer
-an, weil der Schmalhans dort herrschte und das Kommißbrot
-schröcklich klein war. Und die Wahrheit zu bekennen,
-so ist es wohl eine elende Kreatur um einen
-Musketierer in einer Guarnison. Dann da ist keiner
-anders als ein Gefangener, der mit Wasser und Brot
-der Trübsal sein armseliges Leben verzögert. Ja, ein
-Gefangener hat es noch besser, dann er darf weder
-wachen, Runden gehen, noch Schildwacht stehen, sondern
-bleibt in seiner Ruhe liegen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p252" id="Seite_p252">[S. 252]</a></span>
-
-Etliche nahmen, und sollten es auch verloffene Huren
-gewesen sein, in solchem Elend keiner andern Ursache
-halber Weiber, als daß sie von solchen entweder durch
-Arbeiten als nähen, wäschen, spinnen oder krämpeln
-und schachern und gar stehlen ernähret würden. Da war
-eine Fähnrichin unter den Weibern, die hatte eine Gage
-wie ein Gefreiter. Eine andre war Hebamme und brachte
-dadurch sich selbsten und ihrem Mann manchen Schmauß
-zuwege. Eine andre konnte stärken und wäschen, andre
-verkauften Tobak und versahen die Kerle mit Pfeifen,
-andere handelten mit Branntewein und eine war eine
-Näherin. Es gab ihrer, die sich blöslich vom Felde
-ernähreten: im Winter gruben sie Schnecken, im Frühling
-ernteten sie Salat, im Sommer nahmen sie Vogelnester
-aus, im Herbste wußten sie sonst tausenderlei
-Schnabelweide zu kriegen. Solcher Gestalt nun meine
-Nahrung zu haben, war nicht vor mich, dann ich hatte
-schon ein Weib. Zur Arbeit auf der Schanze war ich
-zu faul, ein Handwerk hatte ich Tropf nie gelernet und
-einen Musikanten hatte man in dem Hungerland nicht
-vonnöten. Auf Partei zu gehen ward mir nicht vertraut.
-Etliche konnten besser mausen als Katzen, ich
-aber haßte solche Hantierung wie die Pest. <span class="antiqua">In summa</span>
-wo ich mich nur hinkehrete, da konnte ich nichts ergreifen,
-das meinen Magen hätte stillen mögen. »Du
-sollst ein Doctor sein,« sagten sie mir, »und kannst
-anders keine Kunst als Hunger leiden.«</p>
-
-<p>Zuletzt war anderer Unglück mein Glück, dann nachdem
-ich etliche Gelbsüchtige und ein paar Fiebernde
-kurierte, die einen besonderen Glauben an mich gehabt
-haben müssen, ward mir erlaubt, vor die Festung zu
-gehen, meinem Vorwande nach Wurzeln und Kräuter
-zu meinen Arzneien zu sammeln. Da richtete ich hingegen<span class="pagenum"><a name="Seite_p253" id="Seite_p253">[S. 253]</a></span>
-den Hasen mit Stricken und fing die erste Nacht
-zween. Dieselben brachte ich dem Obristen und erhielt
-dadurch nicht allein einen Taler zur Verehrung, sondern
-auch Erlaubnus, daß ich hinausdörfte, wann ich
-die Wacht nicht hätte. Als kam das Wasser wieder auf
-meine Mühle, maßen es das Ansehen hatte, als ob ich
-Hasen in meine Stricke bannen könnte, so viel fing ich
-in dem erödeten Land.</p>
-
-<p>Ich ward unter meiner Muskete ein recht wilder
-Mensch. Keine Boßheit war mir zuviel, alle Gnaden
-und Wohltaten, die ich von Gott jemals empfangen,
-waren allerdings vergessen. Ich lebte auf den alten Kaiser
-hinein wie ein Viehe. Selten kam ich in die Kirche und
-gar nicht zur Beichte. Wo ich nur jemand berücken
-konnte, unterließ ichs nicht, so daß schier keiner ungeschimpft
-von mir kam. Davon kriegte ich oft dichte Stöße
-und noch öfter den Esel zu reuten, ja man bedrohete
-mich mit Galgen und Wippe, aber es half alles nichts.
-Ich trieb meine gottlose Weise fort, daß es das Ansehen
-hatte, als ob ich desperat spiele und mit Fleiß
-der Höllen zurenne. Und obgleich ich keine Übeltat beging,
-dadurch ich das Leben verwürkt hätte so war
-ich jedoch so ruchlos, daß man hat kaum einen wüsteren
-Menschen antreffen mögen.</p>
-
-<p>Dies nahm unser Regimentskaplan in Acht, und weil
-er ein rechter frommer Seeleneiferer war, schickte er
-auf die österliche Zeit nach mir, zu vernehmen, warum
-ich mich nicht bei der Beichte und Communion eingestellet
-hätte. Ich traktierte ihn wie hiebevor den Pfarrer
-zu L., also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten
-konnte. Er verdonnerte mich zum Beschluß:</p>
-
-<p>»Ach, du elender Mensch, ich habe vermeinet du
-irrest aus Unwissenheit, aber nun merke ich, daß du<span class="pagenum"><a name="Seite_p254" id="Seite_p254">[S. 254]</a></span>
-aus lauter Boßheit und gleichsam vorsätzlicher Weis
-zu sündigen fortfährest! Welcher Heiliger vermeinst du
-wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und
-ihrer Verdammnus haben werde? Ich protestiere vor
-Gott und Welt, daß ich an deiner Verdammnus keine
-Schuld habe, weil ich getan habe und noch ferner unverdrossen
-tun wollte, was zur Beförderung deiner
-Seligkeit vonnöten wäre. Es wird aber besorglich künftig
-mehrers zu tun nicht obliegen, dann daß ich deinen
-Leib, wann ihn deine arme Seel in solchem verdammten
-Stand verläßt, an keinen geweihten Ort zu andern
-frommen abgestorbenen Christen begraben, sondern auf
-den Schindwasen zu den Kadavern des verreckten Viehes
-hinschleppen lasse, oder an denjenigen Ort, da man andere
-Gottvergessene und Verzweifelte hintut.«</p>
-
-<p>Diese ernstliche Bedrohung fruchtete nichts. Ich
-schämete mich vorm Beichten.</p>
-
-<p>O ich großer Narr! Oft erzählte ich meine Bubenstücke
-bei ganzen Gesellschaften und log noch darzu,
-aber jetzt, da ich einem einzigen Menschen anstatt Gottes
-meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung zu
-empfangen, war ich ein verstockter Stummer.</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Ich dien vor einen Soldaten. Wann
-ich nun sterbe als ein Soldat, so wirds kein Wunder
-sein, wann ich als irgendein Gefallener auf freiem Feld,
-mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen werde.«</p>
-
-<p>Also schied ich von dem seeleneifrigen Geistlichen, den
-ich wohl einsmals einen Hasen abgeschlagen hatte mit
-Vorwand, weil der Has an einem Strick gehangen und
-sich selbst ums Leben gebracht, daß sich dannenhero
-nicht gebühre, den Verzweifelten in ein geweiht Erdreich
-zu begraben.</p>
-
-<p>Ich mußte wider meines Herzens Willen bleiben und<span class="pagenum"><a name="Seite_p255" id="Seite_p255">[S. 255]</a></span>
-Hunger leiden bis in den Sommer hinein. Da ward ich
-unverhofft von der Muskete befreit. Je mehr sich der
-Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers
-näherte ich auch meine Erlösung.</p>
-
-<p>Dann als selbiger zu Brucksal das Haupt-Quartier
-hatte, ward mein Herzbruder, dem ich im Läger zu
-Magdeburg getreulich geholfen, von der Generalität mit
-etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, allwo
-man ihm die größte Ehre antät. Ich stund eben vor
-des Obristen Quartier Schildwacht und erkannte ihn
-gleich im ersten Augenblick, obwohl er einen schwarzen
-sammtenen Rock antrug. Ich hatte aber nicht das Herz,
-ihn sogleich anzusprechen, dann ich mußte sorgen, er
-würde dem Weltlauf nach sich meiner schämen oder
-mich sonst nicht kennen wollen; ich war ein lausiger
-Musketierer.</p>
-
-<p>Nachdem ich aber abgelöst ward, erkundigte ich mich
-bei dessen Dienern nach seinem Stand und Namen,
-damit ich versichert sei, hatte gleichwohl das Herz nicht,
-ihn anzureden, sondern schrieb ein Brieflein:</p>
-
-<p>&#8218;<span class="antiqua">Monsieur etc.</span> Wann meinem hochgeborenen Herrn
-beliebte, denjenigen, den er hiebevor durch seine Tapferkeit
-aus Eisen und Banden errettet, auch anjetzo durch
-sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten Stand
-von der Welt zu erlösen, wohin er als ein Ball des
-unbeständigen Glückes geraten &mdash; so würde Ihm solches
-nicht allein nicht schwer fallen, sondern Er würde auch
-vor einen ewigen Diener obligieren seinen ohn das getreu
-verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen</p>
-
-<p class="right">
-<span class="antiqua">S. Simplicissimum.</span>&#8217;<br />
-</p>
-
-<p>Sobald er solches gelesen ließ er mich hineinkommen.</p>
-
-<p>»Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch das Schreiben
-gegeben hat?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p256" id="Seite_p256">[S. 256]</a></span>
-
-»Herr, er lieget in dieser Festung gefangen.«</p>
-
-<p>»So gehet zu ihm und saget, ich wolle ihm davon
-helfen, und sollte er schon den Strick an den Hals
-kriegen.«</p>
-
-<p>»Herr, es wird solcher Mühe nicht bedörfen, ich bin
-der <span class="antiqua">Simplicius</span> selber ...«</p>
-
-<p>Er ließ mich nicht ausreden, sondern umfing mich
-brüderlich. Und eh er mich fragte, wie ich in die Festung
-und solche Dienstbarkeit geraten, schickte er seinen Diener
-zum Juden, Pferd und Kleider vor mich zu kaufen.
-Indessen erzählete ich ihm, wie mirs ergangen, sint sein
-Vater vor Magdeburg gestorben. Und als er vernahm,
-daß ich der Jäger von Soest gewesen, beklagte er, daß
-er solches nicht eher gewußt hätte, dann er mir damals
-gar wohl zu einer Kompagnie hätte verhelfen können.</p>
-
-<p>Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast
-von Kleidern daherkam, las er mir das Beste heraus
-und ließ michs anziehen und nahm mich mit sich zum
-Obristen.</p>
-
-<p>»Herr, ich habe in Seiner Guarnison gegenwärtigen
-Kerl angetroffen, dem ich so hoch verobligiert bin, daß
-ich ihn in so niedrigem Stand, wannschon seine Qualitäten
-keinen besseren meritieren, nicht lassen kann. Bitte
-dahero den Herrn Obristen, Er wolle mir den Gefallen
-erweisen und zulassen, daß ich ihn mit mir nehme, um
-ihm bei der Armee fort zu helfen.«</p>
-
-<p>Der Obrist verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß
-er mich einmal loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter
-Herr vergebe mir, wann ich glaube, ihm beliebe
-nur zu probieren, ob ich ihm auch so dienstwillig
-sei, als Er dessen wohl wert ist. Was diesen Kerl anlanget,
-ist solcher eigentlich nicht mir, sondern seinem
-Vorgeben nach unter ein Regiment Dragoner gehörig,<span class="pagenum"><a name="Seite_p257" id="Seite_p257">[S. 257]</a></span>
-darneben ein so schlimmer Gast, der meinem Profosen,
-sint er hier ist, mehr Arbeit geben als sonst eine ganze
-Kompanei.«</p>
-
-<p>Endete damit die Rede und wünschte mir Glück
-ins Feld.</p>
-
-<p>Dies war meinem Herzbruder noch nicht genug, sondern
-er bat den Obristen, mich an seine Tafel zu nehmen.
-Er täts aber zu dem End, daß er den Obristen
-in meiner Gegenwart erzählte, was er in Westfalen nur
-gesprächsweis von dem Grafen von der Wahl und dem
-Kommandanten von Soest über mich gehöret hatte.
-Das strich er nun dergestalt heraus, daß alle Zuhörer
-mich vor einen guten Soldaten halten mußten. Dabei
-hielt ich mich so bescheiden, daß der Obrist und seine
-Leute nicht anders glauben konnten, als ich wäre mit
-andern Kleidern auch ein ganz anderer Mensch geworden.</p>
-
-<p>Darauf erzählte er Obrist viel Bubenstücklein, die ich
-begangen: Wie ich Erbsen gesotten und obenauf mit
-Schmalz übergossen, sie vor eitel Schmalz zu verkaufen,
-<span class="antiqua">item</span> ganze Säck voll Sand vor Salz, indem ich die
-Säcke unten mit Sand und oben mit Salz gefüllet, wie
-ich dem einen hier, dem andern dort einen Bären aufgebunden
-und die Leute mit Pasquillen vexieret.</p>
-
-<p>Ich gestund auch unverholen, daß ich willens gewesen,
-den Obristen mir allerhand Boßheiten dergestalt
-zu perturbieren und abzumatten, daß er mich endlich
-aus der Guarnison hätte schaffen müssen.</p>
-
-<p>Nach beendetem Imbiß hatte der Jud kein Pferd,
-so meinem Herzbruder vor mich gefallen hätte. Endlich
-verehrete ihm der Obrist eins mit Sattel und Zeug
-aus seinem Stall, auf welches sich Herr <span class="antiqua">Simplicius</span>
-satzte und mit seinem Herzbruder zur Festung hinausritte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p258" id="Seite_p258">[S. 258]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_sechste_Kapitel" id="Buch4_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3>
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-<p class="begin">Also ward ich in Eil wieder ein Kerl, der einem
-braven Soldaten gleich sahe. Mein Herzbruder
-verschaffte mir noch ein Pferd samt einem Knecht und
-tat mich als Freireuter zum Neun-Eckischen Regiment.
-Ich tät aber denselben Sommer wenig Taten, als daß
-ich am Schwarzwald hin und wider etliche Kühe stehlen
-half und mir das Brißgäu und Elsaß ziemlich bekannt
-machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern.
-Mein Knecht samt dem Pferd ward von den Weimarischen
-gefangen, also mußte ich das ander desto härter
-strapazieren und endlich gar niederreuten.</p>
-
-<p>So kam ich in den Orden der Merode-Brüder, dann
-mein Herzbruder gedachte mich zappeln zu lassen, bis
-ich mich besser vorzusehen lernete. So begehrte ich
-solches auch nicht, dann ich fand an meinen Consorten
-eine so angenehme Gesellschaft, daß ich mir bis in das
-Winterquartier keinen besseren Handel wünschte.</p>
-
-<p>Ich muß nun ein wenig erzählen, was die Merode-Brüder
-vor Leute sind, dann ich habe bisher noch
-keinen Scribenten getroffen, der etwas von ihren Gebräuchen,
-Gewohnheiten, Rechten und Privilegien in
-seine Schriften einverleibt hätte, unangesehen es wohl
-wert ist, daß nicht allein die jetzigen Feldherren, sondern
-auch der Bauersmann wisse, was es vor eine Zunft sei.</p>
-
-<p>Als der berühmte General Johann Graf von Merode
-einsmals ein neugeworben Regiment zur Armee
-brachte, waren die Kerl so schwacher baufälliger Natur,
-daß sie also das Marschieren und ander Ungemach, das
-ein Soldat im Felde ausstehen muß, nicht erleiden
-konnten, derowegen dann ihre Brigade zeitlich so schwach<span class="pagenum"><a name="Seite_p259" id="Seite_p259">[S. 259]</a></span>
-ward, daß sie kaum die Fähnlein mehr bedecken konnte.
-Wo man einen oder mehr Kranke und Lahme auf
-dem Markt, in Häusern und hinter Zäunen und Hecken
-antraf und fragte: Wes Regiments? &mdash; so war gemeiniglich
-die Antwort: von Merode. Davon entsprang,
-daß man endlich alle diejenigen, sie wären gleich krank
-oder gesund, verwundt oder nit, wann sie nur außerhalb
-der Zugordnung daherzottelten oder sonst nicht
-bei ihren Regimentern das Quartier im Feld nahmen,
-Merode-Brüder nannte, welche Bursche man zuvor
-Säusenger und Immenschneider genannt hatte, dann
-sie sind die Brummser in den Immenstöcken, die, wann
-sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr arbeiten
-noch Honig machen, sondern nur fressen können. Wann
-ein Reuter sein Pferd und ein Musketier seine Gesundheit
-verleurt oder ihm Weib und Kind erkrankt und
-er zurück bleiben will, so ists schon anderthalb Paar
-Merode-Brüder, ein Gesindlein, so sich mit nichts besser
-als mit den Zigeunern vergleichet, weil es denselben
-beides: an Sitten und Gewohnheiten ähnlich ist. Da
-siehet man sie haufenweis beieinander, wie Feldhühner
-im Winter, hinter den Hecken, im Schatten oder an
-der Sonne um irgend ein Feuer herumliegen, Tabak
-saufen und faulenzen, wann unterdessen anderwärts ein
-rechtschaffener Soldat beim Fähnlein Hitze, Durst, Hunger,
-Frost und allerhand Elend überstehet. Da gehet eine
-Merodeschar auf die Mauserei, wann indessen manch
-armer Soldat unter seinen Waffen versinken möchte.
-Sie spolieren vor, neben und hinter der Armee, alles
-was sie antreffen und nicht genießen können, verderben
-sie, also daß die Regimenter, wann sie in die Quartier
-oder Läger kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser
-finden. Wann sie allen Ernstes angehalten werden, bei<span class="pagenum"><a name="Seite_p260" id="Seite_p260">[S. 260]</a></span>
-der Bagage zu bleiben, so wird man oft sie stärker
-finden, als die Armee selbst. Wann sie aber gesellenweis
-marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so
-haben sie keinen Wachtmeister, der sie kommandiert,
-keinen Feldweibel oder Schergianten, der ihren Wams
-ausklopfet, keinen Korporal, der sie wachen heißt,
-keinen Tampour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar-
-und Tagwacht erinnert und <span class="antiqua">in summa</span> niemand, der
-sie anstatt des Adjutanten in Schlachtordnung stellet
-oder anstatt des Fouriers einlogiert, sondern leben vielmehr
-wie die Freiherren. Wann aber etwas an Kommiß
-der Soldateska zukommt, so sind sie die ersten, die ihr
-Teil holen, obgleich sie es nicht verdient. Hingegen sind
-die Rumormeister und Generalgewaltiger ihre allergrößte
-Pest, als welche ihnen zu Zeiten, wann sie es
-zu bunt machen, eisernes Silbergeschirr an Händ und
-Füß legen oder sie mit den Kragen zieren und sie an
-ihre allerbesten Hälse anhängen lassen.</p>
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-<p>Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht
-und kommen auch in keine Schlachtordnung und sie
-ernähren sich doch. Der heilloseste Reuterjung, der nichts
-tut als fouragieren, ist dem Feldherren nützer, als
-tausend Merode-Brüder, die ein Handwerk daraus
-machen und ohn Not auf der Bernhaut liegen. Sie
-werden vom Gegenteil hinweggefangen und von den
-Bauren auf die Finger geklopft. Dadurch wird die
-Armee gemindert und der Feind gestärkt. Man sollte
-sie zusammenkuppeln wie die Windhunde und sie in
-den Guarnisonen kriegen lernen oder gar auf Galeeren
-schmieden, wann sie nicht auch zu Fuß im Feld das
-Ihrige tun wollten, bis sie gleichwohl wieder ein Pferd
-kriegen.</p>
-
-<p>Ein solcher ehrbarer Bruder war ich damals auch<span class="pagenum"><a name="Seite_p261" id="Seite_p261">[S. 261]</a></span>
-und verbliebs bis zu dem Tag vor der Wittenweyrer
-Schlacht, zu welcher Zeit das Hauptquartier in Schuttern
-lag. Als ich damals mit meinen Kameraden in das
-Geroldseckische ging, Kühe und Ochsen zu stehlen, ward
-ich von den Weimarischen gefangen, die uns viel besser
-zu traktieren wußten, dann sie luden uns Musketen
-auf und stießen uns hin und wieder unter die Regimenter.</p>
-
-<p>Weil ich nunmehr Weimarisch war, mußte ich Breisach
-belägern helfen, da wachte ich dann wie andere
-Musketierer Tag und Nacht und lernte trefflich schanzen.
-Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, weil
-der Beutel leer, Wein, Bier und Fleisch eine Rarität,
-Äpfel und hart, schimmelig Brot (jedoch kümmerlich
-genug) mein bestes Wildpret.</p>
-
-<p>Solches war mir sauer zu ertragen, Ursache: wann
-ich zurück an die egyptischen Fleischtöpfe, das ist an
-westfälische Schinken und Knackwürste zu L. gedachte.
-Ich sehnete mich niemalen mehr nach meinem Weib,
-als wann ich im Zelte lag und vor Frost halb erstarrt
-war. Da sagte ich dann oft zu mir selber: Hui, <span class="antiqua">Simplici</span>,
-meinest du auch wohl, es geschehe dir unrecht,
-wann dir einer wieder wett spielte, was du zu Paris
-begangen? &mdash; Und mit solchen Gedanken quälte ich
-mich wie ein anderer eifersüchtiger Hanrei, da ich doch
-meinem Weib nichts als Ehre und Tugend zutrauen
-konnte.</p>
-
-<p>Zuletzt ward ich so ungeduldig, daß ich mich meinem
-Kapitain eröffnete. Schrieb auch auf der Post nach L.
-und erhielt durch den Obristen <span class="antiqua">de S. A.</span> und meinem
-Schwehrvater, daß sie durch ihre Schreiben bei dem
-Fürsten von Weimar einen Paß von meinem Kapitain
-zuwege brachten.</p>
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-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p262" id="Seite_p262">[S. 262]</a></span>
-
-Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten
-marschierte ich mit einem guten Feuerrohr vom Läger
-ab und das Brißgäu hinunter der Meinung, auf selbiger
-Weihnachtsmesse zu Straßburg von meinem
-Schwehr ein Geldstück zu empfangen und mit Kaufleuten
-den Rhein hinunter zu fahren.</p>
-
-<p>Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert und zu
-einem Haus kam, geschah ein Schuß nach mir, so daß
-mir die Kugel den Rand am Hut verletzte. Gleich
-darauf sprang ein starker, vierschrötiger Kerl aus dem
-Haus auf mich los und schrie, ich sollte das Gewehr
-ablegen. »Bei Gott, Landsmann, dir zu Gefallen nicht!«
-Und zog den Hahn über.</p>
-
-<p>Er aber wischte mit einem Ding vom Leder, das
-mehr einem Henkersschwert als einem Degen glich.</p>
-
-<p>Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an und
-traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumtaumelte
-und endlich zu Boden fiel. Das machte ich mir zu Nutz,
-rang ihm geschwind sein Schwert aus der Faust und
-wollts ihm in den Leib stoßen, da es aber nicht durchgehen
-wollte, sprang er unversehens auf, erwischte mich
-beim Haar und ich ihm auch, sein Schwert hatte ich
-schon weggeworfen.</p>
-
-<p>Darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander
-an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu
-erkennen gab, und konnte doch keiner des andern Meister
-werden. Bald lag ich, bald er oben und im Hui kamen
-wir wieder auf die Füße, so aber nicht lang dauerte,
-weil ja einer des andern Tod suchte.</p>
-
-<p>Das Blut, so mir häufig zu Hals und Mund herauslief,
-spie ich meinem Feind ins Gesicht, weil ers so
-hitzig begehrte. Das war mir gut, dann es hinderte
-ihn am sehen. Also zogen wir einander bei anderthalb<span class="pagenum"><a name="Seite_p263" id="Seite_p263">[S. 263]</a></span>
-Stund im Schnee herum, davon wurden wir so matt,
-daß allem Ansehen nach die Unkraft des einen der
-Müdigkeit des andern nicht Herr werden konnte. Meine
-Ringkunst kam mir damals wohl zustatten, dann mein
-Feind war viel stärker als ich und überdas eisenfest.</p>
-
-<p>Endlich sagte er: »Bruder, höre auf, ich gebe mich
-dir zu eigen!«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Hättest du mich passieren lassen.«</p>
-
-<p>»Was hast du mehr, wanngleich ich sterbe?«</p>
-
-<p>»Und du, wann du mich hättest niedergeschossen,
-sintemal ich keinen Heller bei mir habe.«</p>
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-<p>Darauf bat er um Verzeihung und ich ließ mich erweichen.
-Wir stunden auf und gaben einander die Hände,
-daß alles, was geschehen, vergessen sein sollte. Verwunderte
-sich einer über den andern, daß er seinen
-Meister gefunden, dann jener meinte, ich sei auch mit
-einer solchen Schelmenhaut überzogen wie er.</p>
-
-<p>Ich ließ ihm dabei bleiben, damit er sich mit seinem
-Gewehr nicht noch einmal an mir reibe. Er hatte von
-meinem Schuß eine große Beule an der Stirn und ich
-hatte mich sehr verblutet.</p>
-
-<p>Weil es gegen Abend war, ließ ich mich überreden
-und ging mit ihm, da er dann unterwegs oft mit
-Seufzen bezeugte, wie leid ihm sei, daß er mich beleidigt
-habe.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p264" id="Seite_p264">[S. 264]</a></span></p>
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-<h3><a name="Buch4_Das_siebente_Kapitel" id="Buch4_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3>
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-<p class="begin">Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein
-Leben zu wagen, ist wohl ein dummes Vieh!
-Man hätte nicht einen von tausend Kerlen gefunden,
-der mit seinem Mörder an einen unbestimmten Ort
-zu Gast gegangen wäre. &mdash; Ich fragte ihn auf dem
-Weg, wes Volks er sei. Er sagte, daß er für sich selbst
-kriege. So wollte er auch meinen Namen wissen. Ich
-sagte: »<span class="antiqua">Simplicius.</span>« Da kehrte er sich um, dann ich
-ließ ihn vor mir gehen, und sahe mir steif ins Gesicht.</p>
-
-<p>»Heißt du auch <span class="antiqua">Simplicissimus</span>?«</p>
-
-<p>»Ja, es ist ein Schelm, der seinen Namen verleugnet.
-Wie heißest aber du?«</p>
-
-<p>»Ach, Bruder, ich bin Olivier, den du vor Magdeburg
-hast gekannt.«</p>
-
-<p>Warf damit sein Rohr von sich und fiel auf die
-Knie nieder, mich um Verzeihung zu bitten, sagend,
-daß er keinen besseren Freund in der Welt hätte als
-mich, weil ich seinen Tod nach des alten Herzbruder
-Profezeihung tapfer rächen sollte.</p>
-
-<p>Da konnte ich mich wohl verwundern.</p>
-
-<p>»Ich bin aus einem <span class="antiqua">Secretario</span> ein Waldfischer, du
-aber aus einem Narren ein tapferer Soldat geworden,
-und das ist wohl seltsam. Sei versichert, Bruder, unserer
-zehntausend hätten morgenden Tags Breisach entsetzt
-und zu Herren der ganzen Welt gemacht.«</p>
-
-<p>Obzwar mir solche Prahlerei nicht gefiel, gab ich
-ihm doch recht, vornehmlich weil mir sein schelmisch
-Gemüt bekannt war.</p>
-
-<p>Wir kamen in ein klein, abgelegen Taglöhnerhäuslein,
-in welchem ein Baur eben die Stube einhitzte. Zu dem<span class="pagenum"><a name="Seite_p265" id="Seite_p265">[S. 265]</a></span>
-sagte er: »Hast du etwas gekocht?« »Nein, ich hab
-den gebratenen Kalbsschlegel noch.« »Nun dann, so
-geh und lang her, was du hast und bring das Fäßlein
-Wein.«</p>
-
-<p>»Bruder, du hast einen willigen Wirt,« meinte ich.</p>
-
-<p>»Das dank dem Schelmen der Teufel! Ich ernähre
-ihn mit Weib und Kindern. Ich lasse ihm darzu alle
-Kleider, die ich erobere.«</p>
-
-<p>Sodann berichtete Olivier, daß er diese Freibeuterei
-schon lang getrieben und sie ihm besser als Herrendienst
-zuschlage, er gedächte auch nicht früher aufzuhören, bis
-er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte.</p>
-
-<p>»Bruder, du lebest in einen gefährlichen Stand,
-wann du ergriffen wirst, wie meinest du wohl, daß
-man mit dir umginge?«</p>
-
-<p>»Ha, ich höre, daß du noch der alte <span class="antiqua">Simplicius</span> bist!
