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| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-07 12:21:33 -0800 |
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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Der abenteuerliche Simplicissimus - -Author: Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen - -Editor: Eugen Guido Kolbenheyer - -Release Date: July 22, 2017 [EBook #55171] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS *** - - - - -Produced by Peter Becker and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - +------------------------------------------------------------------+ - | Anmerkungen zur Transkription | - | | - | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, Antiqua-Schrift | - | als ~Antiqua~. | - | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs. | - +------------------------------------------------------------------+ - - - Hans Jakob Christoffel von - Grimmelshausen - - [Illustration] - - - - - Der - abenteuerliche - Simplicissimus - - Das ist Beschreibung des Lebens - eines seltsamen Vaganten - - [Illustration] - - In unwesentlicher Kürzung - herausgegeben von - - E. G. Kolbenheyer - - [Illustration] - - Volksverband der Bücherfreunde - Wegweiser-Verlag G. m. b. H. Berlin - 1920 - - - Der abenteuerliche Simplicissimus erschien 1669 in zweiter Auflage, - die erste ging verloren. Der Volksverband der Bücherfreunde bringt - durch seine Neuausgabe, die 1919 veranstaltet wurde, in Erinnerung, - daß sich das Erscheinen des für die deutsche Literatur- und - Sittengeschichte so bedeutungsvollen Kulturromans zum 250. Male - jährt. - - - Steig auf aus deinem Grab, du blanker Sittenrichter, - Und siehe, wie das Rad sich abermals gewandt. - Du, deutscher Sterbensnot und Mühsal herber Dichter, - Durchstreife kundgen Augs dein wundes Vaterland. - - Und findest du nicht Dorf und Stadt in Trümmern rauchen, - Weil endlich die Gewalt sich selber ausgebrannt, - So wird dein Blick doch in des Volkes Herzen tauchen, - Und, ach, du findest viel im alten, irren Stand. - - Wirst du nicht neu dein bittres Klagelied erheben, - Dem Trümmerhauf entfliehn im härnen Bußgewand? - O schnöde, arge Welt! O, du vergeudet Leben! - Du hoffartstrunknes Herz, wie liegst du tief im Sand! -- - - Ein Vierteltausend-Jahr spannt seinen bunten Bogen - Von dir zu uns, und alles Einzelglück und -leid - Verschwebt, weil unsres Volkes welterschütternd Wogen - Erschwoll und sank zu Tal im Taumel der Gezeit. - - Des Gottes schwere Hand lag auch auf deinen Tagen: - Deutschland zutiefst in Not, verblutet und vertan! - Aus eigner Kraft ermannt und himmelhoch getragen, - Rang es empor und fiel in doppeltharter Bahn. - - Uns fruchtet kein Gewinn auf glatten Maklerwegen, - Jung stürmt das herbe Blut und muß im Schmerz erblühn. - So aber wächst und reift in uns ein Weltensegen - Und wird in reinerm Licht erglühen, wird erglühn! - - Nun schüttle ab, Simplicius, die Schweigenshülle, - Zeig' deiner fernen Zeiten nahverwandte Fülle! - - - - -Das erste Buch - - - - -Das erste Kapitel - - -Diese unsere Zeit, von der man meint, sie sei der Welt Ende, hat all- -und jedermann mit einer sonderbaren Sucht geschlagen. Wer nur soviel -zusammengeraspelt und erschachert hat, daß ihm etliche Heller im Beutel -kützeln, muß sich im Narrenkleid auf die neue Mode tragen, und wen ein -Glücksfall als mannhaft und ehrlich erwiesen, der glaubt rittermäßig, -gleich einer Adelsperson aufziehen zu müssen. - -Solchem Narrenvolk mag ich mich nicht gleichstellen, obzwar meine -Abkunft und Auferziehung sich mit der eines Fürsten wohl vergleichen -läßt. Etliche Unterschiede sollen billig vor gering angeschlagen sein. - -Mein Knän (dann also nennet man die Väter im Spessart) hatte seinen -Palast sowohl als ein anderer, ja, kein König vermöchte ihn mit -eigenen Händen besser zu bauen. Der war mit Lehm gemalet und anstatt -des unfruchtbaren Schiefers, kalten Bleies und roten Kupfers mit -Stroh bedeckt, darauf das edel Getreid wächst. Des Schlosses Mauern -ließ mein Knän nicht mit gemeinem Feldstein und liederlich gebackenen -Ziegeln aufbauen, sondern aus festem, hundertjährigem Eichenholz, auf -dem -- so man der Eichelmast gedenkt -- Bratwürst und fette Schunken -wachsen. Wo ist ein Monarch, der ihm dergleichen nachtut! Zimmer, Säl -und Gemächer hatte er vom Rauch ganz erschwarzen lassen, nur weil das -die beständigste Farbe der Welt ist und solche Tünche auch mehr Zeit -braucht, als ein Maler zu seinen trefflichsten Kunststücken erheischet. -Die Tapezereien bestunden in dem zärtesten Gewebe, das auf dem -Erdboden gesponnen wird, unzählig kleine Weberinnen hatten sie mit -ihren zierlichen Beinen gewirkt. Dem Sankt Nit-Glas waren die Fenster -geweiht, und edler als das beste und durchsichtigste Glas von Murano -verhüllete sie Leinwand, an der des Baurn und der Weiber redliche -Mühsal hängt. Seinem Adel nach beliebet es meinem Knän zu glauben, -daß alles was durch viel Müh zuweg gebracht würde, auch schätzbar -und desto köstlicher sei, was aber köstlich, das wäre dem Adel am -anständigsten. Pagen, Lakaien und Stallknecht stellten Schaf, Böck und -Säu und jedes ging fein ordentlich in seiner natürlichen Livrei. Sie -warteten mir täglich auf, bis ich sie von der Weid heimtrieb. Rüst- -und Harnischkammer war mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen, Schaufeln, -Mist- und Heugabeln genugsam versehen und mein Vater übte sich -täglich in den Waffen. Ochsenanspannen war sein hauptmannschaftliches -Kommando, Mistausführen sein Fortifikationswesen, Ackern sein Feldzug, -Stallausmisten seine adelige Kurzweil und sein Turnierspiel. Damit -rannte er die ganze Weltkugel, soweit er immer reichen konnte, an und -jagte ihr zu allen Erntezeiten eine gute Beute ab. Dieses alles setze -ich hintan und überhebe mich dessen gar nicht, damit niemand Ursache -habe, mich mit den andern neuen Nobilisten auszulachen. Um geliebter -Kürze willen aber dozier ich vor diesmal nichts Ausführliches von -meines Vaters Geschlecht, Stamm und Namen. Meines Knäns Schloß stand an -einem sehr lustigen Ort im Spessart erbaut, allwo die Wölfe einander -gute Nacht geben. - -Und rittermäßig wie das ganze Hauswesen war meine Auferziehung. Mit -zehn Lebensjahren hatte ich die Prinzipien in obgemeldeten adeligen -Übungen vollauf begriffen. Mein Knän war vielleicht eines viel zu -hohen Geistes und folgte dahero dem gewöhnlichen Brauch, darnach, wer -vornehm ist, sich billig um Schulpossen nicht viel bekümmert, weil er -seine Leute hat, die derlei Plackschmeißerei abwarten. Ich konnte nicht -über fünf zählen, solches aber gar wohl. Sonst war ich ein trefflicher -Musikus auf der Sackpfeifen. Und was Gottesgelahrtheit anlangt, glich -keiner mir in der ganzen Christenwelt: ich kannte weder Gott noch -Menschen, weder Himmel noch Hölle, nicht Engel noch Teufel, wußte -nichts von Gutem und Bösem, wie unsere ersten Eltern im Paradies, die -in ihrer Unschuld nichts von Krankheit, Tod und Sterben, desto weniger -von der Auferstehung gewußt haben. Also auch ich. Und gleichermaßen -war ich wohlbewandert in Medizin, Juristerei und sonst den Künsten und -Wissenschaften allen. Ich war vollkommen, dann mir war unmüglich zu -wissen, daß ich so gar nichts wußte. O wahrhaft edeles Leben! - - - - -Das ander Kapitel - - -Sonach begabete mich mein Knän mit der herrlichsten Würde nicht -allein seiner Hofhaltung, sondern der ganzen Welt: mit dem Hirtenamt. -Ich mußte die Säu, Ziegen und seine ganze Schafherde hüten, weiden -und vermittels meiner Sackpfeifen vor dem Wolf beschützen. Damals -glich ich wohl dem David, nur hatte ich an seiner Harfen Statt den -Dudelsack. Kein schlimmer Anfang und ein gutes Omen! Von der Welt -Anbeginn seind jeweils hohe Personen Hirten gewesen, wie wir von Abel, -Abraham, Isaak, Jakob und seinen Söhnen und Moise selbst in der hl. -Schrift lesen, da er zuvor seines Schwähers Schafe hüten mußte, eh er -Heerführer und Gesetzgeber von ganz Israel ward. Ja, möchte mir jemand -vorwerfen, das waren Heilige und keine spessarter Baurenbuben, die von -Gott nichts wußten. Dawider muß ich gestehen: Was hat meine damalige -Unschuld dessen zu entgelten? Also aber redet ~Philo~ der Jud in seiner -Lebensbeschreibung Moisis vortrefflich: Das Hirtenamt ist Vorbereitung -und Anfang zum Regiment, gleichwie Kriegskünst und Waffenhandwerk -auf der Jagd geübt und angeführt werden. -- Solches alles muß mein -Knän wohl verstanden haben und hat mir also keine geringe Hoffnung zu -künftiger Herrlichkeit gemacht. - -Allein ich kannte den Wolf ebensowenig als meine eigene Unwissenheit, -derowegen war mein Vater in seiner Instruktion desto fleißiger: - -»Bub, bis flissig! Los die Schof nit ze wit umanander laffen! Un spill -wacker uff der Sackpfiffa, daß der Wolf nit komm und Schada dau! Dann -he is a solcher veirboinigter Schelm und Dieb, der Menscha und Vieha -frißt. Un wann dau awer fahrlässi bist, so will eich dir da Buckel -arauma!« - -Ich antwortete mit gleicher Holdseligkeit: »Knäno, sag mir aa, wei der -Wolf seihet? Eich huun noch kan Wolf gesien.« - -»Ah, dau grober Eselkopp,« repliziert er hinwider, »dau bleiwest -dein Lewelang a Narr! Gait meich Wunner, was aus dir wera wird. Bist -schun su a grusser Dölpel und weist noch neit, was der Wolf für a -veirfeussiger Schelm is!« - -Er gab mir noch mehr Unterweisungen und ward zuletzt unwillig, maßen er -mit einem Gebrümmel fortging, weil er sich bedünken ließ, mein grober -Verstand könnte seine subtilen Unterweisungen nicht fassen. - -Da fing ich an mit der Sackpfeife so gut Geschirr zu machen, daß man -den Kroten im Krautgarten mit meinen Schalmeien hätte vergeben mögen. -Daneben sang ich, daß die Mutter oft gesagt, sie besorge, die Hühner -werden dermaleins von dem Gesang sterben. Demnach ich mich vor dem Wolf -sicher genug zu sein bedünkte. - - - - -Das dritte Kapitel - - -Sang also auf ein Zeit ein Lied, das ich von meiner Mutter selbst -gelernet hatte: - - Du sehr verachter Baurenstand - Bist doch der beste in dem Land, - Kein Mann dich gnugsam preisen kann, - Wann er dich nur recht siehet an. - - Es ist fast alles unter dir, - Ja was die Erde bringt herfür, - Wovon ernähret wird das Land, - Geht dir anfänglich durch die Hand. - - Der Kaiser, den uns Gott gegeben, - Uns zu beschützen, muß doch leben - Von deiner Hand, auch der Soldat, - Der dir doch zufügt manchen Schad. - - Die Erde wär ganz wild durchaus, - Wann du auf ihr nicht hieltest Haus. - Ganz traurig auf der Welt es stünd, - Wann man kein Bauersmann mehr fünd. - - Vom bitterbößen Podagram - Hört man nicht, daß an Bauren kam, - Das doch den Adel bringt in Not - Und manchen Reichen gar in Tod. - - Der Hoffart bist du sehr gefeit, - Absonderlich zu dieser Zeit. - Und daß sie auch nicht sei dein Herr, - So gibt dir Gott des Kreuzes mehr. - - Ja der Soldaten böser Brauch - Dient gleichwohl dir zum Besten auch, - Daß Hochmut dich nicht nehme ein - Sagt er: dein Hab und Gut ist mein. - -Bis hieher und nicht weiter kam ich mit meinem Gesang, dann ich ward -im Augenblick samt meiner Schafherde von einem Trupp Reuter umgeben, -die im Walde verirrt gewesen und durch meine Musik und Geschrei waren -zurecht gebracht worden. - -Hoho, dachte ich, dies seind die rechten Kauz! Die vierbeinig Schelmen -und Diebe, davon mein Knän sagte! Dann ich sahe Roß und Mann vor eine -einzige Kreatur an und vermeinete nicht anders, als es müßten Wölfe -sein. Da erdappte mich einer beim Flügel, schleuderte mich so ungestüm -auf ein leer Baurenpferd, daß ich auf der andern Seite wieder herab -und auf meine liebe Sackpfeife fiel, die so jämmerlich aufschrie, als -wollet sie aller Welt Erbarmen bewegen. Half nichts, ich mußte wieder -zu Pferd. Am meisten verdroß mich, daß die Reuter vorgaben, ich hätte -dem Dudelsack im Fallen weh getan, darum er so ketzerlich geschrieen -hätte. Meine Mähre trabet stetig dahin und mir kams seltsam für, daß -ich nicht also auch in einen eisernen Kerl verwandlet wurde. - -Sintemalen keiner von denen Reutern ein Schaf hinwegfraß, gedachte ich, -sie seien da, mir die Schafe helfen heimzutreiben, dann geradewegs -eileten sie auf meines Knäns Hof zu. Derowegen sahe ich mich fleißig -um, ob er und meine Mutter uns nicht bald entgegengehen und uns -willkommenheißen wollten. Aber vergebens, mein Knän und die Mutter samt -unserm Ursele hatten die Hintertür getroffen und wollten dieser Gäste -nicht erwarten. - -Kurz zuvor wußte ich nichts andres, als daß mein Knän, die Mutter, ich -und das übrige Hausgesind allein auf der Erden seien. Nun aber lernte -ich meinen Herrgott im Himmel kennen. Ich erfuhr gar bald darnach die -Herkunft der Menschen in diese Welt und daß sie wieder heraus müssen. - -Ja, ich war nur in Gestalt Mensch, mit Namen ein Christenkind, im -übrigen eine Bestia. Gott, der allmächtige, sahe meine Unschuld mit -barmherzigen Augen an und wählet aus seinen tausenderlei Wegen diesen, -mich zu beidem: zu seiner und meiner Erkanntnus zu bringen. - -Vorerst stelleten die Reuter ihre Pferde ein, hernach hatte jeglicher -seine sonderliche Verrichtung, und jede war lauter Untergang und -Verderben. Dann obzwar etliche anfingen zu metzgen, zu sieden und -zu braten, als sollte ein lustig Bankett gehalten werden, so waren -hingegen andere, die durchstürmten das Haus unten und oben, ja das -heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das gölden Fließ -darin verborgen. Andere packten Tuch, Kleidung und Hausrat zusammen, -als wollten sie einen Krempelmarkt anrichten. Was sie aber nicht -mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen. Etliche durchstachen Heu -und Stroh mit ihren Degen, andere schütteten die Federn aus den -Bettzüchen und füllten hingegen Speck, Fleisch und sonstiges Gerät -hinein, als seie alsdann besser darauf zu schlafen. Sie schlugen Öfen -und Fensterläden ein, gleich als hätten sie einen ewigen Sommer zu -verkünden. Kupfer- und Zinngeschirr stampften sie zusammen und packten -die gebogenen und verderbten Stücke. Bettladen, Tische, Stühle und -Bänke verbrannten sie, da doch viel Klafter dürr Holz im Hof lag. -Häfen und Schüsseln mußten entzwei. Unsere Magd ward im Stall dermaßen -traktiert, daß sie nicht mehr daraus gehen konnte. Den Knecht legten -sie gebunden auf die Erde, steckten ein Sperrholz in sein Maul und -schütteten ihm einen Melkkübel voll Jauche in Leib. Das nannten sie -den schwedischen Trunk. Zwangen ihn so, etliche von denen Reutern -anderwärts zu führen, allda sie Menschen und Viehe hinwegnahmen und -in unsern Hof brachten. Auch mein Knän, meine Mutter und unser Ursele -waren darunter. - -Da schraubten sie die Stein von den Pistolenhähnen ab und anstatt -deren die Baurendaumen auf, folterten die armen Schelme, als wollten -sie Hexen brennen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren in -Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren, unangesehen er -noch nichts bekannt hatte. Einem andern schlangen sie ein Seil um den -Schädel und drehten es mit einem Holzbengel zusammen, daß ihm Blut zu -Mund und Ohren heraussprang. ~In summa~, es hatte jeder seine eigene -Erfindung die Bauren zu peinigen. - -Mein Knän war meinem damaligen Bedünken nach der Glücklichste, ohn -Zweifel darum, weil er der Hausvater war. Sie satzten ihn zu einem -Feuer, banden ihn, daß er weder Hände noch Füße regen konnte, rieben -seine Sohlen mit feuchtem Salz, das ihm unser alte Geiß wieder ablecken -und dadurch also kützlen mußte, daß er vor Lachen hätte zerbersten -mögen. (Ich hab Gesellschaft halber vom Herzen mitgelacht.) In solchem -Gelächter bekannte er seine Schuldigkeit und öffnete seinen verborgenen -Schatz, der von Geld, Perlen und Kleinodien reicher war, als man hinter -dem Bauren hätte suchen mögen. - -Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern vermag ich sonderlich -nichts zu sagen, doch weiß ich wohl, daß man hin und wieder in den -Winkeln erbärmlich schreien hörte. Schätze, es sei der Mutter und dem -Ursele nicht besser gegangen als den andern. - -Unter all dem Elend wandte ich den Braten am Spieß und half die Pferde -tränken, dadurch ich zu unserer Magd in den Stall kam. Die sahe -wunderwerklich zerstrobelt aus, ich kannte sie kaum und sie sprach zu -mir mit kränklicher Stimme: - -»O Bub, lauf weg, sonst nehmen dich die Reuter mit! Guck, daß du -davonkommst! Du siehest wohl, wie es so übel ...« - -Mehres konnte sie nicht sagen. - - - - -Das vierte Kapitel - - -Wohin aber? Dazu war mein Verstand viel zu gering, einen Vorschlag zu -tun; doch ist es mir so weit gelungen, daß ich gegen Abend in Wald -bin entlaufen. Wo nun aber weiter hinaus? -- Die stockfinstre Nacht -bedeuchte meinem finstern Verstand nicht schwarz genug, dahero verbarg -ich mich in ein dickes Gesträuch. Da konnte ich das Geschrei der -getrillten Bauren vernehmen. Allein ich hörete auch der Nachtigallen -lieblichen Gesang, unbekümmert um alle Menschennot. Darum so legte ich -mich auch ohn alle Sorg auf ein Ohr und entschlief. - -Als der Morgenstern im Osten herfürflackerte, sahe ich meines Knäns -Haus in voller Flamme stehen, und ich schlich näher, jemand vom Hof -anzutreffen. Gleich ward ich von fünf Reutern erblickt und angeschrieen: - -»Jung, kom heröfer oder skall mi de Tüfel halen, ich schiete dik, dat -di de Dampf tom Hals utgat!« - -Ich hielt stockstill, das Maul offen. Sie konnten wegen eines Morastes -nicht zu mir gelangen, was sie ohn Zweifel rechtschaffen vexierte. -Lösete einer den Karabiner auf mich, von welchem urplötzlichem Feuer -und unversehenlichem Krach, den mir ein Echo durch vielfältige -Verdoppelung grausamer machte, ich dermaßen erschröckt ward, daß ich -alsobald zur Erde niederfiel. Ich regete vor Angst keine Ader mehr. Die -Reuter ritten ihres Wegs und ließen mich ohn Zweifel vor tot liegen. So -hatte ich jedoch den ganzen Tag das Herz nicht, mich aufzurichten. - -Als mich aber die Nacht wieder ergriff, stund ich auf und wanderte, -bis ich im Walde von ferne einen faulen Baum schimmern sahe, kehrete -in neuer Forcht derowegen spornstreichs um und lief so lang, bis ich -wieder einen gleichen Baum erblickte, davon ich gleichfalls floh. Also -trieben mich die gefäuleten Bäum einer zum andern, bis mir zuletzt der -liebe Tag zu Hilfe kam. Aber mein Herz stak voll Angst und Jammer, -die Schenkel voll Müdigkeit, der Magen knurrte, das Maul lechzete, -närrische Einbildungen erfüllten mein Hirn und schwerer Schlaf meine -Augen. Ich ging dannoch fürder, wußte aber nicht wohin: je weiter, je -tiefer von den Menschen hinweg in die Wildnus. Ein unvernünftig Tier -hätt besser aus und ein gewußt. Doch war ich noch so witzig, als mich -abermal die Nacht ereilte, daß ich in einen hohlen Baum kroch, darin zu -schlafen. -- - -Kaum war ich aber dargesunken, hörte ich eine Stimme: - -»O große Liebe, du mein einziger Trost! Meine Hoffnung, du mein -Reichtum, o mein Gott!« - -Ganz unverständlich wallte die Stimme weiter, vor deren Seltsamkeit -ich mich entsatzte. Allein es klang herfür, daß Hunger und Durst -gestillet werden sollten, also riet mir mein ohnerträglich Verlangen, -mich auch zu Gast zu laden; fasset ein Herz und kroch hinzu. Da wurde -ich eines großen Mannes gewahr, in langen, schwarzgrauen Haaren, die -ganz verworren auf den Achseln lagen. Er hatte einen wilden Bart, sein -Angesicht war zwar bleich, gelb und mager, aber ziemlich lieblich. -Der lange Rock starrte von tausend aufeinander gesetzten Flicken. Um -Hals und Leib trug er eine schwere eiserne Kette gebunden wie ~St. -Wilhelmus~. Ich fing an zu zittern wie ein nasser Hund. Was meine Angst -noch mehrete, war ein Krucifix an sechs Schuhe lang, so er an seine -Brust druckte. Ich konnte mich nicht anders entsinnen: ohn Zweifel, das -war der Wolf! - -In solcher Angst wischte ich mit meiner Sackpfeifen herfür, ich bließ -zu, stimmte an, ließ mich gewaltig hören, diesen greulichen Wolf zu -vertreiben. Über solch gählinger und ungewöhnlicher Musik an einem so -wilden Ort der Einsiedel anfänglich nicht wenig stutzte, ohn Zweifel -vermeinend, der Teufel wollte ihn wie ~St. Antonio~ tribulieren und -seine Andacht stören. Ich retirieret in den Baum, er aber ging mich an, -den Feind des Menschengeschlechts genugsam auszuhöhnen: - -»Ha, du bist ein Gesell darzu, die Heiligen ohn göttliche Verhängnus...« - -Ich hab mehrers nit verstanden. Vor Grausen und Schröcken sank ich in -Ohnmacht nieder. - - - - -Das fünfte Kapitel - - -Was gestalten mir wieder zu mir selbst verholfen worden, weiß ich -nicht. Als ich mich erholet lag mein Kopf in des Alten Schoß und vorn -war meine Juppe geöffnet. Da ich den Einsiedel so nahe bei mir sahe, -fing ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir das Herz hätte -aus dem Leibe reißen wollen. Er aber sagte: - -»Mein Sohn, schweig, ich tue dir nichts.« - -Je mehr er mich aber tröstete und mir liebkoste, je mehr ich schrie: - -»Du frißt mich! Du frißt mich! Du bist der Wolf und willst mich -fressen!« - -»Eija wohl nein, mein Sohn. Sei zufrieden, ich friß dich nicht!« - -Dies Gefecht währete lang. Endlich ließ ich mich soweit weisen, mit ihm -in die Hütte zu gehen. Da war Armut Hofmeisterin, Hunger Koch, Mangel -Küchenmeister. Mein Magen aber ward mit Gemüs und einem Trunk Wasser -gelabet und mein verwirrt Gemüt durch tröstliche Freundlichkeit wieder -aufgerichtet. Der Schlaf befing mich zusehends und der Einsiedel ließ -mir sein Lager, obgleich nur einer darin liegen konnte. - -Um Mitternacht erwachte ich und hörte den Alten singen: - - Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall, - Laß deine Stimm mit Freudenschall - Aufs lieblichste erklingen. - Komm, komm, und lob den Schöpfer dein, - Weil andre Vöglein schlafen sein - Und nicht mehr mögen singen. - Laß dein Stimmlein - Laut erschallen, dann vor allen - Kannst du loben - Gott im Himmel hoch dort oben! - - Obschon ist hin der Sonnenschein, - Und wir im Finstern müssen sein, - So können wir doch singen - Von Gottes Güt und seiner Macht, - Weil uns kann hindern keine Nacht, - Sein Lob zu vollenbringen. - Drum dein Stimmlein - Laß erschallen, dann vor allen - Kannst du loben - Gott im Himmel hoch dort oben. - - Echo, der wilde Widerhall, - Will sein bei diesem Freudenschall - Und lässet sich auch hören, - Verweist uns alle Müdigkeit, - Der wir ergeben allezeit, - Lehrt uns den Schlaf betören. - Drum dein Stimmlein - Laß erschallen, dann vor allen - Kannst du loben - Gott im Himmel hoch dort oben. - - Die Sterne, so am Himmel stehn, - Sich lassen zum Lob Gottes sehn - Und Ehre ihm beweisen. - Die Eul auch, die nicht singen kann, - Zeigt doch mit ihrem Heulen an, - Daß sie Gott auch tu preisen. - Drum dein Stimmlein - Laß erschallen, dann vor allen - Kannst du loben - Gott im Himmel hoch dort oben. - - Nur her, mein liebes Vögelein, - Wir wollen nicht die Fäulsten sein - Und schlafend liegen bleiben. - Vielmehr bis daß die Morgenröt - Erfreuet diese Wälder öd, - In Gottes Lob vertreiben. - Laß dein Stimmlein - Laut erschallen, dann vor allen - Kannst du loben - Gott im Himmel hoch dort oben. - -Unter währendem diesem Gesang bedünkte mich wahrhaftig, daß Nachtigall -sowohl als Eule und Echo eingestimmet hätten. Als wann ich je der -Melodei des Morgensterns auf meiner Sackpfeifen gefolget wär, also -trieb es mich, den Alten zu begleiten, da mir diese Harmonie so -lieblich schiene -- doch ich entschlief. - -Bei hohem Tag stund der Einsiedel vor mir und sagte: - -»Auf, Kleiner und iß! Ich will dir alsdann den Weg weisen, daß du noch -vor Nacht in das nächste Dorf und wieder zu den Leuten kommest.« - -Ich fragte ihn: »Was für Dinger? Dorf und Leut?« - -»Behüte Gott, weißt du nicht was Dorf und Leute seind? Bist du närrisch -oder gescheit?« - -»Nein,« sagte ich, »ich bin meines Knäns Bub.« - -Darauf fielen unsere Reden und Gegenreden: - -»Wie heißt du?« -- »Bub.« -- »Wie hat dich Vater und Mutter gerufen?« --- »Ich weiß von kein Vater und Mutter nicht.« -- »Wer hat dir das -Hemd geben?« -- »Ei, mein Meuder.« -- »Wie hieße dich dann dein -Meuder?« -- »Bub, Schelm, ungeschickter Dölpel, Galgenvogel.« -- »Wer -ist deiner Meuder Mann?« -- »Niemand.« -- »Bei wem hat sie des Nachts -geschlafen?« -- »Bei meinem Knän.« -- »Wie heißt der?« -- »Knän.« --- »Wie hat ihn deine Meuder gerufen?« -- »Knän, auch Meister.« -- -»Niemalen anders?« -- »Ja.« -- »Wie dann?« -- »Rülp, grober Bengel, -volle Sau.« -- »Du bist wohl ein unwissender Tropf!« -- »Ei, kennst du -einen andern Namen?« -- »Und was weißt du von unserm Herrgott?« -- »Den -kenn ich wohl.« -- »Also, wie kennst du ihn?« -- »Ja, der ist daheim an -unserer Stubentür gestanden auf dem Gesims. Mein Meuder hat ihn von der -Kirchweih heimgebracht und hingekleibt.« -- »Ach, daß Gott walte! Weißt -du anders nicht? Bist du nie in die Kirche gangen?« -- »Ei ja wohl! -Ich kann wacker klettern und hab als einen ganzen Wams voll Kirschen -gebrockt.« - -»Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was vor eine große Gnade und -Wohltat es ist, wem du deine Erkanntnus mitteilest, und wie gar nichts -ein Mensch sei, dem du solche nicht gibest. Wüßte ich nur, wo deine -Eltern wohneten, so wollte ich dich gern hinbringen und sie lehren, wie -sie Kinder erziehen sollten.« - -»Unser Haus ist verbrannt. Mein Meuder und der Knän, also auch unser -Ursele seind hinweggeloffen und wiederkommen und unser Magd ist krank -im Stall gelegen.« - -»Wie ist das geschehen?« - -»Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die auf Ochsen ohn Hörn gesessen -seind, haben Schaf, Küh' und Säu gestochen. Da bin ich auch weggeloffen -und darnach hat das Haus gebrannt.« - -»Wo war dann dein Knän?« - -»Sie haben ihn angebunden und unser alte Geiß hat ihm die Füß geleckt, -da hat mein Knän lachen müssen und hat denselben eisernen Männern viel -Weißpfennig geben, groß und klein, hübsche gelbe und sonst glitzerechte -Dinger und Schnüre voll weißer Küglein. Darauf hat unser Ann gesagt, -ich soll auch weglaufen, sonst nehmen mich die Krieger mit.« - -»Wo hinaus willst du?« - -»Ich weiß Weger nit und will bei dir bleiben.« - -»So geh und iß,« sagte der Einsiedel. - -Das war unser ~discurs~, unter welchem mich der Alte oft mit -allertiefstem Seufzen anschauete. Weiß nicht, ob es aus Mitleiden -geschahe oder aus Ursach, die ich erst etliche Jahr hernach erfuhr. - - - - -Das sechste Kapitel - - -Ich futterte nach Notdurft, sonach mich der Einsiedel fortgehen hieß. -Da suchte ich meine allerzartesten Worte herfür, daß er mich bei sich -behielte, bis er beschloß meine verdrüßliche Gegenwart zu leiden, darum -daß er mich unterrichtete. - -Ich hielt mich wohl, und er fand Gefallen an mir, da ich begierig seine -Unterweisungen hörete und die wachsweiche, und zwar noch glatte Tafel -meines Herzens seine Worte zu fassen sich geschickt erwies. - -Er lernete mir vom Fall Luzifers und wie unsere ersten Eltern aus dem -Paradies verstoßen wurden, unterwies mich im Gesetz Moisis und den zehn -Geboten, kam also auf das Leben, Sterben und die Auferstehung unseres -Heilands, zuletzt beschloß er mit dem jüngsten Tag. Sein Leben und sein -Reden waren mir eine immerwährende Predigt und ich gewann solche Liebe -zu seinem Unterricht, daß ich des Nachts nicht davor schlafen konnte. -So lernte ich auch beten. Da ich aber in purer Einfalt verblieben, hat -mich der Einsiedel, weil weder er noch ich meinen rechten Namen gewußt, -~SIMPLICIUS~ benannt. - -Wir baueten vor mich eine Hütte gleich der seinen von Holz, Reisern -und Erde, fast formiert wie der Musketierer im Feld ihre Zelten, oder -besser zu sagen, wie die Bauren ihre Rubenlöcher decken, kaum daß ich -aufrecht darin sitzen konnte, so nieder. Mein Bett war von dürrem Laub -und Gras, ebensogroß als die Hütte selbst. - -Als ich das erste Mal den Einsiedel in der Bibel lesen sahe, konnte ich -mir nicht einbilden, mit wem er doch ein solch heimlich und, meinem -Bedünken nach, sehr ernstlich Gespräch haben müßte; ich sahe wohl die -Bewegung seiner Lippen, hingegen aber niemand, der mit ihm redete, -und merkte doch an seinen Augen, daß ers mit etwas in selbigem Buch -zu tun hatte. Ich gab Achtung auf das Buch, und nachdem er solches -beigelegt, machte ich mich darhinter, schlugs auf und bekam im ersten -Griff das erste Kapitel des Hiobs und die davor stehende Figur, so -ein feiner Holzschnitt und schön illuminieret war, in die Augen. Ich -fragte dieselbigen Bilder seltsame Sachen, weil mir aber keine Antwort -widerfahren wollte, ward ich ungeduldig und sagte eben, als der -Einsiedel hinter mich schlich: - -»Ihr kleine Hudler, habet ihr dann keine Mäuler mehr? Habet ihr nicht -allererst mit meinem Vater lang genug schwätzen können? Ich sehe wohl, -daß ihr auch dem armen Knän da seine Schafe heim treibet und das Haus -angezündet habet. Halt! Halt! Ich will das Feuer noch wohl löschen!« - -Damit stund ich auf, Wasser zu holen. - -»Wohin, ~Simplici~?« - -»Ei Vater, da sind auch Krieger, die haben Schafe und wollen sie -wegtreiben. Sie habens dem armen Mann da genommen, mit dem du erst -geredet hast. So brennet sein Haus auch schon lichterlohe und wird -verbrennen, wann ich nicht bald lösche.« - -Und ich zeigte mit dem Finger, was ich sahe. - -»Bleib nur, es ist noch keine Gefahr.« - -»Bist du dann blind? Wehre du, daß sie die Schafe nicht forttreiben, so -will ich Wasser holen!« - -»Ei, diese Bilder leben nicht, sie seind nur gemacht, uns vorlängst -geschehene Dinge vor Augen zu stellen.« - -»Du hast ja erst mit ihnen geredet, warum sollten sie dann nicht -leben?« - -Der Einsiedel mußte wider Willen und Gewohnheit lachen. - -»Liebes Kind, die Bilder können nicht reden, was aber ihr Tun und Wesen -sei, kann ich aus diesen schwarzen Zeichen sehen. Das nennt man Lesen.« - -Ich antwortete: »Wäre ich ein Mensch wie du, so müßte ich auch aus -denen schwarzen Zeilen sehen können, was du kannst. Wie soll ich mich -in dein Gespräch mit ihnen richten?« - -»Wohlan, mein Sohn, ich will dich lehren.« - -Demnach schrieb er mir ein Alphabet auf einer birkenen Rinden nach dem -Druck formiert, und ich lernte buchstabieren, folgends lesen, endlich -besser schreiben, als der Einsiedel selber konnte, weil ich alles dem -Druck nachmalete. -- - -Unsere Speise war allerhand Gewächs, Ruben, Kraut, Bohnen, Erbsen, und -wir verschmäheten auch nicht Buchecker, wilde Äpfel, Birn und Kirschen, -ja, die Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm. Brotfladen buken -wir in heißer Aschen aus gestoßenem Welschkorn. Im Winter fingen wir -Vögel an Sprinkeln und Stricken, im Frühling bescherete uns Gott Junge -aus den Nestern. Wir behalfen uns mit Schnecken und Fröschen, so war -uns auch mit Reusen und Anglen das Fischen und Krebsen nicht zu wider, -welches alles unser grob Gemüs hinunterconvoieren mußte. Wir hatten -auf ein Zeit ein junges wildes Schweinlein gefangen, welches wir, in -einen Pferch versperret, mit Eicheln und Eckern auferzogen, gemästet -und endlich verzehret, weil mein Einsiedel wußte, daß solches keine -Sünde sein konnte, wann man genießet, was Gott dem ganzen menschlichen -Geschlecht zu diesem End erschaffen. Von Gewürz brauchten wir nichts, -dann wir dörften die Lust zum Trunk nicht erwecken. Die Notdurft an -Salz gab uns ein Pfarrer, der ungefähr drei Meilwegs von uns wohnete. - -Des Hausrates war genug vorhanden: Schaufel, Haue, Axt, Beil und ein -eiserner Kochhafen. Das wir von obgemeldtem Pfarrer entlehnet hatten. -Jeder besaß ein stumpfes Messer zu eigen. Wir bedorften weder Schüssel -noch Teller, Löffel, Gabel, Kessel, Pfannen, Rost und Bratspieß. Unser -Hafen war Schüssel zugleich, unsere Hände Gabeln und Löffel. Wollten -wir trinken, so hingen wir das Maul hinein, wie Gideons Kriegsleute. -Von allerhand Gewand, Wolle, Seiden, Baumwolle und Leinen, alles zu -Betten, Tischen und Tapezereien, hatten wir nichts, als wir auf dem -Leibe trugen, weil wir genug zu haben schätzten, wann wir uns vor -Regen und Frost beschützen könnten. Wir hielten keine gewisse Regul -oder Ordnung, außerhalb an Sonn- und Feiertägen, an welchen wir schon -um Mitternacht hinzugehen anfingen, damit wir noch frühe genug, ohn -männliches Vermerken, in des obgemeldten Pfarrherrn Kirche kommen und -dem Gottesdienst abwarten konnten. - -Ich lernete in solchem hartem Leben Hunger, Durst, Hitze, Kälte und -große Arbeit überstehen und zuvorderst Gott erkennen und wie man ihm -rechtschaffen dienen sollte, welches das vornehmste war. Zwar wollte -mich mein getreuer Einsiedel ein Mehrers nicht wissen lassen, dann er -hielte davor, es sei einem Christen genug, zu seinem Ziel und Zweck -zu gelangen. Dahero es gekommen, obzwar ich mein Christentum wohl -verstand und die deutsche Sprache so schön redete, als wann sie die -~Orthographia~ selbst ausspräche, daß ich dannoch der Einfältigste -verblieb, gestalten ich, wie ich den Wald verlassen, ein solch elender -Tropf in der Welt war, daß man keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte -locken können. - - - - -Das siebente Kapitel - - -Zwei Jahre ungefähr hatte ich zugebracht und das harte eremitische -Leben kaum gewohnet, als mein bester Freund auf Erden seine Haue nahm, -mir aber die Schaufel gab und mich an der Hand in unsern Garten führete. - -»Nun, ~Simplici~, liebes Kind, dieweil gottlob die Zeit vorhanden, -daß ich aus der Welt scheiden, die Schuld der Natur bezahlen und -dich in dieser Welt hinter mir verlassen soll, so habe ich dich auf -dem angetretenen Weg der Tugend stärken und dir einzige Lehren zum -Unterricht geben wollen, wie du dein irdisch Leben anstellen solltest, -damit du gewürdigt werdest das Angesicht Gottes in jenem Leben ewiglich -zu schauen, zumalen ich deines Lebens künftige Begegnüsse beiläufig -sehe und wohl weiß, daß du in dieser Einöde nicht lange verharren -wirst.« - -Diese Worte setzten meine Augen ins Wasser, wie hiebevor des Feindes -Erfindung die Stadt Villingen, und sie waren mir so unerträglich, daß -ich sie nicht ertragen konnte. - -»Herzliebster Vater, willst du mich allein in diesem wilden Wald -verlassen?« - -Mehrers vermochte ich nicht heraus zu bringen, dann meines Herzens -Qual ward aus überfließender Liebe, die ich zu meinem Vater trug, -also heftig, daß ich gleichsam wie tot zu seinen Füßen niedersank. -Er hingegen richtete mich auf, tröstete mich, so gut es Zeit und -Gelegenheit zuließ, und verwiese mich gleichsam fragend: - -»Willst du der Ordnung des Allerhöchsten widerstreben? Was unterstehst -du dich, meinem schwachen Leib, der nach Ruhe lechzet, aufzubürden? -Ach nein, mein Sohn, laß mich fahren!« - -Und er riete mir getreulich: »Anstatt deines unnützen Geschreies folge -meinen letzten Worten, welche seind, daß du dich je länger je mehr -selbst erkennen sollst. Dann daß die meisten Menschen verdammt werden, -ist Ursache, daß sie nicht gewußt haben, was sie gewesen und was sie -werden müssen. Und hüt dich jederzeit vor böser Gesellschaft, dann -derselben Schädlichkeit ist unaussprechlich. Bleib standhaft vor allen -Dingen. Wer verharret bis ans Ende, der wird selig. So du aber aus -menschlicher Schwachheit fällst, dann stehe durch rechtschaffene Buße -geschwind wieder auf.« - -Nachdem mir der sorgfältige, fromme Mann solches vorgehalten, hat er -mit seiner Haue angefangen, sein eigenes Grab zu machen. Ich half, so -gut ich konnte, wie er mir befahl. - -»Mein lieber und wahrer, einziger Sohn, wann meine Seele an ihren Ort -gegangen ist, so leiste meinem Leib deine Schuldigkeit und die letzte -Ehre. Scharre mich mit dieser Erde wieder zu, die wir anjetzo aus der -Grube graben.« - -Darauf nahm er mich in seine Arme und druckte mich küssend viel härter -an seine Brust, als einem Mann, wie er zu sein schiene, hätte müglich -sein können. - -»Liebes Kind, ich befehle dich in Gottes Schutz.« - -Ich hingegen konnte nichts anders als klagen und heulen, ich hing mich -an seine Büßerketten und vermeinte ihn damit zu halten. - -Er aber sagte: »Laß mich, daß ich sehe, ob mir das Grab lang genug sei.« - -Legte demnach die Kette ab samt dem Oberrock und begab sich in das -Grab wie einer, der sich sonst schlafen legen will. - -»Ach großer Gott, nun nimm wieder hin die Seele, die du mir gegeben!« - -Hierauf beschloß er seine Lippen und Augen sänftiglich. Ich aber -stund da wie ein Stockfisch etlich Stunden, dieweil ich ihn öfters -in dergleichen Verzuckungen gesehen. Da sich aber mein allerliebster -Einsiedel nicht mehr aufrichten wollte, stieg ich zu ihm ins Grab und -fing an ihn zu schütteln, zu küssen und zu liebeln. Aber da war kein -Leben mehr. - -Nachdem ich lang mit jämmerlichem Geschrei hin und her geloffen, begann -ich ihn zuzuscharren. Und wann ich kaum sein Angesicht bedeckt hatte, -stieg ich wieder hinunter, entblößte es wieder, damit ichs noch einmal -sehen und küssen konnte. - - - - -Das achte Kapitel - - -Über etliche Tage verfügte ich mich zu obgemeldtem Pfarrer und begehrte -Rat von ihm. Unangesehen er mir nun stark widerraten, länger im Walde -zu verbleiben, bin ich doch tapfer in meines Vorgängers Fußstapfen -getreten, maßen ich den ganzen Sommer tät, was ein frommer Einsiedel -tun soll. Aber gleichwie die Zeit alles ändert, so verringerte sich -auch nach und nach mein Leid, und die scharfe Winterkälte löschte die -innerliche Hitze meines steifen Vorsatzes zugleich aus. Jemehr ich -anfing zu wanken, je träger ward ich in meinem Gebet und ich ließ -mich die Begierde überherrschen, die Welt auch zu beschauen. Demnach -gedachte ich wieder zu dem Pfarrer zu gehen und machte mich seinem Dorf -zu, fand es aber in voller Flamme stehen, dann es eben eine Partei -Reuter ausgeplündert und angezündet hatte. Die Bauren waren teils -niedergemacht, viel verjaget und etliche gefangen, darunter auch der -Pfarrer war. Die Reuter ruckten eben wegfertig aus und führten den -Pfarrer an einem Strick daher. Unterschiedliche schrieen: Schieß den -Schelmen nieder! Andre wollten Geld von ihm. Er hub die Hände auf und -bat um des jüngsten Gerichtes willen um Verschonung und Barmherzigkeit. -Aber einer ritte ihn übern Haufen und versetzte ihm gleich eins an -Kopf, davon er alle vier von sich streckte. - -Indem kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren aus dem Wald, als ob -man in ein Wespennest gestochen hätte. Die fingen an so gräulich zu -schreien, so grimmig drein zu setzen und drauf zu schießen, daß mir -alle Haar zu Berg stunden, weil ich noch niemals bei dergleichen -Kirchweih gewesen, dann die spessarter Bauren lassen sich fürwahr so -wenig als andre auf ihrem Mist foppen. Davon rissen die Reuter aus und -schlugen ihre ganze Beute in den Wind. - -Diese Kurzweil benahm mir beinahe die Lust, die Welt zu beschauen, -dann meine Wildnus mir anmutiger erschiene. Der Pfarrer lag ganz matt, -schwach und kraftlos, doch hielt er mir vor, daß er nun selbst auf -den Bettel geraten wäre, so hätte ich mich seiner Hilfleistung nichts -zu getrösten. Zog demnach ganz traurig gegen den Wald, gedachte die -Wildnus nimmer zu verlassen und ob es nicht möglich wäre, daß ich ohn -Salz leben und also aller Menschen entbehren könnte. Mich zu bestärken -zog ich meines Einsiedels hinterlassen hären Hemd an und hing seine -Ketten über. - -Den andern Tag als ich bei meiner Hütte saß und zugleich neben dem -Gebet gelbe Ruben zu meines Leibes Unterhaltung briet, umringten -mich an fünfzig Musketierer. Zwar sie ob meiner Person Seltsamkeit -erstauneten, so durchstürmten sie doch meine Hütte, suchten, was -da nicht zu finden war, und warfen die Bücher durcheinander, weil -sie ihnen nichts taugten. Endlich sahen sie, als sie mich besser -betrachteten, an meinen Federn, was vor einen schlechten Vogel sie -gefangen hatten, und konnten leicht ihre Rechnung machen; doch -verwunderten sie sich über mein hartes Leben. Ja, der Offizierer ehrte -mich und begehrte gleichsam bittend, ich wolle ihm den Weg aus dem Wald -weisen. Ich widerte mich nicht und führte sie am nächsten Weg dem Dorf -zu. - -Ehe wir aber vor den Wald kamen, sahen wir ungefähr zehn Bauren, deren -ein Teil mit Feuerrohren bewehrt, die übrigen aber beschäftigt waren, -etwas einzugraben. Die Musketierer schrieen: Halt! Halt! Jene aber -antworteten mit den Rohren. Wie sie jedoch sahen, daß sie übermannet -waren, gingen sie schnell durch. Die müden Soldaten konnten keinen -ereilen, huben aber an auszugraben. Sie hatten wenig Streich getan, da -hörten sie eine Stimme von unten herauf: - -»O, ihr Erzbösewichter, vermeinet ihr wohl, daß der Himmel euer -unchristliche Grausamkeit und Bubenstücke ungestraft hingehen lassen -werde? Nein, eure Unmenschlichkeit soll vergolten werden.« - -Hierüber sahen die Soldaten einander an, weil sie nicht wußten, was sie -tun sollten. Etliche vermeinten, sie hätten ein Gespenst. Ich gedachte, -es träume mir. Ihr Offizier hieß sie tapfer zu graben. - -Sie kamen auf ein Faß, schlugens auf und fanden einen Kerl darin, der -weder Nasen noch Ohren mehr hatte, gleichwohl noch lebte. Sobald er -sich ein wenig ermunterte, erzählte er: Ihrer sechs seines Regiments, -so auf Fourage gewesen, seien von den Bauren ergriffen worden. Sie -hätten hintereinander stehen müssen, davon die ersten Fünf von einer -Kugel tot geschossen worden seien, ihn aber, den letzten, habe -die Kugel nicht mehr erlanget. Da hätten sie ihm Nase und Ohren -abgeschnitten, zuvor aber ihn gezwungen, daß er ihrer fünfen (~salva -venia~) den Hintern lecken müssen. Da er sich so gar geschmähet -gesehen, hätte er ihnen die allerunnützesten Worte gegeben, der -Hoffnung, es würde ihm etwan einer aus Ungeduld eine Kugel schenken, -aber vergebens. Nachdem er sie so erbittert, hätten sie ihn in -gegenwärtig Faß gesteckt und also lebendig begraben, sprechend: Weil er -des Todes so eifrig begehre, wollten sie ihm zum Possen hierin nicht -willfahren. - -Indem kam eine andre Partei Soldaten den Wald herauf, sie hatten -obgedachte Bauren angetroffen, fünf davon gefangen, die andern -erschossen. Unter den gefangenen waren vier, denen der übel -zugerichtete Reuter zuvor so schandlich hatte zu Willen sein müssen. -Als nun beide Parteien erkannten einerlei Kriegsvolk zu sein, traten -sie zusammen. - -Da sollte man sein blaues Wunder gesehen haben, wie die Bauren getrillt -wurden. Etliche wollten sie zwar in der ersten Furi totschießen, -andere aber sagten: »Nein, man muß die leichtfertigen Vögel zuvor -rechtschaffen quälen und ihnen eintränken, was sie diesem Reuter zu -tun geheißen.« Dahingegen sagte ein anderer: »Dieser Kerl ist nichts -wert, dann wäre er kein Bernheuter gewesen, so hätte er allen redlichen -Soldaten zu Spott solch schändliche Arbeit nicht verrichtet, sondern -wäre tausendmal lieber gestorben.« Endlich ward beschlossen, daß ein -jeder von den sauber gemachten Bauren an zehn Soldaten wett mache, -was er von dem Reuter empfangen, und darzu sagen sollte: ‚Hiermit -lösche ich wieder aus und wische ab die Schande, die sich die Soldaten -einbilden empfangen zu haben, als uns ein Bernheuter tat, wie ich ihnen -tue.’ - -Darauf schritten sie zur Sache, aber die Bauren waren so halsstarrig, -daß sie weder durch Verheißung des Lebens noch durch Marter dazu -gezwungen werden konnten. - -Einer führete den fünften Bauren, an dem der Reuter nicht schandbar -geworden war, etwas beiseits und sagte zu ihm: »Wann du Gott und seine -Heiligen verläugnen wilt, werde ich dich dahin laufen lassen, wohin -du begehrest.« Der Bauer antwortete, er hätte sein Lebtag nichts auf -Heilige gehalten und auch geringe Kundschaft mit Gott selbst gehabt. -Schwur darauf ~solenniter~, daß er Gott nicht kenne. Hierauf jagte ihm -der Soldat eine Kugel an die Stirn, welche aber so viel effektuiert, -als wann die an einen stählernen Berg gangen wäre. Also zuckte er seine -Plempe und rief: - -»Holla, bist du solch ein Schelm! Ich habe versprochen, dich laufen -zu lassen, wohin du begehrest, so schicke ich dich nun ins höllische -Reich, weil du nicht in den Himmel wilt!« - -Und spaltete ihm damit den Kopf bis an die Zähne. - -Indessen banden die andern Soldaten die vier übrigen Bauren mit -Händen und Füßen an einen umgefallenen Baum so artlich, daß sie ihre -Posteriora gerad in die Höhe kehrten. Nachdem sie den Bauren die Hosen -abgezogen, nahmen sie etliche Klafter Lunten, machten Knöpfe daran und -fidelten die armen Schelme also bis Haut und Fleisch ganz von dem Bein -hinweg war. Mich aber ließen sie nach meiner Hütte gehen. - -Da ich wieder heim kam, befand ich, daß mein Feuerzeug und ganzer -Hausrat samt allem Vorrat an armseligen Speisen, die ich im Garten -erzogen und auf den künftigen Winter vor mein Maul gesparet hatte, mir -einander fort war. -- Wo nun hinaus? - -Überdas lagen mir die Sachen, so ich denselben Tag gehöret und gesehen, -ohn Unterlaß im Sinn. Ich dachte nicht sowohl meiner Erhaltung nach als -der ~Antipathia~, die sich zwischen Soldaten und Bauren enthält. Ich -meinte, es müßten ohnfehlbar zweierlei Menschen in der Welt sein, wilde -und zahme, weil sie einander so grausam verfolgten. - - - - -Das neunte Kapitel - - -In solchen Gedanken entschlief ich vor Unmut und Kälte mit einem -hungrigen Magen. - -Da dünkte mich, als wenn sich alle Bäume gähling veränderten. Auf -jedem Gipfel saß ein Kavalier und anstatt der Blätter trugen die Äste -allerhand Kerle. Von solchen hatten etliche lange Spieße, andere -Musketen, kurz Gewehr, Partisanen, Fähnlein, auch Trommeln und Pfeifen, -lustig anzusehen und fein gradweis auseinandergeteilet. Die Wurzel aber -war von ungültigen Leuten, als Handwerkern, Taglöhnern, mehrenteils -Bauren und dergleichen bestanden, welche nichts desto weniger dem Baum -seine Kraft verliehen und erneureten; ja, sie ersetzten den Mangel -der abgefallenen Blätter aus den Ihrigen zum eigenen noch größeren -Verderben. Benebens seufzten sie über diejenigen, so auf dem Baume -saßen, dann die ganze Last des Baums lag auf ihnen und drückte sie -dermaßen, daß ihnen das Geld aus dem Beutel herfürging. So es aber -nicht herfürwollte, striegelten sie die ~Commissarii~ mit Besen, die -man militarische ~Execution~ nennet, daß ihnen die Seufzer aus dem -Herzen, die Tränen aus den Augen, das Blut aus den Nägeln und das Mark -aus den Beinen herausging. - -Also mußten sich die Wurzeln dieser Bäume in lauter Mühseligkeit, -diejenigen aber auf den untersten Ästen in größerer Arbeit und Ungemach -gedulden und durchbringen. Doch waren diese jeweils lustiger, aber auch -trotzig, mehrenteils gottlos und jederzeit eine schwere, unerträgliche -Last der Wurzel. - - Hunger und Durst, auch Hitz und Kält, - Arbeit und Armut, wie es fällt, - Gewalttat, Ungerechtigkeit - Treiben die Landsknecht allezeit. - -Schlemmen und dämmen, Hunger und Durst, huren und buben, raßlen und -spielen, morden und gemordet werden, tribulieren und wieder getrillet -werden, jagen und gejagt werden, plündern und geplündert werden, -förchten und wieder geförchtet werden, Jammer anstellen und wieder -jämmerlich leiden, ~in summa~ nur verderben, beschädigen und verderbt, -beschädigt werden, das war ihr ganzes Tun und Wesen. Und nicht Winter -und Sommer, nicht Regen noch Wind, Berg noch Tal, weder Morast, Gruben, -Meer, Mauer, Feuer noch Wälle, weder Vater noch Mutter, weder Gefahr -ihrer Leiber, Seelen und Gewissen, ja, nicht Verlust des Lebens noch -des Himmels verhinderte sie daran. Sie weberten in ihren Werken emsig -fort, bis sie endlich in Schlachten, Belägerungen, Stürmen, Feldzügen -und den Quartieren selbsten umkamen, verdarben und krepierten. Etliche -wenige, die in ihrem Alter, wann sie nicht wacker geschunden und -gestohlen hatten, Bettler und Landstürzer abgaben. - -Zunächst darüber saßen alte Hühnerfänger, die sich etliche Jahre mit -höchster Gefahr auf den untersten Ästen gehalten hatten, sie sahen -etwas reputierlicher aus. Darüber befanden sich noch höhere, die -Wammesklopfer, weil sie die untersten zu kommandieren hatten. Sie -fegten den Pikenieren mit Prügeln und Höllenpotzmarter Rücken und Kopf -und gaben den Musketierern Baumöl. - -Darüber hatte des Baumes Stamm einen Absatz, ein glatt Stück ohne Äste -mit seltsamen Seifen der Mißgunst geschmieret. Kein Kerl, er sei dann -vom Adel, konnte da hinaufsteigen, dann der Stamm war glätter poliert -als ein stählerner Spiegel. - -Und darüber saßen die mit den Fähnlein, Junge, denen ihre Vettern -hinaufgeholfen, Alte, so auf der silbernen Leiter, die man Schmiralia -nennet, oder mangels anderer hinaufgestiegen waren. Je höher, desto -besser saßen sie. - -Wann ein ~Commissarius~ daherkam und eine Wanne voll Geld über den Baum -abschüttete, solchen zu erquicken, ließen sie den Untersten soviel -wie nichts zukommen. Dahero pflegten von den Untersten mehr Hungers -zu sterben, als ihrer vom Feind umkamen. So war ein unaufhörliches -Gekrappel und Aufklettern an diesem Baum. Die Untersten hofften der -Oberen Fall, geriet es einem unter zehentausend, so stund er im -verdrüßlichen Alter, daß er besser hinter den Ofen taugte, Äpfel zu -braten, als im Feld vor dem Feind zu liegen. Man nahm dahero anstatt -der alten Soldaten viel lieber Plackschmeißer, Kammerdiener, arme -Edelleute, irgends Vettern und Schmarotzer und Hungerleider, die denen, -so etwas meritiert, das Brot vorm Maul abschnitten und Fähnrich wurden. - -Dieses verdroß einen Feldwaibel so sehr, daß er trefflich anfing zu -schmälen. Aber Adelhold sagte: - -»Graue Bärte schlagen den Feind nicht, man könnte sonst eine Herde -Böcke zu solchem Geschäft dingen. Sage mir, du alter Krachwadel, ob -nicht edelgeborene Offizierer von der Soldateska besser respektieret -werden, dann die, so zuvor gemeine Knechte gewesen? Ist einem -Baurenbuben, der seinem Vater vom Pfluge entlaufen, besser zu trauen? -Ein rechtschaffener Edelmann, eh er seinem Geschlecht durch Untreue, -Feldflucht oder sonst dergleichen einen Schandfleck anhinge, eh -würde er ehrlich sterben. Und wann schon einer von euch ein guter -Soldat ist, der Pulver riechen und in allen Begebenheiten treffliche -Anschläge geben kann, so ist er darum nicht gleich tüchtig andere zu -kommandieren. Wenn man den Baur über den Edelmann setzte und also -strack zu Herren machte, es stünde nach dem gemeinen Sprichwort nicht -fein: - - Es ist kein Schwert, das schärfer schiert, - Als wann der Baur zum Herren wird. - -Hingegen aber ist ein junger Hund zum jagen viel freudiger als ein -alter Löw.« - -Der Feldwaibel antwortete: »Welcher Narr wollte dann dienen, wann -er nicht hoffen darf, um seine Treue belohnt zu werden? Der Teufel -hole solchen Krieg! Dann gilt es gleich, ob sich einer wohl hält oder -nicht. Ich habe von unserm alten Obristen vielmals gehöret, daß er -keinen Soldaten begehre, der sich nicht festiglich einbilde, durch -Wohlverhalten ein General zu werden. - - Die Lampe leucht' dir fein, doch mußt du sie auch laben - Mit fett Olivensaft, die Flamm sonst bald verlischt. - Getreuer Dienst durch Lohn gemehrt wird und erfrischt. - Soldatentapferkeit will Unterhaltung haben. - -Ich sehe wohl, die Türen zu Würde und Amt werden uns durch den Adel -verschlossen gehalten. Man setzet den Adel, wann er aus der Schalen -gekrochen, gleich an solche Örter, da wir uns nimmermehr keine Gedanken -hin machen dörfen, wanngleich wir mehr getan haben, als mancher -~Nobilist~, den man jetzo für einen Obristen vorstellet. Also veraltet -manch wackerer Soldat unter seiner Muskete, der billiger ein Regiment -meritierte.« - -Ich wollte dem alten Esel nicht mehr zuhören, der oft die armen -Soldaten prügelte wie die Hunde. - -Ich wandte mich wieder gegen die Bäume. Das ganze Land stund deren voll -und ich sahe, wie sie sich bewegten und zusammenstießen. Da prasselten -die Kerl haufenweise herunter, augenblicklich frisch und tot. Und -mich bedauchte alle Bäume wären nur einer, auf dessen Gipfel saße der -Kriegsgott ~Mars~ und bedeckte mit des Baumes Ästen ganz Europam. - -Da hob sich ein scharfer Nordwind. Unter gewaltigem Gerassel und -Zertrümmerung des Baums höret ich eine Stimme: - - Die Steineich, durch den Wind getrieben und verletzet, - Ihr eigen Äst abbricht, sich ins Verderben setzet: - Durch innerlichen Krieg und brüderlichen Streit - Wird alles umgekehrt und folget lauter Leid. - -Und ich ward aus dem Schlaf erweckt und sahe mich nur allein in meiner -Hütte. - -Dahero fing ich wieder an zu bedenken, was ich immermehr beginnen -sollte. Nichts war mir übrig als noch etliche Bücher, welche hin- und -hergestreut und durch einander geworfen lagen. Als ich solche mit -weinenden Augen auflase, fand ich ungefähr ein Brieflein, das mein -Einsiedel bei seinem Leben noch geschrieben hatte. - -‚Lieber ~Simplici~, wenn du dies Brieflein findest, so gehe alsbald -aus dem Wald und errette dich und den Pfarrer aus gegenwärtigen Nöten. -Bedenke und tue ohn Unterlaß nach meinen letzten Reden, so wirst du -bestehen mögen. ~Vale~!’ - -Ich küßte das Brieflein und das Grab des Einsiedels zu viel tausend -Malen und machte mich auf den Weg, Menschen zu suchen. Den dritten Tag -kam ich nach Gelnhausen auf ein Feld, das lag überall voller Garben, -welche die Bauren, weil sie nach der namhaften Schlacht vor Nördlingen -verjagt worden, nicht hatten einführen können. Da genosse ich gleichsam -eines hochzeitlichen Mahles und sättigte mich mit ausgeriebenem Weizen. - - - - -Das zehent Kapitel - - -Da es tagete, begab ich mich zum nächsten nach Gelnhausen und fand -das Tor offen, zum Teil verbrannt, halber noch mit Mist verschanzt. -Ich konnte keines lebendigen Menschen gewahr werden. Die Gassen hin -und her lagen mit Toten überstreut, deren etliche ganz, etliche aber -bis aufs Hemd ausgezogen waren. Dieser jämmerliche Anblick war mir -ein erschröcklich ~Spectacul~. Kaum zween Steinwürfe weit kam ich in -die Stadt, als ich mich derselben schon sattgesehen hatte. Derowegen -kehrete ich wieder um, ging durch die Aue nebenhin und kam vor die -herrliche Festung Hanau. Aber mich erdappten von deren erster Wacht -gleich zween Musketierer, die mich in ihre ~Corps de Garde~ führten. - -Meine Kleidung und Gebärden waren genugsam verwunderlich, widerwärtig -und durchaus seltsam: Meine Haare waren in dritthalb Jahren weder -auf griechisch, deutsch, noch französisch abgeschnitten, gekampelt, -noch gekräuselt oder gebüfft worden, sondern sie stunden in ihrer -natürlichen Verwirrung noch mit mehr als jährigem Staub anstatt des -Puders durchstreut. Ich sahe darunter mit meinem bleichen Angesicht -herfür, wie eine Schleiereule, die auf eine Maus spannet. Und weil -meine Haare von Natur kraus waren, hatte es das Ansehen, als wann -ich einen Turban aufgehabt hätte. Der übrige Habit stimmte mit der -Hauptzier überein. Ich trug meines Einsiedels tausendfältig geflickten -Rock und darüber das hären Hemd wie ein Schulterkleid, weil ich -die Ärmel an Strumpfs Statt brauchte und dieselben zu solchem End -herabgetrennt hatte. Der ganze Leib war mit eisernen Ketten hinten -und vorn, fein kreuzweis, wie man ~St. Wilhelmum~ zu malen pfleget, -umgürtet, so daß ich fast denen glich, so von den Türken gefangen und -vor ihre Freunde zu betteln im Land umziehen. Meine Füße schlurften -in Holzschuhen und waren krebsrot, als wann ich ein Paar Strümpfe auf -spanisch Leibfarb angehabt oder die Haut mit Fernambuc gefärbt hätte. -Ein Gaukler oder Marktschreier vermochte mich wohl als einen Samojeden -oder Grünländer dargeben, so daß er manchen Narren angetroffen hätte, -der einen Kreuzer an mir versehen konnte. Obzwar ich nach meinem -magern und ausgehungerten Anblick keinem Frauenzimmer oder irgendeines -großen Herrn Hofhaltung entlaufen sein mochte, so ward ich jedoch -unter der Wacht streng examiniert. Und gleichwie sich die Soldaten -an mir vergafften, also betrachtet ich hingegen ihres Offizierers -tollen Aufzug, dem ich Red und Antwort geben mußte. Ich wußte nicht, -ob er Sie oder Er wäre, dann er trug Haare und Bart auf französisch: -zu beiden Seiten hatte er lange Zöpfe wie Pferdeschwänze und sein -Bart war so elend zugerichtet und verstümpelt, daß zwischen Maul und -Nase nur noch etliche wenige Haare kurz davongekommen. Nicht weniger -satzten mich seine weiten Hosen des Geschlechtes halber in nicht -geringe Zweifel, als welche mir vielmehr einen Weiberrock dann ein Paar -Mannshosen vorstelleten. Gewißlich ist es ein Weib, gedachte ich, dann -eine ehrlicher Mann wird seinen Bart wohl nimmermehr so jämmerlich -verketzern lassen. Endlich hielt ich ihn für einen Mann und Weib -zugleich. - -Dieser weibische Mann ließ mich überall besuchen, fand aber nichts bei -mir als ein Büchlein von Birkenrinden, darin ich meine täglichen Gebete -geschrieben und auch meines frommen Einsiedels Zettlein, so er mir zum -~Valete~ hinterlassen, liegen hatte. Solches nahm er mir. Ich fiel vor -ihm nieder, fasste ihn um beide Knie und sagte: - -»Mein lieber Hermaphrodit, laß mir doch mein Gebetbüchlein!« - -»Du Narr,« antwortete er, »wer Teufel hat dir gesagt, daß ich Hermann -heiß!« - -Befahl darauf zweien Soldaten mich mitsamt dem Büchlein, dann der Geck -konnte nicht lesen, zum Gubernator zu bringen. Und jedermann lief zu, -als wenn ein Meerwunder zur Schau geführet würde. - -Der Gubernator fragte mich, wo ich herkäme. Ich antwortete: »Ich -weiß es nicht.« Er fragte weiter: »Wo willst du dann hin?« Meine -Antwort war: »Ich weiß es nicht.« -- »Was Teufel weißt du dann? Was -ist deine Hantierung?« Ich kunnt nur sagen: »Ich weiß es nicht.« -- -»Wo bist du zuhaus?« Als ich nun wiederum antwortete, ich wüßte es -nicht, veränderte er seine Mienen, weiß nicht, ob es aus Zorn oder -Verwunderung geschahe. Dieweil aber jedermann das Böse zu argwöhnen -pfleget, zumal auch der Feind nahe war, der in voriger Nacht Gelnhausen -eingenommen und ein Regiment Dragoner darin zu Schanden gemacht hatte, -hielt mich der Gubernator für einen Kundschafter. Die Wachtsoldaten -gaben Bericht, daß anders nichts bei mir wäre gefunden worden, als -gegenwärtiges Büchlein, darin er alsbald ein paar Zeilen las und -fragte, wer mir das Büchlein gegeben hätte. Ich antwortete, es wäre von -Anfang mein Eigen und von mir selbst gemacht und überschrieben. - -»Warum eben auf birkenen Rinden?« - -»Weil sich die Rinden von andern Bäumen nicht darzu schicken.« - -»Du Flegel, ich frage, warum du nicht auf Papier geschrieben hast.« - -»Wir haben keins mehr im Wald gehabt.« - -»Wo, in welchem Wald?« - -Ich antwortete wieder auf meinem alten Schrot, ich wüßte es nicht. -Da wandte sich der Gubernator zu etlichen Offizierern, die ihm eben -aufwarteten: »Entweder ist dieser ein Erzschelm oder gar ein Narr.« Und -indem er redete, blätterte er in meinem Büchlein so stark herum, daß -des Einsiedel Briefchen herausfallen mußte. Solches ließ er aufheben, -ich aber entfärbte mich darüber, weil ichs vor meinen höchsten Schatz -und Heiligtum hielt, daher der Gubernator noch größeren Argwohn -schöpfte. Er las den Brief und sagte: »Ich kenne einmal diese Hand und -weiß, daß sie von einem wohlbekannten Kriegsoffizier ist geschrieben -worden, ich kann mich aber nicht entsinnen von welchem.« - -So kam ihm auch der Inhalt seltsam und unverständlich vor. - -»Dies ist ohn Zweifel,« erkläret er, »eine abgeredte Sprache, die sonst -niemand verstehet. Wie heißt du?« - -»~Simplicius~.« - -»Ja, ja, du bist eben der rechte Kauz. Fort, daß man ihn alsobald an -Hand und Fuß in Eisen schließe!« - -Also wanderten die beiden Soldaten mit mir nach meiner neuen Herberge, -dem Stockhaus, und überantworteten mich dem Gewaltiger, der mich mit -Ketten an Händen und Füßen zierete, gleichsam als hätte ich nicht genug -an mir getragen. - -Dieser Willkomm war der Welt noch zu lieblich, dann es kamen Henker und -Steckenknechte mit erschröcklichen Folterungsinstrumenten, die meinen -elenden Zustand allererst grausam machten. - -»Ach Gott,« sagte ich zu mir, »wie geschiehet dir so recht! O, du -unglückseliger ~Simplici~! Dahin bringet dich deine Undankbarkeit: -Siehe Gott hatte dich kaum zu seiner Erkanntnus und in seine Dienste -gebracht, so laufst du hingegen aus seinen Diensten. O blinder Ploch, -du hast dieselben verlassen, deinen schändlichen Begierden genug zu -tun und die Welt zu sehen! Jetzt fahre hin und empfahe den Lohn deiner -gehabten eitelen Gedanken und vermessenen Torheit!« - -Indessen näherten wir uns dem Diebsturm, und als die Not am größten, da -war die Hilfe Gottes am nähesten: dann als ich mit den Schergen samt -einer großen Menge vorm Gefängnus stund, zu warten bis es aufgemachet, -wollte mein Pfarrer (dann er lag zunächst dabei auch im Arrest) sehen, -was da vorhanden wäre. Er sahe mich und rief überlaut: »O ~Simplici~, -bist du es!« - -Da hub ich beide Hände auf und schrie: »O Vater! O Vater!« - -Er fragte mich, was ich getan hätte. Ich antwortete, ich wüßte es -nicht. Als er aber den Umstand vernahm, bat er, man wollte mit mir -inhalten, bis er meine Beschaffenheit dem Herrn Gubernator berichtet -hätte, dann solches würde verhüten, daß er sich an uns beiden -vergreife. - - - - -Das elfte Kapitel - - -Es wurde erlaubt, und über eine halbe Stunde ward ich auch geholt -und in die Gesindestube gesetzet, allwo sich schon zween Schneider, -ein Schuster mit Schuhen, ein Kaufmann mit Hüten und Strümpfen und -ein anderer mit allerhand Gewand eingestellt hatten, damit ich ehist -gekleidet würde. Folgends erschien ein Feldscherer mit scharfer Lauge -und wohlriechender Seife und eben als dieser seine Kunst an mir üben -wollte, kam ein anderer Befehl, welcher mich greulich erschreckte: Ich -sollte meinen Habit wieder anziehen. War aber nicht böß gemeint, dann -es kam ein Maler mit seinen Werkzeugen daher, nämlich mit Minien und -Zinober zu meinen Augenlidern, mit Lack, Endig und Lasur zu meinen -Korallenlippen, mit Auripigmentum, Rausch-schütt und Bleigelb zu meinen -weißen Zähnen, die ich vor Hunger bleckte, mit Kienruß, Kohlschwärz -und Umbra zu meinen blonden Haaren, mit Bleiweiß zu meinen gräßlichen -Augen und mit sonst vielerlei Farben zu meinem wetterfarbigen Rock, -auch hatte er eine ganze Hand voll Pensel. Dieser fing an, mich zu -beschauen, abzureißen, zu untermalen, seinen Kopf über die Seite zu -hängen, um seine Arbeit gegen meine Gestalt genau zu betrachten, und -änderte so lange, bis er endlich ein natürliches Muster entworfen -hatte, wie ~Simplicius~ eins war. Alsdann dorfte allererst der -Feldscherer über mich herwischen, derselbe zwackte mir den Kopf und -richtete wohl anderthalb Stund an meinen Haaren, folgends schnitt er -sie ab auf die damalige Mode, dann ich hatte Haar übrig. Nachgehends -satzte er mich in ein Badstüblein und säuberte meinen ausgehungerten -Leib von mehr als drei- und vierjähriger Unlust. Kaum war er fertig, -da brachte man mir ein weißes Hemd, Schuhe und Strümpfe samt einem -Überschlag und Kragen, auch Hut und Feder. Die Hosen waren gar schön -ausgemacht und überall mit Galaunen verbrämt. Die Schneider arbeiteten -noch auf die Eil am Wams. Der Koch stellte sich mit einem kräftigen -Süpplein ein und die Kellerin mit einem Trunk. Da saß mein Herr -~Simplicius~ wie ein junger Graf zum besten ~accommodiert~. Ich glaube -schwerlich, daß ich mein Lebtag ein einzig Mal eine größere Wollust -empfunden als eben damals. Mein Waldkleid samt Ketten und allem Zugehör -ward in die Kunstkammer zu andern raren Sachen und Antiquitäten getan, -daneben mein Bildnus. - -Nach dem Nachtessen ward ich in ein Bette geleget, dergleichen ich nie -gekannt. Aber mein Bauch knurrte und murrte die ganze Nacht hindurch, -daß ich nicht schlafen konnte, weil er entweder nicht wußte, was gut -war, oder weil er sich über die anmütigen, neuen Speisen verwunderte. -Ich blieb aber liegen, bis die liebe Sonne wieder leuchtete. - -Denselben Morgen gab mir der Gubernator einen Leibschützen, der mich zu -meinem Pfarrer brachte. In dessen ~Museo~ satzten wir uns und er ließ -mich vernehmen: - -»Lieber ~Simplici~, der Einsiedel, den du im Walde angetroffen und -bis zu seinem Tode Gesellschaft geleistet hast, ist nicht allein -des hießigen Gouverneurs Schwager, sondern auch im Krieg sein -Beförderer und wertester Freund gewesen, wie dem Gubernator mir zu -erzählen beliebet. Ihm ist von Jugend auf weder an Tapferkeit noch an -Gottseligkeit niemals nichts abgegangen, welche beiden Tugenden man -zwar selten bei einander zu finden pflegt. Sein geistlicher Sinn und -widerwärtige Begegnüsse hemmten endlich den Lauf seiner weltlichen -Glückseligkeit, daß er Adel und ansehnliche Güter verschmähete und -hintan setzte und sein Dichten und Trachten fortan nur nach einem -erbärmlichen, eremitischen Leben gerichtet war. -- Ich will dir aber -auch nicht verhalten, wie er in den Spessart zu solchem Einsiedlerleben -gekommen sei. - -Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht von Höchst verloren -worden, kam er einzig und allein vor meinen Pfarrhof, als ich eben mit -meinem Weib und Kindern gegen den Morgen entschlafen war, weil wir -wegen des Lärmens im Land, beides: der Flüchtigen und Nachjagenden, die -vorige und auch selbige halbe Nacht durch und durch gewachet hatten. -Er klopfte erst sittig an, folgends ungestüm genug, bis er mich und -mein schlaftrunkenes Gesind erweckte. Nach wenig Wortwechseln, welches -beiderseits gar bescheiden fiel, ward ihm die Tür geöffnet, und ich -sahe den Kavalier vom Pferde steigen. Sein kostbarlich Kleid war -ebenso sehr mit seiner Feinde Blut besprengt als mit Gold und Silber -verbrämt. Er besänftigte Forcht und Schrecken, indem er seinen bloßen -Degen einsteckte, und ich sprach ihn seiner schönen Person und des -herrlichen Ansehens halber vor den Mansfelder selbst an. Er aber sagte, -er sei denselben vor diesmal nur in der Unglückseligkeit nicht allein -zu vergleichen, sondern auch vorzuziehen. Drei Dinge beklagte er: Seine -verlorene, hochschwangere Gemahlin, die verlorene Schlacht und, daß er -nicht vor das Evangelium sein Leben zu lassen das Glück gehabt hätte. -Ich wollte ihn trösten, sahe aber bald, daß seine Großmütigkeit keines -Trostes bedurfte. Er begehrte ein Soldatenbett von frischem Stroh. - -Das erste am folgenden Morgen war, daß er mir sein Pferd schenkte -und sein Gold samt etlichen köstlichen Ringen unter meine Frau, -Kinder und Gesinde austeilete. Ich trug Bedenken, so große Verehrung -anzunehmen. Er aber sagte, er wollte mich vor Gefahr des Argwohns mit -seiner eigenen Handschrift versichern, ja er begehrte sogar sein Hemd, -geschweige seine Kleider aus meinem Pfarrhof nicht zu tragen. Ich -wehrete mit Händen und Füßen, was ich konnte, weil solches Vorhaben -zumal nach dem Papsttum schmäcke (dann er eröffnete unumwunden, ein -Eremit zu werden) mit Erinnerung, daß er dem Evangelio mehr mit -seinem Degen würde dienen können. Aber vergeblich. Ich mußte ihn mit -denjenigen Büchern und Hausrat montieren, die du bei ihm gefunden, -und er ließ sich einen Rock aus der wollenen Decke machen, darunter -er dieselbe Nacht auf dem Stroh geschlafen. So mußte ich auch meine -Wagenketten mit ihm um eine göldene, daran er seiner Liebsten -Conterfait trug vertauschen. - -Nachdem nun neulich die Schlacht vor Nördlingen verloren, habe ich mich -hierher in Sicherheit geflehnet, weil ich ohn das schon meine besten -Sachen hier hatte. Als mir die baren Geldmittel aufgehen wollten, nahm -ich drei Ringe und obgemeldte göldene Kette mit samt dem anhangenden -Conterfait und trugs zum Juden, solches zu versilbern. Der hat es aber -der Köstlichkeit und schönen Arbeit wegen dem Gubernator käuflich -angetragen, welcher das Wappen, maßen ein Petschierring darunter -war, und das Conterfait erkannt, nach mir geschickt und mich befragt -hat. Ich wiese des Einsiedlers Handschrift oder Übergabsbrief auf -und erzählte, wie er gelebet und gestorben. Er wollte solches nicht -glauben, sondern kündete mir den Arrest an, bis er die Wahrheit am Orte -ergründet und dich hierher gebracht hätte. Da ist mir nun durch dich, -indem du mich erkannt, insonderheit aber durch das Brieflein, so in -deinem Gebetbuch gefunden ward, ein trefflichs Zeugnis gegeben worden. -Als will er dir und mir wegen seines Schwagers selig Gutes tun, du -darfst dich jetzt nur resolviern, was du wilt, daß er dir tun soll.