-Ich weiß wohl, daß derjenige, so kegeln will, aufsetzen
-muß, aber die Herren von Nürnberg lassen keinen
-hängen, sie haben ihn dann.«</p>
-
-<p>»Dannoch ist ein solch Leben, wie du es führest, das
-allerschändlichste der Welt, daß ich also nicht glaube,
-du begehrest darin zu sterben.«</p>
-
-<p>»Was? Das schändlichste? Mein tapferer <span class="antiqua">Simplici</span>,
-ich versichere dich, daß die Räuberei das alleradeligste
-<span class="antiqua">Exercitium</span> ist, das man dieser Zeit auf der Welt haben
-kann! Sage mir, wieviel Königreiche und Fürstentümer
-sind nicht mit Gewalt geraubt und zuwege gebracht
-worden? Oder wo wird einem König oder Fürsten
-auf dem ganzen Erdboden vor übel genommen, wann
-er seiner Länder Gefälle geneußt, die doch gemeiniglich
-durch seiner Vorfahren verübte Gewalt erworben
-worden? Was könnte doch adeliger genannt werden,
-als eben das Handwerk, dessen ich mich jetzt bediene?<span class="pagenum"><a name="Seite_p266" id="Seite_p266">[S. 266]</a></span>
-Willst du mir vorhalten, daß ihrer viel wegen Mordens,
-Raubens und Stehlens sein gerädert, gehängt
-und geköpft worden? Du wirst keine andern als arme
-und geringe Diebe haben hängen sehen, was auch billig
-ist, weil sie sich dieser vortrefflichen Übung haben unterfangen,
-die doch allein herzhaften Gemütern gebührt
-und vorbehalten ist. Wo hast du jemals eine vornehmere
-Standesperson durch die <span class="antiqua">Justitia</span> strafen sehen? Ja,
-was noch mehr ist, wird doch kein Wucherer gestraft,
-der diese Kunst heimlich treibet, und zwar unter dem
-Deckmantel der christlichen Liebe! Warum sollte ich
-strafbar sein, der ich solche offentlich auf gut alt-deutsch
-ohn einzige Bemäntelung und Gleißnerei übe? Mein
-lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, du hast den <span class="antiqua">Machiavellum</span> noch nicht
-gelesen! Ich bin eines recht aufrichtigen Gemüts. Ich
-fecht und wage mein Leben darüber, wie die alten
-Helden. Weil ich mein Leben in Gefahr setze, so folgt
-unwidersprechlich, daß mirs billig und erlaubt sei, diese
-Kunst zu üben.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei
-dir erlaubt oder nicht, es ist dannoch wider die Natur,
-die nicht will, daß einer einem andern tun solle, was
-er nicht will, daß es ihm geschehe. Gott lässet kein
-Sünde ungestraft.«</p>
-
-<p>Da sagte Olivier: »Es ist so, du bist noch <span class="antiqua">Simplicius</span>,
-der den <span class="antiqua">Machiavellum</span> nicht studiert hat. Könnte ich
-aber auf solche Art eine <span class="antiqua">Monarchiam</span> aufrichten, so
-wollte ich sehen, wer mir alsdann viel dawider predigte.«</p>
-
-<p>Wir hätten noch mehr miteinander disputiert, weil
-aber der Baur mit dem Essen und Trinken kam, saßen
-wir zusammen und stilleten unsere Mägen, dessen ich
-dann trefflich hoch vonnöten hatte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p267" id="Seite_p267">[S. 267]</a></span>
-
-Unser Essen war weiß Brot und ein gebratener
-kalter Kalbsschlegel, dabei hatten wir einen guten Trunk
-Wein und eine warme Stube.</p>
-
-<p>»Gelt, <span class="antiqua">Simplici</span>, hier ist es besser als vor Breisach
-in den Laufgräben!«</p>
-
-<p>»Das wohl, wann man solch ein Leben mit gewisser
-Sicherheit und besserer Ehre zu genießen hätte.«</p>
-
-<p>Darüber lachte er überlaut.</p>
-
-<p>»Mein lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, ich sehe zwar, daß du deine
-Narrenkappe abgeleget, hingegen aber deinen närrischen
-Kopf noch behalten hast, der nit begreifen kann, was
-gut und bös ist.«</p>
-
-<p>Ich gedachte, du mußt andere Worte hervorsuchen
-als bisher.</p>
-
-<p>»Wo ist sein Tag je erhört,« sagte ich, »daß der
-Lehrjung das Handwerk besser versteht als der Lehrmeister.
-Bruder, hast du ein so edel, glückselig Leben,
-wie du vorgibst, so mache mich seiner teilhaftig, sintemal
-ich eines guten Glückes hoch vonnöten.«</p>
-
-<p>»Sei versichert, Bruder,« antwortete Olivier, »daß
-ich dich so sehr liebe als mich selbsten, und daß mir
-die Beleidigung, die ich dir heut zugefügt, viel weher
-tut, als die Kugel, damit du mich an meine Stirn getroffen.
-Warum sollte ich dir dann etwas versagen
-können? Wann dirs beliebet, so bleib bei mir, ich will
-vor dich sorgen als wie vor mich. Damit du aber
-glaubest, so will ich dir die Ursache meiner Liebe sagen.
-&mdash; Der alte Herzbruder hat mir vor Magdeburg diese
-Worte geweissaget: &#8218;Olivier, siehe unsern Narren an
-wie du wilt, so wird er dannoch durch seine Tapferkeit
-dich erschröcken und dir den größten Possen erweisen,
-der dir dein Lebtag je geschehen wird, weil du ihm
-darzu verursachet. Doch wird er dir dein Leben schenken,<span class="pagenum"><a name="Seite_p268" id="Seite_p268">[S. 268]</a></span>
-so in seinen Händen gestanden, und wird an den
-Ort kommen, da du erschlagen wirst, daselbst wird er
-glückselig deinen Tod rächen.&#8217; &mdash; Dieser Weissagung
-halber, lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, bin ich bereit, dir mein Herz
-im Leib zu teilen, dann etlichs von den Worten des
-alten Herzbruder ist mit heutigem Tag erfüllet. Also
-zweifle ich nicht, daß das übrige von meinem Tod auch
-im wenigsten fehlschlagen werde. Aus solcher Rache
-nun, mein lieber Bruder, muß ich schließen, daß du
-mein getreuer Freund seiest. Da hast du nun die <span class="antiqua">Concepta</span>
-meines Herzens.«</p>
-
-<p>Ich gedachte: traue dir der Teufel, ich nicht. Nehme
-ich Geld von dir auf den Weg, so möchtest du mich
-erst niedermachen, bleibe ich bei dir, so muß ich sorgen,
-mit dir gevierteilt zu werden. Satzte mir demnach vor,
-ich wollte ihm eine Nase drehen und bei ihm bleiben,
-bis ich mit Gelegenheit von ihm kommen könnte. Ich
-sagte ihm derhalben, so er mich leiden möchte, so wollte
-ich mich ein Tag oder acht bei ihm aufhalten, ob ich
-auf solche Art zu leben gewöhnen könnte. So sollte er
-beides: einen guten Soldaten und einen getreuen Freund
-an mir haben.</p>
-
-<p>Hierauf satzte er mir mit dem Trunk zu, ich getraute
-aber auch nicht und stellete mich voll eh ichs
-war.</p>
-
-<p>Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf, <span class="antiqua">Simplici</span>,
-wir wollen in Gottes Namen hinaus und sehen,
-was etwan zu bekommen sein möchte.«</p>
-
-<p>Ach Gott, dachte ich, soll ich dann nun in deinem
-hochheiligen Namen auf die Rauberei gehen und bin
-hiebevor nit so kühn gewesen, ohn Erstaunen zuzuhören,
-wann einer sagte: Komm Bruder, wir wollen
-in Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p269" id="Seite_p269">[S. 269]</a></span>
-O himmlischer Vater, wie habe ich mich verändert,
-ach, hemme meinen Lauf!</p>
-
-<p>Mit dergleichen Gedanken folgete ich Olivier in ein
-Dorf, darin keine lebendige Kreatur war. Da stiegen
-wir des fernen Aussehens halber auf den Kirchturm.
-Dort hatte er zwei Laib Brot, etliche Stücke gesotten
-Dörrfleisch und ein Fäßlein voll Wein im Vorrat. Er
-sagte mir, daß er noch etliche solcher Örter hätte, die
-mit Speis und Trank versehen wären, damit, wann
-Bläsi an dem einen Ort nicht zu Haus wäre, er ihn
-am andern finden könnte. Ich mußte zwar seine
-Klugheit loben, gab ihm aber zu verstehen, daß
-es doch nicht schön stünde, einen so heiligen Ort zu
-beflecken.</p>
-
-<p>»Was beflecken? Die Kirchen, so sie reden könnten,
-würden gestehen, daß sie meine Laster entgegen denen,
-so hiebevor in ihnen begangen worden, noch vor ganz
-gering aufnehmen müßten. Wie mancher und wie manche
-seit Erbauung dieser Kirchen sein hereingetreten unter
-dem Schein, Gott zu dienen, da sie doch nur hergekommen,
-ihre neuen Kleider, ihre schöne Gestalt, ihre
-Würden und sonst so etwas sehen zu lassen. Da kommt
-einer zur Kirche wie ein Pfau und stellet sich vor den
-Altar, als ob er den Heiligen die Füße abbeten wollte,
-dort steht einer in der Ecke, zu seufzen wie der Zöllner
-im Tempel, welche Seufzer aber nur zu seiner Liebsten
-gehen, in deren Angesicht er seine Augen weidet, um
-derentwillen er sich auch eingestellet. Ein anderer kommt
-vor oder, wanns wohlgerät, in die Kirche mit einem
-Gebund Briefe, wie einer, der eine Brandsteuer sammlet,
-seine Zinsleute zu mahmen. Hätte er aber nicht gewußt,
-daß seine Schuldner zur Kirche kommen müßten, so
-wäre er fein daheim über seinen Registern sitzen geblieben.<span class="pagenum"><a name="Seite_p270" id="Seite_p270">[S. 270]</a></span>
-Meinest du nicht, es werden auch von denenjenigen
-in die Kirche begraben, die Schwert, Galgen,
-Feuer und Rad verdienet hätten? Mancher könnte seine
-Buhlerei nicht zu Ende bringen, da ihm die Kirche
-nicht beförderlich wäre. Ist etwas zu verkaufen oder
-zu verleihen, so wird es an die Kirchtür geschlagen.
-Wann mancher Wucherer die ganze Woche keine Zeit
-nimmt, seiner Schinderei nachzusinnen, so sitzt er unter
-währendem Gottesdienst in der Kirche und dichtet, wie
-der Judenspieß zu führen sei. Da sitzen sie wohl hier
-und dort unter der Messe und Predigt, miteinander zu
-diskurieren und dann werden oft Sachen beratschlagt,
-deren man an Privatörtern nicht gedenken dörfte. Teils
-sitzen dort und schlafen, als ob sie es verdingt hätten.
-Etliche richten die Leut aus: Ach wie hat der Pfarrer
-diesen und jenen so artlich in seiner Predigt getroffen!
-Andere geben fleißig Achtung auf ihren Seelsorger,
-damit sie ihn, wann er nur im geringsten anstößt,
-durchziehen und tadeln möchten. Nicht allein in ihrem
-Leben beschmutzen die Menschen mit Lastern die Kirchen,
-sondern auch nach ihrem Tod mit Eitelkeit und
-Torheit. Du wirst an den Grabsteinen sehen, wie diejenigen
-noch prangen, die doch die Würmer schon längst
-gefressen. Siehest du dann in die Höhe der Kirche, so
-kommen dir mehr Schilde, Helme, Waffen, Degen,
-Fahnen, Stiefel, Sporen und dergleichen Ding ins Gesicht
-als in mancher Rüstkammer, dahero kein Wunder,
-daß sich die Bauren diesen Krieg über an etlichen
-Orten aus den Kirchen, wie aus Festungen um das
-Ihre gewehrt. &mdash; Ist es billig, daß mancher Reiche
-um ein Stück Geld in die Kirche begraben wird, hingegen
-der Arme außerhalb in einem Winkel verscharrt
-werden muß? Warum endlich sollte mir verboten sein,<span class="pagenum"><a name="Seite_p271" id="Seite_p271">[S. 271]</a></span>
-meine Nahrung vermittels eines Kirchtums zu suchen,
-da sich doch sonst so viel Menschen von der Kirche
-ernähren?«</p>
-
-<p>Ich hätte Olivier gerne geantwortet, doch getrauete
-ich mich nicht nach meinem Herzen zu reden.</p>
-
-<p>Er fragte mich, wie mirs ergangen, sint wir vor
-Magdeburg voneinder gekommen, weil ich aber wegen
-der Halsschmerzen gar zu unlustig, entschuldigte ich
-mich mit Bitte, er wollte mir doch zuvor seines Lebens
-Lauf erzählen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p272" id="Seite_p272">[S. 272]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_achte_Kapitel" id="Buch4_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p>»Mein Vater«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt
-Aach von geringen Leuten geboren worden.
-Er mußte bei einem reichen Kaufmann, der mit Kupfer
-schacherte, dienen und hielt sich so fein, daß der ihm
-Schreiben, Lesen und Rechnen lernen ließ und endlich
-über seinen ganzen Handel satzte. Dies schlug beiden
-Teilen wohl zu. Der Kaufmann ward je länger je
-reicher, mein Vater aber je länger je stolzer, daß er sich
-auch seiner Eltern schämete und sie verachtete. Der
-Kaufmann starb und verließ seine alte Witwe samt
-deren einziger Tochter, die kürzlich in eine Pfanne getreten
-und sich von einem Gademhengst ein Junges
-hatte zweigen lassen, das aber seinem Großvater bald
-nachfolgte. Da nun mein Vater sahe, daß die Tochter
-zwar vater- und kinderlos aber nicht geldlos worden,
-achtete er nicht, daß sie keinen Kranz mehr tragen
-dorfte, sondern erwug ihren Reichtum und machte sich
-bei ihr zutäppisch, so ihre Mutter gern zuließ, dann
-mein Vater hatte um den ganzen Kindeshandel Wissenschaft
-und konnte sonst mit dem Judenspieß trefflich
-fechten. Also ward mein Vater unversehens ein reicher
-Kaufmann, ich aber, sein Erbe, ward in Kleidung gehalten
-wie ein Edelmann, in Essen wie ein Freiherr
-und in der übrigen Wartung wie ein Graf.</p>
-
-<p>Kein Schelmstück war mir zu viel, dann was zur
-Nessel werden soll, brennt bei Zeiten. Ich terminierte
-mit bößen Buben durch dick und dünn auf der Gasse.
-Kriegte ich Stöße, so sagten meine Eltern: soll so ein
-großer Flegel sich mit einem Kinde schlagen! Überwand
-ich, maßen ich kratzte, biß und warf, so sagten sie:<span class="pagenum"><a name="Seite_p273" id="Seite_p273">[S. 273]</a></span>
-unser Oliviergen wird ein braver Kerl. Ich ward immer
-ärger, bis man mich zur Schule schickte. Was die bösen
-Buben ersannen und nicht praktizieren dorften, das
-satzte ich ins Werk. Meinen Schulmeister tät ich großen
-Dampf an, dann er dorfte mich nicht hart halten, weil
-er ziemliche Verehrung von meinen Eltern bekam.</p>
-
-<p>Ich stäubte Nießwurz an den Ort, da man die Knaben
-zu kastigieren pflegte; wann sich dann etwa ein halsstarriger
-wehrte, so stob mein Pulver herum und machte
-mir eine angenehme Kurzweile, dann alles nießen mußte.
-Ich stahl oft dem einen etwas und steckte es dem andern
-in den Sack, dem ich gern Stöße angerichtet. Mit
-solchen Griffen konnte ich so behutsam umgehen, daß
-ich fast niemals darüber erdappt ward.</p>
-
-<p>Weilen sich meines Vaters Reichtum täglich mehrete,
-als bekam er auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer,
-die meinen guten Kopf trefflich lobten und
-meine Untugenden zu entschuldigen wußten. Derowegen
-hatten meine Eltern eine Freude an ihrem Sohn, als
-die Grasmücke, die einen Guckuck aufzeucht. Sie dingten
-mir einen eigenen <span class="antiqua">Praeceptor</span> und schickten mich nach
-Lüttich, mehr daß ich dort Welsch lernen, als studieren
-sollte, weil sie keinen Theologum, sondern einen Handelsmann
-aus mir erziehen wollten. Dieser hatte Befehl,
-mich beileib nicht streng zu halten, daß ich kein forchtsam
-knechtisch Gemüt überkäme und nicht leutscheu,
-sondern ein Weltmann würde.</p>
-
-<p>Ermeldter <span class="antiqua">Praeceptor</span> war dieser Weisung unbedürftig
-und von sich selbsten auf alle Büberei geneigt,
-aufs Buhlen und Saufen aber am meisten, ich aber
-von Natur aus aufs Balgen und Schlagen. Daher ging
-ich schon bei Nacht mit ihm und seines gleichen <span class="antiqua">gassatim</span>
-und lernte ihm in Kürze mehr Untugenden ab als Latein.<span class="pagenum"><a name="Seite_p274" id="Seite_p274">[S. 274]</a></span>
-Beim Studieren verließ ich mich auf mein gut Gedächtnis
-und scharfen Verstand. Mein Gewissen war
-bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte
-fahren mögen. Ich fragte nichts darnach, wann ich in
-der Kirche unter der Predigt schlüpfrige Bücher lase,
-und hörte nichts Liebers vom ganzen Gottesdienst, als
-wann man sagte: <span class="antiqua">Ite, missa est.</span> Darneben dünkte ich
-mich keine Sau zu sein, sondern hielt mich recht stutzerisch,
-alle Tage wars mir Martins-Abend oder Faßnacht.
-Da mir mein Vater zur Notdurft reichlich schickte
-und auch meiner Mutter fette Milchpfennige tapfer
-durchgehen ließe, lockte uns auch das Frauenzimmer an
-sich. Bei diesen Schleppsäcken lernte ich Löffeln, Buhlen
-und Spielen; Hadern, Balgen und Schlagen konnte ich
-zuvor.</p>
-
-<p>Mein Vater erfuhr dieses herrliche Leben durch seinen
-Faktor in Lüttich. Der bekam Befehl, den <span class="antiqua">Praeceptor</span>
-abzuschaffen und den Zügel fürderhin nicht so lang zu
-lassen, mich ferner genauer im Gelde zu halten. Solches
-verdroß uns beide. Demnach wir aber nicht mehr wie
-hiebevor spendieren konnten, gesellten wir uns zu einer
-Bursch, die den Leuten des Nachts auf der Gasse die
-Mäntel abzwackte oder sie gar in der Maas ersäufte.
-Was wir solchergestalt eroberten, verschlemmten wir
-mit unseren Huren und ließen das Studieren beinahe
-ganz unterwegen.</p>
-
-<p>Als wir nun einsmals bei Nacht herum schlingelten,
-den Studenten ihre Mäntel hinweg zu vulpinieren,
-wurden wir überwunden, mein <span class="antiqua">Praeceptor</span> erstochen
-und ich neben andern fünfen, die rechte Spitzbuben
-waren, erdappt und eingezogen. Auf Bürgschaft des
-Faktors, der ein ansehnlicher Mann war, ward ich losgelassen,
-doch daß ich bis auf weiteren Bescheid in<span class="pagenum"><a name="Seite_p275" id="Seite_p275">[S. 275]</a></span>
-seinem Hause im Arrest bleiben sollte. Jene fünf wurden
-als Spitzbuben, Räuber und Mörder gestraft. Mein
-Vater kam eiligst selbst auf Lüttich, richtete meine Sache
-mit Geld aus, hielt mir eine scharfe Predigt und verwiese
-mir, was ich ihm vor Kreuz und Unglück und
-meiner Mutter vor Verzweiflung machte &mdash; auch, daß
-er mich enterben und vorn Teufel hinwegjagen wollte.
-Ich versprach Besserung und ritte mit ihm nach Haus;
-also hat mein Studieren ein Ende genommen.</p>
-
-<p>Ich war kein ehrbarer <span class="antiqua">Domine</span> geworden, sondern
-ein Disputierer und Schnarcher, der sich einbildete, er
-verstehe trefflich viel. Und mein Vater befand, daß ich
-im Grund verderbt wäre.</p>
-
-<p>»Höre, Olivier,« sagte er, »ich sehe deine Eselsohren
-je länger je mehr hervorragen, du bist eine unnütze Last
-auf Erden. Ein Handwerk zu lernen bist du zu groß,
-einem Herren zu dienen bist du zu flegelhaftig, meine
-Hantierung zu begreifen und zu treiben bist du nichts
-nutz. Ich habe gehofft dich zum Manne zu machen, so
-habe ich dich hingegen jetzt aus des Henkers Händen
-erkaufen müssen: Pfui, der Schande!«</p>
-
-<p>Dergleichen Lectionen mußte ich täglich hören, bis
-ich zuletzt auch ungeduldig ward und sagte, ich wäre an
-allem nicht schuldig, sondern er und mein <span class="antiqua">Praeceptor</span>,
-der mich verführt hätte. Daß er keine Freude an mir
-erlebe, wäre billig, sintemal seine Eltern sich auch seiner
-nicht erfreuen, als er sie gleichsam im Bettel verhungern
-lasse. Da erdappte er einen Prügel und wollte mir
-meine Wahrsagung lohnen, hoch und teuer sich verschwörend,
-er wolle mich nach Amsterdam ins Zuchthaus
-tun. Ich ging durch und ritte seinen besten Hengst
-auf Köln zu.</p>
-
-<p>Den versilberte ich, kam abermals in eine Gesellschaft<span class="pagenum"><a name="Seite_p276" id="Seite_p276">[S. 276]</a></span>
-der Spitzbuben und Diebe und half bei Nacht einfahren.
-Maßen aber einer kurz hernach ergriffen ward, als er
-einer vornehmen Frau auf dem Alten Markt ihren
-schweren Beutel doll machen wollte und ich ihn einen
-halben Tag mit dem eisernen Halskragen am Pranger
-stehen sah, dergleichen wie sie ihm ein Ohr abschnitten
-und ihn mit Ruten aushieben, ward mir das Handwerk
-verleidet. Unser Obrister, bei dem wir vor Magdeburg
-gewesen, nahm eben damals Knechte an; ich ließ
-mich derowegen vor einen Soldaten unterhalten.</p>
-
-<p>Nachgehends ging sein Schreiber mit Tod ab, so
-nahm mich der Obrist an dessen Statt zu sich, dann
-er hatte vernommen, daß ich eines reichen Kaufmanns
-Sohn wäre. Ich lernte von unserm <span class="antiqua">Secretario</span>, wie
-ich mich halten sollte, und mein Vorsatz, groß zu werden,
-verursachte, daß ich mich ehrbar und reputierlich
-einstellte und nit mehr mit Lumpenpossen schleppte.«</p>
-
-<p>Sonach erzählte mir Olivier das Schelmenstück, das
-er meinem jungen Herzbruder mit dem übergöldten
-Becher angetan, damit er den alten Herzbruder auf den
-Tod gekränket, und mir ward grün und gelb vor Augen,
-als ich es aus seinem eigenen Maul hören mußte.
-Gleichwohl dorfte ich keine Rache nehmen.</p>
-
-<p>»Im Treffen vor Wittstock«, sagte Olivier, »hielt ich
-mich nicht wie ein Federspitzer, der nur auf das Tintenfaß
-bestellt ist. Ich war wohl beritten und so fest als
-Eisen, ließ derhalben meinen <span class="antiqua">Valor</span> sahen, als einer der
-durch den Degen hoch zu kommen oder zu sterben gedenket.
-Wie eine Windsbraut vagierte ich um unsere
-Brigade herum, mich zu exerzieren und zu erweisen,
-daß ich besser zu den Waffen als zur Feder tauge. Aber
-das Glück der Schweden überwand, ich wurde gefangen.</p>
-
-<p>In einem Regiment, welches nach Pommern gelegt<span class="pagenum"><a name="Seite_p277" id="Seite_p277">[S. 277]</a></span>
-ward, sich wieder zu erholen, ließ ich treffliche Courage
-verspüren und ward zum Korporal gemacht. Aber ich
-gedachte wieder unter die Kaiserlichen zu kommen. &mdash;
-Einsmals hatte ich mit sieben Musketierern achthundert
-Gulden ausständige Kontribution in unseren abgelegenen
-Quartieren erpreßt. Da ich nun das Geld beisammen
-trug, zeigte ich es meinen Burschen und machte ihre
-Augen nach demselben lüsternd, also daß wir des Handels
-einig wurden zu teilen und durchzugehen. Sonach
-persuadierte ich drei, daß sie mir halfen die andern vier
-tot zu schießen, und wir teileten das Geld. Unterwegs
-überredete ich noch einen, daß er auch die zween übrigen
-nieder schießen half. Den letzten erwürgte ich auch. So
-kam ich nach Werle, allwo ich mich anwerben ließ und
-mit dem Gelde ziemlich lustig machte.</p>
-
-<p>Ich hörte daselbst viel Rühmens von einem jungen
-Soldaten in Soest, der sich treffliche Beuten und einen
-großen Namen machte. Man nannte ihn wegen seiner
-grünen Kleidung den Jäger. Mein Geld ging auf die
-Neige, derhalben ich mir einen grünen Wams und Hosen
-machen ließ und auf seinem Namen mit Verübung
-allerhand Exorbitantien in allen Quartieren stahl, soviel
-ich konnte. Der Jäger ließ mich herausfordern,
-aber der Teufel hätte mit ihm fechten mögen, den er
-auch in den Haaren sitzen hatte. Der würde mir meine
-Festigkeit schön aufgetan haben. Doch konnte ich seiner
-List nicht entgehen. Er praktizierte mich mich Hülfe
-zweier leibhaftiger Teufel in eine Schäferei und zwang
-mich zu der spöttlichsten Sache von der Welt, davon
-ich mich dergestalt schämte, daß ich hinweg nach Lippstadt
-lief.</p>
-
-<p>Ich nahm fürders holländische Dienste, allwo ich
-zwar richtigere Bezahlung aber vor meinen Humor<span class="pagenum"><a name="Seite_p278" id="Seite_p278">[S. 278]</a></span>
-einen langweiligen Krieg fand, dann da wurden wir
-eingehalten wie die Mönche und sollten züchtiger leben
-als die Nonnen.</p>
-
-<p>Also gedachte ich mich zu den Spanischen zu schlagen
-und entwich, maßen mir der holländer Boden heiß geworden
-war. Allein mir ward der Kompaß verruckt,
-daß ich unversehens an die Bayrischen geriet. Mit
-denselben marschierte ich unter den Merode-Brüdern
-aus Westfalen bis ins Brißgäu und nährte mich mit
-Spielen und Stehlen, bis das Treffen vor Wittenweyer
-vorüberging, in welchem ich gefangen, abermals unter
-ein Regiment zu Fuß gestoßen und also zu einem
-Weimarischen Soldaten gemacht ward. Es wollte mir
-aber im Läger vor Breisach nicht gefallen, darum
-quittierte ichs bei Zeiten und ging davon, vor mich
-selbst zu kriegen, wie du siehest.«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p279" id="Seite_p279">[S. 279]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_neunte_Kapitel" id="Buch4_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführte,
-konnte ich mich nicht genugsam über die göttliche
-Vorsehung verwundern. Dann sollte diese Bestia gewußt
-haben, daß ich der Jäger von Soest gewesen wäre, so
-hätte er mir gewißlich wieder eingetränkt, was ich ihm
-hiebevor auf der Schäferei getan. Ich sahe erst, was ich
-dem Olivier vor einen Possen erwiesen und wie weislich
-und obscur der alte Herzbruder seine Weissagungen gegeben,
-und wie es dannoch schwer fallen würde und seltsam
-hergehen müßte, da ich eines solchen Tod, der Galgen
-und Rad verdienet hätte, rächen sollte. Indem ich nun
-solche Gedanken machte, ward ich in Oliviers Gesicht
-etlicher Ritze gewahr, die ich vor Wahrzeichen des Spring-ins-Feld
-und seiner Teufelskrallen hielte. Ich fragte,
-woher ihm solche Zeichen kämen.</p>
-
-<p>»Ach Bruder,« antwortete er, »wann ich dir alle meine
-Bubenstücke und Schelmerei erzählen sollte, so würde
-beides: mir und dir die Zeit zu lang werden. Ich will
-dir hievon auch die Wahrheit sagen, obschon es scheinet,
-als gereiche sie mir zum Spott.</p>
-
-<p>Ich glaube gänzlich, daß ich vom Mutterleib an zu
-einem gezeichneten Angesicht vorbestimmt gewesen sei.
-In meiner Jugend ward ich von meinesgleichen Schuljungen
-zerkratzt, so hielt mich auch einer von denen
-Teufeln, die dem Jäger von Soest aufwarteten, überaus
-hart, maßen man seine Klauen wohl sechs Wochen
-in seinem Gesicht spürete. Diese Striemen aber, die du
-jetzt siehest, haben einen anderen Ursprung: Als ich unter
-den Schweden im Pommer lag und eine schöne Matresse
-hatte, mußte mein Wirt aus seinem Bette weichen<span class="pagenum"><a name="Seite_p280" id="Seite_p280">[S. 280]</a></span>
-und uns hineinlegen lassen. Seine Katze, die in demselben
-Bette zu schlafen gewohnt war, kam alle Nacht
-und machte uns große Ungelegenheit, dann meine Matresse
-konnte keine Katze leiden und verschwur sich hoch,
-sie wollte mir in keinem Fall mehr Liebes erweisen,
-bis ich ihr zuvor die Katze hätte abgeschafft. So gedachte
-ich mich an der Katze zu rächen, daß ich auch
-eine Lust daran haben möchte. Steckte sie derhalben in
-einen Sack, nahm meines Wirts beide starke Baurenhunde
-mit mir auf eine breite, lustige Wiese und gedachte
-da meinen Spaß zu haben, dann ich vermeinte,
-weil kein Baum in der Nähe war, auf den sich die
-Katze retirieren konnte, würden sie die Hunde eine Weile
-hin und her jagen, wie einen Hasen raumen und mir
-eine treffliche Kurzweile anrichten. Aber Potz Stern!