« - -Ich antwortete, es gälte mir gleich. - -Der Pfarrer zögerte mich auf seinem Losament bis zehn Uhr, eh er mit -mir zum Gubernator ging, damit er bei demselben zu mittags Gast sein -könne. Dann es war damals Hanau blockiert und eine solche klemme -Zeit bei dem gemeinen Mann, bevor aber den Flüchtlingen in selbiger -Festung, daß auch etliche, die sich etwas einbildeten, die angefrorenen -Rubschälen auf den Gassen, so die Reichen etwa hinwarfen, aufzuheben -nicht verschmäheten. Es glückte dem Pfarrer auch sowohl, daß er -neben dem Gubernator selbst über der Tafel zu sitzen kam. Ich aber -wartete auf mit einem Teller in der Hand, wie mich der Hofmeister -anwiese, in welches ich mich zu schicken wußte wie ein Esel ins -Schachspiel. Aber der Pfarrer ersatzte allein mit seiner Zunge, was die -Ungeschicklichkeit meines Leibes nicht vermochte. Er erzählte meine -Auferziehung in der Wildnus und wie ich dahero wohl vor entschuldigt zu -halten, meine Treue, die ich dem Einsiedel erwiesen und unser hartes -Leben, weiters daß der Einsiedel all seine Freude an mir gehabt, weil -ich seiner Liebsten von Angesicht so ähnlich sei. Er rühmte meine -Beständigkeit und unveränderlichen Willen. ~In summa~ er konnte nicht -genugsam aussprechen, wie der Einsiedel mich ihm mit ernstlicher -Inbrünstigkeit kurz vor seinem Tod ~rekommendieret~. - -Dies kützelte mich dermaßen in Ohren, daß mich bedünkte, ich hätte -schon Ergötzlichkeit genug vor alles empfangen, das ich je bei dem -Einsiedel ausgestanden. Der Gubernator fragte, ob sein seliger Schwager -nicht gewußt hätte, daß er derzeit in Hanau kommandiere. »Freilich,« -antwortete der Pfarrer, »ich habe es ihm selbst gesagt. Er hat es aber -zwar mit einem fröhlichen Gesicht und kleinem Lächlen, jedannoch so -kaltsinnig angehört, daß ich mich über des Mannes Beständigkeit und -festen Vorsatz verwundern muß.« - -Dem Gubernator, der sonst kein weichherzig Weibergemüt hatte, stunden -die Augen voll Wasser, da er sagte: - -»Hätte ich gewußt, daß er noch im Leben, so wollte ich ihn auch wider -Willen haben holen lassen, damit ich ihm seine Guttaten hätte erwidern -können. Als will ich anstatt seiner seinen ~Simplicium~ versorgen. -Ach, der redliche Kavalier hat wohl Ursache gehabt, seine schwangere -Gemahlin zu beklagen, dann sie ist von einer Partei kaiserlicher Reuter -im Spessart gefangen worden. Ich habe einen Trompeter zum Gegenteil -geschickt, meine Schwester zu ranzionieren, habe aber nichts erfahren, -als daß meine Schwester denen Reutern im Spessart verloren gegangen -sei, da sie von etlichen Bauren zertrennt worden.« - -Ich ward also des Gubernators Page und ein solcher Kerl, den die Leute, -sonderlich die Bauren, bereits Herr Jung nannten. - - - - -Das zwölfte Kapitel - - -Damals war bei mir nichts schätzbarliches als ein rein Gewissen. Ich -kannte von den Lastern nichts anderes, als daß ich sie etwan nennen -gehört oder davon gelesen hatte, und wann ich deren eines wirklich -begehen sahe, wars mir eine erschröckliche und seltene Sache. Herr -Gott, wie wunderte ich mich anfänglich, wann ich das Gesetz und -Evangelium samt den getreuen Warnungen Christi betrachtete und hingegen -derjenigen Werke ansahe, die sich vor seine Jünger und Nachfolger -ausgaben! Ich fand eitel Heuchelei und unzählbare Torheiten bei allen -Weltmenschen, daß ich verzweifelte, ob ich Christen vor mir hätte oder -nicht. Also hatte ich wohl tausenderlei Grillen und seltsame Gedanken -in meinem Gemüt und geriet in schwere Anfechtung wegen des Befehles -Christi: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. - -Nächst der Hoffart und dem Geiz samt deren ehrbaren Anhängen waren -Fressen und Saufen, Huren und Buben bei den Vermüglichen eine tägliche -Übung. Aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gottes machten -sie nur einen Scherz. Zum Exempel hörete ich einsmals einen Ehebrecher, -der seiner Tat noch gerühmet sein wollte: »Es tuts dem geduldigen -Hanrei genug, daß er meinetwegen ein Paar Hörner trägt. Ich habs mehr -dem Mann zu Leid als der Frau zu Lieb getan, damit ich mich an ihm -rächen möchte.« - -»O, kahle Rache,« antwortete ein ehrbar Gemüt, »dadurch man sein -eigen Gewissen beflecket und den schändlichen Namen eines Ehebrechers -überkommt!« - -»Was Ehebrecher,« antwortete der mit Gelächter, »ich bin darum kein -Ehebrecher, wannschon ich diese Ehe ein wenig gebogen habe. Dies -seind Ehebrecher, wovon das sechst Gebot saget, daß keiner einem -andern in Garten steigen und die Kirschen eher brechen solle als der -Eigentumsherr.« - -Und er nannte nach seinem Teufelskatechismo den gütigen Gott einen -Ehebrecher, weil er Mann und Weib durch den Tod von einander trennet. - -Ich sagte, wiewohl er ein Offizierer war, aus übrigem Eifer und Verdruß -zu ihm: »Meinst du nicht, daß du dich mit diesen gottlosen Worten mehr -versündigest, als mit dem Ehebruch selbst?« - -Er aber antwortete: »Du Mauskopf, soll ich dir ein paar Ohrfeigen -geben?« - -Und ich vermerkte bald, daß jeder Weltmensch einen besonderen Nebengott -hatte, ja, etliche hatten wohl mehr als die alten und neuen Heiden -selbsten. Einige hatten den ihren in den Geldkisten, andere in der -Reputation, noch andere in ihrem Kopf, so ihnen Gott ein gesund Gehirn -verliehen, also daß sie einzige Künste und Wissenschaften zu fassen -geschickt waren. Auch gab es viel, deren Gott ihr eigener Bauch war, -welchem sie täglich zu allen Mahlzeiten opferten, und wann solcher -sich unwillig erzeigte, so machten die elenden Menschen einen Gott aus -dem ~Medico~ und suchten ihres Leibes Aufenthalt in der Apotheke, aus -welcher sie zwar öfters zum Tod befördert wurden. Manche Narren machten -Göttinnen aus glatten Metzen, sie nannten sie mit andern Namen und -beteten sie Tag und Nacht an mit tausend Seufzen und Liedern. Hingegen -waren Weibsbilder, die hatten ihre eigene Schönheit vor ihren Gott -aufgeworfen. Sie brachten ihr Opfer mit Schminke, Salben, Wassern, -Pulvern und sonst Schmiersel genug. Ich sahe Leute, die wohlgelegene -Häuser vor Götter hielten, und ich kannte einen Kerl, der konnte in -etlichen Jahren vor dem Tabackhandel nicht recht schlafen, weil er -demselben sein Herz, Sinne und Gedanken geschenkt hatte. Aber der -Phantast starb und fuhr dahin wie der Tabakrauch selbst. Ein anderer -Gesell, als bei einer Gesellschaft erzählet ward, wie jeder sich in dem -greulichen Hunger und teueren Zeiten ernährt und durchgebracht, sagte -mit deutschen Worten: Die Schnecken und Frösche seien sein Herrgott -gewesen. - -Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in eine Kunstkammer, darin -schöne Raritäten waren. Unter den Gemälden gefiel mir nichts besser als -ein ~Ecce-Homo~ wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es -die Anschauenden gleichsam zum Mitleiden verzuckte. Darneben hing eine -papierene Karte, in China gemalt, darauf stunden der Chineser Götter -in ihrer Majestät sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren. -Der Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner Kunstkammer -mir am besten gefiele. Ich deutete auf besagtes ~Ecce-Homo~. Er aber -sagte ich irre mich, der Chineser Gemält wäre rarer und dahero auch -köstlicher, er wolle es nicht um zehen solcher ~Ecce-Homo~ manglen. -Ich antwortete: »Herr ist Euer Herz wie Euer Mund?« Er sagte: »Ich -versehe michs.« Darauf ich: »So ist auch Eures Herzens Gott derjenige, -dessen Conterfait Ihr mit dem Mund bekennet, das Köstlichste zu sein.« -»Phantast,« rief er, »ich ~aestimiere~ die Rarität!« - -So sehr wurden nun diese Abgötter nicht geehret, als hingegen die wahre -Göttliche Majestät verachtet. Christus spricht: ‚Liebet eure Feinde, -segnet die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für -die, so euch beleidigen und verfolgen, aufdaß ihr Kinder seid eures -Vaters im Himmel. Dann so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr -für einen Lohn haben? Tun solches nicht auch die Zöllner? Und so ihr -euch nur zu eueren Brüdern freundlich zeiget, was tut ihr Sonderlichs? -Tun nicht die Zöllner also auch?’ - -Aber ich fand nicht allein niemand, der diesem Befehl Christi -nachzukommen begehrte, sondern jeder tät gerade das Widerspiel. - -Es hieß: viel Schwäger, viel Knebelspieße. Und nirgends fand ich mehr -Neid, Haß, Mißgunst, Hader und Zank als zwischen Brüdern und Schwestern -und andern angeborenen Freunden, sonderlich wann ihnen ein Erbe zu -teilen zugefallen. Wo die größte Liebe und Treue sein sollte, fand ich -höchste Untreue und den gewaltigsten Haß. Herren schunden ihre getreuen -Diener, und solche wurden an ihren frommen Herren zu Schelmen. Den -continuierlichen Zank vermerkte ich zwischen vielen Eheleuten. Mancher -Tyrann hielt sein ehrlich Weib ärger als einen Hund, und manch lose -Vettel ihren frommen Mann vor einen Narren und Esel. Die Handelsleute -und Handwerker rannten mit dem Judenspieß gleichsam um die Wette und -sogen durch allerhand Fünde und Vorteil dem Baursmann seinen sauren -Schweiß ab. Hingegen waren teils Bauren so gottlos, andere Leute, wann -die nicht rechtschaffen genug mit Boßheit durchtrieben waren, oder wohl -gar ihren Herren selbst, unter Schein der Einfalt zu begaunern. - -Ich sahe einsmals einen Soldaten einem andern eine dichte Maulschelle -geben und bildete mir ein, der Geschlagene würde den andern Backen -auch darbieten. Aber ich irrte, dann der Beleidigte zog vom Leder und -versatzte dem Täter eins vor den Kopf. - -Ich sagte: »Ach Freund, was machst du!« - -Er antwortete: »Da wäre einer ein Bernheuter! Ich will mich, schlag -mich der Donner und hol mich der Teufel, selbst rächen oder das Leben -nicht haben! Hei, müßte doch einer ein Schelm sein, der sich so -coujonieren ließe!« - -Das Lärmen zwischen den zweien Duellanten vergrößerte sich, weilen -beiderseits Beiständer auch in die Haare kamen. Da bliebs bei geringen -Kinderschwüren nicht. Die heiligen Sakramente mußten nicht nur -siebenfach, sondern auch mit hunderttausenden soviel Tonnen, Galeeren -und Stadtgräben voll heraus, also daß mir alle Haare zu Berg stunden. - -Zum allerschröcklichsten kam es mir vor, wann ich etliche Großsprecher -sich ihrer Boßheit, Sünden, Schande und Laster rühmen hörte. Da vernahm -ich zu unterschiedlichen Zeiten: - -»Potz Blut, wie haben wir gestern gesoffen! Ich habe mich in einem Tag -wohl dreimal vollgesoffen und eben soviel Mal gekotzt!« - -»Potz Stern, wie haben wir die Bauren, die Schelmen, tribuliert!« - -»Potz Strahl, wie haben wir Beuten gemacht!« - -»Potz hundert Gift, wie haben wir einen Spaß mit den Weibern und Mägden -gehabt!« - -»Ich habe ihn darniedergehauen, als wenn ihn der Hagel hätte darnieder -geschlagen.« - -»Ich habe ihn geschossen, daß er das Weiße über sich kehrte.« - -»Ich habe ihn so artlich über den Tölpel geworfen, daß ihn der Teufel -hätte holen mögen. -- Ich habe ihm den Stein gestoßen, daß er den Hals -hätte brechen mögen.« - -In Gottes Namen sündigten sie, was wohl zu erbarmen ist: »Wir wollen in -Gottesnamen auf Partei, plündern, niedermachen, in Brand stecken.« - -Wann ich so etwas hörete und sahe und, wie meine Gewohnheit war, mit -der Hl. Schrift hervorwischte, so hielten mich die Leute vor einen -Narren und ich ward ausgelachet, daß ich endlich auch unwillig wurde -und mir vorsatzte, gar zu schweigen. - -Als ich demnach vermeinete, ich hätte Ursach zu zweifeln, ob ich unter -Christen wäre oder nicht, ging ich zu dem Pfarrer mit der Bitte, er -wolle mir doch aus dem Traum helfen. Der Pfarrer antwortete: »Freilich -sind sie Christen und wollte ich dir nicht raten, daß du sie anderst -nennen solltest. Dessen verwundere dich nicht. Wann die Apostel selbst -anjetzo auferstehen und in die Welt kommen sollten, sie würden jeder -männiglich vor Narren gehalten sein. Was du siehest und hörest ist eine -allgemeine Sache und nur Kinderspiel dagegen, was sonsten so heimlich, -als offentlich und mit Gewalt wider Gott und den Menschen vorgeht. -Laß dich das nicht ärgern. Du wirst wenig Christen finden, wie dein -Einsiedel einer gewesen ist.« - -Indem führet man etliche Gefangene über den Platz und wir beschaueten -sie auch. Da vernahm ich eine neue Mode einander zu grüßen und zu -bewillkommnen, dann einer unserer Guarnison kannte einen Gefangenen. Zu -dem ging er, gab ihm die Hand und druckete sie vor lauter Freude und -Treuherzigkeit, dabei er sagte: »Daß dich der Hagel erschlage, lebst du -noch, Bruder? Potz Fickerment, wie führt uns der Teufel hier zusammen! -Ich habe, schlag mich der Donner vorlängst gemeinet, du wärest gehängt -worden!« - -Darauf antwortete der andere: »Potz Blitz Bruder, bist dus oder bist -dus nicht? Daß dich der Teufel hole, wie bist du hierher gekommen? Ich -hätte mein Lebtag nicht vermeinet, daß ich dich wieder antreffen würde, -sondern habe gedacht, der Teufel hätte dich vorlängst hingeführet!« - -Und als sie von einander gingen, sagte einer zum andern: - -»Strick zu, Strick zu, morgen kommen wir vielleicht zusammen, dann -wollen wir brav mit einander saufen!« - -Ich verwunderte mich und ging, dem Gubernator aufzuwarten, dann ich -hatte gewisse Zeiten Erlaubnus, die Stadt zu beschauen, weil mein Herr -von meiner Einfalt Wind hatte und gedachte, solche würde sich legen, -wann ich herumterminierte und von andern gehobelt und gerülpt würde. - - - - -Das dreizehnte Kapitel - - -Meines Herren Gunst mehrete sich täglich, weil ich nicht allein seiner -Schwester je länger, je gleicher sahe, sondern auch ihm selbsten, -indem die guten Speisen und faulen Täge mich glatthärig machten. Wer -etwas mit dem Gubernator zu tun hatte, erzeigte sich mir günstig, -und sonderlich mochte mich der ~Secretarius~ wohl leiden, indem mir -derselbe rechnen lernen mußte. - -Er war erst von den Studien gekommen und stak noch voller Schulpossen, -die ihm zu Zeiten ein Ansehen gaben, als wann er einen Sparren zu viel -oder zu wenig gehabt hätte. Er überredete mich oft, schwarz sei weiß -und weiß sei schwarz, dahero kam es, daß ich ihm in der Erste alles und -aufs letzte gar nichts mehr glaubte. - -Einsmals tadelte ich sein schmierig Tintenfaß, er aber antwortete -solches sei sein bestes Stück in der ganzen Kanzlei, dann daraus lange -er hervor, was er begehre, die schönsten Dukaten, Kleider und ~in -summa~, was er vermöchte, hätte er nach und nach herausgefischt. Ich -wollte das von einem so kleinen, verächtlichen Ding nicht glauben. -Hingegen sagte er, solches Vermöge der ~spiritus papyri~ (also nannte -er die Tinte) und das Tintenfaß würde darum Faß genannt, weil es große -Dinge fasse. - -»Wie soll mans herausbringen, sintemal man kaum zween Finger -hineinstecken kann?« - -Er antwortete, er hätte einen Arm im Kopf, der solche Arbeit verrichten -müsse und verhoffe sich bald auch eine schöne, reiche Jungfrau -herauszulangen. Wann er Glück hätte, so getraue er auch ein eigen Land -und Leute heraus zu bringen. - -Ich mußte mich über diese künstlichen Griffe verwundern und fragte, ob -noch mehr Leute solche Kunst könnten. - -»Freilich, alle Kanzler, Doktoren, ~Secretarii~, Prokuratoren oder -Advokaten, ~Commissarii~, ~Notarii~, Kauf- und Handelsherren, so, wann -sie nur fleißig fischen, zu reichen Herren daraus werden.« - -Ich meinte so seien die Bauren und andere arbeitsame Leute nicht -witzig, daß sie im Schweiß ihres Angesichtes ihr Brot essen und diese -Kunst nicht auch lernen. Er aber sagte: »Etliche wissen der Kunst -Nutzen nicht, dahero begehren sie solche auch nicht zu lernen; etliche -wolltens gern, mangeln aber des Arms im Kopfe oder anderer Mittel; -etliche lernen die Kunst und haben Arms genug, wissen aber die Griffe -nicht, so die Kunst erfordert, wenn man dadurch will reich werden; -andere wissen und können alles, was dazu gehöret, sie wohnen aber in -der Fehlhalde und haben keine Gelegenheit wie ich, die Kunst zu üben.« - -Als wir dergestalt vom Tintenfaß diskurierten, kam mir das Titularbuch -ungefähr in die Hände, darin fand ich mehr Torheiten, als mir bisher -noch nie vor Augen gekommen. - -Ich rief: »Alles sind ja Adamskinder und eines Gemächts miteinander, -Staub und Aschen, woher kommt ein so großer Unterschied? Allerheiligst, -Unüberwindlichst, Durchleuchtigst! Sind das nicht göttliche -Eigenschaften? _Der_ ist gnädig, der ander gestreng und was tut das -Geboren dabei? _Die_ heißen Hoch-, Wohl-, Vor-Großgeachte! Was ist das -vor ein närrisch Wort: Vorsichtig! Wem stehen dann die Augen hinten -im Kopf? Es ist viel rühmlicher, wann einer freundlich tituliert -wird. ~Item~ wann das Wort Edel an sich selbsten hochschätzbare -Tugenden bedeutet, warum es bei Fürsten und Grafen zwischen hoch und -geboren setzen? Und Wohlgeboren ist eine Lüge, solches möchte eines -jeden Barons Mutter bezeugen, wann man sie fragte, wie es ihr bei der -Entbindung ergangen sei.« - -Der ~Secretarius~ und ich lacheten gar sehr. Indem entrann mir ein -so grausamer Leibsdunst, daß beide ich und der ~Secretarius~ darüber -erschraken. - -»Trolle dich, du Sau,« sagte er, »zu den andern Säuen im Stall, mit -denen, du Rülp, besser zustimmen, als mit ehrlichen Leuten konversieren -kannst!« - -Und also hatte ich den guten Handel in der Schreibstube, dem gemeinen -Sprüchwort nach, auf einmal verkerbt. - -Ich kam unschuldig in das Unglück, dann die ungewöhnlichen Speisen und -Arzneien, die mein eingeschnurrtes Gedärm zurecht bringen sollten, -erregten viel garstige Wetter und Stürm in mir, maßen weder mein -Einsiedel noch mein Knän mich unterrichtet, daß es übel getan sei, wann -man dies Orts der Natur willfahre. - -Mein Herr hatte nun einen ausgestochenen Essig zum Pagen neben mir, -dem schenkte ich mein Herz. Aber er eiferte mit mir, wegen der -großen Gunst, die mein Herr zu mir trug. Er besorgte, ich möchte ihm -vielleicht die Schuhe gar austreten und sahe mich heimlich mit Mißgunst -an. Er sann auf Mittel, wie er mir den Stein stoßen möge und mich zu -Fall brächte. Ich aber vertraute ihm alle meine Heimlichkeiten, so alle -auf kindischer Einfalt und Frömmigkeit bestunden. - -Einsmals schwätzten wir im Bett vom Wahrsagen, und er versprach mir -solches umsonst zu lernen. Hieße mich darauf den Kopf unter die Decke -tun. Ich gehorchte fleißig und gab auf die Ankunft des Wahrsagegeistes -genaue Achtung. Potz Glück! Desselben Einzug in meine Nase war so -stark, daß ich eilends unter der Decke herfürwischte. - -»Was hast du,« fragte der Lehrmeister. Ich antwortete ihm. Da meinte -er: »Du kannst also die Kunst des Wahrsagens am besten.« - -Ich nahms vor keinen Schimpf, dann ich hatte damals noch keine Galle -und begehrte allein zu wissen, wie ihm dies so stillschweigend gelungen -sei. Er antwortete: »Du darfst nur das linke Bein lupfen und darneben -heimlich sagen: ~je pete, je pete, je pete~ und mithin so stark -gedruckt, als du kannst.« - -»Es ist gut,« sagte ich, »man meinet sodann, die Hunde haben die Luft -verfälscht. Ach, hätte ich doch diese Kunst heute in der Schreibstube -gewußt!« - - - - -Das vierzehnte Kapitel - - -Des andern Tags hatte mein Herr seinen Offizierern und andern guten -Freunden eine fürstliche Gasterei angestellt, weil die Unsrigen das -feste Haus Braunfels ohn Verlust eines einzigen Mannes genommen. Da -mußte ich helfen Speisen auftragen, einschenken und mit einem Teller -aufwarten. - -Den ersten Tag ward mir ein großer, fetter Kalbskopf (von welchen man -saget, daß sie kein Armer fressen dörfe) aufzutragen eingehändigt. -Weil nun derselbig ziemlich mürb gesotten war, ließ er das eine Aug -weit herauslappen, welches mir ein anmutiger und verführerischer -Anblick war. Und da mich der frische Geruch von der Speckbrühe und -aufgestreutem Ingwer zugleich anreizete, empfand ich einen solchen -Appetit, daß mir das Maul ganz voll Wasser ward: ~in summa~ das Aug -lachte meine Augen, meine Nase und meine Zunge zugleich an und bat -gleichsam, ich wollte es doch meinem heißhungrigen Magen einverleiben. -Ich ließ mir nicht lang den Rock zerreißen, sondern folgte den -Begierden. Im Gang hub ich das Aug mit einem Löffel so meisterlich -heraus und schickte es ohn Anstoß so geschwind an seinen Ort, daß -es auch niemand inne ward, bis das Essen auf den Tisch kam und mich -verriet. So mangelte eins von den allerbesten Gliedmaßen dem Kalbskopf. -Mein Herr wollte fürwahr den Spott nicht haben, daß man ihm einen -einäugigen Kalbskopf aufzustellen wagte. Der Koch mußte vor die Tafel -und zuletzt kam das ~facit~ über den armen ~Simplicium~ heraus. Mein -Herr fragte mit einer schröcklichen Miene, wohin ich mit dem Kalbsaug -gekommen wäre. Geschwind zuckte ich mit meinem Löffel aus dem Sack, -gab dem Kalbskopf den andern Fang und wiese kurz und gut, was man -wissen wollte, maßen ich das ander Aug in einem Hui verschlang. - -»~Par dieu~,« sagte mein Herr, »dieser Akt schmäckt mir besser als zehn -Kälber!« - -Etliche Possenreißer, Fuchsschwänzer und Tischräte lobten meine -kluge Erfindung, da ich beide Kalbsaugen zusammenlogiert, als eine -Vorbedeutung künftiger Tapferkeit und unerschrockener Resolution. Also -ich vor diesmal meiner verdieneten Strafe entging. Mein Herr aber -sagte, ich sollte ihm nicht wieder so kommen. - -Bei dieser Mahlzeit trat man ganz christlich zur Tafel und sprach das -Tischgebet sehr still und andächtig. Solche Andacht kontinuierte, -solang als man mit den ersten Speisen zu tun hatte, als wann man -in einem Kapuziner-~Convent~ gesessen hätte. Aber kaum hatte jeder -drei- oder viermal »gesegnet Gott« gesagt, ward schon alles lauter. -Je länger, je höher erhub sich nach und nach eines jeden Stimme -ohnbeschreiblich. - -Man brachte Gerichte, deswegen »Voressen« genannt, weil sie gewürzt -und vor dem Trunk zu genießen verordnet waren, ~item~ Beiessen, weil -sie bei dem Trunk nicht übel schmeckten, allerhand französischer -~Potagen~ und spanischer ~Ollapotriden~ zu geschweigen, welche durch -tausendfältige Zubereitung und unzählbare Zusätze dermaßen verpfeffert, -verdümmelt, vermummet, mixiert und zum Trunk gerüstet waren, daß sie -nach ihrer natürlichen Substanz unerkenntlich blieben. Wer weiß, ob die -Zauberin ~Circe~ andere Mittel gebraucht hat, des Ulisses Gefährten in -Schweine zu verwandeln? Dann die Gäste fraßen die Gerichte wie Säue, -darauf soffen sie wie Kühe, stellten sich dabei wie Esel und spien wie -die Gerberhunde. - -Den edlen Hochheimer, Bacheracher und Klingenberger gossen sie in -kübelmäßigen Gläsern hinunter und brachten einander Trünke zu, die je -länger, je größer wurden, als ob sie um die Wette miteinander stritten. - -Bis dahin hatte jeder mit gutem Appetit das Geschirr geleert, nachdem -aber Mägen und Köpfe voll und toll wurden, mußten bei einem Courage, -beim andern Treuherzigkeit, seinem Freunde eins zuzubringen, beim -dritten die deutsche Redlichkeit, ritterlich Bescheid zu tun, den Trunk -fördern. Maßen aber solches der Länge nach auch nicht bestehen konnte, -beschwur je einer den andern bei großer Herren, lieber Freunde oder bei -der Liebsten Gesundheit den Wein maßweis in sich zu schütten, worüber -manchem die Augen übergingen und der Angstschweiß ausbrach, doch mußte -es gesoffen sein. Ja, man machte zuletzt mit Trommeln, Pfeifen und -Saitenspiel ein Lärmen und schoß mit Stücken darzu, ohn Zweifel darum, -dieweil der Wein die Mägen mit Gewalt einnehmen mußte. - -Mein Pfarrer war auch bei dieser Gasterei. Ich trat zu ihm und sagte: -»Warum tun die Leute so seltsam? Woher kommt es doch, daß sie so hin -und her dorkeln? Mich dünkt schier, sie sein nicht recht witzig, sie -haben sich alle sattgegessen und getrunken, daß sie schwören bei -Teufelholen, wann sie mehr saufen könnten, und dannoch hören sie nicht -auf sich auszuschoppen! Müssen sie es tun?« - -Der Pfarrer flüsterte mir zu: »Liebes Kind, Wein ein, Witz aus. Das ist -noch nichts demgegenüber, was noch kommen soll.« - -»Zerbersten dann ihre Bäuche nicht, wann sie immer so unmäßig -einschieben? Können dann ihre Seelen, die Gottes Ebenbild sein, in -solchen Mastschweinkörpern verharren?« - -»Halts Maul,« antwortete der Pfarrer, »du dörftest sonst greulich -Pumpes kriegen. Hier ist keine Zeit zu predigen, ich wollt's sonst -besser als du verrichten.« - -Ich sahe ferner stillschweigend zu, wie man Speise und Trank mutwillig -verderbte, unangesehen des armen Lazarus, den man damit hätte laben -können in Gestalt vieler vertriebener Flüchtlinge, denen der Hunger aus -den Augen heraus guckte und die vor unsern Türen verschmachteten. - - - - -Das fünfzehnte Kapitel - - -Als ich dergestalt mit einem Teller vor der Tafel aufwartete, und mein -Gemüt von merklichen Gedanken geplagt ward, ließ mich auch mein Bauch -nicht zufrieden. Er knurrte und murrte ohn Unterlaß. Ich gedachte dem -ungeheuern Gerümpel abzuhelfen und mich dabei meiner neuerlernten Kunst -zu bedienen. Lupfete also das Bein, druckte von allen Kräften, was ich -konnte, und wollte heimlich meinen Spruch: ~je pete~ -- sagen, aber -das ungeheuere Gespann entwischte wider mein Verhoffen mit greulichem -Bellen. Mir wars einsmals so bang, als wenn ich auf der Leiter am -Galgen gestanden wäre und mir der Henker bereits den Strick hätte -anlegen wollen. In solcher gählingen Angst verwirrt, wurde mein Maul -in diesem urplötzlichen Lärmen rebellisch, und wo es heimlich brummeln -sollte, entfuhr ihm desto grausamer mit erschröcklicher Stimme sein: -~je pete~. - -Hiedurch bekam ich Linderung, dagegen einen ungnädigen Herrn an meinem -Gouverneur. Seine Gäste wurden über diesem unversehenen Knall fast -wieder alle nüchtern, ich aber über die Futtertruhe gespannt und also -gepeitscht, daß ich noch bis auf diese Stund daran gedenke. Solches -waren die ersten Pastonaden, die ich kriegte. - -Da brachte man Rauchtäfelein und Kerzen, und die Gäste suchten ihre -Bisemknöpfe und Balsambüchslein, auch sogar ihren Schnupftabak hervor, -aber die besten ~Aromata~ wollten schier nichts erklecken. - -Wie dies nun überstanden, mußte ich wieder aufwarten wie zuvor. Mein -Pfarrer war auch noch vorhanden und ward zum Trunk genötiget. Er aber -wollte nicht recht daran und sagte, er möchte so viehisch nicht saufen. -Hingegen erwiese ihm ein guter Zechbruder, daß er wie ein Viehe, sie -aber, die andern, wie Menschen söffen. - -»Dann eine Vieh säuft nur so viel, als ihm wohl schmäcket und den -Durst löschet, weil es nicht weiß, was gut ist. Uns Menschen aber -beliebt, daß wir uns den Trunk zu Nutz machen und den edlen Rebensaft -einschleichen lassen.« - -»Sehr wohl,« sagte der Pfarrer, »es gebühret mir aber das rechte Maß zu -halten.« - -»Wohl,« antwortete jener, »ein ehrlicher Mann hält Wort,« und ließ -einen mäßigen Becher einschenken, denselben den Pfarrer zuzuzotteln. -Der hingegen ging durch und ließ den Säufer mit seinem Eimer stehen. - -Als der Pfarrer abgeschafft war, ging es drunter und drüber. Es ließe -sich an, als wenn die Gasterei einzig Gelegenheit sein sollte, sich -gegen einander mit Vollsaufen zu rächen, einander in Schande zu bringen -oder sonst einen Possen zu reißen. Wann dergestalt einer expediert -ward, daß er weder sitzen, gehen oder stehen mehr konnte, so hieß es: -»Nun ist es wett! Du hast mirs hiebevor auch so gekocht. Jetzt ist -dirs eingetränkt!« Welcher aber ausdauren und am besten saufen konnte, -wußte sich dessen groß zu machen und dünkte sich kein geringer Kerl -zu sein. Zuletzt dürmelten sie alle herum, als wann sie Bilsensamen -genossen hätten. Einer sang, der ander weinete, einer lachte, der -ander traurete, einer fluchte, der ander betete. Der schrie überlaut: -Courage! -- jener saß stille und friedlich. Einer wollte den Teufel -mit Raufhändeln bannen, ein anderer schlief, der dritte plauderte, daß -keiner ihm zuvorkommen konnte. Da erzählte einer von seiner lieblichen -Buhlerei, der ander von seinen erschröcklichen Kriegstaten. Etliche -redeten von der Kirchen und geistlichen Sachen, andere von Politik -und Reichshändeln. Teils liefen hin und wieder und konnten nirgends -bleiben, teils lagen und vermochten nicht den kleinsten Finger zu -regen. Etliche fraßen wie die Trescher, als hätten sie acht Tage Hunger -gelitten, andere wußten sich dessen zu entledigen, was sie den Tag -eingeschlungen hatten. ~In summa~ meine Kunst, darum ich so greulich -zerschlagen worden, nur ein Scherz dargegen zu rechnen war. - -Endlich satzte es unten an der Tafel ernstliche Streithändel. Da warf -man einander Gläser, Becher, Schüsseln und Teller an die Köpfe und -schlug mit Fäusten, Stühlen, Stuhlbeinen und Degen, daß endlich der -rote Saft über die Ohren lief. Aber mein Herr stillet den Handel. - -Da nun wieder Friede worden, nahmen die Meistersäufer die Spielleute -samt den Frauenzimmern und wanderten in ein ander Haus, dessen Saal -auch einer andern Torheit gewidmet war. Mein Herr ging ihnen nach und -ich folget ihm. - -Ich sahe in dem Saal Männer, Weiber und ledige Personen so schnell -untereinander herumhaspeln, daß es schier wimmelte. Sie hatten ein -solch Getrappel und Gejöhl, daß ich vermeinte, sie wären all rasend -worden, dann ich konnte nicht ersinnen, was sie doch mit diesem Wüten -und Toben vorhaben möchten. Ihr Anblick kam mir grausam, förchterlich -und schröcklich vor, daß ich mich entsatzte. Mein Gott, dachte ich, -es hat sie gewißlich eine Unsinnigkeit befallen. Vielleicht möchten -es auch höllische Geister sein, welche dem ganzen menschlichen -Geschlecht durch solch Geläuf und Affenspiel spotteten. Als mein Herr -in den Hausflur kam und zum Saal eingehen wollte, hörete die Wut -eben auf, nur daß sie noch ein Buckens und Duckens mit den Köpfen und -ein Kratzens und Schuhschleifens auf dem Boden machten, als wollten -sie ihre Fußtapfen wieder austilgen. Am Schweiß, der ihnen über die -Gesichter floß, und an ihrem Geschnäuf konnte ich abnehmen, daß sie -sich stark zerarbeitet hatten. - -Ich fragte dahero meinen Kameraden, der mir erst kürzlich wahrsagen -gelernet, was solche Wut bedeute. Der berichtete mir, daß die -Anwesenden vereinbart hätten, dem Saal den Boden mit Gewalt -einzutreten. »Warum vermeinst du wohl, daß sie sich sonst so tapfer -tummeln sollten,« sagte er zu mir. »Hast du nicht gesehen, wie sie die -Fenster vor Kurzweile schon ausgeschlagen?« - -»Herr Gott, so müssen wir mit zugrunde gehen und samt ihnen Hals und -Bein brechen!« - -»Ja,« sagte der Kamerad, »darauf ist's angesehen. Du wirst merken, -wann sie sich in Todesgefahr begeben, daß jeder eine hübsche Frau und -Jungfer erwischt, dann es pfleget denen Paaren, so also zusammenhaltend -fallen, nicht bald wehe zu geschehen.« - -Mich überfiel eine solche Todesangst, daß ich nicht wußte, wo ich -bleiben sollte. Als aber die Musikanten sich noch darzu hören ließen -und jeder eine bei der Hand erdappte, ward mirs nicht anderst, als wenn -ich allbereits den Boden eingehen und mir und den andern die Hälse -brechen sähe. Sie fingen an zu gumpen, daß der ganze Bau zitterte, weil -man eben einen drollichten Gassenhauer aufmachte; ich vermeinte im -Todesschröcken das Haus fiele urplötzlich ein. Derowegen erwischte ich -in der allerhöchsten Not eine Dame von hohem Adel und vortrefflichen -Tugenden, mit welcher mein Herr eben konversierte, unversehens beim -Arm wie ein Bär und hielte sie wie eine Klette. Da sie aber zuckte, -spielte ich den ~Desperat~ und fing aus Verzweiflung an zu schreien. -Die Musikanten wurden gähling still, die Tänzer und Tänzerinnen hörten -auf und die ehrliche Dame, der ich am Arm hing, befand sich offendiert. - -Darauf befahl mein Herr mich zu prügeln und hernach irgendhin -einzusperren, weil ich denselben Tag schon mehr Possen gerissen hatte. -Die Fourierschützen, so dies exequieren sollten, hatten Mitleiden mit -mir, entübrigten mich derohalben der Stöße und sperrten mich unter eine -Stiege in den Gänsstall. - - - - -Das andere Buch - - - - -Das erste Kapitel - - -Drei ganzer Stunden, bis das ~praeludium veneris~ oder der ehrlich -Tanz geendet hatte, mußte ich im Gansstall sitzen bleiben, eh einer -herzuschlich und an dem Riegel anfing zu rappeln. Ich lausterte -scharf, der Kerl aber machte die Tür nicht allein auf, sondern wischte -auch ebenso geschwind hinein, als ich gern heraußen gewesen wäre, -und schleppte noch darzu ein Weibsbild an der Hand mit sich daher -gleichwie beim Tanz. Weil ich aber vielen seltsamen Abenteuern an -diesem Tag begegnet und mich darein ergeben hatte, fürderhin alles mit -Geduld und Stillschweigen zu ertragen, als schmiegte ich mich zu der -Tür mit Forcht und Zittern, das End erwartend. Gleich darauf erhub -sich zwischen diesen beiden ein Gelispel, woraus ich entnahm, daß -sich der eine Teil über den üblen Geruch des Ortes beklagte, hingegen -der ander Teil hinwiederum tröstete: »Gewißlich, schöne Dame, mir -ist, versichert, vom Herzen leid, daß uns, die Früchte der Liebe zu -genießen, vom mißgünstigen Glück kein ehrlicher Ort gegönnet wird. Aber -ich kann darneben beteuern, daß mir Ihre holdselige Gegenwart diesen -verächtlichen Winkel anmutiger machet, als das lieblichste Paradeis -selbsten.« - -Hierauf hörete ich küssen und vermerkte seltsame Posturen, wußte aber -nicht, was es bedeuten sollte, schwieg derowegen noch fürders so still -wie eine Maus. Wie sich aber auch sonst ein possierlich Geräusch erhob -und der Gansstall zu krachen anfing, da wußte ich, das sein zwei von -denen wütenden Leuten, die den Boden helfen eintreten. In der Angst -ums Leben und dem Tode zu entfliehen, wischte ich aus der Tür mit -Mordiogeschrei, warf den Riegel zu und suchte das Haustor. - -In meines Herren Quartier war alles still und schlafend, dahero dorfte -ich mich der Schildwache, die vorm Haus stund, nicht nähern, und es war -schon weit nach Mitternacht. So fiel mir ein, ich sollte meine Zuflucht -zu dem Pfarrer nehmen. - -Dort kam ich so ungelegen, daß mich die Magd nur mit Unwillen einließ, -ihr Herr aber, der nunmehr fast ausgeschlafen hatte, an dem Gekeife -unser gewahr wurde. Er rief uns beide vor sich ans Bett und hieß mich -niederlegen, da er sahe, daß ich vor Nachtfrost und Müdigkeit ganz -erstarrt war. Ich erwarmet aber kaum, dann da es anfing zu tagen, so -stund der Pfarrer schon vorm Bette, zu vernehmen, wie meine Händel -beschaffen wären. Ich erzählte ihm alles und machte den Anfang bei -der Kunst, die mich mein Kamerad gelehret, und wie sie übel geraten. -Folgendes meldete ich, daß die Gäste, nachdem er hinweg gewesen, ganz -unsinnig wären worden, maßen mein Kamerad mir berichtet, sie wollten -dem Haus den Boden eintreten, ~item~ in was vor schröckliche Angst ich -darüber geraten und auf was Weise ich mich vorm Untergang erretten -gewollt, darüber aber in Gänsstall gesperret worden seie. Auch was -ich in denselben von den zweien, so mich wieder erlöst, vernommen und -welcher Gestalt ich sie wieder eingesperret hätte, berichtet ich dem -Pfarrer. - -»~Simplici~,« meinte er, »deine Sachen stehen lausig. Du hattest einen -guten Handel, aber ich besorge, es sei verscherzt. Packe dich nur -geschwind aus dem Bette und trolle dich aus dem Haus, damit ich nicht -samt dir in deines Herren Ungnade komme, wann man dich bei mir findet.« - -Also mußte ich zum ersten Mal erfahren, wie wohl einer bei männiglich -daran ist, wann er seines Herren Gunst hat, und wie scheel einer -angesehen wird, wann solche hinket. - -In meines Herrn Quartier schlief alles noch steinhart bis auf den -Koch und ein paar Mägde; diese putzten das Zimmer, darin man gestern -gezecht, jener aber rüstete aus den Abschrötlein wieder ein Frühstück -oder vielmehr einen Imbiß zu. Das Zimmer lag hin und wieder voller -zerbrochener so Trink- als Fenstergläser, voll Unflat und großen Lachen -von verschüttetem Wein und Bier, also daß der Boden einer Landkarten -gleich sahe, darin man hat unterschiedliche Meere, Insuln und fußfeste -Länder vor Augen stellen wollen. Es stank viel übler als in meinem -Gänsstall. Derowegen machte ich mich in die Küchen, mit Forcht und -Zittern erwartend, was das Glück, wann mein Herr ausgeschlafen hätte, -ferners in mir würken wollte. Darneben betrachtete ich der Welt Torheit -und Unsinnigkeit, so daß ich damals meines Einsiedlers dörftig und -elend Leben vor glückselig schätzte und ihn und mich wieder in den -früheren Stand wünschte. - - - - -Das ander Kapitel - - -Indessen mußten die Diener hin und wider laufen, die gestrigen Gäste -zum Frühstück einzuholen, unter welchen der Pfarrer zeitlicher als -alle andern erscheinen mußte, weil mein Herr fürderst meinetwegen mit -ihm reden wollte, maßen man ihm berichtet, ich sei aus dem Gänsstall -ausgebrochen, indem ich ein Loch hinter dem Riegel mit dem Messer -geschnitten. - -Er fragte ihn ernstlich, ob er mich vor witzig oder vor närrisch -hielte, ob ich so einfältig oder so boßhaftig sei, und erzählete ihm, -wie unehrbarlich ich mich gehalten, was teils von seinen Gästen übel -empfunden und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt mit -Fleiß so angestellet worden, ~item~, daß ich nun in der Küchen umgehe -wie ein Junker, der nicht mehr aufwarten dörfe. Sein Lebtag sei ihm -kein solcher Possen widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler -ehrlicher Leute gerissen. Er wüßte nichts anders mit mir anzufangen, -als daß er mich lasse abprügeln und wieder vor den Teufel hinjagen. - -Derweilen sammelten sich die Gäste. Der Pfarrer aber antwortete, wann -ihm der Gouverneur zuzuhören beliebte, so wolle er vom ~Simplicio~ eins -und anders erzählen, daraus dessen Unschuld zu ersehen sei und alle -ungleichen Gedanken benommen würden. - -Inzwischen akkordierte der tolle Fähnrich aus dem Gänsstall mit mir in -der Küchen, und brachte mich durch Drohworte und einen Taler dahin, daß -ich versprach, reinen Mund zu halten. - -Die Tafeln wurden gedeckt und mit Speisen und Leuten besetzt. Wermut-, -Salbei-, Alant-, Quitten- und Zitronenwein mußte neben dem Hippokras -den Säufern ihre Köpfe und Mägen wieder begütigen, dann sie waren -schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erst Gespräch war von ihnen -selbsten: wie sie gestern einander so brav vollgesoffen ... mit -nichten! sie hätten allein gute »Räusche« gehabt, dann keiner säuft -sich mehr voll, sintemal die »Räusche« aufgekommen sind. Als sie aber -von ihren eigenen Torheiten zu reden und zu hören müde waren, mußte -der arme ~Simplicius~ herhalten. Der Gouverneur selbst erinnerte den -Pfarrer, die lustigen Sachen zu eröffnen. - -Dieser bat zuvörderst, man wolle ihm nicht vor ungut halten, dafern er -Wörter reden müßte, die seiner geistlichen Person übel vermerkt werden -könnten. Fing darauf an zu erzählen, aus was natürlichen Ursachen ich -dem ~Secretario~ merkliche Unlust in seiner Kanzlei angerichtet, wie -ich sonach das Wahrsagen gelernet und solches schlimm erprobt, wie -seltsam mir das Tanzen vorgekommen sei und wie ich darüber in den -Gänsstall gelangt wäre. Solches brachte er in einer wohlanständigen Art -vor, daß sich die Gäste trefflich zerlachen mußten. Aber von dem, was -mir im Gänsstall begegnet, wollte er nichts sagen. - -Hingegen fragte mich mein Herr, was ich vor so saubere Künste und -Lehren meinem Kameraden gegeben hätte. Ich antwortete: »Nichts«. »So -will ich dein Lehrgelt zahlen,« versprach mein Herr und ließ ihn darauf -über eine Futtertruhe spannen und allerdings karbaitschen. - -Er wollte mich ferner meiner Einfalt wegen stimmen, ihn und seinen -Gästen mehr Lust zu machen, dann ich galt mit meinen närrischen -Einfällen selbigen Tags über allen Musikanten. Und er fragte, warum -ich die Stalltür erbrochen. Ich sagte: »Das mag jemand anders getan -haben.« -- »Wer?« -- »Das darf ich niemand sagen.« Mein Herr war aber -ein geschwinder Kopf und sahe wohl, wie man mich Lausen müßte. »Wer hat -dir solches verboten?« -- »Der tolle Fähnrich da.« - -Ich merket an jedermanns Gelächter, daß ich mich gewaltig verhauen -haben mußte, und der tolle Fähnrich ward so rot wie eine glühende -Kohlen. - -Darauf gebot mein Herr zu reden und fragte: »Was hat der tolle Fähnrich -bei dir im Gänsstall zu tun gehabt?« Ich antwortete: »Er brachte eine -Jungfer mit hinein.« - -Darüber erhub sich bei allen Anwesenden ein solch Gelächter, daß mich -mein Herr nicht mehr hören, geschweige etwas weiters fragen konnte. - -So brachten etliche mehr Possen auf die Bahn, sunderlich meine -einfältigen Straf- und Mahnreden, daß man schier denselben Imbiß von -nichts, als nur von mir zu reden und zu lachen hatte. - -Und das verursachte einen allgemeinen Entschluß zu meinem Untergang: -man sollte mich nur tapfer agieren, so würde ich mit der Zeit einen -raren Narren abgeben, den man auch den größten Potentaten der Welt -verehren und mit dem man die Sterbenden zum Lachen bringen könnte. -- - -Wie man nun also schlampampte und wieder gut Geschirr machen wollte, -meldete die Wacht einen ~Commissarium~ an, der vor dem Tor sei. Das -eingehändiget Schreiben besagte, er wäre von den schwedischen Kronräten -abgeordnet, die Guarnison zu mustern und die Festung zu visitieren. -Solches versalzte allen Spaß und das Freudengelag verlummerte wie ein -Dudelsackzipfel, dem der Blast entgangen. Die Musikanten und Gäste -zerstoben wie Tabakrauch, der nur den Geruch hinter sich läßt. Mein -Herr trollete selbst mit dem Adjutanten, der den Schlüssel trug, samt -einem Ausschuß von der Tagwacht und vielen Windlichtern dem Tor zu, den -Plackschmeißer, wie er ihn nannte, selbst einzulassen. Er wünschte, daß -ihm der Teufel den Hals in tausend Stücke bräche, ehe er in die Festung -käme. - -Sobald er ihn aber eingelassen und auf der inneren Fallbrücke -bewillkommnete, fehlte wenig oder gar nichts, daß er ihm nicht -selbst den Steigbügel hielte, seine ~Devotion~ zu bezeugen, ja -die Ehrerbietung war augenblicklich zwischen beiden so groß, daß -der ~Commissarius~ abstieg und zu Fuß mit meinem Herrn gegen sein -Losament schritt. Da wollte ein jeder zur linken Hand gehen und mehr -dergleichen. Ach, gedachte ich, was vor ein Geist regiert die Menschen, -indem er je einen durch den andern zum Narren machet! - -Wir näherten also der Hauptwache und die Schildwacht rufte ihr Wer-da, -wiewohl sie sahe, daß es mein Herr war. Dieser wollte nicht antworten, -sondern dem andern die Ehre lassen, daher stellet sich die Schildwacht -mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger. Endlich antwortete der -~Commissarius~: »Der Mann, ders Geld gibt.« - -Wie wir bei der Schildwacht vorbeipassierten, und ich so hinten -nachzog, hörete ich den Posten brummen: »Ein Mann ders Geld gibt! -Verlogener Kund! Ein Schindhund, ders Geld nimmt, das bist! Daß dich -der Hagel erschlüge, eh du wieder aus der Stadt kommst!« - -Also meinete ich, der fremde Herr mit der sammeten Mutzen müßte ein -Heiliger sein, weil nicht allein keine Flüche an ihm hafteten, sondern -dieweil ihm auch seine Hasser alle Ehre, alles Liebe und alles Gute -erwiesen. Er ward noch diese Nacht fürstlich traktieret, blind -vollgesoffen und in ein herrlich Bette gelegt. - -Folgenden Tags ging es bei der Musterung bunt über Eck her. Ich -einfältiger Tropf war selbst geschickt genug, den klugen ~Commissarium~ -zu betrügen. Daß ich ihm zu klein vor die Musketen erschiene, -staffieret man mich mit einem entlehnten Kleid und einer Trummel aus. -Mein Herr ließ in die Rolle meinen Namen einschreiben und nannte mich -~Simplicius Simplicissimus~. - - - - -Das dritte Kapitel - - -Als der ~Commissarius~ wieder weg war, ließ mich der Pfarrer heimlich -zu sich in sein Losament kommen und sagte: - -»O ~Simplici~, deine Jugend dauert mich und deine Unglückseligkeit -bewegt mich zum Mitleiden. Höre, mein Kind, dein Herr ist entschlossen, -dich aller Vernunft zu berauben und dich zum Narren zu machen, maßen -er bereits ein Kleid vor dich anfertigen läßt. Morgen mußt du in -die Schule, darin du deine Vernunft verlernen sollst. Man wird dich -ohn Zweifel so greulich trillen, daß du ein Phantast werden mußt, -wenn anderst Gott und natürliche Mittel solches nicht verhindern. Um -deines Einsiedlers Frömmigkeit und deiner eigenen Unschuld willen sei -dir mit Rat und notwendigen guten Arzneien beigesprungen. Folge nun -meiner Lehre: Nimm dieses Pulver ein, welches dir Hirn und Gedächtnus -dermaßen stärken wird, daß du, unverletzt deines Verstandes, alles -leicht überwinden magst. Auch schmiere dir mit diesem Balsam Schläfen, -Wirbel und Genick samt den Naslöchern. Beides brauch auf den Abend, -sintemal du keiner Stunde sicher sein wirst. Wann man dich in dieser -verfluchten Kur haben wird, so achte und glaube nicht alles, stelle -dich jedoch, als wenn du alles glaubtest. Wenn du aber das Narrenkleid -anhaben wirst, so komme wieder zu mir, damit ich deiner mit fernerem -Rat pflegen möge. Indessen will ich Gott bitten, daß er deinen Verstand -und Gesundheit erhalten wolle.« - -Wie der Pfarrer gesagt, also ging es: Im ersten Schlaf kamen vier Kerl -in schröcklichen Teufelslarven, die sprungen herum wie Gaukler. Einer -hatte einen glühenden Hacken, der andere eine Fackel. Zween aber -wischten über mich her, zogen mich aus dem Bette, tanzten mit mir hin -und her, zwangen mir meine Kleider an Leib. Ich aber verführete ein -jämmerliches Zetergeschrei und ließ die allerforchtsamsten Gebärden -erscheinen. Hierauf verbanden sie mir den Kopf mit einem Handtuch und -führeten mich unterschiedliche Umwege, viel Stiegen auf und ab und -endlich in einen Keller, darin ein großes Feuer brannte. Sie banden -das Handtuch ab und fingen an, mir mit spanischem Wein und Malvasier -zuzutrinken. Ich stellet mich mit allem Fleiß, als wäre ich nun -gestorben und im Abgrund der Hölle. - -»Sauf zu! Willtu nicht ein guter Gesell sein, so mußt du in -gegenwärtiges Feuer!« - -Die armen Teufeln wollten ihre Sprache und Stimme verquanten, damit -ich sie nicht kennen sollte, ich merkte aber gleich, daß es meines -Herrn Fourierschützen waren. So trank ich mein Teil, sie aber soffen, -weil derlei himmlischer ~Nectar~ selten an solche Gesellen kommt. -Da michs aber Zeit zu sein bedünkte, stellete ich mich mit Hin- und -Hertorkeln, wie ichs gesehen hatte, und wollte endlich gar nicht mehr -saufen, sondern schlafen. Sie hingegen jagten und stießen mich mit -ihren Hacken, die sie allezeit im Feuer liegen hatten, in allen Ecken -des Kellers herum. Und wann ich in solcher Hatz niederfiel, so packten -sie mich auf, als wann sie mich ins Feuer werfen wollten. Also ging -mirs wie einem Falken, den man wacht. Ich hätte zwar Trunkenheit und -Schlafes halber ausgedauert, aber sie lösten einander ab. Drei Täge und -zwei Nächte habe ich in diesem raucherichten Keller zugebracht. Der -Kopf fing mir an zu brausen und zu wüten, als ob er zerreißen wollte. -Ich warf mich hin und stellet mich tot. Da legten sie mich in ein -Leinlach und zerplotzten mich so unbarmherzig, daß mir alles Eingeweide -samt der Seele hätte herausfahren mögen. Wovon ich meiner Sinne beraubt -ward und nicht weiß, was sie ferners mit mir gemacht haben. - -Als ich zu mir selber kam befand ich mich in einem schönen Saal unter -den Händen dreier alter Weiber, die vor eine treffliche Arznei wider -die unsinnige Liebe hätten dienen mögen, so garstig waren sie. Ich -erkannte wohl, daß die eine unsere Schüsselwäscherin, die andern zwo -aber zweier Fourierschützen Weiber waren. Da stellete ich mich, als -wann ich mich nicht zu regen vermöchte, wie mich dann in Wahrheit auch -nicht tanzerte, als die ehrlichen Alten mich auszogen und mich wie ein -klein Kindlein säuberten. Doch tät mir solches trefflich sanft. Sie -bezeugten unter währender Arbeit große Geduld und Mitleiden, also daß -ich ihnen beinahe offenbaret hätte, wie gut mein Handel noch stünde. -Zum Glück gedachte ich: Nein, ~Simplici~, vertraue keinem alten Weibe! --- Da sie nun mit mir fertig waren, legten sie mich in ein köstlich -Bette, darin ich ungewiegt entschlummerte. Meines Davorhaltens schliefe -ich in einem Satz länger als vierundzwenzig Stunden. Da ich erwachte -stunden zween schöne, geflügelte Knaben vorm Bette, welche mit weißen -Hemden, taffeten Binden, Perlen, Kleinodien, göldenen Ketten und -andern scheinbarlichen Sachen köstlich gezieret waren. Einer hatte -ein vergöldtes Lavor voller Hippen, Zuckerbrot, Marzipan und anderm -Konfekt, der ander aber einen göldnen Becher in Händen. Diese Engel -wollten mich bereden, daß ich nunmehr im Himmel sei, weil ich das -Fegfeuer so glücklich überstanden. Derohalben sollte ich nur begehren, -was mein Herz wünsche. Mich quälte der Durst, mich verlangete nur nach -einem Trunk, der mir auch mehr als gutwillig gereichet wurde. Es war -aber kein Wein, sondern ein lieblicher Schlaftrunk. - -Den andern Tag erwachte ich wiederum (dann sonst schliefe ich noch -heute), befand mich aber nicht mehr im Bette noch im vorigen Saal, -sondern in meinem Gänskerker und überdas trug ich ein Kleid von -Kalbsfellen, daran das rauhe Teil nach auswendig gekehrt war. Die Hosen -waren auf polnisch oder schwäbisch, der Wams auf närrisch gemacht. -Oben am Hals stund eine Kappe wie eine Mönchsgugel, die war mir über -den Kopf gestreift und mit einem Paar großer Eselsohren gezieret. Ich -mußte meines Unsterns selbst lachen, weil ich an Nest und Federn sahe, -was ich vor ein Vogel sein sollte. Ich bedachte mich aufs beste und -satzte mir vor, mich so närrisch zu stellen, als mir immer müglich sei, -darneben mit Geduld zu verharren. - - - - -Das vierte Kapitel - - -Weil ich ein Narr sein sollte, der nicht so witzig ist, von sich selbst -herauszugehen, achtet ich des Loches, das der tolle Fähnrich in die -Tür geschnitten hatte, nicht, sondern blieb und stellte mich als ein -hungrig Kalb, das sich nach der Mutter sehnet. Mein Geplärr ward auch -bald von zween Soldaten gehöret, die darzu bestellt waren. Sie fragten -mich, wer da sei. Ich antwortete: »Ihr Narren, höret ihr dann nicht, -daß ein Kalb da ist?« Sie nahmen mich heraus und verwunderten sich -wie neugeworbene Komödianten, die nicht wohl agieren können, daß ein -Kalb rede. Sie beratschlagten, mich dem Gubernator zu verehren, der -ihnen mehr schenken würde, als der Metzger vor mich bezahlt hätte. Sie -fragten mich, wie demnach mein Handel stünde. - -»Liederlich genug,« antwortete ich. - -»Warum?« - -»Darum, dieweil hier Brauch ist, redliche Kälber in Gänsstall zu -sperren.« - -Sie führten mich gegen des Gouverneurs Quartier zu und uns folgte eine -große Schar Buben nach, die ebensowohl als ich, wie Kälber schrien. - -Also ward ich dem Gouverneur präsentiert, als ob ich von denen Soldaten -erst auf Partei erbeutet worden wäre. Er versprach mir die beste Sach. -Ich sagte: »Wohl Herr, man muß mich aber in keinen Gänsstall sperren, -dann wir Kälber können solches nicht erdulden, wann wir anders wachsen -und zu einem Stück Hauptviehe werden sollen.« - -Er vertröstete mich eines besseren und dünkte sich gar gescheit zu -sein, daß er einen solchen visierlichen Narren aus mir gemachet hätte. -Hingegen gedachte ich: Harre mein, lieber Herr, ich habe die Probe des -Feuers überstanden. - -Indem trieb ein geflüchteter Baur sein Viehe zur Tränke. Ich sahe -es und eilete mit einem Kälbergeplärr den Kühen zu, so sich vor mir -ärger entsatzten als vor einem Wolf, ja, sie wurden so schellig und -zerstoben von einander, daß sie der Bauer am selbigen Ort nicht mehr -zusammenbringen konnte. Im Hui war ein Haufen Volk darbei, das der -Gaukelfuhre zusahe. Mein Herr lachte, daß er hätte zerbersten mögen, -und meinte endlich: »Ein Narr macht ihrer hundert!« Ich aber gedachte, -eben du bist derjenige, dem du jetzt wahrsagest. - -Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an das Kalb nannte, -also nannte ich hingegen auch einen jeden mit einem besonderen Namen. -~In summa~ mich schätzte männiglich vor einen ohnweisen Toren und ich -hielte jeglichen vor einen gescheiten Narren. Dieser Brauch ist meines -Erachtens in der Welt noch üblich, maßen ein jeder mit seinem Witz -zufrieden und sich einbildet, er sei der Gescheiteste unter allen. - -Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor, brachte aber -daneben seltsame Sachen auf die Bahn, und, als ich essen sollte, -konnte niemand menschliche Speise oder Trank in mich bringen. Ich -wollte kurzum nur Gras haben, was zur selbigen winterlichen Zeit zu -bekommen unmüglich war. So ließ mein Herr zweien kleinen Knaben frische -Kalbfell überstreifen, diese satzte er zu mir und traktierte uns mit -Wintersalat. Ich aber sahe so starr drein, als wann ich mich darüber -verwunderte. - -»Jawohl,« sagten sie, weil sie mich so kaltsinnig sahen, »es ist nichts -Neues, daß Kälber Fleisch, Fisch, Käse, Butter und anders fressen. Sie -saufen auch zu Zeiten einen guten Rausch.« - -Ich ließ mich desto ehender überreden, als ich hiebevor schon selbst -gesehen, wie teils Menschen säuischer als Schweine, geiler als Böcke, -neidiger als Hunde, unbändiger als Pferde, gröber als Esel, versoffener -als Rinder, gefräßiger als Wölfe, närrischer als Affen und giftiger als -Schlangen und Kroten waren, so dannoch allesamt menschlicher Nahrung -genossen und nur durch die Gestalt von den Tieren unterschieden waren. - -Gleichwie meine beiden Schmarotzer mit mir zehreten, also mußten sie -auch mit mir zu Bette, wann mein Herr anders nicht zugeben wollte, daß -ich im Kühestall schliefe. Der grundgütige Gott gab mir so viel Witz -vor meinen Stand, als er einem jeden Menschen zu seiner Selbsterhaltung -verleihet, dannenhero ich erkannte: Doktor hin, Doktor her, was bildet -ihr euch ein, allein witzig zu sein und Hans in allen Gassen. Hinter -den Bergen, da wohnen auch noch Leute. - -Gegen Mittag so mußte ich auch in die Stube, weil adelig Frauenzimmer -bei meinem Herren war, den neuen Narren zu hören und zu sehen. Ich -erschiene und stund da wie ein Stummer. Dahero diejenige, so ich -hiebevor beim Tanze erdappet hatte, Ursach nahm zu sagen, sie hätte -gehört, daß dieses Kalb könne reden, nunmehr verspüre sie aber, daß es -nicht wahr sei. - -Ich antwortete: »So habe ich vermeint, die Affen können nicht reden, -höre aber wohl, das dem auch nicht so sei.« - -»Wie,« sagte mein Herr, »vermeinst du dann, diese Damen seien Affen?« - -»Sein sie es nicht,« gab ich entgegen, »so werden sie es bald werden. -Wer weiß wie es fällt, ich habe mich auch nicht versehen, ein Kalb zu -werden, und bins doch.« - -Da fragte mein Herr, woran ich sehe, daß diese Damen Affen werden -sollten. - -Ich antwortete: »Der Affe trägt seinen Hintern bloß, diese Jungfer -allbereits ihre Brüstlein, dann andre Mägde pflegen sonst solche zu -bedecken.« - -»Schlimmer Vogel,« sagte mein Herr, »so redest du? Diese lassen billig -sehen, was sehenswert ist, der Affe aber gehet aus Armut nackend. -Geschwind bringe ein, was du gesündiget hast, oder man wird dich mit -Hunden in den Gänsstall hetzen!« - -Hierauf betrachtete ich die Dame so steif und lieblich, als hätte -ich sie heuraten wollen. Endlich sagte ich: »Herr, ich sehe wohl der -Diebsschneider ist an allem schuldig, er hat das Gewand, das oben um -den Hals gehört, unten am Rock stehen lassen, darum schleift es so weit -hinten nach. Man soll dem Hudler die Hand abhauen. Jungfer, schafft -ihn ab, wann er Euch nicht so verschänden soll und sehet, daß ihr -meiner Meuder, des Ursele und der Ann Schneider bekommt, die haben Röck -gehabt, so nicht im Dreck geschlappt wie Eurer.« - -Mein Herr fragte, ob dann meines Knäns Ann und Ursele schöner gewesen -als diese Jungfer. - -»Ach wohl nein,« sagte ich, »diese Jungfer hat ja Haare so gelb, -als kleine Kindlein die Windlen zeichnen, und sie sein so hübsch -zusammengerollt, als hätte sie auf jeder Seite ein paar Pfund Lichter -oder ein Dutzend Bratwürst hangen. Wie hat sie so eine schöne glatte -Stirn, weißer als ein Totenkopf, der viel Jahr lang im Wetter gehangen. -Jammerschad ist, daß ihre zarte Haut durch den Puder bemackelt wird, -als habe die Jungfer den Erbgrind, der solche Schuppen von sich werfe. -Wie zwitzern doch ihre funkelnden Augen, vor Schwärze klärer als meines -Knäns Ofenloch. Und die zwei Reihen Zähne, so in ihrem Maul stehen, -schimmern so schön, als wann sie aus einem Stück von einer weißen Rübe -geschnitzelt wären worden. O Wunderbild, ich glaube nicht, daß es einem -wehe tut, so du einen damit beißest! Wie ist ihr Hals schier so weiß, -als eine gestandene Sauermilch und ihre Brüstlein sein von gleicher -Farbe und ohn Zweifel so hart, als eine Geißmämm, die von übriger Milch -strotzet. Ach Herr, sehet ihre Hände und Finger so subtil, so lang, so -gelenk, so geschmeidig und so geschickt, damit sie einem in den Sack -greifen können, wann sie fischen wollen. Aber was soll dieses gegen -ihren ganzen Leib, den ich zwar nicht sehen kann. Ist er nicht so zart, -so schmal und anmutig, als wann sie acht ganzer Wochen die schnelle -Katharina gehabt hätte?« - -Hierüber erhub sich eine solch Gelächter, daß man mich nicht mehr -hören, noch ich mehr reden konnte. Ging hiemit durch wie ein Holländer -und ließ mich, solang mirs gefiel, von andern vexieren. - - - - -Das fünfte Kapitel - - -Bei allen Mahlzeiten ließ ich mich tapfer gebrauchen, dann ich hatte -mir vorgesatzt, alle Torheiten zu bereden und alle Eitelkeiten zu -bestrafen. Ich rupfte ihre Laster, und wer sichs nicht gefallen ließe, -ward noch darzu ausgelacht. - -Der erste, der mir mit Vernunft begegnen wollte, war der ~Secretarius~, -dann ich denselben einen Titulschmied nannte und ihn fragte, wie man -der Menschen ersten Vater titulieret hätte. - -»Du redest wie ein Kalb, maßen nach unseren ersten Eltern Leute gelebt, -die durch seltene Tugenden und gute Künste sich und ihr Geschlecht -dergestalt geadelt haben, daß sie übers Gestirn zu den Göttern erhoben -worden. Wärest du ein Mensch, so hättest du die Historien gelesen und -verstündest auch den Unterscheid, sintemalen du aber ein Kalb und -keiner menschlichen Ehre würdig noch fähig, so redest du wie ein dummes -Kalb und gönnest ihnen den Ehrentitul nicht.« - -»Ich bin«, antwortete ich, »sowohl ein Mensch gewesen als du und habe -bei meinem Einsiedel auch ziemlich viel gelesen. Sage mir, was sein -vor herrliche Taten begangen und Künst erfunden, die genugsam seien, -ein ganzes Geschlecht von etlich hundert Jahr nach Absterben des -Helden und Künstlers zu adlen? Ist nicht beides: des Helden Stärke -und des Künstlers Weisheit mit hinweggestorben? So aber der Eltern -Qualitäten auf die Kinder überkommen, halt ich davor, daß dein Vater -ein Stockfisch und deine Mutter eine Schneegans gewesen.« - -»Ha,« rief der ~Secretarius~, »wann es damit wohl ausgericht sein -wird, wann wir einander schänden, so könnte ich dir vorwerfen, daß dein -Knän ein grober spessarter Bauer gewesen, und daß du dich noch mehr -verringert habest, indem du zum unvernünftigen Kalb geworden bist.« - -»Da recht! Das ist, was ich behaupten will, daß der Eltern Tugenden -nicht allerweg auf die Kinder vererbt werden, und dahero die Kinder -ihrer Eltern Tugendtitul auch nicht allerweg würdig sein. Mir zwar ist -es keine Schande, daß ich ein Kalb bin worden, dieweil ich in solchem -Falle dem großmächtigen König Nabuchodonosor nachzufolgen die Ehre -habe.« - -»Nun gesetzt, aber nicht zugestanden, du habest recht, so mußt du doch -gestehen, daß diejenigen alles Lobs wert sein, die sich selbst durch -Tugend edel machen. Wann aber -- so folget, daß man die Kinder der -Eltern wegen billig ehre, dann der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. -Wer wollte in ~Alexandri Magni~ Nachkömmlingen, wann anders noch -einzige vorhanden wären, ihres alten Ur-Ahnherren herzhafte Tapferkeit -nicht rühmen? Hat er nicht vor dem dreißigsten Jahr die Welt bezwungen, -hat er nicht in einer Schlacht mit den Indiern, da er von den Seinigen -verlassen war, aus Zorn Blut geschwitzet? War er nicht von lauter -Feuerflammen umgeben, daß die Barbaren vor ihm flohen? Bezeugt nicht -~Quintus Curtius~, daß sein Atem wie Balsam, der Schweiß wie Bisem, -sein toter Leib aber nach köstlicher Spezerei roch? -- Da könnte ich -auch den ~Julium Cäsarem~ und ~Pompeium~ anführen, deren der eine -fünfzigmal in offener Feldschlacht gestritten und 1152000 Mann erlegt -und totgeschlagen hat, der ander aber hat neben 940 den Meerräubern -abgenommenen Schiffen vom Alpengebürg an bis in das äußerste Hispanien -876 Städte und Flecken eingenommen und überwunden. Ist nicht von dem -~Lucio Siccio Dentato~, welcher Zunftmeister in Rom war, zu sagen, daß -er in 110 Feldschlachten gestanden und achtmal diejenigen überwunden -hat, die ihn herausgefordert, und daß er 45 Wundmäler an seinem Leib -zeigen konnte. Mit neun Obrist Feldherren ist er in ihren Triumphen -in Rom eingezogen. Wo bleibet der starke Herkules, Theseus und andre, -deren unsterbliches Lob zu beschreiben unmüglich. - -Ich will aber die Waffen fahren lassen und mich zu den Künsten wenden. -Was findet sich für Geschicklichkeit am ~Zeuxis~, welcher mit seinen -Schildereien die Vögel in der Luft betrog, ~item~ am ~Apelles~, der -eine ~Venus~ so natürlich, so ausbündig und mit allen Lineamenten -so subtil und zart dahermalete, daß sich die Junggesellen darein -verliebten. ~Plutarchus~ schreibet, daß ~Archimedes~ ein großes Schiff -mit Kaufmannswaren über den Markt von Syrakus nur mit einer Hand, an -einem einzigen Seil vermöge seiner Schrauben daher gezogen, welches -200 deinesgleichen Kälber nicht hätten zu tun vermocht. Sollten diese -Meister nicht mit einem besonderen Ehrentitul begabt sein? Und welcher -die edle und der ganzen Welt höchst nutzbare Kunst der Buchdruckerei -erfunden, wer wollte den nicht preisen? Zwar ist wenig daran gelegen, -ob du grobes Kalb solches in deinem unvernünftigen Ochsengehirn fassest -oder nicht! Es geht dir eben wie jenem Hund, der auf einem Haufen Heu -lag und solches dem Ochsen auch nicht gönnte, weil er es selbst nicht -genießen konnte.« - -Da ich mich so gehetzt sahe, satzte ich dagegen: »Die herrlichen -Heldentaten wären höchlich zu rühmen, wann sie nicht mit anderer -Menschen Untergang und Schaden vollbracht wären worden. Was ist -das aber vor ein Lob, welches mit so vielem unschuldig vergossenem -Menschenblut besudelt, und was vor ein Adel, der mit so vieler tausend -anderer Menschen Verderben erobert und zuwegen gebracht worden? Und die -Künste, was seinds anders als lauter Vanitäten und Torheiten, dienen -zum Geiz, zur Wollust, zur Üppigkeit. So könnte man der Druckerei -und Schriften auch wohl entbehren, dann der Heilige saget: Die ganze -Welt ist Buchs genug, die Wunder des Schöpfers zu betrachten und die -göttliche Allmacht zu erkennen.« - -Mein Herr wollte auch mit mir scherzen und sagte: »Ich merke wohl, weil -du nicht edel zu werden getrauest, verachtest du des Adels Ehrentitul.« -Ich antwortete: »Wann schon ich in dieser Stund an deine Ehrenstell -treten sollte, ich wollte sie doch nicht annehmen.« Mein Herr lachte. -»Das glaub ich, dann dem Ochsen gehöret Haberstroh. Ich meinesteils -acht es für kein Geringes, wann mich das Glück über andere erhebet.« -Ich seufzte und sagte: »Ach, armselige Glückseligkeit! Herr, du bist -der allerelendeste Mensch in ganz Hanau.« - -»Wieso, wieso, du Kalb!« - -»Wann du nicht weißt oder empfindest, mit wieviel Sorgen und Unruhe du -als Gubernator beladen bist, so verblendet dich allzu große Begierde -der Ehre. Zwar hast du zu befehlen und wer dir unter Augen kommt, muß -dir gehorsamen, aber bist du nicht ihrer aller Knecht? Schaue, du -bist jetzt rund umher mit Feinden umgeben und die Konservation dieser -Festung liegt dir auf dem Hals. Bedörfte es nicht öfters, daß du -selber wie ein gemeiner Knecht Schildwacht stündest? Du mußt um Geld, -Munition, Proviant und, daß dein Volk im Posten erscheine, bedacht -sein und das ganze Land durch stetiges Exequieren und Tribulieren -in Kontribution erhalten. Schickest du die Deinigen zu solchem End -hinaus, so ist Rauben, Plündern, Stehlen, Brennen und Morden ihre beste -Arbeit. Sie haben erst neulich Orb geplündert, Braunfels eingenommen -und Staden in Asche gelegt. Davon haben sie sich zwar Beuten, du dir -aber eine schwere Verantwortung vor Gott gemacht. Und wirst du nicht -Ehr und Reichtum in der Welt lassen und nichts mit dir nehmen als die -Sünde, dadurch du selbige erworben hast? Du verschwendest der Armen -Schweiß und Blut, die jetzt gar verderben und Hungers sterben. Und -dafern anders etwas versäumet wird, das zur Erhaltung deiner Völker -und der Festung hätte observiert werden sollen, so kostet es deinen -Kopf. Sterbe ich jung, so bin ich der Mühseligkeit eines Zugochsens -überhoben, dir aber stellet man auf tausendfältige Weise nach und dein -ganzes Leben ist Sorge und Schlafbrechen, dann du mußt Freunde und -Feinde förchten umb deiner Reputation und deines Kommandos willen. Ich -geschweige, daß dich täglich deine brennenden Begierden quälen, wie du -dir einen noch größeren Namen und Ruhm zu machen, höher in Kriegsämtern -zu steigen, größeren Reichtum zu sammeln, dem Feind eine Tücke zu -beweisen, einen oder den andern Ort zu überrumpeln, ~in summa~ fast -alles tun solltest, was andere Leute schädigt, deine Seele verderbt -und der göttlichen Majestät mißfällt. Du aber lässest dich von deinen -Fuchsschwänzern verwöhnen, daß du dich selbst nicht mehr erkennst -und den gefährlichen Weg nicht siehest. Sie hetzen und jagen dich zu -anderer Leute Schaden, ihrem Beutel zu nutz.« - -»Du Bernheuter, wer lernet dich so predigen?« - -»Sage ich nicht wahr, daß du von deinen Ohrenbläsern und Daumendrehern -dergestalt verderbt seiest, daß dir bereits nicht mehr zu helfen ist? -Aber auch du entgehst dem Tadel nicht. Hast du nicht Exempel genug an -hohen Personen, so vor der Zeit gelebet? Die Lacedämonier schalten an -ihrem ~Lycurgo~, daß er allezeit gesenkten Hauptes daherging, die Römer -verargeten dem ~Scipioni~ das Schnarchen und es dünkte sie häßlich zu -sein, daß sich ~Pompeius~ nur mit einem Finger kratzte. Des ~Julii -Cäsaris~ spotteten sie, weil er den Gürtel nicht artig und lustig -antrug. Die Uticenser verleumdeten ihren ~Catonem~, weil es zu gierig -auf beiden Backen aß. Die Karthager redeten dem ~Hannibali~ übel nach, -weil er immerzu mit der Brust aufgedeckt und bloß daherging. Herr, ich -tausche mit keinem, der vielleicht neben zwölf Fuchsschwänzern und -Schmarotzern tausend so heimliche als öffentliche Feinde hat. Ich sehe -wohl, wie sauer du dirs mußt werden lassen und wieviel Beschwerden du -trägst. Und was wird endlich dein Lohn sein? Sage mir, lieber Herr, was -hast du davon? Wann dus nicht weißt, so laß dirs von dem griechischen -~Demosthenes~ sagen, den die Athener des Landes verwiesen und ins Elend -gejagt haben. Dem ~Sokrati~ ist mit Gift vergeben worden. ~Hannibal~ -hat elendiglich, in der Welt landflüchtig herumschweifen müssen. -~Lykurg~ ward gesteiniget. ~Solo~ wurde verbrannt, nachdem ihm ein Aug -ausgestochen ward. Darum behalte du dein Kommando samt seinem Lohn. -Dann wann alles wohl mit dir abgehet, so bringst du aufs wenigste ein -böses Gewissen davon.« - - - - -Das sechste Kapitel - - -Und währendem meinem Diskurs sahe mich jedermann verwundert an. Mein -Herr aber sagte: - -»Ich weiß nicht, was ich an dir habe. Du bedünkest mich vor ein Kalb -viel zu verständig zu sein. Ich vermeine schier, du seiest unter deiner -Kalbshaut mit einer Schalkshaut überzogen.« - -Ich stellete mich zornig und rief: »Vermeinet ihr Menschen dann wohl, -wir Tiere seien gar Narren? Das dörft ihr euch wohl nicht einbilden. -Ältere Tiere möchten euch anderst aufschneiden, so sie reden könnten -als ich. Saget mir doch, wer die wilden Waldtauben, Häher, Amseln und -Rebhühner gelehret hat sich mit Lorbeerblättern zu purgieren und die -Turteltäublein und Hühner mit St. Peterskraut? Wer lehret Hunde und -Katzen das betaute Gras fressen, wann sie ihren vollen Bauch reinigen -wollen? Wer den angeschossenen Hirsch seine Zuflucht zur wilden Poley -nehmen? Wer hat das Wieselin unterrichtet, daß es Raute gebrauchen -solle, wann es mit der Feldmaus oder irgendeiner Schlange kämpfen will? -Wer gibt den wilden Schweinen Efeu und den Bären Alraun vor Arznei zu -erkennen? Wer unterweiset die Schwalbe, daß sie ihrer Jungen blöde -Augen mit dem Chelidonio arzneien soll? Wer instruieret die Schlange, -daß sie Fenchel esse, wann sie ihre Haut abstreifen will? Schier dorfte -ich sagen, daß ihr eure Künste und Wissenschaften von uns Tieren -erlernet habt. Aber ihr freßt und sauft euch krank und tot, das tun wir -Tiere nicht. Ein Löw oder Wolf, wann er zu fett werden will, so fastet -er, bis er frisch und gesund wird. Wer aber sagt den Sommervögeln, -wann sie im Frühjahr zu uns kommen, Junge hecken und im Herbste wieder -von dannen in warme Länder ziehen sollen? Leihet ihr Menschen ihnen -vielleicht eueren Kalender oder Seekompaß? Beschauet die mühsame -Spinne, deren Geweb beinahe ein Wunderwerk ist. Sehet ob ihr auch einen -einzigen Knopf in aller ihrer Arbeit finden möget. Welcher Jäger hat -sie gelehrt, das Wildpret zu belaustern? Die alten Philosophi haben -solches ernstlich erwogen und sich nicht geschämet zu fragen und zu -disputieren, ob die Tiere nicht auch Verstand hätten. Gehet hin zu den -Immen und sehet, wie sie Wachs und Honig machen, und alsdann saget mir -euer Meinung wieder.« - -Hierauf fielen unterschiedliche Urteile über mich. Der ~Secretarius~ -hielt davor, ich sei närrisch, weil ich mich selbsten vor ein -unvernünftig Tier schätze, maßen diejenigen, so einen Sparen zu viel -oder zu wenig hätten und sich jedoch weise zu sein dünkten, die aller -artlichsten und visierlichsten Narren wären. Andere sagten, wann man -mir die Imagination benehme, daß ich ein Kalb sei, so würde ich vor -vernünftig und witzig gelten müssen. - -Mein Herr sagte: »Er ist ein Narr, weil er jedem ungescheut die -Wahrheit sagt, hingegen stehen seine klugen Diskursen keinem Narren zu.« - -Solches redeten sie auf latein, damit ich's nicht verstehen sollte. - -Der tolle Fähnrich aber schloß: »Wat wolts met deesem Kerl sin, hei -hett den Tüfel in Liff, hei ist beseeten. De Tüfel, de kühret ut jehme!« - -Dahero nahm mein Herr Ursache, mich zu fragen, sintemal ich dann -nunmehr zu einem Kalb worden wäre, ob ich noch wie vor diesem, gleich -andern Menschen zu beten pflege und in Himmel zu kommen getraue. - -»Freilich,« antwortete ich, »ich habe ja meine unsterbliche menschliche -Seele noch, die wird ja, wie du leicht gedenken kannst, nicht in die -Hölle begehren, vornehmlich weil mir's schon einmal so übel darin -ergangen. Ich bin verändert wie vordem Nabuchodonosor und dörfte ich -noch wohl zu einer Zeit wieder zu einem Menschen werden.« - -»Das wünsche ich dir,« sagte mein Herr mit einem ziemlichen Seufzen. -Daraus ich leichtlich schließen konnte, daß ihm eine Reue ankommen. -»Aber laß hören, wie pflegst du zu beten?« - -Darauf kniete ich nieder, hub Augen und Hände auf gut einsiedlerisch -zum Himmel, und weilen mich meines Herren Reue mit Trost berührte, -konnte ich mich der Tränen nicht enthalten. Betete also mit größter -Andacht das Vaterunser und bat weiters vor meine Freunde und Feinde -und, daß mich Gott in dieser Zeitlichkeit also leben lasse, daß ich der -ewigen Seligkeit würdig werde. Mein Einsiedel hatte mich ein solches -Gebet mit andächtig concipierten Worten gelehret. Hievon etliche -weichherzige Zuseher auch beinahe zu weinen anfingen, ja meinem Herren -selbst stunden die Augen voll Wasser. - -Alsbald schickte mein Herr zum Pfarrer, dem erzählte er alles, daß er -besorge, es gehe nicht recht mit mir zu, und daß vielleicht der Teufel -mit unter der Decke läge. Der Pfarrer aber, dem meine Beschaffenheit am -besten bekannt war, meinte, man sollte solches bedacht haben, eh man -mich zum Narren zu machen unterstanden hätte, Menschen seien Ebenbilder -Gottes, mit welchen nicht wie mit Bestien zu scherzen sei. Doch glaube -er nicht an ein Spiel des Bösen, dieweil ich jederzeit inbrünstig zu -Gott bete. Sollte aber solches wider Verhoffen zugelassen werden, so -hätte man es bei Gott schwer zu verantworten, maßen es keine schwerere -Sünde gibt, als einen Menschen der Vernunft zu berauben. Er wisse -aber, daß ich auch hiebevor Witz genug gehabt, mich aber in diese -Welt nicht habe schicken können. Hätte man sich ein wenig geduldet, -so würde ich mich mit der Zeit besser angelassen haben. »Wann man ihm -nur die Einbildung nehmen kann, daß er nicht mehr glaubet, er sei ein -Kalb! Ich habe selbsten einen kranken Baur in meiner Pfarr gehabt, -der klagte mir, daß er auf vier Ohm Wasser im Leib hätte, ich sollet -ihn aufschneiden oder ihn in Rauch hängen lassen, damit dasselbe -herauströckne. Darauf sprach ich ihm zu und überredete ihn, es könne -das Wasser auf eine andere Weise von ihm gebracht werden. Nahm demnach -einen Weinhahn, daran ich einen Darm steckte, das ander End des Darms -band ich an das Spuntloch eines Wasserzubers. Darauf stellet ich mich, -als wann ich ihm den Hahn in den Bauch steckte, welchen er überall mit -Lumpen umwickelt hatte, damit er nicht zerspringen sollte. Ich ließ das -Wasser durch den Hahn hinweglaufen, darüber sich der Tropf herzlich -erfreuete. Er tät nach solcher Verrichtung die Lumpen von sich und -kam in wenigen Tagen wieder allerdings zurecht. Also kann dem guten -~Simplicio~ auch wieder geholfen werden.« - -»Dieses alles glaube ich wohl,« sagte mein Herr, »allein es liegt mir -an, daß er zuvor so unwissend gewesen, nun aber ein jeder sein Reden -vor ein Orakul oder Warnung Gottes halten muß.« - -»Herr,« sagte der Pfarrer, »dieses kann natürlicher Weise wohl sein, -doch weiß ich, daß er belesen ist, maßen er sowohl als sein Einsiedel -alle meine Bücher durchgangen hat. Obgleich er nun seiner eigenen -Person vergißt, kann er dannoch hervorbringen, was er hiebevor ins -Gehirn gefaßt hat.« - -Also satzte der Pfarrer den Gubernator zwischen Forcht und Hoffnung, -das brachte mir gute Tage und ihm einen Zutritt bei meinem Herrn, so -daß er ihn endlich bei der Guarnison zum Kaplan machte. - -Von dieser Zeit besaß ich meines Herrn Gnade, Gunst und Liebe -vollkömmlich, nichts manglete mir zu meinem besseren Glück, als daß -ich an einem Kalbskleid zu viel und an Jahren noch zu wenig hatte. So -wollte mich der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihm solches -noch nicht Zeit und seinem Nutzen verträglich zu sein bedünkte. - -Demnach aber mein Herr sahe, daß ich Lust zur Musik hatte, ließ er -mich solche lernen und verdingte mich zugleich einem vortrefflichen -Lautenisten, dessen Kunst ich in Bälde ziemlich begriff und ihn um -soviel übertraf, weil ich besser singen konnte. Also dienet ich meinem -Herrn zur Lust, Kurzweile, Ergetzung und Verwunderung. Alle Offizierer -erzeugten mir ihren geneigten Willen, die reichsten Bürger verehreten -mich, Hausgesind und Soldaten wollten mir wohl. Einer schenkte mir -hier, der andere dort, daß ich sie nicht verfuchsschwänzen sollte. Ich -brachte ziemlich Geld zu Wege, welches ich mehrenteils dem Pfarrer -zusteckte. Ich wuchs auf wie ein Narr in Zwiebelland und meine -Leibskräfte nahmen handgreiflich zu. Man sahe mir in Bälde an, daß -ich nicht mehr im Wald mit Wasser, Eicheln, Bucheckern, Wurzeln und -Kräutern mortifizierte, sondern daß mir bei guten Bissen der rheinische -Wein und das hanauische Doppelbier wohl zuschlug. Mein Herr gedachte -mich nach beendeter Belagerung dem Kardinal Richelieu oder Herzog -Bernhard von Weimar zu schenken, dann ohn daß er hoffte, einen großen -Dank mit mir zu verdienen, gab er auch vor, daß mein Anblick ihm schier -unmöglich länger zu ertragen, weil ich seiner Schwester je länger, je -ähnlicher wurde und dies im Narrenhabit. - -Der Pfarrer widerriet, dann er hielt davor, die Zeit wäre gekommen, -in welcher er ein Mirakul tun und mich vernünftig machen wollte. -Es sollten andere Knaben in gleichen Kalbsfellen und mit denselben -Zeremonien von einer Person in Gestalt eines Arztes, Propheten oder -Landfahrers aus Tieren zu Menschen gemacht werden. Der Gouverneur ließ -sich solchen Vorschlag belieben, mir aber communicierte der Pfarrer, -was er mit meinem Herrn abgeredet hätte. - -Aber das neidische Glück wollte mich so leichtlich nicht meines -Narrenkleides erledigen. Indem die Komödia noch in Händen der Schneider -und Gerber lag, terminierte ich mit etlichen andern Knaben vor der -Festung auf dem Eise herum, da überfiel uns eine Partei Kroaten; die -satzten uns auf gestohlene Baurenpferd und führeten uns davon. - - - - -Das siebente Kapitel - - -Obzwar nun die Hanauer gleich Lärm schlugen, sich zu Pferd heraus -ließen, so mochten sie doch denen Kroaten nichts abgewinnen. Diese -leichte Ware ging sehr vorteilhaftig durch und nahm ihren Weg auf -Büdingen zu, allwo sie fütterten und den Bürgern daselbst die -gefangenen hanauischen reichen Söhnlein wieder zu lösen gaben, auch -ihre gestohlenen Pferde und andere Beute verkauften. Von dannen brachen -sie wieder auf und gingen schnell durch den Büdinger Wald auf Stift -Fulda zu. Sie nahmen unterwegs mit, was sie fortbringen konnten, das -Rauben und Plündern hinderte sie an ihrem schleunigen Fortzug im -geringsten nichts, dann sie konntens machen wie der Teufel, maßen -wir noch denselben Abend im Stift Hirschfeld, allwo sie ihr Quartier -hatten, mit einer großen Beute ankamen. Das ward alles partiert, ich -aber fiel dem Obristen Corpes zu. - -Bei diesem Herrn kam mir alles widerwärtig und fast spanisch vor. Die -hanauischen Schleckerbissen hatten sich in schwarzes Brot und mager -Rindfleisch verändert, Wein und Bier war mir zu Wasser geworden, so -schlief ich bei den Pferden. Anstatt Lautenschlagen mußte ich zu Zeiten -gleich andern Jungen untern Tisch kriechen, wie ein Hund heulen und -mich von Sporen stechen lassen. Vor das hanauische Herumterminieren -mußte ich Pferde striegeln. Mein Herr hatte kein Weib, keinen -Pagen, keinen Kammerdiener, keinen Koch, hingegen aber einen Haufen -Reutknechte und Jungen. Er schämete sich nicht, sein Roß zu satteln und -ihm Futter fürzuschütten. Er schlief auf der bloßen Erde und bedeckte -sich mit seinem Pelzrock, daher sahe man oft die Müllerflöhe auf seinen -Kleidern herumwandern, deren er sich im geringsten nicht schämete, -sondern noch darzu lachte, wann ihm jemand einen herablas. Er trug -kurze Haupthaar und einen Schweizerbart, welcher ihm wohl zustatten -kam, weil er zuweilen selbst auf Kundschaft ging. Von den Seinen und -andern, die ihn kannten, ward er geliebt, geehrt und geförchtet. - -Dies Leben schmäckte mir ganz nicht, dann wir waren niemals ruhig. -Mit den Burschen konnte ich nicht reden, mußte mich stoßen, plagen, -schlagen und jagen lassen. Die größte Kurzweil, die mein Obrister mit -mir hatte, war, daß ich ihm auf deutsch singen und eins vorblasen -mußte. Ich kriegte alsdann so dichte Ohrfeigen, daß der rote Saft -hernach ging. Zuletzt lernte ich das Kochen und meines Herrn Gewehr -sauber halten, darauf er viel hielt. Das schlug mir so vortrefflich zu, -daß ich endlich seine Gunst erwarb, maßen er mir ein neues Narrenkleid -aus Kalbsfellen mit viel größeren Eselsohren machen ließ. Ich trachtete -Tag und Nacht, wie ich mit guter Manier wieder ausreißen möchte, -vornehmlich weil ich den Frühling wieder erlanget hatte. - -Derhalben nahm ich mich an, die Schaf- und Kühkutteln, deren es voll um -unser Quartier lag, fern hinweg zu schleifen, damit sie keinen so üblen -Geruch machten. Solches ließ sich der Obrist gefallen. Zuletzt aber -blieb ich gar aus und entwischte in den nächsten Wald. - - - - -Das achte Kapitel - - -Allein ich war wenig Stunden von den Kroaten hinweg, so erhascheten -mich etliche Schnapphahnen, die mein närrisch Kleid in der finstern -Nacht nicht sahen und mich durch zween von ihnen an einen gewissen Ort -im Walde führen ließen. Als wir dort waren, wollte der eine Kerl kurzum -Geld von mir und legte Handschuh und Feuerrohr nieder, um mich zu -visitieren. Sobald er aber mein haarigs Kleid und die langen Eselsohren -an meiner Kappe begriff, davon helle Funken stoben, fuhr er vor Schröck -ineinander. Solches merkte ich gleich, derowegen striegelte ich mein -Kleid, daß es schimmerte, als wann ich inwendig voller brennenden -Schwefels gestocken wäre. Ich schrie ihn mit schröcklicher Stimme -an: »Ich bin der Teufel und will dir und deinem Gesellen die Hälse -abdrähen!« - -Da rannten alle beide durch Stöcke und Stauden, als wann sie -das höllische Feuer gejaget hätte. Ich aber lachte unterdessen -förchterlich, daß es im ganzen Wald erschallete. - -Als ich mich abwegs machen wollte, strauchelte ich über das Feuerrohr -und da ich weiterschritte, stieß ich auch an einen Knappsack, daran -unten eine Patronentasche, mit Pulver, Blei und Zugehör wohlversehen, -hing. Das nahm ich alles an mich, weil ich mit dem Geschoß umzugehen -bei den Kroaten wohl gelernet hatte, und verbarg mich unweit davon in -einem dicken Busch. - -Sobald der Tag anbrach kam die ganze Partei auf vorbenannten Platz -und suchte das verloren Feuerrohr samt Knappsack. Ich aber hielt mich -stiller als eine Maus. - -»Pfui, ihr feige Tropfen,« sagte einer, »daß ihr euch von einem einigen -Kerl erschröcken, verjagen und das Gewehr abnehmen lasset!« - -Jedoch der eine schwur, der Teufel solle ihn holen, wann es nicht der -Teufel selbst gewesen sei, er hätte die Hörner und seine rauhe Haut -wohl begriffen. Der Anführer antwortete: »Was meinest du wohl, daß der -Teufel mit deinem Ranzen und Feuerrohr machen wollte. Ich dörfte meinen -Hals verwetten, wo nicht der Kerl beide Stücke mit sich genommen!« - -Diesem hielt ein andrer Widerpart und sagte: es könne wohl auch sein, -daß seither etlich Bauren dagewesen wären. - -Zuletzt glaubten sie den grausamen Flüchen der beiden, so meine -funkelnde Haut gesehen hatten, daß es der Teufel gewesen sei, und -nahmen ihren Weg weiters. - -Ich aber machte den Ranzen auf zu frühstücken und langte mit dem ersten -Griff einen Säckel heraus, in welchen dreihundert und etliche sechzig -Dukaten waren. Viel mehr erfreuete mich aber, daß ich den Sack mit -Proviant wohl gefüllet befand. Also zehrete ich bei einem lustigen -Brünnlein fröhlich zu morgen. - -Solang mein Proviant währete, blieb ich im Wald, als aber mein Ranzen -leer worden, jagte mich der Hunger in die Baurenhäuser. Da kroch ich -bei Nacht in Keller und Küchen, nahm, was ich fand, und schleppte es -mit mir dahin, wo es am allerwildesten war. Noch stund der Sommer im -Anfang und ich konnte mit meinem Rohr Feuer machen. - -Unter währendem diesem Herumschweifen haben mich unterschiedliche -Baursleute angetroffen, die seind aber allezeit vor mir geflohen. Also -ward ruchbar, der böse Feind wandere wahrhaftig in selbiger Gegend -umher. Derowegen mußte ich sorgen, der Proviant möchte mir ausgehen. -Ich wollte wieder Wurzeln und Kreuter essen, deren war ich aber nicht -mehr gewohnt. - -Einsmals hörete ich zween Holzheuer. Ich ging dem Schlag nach, und als -ich sie sahe, nahm ich eine Handvoll Dukaten, schlich nahe zu ihnen, -zeigte ihnen das anziehende Geld und sagte: »Ihr Herren, wann ihr -meiner wartet, so will ich euch die Handvoll Gold schenken.« - -Aber sobald sie mich und das Gold sahen, gaben sie Fersengeld und -ließen Schlegel und Keil samt ihrem Käs- und Brotsack liegen. Den nahm -ich, verschlug mich in den Wald und verzweifelte schier, wieder einmal -unter Menschen zu kommen. - -Nach langem Hin- und Hersinnen gedachte ich meinen Schatz zu sichern, -derowegen machte ich mir aus meinen Eselsohren zwei Armbinden, -gesellete darein meine hanauischen zu den schnapphahnischen Dukaten und -arrestieret die Armbänder oberhalb den Ellbogen um meine Arme. Sodann -fuhr ich den Bauren wieder ein und holte von ihrem Vorrat, was ich -bedurfte und erschnappen konnte, jedoch so, daß ich niemals wieder an -denselbigen Ort kam. - -Als ich zu Ende Mai wieder in einen Baurenhof geschlichen war, kam ich -in die Küche, merkte aber bald, daß noch Leute auf waren. Blieb demnach -mausstill sitzen und wartete. Unterdessen nahm ich einen Spalt gewahr, -den das Küchenschälterlein hatte. Ich schlich hinzu und sahe anstatt -des Lichts eine schweflichte, blaue Flamme auf der Bank stehen, bei -welcher sie Stecken, Besen, Gabeln, Stühl und Bänke schmierten und nach -einander damit zum Fenster hinaus flogen. Ich wunderte mich schröcklich -und empfand großes Grauen, weil ich aber größerer Schröcklichkeiten -gewohnt war, verfügte ich mich, nachdem sie alle abgefahren, in die -Stube und bedachte, wo ich etwas finden sollte. Satzte mich in solchen -Gedanken auf eine Bank rittlings nieder. Ich war aber kaum aufgesessen, -da fuhr ich samt der Bank gleichsam augenblicklich zum Fenster hinaus -und ließ meinen Ranzen und Feuerrohr vor den Schmierlohn und die -künstliche Salben dahinter. - -Ich kam in einem Nu zu einer großen Schar Volkes, diese tanzten einen -wunderlichen Tanz, dergleichen ich mein Lebtag nie gesehen. Sie hatten -sich bei den Händen gefaßt und viel Ring ineinander gemacht mit -zusammengekehrten Rücken, also, daß sie die Angesichter hinauswarts -kehrten. Ein Ring tanzte um den andern links, der ander rechts herum -und würblete dermaßen, daß ich nicht sehen konnte, was sie in der Mitte -stehen hatten. Gleich seltsam war die Musik, welche eine wunderliche -~Harmoniam~ abgab. Meine Bank hatte mich bei den Spielleuten -niedergelassen. Die hatten anstatt Flöten, Zwerchpfeifen und Schalmeien -nichts anderes als Nattern, Vipern und Blindschleichen, darauf sie -lustig daherpfiffen. Etliche geigten auf Roßköpfen, andere schlugen -Harfe auf einem Kühgerippe, wie solche auf dem Wasen liegen. Einer -hatte eine Hündin am Arm, deren leierte er am Schwanz und fingerte an -den Dütten. Darunter trompeteten die Teufel durch die Nase, daß es im -ganzen Wald erschallete. Wie der Tanz bald aus war, fing die ganze -höllische Gesellschaft an zu rasen, zu rufen, zu rauschen, zu brausen, -zu wüten und zu toben, als ob sie alle toll wären. - -In diesem Lärmen kam ein Kerl auf mich dar und hatte eine ungeheuere -Krote unterm Arm, der waren die Därme ausgezogen und wieder zum Maul -hineingeschoppt. - -»Sieh hin, ~Simplici~, ich weiß du bist ein guter Lautenist, laß doch -ein Stückgen hören!« - -Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der Kerl mit meinem -Namen nannte. Ich sahe ihn mit seiner Krot steif an und er zog seinen -Nase aus und ein. Endlich stieß er mir vor die Brust, daß ich bald -davon erstickte, derowegen rief ich überlaut zu Gott. Im Hui war es -stockfinster und mir so förchterlich ums Herz, daß ich zu Boden fiel -und wohl hundert Kreuz vor mich machte. - - - - -Das neunte Kapitel - - -Demnach es etliche, und zwar vornehme, gelehrte Leute gibt, die nicht -glauben, daß Hexen und Unholden sein, als zweifele ich nicht, es werden -sich etliche finden, die sagen, ~Simplicius~ schneide hier mit dem -großen Messer auf. Mit denen begehre ich nicht zu fechten, dann weil -Aufschneiden jetziger Zeit fast das gemeinste Handwerk ist, als kann -ich nicht leugnen, daß ichs nicht auch könnte. - -Welche aber der Hexen Ausfahren leugnen, die sollen sich erinnern, -daß Simon, der Zauberer, welcher vom bösen Geist in die Luft erhoben -ward, auf ~St. Petri~ Gebet wieder heruntergefallen. Weiters ~Nicolaus -Remigius~, ein gelehrter und verständiger Mann, so im Herzogtum -Lothringen nicht nur ein halbes Dutzend Hexen hat verbrennen lassen, -erzählet von Johann von Hembach, daß ihn seine Mutter, die Hexe war, -im sechzehnten Jahr seines Alters mit auf ihre Versammlung genommen. -~Majolus~ setzet zwei Exempel: von einem Knecht, so sich an seine -Frau gehängt, und von einem Ehebrecher, so der Ehebrecherin Büchsen -genommen, sich mit deren Salbe geschmiert und also beide zu der -Zauberer Zusammenkunft kommen sein. So ist auch mehr als genugsam -bekannt, was Gestalt teils Weiber und ledige Dirnen in Böhmen ihre -Beischläfer des Nachts einen weiten Weg auf Böcken zu sich holen -lassen. Was ~Torquemadus~ in seinem ~Hexamerone~ erzählet, mag bei ihm -gelesen werden. Wie Doktor Faust neben noch andern mehr, die gleichwohl -keine Zauberer waren, durch die Luft gefahren, ist aus seiner Histori -genugsam bekannt. - -Mag einer nun meine Geschicht glauben oder nicht, es gilt mir gleich, -doch wer's nicht glauben will, der mag einen andern Weg erfinden, auf -welchen ich aus dem Stift Hirschfeld oder Fulda in so kurzer Zeit ins -Erzstift Magdeburg marschiert sei. - -Ich fange meine Histori wieder an und versichere den Leser, daß ich -auf dem Bauch liegen blieb, bis es allerdings heller Tag war, weil ich -nicht das Herz hatte, mich aufzurichten. Etliche Fouragierer weckten -mich auf und nahmen mich in das Läger vor Magdeburg, allda ich einem -Obristen zu Fuß zu teil ward. Dem erzählte ich alles haarklein und wie -ich von denen Kroaten entloffen wäre; von meinen Dukaten schwieg ich -still. Indessen sammlete sich ein Haufen Volks um mich, dann ein Narr -macht tausend Narren. Unter denselben war einer, so das vorige Jahr zu -Hanau gefangen gewesen. »Hoho,« rief er, »dies ist des Kommandanten -Kalb zu Hanau!« Der Obrist fragte ihn, der Kerl aber wußte nichts, -als daß ich wohl auf der Laute schlagen könnte, ~item~ daß mich die -Kroaten von des Obrist Corpes Regiment hinweggenommen hätten. Hierauf -schickte die Obristin zu einer andern Obristin, die auf der Lauten -spielen konnte, und ließ um ihre Lauten bitten. Solche ward mir -präsentiert mit Befehl, ich solle mich hören lassen. Ich aber meinte, -daß mein leerer Bauch nicht wohl mit dem dicken, wie die Laute einen -hatte, zusammenstimmen würde. Also bekam ich ziemlich zu kröpfen und -zugleich einen guten Trunk Zerbster Bier. Sodann ließ ich beides, die -Lauten und meine Stimme hören. Darunter redete ich allerlei, so daß ich -mit geringer Mühe die Leute dahin brachte, daß sie glaubten, ich wäre -von derjenigen Qualität, die meine Kleidung vorstellete. Der Obrist -fragte mich, wo ich weiters hinwollte, und da ich antwortete, daß es -mir gleich sei, so machte er mich zu seinem Hofjunker. Er wollte auch -wissen, wo meine Eselsohren wären. - -»Ja, wann du wüßtest, wo sie wären,« sagte ich, »so würden sie dir -nicht übel anstehen.« - -Ich ward in kurzer Zeit bei den meisten hohen Offizierern sowohl im -kur-sächsischen als im kaiserlichen Läger bekannt, sonderlich bei den -Frauenzimmern, welche meine Kappe, Ärmel und gestutzten Ohren überall -mit seidenen Banden zierten. Was mir aber an Geld geschenkt ward, das -verspendierte ich in Hamburger und Zerbster Bier an gute Gesellen. -Überall, wo ich nur hinkam, hatte ich genug zu schmarotzen. - -Als meinem Obristen aber eine eigene Laute vor mich überkam, dann er -gedachte ewig an mir zu haben, da dorft ich nicht mehr in den beiden -Lägern so hin und wieder schwärmen, sondern er stellete mir einen -Hofmeister dar, der mich beobachten und dem ich hingegen gehorsamen -sollte. Dieser war ein Mann nach meinem Herzen, still, verständig, -wohlgelehrt, von guter Konversation und was das gröbste gewesen, -überaus gottesförchtig. Er war vordem eines vornehmen Fürsten Rat -und Beamter, aber von den Schwedischen bis in Grund ruiniert worden. -Er ließ sich bei diesem Obristen vor einen Stallmeister gebrauchen, -indem sein einziger Sohn unter der kur-sächsischen Armee vor einen -Musterschreiber dienete. - -In der ersten Woche schon kam er mir hinter die Briefe und erkannte, -daß ich kein solcher Narr war, wie ich mich stellete, wie er dann vom -ersten Tag an aus meinem Angesicht ein anders geurteilet hatte, weil er -sich wohl auf ~Physiognomiam~ verstund. - -Ich erwachte einsmals um Mitternacht und machte über mein Leben und -seltsame Begegnüssen allerlei Gedanken, knieet neben den Bette nieder -und erzählete danksagungsweise alle Guttaten, die mir mein lieber -Gott erwiesen, und alle Gefahren, daraus er mich errettet. Weil mein -Hofmeister mehr alt als jung war und die ganze Nacht nicht durchgehend -schlafen konnte, hörete er alles, tät aber, als wenn er schliefe und -redete nicht mit mir im Zelt hievon, weil es zu dünne Wände hatte; -wollte auch meiner Unschuld versichert sein. - -Bei einer Gelegenheit fand er mich einsmals nach Wunsch an einem -einsamen Ort und sagte: - -»Lieber, guter Freund, ich weiß, daß du kein Narr bist, wie du -dich stellest, zumalen auch in diesem elenden Stand nicht zu leben -begehrest. Ich will womüglich mit Rat und Tat bedacht sein, wie dir -etwan zu helfen sein möchte, so du zu mir, als einem ehrlichen Mann, -dein Vertrauen setzen willst.« - -Hierauf fiel ich ihm um den Hals und erzeugete mich vor übriger Freude -nicht anders, als wann er ein Prophet gewesen wäre, mich von meiner -Narrenkappe zu erlösen. Nachdem wir auf die Erde gesessen, erzählete -ich ihm mein ganzes Leben. Er beschauete meine Hände und verwunderte -sich über beides: die verwichenen und künftigen seltsamen Zufälle, -so er aus meinen Händen las. Widerriet mir durchaus, daß ich mein -Narrenkleid ablegen sollte, dann er vermittelst ~Chiromantia~ sehe, daß -mir mein Fatum ein Gefängnis androhe unter Leibes- und Lebensgefahr. Er -wollte mein treuer Freund und Vater bleiben. - -Demnach stunden wir auf und kamen auf den Spielplatz, da man mit -Würfeln turnieret und alle Schwüre mit hundert und tausend Galeeren, -Rennschifflein, Tonnen und Städtgräben voll herausfluchte. Der Platz -war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln, überall mit Mänteln -überstreut und mit Tischen bestellt, die alle von Spielern umgeben -waren. Jede Gesellschaft hatte drei viereckichte Schelmenbeiner, denen -sie ihr Glück vertraueten. So hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen -Schunderer, dessen Amt war zu sehen, daß kein Unrecht geschähe. Die -liehen auch Mäntel, Tische und Würfel her und erschnappten gewöhnlich -das meiste Geld, doch blieb es ihnen nicht, dann sie verspieltens -gemeiniglich wieder oder bekams der Feldscherer, weil ihnen die Köpfe -oft gewaltig geflickt wurden. - -Alle vermeineten zu gewinnen, als hätten sie aus einer fremden Tasche -gesetzt, weil aber etlich trafen, etlich fehlten, so donnerten und -flucheten auch etlich und betrogen und wurden gesäbelt; war ein -Gelächter und Zähneaufeinanderbeißen. Etliche begehrten redliche -Würfel, andere führten unvermerkt falsche ein, die wieder andere -hinwegwurfen, mit den Zähnen zerbissen und darüber aus Zorn den -Schunderern die Mäntel zerrissen. Unter den falschen Würfeln befanden -sich Niederländer, die man schleifend rollen mußte, sie hatten spitze -Rücken, drauf sie Fünfer und Sechser trugen. Andere waren oberländisch, -denen mußte man die bayrische Höhe geben, wenn man sie werfen wollte. -Etliche waren aus Hirschhorn, oben leicht und unten schwer, andre -mit Quecksilber oder Blei, aber andere mit zerschnittenen Haaren, -Schwämmen, Spreu und Kohlen gefüttert. Etliche hatten spitze Ecken, -andern waren solche glatt hinweggeschliffen. Teils waren lange Kolben, -teils sahen sie aus wie Schildkrotten. Mit solchen Schelmbeinern -zwackten, laureten, stahlen sie einander ihr Geld ab. - -Mein Hofmeister sagte: »Dieses ist der allerärgste und abscheulichste -Ort im ganzen Läger. Wann einer nur den Fuß hierher setzet, so hat -er das zehende Gebot übertreten: du sollst deines nächsten Gut nicht -begehren. So du aber spielest und gewinnst, sonderlich durch Betrug -und falsche Würfel, so übertrittst du das siebend und achte Gebot. Ja, -es kann kommen, daß du auch zum Mörder wirst aus äußerster Not und -Desperation. Ein jeder auf diesem Platze ist in Gefahr, sein Geld und -auch sein Leib, Leben und gar seiner Seelen Seligkeit zu verlieren.« - -Ich fragte: »Liebster Herr, warum lassens dann die Vorgesetzten zu?« - -Er antwortete: »Ich will nicht sagen darum, dieweil teils Offizierer -selbst mitmachen, sondern es geschiehet, weils die Soldaten nicht -mehr lassen wollen, ja, auch nicht lassen können. Dann wer sich dem -Spielen einmal ergeben, der wird nach und nach, er gewinne oder -verspiele, so verpicht darauf, daß er's weniger lassen kann als den -natürlichen Schlaf. Man siehet etliche die ganze Nacht durch und durch -raßlen und vor das beste Essen und Trinken hineinspielen und sollten -sie auch ohn Hemd davongehen. Es ist zu unterschiedlichen Malen bei -Leib- und Lebensstrafe verboten und auf Befehl der Generalität durch -Rumormeister, Profosen, Henker und Steckenknechte mit gewaffneter Hand -offentlich und mit Gewalt verwehret worden, aber das half alles nichts. -Also daß man, der Heimlichkeit zu wehren, das Spielen wieder offentlich -erlauben und gar diesen eigenen Platz darzu widmen mußte, damit die -Hauptwacht bei der Hand wäre. Ich versichere dich, ~Simplici~, daß ich -willens bin, von dieser Materi ein ganz Buch zu schreiben, sobald ich -wieder bei den Meinigen zur Ruhe komme. Da will ich den Verlust der -edlen Zeit beschreiben, die man mit Spielen unnütz verbringet, nicht -weniger will ich die grausamen Flüche, mit welchen man Gott lästert, -und die Scheltworte erzählen, mit denen einer den andern antastet, -viel schröckliche Exempel und Historien einbringen, die sich bei, -mit und in dem Spielen zutragen. Und will nicht vergessen der Duell -und Totschläge, des Geizes, Zorns, Neides, Eifers, der Falschheit, -des Betrugs und Diebstahls und beides: der Würfel- und Kartenspieler -unsinnige Torheiten mit ihren lebendigen Farben abmalen und vor -Augen stellen, daß jeder Leser ein solch Abscheuen vor dem Spielen -gewinnen soll, als wann er Säumilch gesoffen hätte, welche man den -Spielsüchtigen wider solche ihre Krankheit unwissend eingibt.« - - - - -Das zehent Kapitel - - -Mein Hofmeister ward mir je länger, je holder und ich hingegen wieder -ihm, doch hielten wir unsere Verträulichkeit sehr geheim. Ich agierte -zwar den Narren, brachte aber keine grobe Zotten und Büffelpossen vor, -so daß meine Gaben zwar vielfältig genug, aber jedoch mehr sinnreich -als närrisch fielen. - -So gab mir auch meines Herren Schreiber, ein arger Gast und -durchtriebener Schalk, viel Materi an die Hand, dadurch ich auf dem -Wege, den die Narren zu wandeln pflegen, unterhalten ward, indem mich -der Speivogel zu Torheiten überredete, die ich dann nicht allein vor -mich selbsten glaubte, sondern auch anderen mitteilte. - -Als ich ihn einsmals fragte, was unseres Regiments Kaplan vor einer -sei, sagte er: - -»Er ist der Herr ~Dicis-et-non-facis~, das ist auf deutsch soviel als -ein Kerl, der andern Leuten Weiber gibet und selbst keine nimmt. Er -ist den Dieben spinnefeind, weil sie nicht sagen, was sie tun, er aber -hingegen saget, was er nicht tut. Hingegen sein die Diebe ihm auch -nicht gar so hold, weil sie gemeiniglich gehenkt werden, wann sie mit -ihm in Umgang kommen.« - -Da ich nachgehends den guten ehrlichen Pater so nannte, ward er -ausgelacht, ich aber selber gebaumölt. - -Ferner überredete er mich, es kämen von den Soldaten keine tapferen -Helden in den Himmel, sondern bloß einfältige Tropfen, Bernheuter -und dergleichen, die sich an ihrem Sold genügen ließen; auch keine -politischen Alamode-Kavaliers und galante Dames, sondern nur geduldige -Job, Siemänner, langweilige Mönche, melancholische Pfaffen, -Betschwestern und allerhand Auswürflinge, die der Welt weder zu sieden -noch zu braten taugen. Er überredete mich auch, daß man zu Zeiten mit -göldenen Kugeln schieße und je kostbarer solche wären, je größeren -Schaden pflegten sie zu tun. Ja, man führet wohl eh ganze Kriegsheere -mitsamt der Artollerei, Munition und Bagage in göldenen Ketten gefangen -daher. Weiters beschwatzete er mich von den Weibern, daß mehr als der -halbe Teil Hosen trügen, obschon man sie nicht sähe, und daß vielen -ihrer Männer Hörner auf den Köpfen gaukelten, als solche ehmals Aktäon -getragen, obschon die Weiber keine Dianen wären. Welches ich ihm alles -glaubte, so ein dummer Narr war ich. - -Hingegen brachte mich mein Hofmeister in Kundschaft seines Sohns, -der, wie hiebevor gemeldet, bei der kur-sächsischen Armee ein -Musterschreiber war. Den mochte mein Obrister gern leiden und -war bedacht, ihn von seinem Kapitän loszuhandeln und zu seinem -Regimentssekretär zu machen. Mit ihm, welcher wie sein Vater Ulrich -Herzbruder hieß, machte ich Freundschaft, so daß wir ewige Brüderschaft -zusammen schwuren, kraft deren wir einander in Glück und Unglück, in -Liebe und Leid nimmermehr verlassen wollten. Nichts lag uns härter -an, als wie wir meines Narrenkleides mit Ehren loswerden und einander -rechtschaffen dienen könnten. Allein der alte Herzbruder verwarnte -uns: Wann ich in kurzer Zeit meinen Stand ändere, daß mir solches -ein schweres Gefängnis und Leib- und Lebensgefahr gebären würde. Und -gleicherweise prognostizierte er sich selbst und seinem Sohn einen -großen bevorstehenden Spott. - -Kurz nachher merkte ich, daß meines Obristen Schreiber meinen neuen -Bruder schröcklich neidete, weil er vor ihm zu der Sekretariatsstelle -erhoben werden wollte. Ich sahe, wie er zu Zeiten griesgramete, wie ihn -die Mißgunst bedrängte und er in schweren Gedanken allezeit seufzete, -wann der den alten oder den jungen Herzbruder ansahe. Ich kommunizierte -meinem Bruder beides aus getreuer Affektion und tragender Schuldigkeit, -damit er sich vor dem Judas vorsehe. -- - -Weil es nun Gebrauch im Krieg ist, daß man alte versuchte Soldaten -zu Profosen machet, so hatten wir bei uns einen abgefeumten Erzvogel -und Kernbösewicht, der mehr als vonnöten erfahren war. Ein rechter -Schwarzkünstler, Siebdreher und Teufelsbanner, war er und von sich -selbsten nicht allein so fest als Stahl, sondern ein solcher Geselle, -der andere fest machen und noch darzu ganze Esquadronen Reuter ins Feld -stellen konnte. So gab es Leute, die gern mit diesem Wendenschimpf -umgingen, sonderlich Olivier unser Schreiber, um so mehr, als sich -dessen Neid gegen den jungen Herzbruder vermehrete. - -Eben damals ward meine Obristin mit einem jungen Sohn erfreuet und -die Taufsuppe fast fürstlich dargereicht. Der junge Herzbruder -war aufzuwarten ersuchet worden und weil er sich aus Höflichkeit -einstellte, schiene solches dem Olivier die erwünschte Gelegenheit. -Dann, als nun alles vorüber war, manglete meines Obristen großer -vergöldter Becher, welcher noch vorhanden gewesen, da alle fremden -Gäste schon hinweg waren. Hierauf ward der Profos geholt, in der Sache -Rat zu schaffen und das Werk so einzurichten, daß nur dem Obristen -kund wurde, wer der Dieb war, weil noch Offizierer von seinem Regiment -vorhanden, die er nicht gern zu Schanden machen wollte, wann sich -vielleicht einer davon versehen hätte. - -Weil sich nun jeder unschuldig wußte, so kamen wir alle lustig in des -Obristen Zelt. Als der Zauberer aber etliche Worte gemurmelt hatte, -sprangen dem einen von uns hier, dem andern dort ein, zwei, drei, auch -mehr Hündlein aus den Hosensäcken, Ärmeln, Stiefeln, Hosenschlitzen, -diese wusselten behend im Zelt hin und wieder herum, daß es ein recht -lustig Spektakul war. Mir aber wurden meine kroatischen Kälberhosen, so -voller junge Hunde gegaukelt, daß ich solche ausziehen, und weil mein -Hemd vorlängst im Walde am Leib verfaulet war, nackend dastehen mußte. -Zuletzt sprang den jungen Herzbruder ein Hündlein mit göldenem Halsband -aus dem Hosenschlitz und das verschlang alle andern Hündlein, ward aber -selbsten je länger, je kleiner, das Halsband nur desto größer, bis es -sich endlich gar in des Obristen Tischbecher verwandelte. - -Da sagte der Obrist zu meinem Herzbruder: - -»Siehe, du undankbarer Gast, ich habe dich zu meinem ~Secretario~ des -morgenden Tages machen wollen. Nun aber hast du mit diesen Diebsstücken -verdient, daß ich dich noch heut aufhängen ließe. Das auch unfehlbar -geschehen sollte, wann ich deinen ehrlichen, alten Vater nicht -verschonete. Geschwind, pack dich aus meinem Läger!« - -Mein junger Herzbruder ward nicht gehört. Indem er fortging, ward dem -guten alten Herzbruder ganz ohnmächtig, daß man genug an ihm zu laben -und der Obrist selbst an ihm zu trösten hatte. - -Sobald des jungen Herzbruders Kapitän diese Geschichte erfuhr, nahm er -ihm die Musterschreiberstelle und lud ihm eine Picke auf, von welcher -Zeit an er bei männiglich so verachtet ward, daß er sich oft den Tod -wünschete. Sein Vater aber bekümmerte sich dergestalt, daß er in eine -schwere Krankheit fiel und sich auf das Sterben gefaßt machte. Demnach -er sich ohndas prognostizieret, daß er den 26. ~Julii~ Leib- und -Lebensgefahr ausstehen müsse, verlangte er von dem Obristen, daß sein -Sohn noch einmal zu ihm kommen dörfte. Ich ward der dritte Mitgesell -ihres Leides. Da sahe ich, daß der Sohn keiner Entschuldigung bedörftig -gegen seinen Vater, der als weiser, tiefsinniger Mann unschwer ermaß, -daß Olivier seinem Sohn hatte das Bad durch den Profosen zurichten -lassen. Aber was vermochte er gegen den Zauberer! Überdies versahe -er sich des Todes und wußte doch nicht geruhiglich zu sterben, weil -er seinen Sohn in solcher Schande hinter sich lassen sollte. Es war, -versichert, dieser beiden Jammer so erbärmlich anzuschauen, daß ich -vom Herzen weinen mußte. Zuletzt beschlossen sie, Gott ihre Sache in -Geduld heimzustellen und auf Mittel zu gedenken, wie sich der junge -Herzbruder von seiner Kompagnia loswürken und anderwärts sein Glück -suchen könnte. Da mangelte es aber am Gelde und ich gedachte meiner -gespickten Eselsohren, fragte derowegen, wieviel sie zu ihrer Notdurft -haben mußten. Der junge Herzbruder meinte, mit hundert Talern aus -seinen Nöten zu kommen. Ich rief: »Hab' ein gut Herz, Bruder, ich will -dir hundert Dukaten geben!« -- »Bist du ein rechter Narr und scherzest -in unserer äußersten Trübseligkeit?« - -Ich streifete mein Wams ab und melkete aus dem einen Eselsohr hundert -Dukaten, das Übrige behielt ich und sagte: »Hiemit will ich deinem -kranken Vater aufwarten.« - -Da fielen sie mir um den Hals, küßten mich und wußten vor Freuden -nicht, was sie taten, wollten mir auch eine Handschrift zustellen, daß -sie mich um diese ~Summam~ samt dem Interesse hinwiederum mit großem -Dank befriedigen wollten, so ich aber nicht annahm, sondern mich in -ihre beständige Freundschaft befahl. - -Hierauf wollte der junge Herzbruder verschwören, sich an dem Olivier zu -rächen oder darum zu sterben. Aber sein Vater verbot ihm solches und -versicherte ihn, daß derjenige, der den Olivier totschlüge, wiederum -vom ~Simplicio~ den Rest kriegen werde. »Doch,« sagte er, »ich bin -dessen wohl vergewissert, daß ihr beide einander nicht umbringen -werdet, weil keiner von euch durch Waffen umkommen soll.« - -Der junge Herzbruder entledigte sich mit dreißig Talern, daß ihm sein -Kapitän einen ehrlichen Abschied gab, verfügte sich mit dem übrigen -Geld und guter Gelegenheit nach Hamburg, montierte sich allda mit zwei -Pferden und ließ sich unter der schwedischen Armee vor einen Freireuter -gebrauchen. - - - - -Das elfte Kapitel - - -Keiner schickte sich besser, dem alten Herzbruder abzuwarten, als ich, -so ward mir auch solches Amt von dem Obristen aufgetragen. Es besserte -sich von Tag zu Tag mit ihm, also daß er noch vor dem 26. ~Julii~ fast -wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte. Doch wollte er sich -noch inhalten und krank stellen, bis vermeldter Tag, vor welchem er -sich merklich entsatzte, vorbei wäre. - -Indessen besuchten ihn allerhand Offizierer von beiden Armeen, die -ihr künftig Glück von ihm wissen wollten, dann weil er ein guter -~Mathematicus~ und Nativitätensteller, benebens auch ein vortrefflicher -~Physiognomist~ und ~Chiromanticus~ war, ging seine Aussag selten -fehl. Er nannte sogar den Tag, an welchem die Schlacht vor Wittstock -nachgehends geschahe, sintemal ihm viel zukamen, denen um dieselbige -Zeit, einen gewalttätigen Tod zu erleiden, angedroht war. - -Dem falschen Olivier, der sich gar däppisch bei ihm zu machen wußte, -sagte er ausdrücklich, daß er eines gewalttätigen Todes sterben müsse, -und daß ich seinen Tod rächen werde, weswegen mich Olivier folgender -Zeit hochhielt. Auch mein zukünftiges Leben erzählete er mir, welches -ich aber wenig achtete. - -Als nun der 26. ~Julii~ eingetreten war, vermahnete er mich und einen -Fourierschützen, den mir der Obrist auf sein Begehren denselben Tag -zugegeben hatte, ganz treulich, wir sollten niemand zu ihm ins Zelt -lassen. Er lag allein darin und betete. Da es aber Nachmittag ward, -kam ein Leutenant aus dem Reuterläger dahergeritten, welcher nach des -Obristen Stallmeister fragte. Er ward zu uns und gleich darauf wieder -von uns abgewiesen. Er wollte sich aber nicht abweisen lassen, sondern -bat den Fourierschützen mit untergemischten Verheißungen, ihn vor den -Stallmeister zu lassen, als mit welchem er noch diesen Abend notwendig -reden müßte. Weil aber solches auch nicht helfen wollte, fing er an -zu fluchen, mit Donner und Hagel dreinzukollern und zu sagen, er sei -schon so vielmal dem Stallmeister zu Gefallen geritten und hätte ihn -noch niemals daheim angetroffen, so er nun jetzt einmal vorhanden sei, -so sollte er abermal die Ehre nicht haben, nur ein einzig Wort mit -ihm zu reden? Stieg darauf ab, ließ sich nicht verwehren, das Zelt -selbst aufzuknüpfen, worüber ich ihm in die Hand biß und eine dichte -Maulschelle davor bekam. - -Sobald er meinen Alten sahe, sagte er: - -»Der Herr sei gebeten, mir zu verzeihen, daß ich die Frechheit -gebrauche, ein Wort mit ihm zu reden.« - -»Wohl,« antwortete der Stallmeister, »was beliebt dann dem Herrn?« - -»Nichts anders,« sagte der Leutenant, »als daß ich den Herrn bitten -wollte, ob er sich ließe belieben, mir meine Nativität zu stellen.« - -Der Stallmeister entgegnete: »Ich will verhoffen, mein hochgeehrter -Herr werde mir vergeben, daß ich demselben vor diesmal meiner Krankheit -halber nicht willfahren kann. Weil diese Arbeit viel Rechnens brauchet, -wirds mein blöder Kopf jetzo nicht verrichten können. Wann er sich aber -bis morgen zu gedulden beliebet, will ich ihm verhoffentlich genugsame -~Satisfaction~ tun.« - -»Herr,« sagte hierauf der Leutenant, »Er sage mir nur etwas dieweil aus -der Hand.« - -»Mein Herr,« antwortete der alte Herzbruder, »dieselbe Kunst ist gar -mißlich und betrüglich, derowegen bitte ich, der Herr wolle mich damit -soweit verschonen, ich will morgen hergegen alles gern tun, was der -Herr von mir begehret.« - -Der Leutenant wollte sich doch nicht abweisen lassen, sondern trat -meinem Vater vors Bette, streckte ihm die Hand dar und sagte: - -»Herr, ich bitte nur um ein paar Worte, meines Lebens Ende betreffend -mit Versicherung, wann solches etwas Böses sein sollte, daß ich des -Herren Rede als eine Warnung von Gott annehmen will, um mich desto -besser vorzusehen. Darum bitte ich um Gottes willen, der Herr wolle mir -die Wahrheit nicht verschweigen!« - -Der redliche Alte antwortete ihm hierauf kurz und sagte: »Nun wohlan, -so sehe sich der Herr dann wohl vor, damit er nicht in dieser Stunde -noch aufgehängt werde.« - -»Was, du alter Schelm,« schrie der Leutenant, »solltest du einen -Kavalier solche Worte vorhalten dörfen!« Zog damit vom Leder und stach -meinen lieben alten Herzbruder im Bette zu Tode. - -Ich und der Fourierschütz riefen alsbald Lärmen und Mordio, also daß -alles dem Gewehr zulief. Der Leutenant aber machte sich unverweilet auf -seinen Schnellfuß und wäre auch ohn Zweifel entritten, wann nicht eben -persönlich der Kurfürst von Sachsen mit vielen Pferden vorbei gekommen -wäre und ihn hätte einholen lassen. Als derselbe den Handel vernahm, -wandte er sich zu dem von Hatzfeld, als unserm General, und sagte -nichts andres als dieses: - -»Das wäre eine schlechte ~Disciplin~ in einem kaiserlichen Läger, wann -auch ein Kranker im Bette vor den Mördern seines Lebens nicht sicher -sein sollte!« - -Das war ein scharfer Sentenz und genugsam, den Leutenant um das Leben -zu bringen, gestalt ihn unser General alsbald an seinem allerbesten -Hals aufhängen ließ. - -Aus dieser wahrhaftigen Histori ist zu sehen, daß nicht sogleich alle -Wahrsagungen zu verwerfen sein, wie etliche Gecken tun, die gar nichts -glauben können. Allein ich habe oft gewünscht und wünsche es noch, daß -mein lieber alter Herzbruder zu mir geschwiegen hätte. Dann der Mensch -kann sein vorausgesetztes Ziel schwerlich überschreiten, also auch ich -die unglücklichen Fälle, so er mir angezeiget, habe niemals umgehen -können. Was half mir, daß der alte Herzbruder hoch und teuer schwur, -ich wäre von edlen Eltern geboren und erzogen worden, da ich doch von -niemand anders wußte, als von meinen Knän und meiner Meuder! ~Item~ was -halfs dem Wallenstein, Herzog von Friedland, daß ihm profezeit ward, -er werde gleichsam mit Saitenspiel zum König gekrönt werden. Weiß man -nicht, wie er zu Eger ist eingewieget worden? - - - - -Das zwölfte Kapitel - - -Meine beiden Herzbrüder hatte ich verloren, das ganze Läger vor -Magdeburg war mir verleidet, ich ward meines Standes so müd und satt, -als wann ich's mit lauter eisernen Kochkesseln gefressen hätte. - -Olivier, der ~Secretarius~, welcher nach des alten Herzbruders Tod mein -Hofmeister geworden war, erlaubte mir oft mit den Knechten auf Fourage -zu reuten. Als wir nun einsmals in ein großes Dorf kamen, darin etliche -den Reutern zuständige Bagage logierte, und jeder hin und wider in die -Häuser ging, zu suchen, was etwan mitzunehmen wäre, stahl ich mich auch -hinweg und suchte, ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden möchte. -Aber ich mußte mit einem Weiberkleid vorlieb nehmen, zog es an und warf -den Narrenhabit in ein ~Secret~. In diesem Aufzuge ging ich über die -Gasse etlichen Offiziersweibern entgegen und machte enge Schrittlein. -Ich war aber kaum außer Dach, da mich etliche Fouragierer sahen und -besser springen lehrten. Sie schrieen: Halt! Halt! -- ich lief zu den -obgemeldten Offiziererinnen, vor denselben fiel ich auf die Knie und -bat, meine Jungfernschaft vor diesen geilen Buben zu schützen. Da ward -ich von einer Rittmeisterin vor eine Magd angenommen, bei welcher ich -mich auch beholfen, bis Magdeburg von den unseren eingenommen ward. - -Die Rittmeisterin war kein Kind mehr, wiewohl sie noch jung war, -und vernarrete sich dermaßen in meinen glatten Spiegel und geraden -Leib, daß sie mir endlich nach lang gehabter Mühe und vergeblicher, -umschweifender Weitläufigkeit nur allzu deutsch zu verstehen gab, -wo sie der Schuh am meisten drucke. Ich aber, damals noch viel zu -gewissenhaft, tät, als wann ichs nicht merkte und ließ keine anderen -Anreizungen erscheinen, als solche daraus man eine fromme Jungfer -urteilen mochte. Der Rittmeister und sein Knecht lagen an derselben -Kränke wie die Rittmeisterin, dahero befahl er seinem Weibe, sie sollte -mich besser kleiden, damit sie sich meines garstigen Baurenkittels -nicht schämen dörfte. Sie tät mehr, als ihr befohlen war, und putzte -mich heraus wie eine franzsche Poppe, welches das Feuer bei allen -dreien noch mehr schürete. Ja, es ward endlich bei ihnen so groß, daß -Herr und Knecht eifrigst von mir begehreten, was ich ihnen nit leisten -konnte und der Frau selbst mit einer schönen Manier verweigerte. Und -weil die Rittmeisterin mich noch endlich zu überwinden verhoffte, -verlegte sie dem Manne alle Pässe und liefe ihm alle Ränke ab, also -daß er vermeinete, er müsse toll und töricht darüber werden. Einsmals -stund der Knecht vor dem Wagen, darin ich alle Nacht schlafen mußte, -klagte mir seine Liebe mit heißen Tränen und bat andächtig um Gnade und -Barmherzigkeit. Ich aber erzeigte mich härter als Stein und gab ihm zu -verstehen, daß ich meine Keuschheit bis in Ehstand bewahren wollte. Da -er mir die Ehe wohl tausendmal anbot, und ich ihm stets versicherte, -daß es unmöglich sei, verzweifelte er endlich gar, dann er zog den -Degen aus, satzte die Spitze an die Brust, den Knopf an den Wagen und -tät nicht anders, als wann er sich jetzt erstechen wollte. Ich sprach -ihm zu und gab ihm Vertröstung auf morgen frühe. So ward er ~content~ -und ging schlafen, ich aber wachte desto länger. Und ich befand, -daß meine Sache mit der Zeit nicht gut tun würde. Die Rittmeisterin -ward je länger, je ~importuner~ mit ihren Reizungen, der Rittmeister -verwegener mit seinen Zumutungen, der Knecht verzweifelter in seiner -Liebe. Ich mußte oft meiner Frau bei hellem Tage Flöhe fangen, nur -darum, daß ich ihre Alabasterbrüstlein sehen und ihren zarten Leib -genug betasten sollte, welches mir, weil ich auch Fleisch und Blut -hatte, zu ertragen stets schwerer fallen wollte. Ließ mich die Frau -zufrieden, so quälete mich der Rittmeister, und wann ich von diesen -beiden Ruhe haben sollte, so peinigte mich der Knecht. Also kam mich -das Weiberkleid zu tragen viel sauerer an, als meine Narrenkappe. Ich -steckte würklich in derjenigen Gefängnus, auch Leib- und Lebensgefahr, -als mein alter Herzbruder wahrgesaget hatte. Was sollte ich tun? Ich -beschloß endlich, mich dem Knecht zu offenbaren, sobald es Tag würde, -dann ich dachte, seine Liebesregungen werden sich alsdann legen. - -Mein Hans ließ es gleich nach Mitternacht tagen, sein Jawort zu holen, -und fing an am Wagen zu rappeln, als ich eben am allerstärksten -schlief. Er rief etwas zu laut: »Sabina, Sabina, ah, mein Schatz, -stehet auf und haltet mir Euer Versprechen!« Also weckte er den -Rittmeister eher als mich, weil der sein Zelt am Wagen stehen hatte. -Ihm ward vor Eifersucht grün und gelb vor den Augen, doch kam er nicht -heraus, sondern stund nur auf zu sehen, wie der Handel liefe. Zuletzt -weckte mich der Knecht. Ich schalt ihn, er aber nötigte mich mit seiner -Importunität, aus dem Wagen zu kommen, oder ihn einzulassen. Wie ich -nun mit meinen aufgestreiften Ärmeln herabstieg, ward mein Hans durch -meine weißen Arme so heftig ~inflammieret~, daß er mich mit Küssen -anfiel. Solches vermochte der Rittmeister nicht zu erdulden, sondern -sprang mit bloßem Degen aus dem Zelt, meinem armen Liebhaber den Fang -zu geben, aber der ging durch und vergaß das Wiederkommen. - -»Du Bluthur, ich will dich lernen ...« mehrers konnte der Rittmeister -vor Zorn nicht sagen, sondern schlug auf mich zu, als wann er unsinnig -wäre. Ich fing an zu schreien, darum mußte er aufhören, damit er keinen -Alarm erregte, dann beide Armeen, die sächsische und die kaiserliche, -lagen damals gegeneinander, weil sich die schwedische unter dem Panier -näherte. - -Als es nun Tag worden, gab mich mein Herr den Reuterjungen preis, eben -als beide Armeen aufbrachen. Das war nun ein Schwarm von Lumpengesind, -und dahero die Hatz desto größer und erschröcklicher. Sie eileten -mit mir einem Busch zu, ihre viehischen Begierden zu sättigen, wie -dann diese Teufelskinder im Brauch haben, wann ihnen ein Weibsbild -dergestalt übergeben wird. So folgten ihnen auch sonst viel Bursche -nach, die dem elenden Spaß zusahen, unter welchen auch mein Hans war. -Der ließ mich nicht aus den Augen. Er wollte mich mit Gewalt erretten, -und sollte es seinen Kopf kosten. Er bekam Beiständer, weil er sagte, -ich sei seine versprochene Braut. Solches war den Reuterjungen, die ein -besser Recht auf mich zu haben vermeineten, allerdings ungelegen. Da -fing man an Stöße auszuteilen, der Zulauf ward je länger, je größer, -ihr Geschrei lockte den Rumormeister herzu, welcher eben ankam, als -sie mir die Kleider vom Leibe gerissen und gesehen hatten, daß ich -kein Weibsbild war. Seine Gegenwart machte alles stockstill, weil er -mehr geförchtet ward als der Teufel selbst. Er informierte sich der -Sache kurz und nahm mich gefangen, weil es ein ungewöhnlich und fast -argwöhnisch Ding war, daß sich ein Mannsbild in Weiberkleidern sollte -finden lassen. - -Ich ward zum General-Auditor geführt, der fing an mich zu examinieren. -Da erzählete ich meine Händel, wie sie waren, es ward mir aber nicht -geglaubt. Auch konnte der General-Auditor nicht wissen, ob er einen -Narren oder einen ausgestochenen Bösewicht vor sich hatte. Frage und -Antwort fiel so artlich und der Handel an sich selbst war seltsam. - -Er hieß mich, eine Feder nehmen und schreiben, ob etwa meine -Handschrift bekannt oder doch so beschaffen wäre, daß man etwas daraus -abnehmen möchte. Ich ergriff Papier und Feder geschicklich und fragte, -was ich schreiben sollte. Der General-Auditor, der vielleicht unwillig -war, weil das Examen sich verzog, antwortete. - -»Hei, schreib: deine Mutter, die Hur!« - -Ich satzte ihm diese Worte hin, und sie machten meinen Handel nur desto -schlimmer, dann der General-Auditor glaubte jetzt erst, daß ich ein -rechter Vogel sei. Er fragte den Profosen, ob man mich visitiert, der -Profos antwortete: nein, dann mich der Rumormeister gleichsam nackend -eingebracht hätte. Aber ach, das half nichts, der Profos mußte mich -besuchen und fand meine beiden Eselsohren mit den Dukaten. - -Da hieß es: was bedörfen wir ferner Zeugnus; dieser Verräter hat ohn -Zweifel ein groß Schelmstück zu verrichten. Warum sollte sich sonst -ein Gescheiter in ein Narrenkleid oder ein Mannsbild in Weiberkittel -verstellen, zu was End wäre er sonst mit einem so ansehnlichen Stück -Geld versehen? Saget er nicht selbst, er habe bei dem Gubernator zu -Hanau, dem allerverschlagensten Soldaten in der Welt, lernen auf der -Lauten schlagen? Was mag er sonst bei denselben Spitzköpfen vor listige -Praktiken gesehen haben! Der nächste Weg ist, daß man ihn auf die -Folter bringe! - -Wie mir damals zu Mut gewesen, kann sich ein jeder leicht einbilden. - -Aber eh man diesen strengen Prozeß mit mir ins Werk satzte, gerieten -die Schweden den Unsrigen in die Haare. Gleich anfänglich kämpften die -Armeen um den Vortel und gleich darauf um das schwere Geschütz, dessen -die Unsrigen stracks verlustig wurden. - -Unser Profos hielt zwar ziemlich weit mit seinen Leuten und den -Gefangenen hinter der Battaglia, gleichwohl waren wir unserer Brigade -so nahe, daß wir jeden von hinterwärts an den Kleidern erkennen -konnten. Und als eine schwedische Eskadron auf die unsrige traf, waren -wir sowohl als die Fechtenden selbst in Todesgefahr, dann in einem -Augenblick flog die Luft so häufig voller singender Kugeln über uns -her, daß es das Ansehen hatte, als ob die Salve uns zu Gefallen wäre -gegeben worden. Davon duckten sich die Forchtsamen, als ob sie sich in -sich selbst hätten verbergen wollen, diejenigen aber, so Courage hatten -und mehr bei dergleichen Scherz gewesen, ließen solche unverblichen -über sich hinstreichen. Im Treffen selbst suchte jeder seinem Tode -mit Niedermachung des Nächsten, der ihm aufstieß, vor zu kommen. Das -gräuliche Schießen, das Gekläpper der Harnische, das Krachen der -Piken, das Geschrei beider: der Verwundeten und Angreifenden machten -neben den Trompeten, Trommeln und Pfeifen eine erschröckliche Musik. -Da sahe man nichts als einen dicken Rauch und Staub, welcher schien, -als wolle er die Abscheulichkeit der Verwundeten und Toten bedecken. -In demselben hörete man ein jämmerliches Wehklagen der Sterbenden und -ein lustiges Geschrei derjenigen, die noch voller Mut staken. Die -Pferde selbst hatten das Ansehen, als wenn sie zur Verteidigung ihrer -Herren je länger, je frischer würden, so hitzig zeigten sie sich in -dieser Schuldigkeit. Deren sahe man etliche unter ihren Herren tot -darniederfallen, voller Wunden, die sie unverschuldet in getreuem -Dienste empfangen hatten, andere fielen auf ihre Reuter und wurden -so von ihnen getragen, die sie bei Lebzeiten hatten tragen müssen, -wiederum andere, nachdem sie ihrer herzhaften Last, die sie kommandiert -hatte, entladen worden, ließen die Menschen in ihrer Wut und Raserei, -rissen aus und suchten im weiten Feld ihre einstige Freiheit. - -Die Erde, die sonst alle Toten deckt, war damals selbst mit Toten -überstreut. Köpfe und Leiber lagen getrennt, etlichen hing in grausamer -und jämmerlicher Weise das Ingeweid heraus, andern war der Kopf -zerschmettert und das Hirn zerspritzt. Da sahe man die entseelten -Leiber ihres eigenen Geblüts beraubet und hingegen Lebendige mit -fremdem Blute begossen. Da lagen abgeschossene Arme, an welchen sich -die Finger noch regten, gleichsam als ob sie wieder in das Gedräng -wollten, hingegen rissen Kerle aus, die noch keinen Tropfen Blut -vergossen hatten. Dort lagen abgelöste Schenkel, die, obwohl der Bürde -ihres Körpers entladen, dennoch viel schwerer geworden waren. Da sahe -man verstümmelte Soldaten um Beförderung ihres Todes, hingegen andere -um Quartier und Verschonung ihres Lebens bitten. ~Summa summarum~ da -war nichts anderes als ein elender, jämmerlicher Anblick. - -Die schwedischen Sieger trieben die Unsrigen, um sie mit ihrer -schnellen Verfolgung vollends zu zerstreuen. Mein Herr Profos ergriff -die Flucht und nötigte uns, samt ihm durchzugehen. Da jagte der junge -Herzbruder daher mit noch fünf Pferden und grüßte ihn mit einer -Pistole: - -»Siehe da, du alter Hund, ist es noch Zeit junge Hündlein zu machen? -Ich will dir deine Mühe bezahlen!« - -Aber der Schuß beschädigte den Profosen so wenig wie einen stählernen -Ambos. - -»Oho, bist du der Haare,« rief mein Herzbruder, »ich will nicht -vergeblich dir zu Gefallen herkommen sein. Du mußt sterben und wäre dir -deine Seele angewachsen!« - -Er befahl darauf einen Musketierer von des Profosen eigener Wacht, ihn -mit der Axt niederzuschlagen. - -Ich aber ward erkannt, meiner Ketten und Bande entlediget und auf ein -Pferd gesatzt, das mein Herzbruder durch einen Knecht in Sicherheit -führen ließ. - - - - -Das dreizehnte Kapitel - - -Demnach die sieghaften Überwinder ihre Beuten teilten und ihre Toten -begruben, ermanglete mein Herzbruder, der durch Begierde der Ehre und -Beute sich hatte so weit verhauen, daß er gefangen ward. So erbte mich -sein Rittmeister, bei welchem ich mich vor einen Reuterjungen mußte -gebrauchen lassen. - -Gleich hernach ward er zum Obrist-Leutenant befördert, ich aber schlug -ihm in den Quartieren die Lauten, im Marschieren mußte ich ihm den -Küraß nachtragen, welches mir eine beschwerliche Sache war. Dann -obzwar diese Waffen vor feindlichen Püffen schützen, so befand ich -an ihnen ein Widerspiel, indem unter ihrem Schutz auf meinem Leibe -eine Armada oder Heerhauf ausgebrütet ward, die ihren freien Paß und -Tummelplatz behaupteten, sintemal ich mit meinen Händen nicht unter -den Harnisch konnte, einen kleinen Streif unter sie zu tun. Ich hatte -weder Zeit noch Gelegenheit, sie durch Feuer, Wasser oder Gift (maßen -ich wohl wußte was Backöfen und Quecksilber vermöchten) auszurotten -und mußte mich mit ihnen schleppen, meinen Leib und Blut zum besten -geben. Endlich erfand ich eine Kunst, daß ich einen Pelzfleck um den -Ladestecken der Pistole wickelte, wenn ich dann mit dieser Lausangel -unter den Harnisch fuhr, fischte ich sie dutzendweis aus ihrem Vorteil, -es mochte aber wenig erklecken. - -Einsmals ward mein Obrist-Leutenant kommandiert eine Cavalcada mit -einer starken Partei in Westfalen zu tun, und wäre er so stark an -Reutern gewesen, als ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt -erschröckt, so aber mußte er behutsam gehen. Ich war damals mit meiner -Einquartierung auf höchste kommen und ich getraute meine Pein nicht -länger zu gedulden. Als teils die Reuter fütterten, teils schliefen und -teils Schildwacht hielten, ging ich abseits unter einen Baum, meinen -Feinden eine Schlacht zu liefern. Zu solchem End zog ich den Harnisch -aus, unangesehen andre einen anziehen, wann sie fechten wollen, und -fing ein solches Würgen und Morden an, daß mir gleich beide Schwerter -an den Daumen vom Blut troffen. So oft mir dieses ~Rencontre~ zu -Gedächtnus kommt, beißt mich die Haut noch allenthalben. Ich dachte -zwar, ich sollte nicht so wider mein Geblüt wüten, vornehmlich wider so -getreue Diener, die sich mit einem hängen und radbrechen ließen, aber -ich fuhr mit meiner Tyrannei unbarmherzig fort, daß ich nicht gewahrte, -wie die Kaiserlichen meinen Obrist-Leutenant ~chargierten~, bis sie -endlich auch an mich kamen, meine Läus entsatzten und mich selbst -gefangen nahmen. Sie scheueten meine Mannheit gar nicht, mit der ich -kurz zuvor viel Tausend erlegt und den Titul des Schneiders »Sieben auf -einen Streich« überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner, und ich -mit ihm meinen sechsten Herrn, weil ich sein Jung sein mußte. - -Unsere Wirtin wollte nicht, daß ich sie und ihr ganzes Haus mit meinen -Völkern besetzte, so machte sie ihnen den Prozeß kurz und gut, steckte -meine Lumpen in Backofen und brannte sie so sauber aus wie eine alte -Tabakpfeife. - -Hingegen bekam ich ein neues Kreuz auf den Hals, weil mein Herr einer -von denjenigen war, die in Himmel zu kommen sich getrauen. Er ließ -sich glatt am Sold genügen und betrübte im übrigen kein Kind. Seine -ganze Prosperität bestund in dem, was er mit Wachen verdienete und von -seiner wochentlichen Löhnung erkargete. Ich und sein Pferd mußten ihm -sparen helfen. Davon kams, daß ich den trockenen Pumpernickel gewaltig -beißen und mich, wanns wohl ging, mit Dünnbier behelfen mußte. Wollte -ich aber besser futtern, so mußte ich stehlen, aber mit ausdrücklicher -Bescheidenheit, daß er nichts davon innewurde. Seinethalben hätte man -weder Galgen, Esel, Henker, Steckenknechte noch Feldscherer bedörft, -auch keinen Marketender noch Trommelschlager, die den Zapfenstreich tun -müssen. Sein ganzes Tun war fern von Fressen, Saufen, Spielen und allen -Duellen, ward er aber auf ~Convoi~, Partei oder sonst einen Anschlag -kommandiert, so schlenderte er mit dahin, wie ein alt Weib am Stecken. - -Ich hatte mich keines Kleides bei ihm zu getrösten, weil er selbst -zerflickt daherging. Sein Pferd war vor Hunger so hinfällig, daß sich -weder Schwede noch Hesse vor seinem dauerhaften Nachjagen zu förchten -hatten. Dieses alles bewegte seinen Hauptmann, ihn ins sogenannte -Paradeis, einem Frauenkloster, auf ~Salvaguardi~ zu legen. Dort sollte -er sich begrasen und wieder montieren. Auch hatten die Nonnen um einen -frommen und stillen Kerl gebeten. - -»Potz Glück, Simprecht,« sagte er, dann er konnte meinen Namen nicht -behalten, »kommen wir gar in das Paradeis! Wie wollen wir fressen!