-es ging mir nicht allein hundeübel, wie man zu sagen
-pfleget, sondern auch katzenübel, maßen die Katze, sobald
-ich den Sack auftat, nur ein weites Feld, ihre
-zwei starken Feinde und nichts Hohes vor sich sahe, dahin
-sie ihre Zuflucht hätte nehmen mögen. Derowegen sprang
-sie auf meinen Kopf. &mdash; Je mehr ich sie nun herunter
-zu zerren trachtete, je fester schlug sie ihre Krallen ein.
-Solch unserem Gefecht konnten die beiden Hunde nicht
-lang zusehen, sondern mengten sich mit ins Spiel, sie
-sprangen mit offenem Rachen hinten, vorne, zur Seite
-nach der Katze, die sich mit ihren Klauen einkrallete,
-so gut sie konnte. Tät sie aber mit ihrem Dornhandschuh
-einen Fehlstreich nach den Hunden, so traf mich
-derselbe gewiß. Weil sie aber auch die Hunde auf die
-Nase schlug, beflissen sich dieselbigen, sie mit ihren Talpen
-herunter zu bringen und gaben mir damit manchen
-Griff ins Gesicht. Wann ich aber selbst mit beiden Händen
-nach der Katze tastete, sie herunter zu reißen, biß<span class="pagenum"><a name="Seite_p281" id="Seite_p281">[S. 281]</a></span>
-und kratzte sie nach ihrem besten Vermögen. Also ward
-ich beides: von den Hunden und von der Katze dergestalt
-schröcklich zugerichtet, daß ich schwerlich einem
-Menschen gleichsahe. Mein Kragen und Koller war
-blutig wie eines Schmiedes Notstall am St. Stefanstag,
-wann man die Pferde zur Ader läßt, und ich wußte
-ganz kein Mittel, mich aus diesen Ängsten zu erretten.
-Zuletzt so mußte ich von freien Stücken auf die Erde
-niederfallen, damit beide Hunde die Katze erwischen
-konnten, wollte ich anderst nicht, daß mein Kapitolium
-noch länger ihr Fechtplatz sein sollte. Die Hunde erwürgten
-zwar die Katze, ich hatte aber bei weitem keinen
-so herrlichen Spaß davon. Dessentwegen ward ich so
-ergrimmt, daß ich nachgehends beide Hunde totschoß und
-meine Matreß dergestalt abprügelte, daß sie hätte Öl geben
-mögen und darüber von mir weglief, weil sie ohn Zweifel
-keine solche abscheuliche Larve länger lieben konnte.«</p>
-
-<p>Ich hätte gerne gelacht und mußte mich doch mitleidentlich
-erzeigen. Und als ich eben auch anfing, meines
-Lebens Lauf zu erzählen, sahen wir eine Kutsche samt
-zwei Reutern das Land herauf kommen. Wir satzten
-uns in ein Haus, das an der Straße lag und sehr bequem
-war, Reisende anzugreifen. Olivier legte mit einem
-Schuß gleich den einen Reuter und das Pferd, eh sie
-unserer inne wurden, deswegen dann der andere gleich
-durchging. Indem ich mit übergezogenem Hahn den
-Kutscher halten und absteigen gemachet, sprang Olivier
-auf ihn dar und spaltete ihm mit seinem breiten Schwert
-den Kopf bis auf die Zähne, wollte auch gleich die
-Frauenzimmer und Kinder metzgen, so vor Schröcken
-mehr den toten Leichen als den Lebenden gleich sahen.
-Ich aber wollte es rund nicht gestatten und sagte, er
-müßte mich zuvor erwürgen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p282" id="Seite_p282">[S. 282]</a></span>
-
-»Ach, du närrischer <span class="antiqua">Simplici</span>, daß du so ein heilloser
-Kerl bist und dich dergestalt anläßt!«</p>
-
-<p>»Bruder, wes willst du die unschuldigen Kinder zeihen?
-Wann es Kerl wären, die sich stellen könnten!«</p>
-
-<p>»Was! Eier in die Pfannen, so werden keine Junge
-draus! Ich kenne diese jungen Blutsauger wohl! Ihr
-Vater, der Major, ist ein rechter Schindhund und der
-erste Wamsklopfer von der Welt.«</p>
-
-<p>Mit solchen Worten wollte er immer fortwürgen,
-doch enthielt ich ihn so lang, bis er sich endlich erweichen
-ließe. Es waren aber einer Majors Weib, ihre Magd
-und drei Kinder, die mich von Herzen daureten. Wir
-sperrten sie in einen Keller, auf daß sie uns nicht so
-bald verraten sollten, darin sie sonst nichts als Obst und
-weiße Rüben zu beißen hatten, bis sie gleichwohl von
-jemand erlöst würden. Demnach plünderten wir die
-Kutschen und zogen mit schönen Pferden in Wald, wo
-er zum dicksten war.</p>
-
-<p>Da sahe ich unweit von uns einen Kerl stockstill an
-einem Baum stehen, solchen wiese ich dem Olivier aus
-Vorsicht.</p>
-
-<p>»Ha, Narr,« antwortete er, »es ist ein Jud, den hab
-ich hingebunden. Der Schelm ist aber vorlängst erfroren
-und verreckt.« Indem ging er zu ihm, klopfte ihm mit
-der Hand unten ans Kinn und sagte: »Du Hund, hast
-mir viel schöne Dukaten gebracht!«</p>
-
-<p>Da rollten dem Juden etliche Dublonen zum Maul
-heraus, welche der arme Schelm noch bis in seinen Tod
-davon bracht hatte. Olivier griff ihn darauf ins Maul
-und brachte zwölf Dublonen und einen köstlichen Rubin
-zusammen.</p>
-
-<p>»Diese Beute habe ich dir zu danken, <span class="antiqua">Simplici</span>.«</p>
-
-<p>Schenkte mir darauf den Rubin, stieß das Geld zu<span class="pagenum"><a name="Seite_p283" id="Seite_p283">[S. 283]</a></span>
-sich und ging seinen Baurn zu holen mir Befehl, ich
-sollte indessen bei den Pferden verbleiben, aber wohl
-zusehen, daß mich der tote Jud nicht beiße.</p>
-
-<p>Derweilen schlug mir das Gewissen merklich, darum
-daß ich die Kutsche aufgehalten, daß der Kutscher so
-erbärmlich ums Leben kommen und beide Weibsbilder
-mit denen unschuldigen Kindern in den Keller versperrt
-worden, worin sie vielleicht wie dieser Jude verderben
-mußten. Allein ich fand nicht Mittel noch Ausweg, dann
-ich gedachte, würdest du von den Weimarischen mit
-diesen Pferden erwischt, so wirst du als ein überzeugter
-Mörder aufs Rad gelegt, und ob deine Füße auch
-schnell genug wären, du wolltest desto weniger den
-Bauren auf dem Schwarzwald, so damals den Soldaten
-auf die Hauben klopften, entrinnen. Indem ich
-mich nun selbst so marterte und quälete und doch nichts
-entschließen konnte, kam Olivier mit dem Baur daher.
-Der führte uns mit den Pferden auf einen Hof, da wir
-fütterten. Wir ritten nach Mitternacht weiters und kamen
-gegen Mittag an die äußerste Grenzen der Schweizer,
-allwo Olivier wohl bekannt war und uns stattlich auftragen
-ließ. Der Wirt schickte nach zweien Juden, die
-uns die Pferde abhandelten. Es war alles so nett und
-just bestellt, daß es wenig Wortwechselns brauchte. Der
-Juden große Frage war, ob die Pferde kaiserisch oder
-schwedisch gewesen. Da sie vernahmen, daß sie von den
-Weimarischen herkämen, sagten sie, so müsse man solche
-nicht nach Basel sondern in das Schwabenland zu den
-Bayrischen reuten. Über welche große Kundschaft und
-Verträulichkeit ich mich verwundern mußte.</p>
-
-<p>Wir bankettierten edelmännisch und ich ließ mir die
-guten Waldforellen und köstlichen Krebs wohl schmäcken.
-Wie es Abend ward, so machten wir uns wieder auf<span class="pagenum"><a name="Seite_p284" id="Seite_p284">[S. 284]</a></span>
-den Weg, hatten unsern Baur mit Gebratens und andern
-Viktualien wie einen Esel beladen. Damit kamen
-wir den andern Tag auf einen einzelnen Baurenhof,
-allwo wir freundlich aufgenommen wurden und uns
-wegen ungestümen Wetters ein paar Tage aufhielten.
-Folgends kamen wir auf Wald und Abwegen wieder
-in das Häuslein, dahin mich Olivier anfänglich geführet.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p285" id="Seite_p285">[S. 285]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_zehent_Kapitel" id="Buch4_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Wie wir nun so dasaßen auszuruhen, schickte Olivier
-den Baur aus, Essensspeise samt Zündkraut
-und Lot einzukaufen. Und als selbiger hinweg
-war, zog er seinen Rock aus und sagte:</p>
-
-<p>»Bruder, ich mag das Teufelsgeld nicht mehr allein
-herumschleppen!« &mdash; Band demnach ein paar Würste
-oder Wülste, die er auf bloßem Leib trug, herunter und
-warf sie auf den Tisch. »Das Donnergeld hat mir Beulen
-gedruckt.«</p>
-
-<p>Ich ergriff die Wülste und befand sie trefflich gewichtig,
-weil es lauter Goldsorten waren. Ich sagte, es sei
-alles unbequem gepackt, ich wollts einnähen, daß einem
-das Tragen nicht halb so sauer ankäme. Es gefiel ihm
-und ich machte mir und ihm ein Scapulier oder Schulterkleid
-aus einem Paar Hosen und versteppte manchen
-schönen, roten Batzen darein, daß wir unter dem Hemde
-hinten und vorn mit Gold gewappnet waren. So verriete
-er mir auch, daß er mehr als tausend Taler in
-einem Baume liegen hätte, aus welchem er den Baur
-hausen ließe, weil er solchen Schafmist nicht hoch halte.</p>
-
-<p>Wir bäheten uns beim Ofen und gedachten an kein
-Ungemach, da kamen, als wir uns dessen am wenigsten
-versahen, sechs Musketierer samt einem Korporal mit
-fertigem Gewehr und aufgepaßten Lunten ins Häuslein,
-stießen die Stubentür auf und schrieen, wir sollten
-uns gefangen geben. Aber Olivier, der sowohl als ich
-seine gespannte Musketen neben sich liegen hatte, antwortete
-ihnen mit einem Paar Kugeln, durch welche
-er gleich zween zu Boden fällete, ich aber erlegte den
-dritten und beschädigte den vierten durch einen gleichmäßigen<span class="pagenum"><a name="Seite_p286" id="Seite_p286">[S. 286]</a></span>
-Schuß. Darauf wischte Olivier mit seinem
-notfesten Schwert, welches Haare schur, vom Leder
-und hieb den fünften von der Achsel bis auf den Bauch
-hinunter, daß ihme das Eingeweide heraus und er neben
-demselben nieder fiel, indessen schlug ich dem sechsten mit
-umgekehrtem Feuerrohr auf den Kopf, daß er alle vier
-von sich streckte. Einen solchen Streich kriegte Olivier
-von dem siebenten, und zwar mit solcher Gewalt, daß
-ihm das Hirn herausspritzte, ich aber traf diesen wiederum
-dermaßen, daß er seinen Kameraden beim Totenreigen
-Gesellschaft leisten mußte. Der Beschädigte aber
-fing an zu laufen, als ob ihn der Teufel selbst gejagt
-hätte. Und dies Gefecht währte kürzer als eines Vaterunsers
-Länge.</p>
-
-<p>Sonach ich nun dergestalt allein Meister auf dem
-Platze blieb, beschauete ich den Olivier, ob er vielleicht
-noch einen lebendigen Atem in sich hätte. Da ich ihn
-aber ganz entseelt befand, dünkte es mich ungereimt zu
-sein, einem toten Körper so viel Goldes zu lassen, zog
-ihm derowegen das golden Fell ab und hing es mir an
-den Hals zu dem andern. Ich nahm auch Oliviers Muskete
-und Schwert zu mir, maßen mein Rohr zerschlagen
-war, und machte mich aus dem Staub auf einen Weg,
-da ich wußte, daß der Baur herkommen müsse.</p>
-
-<p>Und kaum eine halbe Stunde ging ich in meinen Gedanken,
-so kam unser Baur daher und schnaubte wie
-ein Bär, dann er lief von allen Kräften.</p>
-
-<p>»Warum so schnell? Was Neues?«</p>
-
-<p>»Geschwind, machet Euch abwegs! Es kommt ein
-Korporal mit sechs Musketierern, die haben mich gefangen,
-daß ich sie zu euch führen sollte, ich bin ihnen
-aber entronnen.«</p>
-
-<p>O Schelm, dachte ich, du hast uns um des Olivier<span class="pagenum"><a name="Seite_p287" id="Seite_p287">[S. 287]</a></span>
-Silbergeld verraten, ließe mich aber doch nichts merken,
-sondern sagte, daß Olivier und die andern tot wären.
-Das wollte er nicht glauben, bis ich ihn in das Häuslein
-führte, daß er das Elend an den sieben Körpern
-sehen könnte.</p>
-
-<p>Der Baur erstaunte vor Schröcken und fragte, was
-Rats.</p>
-
-<p>»Rat ist schon beschlossen. Unter dreien Dingen geb
-ich dir Wahl: Entweder führe mich alsbald durch
-sichere Abwege über den Wald hinaus nach Villingen
-oder zeige mir Oliviers Geld im Baum oder stirb hier.
-Führst du mich, so bleibt das Geld dein, wirst du mirs
-weisen, so teil ichs mit dir, tust du aber keines, so
-schieß ich dich tot.« &mdash; Der Baur wäre gern entloffen,
-aber er forchte die Muskete; fiele derhalben auf die
-Knie und erbot sich, mich über Wald zu führen.</p>
-
-<p>Also wanderten wir denselben Tag und folgende
-Nacht ohn Essen und Trinken, bis wir gegen Tag die
-Stadt Villingen vor uns liegen sahen. Den Baur trieb
-Todesfurcht, mich aber die Begierde, mich selbst und
-mein Gold davon zu bringen, und muß fast glauben,
-daß einem Menschen das Gold große Kräfte mitteilet,
-dann obzwar ich schwer genug daran trug, so empfand
-ich jedoch keine sonderbare Müdigkeit.</p>
-
-<p>Ich hielt es vor ein glücklich Omen, daß man die
-Pforte eben öffnete, als ich vor Villingen kam. Der
-Offizier von der Wacht examinierte mich, und da ich
-mich vor einen Freibeuter ausgab von jenem Regiment,
-wohin mich Herzbruder getan, wie auch, daß ich aus
-dem Läger vor Breisach von den Weimarischen herkäme
-und nunmehr zu meinem Regiment unter die
-Bayrischen begehrte, gab er mir einen Musketierer zu,
-der mich zum Kommandanten führte. Dem bekannte<span class="pagenum"><a name="Seite_p288" id="Seite_p288">[S. 288]</a></span>
-ich alles, daß ich mich ein Tag oder vierzehn bei einem
-Kerl aufgehalten und mit demselben eine Kutschen angegriffen,
-der Meinung, von den Weimarischen Beute
-zu holen und rechtschaffen montiert wieder zu unserem
-Regiment zu kommen. Wir seien aber von einem Korporal
-mit sechs andern Kerlen überfallen worden, dadurch
-mein Kamerad und sechs vom Gegenteil auf
-dem Platze geblieben. Der Kommandant wollte es
-fast nicht glauben, daß wir zween sollten sechs Mann
-niedergemacht haben und ich nahm Gelegenheit von
-Oliviers Schwert zu reden. Das gefiel ihm so wohl,
-daß ichs ihm, wollte ich anders mit guter Manier von
-ihm kommen und Paß erlangen, gegen einen andern
-Degen lassen mußte. Im Wahrheit aber so war dasselbe
-trefflich schön und gut. Es war ein ganzer, ewigwährender
-Kalender darauf geätzt.</p>
-
-<p>Ich ging den nächsten Weg ins Wirtshaus und wußte
-nicht, ob ich am ersten schlafen oder essen sollte. Doch
-wollte ich zuvor meinen Magen stillen und machte mir
-unterdessen Gedanken, wie ich meine Sachen anstellen,
-daß ich mit meinem Gold sicher nach L. zu meinem
-Weibe kommen möchte.</p>
-
-<p>Indem ich nun so spekulierte, hinkte ein Kerl mit
-einem Stecken in der Hand in die Stube, der hatte
-einen verbundenen Kopf, einen Arm in der Schlinge
-und so elend verlauste Kleider an, daß ich ihm keinen
-Heller darum gegeben hätte. Der Hausknecht wollte ihn
-austreiben, weil er übel stank. Er aber bat, ihn um
-Gottes Willen zu lassen, sich nur ein wenig zu erwärmen,
-so aber nichts half. Demnach ich mich seiner erbarmete
-und vor ihn bat, ward er kümmerlich zum Ofen gelassen.
-Er sahe mir, wie mich bedünkte, mit begierigem
-Appetit und großer Andacht zu, wie ich darauf hieb<span class="pagenum"><a name="Seite_p289" id="Seite_p289">[S. 289]</a></span>
-und ließ etliche Seufzer laufen. Und als der Hausknecht
-ging, mir ein Stück Gebratenes zu holen, ging er gegen
-mich zum Tisch zu und reichte ein irden Pfennighäfelein
-in der Hand dar, daß ich mir wohl einbilden konnte,
-warum er käme; nahm derhalben die Kanne und goß
-ihm seinen Hafen voll, eh er heischte.</p>
-
-<p>»Ach Freund,« sagte er, »um Herzbruders willen
-gebet mir auch zu essen!«</p>
-
-<p>Solches ging mir durchs Herz und ich befand, daß
-es Herzbruder selbsten war. Ich wäre beinahe in Ohnmacht
-gesunken, doch erhielt ich mich, fiel ihm um den
-Hals, satzte ihn zu mir, da uns beiden die Augen übergingen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p290" id="Seite_p290">[S. 290]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch4_Das_elfte_Kapitel" id="Buch4_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Wir konnten fast weder essen noch trinken, nur
-fragte einer den andern, wie's ihm ergangen.
-Der Wirt wunderte sich, daß ich einen so lausigen Kerl
-bei mir litte, ich aber sagte, solches sei unter Kriegskameraden
-Brauch. Da ich auch verstund, daß sich
-Herzbruder bisher im Spital aufgehalten, vom Almosen
-sich ernähret, und seine Wunden liederlich verbunden
-worden, dingte ich dem Wirt ein sonderlich
-Stüblein ab, legte Herzbruder in ein Bette, ließ ihm
-den besten Wundarzt kommen, wie auch einen Schneider
-und eine Näherin, ihn zu kleiden und den Läusen aus
-den Zähnen zu ziehen. Ich hatte eben diejenigen Dublonen,
-so Olivier dem toten Juden aus dem Maul bekommen,
-bei mir in einem Säckel. Dieselben schlug ich
-auf den Tisch und sagte dem Wirt zu Gehör:</p>
-
-<p>»Schau Herzbruder, das ist mein Geld, das will ich
-an dich wenden und mit dir verzehren.«</p>
-
-<p>Darnach der Wirt uns wohl aufwartete. Dem Barbier
-aber wies ich den Rubin, der ungefähr zwanzig Taler
-wert war und sagte, weil ich mein wenig Geld vor
-uns zu Zehrung und Kleidung aufwenden müßte, so
-wollte ich ihm denselben Ring geben, wenn er meinen
-Kameraden in Bälde von Grund aus kurieren wollte,
-dessen er dann wohl zufrieden war, daß er seinen besten
-Fleiß aufwandte.</p>
-
-<p>Also pflegte ich Herzbrudern wie meinem andern Ich.
-Der Kommandant, dem ich alles anzeigete, gönnte mir
-zu bleiben, bis mein Kamerad mir würde folgen können
-und versprach uns beide alsdann mit gemeinsamen Paß
-zu versehen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p291" id="Seite_p291">[S. 291]</a></span>
-
-Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam, bat
-ich ihn, er wollte mir unbeschwert erzählen, wie er in
-einen so armseligen Stand geraten wäre, dann ich bildete
-mir ein, er möchte vielleicht eines Versehens halber
-von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemachet
-und in gegenwärtiges Elend versetzt worden sei.</p>
-
-<p>Er aber sagte: »Du weißt, Bruder, daß ich des
-Grafen von Götz <span class="antiqua">Factotum</span> und geheimster Freund
-gewesen, daß aber der verwichene Feldzug unter seiner
-Generalität eine unglückliche Endschaft erreichet, indem
-wir die Schlacht bei Wittenweyer verloren. Weil nun
-deswegen hin und wieder von aller Welt sehr ungleich
-geredet ward, zumalen wohlgemeldter Graf sich zu verantworten
-nach Wien ist citieret, so lebe ich beides:
-vor Scham und Forcht freiwillig in dieser Niedere und
-wünsche mir oft entweder in diesem Elend zu sterben
-oder doch wenigst mich so lang verborgen zu halten,
-bis der Graf seine Unschuld an Tag gebracht. &mdash; Vor
-Breisach armierte ich mich selbst, da ich sahe, daß es
-unserseits so schläfrig herging, den andern zum Exempel.
-Ich kam unter den ersten Angängern an den Feind auf
-die Brücke, da es dann scharf herging. So empfing ich
-zugleich einen Schuß in meinen rechten Arm und den
-andern Schenkel, daß ich weder ausreißen, noch meinen
-Degen gebrauchen konnte. Und als die Enge des Ortes
-und der große Ernst nicht zuließ, viel von Quartiernehmen
-und -geben zu parlamentieren, kriegte ich einen
-Hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel. Und weil ich
-fein gekleidet war, wurde ich in der Furi von etlichen
-ausgezogen und vor tot in Rhein geworfen. In solchen
-Nöten schrie ich zu Gott, indem ich unterschiedliche
-Gelübde tät, spürete auch seine Hilfe. Der Rhein warf
-mich ans Land, allwo ich meine Wunden mit Moos<span class="pagenum"><a name="Seite_p292" id="Seite_p292">[S. 292]</a></span>
-verstopfte und beinahe erfror. Jedoch ich kroch davon
-und stieß unter etliche Merode-Brüder und Soldatenweiber,
-die sich meiner erbarmeten. Ich mußte aber
-sehen, daß sich die Unsrigen zu einem spöttlichen Abzug
-rüsteten, resolvierte derhalben bei mir selbsten, mich
-niemand zu offenbaren, und nahm meinen Elendsweg,
-von dem du mich hast aufgehoben.«</p>
-
-<p>Ich tröstete Herzbrudern so gut ich konnte und vertraute
-ihm, daß ich noch mehr Geld hätte als jene
-Dublonen. Und ich erzählte ihm Oliviers Untergang
-und was Gestalt ich seinen Tod habe rächen müssen.
-Welches sein Gemüt dermaßen erquickte, also daß es
-ihm auch an seinen Leib zustatten kam, maßen es sich
-an allen Wunden täglich mit ihm besserte.</p>
-
-
-
-
-<hr class="chap" />
-
-<h2><a name="Das_fuenfte_Buch" id="Das_fuenfte_Buch">Das fünfte Buch</a></h2>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_erste_Kapitel" id="Buch5_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3>
-
-
-<div class="nopagebreak">
- <img class="drop-cap" src="images/i295_cap.png" width="150" height="152" alt="" />
-</div>
-
-<p class="drop-cap">Nachdem Herzbruder wieder allerdings erstärkt,
-vertrauete er mir, daß er in den
-höchsten Nöten eine Wallfahrt nach
-Einsiedeln zu tun gelobt. Weil er dann
-jetzt ohn das so nahe am Schweizerland
-wäre, so wollte er solche verrichten
-und sollte er auch dahin betteln. Ich bot ihm
-Geld und meine Gesellschaft an, ja, ich wollte gleich
-zween Klepper kaufen. Nicht zwar der Ursache, daß
-mich die Andacht darzu getrieben, sondern um die Eidgenoßschaft
-zu besehen, als das einzige Land, darin der
-liebe Friede noch grünete. So freute mich auch nicht
-wenig, daß ich Gelegenheit hatte, Herzbrudern auf solcher
-Reise zu dienen, maßen ich ihn fast höher als mich
-selbst liebte. Er aber schlug beides: meine Hilfe und
-meine Gesellschaft ab mit Vorwand, seine Wallfahrt
-müsse zu Fuß und darzu auf Erbsen geschehen, meine
-Gesellschaft würde ihn nicht allein an der Andacht verhindern,
-sondern mir selbst große Ungelegenheit aufladen.
-Das redete er aber, mich von sich zu schieben, weil
-er sich ein Gewissen machte auf einer so heiligen Reise
-von dem Gelde zu zehren, das mit Morden und Rauben
-erobert worden. Er sagte unverholen, daß ich bereits
-mehr an ihm getan, weder ich schuldig gewesen, noch
-er zu erwidern getraue. Hierüber gerieten wir in ein
-freundlich Gezänke, das war so lieblich, als ich dergleichen
-niemals habe hören hadern. Bis ich endlich
-merkte, daß er beides: an Oliviers Geld und meinem
-gottlosen Leben einen Ekel hatte. Derhalben behalf ich
-mich mit Lügen und überredete ihn, daß mich mein<span class="pagenum"><a name="Seite_p296" id="Seite_p296">[S. 296]</a></span>
-Bekehrungsvorsatz nach Einsiedeln triebe, sollte er mich
-nun von einem so guten Werk abhalten und ich darüber
-sterben, so würde ers schwer verantworten können.
-Hierdurch persuadierte ich ihn, daß er es zuließ, sonderlich
-weil ich eine große Reue bezeugte, als ich ihn
-dann auch überredete, daß ich sowohl als er auf Erbsen
-nach Einsiedeln gehen wollte.</p>
-
-<p>Er willigte endlich drein, wiewohl mit Widerstreben,
-daß ich einen Paß bekam nach meinem Regiment (und
-nicht nach Einsiedeln) zu gehen. Mit demselben wanderten
-wir bei Beschließung des Tores samt einem getreuen
-Wegweiser aus der Stadt, als wollten wir nach
-Rottweil, wandten uns aber kurz durch Nebenwege
-und kamen noch dieselbige Nacht über die schweizerische
-Grenze und folgenden Morgen in ein Dorf, allda wir
-uns mit schwarzen langen Röcken, Pilgerstäben und
-Rosenkränzen montierten und den Boten wieder zurückschickten.</p>
-
-<p>Das Land kam mir so fremd vor gegen andern
-deutschen Ländern, als wann ich in Brasilia oder in
-China gewesen wäre. Da sahe ich die Leute im Frieden
-handeln und wandeln. Die Ställe stunden voll Viehe.
-Die Baurenhöfe liefen voll Hühner, Gäns und Enten.
-Die Straßen wurden sicher von den Reisenden gebrauchet.
-Die Wirtshäuser saßen voll Leute, die sich
-lustig machten. Da war ganz keine Forcht vor dem
-Feind, keine Sorge vor der Plünderung und keine Angst,
-sein Gut, Leib noch Leben zu verlieren. Ein jeder
-lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum,
-und zwar, gegen andere deutsche Länder zu rechnen,
-in lauter Wollust und Freude, also daß ich dieses Land
-vor ein irdisch Paradies hielt, wiewohln es von Art
-rauh genug zu sein schiene.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p297" id="Seite_p297">[S. 297]</a></span>
-
-Das machte, daß ich auf dem ganzen Weg nur hin
-und her gaffte, wann hingegen Herzbruder an seinem
-Rosenkranz betete. Deswegen ich manchen Filz bekam,
-dann er wollte, daß ich wie er bete, welches ich aber
-nicht gewöhnen konnte.</p>
-
-<p>Zu Zürich kam er mir recht hinter die Briefe und
-dahero sagte er mir die Wahrheit auch am tröckensten
-heraus. Dann als wir zu Schaffhausen, allwo mir die
-Füße von den Erbsen sehr wehe täten, die vorige
-Nacht geherberget und ich mich den künftigen Tag
-wieder auf Erbsen zu gehen förchtete, ließ ich sie kochen
-und tät sie wieder in die Schuhe.</p>
-
-<p>»Bruder, du hast große Gnade vor Gott,« meinte
-Herzbruder zu Zürich, »daß du unangesehen der Erbsen,
-dannoch so wohl fortkommen kannst.«</p>
-
-<p>»Ja,« sagte ich, »liebster Herzbruder, ich habe sie gekocht,
-sonst hätte ich soweit nicht darauf gehen können.«</p>
-
-<p>»Ach, daß Gott erbarme, was hast du getan! Du
-hättest sie lieber gar aus den Schuhen gelassen, wann
-du nur dein Gespötte damit treiben willst. Gott wird
-dich und mich zugleich strafen. Ich besorge, es stehe
-deine Seligkeit in höchster Gefahr. Ich liebe keinen
-Menschen mehr als dich, leugne aber auch nit, daß ich
-mir ein Gewissen machen muß, solche Liebe zu kontinuieren.«</p>
-
-<p>Ich verstummte vor Schröcken, daß ich mich schier
-nicht wieder erholen konnte. Zuletzt bekannte ich frei,
-daß ich die Erbsen nicht aus Andacht, sondern allein
-ihm zu Gefallen in die Schuhe getan, damit er mich
-mitgenommen hätte.</p>
-
-<p>»Ach Bruder, ich sehe, daß du weit vom Weg der
-Seligkeit bist. Gott verleihe dir Besserung, dann ohne
-die kann unsere Freundschaft nicht bestehen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p298" id="Seite_p298">[S. 298]</a></span>
-
-Von dieser Zeit folgte ich ihm traurig nach, als einer,
-den man zu Galgen führet. Mein Gewissen fing an
-mich zu drucken, alle meine Bubenstücke stelleten sich
-mir vor Augen, da beklagte ich erst die verlorene Unschuld.
-Und was meinen Jammer vermehrete war, daß
-Herzbruder nicht viel mehr mit mir redete und mich
-nur mit Seufzen anschauete, als hätte er meine Verdammnis
-an mir bejammert.</p>
-
-<p>Solchergestalt langten wir zu Einsiedeln an und kamen
-eben in die Kirche, als ein Priester einen Besessenen
-exorcisieret. Das war mir neu und seltsam, derowegen
-ließ ich Herzbrudern knien und beten, so lange er wollte,
-und ging hin, diesem Spektakul aus Fürwitz zuzusehen.</p>
-
-<p>Aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da
-schrie mich der böse Geist aus dem armen Menschen
-an: »Oho, du Kerl, schlägt dich der Hagel auch her?
-Ich habe vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem
-Olivier in unserer höllischen Wohnung anzutreffen! Du
-ehebrecherischer, mörderischer Jäger, darfst du dir wohl
-einbilden, uns zu entrinnen? O ihr Pfaffen, nehmt ihn
-nur nicht an, er ist ein Gleißner und ärger Lügner
-als ich, er foppt euch nur und spottet beides: Gott
-und Religion!«</p>
-
-<p>Der <span class="antiqua">Exorcist</span> befahl dem Geist zu schweigen, weil
-man ihm als einem Erzlügner ohn das nicht glaube.</p>
-
-<p>»Ja, ja, fraget des ausgesprungenen Mönches Reisegesellen,
-der wird euch wohl erzählen, daß dieser <span class="antiqua">Atheist</span>
-die Erbsen gekocht, auf welchen er hierher zu gehen
-versprochen!«</p>
-
-<p>Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopfe oder Füßen
-stund, da ich dieses alles hörete und mich jedermann
-ansahe. Der Priester strafte den Geist, konnte ihn aber
-denselben Tag nicht austreiben.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p299" id="Seite_p299">[S. 299]</a></span>
-
-Indessen kam Herzbruder auch herzu, als ich eben
-vor Angst mehr einem Toten als Lebendigen gleich
-sahe und zwischen Furcht und Hoffnung nicht wußte,
-was ich tun sollte. Er tröstete mich und versicherte die
-<span class="antiqua">Patres</span>, daß ich mein Tag kein Mönch gewesen, aber
-wohl ein Soldat, der vielleicht mehr Böses als Gutes
-getan haben möchte. Ich aber war in meinem Gemüt
-dermaßen verwirrt, als ob ich allbereits die höllische
-Pein selbst empfände, als daß die Geistlichen genug an
-mir zu beruhigen hatten. Sie vermahneten mich zur
-Beichte und Kommunion, aber der Geist schrie abermals
-aus dem Besessenen:</p>
-
-<p>»Ja, ja, er wird fein beichten! Er weiß nicht einmal,
-was beichten ist! Seine Eltern sein mehr wiedertäuferisch
-als calvinisch gewesen!«</p>
-
-<p>Der <span class="antiqua">Exorcist</span> befahl dem Geist abermals zu schweigen
-und sagte:</p>
-
-<p>»So wird dichs desto mehr verdrießen, wenn dir das
-verloren Schäflein wieder aus dem Rachen gezogen und
-der Herde Christi einverleibet wird.«</p>
-
-<p>Darauf fing der Geist so grausam an zu brüllen,
-daß es schröcklich zu hören war. Aus welchem greulichen
-Gesang ich meinen größten Trost schöpfte, dann
-ich dachte, wann ich keine Gnade vor Gott mehr erlangen
-könnte, so würde sich der Teufel nicht so übel
-anstellen.</p>
-
-<p>Ich empfand eine solche Reue und Begierde zur
-Buße und mein Leben zu bessern, daß ich alsobald
-einen Beichtvater begehrte, worüber sich Herzbruder
-höchlich erfreuete, weil er wahrgenommen und wohl
-gewußt, daß ich bisher noch keiner Religion beigetan
-gewesen. Demnach bekannte ich mich offentlich zur katholischen
-Kirche, ging zur Beichte und kommunizierte<span class="pagenum"><a name="Seite_p300" id="Seite_p300">[S. 300]</a></span>
-nach empfangener <span class="antiqua">Absolution</span>. Worauf mir dann so
-leicht und wohl ums Herz ward, daß ichs nicht aussprechen
-kann. Der Geist in dem Besessenen ließ mich
-fürderhin zufrieden.</p>
-
-<p>Wir verblieben vierzehn ganzer Tage an diesem gnadenreichen
-Ort, wo ich die Wunder, so allda geschehen,
-betrachtete, welches alles mich zu ziemlicher Andacht
-und Gottseligkeit reizete, doch währte solches auch nur
-so lang, als es mochte. Dann wie meine Bekehrung
-aus Angst und Forcht entsprungen, also ward ich auch
-nach und nach wieder lau und träg, weil ich allmählich
-des Schreckens vergaß.</p>
-
-<p>Wir begaben uns nach Baden, alldorten vollends
-auszuwintern.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p301" id="Seite_p301">[S. 301]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_ander_Kapitel" id="Buch5_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich dingete daselbst eine lustige Stube und Kammer
-vor uns, deren sonst zur Sommerszeit die Badegäste
-zu gebrauchen pflegen, welches gemeiniglich reiche
-Schweizer sein, die mehr hinziehen sich zu erlustieren
-und zu prangen, als einiger Gebrechen halber zu baden.</p>
-
-<p>Als Herzbruder sahe, daß ich so herrlich angriff, ermahnete
-er mich zur Gesparsamkeit. Viel Geld sei bald
-vertan, es stäube hinaus wie der Rauch und verspreche,
-nimmermehr wieder zu kommen. Auf solche treuherzige
-Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen,
-wie reich mein Säckel wäre. Es sei zudem billig,
-daß Herzbruder aus Oliviers Säckel vergnügt würde,
-um die Schmach, die er hiebevor von ihm vor Magdeburg
-empfangen, sintemal die Erwerbung dieses Goldes
-ohn das alles Segens unwürdig wäre, so daß ich keinen
-Meierhof daraus zu kaufen gedächte. Ich zog meine
-beiden Scapulier ab, trennte die Dukaten und Pistoletten
-heraus und sagte zu Herzbruder, er möge nun
-mit dem Gelde nach Belieben verfahren, maßen ich
-mich in aller Sicherheit zu sein wüßte.</p>
-
-<p>Er sagte: »Bruder, du tust nichts, so lange ich dich
-kenne, als deine gegen mich habende Liebe bezeugen.
-Womit meinst du, daß ichs wieder um dich werde beschulden
-können? Es ist nicht nur um das Geld zu tun,
-sondern um deine Liebe und Treue, vornehmlich aber
-um dein zu mir habendes hohes Vertrauen, so nicht
-zu schätzen ist. Bruder, mit einem Wort, dein tugendhaft
-Gemüt machet mich zu deinem Sklaven, und was
-du gegen mich tust, ist mehr zu verwundern als zu
-wiedergelten möglich. Versichert, Bruder, dieses Beweistum<span class="pagenum"><a name="Seite_p302" id="Seite_p302">[S. 302]</a></span>
-deiner wahren Freundschaft verbindet mich
-mehr gegen dich als ein reicher Herr, der mir viel
-tausend verehrte. Allein bitte ich, mein Bruder, bleibe
-selber Verwahrer und Austeiler über dein Geld. Mir
-ist genug, daß du mein Freund bist.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Was wunderliche Reden sein das,
-hochgeehrter Herzbruder? Er gibt mündlich zu vernehmen,
-daß Er mir verbunden sei und will doch nicht
-davor sein, daß ich dieses Geld nicht unnütz verschwende?«</p>
-
-<p>Also redeten wir beiderseits gegeneinander läppisch
-genug, weil ja einer des andern Liebe trunken war.
-Und ward Herzbruder zu gleich mein Hofmeister, Säckelmeister,
-Diener und Herr. Und in solcher müßiger Zeit
-erzählete er mir seines Lebens Lauf und ich ihm den
-meinen. Da er nun hörete, daß ich ein junges Weib zu
-L. hatte, verwiese er mir, daß ich mich nicht ehender
-zu derselbigen, als mit ihm in das Schweizerland begeben,
-dann solches wäre anständiger und auch meine
-Schuldigkeit gewesen. Demnach ich mich entschuldiget,
-daß ich ihn als meinen allerliebsten Freund in seinem
-Elend zu verlassen nicht übers Herz bringen können,
-beredete er mich, daß ich meinem Weibe schrieb und
-ihr meine Gelegenheit zu wissen machte mit Versprechen,
-mich mit ehistem wieder zu ihr zu begeben. Tät meines
-langen Ausbleibens widriger Begegnüssen halber Entschuldigung.</p>
-
-<p>Dieweil dann Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen
-erfuhr, daß es um den Grafen von Götz wohl stünde
-und er gar wiederum das Kommando über eine Armee
-kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand
-nach Wien und schrieb auch nach der kur-bayrischen
-Armee wegen seiner Bagage.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p303" id="Seite_p303">[S. 303]</a></span>
-
-Herzbruder erhielt von hochgemeldten Grafen eine
-Wiederantwort und treffliche Promessen von Wien, ich
-aber bekam von L. keinen einzigen Buchstaben, unangesehen
-ich unterschiedliche Posttäge <span class="antiqua">in duplo</span> hinschriebe.
-Das machte mich unwillig und verursachete, daß ich
-denselbigen Frühling meinen Weg nicht nach Westfalen
-antrat, sondern von Herzbrudern erhielt, daß er mich
-mit ihm nach Wien nahm, mich seines verhofften Glückes
-genießen zu lassen. Also montierten wir uns aus meinem
-Geld wie zwei Kavaliers beides: mit Kleidungen, Pferden,
-Dienern und Gewehren. Gingen durch Konstanz
-auf Ulm, allda wir uns auf die Donau satzten und von
-dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich anlangten.
-Auf demselben Weg beobachtete ich sonst nichts, als
-daß die Weibsbilder, so an dem Strand wohnen, den
-Vorüberfahrenden, so ihnen zuschreien, nicht mündlich
-sondern schlicht mit dem Beweistum selbst antworten,
-davon ein Kerl manch feines Einsehen haben kann.</p>
-
-<p>Es geht wohl seltsam in der veränderlichen Welt her!
-Wer alles wüßte, der würde bald reich. Ich sage: Wer
-sich allweg in die Zeit schicken könnte der würde auch
-bald groß und mächtig. Wer aber weiß, sich groß und
-mächtig zu machen, dem folget der Reichtum auf dem
-Fuß. Das Glück, so Macht und Reichtum zu haben
-pfleget, blickte mich trefflich holdselig an.</p>
-
-<p>Der Graf von der Wahl, unter dessen Kommando
-ich mich hiebevor in Westfalen bekannt gemacht, war
-eben auch zu Wien. Herzbruder ward zu einem Bankett
-geladen, da sich verschiedene kaiserliche Kriegsräte neben
-dem Grafen von Götz und andern mehr befanden. Als
-man von allerhand seltsamen Köpfen und berühmten
-Parteigängern redete, erzählte der Graf von der Wahl
-auch etliche Stücklein des Jägers von Soest, daß man<span class="pagenum"><a name="Seite_p304" id="Seite_p304">[S. 304]</a></span>
-sich teils über einen so jungen Kerl verwunderte, teils
-bedauerte, daß der listige hessische Obrist <span class="antiqua">de S. A.</span> ihm
-einen Weh-Bengel angehängt, damit er entweder den
-Degen beiseite legen oder schwedische Waffen tragen
-sollte. Herzbruder, der eben dort stund, bate um Verzeihung
-und Erlaubnis zu reden und sagte, daß er den
-Jäger von Soest besser kenne als sonst einen Menschen,
-er sei nicht allein ein guter Soldat, sondern auch ein
-ziemlicher Reuter, perfekter Fechter, trefflicher Büchsenmeister
-und Feuerwerker, über dies alles einer, der einem
-Ingenieur im Fortifikationswesen nichts nachgeben
-würde. Er hätte nicht nur sein Weib, weil er mit ihr
-schimpflich hintergangen worden, sondern auch alles
-was er gehabt zu L. hinterlassen und wiederum kaiserliche
-Dienste gesucht, maßen er mit ihm selbsten nach
-Wien gekommen des Willens, sich abermals wider der
-römischen kaiserlichen Majestät Feinde gebrauchen zu
-lassen, doch soferne er solche Kondition haben könnte,
-die ihm anständig seien.</p>
-
-<p>Damals war diese ansehnliche Kompanei mit dem
-lieben Trunk schon dergestalt begeistert, daß sie ihre
-Kuriosität, den Jäger zu sehen befriedigt wissen wollte,
-maßen Herzbruder geschickt ward, mich in einer Kutsche
-zu holen. Er instruierte mich unterwegs, derhalben
-antwortete ich, als ich hinkam, auf alles sehr kurz und
-redete nichts, es müßte dann einen klugen Nachdruck
-haben. Ich erschien dergestalt, daß ich jedem angenehm
-war. Mithin kriegte ich auch einen Rausch und glaube
-wohl, daß ich dann habe scheinen lassen, wie wenig ich
-bei Hof gewesen. Endlich versprach mir ein Obrister
-zu Fuß eine Kompagnie unter seinem Regiment.</p>
-
-<p>Also ward ich derselbigen vor einen Hauptmann vorgestellt.
-Obzwar meine Kompagnie samt mir ganz<span class="pagenum"><a name="Seite_p305" id="Seite_p305">[S. 305]</a></span>
-komplett war, hatte sie nicht mehr als sieben Schillerhälse,
-zudem waren meine Unter-Offizierer mehrenteils
-alte Krachwadel, darüber ich mich hinter Ohren kratzte.
-Dahero ward ich mit ihnen bei der nächsten scharfen
-Occasion desto leichter gemarscht. Dabei verlor der Graf
-von Götz das Leben, Herzbruder und ich bekamen einen
-Schuß. Wir begaben uns auf Wien, um uns kurieren
-zu lassen, wo sich bei Herzbruder ein anderer gefährlicher
-Zustand zeigte, dann er ward lahm an allen vieren,
-wie ein <span class="antiqua">Cholericus</span>, den die Galle verderbt, und war
-doch am wenigsten selbiger Komplexion noch dem Zorn
-beigetan. Nichts desto weniger ward ihm eine Sauerbrunnkur,
-der Gießbacher an dem Schwarzwald, vorgeschlagen.</p>
-
-<p>Also veränderte sich das Glück unversehens. Herzbruder
-machte sein Testament und satzte mich zum einzigen
-Erben, und ich schlug mein Glück in den Wind
-und quittierte meine Kompagnie, damit ich ihn begleiten
-und ihm in Sauerbrunn aufwarten könnte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p306" id="Seite_p306">[S. 306]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_dritte_Kapitel" id="Buch5_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ein erfahrener Medicus, den ich von Straßburg
-eingeholet, befand, daß dem Herzbruder mit Gift
-vergeben worden, das Gift sei aber nicht stark genug
-gewesen, ihn gleich hinzurichten. Es müsse durch Gegenmittel
-und Schweißbäder ausgetrieben werden, und
-würde sich solche Kur auf ungefähr eine Woche oder
-acht belaufen. Mein Herzbruder resolvierte sich, in
-Sauerbrunn die Kur zu vollenden, weil er nicht allein
-eine gesunde Luft, sondern auch allerhand anmutige
-Gesellschaft unter den Badegästen hatte.</p>
-
-<p>Solche Zeit mochte ich nicht vergeblich hinbringen,
-weil ich Begierde hatte, dermalen eins mein Weib auch
-wiederum zu sehen. Herzbruder hatte meiner nicht vonnöten
-und lobte solches Fürnehmen. Gab mir auch
-etliche kostbare Kleinodien, die ich ihr seinetwegen verehren
-und sie um Verzeihung bitten sollte, daß er eine
-Ursache gewesen sei, daß ich sie nicht ehender besuchet.</p>
-
-<p>Also ritt ich auf Straßburg, allwo mein Geld auf
-Wechsel lag, machte mich nicht allein mit Geld gefaßt,
-sondern erkundigte auch, wie ich meine Reise anstellen
-möchte, um zwischen so vielen Guarnisonen der beiderseits
-kriegenden Teile am sichersten fort zu kommen.
-Erhielt derowegen einen Paß vor einen Straßburger
-Botenläufer und machte etliche Schreiben an mein Weib,
-ihre Schwester und deren Eltern, als ob ich einen Boten
-nach L. schicken wollte. Ich verkleidete mich aber selbsten
-in ein weiß und rote Livrei und fuhr also botenweis
-bis nach Köln, welche Stadt damals zwischen den
-kriegenden Parteien neutral war.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p307" id="Seite_p307">[S. 307]</a></span>
-
-Ich ging zuforderst hin, meinen <span class="antiqua">Jovem</span> zu besuchen,
-den ich hiebevor bei Soest gefangen hatte, um zu erkundigen,
-welche Bewandnus es mit meinen hinterlegten
-Sachen hätte. Mein <span class="antiqua">Jupiter</span> war aber damals
-wieder ganz hirnschellig und unwillig über das menschliche
-Geschlecht.</p>
-
-<p>»O <span class="antiqua">Mercuri</span>,« sagte er zu mir, »was bringst du neues
-von Münster? Vermeinen die Menschen wohl ohn
-meinem Willen Frieden zu machen? Nimmermehr! Sie
-hatten ihn. Warum haben sie ihn nicht behalten?
-Gingen nicht alle Laster im Schwang, als sie mich
-bewegten den Krieg zu senden? Womit haben sie seithero
-verdient, daß ich ihnen den Frieden wiedergeben
-sollte? Haben sie sich dann selbiger Zeit her bekehrt?
-Seind sie nicht ärger worden und selbst mit in Krieg
-geloffen wie zu einer Kirmeß? Oder haben sie sich
-vielleicht wegen der Teuerung bekehret, die ich ihnen
-zugesandt, darin so viel tausend Seelen Hungers gestorben?
-Oder hat sie vielleicht das grausame Sterben
-erschröcket (das so viel Millionen hingerafft) daß sie sich
-gebessert? Nein, nein, <span class="antiqua">Mercuri</span>, die übrig Verbliebenen,
-die den elenden Jammer mit ihren Augen angesehen,
-haben sich nicht allein nicht gebessert, sondern seind viel
-ärger worden als sie zuvor jemals gewesen. Haben sie
-sich nun wegen so vieler scharfen Heimsuchungen nicht
-bekehret, sondern unter dem schweren Kreuz und Trübsal
-gottlos zu leben nicht aufgehöret, was werden sie
-dann erst tun, wann ich ihnen den wohl-lustbarlichen,
-göldenen Frieden wieder zusendete? Aber ich will ihrem
-Mutwillen wohl bei Zeiten steuern und sie im Elend
-hocken lassen.«</p>
-
-<p>Weil ich nun wußte, wie man diesen Gott lausen
-mußte, wann man ihn recht stimmen wollte, sagte ich:<span class="pagenum"><a name="Seite_p308" id="Seite_p308">[S. 308]</a></span>
-»Ach, großer Gott, es seufzet aber alle Welt nach dem
-Frieden und verspricht eine große Besserung.«</p>
-
-<p>»Ja,« antwortete <span class="antiqua">Jupiter</span>, »sie seufzen wohl, aber
-nicht meinet- sondern um ihrentwillen. Nicht daß jeder
-unter seinem Weinstock und Feigenbaum Gott loben,
-sondern daß sie deren edle Früchte mit guter Ruhe und
-in aller Wollust genießen möchten. &mdash; Ich fragte neulich
-einen Schneider, ob ich den Frieden geben sollte.
-Er antwortete es sei ihm gleich, er müsse sowohl zu
-Kriegs- als Friedenszeiten mit der stählernen Stange
-fechten. Eine solche Antwort kriegte ich auch von einem
-Rotgießer, der sagte, wann er im Frieden keine Glocken
-zu gießen hätte, so wäre im Kriege genug an Stücken
-und Feuermörsern zu tun. Also antwortete mir auch
-ein Schmied: er habe keine Pflüge und Baurenwägen
-zu beschlagen, so kämen ihm im Krieg genug Reuterpferde
-und Heerwägen unter die Hände, also daß er
-des Friedens wohl entbehren könne. Siehe nun, lieber
-<span class="antiqua">Mercuri</span>, warum soll ich ihnen dann den Frieden verleihen?
-Alle so ihn wünschen, begehren seiner um ihres
-Bauchs und der Wollust willen, hingegen sind andere
-die den Krieg wollen, weil er ihnen einträget. Und
-gleichwie die Mäuerer und Zimmerleute den Frieden
-wünschen, damit sie in Auferbauung der eingeäscherten
-Häuser Geld verdienen, also verlangen andere die Fortsetzung
-des Krieges, im selbigen zu stehlen.«</p>
-
-<p>Weil nun mein <span class="antiqua">Jupiter</span> mit solchen Sachen umging,
-konnte ich mir leicht einbilden, daß er mir in seinem
-verwirrten Stand von dem Meinigen wenig Nachricht
-würde geben können. Nahm also den Kopf zwischen
-die Ohren und ging durch Abwege nach L.</p>
-
-<p>Daselbst erfuhr ich, vor einen fremden Boten gehalten,
-daß mein Schweher samt der Schwieger bereits<span class="pagenum"><a name="Seite_p309" id="Seite_p309">[S. 309]</a></span>
-vor einem halben Jahr diese Welt gesegnet, und dann,
-daß meine Liebste, nachdem sie mit einem Sohn niedergekommen,
-den ihre Schwester bei sich hätte, gleichfalls
-stracks nach ihrem Kindbette, diese Zeitlichkeit verlassen.</p>
-
-<p>Darauf lieferte ich meinem Schwager die Schreiben,
-die ich selbst an meine Liebste und ihre Schwester gerichtet
-hatte, aus. Derselbe wollte mich nun beherbergen,
-damit er erfahren könnte, wes Standes <span class="antiqua">Simplicius</span>
-sei und wie er sich verhielte. Zu dem Ende diskutierte
-meine Schwägerin lang mit mir von mir selbsten, und
-ich redete auch von mir, was ich nur Löbliches wußte,
-dann die Pocken hatten mich dergestalt verderbt und
-verändert, daß mich kein Mensch erkannte.</p>
-
-<p>Als ich ihr nun nach der Länge erzählte, daß Herr
-<span class="antiqua">Simplicius</span> viel schöner Pferde und Diener hätte und
-in einer schwarzen sammeten Mütze aufzöge, die überall
-mit Gold verbrämt wäre, sagte sie:</p>
-
-<p>»Ich habe mir jederzeit eingebildet, daß er keines so
-schlichten Herkommens sei, als er sich davor ausgeben.
-Der hießige Kommandant hat meine Eltern selig mit
-großen Verheißungen persuadiert, daß sie ihm meine
-Schwester selig, die wohl eine fromme Jungfrau gewesen,
-ganz vorteilhaftiger Weise aufgesattelt. Er hat
-einen Vorrat in Köln gehabt und ihn hierher holen
-wollen, ist aber darüber ganz schelmischer Weise nach
-Frankreich prakticiert worden. &mdash; Meine Schwester hat
-ihn kaum vier Wochen gehabt. Weil dann nunmehr
-mein Vater und Mutter tot, ich und mein Mann aber
-keine Kinder miteinander erhoffen, haben wir meiner
-Schwester Kind zum Erben angenommen und mit Hülfe
-des hießigen Kommandanten seines Vaters Habe zu Köln
-erhoben, welche sich auf dreitausend Gulden belaufen
-möchte. Wann also dieser junge Knab einmal zu seinen<span class="pagenum"><a name="Seite_p310" id="Seite_p310">[S. 310]</a></span>
-Jahren kommt, wird er nicht Ursach haben sich unter
-die Armen zu rechnen. Ich und mein Mann lieben das
-Kind auch so sehr, daß wirs nicht mehr seinem Vater
-ließen, wannschon er selbst käme. Ich weiß, wann mein
-Schwager wüßte, was er vor einen schönen Sohn hier
-hätte, daß ihn nichts halten könnte hierher zu kommen.«</p>
-
-<p>Indem lief mein Kind in seinen ersten Hosen um
-uns und ich erfreuete mich vom Herzen. Ich suchte die
-Kleinodien herfür, so ich hätte meiner Liebsten bringen
-sollen, und gab sie meinem Schwager vor das Kind,
-was er mit Freuden empfing.</p>
-
-<p>Mithin drang ich auf meine Abfertigung, und als ich
-dieselbe bekam, begehrete ich im Namen des <span class="antiqua">Simplicii</span>
-den kleinen <span class="antiqua">Simplicium</span> zu küssen, damit ich solches
-seinem Vater als Wahrzeichen erzählen könnte. Als dies
-nun auf Vergünstigung meiner Schwägerin geschah, fing
-beiden, mir und dem Kinde, die Nase an zu bluten,
-darüber mir das Herz hätte brechen mögen, doch ich
-verbarg meine <span class="antiqua">Affecten</span>. Damit man nicht Zeit haben
-möchte, der Ursache dieser Sympathie nachzudenken,
-machte ich mich stracks aus dem Staube.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p311" id="Seite_p311">[S. 311]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_vierte_Kapitel" id="Buch5_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Nach meiner Rückkunft in Sauerbrunn ward ich
-gewahr, daß es sich mit Herzbrudern eher gebösert
-als gebessert hatte, wiewohl ihn die Doktores
-und Apotheker strenger als eine fette Gans gerupft. Er
-kam mir auch ganz kindisch vor und konnte nur kümmerlich
-gehen. Sein Trost war, daß ich bei ihm sein
-sollte, wann er die Augen würde zutun.</p>
-
-<p>Hingegen machte ich mich lustig und suchte meine
-Freude; doch solcher Gestalt, daß an seiner Pflege nichts
-manglete. Und weil ich mich ein Witwer zu sein wußte,
-reizten mich die guten Täge und meine Jugend wiederum
-zur Buhlerei, dann ich den zu Einsiedeln eingenommenen
-Schröcken allerdings wieder vergessen hatte.