« -Und wir fanden, was wir begehrten, daß ich in Kürze wieder einen -glatten Balg bekam. Dann da satzte es das fetteste Bier, die besten -westfälischen Schunken und Knackwürste, wohlgeschmack und sehr delikat -Rindfleisch, das man aus dem Salzwasser kochte und kalt zu essen -pflegte. Da lernte ich das schwarze Brot fingersdick mit gesalzener -Butter schmieren und mit Käs belegen, damit es desto besser rutschte, -und wann ich so über einen Hammelskolben kam, der mit Knoblauch -gespickt war, und eine gute Kanne Bier darneben stehen hatte, so -erquickte ich Leib und Seele und vergaß meines ausgestandenen Leides. - -Das Glück wollte es wieder wettspielen, da mich ehebevor das Unglück -haufenweis überfallen hatte: dann als mich mein Herr nach Soest -schickte, seine Bagage vollends zu holen, fand ich unterwegs einen Pack -mit etlichen Ellen Scharlach, samt einem Sammetfutter. Das vertauschte -ich zu Soest bei einem Tuchhändler um gemein, grünwullen Tuch zu einem -Kleid samt Ausstaffierung mit dem Geding, mir das Kleid machen zu -lassen. Ich gab ihm auch die silbernen Knöpf und Galaunen vor ein Hemd -und ein Paar neuer Schuhe. Also kehrete ich nagelneu herausgeputzt -wieder ins Paradeis zu meinem Herrn zurück, der gewaltig kollerte, daß -ich ihm den Fund nicht zugebracht, und der Filz schamet sich wohl auch, -daß sein Junge besser gekleidet war als er selbst. Derowegen ritt er -nach Soest, borgte Geld auf seinen wochentlichen ~Salvaguardi~-Sold und -montierte sich damit aufs beste. - -Von dieser Zeit an hatten wir das allerfäulste Leben. Das Kloster -war auch von den Hessen, unserm Gegenteil, mit einem Musketier -salvaguadiert, derselb war seines Handwerks ein Kürschner und dahero -nicht allein ein Meistersänger, sondern auch ein trefflicher Fechter. -Damit er seine Kunst nicht vergäße, übte er sich täglich mit mir in -allen Gewehren, wovon ich so fix ward, daß ich mich nicht scheuete ihm -Bescheid zu tun, wann er wollte. - -Das Stift vermochte eine eigene Wildbahn und hielt einen eigenen -Jäger. Weil ich nun grün gekleidet war, gesellete ich mich zu ihm -und lernete ihm denselben Herbst und Winter seine Künste ab. Solcher -Ursachen halber nannte mich jedermann »dat Jäjerken«. Mir wurden alle -Wege und Stege bekannt, was ich mir hernach trefflich zu nutz machte. -Bei üblem Wetter las ich allerhand Bücher, die mir der Klosterverwalter -liehe, und da die Klosterfrauen gewahr wurden, daß ich neben meiner -guten Stimme auch auf der Laute und etwas wenigs auf dem Instrument -schlagen konnte, weil ich zudem eine ziemliche Leibsproportion und -schönes Gesicht hatte, hielten sie alle meine Sitten, Wesen, Tun und -Lassen vor adelig und ich mußte unversehens ein sehr beliebter Junker -sein. - -Da ward mein Herr abgelöst, was ihn auf das gute Leben so übel bekam, -daß er darüber erkrankte, und weil starkes Fieber darzu schlug, zumalen -noch die alten Mucken, die er sein Lebtag im Kriege aufgefangen, -hinzukamen, machte ers kurz und ward in drei Wochen hernach begraben. -Ich machte ihm die Grabschrift: - - Der Schmalhans lieget hier, ein tapferer Soldat, - Der all sein Lebetag kein Blut vergossen hat. - -Ich war damals ein frischer, aufgeschossener Jüngling, der seinen -Mann stellen konnte, also ward mir von meinem Hauptmann das Erbe -des Dragoners angeboten, wann ich mich an meines toten Herren Statt -anwerben lassen wollte. Das nahm ich desto lieber an, weil mir bekannt, -daß meines Herren alte Hosen mit ziemlichen Dukaten gespickt waren. - -Allein dem Kommandanten zu Soest mangelte ein Kerl, wie ich ihm einer -zu sein dünkte, so unterstund er sich, mich noch zu bekommen, maßen -er meine Jugend vorwandte, und mich vor keinen Mann passieren lassen -wollte. Er schickte nach mir und sagte: - -»Hör, Jägerken, du sollt mein Diener sein und meine Pferde warten.« - -»Herr, wir sind nicht vor einander. Ich hätte lieber einen Herrn, in -dessen Diensten die Pferde auf mich warten. Ich will Soldat bleiben.« - -»Dein Bart ist noch viel zu klein.« - -»O nein, ich getraue einen Mann zu bestehen, der achtzig Jahre alt ist. -Der Bart schlägt keinen Mann, sonst würden die Böcke hoch ~aestimieret~ -werden.« - -»Wann die ~Courage~ so gut ist, als das Maulleder, so will ich dich -passieren lassen.« - -»Das kann in der nächsten ~Occasion~ probiert werden,« gab ich zu -verstehen. Und er ließ mich bleiben. - -Hierauf anatomierte ich meines Dragoners Hosen, schaffte mir aus deren -Eingeweid noch ein gut Pferd und das beste Gewehr und ließ mich von -neuem grün kleiden, weil mir der Name Jäger beliebte. Also ritt ich -mit meinem Jungen selbander daher wie ein Edelmann und dünkte mich -fürwahr keine Sau zu sein. Ich war so kühn, meinen Hut mit einem tollen -Federbusch zu zieren wie ein Offizier, daher bekam ich bald Neider und -Mißgönner, und es satzte empfindliche Worte, endlich gar Ohrfeigen. Ich -hatte aber kaum einem oder dreien gewiesen, was ich im Paradies von dem -Kürschner gelernt hatte, da ließ mich nicht allein jedermann zufrieden, -sondern suchte auch meine Freundschaft. - -Auf Partei warf ich mich wohl herfür, daß ich in kurzer Zeit bei Freund -und Feind bekannt und so berühmt ward, daß beide Teile viel von mir -hielten. Allermaßen mir die gefährlichsten Anschläge zu verrichten -und ganze Parteien zu kommandieren anvertraut wurden, griff ich bald -zu wie ein Böhme und, wann ich etwas namhaftes erschnappte, gab ich -meinen Offizierern so reich Part davon, daß ich selbig Handwerk auch an -verbotenen Orten treiben dorfte, weil mir überall durchgeholfen ward. - -Der General Graf von Götz hatte in Westfalen drei feindliche -Guarnisonen übriggelassen zu Dorsten, Lippstadt und Coesfeld, denen war -ich gewaltig molest, dann ich lag ihnen bald hier, bald dort schier -täglich vor den Toren, und weil ich überall glücklich durchkam, hielten -die Leute von mir, ich könnte mich unsichtbar machen und wäre so fest -wie Stahl. Davon ward ich geförchtet wie die Pestilenz. - -Zuletzt kam es dahin: wo nur ein Ort in Kontribution zu setzen war, -mußte ich solches verrichten, wodurch mein Beutel so groß ward als -mein Name. Meine Offizierer und Kameraden liebten ihren Jäger, die -vornehmsten Parteigänger vom Gegenteil entsatzten sich und den Landmann -hielt ich durch Forcht und Liebe auf meiner Seiten, dann ich wußte -meine Widerwärtigen zu strafen und die, so mir nur den geringsten -Dienst täten, reichlich zu belohnen, allermaßen ich beinahe die Hälfte -meiner Beuten verspendierte oder auf Kundschaft auslegte. Derhalben -entging mir keine Partei, kein ~Convoi~, noch eine Reis' aus des -Gegenteils Posten, alsdann ich ihr Vorhaben durchkreuzte und allen -Anschlägen mit Glück begegnete. Darneben erzeigte ich mich gegen meine -Gefangenen überaus diskret, sodaß sie mich oft mehr kosteten als die -Beute wert war, sonderlich unterließ ichs nicht, denen Offizierern, -obschon ich sie nicht kannte, ohn Verletzung meiner Pflicht und -Herrendienste eine ~Courtoisie~ zu tun. - -Durch solch ein Verhalten wäre ich zeitlich zum Offizier befördert -worden, wann meine Jugend es nicht verhindert hätte. Wer in solchem -Alter ein Fähnlein wollte, mußte ein Guter von Adel sein, zudem mein -Hauptmann an mir mehr als eine melkende Kuhe verloren hätte. Also -brachte ichs allein zum Gefreiten. Ich spekulierte Tag und Nacht, wie -ich etwas anstellen möchte, mich noch größer zu machen und konnte vor -solchem närrischen Nachsinnen oft nicht schlafen. - - - - -Das vierzehnte Kapitel - - -Ich muß ein Stücklein noch erzählen, das mir begegnet, eh ich wieder -von meinen Dragonern kam. - -Mein Hauptmann ward mit etlichen fünfzig Mann zu Fuß nach -Recklinghausen kommandiert, einen Anschlag auf eine reiche Karawane -zu machen. Wir mußten uns in den Büschen heimlich halten, so nahm ein -jeder auf acht Tag Proviant zu sich. Demnach aber die Kaufleut, denen -wir aufpaßten, die bestimmte Zeit nicht ankamen, ging uns das Brot aus, -dahero uns der Hunger gewaltig preßte, dann wir dorften nichts rauben, -wir hätten uns damit selbst verraten. - -Mein Kamerad, ein lateinischer Handwerksgesell, der erst kürzlich der -Schule entloffen, seufzete vergeblich nach den Gerstensuppen, die -ihm hiebevor seine Eltern zum besten verordnet, er aber verschmähet -und verlassen hatte. Und als er solcher Speisen gedachte, erinnerte -er sich auch seines Schulsacks: »Ach Bruder,« sagte er, »wärs nicht -eine Schande, wann ich nicht so viel Künste erstudiert haben sollte, -mich jetzund zu füttern? Wann ich nur zum Pfaffen in jenes Dorf gehen -dürfte, es sollte ein treffliches ~Convivium~ bei ihm setzen!« - -Ich überlief die Worte ein wenig, ermaß unsern Zustand und machte einen -Anschlag auf unsern Studenten hin. Der Hauptmann willigte ein. - -So wechselte ich meine Kleider mit einem andern und zottelte mit -meinem Studenten in weitem Umschweif, wiewohl das Dorf eine halbe -Stunde vor uns lag, auf die Kirche zu. Das nächste Haus bei ihr -erkannten wir vor des Pfarrers Wohnung, es stund an einer Mauer, die -um den ganzen Pfarrhof ging. Mein Kamerad hatte seine abgeschabten -Studentenkleidlein noch an, ich gab mich vor einen Malergesellen -aus, dann ich dachte diese Kunst im Dorf nicht üben zu müssen. Der -geistliche Herr war höflich, als ihm mein Gesell eine tiefe lateinische -Reverenz gemacht und einen Haufen dahergelogen hatte, was Gestalt ihn -die Soldaten auf der Reise ausgeplündert. Er bot dem Studenten ein -Stück Brot und Butter nebst einem Trunk Bier an, ich aber stellete -mich, als ob ich im Wirtshaus essen wollte und ihn alsdann anrufen, -damit wir noch ein Stück Weges hinter sich legen konnten. Also ging -ich, mich im Dorf umzusehen und hatte auch Glück, daß ich einen Baur -antraf, der seinen Backofen zukleibte, darin er große Pumpernickel -hatte, die vier und zwanzig Stunden sitzen und ausbacken sollten. -Demnach wußte ich genug und machte es beim Wirte kurz. - -Da ich auf den Pfarrhof kam, hatte mein Kamerad schon gekröpft und dem -Pfarrer gesagt, daß ich Maler sei, willens meine Kunst in Holland zu -perfectionieren. Der Pfarrer hieße mich sehr willkommen und bat mich, -mit ihm in die Kirche zu gehen, da er mir etliche schadhafte Stück -weisen wolle. Ich mußte folgen, er führte mich durch die Küche, und -während er das Nachtschloß an der starken Eichentür aufmachte, die -auf den Kirchhof ging -- ~ominorum~! -- da sahe ich, daß der schwarze -Himmel seiner Kuchelesse voller Lauten, Flöten und Geigen hing in -Gestalt von Schinken, Knackwürsten und Speckseiten. Trostmütig blicket -ich sie an, weil mich bedünkte, als lachten sie mir und ich erwog, wie -ich sie dem obgemeldten Ofen voll Brot zugesellen möchte. Allein der -Pfarrhof war ummauret, alle Fenster mit Eisengittern genugsam verwahrt -und so lagen auch zween ungeheure Hunde im Hof, welche bei Nacht -gewißlich nicht schlafen würden, wenn man dasjenige stehlen wollte, -daran auch ihnen zu nagen gebühret. - -Wie wir nun in die Kirche kamen, von den Gemälden allerhand -diskurierten und mir der Pfarrer etliches auszubessern verdingen -wollte, ich aber Ausflüchte suchte, meinte der Meßner: »Du Kerl, ich -sehe dich eher vor einen verloffenen Soldatenjungen an, als vor einen -Malergesellen!« Ich antwortete: »O du Kerl, gib mir geschwind Pensel -und Farben, so will ich dir im Hui einen Narren gemalet haben, als du -einer bist.« - -Der Pfarrer machte ein Gelächter daraus und meinete, es gezieme sich -nicht an einem so heiligen Ort, einander wahr zu sagen. Er ließ uns -beiden noch einen Trunk langen und also dahin ziehen. Ich aber vergaß -mein Herz bei den Knackwürsten. - -Um Mitternacht kamen wir wieder ins Dorf und ich hatte sechs gute Kerle -ausgelesen, darunter meinen munteren Knecht Spring-ins-Feld. In aller -Stille huben wir das Brot aus dem Ofen, weil wir einen mithatten, -der Hunde bannen konnte. Da wir nun bei dem Pfarrhof vorüberwollten, -konnte ichs nicht übers Herz bringen, ohne Speck weiter zu passieren. -Ich wußte aber keinen andern Eingang als den Kamin, der sollte vor -diesmal meine Tür sein. Wir brachten Leiter und Seil aus einer Scheuer -zuwege, ich stieg selbander mit Spring-ins-Feld aufs Dach, welches von -Hohlziegeln doppelt belegt und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebauet -war. Meine langen Haar wicklete ich zu einem Büschel über dem Kopf -zusammen und ließ mich mit einem End des Seils hinunter zu meinem -geliebten Speck. Band also einen Schinken nach dem andern und eine -Speckseite nach der andern an das Seil, was alles der andere fein -ordentlich zum Dach hinaus fischete und weitergab. - -Aber, potz Unstern, da ich allerdings Feierabend gemachet hatte, brach -eine Stange, sodaß ~Simplicius~ hart hinunterfiele und das Seil riß, -ehe mich meine Kameraden vom Boden brachten. Ich dachte, Jäger, nun -mußt du eine Hatze ausstehen, in welcher dir selbst das Fell gewaltig -zerrissen wird werden, dann der Pfarrer war erwacht und befahl seiner -Köchin alsbald ein Licht anzuzünden. Sie kam im Hemd zu mir in die -Kuchen, hatte den Rock über der Achsel hangen und stund so nahe neben -mir, daß sie mich damit rührete. Sie griff nach einem Brand und hielt -das Licht daran und fing an zu blasen. Ich aber blies viel stärker zu, -davon das gute Mensch erschrak, daß sie Feuer und Licht fallen ließ und -sich zu ihrem Herrn retirierte. - -Ich bedachte mich und wehrete meine Kameraden, die mir zu verstehen -gaben, daß sie das Haus aufstoßen wollten. Allein Spring-ins-Feld -sollte oben bleiben, die andern an das Gewehr. Inzwischen schlug der -Geistliche sich selber ein Licht an, seine Köchin aber erzählete -ihm, daß ein gräulich Gespenst mit zween Köpfen, davor sie meinen -Haarbüschel angesehen, in der Kuchen wäre. Das hörete ich, rieb mir -derowegen mein Angesicht mit Asche, Ruß und Kohlen, daß ich ohn -Zweifel keinem Engel mehr -- wie hiebevor die Klosterfrauen sagten -- -gleich sahe und der Meßner mich wohl vor einen geschwinden Maler hätte -passieren lassen. Ich fing an in der Kuchen schröcklich zu poltern und -das Geschirr untereinander zu werfen. Den Kesselring hing ich an den -Hals, den Feuerhaken behielt ich auf den Notfall. - -Solches ließ sich der fromme Pfaffe nicht irren, dann er kam mit -seiner Köchin prozessionsweis daher, welche zwei Wachslichter in den -Händen und einen Weihwasserkessel am Arm trug, er selbsten war mit -dem Chorrock bewaffnet samt den Stollen und hatte den Sprengel in der -einen und ein Buch in der andern Hand. Aus demselben fing er an, mich -zu exorcisieren, fragende: »Wer bist du und was willst du?« -- »Ich bin -der Teufel und will dir und deiner Köchin die Hälse umdrähen!« - -Da fuhr er eifrig in seinem ~Exorcismo~ weiter fort und hielt mir vor, -daß ich weder mit ihm noch mit seiner Köchin nichts zu schaffen hätte, -hieß mich auch mit der allerhöchsten Beschwörung wieder hinfahren, wo -ich herkommen wäre. Ich aber antwortete mit ganz förchterlicher Stimme, -daß solches unmöglich sei, wannschon ich gern wollte. Indessen hatte -Spring-ins-Feld, der ein abgefäumter Erzvogel war und kein Latein -verstund, seine seltsamen Tausendhändel auf dem Dach, dann er hörete, -daß ich mich vor den Teufel ausgab, und mich auch der Geistliche also -hielt. Er wixte wie eine Eule, bellte wie ein Hund, wieherte wie ein -Pferd, blökte wie ein Geißbock, schrie wie ein Esel und ließ sich bald -durch den Kamin hinunter hören wie ein Haufen Katzen, die im Hornung -rammeln, bald wie eine Henne, die legen wollte, dann dieser Kerl konnte -aller Tiere Stimmen nachmachen. Solches ängstigte den Pfarrer und die -Köchin auf das Höchste, ich aber machte mir ein Gewissen, daß ich mich -vor den Teufel beschwören ließe. - -Mitten in solchen Ängsten, die uns beiderseits umgaben, ward ich -gewahr, daß das Nachtschloß an der Tür, die auf den Kirchhof ging, -nicht eingeschlagen, sonder der Riegel nur vorgeschoben war. Ich schob -ihn geschwind zurück und wischte hinaus. - -Wir liefen in den Busch, weil wir im Dorf nichts mehr zu verrichten -hatten. Dort erquickte sich die ganze Partei an dem, was von uns -gestohlen worden, und bekam kein einziger den Klucksen darvon, so -gesegnete Leute waren wir. - -Also lagen wir noch zween Tage an selbigem Ort und erwarteten -diejenigen, denen wir schon so lange aufgepaßt hatten. Wir verloren -keinen einzigen Mann und bekamen dreißig Gefangene. Ich erhielt doppelt -Part, das waren drei schöne Frießländer Hengst mit Kaufmannswaren -beladen, was sie in Eil forttragen mochten. Wir retirierten uns mehrer -Sicherheit halber auf Rehnen. - -Daselbst gedachte ich wieder an den Pfaffen, dem ich den Speck -gestohlen hatte, nahm einen Saphir, in einen göldenen Ring gefaßt, aus -meiner Beute und schickte ihn von Rehnen aus durch einen gewissen Boten -mit einem Brieflein an den Geistlichen. - -»Wohlehrwürdiger usw. Wann ich dieser Tagen im Wald noch etwas zu -leben gehabt hätte, so wäre kein Ursache gewesen Euer Wohlehrwürden -ihren Speck zu stehlen, wobei Sie vermutlich sehr erschröckt worden. -Ich bezeuge beim Höchsten, daß Sie solche Angst wider meinen Willen -eingenommen, hoffe derowegen um Vergebung. Was den Speck anbelangt, -schicke ich derohalben gegenwärtigen Ring mit Bitte, Euer Wohlehrwürden -belieben damit Vorlieb zu nehmen. Versichere darneben, daß Dieselbe -im übrigen auf alle Begebenheit einen dienstfertigen und getreuen -Diener hat an dem, den dero Meßner vor keinen Maler hält, welcher sonst -genannt wird - - der - Jäger.« - -Dem Bauren aber schickte die Partei aus gemeiner Beute sechzehen -Reichstaler. - -Von Rehnen gingen wir auf Münster und von dar auf Ham und heim nach -Soest in unser Quartier, allwo ich nach einigen Tagen eine Antwort von -dem Pfarrer empfing. - -»Edler Jäger usw. Wann derjenige, dem Ihr den Speck gestohlen, hätte -gewußt, daß Ihr ihm in teuflischer Gestalt erscheinen würdet, hätte er -sich nicht so oft gewünscht, den landberufenen Jäger auch zu sehen. -Gleichwie aber das geborgte Fleisch und Brot viel zu teuer bezahlt -worden, also ist auch der eingenommene Schröcken desto leichter zu -verschmerzen, weil er von einer so berühmten Person ist wider ihren -Willen verursachet worden, deren hiemit allerdings verziehen wird, mit -Bitte, dieselbe wolle ein andermal ohne Scheu zusprechen bei dem, der -sich nicht scheut, den Teufel zu beschwören. - - ~Vale~!« - -Also machte ichs allerorten und überkam dadurch einen großen Ruf. - - - - -Das dritte Buch - - - - -Das erste Kapitel - - -In Soest suchte ich Ruhm und Gunst in Handlungen, die sonst strafwürdig -gewesen wären. Ich war ehrgeizig geworden, und meine Torheit ließ -mich Leib- und Lebensgefahr vor gering anschlagen. Wann andere -schliefen, hielten mich meine wunderlichen Grillen wach, und ich sann -auf neue Fündgen und Listen. So erfand ich eine Gattung Schuhe, die -man den Absatz zuvorderst anziehen konnte, deren ließe ich dreißig -unterschiedliche Paar machen. Wann ich solche unter meine Burschen -austeilete, war es unmöglich, uns aufzuspüren, dann wir trugen bald -diese, bald unsere rechten Schuhe an den Füßen, und es sahe am Ziele -aus, als wann zwo Parteien allda zusammengekommen wären und mit -einander verschwunden seien. Ohndas verwirrete ich unsere Spur, so -daß mich niemand hätte auskünden können. Ich lag oft allernächst bei -denen vom Gegenteil, die mich in der Ferne suchten, und noch öfter -etliche Meilwegs von dem Busch, den sie umstellten und durchstreiften. -Also ließ ich auch an Scheid- und Kreuzwegen unversehens absteigen und -den Pferden die Eisen das hinterst zu vörderst aufschlagen. Ganz zu -geschweigen der gemeinen Vorteil, die man brauchet, wann man schwach -auf Partei ist und doch vor stark aus der Spur judiziert werden will. - -Wann ich nicht auf Partei dorfte, so ging ich sonst aus zu stehlen, -und dann war kein Stall vor mir sicher. Rindviehe und Pferden wußte -ich Stiefel und Schuhe anzulegen, bis ich sie auf eine gänge Straße -brachte. Die großen fetten Schweinspersonen, die Faulheit halber nicht -reisen mögen, wußte ich meisterlich fort zu bringen, wann sie schon -grunzten und nicht daran wollten. Ich machte ihnen mit Mehl und Wasser -einen wohlgesalzenen Brei, ließ solchen einen Badeschwamm in sich -saufen, an welchen ich einen starken Bindfaden gebunden hatte. Ließ -nachgehends diejenigen, um welche ich buhlete, den Schwamm voll Mus -fressen und behielt die Schnur in der Hand, worauf sie ohne Wortwechsel -geduldig mitgingen und mir die Zeche mit Schinken und Würsten -bezahleten. - -Was ich brachte, teilete ich sowohl den Offizierern als meinen -Kameraden getreulich mit. Im übrigen dünkte ich mich viel zu gut darzu -zu sein, daß ich die Armen bestehlen, Hühner fangen oder andere geringe -Sachen hätte mausen sollen. - -Dahero fing ich an nach und nach mit Fressen und Saufen ein epikuräisch -Leben zu führen, weil ich meines Einsiedels Lehren vergessen und -niemand hatte, der meine Jugend regierte. Meine Offizierer schmarotzten -bei mir und reizten mich viel mehr zu allen Lastern, wo sie mich hätten -strafen und abmahnen sollen. So ward ich endlich gottlos und verrucht, -daß mir kein Schelmstück zu groß schien, und zuletzt auch heimlich -beneidet, beides: von Kameraden und Offizieren, da ich mir einen -größeren Namen und Ansehen machte, als sie selbst hatten. - -Während ich im Begriffe stund, mir einige Teufelslarven und -darzugehörige Kleidungen mit Roß- und Ochsenfüßen machen zu lassen, -vermittels deren ich Freund und Feind in Schröcken setzen könnte, -bekam ich Zeitung, daß ein Kerl sich in Werle aufhielte, welcher ein -trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lasse und hin und her -auf dem Land, sonderlich bei unsern Kontribuenten, unter meinem Namen -mit Weiberschänden und Plünderungen allerhand Exorbitantien verübe, -maßen dahero gräuliche Klagen auf mich einkamen. Solches gedachte ich -ihm nicht zu schenken, weit weniger zu leiden, daß er sich länger -meines Namens bediene. Ich ließ ihn mit Wissen des Kommandanten in -Soest auf Degen und Pistolen ins freie Feld zu Gast laden, nachdem er -aber das Herz nicht hatte zu erscheinen, ließ ich mich vernehmen, daß -ich mich an ihm revangieren wollte, so ich ihn auf Partei ertappte, -werde er von mir als Feind traktiert werden. Darauf verbrannte ich -in Soest vor meinem Quartier offentlich meine ganze grüne Kleidung, -unangesehen, daß sie über hundert Dukaten wert war, und fluchte in -solcher Wut noch darüber hin, daß der nächste, der mich mehr »Jäger« -nenne, entweder mich ermorden oder von meinen Händen sterben müsse, und -sollte es auch meinen Hals kosten. Ich wollte auch keine Partei mehr -führen, ich hätte mich zuvor an meinem Widerpart zu Werle gerochen. - -Dies erscholl gar bald in der Nachbarschaft, davon wurden die Parteien -vom Gegenteil so kühn und sicher, daß sie schier täglich vor unsern -Schlagbäumen lagen. Was mir aber gar zu unleidlich viel war, daß der -Jäger von Werle noch immer fortfuhr sich vor mich auszugeben. - -Indessen jedermann meinete, ich läge auf der Bernhaut, kündigte ich -meines Gegenteils von Werle Tun und Lassen aus und machte meinen -Anschlag darauf. Meine beiden Knechte, sonderlich Spring-ins-Feld, -hatte ich nach und nach abgerichtet wie die Wachtelhunde. Davon -schickte ich den einen nach Werle zu meinem Gegenteil. Der wandte -vor, daß ich nunmehr anfinge zu leben, wie ein anderer Kujon und -verschworen hätte nimmer auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr -bei mir bleiben mögen. Er wisse alle Wege und Stege im Lande und könne -manchen Anschlag geben, gute Beute zu machen. Der einfältige Narr von -Werle glaubte meinem Knecht und nahm ihn an. So bekam ich Wind, daß sie -in einer bestimmten Nacht auf eine Schäferei zuhielten, etliche fette -Hämmel zu holen. Ich bestach den Schäfer, daß er seine Hunde anbinden -und die Ankömmlinge unverhindert in die Scheuer minieren lassen sollte, -so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon gesegnen. Indessen paßte -ich und Spring-ins-Feld mit einem andern Knecht auf, die ich hiebevor -beide mit meinen Teufelslarven und Kleidern wohl ausstaffieret. - -Da nun der Jäger von Werle und sein Knecht ein Loch durch die Wand -gegraben hatten, wollte der Jäger haben, daß der Knecht zum erstenmal -hineinschliefe. Der aber sagte: »Ich sehe wohl, daß Ihr nicht mausen -könnt, man muß zuvor visieren, ob Bläsi zu Hause sei oder nicht.« - -Er zog hierauf seinen Degen und hing den Hut an die Spitze, stieß -etliche Male durchs Loch. Als solches geschehen, kroch der Jäger als -erster hinein, aber Spring-ins-Feld erwischte ihn gleich bei der -Degenhand. Da hörete ich, daß sein anderer Gesell durchgehen wollte, -und weil ich nicht wußte, welches der Jäger sei, eilete ich nach und -ertappte ihn. - -»Was Volks?« -- »Kaiserisch.« -- »Was Regiments, ich bin auch -kaiserisch, ein Schelm, der seinen Herrn verleugnet!« -- »Wir seind von -den Dragonern von Soest,« sagte er, »Bruder, ich hoffe, Ihr werdet uns -passieren lassen.« -- »Wer seid Ihr dann aus Soest.« -- »Mein Kamerad, -den Ihr im Stall ertappet, ist der Jäger.« -- »Schelmen seid ihr! Warum -plündert ihr dann euer eigen Quartier, der Jäger von Soest ist so kein -Narr, daß er sich in einem Schafstall fangen läßt!« -- »Ach, von Wörle -wollt ich sagen,« antwortete er mir. - -Indem ich so disputierte, kam mein Knecht und Spring-ins-Feld mit -meinem Gegenteil auch daher. - -»Siehe da, du ehrlicher Vogel, kommen wir hier zusammen? Wann ich -kaiserliche Waffen nicht respektierte, so wollte ich dir gleich eine -Kugel durch den Kopf jagen. Ich bin der Jäger von Soest und du bist -ein Schelm, bis du einen von gegenwärtigen Degen zu dir nimmst und den -andern auf Soldatenmanier mit mir missest.« - -Indem legte Spring-ins-Feld uns zwei gleiche Degen vor die Füße. Der -arme Jäger erschrak so gewaltig, daß er seine Hosen verderbte, davon -schier niemand bei ihm bleiben konnte. Er und sein Kamerad zitterten -wie nasse Hunde, sie fielen auf die Knie und baten um Gnade. Aber -Spring-ins-Feld kollerte wie aus einem hohlen Hafen heraus: »Du -mußt einmal raufen, oder ich will dir den Hals brechen!« -- »Ach, -hochgeehrter Herr Teufel, ich bin nicht des Raufens halber herkommen! -Der Herr Teufel überhebe mich dessen, so will ich hingegen tun, was du -willst.« - -Mein Knecht zwang ihm den Degen in die Hand, er zitterte aber so, daß -er ihn nicht halten konnte. Der Schäfer kam herbei und stellte sich, -als ob er von den beiden Teufeln nichts sähe, er fragte mich, was ich -mit diesen beiden Kerlen lang in seiner Schäferei zu zanken hätte, ich -sollte es an einem andern Ort ausmachen, dann unsere Händel gingen ihm -nichts an. Er gäbe monatlich seine Konterbission und wolle in Frieden -leben. Zu den beiden sagte er, warum sie sich von mir einzigem Kerl -geheien ließen und mich nicht niederschlügen. - -»Du Flegel,« rief ich, »sie haben dir deine Schafe stehlen wollen!« - -Da sagte der Bauer: »So wollte ich, daß sie meinen Schafen müßten den -Hintern lecken.« Damit ging er weg. - -Ich drang auf das Fechten, mein armer Jäger aber konnte vor Forcht -schier nicht mehr auf den Füßen stehen, also daß er mich daurete. Er -und sein Kamerad brachten so bewegliche Worte vor, daß ich ihm endlich -alles verziehe und vergab. - -Aber Spring-ins-Feld war damit nicht zufrieden, er zwang den Jäger an -dreien Schafen zu tun, was der Baur gewünscht hatte, und zerkratzte -ihn mit seinen Teufelskrallen noch darzu so abscheulich im Gesicht, -daß er aussahe, als ob er mit den Katzen gefressen hätte, mit welcher -schlichten Rache ich mich zufrieden gab. - -Der Jäger von Werle verschwand bald aus der Gegend, weil er sich zu -sehr schämte, dann sein Kamerad sprengte aller Orten aus und beteuret -es mit heftigen Flüchen, daß ich wahrhaftig zween leibhaftiger Teufel -hätte, die mir auf den Dienst warteten. Darum ward ich noch mehr -geförchtet, hingegen aber desto weniger geliebet. - - - - -Das ander Kapitel - - -Solches wurde ich bald gewahr, daher stellete ich mein vorig gottlos -Leben allerdings ab. Ich ging zwar auf Partei, zeigete mich aber gegen -Freund und Feind so leutselig und diskret, daß alle, die mir unter die -Hände kamen, ein anderes glaubten, als sie von mir gehöret hatten. -Ich sammlete mir viel schöne Dukaten und Kleinodien, welche ich hin -und wieder auf dem Lande in hohle Bäume verbarg, dann ich hatte mehr -Feinde in der Stadt Soest und im Regiment, die mir und meinem Gelde -nachstellten, als außerhalb und bei den feindlichen Guarnisonen. - -Ich saß einsmals mit fünfundzwanzig Feuerröhren nicht weit von Dorsten -und paßte einer Bedeckung mit etlichen Fuhrleuten auf, die nach Dorsten -kommen sollte. Ich hielt selbst Schildwacht, weil wir dem Feinde nahe -waren. Da sah ich einen Mann daherkommen, fein ehrbar gekleidet, der -redete mit sich selbst und focht dabei seltsam mit den Händen. - -»Ich will einmal die Welt strafen, es sei dann, mir wolle es das große -~Numen~ nicht zugeben!« - -Woraus ich mutmaßete, er möcht etwan ein mächtiger Fürst sein, der so -verkleideter Weise herumginge, seiner Untertanen Leben und Sitten zu -erkunden. Ich dachte, ist dieser Mann vom Feind, so setzt es ein gutes -Lösegeld, wo nicht, so willst du ihn aufs höflichste traktieren. Sprang -derohalben hervor und präsentierte mein Gewehr mit aufgezogenem Hahnen. - -»Der Herr wird belieben, vor mir hin in den Busch zu gehen.« - -Er antwortete sehr ernsthaftig: »Solcher ~Tractation~ ist -meinesgleichen nicht gewohnt.« - -Ich tummlete ihn höflich fort. »Der Herr wird sich vor diesmal in die -Zeit schicken.« - -Als die Schildwachen wieder besetzt waren, fragte ich ihn, wer er -sei. Er antwortete großmütig, es würde mir wenig daran gelegen sein, -wannschon ich es wüßte: Er sei auch ein großer Gott! - -Ich gedachte, er mochte mich vielleicht kennen und etwan ein Edelmann -von Soest sein und so sagen, um mich zu hetzen, weil man die Soester -mit dem großen Gott und dem göldenen Fürtuch zu vexieren pfleget, ward -aber bald in, daß ich anstatt eines Fürsten einen Phantasten gefangen -hätte, der sich überstudieret und in der Poeterei gewaltig verstiegen, -dann er gab sich vor den Gott Jupiter aus. Ich wünschte zwar, daß ich -den Fang nicht getan, mußte den Narren aber wohl behalten. Mir ward ohn -das die Zeit lang, so gedachte ich diesen Kerl zu stimmen. - -»Nun dann, mein lieber Jove, wie kommt es doch, daß deine hohe Gottheit -ihren himmlischen Thron verlässet und zu uns auf Erden steiget? Vergib -mir, o Jupiter, meine Frage, die du vor fürwitzig halten möchtest, dann -wir seind den himmlischen Göttern auch verwandt und eitel ~Sylvani~, -von den ~Faunis~ und ~Nymphis~ geboren, denen diese Heimlichkeit billig -unverborgen bleiben sollte.« - -»Ich schwöre beim ~Styx~,« antwortete er, »daß du nichts erfahren -solltest, wann du meinem Mundschenken ~Ganymed~ nicht so ähnlich -sähest! Zu mir ist ein groß Geschrei über der Welt Laster durch die -Wolken gedrungen, darüber ward in aller Götter Rat beschlossen, -den Erdboden wieder mit Wasser auszutilgen. Weil ich aber dem -Menschengeschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin, vagiere ich jetzt -herum, der Menschen Tun und Lassen selbst zu erkündigen. Obwohl ich -alles ärger finde, als es vor mich gekommen, so will ich doch nicht -alle Menschen zugleich und ohn Unterscheid ausrotten, sondern allein -die Schuldigen.« - -Ich verbiß das Lachen, so gut ich konnte. - -»Ach Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst -sein. Schickest du zur Straf einen Krieg, so laufen alle verwegenen -Buben mit, welche die friedliebenden, frommen Menschen nur quälen -werden; schickest du eine Teuerung, so ists eine erwünschte Sache vor -die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickest du -aber eine Sterben, so haben die Geizhälse und alle übrigen Menschen ein -gewonnenes Spiel, indem sie hernach viel erben. Wirst derhalben die -ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen.« - -»Du redest von der Sache wie ein natürlicher Mensch,« antwortete -Jupiter, »als ob du nicht wüßtest, daß es einem Gott möglich ist, die -Bösen zu strafen, die Guten zu erhalten! Ich will einen deutschen -Helden erwecken, der soll alles mit der Schärfe seines Schwertes -vollenden.« - -Ich meinte: »So muß ja ein solcher Held auch Soldaten haben, und wo -man Soldaten braucht, da ist auch Krieg, und wo Krieg ist, da muß der -Unschuldige sowohl als der Schuldige herhalten.« - -»Ich will einen solchen Helden schicken, der keiner Soldaten bedarf und -doch die ganze Welt reformieren soll. In seiner Geburtsstunde will ich -ihm verleihen einen wohlgestalten und stärkeren Leib, als ~Herkules~ -einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand überflüssig -gezieret. ~Mercurius~ soll ihn mit unvergleichlich sinnreicher Vernunft -begaben, ~Vulcan~ soll ihm ein Schwert schmieden, mit welchem er die -ganze Welt bezwingen und alle Gottlosen niedermachen wird, ohne fernere -Hilfe eines einzigen Menschen. Eine jede große Stadt soll vor seiner -Gegenwart erzittern, und eine jede Festung, die sonst unüberwindlich -ist, wird er in der ersten Viertelstunde in seinem Gehorsam haben. -Zuletzt wird er den größten Potentaten der Welt befehlen und die -Regierung über Meer und Erden so löblich anstellen, daß beides: Götter -und Menschen ein Wohlgefallen darob haben sollen.« - -Ich sagte: »Wie kann die Niedermachung aller Gottlosen ohn -Blutvergießen und das Kommando über die ganze weite Welt ohn sonderbare -große Gewalt und starken Arm geschehen? O Jupiter, ich bekenne dir -unverhohlen, daß ich diese Dinge weniger als ein sterblicher Mensch -begreifen kann.« - -»Weil du nicht weißt, was meines Helden Schwert vor eine seltene -Kraft an sich haben wird. Wann er solche entblößet und nur einen -Streich in die Luft tut, so kann er einer ganzen Armada, wenngleich -sie hinter einem Berg stünde, auf einmal die Köpfe herunterhauen, -sodaß die armen Teufel ohne Kopf daliegen müssen, eh sie einmal -wissen wie ihnen geschehen. Er wird von einer Stadt zur andern -ziehen und das halsstarrig und ungehorsam Volk, Mörder, Wucherer, -Diebe, Schelme, Ehebrecher, Hurer und Buben ausrotten. Er wird jeder -Stadt ihren Teil Landes, um sie her gelegen, im Frieden zu regieren -übergeben. Von jeder Stadt durch ganz Deutschland wird er zween von -den klügsten und gelehrtesten Männern zu sich nehmen, aus denselben -ein Parlament machen, die Städte mit einander auf ewig vereinigen, -die Leibeigenschaften samt allen Zöllen, Accisen, Zinsen, Gülten und -Umgelten durch ganz Deutschland aufheben und solche Anstalten machen, -daß man von keinem Frohnen, Wachen, Contribuieren, Geldgeben, Kriegen, -noch einziger Beschwerung beim Volk mehr wissen wird. Alsdann werde ich -mit dem ganzen Götterchor oftmals herunter zu den Deutschen steigen und -die Musen von neuem darauf pflanzen. Ich will dann nur deutsch reden -und mit einem Wort mich so gut deutsch erzeigen, daß ich ihnen auch -endlich, wie vordem den Römern, die Beherrschung über die ganze Welt -werde zukommen lasse.« - -Ich sagte: »Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren dazu -sagen?« - -Er antwortete: »Hierum wird sich mein Held wenig bekümmern. Er wird die -Großen in drei Teile unterscheiden und diejenigen, so unexemplarisch -und verrucht leben, gleich den Gemeinen strafen, denen andern aber -wird er die Macht geben, im Land zu bleiben oder nicht. Wer bleibet -und sein Vaterland liebet, der wird leben müssen wie andere gemeine -Leute, die dritten aber, die ja Herren bleiben und immerzu herrschen -wollen, wird er durch Ungarn und Italien in die Moldau, Wallachei, in -Macedoniam, Thraciam, Griechenland, ja, über den Hellespontum in Asiam -hineinführen, ihnen dieselbigen Länder gewinnen, alle Kriegsgurgeln in -ganz Deutschland mitgeben und sie alldort zu lauter Königen machen. -Alsdann wird er Konstantinopel in einem Tag einnehmen und allen Türken, -die sich nicht bekehren, die Köpfe vor den Hintern legen. Daselbst -wird er das römische Kaisertum wieder aufrichten und sich wieder -nach Deutschland begeben und mit seinem Parlament eine Stadt mitten -in Deutschland bauen, welche viel größer sein wird und goldreicher -als Jerusalem zu Salomonis Zeiten, deren Wälle sich dem tirolischen -Gebirg und ihre Wassergräben der Breite des Meeres zwischen Hispania -und Afrika vergleichen sollen. Er wird einen Tempel darin bauen und -eine Kunstkammer aufrichten, darin sich alle Raritäten der ganzen Welt -versammeln.« - -Ich fragte den Narren, was dann die christlichen Könige bei der Sache -tun würden, und er antwortete: - -»Die in England, Schweden und Dänemark werden, weil sie deutschen -Geblütes und Herkommens, die in Hispania, Frankreich und Portugal, -weil die alten Deutschen selbige Länder hiebevor regieret haben, ihre -Kronen, Königreiche und inkorporierten Länder von der deutschen Nation -aus freien Stücken zu Lehen empfangen. Alsdann wird, wie zu Augusti -Zeiten, ein ewiger beständiger Friede zwischen allen Völkern in der -ganzen Welt sein.« - - - - -Das dritte Kapitel - - -Spring-ins-Feld hätte den Handel beinahe verderbet, weil er sagte: »Und -alsdann wirds in Deutschland hergehen wie im Schlauraffenland, da es -lauter Muskateller regnet und die Kreuzerpastetlein über Nacht wie die -Pfifferlinge wachsen! Da werd ich mit beiden Backen fressen müssen wie -ein Drescher, und Malvasier saufen, daß mir die Augen übergehen!« - -Da sagte Jupiter zu mir: »Ich habe vermeint, ich sei bei lauter -Waldgöttern, so sehe ich aber, daß ich den neidigen, dürren Tadler -~Momus~ und ~Zoilus~ angetroffen habe. Ja, man soll edle Perlen nicht -vor die Säue werfen!« - -Ich verbiß mein Lachen, so gut ich konnte, und sagte zu ihm: -»Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben Waldgottes -Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede nicht verhalten, wie es -weiter in Deutschland hergehen wird.« - -»O nein, aber befiehl diesem säuischen ~Commentatori~ fürderhin seine -Zunge im Zaum zu halten. -- Höre, lieber Ganymed, es wird alsdann -in Deutschland das Goldmachen so gewiß und so gemein werden als das -Hafnerhandwerk, daß schier ein jeder Roßbub den Stein der Weisen wird -umschleppen.« - -»Wie aber wird Deutschland bei so unterschiedlichen Religionen einen -langwierigen Frieden haben können? Werden die Pfaffen nicht die Ihrigen -hetzen und des Glaubens wegen wiederum einen Krieg anspinnen?« - -»Nein,« sagte Jupiter, »mein Held wird weislich zuvorkommen und alle -Glauben vereinigen.« - -»O Wunder! Das wäre ein groß Werk! Wie müßte das geschehen?« - -»Das will ich dir herzlich gern offenbaren: Nachdem mein Held den -Universal-Frieden der ganzen Welt verschafft, wird er geistliche und -weltliche Vorsteher der unterschiedlichen Völker und Kirchen mit -einem sehr beweglichen Sermon anreden und sie durch hochvernünftige -Gründe und unwiderlegliche Argumenta dahin bringen, daß sie sich -selbst eine allgemeine Vereinigung wünschen. Alsdann wird er die -allergeistreichsten, gelehrtesten und frömmsten von allen Orten und -Enden her aus allen Religionen zusammenbringen und ihnen auferlegen, -daß sie sobald immer möglich die Streitigkeiten ernstlich beilegen und -nachgehends mit rechter Einhelligkeit die wahre, heilige, christliche -Religion gemäß der heiligen Schrift, der uralten Tradition und der -probierten heiligen Väter Meinung schriftlich verfassen sollen. Wenn er -aber merken sollte, daß sich einer oder der andere von Teufel einnehmen -läßt, so wird er die ganze Versammlung wie in einem ~Conclave~ mit -Hunger quälen, und wann sie nicht daran wollen, ein so hohes Werk zu -befördern, so wird er ihnen allen vom Hängen predigen, daß sie eilands -zur Sache schreiten und mit ihren halsstarrigen, falschen Meinungen, -die Welt nicht mehr wie vor Alters foppen. - -Nach erlangter Einigkeit wird er ein großes Jubelfest anstellen und -der ganzen Welt diese geläuterte Religion publizieren. Welcher alsdann -darwider glaubet, den wird er mit Schwefel und Pech martyrisieren oder -einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken und dem Teufel zum neuen -Jahr schenken. - -Jetzt weißt du, lieber Ganymed, alles was du zu wissen begehrt hast.« - -Ich dachte bei mir selbst, der Kerl dörfte vielleicht kein Narr sein, -wie er sich stellet, sondern mirs kochen, wie ichs zu Hanau gemachet, -um desto besser von uns zu kommen. Derowegen gedachte ich ihn zornig -zu machen, weil man einen Narren am besten im Zorn erkennt, und wollte -ihm vorhalten, wie alle Götter in der weiten Welt vor so verrucht, -leichtfertig und stinkend als Diebe, Kuppler, Ehebrecher, Hanreien, -Wüteriche, Mörder und unverschämte Hurenjäger verschrieen seien, daß -man sie sonst nirgendshin als in des Augias Stall logieren wolle -- -da wurde mein Jupiter von einer seltsamen Unruhe ergriffen: Er zog in -Gegenwart meiner und der ganzen Partei ohn einzige Scham seine Hosen -herunter und stöberte die Flöhe daraus, welche ihn, wie man an seiner -sprenklichten Haut wohl sahe, schröcklich tribulieret hatten. - -»Schert euch fort, ihr kleinen Schinder,« sagte er, »ich schwöre euch -beim ~Styx~, das ihr in Ewigkeit nicht erhalten sollt, was ihr so -sorgfältig sollicitiert!« - -Ich fragte ihn, was er meine. Er antwortete, daß das Geschlecht der -Flöhe, als sie vernommen, er sei auf Erden, ihre Gesandten zu ihm -geschickt hätten, ihn zu komplimentieren. Sie hätten ihm darneben -vorgebracht, daß sie aus ihrem ~Territorio~, da man ihnen die -Hundshäute zu bewohnen zugesichert, durch die Weiber vertrieben worden -seien, gestalt manche ihr Schoßhündchen mit Bürsten, Kämmen, Seifen, -Laugen und anderen mörderischen Dingen durchstreift hätten, so daß sie -ihr Vaterland quittieren und andere Wohnungen hätten aufsuchen müssen. -So sie aber den Weibern in die Pelze gerieten, würden solche verirrte, -arme Tropfen übel tractieret, gefangen und nicht allein ermordet, -sondern auch zuvor zwischen den Fingern elendiglich gemartert und -zerrieben, daß es einen Stein erbarmen möchte. - -»Ja,« sagte Jupiter ferner, »sie brachten mir die Sache so beweglich -vor, daß ich Mitleiden mit ihnen haben mußte und also ihnen Hilfe -zusagte, jedoch mit dem Vorbehalt, daß ich die Weiber zuvor auch -hören möchte. Sie aber wandten vor, wann den Weibern erlaubet würde, -Widerpart zu halten, so wüßten sie wohl, daß sie mit ihren giftigen -Hundszungen entweder meine Frömmigkeit und Güte betäuben und die Flöhe -überschreien oder aber durch ihre lieblichen Worte und Schönheit mich -betören und zu einem falschen Urteil verleiten würden, mit fernerer -Bitte, ich wolle sie ihrer untertänigsten Treue genießen lassen, -welche sie auch allezeit erzeiget, indem sie doch jeweils am nächsten -dabei gewesen und am besten gewußt hätten, was zwischen mir und der -Io, Callisto, Europa, Semele und andern mehr vorgangen, hätten aber -niemals nichts aus der Schule geschwätzt, noch meiner Ehefrau ein -einzigs Wort gesaget, maßen sie sich einer solchen Verschwiegenheit -beflissen, wie dann kein Mensch bis dato von ihnen etwas dergleichen -erfahren hätte. Wann ich aber je zulassen wollte, daß die Weiber sie -in ihrem Bann jagen, fangen und nach Weidmannsrecht metzeln dörften, -so wäre ihre Bitte, zu gebieten, daß sie hinfort mit einem heroischen -Tod hingerichtet und entweder mit einer Axt wie Ochsen niedergeschlagen -oder wie ein Wildpret gefället würden, aber nicht mehr so schimpflich -zwischen den Fingern zerquetscht und geradbrecht werden sollten, was -allen ehrlichen Mannsbildern eine Schande wäre. Sonach erlaubte ich -ihnen, bei mir einzukehren, damit ich ein Urteil darnach fassen könne, -ob sie die Weiber allzuhützig tribulierten. Da fing das Lumpengesind -an mich zu geheien, daß ich sie habe, wie ihr sehet, wieder abschaffen -müssen.« - -Wir dorften nicht rechtschaffen lachen, weil wir stillhalten mußten -und weils der Phantast nicht gern hatte, wovon Spring-ins-Feld hätte -zerbersten mögen. Da zeigte unsere Hochwacht an, daß er in der Ferne -etwas kommen sähe. Ich stieg hinauf und gewahrte die Fuhrleute, denen -wir aufpaßten. Sie hatten dreißig Reuter zur ~Convoi~ bei sich, dahero -ich mir die Rechnung leicht machen konnte, daß sie nicht durch den -Wald, sondern übers freie Feld kommen würden, wiewohl es daselbst einen -bösen Weg hatte. - -Von unsrer Lägerstatt ging feldwärts eine Wasserrunze in einer Klämme -hinunter. Deren Ausgang besatzte ich mit zwenzig Mann, nahm auch selbst -meinen Stand bei ihnen, ließ aber Spring-ins-Feld zurück. Ich befahl -meinen Burschen, wann der ~Convoi~ hinkomme, daß jeder seinen Mann -gewiß nehmen sollte, und sagte auch jedem, wer Feuer geben und wer -seinen Schuß im Rohr zum Vorrat zu behalten habe. Etliche verwunderten -sich, ob ich wohl vermeine, daß die Reuter an einen Ort kommen -werden, wo sie nichts zu tun hätten und dahin wohl hundert Jahr kein -Baur gekommen sei. Aber ich brauchte keine Teufelskunst, sondern nur -Spring-ins-Feld, dann als der ~Convoi~, welcher ziemlich Ordnung hielt, -~recte~ gegen uns über vorbeipassieren wollte, fing Spring-ins-Feld so -schröcklich an zu brüllen wie ein Ochs und zu wiehern wie ein Pferd, -daß der ganze Wald widerhallte. Der ~Convoi~ hörets, gedachte Beute zu -machen und etwas zu erschnappen, sie ritten sämtlich so geschwind und -unordentlich in unsern Halt, als wann ein jeder der erste hätte sein -wollen, die beste Schlappe zu holen. Gleich im ersten Willkommen wurden -dreizehn Sättel geleeret und sonst noch etliche aus ihnen gequetscht. -Hierauf schrie Spring-ins-Feld: »Jäger hierher!« -- davon die Kerl -noch mehr erschröckt und irre wurden. Ich bekam sie alle siebzehn und -spannte vierundzwenzig Pferde aus. Doch hatten sich die Fuhrleute zu -Pferd aus dem Staub gemacht. Wir packten auf, dorften uns aber nicht -viel Zeit nehmen, die Wägen recht zu durchsuchen. - -Mein Jupiter lief aus dem Wald und schrie uns nach, bis ich ihn hinten -aufsetzen ließ, dann er nicht besser reuten konnte als eine Nuß. - -Also brachte ich meine Beute und Gefangenen den andern Morgen glücklich -nach Soest und bekam mehr Ehre und Ruhm von dieser Partei, als zuvor -nimmer. Jeder sagete: »Dies gibt wieder einen Johann de Werdt!« welches -mich trefflich kützelte. - - - - -Das vierte Kapitel - - -Meines Jupiter konnte ich nicht los werden, dann der Kommandant -begehrete ihn nicht, weil nichts an ihm zu rupfen war, sondern sagte, -er wollte ihn mir schenken. Also bekam ich einen eigenen Narren und -dorfte mir keinen kaufen. Kurz zuvor tribuliereten mich die Läuse, und -jetzt hatte ich den Gott der Flöhe in meiner Gewalt. Es war noch kein -Jahr vergangen, da mir die Buben nachliefen, und jetzt vernarreten -sich die Mägdlein aus Liebe gegen mich. Vor einem halben Jahr dienete -ich einem schlechten Dragoner, jetzt nannten mich zween Knechte ihren -Herrn. O wunderliche Welt, darinnen nichts Beständigeres ist als die -Unbeständigkeit! - -Damals zog der Graf von der Wahl als Obrister-Gubernator des -westfälischen Kreises aus allen Guarnisonen einige Völker zusammen, -eine Cavalcade durchs Stift Münster zu tun, vornehmlich aber zwo -Kompagnien hessischer Reuter im Stift Paderborn auszuheben, die -den Unsrigen daselbsten viel Dampfs antäten. Ich ward unter unsern -Dragonern mitkommandiert. Und als sie einzige Truppen zum Ham -gesammlet, gingen wir schnell vor und berannten gemeldter Reuter -Quartier, ein schlecht verwahrtes Städtlein, ehe die Unsrigen kamen. -Sie unterstunden durchzugehen, wir aber jagten sie wieder zurück in ihr -Nest. Es ward ihnen angeboten, ohne Pferd und Gewehr, jedoch mit dem -was der Gürtel beschließe zu passieren, sie aber wollten sich nicht -darzu verstehen, sondern sich mit ihren Karabinern wie Musketierer -wehren. Also kam es, daß ich noch dieselbe Nacht probieren mußte, -was ich vor Glück im Stürmen hätte. Wir leerten die Gassen bald, -weil niedergemacht ward, was sich im Gewehr befand, und weil sich die -Bürger nicht hatten wehren wollen. Also ging es mit uns in die Häuser. -Spring-ins-Feld sagte: »Wir müssen ein Haus vornehmen, vor welchem ein -großer Haufen Mist liegt, dann darin sitzen reiche Kauzen.« - -Darauf griffen wir ein solches an, Spring-ins-Feld visitierte den -Stall, ich aber das Haus mit Abrede, daß jeder mit dem andern parten -sollte. Also zündete jeder seinen Wachsstock an. Ich rief nach dem -Hausvater, kriegte aber keine Antwort, geriet indessen in eine Kammer -und fand dort nichts, als ein leer Bett und eine beschlossene Truhe. -Die hämmerte ich auf in der Hoffnung, etwas Kostbares zu finden. Aber -da ich den Deckel auftät, richtete sich ein kohlschwarzes Ding gegen -mich auf, welches ich vor den Lucifer selbst ansahe. - -Ich kann schwören, daß ich mein Lebtag nie so erschrocken bin, als eben -damals, da ich diesen schwarzen Teufel so unversehens erblickte. »Daß -dich der Donner schlag,« rief ich gleichwohl in solchem Schröcken und -zuckte mein Äxtlein, hatte doch das Herz nicht, ihms in den Kopf zu -hauen. - -»Min leve Heer, ick bidde ju doer Gott, schinkt mi min Levend!« - -Da hörete ich erst, daß es kein Teufel war, befahl ihm aus der Truhe -zu steigen und er stand vor mir in seiner Schwärze, nackend wie ihn -Gott geschaffen hatte, ein Mohr. Ich schnitt ein Stück von meinem -Wachsstock, gabs ihm zu leuchten und er führete mich in ein Stüblein, -da ich den Hausvater fand, der samt seinem Gesind dies lustige -Spektakul ansahe und mit Zittern um Gnade bat. Er händigte mir eines -Rittmeisters Bagage, darunter ein ziemlich wohlgespickt, verschlossen -Felleisen war, ein, mit Bericht, daß der Rittmeister und seine Leute -bis auf gegenwärtigen Mohren sich zu wehren auf ihre Posten gegangen -wären. Inzwischen hatte Spring-ins-Feld sechs schöne gesattelte Pferde -im Stall erwischt. - -Als hernach die Tore geöffnet, die Posten besetzt und unser -General-Feldzeugmeister Herr Graf von der Wahl eingelassen ward, nahm -er sein Logiment in ebendemselben Hause, darum mußten wir bei finsterer -Nacht ein ander Quartier suchen. Wir fanden eines und brachten den -Rest der Nacht mit Fressen und Saufen zu. Ich bekam vor mein Teil -den Mohren, die zwei besten Pferde, darunter ein spanisches war, auf -welchen ein Soldat sich gegen sein Gegenteil dorfte sehen lassen, mit -den ich nachgehends nicht wenig prangte. Aus dem Felleisen aber kriegte -ich unterschiedliche köstliche Ringe und in einer göldenen Kapsel -mit Rubinen besetzt des Prinzen von Uranien Conterfait, kam also mit -Pferden und allem über zwei hundert Dukaten. Vor den Mohren, der mich -am aller saursten ankommen war, ward mir von General-Feldzeugmeister, -als welchem ich ihn präsentierte, nicht mehr als zwei Dutzend Taler -verehret. - -Als wir demnach Recklinghausen zu kamen, nahm ich Erlaubnis, mit -Spring-ins-Feld meinem Pfaffen zuzusprechen, mit dem ich mich lustig -macht, da ich ihm erzählete, daß mir der Mohr den Schröcken, den er und -seine Köchin neulich empfunden, wieder eingetränkt hätte. Ich verehrete -ihm auch eine schöne schlagende Halsuhr zum freundlichen ~Valete~. - -Meine Hoffart vermehrete sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts -andres als mein Fall erfolgen konnte. - -Ungefähr eine halbe Stunde von Rehnen kampierten wir und erhielten -Erlaubnus, in demselben Städtlein etwas an unserm Gewehr flicken zu -lassen. Unser Meinung war, sich einmal rechtschaffen miteinander -lustig zu machen. Also kehreten wir im besten Wirtshaus ein und ließen -Spielleute kommen, die uns Wein und Bier hinuntergeigen mußten. Da ging -es ~in floribus~ her und blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe -tun möchte. Ich stellete mich nicht anders als wie ein junger Prinz, -der Land und Leute vermag und alle Jahre ein groß Geld zu verzehren -hat. Dahero ward uns besser als einer Gesellschaft Reuter aufgewartet, -die gleichfalls dort zehrete. Das verdroß sie und fingen an mit uns zu -kipplen. - -»Woher kommts, daß diese Stieglhupfer ihre Heller so weisen?« Dann sie -hielten uns vor Musketierer, maßen kein Tier in der Welt ist, das einem -Musketierer ähnlicher siehet, als ein Dragoner, und wann ein Dragoner -vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer wieder auf. - -Ein anderer Reuter meinete: »Jener Jüngling ist gewiß ein Strohjunker, -dem seine Mutter etliche Milchpfennige geschicket, die er jetzo -spendiert, damit ihm künftig irgendswo seine Kameraden aus dem Dreck -oder etwan durch den Graben tragen sollen.« - -Solches ward mir durch die Kellerin hinterbracht. Weil ichs aber nicht -selbst gehört, konnte ich anders nichts darzu tun, als daß ich ein -groß Bierglas mit Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller -rechtschaffenen Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen Alarm -darzu machen ließ, daß keiner sein eigen Wort hören konnte. Das verdroß -sie noch mehr, derowegen sagten sie offentlich: - -»Was Teufels haben doch die Stiegelhüpfer vor ein Leben!« - -Spring-ins-Feld antwortete: »Was gehts die Stiefelschmierer an?« -- Das -ging ihm hin, dann er sahe so gräßlich drein und machte so grausame und -bedrohliche Mienen, daß sich keiner an ihm reiben dorfte. - -Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einem ansehnlichen Kerl, der -sagte: »Wann sich die Maurenhofierer auf ihrem Mist (er vermeinte, wir -lägen in Guarnison stille) nicht so breit machen dörften, wo wollten -sie sich sonst sehen lassen? Man weiß ja wohl, daß jeder in offener -Feldschlacht unser Raub sein muß.« - -Ich antwortete: »Wir nehmen Städt und Festungen ein und verwahren sie, -dahingegen ihr Reuter auch vor dem geringsten Rattennest keinen Hund -aus dem Ofen locken könnet. Warum sollten wir uns dann in den Städten -nicht dörfen lustig machen?« - -Der Reuter gab dawider: »Wer Meister im Felde ist, dem folgen die -Festungen. Daß wir aber die Feldschlachten gewinnen müssen, folget aus -dem, daß ich so drei Kinder, wie du eins bist, mitsamt ihren Musketen -nicht allein nicht förchte, sondern ein Paar davon auf dem Hut stecken -und den dritten erst fragen wollte, wo seiner noch mehr wären. Und säße -ich bei dir, so wollte ich dem Junker zur Bestätigung ein paar Tachteln -geben.« - -Ich antwortete: »Ich vermein ein Paar so guter Pistolen zu haben als -du, wiewohl ich kein Reuter, sondern nur ein Zwitter zwischen ihnen -und den Musketierern bin. Schau, so hab ich Kind ein Herz, mit meiner -Musketen allein einen solchen Prahler zu Pferd, wie du einer bist, -gegen all sein Gewehr im freien Feld zu Fuß zu begegnen.« - -»Ach, du Kujon,« rief der andere, »ich halte dich vor einen Schelmen, -wann du nicht wie ein redlicher von Adel alsbald deinen Worten eine -Kraft gibst.« - -Hierauf warf ich ihm einen Handschuh zu. - -Wir zahleten den Wirt und der Reuter machte Karabiner und Pistolen, -ich aber meine Muskete fertig, und da er mit seinen Kameraden vor uns -an den bestimmten Ort ritt, sagte er zu Spring-ins-Feld, er solle -mir allgemach das Grab bestellen. Ich lachte hingegen, weil ich mich -vorlängst besonnen hatte, wie ich einem wohlmontierten Reuter begegnen -müßte, wann ich einmal zu Fuß mit meiner Musketen allein im weiten -Felde stünde. - -Da wir nun an den Ort kamen, wo der Betteltanz angehen sollte, hatte -ich meine Musketen bereits mit zweien Kugeln geladen, frisch Zündkraut -aufgerührt und den Deckel auf der Zündpfanne mit Unschlitt verschmiert, -wie vorsichtige Musketierer zu tun pflegen, wann sie Zündloch und -Pulver auf der Pfanne vor Regenwetter verwahren wollen. - -Eh wir nun aufeinander gingen, bedingten beiderseits die Kameraden, daß -wir uns im freien Felde angreifen und zu solchem End der eine von Ost, -der andre von West in ein umzäuntes Feld eintreten sollten, dann möge -jeder sein Bestes gegen den andern tun. Keiner von den Parteien sollte -sich unterstehen, seinem Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder -Beschädigung zu rächen. - -So gaben ich und mein Gegner einander die Hände und verziehen je einer -dem andern seinen Tod, unter welcher allerunsinnigsten Torheit, die je -ein vernünftiger Mensch begehen kann, ein jeder hoffte seiner Gattung -Soldaten das ~Prae~ zu erhalten, gleichsam als ob des einen oder -andern Teil Ehre und Reputation an dem Ausgang unseres trefflichen -Beginnens gelegen gewesen wäre. - -Ich trat mit doppelt brennender Lunte in angeregtes Feld, stellte mich, -als ob ich das alte Zündkraut im Gang abschütte, ich täts aber nicht, -sondern rührete nur Zündpulver auf den Deckel meiner Pfannen, bließ ab -und paßte mit zween Fingern auf der Pfanne auf, wie bräuchlich ist. Eh -ich noch meinem Gegenteil, der mich wohl im Gesicht hielt, das Weiße -in Augen sehen konnte, schlug ich auf ihn an und brannte mein falsch -Zündkraut auf dem Deckel vergeblich hinweg. Mein Gegner vermeinte, -die Muskete hätte mir versagt, und das Zündloch wäre mir verstopft, -sprengte dahero mit einer Pistole in der Hand gar zu gierig ~recte~ -auf mich dar. Aber eh er sichs versah, hatte ich die Pfanne offen und -wieder angeschlagen, hieß ihn auch dergestalt willkommen, daß Knall und -Fall eins war. - -Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden, die mich gleichsam -küssend empfingen. Die seinigen entledigten ihn aus den Steigbügeln und -täten gegen ihn und uns wie redliche Kerle, maßen sie mir auch meinen -Handschuh mit großem Lob wiederschickten. - -Aber da ich meine Ehre am größten zu sein schätzte, kamen -fünfundzwenzig Musketierer aus Rehnen, welche mich und meine Kameraden -gefangen nahmen. Ich zwar ward alsbald in Ketten und Banden geschlossen -und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei Leib- und -Lebensstrafe verboten waren. - - - - -Das fünfte Kapitel - - -Demnach unser General-Feldzeugmeister strenge Kriegsdisziplin zu halten -pflegte, besorgte ich, meinen Kopf zu verlieren. Meine Hoffnung stund -auf dem großen Ruf und Namen meiner Tapferkeit, so ich in blühender -Jugend durch Wohlverhalten erworben, doch war ich ungewiß, weil -dergleichen tägliche Händel erforderten ein ~Exemplum~ zu statuieren. - -Die Unsrigen hatten damals ein festes Rattennest berannt, waren aber -abgeschlagen, da der Feind wußte, daß wir kein grob Geschütz führten. -Derowegen ruckte unser Graf von der Wahl mit dem ganzen ~Corpo~ vor -besagten Ort, begehrete durch einen Trompeter abermal die Übergabe, -drohete zu stürmen. Es erfolgte aber nichts als ein Schreiben: - -»Hochwohlgeborener Graf etc. wissen dero hohen Vernunft nach, wie -übelanständig, ja unverantwortlich es einem Soldaten fallen würde, wenn -er einen so festen Ort dem Gegenteil ohn sonderbare Not einhändigte. -Weswegen Eure Hochgräfliche Exzellenz mir dann hoffentlich nicht -verdenken werden, wann ich mich befleißige zu verharren, bis die Waffen -Eurer Exzellenz dem Orte zugesprochen. Kann aber meine Wenigkeit dero -außerhalb Herrendiensten in ichtwas zu gehorsamen die Gelegenheit -haben, so werde ich sein Eurer Exzellenz allerdienstwilligster Diener - - N. N.« - -Den Ort liegen zu lassen war nicht ratsam, zu stürmen ohn eine Presse -hätte viel Blut gekostet und wäre doch noch mißlich gestanden, ob -mans übermeistert hätte. Die Stücke und alles Zugehör von Münster -und Ham herzuholen, da wäre viel Mühe, Zeit und Unkosten darauf -geloffen. Indem man bei Groß und Klein ratschlagte, fiel mir ein, ich -sollte mir diese Occasion zu Nutz machen, um mich zu erledigen. Ich -ließ meinen Obrist-Leutenant wissen, daß ich Anschläge hätte, durch -welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen wäre, wann ich nur -Pardon erlangen und wieder auf freien Fuß gestellt werden könnte. Da -lachten etliche: wer hangt, der langt! Andere, die mich kannten, auch -der Obrist-Leutenant selbst glaubten mir, weswegen er sich in eigener -Person an den General-Feldzeugmeister wandte. Der hatte hiebevor auch -vom Jäger gehöret, ließ mich holen und solange meiner Bande entledigen. -Als er mich fragte, was mein Anbringen wäre, antwortete ich: - -»Gnädiger Herr etc., obzwar mein Verbrechen und Eurer Exzellenz -rechtmäßig Gebot und Verbot mir beide das Leben absprechen, so -heißet mich doch meine alleruntertänigste Treue, die ich dero -römischen kaiserlichen Majestät meinem allergnädigsten Herrn bis in -den Tod zu leisten schuldig bin, dem Feind einen Abbruch zu tun und -erstallerhöchst gedachter römischer kaiserlicher Majestät Nutzen und -Kriegswaffen zu befördern ...« - -Der Graf fiel mir in meine allerschönste Rede: »Hast du mir nicht -neulich den Mohren gebracht?« - -»Ja, gnädiger Herr.« - -»Wohl, dein Fleiß und Treue möchten vielleicht meritieren, dir das -Leben zu schenken. Was hast du aber vor einen Anschlag?« - -»Weil der Ort vor grobem Geschütz nicht bestehen kann, so hält meine -Wenigkeit davor, der Feind werde bald accordieren, wann er nur -eigentlich glaubte, daß wir Stücke bei uns haben.« - -»Das hätte mir wohl ein Narr gesagt,« fiel der Graf ein. »Wer wird sie -aber überreden, solches zu gläuben?« - -»Ihre eigenen Augen. Ich habe ihre hohe Wacht mit meinem Perspektiv -gesehen. Die kann man betrügen, wann man nur etliche Holzblöcke, den -Brunnenrohren gleich, auf Wägen ladet, dieselben mit großem Gespann in -das Feld führet und hiebevor ein Stückfundament aufwerfen lässet.« - -»Mein liebes Bürschchen, es seind keine Kinder darin. Die werden die -Stück auch hören wollen, und wann der Posse dann nicht angeht, so -werden wir von aller Welt verspottet.« - -»Gnädiger Herr, ich will schon Stücke in ihre Ohren lassen klingen, -wann ich nur ein paar Doppelhacken und ein ziemlich groß Faß haben -kann. Sollte man aber wider Verhoffen nur Spott daraus erlangen, so -werde ich, der Erfinder, denselben mit meinem Leben aufheben.« - -Obzwar nun der Graf nicht dran wollte, so persuadierte ihn jedoch mein -Obrist-Leutenant dahin, daß er sagte, ich sei in dergleichen Sachen -glückselig. Der Graf willigte endlich ein und meinte im Scherz zu ihm, -die Ehre so er damit erwürbe, sollte ihm allein zustehen. - -Also wurden drei Blöcke zuwegen gebracht und vor jeden vierundzwenzig -Pferde gespannt, die führeten wir gegen Abend dem Feind ins Gesicht, -dreien Doppelhacken gab ich zweifache Ladung, die ließ ich durch -ein Stückfaß losgehen, gleich ob es drei Losungsschüsse hätten sein -sollen. Das donnerte dermaßen, daß jedermann Stein und Bein geschworen -hätte, es wären Quartierschlangen oder halbe Kartaunen. Unser -General-Feldzeugmeister mußte der Gugelfuhre lachen und ließ dem Feind -abermals einen Accord anbieten mit Anhang, wann sie sich nicht noch -diesen Abend bequemen würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so gut -werden sollte. - -Darauf wurden alsbald beiderseits Geißeln geschickt, der Accord -geschlossen und uns noch dieselbige Nacht ein Tor der Stadt eingegeben. --- Das kam mir trefflich gut, dann der Graf schenkte mir nicht allein -das Leben und ließ mich noch selbige Nacht auf freien Fuß stellen, -sondern er befahl dem Obrist-Leutenant in meiner Gegenwart, daß er -mir das erste Fähnlein, so ledig würde, geben sollte. Das kam dem -Obrist-Leutenant ungelegen, dann er hatte der Vettern und Schwäger so -viel. - -Ich fing an mich etwas reputierlicher zu halten als zuvor, weil ich -so stattliche Hoffnungen hatte, und gesellete mich allgemach zu den -Offizierern und jungen Edelleuten, die eben auf dasjenige spanneten, -was ich in Bälde zu kriegen mir einbildete. Sie waren deswegen meine -ärgsten Feinde und stelleten sich doch als meine besten Freunde gegen -mich. So war mir der Obrist-Leutenant nicht gar grün, weil er mich -vor seinen Verwandten hätte befördern sollen. Mein Hauptmann war mir -abhold, dann ich mich an Pferden, Kleidern und Gewehr viel prächtiger -hielt als er. Also hassete mich auch mein Leutenant wegen eines -einzigen Wortes halber, das ich neulich unbedachtsam hatte laufen -lassen. Wir waren miteinander in der letzten Cavalcada kommandiert, -eine gleichsam verlorene Wacht zu halten. Als nun die Schildwacht an -mir war, kroch der Leutenant auch auf dem Bauch zu mir und sagete: -»Schildwacht, merkst du was?« Ich antwortete: »Ja, Herr Leutenant.« -- -»Was da! Was da!« sagte er. -- »Ich merke, daß sich der Herr förchtet.« -Von dieser Zeit an hatte ich keine Gunst mehr bei ihm, und wo es am -ungeheuersten war, ward ich zum ersten hinkommandiert. Nicht weniger -feindeten mich die Feldwaibel an, weil ich ihnen allen vorgezogen ward. -Was aber gemeine Knechte waren, die fingen auch an in ihrer Liebe und -Freundschaft zu wanken, weil es das Ansehen hatte, als ob ich sie -verachte, indem ich mich nicht sonderlich mehr zu ihnen, sondern zu den -großen Hansen gesellete. Ich lebte eben dahin wie ein Blinder in aller -Sicherheit und ward je länger, je hoffärtiger. - -Ich scheuete mich nicht einen Koller von sechzig Reichstalern, rote -scharlachene Hosen und weiße atlassene Ärmel, überall mit Gold -und Silber verbrämt, zu tragen, welche Tracht damals den höchsten -Offizierern anstund. Ich war ein schröcklich junger Narr, daß ich den -Hasen so laufen ließ, dann hätte ich mich anders gehalten und das -Geld, das ich so unnützlich an den Leib hing, an gehörige Ort und Ende -verschmieret, so hätte ich nicht allein das Fähnlein bald bekommen, -sondern mir auch nicht so viel zu Feinden gemacht. - -Nichts vexierte mich mehr, als daß ich mich nicht als Edelmann wußte, -damit ich meinen Knecht und Jungen auch in meine Livrei hätte kleiden -können. Und ich gedachte, alle Dinge hätten ihren Anfang -- wann du ein -Wappen hast, so hast du schon ein eigne Livrei, und wann du Fähnrich -wirst, so mußt du ja ein Petschier haben, wannschon du kein Junker -bist. Ich ließ mir also durch einen ~Comitem Palatinum~ ein Wappen -geben. Das waren drei rote Larven in einem weißen Feld und auf dem -Helm das Brustbild eines jungen Narren in kälbernem Habit mit ein Paar -Eselsohren, vorn mit Schellen gezieret. Und dünket mich wahrlich schon -jetzt keine Sau zu sein. So mich jemand damit hätte foppen wollen, so -wären ihm ohn Zweifel Degen und ein Paar Pistolen präsentieret worden. - -Wiewohl ich damals noch nichts nach dem Weibervolk fragte, so ging -ich doch gleichwohl mit denen von Adel, wann sie irgends Jungfern -besuchten, mich sehen zu lassen und mit meinen schönen Haaren, -Kleidern und Federbüschen zu prangen. Ich muß gestehen, daß ich andern -vorgezogen wurde, aber auch, daß verwöhnte Schleppsäcke mich einem -wohlgeschnitzten hölzernen Bild verglichen, an welchem außer der -Schönheit sonst weder Kraft noch Saft wäre. Ich sagte, so man mich der -holzböckischen Art und Ungeschicklichkeit halber anstach, daß mirs -genug sei, wann ich noch zur Zeit meine Freude an einem blanken Degen -und einer guten Muskete hätte. Die Frauenzimmer billigten auch solche -Reden, da keiner war, der das Herz hatte, mich heraus zu fordern oder -Ursach zu ein Paar Ohrfeigen oder sonst ziemlich empfindlichen Worten -zu geben, zu denen ich mich bereit zeigte. - - - - -Das sechste Kapitel - - -Wann ich so durch die Gassen daherprangete und mein Pferd unter mir -tanzte, da sagte das alberne Volk wohl: »Sehet, das ist der Jäger! Min -God, wat vor en prave Kerl is nu dat!« Ich spitzte die Ohren gewaltig -und ließ mirs gar sanft tun. Aber ich Narr hörete meine Mißgönner -nicht, die mir ohn Zweifel wünschten, daß ich Hals und Bein bräche. -Verständige Leute hielten mich gewißlich vor einen jungen Lappen, -dessen Hoffart notwendig nicht lang dauern würde. - -Meine Gewohnheit war, herum zu terminieren und alle Wege und Stege, -alle Gräben, Moräste, Büsche und Wasser zu bereiten, um vor eine -künftige Occasion des Orts Gelegenheit so offensive als defensive -zu Nutz machen zu können. Einst ritt ich unweit der Stadt bei einem -alten Gemäuer vorüber, darauf vor Zeiten ein Haus gestanden. Ich drang -mit meinem Pferd in den Hof ein, zu sehen, ob man sich auch auf den -Notfall zu Pferd darin salvieren könne. Als ich nun bei dem Keller, -dessen Gemäuer noch rund umher aufrecht stund, vorüberreiten wollte, -war mein Pferd, das sonst im geringsten nichts scheute, weder mit Liebe -noch Leid dahin zu bringen. Ich stieg ab und führete es an der Hand -die verfallene Kellersteigen hinunter, wovor es doch scheuete, damit -ich mich ein andermal darnach richten könnte. Mit guten Worten und -Streichen brachte ich es endlich so weit, indem ward ich gewahr, daß -es vor Angst schwitzte und die Augen stets nach der Ecke des Kellers -richtete, dahin es am allerwenigsten wollte, ob ich auch gleich nichts -gewahrete. Ich stund mit Verwunderung, und wie mein Pferd je länger, -desto ärger zitterte, da kam mich ein solches Grausen an, als ob man -mich bei den Haaren aufzöge und einen Kübel voll kalt Wasser über mich -abgösse. Mein Pferd stellete sich immer seltsamer, doch konnte ich -nichts sehen, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte, als ich -müßte vielleicht mitsamt dem Pferd verzaubert sein. Derowegen wollte -ich wieder zurück, aber mein Pferd folgte mir nicht. Dahero ward ich -noch ängstlicher und so verwirrt, daß ich schier nicht wußte, was ich -tät. Zuletzt nahm ich meine Pistole auf den Arm und band mein Pferd an -eine Holderstockwurzel, der Meinung, aus dem Keller zu gehen und Leute -zu suchen, die meinem Pferde heraushülfen. Indem fällt mir ein, ob -nicht in dem Gemäuer vielleicht ein Schatz läge, dahero es so ungeheuer -sein möchte. Ich sehe mich um, sonderlich nach der Ecke, dahin mein -Pferd nicht wollte, und ward eines Stückes im Gemäuer gewahr, so groß -als ein gemeiner Kammerladen, welches in Farbe und Arbeit dem andern -Gemäuer nicht allerdings glich. Ich wollte hinzugehen, da sträubten -sich alle meine Haare gen Berg und das bestärket mich in der Meinung, -daß ein Schatz verborgen sein müsse. - -Hundertmal lieber hätte ich Kugel gewechselt, als mich in solcher Angst -befunden. Ich ward gequält und wußte doch nicht recht von wem, dann ich -sahe oder hörte nichts. Ich wollte durchbrennen, vermochte aber die -Stiegen nicht hinauf zu kommen, weil mich eine starke Luft aufhielt. Da -lief mir die Katze wohl den Buckel hinauf! Zuletzt fiel mir ein, ich -sollte meine Pistole lösen, damit mir die Bauren im Feld zuliefen. Ich -war so erzörnt oder viel mehr desperat, da ich sonst kein Mittel noch -Hoffnung sahe, aus diesen ungeheuern Wunderort zu kommen, daß ich mich -gegen den Ort kehrete, wo ich die Ursache meiner seltsamen Begegnus -vermeinete, und traf obgemeldtes Gemäuerstück mit zweien Kugeln so -hart, daß es ein Loch gab, zwo Fäuste groß. - -Als der Schuß geschehen, wieherte mein Pferd und spitzte die Ohren, -was mich herzlich erquickte. Ich faßte einen frischen Mut und ging ohn -Forcht zu dem Loch, da brach die Maur vollends ein. Ich fand einen -reichen Schatz an Silber, Gold und Edelsteinen. Es waren aber sechs -Dutzend altfränkische silberne Tischbecher, ein großer göldner Pokal, -etliche Duplet, eine altfränkische göldene Kette, unterschiedliche -Diamanten, Rubine, Saphire und Smaragde, alles in Ringe und Kleinodien -gefasset, ~item~ ein ganz Lädlein voll großer Perlen, aber alle -verdorben und abgestanden, dann ein verschimmelter lederener Sack mit -achtzig von den ältesten Joachimsthalern aus feinem Silber, sodann 893 -Goldstücke mit dem französischen Wappen und einem Adler. Dieses Geld, -die Ringe und Kleinodien steckte ich in meine Hosensäcke, Stiefeln, -Hosen und Pistolenhalftern und, weil ich keinen Sack bei mir hatte, -schnitt ich meine Schabracke vom Sattel und füllete sie zwischen Zeug -und Futter mit Silber- und Goldbechern, hing die gölden Kette um den -Hals, saß fröhlich zu Pferd und wandte mich meinem Quartier zu. Wie -ich aber aus dem Hof kam, rissen zween Bauren vor mir eilends aus, ich -ereilete sie leichtlich, weil ich sechs Füße und ein eben Feld hatte -und rief sie an. Da erzählten sie mir, daß sie vermeinet hätten, ich -wäre das Gespenst, das in gegenwärtigem, ödem Edelhof wohne und Leute, -die zu nahe kämen, elendiglich zu traktieren pflege. Aus Furcht vor -dem Ungeheuer käme oft in vielen Jahren kein Mensch an diesen Ort. -Die gemeine Sage ginge im Land, es wäre ein eiserner Trog voller -Geldes darin, den ein schwarzer Hund hüte zusamt einer verfluchten -Jungfer. Sollte aber ein fremder Edelmann, der weder seinen Vater noch -seine Mutter kenne, ins Land kommen, so werde er die Jungfer erlösen, -den eisernen Trog mit einem feurigen Schlüssel aufschließen und das -verborgene Geld davonbringen. Derlei alberne Fabeln erzählten sie -mir noch viel. Ich fragte, was sie dann beide da gewollt hätten. Sie -sagten, sie hätten einen Schuß samt einem lauten Schrei gehöret, da -seien sie zugeloffen. Sie wollten viel Dings von mir wissen, und ich -hätte ihnen sattsam Bären aufbinden können, aber ich konnte schweigen -und ritt meines Wegs in mein Quartier. -- - -Diejenigen, die wissen, was Geld ist, und dahero solches vor ihren -Gott halten, haben dessen nicht geringe Ursach, dann ist jemand in der -Welt, der des Geldes Kräfte und beinahe göttliche Tugenden erfahren -hat, so bin es ich: Ich weiß wie einem zu Mut ist, der einen ziemlichen -Vorrat hat, und wie der gesinnet sei, der keinen einzigen Heller -vermag. Kräftiger als alles Edelgestein ist Geld, dann es vertreibet -die Melancholei wie der Diamant, es machet Lust und Beliebung zu den -~Studiis~ wie der Smaragd, darum werden gemeiniglich mehr reicher als -armer Leute Kinder Studenten; es nimmt hinweg Forchtsamkeit, machet den -Menschen fröhlich und glückselig wie der Rubin; oft ist es dem Schlafe -hinderlich, wie die Granate; hingegen hat es auch eine große Kraft, -die Ruhe und den Schlaf zu befördern, wie der Hyazinth; es stärket das -Herz und machet den Menschen freudig, sittsam, frisch und mild wie -der Saphir und Amethyst; es vertreibet böse Träume, machet fröhlich, -schärfet den Verstand und so man mit jemand zanket, machet es, daß man -sieget wie der Sardonyx, vornehmlich wann man den Richter brav damit -schmieret; es löschet die geile Begierden, weil man schöne Weiber um -Geld kriegen kann. In Kürze, es ist nicht auszusprechen, was das liebe -Geld vermag, wann man es nur richtig brauchen und anzulegen weiß. - -Das meinige war seltsamer Natur, es machte mich hoffärtiger, es -hinderte mir den Schlaf, es machte mich zu einem bekümmerten -Rechenmeister, es machte mich geizig. - -Einmal kam mirs in Sinn, ich sollte den Krieg quittieren, mich irgends -hinsetzen und mit einem schmutzigen Maul zum Fenster aussehen, dann -gereuete mich aber wieder mein freies Soldatenleben und die Hoffnung, -ein großer Hans zu werden. Oder verwünschete ich wiederum mein -unvollkommen Alter und ich sagte zu mir selber, dann so nähmest du eine -schöne, junge, reiche Frau und kauftest du irgendeinen adeligen Sitz -und führtest ein geruhiges Leben. Allein ich war noch viel zu jung. - -Damals hatte ich meinen Jupiter noch bei mir, der redete zu Zeiten sehr -subtil und war etliche Wochen gar klug, hatte mich auch über alle Maßen -lieb. Er warnete mich: »Liebster Sohn, schenkt euer Schindgeld, Gold -und Silber hinweg!« - -»Warum, mein lieber Jove?« - -»Darum, damit Ihr Euch Freunde dadurch machet und Eurer unnützen Sorgen -los werdet. Lasset die Schabhälse geizig sein. Haltet Euch, wie es -einem jungen, wackeren Kerl zustehet!« - -Ich dachte der Sache nach. Zuletzt verehrete ich dem Kommandanten -ein paar silberner und vergöldter Duplet, meinem Hauptmann ein paar -silberner Salzfässer, aber es wurde ihnen das Maul nach dem Übrigen -nur wässeriger, weil es rare Antiquitäten waren. Meinem getreuen -Spring-ins-Feld schenkte ich zwölf Reichstaler. Auch er riet mir, ich -solle meinen Reichtum von mir tun, dann die Offizierer sähen nicht -gern, daß der gemeine Mann mehr Geld hätte als sie. Auch wären etlich -um Geldes halber heimlich ermordet worden. Es ginge um im ganzen Läger, -und jeder mache den gefundenen Schatz größer, als er an sich selbst -sei, er müsse oft hören, was unter den Burschen vor ein Gemürmel gehe. -Er ließe Krieg Krieg sein, und setzte sich irgendwo in Sicherheit. - -Ich sagte zu ihm: »Höre, Bruder, wie kann ich die Hoffnung auf mein -Fähnlein so leicht in den Wind schlagen!« - -»Hol mich dieser und jener, wann du ein Fähnlein bekommst. So die -andern sehen, daß ein Fähnlein ledig, möchten sie tausendmal eh dir den -Hals brechen helfen. Lerne mich nur keine Karpfen kennen, mein Vater -war ein Fischer!« - -Ich erwog diese und meines Jupiters Reden und bedachte, daß ich keinen -einzigen angeborenen Freund hätte, der sich meiner in Nöten annehmen, -oder meinen Tod rächen würde. -- Indem sich nun eben eine Gelegenheit -präsentierte, daß ich mit hundert Dragonern, etlichen Kaufleuten und -Güterwägen von Münster nach Köln convoieren mußte, packte ich meinen -Schatz zusammen und übergab ihn einen von den vornehmsten Kaufleuten zu -Köln gegen spezifizierte Handschrift aufzuheben. Meinen Jupiter brachte -ich auch dahin, weil er in Köln ansehnliche Verwandte hatte, gegen die -er meine Guttaten rühmete, daß sie mir viel Ehre erwiesen. - - - - -Das siebente Kapitel - - -Auf dem Zurückweg machte ich mir allerhand Gedanken, wie ich mich -ins Künftige halten wollte, damit ich doch jedermanns Gunst erlangen -möchte, dann Spring-ins-Feld hatte mir einen Floh ins Ohr gesetzt -und mich zu glauben persuadieret, als ob mich jedermann neide. Ich -verwunderte mich, daß alle Welt so falsch sei, mir lauter gute -Wort gebe und mich doch nicht liebe. Derowegen gedachte ich mich -anzustellen wie die andern und zu reden, was jedem gefiele, auch jedem -mit Ehrerbietung zu begegnen, obschon es mir nicht ums Herz wäre. -Vornehmlich aber merkte ich klar, daß meine eigene Hoffart mich mit -den meisten Feinden beladen hatte, deswegen wollte ich mich fürder -demütig stellen, obschon ichs nicht sei, mit den gemeinen Kerlen wieder -unten und oben liegen, vor den Höheren aber den Hut in Händen tragen, -mich der Kleiderpracht enthalten, bis ich etwan meinen Stand änderte. -Ich hatte mir von meinem Kaufmann in Köln hundert Taler geben lassen, -dieselben gedachte ich unterwegs dem ~Convoi~ halb zu verspendieren. -Solcher Gestalt war ich entschlossen, mich zu ändern und auf diesem Weg -schon den Anfang zu machen. Ich machte aber die Zeche ohn dem Wirt. - -Da wir durch das bergische Land passieren wollten, lauerten uns an -einem sehr vortelhaften Ort 80 Feuerröhrer und 50 Reuter auf, eben als -ich selbfünft mit einem Korporal geschickt ward voran zu reuten. Der -Feind hielt sich still, als wir in seinen Halt kamen, ließ uns auch -passieren, damit der ~Convoi~ nicht gewarnet würde, bis er auch in -die Enge käme. Da wir den Hinterhalt merkten und umkehrten, gingen -sie beiderseits los und fragten, ob wir Quartier wollten. Ich hatte -mein bestes Roß unter mir, schwang mich herum auf eine kleine Ebene, -zu sehen, ob da Ehre einzulegen sei, indessen hörete ich stracks an -der Salve, welche die Unsrigen empfingen, was die Glocke geschlagen, -trachtete derowegen nach der Flucht, aber ein Kornet hatte uns den Paß -abgeschnitten. Indem ich mich durchhauen wollte, bot er mir, weil er -mich vor einen Offizier ansahe, nochmals Quartier an, und ich besann -mich, das Leben davon zu bringen. - -Also präsentierte ich ihm den Degen. Er fragte mich, was ich vor einer -sei, er sehe mich vor einen Edelmann und Offizier an. Da ich ihm -antwortete, ich werde der Jäger von Soest genannt, sagte er: »Da hat Er -gut Glück, daß Er uns nicht vor vier Wochen in die Hände geraten, dann -zur selben Zeit hätte ich Ihm kein Quartier halten können, dieweil man -Ihn bei uns vor einen offentlichen Zauberer gehalten hat.« - -Dieser Kornet war ein tapferer, junger Kavalier, es freuete ihn -trefflich, daß er die Ehre hatte, den berühmten Jäger gefangen zu -haben, deswegen hielt er mir das versprochene Quartier sehr ehrlich -und auf holländisch, deren Brauch ist, den gefangenen Feinden von dem, -was der Gürtel beschleußt, nichts zu nehmen. Da es an ein Parten ging, -sagete ich ihm heimlich, er sollte sehen, daß ihm mein Pferd, Sattel -und Zeug zuteil würde, dann im Sattel dreißig Dukaten seien und das -Pferd ohndas seinesgleichen schwerlich hätte. Davon ward mir der Kornet -so hold, als ob ich sein leiblicher Bruder wäre, er saß auch gleich auf -mein Pferd und ließ mich auf dem seinigen reuten. - -Schweden und Hessen gingen noch am selbigen Abend in ihre -unterschiedlichen Guarnisonen mit ihrer Beute und den Gefangenen. -Mich und den Korporal samt noch dreien Dragonern behielt der Kornet -und führet uns in eine Festung, die nicht gar zwei Meilen von unserer -Guarnison lag. Und weil ich hiebevor demselben Ort viel Dampfs angetan, -war mein Name daselbst wohl bekannt, ich selber aber mehr geförcht als -geliebt. Der Kornet schickte einen Reuter voran, dem Kommandanten zu -verkünden, wie es abgeloffen und wen er gefangen brächte. Davon gab -es ein Geläuf in der Stadt, das nit auszusagen, weil jeder den Jäger -gern sehen wollte, und war nicht anders anzusehen, als ob ein großer -Potentat seinen Einzug gehalten hätte. - -Wir wurden zum Gewaltiger geführt, doch ward es dem Kornet erlaubt, uns -zu gastieren, weil ich hiebevor meinen Gefangenen, darunter sich des -Kornets Bruder befunden, auch solcher Gestalt diskret begegnet war. -Da nun der Abend kam, fanden sich unterschiedlich Offizierer, sowohl -Soldaten von Fortun, als geborenen Kavaliers ein, und ich ward, die -Wahrheit zu bekennen, von ihnen überaus höflich traktiert. Ich machte -mich so lustig, als ob ich nichts verloren gehabt, und ließ mich so -vertreulich und offenherzig vernehmen, als ob ich nicht in Feindeshand, -sondern bei meinen besten Freunden wäre. Dabei beflisse ich mich -der Bescheidenheit, dann ich konnte mir leicht einbilden, daß dem -Kommandanten mein Verhalten notifiziert würde. - -Den andern Tag wurden wir Gefangenen von dem Regimentsschulzen -examiniert. Sobald ich in den Saal trat, verwunderte er sich über meine -Jugend und sagte: »Mein Kind, was hat dir der Schwede getan, daß du -wider ihn kriegest?« - -Das verdroß mich, antwortete derhalben: »Die schwedischen Krieger -haben mir meine Schnellküglein und mein Steckenpferd genommen, die -wollte ich gern wieder haben.« - -Da ich ihn so bezahlete, schämten sich seine beisitzenden Offizierer, -maßen einer auf Latein sagte, er solle von ernstlichen Sachen mit -mir reden, er hätte kein Kind vor sich, und ich merkte dabei, daß -er Eusebius hieße. Darauf fragte er mich nach meinem Namen, und als -ich ihn genannt, sagte er: »Es ist kein Teufel in der Hölle, der -~Simplicissimus~ heißet.« - -Ich antwortete, so sei auch vermutlich keiner in der Höllen, der -Eusebius hieße, was aber von den Offizierern nicht am besten -aufgenommen ward, dann sie erinnerten mich, daß ich ihr Gefangener sei -und nicht scherzenshalber wäre hergeholet worden. - -Ich ward dieses Verweises wegen darum nicht rot, bat auch nicht um -Verzeihung, sondern gab zurück, weil sie mich vor einen Soldaten -gefangen hielten und nicht vor ein Kind wieder laufen lassen würden, so -hätte ich mich nicht versehen, als ein Kind gefoppt zu werden. Wie man -mich gefraget, so hätte ich geantwortet. - -Darauf ward ich um mein Vaterland, Herkommen, Geburt examiniert, -vornehmlich aber ob ich auf schwedischer Seite gedienet hätte, ~item~ -wie es in Soest beschaffen. Ich antwortete auf alles behend, wegen -Soest und selbiger Guarnison aber soviel, als ich zu verantworten -getrauet. - -Indessen erfuhr man zu Soest, wie es mit dem ~Convoi~ abgeloffen, -derhalben kam gleich am andern Tag ein Trommelschläger, uns abzuholen. -Dem wurden der Korporal und die andern drei ausgefolgt und ein -Schreiben mitgegeben, das mir der Kommandant zu lesen überschickte. - -»Monsieur etc. Auf Ihr Schreiben schicke ich gegen empfangene Ranzion -den Korporal samt den übrigen drei Gefangenen. Was aber ~Simplicium~, -den Jäger, anbelanget, kann selbiger, weil er hiebevor auf dieser -Seite gedienet, nicht hinübergelassen werden. -- Kann ich aber dem -Herren im übrigen außerhalb Herrenpflichten in etwas bedienet sein, so -hat derselbe in mir einen willigen Diener, als der ich soweit bin und -verbleibe dem Herren dienstwilliger - - ~N. de S. A.~« - -Dieses Schreiben gefiel mir nicht halb und ich mußte mich doch für die -Mitteilung bedanken. Ich begehrete mit dem Kommandanten zu reden, bekam -aber zur Antwort, daß er schon selbst nach mir schicken würde. - -Das geschahe und mir widerfuhr das erste Mal die Ehre, an seiner -Tafel zu sitzen. Solang man aß, ließ er mir mit dem Trunk zusprechen, -gedachte aber weder klein noch groß von demjenigen, was er mit mir -vorhatte. Demnach man abgegessen und nur ein ziemlicher Dummel -aufgehängt war, sagte er: »Lieber Jäger, Ihr habet aus meinem Schreiben -verstanden, unter was vor ein ~Prätext~ ich Euch hier behalte. Ich -habe nichts vor, das wider ~Raison~ oder Kriegsbrauch wäre. Ihr -habet selbst gestanden, daß Ihr hiebevor auf unserer Seite bei der -Hauptarmee gedienet, werdet Euch derhalben resolvieren müssen, unter -meinem Regiment Dienst zu nehmen. So will ich Euch mit der Zeit -dergestalt accommodieren, dergleichen Ihr bei der kaiserlichen Armee -nimmer hättet hoffen dörfen. Widrigen Falls ich Euch wieder demjenigen -Obrist-Leutenant überschicke, welchen Euch die kaiserlichen Dragoner -abgefangen haben.« - -Ich antwortete: »Hochgeehrter Herr Obrister (dann damals war noch -nicht Brauch, daß man Soldaten von Fortun »Ihr Gnaden« titulierte) ich -hoffe, weil ich weder der Krone Schweden noch deren Konföderierten, -viel weniger dem Obrist-Leutenant niemalen mit Eid verpflichtet, -sondern nur ein Pferdejung gewesen, daß dannenhero ich nicht verbunden -sei, schwedische Dienste anzunehmen und dadurch den Eid zu brechen, den -ich dem römischen Kaiser geschworen, derowegen ich hochgeboren Herrn -Obristen allergehorsamst bitte, er beliebe mich dieser Zumutung zu -überheben.« - -»Was, verachtet Ihr dann schwedische Dienste? Eh' ich Euch wieder nach -Soest lasse, dem Gegenteil zu dienen, eh' will ich Euch einen andern -Proceß weisen oder im Gefängnus verderben lassen.« - -Ich erschrak zwar über diese Worte, gab mich aber doch nicht, sondern -antwortete: Gott wolle mich vor solcher Verachtung sowohl als vor dem -Meineid behüten. Im übrigen stünde ich in untertäniger Hoffnung, der -Herr Obrist würde mich seiner weitgerühmten ~Discretion~ nach, wie -einen Soldaten traktieren. - -»Ja,« sagte er, »ich wüßte wohl, wie ich Euch traktieren könnte. Aber -bedenkt Euch besser.« - -Darauf ward ich wieder ins Stockhaus geführet und jedermann kann -unschwer erachten, daß ich dieselbige Nacht nicht viel geschlafen. - -Den Morgen aber kamen etliche Offizierer mit dem Kornet unter Schein, -mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit aber mir weis zu machen, als ob -der Obrist gesinnet wäre, mir als einem Zauberer den Proceß machen -zu lassen, sofern ich mich nicht anders bequemen würde. Wollten mich -also erschröcken und sehen, was hinter mir stecke, weil ich mich aber -meines guten Gewissens getröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an -und redete nicht viel. Ich merkte wohl, daß es dem Obristen um nichts -andres zu tun war, als daß er mich ungern in Soest sahe. Er konnte sich -leicht einbilden, daß ich den Ort wohl nicht verlassen würde, weil ich -meine Beförderung dort erhoffte, zwei schöne Pferde und sonst köstliche -Sachen allda hatte. - -Den folgenden Tag ließ er mich wieder zu sich kommen, und fragte, ob -ich mich auf ein und anders resolviert hätte. - -Ich antwortete: »Dies Herr Obrister, ist mein Entschluß, daß ich eh' -sterben, als meineidig werden will. Wann aber mein hochgeboren Herr -Obrister mich auf freien Fuß zu stellen und mit keinen Kriegsdiensten -zu belegen belieben wird, so will ich dem Herrn Obristen mit Herz, Mund -und Hand versprechen, in sechs Monaten keine Waffen wider Schwed- und -Hessische zu tragen.« - -Solches ließ er sich stracks gefallen, bot mir die Hand und schenkte -mir zugleich die Ranzion, befahl auch dem ~Secretär~, daß er einen -Revers ~in duplo~ aufsetze, den wir beide unterschrieben. Ich -reversierte neben obigem Punkte, nichts Nachteiliges wider die -Guarnison und ihren Kommandanten praktizieren noch etwas zu Nachteil -und Schaden zu unternehmen, sondern deren Nutzen und Frommen zu fördern -und dieselbe defendieren zu helfen. - -Hierauf behielt er mich wieder bei dem Mittagsimbiß und tät mir mehr -Ehre an, als ich von den Kaiserlichen mein Lebtag hätte hoffen dörfen. - - - - -Das achte Kapitel - - -Ich hatte in Soest einen Knecht, der war mir über alle Maßen getreu, -weil ich ihm viel Gutes tät. Dahero sattelte er meine Pferde und ritt -dem Trommelschlager, der mich abholen sollte, ein gut Stück Weges -von Soest entgegen. Er begegnete ihm mit den Gefangenen und hatte -mein bestes Kleid aufgepackt, dann er vermeinete, ich wäre ausgezogen -worden. Da er mich aber nicht sahe, sondern vernahm, daß ich bei dem -Gegenteil Dienste anzunehmen aufgehalten werde, gab er den Pferden die -Sporen und sagte: »Adieu Tampour und Ihr, Korporal, wo mein Herr ist, -da will ich auch sein.« - -Ging also durch und kam zu mir, eben als mich der Kommandant ledig -gesprochen hatte und mir große Ehre antät. Der priese mich glücklich, -wegen meines Knechtes Treue, verwunderte sich auch, daß ein so junger -Kerl wie ich, so schöne Pferde vermögen und so wohl montiert sein -sollte. Lobte auch das eine Pferd so trefflich, daß ich gleich merkte, -er hätte mirs gerne abgekauft. Weil er es mir aber aus ~Discretion~ -nicht feil machte, sagte ich, wann ich die Ehre begehren dörfte, daß -ers von meinetwegen behalten wollte, so stünde es zu seinen Diensten. -Er schlugs aber rund ab, dieweil ich einen ziemlichen Rausch hatte, und -er die Nachrede scheute, daß er einem Trunkenen etwas abgeschwätzt, so -dem vielleicht nüchtern reuen möchte, also daß er des edlen Pferdes -gern gemangelt. - -Des Morgens frühe anatomierte ich meinen Sattel und ließ mein bestes -Pferd vor des Obristen Quartier bringen. Ich sagte ihm, er wolle -belieben gegenwärtigen Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen -zu gönnen, indem mir mein Pferd allhier nichts nütz, und solches von -mir als Zeichen dankbarer Erkanntnus vor empfangene Gnaden unschwer -annehmen. Der Obrister bedankte sich mit großer Höflichkeit und -sehr courtoisen Offerten, schickte mir auch denselbigen Nachmittag -seinen Hofmeister mit einem gemästeten lebendigen Ochsen, zwei fetten -Schweinen, einer Tonne Wein, vier Tonnen Bier, zwölf Fuder Brennholz, -welches er mir vor mein neu Losament, das mir mein Knecht erkundet und -ich auf ein Halbjahr bestellet hatte, bringen und sagen ließ, weil er -sich leicht einbilden könnte, es sei im Anfang vor mich mit Viktualien -schlecht bestellet, so schicke er mir zur Haussteuer eben einen Trunk, -ein Stück Fleisch mitsamt dem Kochholz. Ich bedankte mich so höflich -als ich konnte, verehrete dem Hofmeister zwo Dukaten und bat ihn, mich -seinem Herrn bestens zu rekommendieren. - -Ich gedachte mir aber auch durch meinen Knecht bei dem gemeinen Mann -ein gutes Lob zu machen, damit man mich vor keinen kahlen Bernheuter -hielte. Ließ derowegen in Gegenwart meines Hauswirtes meinen Knecht vor -mich kommen, zu demselben sagte ich: - -»Lieber Niklas, du hast mir mehr Treue erwiesen, als ein Herr seinem -Knecht zumuten darf, nun aber, da ich selbst keinen Herren habe, daß -ich etwas erobern könnte, dich zu belohnen, so gedenke ich keinen -Knecht mehr zu halten. Ich gebe dir hiemit vor deinen Lohn das andere -Pferd, samt Sattel-Zeug und Pistolen, mit Bitte, du wollest damit -vorlieb nehmen und dir vor diesmal einen andern Herren suchen. Kann ich -dir ins Künftige in etwas bedienet sein, so magst du jederzeit mich -darum ersuchen.« - -Hierauf küßte er mir die Hände und konnte vor Weinen schier nicht -reden, wollte auch durchaus das Pferd nicht haben bis ich ihm -versprochen, ihn wieder in Dienst zu nehmen, sobald ich jemand brauche. - -Über diesem Abschied ward mein Hausvater so mitleidig, daß ihm auch die -Augen übergingen. Und gleichwie mich mein Knecht bei der Soldateska, so -erhub mich der Hausvater bei der Bürgerschaft mit großem Lob über alle -schwangere Bauren. Der Kommandant aber hielt mich vor einen resoluten -Kerl, daß er auch getraute Schlösser auf meine Parole zu bauen. - -Ich glaube es ist kein Mensch in der Welt, der nicht einen Hasen im -Busen habe, dann wir sind ja alle einerlei Gemächts und ich kann bei -meinen Birnen wohl merken, wann andere zeitig sein. »Hui, Geck,« möcht -mir da einer antworten, »wann du ein Narr bist, meinest du darum -andre seien es auch?« -- »Nein, das sage ich nicht, dann es wäre -zuviel geredt, aber dies halte ich davor, daß einer den Narren besser -verbirgt als der ander.« Es ist einer darum kein Narr, wann schon er -närrische Einfälle hat, dann wir haben in der Jugend gemeiniglich alle -dergleichen. Welcher aber seinen Narren hinausläßt, wird vor einen -gehalten, weil teils etliche ihn gar nicht andere aber nur halb sehen -lassen. Welche den ihren gar unterdrücken sein rechte Saurtöpfe. Ich -halte vor die besten und verständigsten Leute, die den Ihren nach Zeit -und Gelegenheit bisweilen ein wenig mit den Ohren fürragen und Atem -schöpfen lassen, damit er nicht gar bei ihnen ersticke. Den Meinen ließ -ich mir zu weit heraus, da ich mich in einem so freien Stand sahe, -maßen ich einen Jungen annahm, den ich als Edelpagen kleidete, und zwar -in die Farben Veigelbraun und Gelb. Derselbe mußte mir aufwarten, als -wann ich ein Freiherr wäre. - -Dies war die erste Torheit, die ich in der Stadt beging, sie ward aber -von niemand getadelt. Die Welt ist der Narreteien so voll, daß sie -keiner mehr achtet, noch selbige verlacht oder sich darüber verwundert; -sie ist deren gewohnt. - -Ich dingte mich und meinen Jungen bei meinem Hausvater in die Kost und -gab ihm an Bezahlung auf Abschlag, was mir der Kommandant verehret -hatte. Zum Getränk aber mußte mein Jung den Schlüssel haben, weil ich -denen, die mich besuchten, gern davon mitteilete. Sintemalen ich weder -Bürger noch Soldat war, hielt ich mich zu beiden Teilen und bekam -dahero Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließ. - -Der Stadtorganist, zu dem ich Kundschaft erhielt, lehrete mich, wie -ich komponieren sollte, ~item~ auf dem Instrument besser schlagen, als -auch auf der Harfe; ohn das war ich auf der Lauten ein Meister. Wann -ich dann satt hatte am Musicieren, ließ ich meinen Kürschner kommen, -der mich im Paradeis in allen Gewehren unterwiesen, mit dem exerzierte -ich mich, um noch perfecter zu werden. So erlangete ich auch beim -Kommandanten, daß er mich von einem Constablen die Büchsenmeisterkunst -und etwas mit dem Feuerwerk umzugehen lernte. Im übrigen hielt ich -mich sehr still, also daß sich die Leute verwunderten, weil ich auch -viel über den Büchern saß wie ein Student, da ich doch Raubens und -Blutvergießens gewohnt gewesen. - -Mein Hausvater war des Kommandanten Spürhund und mein Hüter, maßen -ich merkte, daß er all mein Tun und Lassen demselben hinterbrachte. -Doch ich gedachte des Kriegswesens kein einziges Mal, und wann man -davon redete, tät ich, als ob ich niemals kein Soldat gewesen. Zwar -wünschte ich, daß meine sechs Monate bald herum wären, es konnte aber -niemand abnehmen, welchem Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem -Obristen aufwartete, behielt er mich bei seiner Tafel, da setzte es -zuweilen solche Diskurse, dadurch mein Vorsatz ausgeholt werden sollte, -ich antwortete aber jederzeit vorsichtig. - -»Wie stehet es, Jäger, wollet Ihr noch nicht schwedisch werden? Gestern -ist ein Fähnrich gestorben.« - -»Herr Obrister, stehet doch einem Weib wohl an, wann sie nach ihres -Mannes Tod nicht gleich wieder heuratet, warum sollte ich mich dann -nicht sechs Monate gedulden?« - -Kriegte gleichwohl des Obristen Gunst je länger, je mehr, so daß er -mich in und außerhalb der Festung herumspatzieren, ja, endlich den -Hasen, Feldhühnern und Vögeln nachstellen ließ. Darum leget ich mir -ein schlicht Jägerkleid bei, in demselben strich ich des Nachts in das -Soestische und holet meine verborgenen Schätze hin und wieder zusammen, -schleppte solche in die Festung und ließ mich an, als ob ich ewig bei -den Schweden wohnen wollte. - -Da stieß einmal die Wahrsagerin von Soest zu mir, die mich erkannte. -»Ich versichre dich, es war dein Glück,« sagte sie, »daß du gefangen -worden. Einige Kerle, welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen bist -beim Frauenzimmer vorgezogen worden, hätten dich auf der Jagd erwürgt.« - -Ich antwortete: »Wie kann jemand mit mir eifern, da ich doch dem -Frauenzimmer nichts nachfrage?« - -»Du wirst des Sinnes nicht bleiben, sonst wird dich das Frauenzimmer -mit Spott und Schande zum Lande hinausjagen. Ich schwöre dir, daß sie -dich nur gar zu lieb haben und daß dir solche übermachte Liebe zum -Schaden gereichen wird, wann du dich nicht accommodierst.« - -Ich fragte sie, wann sie ja so viel wüßte, so sollte sie mir davon -sagen, wie es mit meinen Eltern stünde und ob ich sie mein Lebtag -wieder zu sehen bekommen würde, sie sollte aber fein deutsch mit der -Sprache heraus. - -Darauf sagte sie, ich sollte alsdann nach den Eltern fragen, wann -mir mein Pflegvater unversehens begegnen würde und führete meiner -Säugeammen Tochter am Strick daher. -- Lachte darauf überlaut und -machte sich geschwind von mir. - -Ich hatte damals ein schön Stück Geld und viel köstliche Ringe und -Kleinodien beieinander. Solches schriee mich immerzu an, es wollte gar -gern wieder unter die Leute. Ich folgte auch, dann weil ich ziemlich -hoffärtig war, prangte ich mit meinem Gut und ließ solches meinen Wirt -sehen, der bei den Leuten mehr daraus machte, als es war. - -Mein Vorsatz, die Büchsenmeisterei und Fechtkunst in diesen sechs -Monaten zu lernen, war gut und ich begriffs auch. Aber es war nicht -genug, mich vor Müßiggang allerdings zu behüten, vornehmlich weil -niemand war, der mir zu gebieten hatte. Ich saß zwar auch emsig über -allerhand Büchern, aus denen ich viel Gutes lernete, es kamen mir aber -auch teils unter die Hände, die mir wie dem Hund das Gras gesegnet -wurden. Die unvergleichliche ~Arcadia~, daraus ich die Wohlredenheit -lernen wollte, war das erste Stück, das mich von den rechten Historien -zu den Liebe-Büchern und von den wahrhaften Geschichten zu den -Heldengedichten zog. Solcherlei Gattung brachte ich zuwege, wo ich -konnte, und wann mir eins zuteil ward, hörete ich nicht auf, bis ichs -durchgelesen und sollte Tag und Nacht darüber gesessen sein. Diese -lerneten mich statt wohlreden mit der Leimstange laufen, doch war -dieser Mangel damals vor mich keine Ursach zu klagen, dann wo meine -Liebe hinfiel, erhielt ich ohn sonderbare Mühe, was ich begehrete, -und ich brauchet nicht wie andere Buhler und Leimstängler voller -phantastischer Gedanken, Begierden, heimlich Leiden, Zorn, Eifer, -Rachgier, Weinen, Protzen und dergleichen tausendfältigen Torheiten -stecken und mir vor Ungeduld den Tod zu wünschen. - -Ich hatte Geld und ließ mich dasselbe nicht dauren, überdas eine -gute Stimme, übete mich stetig auf allerhand Instrumenten, wiese die -Geradheit meines Leibes, wann ich mit meinem Kürschner focht. So hatte -ich auch einen trefflich glatten Spiegel und gewöhnte mich zu einer -freundlichen Lieblichkeit, also daß mir das Frauenzimmer von selbst -nachlief. - -Um dieselbige Zeit fiel Martini ein, da fängt bei uns Deutschen das -Fressen und Saufen an und währet teils bis in die Fastnacht. Da ward -ich an unterschiedliche Örter, sowohl bei Offizierern als Bürgern, die -Martinsgans verzehren zu helfen, eingeladen. Bei solchen Gelegenheiten -kam ich mit den Frauenzimmern in Kundschaft. Meine Laute und Gesang, -die zwangen eine jede mich anzuschauen, und wann sie mich also -betrachteten, wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber -machte, so anmutige Blicke und Gebärden hervorzubringen, daß sich -manches hübsche Mägdlein darüber vernarrete und mir unversehens hold -ward. - -Und damit ich nicht vor einen Hungerleider gehalten wurde, stellete ich -auch zwo Gastereien, die eine zwar vor die Offizierer und die andere -vor die vornehmsten Bürger, an, dadurch ich mir bei beiden Teilen -Gunst und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen ließ. -Es war mir aber alles nur um die lieben Jungfern zu tun. Und obgleich -ich bei einer oder der andern nicht fand, was ich suchte, so ging ich -gleichwohl allerweg zu ihnen als zu andern, daß alle glauben sollten, -daß ich mich bei den andern auch nur Diskurs halber aufhielte. Ich -hatte gerade sechs und sie hinwiederum mich, doch hatte keine mein Herz -gar und mich allein. - -Mein Jung, der ein Erzschelm war, hatte genug zu tun mit Kupplen und -Buhlenbrieflein hin und wider tragen und wußte reinen Mund zu halten. -Davon bekam er von den Schleppsäcken einen Haufen ~Favor~, so mich aber -am meisten kostete. Was mit Trommeln gewonnen wird, gehet mit Pfeifen -dahin. - -Ich hielt meine Sachen so geheim, daß mich kaum einer vor einen Buhler -halten konnte, ausgenommen der Pfarrer, bei dem ich nicht mehr so viel -geistliche Bücher entlehnte. - - - - -Das neunte Kapitel - - -Ich ging oft zum ältesten Pfarrer und brachte ich ihm ein Buch zurück, -so diskutierete er von allerhand Sachen mit mir. Wir accomodierten -uns so miteinander, daß einer den andern gern leiden mochte. Als nun -nicht nur die Martinsgans hin und wider und alle Metzelsuppen sondern -auch die heiligen Weihnachtsfeiertäge vorbei waren, verehrete ich ihm -eine Flaschen voll Straßburger Branntewein zum Neuen Jahr, welchen er -dem westfälischen Gebrauch nach mit Kandelzucker gern einläpperte. -Darauf besuchete ich ihn und er machte mich zu ihm sitzen, lobte -den Branntewein und kam nach einigem Hin und Wider auf obgemeldten -Umstand, nämlich daß ich in geistlichen Dingen merklich nachlasse. Ich -entschuldiget mich mit der edlen Musik und der Büchsenmeistereikunst. -Er aber antwortete: »Ja, ja, das glaube ich gern. Aber Er versichere -sich, daß ich mehr von Ihm weiß, als Er sich einbildet.« - -Ich erschrak, da ich diese Worte hörete, und dachte, hat dir's St. -Velten gesagt. Und weil er sahe, daß ich meine Farbe änderte, fuhr er -ferner fort: »Der Herr ist frisch und jung, Er ist müßig und schön, Er -lebet ohn Sorge und wie ich vernehme, in allem Überfluß, darum bitte -und vermahne ich Ihn im Herrn, daß Er bedenken wolle, in was vor einem -gefährlichen Stand Er sich befindet. Er hüte sich vor dem Tier, das -Zöpfe hat, will Er anders Sein Glück und Heil beobachten. Der Herr -möchte zwar bedenken, was geht's dem Pfaffen an -- (ich gedachte, -du hast es erraten) -- oder was hat er mir zu befehlen! Herr, seid -versichert, daß mir Euere, als meines Guttäters, zeitliche Wohlfahrt -aus christlicher Liebe hoch angelegen ist. Ihr habet Talente, leget -doch Euere Jugend und Euere Mittel, die Ihr hier unnütz verschwendet, -zu ernsten Studien an, damit Ihr heut oder morgen beides: Gott und den -Menschen und Euch selbst bedient sein könnet. Lasset das Kriegswesen, -eh Ihr eine Schlappe davontraget, dann: Junge Soldaten, alte Bettler.« - -Ich hörete die Sentenz mit großer Ungeduld, jedoch stellete ich mich -viel anders, als mir ums Herz war, damit ich mein Lob, daß ich ein -feiner Mensch wäre, nicht verliere, bedankte mich zumal auch sehr vor -seine erwiesene Treuherzigkeit und versprach, mich auf sein Einraten -zu bedenken. Allein ich war des Zaumes und der Sporen der Tugenden -entwohnet und wollte nunmehr gekostete Liebe-Wollüste nicht mehr -entbehren. - -Jedoch so gar ersoffen in den Leidenschaften und so dumm war ich -nicht, daß ich nicht gedacht hätte, jedermanns Freundschaft zu -behalten, solange ich in der Festung zu bleiben willens war. Ich -erkannte auch wohl, was es einem vor Unrat bringen konnte, wann er der -Geistlichen Haß hätte, als welche Leute einen großen Kredit haben. -Derowegen nahm ich meinen Kopf zwischen die Ohren und trat gleich den -andern Tag wieder auf frischem Fuß zu obgedachten Pfarrer und log -ihm mit gelehrten Worten einen solchen Haufen daher, was gestalten -ich mich resolvieret hätte, ihm zu folgen, daß er sich sichtbarlich -darüber freuete. Mir hätte seithero auch schon in Soest ein solcher -englischer Ratgeber gemangelt, wann nur der Winter bald vorüber, daß -ich fortreisen könnte. Bat ihn darneben, er wollte mir doch ferner mit -gutem Rat beförderlich sein, auf welche Universität ich mich begeben -sollte. Er antwortete, was ihn anbelange, so hätte er in Leyden -studieret, mir aber wollte er nach Genf geraten haben, weil ich ein -Hochdeutscher wäre. - -»Jesus Maria,« rief ich, »Genf ist weiter von meiner Heimat als Leyden!« - -»Was vernehme ich,« sagte er hierauf mit großer Bestürzung, »ich -höre wohl, der Herr ist ein Papist! O mein Gott, wie finde ich mich -betrogen!« - -»Wieso, wieso, Herr Pfarrer? Weil ich nicht nach Genf will?« - -»O nein, weil Er Mariam anrufet!« - -»Sollte es einem Christen nicht gebühren, die Mutter seines Erlösers zu -nennen?« - -»Das wohl, aber ich vermahne und bitte Ihn so hoch als ich kann, -Er wolle Gott die Ehre geben und mir gestehen, welcher Religion Er -beigetan sei, dann ich zweifle sehr, daß Er dem Evangelio glaube.« - -»Der Herr Pfarrer höret ja wohl, daß ich ein Christ bin. Im übrigen -gestehe ich, daß ich weder petrisch noch paulisch, sondern allein -~simpliciter~ glaube, was die zwölf Artikul des allgemeinen, heiligen, -christlichen Glaubens in sich halten. Ich werde mich auch zu keinem -Teil vollkommen verpflichten, bis mich einer durch genugsame Erweisung -persuadieret zu glauben, daß er vor den andern die rechte, wahre und -allein seligmachende Religion habe.« - -»Jetzt glaube ich erst recht, daß Er ein kühnes Soldatenherz habe, sein -Leben dran zu wagen, weil Er gleichsam ohn Religion und Gottesdienst -auf den alten Kaiser hinein dahinleben und frevelhaftig seine Seligkeit -in die Schanze schlagen darf. Mein Gott, wie kann ein sterblicher -Mensch immermehr so keck sein!« - -»Herr Pfarrer, es sagen alle von ihrer Religion, daß sie die rechte -sei und deren Fundamente sowohl in Natur als in der heiligen Schrift -sonnenklar am Tage liegen. Welchem soll ich aber glauben? Vermeinet -der Herr, es sei so ein Gerings, wann ich einem Teil, den die andern -alle lästern und einer falschen Lehre bezüchtigen, meiner Seelen -Seligkeit anvertraue? Er sehe doch mit unparteiischen Augen, was -Konrad Vetter und Johannes Nas wider Lutherum, und hingegen Luther -und die Seinigen wider den Papst, sonderlich aber Spangenberg wider -~Franciscum~, der etliche hundert Jahr vor einen heiligen und -gottseligen Mann gegolten, in offenem Druck ausgehen lassen. Zu welchem -Teil soll ich mich dann tun, wann je eins das ander ausschreiet, als -sei kein gut Haar an ihm? Sollte mir wohl jemand raten, hineinzuplumpen -wie eine Fliege in den heißen Brei? O nein, das wird der Herr Pfarrer -verhoffentlicht mit gutem Gewissen nicht tun können! Ich will lieber -gar von der Straßen bleiben, als nur irr laufen. Zudem sein noch mehr -Religionen, dann die in Europa, als die Armenier, Abessinier, Griechen, -Gregorianer und dergleichen. Was ich vor eine davon annehme, so muß ich -mit meinen Religionsgenossen den andern allen widersprechen.« - -Darauf sagte er: »Der Herr steckt in großem Irrtum, aber ich hoffe zu -Gott, er werde Ihm aus dem Schlamm helfen, zu welchem Ende ich Ihm dann -unsere Confession ins Künftige dergestalt aus der heiligen Schrift -bewähren will, daß sie auch wider die Pforten der Hölle bestehen -sollte.« - -Ich antwortete, dessen würde ich mit großem Verlangen gewärtig sein, -gedachte aber bei mir selber, wann du mir nur nichts mehr von meinen -Liebgen vorhältst, so bin ich mit deinem Glauben wohl zufrieden, und -bis du mit deinen Beweistümern fertig bist, so bin ich vielleicht, wo -der Pfeffer wächst. - - - - -Das zehent Kapitel - - -Gegen meinem Quartier über wohnete ein reformierter Obrist-Leutenant, -der hatte eine überaus schöne Tochter, die sich ganz adelig trug. Ich -hätte längst gern Kundschaft mit ihr gemachet, unangesehen, daß ich -sie anfänglich allein zu lieben und auf ewig zu haben begehrete. Ich -schenkte ihr manchen Gang und noch viel mehr liebreicher Blicke. Sie -ward mir aber so fleißig verhütet, daß ich kein einzig Mal mit ihr -reden konnte. So unverschämt dorfte ich auch nicht hineinplatzen, weil -ich mit ihren Eltern keine Kundschaft hatte und mir der Ort vor einen -Kerl von so geringem Herkommen, als mir das meinige bewußt war, viel -zu hoch vorkam. Am allernächsten gelangte ich zu ihr, wann wir etwan -in oder aus der Kirche gingen. Da nahm ich dann die Zeit so fleißig in -Acht, mich ihr zu nähern, daß ich oft ein paar Seufzer anbrachte, was -ich meisterlich konnte, obzwar sie alle aus falschem Herzen gingen. -Hingegen nahm sie solche so kaltsinnig an, daß ich mir einbilden mußte, -sie werde sich nicht so leicht wie eine Bürgerstochter verführen -lassen. Indem wurden meine Begierden nach ihr nur desto heftiger. - -Der Stern, den die Schüler zu Hl. Dreikönig umtragen, ist es gewesen, -der mir in ihre Wohnung geleuchtet, da ihr Vater selbst nach mir -schickte. - -»Monsieur,« sagte er zu mir, »seine Neutralität zwischen Bürgern und -Soldaten ist eine Ursache, daß ich Ihn habe zu mir bitten lassen. Ich -will zwischen beiden Teilen eine Sache ins Werk richten, die eines -unparteiischen Zeugen bedarf.« - -Ich vermeinete, er hätte was Wundergroßes im Sinn, weil Schreibzeug und -Papier auf dem Tisch lag, bot ihm derowegen mit sondern Komplimenten -meine bereitwilligsten Dienste an, daß ich mirs nämlich vor eine große -Ehre halten würde, wann ich so glücklich sei, ihm beliebige Dienste zu -leisten. Es war aber nichts andres als ein Dreikönigsfest zu machen. -Dabei sollte ich zusehen, daß es recht zuginge, wie die Ämter ohn -Ansehung der Personen durch das Los ausgeteilet würden. Zu diesem -Geschäft, bei welchem des Obristen ~Secretarius~ auch war, ließ der -Obrist-Leutenant Wein und Konfekt bringen, weil er ein trefflicher -Zechbruder und es ohn das nach dem Nachtessen war. Der ~Secretarius~ -schrieb, ich las die Namen und die Jungfer zog die Zettel, ihre Eltern -aber sahen zu. Sie beklagten sich über die langen Winternächte und -gaben mir zu verstehen, daß ich, solche desto leichter zu passieren, -wohl zu ihnen zu Licht kommen dörfte. - -So fing ich wieder auf ein Neues an mit der Leimstangen zu laufen und -am Narrenseil zu ziehen, also, daß sich beide: die Jungfrau und ihre -Eltern einbilden mußten, ich hätte den Angel geschluckt, wiewohl mirs -nicht halber Ernst war. Ich stellete Buhlenbrieflein an meine Liebste, -eben als ob ich hundert Meilwegs von ihr gewohnet hätte oder in viel -Jahren erst zu ihr könne. Zuletzt machte ich mich gar zutätig, weil -mir meine Löffelei nicht sonderlich von den Eltern gewehret, sondern -zugemutet ward, ich sollte ihre Tochter auf der Laute lernen schlagen. -Da hatte ich nun meinen freien Zutritt bei Tag sowohl als wie hiebevor -des Abends, also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen: - - Ich und meine Fledermaus - Fliegen nur bei Nachtzeit aus - -änderte und ein frommes Liedlein machte, darin ich mein Glück lobte, -weil es mir auf so manchen guten Abend auch so freudereiche Tage -verliehe, in denen ich in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen weiden -und mein Herz um etwas erquicken könnte, hingegen beklagte ich meine -Nächte. Ich sang es meiner Liebsten mit andächtigem Seufzen und einer -lustreizenden Melodei, dabei die Laute das Ihre trefflich tät und -gleichsam die Jungfer mit mir bat, sie wollte doch cooperieren, daß -mir die Nächte so glücklich als die Täge bekommen möchten. Aber ich -bekam ziemlich abschlägige Antwort, dann sie war trefflich klug und -konnte mich auf meine Erfindungen gar höflich beschlagen. Ich nahm -mich gleichwohl in Acht, von der Verehelichung zu schweigen, und wenn -schon discursweis davon geredet ward, stellete ich alle meine Worte auf -Schrauben. Welches meiner Jungfrau verheiratete Schwester bald merkte -und dahero mir und meinem Mägdlein alle Pässe verlegte, dann sie sahe -wohl, daß mich ihre Schwester von Herzen liebete und daß die Sache in -die Länge kein Guttun würde. - -Es ist unnötig alle Torheiten meiner Löffelei umständlich zu erzählen. -Genug, zuletzt kam es dahin, daß ich erstlich mein liebes Dingelgen zu -küssen und endlich auch andre Narrenpossen zu tun mich erkühnen dorfte. -Und solchen erwünschten Fortgang verfolgte ich mit allerhand Reizungen, -bis ich bei Nacht von meiner Liebsten eingelassen ward und mich so -hübsch zu ihr ins Bette fügte, als wann ich zu ihr gehöret hätte. - -Weil jedermann weiß, wie es bei derlei Kirchweih pfleget gemeiniglich -herzugehen, so dörfte sich wohl der Leser einbilden, ich hätte etwas -Ungebührliches begangen. Jawohl nein! Dann alle meine Gedanken waren -umsonst. Ich fand einen solchen Widerstand, dergleichen ich nimmermehr -bei keinem Weibsbild anzutreffen gewähnet hätte, weil ihr Absehen -einzig und allein auf Ehre und Ehestand gerichtet war. Wenngleich ich -ihr solchen mit den allergrausamsten Flüchen versprach, so wollte sie -doch vor der Copulation kurzum nichts geschehen lassen. Doch gönnete -sie mir auf ihrem Bette neben ihr liegen zu bleiben, auf welchem ich -auch ganz ermüdet vor Unmut sanft einschlummerte. - -Ich ward aber gar ungestüm aufgeweckt. Dann morgens um vier Uhr stund -der Obrist-Leutenant vorm Bette mit einer Pistole in der einen und -einer Fackel in der andern Hand. - -»Krabat,« schrie er überlaut seinem Diener zu, der auch mit einem -bloßen Säbel bei ihm stund, »geschwind, Krabat, hole den Pfaffen!« - -Wovon ich dann erwachte. - -O weh, gedachte ich, du sollst gewiß zuvor beichten, eh er dir den -Rest gibet! Es ward mir ganz grün und gelb vor den Augen und ich wußte -nicht, ob ich sie recht auftun sollte oder nicht. - -»Du leichtfertiger Geselle,« schrie er mich an, »soll ich dich finden, -daß du mein Haus schändest! Tät ich dir unrecht, wenn ich dir und -dieser Vettel den Hals bräche? Ach, du Bestia, wie kann ich mich doch -nur enthalten, daß ich dir nicht das Herz aus dem Leib herausreiße und -den Hunden vorwerfe!« - -Dabei biß er die Zähne zusammen und verkehrte die Augen als wie ein -unsinnig Tier. - -Ich wußte nicht, was ich sollte, und meine liebe Beischläferin konnte -nichts als weinen. Endlich, da ich mich ein wenig erholete, wollte ich -etwas von unserer Unschuld vorbringen, er aber hieß mich das Maul -halten. Indessen war seine Frau auch darzu gekommen, die fing eine -nagelneue Predigt an, also daß ich wünschte, ich läge irgends in einer -Dornhecke. Sie hätte auch in zweien Stunden nicht aufgehört, wann der -Krabat mit dem Pfarrer nicht gekommen wäre. - -Wohl hatte ich, eh dieser ankam, etlichmal aufzustehen unterstanden, -aber der Obrist-Leutenant machte mich unter bedrohlichen Mienen liegen -bleiben, also daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein -Kerl hat, der auf einer bösen Tat ertappt wird, und wie einem Dieb -ums Herz wird, den man erwischt, wann er eingebrochen, obgleich er -noch nichts gestohlen hat. Ich gedenke der lieben Zeit, wann mir der -Obrist-Leutenant samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen wäre, daß ich -sie alle drei zu jagen unterstanden. Aber jetzt lag ich da wie ein -Bernheuter und hatte nicht das Herz nur das Maul, geschweige die Fäuste -recht auf zu tun. - -»Sehet, Herr Pfarrer das schöne Spektakul, zu welchen ich Euch zum -Zeugen meiner Schande berufen muß.« - -Und kaum hatte er diese Worte vorgebracht, so fing er wieder an zu -wüten und das Tausendste ins Hundertste zu werfen, daß ich nichts -anderes als vom Halsbrechen und Hände in meinem Blut waschen verstehen -konnte. Er schaumete ums Maul wie ein Eber und stellete sich also, daß -ich alle Augenblicke gedachte, jetzt jagt er dir eine Kugel durch den -Kopf. - -Der Pfarrer aber wehrete mit Händen und Füßen, daß kein Totschlag -geschehe, so ihn hernach reuen möchte. - -»Was? Herr Obrist-Leutenant, brauchet Euere hohe Vernunft und bedenkt -das Sprüchwort, daß man zu geschehenen Dingen das beste reden soll. -Dies schöne junge Paar, das seinesgleichen schwerlich im Lande hat, ist -nicht das erste und nicht das letzte, so sich von den unüberwindlichen -Kräften der Liebe hat meistern lassen. Dieser Fehler, da es anders ein -Fehler zu nennen, den sie beide begangen, kann auch durch sie wieder -leichtlich gebessert werden. Zwar lobe ichs nicht, sich auf diese Art -zu verehelichen, aber gleichwohl hat dieses junge Paar hiedurch weder -Galgen noch Rad verdient. Es ist auch keine Schande zu erwarten, wann -der Herr Obrist-Leutenant seinen Consens zu beider Verehelichung geben -und diese Ehe durch den gewöhnlichen Kirchgang öffentlich bestätigen -lassen wird.« - -»Was! Ich wollte sie ehe morgenden Tags beide zusammen binden und in -der Lippe ertränken lassen! In diesem Augenblick müssen sie copuliert -sein! Deswegen habe ich Euch holen lassen!« - -Ich dachte, was willtu tun -- es heißt: Vogel friß oder stirb. Zudem -ist sie eine solche Jungfrau, deren du dich nicht schämen darfst. Doch -schwur ich und bezeugte hoch und teuer, daß wir nichts Unehrliches -miteinander zu schaffen gehabt hätten. - -Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer im Bette sitzend -zusammengegeben und, nachdem dies geschehen, aufzustehen und -miteinander aus dem Haus zu gehen gemüßiget. - -Unter der Tür sagte der Obrist-Leutenant zu mir und seiner Tochter, -wir sollten uns in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sehen lassen. -Ich aber, da ich den Degen an meiner Seite hatte, antwortete gleichsam -im Scherz: »Ich weiß nicht, Herr Schwehrvater, warum Er alles so -Widersinns anstellet! Wann andre neue Eheleute copuliert werden, so -führen sie die nächsten Verwandten schlafen. Er aber jaget mich nach -der Copulation nicht allein aus dem Bette, sondern auch aus dem Haus. -Und anstatt des Glücks, das Er mir in Ehestand wünschen sollte, will Er -mich nicht so glückselig wissen, meines Schwehers Angesicht zu sehen -und Ihm zu dienen. Wahrlich, wann dieser Brauch aufkommen sollte, -so würden die Verehelichungen wenig Freundschaft mehr in der Welt -stiften!« -- - -Die Leute in meinem Losament verwunderten sich alle, da ich diese -Jungfrau mit mir heimbrachte, und noch viel mehr da sie sahen, daß ich -so ungescheut mit ihr schlafen ging. Dann obzwar mir dieser Posse, so -mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so war ich doch -so närrisch nicht, meine Braut zu verschmähen. So hatte ich zwar die -Liebste im Arm, hingegen aber tausenderlei Gedanken, wie ich meine -Sache heben und legen wollte. Zuweilen vermeinete ich, es wäre mir der -allergrößte Schimpf widerfahren, welchen ich ohn billige Rache mit -Ehren nicht verschmerzen könnte, wann ich aber besann, daß solche Rache -wider meinen Schwehrvater und also auch wider meine unschuldige, fromme -Liebste laufen müßte, fielen alle meine Anschläge dahin. Ich schämete -mich so sehr. - -Endlich war mein Schluß, vor allen Dingen meines Schwehrvaters -Freundschaft wieder zu gewinnen und mich im übrigen gegen jedermann an -zu lassen, als ob mir nichts Übles widerfahren sei. - -In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen und schickte am allerersten -nach meinem Schwager, hielt ihm kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt -worden, und ersuchte ihn, er wolle seine Liebste kommen lassen, um -etwas ausrichten zu helfen, damit ich den Leuten auch bei meiner -Hochzeit zu essen geben könnte, er aber wolle belieben unsere Schwehr -und Schwieger meinetwegen zu begütigen. - -Ich verfügte mich zum Kommandanten, dem erzählte ich mit einer -kurzweiligen und artlichen Manier, was ich und mein Schwehrvater vor -eine neue Mode angefangen hätten, Hochzeit zu machen, welche Gattung -so geschwind zugehe, daß ich in einer Stunde die Heiratsabrede, -den Kirchgang und die Hochzeit auf einmal vollzogen. Weil nun mein -Schwehrvater die Morgensuppe gesparet hätte, wäre ich bedacht, anstatt -deren, ehrlichen Leuten von der Specksuppen mit zu teilen, zu der ich -untertänig einlade. Der Kommandant wollte sich meines lustigen Vortrags -schier zu Stücken lachen. Er fragte mich, wie es mit der Heurats-Notul -beschaffen wäre, und wie viel mir mein Schwehrvater Füchse, deren der -alte Schabhals viel hätte, zum Heiratgut gebe. Ich antwortete, daß -unsere Heiratsabrede nur in einem Punkt bestünde, der laute, daß ich -und seine Tochter sich in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sollten -sehen lassen, dieweil aber weder Zeugen noch Notarien dabeigewesen, -hoffte ich, es solle wieder revociert werden. - -Mit solchen Schwänken, deren man an mir diesorts nicht gewohnt war, -erhielt ich, daß der Kommandant samt meinem Schwehrvater, welchen er -hiezu wohl persuadieren wollte, bei meiner Specksuppe zu erscheinen -versprach. Er schickte auch gleich ein Faß Wein und einen Hirsch in -meine Küchen. Ich aber ließ dergestalt zurichten, als ob ich Fürsten -hätte tractieren wollen, brachte auch eine ansehnliche Gesellschaft -zuwege, die sich nicht allein miteinander recht lustig machten, -sondern auch vor allen Dingen meinen Schwehrvater und die Schwieger -mit mir und meinem Weibe versöhneten, daß sie uns mehr Glückes -wünschten, als sie uns die vorige Nacht fluchten. In der ganzen Stadt -aber ward ausgesprengt, daß unsere Copulation mit Fleiß auf so fremde -Art wäre angestellt worden, damit uns beiden kein Posse von bößen -Leuten widerfahre. Mir war diese Hochzeit trefflich gesund, dann wann -ich gemeinem Brauch nach über der Kanzel hätte abgeworfen werden -sollen, so hätten sich besorglich Schleppsäcke gefunden, die mir ein -verhinderliches Gewirr drein zu machen unterstanden. - -Den andern Tag traktierte mein Schwehrvater meine Hochzeitsgäste, aber -bei weitem nicht so wohl als ich. Da ward erst mit mir geredet, was -ich vor eine Hantierung treiben und wie ich die Haushaltung anstellen -wollte, und ich merkte, daß ich meine edle Freiheit verloren hatte. - -Ich ließ mich dabei gar gehorsamlich an und begehrte zuvor meines -lieben Schwehrvaters, als eines verständigen Kavaliers, Rat. Das lobte -der Kommandant und sagte: »Dieweil Er ein junger, frischer Soldat ist, -so wäre es eine große Torheit mitten in jetzigen Kriegsläuften ein -anderes, als das Soldatenhandwerk zu treiben. Was mich anbelanget, so -will ich Ihm ein Fähnlein geben, wann Er will.« - -Mein Schweher und ich bedankten uns und ich schlugs nicht mehr aus. -Wiese aber doch dem Kommandanten des Kaufmanns Handschrift, der meinen -Schatz zu Köln in Verwahrung hatte. »Dieses«, sagte ich, »muß ich -zuvor holen, ehe ich schwedische Dienste nehme, dann sollte man gewahr -werden, daß ich dem Gegenteil diene, so werden sie mir zu Köln die -Feige weisen und das Meinige behalten.« - -Sie gaben mir beide recht, ward also zwischen uns dreien abgeredet, -zugesaget und beschlossen, daß ich in wenig Tagen mich nach Köln -begeben und nachgehends ein Fähnlein annehmen sollte. - -Der Kommandant versahe sich auf den künftigen Frühling einer Belägerung -und bewarb sich dahero um gute Soldaten, sintemal der Graf von Götz -damalen mit vielen kaiserlichen Soldaten in Westfalen lag. - - - - -Das elfte Kapitel - - -Es schicket sich ein Ding auf mancherlei Weise. Des einen Unstern kommt -staffelweis und allgemach und einen andern überfällt der seinige mit -Haufen. Mein Unstern aber hatte einen so süßen und angenehmen Anfang, -daß ich mirs wohl vor das höchste Glück rechnete. - -Kaum über acht Tage hatte ich mit meinem lieben Weib im Ehstand -zugebracht, da ich in meinem Jägerkleid, mit einem Feuerrohr auf der -Achsel, von ihr und ihren Freunden Abschied nahm. Ich schlich mich -glücklich durch, weil mir alle Wege bekannt waren, also daß mir keine -Gefahr unterwegs aufstieß, ja ich ward von keinem Menschen gesehen, bis -ich nachher bei Dütz, so gegen Köln über, diesseits des Rheins lieget, -vor den Schlagbaum kam. - -In Köln kehrete ich bei meinem Jupiter ein, so damals ganz klug war. Er -sagte mir aber gleich, daß ich besorglich leer Stroh dreschen würde, -weil der Kaufmann, dem ich das Meinige aufzuheben gegeben, Bankerott -gespielet und ausgerissen wäre. Zwar seien meine Sachen obrigkeitlich -verpetschiert und der Kaufmann citiert worden, aber man zweifle sehr an -seiner Wiederkunft. Bis nun die Sache erörtert würde, könne viel Wasser -den Rhein hinunterlaufen. - -Wie angenehm mir diese Botschaft kam, kann jeder leicht ermessen. Ich -fluchte ärger als ein Fuhrmann, aber was halfs! Auch hatte ich über -zehn Taler Zehrgeld nicht zu mir genommen, daß ich also auch nicht -so lang aushalten konnte, als die Zeit erforderte. So mußte ich auch -besorgen, daß ich verkundschaft' würde, weil ich einer feindlichen -Guarnison zugetan wäre. Unverrichteter Sache wollte ich aber nicht -wieder zurück und das Meinige mutwillig dahinten lassen. So ward ich -mit mir selber ein: Ich wollte mich in Köln aufhalten, bis die Sache -erörtert würde, und die Ursache meines Ausbleibens meiner Liebsten -berichten. Verfügte mich demnach zu einem ~Procurator~, der ein -~Notarius~ war, und erzählete ihm mein Tun, bat ihn, mir um die Gebühr -mit Rat und Tat beizuspringen. Ich wollte ihm neben dem Tax, wann er -meine Sache beschleunigte, mit einer guten Verehrung begegnen. Er -nahm mich gutwillig an, dann er an mir zu fischen hoffte, und dingte -mich auch in die Kost. Darauf ging er des andern Tags mit mir zu -denjenigen Herrn, welche die Bankerott-Sachen zu erörtern haben, gab -die vidimierte Copie von des Kaufmanns Handschrift ein und legte das -Original vor, worauf wir die Antwort bekamen, daß wir uns bis zur -gänzlichen Erörterung gedulden müßten, weil nicht alle Sachen, davon -die Handschrift sage, vorhanden wären. - -Also versahe ich mich des Müßiggangs wieder auf eine Zeitlang. Mein -Kostherr war, wie gehört, ein ~Notarius~ und ~Procurator~, darneben -hatte er ein halb Dutzend Kostgänger und hielt stets acht Pferde auf -der Streu, welche er den Reisenden um Geld hinzuleihen pflegte, darbei -hatte er einen deutschen und einen wällischen Knecht, die sich beides: -zu Führen und zu Reiten gebrauchen ließen. Und weil keine Juden nach -Köln kommen dörfen, konnte er mir allerlei Sachen desto besser wuchern. - -Mein ~Notarius~ zehrete von seinen Kostgängern, doch seine Kostgänger -nicht von ihm, er hätte sich und sein Hausgesind reichlich ernähren -können, wanns der Schindhund nur darzu hätte angewendet. Aber er -mästete uns auf schwedisch und hielt gewaltig zurück. Ich aß anfangs -nicht mit seinen Kostgängern, sondern mit seinen Kindern und Gesind, -weil ich nicht viel Geld bei mir hatte. Da satzte es schmale Bißlein, -so meinen Magen, der nunmehr zu den westfälischen Tractamenten gewöhnet -war, ganz spanisch vorkamen. Kein gut Stück Fleisch kriegten wir auf -den Tisch, sondern nur dasjenige, so acht Tage zuvor von der Studenten -Tafel getragen, von denselben überall wohl benagt und nunmehr vor Alter -so grau als Methusalem geworden war. Darüber machte dann die Kostfrau -eine schwarze, sauere Brühe und überteufelts mit Pfeffer. Da wurden -dann die Beiner so sauber geschleckt, daß man alsbald Schachsteine -daraus hätte drehen können. Und doch waren sie dann noch nicht recht -ausgenutzt, sondern sie kamen in einen hiezu verordneten Behalter, -und wann unser Geizhals deren eine Quantität beisammen hatte, mußten -sie erst kleingehackt und das übrige Fett bis auf das alleräußerste -herausgesotten werden. Nicht weiß ich, wurden die Suppen daraus -geschmälzt oder die Schuhe damit geschmieret. An den Fasttägen, deren -mehr als genug einfielen und alle ~solenniter~ gehalten wurden, weil -der Hausvater diesfalls gar gewissenhaft war, mußten wir uns mit -stinkenden Bücklingen, versalzenen Polchen, faulen Stock- und andern -abgestandenen Fischen herumbeißen, dann er kaufte alles der Wohlfeile -nach und ließ sich die Mühe nicht dauren, zu solchem Ende selbst auf -den Fischmarkt zu gehen und anzupacken, was die Fischer auszuschmeißen -im Sinne hatten. Unser Brot war gemeiniglich schwarz und alt, der Trank -aber ein dünn, saur Bier, das mir die Därme hätte zerschneiden mögen, -und mußt doch gut abgelegen Märzbier heißen. - -Von dem deutschen Knecht vernahm ich, daß es Sommerszeit noch schlimmer -hergehe, dann da sei das Brot schimmlich, das Fleisch voller Würmer -und ihre beste Speise wäre irgends zu Mittags ein paar Rettiche und -auf den Abend eine Handvoll Salat. Ich fragte, warum er dann bei dem -Filz bleibe, da antwortete er mir, daß er die meiste Zeit auf der Reise -sei, und derhalben mehr auf der Reisenden Trinkgelder als auf seinen -Schimmel-Juden bedacht sein müßte. Er getraue seinem Weib und Kindern -nicht im Keller, wie er sich selbsten den Tropfen Wein nicht gönne. - -Einsmals brachte er sechs Pfund Sülzen oder Rinderkutteln heim, das -setzte er in seinen Speiskeller. Weil zu seiner Kinder großem Glück das -Tagfenster offen stund, banden sie eine Eßgabel an einen Stecken und -angelten damit die Kuttelflecke heraus, welche sie also bald in großer -Eile verschlangen, dann sie waren gekocht. Darnach gaben sie vor, die -Katze hätte es getan, aber der Erbsenzähler wollte es nicht glauben, -fing derhalben die Katze, wog sie und befand, daß sie mit Haut und Haar -nicht so schwer war, als seine Kutteln gewesen. - -Weil er dann so gar unverschämt handelte, begehrte ich an gemeldter -Studenten Tafel zu essen, es koste was es wolle. Dort ging es zwar -etwas herrlicher her, ward mir aber wenig damit geholfen, dann alle -Speisen waren nur halb gar, was meinem Kostherrn zwiefach zu baß kam, -erstlich am Holz, so er gesparet, und daß wir viel zurück ließen. Über -das so dünkte mich, er zählete uns alle Mundvoll in Hals hinein und -kratzte sich hintern Ohren, wann wir einmal recht futterten. Sein Wein -war gewässert, der Käs, den man am Ende jeder Mahlzeit aufstellete, -steinhart, die holländische Butter aber dermaßen versalzen, daß keiner -über ein Lot davon auf einen Imbiß genießen konnte. Das Obst mußte man -wohl so lang auf- und abtragen, bis es mürbe und zum essen tauglich -war. Wann dann etwan ein oder der andere darauf stichelte, so fing -er einen erbärmlichen Hader mit seinem Weibe an, daß wirs höreten, -heimlich aber befahl er ihr, sie solle nur bei der alten Geigen bleiben. - -Einsmals brachte ihm einer seiner Klienten einen Hasen zur Verehrung, -den sahe ich in der Speiskammer hangen und gedachte, wir würden einmal -Wildpret essen. Aber der deutsche Knecht sagte, daß der Has uns nicht -an den Zähnen brennen würde, ich sollte Nachmittags auf den Alten Markt -gehen und sehen, ob er nicht dort zum Verkauf hinge. Darauf schnitt ich -dem Hasen ein Stücklein vom Ohr. Als wir über dem Mittagsimbiß saßen, -und unser Kostherr nicht bei uns war, erzählete ich, daß unser Geizhals -einen Hasen zu verkaufen hätte, um den ich ihn zu betrügen gedächte, -wann mir einer von ihnen folgen wollte. Jeder sagte ja, dann sie hätten -unserm Wirt gern vorlängst einen Schabernack angetan. - -Also verfügten wir uns den Nachmittag auf den Alten Markt, da unser -Kostherr stund, um aufzupassen, was der Verkäufer lösete. Wir sahen ihn -bei vornehmen Leuten, mit denen er discurierte. - -Ich hatte nun einen Kerl angestellt, der ging zu dem Höcker, wo der -Hase hing: - -»Landsmann, der Has ist mein. Ich nehme ihn als mein gestohlen Gut auf -Recht hinweg. Er ist mir heut Nacht von meinem Fenster hinweggefischet -worden. Läßt du ihn nicht gutwillig folgen, so gehe ich auf deine -Gefahr und Unrechts Kosten mit dir hin, wo du wilt.