-Ich machte mit den Lustigsten Kundschaft, die dahin
-kamen, und fing an courtoise Reden und Komplimenten
-zu lernen, deren ich meine Tage sonst niemals viel geachtet
-hatte. Man hielt mich vor einen vom Adel, weil
-mich meine Leute Herr Hauptmann nannten. Dannhero
-machten die reichen Stutzer mit mir Brüderschaft und
-war alle Kurzweile, Spielen, Saufen, Fressen meine
-allergrößte Arbeit und Sorge.</p>
-
-<p>Unterdessen ward es mit Herzbrudern je länger je
-ärger, also daß er endlich die Schuld der Natur bezahlen
-mußte. Ich ließ ihn ganz herrlich begraben und
-seine Diener mit Trauerkleidern und einem Stück Geld
-ihres Wegs laufen.</p>
-
-<p>Sein Abschied tät mir schmerzlich weh, vornehmlich
-weil ihm mit Gift vergeben worden. Obzwar ich solches
-nicht ändern konnte, so änderte es doch mich, dann ich
-flohe alle Gesellschaft und suchte nur die Einsamkeit,<span class="pagenum"><a name="Seite_p312" id="Seite_p312">[S. 312]</a></span>
-meinen betrübten Gedanken Audienz zu geben. Ich verbarg
-mich etwan irgends in einem Busch und betrachtete
-nicht allein, was ich vor einen Freund verloren,
-sondern ich machte auch allerhand Anschläge von Anstellung
-meines künftigen Lebens. Bald wollte ich wieder
-in Krieg und unversehens gedachte ich, es hättens die
-geringsten Bauren in dieser Gegend besser, maßen noch
-alle Baurenhöfe gleich als zu Friedenszeiten in trefflichem
-Bau und alle Ställe voll Vieh waren.</p>
-
-<p>Als ich mich nun mit Anhörung des lieblichsten Vogelgesangs
-ergötzte und mir einbildete, daß die Nachtigall
-durch ihre Lieblichkeit andere Vögel banne, still zu schweigen
-und ihr zuzuhören, da näherte sich jenseits dem
-Bache eine Schönheit an Gestalt, die mich mehr bewegte,
-weil sie nur den Habit einer Bauerdirne antrug,
-als eine stattliche <span class="antiqua">Demoiselle</span> sonst mir nicht hätte tun
-mögen. Sie hub einen Korb vom Kopf, darin sie einen
-Ballen frische Butter trug, solchen im Sauerbrunn zu
-verkaufen. Denselben erfrischte sie im Wasser. Unterdessen
-satzte sie sich nieder ins Gras, warf ihr Kopftuch
-und den Baurenhut von sich und wischte den Schweiß
-vom Angesicht, also daß ich sie genug betrachten und
-meine vorwitzigen Augen an ihr weiden konnte. Da
-dünkte mich, ich hätte die Tage meines Lebens kein
-schöner Mensch gesehen. Die Proportion des Leibes
-schien vollkommen und ohn Tadel, Arme und Hände
-schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarzen
-Augen aber voller Feuer und liebreizender Blicke.</p>
-
-<p>Als sie nun ihre Butter wieder einpackte, schrie ich
-hinüber:</p>
-
-<p>»Ach Jungfer, Ihr habt zwar mit Euren schönen
-Händen Euere Butter im Wasser abgekühlt, hingegen aber
-mein Herz durch Euere klaren Augen ins Feuer gesetzt.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p313" id="Seite_p313">[S. 313]</a></span>
-
-Sobald sie mich sahe und hörete, lief sie davon, als
-ob man sie gejagt hätte. Sie hinterließ mich mit all
-denjenigen Torheiten beladen, damit die verliebten Phantasten
-gepeinigt zu werden pflegen.</p>
-
-<p>Meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen
-zu werden, ließen mich nicht in meiner Einsamkeit, sondern
-machten, daß ich den Gesang der Nachtigallen nicht
-höher achtete als ein Geheul der Wölfe. Derhalben
-tollete ich auch dem Sauerbrunn zu und schickte meinen
-Jungen voran, die Butterverkäuferin anzupacken und
-mit ihr zu marken, bis ich hernach käme. Er tät das
-Seinige und ich nach meiner Ankunft auch das Meinige,
-aber ich fand ein steinern Herz und solche Kaltsinnigkeit,
-dergleichen ich hinter einem Baurenmensch
-nimmermehr zu finden getrauet hätte, welches mich
-aber viel verliebter machte.</p>
-
-<p>Damals hätte ich entweder einen strengen Feind oder
-einen guten Freund haben sollen. Einen Feind, damit
-ich meine Gedanken gegen denselben hätte richten und
-der närrischen Liebe hätte vergessen müssen, oder einen
-Freund, der mir ein anderes geraten und mich von meiner
-Torheit hätte abmahnen mögen. Ach leider, ich hatte
-nichts als mein Geld, das mich verblendete, meine blinden
-Begierden, die mich verführeten, weil ich ihnen den
-Zaum schießen ließ, und meine grobe Unbesonnenheit,
-die mich verderbete und in alles Unglück stürzete. Mit
-einem Wort, ich war mit dem Narrenseil rechtschaffen
-verstrickt und derhalben ganz blind und ohn Verstand.
-Und weil ich meine viehischen Begierden nicht anders
-zu sättigen getrauete, entschloß ich mich, das Mensch zu
-heiraten. Was, gedachte ich, du bist deines Herkommens
-doch nur ein Baurensohn und wirst deiner Tage kein
-Schloß besitzen; du hast Geld genug, auch den besten<span class="pagenum"><a name="Seite_p314" id="Seite_p314">[S. 314]</a></span>
-Baurenhof in dieser Gegend zu bezahlen. Du wirst dies
-ehrliche Baurngretlein heiraten und dir einen geruhigen
-Herrenhandel inmitten der Bauren schaffen. &mdash; Ich erhielt,
-wiewohl nicht ohne Mühe, das Jawort.</p>
-
-<p>Zur Hochzeit ließ ich trefflich rüsten, dann der Himmel
-hing mir voller Geigen. Das Baurengut, darauf meine
-Braut geboren worden, lösete ich nicht allein ganz an
-mich, sondern fing noch darzu einen schönen, neuen Bau
-an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- als haushalten
-hätte wollen. Eh die Hochzeit vollzogen, hatte ich daselbst
-über dreißig Stück Viehe stehen, weil man soviel
-auf dem Gut erhalten konnte. Ich bestellte alles aufs
-Beste und sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir
-nur meine Torheit eingab.</p>
-
-<p>Aber die Pfeife fiel mir bald in Dreck. Dann als ich
-nunmehr vermeinete mit gutem Wind in Engelland zu
-schiffen, kam ich wider alle Zuversicht nach Holland.
-Viel zu spat ward ich erst gewahr, was Ursache mich
-meine Braut hatte so ungern nehmen wollen. Und ich
-konnte mein spöttlich Anliegen keinem Menschen klagen.
-So zahlete ich nach Maß und Billigkeit meine Schulden,
-was Erkanntnus mich darum doch nichts desto
-geduldiger, viel weniger frömmer machte. Ich fand mich
-betrogen und gedachte meine Betrügerin wieder zu prellen,
-maßen ich anfing grasen zu gehen, wo ich zukommen
-konnte. Überdas stack ich mehr bei guter Gesellschaft
-in Sauerbrunn als zu Haus.</p>
-
-<p>Meine Frau war ebenso liederlich. Sie hatte einen
-Ochsen, den ich ins Haus hatte schlagen lassen, in etliche
-Körbe eingesalzen; als sie eine Spänsau zurichten
-sollte, unterstund sie sich solche wie einen Vogel zu rupfen;
-sie wollte die Krebse am Rost und die Forellen
-am Spieß braten. Nichts desto weniger trank sie auch<span class="pagenum"><a name="Seite_p315" id="Seite_p315">[S. 315]</a></span>
-das liebe Weingen gern und teilete andern guten Leuten
-auch mit. &mdash;</p>
-
-<p>Einsmals spazierete ich mit etlichen Stutzern das Tal
-hinunter, eine Gesellschaft im untern Bad zu besuchen.
-Da begegnete uns ein alter Baur mit einer Geiß am
-Strick, die er verkaufen wollte. Und weil mich dünkte,
-ich hätte ihn mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit
-der Geiß herkomme.</p>
-
-<p>Er zog sein Hütlein und sagte: »Gnädiger Hearr,
-eich darffs ouch werli neit sän.«</p>
-
-<p>»Du wirst sie ja nicht gestohlen haben.«</p>
-
-<p>»Nein, ich bring sie aus dem Städtgen im Tal, welches
-ich eben gegen den Hearrn nit darf nennen, dieweil wir
-vor einer Geiß reden.«</p>
-
-<p>Solches bewegte die Gesellschaft zum Lachen, und
-weil ich mich entfärbte, gedachten sie, ich hätte Verdruß,
-maßen mir der Baur so artig eingeschenkt. Aber
-ich hatte andere Gedanken, dann an der großen Warze,
-die der Baur mitten auf der Stirn stehen hatte, ward
-ich eigentlich versichert, daß es mein Knän aus dem
-Spessart war. &mdash; Wollte derhalben zuvor einen Wahrsager
-agieren, eh ich mich ihm offenbarte.</p>
-
-<p>»Mein lieber alter Vater, seid Ihr nicht im Spessart
-zu Haus?«</p>
-
-<p>»Ja, Hearr.«</p>
-
-<p>»Haben Euch nicht vor ungefähr achtzehen Jahren
-die Reuter Euer Haus und Hof geplündert und verbrannt?«</p>
-
-<p>»Ja, Gott erbarms, es ist aber noch nit so lang.«</p>
-
-<p>»Habet Ihr nicht zwei Kinder, nämlich eine erwachsene
-Tochter und einen jungen Knaben gehabt?«</p>
-
-<p>»Hearr, die Tochter war mein Kind, der Bub nit.
-Ich hab ihn aber an Kindesstatt aufziehen wollen.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p316" id="Seite_p316">[S. 316]</a></span>
-
-Hieraus verstund ich wohl, daß ich dieses Knollfinken
-Sohn nicht sei, welches mich eines Teils erfreuete, hingegen
-aber auch betrübete, weil mir einfiel, ich müßte
-sonst ein Bankert oder ein Findling sein. Fragte derowegen
-den Knän, wo er den Buben aufgetrieben.</p>
-
-<p>»Ach, der Krieg hat mir ihn gegeben und der Krieg
-hat nur ihn wieder genommen.«</p>
-
-<p>Weil ich dann besorgte, es dörfte wohl ein <span class="antiqua">Facit</span>
-herauskommen, das mir wegen meiner Geburt nachteilig
-sein möchte, fragte ich, ob er die Geiß der Wirtin
-in die Küche verkauft hätte.</p>
-
-<p>»Ach nein, Hearr, ich bring sie der Gräfin, die im
-Sauerbrunn badet. Der Doktor Hans in allen Gassen
-hat etliche Kräuter geordnet, so die Geiß essen muß.
-Was sie dann vor Milch gibt, die nimmt der Doktor
-und machet der Gräfin noch so ein Arznei drüber, dann
-muß sie die Milch trinken. Man seit, es mangle der
-Gräfin am Gehäng.«</p>
-
-<p>Unter währender solcher Relation besann ich, auf
-was Weise ich noch mit dem Baurn reden möchte, bot
-ihm derhalben einen Taler mehr um die Geiß als die
-Gräfin. Solches ging er gleich ein, doch mit dem Beding,
-er sollte der Gräfin zuvor angeben, daß ihm ein
-Taler mehr darauf geboten, er wollte mir den Handel
-auf den Abend anzeigen.</p>
-
-<p>Also ging mein Knän seines Wegs und auch ich
-drehete mich bald von der Kompanie ab und ging hin,
-wo ich meinen Knän wiederfand; der hatte seine Geiß
-noch. Ich führete ihn auf meinen neuen Hof, bezahlte
-die Geiß und hängte ihm einen halben Rausch an.
-Sodann fragte ich ihn nach seinem Knaben.</p>
-
-<p>»Ach Herr, der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert,
-und die Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_p317" id="Seite_p317">[S. 317]</a></span>
-genommen.« Nach verlorener Schlacht bei Höchst habe
-des Mansfelder flüchtig Volk sich weit und breit zerstreuet.
-Viel seien in den Spessart gekommen, weil sie
-die Büsche suchten, sich zu verbergen, aber indem sie
-dem Tod in der Ebene entgingen, hätten sie einen in
-den Bergen gefunden, dann damalen ginge selten ein
-Baur in die Büsche ohn sein Feuerrohr, da man zu
-Haus bei Hauen und Pflügen nicht bleiben konnte. In
-demselben Tumult habe er nicht weit von seinem Hof
-in dem wilden ungeheuren Wald eine schöne, junge
-Edelfrau samt einem stattlichen Pferd getroffen, so er
-anfänglich vor einen Kerl gehalten, weil sie so mannlich
-daherritte. Indem sie beides: Händ und Augen zum
-Himmel aufgehoben und auf wälsch mit einer erbärmlichen
-Stimme zu Gott gerufen, habe er sein Rohr
-sinken lassen und den Hahn wieder zurückgezogen, dann
-er gesehen, daß sie ein betrübtes Weibsbild wäre.
-Indem er näher getreten riefe sie ihn an: »Ach, wann
-Ihr ein ehrlicher Christenmensch seid, so bitte ich Euch
-um Gottes und seiner Barmherzigkeit, ja um des
-jüngsten Gerichtes willen, Ihr wollet mich zu ehrlichen
-Weibern führen, die mich durch göttliche Hilfe von
-meines Leibes Bürde entledigen helfen!« Diese Worte
-hätten ihn samt der holdseligen Aussprache zu solcher
-Erbärmde gezwungen, daß er ihr Pferd beim Zügel
-nahm und sie durch Hecken und Stauden an den allerdicksten
-Ort des Gesträuchs führete, da er selbst Weib,
-Kind, Gesind und Viehe hingeflüchtet gehabt. Daselbst
-seie sie ehender als in einer halben Stund des jungen
-Knaben genesen.</p>
-
-<p>Ich sprach ihm gütlich zu. Da er aber sein Glas ausgeleert
-hatte, fragte ich wie es darnach weiter mit der
-Frau gegangen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p318" id="Seite_p318">[S. 318]</a></span>
-
-Er antwortete, sie habe ihn zum Gevatter gebeten
-und ihm auch ihres Mannes und ihren Namen genennt,
-damit sie möchten ins Taufbuch geschrieben
-werden. Indem habe sie ihr Felleisen aufgetan, darin
-sie wohl köstliche Sachen hatte, und ihm, seinem Weib
-und Kind, der Magd und sonst allen geschenkt. Aber
-indem sie so damit umging und von ihrem Mann erzählete,
-sei sie unter den Händen der Weiber gestorben.
-Pfarrer und Schultz hätten ihm darnach befohlen, das
-Kind aufzuziehen und vor Mühe und Kosten der
-Fraue ganze Hinterlassenschaft zu behalten, ausgenommen
-etliche Paternoster, Edelsteine und sonst Geschmeiß.
-Also sei das Kind von der Bäurin mit Geißmilch
-auferzogen worden.</p>
-
-<p>»Ihr habet mir,« sagte ich, »eine artliche Geschichte
-erzählt und doch das Beste vergessen, dann Ihr habet
-nicht gesagt, weder wie die Frau noch ihr Mann oder
-das Kind geheißen.«</p>
-
-<p>Er antwortete: die Edelfrau habe Susanna Ramst,
-ihr Mann Kapitain Sternfels von Fuchsheim geheißen,
-und weil er Melchior hieße, so habe er den Buben bei
-der Taufe auch Melchior Sternfels von Fuchsheim
-nennen und ins Taufbuch schreiben lassen.</p>
-
-<p>Hieraus vernahm ich umständlich, daß ich meines
-Einsiedels und der Schwester des Gubernators Ramsey
-leiblicher Sohn gewesen. Aber ach, leider viel zu spat!
-Dann meine Eltern waren schon beide tot.</p>
-
-<p>Ich deckte meinen Paten vollends mit Wein zu und
-ließ den andern Tag auch sein Weib holen. Da ich mich
-ihnen nun offenbarte, wollten sie's nicht glauben, bis
-ich ihnen einen schwarzen haarigen Fleck aufgewiesen,
-den ich auf der Brust habe.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p319" id="Seite_p319">[S. 319]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch5_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ohnlängst hernach nahm ich meinen Pflegvater zu
-mir und tät mit ihm einen Ritt hinunter in
-Spessart, glaubwürdigen Schein und Urkund meines
-Herkommens und ehelicher Geburt zu Wege zu bringen,
-welches ich unschwer erhielt. Ich kehrete auch bei dem
-Pfarrer ein, der sich zu Hanau aufgehalten, und ließ
-über meine ganze Histori aus der Zeugen Mund durch
-einen <span class="antiqua">Notarium</span> ein <span class="antiqua">Instrument</span> aufrichten, dann ich
-dachte, wer weiß, wo du es noch einmal brauchst.
-Solche Reise kostete mich über vierhundert Taler, dann
-auf dem Rückweg ward ich von einer Partei erhascht,
-abgesetzt und geplündert, also daß ich und mein Knän
-nackend und kaum mit dem Leben davonkam.</p>
-
-<p>Indessen ging es daheim noch schlimmer zu. Dann
-nachdem mein Weib vernommen, daß ihr Mann ein
-Junker sei, spielte sie nicht allein die große Frau, sondern
-verliederlichte auch alles in der Haushaltung, was
-ich, weil sie großen Leibes war, stillschweigend ertrug.
-Überdas ward mir das meiste und beste Viehe von
-einer Seuche dahingerafft. Dieses alles wäre noch zu
-verschmerzen gewesen. Aber, <span class="antiqua">o mirum</span>, kein Unglück
-allein! In der Stunde, darin mein Weib genase, ward
-die Magd auch Kindbetterin. Das Kind zwar, so sie
-brachte, sahe mir allerdings ähnlich, das Kind meines
-Weibes hingegen sahe dem Knecht so gleich, als wanns
-ihm aus dem Gesicht wäre geschnitten worden. Jedoch
-es gehet nicht anders her, wann man in einem so
-gottlosen und verruchten Leben seinen viehischen Begierden
-folget.</p>
-
-<p>Nun was halfs, ich mußte taufen. Andernteils nahm<span class="pagenum"><a name="Seite_p320" id="Seite_p320">[S. 320]</a></span>
-es mein Weibgen nur auf die leichte Achsel. Doch die
-Magd mußte aus dem Haus, dann mein Weib argwöhnete,
-was ich ihretwegen vom Knecht gedachte.
-Indessen ich ward von dieser Anfechtung heftig gepeinigt,
-daß ich meinem Knecht ein Kind aufziehen,
-das Meinige aber von der Magd nicht mein Erbe sein
-sollte, und daß ich dabei froh sein mußte, weil sonst
-niemand nichts wußte.</p>
-
-<p>Mit solchen Gedanken marterte ich mich täglich,
-mein Weib aber delektierte sich stündlich mit Wein,
-dann sie hatte sich das Kumpen sint unserer Hochzeit
-dergestalt angewöhnt, das es ihr selten vom Maul kam
-und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne einen ziemlichen
-Rausch schlafen ging. Davon soff sie ihrem Kind
-zeitlich das Leben ab und entzündete sich das Gehäng
-dergestalt, daß es ihr bald hernach entfiel und mich
-wieder zum Witwer machte. Das ging mir so zu Herzen,
-daß ich mich fast krank darüber gelachet hätte.</p>
-
-<p>Ich befand mich solchergestalt wieder in meiner
-ersten Freiheit. Mein Beutel war ziemlich geleeret, ich
-hingegen mit großer Haushaltung vielem Viehe und
-Gesind beladen. Also nahm ich meinen Paten Melchior
-vor einen Vater und dessen Frau vor eine Mutter,
-den Magdsohn aber vor meinen Erben an und übergab
-den beiden Alten Haus und Hof samt meinem
-ganzen Vermögen, bis auf gar wenig gelbe Batzen und
-Kleinodien. Ich hatte einen Ekel ob aller Weiber Beiwohnung
-und Gemeinschaft, ich nahm mir vor, mich
-nicht mehr zu verheiraten.</p>
-
-<p>Diese beiden Alten gossen meine Haushaltung gleich
-in einen andern Model. Sie schafften vom Gesind und
-Viehe ab, was nichts nütze und bekamen hingegen auf
-den Hof, was etwas eintrug. Sie vertrösteten mich<span class="pagenum"><a name="Seite_p321" id="Seite_p321">[S. 321]</a></span>
-alles Guten und versprachen, wann ich sie nur hausen
-ließe, so wollten sie mir allweg ein gut Pferd auf der
-Streu halten und so viel verschaffen, daß ich je zu Zeiten
-mit einem ehrlichen Biedermann eine Maß Wein trinken
-könnte. Ich spürete es auch gleich. Mein Pate bestellte
-mit dem Gesind den Feldbau, schacherte mit Viehe
-und mit dem Holz- und Harzhandel ärger als ein Jud
-und meine Götfrau legte sich auf die Viehzucht und
-wußte Milchpfennige besser zu gewinnen und zusammen
-zu halten, als zehen solcher Weiber, wie ich eins gehabt
-hatte. Auf solche Weise ward mein Baurenhof in kurzer
-Zeit vor den besten in der ganzen Gegend geschätzet. &mdash;</p>
-
-<p>Einsmals spazierte ich in Sauerbrunn, jedoch nicht
-um mich mit Stutzern bekannt zu machen, dann ich
-fing an meiner Alten Kargheit nachzuahmen, gleichwohl
-geriet ich zu einer Gesellschaft mittelmäßigen
-Standes, weil sie von einer seltenen Sache, nämlich
-vom Mummelsee diskutierten. Der war in der Nachbarschaft
-auf einem von den höchsten Bergen gelegen,
-unergründlich, und wunderbarliche Fabeln verlauteten
-von ihm.</p>
-
-<p>Einer sagte, wann man ungrad, es seien gleich Erbsen,
-Steinlein oder etwas andres in ein Nastüchlein binde
-und hinein hänge, so veränderte es sich in grad, also
-auch grad in ungrad. Die meisten aber gaben vor und
-befestigten es auch mit Exempel, wann man ein oder
-mehrere Steine hineinwürfe, so erhebe sich gleich, Gott
-gebe wie schön auch der Himmel zuvor gewesen, ein
-grausam Ungewitter mir schröcklichem Regen, Schloßen
-und Sturmwinde. Einer erzählte, daß auf ein Zeit, da
-etliche Hirten ihr Viehe bei dem See gehütet, ein
-brauner Stier herausgestiegen, welcher sich zu dem andern
-Rindviehe gesellet, dem aber gleich ein kleines<span class="pagenum"><a name="Seite_p322" id="Seite_p322">[S. 322]</a></span>
-Männlein nachgefolget, ihn wieder zurück zu treiben.
-Auch seie einsmals ein Baur mit seinem Ochsen und
-etlichen Holzplöchern über den gefrornen See gefahren,
-ohn einzigen Schaden, als ihm aber sein Hund nachkommen,
-sei das Eis mit ihm gebrochen und der arme
-Hund allein hinunter gefallen und nicht mehr gesehen
-worden. Noch einer behauptete bei großer Wahrheit,
-es sei ein Schütze auf der Spur des Wildes bei dem
-See vorübergegangen, der hätte auf dem Wasser ein
-Männlein sitzen sehen, das einen ganzen Schoß voll
-gemünzter Goldsorten gehabt und gleichsam damit gespielet
-hätte. Und als er nach demselben Feuer geben
-wollen, hätte sich das Männlein geduckt und gerufen:
-»Wann du mich gebeten deiner Armut zu Hilf zu
-kommen, so wollte ich dich reich genug gemacht haben.«</p>
-
-<p>Solche und andere Historien verlachte ich. Aber es
-fanden sich Baursleute, und zwar alte, glaubwürdige
-Männer, die erzählten, wie dann ein regierender Herzog
-von Württemberg ein Floß machen ließ, die Tiefe zu
-ergründen. Nachdem die Messenden aber bereits neun
-Zwirnnetz mit einem Senkel hinunter gelassen und
-gleichwohl noch keinen Boden gefunden, hätte das Floß
-wider die Natur des Holzes angefangen zu sinken, also
-daß sie von ihrem Vornehmen abstehen und sich hätten
-ans Land salvieren müssen, maßen man noch heutzutag
-die Stücke des Flosses am Ufer und zum Gedächtnus
-dieser Geschicht das fürstlich württembergsche Wappen
-in Stein gehauen vor Augen sehe.</p>
-
-<p>Die Begierde, den Mummelsee zu beschauen, vermehrte
-sich bei mir, als ich von dem Knän verstund, daß er
-auch dort gewesen und den Weg wisse. Da er aber
-hörete, daß ich überein auch darzu wollte, sagte er:
-»Der Herr Sohn wird nichts andres sehen, als das<span class="pagenum"><a name="Seite_p323" id="Seite_p323">[S. 323]</a></span>
-Ebenbild eines Weihers, der mitten in einem großen
-Walde liegt, und wann er seine jetzige Lust mit beschwerlicher
-Unlust gebüßet, so wird er nichts andres
-als Reue, müde Füße und den Hergang vor den Hingang
-davon haben.«</p>
-
-<p>Da er aber meinen Ernst sahe, meinete er, dieweil
-die und auf dem Hof weder zu hauen
-noch zu ernten, wolle er selbst mit mir gehen; dann er
-hatte mich so lieb und prangte mit mir, weil die Leute
-im Land glaubten, daß ich sein leiblicher Sohn sei.</p>
-
-<p>Also wanderten wir miteinander über Berg und Tal
-und kamen zum Mummelsee, eh wir sechs Stunden
-gegangen waren, dann mein Pate war noch so käfermäßig
-und sowohl zu Fuß als ein Junger. Nachdem
-wir uns an Speis und Trank erquickt, beschauete ich
-den See und fand die etlichen gezimmerten Hölzer des
-Württembergischen Flosses darin liegen. Die Luft war
-ganz windstill und wohl temperiert, so wollte ich auch
-probieren, was Wahrheit an der Sagenmär wäre, sintemal
-ich allbereit die Sage, daß der See keine Forellen
-leide, am mineralischen Geschmack des Wassers als
-natürlich zu sein befunden.</p>
-
-<p>Ich ging gegen der linken Hand an dem See hin, da
-das Wasser wegen der abscheulichen Tiefe des Sees
-gleichsam kohlschwarz zu sein scheinet und deswegen so
-förchterlich aussiehet. Daselbst fing ich an große Steine
-hinein zu werfen, als ich sie nur immer erheben und
-ertragen konnte. Mein Knän warnete mich und bat,
-ich aber continuierete meine Arbeit emsig fort, bis ich
-über dreißig Steine in den See brachte.</p>
-
-<p>Da fing die Luft an, den Himmel mit schwarzen
-Wolken zu bedecken, in welchen ein grausamer Donner
-gehöret ward, also daß mein Knän, der jenseits des<span class="pagenum"><a name="Seite_p324" id="Seite_p324">[S. 324]</a></span>
-Sees bei dem Auslauf stund, über meine Arbeit lamentierte
-und mir zuschrie, ich sollte mich doch salvieren,
-damit uns Regen und das schröckliche Wetter nicht ergreife.
-Ich aber antwortete: »Vater, ich will bleiben
-und des Endes erwarten, sollte es auch Hellebarten
-regnen.«</p>
-
-<p>Er schmälete noch weiterhin zu mir herüber, ich verwandte
-aber die Augen nicht von der Tiefe und sahe
-weit untern gegen den Abgrund etliche Kreaturen im
-Wasser herumfladern, die mich der Gestalt nach an
-Frösche ermahneten und gleichsam wie Schwärmerlein
-aus einer aufsteigenden Rakete in der Luft herumvagierten.
-Je näher sie kamen, desto größer und an
-Gestalt den Menschen ähnlicher schienen sie meinen
-Augen, weswegen mich dann erstlich eine große Verwunderung
-und endlich ein Grausen und Entsetzen
-ankam.</p>
-
-<p>»Ach,« rief ich vor Schröcken so laut, daß es mein
-Knän wohl hören konnte, »wie seind die Wunderwerke
-des Schöpfers auch sogar im Bauch der Erden und
-in der Tiefe des Wassers so groß!«</p>
-
-<p>Da war schon eins von den Sylphen oben auf dem
-Wasser und antwortete: »Das bekennst du, ehe du etwas
-davon gesehen hast, was würdest du wohl sagen, wann
-du erst selbsten im <span class="antiqua">Centro</span> der Erden wärest und unsere
-Wohnung, die dein Fürwitz beunruhiget, beschautest!«</p>
-
-<p>Unterdessen kamen noch mehr dergleichen Wassermännlein,
-gleichsam wie Tauchentlein hervor. Sie
-brachten die Steine wieder herauf, worüber ich ganz
-erstaunete. Der Erste und Vornehmste unter ihnen,
-dessen Kleidung wie lauter Gold und Silber glänzete,
-warf mir einen leuchtenden Stein zu, so groß wie ein
-Taubenei und so grün und durchsichtig, wie ein Smaragd.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p325" id="Seite_p325">[S. 325]</a></span>
-
-»Nimm das Kleinod, damit du etwas von uns und
-diesem See zu sagen wissest.«</p>
-
-<p>Ich hatte ihn aber kaum aufgehoben und zu mir
-gesteckt, da ward mir nicht anderst, als ob mich die
-Luft hätte ersticken und ersäufen wollen, derhalben ich
-mich dann nicht länger aufrecht behalten konnte, sondern
-herumtaumelte wie eine Garnwinde und endlich
-gar in den See hinunter fiel. Sobald ich aber ins
-Wasser kam, erholete ich mich wieder und atmete aus
-Kraft des Steins das Wasser anstatt der Luft. Ich
-konnte auch gleich sowohl als die Wassermännlein in
-dem See herumwebern, maßen ich mich mit ihnen in
-den Abgrund hinunter tät, als wann sich eine Schar
-Vögel mit Umschweifen gegen die Erde nieder lässet.</p>
-
-<p>Da mein Knän dies Wunder, samt meiner gählingen
-Verzückung gesehen, trollete er sich von dem See hinweg
-und heim zu, als ob ihm der Kopf brennte. Daselbst
-erzählete er den Verlauf. Etliche glaubten ihm,
-die meisten aber hielten es vor eine Fabel.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p326" id="Seite_p326">[S. 326]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_sechste_Kapitel" id="Buch5_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Der Fürst über den Mummelsee, so mich begleitete,
-sagte mir, daß wir durch die halbe Erde just
-neunhundert deutscher Meilen hätten, und wer zum
-<span class="antiqua">Centro</span> der Erde wolle, der müßte durch einen dergleichen
-Seen seinen Weg nehmen, deren hin und wieder
-so viel, als Tag im Jahr seien, in der Welt wären
-und alle bei ihres Königs Wohnung zusammen stießen.