« - -Der Unterhändler antwortete, er sollte sehen, was er zu tun hätte. Dort -stünde ein vornehmer Herr, der ihm den Hasen zu verkaufen gegeben und -ohn Zweifel nicht gestohlen habe. - -Als nun die Zween so wortwechselten, bekamen sie gleich einen Umstand, -so unser Geizhals stracks in Acht nahm und hörete, wieviel die Glocke -schlug. Winkte derohalben dem Unterkäufer, daß er den Hasen folgen -lassen sollte. Mein Kerl aber wußte den Umstehenden das Stück Ohr zu -weisen und an dem Schnitte zu messen, daß ihm jedermann recht gab. - -Indessen näherte ich mich auch von ungefähr mit meiner Gesellschaft, -stund an dem Kerl, der den Hasen hatte und fing an mit ihm zu marken, -und nachdem wir des Kaufs eins wurden, stellete ich den Hasen meinem -Kostherrn zu mit Bitte, solchen mit sich heimzunehmen und auf unsern -Tisch zurichten zu lassen, dem Kerl aber gab ich statt der Bezahlung -ein Trinkgeld zu zwo Kannen Bier. Also mußte uns der Geizhals den Hasen -wider Willen zukommen lassen und dorfte noch darzu nichts sagen. Dessen -wir genug zu lachen hatten. - - - - -Das vierte Buch - - - - -Das erste Kapitel - - -Allzuscharf machet schartig und wenn man den Bogen überspannet, so -muß er endlich zerbrechen. Der Posse, den ich meinem Kostherren mit -dem Hasen riß, war mir nicht genug. Ich lehrete seine Kostgänger, wie -sie die versalzene Butter wässern und dadurch das überflüssige Salz -herausziehen, den harten Käs aber wie Parmesaner schaben und mit Wein -anfeuchten sollten, was dem Geizhals lauter Stiche ins Herz waren. Ich -zog durch meine Kunststücke über Tisch das Wasser aus dem Wein, und -machte ein Lied, darin ich den Geizigen einer Sau vergliche, von der -nichts Gutes zu hoffen sei, bis sie der Metzger tot auf dem Schragen -hätte. Dafür bezahlete er mich mit folgender Untreue. - -Die zween Jungen von Adel bekamen einen Wechsel und Befehl von ihren -Eltern, sich nach Frankreich zu begeben und die Sprache zu lernen. -Unseres Kostherren deutscher Knecht war anderwärts auf Reise und dem -wälschen wollte er die Pferde nicht vertrauen. Er bat mich derowegen, -ob ich ihm nicht den großen Dienst tun und beide Edelleute mit den -Pferden nach Paris führen wollte, weil ohn das meine Sache in vier -Wochen noch nicht erörtert werden könnte, indessen wollte er hingegen -meine Geschäfte, wann ich ihm vollkommene Gewalt geben würde, so -getreulich befördern, als ob ich selbst gegenwärtig wäre. Die von Adel -ersuchten mich deswegen auch, und mein Fürwitz, Frankreich zu besehen, -riet mir solches gleichfalls, weil ichs jetzt ohn sondere Unkosten tun -konnte. - -Also macht ich mich mit diesen Edelleuten anstatt eines Postillions auf -den Weg, auf welchem mir nichts Merkwürdiges zuhanden stieß. - -Da wir nach Paris kamen und bei unseres Kostherren Korrespondenten, von -dem die Edelleute auch ihre Wechsel empfingen, einkehrten, ward ich den -andern Tag nicht allein mit den Pferden arrestiert, sondern derjenige, -so vorgab, mein Kostherr wäre ihm eine Summe Geldes schuldig, griffe -mit Bewilligung des Viertels-~Commissarii~ zu und versilberte die -Pferde. Also saß ich da wie Matz von Dresden und wußte mir selber nicht -zu helfen viel weniger zu raten, wie ich einen so weiten Weg wieder -zurückkommen sollte. - -Die von Adel bezeugeten ein groß Mitleiden mit mir und verehreten mich -desto ehrlicher mit einem guten Trinkgeld, wollten mich auch nicht -ehender von sich lassen, bis ich entweder einen guten Herrn oder eine -Gelegenheit hätte wieder nach Deutschland zu kommen. Ich hielt mich -etliche Tage in ihrem Losament, weil ich den einen, so etwas unpäßlich -war, auswartete. Demnach ich mich so fein anließ, schenkte er mir sein -Kleid, dann er sich auf die neue Mode kleiden ließ. - -Als ich nun in Zweifel stund, was ich tun sollte, hörete mich einsmals -der ~Medicus~, so meinen kranken Junker kurieret, auf der Laute -schlagen und ein deutsch Liedlein darein singen. Das gefiele ihm so -wohl, daß er mir eine gute Bestallung anbot samt seinem Tisch, da ich -mich zu ihm begeben und seine zween Söhne unterrichten wollte, dann -er wußte schon besser, wie mein Handel stund, als ich selbst und, daß -ich einen guten Herrn nicht ausschlagen würde. Ich verdingte mich aber -nicht länger als von einem Vierteljahr zum andern. - -Dieser Doktor redete so gut deutsch als ich und italienisch wie seine -Muttersprache. Als ich nun die Letze mit meinen Edelleuten zehrte, war -er auch dabei. Mir gingen üble Grillen im Kopf herum, dann da lag mir -mein frischgenommen Weib, mein versprochen Fähnlein und mein Schatz -in Köln im Sinn, von welchem allem ich mich so leichtfertig hinweg zu -begeben hatte bereden lassen. Ich sagte auch über den Tisch: »Wer weiß, -ob vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hierher praktizieret, -damit er das Meinige zu Köln erheben und behalten möge.« - -Der Doktor meinte, das könne wohl sein, vornehmlich wann ich ein Kerl -von geringem Herkommen sei. - -»Nein,« antwortete der eine Edelmann, »wann er zu solchem Ende hierher -geschickt worden ist, daß er hier bleiben solle, so ists darum -geschehen, weil er ihm seines Geizes wegen soviel Drangsal antäte.« - -Der Doktor sagte: »Es sei geschehen, aus was vor einer Ursache es -wolle, so lasse ich wohl gelten, daß die Sache so angestellt worden, -daß Er hier bleiben muß. Er lasse sich aber das nicht irren. Ich will -Ihm schon wieder mit guter Gelegenheit nach Deutschland verhelfen. -Er schreibe dem ~Notarius~ nur, daß er den Schatz wohl beachte, -sonst werde er scharfe Rechenschaft geben müssen. Es gibet mir einen -Argwohn, daß es ein angestellter Handel sei, weil derjenige, so sich -vor den ~Creditor~ dargegeben, Eures Kostherren und seines hiesigen -Korrespondenten sehr guter Freund ist.« - -~Monsigneur Canard~, so hieß mein neuer Herr, erbot sich mir mit -Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich des Meinigen zu Köln nicht -verlustig würde, dann er sahe wohl, daß ich traurig war. In seiner -Wohnung begehrete er, ich sollte ihm erzählen, wie meine Sachen -beschaffen wären. Ich gab mich vor einen armen deutschen Edelmann -aus, der weder Vater noch Mutter, sondern nur etliche Verwandte in -einer Festung hätte, darin schwedische Guarnison läge, welches ich vor -meinem Kostherrn und denen von Adel verborgen hätte, damit sie das -Meinige als ein Gut, so dem Feinde zuständig, nicht an sich zögen. -Meine Meinung wäre, ich wollte dem Kommandanten der Festung schreiben, -als unter dessen Regiment ich die Stelle eines Fähnrichs hätte, und -ihm berichten, was gestalten ich hierher praktiziert worden, ihn -auch bitten, sich des Meinigen habhaft zu machen und indessen meinen -Freunden zuzustellen. - -~Canard~ befand mein Vorhaben ratsam und versprach mir die Schreiben an -ihren Ort zu bestellen, und sollten sie gleich nach Mexiko oder China -lauten. - -Demnach schrieb ich an meine Liebste, an meinen Schwehervater und -den Obristen ~de S. A.~, Kommandanten in L., an welchen ich auch das -~Copert~ richtete und ihm die übrigen beiden beischloß: Ich wollte mich -mit ehisten wieder einstellen, dann ich nur die Mittel in die Hand -kriegte, eine so weite Reise zu vollenden. Er und mein Schweher möchten -vermittels der ~Militiae~ das Meinige zu bekommen unterstehen, eh Gras -darüber wüchse. Darneben berichtete ich, wieviel es an Gold, Silber und -Kleinodien sei. -- Solche Briefe verfertigte ich ~in duplo~, ein Teil -bestellete ~Mons. Canard~, den andern gab ich auf die Post, damit eins -desto gewisser einliefe. - -Also ward ich wieder fröhlich und ich instruierte meines Herrn zween -Söhne desto leichter. Die wurden wie die Prinzen erzogen, dann weil -~Mons. Canard~ sehr reich als auch überaus hoffärtig war, wollte er -sich sehen lassen. Welche Krankheit er von großen Herren an sich -genommen, weil er täglich mit Fürsten umging und ihnen alles nachäffte. - -Sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in welcher kein anderer -Mangel erschien, als daß man ihn nicht auch einen gnädigen Herrn -nannte. Einen ~Marquis~, da ihn etwan einer besuchen kam, traktierte er -nicht höher als seinesgleichen. So teilete er zwar auch geringen Leuten -von seinen Arzeneien mit, nahm aber kein geringstes Geld von ihnen, -sondern schenkte ihnen eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen -Namen haben möchte. - -Weil ich ziemlich ~curiös~ war und wußte, daß er mit meiner Person -prangte, als weil ich auch stets in seinem Laboratorio ihm arzeneien -half, davon ich einigermaßen vertraut mit ihm ward, fragte ich ihn -einsmals, warum er sich nicht von seinem adeligen Sitz her schreibe, -den er neulich nahend Paris um 20000 Kronen gekauft, ~item~ warum -er lauter Doktores aus seinen Söhnen zu machen gedenke und sie so -streng studieren lasse, ob nicht besser wäre, daß er ihnen, wie andern -Kavaliers, irgend Ämter kaufe und sie also vollkommen in den adeligen -Stand treten lasse, den sie durch den Landsitz schon namensweis -erworben hätten. - -»Nein,« sagte er, »wann ich zu einem Fürsten komme, so heißt es: Herr -Doktor, setze Er sich nieder. Zum Edelmann aber wird gesagt: Wart auf!« - -Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß ein Arzt dreierlei -Angesichter hat: Das erste eines Engels, wann ihn der Kranke ansichtig -wird, das ander eines Gottes, wann er hilft, das dritte eines Teufels, -wann man gesund ist und ihn wieder abschafft. Also währet solche Ehrung -nicht länger, als solang dem Kranken der Wind im Leib herumgeht, höret -das Rumpeln auf, so hat die Ehre ein Ende und heißt alsdann auch: -Doktor, vor der Tür ist's dein! Der Edelmann kommt aber niemals von des -Prinzen Seite. Auch hat der Herr Doktor neulich etwas von einem Fürsten -in den Mund genommen und demselben seinen Geschmack abgewinnen müssen, -da wollte ich lieber zehn Jahre stehen und aufwarten, als ich eines -andern Kot versuchete und wanngleich man mich auf Rosen setzte.« - -Er antwortete: »Das muß ich nicht tun, sondern tus gern. Wann der Fürst -sieht, wie sauer michs ankommt, seinen Zustand recht zu erkunden, wird -meine Verehrung desto größer. Und warum sollte ich dessen Kot nicht -versuchen, der mir etlich hundert Dukaten dafür zum Lohn gibet? Ihr -redet von der Sache wie ein Deutscher. Wann Ihr aber einer andern -Nation wäret, so wollet ich sagen, Ihr hättet geredet wie ein Narr.« - -Mit dieser Sentenz nahm ich vorlieb. - - - - -Das ander Kapitel - - -~Mons. Canard~ hatte täglich viel Schmarotzer und hielt gleichsam eine -freie Tafel. Einsmals besuchte ihn des Königs Zeremonienmeister und -andere vornehme Personen vom Hof, denen er eine fürstliche Collation -darreichte. Damit er nun denselben seinen allergeneigtesten Willen -erzeugte und ihnen alle Lust machte, begehrete er, ich wolle ihm -zu Ehren und der ansehnlichen Gesellschaft zu Gefallen ein deutsch -Liedlein in meine Laute hören lassen. Ich folgte gern, weil ich eben in -Laune war und befliß mich derhalben, das beste Geschirr zu machen. - -Daran fanden die Anwesenden ein solch Ergötzen, daß der -Zeremonienmeister sagte, es wäre immer schade, daß ich nicht die -franzsche Sprache könnte, er wollte mich trefflich wohl beim König und -der Königin anbringen. - -Mein Herr besorgte, ich möchte ihm aus seinen Diensten entzuckt werden -und antwortete, ich sei einer von Adel, der nicht lange in Frankreich -zu verbleiben gedächte, würde mich demnach schwerlich vor einen -Musikanten gebrauchen lassen. - -Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er seine Tage nicht eine so -seltene Schönheit, eine so klare Stimme und einen so künstlichen -Lautenisten in einer Person gefunden. Es sollte ehist vorm König -in ~Louvre~ eine ~Comoedia~ gespielet werden, wann er mich darzu -gebrauchen könnte, so verhoffe er große Ehre mit mir einzulegen. Das -hielt mir ~Mons. Canard~ vor, und ich antwortete, wann man mir sagete, -was vor eine Person ich darstellen und was vor ein Lied ich in meine -Laute singen sollte, so könnte ich ja beides: Melodeien und Lieder -auswendig lernen, wannschon sie in franzscher Sprache wären. Als mich -der Zeremonienmeister so willig sahe, mußte ich ihm versprechen den -andern Tag in ~Louvre~ zu kommen, um zu probieren. Also stellete ich -mich ein. Die Melodeien schlug ich gleich perfekt auf dem Instrument, -weil ich das Tabulaturbuch vor mir hatte. Die franzschen Lieder, welche -mir zugleich verdeutscht wurden, kamen mich gar nicht schwer an, also -daß ichs eher konnte, als sichs jemand versahe. - -Ich habe die Zeit meines Lebens keinen so angenehmen Tag gehabt, als -mir derjenige war, an welchem die ~Comoedia~ gespielet ward. ~Mons. -Canard~ gab mir etwas ein, meine Stimme desto klärer zu machen; da er -aber meine Schönheit mit ~oleo talci~ erhöhen und meine halbkrausen -Haare, die vor Schwärze glitzerten, verpudern wollte, fand er, daß er -mich dadurch nur entstellet hätte. - -Ich ward mit einem Lorbeerkranz gekrönt und in ein antiquisch meergrün -Kleid angetan, in welchem man mir den ganzen Hals, den Oberteil der -Brust, die Arme bis hinter die Ellenbogen und die Knie von den halben -Schenkeln an bis auf die halben Waden nackend und bloß sehen konnte. Um -solches schlug ich einen leibfarbenen taffeten Mantel, der sich mehr -einem Feldzeichen vergliche. In solchem Kleid löffelte ich um meine -~Eurydice~, rufte die ~Venus~ mit einem schönen Liedlein um Beistand -an und brachte endlich meine Liebste davon. In welchem Akt ich mich -trefflich zu stellen und meine Liebste mit Seufzen und spielenden Augen -anzublicken wußte. - -Nachdem ich aber meine ~Eurydice~ verloren, zog ich ein ganz schwarz -Habit an, auf die vorige Mode gemacht, aus welchem meine weiße Haut -hervorschien wie Schnee. In solchem beklagte ich meine verlorene -Liebste und bildete mir die Sache so erbärmlich ein, daß mir mitten -in meinen traurigen Liedern und Melodeien die Tränen herausruckten. -Bis ich vor ~Plutonem~ und ~Proserpinam~ in die Hölle kam, stellete -ich denselben in einem sehr beweglichen Liede die Liebe vor, so wir -beide zusammen trügen, bat mit den allerandächtigsten Gebärden, und -zwar alles in die Harfe singend, sie sollten mir die ~Eurydice~ wieder -zukommen lassen, und bedankte, nachdem ich das Jawort erhalten, mit -einem Liede, wußte dabei das Angesicht, samt Gebärden und Stimme so -fröhlich zu verkehren, daß sich alle Anwesenden darüber verwunderten. -Da ich aber meine ~Eurydice~ wieder unversehens verlor, fing ich an, -auf einem Felsen sitzend, den Verlust mit erbärmlichsten Worten und -einer traurigen Melodei zu beklagen und alle Kreaturen um Mitleiden -anzurufen. Darauf stellten sich allerhand zahme und wilde Tiere, -Berge, Bäume und dergleichen bei mir ein, also daß es in Wahrheit ein -Ansehen hatte, als ob alles mit Zauberei übernatürlicher Weise wäre -zugerichtet worden. Da ich aber zuletzt allen Weibern abgesagt und von -den Bacchantinnen erwürget und ins Wasser geworfen ward, daß man nur -meinen Kopf sahe, sollte mich ein erschröcklicher Drache benagen. Der -Kerl aber so im Drachen stak, denselben zu regieren, konnte meinen Kopf -nicht sehen und ließ das Drachenmaul neben dem meinigen grasen. Solches -kam mir lächerlich vor, daß ich mir nicht abbrechen konnte, darüber zu -schmollen, welches die Damen, so mich gar wohl betrachteten, in Acht -nahmen. - -Von dieser ~Comoedia~ bekam ich neben dem Lob nicht allein eine -treffliche Verehrung, sondern auch einen andern Namen, indem mich -forthin die Franzosen nicht anders als ~Beau Alman~ nannten. Es wurden -noch mehr dergleichen Spiele und Ballett gehalten, in welchen ich -mich gebrauchen ließ. Ich befand aber zuletzt, daß ich von den andern -geneidet ward, weil ich die Augen der Zuseher, sonderlich der Weiber, -gewaltig auf mich zog. Tät mich derowegen ab, maßen ich einsmals -ziemlich Stöße kriegte, da ich als ein ~Herkules~, gleichsam nackend in -einer Löwenhaut, mit dem Flußgott ~Achelous~ um die ~Deianira~ kämpfte, -da er mir's gröber machte, als in einem Spiel Gebrauch ist. -- - -Einsmals kam ein Lakai, der sprach meinen ~Mons. Canard~ an und -brachte ihm ein Brieflein, eben als ich in seinem Laboratorio über -alchimistischer Arbeit saß, dann ich hatte aus Lust bei meinem Doktor -manchen chimischen Prozeß gefördert mit Resolvieren, Sublimieren, -Kalcinieren, Digerieren und unzählig vielen andern Praktiken. - -»~Monsieur Beau Alman~,« rief der Doktor, »das Schreiben betrifft Euch. -Es schicket ein vornehmer Herr, Ihr wollet gleich zu ihm kommen, daß -er Euch ansprechen könnte, ob Euch nicht beliebe, seinen Sohn auf der -Laute zu informieren. Er bittet mit sehr courtoisen Versprechen, daß -ich Euch zurede, Ihr wollet ihm diesen Gang nicht abschlagen.« - -Ich antwortete: »Wann ich Euretwegen jemand dienen könnte, so will ich -am Fleiße nicht sparen.« - -Darauf sagte er, ich solle mich anders anziehen, indessen wolle er mir -etwas zu essen machen, dann ich hätte einen ziemlich weiten Weg zu -gehen. - -Also putzte ich mich und verschluckte in Eil etwas von den Gerichten, -sonderlich aber ein paar kleiner delikater Würstlein, welche mir zwar, -als mich deuchte, ziemlich stark apothekerten. Ging demnach mit -gedachtem Lakai durch seltsame Umwege eine Stunde lang, bis wir gegen -Abend an eine Gartentür kamen, die nur zugelehnt war. Der Lakai stieß -sie vollends auf und schlug sie hinter uns zu, führete mich nachgehends -in ein Lusthaus, so in einer Ecke des Gartens stund. Nachdem wir -einen ziemlich langen Gang passierten, klopfte er vor einer Tür, so -von einer alten adeligen Dame stracks aufgemachet ward. Diese hieß -mich in deutscher Sprache sehr höflich willkommen und zu ihr vollends -hineintreten. Der Lakai aber, so kein Deutsch konnte, nahm mit tiefer -Reverenz Abschied. - -Die Alte führte mich bei der Hand vollends in das Zimmer, das rundumher -mit köstlichen Tapeten behängt und sonsten auch schön gezieret war. Sie -hieß mich niedersitzen, damit ich verschnaufen und zugleich vernehmen -könnte, aus was Ursachen ich an diesen Ort geholet worden. - -Ich folgte gern und satzte mich auf einen Sessel, den sie mir zum Feuer -stellete, sie aber ließ sich neben mir auf einen andern nieder und -sagte: - -»~Monsieur~, wann Er etwas von den Kräften der Liebe weiß, daß nämlich -solche die allertapfersten, stärksten und klügsten Männer überwältige -und zu beherrschen pflege, so wird Er sich umso viel mehr desto weniger -verwundern, wann dieselbe auch ein schwaches Weibsbild meistert. Er -ist nicht der Laute halber, wie man Ihn und ~Mon. Canard~ überredet -hat, von einem Herrn, aber wohl seiner übertrefflichen Schönheit halber -von der allervortrefflichsten Dame in Paris hierher berufen worden. -Sie versiehet sich allbereits des Todes, so sie nicht bald des Herren -überirdische Gestalt zu beschauen und sich daran zu erquicken das Glück -haben sollte. Derowegen hat sie mir befohlen, dem Herrn, als meinem -Landsmann, solches anzuzeigen und ihn höher zu bitten als ~Venus~ -ihren ~Adonis~, daß er diesen Abend sich bei ihr einfinden und seine -Schönheit genugsam von ihr betrachten lasse, welches er ihr hoffentlich -als einer vornehmen Dame nicht abschlagen wird.« - -Ich antwortete: »~Madame~, ich weiß nicht, was ich denken, viel weniger -hierauf sagen soll. Ich erkenne mich nicht darnach beschaffen zu sein, -daß eine Dame von so hoher Qualität nach meiner Wenigkeit verlangen -sollte. Wann die Dame, so mich zu sehen begehret, so vortrefflich und -vornehm sei, als mir meine hochgeehrte Frau Landsmännin vorbringt, so -hätte sie wohl bei früher Tageszeit nach mir schicken dörfen und mich -nicht erst hierher an diesen einsamen Ort bei so spätem Abend berufen. -Was habe ich in diesem Garten zu tun? Meine Landsmännin vergebe, wann -ich als verlassener Fremder in die Forcht gerate, man wolle mich auch -sonst hintergehen. Sollte ich aber merken, daß man mir so verräterisch -mit bösen Tücken an den Leib wollte, würde ich vor meinem Tode den -Degen zu gebrauchen wissen.« - -»Sachte, sachte, mein hochgeehrter Herr Landsmann, Er lasse diese -unmutigen Gedanken aus dem Sinn. Die Weibsbilder sind seltsam und -vorsichtig in ihren Anschlägen, daß man sich nicht gleich anfangs so -leicht darein schicken kann. Wann diejenige, die Ihn über alles liebet, -gern hätte, daß Er Wissenschaft von ihrer Person haben sollte, so hätte -sie Ihn freilich nicht erst hierher, sondern den geraden Weg zu sich -kommen lassen. Dort liegt eine Kappe, die muß der Herr ohndas erst -aufsetzen, wann Er zu ihr geführt wird, weil sie auch sogar nicht will, -daß Er den Ort, geschweige, bei wem er gesteckt, wissen sollte. Bitte -und ermahne demnach den Herrn so hoch als ich immer kann, Er zeige -sich gegen diese Dame so, wie es ihre Hoheit als auch ihre gegen Ihn -tragende unaussprechliche Liebe meritiert. Anders wolle Er gewärtig -sein, daß sie mächtig genug sei, seinen Hochmut und Verachtung auch in -diesem Augenblick zu strafen.« - -Es ward allgemach finster und ich hatte allerhand Sorgen und forchtsame -Gedanken, also daß ich wie ein geschnitzt Bild dasaß. Konnte mir wohl -auch einbilden, daß ich diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen -könnte. So willigte ich denn in alles, so man mir zumutete, und sagte -der Alten: »Wenn ihm dann so ist, wie Sie vorgebracht, so vertraue ich -meine Person Ihrer angeborenen deutschen Redlichkeit, der Hoffnung, sie -werde nicht zulassen, daß einem unschuldigen Deutschen eine Untreue -widerführe. Sie vollbringe also, was Ihr befohlen.« - -»Ei, behüte Gott, Er wird mehr Ergötzen finden, als Er sich hat sein -Tag niemals einbilden dörfen!« - -Sie rief: ~Jean~, ~Pierre~! -- alsobald traten diese in vollem, -blanken Küraß, vom Scheitel bis auf die Fußsohle gewaffnet, mit einer -Hellebarden und Pistolen in Händen, hinter einer Tapezerei herfür. -Davon ich dergestalt erschrak, daß ich mich entfärbte. Die Alte ward -solches lächelnd gewahr. - -»Man muß sich nicht förchten, wenn man zum Frauenzimmer gehet.« - -Sie befahl den beiden ihren Harnisch abzulegen, die Laterne zu nehmen -und nur mit ihren Pistolen zu folgen. Demnach streifte sie mir die -schwarze Sammetkappe über den Kopf und führete mich an der Hand durch -seltsame Wege. - -Ich spürte wohl, daß ich durch viel Türen und auch über einen -gepflasterten Weg passierte. Endlich mußte ich etwan eine halbe -Viertelstunde eine kleine steinerne Stiege steigen, da tät sich ein -Türlein auf, von dannen kam ich über einen belegten Gang und mußte eine -Wendelstiege hinauf, folgends etliche Staffeln wieder hinab, allda sich -etwa sechs Schritte weiters eine Tür öffnete. - -Als ich endlich durch solche kam, zog mir die Alte die Kappe wieder -herunter. Da befand ich mich in einem Saal, der überaus zierlich -aufgeputzt war. Die Wände waren mit schönen Gemälden, der Tresor mit -Silbergeschirr und das Bette, so darin stund, mit Umhängen von göldenen -Stücken gezieret. In der Mitten stund der Tisch, prächtig gedeckt, und -bei dem Feuer befand sich eine Badewanne, die wohl hübsch war, aber -meinem Bedünken nach schändete sie den ganzen Saal. - -Die Alte sagte zu mir: »Nun willkommen, Herr Landsmann, kann Er noch -sagen, daß man Ihn mit Verräterei hintergehe? Er lege nur allen Unmut -ab und erzeige sich wie neulich auf dem Theatro, da er seine ~Eurydice~ -wieder erhielt. Er wird hier, ich versichere, eine schönere antreffen, -als Er dort eine verloren.« - - - - -Das dritte Kapitel - - -Ich merkte schon an diesen Worten, daß ich mich nicht nur an diesem -Ort beschauen lassen, sondern noch gar was anderes tun sollte. Sagte -derowegen zu der Alten: - -»Es ist einem Durstigen wenig damit geholfen, wann er bei einem -verbotenen Brunnen sitzt.« - -Sie antwortete, man sei in Frankreich und also nicht so mißgünstig, daß -man einem das Wasser verbiete, sonderlich, wo dessen ein Überfluß sei. - -»Ja,« sagte ich, »Sie saget mir wohl davon, wann ich nicht schon -verheiratet wäre.« - -»Das sind Possen,« meinte das gottlose Weib, »man wird Euch solches -nicht glauben, dann die verehelichten Kavaliers ziehen selten nach -Frankreich. Und wenngleich dem so wäre, kann ich nicht glauben, daß -der Herr so albern sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden -Brunnen zu trinken.« - -Dies war unser Diskurs, dieweil mir eine adelige Jungfer, so das Feuer -pflegte, Schuhe und Strümpfe auszog, die ich überall im Finstern -besudelt hatte, wie dann Paris ohn das eine sehr kotige Stadt ist. - -Gleich darauf kam Befehl, daß man mich noch vor dem Essen baden sollte, -dann bemeldtes Jungfräulein ging ab und zu und brachte Badezeug, so -alles nach Bisem und wohlriechender Seife duftete. Das leinen Gerät war -von reinstem Kammertuch und mit teueren holländischen Spitzen besetzt. - -Ich wollte mich schämen und vor der Alten nicht nackend sehen lassen, -aber es half nichts, ich mußte dran und mich von ihr ausreiben lassen, -das Jungfergen mußte eine Weile abtreten. - -Nach dem Bad ward mir ein zartes Hemd gegeben und ein köstlicher -Schlafpelz von veielblauem Taffet angelegt, samt ein Paar Strümpfen von -gleicher Farbe. So war meine Schlafhaube samt den Pantoffeln mit Gold -und Perlen gestickt, also daß ich nach dem Bad dort saß zu protzen wie -der Herzkönig. - -Indessen mir nun meine Alte das Haar trücknete und kämpelte trug -mehrgemeldtes Jungfergen die Speisen auf, und nachdem der Tisch -überstellet war, traten drei heroische Damen in den Saal, welche -ihre Alabasterbrüstlein zwar ziemlich weit entblößt trugen, vor den -Angesichtern aber ganz vermaskiert waren. - -Sie dünkten mich alle drei vortrefflich schön zu sein, aber doch war -eine viel schöner als die andern. Ich machte ihnen ganz stillschweigend -einen Bückling und sie bedankten sich mit der gleichen Zeremonie, -welches natürlich aussahe, als ob etliche Stumme beieinander seien. Sie -satzten sich alle drei zugleich, daß ich nicht erraten konnte, welche -die Vornehmste gewesen. - -Der ersten Rede war, ob ich nicht französisch könnte. Meine Landsmännin -sagte nein. Hierauf befahl ihr die andre, sie solle mir sagen, ich -wollte belieben niederzusitzen. Dann bedeutete die Dritte der Alten, -sie solle sich auch setzen. Woraus ich abermal nicht abnehmen konnte, -welche die Vornehmste unter ihnen war. - -Ich saß neben dem alten Gerippe und sie blickten mich alle drei sehr -anmütig, lieb- und huldreich an, und ich dörfte schwören, daß sie viel -hundert Seufzer gehen ließen. - -Meine Alte fragte mich, welche ich unter den dreien vor die Schönste -hielte. Ich antwortete, daß einem die Wahl wehe tue. Hierüber fing sie -an zu lachen, daß man alle vier Zähne sahe, die sie noch im Maul hatte, -und sagte: »Warum das?« - -»Soviel ich sehe, sein alle drei nit häßlich.« - -Dieses ward die Alte gefragt und sie log darzu, ich hätte gesagt, einer -jeden Mund wäre hunderttausend Mal Küssens wert, dann ich konnte ihre -Mäuler unter den Masken wohl sehen. Ich stellete mich unter all diesem -Diskurs über Tisch, als ob ich kein Wort französisch verstünde. - -Weil es nun so still herging, machten wir desto früher Feierabend. Die -Damen wünschten eine gute Nacht und gingen ihres Wegs, ich durfte aber -das Geleite nicht weiter als bis an die Tür geben, so die Alte gleich -nach ihnen zuriegelte. - -Ich fragte, wo ich dann schlafen müßte. Sie sagte, ich müßte bei ihr in -gegenwärtigem Bette vorlieb nehmen. Ich meinte das Bette wäre immerhin -gut genug. - -Indem wir so plauderten, zog eine schöne Dame den Bettvorhang etwas -zurück und sagte der Alten, sie solle aufhören zu schwätzen und -schlafen gehen. Stracks nahm ich ihr das Licht und wollte sehen, wer im -Bette läge. Sie aber löschte solches aus. - -»Herr, wann Ihm sein Kopf lieb ist, so unterstehe er sich dessen -nicht, was Er im Sinne hat. Er sei versichert, da Er im Ernst sich -bemühen wird, diese Dame wider ihren Willen zu sehen, daß Er nimmermehr -lebendig von hinnen kommt.« - -Damit ging sie durch und beschloß die Tür. Die Jungfer aber, so dem -Feur gewartet, löschte es vollends aus und ging hinter einer Tapezerei -durch eine verborgene Tür hinweg. - -»~Allez, monsieur Beau Aleman~, geh slaff mein 'erz, gomm, rick su mir!« - -Soviel hatte ihr die Alte Deutsch gelernet. Ich begab mich zum Bette, -zu sehen, wie dann dem Ding zu helfen sein möchte, sobald ich aber -hinzu kam, fiel sie mir um den Hals und bisse mir vor Hitze schier die -unter Lefzen herab, ja, sie fing an das Hemd gleichsam zu zerreißen, -zog mich also zu sich und stellete sich vor unsinniger Liebe also an, -daß nicht auszusagen. - -Sie konnte nichts anders Deutsch als: Rick su mir, mein 'erz! -- das -übrige gab sie sonst zu verstehen. - -Ich dachte zwar heim an meine Liebste, aber was half es. Ich war leider -ein Mensch und fand eine so wohlproportionierte Kreatur, daß ich ein -Holzblock hätte sein müssen. -- - -Dergestalt brachte ich acht Täge an diesem Orte zu. Nach geendigter -Zeit satzte man mich im Hof mit verbundenen Augen in eine zugemachte -Kutsche zu meiner Alten, die mir unterwegs die Augen wieder aufband. -Man führete mich in meines Herren Hof, und die Kutsche fuhr wieder -schnell hinweg. Meine Verehrung waren zweihundert Dukaten, und da ich -die Alte fragte, ob ich niemand kein Trinkgeld davon geben könnte, -sagte sie, bei Leibe nicht! - -Nachgehends bekam ich noch mehr dergleichen Kunden, welche es mir -endlich so grob machten, daß ich der Narrenposse ganz überdrüssig ward. - -Auch fing ich an und ging in mich selber, nicht zwar aus Gottseligkeit -oder Trieb meines Gewissens, sondern aus Sorge, daß ich einmal auf -solch einer Kirchweih erdappt und nach Verdienst bezahlt würde. An -Geld und andern Sachen hatte ich so viel Verehrungen zusammen, daß mir -Angst dabei ward und ich mich nicht mehr verwunderte, daß sich die -Weibsbilder aus dieser viehischen Unfläterei ein Handwerk machen. - -Derhalben trachtete ich wieder nach Deutschland zu kommen und das -umso viel mehr, weil der Kommandant zu L. mir geschrieben hatte, daß -er etliche kölnische Kaufleute bei den Köpfen gekriegt, die er nit -aus den Händen lassen wollte, es seien ihm dann meine Sachen zuvor -eingehändiget, ~item~ daß er mir das versprochene Fähnlein aufhalte und -meiner noch im Frühling gewärtig sei, dann sonst müßte er die Stelle -mit einem andern besetzen. - -So schickte mir mein Weib auch ein Brieflein darbei, das voll -liebreicher Bezeugung ihres großen Verlangens war. Hätte sie aber -gewußt, wie ich so ehrbar gelebet, so sollte sie mir wohl einen andern -Gruß hineingesetzt haben. - -Ich konnte mir wohl einbilden, daß ich mit ~Monsignore Canards~ -Einwilligung schwer hinweg käme, gedachte derhalben heimlich durch zu -gehen. Und als ich einsmals etliche Offizierer von der weimarischen -Armee antraf, gab ich mich ihnen als Fähnrich von des Obristen ~de -S. A.~ Regiment zu erkennen mit Bitte, sie wollten mich in ihrer -Gesellschaft als Reisegefährten mitnehmen, da ich meiner Geschäfte -in Paris ledig sei. Also eröffneten sie mir den Tag ihres Aufbruches -und nahmen mich willig mit. An ~Mons. Canard~ schrieb ich aber zurück -und datierte zu Mastrich, damit er meinen sollte, ich wäre auf Köln -gegangen, und nahm meinen Abschied mit Vermelden, daß mir unmöglich -gewesen länger zu bleiben, weil ich seine aromatischen Würstlein nicht -mehr hätte verdauen können. - -Im zweiten Nachtläger von Paris aus ward mir wie einem, der den Rotlauf -bekommt. Mein Kopf tät mir so grausam weh, daß mir unmöglich war -aufzustehen. Ich lag in einem gar schlechten Dorf, darin ich keinen -~Medicum~ haben konnte, und was das ärgste war, so hatte ich auch -niemand, der meiner wartete, dann die Offizierer reisten des Morgens -früh ihres Weges fort gegen den Elsaß zu. Sie ließen mich als einen, -der sie nichts anginge, gleichsam todkrank daliegen. Doch hinterließen -sie bei dem Schulzen, daß er mich als einen Kriegsoffizier, der dem -König diene, beobachten sollte. - -Also lag ich ein paar Tage dort, daß ich nichts von mir selber -wußte, sondern wie ein Hirnschelliger fabelte. Man brachte den -Pfaffen, derselbe konnte aber nichts Verständiges von mir vernehmen. -Doch gedachte er auf Mittel, mir nach Vermögen zu Hilfe zu kommen, -allermaßen er mir eine Ader öffnen, einen Schweißtrank eingeben und -mich in ein warmes Bette legen ließ, zu schwitzen. Das bekam mir so -wohl, daß ich mich in derselben Nacht wieder besann, wo ich war. - -Am folgenden Tag fand mich der Pfaffe ganz desperat, dieweil mir nicht -allein all mein Geld, es waren fünf hundert Dublonen, entführt war, -sondern auch ich nicht anders vermeinte, als hätte ich ~salva venia~ -die lieben Franzosenblatteren, weil sie mir billiger als die Dublonen -gebühreten. Ich war auch über den ganzen Leib so voller Flecken als wie -ein Tieger, konnte weder gehen, stehen, sitzen, liegen und war auch -keine Geduld bei mir. Ja, ich stellete mich nicht anders, als ob ich -ganz hätte verzweifeln wollen, daß also der gute Pfarrer genug an mir -zu trösten hatte, weil mich der Schuh an zweien Orten so heftig druckte. - -»Nach dem Geld fragte ich nichts, wann ich nur diese abscheuliche, -verfluchte Krankheit nicht am Hals hätte oder wäre an Ort und Enden, -da ich wieder kuriert werden könnte!« - -»Ihr müßt Euch gedulden. Wie müßten erst die armen, kleinen Kinder tun, -deren im hießigen Dorf über fünfzig daran krank liegen.« - -Wie ich hörete, daß auch Kinder damit behaftet, war ich alsbald -herzhafter, dann ich konnte ja leicht gedenken, daß selbige jene -garstige Seuch nit kriegen würden, nahm derowegen mein Felleisen zur -Hand und suchte, was es etwan noch vermöchte. Da war ohn das weiße Zeug -nicht Schätzbares drin, als eine Kapsel mit einer Damen Conterfait, -rund herum mit Rubinen besetzt, so mir eine zu Paris verehret hatte. -Ich nahm das Conterfait heraus und stellete das übrige dem Pfarrer -zu mit Bitte, solches in der nächsten Stadt zu versilbern. Auch mein -Klepper mußte dran glauben. Damit reichte ich kärglich aus, bis die -Blattern anfingen zu dörren und mir besser ward. - - - - -Das vierte Kapitel - - -Womit einer sündiget, damit pflegt er auch gestraft zu werden. Die -Kindsblattern richteten mich dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den -Weibsbildern gute Ruhe hatte. Ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich -aussahe wie eine Scheurtenne, darauf man Erbsen gedroschen. Ja, ich -ward so häßlich, daß sich mein schönes, krauses Haar, in welchem sich -so manch Weibsbild verstrickt, meiner schämte und seine Heimat verließ, -daß ich also notwendig eine Perücke tragen mußte. Meine liebliche -Stimme ging als auch dahin, dann ich den Hals voller Blattern gehabt. -Meine Augen, die man hiebevor niemalen ohne Liebesfeuer finden konnte, -eine jede zu entzünden, sahen jetzt rot und triefend aus wie die eines -achtzigjährigen Weibes. Über das alles war ich in fremden Landen, -kannte weder Hund noch Menschen, verstund die Sprache kaum und hatte -allbereits kein Geld. - -Da fing ich erst an hinter sich zu denken und die herrliche Gelegenheit -zu bejammern, die mir hiebevor zur Beförderung meiner Wohlfahrt -angestanden, ich aber so liederlich hatte verstreichen lassen. Ich -merkte, daß mein außergewöhnlich Kriegsglück und mein gefundener Schatz -nur Ursache und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen. Da war kein -Einsiedel mehr, der es treulich mit mir meinete, kein Pfarrer, der -mir das Beste riete. Da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte auch -fort und meine Gelegenheit anderswo suchen. O schnelle, unglückselige -Veränderung! Vor vier Wochen war ich ein Kerl, der die Fürsten zur -Verwunderung bewegte, das Frauenzimmer entzuckte, dem Volk als ein -Meisterstück der Natur, ja, ein Engel vorkam, jetzt aber so unwert, daß -mich die Hunde anpißten. - -Der Wirt stieß mich aus dem Haus, da ich nicht bezahlen konnte, kein -Werber wollte mich vor einen Soldaten annehmen, weil ich wie ein -grintiger Kuckuck aussahe, arbeiten konnte ich nit, dann ich war noch -zu matt und keiner Arbeit gewohnt. Mich tröstete allein, daß es gegen -den Sommer ging und ich mich zur Not hinter einer Hecken behelfen -konnte, weil mich niemand mehr im Hause litt. Mein stattlich Kleid und -Leinenzeug wollte mir niemand abkaufen, weil jeder sorgte, ich möchte -ihm auch eine Krankheit damit an den Hals hängen. - -Ich nahms also auf den Buckel, den Degen in die Hand und den Weg unter -die Füße, der mich in ein klein Städtlein trug, so gleich wohl über -eine eigene Apotheke vermochte. In dieselbe ging ich und ließ mir eine -Salbe zurichten, die mir die Blatternnarben im Gesicht vertreiben -sollte. Ich gab ein schön, zart Hemd davor. - -Es war ein Markt daselbst, und auf demselben befand sich ein -Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da er doch liederlich Ding den -Leuten dafür anhing. - -»Narr,« sagte ich zu mir selber, »was machst du, daß du nicht auch so -einen Kram aufrichtest! Bist du so lang bei ~Mons. Canard~ gewesen und -hast nicht so viel gelernt, einen einfältigen Baur zu betrügen und dein -Maulfutter davon zu gewinnen? Da mußt du wohl ein elender Tropf sein.« - -Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann mein Magen war nicht -zu ersättigen. Ich hatte aber nur noch einen einzigen göldenen Ring mit -einem Diamant, der etwa zwenzig Kronen wert war. Den versilberte ich um -zwölfe und resolvierte mich, ein Arzt zu werden. Kaufte die Materialia -zu einem Theriak und richtete ihn zu für kleine Städt und Flecken. Vor -die Bauren aber nahm ich ein Teil Wacholderlatwerge, vermischte solches -mit Eichenlaub, Weidenblättern und dergleichen herben Ingredienzien, -alsdann machte ich auch aus Kräutern, Wurzeln, Blättern und etlichen -Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit man wohl ein -gedruckt Pferd hätte heilen können, ~item~ aus Galmei, Kieselsteinen, -Krebsaugen, Schmirgel und Trippel ein Pulver, weiße Zähne damit -zu machen, ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Ammoniak und -Kampfer vor Mundfäule, Zähn- und Augenweh. Ich bekam auch einen Haufen -blecherner und hölzerner Büchslein, Papier und Gläslein, meine Ware -darein zu schmieren. Damit es auch ein Ansehen haben möchte, ließ ich -mir einen französischen Zettel koncipieren und drucken, darin man sehen -konnte, wozu ein und das ander gut war. Ich hatte kaum drei Kronen in -die Apotheke und vor Geschirr angewendet und war in drei Tagen fertig. -Also packte ich auf und nahm mir vor, von einem Dorf zum andern bis in -das Elsaß hinein zu streichen und endlich zu meinem Weib zu finden. - -Da ich das erste Mal mit meiner Quacksalberei vor eine Kirche kam -und feil hatte, war die Losung gar schlecht, weil ich noch viel zu -blöd war. Sahe demnach gleich, daß ichs anders angreifen müßte. Im -Wirtshaus vernahm ich über Tisch vom Wirt, daß den Nachmittag allerhand -Leute unter der Linden vor seinem Haus zusammenkommen würden, da -dörfte ich wohl so etwas verkaufen, wann man nur an einer Probe vor -Augen sähe, daß mein Theriak ausbündig gut wäre. Als ich dergestalt -vernommen, woran es mangele, bekam ich ein halbes Trinkgläslein voll -gutem Straßburger Branntewein und fing eine Art Kroten, so in den -unsauberen Pfützen sitzen und singen, sind fast rotgelb unten am Bauch -schwarz gescheckigt, gar unlustig anzusehen. Ein solche satzte ich -in ein Schoppenglas mit Wasser und stellets neben meine Ware auf den -Tisch unter der Linde. Wie sich nun die Leute versammleten und um mich -herumstunden, vermeineten etliche, ich würde mit der Zange, so ich von -dem Wirte aus der Kuchen entlehnet, die Zähn ausbrechen, ich aber fing -an: - -»Ihr Herren und gueti Freund, bin ich kein Brech-dir-die-Zahn-aus, -allein hab ich gut Wasser vor die Aug, es mag all die Flüß aus die rote -Aug ...« - -»Ja,« antwortete einer, »man siehets an Euren Augen wohl, die sehen ja -aus wie zween Irrwische!« - -»Das ist wahr, wann ich aber der Wasser vor mich nicht hab, so wär -ich wohl gar blind werd. Ich verkauf sonst das Wasser nit. Der -Theriak und das Pulver vor die weiße Zähn und das Wundsalb will ich -verkauf und der Wasser noch darzu schenk! Ich bin kein Schreier und -Bescheiß-dir-die-Leut. Hab ich mein Theriak feil, wann ich sie hab -probiert, und sie dir nit gefallt, so darfst du sie nit kauf ab.« - -Indem ließ ich einen von meinem Umstand aus den Theriakbüchslein -wählen, daraus tät ich etwan eine Erbse groß in meinen Branntewein, den -die Leute vor Wasser ansahen, zerrieb den Theriak darin und kriegte mit -der Zange die Krot zu fassen. - -»Secht ihr, gueti Freund, wann dies giftig Wurm kann mein Theriak trink -und sterbe nit, do ist der Ding nit nutz, dann kauf ihr nur nit ab.« - -Hiemit steckte ich die arme Krote, welche im Wasser geboren und -erzogen, in meinen Branntewein und hielt ihn mit einem Papier zu, daß -die Krot nicht herausspringen konnte. Da fing sie dergestalt an darin -zu wüten und zu zablen, ja viel ärger zu tun, als ob ichs auf glühend -Kohlen geworfen hätte, und streckte endlich alle vier von sich. - -Die Bauren sperrten Maul und Beutel auf, da war in ihrem Sinn kein -besserer Theriak als der meinige, und ich hatte genug zu tun, den -Plunder in die Zettel zu wickeln und Geld davor einzunehmen. Es kauften -etliche drei-, vier-, fünf- und sechsfach, damit sie auf den Notfall -mit so köstlicher Giftlatwerge versehen wären, ja, sie kauften auch vor -ihre Freunde und Verwandten. - -Ich machte mich noch dieselbe Nacht in ein anderes Dorf, weil ich -besorgte, es möchte etwan auch ein Baur so kurios sein und eine Kroten -in ein Wasser setzen, meinen Theriak zu probieren, und mir der Buckel -geraumet werden. - -Damit ich aber gleichwohl die Vortrefflichkeit meiner Giftlatwerge auf -eine andere Manier erweisen könnte, machte ich mir aus Mehl, Safran -und Gallus einen gelben ~Arsenicum~ und aus Mehl und Vitriol einen -~Mercurium Sublimatum~. Wann ich die Probe tun wollte, hatte ich zwei -gleiche Gläser mit frischem Wasser auf dem Tisch, davon das eine -ziemlich stark mit ~Aqua Fort~ oder ~Spiritus Victril~ vermischt war. -In dasselbe zerrührte ich ein wenig von meinem Theriak und schabte -alsdann von meinen beiden Giften so viel, als genug war, hinein. Davon -ward das eine Wasser, so keinen Theriak und also auch kein ~Aqua Fort~ -hatte, so schwarz als Tinte, das andre blieb wegen des Scheidewassers -wie es war. - -»Ha,« sagten dann die Leute, »das ist fürwahr ein köstlicher Theriak um -so ein gering Geld!« - -Wann ich aber beide untereinander goß, so ward wieder alles klar. -Davon zogen die guten Bauren ihre Beutel und ich kam glücklich an die -deutsche Grenze. - - - - -Das fünfte Kapitel - - -Da ich durch Lothringen passierte ging mir meine Ware aus und -also auch meine Gläslein. Demnach ich aber von einer Glashütte im -fleckensteinischen Gebiet hörete, begab ich mich darauf zu, mich wieder -zu montieren. Und indem ich Abwege suchte, weilen ich die Guarnisonen -scheuete, ward ich ungefähr von einer Partei aus Philippsburg, die sich -auf dem Schloß Wagelnburg aufhielt, gefangen. Der Baur, so mir den Weg -zu weisen mitgegangen war, hatte den Kerln gesagt, ich sei ein Doctor, -ward also wider des Teufels Dank vor einen Doctor nach Philippsburg -geführet. - -Ich scheuete mich gar nicht zu sagen, wer ich wäre, aber ich sollte ein -Doctor sein. Ich schwor, daß ich unter die kaiserlichen Dragoner nach -Soest gehörig, aber es hieß, der Kaiser brauche sowohl in Philippsburg -als in Soest Soldaten, man würde mir bei ihnen Aufenthalt geben, wann -mir dieser Vorschlag nicht schmecke, so möchte ich mit dem Stockhaus -vorlieb nehmen. - -Also kam ich vom Pferd auf den Esel und mußte wider Willen Musketierer -sein. Das kam mir blutsauer an, weil der Schmalhans dort herrschte und -das Kommißbrot schröcklich klein war. Und die Wahrheit zu bekennen, -so ist es wohl eine elende Kreatur um einen Musketierer in einer -Guarnison. Dann da ist keiner anders als ein Gefangener, der mit -Wasser und Brot der Trübsal sein armseliges Leben verzögert. Ja, ein -Gefangener hat es noch besser, dann er darf weder wachen, Runden gehen, -noch Schildwacht stehen, sondern bleibt in seiner Ruhe liegen. - -Etliche nahmen, und sollten es auch verloffene Huren gewesen sein, -in solchem Elend keiner andern Ursache halber Weiber, als daß sie -von solchen entweder durch Arbeiten als nähen, wäschen, spinnen oder -krämpeln und schachern und gar stehlen ernähret würden. Da war eine -Fähnrichin unter den Weibern, die hatte eine Gage wie ein Gefreiter. -Eine andre war Hebamme und brachte dadurch sich selbsten und ihrem -Mann manchen Schmauß zuwege. Eine andre konnte stärken und wäschen, -andre verkauften Tobak und versahen die Kerle mit Pfeifen, andere -handelten mit Branntewein und eine war eine Näherin. Es gab ihrer, die -sich blöslich vom Felde ernähreten: im Winter gruben sie Schnecken, im -Frühling ernteten sie Salat, im Sommer nahmen sie Vogelnester aus, im -Herbste wußten sie sonst tausenderlei Schnabelweide zu kriegen. Solcher -Gestalt nun meine Nahrung zu haben, war nicht vor mich, dann ich -hatte schon ein Weib. Zur Arbeit auf der Schanze war ich zu faul, ein -Handwerk hatte ich Tropf nie gelernet und einen Musikanten hatte man -in dem Hungerland nicht vonnöten. Auf Partei zu gehen ward mir nicht -vertraut. Etliche konnten besser mausen als Katzen, ich aber haßte -solche Hantierung wie die Pest. ~In summa~ wo ich mich nur hinkehrete, -da konnte ich nichts ergreifen, das meinen Magen hätte stillen mögen. -»Du sollst ein Doctor sein,« sagten sie mir, »und kannst anders keine -Kunst als Hunger leiden.« - -Zuletzt war anderer Unglück mein Glück, dann nachdem ich etliche -Gelbsüchtige und ein paar Fiebernde kurierte, die einen besonderen -Glauben an mich gehabt haben müssen, ward mir erlaubt, vor die Festung -zu gehen, meinem Vorwande nach Wurzeln und Kräuter zu meinen Arzneien -zu sammeln. Da richtete ich hingegen den Hasen mit Stricken und fing -die erste Nacht zween. Dieselben brachte ich dem Obristen und erhielt -dadurch nicht allein einen Taler zur Verehrung, sondern auch Erlaubnus, -daß ich hinausdörfte, wann ich die Wacht nicht hätte. Als kam das -Wasser wieder auf meine Mühle, maßen es das Ansehen hatte, als ob ich -Hasen in meine Stricke bannen könnte, so viel fing ich in dem erödeten -Land. - -Ich ward unter meiner Muskete ein recht wilder Mensch. Keine Boßheit -war mir zuviel, alle Gnaden und Wohltaten, die ich von Gott jemals -empfangen, waren allerdings vergessen. Ich lebte auf den alten Kaiser -hinein wie ein Viehe. Selten kam ich in die Kirche und gar nicht zur -Beichte. Wo ich nur jemand berücken konnte, unterließ ichs nicht, so -daß schier keiner ungeschimpft von mir kam. Davon kriegte ich oft -dichte Stöße und noch öfter den Esel zu reuten, ja man bedrohete mich -mit Galgen und Wippe, aber es half alles nichts. Ich trieb meine -gottlose Weise fort, daß es das Ansehen hatte, als ob ich desperat -spiele und mit Fleiß der Höllen zurenne. Und obgleich ich keine Übeltat -beging, dadurch ich das Leben verwürkt hätte so war ich jedoch so -ruchlos, daß man hat kaum einen wüsteren Menschen antreffen mögen. - -Dies nahm unser Regimentskaplan in Acht, und weil er ein rechter -frommer Seeleneiferer war, schickte er auf die österliche Zeit nach -mir, zu vernehmen, warum ich mich nicht bei der Beichte und Communion -eingestellet hätte. Ich traktierte ihn wie hiebevor den Pfarrer zu L., -also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten konnte. Er verdonnerte -mich zum Beschluß: - -»Ach, du elender Mensch, ich habe vermeinet du irrest aus Unwissenheit, -aber nun merke ich, daß du aus lauter Boßheit und gleichsam -vorsätzlicher Weis zu sündigen fortfährest! Welcher Heiliger vermeinst -du wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und ihrer Verdammnus -haben werde? Ich protestiere vor Gott und Welt, daß ich an deiner -Verdammnus keine Schuld habe, weil ich getan habe und noch ferner -unverdrossen tun wollte, was zur Beförderung deiner Seligkeit vonnöten -wäre. Es wird aber besorglich künftig mehrers zu tun nicht obliegen, -dann daß ich deinen Leib, wann ihn deine arme Seel in solchem -verdammten Stand verläßt, an keinen geweihten Ort zu andern frommen -abgestorbenen Christen begraben, sondern auf den Schindwasen zu den -Kadavern des verreckten Viehes hinschleppen lasse, oder an denjenigen -Ort, da man andere Gottvergessene und Verzweifelte hintut.« - -Diese ernstliche Bedrohung fruchtete nichts. Ich schämete mich vorm -Beichten. - -O ich großer Narr! Oft erzählte ich meine Bubenstücke bei ganzen -Gesellschaften und log noch darzu, aber jetzt, da ich einem einzigen -Menschen anstatt Gottes meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung -zu empfangen, war ich ein verstockter Stummer. - -Ich antwortete: »Ich dien vor einen Soldaten. Wann ich nun sterbe -als ein Soldat, so wirds kein Wunder sein, wann ich als irgendein -Gefallener auf freiem Feld, mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen -werde.« - -Also schied ich von dem seeleneifrigen Geistlichen, den ich wohl -einsmals einen Hasen abgeschlagen hatte mit Vorwand, weil der Has an -einem Strick gehangen und sich selbst ums Leben gebracht, daß sich -dannenhero nicht gebühre, den Verzweifelten in ein geweiht Erdreich zu -begraben. - -Ich mußte wider meines Herzens Willen bleiben und Hunger leiden bis -in den Sommer hinein. Da ward ich unverhofft von der Muskete befreit. -Je mehr sich der Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers -näherte ich auch meine Erlösung. - -Dann als selbiger zu Brucksal das Haupt-Quartier hatte, ward mein -Herzbruder, dem ich im Läger zu Magdeburg getreulich geholfen, von der -Generalität mit etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, allwo -man ihm die größte Ehre antät. Ich stund eben vor des Obristen Quartier -Schildwacht und erkannte ihn gleich im ersten Augenblick, obwohl er -einen schwarzen sammtenen Rock antrug. Ich hatte aber nicht das Herz, -ihn sogleich anzusprechen, dann ich mußte sorgen, er würde dem Weltlauf -nach sich meiner schämen oder mich sonst nicht kennen wollen; ich war -ein lausiger Musketierer. - -Nachdem ich aber abgelöst ward, erkundigte ich mich bei dessen Dienern -nach seinem Stand und Namen, damit ich versichert sei, hatte gleichwohl -das Herz nicht, ihn anzureden, sondern schrieb ein Brieflein: - -‚~Monsieur etc.~ Wann meinem hochgeborenen Herrn beliebte, denjenigen, -den er hiebevor durch seine Tapferkeit aus Eisen und Banden errettet, -auch anjetzo durch sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten -Stand von der Welt zu erlösen, wohin er als ein Ball des unbeständigen -Glückes geraten -- so würde Ihm solches nicht allein nicht schwer -fallen, sondern Er würde auch vor einen ewigen Diener obligieren seinen -ohn das getreu verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen - - ~S. Simplicissimum.~’ - -Sobald er solches gelesen ließ er mich hineinkommen. - -»Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch das Schreiben gegeben hat?« - -»Herr, er lieget in dieser Festung gefangen.« - -»So gehet zu ihm und saget, ich wolle ihm davon helfen, und sollte er -schon den Strick an den Hals kriegen.« - -»Herr, es wird solcher Mühe nicht bedörfen, ich bin der ~Simplicius~ -selber ...« - -Er ließ mich nicht ausreden, sondern umfing mich brüderlich. Und eh er -mich fragte, wie ich in die Festung und solche Dienstbarkeit geraten, -schickte er seinen Diener zum Juden, Pferd und Kleider vor mich zu -kaufen. Indessen erzählete ich ihm, wie mirs ergangen, sint sein Vater -vor Magdeburg gestorben. Und als er vernahm, daß ich der Jäger von -Soest gewesen, beklagte er, daß er solches nicht eher gewußt hätte, -dann er mir damals gar wohl zu einer Kompagnie hätte verhelfen können. - -Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast von Kleidern daherkam, -las er mir das Beste heraus und ließ michs anziehen und nahm mich mit -sich zum Obristen. - -»Herr, ich habe in Seiner Guarnison gegenwärtigen Kerl angetroffen, -dem ich so hoch verobligiert bin, daß ich ihn in so niedrigem Stand, -wannschon seine Qualitäten keinen besseren meritieren, nicht lassen -kann. Bitte dahero den Herrn Obristen, Er wolle mir den Gefallen -erweisen und zulassen, daß ich ihn mit mir nehme, um ihm bei der Armee -fort zu helfen.« - -Der Obrist verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß er mich einmal -loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter Herr vergebe mir, wann ich -glaube, ihm beliebe nur zu probieren, ob ich ihm auch so dienstwillig -sei, als Er dessen wohl wert ist. Was diesen Kerl anlanget, ist solcher -eigentlich nicht mir, sondern seinem Vorgeben nach unter ein Regiment -Dragoner gehörig, darneben ein so schlimmer Gast, der meinem Profosen, -sint er hier ist, mehr Arbeit geben als sonst eine ganze Kompanei.« - -Endete damit die Rede und wünschte mir Glück ins Feld. - -Dies war meinem Herzbruder noch nicht genug, sondern er bat den -Obristen, mich an seine Tafel zu nehmen. Er täts aber zu dem End, daß -er den Obristen in meiner Gegenwart erzählte, was er in Westfalen nur -gesprächsweis von dem Grafen von der Wahl und dem Kommandanten von -Soest über mich gehöret hatte. Das strich er nun dergestalt heraus, daß -alle Zuhörer mich vor einen guten Soldaten halten mußten. Dabei hielt -ich mich so bescheiden, daß der Obrist und seine Leute nicht anders -glauben konnten, als ich wäre mit andern Kleidern auch ein ganz anderer -Mensch geworden. - -Darauf erzählte er Obrist viel Bubenstücklein, die ich begangen: Wie -ich Erbsen gesotten und obenauf mit Schmalz übergossen, sie vor eitel -Schmalz zu verkaufen, ~item~ ganze Säck voll Sand vor Salz, indem -ich die Säcke unten mit Sand und oben mit Salz gefüllet, wie ich dem -einen hier, dem andern dort einen Bären aufgebunden und die Leute mit -Pasquillen vexieret. - -Ich gestund auch unverholen, daß ich willens gewesen, den Obristen mir -allerhand Boßheiten dergestalt zu perturbieren und abzumatten, daß er -mich endlich aus der Guarnison hätte schaffen müssen. - -Nach beendetem Imbiß hatte der Jud kein Pferd, so meinem Herzbruder vor -mich gefallen hätte. Endlich verehrete ihm der Obrist eins mit Sattel -und Zeug aus seinem Stall, auf welches sich Herr ~Simplicius~ satzte -und mit seinem Herzbruder zur Festung hinausritte. - - - - -Das sechste Kapitel - - -Also ward ich in Eil wieder ein Kerl, der einem braven Soldaten gleich -sahe. Mein Herzbruder verschaffte mir noch ein Pferd samt einem Knecht -und tat mich als Freireuter zum Neun-Eckischen Regiment. Ich tät aber -denselben Sommer wenig Taten, als daß ich am Schwarzwald hin und wider -etliche Kühe stehlen half und mir das Brißgäu und Elsaß ziemlich -bekannt machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern. Mein Knecht -samt dem Pferd ward von den Weimarischen gefangen, also mußte ich das -ander desto härter strapazieren und endlich gar niederreuten. - -So kam ich in den Orden der Merode-Brüder, dann mein Herzbruder -gedachte mich zappeln zu lassen, bis ich mich besser vorzusehen -lernete. So begehrte ich solches auch nicht, dann ich fand an meinen -Consorten eine so angenehme Gesellschaft, daß ich mir bis in das -Winterquartier keinen besseren Handel wünschte. - -Ich muß nun ein wenig erzählen, was die Merode-Brüder vor Leute sind, -dann ich habe bisher noch keinen Scribenten getroffen, der etwas von -ihren Gebräuchen, Gewohnheiten, Rechten und Privilegien in seine -Schriften einverleibt hätte, unangesehen es wohl wert ist, daß nicht -allein die jetzigen Feldherren, sondern auch der Bauersmann wisse, was -es vor eine Zunft sei. - -Als der berühmte General Johann Graf von Merode einsmals ein -neugeworben Regiment zur Armee brachte, waren die Kerl so schwacher -baufälliger Natur, daß sie also das Marschieren und ander Ungemach, das -ein Soldat im Felde ausstehen muß, nicht erleiden konnten, derowegen -dann ihre Brigade zeitlich so schwach ward, daß sie kaum die Fähnlein -mehr bedecken konnte. Wo man einen oder mehr Kranke und Lahme auf dem -Markt, in Häusern und hinter Zäunen und Hecken antraf und fragte: -Wes Regiments? -- so war gemeiniglich die Antwort: von Merode. Davon -entsprang, daß man endlich alle diejenigen, sie wären gleich krank -oder gesund, verwundt oder nit, wann sie nur außerhalb der Zugordnung -daherzottelten oder sonst nicht bei ihren Regimentern das Quartier im -Feld nahmen, Merode-Brüder nannte, welche Bursche man zuvor Säusenger -und Immenschneider genannt hatte, dann sie sind die Brummser in den -Immenstöcken, die, wann sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr -arbeiten noch Honig machen, sondern nur fressen können. Wann ein Reuter -sein Pferd und ein Musketier seine Gesundheit verleurt oder ihm Weib -und Kind erkrankt und er zurück bleiben will, so ists schon anderthalb -Paar Merode-Brüder, ein Gesindlein, so sich mit nichts besser als mit -den Zigeunern vergleichet, weil es denselben beides: an Sitten und -Gewohnheiten ähnlich ist. Da siehet man sie haufenweis beieinander, -wie Feldhühner im Winter, hinter den Hecken, im Schatten oder an der -Sonne um irgend ein Feuer herumliegen, Tabak saufen und faulenzen, -wann unterdessen anderwärts ein rechtschaffener Soldat beim Fähnlein -Hitze, Durst, Hunger, Frost und allerhand Elend überstehet. Da gehet -eine Merodeschar auf die Mauserei, wann indessen manch armer Soldat -unter seinen Waffen versinken möchte. Sie spolieren vor, neben und -hinter der Armee, alles was sie antreffen und nicht genießen können, -verderben sie, also daß die Regimenter, wann sie in die Quartier oder -Läger kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser finden. Wann sie allen -Ernstes angehalten werden, bei der Bagage zu bleiben, so wird man oft -sie stärker finden, als die Armee selbst. Wann sie aber gesellenweis -marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben sie keinen -Wachtmeister, der sie kommandiert, keinen Feldweibel oder Schergianten, -der ihren Wams ausklopfet, keinen Korporal, der sie wachen heißt, -keinen Tampour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar- und Tagwacht -erinnert und ~in summa~ niemand, der sie anstatt des Adjutanten -in Schlachtordnung stellet oder anstatt des Fouriers einlogiert, -sondern leben vielmehr wie die Freiherren. Wann aber etwas an Kommiß -der Soldateska zukommt, so sind sie die ersten, die ihr Teil holen, -obgleich sie es nicht verdient. Hingegen sind die Rumormeister und -Generalgewaltiger ihre allergrößte Pest, als welche ihnen zu Zeiten, -wann sie es zu bunt machen, eisernes Silbergeschirr an Händ und Füß -legen oder sie mit den Kragen zieren und sie an ihre allerbesten Hälse -anhängen lassen. - -Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht und kommen auch -in keine Schlachtordnung und sie ernähren sich doch. Der heilloseste -Reuterjung, der nichts tut als fouragieren, ist dem Feldherren nützer, -als tausend Merode-Brüder, die ein Handwerk daraus machen und ohn -Not auf der Bernhaut liegen. Sie werden vom Gegenteil hinweggefangen -und von den Bauren auf die Finger geklopft. Dadurch wird die Armee -gemindert und der Feind gestärkt. Man sollte sie zusammenkuppeln wie -die Windhunde und sie in den Guarnisonen kriegen lernen oder gar auf -Galeeren schmieden, wann sie nicht auch zu Fuß im Feld das Ihrige tun -wollten, bis sie gleichwohl wieder ein Pferd kriegen. - -Ein solcher ehrbarer Bruder war ich damals auch und verbliebs -bis zu dem Tag vor der Wittenweyrer Schlacht, zu welcher Zeit das -Hauptquartier in Schuttern lag. Als ich damals mit meinen Kameraden in -das Geroldseckische ging, Kühe und Ochsen zu stehlen, ward ich von den -Weimarischen gefangen, die uns viel besser zu traktieren wußten, dann -sie luden uns Musketen auf und stießen uns hin und wieder unter die -Regimenter. - -Weil ich nunmehr Weimarisch war, mußte ich Breisach belägern helfen, -da wachte ich dann wie andere Musketierer Tag und Nacht und lernte -trefflich schanzen. Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, -weil der Beutel leer, Wein, Bier und Fleisch eine Rarität, Äpfel und -hart, schimmelig Brot (jedoch kümmerlich genug) mein bestes Wildpret. - -Solches war mir sauer zu ertragen, Ursache: wann ich zurück an die -egyptischen Fleischtöpfe, das ist an westfälische Schinken und -Knackwürste zu L. gedachte. Ich sehnete mich niemalen mehr nach meinem -Weib, als wann ich im Zelte lag und vor Frost halb erstarrt war. Da -sagte ich dann oft zu mir selber: Hui, ~Simplici~, meinest du auch -wohl, es geschehe dir unrecht, wann dir einer wieder wett spielte, was -du zu Paris begangen? -- Und mit solchen Gedanken quälte ich mich wie -ein anderer eifersüchtiger Hanrei, da ich doch meinem Weib nichts als -Ehre und Tugend zutrauen konnte. - -Zuletzt ward ich so ungeduldig, daß ich mich meinem Kapitain eröffnete. -Schrieb auch auf der Post nach L. und erhielt durch den Obristen ~de -S. A.~ und meinem Schwehrvater, daß sie durch ihre Schreiben bei dem -Fürsten von Weimar einen Paß von meinem Kapitain zuwege brachten. - -Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten marschierte ich mit einem -guten Feuerrohr vom Läger ab und das Brißgäu hinunter der Meinung, auf -selbiger Weihnachtsmesse zu Straßburg von meinem Schwehr ein Geldstück -zu empfangen und mit Kaufleuten den Rhein hinunter zu fahren. - -Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert und zu einem Haus kam, geschah -ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzte. -Gleich darauf sprang ein starker, vierschrötiger Kerl aus dem Haus -auf mich los und schrie, ich sollte das Gewehr ablegen. »Bei Gott, -Landsmann, dir zu Gefallen nicht!