-In solchem sanften Abfahren konnte ich mit dem
-Mummelseeprinzen allerhand diskurieren, dann ich bemerkte
-seine Freundlichkeit. So fragte ich, zu was Ende
-sie mich einen so weiten, gefährlichen Weg mit sich
-nähmen. Er antwortete mir gar bescheiden, der Weg
-sei nicht weit und in einer Stunde spaziert, er sei nicht
-gefährlich, dieweil ich in seiner Gesellschaft mit dem
-überreichten Stein hinabführe, daß er mir aber ungewöhnlich
-vorkomme, sei nicht zu verwundern. Darauf
-bat ich ihn ferner, mir zu berichten, weshalb der gütige
-Schöpfer so viel wunderbarliche Seen erschaffen.</p>
-
-<p>»Du fragst billig um dasjenige, was du nicht verstehst,
-diese Seen sind um dreierlei Ursachen willen geschaffen.
-Erstlich werden durch sie alle Meere gleichsam
-wie mit Nägeln an die Erde geheftet, zweitens werden
-von uns durch diese Seen die Wasser aus den Tiefen
-des Ozeans in alle Quellen der Erde getrieben, wovon
-Flüsse und Ströme entstehen, der Erdboden befeuchtiget,
-die Gewächse erquicket und beides: Mensch und Vieh
-getränket werden, drittens, daß wir als vernünftige
-Kreaturen Gottes darin leben und Gott loben. Wann
-wir aber aus einer andern Ursache unsere Geschäfte
-unterlassen müssen, so wird die Welt durchs Feuer<span class="pagenum"><a name="Seite_p327" id="Seite_p327">[S. 327]</a></span>
-untergehen, dann zu dieser Zeit, so alle Wasser verschwinden,
-wird die Erde von sich selbst durch die
-Sonnenhitze entzündet.«</p>
-
-<p>Da ich ihn also gleichsam die heilige Schrift anziehen
-hörete, fragte ich, ob sie sterbliche Kreaturen
-wären, oder ob sie Geister seien. Darauf antwortete
-er, sie seien keine Geister sondern sterbliche Leutlein
-und gab mir folgends eine <span class="antiqua">Genealogia</span> oder Stammtafel
-aller Kreatur, indem er mir fürderst von der Erschaffung
-der Engel erzählete und den Sturz derer, so
-aus Hoffart gefallen, folgends wie Gott die Welt mit
-allen Kreaturen aus seinem göttlichen Willen hervorgehen
-ließe und also auch den irdischen Menschen zu
-solchem End geschaffen, daß er Gott loben und sich
-vermehren sollte, bis sein Geschlecht so groß sei, die
-Zahl der gefallenen Engel zu ersetzen. Dann die heilige,
-entleibte Seele eines zwar irdischen, doch himmlisch gesinnten
-Menschen hat alle guten Eigenschaften des
-Engels an sich, der entseelte Leib eines irdischen Menschen
-aber ist gleich dem andern Aas eines unvernünftigen
-Tieres. Kam demnach zum Beschluß auf das Geschlecht
-der Sylphen und sagte: »Uns selbsten setzten
-wir vor das Mittel zwischen euch und allen lebendigen
-Kreaturen der Welt. Sintemal obgleich wir wie ihr
-vernünftige Seelen haben, so sterben jedoch dieselbige
-mit unseren Leibern hinweg, gleichsam als wie die lebhaften
-Geister der unvernünftigen Tiere in ihrem Tod
-verschwinden. Zwar ist uns kundbar, daß ihr durch den
-ewigen Sohn Gottes aufs höchste geadelt seid und euch
-die ewige Seligkeit wiederum erworben ist, aber ich
-rede und verstehe nichts von der Seligkeit, weil wir
-deren zu genießen nicht fähig sein. Uns hat der allgütige
-Schöpfer genugsam in dieser Zeitlichkeit beseeligt, als<span class="pagenum"><a name="Seite_p328" id="Seite_p328">[S. 328]</a></span>
-mit einer guten, gesunden Vernunft, mit Erkanntnus
-seines heiligen Willens, mit gesunden Leibern, langem
-Leben und einer edlen Freiheit, mit genugsam Wissenschaft
-und Kunst und, was das allermeiste ist, wir sind
-keiner Sünde, dannenhero auch keiner Strafe, ja nicht
-einmal der geringsten Krankheit unterworfen.«</p>
-
-<p>Ich antwortete, da sie keiner Missetat und auch keiner
-Strafe unterworfen, wozu sie dann eines Königs bedörftig,
-<span class="antiqua">item</span> wie sie sich der Freiheit rühmen könnten,
-wann sie einem König untertan. Darauf sagte er, sie
-hätten ihren König nicht, daß er Justiz übe, noch daß
-sie ihm dienen sollten, sondern er dirigiere wie der
-Weisel im Immenstock ihre Geschäfte. Sie würden
-ohne Wollust gezeugt und ohne Schmerzen geboren und
-also stürben sie auch nicht mit Schmerzen sondern gleichsam,
-wie ein Licht verlösche, wann es seine Zeit geleuchtet
-habe, also verschwinden auch ihre Leiber samt
-den Seelen. Gegen ihre Freiheit aber sei die Freiheit
-des allergrößten Monarchen unter uns irdischen Menschen
-gar nichts, dann sie könnten weder getötet noch
-zu etwas Unbeliebigem genötigt werden. Kein Gefängnus
-könne sie halten, weil sie Feuer, Wasser, Luft und
-Erde ohne einzige Mühe und Müdigkeit durchgehen
-könnten.</p>
-
-<p>Darauf sagte ich: »So ist euer Geschlecht von dem
-Schöpfer weit höher geadelt und beseeligt als das unsrige.«</p>
-
-<p>»Ach nein,« antwortete der Fürst, »Ihr sündigt,
-wann Ihr dies glaubt, dann Ihr vergesset der ewigen
-Seligkeit.«</p>
-
-<p>Ich sagte: »Was haben darum die Verdammten
-davon?«</p>
-
-<p>Da fragte er: »Was kann die Güte Gottes davor,
-wann euer einer sein Selbst vergisset und sich der Welt<span class="pagenum"><a name="Seite_p329" id="Seite_p329">[S. 329]</a></span>
-schändlichen Wollüsten ergibet, seinen viehischen Begierden
-die Zügel schießen lässet und sich dem unvernünftigen
-Vieh, ja den höllischen Geistern gleich machet?«</p>
-
-<p>Ich sagte zu dem Fürstlein, weil ich auf dem Erdboden
-ohn das mehr Gelegenheit hätte von dieser <span class="antiqua">Materia</span>
-zu hören, als ich mir zu nutz machte, so wollte
-ich ihn gebeten haben, mir die Ursache zu erzählen,
-warum ein so groß Ungewitter entstehe, wann man
-Steine in solche Seen werfe.</p>
-
-<p>»Weil alle Steine, so hineingeworfen werden, notwendig
-und natürlicher Weise in unsere Wohnung fallen
-und liegen bleiben müßten, so schaffen wir sie mit einer
-Ungestüme wieder hinaus, damit der Mutwille der
-Menschen abgeschreckt und in Zaum gehalten werden
-möge. An dieser einzigen Verrichtung kannst du die
-Notwendigkeit unseres Geschlechtes abnehmen, sintemal
-wann die Steine von uns nicht wieder ausgetragen
-würden, so müßten endlich die Gebäude, damit das
-Meer an die Erde geheftet und befestiget ist, zerstört
-und die Gänge, durch die die Quellen aus dem Abgrund
-des Meeres auf die Erde geleitet werden, verstopft
-bleiben, das dann eine schädliche Konfusion und der
-ganzen Welt Untergang mit sich bringen könnte.«</p>
-
-<p>Ich bedankte mich dieser Kommunikation und fragte,
-ob es auch möglich sein könnte, daß er mich wieder
-durch einen andern als den Mummelsee nach einem
-andern Ort der Erde auf die Welt bringen könnte.</p>
-
-<p>»Freilich, warum das nicht? Wann es nur Gottes
-Wille ist. Dann auf solche Weise haben unsere Voreltern
-vor alten Zeiten etliche Kanaaneer, die dem
-Schwert Josuas entronnen und sich aus Desperation
-in einen solchen See gesprenget, in Amerikam geführet,
-maßen deren Nachkömmlinge noch auf den heutigen<span class="pagenum"><a name="Seite_p330" id="Seite_p330">[S. 330]</a></span>
-Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre Ureltern
-anfänglich entsprungen.«</p>
-
-<p>Als ich nun sahe, daß er über meine Verwunderung
-erstaunete, gleichsam als ob seine Erzählung nicht Verwunderns
-würdig wäre, fragte ich ihn, ob er dann
-nicht auch Seltsames und Wunderliches von uns Menschen
-gesehen.</p>
-
-<p>Hierauf sagte er: »Wir wundern uns an euch nichts
-mehrers, als daß ich euch, da ihr doch zum ewigen,
-seligen Leben erschaffen, durch zeitliche und irdische
-Wollüste, die doch so wenig ohn Unlust und Schmerzen
-als Rosen ohne Dörner sind, dergestalt betören lasset.
-Ach, möcht unser Geschlecht an euerer Stelle sein, wir
-möchten euerer nichtigen und flüchtigen Zeitlichkeit Probe
-besser halten als ihr. Dann das Leben, so ihr habet,
-ist nicht euer Leben, sondern euer Leben oder Tod
-wird euch erst gegeben, wann ihr die Zeitlichkeit verlasset.
-Dannenhero halten wir die Welt vor einen Probierstein
-Gottes, auf welchem der Allmächtige das Gold
-des Menschen probieret.«</p>
-
-<p>Das war das Ende unseres Gesprächs, weil wir uns
-dem Sitz des Königs näherten, vor welchen ich ohn
-Zeremonien oder Verlust einiger Zeit hingebracht ward.
-Da hatte ich nun wohl Ursache mich über seine Majestät
-zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte
-Hofhaltung noch einziges Gepränge, ja aufs Wenigste
-keinen Kanzler oder geheime Räte, noch einzigen Dolmetschen
-oder Trabanten und Leibguarde, sogar keinen
-Schalksnarren, noch Koch, Keller, Page oder einzigen
-Favoriten oder Tellerlecker sahe, sondern rings um ihn
-her schwebten die Fürsten über alle Seen, die sich in
-der ganzen Welt befinden, jedweder in derjenigen Landestracht
-aufziehend, in welches sich sein See vom <span class="antiqua">Centro</span><span class="pagenum"><a name="Seite_p331" id="Seite_p331">[S. 331]</a></span>
-der Erde aus erstreckte. Dannenhero sahe ich zugleich
-die Ebenbilder der Chineser und Afrikaner, Troglodyten
-und Novazembler, Tataren und Mexikaner, Samojeden
-und Moluccenser, ja auch von denen so unter
-den <span class="antiqua">Polis arctico</span> und <span class="antiqua">antarctico</span> wohnen, das wohl
-ein seltsames Spektakul war; derjenige, so ober den
-Pilatussee die Obersicht trug, zog mit einem breiten,
-ehrbaren Bart und ein paar Ploderhosen auf, wie ein
-reputierlicher Schweizer, und derjenige, so ober den
-See Camarina die Aufsicht hatte, sahe beides: mit
-Kleidern und Geberden einem Sizilianer so ähnlich,
-daß einer tausend Eide geschworen hätte, er wäre niemalen
-aus Sicilia weggekommen.</p>
-
-<p>Ich bedorfte nicht viel Komplimenten zu machen,
-dann der König fing selbst an, gut deutsch mit mir zu
-reden.</p>
-
-<p>»Aus was Ursache hast du dich unterfangen, uns
-gleichsam ganz mutwilliger Weise so einen Haufen Steine
-zuzuschicken?«</p>
-
-<p>»Weil bei uns einem jeden erlaubt ist an einer verschlossenen
-Tür anzuklopfen.«</p>
-
-<p>»Wie wann du aber den Lohn deiner fürwitzigen
-<span class="antiqua">Importunität</span> empfingest?«</p>
-
-<p>»Ich kann mit keiner größeren Strafe beleget werden,
-als daß ich sterbe. Sintemal ich aber seithero so
-viel Wunder erfahren und gesehen, wie unter Millionen
-Menschen keiner das Glück nicht hat, würde mir mein
-Tod vor gar keine Strafe zu rechnen sein.«</p>
-
-<p>»Ach, elende Blindheit! Ihr Menschen könnet nur
-einmal sterben und ihr Christen sollet den Tod nicht
-eher getrost zu überstehen wissen, ihr wäret dann gegen
-Gott durch eine unzweifelhafte Hoffnung versichert. Aber
-ich habe vor, diesmal weit anderes mit dir zu reden.<span class="pagenum"><a name="Seite_p332" id="Seite_p332">[S. 332]</a></span>
-Es ist mit bekannt worden, daß ihr Christen euch des
-jüngsten Tages ehistens versehet, weilen alles, was auf
-der Erden lebet, den Lastern so schröcklich ergeben seie,
-also daß der allmächtige Gott nicht lange verziehen
-werde. Darob entsetzten wir uns nicht wenig, wegen
-der Nähe solcher erschröcklichen Zeit. Haben dich derowegen
-zu uns holen lassen, um zu vernehmen, was
-etwan nach etlichen Wahrzeichen, die euer Heiland für
-seine Ankunft hiebevor selbsten hinterlassen, vor Sorge
-oder Hoffnung sein möchte. Ersuchen dich derowegen
-ganz holdselig, du wollest uns bekennen, ob derjenige
-Glaube noch auf Erden sei, welchen der Richter bei
-seiner Ankunft schwerlich mehr finden wird.«</p>
-
-<p>Ich sagte, das zu beantworten seie mir viel zu hoch.
-Die Ankunft des Herrn sei Gott allein bekannt.</p>
-
-<p>»Nun wohlan, so sage mir, wie sich die Stände der
-Welt in ihrem Beruf halten, damit ich daraus der Welt
-Untergang absehe. Hingegen will ich dich, wann du mir
-die Wahrheit bekennst, mit einer solchen Verehrung abfertigen,
-deren du dich dem Lebtag wirst zu erfreuen
-haben.«</p>
-
-<p>Als ich nun hierauf schwieg und mich bedachte, fuhr
-der König fort: »Dran! Dran! Fang am höchsten an
-und beschließ am niedersten. Es muß doch sein, wann
-du anders wieder auf den Erdboden willst.«</p>
-
-<p>Ich antwortete: »Wann ich am höchsten anfahen soll,
-so mach ichs billig bei den Geistlichen, diese seind gemeiniglich
-alle, sie seien auch gleich, was vor Religion
-sie immer wollen, rechtschaffene Verächter der Ruhe,
-Vermeider der Wollüste, in ihrem Beruf begierig zur
-Arbeit, geduldig gegen Verachtung, demütig bei ihren
-Verdiensten, hochmütig gegen die Laster. Und gleichwie
-sie sich allein befleißen, Gott zu dienen und andere Menschen<span class="pagenum"><a name="Seite_p333" id="Seite_p333">[S. 333]</a></span>
-mehr durch ihre Exempel als durch Worte zum
-Reiche Gottes zu bringen, also haben die weltlichen
-hohen Häupter allein ihr Absehen auf die liebe <span class="antiqua">Justitia</span>,
-welche sie dann ohn Ansehen der Person einem jedweden,
-Armen oder Reichen, durch die Bank hinaus
-schnurgerad erteilen und widerfahren lassen. Die Kaufleute
-handeln nie aus Geiz oder um Gewinns willen,
-sondern damit sie ihren Nebenmenschen mit ihrer Ware,
-die sie zu solchem Ende aus fernen Landen herbringen,
-bedient sein können. Die Wirte treiben nicht deswegen
-ihre Wirtschaften, reich zu werden, sondern damit sich
-der Hungrige, Durstende und Reisende bei ihnen erquicken,
-und sie die Bewirtung als ein Werk der Barmherzigkeit
-an den müden und kraftlosen Menschen üben
-können. Also suchet der <span class="antiqua">Medicus</span> nicht seinen Nutz, sondern
-die Gesundheit seines Patienten, wohin dann auch
-die Apotheker zielen. Die Handwerker wissen von keinen
-Vorteln, Lügen und Betrug, sondern befleißen sich,
-ihre Kunden mit dauerhafter und rechtschaffener Arbeit
-am besten zu versehen. Den Schneidern tut nichts Gestohlenes
-im Auge wehe, und die Weber bleiben aus
-Redlichkeit arm, daß sich auch keine Mäus bei ihnen
-ernähren können, denen sie ein Knäul Garn nachwerfen
-müßten. Man weiß von keinem Wucher, sondern der
-Wohlhäbige hilft dem Dürftigen aus christlicher Liebe
-ganz ungebeten. Und wann ein Armer nicht zu bezahlen
-hat, ohn merklichen Schaden und Abgang seiner Nahrung,
-so schenkt ihm der Reiche die Schuld aus freien
-Stücken. Man spüret keine Hoffart, dann jeder weiß
-und bedenkt, daß er sterblich ist. Man merket keinen
-Neid, dann es weiß und erkennet je einer den andern
-vor ein Ebenbild Gottes, das von seinem Schöpfer geliebt
-wird. Keiner erzörnt sich über den andern, weil<span class="pagenum"><a name="Seite_p334" id="Seite_p334">[S. 334]</a></span>
-sie wissen, daß Christus vor alle gelitten und gestorben.
-Man höret von keiner Unkeuschheit oder unordentlichen
-fleischlichen Begierden, sondern was so vorgehet, das
-geschieht aus Begierde und Liebe zur Kinderzucht. Da
-findet man keine Trunkenbolde oder Vollsäufer, sondern
-wann einer den andern mit einem Trunk ehrt, so lassen
-sich beide nur mit einem christlichen Räuschlein begnügen.
-Da ist keine Trägheit im Gottesdienst, dann ein
-jeder erzeiget einen emsigen Fleiß und Eifer, wie er vor
-allem andern Gott rechtschaffen dienen möge; und eben
-deswegen sind jetzund so schwere Kriege auf Erden,
-weil je ein Teil vermeinet, der andere diene Gott nicht
-recht. Es gibt keine Geizigen mehr, sondern Sparsame,
-keine Verschwender, sondern Freigebige, keine Kriegsgurgeln,
-die Leute berauben und verderben, sondern
-Soldaten die das Vaterland beschirmen, keine mutwilligen,
-faulen Bettler, sondern Verächter der Reichtümer
-und Liebhaber der freiwilligen Armut, keine Korn-
-und Weinjuden, sondern vorsichtige Leute, die den überflüssigen
-Vorrat auf den besorglichen künftigen Notfall
-vor das Volk aufheben und zusammenhalten.«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p335" id="Seite_p335">[S. 335]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_siebente_Kapitel" id="Buch5_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich pausierte ein wenig und bedachte mich, aber
-der König sagte, er hätte bereits so viel gehöret,
-daß er nicht mehr zu wissen begehrete, wann ich wollte,
-so sollten sie mich gleich wieder an den Ort bringen,
-von wo sie mich genommen. Wollte ich aber eins oder
-das andere beschauen, so sollte ich in seinem Reiche sicher
-begleitet sein und alsdann werde ich mit einer Verehrung
-abgefertigt werden, daß ich zufrieden sein könnte. Da
-ich mich aber zu nichts entschließen konnte, wandte er
-sich zu etlichen, die eben in den Abgrund des <span class="antiqua">Mare
-del Zur</span> sich begaben. »Nehmt ihn mit und bringet ihn
-bald wieder, damit er noch heut auf den Erdboden gestellet
-werde!« Zu mir sagte er, ich möchte mich auf einen
-Wunsch besinnen.</p>
-
-<p>Durch ein Loch, das etliche hundert Meilen lang war,
-kamen wir auf den Grund des friedsamen Meeres <span class="antiqua">del
-Zur</span>, darauf standen Korallenzinken so groß wie Eichbäume,
-von denen sie zur Speise mit sich nahmen, was
-noch nicht erhärtet und gefärbet war, dann sie pflegten
-sie zu essen, wie wir die jungen Hirschgeweihe. Da sahe
-ich Schneckenhäuser so groß als ein Rondell und breit
-als ein Scheuertor. <span class="antiqua">Item</span> Perlen so dick als Fäuste,
-welche sie anstatt der Eier aßen. Der Boden lag überall
-mit Smaragden, Türkis, Rubinen, Diamanten und andern
-Edelsteinen überstreut, gemeiniglich so groß wie
-Bachkiesel. Da sahe man hier und dort gewaltige Schröffen
-viel Meilwegs in die Höhe ragen, die vor das
-Wasser hinausgingen und lustige Insuln trugen. Sie
-waren rund herum mit allerhand wunderbarlichen Meergewächsen
-gezieret und von mancherlei seltsamen Kreaturen<span class="pagenum"><a name="Seite_p336" id="Seite_p336">[S. 336]</a></span>
-bewohnet. Die Fische aber, groß und klein, von
-unzählbarer Art vagierten über uns im Wasser herum
-und gemahneten mich allerdings an so vielerlei Vögel,
-die sich in Frühlingszeit und im Herbst bei uns in der
-Luft erlustieren.</p>
-
-<p>Als der, in dessen Obhut ich befohlen war, sahe, wie
-mir alles so wunderbarlich vorkam und ich darüber erstaunete,
-daß sie als Peruaner, Brasilianer, Mexikaner
-und Insulaner <span class="antiqua">de los latrones</span> dannoch so gut deutsch
-redeten, da sagte er, daß sie nicht mehr als eine Sprache
-könnten, die aber alle Völker auf den ganzen Umkreis
-der Erden in ihrer Sprache verstünden und sie hingegen
-wiederum, welches daher komme, daß ihr Geschlecht
-mit der Torheit des babylonischen Turmes nichts zu
-schaffen hätte.</p>
-
-<p>Weil sich nun meine Begleitung genugsam verproviantiert
-hatte, kehrten wir in das <span class="antiqua">Centrum</span> der Erde
-zurück. Auf dem Wege sagte ich, die Wunder, die ich bisher
-gesehen, hätten mich so gar aus mir selbst gebracht,
-daß ich mich auf nichts bedenken könnte, sie wollten
-mir raten, was ich von dem König begehren sollte.
-Meine Meinung wäre, von ihm einen Gesundbrunnen
-auf meinen Hof zu erbitten, wie derjenige wäre, der
-neulich von sich selbst in Deutschland entsprungen sei.
-Mein Führer antwortete mir, solches würde in seines
-Königs Macht nicht stehen. Darauf fragte ich nach Ursach
-dessen und er antwortete: »Es befinden sich hin
-und wieder in der Erde leere Stätten, die sich nach und
-nach mit allerhand Metallen ausfüllen, schläget sich zu
-Zeiten durch die Spälte aus dem <span class="antiqua">Centro</span>, davon alle
-Quellen getrieben werden, Wasser darzu, welches dann
-um und zwischen den Metallen viel hundert Jahr sich
-enthält und der Metallen edle Art und heilsame Eigenschaften<span class="pagenum"><a name="Seite_p337" id="Seite_p337">[S. 337]</a></span>
-an sich nimmt, und suchet es endlich durch
-seinen starken Trieb einen Auslauf, so wird das Heilwasser
-nach so und soviel hundert Jahren zum allerersten
-ausgestoßen und tät alsdann in denen menschlichen
-Körpern die wunderbarliche Wirkung, die man
-an solchen neuen Heilbrunnen siehet. So es aber in
-schnellem Lauf durch die Metalle passieret, vermöchte es
-keine Tugenden oder Kräfte von den Metallen an sich
-nehmen.« Wann ich die Gesundheit, sagte er, so sehr
-affectiere, so sollte ich den König ersuchen, daß er mich
-dem König der Salamander, mit welchem er in Korrespondenz
-stünde, in eine Kur empfehle. Derselbe könne
-die menschlichen Körper durch einen Edelstein begaben,
-daß sie in keinem Feuer verbrennen mögen. Wenn man
-solche Menschen wie eine schleimige, alte, stinkende Tabakspfeife
-mitten in das Feuer setze, da verzehrten sich
-dann alle bösen Humores und schädlichen Feuchtigkeiten,
-und komme ein Patient wieder so jung, frisch, gesund
-und neugeschaffen hervor, als wann er <span class="antiqua">Elixir Theophrasti</span>
-eingenommen hätte.</p>
-
-<p>Ich wußte nicht, ob mich der Kerl foppte oder ob
-es ihm ernst war, doch bedankte ich mich der vertraulichen
-<span class="antiqua">Communication</span> und sagte, ich besorge diese
-Kur sei mir als einem <span class="antiqua">Cholerico</span> zu hitzig. Mir würde
-nichts Lieberes sein, als wann ich meinen Mitmenschen
-eine heilsame, rare Quelle mit mir auf den Erdboden
-bringen könnte, welches ihnen zu Nutz, dem Könige
-im <span class="antiqua">Centro</span> der Erden zur Ehre, mir aber zu einem
-unsterblichen Namen und ewigem Gedächtnus gereichen
-würde. Darauf mußte ich hören, daß der König im
-<span class="antiqua">Centro</span> der Erden der Ehre oder Schande, so ihm unter
-den Menschen zugelegt werde, gleichviel achte.</p>
-
-<p>Mithin kamen wir wiederum vor das Angesicht des<span class="pagenum"><a name="Seite_p338" id="Seite_p338">[S. 338]</a></span>
-Königs, da bemerkte ich, wie die Sonne einen See
-nach dem andern beschiene und ihre Strahlen bis in diese
-schröckliche Tiefe herunter warf, also daß den Sylphis
-niemalen kein Licht mangelte. Man brauchte zum Imbiß
-weder Wein noch stark Getränke, aber anstatt dessen
-tranken sie Perlen, als welche noch nicht erhärtet waren,
-aus; die gaben ihnen treffliche Stärke.</p>
-
-<p>Indessen hatte sich die Zeit genähert, daß ich wieder
-heim sollte, derhalben befahl der König, ich sollte meinen
-Wunsch tun. Da antwortete ich, es könnte mir keine
-größere Gnade widerfahren, als wann er mir einen
-rechtschaffenen medicinalischen Sauerbrunn auf meinen
-Hof würde zukommen lassen.</p>
-
-<p>»Ist es nur das? Ich hätte vermeint, du würdest
-etliche große Smaragde mit dir nehmen. Jetzt sehe ich,
-daß kein Geiz bei euch Christen ist.«</p>
-
-<p>Mithin reichte er mir einen Stein von seltsam wechselnden
-Farben und sagte: »Diesen stecke zu dir. Wo du
-ihn auf den Erdboden legen wirst, daselbst wird er anfahen,
-das <span class="antiqua">Centrum</span> wieder zu suchen und die bequemsten
-Mineralia durchgehen, bis er wieder zu uns kommt
-und dir unsretwegen eine herrliche Sauerbrunnquelle zuschicket,
-die dir so wohl bekommen und zuschlagen soll,
-als du mit Eröffnung der Wahrheit um uns verdienet
-hast.«</p>
-
-<p>Darauf nahm mich der Fürst vom Mummelsee wieder
-in sein Geleit. Diese Heimfahrt dünkte mich viel weiter
-als die Hinfahrt, also daß ich auf dritthalbtausend wohlgemessener
-deutscher Meilen rechnete. Auch redete ich
-mit meinen Begleitern nichts. Im übrigen war ich in
-meiner Phantasie mit meinem Sauerbrunn so reich,
-daß alle meine Gedanken und Witz genug zu tun hatten
-zu beratschlagen, wo ich ihn hinsetzen und wie ich mir<span class="pagenum"><a name="Seite_p339" id="Seite_p339">[S. 339]</a></span>
-ihn zu Nutz machen wollte. Da hatte ich allbereits meine
-Anschläge wegen der ansehnlichen Gebäude, die ich dazusetzen
-mußte, damit die Badegäste auch rechtschaffen
-accomodiert seien und ich ein großes Losamentgeld aufheben
-möchte. Ich ersann schon, durch was vor Schmiralia
-ich die <span class="antiqua">Medicos</span> dahinbringen wollte, daß sie
-meinen neuen Wundersauerbrunn allen andern, ja gar
-den Schwalbacher vorziehen und mir einen Haufen neuer
-Badegäste zuschaffen sollten. Ich machte schon ganze
-Berge eben, damit sich die Ab- und Zufahrenden über
-keinen mühsamen Weg beschwereten. Ich dingete schon
-verschmitzte Hausknechte, geizige Köchinnen, vorsichtige
-Bettmägde, wachsame Stallknechte, saubere Bad- und
-Brunnenverwalter und sann auch allbereits einen Platz
-aus, auf welchem ich mitten im wilden Gebürge, bei
-meinem Hof einen schönen, ebenen Lustgarten pflanzen
-und allerlei rare Gewächse darin ziehen wollte, damit
-die fremden Herren Badegäste mit ihren Frauen darin
-spazieren, sich die Kranken erfrischen, die Gesunden
-mit allerhand kurzweiligen Spielen ergötzen und errammlen
-können. Da mußten mir die <span class="antiqua">Medici</span>, doch um
-die Gebühr, einen herrliche Tractat von meinem Brunn
-und dessen köstliche Qualität zu Papier bringen, welchen
-ich alsdann neben einem schönen Kupferstich, darin
-mein Baurenhof im Grundriß entworfen, wohl drucken
-lassen konnte, aus welchem ein jeder abwesende Kranke
-sich gleichsam halb gesund lesen und hoffen möchte. Ich
-ließ bereits meinen Sohn von L. holen, doch dorfte
-er mir kein Bader werden, dann ich hatte mir vorgenommen,
-meinen Gästen obzwar nicht den Rücken,
-so doch aber ihren Beutel tapfer zu schröpfen.</p>
-
-<p>Mit solchen reichen Gedanken und überseligem Phantasiehandel
-erreichte ich wiederum die Luft, maßen mich<span class="pagenum"><a name="Seite_p340" id="Seite_p340">[S. 340]</a></span>
-mein Prinz allerdings mit trockenen Kleidern aus seinem
-Mummelsee ans Land satzte. Doch mußte ich das Kleinod,
-so er mir anfänglich gegeben, stacks von mir tun,
-dann ich hätte sonst in der Luft ersaufen oder Atem
-zu holen den Kopf wieder in das Wasser stecken müssen.
-Da er den Stein wieder zu sich genommen, beschirmten
-wir einander als Leute, die einander nimmer wieder zu
-sehen würden bekommen. Er duckte sich und fuhr wieder
-mit den seinigen in den Abgrund. Ich aber ging mit
-meinem Quellenstein voll Freuden davon.</p>
-
-<p>Aber ach, meine Freude währete nicht lang! Indem
-ich noch immerfort Kalender machte, wie ich den köstlichen
-Wunderbrunn auf meinen Hof setzen und mir
-darbei einen geruhigen Herrenhandel schaffen möchte,
-stund ich, eh ich meiner Verirrung gewahr ward, mitten
-in einer Wildnus wie Matz von Dresden beides: ohne
-Speis und Gewehr, dessen ich gegen die bevorstehende
-Nacht wohl bedörftig gewesen wäre. Geduld, Geduld, dein
-Stein wird dich aller überstandenen Not wiederum ergetzen!
-Gut Ding will Weile haben! Vortreffliche Sachen
-werden ohne große Mühe und Arbeit nicht erworben,
-sonst würde jeder Narr ohn Schnaufens und Bartwischens
-einen solchen edlen Sauerbrunn zuwege bringen.</p>
-
-<p>Ich trat tapferer auf die Sohlen. Der Vollmond
-leuchtete mir zwar fein, aber die hohen Tannen ließen
-mir sein Licht nicht so wohl gedeihen, doch kam ich
-soweit fort, bis ich um Mitternacht von weitem ein
-Feuer gewahr ward. Etliche Waldbauren saßen darbei,
-die mit Harz zu tun hatten.</p>
-
-<p>Wiewohl nun solchen Gesellen nicht allezeit zu trauen,
-so zwang mich doch die Not zu ihnen. Ich hinterschlich
-sie unversehens und sagte: »Guten Abend, ihr Herrn!«</p>
-
-<p>Da stunden und saßen sie alle sechse vor Schröcken<span class="pagenum"><a name="Seite_p341" id="Seite_p341">[S. 341]</a></span>
-zitternd. Dann weil ich einer von den Längsten bin,
-noch schwarze Trauerkleider anhatte, zumalen einen
-schröcklichen Prügel in den Händen trug, auf welchem
-ich mich wie ein wilder Mann steurete, kam ihnen
-meine Gestalt entsetzlich vor. Endlich erholete sich einer.</p>
-
-<p>»Wer ischt dann der Hair?«</p>
-
-<p>Da hörete ich, daß er schwäbischer Nation sein müßte,
-die man zwar (aber vergeblich) vor einfältig schätzet,
-sagte derowegen, ich sei ein fahrender Schüler, der jetzo
-erst aus dem Venusberg komme.</p>
-
-<p>»Oho,« antwortete einer, »jetzt glaube ich, Gottlob,
-daß ich den Frieden wieder erleben werde, weil die
-fahrenden Schüler wieder anfangen zu reisen.«</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p342" id="Seite_p342">[S. 342]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_achte_Kapitel" id="Buch5_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Also kamen wir ins Gespräch und ich genoß so vieler
-Höflichkeit von ihnen, daß sie mich hießen zu Feuer
-niedersitzen und mir ein Stück schwarz Brot und magern
-Kühkäs anboten, welches ich gern annahm. Endlich
-wurden sie so verträulich, daß sie mir zumuteten, ich
-sollte ihnen als fahrender Schüler gute Wahrheit sagen.
-Da fing ich an einem nach dem andern auf seine Hand
-hin aufzuschneiden, was ich meinete, daß es ihnen wohl
-gelegen sei. Sie begehreten weiterhin allerhand fürwitzige
-Künste von mir zu lernen, ich aber vertröstete
-sie auf den künftigen Tag, und begehrete, daß sie mich
-ein wenig ruhen wollten lassen. Legte mich also beiseits,
-mehr zu horchen als zu schlafen. Je mehr ich nun
-schnarchte, je wachsamer sie sich erzeigeten. Sie stießen
-die Köpfe zusammen und fingen an zu beraten, wer
-ich sein möchte. Vor keinen Soldaten wollten sie mich
-halten, weil ich ein schwarz Kleid antrug, und vor
-keinen Bürgerskerl konnten sie mich schätzen, weil ich
-zu einer solchen ungewöhnlichen Zeit so fern von den
-Leuten in das Mückenloch (so heißet der Wald) angestochen
-käme. Zuletzt beschlossen sie, ich müßte dannoch
-ein lateinischer Handwerksgeselle sein, der verirrt wäre,
-oder ein fahrender Schüler, weil ich so trefflich wahrsagen
-konnte.</p>
-
-<p>»Ja,« fing einer an, »er hat darum doch nicht alles
-gewußt. Etwan ist er ein loser Krieger und hat sich
-so verkleidet, unser Viehe und die Schliche im Wald
-auszukunden. Ach, daß wir es wüßten, wir wollten
-ihn schlafen legen, daß er das Aufstehen vergessen sollte!«</p>
-
-<p>Indessen lag ich dort und spitzte die Ohren. Ich gedachte:<span class="pagenum"><a name="Seite_p343" id="Seite_p343">[S. 343]</a></span>
-werden mich diese Knollfinken angreifen, so muß
-mir zuvor einer oder drei ins Gras beißen.</p>
-
-<p>Demnach nun diese ratschlagten und ich mich mit
-Sorgen ängstigte, ward mir gähling, als ob ein Bettnässer
-bei mir läge, dann ich lag unversehens ganz naß.
-<span class="antiqua">O mirum!</span> Da war Troja verloren! Alle meine trefflichen
-Anschläge waren dahin, dann ich merkte am
-Geruch, daß es mein Sauerbrunn war. Da geriet ich
-vor Zorn und Unwillen in eine solche Raserei, daß ich
-mich beinahe mit den sechs Bauren eingelassen und
-herumgeschlagen hätte.</p>
-
-<p>»Ihr gottlosen Flegel! An diesem Sauerbrunn, der
-auf meiner Lagerstätte hervorquillet, könnet ihr merken,
-wer ich sei! Es wäre kein Wunder, ich strafe Euch alle,
-daß euch der Teufel holen möchte, weil ihr so böse
-Gedanken traget.«</p>
-
-<p>Machte darauf so bedrohliche und erschröckliche Mienen,
-daß sie sich alle vor mir entsatzten. Doch kam ich
-wieder zu mir selber und dachte, besser den Sauerbrunn
-als das Leben verloren, gab ihnen derhalben gute Worte
-und sagte: »Stehet auf und versuchet den herrlichen
-Sauerbrunn, den ihr und alle Harz- und Holzmacher
-hinfort in dieser Wildnus meinetwegen zu genießen
-haben werdet.«</p>
-
-<p>Sie sahen einander an wie lebendige Stockfische, bis
-sie merkten, daß ich fein nüchtern aus meinem Hut den
-ersten Trunk tät. Da stunden sie nacheinander vom
-Feuer auf, besahen das Wunder, versuchten das Wasser
-und begannen zu lästern: Sie wollten, daß ich mit
-meinem Sauerbrunn an einen andern Ort geraten wäre,
-dann sollte ihre Herrschaft dessen inne werden, so müßte
-das ganze Amt Dornstädt fröhnen und Wege darzu
-machen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p344" id="Seite_p344">[S. 344]</a></span>
-
-»Dahingegen«, sagte ich, »habet ihr dessen alle zu genießen.
-Eure Hühner, Eier, Butter, Viehe und alles
-könnet ihr besser ans Geld bringen.«</p>
-
-<p>»Nein, nein,« riefen sie, »nein! Die Herrschaft setzt
-einen Wirt hin, der wird allein reich und wir müssen
-seine Narren sein, ihm Wege und Stege erhalten und
-werden keinen Dank darzu haben!«</p>
-
-<p>Zuletzt entzweiten sie sich, zween wollten den Sauerbrunn
-behalten, vier muteten mir zu, ich sollte ihn
-wieder abschaffen. Weil aber nunmehr Tag vorhanden
-war und ich nichts mehr da zu tun hatte, sagte ich,
-wann sie nicht wollten, daß alle Kühe im ganzen
-bayersbrunner Tal rote Milch geben sollten, solang
-der Brunn liefe, so sollten sie mir alsobald den Weg
-in Seebach weisen. Sie gaben mir zwei mit, maßen
-sich einer allein bei mir forchtete.</p>
-
-<p>Also schied ich von dannen und obzwar dieselbe ganze
-Gegend unfruchtbar war und nichts als Tannzapfen
-trug, so hätte ich sie doch noch elender verfluchen mögen,
-weil ich alle meine Hoffnung daselbst verloren. &mdash; Nach
-vieler Mühe und Arbeit kam ich gegen Abend wieder
-heim auf meinen Baurenhof und sahe, daß mein Knän
-mir wahrgesagt hatte: nichts als müde Beine und den
-Hergang vor den Hingang würde ich von dieser Wallfahrt
-haben.</p>
-
-<p>Nach meiner Heimkunft hielt ich mich gar eingezogen,
-meine größte Freude und Ergötzung war, hinter den
-Büchern zu sitzen, deren ich mir dann viel beischaffte,
-so von allerhand Sachen handelten, sonderlich die eines
-großen Nachsinnens bedörfen. Aber <span class="antiqua">Grammaticam</span> und
-<span class="antiqua">Arithmeticam</span>, <span class="antiqua">Mathematicam</span> und <span class="antiqua">Geometriam</span> auch
-<span class="antiqua">Astronomiam</span> warf ich bald von mir, teils sie mir
-gar bald erleidet und ich ihrer überdrüssig ward, teils<span class="pagenum"><a name="Seite_p345" id="Seite_p345">[S. 345]</a></span>
-sie mich zwar trefflich erlustigten aber mir endlich auch
-falsch und ungewiß vorkamen, also, daß ich mich auch
-nicht länger mit ihnen schleppen mochte. Bei der
-Lullischen Kunst befand ich viel Geschrei und wenig
-Wolle. Ich machte mich hinter die <span class="antiqua">Kabbala</span> der Hebräer
-und <span class="antiqua">Hieroglyphicas</span> der Egypter, fand aber als Allerletztes
-von allen meinen Künsten und Wissenschaften,
-daß keine bessere sei als <span class="antiqua">Theologia</span>.</p>
-
-<p>Nach derselben Richtschnure erfand ich vor die Menschen
-eine Art zu leben, die mehr englisch als menschlich
-sein könnte. Es sollte sich meines Davorhaltens
-eine Gesellschaft zusammen tun beides: von verehelichten
-als ledigen so Manns- als Weibspersonen, die
-auf Manier der Wiedertäufer allein sich beflissen, unter
-einem verständigen Vorsteher durch ihrer Hände Arbeit
-ihren Unterhalt zu gewinnen und sich die übrige Zeit
-mit dem Lob und Dienst Gottes und um ihrer Seelen
-Seligkeit zu bemühen. Ich hatte hiebevor in Ungarn
-auf den wiedertäuferischen Höfen ein solches Leben
-gesehen und vor das seligste in der ganzen Welt geschätzet,
-dann sie kamen mir in ihrem Tun und Leben
-allerdings für wie die jüdischen Essäer. Sie hatten erstlich
-große Schätze und überflüssige Nahrung, die sie
-aber keineswegs verschwendeten. Kein Fluch, Murmelung,
-noch Ungeduld ward bei ihnen gespüret, ja, man
-hörete kein unnützes Wort. Da sahe ich Handwerker
-in ihren Werkstätten arbeiten, als wann sie es verdingt
-hätten. Ihr Schulmeister unterrichtete die Jugend, als
-wann sie alle seine leiblichen Kinder gewesen wären.
-Nirgends sahe ich Manns- und Weibsbilder untereinander
-vermischt, sondern an jedem bestimmten Ort
-auch jedes Geschlecht absonderlich seine obliegend Arbeit
-verrichten. Ich fand Zimmer, in welchen nur Kindbetterinnen<span class="pagenum"><a name="Seite_p346" id="Seite_p346">[S. 346]</a></span>
-waren, die ohne Obsorge ihrer Männer
-durch ihre Mitschwestern mit aller notwendigen Pflege
-samt ihren Kindern reichlich versehen wurden. Andere
-sonderbare Säle standen voll Wiegen mit Säuglingen,
-die von andern Weibern, das waren Witwen, beobachtet
-wurden, daß sich deren Mütter ferners nicht um sie
-bekümmern durften, als wann sie täglich zu dreien gewissen
-Zeiten kamen, ihnen ihre mildreichen Brüste zu
-bieten. Anderswo sahe ich das weibliche Geschlecht sonst
-nichts tun als spinnen, also daß man über die hundert
-Kunkeln oder Spinnrocken in einem Zimmer beieinander
-antraf. Da war eine die Wäscherin, die andere
-die Bettmacherin, die dritte Viehmagd, die vierte
-Schüsselwäscherin, die fünfte Kellerin, die sechste hatte
-das weiße Zeug zu verwalten und also auch die übrigen
-alle wußten eine jede, was sie tun sollten. Und gleichwie
-die Ämter unter dem weiblichen Geschlecht ordentlich
-ausgeteilet waren, also wußte auch unter den
-Männern und Jünglingen ein jeder sein Geschäft. Die
-Kranken hatten Wärter und Wärterin und stund ihnen
-ein allgemeiner <span class="antiqua">Medicus</span> und Apotheker bei, wiewohl
-sie wegen löblicher Diät und guter Ordnung selten erkrankten.
-Sie hatten ihre gewissen Stunden zum Essen
-und Schlafen, aber keine einzige Minute zum Spielen
-noch Spazieren, außerhalb die Jugend, welche mit ihrem
-Präceptor jedesmal nach dem Essen der Gesundheit
-halber eine Stunde spazierte. Da war kein Zorn, kein
-Eifer, keine Rachgier, kein Neid, keine Feindschaft,
-keine Sorge um Zeitliches, keine Hoffart, keine Reue.
-Kein Mann sahe sein Weib, als wann er auf die bestimmte
-Zeit sich mit derselben in seiner Schlafkammer
-befand, in welcher er sein zugerichtetes Bette und sonst
-nichts darbei als einen Wasserkrug und weißen Handzwilch<span class="pagenum"><a name="Seite_p347" id="Seite_p347">[S. 347]</a></span>
-fand, damit sie mit gewaschenen Händen schlafen
-gehen und des Morgens an die Arbeit aufstehen möchten.
-Und alle hießen einander Schwester und Bruder,
-und war doch solche ehrbare Verträulichkeit keine Ursache
-unkeusch zu sein. Ein solches seliges Leben, wie
-diese Wiedertäuferischen Ketzer führten, hätte ich gern
-auch aufgebracht. Und hätte als ein anderer <span class="antiqua">Dominicus</span>
-oder <span class="antiqua">Franciscus</span> einer solchen vereinigten Christengesellschaft
-meinen Hof und ganzes Vermögen zum besten
-gegeben, unter denselben ein Mitglied zu sein. Aber
-mein Knän profezeite mir stracks, daß ich wohl nimmermehr
-solche Bursche zusammenbringen würde.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p348" id="Seite_p348">[S. 348]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_neunte_Kapitel" id="Buch5_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Denselbigen Herbst näherten sich französische, schwedische
-und hessische Völker, sich bei uns zu erfrischen,
-deswegen dann jedermann sich selbst samt seinem
-Viehe und besten Sachen in die hohen Wälder flüchtete.
-Ich machte es wie meine Nachbarn und ließ das Haus
-ziemlich leer stehen, in welches ein reformierter schwedischer
-Obrister logieret ward. Derselbige fand in meinem
-Kabinett noch etliche Bücher, dann ich in der Eil nicht
-alles hinwegbringen konnte, und unter andern einzige
-mathematische und geometrische Abrisse, auch etwas
-vom Fortifikationswesen. Er schloß deshalben, daß sein
-Quartier keinem gemeinen Bauren zuständig sein müßte,
-fing derowegen an, sich um meine Person zu erkundigen
-und ihr nach zu trachten, maßen er selbsten durch
-courtoise Zuentbietungen und untermischte Drohworte
-mich dahin brachte, daß ich mich zu ihm auf meinem
-Hof begab. Mit großer Freundlichkeit brachte er zu
-Wege, daß ich ihm mein Geschlecht und Herkommen
-und alle meine Beschaffenheit vertraute. Er verwunderte
-sich, daß ich mitten im Kriege meine Gaben, die
-mir Gott verliehen, hinter dem Ofen und beim Pflug
-verschimmeln lasse. Wenn ich schwedische Dienste annehmen
-würde, so wüßte er, daß mich meine Qualitäten
-und Kriegswissenschaften bald hoch bringen würden.
-Ich ließ mich hiezu kaltsinnig an. Aber er drang
-weiter in mich, maßen ihm von Torstensohn ein Regiment
-versprochen sei, wann er ein solches erhalten
-würde, woran er dann gar nicht zweifle, so wolle er
-mich alsbald zu seinem Obrist-Leutnant machen. Mit
-dergleichen Worten machte er mir das Maul ganz<span class="pagenum"><a name="Seite_p349" id="Seite_p349">[S. 349]</a></span>
-wässerig und weilen noch schlechte Hoffnung auf den
-Frieden war und ich deswegen sowohl fernerer Einquartierung
-als gänzlichen Ruins unterworfen, resolvierete
-ich mich wieder um mitzumachen, sofern er mir
-seine Parola halten und die Obrist-Leutnantstelle geben
-wollte.</p>
-
-<p>Also ward die Glocke gegossen, ich ließ meinen Knän
-holen, derselbe war noch mit meinem Viehe zu Bayrischbrunn,
-verschrieb ihm meinen Hof vor Eigentum, doch
-daß ihn nach seinem Tod der Magdsohn erben sollte,
-weil kein ehelicher Erbe vorhanden. Folgends holete
-ich mein Pferd und was ich noch an Geld und Kleinodien
-hatte. Da ward die Einquartierung plötzlich aufgehoben
-und wir mußten, ehe wir uns dessen versahen
-zur Hauptarmee marschieren.</p>
-
-<p>Die torstensohnischen Promessen, mit denen sich der
-Obrist auf meinem Hof breit gemachet, waren bei weitem
-nicht so groß, als er vorgeben, er ward vielmehr nur
-über die Achsel angesehen. Und demnach er argwöhnete,
-daß ich mich bei ihm in die Länge nicht gedulden würde,
-dichtete er Briefe, als wenn er in Livland, allwo er
-zu Haus war, ein frisch Regiment zu werben hätte,
-und überredete mich, daß ich gleich ihm zu Wismar
-aufsaß und mit nach Livland fuhr. Allein er hatte
-kein Regiment zu werben und war auch sonsten ein
-blutarmer Edelmann.</p>
-
-<p>Obzwar nun ich mich hatte zweimal betrügen und
-so weit hinweg führen lassen, so ging ich doch auch
-das dritte Mal an, dann er wiese mir Schreiben vor,
-die er aus Moskau bekommen, in welchen ihm hohe
-Kriegschargen angetragen wurden. Und weil er gleich
-mit Weib und Kindern aufbrach, dachte ich, er wird
-ja um der Gänse willen nicht hinziehen. &mdash; An der<span class="pagenum"><a name="Seite_p350" id="Seite_p350">[S. 350]</a></span>
-reußischen Grenze begegneten uns aber unterschiedliche
-abgedankte deutsche Soldaten, vornehmlich Offizierer,
-also daß mir anfing zu graueln.</p>
-
-<p>»Was Teufels machen wir! Wo Krieg ist ziehen wir
-hinweg, und wo es Friede und die Soldaten abgedankt
-werden, da kommen wir hin?«</p>
-
-<p>Er gab mir immer gute Worte, ich sollte ihn nur
-sorgen lassen, er wüßte besser, was zu tun sei.</p>
-
-<p>Nachdem wir nun sicher in der Stadt Moskau angekommen,
-konferierte mein Obrist täglich mit den Magnaten
-und vielmehr noch mit dem Metropoliten. Endlich
-gab er mir bekannt, daß es nichts mehr mit dem
-Krieg wäre, und daß ihn sein Gewissen treibe, die
-griechische Religion anzunehmen. Sein treuherziger Rat
-wäre, weil er mir ohndas nunmehr nicht helfen könnte,
-wie er versprochen, ich sollte ihm nachfolgen. Des Zaren
-Majestät hätte bereits gute Nachricht von meiner Person
-und vortrefflichen Qualitäten, die würden gnädigst
-belieben, sofern ich mich fügen wollte, mich als einen
-Kavalier mit einem stattlichen Gut und vielen Untertanen
-zu begnadigen.</p>
-
-<p>Ich ward hierüber ganz bestürzt, deswegen ich dann,
-eh ich mich auf eine Antwort resolvieren konnte, lange
-stillschwieg. Endlich brachte ich vor, ich wäre gekommen
-ihrer zarischen Majestät als ein Soldat zu dienen, seien
-nun dieselbe meiner Kriegsdienste nicht bedörftig, so
-könnte ich nichts ändern, daß aber dieselbe mir eine so
-hohe zarische Gnade allergnädigst widerfahren zu lassen
-geruhten, wäre mir mehr Pflicht zu rühmen, als solche
-alleruntertänigst zu acceptieren, weil ich mich meine
-Religion zu ändern noch zurzeit nicht entschließen könnte,
-wünschete vielmehr, daß ich wiederum im Schwarzwald
-auf meinem Baurenhof säße.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p351" id="Seite_p351">[S. 351]</a></span>
-
-Hierauf antwortete er: »Der Herr tue nach seinem
-Belieben, allein ich hätte vermeinet, wann Ihn Gott
-und das Glück grüßeten, so sollte Er beiden billig danken.
-Wann Er sich ja nicht helfen lassen und Er gleichsam
-wie ein Prinz leben will, so verhoffe ich gleichwohl,
-Er werde davor halten, ich habe an Ihm das Meinige
-nach äußersten Vermögen zu tun keinen Fleiß gesparet.«</p>
-
-<p>Daraufhin machte er einen tiefen Bückling, ging seines
-Wegs und ließ mich dort sitzen, ohn daß er zulassen
-wollte, ihm nur bis zur Tür das Geleite zu geben.</p>
-
-<p>Als ich nun ganz perplex dasaß und meinen damaligen
-Zustand betrachtete, hörete ich zween reußische
-Wägen vor unserm Losament. Sahe darauf zum Fenster
-hinaus und wie mein guter Herr Obrister mit seinen
-Söhnen in dem einen und die Frau Obristin mit ihren
-Töchtern in den andern einstieg. Es waren großfürstliche
-Fuhren und Livrei zumalen etliche Geistliche dabei,
-so diesem Ehevolk gleichsam aufwarteten und allen
-guten, geneigten Willen erzeugeten.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p352" id="Seite_p352">[S. 352]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_zehent_Kapitel" id="Buch5_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Von dieser Zeit an ward ich zwar nicht offentlich,
-sondern heimlich durch etliche Strelitzen verwachet
-und mein Obrister oder die Seinigen kamen mir nicht
-ein Mal mehr zu Gesicht. Damals satzte es seltsame
-Grillen und viele graue Haare auf meinem Kopf. Ich
-machte Kundschaft mit den Deutschen, die sich von
-Kauf- und Handwerksleuten in Moskau <span class="antiqua">ordinari</span> aufhalten,
-und klagte ihnen mein Anliegen. Sie gaben mir
-Trost und Anleitung, wie ich wieder mit guter Gelegenheit
-nach Deutschland kommen könne. Sobald sie aber
-Wind bekamen, daß der Zar mich im Land zu behalten
-entschlossen sei und mich dazu drängen wollte, wurden
-sie alle zu Stummen an mir, ja sie entäußerten sich
-meiner und es ward mir schwer, auch nur vor meinen
-Leib Herberge zu bekommen; Pferd und Sattelzeug
-war bereits verzehret. Als ich dann alle Dukaten aus
-meinen Kleidern getrennt, fing ich an, meine Ringe
-und Kleinodien zu versilbern. Indessen lief ein Vierteljahr
-herum, nach welchem oftgemeldter Obrister samt
-seinem Hausgesind umgetauft und mit einem ansehnlichen
-Gut und vielen Untertanen versehen ward.</p>
-
-<p>Damals ging ein Mandat aus, daß man wie unter
-den Einheimischen so auch unter den Fremden keine
-Müßiggänger bei hoher unausbleiblicher Strafe leiden
-sollte, als die den Arbeitenden nur das Brot vor dem
-Maul wegfressen. Was von Fremdem nicht arbeiten
-wollte, das sollte in einem Monat das Land verlassen.
-Also schlugen sich unserer bei fünfzig zusammen, der
-Meinung den Weg nach Deutschland miteinander zu
-machen. Wir wurden aber nicht zwei Stunden weit<span class="pagenum"><a name="Seite_p353" id="Seite_p353">[S. 353]</a></span>
-von der Stadt von reußischen Reutern eingeholet mit
-Vorwand, daß ihre zarische Majestät ein groß Mißfallen
-hätte, daß wir uns frevelhafter Weise unterstanden,
-in so starker Anzahl zusammen zu rotten und
-ohn Paß dero Land durchzögen. Auf unserm Rückwege
-erfuhr ich, wie mein Handel beschaffen war, dann
-der Führer sagte mir ausdrücklich, daß die zarische Majestät
-mich nicht aus dem Land lassen würden, sein
-treuherziger Rat wäre, ich sollte mich in dero allergnädigsten
-Willen fügen, zu ihrer Religion übertreten,
-sonst ich wider Willen als ein Knecht dienen müßte.
-Einen so wohlerfahrenen Mann wolle ihre zarische
-Majestät nicht aus dem Lande lassen.</p>
-
-<p>Ich verringerte mich bescheidentlich ob meiner Tugend
-und Wissenschaften mit Versicherung, daß ich an
-meinem äußersten Vermögen nichts verwinden lassen
-würde, sofern ich in einzigerlei Wege ihrer zarischen
-Majestät ohn Beschwerung meines Gewissens und ohne
-meine Religion zu ändern, dienen könnte.</p>
-
-<p>Ich ward von den andern abgesondert und zu einem
-Kaufherrn logiert, allwo ich nunmehr offentlich verwachet,
-hingegen aber täglich mit herrlichen Speisen
-und köstlichem Getränk vom Hof aus versehen wurde.
-Hatte auch täglich Leute, die mir zusprachen und mich
-hin und wieder zu Gast luden, sonderlich einer. Dieser
-diskurierte mehrenteils mit mir von allerhand mechanischen
-Künsten, <span class="antiqua">item</span> Kriegs- und anderen Maschinen,
-vom Fortifikationswesen und der Artollerei mit freundlichen
-Gesprächen, dann ich konnte schon ziemlich reußisch
-reden. Als er unterschiedliche Mal auf den Busch geklopft
-und keine Hoffnung fassen konnte, daß ich mich
-im geringsten ändern würde, so bat er mich, ich sollte
-doch dem großen Zar zu Ehren ihrer Nation etwas<span class="pagenum"><a name="Seite_p354" id="Seite_p354">[S. 354]</a></span>
-von meinen Wissenschaften mitteilen, ihr Zar würde
-meine Willfährigkeit mit hohen kaiserlichen Gnaden erkennen.