« Und zog den Hahn über. - -Er aber wischte mit einem Ding vom Leder, das mehr einem Henkersschwert -als einem Degen glich. - -Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an und traf ihn dergestalt -an die Stirn, daß er herumtaumelte und endlich zu Boden fiel. Das -machte ich mir zu Nutz, rang ihm geschwind sein Schwert aus der Faust -und wollts ihm in den Leib stoßen, da es aber nicht durchgehen wollte, -sprang er unversehens auf, erwischte mich beim Haar und ich ihm auch, -sein Schwert hatte ich schon weggeworfen. - -Darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines -jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnte doch -keiner des andern Meister werden. Bald lag ich, bald er oben und im -Hui kamen wir wieder auf die Füße, so aber nicht lang dauerte, weil ja -einer des andern Tod suchte. - -Das Blut, so mir häufig zu Hals und Mund herauslief, spie ich meinem -Feind ins Gesicht, weil ers so hitzig begehrte. Das war mir gut, dann -es hinderte ihn am sehen. Also zogen wir einander bei anderthalb Stund -im Schnee herum, davon wurden wir so matt, daß allem Ansehen nach die -Unkraft des einen der Müdigkeit des andern nicht Herr werden konnte. -Meine Ringkunst kam mir damals wohl zustatten, dann mein Feind war viel -stärker als ich und überdas eisenfest. - -Endlich sagte er: »Bruder, höre auf, ich gebe mich dir zu eigen!« - -Ich antwortete: »Hättest du mich passieren lassen.« - -»Was hast du mehr, wanngleich ich sterbe?« - -»Und du, wann du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich keinen -Heller bei mir habe.« - -Darauf bat er um Verzeihung und ich ließ mich erweichen. Wir stunden -auf und gaben einander die Hände, daß alles, was geschehen, vergessen -sein sollte. Verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen -Meister gefunden, dann jener meinte, ich sei auch mit einer solchen -Schelmenhaut überzogen wie er. - -Ich ließ ihm dabei bleiben, damit er sich mit seinem Gewehr nicht noch -einmal an mir reibe. Er hatte von meinem Schuß eine große Beule an der -Stirn und ich hatte mich sehr verblutet. - -Weil es gegen Abend war, ließ ich mich überreden und ging mit ihm, da -er dann unterwegs oft mit Seufzen bezeugte, wie leid ihm sei, daß er -mich beleidigt habe. - - - - -Das siebente Kapitel - - -Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein Leben zu wagen, -ist wohl ein dummes Vieh! Man hätte nicht einen von tausend Kerlen -gefunden, der mit seinem Mörder an einen unbestimmten Ort zu Gast -gegangen wäre. -- Ich fragte ihn auf dem Weg, wes Volks er sei. Er -sagte, daß er für sich selbst kriege. So wollte er auch meinen Namen -wissen. Ich sagte: »~Simplicius.~« Da kehrte er sich um, dann ich ließ -ihn vor mir gehen, und sahe mir steif ins Gesicht. - -»Heißt du auch ~Simplicissimus~?« - -»Ja, es ist ein Schelm, der seinen Namen verleugnet. Wie heißest aber -du?« - -»Ach, Bruder, ich bin Olivier, den du vor Magdeburg hast gekannt.« - -Warf damit sein Rohr von sich und fiel auf die Knie nieder, mich um -Verzeihung zu bitten, sagend, daß er keinen besseren Freund in der -Welt hätte als mich, weil ich seinen Tod nach des alten Herzbruder -Profezeihung tapfer rächen sollte. - -Da konnte ich mich wohl verwundern. - -»Ich bin aus einem ~Secretario~ ein Waldfischer, du aber aus einem -Narren ein tapferer Soldat geworden, und das ist wohl seltsam. Sei -versichert, Bruder, unserer zehntausend hätten morgenden Tags Breisach -entsetzt und zu Herren der ganzen Welt gemacht.« - -Obzwar mir solche Prahlerei nicht gefiel, gab ich ihm doch recht, -vornehmlich weil mir sein schelmisch Gemüt bekannt war. - -Wir kamen in ein klein, abgelegen Taglöhnerhäuslein, in welchem ein -Baur eben die Stube einhitzte. Zu dem sagte er: »Hast du etwas -gekocht?« »Nein, ich hab den gebratenen Kalbsschlegel noch.« »Nun dann, -so geh und lang her, was du hast und bring das Fäßlein Wein.« - -»Bruder, du hast einen willigen Wirt,« meinte ich. - -»Das dank dem Schelmen der Teufel! Ich ernähre ihn mit Weib und -Kindern. Ich lasse ihm darzu alle Kleider, die ich erobere.« - -Sodann berichtete Olivier, daß er diese Freibeuterei schon lang -getrieben und sie ihm besser als Herrendienst zuschlage, er gedächte -auch nicht früher aufzuhören, bis er seinen Beutel rechtschaffen -gespickt hätte. - -»Bruder, du lebest in einen gefährlichen Stand, wann du ergriffen -wirst, wie meinest du wohl, daß man mit dir umginge?« - -»Ha, ich höre, daß du noch der alte ~Simplicius~ bist! Ich weiß wohl, -daß derjenige, so kegeln will, aufsetzen muß, aber die Herren von -Nürnberg lassen keinen hängen, sie haben ihn dann.« - -»Dannoch ist ein solch Leben, wie du es führest, das allerschändlichste -der Welt, daß ich also nicht glaube, du begehrest darin zu sterben.« - -»Was? Das schändlichste? Mein tapferer ~Simplici~, ich versichere -dich, daß die Räuberei das alleradeligste ~Exercitium~ ist, das man -dieser Zeit auf der Welt haben kann! Sage mir, wieviel Königreiche -und Fürstentümer sind nicht mit Gewalt geraubt und zuwege gebracht -worden? Oder wo wird einem König oder Fürsten auf dem ganzen Erdboden -vor übel genommen, wann er seiner Länder Gefälle geneußt, die doch -gemeiniglich durch seiner Vorfahren verübte Gewalt erworben worden? -Was könnte doch adeliger genannt werden, als eben das Handwerk, dessen -ich mich jetzt bediene? Willst du mir vorhalten, daß ihrer viel wegen -Mordens, Raubens und Stehlens sein gerädert, gehängt und geköpft -worden? Du wirst keine andern als arme und geringe Diebe haben hängen -sehen, was auch billig ist, weil sie sich dieser vortrefflichen Übung -haben unterfangen, die doch allein herzhaften Gemütern gebührt und -vorbehalten ist. Wo hast du jemals eine vornehmere Standesperson durch -die ~Justitia~ strafen sehen? Ja, was noch mehr ist, wird doch kein -Wucherer gestraft, der diese Kunst heimlich treibet, und zwar unter dem -Deckmantel der christlichen Liebe! Warum sollte ich strafbar sein, der -ich solche offentlich auf gut alt-deutsch ohn einzige Bemäntelung und -Gleißnerei übe? Mein lieber ~Simplici~, du hast den ~Machiavellum~ noch -nicht gelesen! Ich bin eines recht aufrichtigen Gemüts. Ich fecht und -wage mein Leben darüber, wie die alten Helden. Weil ich mein Leben in -Gefahr setze, so folgt unwidersprechlich, daß mirs billig und erlaubt -sei, diese Kunst zu üben.« - -Ich antwortete: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei dir erlaubt oder -nicht, es ist dannoch wider die Natur, die nicht will, daß einer einem -andern tun solle, was er nicht will, daß es ihm geschehe. Gott lässet -kein Sünde ungestraft.« - -Da sagte Olivier: »Es ist so, du bist noch ~Simplicius~, der den -~Machiavellum~ nicht studiert hat. Könnte ich aber auf solche Art eine -~Monarchiam~ aufrichten, so wollte ich sehen, wer mir alsdann viel -dawider predigte.« - -Wir hätten noch mehr miteinander disputiert, weil aber der Baur mit dem -Essen und Trinken kam, saßen wir zusammen und stilleten unsere Mägen, -dessen ich dann trefflich hoch vonnöten hatte. - -Unser Essen war weiß Brot und ein gebratener kalter Kalbsschlegel, -dabei hatten wir einen guten Trunk Wein und eine warme Stube. - -»Gelt, ~Simplici~, hier ist es besser als vor Breisach in den -Laufgräben!« - -»Das wohl, wann man solch ein Leben mit gewisser Sicherheit und -besserer Ehre zu genießen hätte.« - -Darüber lachte er überlaut. - -»Mein lieber ~Simplici~, ich sehe zwar, daß du deine Narrenkappe -abgeleget, hingegen aber deinen närrischen Kopf noch behalten hast, der -nit begreifen kann, was gut und bös ist.« - -Ich gedachte, du mußt andere Worte hervorsuchen als bisher. - -»Wo ist sein Tag je erhört,« sagte ich, »daß der Lehrjung das Handwerk -besser versteht als der Lehrmeister. Bruder, hast du ein so edel, -glückselig Leben, wie du vorgibst, so mache mich seiner teilhaftig, -sintemal ich eines guten Glückes hoch vonnöten.« - -»Sei versichert, Bruder,« antwortete Olivier, »daß ich dich so sehr -liebe als mich selbsten, und daß mir die Beleidigung, die ich dir heut -zugefügt, viel weher tut, als die Kugel, damit du mich an meine Stirn -getroffen. Warum sollte ich dir dann etwas versagen können? Wann dirs -beliebet, so bleib bei mir, ich will vor dich sorgen als wie vor mich. -Damit du aber glaubest, so will ich dir die Ursache meiner Liebe sagen. --- Der alte Herzbruder hat mir vor Magdeburg diese Worte geweissaget: -‚Olivier, siehe unsern Narren an wie du wilt, so wird er dannoch durch -seine Tapferkeit dich erschröcken und dir den größten Possen erweisen, -der dir dein Lebtag je geschehen wird, weil du ihm darzu verursachet. -Doch wird er dir dein Leben schenken, so in seinen Händen gestanden, -und wird an den Ort kommen, da du erschlagen wirst, daselbst wird er -glückselig deinen Tod rächen.’ -- Dieser Weissagung halber, lieber -~Simplici~, bin ich bereit, dir mein Herz im Leib zu teilen, dann -etlichs von den Worten des alten Herzbruder ist mit heutigem Tag -erfüllet. Also zweifle ich nicht, daß das übrige von meinem Tod auch -im wenigsten fehlschlagen werde. Aus solcher Rache nun, mein lieber -Bruder, muß ich schließen, daß du mein getreuer Freund seiest. Da hast -du nun die ~Concepta~ meines Herzens.« - -Ich gedachte: traue dir der Teufel, ich nicht. Nehme ich Geld von dir -auf den Weg, so möchtest du mich erst niedermachen, bleibe ich bei dir, -so muß ich sorgen, mit dir gevierteilt zu werden. Satzte mir demnach -vor, ich wollte ihm eine Nase drehen und bei ihm bleiben, bis ich mit -Gelegenheit von ihm kommen könnte. Ich sagte ihm derhalben, so er mich -leiden möchte, so wollte ich mich ein Tag oder acht bei ihm aufhalten, -ob ich auf solche Art zu leben gewöhnen könnte. So sollte er beides: -einen guten Soldaten und einen getreuen Freund an mir haben. - -Hierauf satzte er mir mit dem Trunk zu, ich getraute aber auch nicht -und stellete mich voll eh ichs war. - -Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf, ~Simplici~, wir wollen in -Gottes Namen hinaus und sehen, was etwan zu bekommen sein möchte.« - -Ach Gott, dachte ich, soll ich dann nun in deinem hochheiligen Namen -auf die Rauberei gehen und bin hiebevor nit so kühn gewesen, ohn -Erstaunen zuzuhören, wann einer sagte: Komm Bruder, wir wollen in -Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen. O himmlischer Vater, wie -habe ich mich verändert, ach, hemme meinen Lauf! - -Mit dergleichen Gedanken folgete ich Olivier in ein Dorf, darin keine -lebendige Kreatur war. Da stiegen wir des fernen Aussehens halber auf -den Kirchturm. Dort hatte er zwei Laib Brot, etliche Stücke gesotten -Dörrfleisch und ein Fäßlein voll Wein im Vorrat. Er sagte mir, daß er -noch etliche solcher Örter hätte, die mit Speis und Trank versehen -wären, damit, wann Bläsi an dem einen Ort nicht zu Haus wäre, er ihn am -andern finden könnte. Ich mußte zwar seine Klugheit loben, gab ihm aber -zu verstehen, daß es doch nicht schön stünde, einen so heiligen Ort zu -beflecken. - -»Was beflecken? Die Kirchen, so sie reden könnten, würden gestehen, daß -sie meine Laster entgegen denen, so hiebevor in ihnen begangen worden, -noch vor ganz gering aufnehmen müßten. Wie mancher und wie manche seit -Erbauung dieser Kirchen sein hereingetreten unter dem Schein, Gott zu -dienen, da sie doch nur hergekommen, ihre neuen Kleider, ihre schöne -Gestalt, ihre Würden und sonst so etwas sehen zu lassen. Da kommt -einer zur Kirche wie ein Pfau und stellet sich vor den Altar, als -ob er den Heiligen die Füße abbeten wollte, dort steht einer in der -Ecke, zu seufzen wie der Zöllner im Tempel, welche Seufzer aber nur zu -seiner Liebsten gehen, in deren Angesicht er seine Augen weidet, um -derentwillen er sich auch eingestellet. Ein anderer kommt vor oder, -wanns wohlgerät, in die Kirche mit einem Gebund Briefe, wie einer, -der eine Brandsteuer sammlet, seine Zinsleute zu mahmen. Hätte er -aber nicht gewußt, daß seine Schuldner zur Kirche kommen müßten, so -wäre er fein daheim über seinen Registern sitzen geblieben. Meinest -du nicht, es werden auch von denenjenigen in die Kirche begraben, die -Schwert, Galgen, Feuer und Rad verdienet hätten? Mancher könnte seine -Buhlerei nicht zu Ende bringen, da ihm die Kirche nicht beförderlich -wäre. Ist etwas zu verkaufen oder zu verleihen, so wird es an die -Kirchtür geschlagen. Wann mancher Wucherer die ganze Woche keine Zeit -nimmt, seiner Schinderei nachzusinnen, so sitzt er unter währendem -Gottesdienst in der Kirche und dichtet, wie der Judenspieß zu führen -sei. Da sitzen sie wohl hier und dort unter der Messe und Predigt, -miteinander zu diskurieren und dann werden oft Sachen beratschlagt, -deren man an Privatörtern nicht gedenken dörfte. Teils sitzen dort -und schlafen, als ob sie es verdingt hätten. Etliche richten die Leut -aus: Ach wie hat der Pfarrer diesen und jenen so artlich in seiner -Predigt getroffen! Andere geben fleißig Achtung auf ihren Seelsorger, -damit sie ihn, wann er nur im geringsten anstößt, durchziehen und -tadeln möchten. Nicht allein in ihrem Leben beschmutzen die Menschen -mit Lastern die Kirchen, sondern auch nach ihrem Tod mit Eitelkeit -und Torheit. Du wirst an den Grabsteinen sehen, wie diejenigen noch -prangen, die doch die Würmer schon längst gefressen. Siehest du dann -in die Höhe der Kirche, so kommen dir mehr Schilde, Helme, Waffen, -Degen, Fahnen, Stiefel, Sporen und dergleichen Ding ins Gesicht als -in mancher Rüstkammer, dahero kein Wunder, daß sich die Bauren diesen -Krieg über an etlichen Orten aus den Kirchen, wie aus Festungen um das -Ihre gewehrt. -- Ist es billig, daß mancher Reiche um ein Stück Geld in -die Kirche begraben wird, hingegen der Arme außerhalb in einem Winkel -verscharrt werden muß? Warum endlich sollte mir verboten sein, meine -Nahrung vermittels eines Kirchtums zu suchen, da sich doch sonst so -viel Menschen von der Kirche ernähren?« - -Ich hätte Olivier gerne geantwortet, doch getrauete ich mich nicht nach -meinem Herzen zu reden. - -Er fragte mich, wie mirs ergangen, sint wir vor Magdeburg voneinder -gekommen, weil ich aber wegen der Halsschmerzen gar zu unlustig, -entschuldigte ich mich mit Bitte, er wollte mir doch zuvor seines -Lebens Lauf erzählen. - - - - -Das achte Kapitel - - -»Mein Vater«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt Aach von geringen -Leuten geboren worden. Er mußte bei einem reichen Kaufmann, der -mit Kupfer schacherte, dienen und hielt sich so fein, daß der ihm -Schreiben, Lesen und Rechnen lernen ließ und endlich über seinen ganzen -Handel satzte. Dies schlug beiden Teilen wohl zu. Der Kaufmann ward je -länger je reicher, mein Vater aber je länger je stolzer, daß er sich -auch seiner Eltern schämete und sie verachtete. Der Kaufmann starb und -verließ seine alte Witwe samt deren einziger Tochter, die kürzlich -in eine Pfanne getreten und sich von einem Gademhengst ein Junges -hatte zweigen lassen, das aber seinem Großvater bald nachfolgte. Da -nun mein Vater sahe, daß die Tochter zwar vater- und kinderlos aber -nicht geldlos worden, achtete er nicht, daß sie keinen Kranz mehr -tragen dorfte, sondern erwug ihren Reichtum und machte sich bei ihr -zutäppisch, so ihre Mutter gern zuließ, dann mein Vater hatte um den -ganzen Kindeshandel Wissenschaft und konnte sonst mit dem Judenspieß -trefflich fechten. Also ward mein Vater unversehens ein reicher -Kaufmann, ich aber, sein Erbe, ward in Kleidung gehalten wie ein -Edelmann, in Essen wie ein Freiherr und in der übrigen Wartung wie ein -Graf. - -Kein Schelmstück war mir zu viel, dann was zur Nessel werden soll, -brennt bei Zeiten. Ich terminierte mit bößen Buben durch dick und dünn -auf der Gasse. Kriegte ich Stöße, so sagten meine Eltern: soll so ein -großer Flegel sich mit einem Kinde schlagen! Überwand ich, maßen ich -kratzte, biß und warf, so sagten sie: unser Oliviergen wird ein braver -Kerl. Ich ward immer ärger, bis man mich zur Schule schickte. Was die -bösen Buben ersannen und nicht praktizieren dorften, das satzte ich ins -Werk. Meinen Schulmeister tät ich großen Dampf an, dann er dorfte mich -nicht hart halten, weil er ziemliche Verehrung von meinen Eltern bekam. - -Ich stäubte Nießwurz an den Ort, da man die Knaben zu kastigieren -pflegte; wann sich dann etwa ein halsstarriger wehrte, so stob mein -Pulver herum und machte mir eine angenehme Kurzweile, dann alles nießen -mußte. Ich stahl oft dem einen etwas und steckte es dem andern in den -Sack, dem ich gern Stöße angerichtet. Mit solchen Griffen konnte ich so -behutsam umgehen, daß ich fast niemals darüber erdappt ward. - -Weilen sich meines Vaters Reichtum täglich mehrete, als bekam er -auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer, die meinen guten -Kopf trefflich lobten und meine Untugenden zu entschuldigen wußten. -Derowegen hatten meine Eltern eine Freude an ihrem Sohn, als die -Grasmücke, die einen Guckuck aufzeucht. Sie dingten mir einen eigenen -~Praeceptor~ und schickten mich nach Lüttich, mehr daß ich dort Welsch -lernen, als studieren sollte, weil sie keinen Theologum, sondern -einen Handelsmann aus mir erziehen wollten. Dieser hatte Befehl, mich -beileib nicht streng zu halten, daß ich kein forchtsam knechtisch Gemüt -überkäme und nicht leutscheu, sondern ein Weltmann würde. - -Ermeldter ~Praeceptor~ war dieser Weisung unbedürftig und von sich -selbsten auf alle Büberei geneigt, aufs Buhlen und Saufen aber am -meisten, ich aber von Natur aus aufs Balgen und Schlagen. Daher ging -ich schon bei Nacht mit ihm und seines gleichen ~gassatim~ und lernte -ihm in Kürze mehr Untugenden ab als Latein. Beim Studieren verließ -ich mich auf mein gut Gedächtnis und scharfen Verstand. Mein Gewissen -war bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte fahren -mögen. Ich fragte nichts darnach, wann ich in der Kirche unter der -Predigt schlüpfrige Bücher lase, und hörte nichts Liebers vom ganzen -Gottesdienst, als wann man sagte: ~Ite, missa est.~ Darneben dünkte ich -mich keine Sau zu sein, sondern hielt mich recht stutzerisch, alle Tage -wars mir Martins-Abend oder Faßnacht. Da mir mein Vater zur Notdurft -reichlich schickte und auch meiner Mutter fette Milchpfennige tapfer -durchgehen ließe, lockte uns auch das Frauenzimmer an sich. Bei diesen -Schleppsäcken lernte ich Löffeln, Buhlen und Spielen; Hadern, Balgen -und Schlagen konnte ich zuvor. - -Mein Vater erfuhr dieses herrliche Leben durch seinen Faktor in -Lüttich. Der bekam Befehl, den ~Praeceptor~ abzuschaffen und den Zügel -fürderhin nicht so lang zu lassen, mich ferner genauer im Gelde zu -halten. Solches verdroß uns beide. Demnach wir aber nicht mehr wie -hiebevor spendieren konnten, gesellten wir uns zu einer Bursch, die den -Leuten des Nachts auf der Gasse die Mäntel abzwackte oder sie gar in -der Maas ersäufte. Was wir solchergestalt eroberten, verschlemmten wir -mit unseren Huren und ließen das Studieren beinahe ganz unterwegen. - -Als wir nun einsmals bei Nacht herum schlingelten, den Studenten ihre -Mäntel hinweg zu vulpinieren, wurden wir überwunden, mein ~Praeceptor~ -erstochen und ich neben andern fünfen, die rechte Spitzbuben -waren, erdappt und eingezogen. Auf Bürgschaft des Faktors, der ein -ansehnlicher Mann war, ward ich losgelassen, doch daß ich bis auf -weiteren Bescheid in seinem Hause im Arrest bleiben sollte. Jene fünf -wurden als Spitzbuben, Räuber und Mörder gestraft. Mein Vater kam -eiligst selbst auf Lüttich, richtete meine Sache mit Geld aus, hielt -mir eine scharfe Predigt und verwiese mir, was ich ihm vor Kreuz und -Unglück und meiner Mutter vor Verzweiflung machte -- auch, daß er mich -enterben und vorn Teufel hinwegjagen wollte. Ich versprach Besserung -und ritte mit ihm nach Haus; also hat mein Studieren ein Ende genommen. - -Ich war kein ehrbarer ~Domine~ geworden, sondern ein Disputierer und -Schnarcher, der sich einbildete, er verstehe trefflich viel. Und mein -Vater befand, daß ich im Grund verderbt wäre. - -»Höre, Olivier,« sagte er, »ich sehe deine Eselsohren je länger je -mehr hervorragen, du bist eine unnütze Last auf Erden. Ein Handwerk zu -lernen bist du zu groß, einem Herren zu dienen bist du zu flegelhaftig, -meine Hantierung zu begreifen und zu treiben bist du nichts nutz. Ich -habe gehofft dich zum Manne zu machen, so habe ich dich hingegen jetzt -aus des Henkers Händen erkaufen müssen: Pfui, der Schande!« - -Dergleichen Lectionen mußte ich täglich hören, bis ich zuletzt auch -ungeduldig ward und sagte, ich wäre an allem nicht schuldig, sondern er -und mein ~Praeceptor~, der mich verführt hätte. Daß er keine Freude an -mir erlebe, wäre billig, sintemal seine Eltern sich auch seiner nicht -erfreuen, als er sie gleichsam im Bettel verhungern lasse. Da erdappte -er einen Prügel und wollte mir meine Wahrsagung lohnen, hoch und teuer -sich verschwörend, er wolle mich nach Amsterdam ins Zuchthaus tun. Ich -ging durch und ritte seinen besten Hengst auf Köln zu. - -Den versilberte ich, kam abermals in eine Gesellschaft der Spitzbuben -und Diebe und half bei Nacht einfahren. Maßen aber einer kurz hernach -ergriffen ward, als er einer vornehmen Frau auf dem Alten Markt ihren -schweren Beutel doll machen wollte und ich ihn einen halben Tag mit -dem eisernen Halskragen am Pranger stehen sah, dergleichen wie sie ihm -ein Ohr abschnitten und ihn mit Ruten aushieben, ward mir das Handwerk -verleidet. Unser Obrister, bei dem wir vor Magdeburg gewesen, nahm -eben damals Knechte an; ich ließ mich derowegen vor einen Soldaten -unterhalten. - -Nachgehends ging sein Schreiber mit Tod ab, so nahm mich der Obrist an -dessen Statt zu sich, dann er hatte vernommen, daß ich eines reichen -Kaufmanns Sohn wäre. Ich lernte von unserm ~Secretario~, wie ich mich -halten sollte, und mein Vorsatz, groß zu werden, verursachte, daß ich -mich ehrbar und reputierlich einstellte und nit mehr mit Lumpenpossen -schleppte.« - -Sonach erzählte mir Olivier das Schelmenstück, das er meinem jungen -Herzbruder mit dem übergöldten Becher angetan, damit er den alten -Herzbruder auf den Tod gekränket, und mir ward grün und gelb vor Augen, -als ich es aus seinem eigenen Maul hören mußte. Gleichwohl dorfte ich -keine Rache nehmen. - -»Im Treffen vor Wittstock«, sagte Olivier, »hielt ich mich nicht wie -ein Federspitzer, der nur auf das Tintenfaß bestellt ist. Ich war wohl -beritten und so fest als Eisen, ließ derhalben meinen ~Valor~ sahen, -als einer der durch den Degen hoch zu kommen oder zu sterben gedenket. -Wie eine Windsbraut vagierte ich um unsere Brigade herum, mich zu -exerzieren und zu erweisen, daß ich besser zu den Waffen als zur Feder -tauge. Aber das Glück der Schweden überwand, ich wurde gefangen. - -In einem Regiment, welches nach Pommern gelegt ward, sich wieder zu -erholen, ließ ich treffliche Courage verspüren und ward zum Korporal -gemacht. Aber ich gedachte wieder unter die Kaiserlichen zu kommen. --- Einsmals hatte ich mit sieben Musketierern achthundert Gulden -ausständige Kontribution in unseren abgelegenen Quartieren erpreßt. -Da ich nun das Geld beisammen trug, zeigte ich es meinen Burschen und -machte ihre Augen nach demselben lüsternd, also daß wir des Handels -einig wurden zu teilen und durchzugehen. Sonach persuadierte ich drei, -daß sie mir halfen die andern vier tot zu schießen, und wir teileten -das Geld. Unterwegs überredete ich noch einen, daß er auch die zween -übrigen nieder schießen half. Den letzten erwürgte ich auch. So kam ich -nach Werle, allwo ich mich anwerben ließ und mit dem Gelde ziemlich -lustig machte. - -Ich hörte daselbst viel Rühmens von einem jungen Soldaten in Soest, der -sich treffliche Beuten und einen großen Namen machte. Man nannte ihn -wegen seiner grünen Kleidung den Jäger. Mein Geld ging auf die Neige, -derhalben ich mir einen grünen Wams und Hosen machen ließ und auf -seinem Namen mit Verübung allerhand Exorbitantien in allen Quartieren -stahl, soviel ich konnte. Der Jäger ließ mich herausfordern, aber der -Teufel hätte mit ihm fechten mögen, den er auch in den Haaren sitzen -hatte. Der würde mir meine Festigkeit schön aufgetan haben. Doch -konnte ich seiner List nicht entgehen. Er praktizierte mich mich Hülfe -zweier leibhaftiger Teufel in eine Schäferei und zwang mich zu der -spöttlichsten Sache von der Welt, davon ich mich dergestalt schämte, -daß ich hinweg nach Lippstadt lief. - -Ich nahm fürders holländische Dienste, allwo ich zwar richtigere -Bezahlung aber vor meinen Humor einen langweiligen Krieg fand, dann da -wurden wir eingehalten wie die Mönche und sollten züchtiger leben als -die Nonnen. - -Also gedachte ich mich zu den Spanischen zu schlagen und entwich, -maßen mir der holländer Boden heiß geworden war. Allein mir ward der -Kompaß verruckt, daß ich unversehens an die Bayrischen geriet. Mit -denselben marschierte ich unter den Merode-Brüdern aus Westfalen bis -ins Brißgäu und nährte mich mit Spielen und Stehlen, bis das Treffen -vor Wittenweyer vorüberging, in welchem ich gefangen, abermals unter -ein Regiment zu Fuß gestoßen und also zu einem Weimarischen Soldaten -gemacht ward. Es wollte mir aber im Läger vor Breisach nicht gefallen, -darum quittierte ichs bei Zeiten und ging davon, vor mich selbst zu -kriegen, wie du siehest.« - - - - -Das neunte Kapitel - - -Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführte, konnte ich mich -nicht genugsam über die göttliche Vorsehung verwundern. Dann sollte -diese Bestia gewußt haben, daß ich der Jäger von Soest gewesen wäre, -so hätte er mir gewißlich wieder eingetränkt, was ich ihm hiebevor -auf der Schäferei getan. Ich sahe erst, was ich dem Olivier vor einen -Possen erwiesen und wie weislich und obscur der alte Herzbruder seine -Weissagungen gegeben, und wie es dannoch schwer fallen würde und -seltsam hergehen müßte, da ich eines solchen Tod, der Galgen und Rad -verdienet hätte, rächen sollte. Indem ich nun solche Gedanken machte, -ward ich in Oliviers Gesicht etlicher Ritze gewahr, die ich vor -Wahrzeichen des Spring-ins-Feld und seiner Teufelskrallen hielte. Ich -fragte, woher ihm solche Zeichen kämen. - -»Ach Bruder,« antwortete er, »wann ich dir alle meine Bubenstücke und -Schelmerei erzählen sollte, so würde beides: mir und dir die Zeit zu -lang werden. Ich will dir hievon auch die Wahrheit sagen, obschon es -scheinet, als gereiche sie mir zum Spott. - -Ich glaube gänzlich, daß ich vom Mutterleib an zu einem gezeichneten -Angesicht vorbestimmt gewesen sei. In meiner Jugend ward ich von -meinesgleichen Schuljungen zerkratzt, so hielt mich auch einer von -denen Teufeln, die dem Jäger von Soest aufwarteten, überaus hart, maßen -man seine Klauen wohl sechs Wochen in seinem Gesicht spürete. Diese -Striemen aber, die du jetzt siehest, haben einen anderen Ursprung: -Als ich unter den Schweden im Pommer lag und eine schöne Matresse -hatte, mußte mein Wirt aus seinem Bette weichen und uns hineinlegen -lassen. Seine Katze, die in demselben Bette zu schlafen gewohnt war, -kam alle Nacht und machte uns große Ungelegenheit, dann meine Matresse -konnte keine Katze leiden und verschwur sich hoch, sie wollte mir in -keinem Fall mehr Liebes erweisen, bis ich ihr zuvor die Katze hätte -abgeschafft. So gedachte ich mich an der Katze zu rächen, daß ich auch -eine Lust daran haben möchte. Steckte sie derhalben in einen Sack, nahm -meines Wirts beide starke Baurenhunde mit mir auf eine breite, lustige -Wiese und gedachte da meinen Spaß zu haben, dann ich vermeinte, weil -kein Baum in der Nähe war, auf den sich die Katze retirieren konnte, -würden sie die Hunde eine Weile hin und her jagen, wie einen Hasen -raumen und mir eine treffliche Kurzweile anrichten. Aber Potz Stern! es -ging mir nicht allein hundeübel, wie man zu sagen pfleget, sondern auch -katzenübel, maßen die Katze, sobald ich den Sack auftat, nur ein weites -Feld, ihre zwei starken Feinde und nichts Hohes vor sich sahe, dahin -sie ihre Zuflucht hätte nehmen mögen. Derowegen sprang sie auf meinen -Kopf. -- Je mehr ich sie nun herunter zu zerren trachtete, je fester -schlug sie ihre Krallen ein. Solch unserem Gefecht konnten die beiden -Hunde nicht lang zusehen, sondern mengten sich mit ins Spiel, sie -sprangen mit offenem Rachen hinten, vorne, zur Seite nach der Katze, -die sich mit ihren Klauen einkrallete, so gut sie konnte. Tät sie aber -mit ihrem Dornhandschuh einen Fehlstreich nach den Hunden, so traf -mich derselbe gewiß. Weil sie aber auch die Hunde auf die Nase schlug, -beflissen sich dieselbigen, sie mit ihren Talpen herunter zu bringen -und gaben mir damit manchen Griff ins Gesicht. Wann ich aber selbst mit -beiden Händen nach der Katze tastete, sie herunter zu reißen, biß und -kratzte sie nach ihrem besten Vermögen. Also ward ich beides: von den -Hunden und von der Katze dergestalt schröcklich zugerichtet, daß ich -schwerlich einem Menschen gleichsahe. Mein Kragen und Koller war blutig -wie eines Schmiedes Notstall am St. Stefanstag, wann man die Pferde -zur Ader läßt, und ich wußte ganz kein Mittel, mich aus diesen Ängsten -zu erretten. Zuletzt so mußte ich von freien Stücken auf die Erde -niederfallen, damit beide Hunde die Katze erwischen konnten, wollte -ich anderst nicht, daß mein Kapitolium noch länger ihr Fechtplatz sein -sollte. Die Hunde erwürgten zwar die Katze, ich hatte aber bei weitem -keinen so herrlichen Spaß davon. Dessentwegen ward ich so ergrimmt, -daß ich nachgehends beide Hunde totschoß und meine Matreß dergestalt -abprügelte, daß sie hätte Öl geben mögen und darüber von mir weglief, -weil sie ohn Zweifel keine solche abscheuliche Larve länger lieben -konnte.« - -Ich hätte gerne gelacht und mußte mich doch mitleidentlich erzeigen. -Und als ich eben auch anfing, meines Lebens Lauf zu erzählen, sahen -wir eine Kutsche samt zwei Reutern das Land herauf kommen. Wir satzten -uns in ein Haus, das an der Straße lag und sehr bequem war, Reisende -anzugreifen. Olivier legte mit einem Schuß gleich den einen Reuter und -das Pferd, eh sie unserer inne wurden, deswegen dann der andere gleich -durchging. Indem ich mit übergezogenem Hahn den Kutscher halten und -absteigen gemachet, sprang Olivier auf ihn dar und spaltete ihm mit -seinem breiten Schwert den Kopf bis auf die Zähne, wollte auch gleich -die Frauenzimmer und Kinder metzgen, so vor Schröcken mehr den toten -Leichen als den Lebenden gleich sahen. Ich aber wollte es rund nicht -gestatten und sagte, er müßte mich zuvor erwürgen. - -»Ach, du närrischer ~Simplici~, daß du so ein heilloser Kerl bist und -dich dergestalt anläßt!« - -»Bruder, wes willst du die unschuldigen Kinder zeihen? Wann es Kerl -wären, die sich stellen könnten!« - -»Was! Eier in die Pfannen, so werden keine Junge draus! Ich kenne -diese jungen Blutsauger wohl! Ihr Vater, der Major, ist ein rechter -Schindhund und der erste Wamsklopfer von der Welt.« - -Mit solchen Worten wollte er immer fortwürgen, doch enthielt ich ihn so -lang, bis er sich endlich erweichen ließe. Es waren aber einer Majors -Weib, ihre Magd und drei Kinder, die mich von Herzen daureten. Wir -sperrten sie in einen Keller, auf daß sie uns nicht so bald verraten -sollten, darin sie sonst nichts als Obst und weiße Rüben zu beißen -hatten, bis sie gleichwohl von jemand erlöst würden. Demnach plünderten -wir die Kutschen und zogen mit schönen Pferden in Wald, wo er zum -dicksten war. - -Da sahe ich unweit von uns einen Kerl stockstill an einem Baum stehen, -solchen wiese ich dem Olivier aus Vorsicht. - -»Ha, Narr,« antwortete er, »es ist ein Jud, den hab ich hingebunden. -Der Schelm ist aber vorlängst erfroren und verreckt.« Indem ging er zu -ihm, klopfte ihm mit der Hand unten ans Kinn und sagte: »Du Hund, hast -mir viel schöne Dukaten gebracht!« - -Da rollten dem Juden etliche Dublonen zum Maul heraus, welche der arme -Schelm noch bis in seinen Tod davon bracht hatte. Olivier griff ihn -darauf ins Maul und brachte zwölf Dublonen und einen köstlichen Rubin -zusammen. - -»Diese Beute habe ich dir zu danken, ~Simplici~.« - -Schenkte mir darauf den Rubin, stieß das Geld zu sich und ging -seinen Baurn zu holen mir Befehl, ich sollte indessen bei den Pferden -verbleiben, aber wohl zusehen, daß mich der tote Jud nicht beiße. - -Derweilen schlug mir das Gewissen merklich, darum daß ich die Kutsche -aufgehalten, daß der Kutscher so erbärmlich ums Leben kommen und beide -Weibsbilder mit denen unschuldigen Kindern in den Keller versperrt -worden, worin sie vielleicht wie dieser Jude verderben mußten. Allein -ich fand nicht Mittel noch Ausweg, dann ich gedachte, würdest du von -den Weimarischen mit diesen Pferden erwischt, so wirst du als ein -überzeugter Mörder aufs Rad gelegt, und ob deine Füße auch schnell -genug wären, du wolltest desto weniger den Bauren auf dem Schwarzwald, -so damals den Soldaten auf die Hauben klopften, entrinnen. Indem ich -mich nun selbst so marterte und quälete und doch nichts entschließen -konnte, kam Olivier mit dem Baur daher. Der führte uns mit den Pferden -auf einen Hof, da wir fütterten. Wir ritten nach Mitternacht weiters -und kamen gegen Mittag an die äußerste Grenzen der Schweizer, allwo -Olivier wohl bekannt war und uns stattlich auftragen ließ. Der Wirt -schickte nach zweien Juden, die uns die Pferde abhandelten. Es war -alles so nett und just bestellt, daß es wenig Wortwechselns brauchte. -Der Juden große Frage war, ob die Pferde kaiserisch oder schwedisch -gewesen. Da sie vernahmen, daß sie von den Weimarischen herkämen, -sagten sie, so müsse man solche nicht nach Basel sondern in das -Schwabenland zu den Bayrischen reuten. Über welche große Kundschaft und -Verträulichkeit ich mich verwundern mußte. - -Wir bankettierten edelmännisch und ich ließ mir die guten Waldforellen -und köstlichen Krebs wohl schmäcken. Wie es Abend ward, so machten wir -uns wieder auf den Weg, hatten unsern Baur mit Gebratens und andern -Viktualien wie einen Esel beladen. Damit kamen wir den andern Tag auf -einen einzelnen Baurenhof, allwo wir freundlich aufgenommen wurden und -uns wegen ungestümen Wetters ein paar Tage aufhielten. Folgends kamen -wir auf Wald und Abwegen wieder in das Häuslein, dahin mich Olivier -anfänglich geführet. - - - - -Das zehent Kapitel - - -Wie wir nun so dasaßen auszuruhen, schickte Olivier den Baur aus, -Essensspeise samt Zündkraut und Lot einzukaufen. Und als selbiger -hinweg war, zog er seinen Rock aus und sagte: - -»Bruder, ich mag das Teufelsgeld nicht mehr allein herumschleppen!« -- -Band demnach ein paar Würste oder Wülste, die er auf bloßem Leib trug, -herunter und warf sie auf den Tisch. »Das Donnergeld hat mir Beulen -gedruckt.« - -Ich ergriff die Wülste und befand sie trefflich gewichtig, weil es -lauter Goldsorten waren. Ich sagte, es sei alles unbequem gepackt, ich -wollts einnähen, daß einem das Tragen nicht halb so sauer ankäme. Es -gefiel ihm und ich machte mir und ihm ein Scapulier oder Schulterkleid -aus einem Paar Hosen und versteppte manchen schönen, roten Batzen -darein, daß wir unter dem Hemde hinten und vorn mit Gold gewappnet -waren. So verriete er mir auch, daß er mehr als tausend Taler in einem -Baume liegen hätte, aus welchem er den Baur hausen ließe, weil er -solchen Schafmist nicht hoch halte. - -Wir bäheten uns beim Ofen und gedachten an kein Ungemach, da kamen, -als wir uns dessen am wenigsten versahen, sechs Musketierer samt einem -Korporal mit fertigem Gewehr und aufgepaßten Lunten ins Häuslein, -stießen die Stubentür auf und schrieen, wir sollten uns gefangen geben. -Aber Olivier, der sowohl als ich seine gespannte Musketen neben sich -liegen hatte, antwortete ihnen mit einem Paar Kugeln, durch welche -er gleich zween zu Boden fällete, ich aber erlegte den dritten und -beschädigte den vierten durch einen gleichmäßigen Schuß. Darauf -wischte Olivier mit seinem notfesten Schwert, welches Haare schur, vom -Leder und hieb den fünften von der Achsel bis auf den Bauch hinunter, -daß ihme das Eingeweide heraus und er neben demselben nieder fiel, -indessen schlug ich dem sechsten mit umgekehrtem Feuerrohr auf den -Kopf, daß er alle vier von sich streckte. Einen solchen Streich kriegte -Olivier von dem siebenten, und zwar mit solcher Gewalt, daß ihm das -Hirn herausspritzte, ich aber traf diesen wiederum dermaßen, daß er -seinen Kameraden beim Totenreigen Gesellschaft leisten mußte. Der -Beschädigte aber fing an zu laufen, als ob ihn der Teufel selbst gejagt -hätte. Und dies Gefecht währte kürzer als eines Vaterunsers Länge. - -Sonach ich nun dergestalt allein Meister auf dem Platze blieb, -beschauete ich den Olivier, ob er vielleicht noch einen lebendigen Atem -in sich hätte. Da ich ihn aber ganz entseelt befand, dünkte es mich -ungereimt zu sein, einem toten Körper so viel Goldes zu lassen, zog ihm -derowegen das golden Fell ab und hing es mir an den Hals zu dem andern. -Ich nahm auch Oliviers Muskete und Schwert zu mir, maßen mein Rohr -zerschlagen war, und machte mich aus dem Staub auf einen Weg, da ich -wußte, daß der Baur herkommen müsse. - -Und kaum eine halbe Stunde ging ich in meinen Gedanken, so kam unser -Baur daher und schnaubte wie ein Bär, dann er lief von allen Kräften. - -»Warum so schnell? Was Neues?« - -»Geschwind, machet Euch abwegs! Es kommt ein Korporal mit sechs -Musketierern, die haben mich gefangen, daß ich sie zu euch führen -sollte, ich bin ihnen aber entronnen.« - -O Schelm, dachte ich, du hast uns um des Olivier Silbergeld verraten, -ließe mich aber doch nichts merken, sondern sagte, daß Olivier und -die andern tot wären. Das wollte er nicht glauben, bis ich ihn in das -Häuslein führte, daß er das Elend an den sieben Körpern sehen könnte. - -Der Baur erstaunte vor Schröcken und fragte, was Rats. - -»Rat ist schon beschlossen. Unter dreien Dingen geb ich dir Wahl: -Entweder führe mich alsbald durch sichere Abwege über den Wald hinaus -nach Villingen oder zeige mir Oliviers Geld im Baum oder stirb hier. -Führst du mich, so bleibt das Geld dein, wirst du mirs weisen, so teil -ichs mit dir, tust du aber keines, so schieß ich dich tot.« -- Der Baur -wäre gern entloffen, aber er forchte die Muskete; fiele derhalben auf -die Knie und erbot sich, mich über Wald zu führen. - -Also wanderten wir denselben Tag und folgende Nacht ohn Essen und -Trinken, bis wir gegen Tag die Stadt Villingen vor uns liegen sahen. -Den Baur trieb Todesfurcht, mich aber die Begierde, mich selbst und -mein Gold davon zu bringen, und muß fast glauben, daß einem Menschen -das Gold große Kräfte mitteilet, dann obzwar ich schwer genug daran -trug, so empfand ich jedoch keine sonderbare Müdigkeit. - -Ich hielt es vor ein glücklich Omen, daß man die Pforte eben öffnete, -als ich vor Villingen kam. Der Offizier von der Wacht examinierte mich, -und da ich mich vor einen Freibeuter ausgab von jenem Regiment, wohin -mich Herzbruder getan, wie auch, daß ich aus dem Läger vor Breisach -von den Weimarischen herkäme und nunmehr zu meinem Regiment unter die -Bayrischen begehrte, gab er mir einen Musketierer zu, der mich zum -Kommandanten führte. Dem bekannte ich alles, daß ich mich ein Tag oder -vierzehn bei einem Kerl aufgehalten und mit demselben eine Kutschen -angegriffen, der Meinung, von den Weimarischen Beute zu holen und -rechtschaffen montiert wieder zu unserem Regiment zu kommen. Wir seien -aber von einem Korporal mit sechs andern Kerlen überfallen worden, -dadurch mein Kamerad und sechs vom Gegenteil auf dem Platze geblieben. -Der Kommandant wollte es fast nicht glauben, daß wir zween sollten -sechs Mann niedergemacht haben und ich nahm Gelegenheit von Oliviers -Schwert zu reden. Das gefiel ihm so wohl, daß ichs ihm, wollte ich -anders mit guter Manier von ihm kommen und Paß erlangen, gegen einen -andern Degen lassen mußte. Im Wahrheit aber so war dasselbe trefflich -schön und gut. Es war ein ganzer, ewigwährender Kalender darauf geätzt. - -Ich ging den nächsten Weg ins Wirtshaus und wußte nicht, ob ich am -ersten schlafen oder essen sollte. Doch wollte ich zuvor meinen Magen -stillen und machte mir unterdessen Gedanken, wie ich meine Sachen -anstellen, daß ich mit meinem Gold sicher nach L. zu meinem Weibe -kommen möchte. - -Indem ich nun so spekulierte, hinkte ein Kerl mit einem Stecken in der -Hand in die Stube, der hatte einen verbundenen Kopf, einen Arm in der -Schlinge und so elend verlauste Kleider an, daß ich ihm keinen Heller -darum gegeben hätte. Der Hausknecht wollte ihn austreiben, weil er übel -stank. Er aber bat, ihn um Gottes Willen zu lassen, sich nur ein wenig -zu erwärmen, so aber nichts half. Demnach ich mich seiner erbarmete und -vor ihn bat, ward er kümmerlich zum Ofen gelassen. Er sahe mir, wie -mich bedünkte, mit begierigem Appetit und großer Andacht zu, wie ich -darauf hieb und ließ etliche Seufzer laufen. Und als der Hausknecht -ging, mir ein Stück Gebratenes zu holen, ging er gegen mich zum Tisch -zu und reichte ein irden Pfennighäfelein in der Hand dar, daß ich mir -wohl einbilden konnte, warum er käme; nahm derhalben die Kanne und goß -ihm seinen Hafen voll, eh er heischte. - -»Ach Freund,« sagte er, »um Herzbruders willen gebet mir auch zu essen!« - -Solches ging mir durchs Herz und ich befand, daß es Herzbruder selbsten -war. Ich wäre beinahe in Ohnmacht gesunken, doch erhielt ich mich, fiel -ihm um den Hals, satzte ihn zu mir, da uns beiden die Augen übergingen. - - - - -Das elfte Kapitel - - -Wir konnten fast weder essen noch trinken, nur fragte einer den andern, -wie's ihm ergangen. Der Wirt wunderte sich, daß ich einen so lausigen -Kerl bei mir litte, ich aber sagte, solches sei unter Kriegskameraden -Brauch. Da ich auch verstund, daß sich Herzbruder bisher im Spital -aufgehalten, vom Almosen sich ernähret, und seine Wunden liederlich -verbunden worden, dingte ich dem Wirt ein sonderlich Stüblein ab, legte -Herzbruder in ein Bette, ließ ihm den besten Wundarzt kommen, wie auch -einen Schneider und eine Näherin, ihn zu kleiden und den Läusen aus den -Zähnen zu ziehen. Ich hatte eben diejenigen Dublonen, so Olivier dem -toten Juden aus dem Maul bekommen, bei mir in einem Säckel. Dieselben -schlug ich auf den Tisch und sagte dem Wirt zu Gehör: - -»Schau Herzbruder, das ist mein Geld, das will ich an dich wenden und -mit dir verzehren.« - -Darnach der Wirt uns wohl aufwartete. Dem Barbier aber wies ich den -Rubin, der ungefähr zwanzig Taler wert war und sagte, weil ich mein -wenig Geld vor uns zu Zehrung und Kleidung aufwenden müßte, so wollte -ich ihm denselben Ring geben, wenn er meinen Kameraden in Bälde von -Grund aus kurieren wollte, dessen er dann wohl zufrieden war, daß er -seinen besten Fleiß aufwandte. - -Also pflegte ich Herzbrudern wie meinem andern Ich. Der Kommandant, dem -ich alles anzeigete, gönnte mir zu bleiben, bis mein Kamerad mir würde -folgen können und versprach uns beide alsdann mit gemeinsamen Paß zu -versehen. - -Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam, bat ich ihn, er wollte mir -unbeschwert erzählen, wie er in einen so armseligen Stand geraten -wäre, dann ich bildete mir ein, er möchte vielleicht eines Versehens -halber von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemachet und in -gegenwärtiges Elend versetzt worden sei. - -Er aber sagte: »Du weißt, Bruder, daß ich des Grafen von Götz -~Factotum~ und geheimster Freund gewesen, daß aber der verwichene -Feldzug unter seiner Generalität eine unglückliche Endschaft erreichet, -indem wir die Schlacht bei Wittenweyer verloren. Weil nun deswegen -hin und wieder von aller Welt sehr ungleich geredet ward, zumalen -wohlgemeldter Graf sich zu verantworten nach Wien ist citieret, so -lebe ich beides: vor Scham und Forcht freiwillig in dieser Niedere und -wünsche mir oft entweder in diesem Elend zu sterben oder doch wenigst -mich so lang verborgen zu halten, bis der Graf seine Unschuld an Tag -gebracht. -- Vor Breisach armierte ich mich selbst, da ich sahe, daß -es unserseits so schläfrig herging, den andern zum Exempel. Ich kam -unter den ersten Angängern an den Feind auf die Brücke, da es dann -scharf herging. So empfing ich zugleich einen Schuß in meinen rechten -Arm und den andern Schenkel, daß ich weder ausreißen, noch meinen Degen -gebrauchen konnte. Und als die Enge des Ortes und der große Ernst nicht -zuließ, viel von Quartiernehmen und -geben zu parlamentieren, kriegte -ich einen Hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel. Und weil ich fein -gekleidet war, wurde ich in der Furi von etlichen ausgezogen und vor -tot in Rhein geworfen. In solchen Nöten schrie ich zu Gott, indem ich -unterschiedliche Gelübde tät, spürete auch seine Hilfe. Der Rhein warf -mich ans Land, allwo ich meine Wunden mit Moos verstopfte und beinahe -erfror. Jedoch ich kroch davon und stieß unter etliche Merode-Brüder -und Soldatenweiber, die sich meiner erbarmeten. Ich mußte aber sehen, -daß sich die Unsrigen zu einem spöttlichen Abzug rüsteten, resolvierte -derhalben bei mir selbsten, mich niemand zu offenbaren, und nahm meinen -Elendsweg, von dem du mich hast aufgehoben.« - -Ich tröstete Herzbrudern so gut ich konnte und vertraute ihm, daß ich -noch mehr Geld hätte als jene Dublonen. Und ich erzählte ihm Oliviers -Untergang und was Gestalt ich seinen Tod habe rächen müssen. Welches -sein Gemüt dermaßen erquickte, also daß es ihm auch an seinen Leib -zustatten kam, maßen es sich an allen Wunden täglich mit ihm besserte. - - - - -Das fünfte Buch - - - - -Das erste Kapitel - - -Nachdem Herzbruder wieder allerdings erstärkt, vertrauete er mir, daß -er in den höchsten Nöten eine Wallfahrt nach Einsiedeln zu tun gelobt. -Weil er dann jetzt ohn das so nahe am Schweizerland wäre, so wollte -er solche verrichten und sollte er auch dahin betteln. Ich bot ihm -Geld und meine Gesellschaft an, ja, ich wollte gleich zween Klepper -kaufen. Nicht zwar der Ursache, daß mich die Andacht darzu getrieben, -sondern um die Eidgenoßschaft zu besehen, als das einzige Land, darin -der liebe Friede noch grünete. So freute mich auch nicht wenig, daß -ich Gelegenheit hatte, Herzbrudern auf solcher Reise zu dienen, maßen -ich ihn fast höher als mich selbst liebte. Er aber schlug beides: -meine Hilfe und meine Gesellschaft ab mit Vorwand, seine Wallfahrt -müsse zu Fuß und darzu auf Erbsen geschehen, meine Gesellschaft würde -ihn nicht allein an der Andacht verhindern, sondern mir selbst große -Ungelegenheit aufladen. Das redete er aber, mich von sich zu schieben, -weil er sich ein Gewissen machte auf einer so heiligen Reise von dem -Gelde zu zehren, das mit Morden und Rauben erobert worden. Er sagte -unverholen, daß ich bereits mehr an ihm getan, weder ich schuldig -gewesen, noch er zu erwidern getraue. Hierüber gerieten wir in ein -freundlich Gezänke, das war so lieblich, als ich dergleichen niemals -habe hören hadern. Bis ich endlich merkte, daß er beides: an Oliviers -Geld und meinem gottlosen Leben einen Ekel hatte. Derhalben behalf ich -mich mit Lügen und überredete ihn, daß mich mein Bekehrungsvorsatz -nach Einsiedeln triebe, sollte er mich nun von einem so guten Werk -abhalten und ich darüber sterben, so würde ers schwer verantworten -können. Hierdurch persuadierte ich ihn, daß er es zuließ, sonderlich -weil ich eine große Reue bezeugte, als ich ihn dann auch überredete, -daß ich sowohl als er auf Erbsen nach Einsiedeln gehen wollte. - -Er willigte endlich drein, wiewohl mit Widerstreben, daß ich einen Paß -bekam nach meinem Regiment (und nicht nach Einsiedeln) zu gehen. Mit -demselben wanderten wir bei Beschließung des Tores samt einem getreuen -Wegweiser aus der Stadt, als wollten wir nach Rottweil, wandten uns -aber kurz durch Nebenwege und kamen noch dieselbige Nacht über die -schweizerische Grenze und folgenden Morgen in ein Dorf, allda wir uns -mit schwarzen langen Röcken, Pilgerstäben und Rosenkränzen montierten -und den Boten wieder zurückschickten. - -Das Land kam mir so fremd vor gegen andern deutschen Ländern, als wann -ich in Brasilia oder in China gewesen wäre. Da sahe ich die Leute -im Frieden handeln und wandeln. Die Ställe stunden voll Viehe. Die -Baurenhöfe liefen voll Hühner, Gäns und Enten. Die Straßen wurden -sicher von den Reisenden gebrauchet. Die Wirtshäuser saßen voll Leute, -die sich lustig machten. Da war ganz keine Forcht vor dem Feind, -keine Sorge vor der Plünderung und keine Angst, sein Gut, Leib noch -Leben zu verlieren. Ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und -Feigenbaum, und zwar, gegen andere deutsche Länder zu rechnen, in -lauter Wollust und Freude, also daß ich dieses Land vor ein irdisch -Paradies hielt, wiewohln es von Art rauh genug zu sein schiene. - -Das machte, daß ich auf dem ganzen Weg nur hin und her gaffte, wann -hingegen Herzbruder an seinem Rosenkranz betete. Deswegen ich manchen -Filz bekam, dann er wollte, daß ich wie er bete, welches ich aber nicht -gewöhnen konnte. - -Zu Zürich kam er mir recht hinter die Briefe und dahero sagte er mir -die Wahrheit auch am tröckensten heraus. Dann als wir zu Schaffhausen, -allwo mir die Füße von den Erbsen sehr wehe täten, die vorige Nacht -geherberget und ich mich den künftigen Tag wieder auf Erbsen zu gehen -förchtete, ließ ich sie kochen und tät sie wieder in die Schuhe. - -»Bruder, du hast große Gnade vor Gott,« meinte Herzbruder zu Zürich, -»daß du unangesehen der Erbsen, dannoch so wohl fortkommen kannst.« - -»Ja,« sagte ich, »liebster Herzbruder, ich habe sie gekocht, sonst -hätte ich soweit nicht darauf gehen können.« - -»Ach, daß Gott erbarme, was hast du getan! Du hättest sie lieber gar -aus den Schuhen gelassen, wann du nur dein Gespötte damit treiben -willst. Gott wird dich und mich zugleich strafen. Ich besorge, es stehe -deine Seligkeit in höchster Gefahr. Ich liebe keinen Menschen mehr als -dich, leugne aber auch nit, daß ich mir ein Gewissen machen muß, solche -Liebe zu kontinuieren.« - -Ich verstummte vor Schröcken, daß ich mich schier nicht wieder erholen -konnte. Zuletzt bekannte ich frei, daß ich die Erbsen nicht aus -Andacht, sondern allein ihm zu Gefallen in die Schuhe getan, damit er -mich mitgenommen hätte. - -»Ach Bruder, ich sehe, daß du weit vom Weg der Seligkeit bist. Gott -verleihe dir Besserung, dann ohne die kann unsere Freundschaft nicht -bestehen.« - -Von dieser Zeit folgte ich ihm traurig nach, als einer, den man zu -Galgen führet. Mein Gewissen fing an mich zu drucken, alle meine -Bubenstücke stelleten sich mir vor Augen, da beklagte ich erst -die verlorene Unschuld. Und was meinen Jammer vermehrete war, daß -Herzbruder nicht viel mehr mit mir redete und mich nur mit Seufzen -anschauete, als hätte er meine Verdammnis an mir bejammert. - -Solchergestalt langten wir zu Einsiedeln an und kamen eben in die -Kirche, als ein Priester einen Besessenen exorcisieret. Das war mir neu -und seltsam, derowegen ließ ich Herzbrudern knien und beten, so lange -er wollte, und ging hin, diesem Spektakul aus Fürwitz zuzusehen. - -Aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da schrie mich der böse -Geist aus dem armen Menschen an: »Oho, du Kerl, schlägt dich der -Hagel auch her? Ich habe vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem -Olivier in unserer höllischen Wohnung anzutreffen! Du ehebrecherischer, -mörderischer Jäger, darfst du dir wohl einbilden, uns zu entrinnen? -O ihr Pfaffen, nehmt ihn nur nicht an, er ist ein Gleißner und ärger -Lügner als ich, er foppt euch nur und spottet beides: Gott und -Religion!« - -Der ~Exorcist~ befahl dem Geist zu schweigen, weil man ihm als einem -Erzlügner ohn das nicht glaube. - -»Ja, ja, fraget des ausgesprungenen Mönches Reisegesellen, der wird -euch wohl erzählen, daß dieser ~Atheist~ die Erbsen gekocht, auf -welchen er hierher zu gehen versprochen!« - -Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopfe oder Füßen stund, da ich dieses -alles hörete und mich jedermann ansahe. Der Priester strafte den Geist, -konnte ihn aber denselben Tag nicht austreiben. - -Indessen kam Herzbruder auch herzu, als ich eben vor Angst mehr einem -Toten als Lebendigen gleich sahe und zwischen Furcht und Hoffnung -nicht wußte, was ich tun sollte. Er tröstete mich und versicherte die -~Patres~, daß ich mein Tag kein Mönch gewesen, aber wohl ein Soldat, -der vielleicht mehr Böses als Gutes getan haben möchte. Ich aber war -in meinem Gemüt dermaßen verwirrt, als ob ich allbereits die höllische -Pein selbst empfände, als daß die Geistlichen genug an mir zu beruhigen -hatten. Sie vermahneten mich zur Beichte und Kommunion, aber der Geist -schrie abermals aus dem Besessenen: - -»Ja, ja, er wird fein beichten! Er weiß nicht einmal, was beichten ist! -Seine Eltern sein mehr wiedertäuferisch als calvinisch gewesen!« - -Der ~Exorcist~ befahl dem Geist abermals zu schweigen und sagte: - -»So wird dichs desto mehr verdrießen, wenn dir das verloren Schäflein -wieder aus dem Rachen gezogen und der Herde Christi einverleibet wird.« - -Darauf fing der Geist so grausam an zu brüllen, daß es schröcklich -zu hören war. Aus welchem greulichen Gesang ich meinen größten Trost -schöpfte, dann ich dachte, wann ich keine Gnade vor Gott mehr erlangen -könnte, so würde sich der Teufel nicht so übel anstellen. - -Ich empfand eine solche Reue und Begierde zur Buße und mein Leben zu -bessern, daß ich alsobald einen Beichtvater begehrte, worüber sich -Herzbruder höchlich erfreuete, weil er wahrgenommen und wohl gewußt, -daß ich bisher noch keiner Religion beigetan gewesen. Demnach bekannte -ich mich offentlich zur katholischen Kirche, ging zur Beichte und -kommunizierte nach empfangener ~Absolution~. Worauf mir dann so leicht -und wohl ums Herz ward, daß ichs nicht aussprechen kann. Der Geist in -dem Besessenen ließ mich fürderhin zufrieden. - -Wir verblieben vierzehn ganzer Tage an diesem gnadenreichen Ort, wo -ich die Wunder, so allda geschehen, betrachtete, welches alles mich -zu ziemlicher Andacht und Gottseligkeit reizete, doch währte solches -auch nur so lang, als es mochte. Dann wie meine Bekehrung aus Angst und -Forcht entsprungen, also ward ich auch nach und nach wieder lau und -träg, weil ich allmählich des Schreckens vergaß. - -Wir begaben uns nach Baden, alldorten vollends auszuwintern. - - - - -Das ander Kapitel - - -Ich dingete daselbst eine lustige Stube und Kammer vor uns, deren -sonst zur Sommerszeit die Badegäste zu gebrauchen pflegen, welches -gemeiniglich reiche Schweizer sein, die mehr hinziehen sich zu -erlustieren und zu prangen, als einiger Gebrechen halber zu baden. - -Als Herzbruder sahe, daß ich so herrlich angriff, ermahnete er mich -zur Gesparsamkeit. Viel Geld sei bald vertan, es stäube hinaus wie -der Rauch und verspreche, nimmermehr wieder zu kommen. Auf solche -treuherzige Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen, -wie reich mein Säckel wäre. Es sei zudem billig, daß Herzbruder aus -Oliviers Säckel vergnügt würde, um die Schmach, die er hiebevor von ihm -vor Magdeburg empfangen, sintemal die Erwerbung dieses Goldes ohn das -alles Segens unwürdig wäre, so daß ich keinen Meierhof daraus zu kaufen -gedächte. Ich zog meine beiden Scapulier ab, trennte die Dukaten und -Pistoletten heraus und sagte zu Herzbruder, er möge nun mit dem Gelde -nach Belieben verfahren, maßen ich mich in aller Sicherheit zu sein -wüßte. - -Er sagte: »Bruder, du tust nichts, so lange ich dich kenne, als deine -gegen mich habende Liebe bezeugen. Womit meinst du, daß ichs wieder -um dich werde beschulden können? Es ist nicht nur um das Geld zu tun, -sondern um deine Liebe und Treue, vornehmlich aber um dein zu mir -habendes hohes Vertrauen, so nicht zu schätzen ist. Bruder, mit einem -Wort, dein tugendhaft Gemüt machet mich zu deinem Sklaven, und was du -gegen mich tust, ist mehr zu verwundern als zu wiedergelten möglich. -Versichert, Bruder, dieses Beweistum deiner wahren Freundschaft -verbindet mich mehr gegen dich als ein reicher Herr, der mir viel -tausend verehrte. Allein bitte ich, mein Bruder, bleibe selber -Verwahrer und Austeiler über dein Geld. Mir ist genug, daß du mein -Freund bist.« - -Ich antwortete: »Was wunderliche Reden sein das, hochgeehrter -Herzbruder? Er gibt mündlich zu vernehmen, daß Er mir verbunden sei -und will doch nicht davor sein, daß ich dieses Geld nicht unnütz -verschwende?« - -Also redeten wir beiderseits gegeneinander läppisch genug, weil ja -einer des andern Liebe trunken war. Und ward Herzbruder zu gleich mein -Hofmeister, Säckelmeister, Diener und Herr. Und in solcher müßiger Zeit -erzählete er mir seines Lebens Lauf und ich ihm den meinen. Da er nun -hörete, daß ich ein junges Weib zu L. hatte, verwiese er mir, daß ich -mich nicht ehender zu derselbigen, als mit ihm in das Schweizerland -begeben, dann solches wäre anständiger und auch meine Schuldigkeit -gewesen. Demnach ich mich entschuldiget, daß ich ihn als meinen -allerliebsten Freund in seinem Elend zu verlassen nicht übers Herz -bringen können, beredete er mich, daß ich meinem Weibe schrieb und ihr -meine Gelegenheit zu wissen machte mit Versprechen, mich mit ehistem -wieder zu ihr zu begeben. Tät meines langen Ausbleibens widriger -Begegnüssen halber Entschuldigung. - -Dieweil dann Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen erfuhr, daß es -um den Grafen von Götz wohl stünde und er gar wiederum das Kommando -über eine Armee kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand -nach Wien und schrieb auch nach der kur-bayrischen Armee wegen seiner -Bagage. - -Herzbruder erhielt von hochgemeldten Grafen eine Wiederantwort und -treffliche Promessen von Wien, ich aber bekam von L. keinen einzigen -Buchstaben, unangesehen ich unterschiedliche Posttäge ~in duplo~ -hinschriebe. Das machte mich unwillig und verursachete, daß ich -denselbigen Frühling meinen Weg nicht nach Westfalen antrat, sondern -von Herzbrudern erhielt, daß er mich mit ihm nach Wien nahm, mich -seines verhofften Glückes genießen zu lassen. Also montierten wir uns -aus meinem Geld wie zwei Kavaliers beides: mit Kleidungen, Pferden, -Dienern und Gewehren. Gingen durch Konstanz auf Ulm, allda wir uns auf -die Donau satzten und von dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich -anlangten. Auf demselben Weg beobachtete ich sonst nichts, als daß die -Weibsbilder, so an dem Strand wohnen, den Vorüberfahrenden, so ihnen -zuschreien, nicht mündlich sondern schlicht mit dem Beweistum selbst -antworten, davon ein Kerl manch feines Einsehen haben kann. - -Es geht wohl seltsam in der veränderlichen Welt her! Wer alles wüßte, -der würde bald reich. Ich sage: Wer sich allweg in die Zeit schicken -könnte der würde auch bald groß und mächtig. Wer aber weiß, sich -groß und mächtig zu machen, dem folget der Reichtum auf dem Fuß. Das -Glück, so Macht und Reichtum zu haben pfleget, blickte mich trefflich -holdselig an. - -Der Graf von der Wahl, unter dessen Kommando ich mich hiebevor in -Westfalen bekannt gemacht, war eben auch zu Wien. Herzbruder ward zu -einem Bankett geladen, da sich verschiedene kaiserliche Kriegsräte -neben dem Grafen von Götz und andern mehr befanden. Als man von -allerhand seltsamen Köpfen und berühmten Parteigängern redete, erzählte -der Graf von der Wahl auch etliche Stücklein des Jägers von Soest, -daß man sich teils über einen so jungen Kerl verwunderte, teils -bedauerte, daß der listige hessische Obrist ~de S. A.~ ihm einen -Weh-Bengel angehängt, damit er entweder den Degen beiseite legen oder -schwedische Waffen tragen sollte. Herzbruder, der eben dort stund, bate -um Verzeihung und Erlaubnis zu reden und sagte, daß er den Jäger von -Soest besser kenne als sonst einen Menschen, er sei nicht allein ein -guter Soldat, sondern auch ein ziemlicher Reuter, perfekter Fechter, -trefflicher Büchsenmeister und Feuerwerker, über dies alles einer, der -einem Ingenieur im Fortifikationswesen nichts nachgeben würde. Er hätte -nicht nur sein Weib, weil er mit ihr schimpflich hintergangen worden, -sondern auch alles was er gehabt zu L. hinterlassen und wiederum -kaiserliche Dienste gesucht, maßen er mit ihm selbsten nach Wien -gekommen des Willens, sich abermals wider der römischen kaiserlichen -Majestät Feinde gebrauchen zu lassen, doch soferne er solche Kondition -haben könnte, die ihm anständig seien. - -Damals war diese ansehnliche Kompanei mit dem lieben Trunk schon -dergestalt begeistert, daß sie ihre Kuriosität, den Jäger zu sehen -befriedigt wissen wollte, maßen Herzbruder geschickt ward, mich in -einer Kutsche zu holen. Er instruierte mich unterwegs, derhalben -antwortete ich, als ich hinkam, auf alles sehr kurz und redete nichts, -es müßte dann einen klugen Nachdruck haben. Ich erschien dergestalt, -daß ich jedem angenehm war. Mithin kriegte ich auch einen Rausch und -glaube wohl, daß ich dann habe scheinen lassen, wie wenig ich bei Hof -gewesen. Endlich versprach mir ein Obrister zu Fuß eine Kompagnie unter -seinem Regiment. - -Also ward ich derselbigen vor einen Hauptmann vorgestellt. Obzwar -meine Kompagnie samt mir ganz komplett war, hatte sie nicht mehr als -sieben Schillerhälse, zudem waren meine Unter-Offizierer mehrenteils -alte Krachwadel, darüber ich mich hinter Ohren kratzte. Dahero ward ich -mit ihnen bei der nächsten scharfen Occasion desto leichter gemarscht. -Dabei verlor der Graf von Götz das Leben, Herzbruder und ich bekamen -einen Schuß. Wir begaben uns auf Wien, um uns kurieren zu lassen, wo -sich bei Herzbruder ein anderer gefährlicher Zustand zeigte, dann -er ward lahm an allen vieren, wie ein ~Cholericus~, den die Galle -verderbt, und war doch am wenigsten selbiger Komplexion noch dem -Zorn beigetan. Nichts desto weniger ward ihm eine Sauerbrunnkur, der -Gießbacher an dem Schwarzwald, vorgeschlagen. - -Also veränderte sich das Glück unversehens. Herzbruder machte sein -Testament und satzte mich zum einzigen Erben, und ich schlug mein Glück -in den Wind und quittierte meine Kompagnie, damit ich ihn begleiten und -ihm in Sauerbrunn aufwarten könnte. - - - - -Das dritte Kapitel - - -Ein erfahrener Medicus, den ich von Straßburg eingeholet, befand, daß -dem Herzbruder mit Gift vergeben worden, das Gift sei aber nicht stark -genug gewesen, ihn gleich hinzurichten. Es müsse durch Gegenmittel -und Schweißbäder ausgetrieben werden, und würde sich solche Kur auf -ungefähr eine Woche oder acht belaufen. Mein Herzbruder resolvierte -sich, in Sauerbrunn die Kur zu vollenden, weil er nicht allein eine -gesunde Luft, sondern auch allerhand anmutige Gesellschaft unter den -Badegästen hatte. - -Solche Zeit mochte ich nicht vergeblich hinbringen, weil ich Begierde -hatte, dermalen eins mein Weib auch wiederum zu sehen. Herzbruder -hatte meiner nicht vonnöten und lobte solches Fürnehmen. Gab mir auch -etliche kostbare Kleinodien, die ich ihr seinetwegen verehren und sie -um Verzeihung bitten sollte, daß er eine Ursache gewesen sei, daß ich -sie nicht ehender besuchet. - -Also ritt ich auf Straßburg, allwo mein Geld auf Wechsel lag, machte -mich nicht allein mit Geld gefaßt, sondern erkundigte auch, wie ich -meine Reise anstellen möchte, um zwischen so vielen Guarnisonen der -beiderseits kriegenden Teile am sichersten fort zu kommen. Erhielt -derowegen einen Paß vor einen Straßburger Botenläufer und machte -etliche Schreiben an mein Weib, ihre Schwester und deren Eltern, als -ob ich einen Boten nach L. schicken wollte. Ich verkleidete mich aber -selbsten in ein weiß und rote Livrei und fuhr also botenweis bis nach -Köln, welche Stadt damals zwischen den kriegenden Parteien neutral war. - -Ich ging zuforderst hin, meinen ~Jovem~ zu besuchen, den ich hiebevor -bei Soest gefangen hatte, um zu erkundigen, welche Bewandnus es mit -meinen hinterlegten Sachen hätte. Mein ~Jupiter~ war aber damals wieder -ganz hirnschellig und unwillig über das menschliche Geschlecht. - -»O ~Mercuri~,« sagte er zu mir, »was bringst du neues von Münster? -Vermeinen die Menschen wohl ohn meinem Willen Frieden zu machen? -Nimmermehr! Sie hatten ihn. Warum haben sie ihn nicht behalten? Gingen -nicht alle Laster im Schwang, als sie mich bewegten den Krieg zu -senden? Womit haben sie seithero verdient, daß ich ihnen den Frieden -wiedergeben sollte? Haben sie sich dann selbiger Zeit her bekehrt? -Seind sie nicht ärger worden und selbst mit in Krieg geloffen wie -zu einer Kirmeß? Oder haben sie sich vielleicht wegen der Teuerung -bekehret, die ich ihnen zugesandt, darin so viel tausend Seelen Hungers -gestorben? Oder hat sie vielleicht das grausame Sterben erschröcket -(das so viel Millionen hingerafft) daß sie sich gebessert? Nein, nein, -~Mercuri~, die übrig Verbliebenen, die den elenden Jammer mit ihren -Augen angesehen, haben sich nicht allein nicht gebessert, sondern seind -viel ärger worden als sie zuvor jemals gewesen. Haben sie sich nun -wegen so vieler scharfen Heimsuchungen nicht bekehret, sondern unter -dem schweren Kreuz und Trübsal gottlos zu leben nicht aufgehöret, -was werden sie dann erst tun, wann ich ihnen den wohl-lustbarlichen, -göldenen Frieden wieder zusendete? Aber ich will ihrem Mutwillen wohl -bei Zeiten steuern und sie im Elend hocken lassen.