-Darauf antwortete ich, meine <span class="antiqua">Affection</span> wäre
-jederzeit dahin gestanden.</p>
-
-<p>Als er nun solche Offerten verstund, sagte er, daß
-ihre zarische Majestät allergnädigst bedacht wären, in
-dero Landen selber Salpeter zu graben und Pulver zurichten
-zu lassen, weil aber niemand unter ihnen wäre,
-der damit umgehen könnte, würde ich der zarischen Majestät
-einen angenehmen Dienst erweisen, wann ich mich
-des Werks unterfinge, sie würden mir hierzu Leute und
-Mittel genug an die Hand schaffen. Er vor seine Person
-wolle mich aufs aufrichtigste gebeten haben, ich sollte
-solches allergnädigstes Ansinnen nicht abschlagen, dieweilen
-sie bereits genugsam Nachricht hätten, daß ich
-mich auf diese Sachen trefflich wohl verstünde. Darauf
-sagte ich mit courtoisen Worten zu, soferne ihre zarische
-Majestät gnädigst geruhten, mich in meiner Religion
-passieren zu lassen. So ward dieser Reuße trefflich
-lustig, also daß er mir mit dem Trunk mehr zusprach
-als ein Deutscher.</p>
-
-<p>Am andern Tag kamen vom Zar zween Knesen und
-ein Dolmetsch, die ein endlichs mit mir beschlossen und
-von wegen des Zaren mir ein köstlich reußisch Kleid
-verehreten. Also fing ich gleich etliche Tage hernach an,
-Salpetererde zu suchen und meinen Leuten zu lernen,
-wie sie dieselbe von der Erde separieren und läutern
-sollten. Mithin verfertigte ich die Abrisse zu einer Pulvermühle
-und lehrete andere die Kohlen brennen, daß wir
-also in ganz kurzer Zeit sowohl des besten Pirsch- als
-des groben Stückpulvers eine ziemliche Quantität verfertigten,
-dann ich hatte Leute genug und darneben
-auch meine sonderbaren Diener, die mir aufwarteten,<span class="pagenum"><a name="Seite_p355" id="Seite_p355">[S. 355]</a></span>
-oder besser zu sagen, die mich hüten und verwahren
-sollten.</p>
-
-<p>Ich war einsmals geschäftig auf den Pulvermühlen,
-die ich hatte außerhalb Moskaus an den Fluß bauen
-lassen, da ward unversehens Alarm, weilen sich die Tataren
-bereits vier Meilen weit auf hunderttausend Pferde
-stark befanden, das Land plünderten und also immerhin
-fortavancierten. Wir mußten uns an Hof begeben,
-allwo wir aus des Zars Rüstkammer und Marstall
-montiert wurden. Ich zwar ward anstatt des Kürasses
-mit einem gesteppten seidenen Panzer angetan, welcher
-jeden Pfeil aufhielt, aber vor keiner Kugel schußfrei
-sein konnte; Stiefeln, Sporen, und eine fürstliche Hauptzier
-mit einem Reiherbusch, samt einem Säbel, der Haar
-schur, mit lauter Gold beschlagen und Edelsteinen versetzt,
-wurden mir dargegeben. Von des Zaren Pferden
-ward mir ein solches unterzogen, dergleichen ich zuvor
-mein Lebtag keines gesehen, geschweige geritten. Ich
-und das Pferdzeug glänzten von Gold, Silber, Edelsteinen
-und Perlen. Ich hatte eine stählerne Streitkolbe
-angehangen. Mir folgte eine weiße Fahne mit einem
-doppelten Adler, welcher von allen Orten und Winkeln
-gleichsam Volk zuschneiete, also daß wir eh zwei Stunden
-verzogen bei vierzig und nach vier Stunden bei
-sechzigtausend Pferde stark waren.</p>
-
-<p>Es ist meiner Histori an diesem Treffen nicht viel
-gelegen, ich will allein dies sagen, daß wir die Tataren,
-so mit müden Pferden und vielen Beuten beladen anzogen,
-urplötzlich in einem ziemlich tiefen Gelände antrafen,
-als sie sich dessen am allerwenigsten versahen.
-Im ersten Angriff sagte ich zu meinen Nachfolgern
-in reußischer Sprache: »Nun wohlan, es tue jeder
-wie ich!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p356" id="Seite_p356">[S. 356]</a></span>
-
-Solches schrieen sie einander zu. Dem ersten, welcher
-ein <span class="antiqua">Mirsa</span> war, schlug ich den Kopf entzwei. Die Reußen
-folgten meinem heroischen Exempel, so daß die Tataren
-sich in allgemeine Flucht wandten. Ich tät wie ein Rasender
-oder wie einer, der aus Desperation den Tod
-sucht und nicht finden kann. Was mir vorkam, schlug
-ich nieder, es wäre gleich Tatar oder Reuße gewesen.
-Und die, so vom Zar auf mich bestellet waren, drangen
-mir so fleißig nach, daß ich allezeit einen sichern Rücken
-behielt. Die Luft flog voller Pfeile, als wann Immen
-geschwärmt hätten, wovon mir dann einer in Arm zu
-teil wird. Eh ich den Pfeil auffing, lachte mein Herz
-in meinem Leib an solcher Blutvergießung, da ich aber
-meine eigen Blut fließen sahe, verkehrete sich das Lachen
-in unsinnige Wut. Demnach sich aber diese grimmigen
-Feinde in eine hauptsächliche Flucht wandten, ward mir
-von etlichen Knesen im Namen des Zaren befohlen,
-ihrem Kaiser die Botschaft zu bringen, ich hatte hundert
-Pferde zur Nachfolge. Da ritt ich durch die Stadt
-der zarischen Wohnung zu und ward von allen Menschen
-mit Frohlocken und Glückwünschung empfangen. Sobald
-ich aber von dem Treffen Bericht erstattet, mußte
-ich meine festlichen Kleider wieder ablegen, welche
-wiederum in des Zaren Kleiderbehaltnus aufgehoben
-wurden, wiewohl sie samt dem Pferdgezeug über und
-über mit Blut besprengt und besudelt waren und also
-fast gar zunicht gemachet waren. Sie sollten mir zum
-wenigsten samt dem Pferd als Ehrengabe überlassen
-worden sein.</p>
-
-<p>Solang meine Wunde zu heilen hatte, ward ich allerdings
-fürstlich traktieret. Ich ging in einem Schlafpelz
-von göldenem Stück mit Zobel gefüttert, wiewohl der
-Schade weder tötlich noch gefährlich war, und ich habe<span class="pagenum"><a name="Seite_p357" id="Seite_p357">[S. 357]</a></span>
-die Tage meines Lebens niemals keiner solchen fetten
-Küchen genossen als eben damals. Solches aber war
-alle meine Beute, die ich von meiner Arbeit hatte, ohn
-das Lob, so mir der Zar verliehe.</p>
-
-<p>Als ich gänzlich heil war, ward ich mit einem Schiff
-die Wolga hinunter nach Astrachan geschickt, daselbsten
-wie in Moskau eine Pulvermacherei anzuordnen, weil
-dem Zar unmöglich war, diese Grenzfestungen allezeit
-von Moskau aus mit frischem und gerechtem Pulver
-zu versehen. Ich ließ mich gern gebrauchen, weil ich
-Promessen hatte, der Zar würde mich nach Verrichtung
-solchen Geschäftes wiederum in Holland fertigen und
-mir, meinen Verdiensten gemäß, ein namhaftes Stück
-Geld mitgeben.</p>
-
-<p>Als ich aber im besten Tun war und mich außerhalb
-der Festung über Nacht in einer Pulvermühle befand,
-ward ich von einer Schar Tataren diebischenweise
-gestohlen und aufgehoben, weit ins Land hinein verschleppt
-und endlich um etliche chinesisch Kaufmannswaren
-den niuchischen Tataren vertauscht, welche mich
-nachher dem König von Korea als ein sonderbares
-Präsent verehreten. Daselbst ward ich wert gehalten,
-und weil ich dem König lehrete, wie er mit dem Rohr,
-auf der Achsel liegend und mit dem Rücken gegen die
-Scheibe gekehrt, dannoch ins Schwarze treffen könnte,
-schenkte er mir die Freiheit und fertigte mich durch
-<span class="antiqua">Japonia</span> nach <span class="antiqua">Makao</span> zu den Portugesen. Etlich Kaufleute
-nahmen mich mit ihren Waren nach Alexandria in
-Egypten, und von dort kam ich nach Konstantinopel.
-Weil aber der türkische Kaiser eben damalen etliche
-Galeeren wider die Venediger ausrüstete, mußten viel
-türkische Kaufleute ihre christlichen Sklaven um bare
-Bezahlung hergeben, worunter ich mich dann als ein<span class="pagenum"><a name="Seite_p358" id="Seite_p358">[S. 358]</a></span>
-junger, starker Kerl auch befand. Also mußte ich lernen
-rudern. Aber solche schwere Dienstbarkeit währete nicht
-über zween Monat, dann unsere Galeere ward in <span class="antiqua">Levante</span>
-von denen Venetianern ritterlich übermannet und
-ich aus der türkischen Gewalt erlediget.</p>
-
-<p>Ich bekam leichtlich einen Paß, weil ich nach Rom
-und Loretto pilgerweis wollte, um Gott vor meine
-Erledigung zu danken.</p>
-
-<p>Von dannen kam ich über den Gotthart durchs
-Schweizerland wieder auf den Schwarzwald zu meinem
-Knän, welcher meinen Hof treu bewahret. Ich brachte
-nichts besonders heim als einen Bart, der mir in der
-Fremde gewachsen war.</p>
-
-<p>Indessen war der deutsche Friede geschlossen worden,
-also daß ich bei meinem Knän in sicherer Ruh leben
-konnte. Ich ließ ihn sorgen und hausen und satzte mich
-hinter die Bücher, welches dann beides: meine Arbeit
-und Ergetzung war.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p359" id="Seite_p359">[S. 359]</a></span></p>
-
-
-
-
-<h3><a name="Buch5_Das_elfte_Kapitel" id="Buch5_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3>
-
-
-<p class="begin">Ich lase einsmals, was das Orakel den römischen
-Abgesandten, als sie es fragten, was sie tun
-müßten, damit ihre Untertanen friedlich regiert würden,
-zur Antwort gabe: »<span class="antiqua">Nosce te ipsum</span>«, das ist: Es soll
-sich jeder selbst erkennen. Solches machte, daß ich mich
-hintersann und Rechnung über mein geführtes Leben
-begehrete. Da sagte ich alsdann zu mir selbst:</p>
-
-<p>Dein Leben ist kein Leben gewesen sondern ein Tod,
-deine Tage ein schwerer Schatten, deine Jahre ein
-schwerer Traum, deine Wollüste schwere Sünden, deine
-Jugend eine Phantasei, deine Wohlfahrt ein Alchimistenschatz,
-der zum Schornstein hinausfähret und dich verläßt,
-eh du dich dessen versiehst. Du hast im Krieg viel
-Glück und Unglück eingenommen, bist bald hoch, bald
-nieder, bald groß, bald klein, bald reich, bald arm, bald
-fröhlich, bald betrübt, beliebt und verhaßt, geehrt und
-veracht gewesen &mdash; aber nun du, meine arme Seele,
-was hast du von dieser ganzen Reise zuwege gebracht?</p>
-
-<p>Arm bin ich an Gut, mein Herz ist beschwert mit
-Sorgen, zu allem Guten bin ich faul, träg und verderbt.
-Mein Gewissen ist ängstlich und beladen, ich bin
-mit Sünden überhäuft und abscheulich besudelt. Der
-Leib ist müde, der Verstand verwirrt, die Unschuld ist
-hin, meine beste Jugend verschlissen, die edle Zeit verloren.
-Nichts ist, das mich erfreuet, ich bin mir selber feind.</p>
-
-<p>Mit solchen Gedanken quälte ich mich täglich und
-eben damals kamen mir etliche Schriften des Antonio
-de Guevara unter die Hände, davon ich etwas zum
-Beschluß hierher setze, weil sie kräftig waren, mir die
-Welt vollends zu verleiten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p360" id="Seite_p360">[S. 360]</a></span>
-
-Diese lauten also:</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann auf dich ist nicht zu trauen. In
-deinem Haus ist das Vergangene schon verschwunden,
-das Gegenwärtige verschwindet uns unter den Händen,
-das Zukünftige hat nie angefangen, also daß du ein
-Toter bist unter den Toten und in hundert Jahren läßt
-du uns nicht eine Stunde leben.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann du nimmst uns gefangen und läßt
-uns nicht wieder ledig, du bindest uns und lösest uns
-nicht wieder auf, du tötest ohne Urteil, begräbst ohne
-Sterben. Bei dir ist keine Freude ohne Kummer, kein
-Fried ohn Uneinigkeit, keine Ruhe ohne Forcht, keine
-Fülle ohne Mängel, keine Ehre ohne Makel, kein Gut
-ohne bös Gewissen, keine Freundschaft ohne Falschheit.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann in deinem Palast dienet man ohn
-Entgelt, man liebkoset, um zu töten, man erhöhet, um
-zu stürzen, man hilft, um zu fällen, man ehrt, um zu
-schänden, man straft ohn Verzeihen.</p>
-
-<p>Behüt dich Gott, Welt, dann in deinem Haus werden
-die großen Herren und Favoriten gestürzet, die Unwürdigen
-herfürgezogen, Verräter mit Gnaden angesehen,
-Getreue in Winkel gestellet, Unschuldige verurteilet,
-den Weisen und Qualifizierten gibt man Urlaub,
-den Ungeschickten große Besoldung, den Hinterlistigen
-wird geglaubet, und Aufrichtige und Redliche haben
-keinen Kredit. Ein jeder tut, was er will, und keiner,
-was er soll.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann in dir wird niemand mit seinem
-rechten Namen genennet, den Vermessenen nennt man
-kühn, den Verzagten fürsichtig, den Ungestümen emsig,
-den Nachlässigen friedsam, ein Verschwender wird herrlich
-genannt, ein Karger eingezogen. Einen hinterlistigen
-Schwätzer und Plauderer nennet man beredt, den Stillen<span class="pagenum"><a name="Seite_p361" id="Seite_p361">[S. 361]</a></span>
-einen Narren oder Phantasten, einen Ehebrecher und
-Jungfrauenschänder nennt man einen Buhler, einen
-Unflat nennt man Hofmann, einen Rachgierigen eifrig,
-einen Sanftmütigen einen Phantasten.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann du verführest jedermann: den Ehrgeizigen
-verheißest du Ehre, dem Unruhigen Veränderung,
-dem Hochtragenden Fürstengnade, dem Nachlässigen
-Ämter, Fressern und Unkeuschen Freude und
-Wollust, Feinden Rache, Dieben Heimlichkeit.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann in deinem Palast findet weder
-Wahrheit noch Treue Herberge! Wer mit dir redet,
-wird verschamt, wer dir trauet, betrogen, wer dir folget,
-verführt. Du betreugst, stürzest, schändest, besudelst,
-drohest, vergissest jedermann; dannenhero weinet, seufzet,
-jammert, klaget und verderbt jedermann und jedermann
-nimmt ein Ende. Bei dir siehet und lernet man
-nichts, als einander hassen bis zum Würgen, reden bis
-zum Lügen, lieben bis zum Verzweifeln, handeln bis
-zum Stehlen, bitten bis zum Betrügen, sündigen bis
-zum Sterben.</p>
-
-<p>Behüt dich Gott, Welt, dann dieweil man dir nachgehet
-verzehret man die Zeit in Vergessenheit, die Jugend
-mit Rennen, Laufen, Spielen, die Mannheit mit
-Pflanzen und Bauen, Sorgen und Klagen, Kaufen
-und Verkaufen, Zanken, Hadern, Kriegen, Lügen und
-Betrügen, das Alter in Jammer und Elend, <span class="antiqua">in summa</span>
-nichts als Mühe und Arbeit bis in den Tod.</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann niemand ist mit dir content oder
-zufrieden. Ist er arm, so will er haben, ist er reich, so
-will er gelten, ist er veracht, so will er hoch steigen,
-ist er beleidigt, so will er sich rächen, ist er in Gnaden,
-so will er viel gebieten, ist er lasterhaftig, so will er
-nur bei gutem Mut sein.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p362" id="Seite_p362">[S. 362]</a></span>
-
-<span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann bei dir ist nichts beständig. Die
-hohen Türme werden vom Blitz erschlagen, die Mühlen
-vom Wasser hinweggeführet, das Holz wird von Würmern,
-das Korn von Mäusen, die Frucht von Raupen,
-die Kleider von Schaben gefressen. Das Viehe verdirbt
-vor Alter, der Mensch vor Krankheit.</p>
-
-<p>O Welt, behüt dich Gott, dann in deinem Haus
-führet man weder ein heilig Leben noch einen gleichmäßigen
-Tod, der eine stirbt in der Wiege, der ander
-in der Jugend auf dem Bette, der dritt am Strick, der
-viert am Schwert, der fünft am Rad, der sechst auf
-dem Scheiterhaufen, der siebend im Weinglas, der acht
-in Freßhafen, der neunt verworgt am Gift, der zehnt
-durch Zauberei, der elft stirbt in der Schlacht, der zwölft
-ertränkt seine arme Seel im Tintenfaß.</p>
-
-<p>Behüt dich Gott, Welt, dann mich verdreußt deine
-<span class="antiqua">Conversation</span>! Das Leben, das du uns gibst, ist eine
-elende Pilgerfahrt, ein unbeständiges, ungewisses, hartes,
-rauhes, hinflüchtiges und unreines Leben voll Armseligkeit
-und Irrtum. Du lässest dich der Bitterkeit des
-Todes, mit deren du umgeben und durchsalzen bist,
-nicht genügen, sondern betreugst noch darzu die meisten
-mit deinem Schmeicheln. Du gibst aus dem goldenen
-Kelch Lüge und Falschheit zu trinken und machest blind,
-taub, toll, voll und sinnlos. Du machst aus uns einen
-finsteren Abgrund, ein elendes Erdreich, ein Kind des
-Zorns, ein stinkend Aas, ein unreines Geschirr in der
-Mistgrube voller Gestank und Greuel. Darum, o Welt,
-behüt dich Gott!</p>
-
-<p><span class="antiqua">Adieu</span>, o Welt, o schnöde, arge Welt! Anstatt deiner
-Freuden und Wollüste werden die bösen Geister an die
-unbußfertigen, verdammten Seelen Hand anlegen und
-sie in einem Augenblick in den Abgrund der Hölle reißen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p363" id="Seite_p363">[S. 363]</a></span>
-Alsdann ist alle Hoffnung der Gnade und Milderung
-aus! Und je mehr einer sich bei dir, o arge, schnöde
-Welt, hat herrlich gemachet, je mehr schenket man ihm
-Qual und Leiden ein, dann so erforderts die göttliche
-Gerechtigkeit! Alsdann wird die arme Seele ächzen:
-Verflucht seist du, Welt, weil ich durch dein Anstiften
-Gottes und meiner selbst vergessen! Verflucht sei die
-Stunde, in deren Schoß mich Gott erschuf! Verflucht
-der Tag, darin ich geboren bin! O ihr Berge, Hügel
-und Felsen, fallet auf mich und verberget mich vor
-dem grimmigen Zorn des Lamms, vor dem Angesicht
-dessen, der auf dem Stuhl sitzet! Ach Wehe und aber
-Wehe in Ewigkeit!</p>
-
-<p>O Welt, du unreine Welt, derhalben beschwöre ich
-dich, ich bitte, ich versuche, ich ermahne dich und protestiere
-wider dich, du wollest keinen Teil mehr an mir
-haben!</p>
-
-<p>Ich habe das Ende gesetzt der Sorge. Lebet wohl,
-Hoffnung und Glück!</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Diese Worte erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken.
-Endlich verließ ich die Welt und wurde wieder
-Einsiedel. Ich hätte gern bei meinem Sauerbrunn im
-Muckenloch gewohnet, aber die Bauren in der Nachbarschaft
-wollten es nicht leiden. Sie besorgten, ich
-würde den Brunn verraten.</p>
-
-<p>Ich begab mich deshalb in eine andere Wildnus und
-fing mein spessarter Leben wieder an.</p>
-
-<p>Gott verleihe uns allen seine Gnade, das wir allesamt
-das von ihm erlangen, woran uns am meisten
-gelegen: nämlich ein seliges</p>
-
-<p class="center">
-<em>Ende</em>!<br />
-</p>
-
-<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_p364" id="Seite_p364">[S. 364]</a></span></p>
-
-
-
-
-<blockquote>
-
-<p>Dieses Buch wurde als zweiter Band der Jahresreihe 1919/1920
-für den Volksverband der Bücherfreunde hergestellt. Herausgegeben
-von E. G. Kolbenheyer. Gedruckt wurde der Band von
-der Druckerei Poeschel &amp; Trepte, Leipzig, in der altschwabacher
-Drucktype. Der Entwurf zum Einband, der vom Kunstmaler
-Willy Belling stammt, wurde in der
-Spamer'schen Buchdruckerei, Leipzig,
-in Offsetdruck hergestellt.</p>
-
-<p>Ausschließlich
-für die Mitglieder des Volksverbands der Bücherfreunde.</p></blockquote>
-
-
-
-
-<div class="transnote pagebreak p4">
-<h2 class="nopagebreak">Anmerkungen zur Transkription</h2>
-Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen gebräuchlich waren, wie:
-
-<ul class="index">
-<li>abgefäumt -- abgefeumt</li>
-<li>accomodiert -- accommodiert</li>
-<li>accordieren -- akkordieren</li>
-<li>Affection -- Affektion</li>
-<li>Bauersmann -- Baursmann</li>
-<li>Belägerung -- Belagerung</li>
-<li>blies -- bließ</li>
-<li>Böck -- Böcke</li>
-<li>bößen -- bösen</li>
-<li>Cavalcada -- Cavalcade</li>
-<li>dabei -- darbei</li>
-<li>dagegen -- dargegen</li>
-<li>darauf -- drauf</li>
-<li>discurierte -- diskurierte -- diskutierte</li>
-<li>Doctor -- Doktor</li>
-<li>dorfte -- dörfte</li>
-<li>Ehestand -- Ehstand</li>
-<li>eigene -- eigne</li>
-<li>Erlaubnis -- Erlaubnus</li>
-<li>Eskadron -- Esquadronen</li>
-<li>Faßnacht -- Fastnacht</li>
-<li>Feldwaibel -- Feldweibel</li>
-<li>Fußstapfen -- Fußtapfen</li>
-<li>Gansstall -- Gänsstall</li>
-<li>Gebärden -- Geberden</li>
-<li>Gedächtnis -- Gedächtnus</li>
-<li>Gefängnis -- Gefängnus</li>
-<li>gräulich -- greulich</li>
-<li>Hellebarden -- Hellebarten</li>
-<li>hie- -- hier-</li>
-<li>hiesigen -- hießigen</li>
-<li>irgendswo -- irgendwo</li>
-<li>ist's -- ists</li>
-<li>Kapitain -- Kapitän</li>
-<li>Lucifer -- Luzifer</li>
-<li>Mauer -- Maur</li>
-<li>Obrist-Leutenant -- Obrist-Leutnant</li>
-<li>öffentliche -- offentliche</li>
-<li>Paradeis -- Paradies</li>
-<li>perfecter -- perfekter</li>
-<li>Phantasei -- Phantasie</li>
-<li>Präceptor -- Praeceptor</li>
-<li>prakticiert -- praktiziert</li>
-<li>Rauberei -- Räuberei</li>
-<li>Ruben -- Rüben</li>
-<li>Sattel-Zeug -- Sattelzeug</li>
-<li>schrieen -- schrien</li>
-<li>Schultz -- Schulz</li>
-<li>Schwäher -- Schweher -- Schwehr</li>
-<li>seind -- sind</li>
-<li>stack -- stak</li>
-<li>Stiegelhüpfer -- Stieglhupfer</li>
-<li>Taback -- Tabak -- Tobak</li>
-<li>ungeheuere -- ungeheure</li>
-<li>unmöglich -- unmüglich</li>
-<li>unseren -- unsern</li>
-<li>unverholen -- unverhohlen</li>
-<li>verträulich -- vertraulich -- vertreulich</li>
-<li>Vorteil -- Vortel</li>
-<li>Wammesklopfer -- Wamsklopfer</li>
-<li>zehen -- zehn</li>
-<li>zuforderst -- zuvorderst</li>
-<li>zwanzig -- zwenzig</li>
-</ul>
-
-Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen:
-
-<ul class="index">
-<li>S. 4 »Erdboten« in »Erdboden« geändert.</li>
-<li>S. 11 »Geis« in »Geiß« geändert.</li>
-<li>S. 14 »vohin« in »wohin« geändert.</li>
-<li>S. 18 »bedunkte« in »bedünkte« geändert.</li>
-<li>S. 24 »Parrherrn« in »Pfarrherrn« geändert.</li>
-<li>S. 29 »Officierer« in »Offizierer« geändert.</li>
-<li>S. 31 »müßen« in »müssen« geändert.</li>
-<li>S. 39 »Corps de Guarde« in »Corps de Garde« geändert.</li>
-<li>S. 45 »abgegeangen« in »abgegangen« geändert.</li>
-<li>S. 46 »Mannsfelder« in »Mansfelder« geändert.</li>
-<li>S. 47 »wollinen« in »wollenen« geändert.</li>
-<li>S. 59 »Einsiedl« in »Einsiedel« geändert.</li>
-<li>S. 59 »solichs« in »solches« geändert.</li>
-<li>S. 63 »sattgessen« in »sattgegessen« geändert.</li>
-<li>S. 67 »Bulerei« in »Buhlerei« geändert.</li>
-<li>S. 76 »mollte« in »wollte« geändert.</li>
-<li>S. 77 »Unsachen« in »Ursachen« geändert.</li>
-<li>S. 79 »erschüge« in »erschlüge« geändert.</li>
-<li>S. 97 »Immagination« in »Imagination« geändert.</li>
-<li>S. 98 »Nabochodonosor« in »Nabuchodonosor« geändert.</li>
-<li>S. 103 »Orfeigen« in »Ohrfeigen« geändert.</li>
-<li>S. 108 »forchterlich« in »förchterlich« geändert.</li>
-<li>S. 111 »hamburger und zerbster Bier« in »Hamburger und Zerbster Bier« geändert.</li>
-<li>S. 114 »aus Befehl« in »auf Befehl« geändert.</li>
-<li>S. 123 »war beliebt« in »was beliebt« geändert.</li>
-<li>S. 131 »Kurasche« in »Courage« geändert.</li>
-<li>S. 137 »allerfeulste« in »allerfäulste« geändert.</li>
-<li>S. 137 »salvaguadiert« in »salvaguardiert« geändert.</li>
-<li>S. 140 »Goesfeld« in »Coesfeld« geändert.</li>
-<li>S. 142 »Reckinghusen« in »Recklinghausen« geändert.</li>
-<li>S. 146 »Geisbock« in »Geißbock« geändert.</li>
-<li>S. 147 »Wohlerwürden« in »Wohlehrwürden« geändert.</li>
-<li>S. 155 »was du wilt« in »was du willst« geändert.</li>
-<li>S. 171 »Reckinghausen« in »Recklinghausen« geändert.</li>
-<li>S. 173 »dahingenen« in »dahingegen« geändert.</li>
-<li>S. 175 »wider« in »wieder« geändert.</li>
-<li>S. 181 »gnug« in »genug« geändert.</li>
-<li>S. 197 »Narre« in »Narren« geändert.</li>
-<li>S. 204 »selbt« in »selbst« geändert.</li>
-<li>S. 204 »gemanglet« in »gemangelt« geändert.</li>
-<li>S. 211 »Krobaten« in »Kroaten« geändert.</li>
-<li>S. 215 »Schaz« in »Schatz« geändert.</li>
-<li>S. 218 »Copei« in »Copie« geändert.</li>
-<li>S. 218 »Halb« in »halb« geändert.</li>
-<li>S. 228 »instruieret« in »instruierte« geändert.</li>
-<li>S. 237 »Latern« in »Laterne« geändert.</li>
-<li>S. 243 »verstrochene« in »versprochene« geändert.</li>
-<li>S. 247 »machtst« in »machst« geändert.</li>
-<li>S. 253 »krigte« in »kriegte« geändert.</li>
-<li>S. 254 »Welicher« in »Welcher« geändert.</li>
-<li>S. 258 »muße« in »mußte« geändert.</li>
-<li>S. 285 »gesannte« in »gespannte« geändert.</li>
-<li>S. 286 »wachet« in »machet« geändert.</li>
-<li>S. 292 »Tot« in »Tod« geändert.</li>
-<li>S. 298 »Spectakul« in »Spektakul« geändert.</li>
-<li>S. 299 »wiederteuferisch« in »wiedertäuferisch« geändert.</li>
-<li>S. 302 »Begegnussen« in »Begegnüssen« geändert.</li>
-<li>S. 305 »verdrebt« in »verderbt« geändert.</li>
-<li>S. 313 »stürtzete« in »stürzete« geändert.</li>
-<li>S. 316 »bezahte« in »bezahlte« geändert.</li>
-<li>S. 328 »Weißel« in »Weisel« geändert.</li>
-<li>S. 331 »Samogeten« in »Samojeden« geändert.</li>
-<li>S. 336 »kommen« in »komme« geändert.</li>
-<li>S. 341 »jetz« in »jetzt« geändert.</li>
-<li>S. 345 »uns« in »und« geändert.</li>
-<li>S. 351 »ihn« in »ihm« geändert.</li>
-<li>S. 352 »Stelitzen« in »Strelitzen« geändert.</li>
-<li>S. 354 »Wisseuschaften« in »Wissenschaften« geändert.</li>
-</ul>
-
-
-</div>
-
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by
-Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS ***
-
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-WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
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-warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
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-interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
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-provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
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-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
-
-Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
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-including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
-because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
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-
-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
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-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
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-To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
-and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
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-
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
-Foundation
-
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
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-Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
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-
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-
-</body>
-</html>
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Binary files differ
diff --git a/old/55171-h/images/title_deco.png b/old/55171-h/images/title_deco.png
deleted file mode 100644
index d4092bd..0000000
--- a/old/55171-h/images/title_deco.png
+++ /dev/null
Binary files differ
diff --git a/old/55171-h/images/title_logo.png b/old/55171-h/images/title_logo.png
deleted file mode 100644
index 6942d40..0000000
--- a/old/55171-h/images/title_logo.png
+++ /dev/null
Binary files differ