« - -Weil ich nun wußte, wie man diesen Gott lausen mußte, wann man ihn -recht stimmen wollte, sagte ich: »Ach, großer Gott, es seufzet aber -alle Welt nach dem Frieden und verspricht eine große Besserung.« - -»Ja,« antwortete ~Jupiter~, »sie seufzen wohl, aber nicht meinet- -sondern um ihrentwillen. Nicht daß jeder unter seinem Weinstock und -Feigenbaum Gott loben, sondern daß sie deren edle Früchte mit guter -Ruhe und in aller Wollust genießen möchten. -- Ich fragte neulich -einen Schneider, ob ich den Frieden geben sollte. Er antwortete es -sei ihm gleich, er müsse sowohl zu Kriegs- als Friedenszeiten mit der -stählernen Stange fechten. Eine solche Antwort kriegte ich auch von -einem Rotgießer, der sagte, wann er im Frieden keine Glocken zu gießen -hätte, so wäre im Kriege genug an Stücken und Feuermörsern zu tun. Also -antwortete mir auch ein Schmied: er habe keine Pflüge und Baurenwägen -zu beschlagen, so kämen ihm im Krieg genug Reuterpferde und Heerwägen -unter die Hände, also daß er des Friedens wohl entbehren könne. -Siehe nun, lieber ~Mercuri~, warum soll ich ihnen dann den Frieden -verleihen? Alle so ihn wünschen, begehren seiner um ihres Bauchs und -der Wollust willen, hingegen sind andere die den Krieg wollen, weil -er ihnen einträget. Und gleichwie die Mäuerer und Zimmerleute den -Frieden wünschen, damit sie in Auferbauung der eingeäscherten Häuser -Geld verdienen, also verlangen andere die Fortsetzung des Krieges, im -selbigen zu stehlen.« - -Weil nun mein ~Jupiter~ mit solchen Sachen umging, konnte ich mir -leicht einbilden, daß er mir in seinem verwirrten Stand von dem -Meinigen wenig Nachricht würde geben können. Nahm also den Kopf -zwischen die Ohren und ging durch Abwege nach L. - -Daselbst erfuhr ich, vor einen fremden Boten gehalten, daß mein -Schweher samt der Schwieger bereits vor einem halben Jahr diese Welt -gesegnet, und dann, daß meine Liebste, nachdem sie mit einem Sohn -niedergekommen, den ihre Schwester bei sich hätte, gleichfalls stracks -nach ihrem Kindbette, diese Zeitlichkeit verlassen. - -Darauf lieferte ich meinem Schwager die Schreiben, die ich selbst -an meine Liebste und ihre Schwester gerichtet hatte, aus. Derselbe -wollte mich nun beherbergen, damit er erfahren könnte, wes Standes -~Simplicius~ sei und wie er sich verhielte. Zu dem Ende diskutierte -meine Schwägerin lang mit mir von mir selbsten, und ich redete auch -von mir, was ich nur Löbliches wußte, dann die Pocken hatten mich -dergestalt verderbt und verändert, daß mich kein Mensch erkannte. - -Als ich ihr nun nach der Länge erzählte, daß Herr ~Simplicius~ viel -schöner Pferde und Diener hätte und in einer schwarzen sammeten Mütze -aufzöge, die überall mit Gold verbrämt wäre, sagte sie: - -»Ich habe mir jederzeit eingebildet, daß er keines so schlichten -Herkommens sei, als er sich davor ausgeben. Der hießige Kommandant -hat meine Eltern selig mit großen Verheißungen persuadiert, daß sie -ihm meine Schwester selig, die wohl eine fromme Jungfrau gewesen, -ganz vorteilhaftiger Weise aufgesattelt. Er hat einen Vorrat in Köln -gehabt und ihn hierher holen wollen, ist aber darüber ganz schelmischer -Weise nach Frankreich prakticiert worden. -- Meine Schwester hat ihn -kaum vier Wochen gehabt. Weil dann nunmehr mein Vater und Mutter tot, -ich und mein Mann aber keine Kinder miteinander erhoffen, haben wir -meiner Schwester Kind zum Erben angenommen und mit Hülfe des hießigen -Kommandanten seines Vaters Habe zu Köln erhoben, welche sich auf -dreitausend Gulden belaufen möchte. Wann also dieser junge Knab einmal -zu seinen Jahren kommt, wird er nicht Ursach haben sich unter die -Armen zu rechnen. Ich und mein Mann lieben das Kind auch so sehr, daß -wirs nicht mehr seinem Vater ließen, wannschon er selbst käme. Ich -weiß, wann mein Schwager wüßte, was er vor einen schönen Sohn hier -hätte, daß ihn nichts halten könnte hierher zu kommen.« - -Indem lief mein Kind in seinen ersten Hosen um uns und ich erfreuete -mich vom Herzen. Ich suchte die Kleinodien herfür, so ich hätte meiner -Liebsten bringen sollen, und gab sie meinem Schwager vor das Kind, was -er mit Freuden empfing. - -Mithin drang ich auf meine Abfertigung, und als ich dieselbe bekam, -begehrete ich im Namen des ~Simplicii~ den kleinen ~Simplicium~ zu -küssen, damit ich solches seinem Vater als Wahrzeichen erzählen könnte. -Als dies nun auf Vergünstigung meiner Schwägerin geschah, fing beiden, -mir und dem Kinde, die Nase an zu bluten, darüber mir das Herz hätte -brechen mögen, doch ich verbarg meine ~Affecten~. Damit man nicht Zeit -haben möchte, der Ursache dieser Sympathie nachzudenken, machte ich -mich stracks aus dem Staube. - - - - -Das vierte Kapitel - - -Nach meiner Rückkunft in Sauerbrunn ward ich gewahr, daß es sich mit -Herzbrudern eher gebösert als gebessert hatte, wiewohl ihn die Doktores -und Apotheker strenger als eine fette Gans gerupft. Er kam mir auch -ganz kindisch vor und konnte nur kümmerlich gehen. Sein Trost war, daß -ich bei ihm sein sollte, wann er die Augen würde zutun. - -Hingegen machte ich mich lustig und suchte meine Freude; doch solcher -Gestalt, daß an seiner Pflege nichts manglete. Und weil ich mich ein -Witwer zu sein wußte, reizten mich die guten Täge und meine Jugend -wiederum zur Buhlerei, dann ich den zu Einsiedeln eingenommenen -Schröcken allerdings wieder vergessen hatte. Ich machte mit den -Lustigsten Kundschaft, die dahin kamen, und fing an courtoise Reden -und Komplimenten zu lernen, deren ich meine Tage sonst niemals viel -geachtet hatte. Man hielt mich vor einen vom Adel, weil mich meine -Leute Herr Hauptmann nannten. Dannhero machten die reichen Stutzer mit -mir Brüderschaft und war alle Kurzweile, Spielen, Saufen, Fressen meine -allergrößte Arbeit und Sorge. - -Unterdessen ward es mit Herzbrudern je länger je ärger, also daß er -endlich die Schuld der Natur bezahlen mußte. Ich ließ ihn ganz herrlich -begraben und seine Diener mit Trauerkleidern und einem Stück Geld ihres -Wegs laufen. - -Sein Abschied tät mir schmerzlich weh, vornehmlich weil ihm mit Gift -vergeben worden. Obzwar ich solches nicht ändern konnte, so änderte -es doch mich, dann ich flohe alle Gesellschaft und suchte nur die -Einsamkeit, meinen betrübten Gedanken Audienz zu geben. Ich verbarg -mich etwan irgends in einem Busch und betrachtete nicht allein, was ich -vor einen Freund verloren, sondern ich machte auch allerhand Anschläge -von Anstellung meines künftigen Lebens. Bald wollte ich wieder in -Krieg und unversehens gedachte ich, es hättens die geringsten Bauren -in dieser Gegend besser, maßen noch alle Baurenhöfe gleich als zu -Friedenszeiten in trefflichem Bau und alle Ställe voll Vieh waren. - -Als ich mich nun mit Anhörung des lieblichsten Vogelgesangs ergötzte -und mir einbildete, daß die Nachtigall durch ihre Lieblichkeit andere -Vögel banne, still zu schweigen und ihr zuzuhören, da näherte sich -jenseits dem Bache eine Schönheit an Gestalt, die mich mehr bewegte, -weil sie nur den Habit einer Bauerdirne antrug, als eine stattliche -~Demoiselle~ sonst mir nicht hätte tun mögen. Sie hub einen Korb vom -Kopf, darin sie einen Ballen frische Butter trug, solchen im Sauerbrunn -zu verkaufen. Denselben erfrischte sie im Wasser. Unterdessen satzte -sie sich nieder ins Gras, warf ihr Kopftuch und den Baurenhut von -sich und wischte den Schweiß vom Angesicht, also daß ich sie genug -betrachten und meine vorwitzigen Augen an ihr weiden konnte. Da dünkte -mich, ich hätte die Tage meines Lebens kein schöner Mensch gesehen. Die -Proportion des Leibes schien vollkommen und ohn Tadel, Arme und Hände -schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarzen Augen aber -voller Feuer und liebreizender Blicke. - -Als sie nun ihre Butter wieder einpackte, schrie ich hinüber: - -»Ach Jungfer, Ihr habt zwar mit Euren schönen Händen Euere Butter im -Wasser abgekühlt, hingegen aber mein Herz durch Euere klaren Augen ins -Feuer gesetzt.« - -Sobald sie mich sahe und hörete, lief sie davon, als ob man sie gejagt -hätte. Sie hinterließ mich mit all denjenigen Torheiten beladen, damit -die verliebten Phantasten gepeinigt zu werden pflegen. - -Meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen zu werden, ließen -mich nicht in meiner Einsamkeit, sondern machten, daß ich den Gesang -der Nachtigallen nicht höher achtete als ein Geheul der Wölfe. -Derhalben tollete ich auch dem Sauerbrunn zu und schickte meinen Jungen -voran, die Butterverkäuferin anzupacken und mit ihr zu marken, bis ich -hernach käme. Er tät das Seinige und ich nach meiner Ankunft auch das -Meinige, aber ich fand ein steinern Herz und solche Kaltsinnigkeit, -dergleichen ich hinter einem Baurenmensch nimmermehr zu finden getrauet -hätte, welches mich aber viel verliebter machte. - -Damals hätte ich entweder einen strengen Feind oder einen guten Freund -haben sollen. Einen Feind, damit ich meine Gedanken gegen denselben -hätte richten und der närrischen Liebe hätte vergessen müssen, oder -einen Freund, der mir ein anderes geraten und mich von meiner Torheit -hätte abmahnen mögen. Ach leider, ich hatte nichts als mein Geld, das -mich verblendete, meine blinden Begierden, die mich verführeten, weil -ich ihnen den Zaum schießen ließ, und meine grobe Unbesonnenheit, die -mich verderbete und in alles Unglück stürzete. Mit einem Wort, ich war -mit dem Narrenseil rechtschaffen verstrickt und derhalben ganz blind -und ohn Verstand. Und weil ich meine viehischen Begierden nicht anders -zu sättigen getrauete, entschloß ich mich, das Mensch zu heiraten. Was, -gedachte ich, du bist deines Herkommens doch nur ein Baurensohn und -wirst deiner Tage kein Schloß besitzen; du hast Geld genug, auch den -besten Baurenhof in dieser Gegend zu bezahlen. Du wirst dies ehrliche -Baurngretlein heiraten und dir einen geruhigen Herrenhandel inmitten -der Bauren schaffen. -- Ich erhielt, wiewohl nicht ohne Mühe, das -Jawort. - -Zur Hochzeit ließ ich trefflich rüsten, dann der Himmel hing mir voller -Geigen. Das Baurengut, darauf meine Braut geboren worden, lösete ich -nicht allein ganz an mich, sondern fing noch darzu einen schönen, neuen -Bau an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- als haushalten hätte -wollen. Eh die Hochzeit vollzogen, hatte ich daselbst über dreißig -Stück Viehe stehen, weil man soviel auf dem Gut erhalten konnte. Ich -bestellte alles aufs Beste und sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir -nur meine Torheit eingab. - -Aber die Pfeife fiel mir bald in Dreck. Dann als ich nunmehr vermeinete -mit gutem Wind in Engelland zu schiffen, kam ich wider alle Zuversicht -nach Holland. Viel zu spat ward ich erst gewahr, was Ursache mich meine -Braut hatte so ungern nehmen wollen. Und ich konnte mein spöttlich -Anliegen keinem Menschen klagen. So zahlete ich nach Maß und Billigkeit -meine Schulden, was Erkanntnus mich darum doch nichts desto geduldiger, -viel weniger frömmer machte. Ich fand mich betrogen und gedachte meine -Betrügerin wieder zu prellen, maßen ich anfing grasen zu gehen, wo -ich zukommen konnte. Überdas stack ich mehr bei guter Gesellschaft in -Sauerbrunn als zu Haus. - -Meine Frau war ebenso liederlich. Sie hatte einen Ochsen, den ich ins -Haus hatte schlagen lassen, in etliche Körbe eingesalzen; als sie eine -Spänsau zurichten sollte, unterstund sie sich solche wie einen Vogel zu -rupfen; sie wollte die Krebse am Rost und die Forellen am Spieß braten. -Nichts desto weniger trank sie auch das liebe Weingen gern und teilete -andern guten Leuten auch mit. -- - -Einsmals spazierete ich mit etlichen Stutzern das Tal hinunter, eine -Gesellschaft im untern Bad zu besuchen. Da begegnete uns ein alter -Baur mit einer Geiß am Strick, die er verkaufen wollte. Und weil mich -dünkte, ich hätte ihn mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit der Geiß -herkomme. - -Er zog sein Hütlein und sagte: »Gnädiger Hearr, eich darffs ouch werli -neit sän.« - -»Du wirst sie ja nicht gestohlen haben.« - -»Nein, ich bring sie aus dem Städtgen im Tal, welches ich eben gegen -den Hearrn nit darf nennen, dieweil wir vor einer Geiß reden.« - -Solches bewegte die Gesellschaft zum Lachen, und weil ich mich -entfärbte, gedachten sie, ich hätte Verdruß, maßen mir der Baur so -artig eingeschenkt. Aber ich hatte andere Gedanken, dann an der großen -Warze, die der Baur mitten auf der Stirn stehen hatte, ward ich -eigentlich versichert, daß es mein Knän aus dem Spessart war. -- Wollte -derhalben zuvor einen Wahrsager agieren, eh ich mich ihm offenbarte. - -»Mein lieber alter Vater, seid Ihr nicht im Spessart zu Haus?« - -»Ja, Hearr.« - -»Haben Euch nicht vor ungefähr achtzehen Jahren die Reuter Euer Haus -und Hof geplündert und verbrannt?« - -»Ja, Gott erbarms, es ist aber noch nit so lang.« - -»Habet Ihr nicht zwei Kinder, nämlich eine erwachsene Tochter und einen -jungen Knaben gehabt?« - -»Hearr, die Tochter war mein Kind, der Bub nit. Ich hab ihn aber an -Kindesstatt aufziehen wollen.« - -Hieraus verstund ich wohl, daß ich dieses Knollfinken Sohn nicht sei, -welches mich eines Teils erfreuete, hingegen aber auch betrübete, weil -mir einfiel, ich müßte sonst ein Bankert oder ein Findling sein. Fragte -derowegen den Knän, wo er den Buben aufgetrieben. - -»Ach, der Krieg hat mir ihn gegeben und der Krieg hat nur ihn wieder -genommen.« - -Weil ich dann besorgte, es dörfte wohl ein ~Facit~ herauskommen, das -mir wegen meiner Geburt nachteilig sein möchte, fragte ich, ob er die -Geiß der Wirtin in die Küche verkauft hätte. - -»Ach nein, Hearr, ich bring sie der Gräfin, die im Sauerbrunn badet. -Der Doktor Hans in allen Gassen hat etliche Kräuter geordnet, so die -Geiß essen muß. Was sie dann vor Milch gibt, die nimmt der Doktor und -machet der Gräfin noch so ein Arznei drüber, dann muß sie die Milch -trinken. Man seit, es mangle der Gräfin am Gehäng.« - -Unter währender solcher Relation besann ich, auf was Weise ich noch mit -dem Baurn reden möchte, bot ihm derhalben einen Taler mehr um die Geiß -als die Gräfin. Solches ging er gleich ein, doch mit dem Beding, er -sollte der Gräfin zuvor angeben, daß ihm ein Taler mehr darauf geboten, -er wollte mir den Handel auf den Abend anzeigen. - -Also ging mein Knän seines Wegs und auch ich drehete mich bald von der -Kompanie ab und ging hin, wo ich meinen Knän wiederfand; der hatte -seine Geiß noch. Ich führete ihn auf meinen neuen Hof, bezahlte die -Geiß und hängte ihm einen halben Rausch an. Sodann fragte ich ihn nach -seinem Knaben. - -»Ach Herr, der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert, und die -Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder genommen.« Nach verlorener -Schlacht bei Höchst habe des Mansfelder flüchtig Volk sich weit und -breit zerstreuet. Viel seien in den Spessart gekommen, weil sie die -Büsche suchten, sich zu verbergen, aber indem sie dem Tod in der Ebene -entgingen, hätten sie einen in den Bergen gefunden, dann damalen -ginge selten ein Baur in die Büsche ohn sein Feuerrohr, da man zu -Haus bei Hauen und Pflügen nicht bleiben konnte. In demselben Tumult -habe er nicht weit von seinem Hof in dem wilden ungeheuren Wald eine -schöne, junge Edelfrau samt einem stattlichen Pferd getroffen, so er -anfänglich vor einen Kerl gehalten, weil sie so mannlich daherritte. -Indem sie beides: Händ und Augen zum Himmel aufgehoben und auf wälsch -mit einer erbärmlichen Stimme zu Gott gerufen, habe er sein Rohr sinken -lassen und den Hahn wieder zurückgezogen, dann er gesehen, daß sie ein -betrübtes Weibsbild wäre. Indem er näher getreten riefe sie ihn an: -»Ach, wann Ihr ein ehrlicher Christenmensch seid, so bitte ich Euch um -Gottes und seiner Barmherzigkeit, ja um des jüngsten Gerichtes willen, -Ihr wollet mich zu ehrlichen Weibern führen, die mich durch göttliche -Hilfe von meines Leibes Bürde entledigen helfen!« Diese Worte hätten -ihn samt der holdseligen Aussprache zu solcher Erbärmde gezwungen, daß -er ihr Pferd beim Zügel nahm und sie durch Hecken und Stauden an den -allerdicksten Ort des Gesträuchs führete, da er selbst Weib, Kind, -Gesind und Viehe hingeflüchtet gehabt. Daselbst seie sie ehender als in -einer halben Stund des jungen Knaben genesen. - -Ich sprach ihm gütlich zu. Da er aber sein Glas ausgeleert hatte, -fragte ich wie es darnach weiter mit der Frau gegangen. - -Er antwortete, sie habe ihn zum Gevatter gebeten und ihm auch ihres -Mannes und ihren Namen genennt, damit sie möchten ins Taufbuch -geschrieben werden. Indem habe sie ihr Felleisen aufgetan, darin sie -wohl köstliche Sachen hatte, und ihm, seinem Weib und Kind, der Magd -und sonst allen geschenkt. Aber indem sie so damit umging und von -ihrem Mann erzählete, sei sie unter den Händen der Weiber gestorben. -Pfarrer und Schultz hätten ihm darnach befohlen, das Kind aufzuziehen -und vor Mühe und Kosten der Fraue ganze Hinterlassenschaft zu behalten, -ausgenommen etliche Paternoster, Edelsteine und sonst Geschmeiß. Also -sei das Kind von der Bäurin mit Geißmilch auferzogen worden. - -»Ihr habet mir,« sagte ich, »eine artliche Geschichte erzählt und doch -das Beste vergessen, dann Ihr habet nicht gesagt, weder wie die Frau -noch ihr Mann oder das Kind geheißen.« - -Er antwortete: die Edelfrau habe Susanna Ramst, ihr Mann Kapitain -Sternfels von Fuchsheim geheißen, und weil er Melchior hieße, so habe -er den Buben bei der Taufe auch Melchior Sternfels von Fuchsheim nennen -und ins Taufbuch schreiben lassen. - -Hieraus vernahm ich umständlich, daß ich meines Einsiedels und der -Schwester des Gubernators Ramsey leiblicher Sohn gewesen. Aber ach, -leider viel zu spat! Dann meine Eltern waren schon beide tot. - -Ich deckte meinen Paten vollends mit Wein zu und ließ den andern -Tag auch sein Weib holen. Da ich mich ihnen nun offenbarte, wollten -sie's nicht glauben, bis ich ihnen einen schwarzen haarigen Fleck -aufgewiesen, den ich auf der Brust habe. - - - - -Das fünfte Kapitel - - -Ohnlängst hernach nahm ich meinen Pflegvater zu mir und tät mit ihm -einen Ritt hinunter in Spessart, glaubwürdigen Schein und Urkund -meines Herkommens und ehelicher Geburt zu Wege zu bringen, welches ich -unschwer erhielt. Ich kehrete auch bei dem Pfarrer ein, der sich zu -Hanau aufgehalten, und ließ über meine ganze Histori aus der Zeugen -Mund durch einen ~Notarium~ ein ~Instrument~ aufrichten, dann ich -dachte, wer weiß, wo du es noch einmal brauchst. Solche Reise kostete -mich über vierhundert Taler, dann auf dem Rückweg ward ich von einer -Partei erhascht, abgesetzt und geplündert, also daß ich und mein Knän -nackend und kaum mit dem Leben davonkam. - -Indessen ging es daheim noch schlimmer zu. Dann nachdem mein Weib -vernommen, daß ihr Mann ein Junker sei, spielte sie nicht allein die -große Frau, sondern verliederlichte auch alles in der Haushaltung, -was ich, weil sie großen Leibes war, stillschweigend ertrug. Überdas -ward mir das meiste und beste Viehe von einer Seuche dahingerafft. -Dieses alles wäre noch zu verschmerzen gewesen. Aber, ~o mirum~, kein -Unglück allein! In der Stunde, darin mein Weib genase, ward die Magd -auch Kindbetterin. Das Kind zwar, so sie brachte, sahe mir allerdings -ähnlich, das Kind meines Weibes hingegen sahe dem Knecht so gleich, -als wanns ihm aus dem Gesicht wäre geschnitten worden. Jedoch es gehet -nicht anders her, wann man in einem so gottlosen und verruchten Leben -seinen viehischen Begierden folget. - -Nun was halfs, ich mußte taufen. Andernteils nahm es mein Weibgen nur -auf die leichte Achsel. Doch die Magd mußte aus dem Haus, dann mein -Weib argwöhnete, was ich ihretwegen vom Knecht gedachte. Indessen ich -ward von dieser Anfechtung heftig gepeinigt, daß ich meinem Knecht ein -Kind aufziehen, das Meinige aber von der Magd nicht mein Erbe sein -sollte, und daß ich dabei froh sein mußte, weil sonst niemand nichts -wußte. - -Mit solchen Gedanken marterte ich mich täglich, mein Weib aber -delektierte sich stündlich mit Wein, dann sie hatte sich das Kumpen -sint unserer Hochzeit dergestalt angewöhnt, das es ihr selten vom Maul -kam und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne einen ziemlichen Rausch -schlafen ging. Davon soff sie ihrem Kind zeitlich das Leben ab und -entzündete sich das Gehäng dergestalt, daß es ihr bald hernach entfiel -und mich wieder zum Witwer machte. Das ging mir so zu Herzen, daß ich -mich fast krank darüber gelachet hätte. - -Ich befand mich solchergestalt wieder in meiner ersten Freiheit. Mein -Beutel war ziemlich geleeret, ich hingegen mit großer Haushaltung -vielem Viehe und Gesind beladen. Also nahm ich meinen Paten Melchior -vor einen Vater und dessen Frau vor eine Mutter, den Magdsohn aber vor -meinen Erben an und übergab den beiden Alten Haus und Hof samt meinem -ganzen Vermögen, bis auf gar wenig gelbe Batzen und Kleinodien. Ich -hatte einen Ekel ob aller Weiber Beiwohnung und Gemeinschaft, ich nahm -mir vor, mich nicht mehr zu verheiraten. - -Diese beiden Alten gossen meine Haushaltung gleich in einen andern -Model. Sie schafften vom Gesind und Viehe ab, was nichts nütze und -bekamen hingegen auf den Hof, was etwas eintrug. Sie vertrösteten -mich alles Guten und versprachen, wann ich sie nur hausen ließe, -so wollten sie mir allweg ein gut Pferd auf der Streu halten und so -viel verschaffen, daß ich je zu Zeiten mit einem ehrlichen Biedermann -eine Maß Wein trinken könnte. Ich spürete es auch gleich. Mein Pate -bestellte mit dem Gesind den Feldbau, schacherte mit Viehe und mit dem -Holz- und Harzhandel ärger als ein Jud und meine Götfrau legte sich auf -die Viehzucht und wußte Milchpfennige besser zu gewinnen und zusammen -zu halten, als zehen solcher Weiber, wie ich eins gehabt hatte. Auf -solche Weise ward mein Baurenhof in kurzer Zeit vor den besten in der -ganzen Gegend geschätzet. -- - -Einsmals spazierte ich in Sauerbrunn, jedoch nicht um mich mit Stutzern -bekannt zu machen, dann ich fing an meiner Alten Kargheit nachzuahmen, -gleichwohl geriet ich zu einer Gesellschaft mittelmäßigen Standes, weil -sie von einer seltenen Sache, nämlich vom Mummelsee diskutierten. Der -war in der Nachbarschaft auf einem von den höchsten Bergen gelegen, -unergründlich, und wunderbarliche Fabeln verlauteten von ihm. - -Einer sagte, wann man ungrad, es seien gleich Erbsen, Steinlein oder -etwas andres in ein Nastüchlein binde und hinein hänge, so veränderte -es sich in grad, also auch grad in ungrad. Die meisten aber gaben vor -und befestigten es auch mit Exempel, wann man ein oder mehrere Steine -hineinwürfe, so erhebe sich gleich, Gott gebe wie schön auch der Himmel -zuvor gewesen, ein grausam Ungewitter mir schröcklichem Regen, Schloßen -und Sturmwinde. Einer erzählte, daß auf ein Zeit, da etliche Hirten ihr -Viehe bei dem See gehütet, ein brauner Stier herausgestiegen, welcher -sich zu dem andern Rindviehe gesellet, dem aber gleich ein kleines -Männlein nachgefolget, ihn wieder zurück zu treiben. Auch seie einsmals -ein Baur mit seinem Ochsen und etlichen Holzplöchern über den gefrornen -See gefahren, ohn einzigen Schaden, als ihm aber sein Hund nachkommen, -sei das Eis mit ihm gebrochen und der arme Hund allein hinunter -gefallen und nicht mehr gesehen worden. Noch einer behauptete bei -großer Wahrheit, es sei ein Schütze auf der Spur des Wildes bei dem See -vorübergegangen, der hätte auf dem Wasser ein Männlein sitzen sehen, -das einen ganzen Schoß voll gemünzter Goldsorten gehabt und gleichsam -damit gespielet hätte. Und als er nach demselben Feuer geben wollen, -hätte sich das Männlein geduckt und gerufen: »Wann du mich gebeten -deiner Armut zu Hilf zu kommen, so wollte ich dich reich genug gemacht -haben.« - -Solche und andere Historien verlachte ich. Aber es fanden sich -Baursleute, und zwar alte, glaubwürdige Männer, die erzählten, wie -dann ein regierender Herzog von Württemberg ein Floß machen ließ, die -Tiefe zu ergründen. Nachdem die Messenden aber bereits neun Zwirnnetz -mit einem Senkel hinunter gelassen und gleichwohl noch keinen Boden -gefunden, hätte das Floß wider die Natur des Holzes angefangen zu -sinken, also daß sie von ihrem Vornehmen abstehen und sich hätten -ans Land salvieren müssen, maßen man noch heutzutag die Stücke des -Flosses am Ufer und zum Gedächtnus dieser Geschicht das fürstlich -württembergsche Wappen in Stein gehauen vor Augen sehe. - -Die Begierde, den Mummelsee zu beschauen, vermehrte sich bei mir, als -ich von dem Knän verstund, daß er auch dort gewesen und den Weg wisse. -Da er aber hörete, daß ich überein auch darzu wollte, sagte er: »Der -Herr Sohn wird nichts andres sehen, als das Ebenbild eines Weihers, -der mitten in einem großen Walde liegt, und wann er seine jetzige Lust -mit beschwerlicher Unlust gebüßet, so wird er nichts andres als Reue, -müde Füße und den Hergang vor den Hingang davon haben.« - -Da er aber meinen Ernst sahe, meinete er, dieweil die und auf dem Hof -weder zu hauen noch zu ernten, wolle er selbst mit mir gehen; dann -er hatte mich so lieb und prangte mit mir, weil die Leute im Land -glaubten, daß ich sein leiblicher Sohn sei. - -Also wanderten wir miteinander über Berg und Tal und kamen zum -Mummelsee, eh wir sechs Stunden gegangen waren, dann mein Pate war noch -so käfermäßig und sowohl zu Fuß als ein Junger. Nachdem wir uns an -Speis und Trank erquickt, beschauete ich den See und fand die etlichen -gezimmerten Hölzer des Württembergischen Flosses darin liegen. Die Luft -war ganz windstill und wohl temperiert, so wollte ich auch probieren, -was Wahrheit an der Sagenmär wäre, sintemal ich allbereit die Sage, daß -der See keine Forellen leide, am mineralischen Geschmack des Wassers -als natürlich zu sein befunden. - -Ich ging gegen der linken Hand an dem See hin, da das Wasser wegen der -abscheulichen Tiefe des Sees gleichsam kohlschwarz zu sein scheinet und -deswegen so förchterlich aussiehet. Daselbst fing ich an große Steine -hinein zu werfen, als ich sie nur immer erheben und ertragen konnte. -Mein Knän warnete mich und bat, ich aber continuierete meine Arbeit -emsig fort, bis ich über dreißig Steine in den See brachte. - -Da fing die Luft an, den Himmel mit schwarzen Wolken zu bedecken, in -welchen ein grausamer Donner gehöret ward, also daß mein Knän, der -jenseits des Sees bei dem Auslauf stund, über meine Arbeit lamentierte -und mir zuschrie, ich sollte mich doch salvieren, damit uns Regen und -das schröckliche Wetter nicht ergreife. Ich aber antwortete: »Vater, -ich will bleiben und des Endes erwarten, sollte es auch Hellebarten -regnen.« - -Er schmälete noch weiterhin zu mir herüber, ich verwandte aber die -Augen nicht von der Tiefe und sahe weit untern gegen den Abgrund -etliche Kreaturen im Wasser herumfladern, die mich der Gestalt nach -an Frösche ermahneten und gleichsam wie Schwärmerlein aus einer -aufsteigenden Rakete in der Luft herumvagierten. Je näher sie kamen, -desto größer und an Gestalt den Menschen ähnlicher schienen sie meinen -Augen, weswegen mich dann erstlich eine große Verwunderung und endlich -ein Grausen und Entsetzen ankam. - -»Ach,« rief ich vor Schröcken so laut, daß es mein Knän wohl hören -konnte, »wie seind die Wunderwerke des Schöpfers auch sogar im Bauch -der Erden und in der Tiefe des Wassers so groß!« - -Da war schon eins von den Sylphen oben auf dem Wasser und antwortete: -»Das bekennst du, ehe du etwas davon gesehen hast, was würdest du wohl -sagen, wann du erst selbsten im ~Centro~ der Erden wärest und unsere -Wohnung, die dein Fürwitz beunruhiget, beschautest!« - -Unterdessen kamen noch mehr dergleichen Wassermännlein, gleichsam wie -Tauchentlein hervor. Sie brachten die Steine wieder herauf, worüber ich -ganz erstaunete. Der Erste und Vornehmste unter ihnen, dessen Kleidung -wie lauter Gold und Silber glänzete, warf mir einen leuchtenden Stein -zu, so groß wie ein Taubenei und so grün und durchsichtig, wie ein -Smaragd. - -»Nimm das Kleinod, damit du etwas von uns und diesem See zu sagen -wissest.« - -Ich hatte ihn aber kaum aufgehoben und zu mir gesteckt, da ward mir -nicht anderst, als ob mich die Luft hätte ersticken und ersäufen -wollen, derhalben ich mich dann nicht länger aufrecht behalten konnte, -sondern herumtaumelte wie eine Garnwinde und endlich gar in den See -hinunter fiel. Sobald ich aber ins Wasser kam, erholete ich mich wieder -und atmete aus Kraft des Steins das Wasser anstatt der Luft. Ich konnte -auch gleich sowohl als die Wassermännlein in dem See herumwebern, maßen -ich mich mit ihnen in den Abgrund hinunter tät, als wann sich eine -Schar Vögel mit Umschweifen gegen die Erde nieder lässet. - -Da mein Knän dies Wunder, samt meiner gählingen Verzückung gesehen, -trollete er sich von dem See hinweg und heim zu, als ob ihm der Kopf -brennte. Daselbst erzählete er den Verlauf. Etliche glaubten ihm, die -meisten aber hielten es vor eine Fabel. - - - - -Das sechste Kapitel - - -Der Fürst über den Mummelsee, so mich begleitete, sagte mir, daß wir -durch die halbe Erde just neunhundert deutscher Meilen hätten, und wer -zum ~Centro~ der Erde wolle, der müßte durch einen dergleichen Seen -seinen Weg nehmen, deren hin und wieder so viel, als Tag im Jahr seien, -in der Welt wären und alle bei ihres Königs Wohnung zusammen stießen. -In solchem sanften Abfahren konnte ich mit dem Mummelseeprinzen -allerhand diskurieren, dann ich bemerkte seine Freundlichkeit. So -fragte ich, zu was Ende sie mich einen so weiten, gefährlichen Weg mit -sich nähmen. Er antwortete mir gar bescheiden, der Weg sei nicht weit -und in einer Stunde spaziert, er sei nicht gefährlich, dieweil ich -in seiner Gesellschaft mit dem überreichten Stein hinabführe, daß er -mir aber ungewöhnlich vorkomme, sei nicht zu verwundern. Darauf bat -ich ihn ferner, mir zu berichten, weshalb der gütige Schöpfer so viel -wunderbarliche Seen erschaffen. - -»Du fragst billig um dasjenige, was du nicht verstehst, diese Seen -sind um dreierlei Ursachen willen geschaffen. Erstlich werden durch -sie alle Meere gleichsam wie mit Nägeln an die Erde geheftet, zweitens -werden von uns durch diese Seen die Wasser aus den Tiefen des Ozeans -in alle Quellen der Erde getrieben, wovon Flüsse und Ströme entstehen, -der Erdboden befeuchtiget, die Gewächse erquicket und beides: Mensch -und Vieh getränket werden, drittens, daß wir als vernünftige Kreaturen -Gottes darin leben und Gott loben. Wann wir aber aus einer andern -Ursache unsere Geschäfte unterlassen müssen, so wird die Welt durchs -Feuer untergehen, dann zu dieser Zeit, so alle Wasser verschwinden, -wird die Erde von sich selbst durch die Sonnenhitze entzündet.« - -Da ich ihn also gleichsam die heilige Schrift anziehen hörete, fragte -ich, ob sie sterbliche Kreaturen wären, oder ob sie Geister seien. -Darauf antwortete er, sie seien keine Geister sondern sterbliche -Leutlein und gab mir folgends eine ~Genealogia~ oder Stammtafel aller -Kreatur, indem er mir fürderst von der Erschaffung der Engel erzählete -und den Sturz derer, so aus Hoffart gefallen, folgends wie Gott die -Welt mit allen Kreaturen aus seinem göttlichen Willen hervorgehen -ließe und also auch den irdischen Menschen zu solchem End geschaffen, -daß er Gott loben und sich vermehren sollte, bis sein Geschlecht so -groß sei, die Zahl der gefallenen Engel zu ersetzen. Dann die heilige, -entleibte Seele eines zwar irdischen, doch himmlisch gesinnten Menschen -hat alle guten Eigenschaften des Engels an sich, der entseelte -Leib eines irdischen Menschen aber ist gleich dem andern Aas eines -unvernünftigen Tieres. Kam demnach zum Beschluß auf das Geschlecht der -Sylphen und sagte: »Uns selbsten setzten wir vor das Mittel zwischen -euch und allen lebendigen Kreaturen der Welt. Sintemal obgleich wir -wie ihr vernünftige Seelen haben, so sterben jedoch dieselbige mit -unseren Leibern hinweg, gleichsam als wie die lebhaften Geister der -unvernünftigen Tiere in ihrem Tod verschwinden. Zwar ist uns kundbar, -daß ihr durch den ewigen Sohn Gottes aufs höchste geadelt seid und euch -die ewige Seligkeit wiederum erworben ist, aber ich rede und verstehe -nichts von der Seligkeit, weil wir deren zu genießen nicht fähig -sein. Uns hat der allgütige Schöpfer genugsam in dieser Zeitlichkeit -beseeligt, als mit einer guten, gesunden Vernunft, mit Erkanntnus -seines heiligen Willens, mit gesunden Leibern, langem Leben und einer -edlen Freiheit, mit genugsam Wissenschaft und Kunst und, was das -allermeiste ist, wir sind keiner Sünde, dannenhero auch keiner Strafe, -ja nicht einmal der geringsten Krankheit unterworfen.« - -Ich antwortete, da sie keiner Missetat und auch keiner Strafe -unterworfen, wozu sie dann eines Königs bedörftig, ~item~ wie sie -sich der Freiheit rühmen könnten, wann sie einem König untertan. -Darauf sagte er, sie hätten ihren König nicht, daß er Justiz übe, noch -daß sie ihm dienen sollten, sondern er dirigiere wie der Weisel im -Immenstock ihre Geschäfte. Sie würden ohne Wollust gezeugt und ohne -Schmerzen geboren und also stürben sie auch nicht mit Schmerzen sondern -gleichsam, wie ein Licht verlösche, wann es seine Zeit geleuchtet habe, -also verschwinden auch ihre Leiber samt den Seelen. Gegen ihre Freiheit -aber sei die Freiheit des allergrößten Monarchen unter uns irdischen -Menschen gar nichts, dann sie könnten weder getötet noch zu etwas -Unbeliebigem genötigt werden. Kein Gefängnus könne sie halten, weil sie -Feuer, Wasser, Luft und Erde ohne einzige Mühe und Müdigkeit durchgehen -könnten. - -Darauf sagte ich: »So ist euer Geschlecht von dem Schöpfer weit höher -geadelt und beseeligt als das unsrige.« - -»Ach nein,« antwortete der Fürst, »Ihr sündigt, wann Ihr dies glaubt, -dann Ihr vergesset der ewigen Seligkeit.« - -Ich sagte: »Was haben darum die Verdammten davon?« - -Da fragte er: »Was kann die Güte Gottes davor, wann euer einer sein -Selbst vergisset und sich der Welt schändlichen Wollüsten ergibet, -seinen viehischen Begierden die Zügel schießen lässet und sich dem -unvernünftigen Vieh, ja den höllischen Geistern gleich machet?« - -Ich sagte zu dem Fürstlein, weil ich auf dem Erdboden ohn das mehr -Gelegenheit hätte von dieser ~Materia~ zu hören, als ich mir zu nutz -machte, so wollte ich ihn gebeten haben, mir die Ursache zu erzählen, -warum ein so groß Ungewitter entstehe, wann man Steine in solche Seen -werfe. - -»Weil alle Steine, so hineingeworfen werden, notwendig und natürlicher -Weise in unsere Wohnung fallen und liegen bleiben müßten, so schaffen -wir sie mit einer Ungestüme wieder hinaus, damit der Mutwille der -Menschen abgeschreckt und in Zaum gehalten werden möge. An dieser -einzigen Verrichtung kannst du die Notwendigkeit unseres Geschlechtes -abnehmen, sintemal wann die Steine von uns nicht wieder ausgetragen -würden, so müßten endlich die Gebäude, damit das Meer an die Erde -geheftet und befestiget ist, zerstört und die Gänge, durch die die -Quellen aus dem Abgrund des Meeres auf die Erde geleitet werden, -verstopft bleiben, das dann eine schädliche Konfusion und der ganzen -Welt Untergang mit sich bringen könnte.« - -Ich bedankte mich dieser Kommunikation und fragte, ob es auch möglich -sein könnte, daß er mich wieder durch einen andern als den Mummelsee -nach einem andern Ort der Erde auf die Welt bringen könnte. - -»Freilich, warum das nicht? Wann es nur Gottes Wille ist. Dann auf -solche Weise haben unsere Voreltern vor alten Zeiten etliche Kanaaneer, -die dem Schwert Josuas entronnen und sich aus Desperation in einen -solchen See gesprenget, in Amerikam geführet, maßen deren Nachkömmlinge -noch auf den heutigen Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre -Ureltern anfänglich entsprungen.« - -Als ich nun sahe, daß er über meine Verwunderung erstaunete, gleichsam -als ob seine Erzählung nicht Verwunderns würdig wäre, fragte ich ihn, -ob er dann nicht auch Seltsames und Wunderliches von uns Menschen -gesehen. - -Hierauf sagte er: »Wir wundern uns an euch nichts mehrers, als daß ich -euch, da ihr doch zum ewigen, seligen Leben erschaffen, durch zeitliche -und irdische Wollüste, die doch so wenig ohn Unlust und Schmerzen als -Rosen ohne Dörner sind, dergestalt betören lasset. Ach, möcht unser -Geschlecht an euerer Stelle sein, wir möchten euerer nichtigen und -flüchtigen Zeitlichkeit Probe besser halten als ihr. Dann das Leben, so -ihr habet, ist nicht euer Leben, sondern euer Leben oder Tod wird euch -erst gegeben, wann ihr die Zeitlichkeit verlasset. Dannenhero halten -wir die Welt vor einen Probierstein Gottes, auf welchem der Allmächtige -das Gold des Menschen probieret.« - -Das war das Ende unseres Gesprächs, weil wir uns dem Sitz des Königs -näherten, vor welchen ich ohn Zeremonien oder Verlust einiger Zeit -hingebracht ward. Da hatte ich nun wohl Ursache mich über seine -Majestät zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte Hofhaltung -noch einziges Gepränge, ja aufs Wenigste keinen Kanzler oder geheime -Räte, noch einzigen Dolmetschen oder Trabanten und Leibguarde, sogar -keinen Schalksnarren, noch Koch, Keller, Page oder einzigen Favoriten -oder Tellerlecker sahe, sondern rings um ihn her schwebten die Fürsten -über alle Seen, die sich in der ganzen Welt befinden, jedweder in -derjenigen Landestracht aufziehend, in welches sich sein See vom -~Centro~ der Erde aus erstreckte. Dannenhero sahe ich zugleich die -Ebenbilder der Chineser und Afrikaner, Troglodyten und Novazembler, -Tataren und Mexikaner, Samojeden und Moluccenser, ja auch von denen -so unter den ~Polis arctico~ und ~antarctico~ wohnen, das wohl ein -seltsames Spektakul war; derjenige, so ober den Pilatussee die -Obersicht trug, zog mit einem breiten, ehrbaren Bart und ein paar -Ploderhosen auf, wie ein reputierlicher Schweizer, und derjenige, so -ober den See Camarina die Aufsicht hatte, sahe beides: mit Kleidern und -Geberden einem Sizilianer so ähnlich, daß einer tausend Eide geschworen -hätte, er wäre niemalen aus Sicilia weggekommen. - -Ich bedorfte nicht viel Komplimenten zu machen, dann der König fing -selbst an, gut deutsch mit mir zu reden. - -»Aus was Ursache hast du dich unterfangen, uns gleichsam ganz -mutwilliger Weise so einen Haufen Steine zuzuschicken?« - -»Weil bei uns einem jeden erlaubt ist an einer verschlossenen Tür -anzuklopfen.« - -»Wie wann du aber den Lohn deiner fürwitzigen ~Importunität~ -empfingest?« - -»Ich kann mit keiner größeren Strafe beleget werden, als daß ich -sterbe. Sintemal ich aber seithero so viel Wunder erfahren und gesehen, -wie unter Millionen Menschen keiner das Glück nicht hat, würde mir mein -Tod vor gar keine Strafe zu rechnen sein.« - -»Ach, elende Blindheit! Ihr Menschen könnet nur einmal sterben und ihr -Christen sollet den Tod nicht eher getrost zu überstehen wissen, ihr -wäret dann gegen Gott durch eine unzweifelhafte Hoffnung versichert. -Aber ich habe vor, diesmal weit anderes mit dir zu reden. Es ist mit -bekannt worden, daß ihr Christen euch des jüngsten Tages ehistens -versehet, weilen alles, was auf der Erden lebet, den Lastern so -schröcklich ergeben seie, also daß der allmächtige Gott nicht lange -verziehen werde. Darob entsetzten wir uns nicht wenig, wegen der -Nähe solcher erschröcklichen Zeit. Haben dich derowegen zu uns holen -lassen, um zu vernehmen, was etwan nach etlichen Wahrzeichen, die euer -Heiland für seine Ankunft hiebevor selbsten hinterlassen, vor Sorge -oder Hoffnung sein möchte. Ersuchen dich derowegen ganz holdselig, du -wollest uns bekennen, ob derjenige Glaube noch auf Erden sei, welchen -der Richter bei seiner Ankunft schwerlich mehr finden wird.« - -Ich sagte, das zu beantworten seie mir viel zu hoch. Die Ankunft des -Herrn sei Gott allein bekannt. - -»Nun wohlan, so sage mir, wie sich die Stände der Welt in ihrem Beruf -halten, damit ich daraus der Welt Untergang absehe. Hingegen will ich -dich, wann du mir die Wahrheit bekennst, mit einer solchen Verehrung -abfertigen, deren du dich dem Lebtag wirst zu erfreuen haben.« - -Als ich nun hierauf schwieg und mich bedachte, fuhr der König fort: -»Dran! Dran! Fang am höchsten an und beschließ am niedersten. Es muß -doch sein, wann du anders wieder auf den Erdboden willst.« - -Ich antwortete: »Wann ich am höchsten anfahen soll, so mach ichs billig -bei den Geistlichen, diese seind gemeiniglich alle, sie seien auch -gleich, was vor Religion sie immer wollen, rechtschaffene Verächter -der Ruhe, Vermeider der Wollüste, in ihrem Beruf begierig zur Arbeit, -geduldig gegen Verachtung, demütig bei ihren Verdiensten, hochmütig -gegen die Laster. Und gleichwie sie sich allein befleißen, Gott zu -dienen und andere Menschen mehr durch ihre Exempel als durch Worte -zum Reiche Gottes zu bringen, also haben die weltlichen hohen Häupter -allein ihr Absehen auf die liebe ~Justitia~, welche sie dann ohn -Ansehen der Person einem jedweden, Armen oder Reichen, durch die Bank -hinaus schnurgerad erteilen und widerfahren lassen. Die Kaufleute -handeln nie aus Geiz oder um Gewinns willen, sondern damit sie ihren -Nebenmenschen mit ihrer Ware, die sie zu solchem Ende aus fernen Landen -herbringen, bedient sein können. Die Wirte treiben nicht deswegen -ihre Wirtschaften, reich zu werden, sondern damit sich der Hungrige, -Durstende und Reisende bei ihnen erquicken, und sie die Bewirtung -als ein Werk der Barmherzigkeit an den müden und kraftlosen Menschen -üben können. Also suchet der ~Medicus~ nicht seinen Nutz, sondern die -Gesundheit seines Patienten, wohin dann auch die Apotheker zielen. -Die Handwerker wissen von keinen Vorteln, Lügen und Betrug, sondern -befleißen sich, ihre Kunden mit dauerhafter und rechtschaffener Arbeit -am besten zu versehen. Den Schneidern tut nichts Gestohlenes im Auge -wehe, und die Weber bleiben aus Redlichkeit arm, daß sich auch keine -Mäus bei ihnen ernähren können, denen sie ein Knäul Garn nachwerfen -müßten. Man weiß von keinem Wucher, sondern der Wohlhäbige hilft dem -Dürftigen aus christlicher Liebe ganz ungebeten. Und wann ein Armer -nicht zu bezahlen hat, ohn merklichen Schaden und Abgang seiner -Nahrung, so schenkt ihm der Reiche die Schuld aus freien Stücken. Man -spüret keine Hoffart, dann jeder weiß und bedenkt, daß er sterblich -ist. Man merket keinen Neid, dann es weiß und erkennet je einer den -andern vor ein Ebenbild Gottes, das von seinem Schöpfer geliebt wird. -Keiner erzörnt sich über den andern, weil sie wissen, daß Christus -vor alle gelitten und gestorben. Man höret von keiner Unkeuschheit -oder unordentlichen fleischlichen Begierden, sondern was so vorgehet, -das geschieht aus Begierde und Liebe zur Kinderzucht. Da findet man -keine Trunkenbolde oder Vollsäufer, sondern wann einer den andern mit -einem Trunk ehrt, so lassen sich beide nur mit einem christlichen -Räuschlein begnügen. Da ist keine Trägheit im Gottesdienst, dann -ein jeder erzeiget einen emsigen Fleiß und Eifer, wie er vor allem -andern Gott rechtschaffen dienen möge; und eben deswegen sind jetzund -so schwere Kriege auf Erden, weil je ein Teil vermeinet, der andere -diene Gott nicht recht. Es gibt keine Geizigen mehr, sondern Sparsame, -keine Verschwender, sondern Freigebige, keine Kriegsgurgeln, die Leute -berauben und verderben, sondern Soldaten die das Vaterland beschirmen, -keine mutwilligen, faulen Bettler, sondern Verächter der Reichtümer und -Liebhaber der freiwilligen Armut, keine Korn- und Weinjuden, sondern -vorsichtige Leute, die den überflüssigen Vorrat auf den besorglichen -künftigen Notfall vor das Volk aufheben und zusammenhalten.« - - - - -Das siebente Kapitel - - -Ich pausierte ein wenig und bedachte mich, aber der König sagte, er -hätte bereits so viel gehöret, daß er nicht mehr zu wissen begehrete, -wann ich wollte, so sollten sie mich gleich wieder an den Ort bringen, -von wo sie mich genommen. Wollte ich aber eins oder das andere -beschauen, so sollte ich in seinem Reiche sicher begleitet sein und -alsdann werde ich mit einer Verehrung abgefertigt werden, daß ich -zufrieden sein könnte. Da ich mich aber zu nichts entschließen konnte, -wandte er sich zu etlichen, die eben in den Abgrund des ~Mare del Zur~ -sich begaben. »Nehmt ihn mit und bringet ihn bald wieder, damit er noch -heut auf den Erdboden gestellet werde!« Zu mir sagte er, ich möchte -mich auf einen Wunsch besinnen. - -Durch ein Loch, das etliche hundert Meilen lang war, kamen wir auf den -Grund des friedsamen Meeres ~del Zur~, darauf standen Korallenzinken -so groß wie Eichbäume, von denen sie zur Speise mit sich nahmen, was -noch nicht erhärtet und gefärbet war, dann sie pflegten sie zu essen, -wie wir die jungen Hirschgeweihe. Da sahe ich Schneckenhäuser so groß -als ein Rondell und breit als ein Scheuertor. ~Item~ Perlen so dick -als Fäuste, welche sie anstatt der Eier aßen. Der Boden lag überall -mit Smaragden, Türkis, Rubinen, Diamanten und andern Edelsteinen -überstreut, gemeiniglich so groß wie Bachkiesel. Da sahe man hier und -dort gewaltige Schröffen viel Meilwegs in die Höhe ragen, die vor das -Wasser hinausgingen und lustige Insuln trugen. Sie waren rund herum mit -allerhand wunderbarlichen Meergewächsen gezieret und von mancherlei -seltsamen Kreaturen bewohnet. Die Fische aber, groß und klein, von -unzählbarer Art vagierten über uns im Wasser herum und gemahneten mich -allerdings an so vielerlei Vögel, die sich in Frühlingszeit und im -Herbst bei uns in der Luft erlustieren. - -Als der, in dessen Obhut ich befohlen war, sahe, wie mir alles so -wunderbarlich vorkam und ich darüber erstaunete, daß sie als Peruaner, -Brasilianer, Mexikaner und Insulaner ~de los latrones~ dannoch so gut -deutsch redeten, da sagte er, daß sie nicht mehr als eine Sprache -könnten, die aber alle Völker auf den ganzen Umkreis der Erden in ihrer -Sprache verstünden und sie hingegen wiederum, welches daher komme, -daß ihr Geschlecht mit der Torheit des babylonischen Turmes nichts zu -schaffen hätte. - -Weil sich nun meine Begleitung genugsam verproviantiert hatte, kehrten -wir in das ~Centrum~ der Erde zurück. Auf dem Wege sagte ich, die -Wunder, die ich bisher gesehen, hätten mich so gar aus mir selbst -gebracht, daß ich mich auf nichts bedenken könnte, sie wollten mir -raten, was ich von dem König begehren sollte. Meine Meinung wäre, von -ihm einen Gesundbrunnen auf meinen Hof zu erbitten, wie derjenige wäre, -der neulich von sich selbst in Deutschland entsprungen sei. Mein Führer -antwortete mir, solches würde in seines Königs Macht nicht stehen. -Darauf fragte ich nach Ursach dessen und er antwortete: »Es befinden -sich hin und wieder in der Erde leere Stätten, die sich nach und nach -mit allerhand Metallen ausfüllen, schläget sich zu Zeiten durch die -Spälte aus dem ~Centro~, davon alle Quellen getrieben werden, Wasser -darzu, welches dann um und zwischen den Metallen viel hundert Jahr -sich enthält und der Metallen edle Art und heilsame Eigenschaften an -sich nimmt, und suchet es endlich durch seinen starken Trieb einen -Auslauf, so wird das Heilwasser nach so und soviel hundert Jahren zum -allerersten ausgestoßen und tät alsdann in denen menschlichen Körpern -die wunderbarliche Wirkung, die man an solchen neuen Heilbrunnen -siehet. So es aber in schnellem Lauf durch die Metalle passieret, -vermöchte es keine Tugenden oder Kräfte von den Metallen an sich -nehmen.« Wann ich die Gesundheit, sagte er, so sehr affectiere, so -sollte ich den König ersuchen, daß er mich dem König der Salamander, -mit welchem er in Korrespondenz stünde, in eine Kur empfehle. Derselbe -könne die menschlichen Körper durch einen Edelstein begaben, daß sie -in keinem Feuer verbrennen mögen. Wenn man solche Menschen wie eine -schleimige, alte, stinkende Tabakspfeife mitten in das Feuer setze, da -verzehrten sich dann alle bösen Humores und schädlichen Feuchtigkeiten, -und komme ein Patient wieder so jung, frisch, gesund und neugeschaffen -hervor, als wann er ~Elixir Theophrasti~ eingenommen hätte. - -Ich wußte nicht, ob mich der Kerl foppte oder ob es ihm ernst war, doch -bedankte ich mich der vertraulichen ~Communication~ und sagte, ich -besorge diese Kur sei mir als einem ~Cholerico~ zu hitzig. Mir würde -nichts Lieberes sein, als wann ich meinen Mitmenschen eine heilsame, -rare Quelle mit mir auf den Erdboden bringen könnte, welches ihnen zu -Nutz, dem Könige im ~Centro~ der Erden zur Ehre, mir aber zu einem -unsterblichen Namen und ewigem Gedächtnus gereichen würde. Darauf mußte -ich hören, daß der König im ~Centro~ der Erden der Ehre oder Schande, -so ihm unter den Menschen zugelegt werde, gleichviel achte. - -Mithin kamen wir wiederum vor das Angesicht des Königs, da bemerkte -ich, wie die Sonne einen See nach dem andern beschiene und ihre -Strahlen bis in diese schröckliche Tiefe herunter warf, also daß den -Sylphis niemalen kein Licht mangelte. Man brauchte zum Imbiß weder Wein -noch stark Getränke, aber anstatt dessen tranken sie Perlen, als welche -noch nicht erhärtet waren, aus; die gaben ihnen treffliche Stärke. - -Indessen hatte sich die Zeit genähert, daß ich wieder heim sollte, -derhalben befahl der König, ich sollte meinen Wunsch tun. Da antwortete -ich, es könnte mir keine größere Gnade widerfahren, als wann er mir -einen rechtschaffenen medicinalischen Sauerbrunn auf meinen Hof würde -zukommen lassen. - -»Ist es nur das? Ich hätte vermeint, du würdest etliche große Smaragde -mit dir nehmen. Jetzt sehe ich, daß kein Geiz bei euch Christen ist.« - -Mithin reichte er mir einen Stein von seltsam wechselnden Farben und -sagte: »Diesen stecke zu dir. Wo du ihn auf den Erdboden legen wirst, -daselbst wird er anfahen, das ~Centrum~ wieder zu suchen und die -bequemsten Mineralia durchgehen, bis er wieder zu uns kommt und dir -unsretwegen eine herrliche Sauerbrunnquelle zuschicket, die dir so wohl -bekommen und zuschlagen soll, als du mit Eröffnung der Wahrheit um uns -verdienet hast.« - -Darauf nahm mich der Fürst vom Mummelsee wieder in sein Geleit. Diese -Heimfahrt dünkte mich viel weiter als die Hinfahrt, also daß ich -auf dritthalbtausend wohlgemessener deutscher Meilen rechnete. Auch -redete ich mit meinen Begleitern nichts. Im übrigen war ich in meiner -Phantasie mit meinem Sauerbrunn so reich, daß alle meine Gedanken und -Witz genug zu tun hatten zu beratschlagen, wo ich ihn hinsetzen und -wie ich mir ihn zu Nutz machen wollte. Da hatte ich allbereits meine -Anschläge wegen der ansehnlichen Gebäude, die ich dazusetzen mußte, -damit die Badegäste auch rechtschaffen accomodiert seien und ich ein -großes Losamentgeld aufheben möchte. Ich ersann schon, durch was vor -Schmiralia ich die ~Medicos~ dahinbringen wollte, daß sie meinen neuen -Wundersauerbrunn allen andern, ja gar den Schwalbacher vorziehen und -mir einen Haufen neuer Badegäste zuschaffen sollten. Ich machte schon -ganze Berge eben, damit sich die Ab- und Zufahrenden über keinen -mühsamen Weg beschwereten. Ich dingete schon verschmitzte Hausknechte, -geizige Köchinnen, vorsichtige Bettmägde, wachsame Stallknechte, -saubere Bad- und Brunnenverwalter und sann auch allbereits einen -Platz aus, auf welchem ich mitten im wilden Gebürge, bei meinem Hof -einen schönen, ebenen Lustgarten pflanzen und allerlei rare Gewächse -darin ziehen wollte, damit die fremden Herren Badegäste mit ihren -Frauen darin spazieren, sich die Kranken erfrischen, die Gesunden mit -allerhand kurzweiligen Spielen ergötzen und errammlen können. Da mußten -mir die ~Medici~, doch um die Gebühr, einen herrliche Tractat von -meinem Brunn und dessen köstliche Qualität zu Papier bringen, welchen -ich alsdann neben einem schönen Kupferstich, darin mein Baurenhof im -Grundriß entworfen, wohl drucken lassen konnte, aus welchem ein jeder -abwesende Kranke sich gleichsam halb gesund lesen und hoffen möchte. -Ich ließ bereits meinen Sohn von L. holen, doch dorfte er mir kein -Bader werden, dann ich hatte mir vorgenommen, meinen Gästen obzwar -nicht den Rücken, so doch aber ihren Beutel tapfer zu schröpfen. - -Mit solchen reichen Gedanken und überseligem Phantasiehandel erreichte -ich wiederum die Luft, maßen mich mein Prinz allerdings mit trockenen -Kleidern aus seinem Mummelsee ans Land satzte. Doch mußte ich das -Kleinod, so er mir anfänglich gegeben, stacks von mir tun, dann ich -hätte sonst in der Luft ersaufen oder Atem zu holen den Kopf wieder in -das Wasser stecken müssen. Da er den Stein wieder zu sich genommen, -beschirmten wir einander als Leute, die einander nimmer wieder zu sehen -würden bekommen. Er duckte sich und fuhr wieder mit den seinigen in den -Abgrund. Ich aber ging mit meinem Quellenstein voll Freuden davon. - -Aber ach, meine Freude währete nicht lang! Indem ich noch immerfort -Kalender machte, wie ich den köstlichen Wunderbrunn auf meinen Hof -setzen und mir darbei einen geruhigen Herrenhandel schaffen möchte, -stund ich, eh ich meiner Verirrung gewahr ward, mitten in einer Wildnus -wie Matz von Dresden beides: ohne Speis und Gewehr, dessen ich gegen -die bevorstehende Nacht wohl bedörftig gewesen wäre. Geduld, Geduld, -dein Stein wird dich aller überstandenen Not wiederum ergetzen! Gut -Ding will Weile haben! Vortreffliche Sachen werden ohne große Mühe -und Arbeit nicht erworben, sonst würde jeder Narr ohn Schnaufens und -Bartwischens einen solchen edlen Sauerbrunn zuwege bringen. - -Ich trat tapferer auf die Sohlen. Der Vollmond leuchtete mir zwar fein, -aber die hohen Tannen ließen mir sein Licht nicht so wohl gedeihen, -doch kam ich soweit fort, bis ich um Mitternacht von weitem ein Feuer -gewahr ward. Etliche Waldbauren saßen darbei, die mit Harz zu tun -hatten. - -Wiewohl nun solchen Gesellen nicht allezeit zu trauen, so zwang mich -doch die Not zu ihnen. Ich hinterschlich sie unversehens und sagte: -»Guten Abend, ihr Herrn!« - -Da stunden und saßen sie alle sechse vor Schröcken zitternd. Dann weil -ich einer von den Längsten bin, noch schwarze Trauerkleider anhatte, -zumalen einen schröcklichen Prügel in den Händen trug, auf welchem ich -mich wie ein wilder Mann steurete, kam ihnen meine Gestalt entsetzlich -vor. Endlich erholete sich einer. - -»Wer ischt dann der Hair?« - -Da hörete ich, daß er schwäbischer Nation sein müßte, die man zwar -(aber vergeblich) vor einfältig schätzet, sagte derowegen, ich sei ein -fahrender Schüler, der jetzo erst aus dem Venusberg komme. - -»Oho,« antwortete einer, »jetzt glaube ich, Gottlob, daß ich den -Frieden wieder erleben werde, weil die fahrenden Schüler wieder -anfangen zu reisen.« - - - - -Das achte Kapitel - - -Also kamen wir ins Gespräch und ich genoß so vieler Höflichkeit von -ihnen, daß sie mich hießen zu Feuer niedersitzen und mir ein Stück -schwarz Brot und magern Kühkäs anboten, welches ich gern annahm. -Endlich wurden sie so verträulich, daß sie mir zumuteten, ich sollte -ihnen als fahrender Schüler gute Wahrheit sagen. Da fing ich an einem -nach dem andern auf seine Hand hin aufzuschneiden, was ich meinete, -daß es ihnen wohl gelegen sei. Sie begehreten weiterhin allerhand -fürwitzige Künste von mir zu lernen, ich aber vertröstete sie auf den -künftigen Tag, und begehrete, daß sie mich ein wenig ruhen wollten -lassen. Legte mich also beiseits, mehr zu horchen als zu schlafen. Je -mehr ich nun schnarchte, je wachsamer sie sich erzeigeten. Sie stießen -die Köpfe zusammen und fingen an zu beraten, wer ich sein möchte. Vor -keinen Soldaten wollten sie mich halten, weil ich ein schwarz Kleid -antrug, und vor keinen Bürgerskerl konnten sie mich schätzen, weil ich -zu einer solchen ungewöhnlichen Zeit so fern von den Leuten in das -Mückenloch (so heißet der Wald) angestochen käme. Zuletzt beschlossen -sie, ich müßte dannoch ein lateinischer Handwerksgeselle sein, der -verirrt wäre, oder ein fahrender Schüler, weil ich so trefflich -wahrsagen konnte. - -»Ja,« fing einer an, »er hat darum doch nicht alles gewußt. Etwan ist -er ein loser Krieger und hat sich so verkleidet, unser Viehe und die -Schliche im Wald auszukunden. Ach, daß wir es wüßten, wir wollten ihn -schlafen legen, daß er das Aufstehen vergessen sollte!« - -Indessen lag ich dort und spitzte die Ohren. Ich gedachte: werden mich -diese Knollfinken angreifen, so muß mir zuvor einer oder drei ins Gras -beißen. - -Demnach nun diese ratschlagten und ich mich mit Sorgen ängstigte, -ward mir gähling, als ob ein Bettnässer bei mir läge, dann ich lag -unversehens ganz naß. ~O mirum!~ Da war Troja verloren! Alle meine -trefflichen Anschläge waren dahin, dann ich merkte am Geruch, daß es -mein Sauerbrunn war. Da geriet ich vor Zorn und Unwillen in eine solche -Raserei, daß ich mich beinahe mit den sechs Bauren eingelassen und -herumgeschlagen hätte. - -»Ihr gottlosen Flegel! An diesem Sauerbrunn, der auf meiner Lagerstätte -hervorquillet, könnet ihr merken, wer ich sei! Es wäre kein Wunder, ich -strafe Euch alle, daß euch der Teufel holen möchte, weil ihr so böse -Gedanken traget.« - -Machte darauf so bedrohliche und erschröckliche Mienen, daß sie sich -alle vor mir entsatzten. Doch kam ich wieder zu mir selber und dachte, -besser den Sauerbrunn als das Leben verloren, gab ihnen derhalben gute -Worte und sagte: »Stehet auf und versuchet den herrlichen Sauerbrunn, -den ihr und alle Harz- und Holzmacher hinfort in dieser Wildnus -meinetwegen zu genießen haben werdet.« - -Sie sahen einander an wie lebendige Stockfische, bis sie merkten, daß -ich fein nüchtern aus meinem Hut den ersten Trunk tät. Da stunden sie -nacheinander vom Feuer auf, besahen das Wunder, versuchten das Wasser -und begannen zu lästern: Sie wollten, daß ich mit meinem Sauerbrunn an -einen andern Ort geraten wäre, dann sollte ihre Herrschaft dessen inne -werden, so müßte das ganze Amt Dornstädt fröhnen und Wege darzu machen. - -»Dahingegen«, sagte ich, »habet ihr dessen alle zu genießen. Eure -Hühner, Eier, Butter, Viehe und alles könnet ihr besser ans Geld -bringen.« - -»Nein, nein,« riefen sie, »nein! Die Herrschaft setzt einen Wirt hin, -der wird allein reich und wir müssen seine Narren sein, ihm Wege und -Stege erhalten und werden keinen Dank darzu haben!« - -Zuletzt entzweiten sie sich, zween wollten den Sauerbrunn behalten, -vier muteten mir zu, ich sollte ihn wieder abschaffen. Weil aber -nunmehr Tag vorhanden war und ich nichts mehr da zu tun hatte, sagte -ich, wann sie nicht wollten, daß alle Kühe im ganzen bayersbrunner Tal -rote Milch geben sollten, solang der Brunn liefe, so sollten sie mir -alsobald den Weg in Seebach weisen. Sie gaben mir zwei mit, maßen sich -einer allein bei mir forchtete. - -Also schied ich von dannen und obzwar dieselbe ganze Gegend unfruchtbar -war und nichts als Tannzapfen trug, so hätte ich sie doch noch elender -verfluchen mögen, weil ich alle meine Hoffnung daselbst verloren. -- -Nach vieler Mühe und Arbeit kam ich gegen Abend wieder heim auf meinen -Baurenhof und sahe, daß mein Knän mir wahrgesagt hatte: nichts als müde -Beine und den Hergang vor den Hingang würde ich von dieser Wallfahrt -haben. - -Nach meiner Heimkunft hielt ich mich gar eingezogen, meine größte -Freude und Ergötzung war, hinter den Büchern zu sitzen, deren ich mir -dann viel beischaffte, so von allerhand Sachen handelten, sonderlich -die eines großen Nachsinnens bedörfen. Aber ~Grammaticam~ und -~Arithmeticam~, ~Mathematicam~ und ~Geometriam~ auch ~Astronomiam~ -warf ich bald von mir, teils sie mir gar bald erleidet und ich ihrer -überdrüssig ward, teils sie mich zwar trefflich erlustigten aber mir -endlich auch falsch und ungewiß vorkamen, also, daß ich mich auch nicht -länger mit ihnen schleppen mochte. Bei der Lullischen Kunst befand ich -viel Geschrei und wenig Wolle. Ich machte mich hinter die ~Kabbala~ der -Hebräer und ~Hieroglyphicas~ der Egypter, fand aber als Allerletztes -von allen meinen Künsten und Wissenschaften, daß keine bessere sei als -~Theologia~. - -Nach derselben Richtschnure erfand ich vor die Menschen eine Art -zu leben, die mehr englisch als menschlich sein könnte. Es sollte -sich meines Davorhaltens eine Gesellschaft zusammen tun beides: -von verehelichten als ledigen so Manns- als Weibspersonen, die -auf Manier der Wiedertäufer allein sich beflissen, unter einem -verständigen Vorsteher durch ihrer Hände Arbeit ihren Unterhalt zu -gewinnen und sich die übrige Zeit mit dem Lob und Dienst Gottes und -um ihrer Seelen Seligkeit zu bemühen. Ich hatte hiebevor in Ungarn -auf den wiedertäuferischen Höfen ein solches Leben gesehen und vor -das seligste in der ganzen Welt geschätzet, dann sie kamen mir in -ihrem Tun und Leben allerdings für wie die jüdischen Essäer. Sie -hatten erstlich große Schätze und überflüssige Nahrung, die sie aber -keineswegs verschwendeten. Kein Fluch, Murmelung, noch Ungeduld ward -bei ihnen gespüret, ja, man hörete kein unnützes Wort. Da sahe ich -Handwerker in ihren Werkstätten arbeiten, als wann sie es verdingt -hätten. Ihr Schulmeister unterrichtete die Jugend, als wann sie alle -seine leiblichen Kinder gewesen wären. Nirgends sahe ich Manns- und -Weibsbilder untereinander vermischt, sondern an jedem bestimmten Ort -auch jedes Geschlecht absonderlich seine obliegend Arbeit verrichten. -Ich fand Zimmer, in welchen nur Kindbetterinnen waren, die ohne -Obsorge ihrer Männer durch ihre Mitschwestern mit aller notwendigen -Pflege samt ihren Kindern reichlich versehen wurden. Andere sonderbare -Säle standen voll Wiegen mit Säuglingen, die von andern Weibern, das -waren Witwen, beobachtet wurden, daß sich deren Mütter ferners nicht -um sie bekümmern durften, als wann sie täglich zu dreien gewissen -Zeiten kamen, ihnen ihre mildreichen Brüste zu bieten. Anderswo sahe -ich das weibliche Geschlecht sonst nichts tun als spinnen, also daß man -über die hundert Kunkeln oder Spinnrocken in einem Zimmer beieinander -antraf. Da war eine die Wäscherin, die andere die Bettmacherin, die -dritte Viehmagd, die vierte Schüsselwäscherin, die fünfte Kellerin, die -sechste hatte das weiße Zeug zu verwalten und also auch die übrigen -alle wußten eine jede, was sie tun sollten. Und gleichwie die Ämter -unter dem weiblichen Geschlecht ordentlich ausgeteilet waren, also -wußte auch unter den Männern und Jünglingen ein jeder sein Geschäft. -Die Kranken hatten Wärter und Wärterin und stund ihnen ein allgemeiner -~Medicus~ und Apotheker bei, wiewohl sie wegen löblicher Diät und -guter Ordnung selten erkrankten. Sie hatten ihre gewissen Stunden -zum Essen und Schlafen, aber keine einzige Minute zum Spielen noch -Spazieren, außerhalb die Jugend, welche mit ihrem Präceptor jedesmal -nach dem Essen der Gesundheit halber eine Stunde spazierte. Da war kein -Zorn, kein Eifer, keine Rachgier, kein Neid, keine Feindschaft, keine -Sorge um Zeitliches, keine Hoffart, keine Reue. Kein Mann sahe sein -Weib, als wann er auf die bestimmte Zeit sich mit derselben in seiner -Schlafkammer befand, in welcher er sein zugerichtetes Bette und sonst -nichts darbei als einen Wasserkrug und weißen Handzwilch fand, damit -sie mit gewaschenen Händen schlafen gehen und des Morgens an die Arbeit -aufstehen möchten. Und alle hießen einander Schwester und Bruder, und -war doch solche ehrbare Verträulichkeit keine Ursache unkeusch zu sein. -Ein solches seliges Leben, wie diese Wiedertäuferischen Ketzer führten, -hätte ich gern auch aufgebracht. Und hätte als ein anderer ~Dominicus~ -oder ~Franciscus~ einer solchen vereinigten Christengesellschaft -meinen Hof und ganzes Vermögen zum besten gegeben, unter denselben ein -Mitglied zu sein. Aber mein Knän profezeite mir stracks, daß ich wohl -nimmermehr solche Bursche zusammenbringen würde. - - - - -Das neunte Kapitel - - -Denselbigen Herbst näherten sich französische, schwedische und -hessische Völker, sich bei uns zu erfrischen, deswegen dann jedermann -sich selbst samt seinem Viehe und besten Sachen in die hohen Wälder -flüchtete. Ich machte es wie meine Nachbarn und ließ das Haus ziemlich -leer stehen, in welches ein reformierter schwedischer Obrister logieret -ward. Derselbige fand in meinem Kabinett noch etliche Bücher, dann -ich in der Eil nicht alles hinwegbringen konnte, und unter andern -einzige mathematische und geometrische Abrisse, auch etwas vom -Fortifikationswesen. Er schloß deshalben, daß sein Quartier keinem -gemeinen Bauren zuständig sein müßte, fing derowegen an, sich um meine -Person zu erkundigen und ihr nach zu trachten, maßen er selbsten durch -courtoise Zuentbietungen und untermischte Drohworte mich dahin brachte, -daß ich mich zu ihm auf meinem Hof begab. Mit großer Freundlichkeit -brachte er zu Wege, daß ich ihm mein Geschlecht und Herkommen und alle -meine Beschaffenheit vertraute. Er verwunderte sich, daß ich mitten im -Kriege meine Gaben, die mir Gott verliehen, hinter dem Ofen und beim -Pflug verschimmeln lasse. Wenn ich schwedische Dienste annehmen würde, -so wüßte er, daß mich meine Qualitäten und Kriegswissenschaften bald -hoch bringen würden. Ich ließ mich hiezu kaltsinnig an. Aber er drang -weiter in mich, maßen ihm von Torstensohn ein Regiment versprochen -sei, wann er ein solches erhalten würde, woran er dann gar nicht -zweifle, so wolle er mich alsbald zu seinem Obrist-Leutnant machen. Mit -dergleichen Worten machte er mir das Maul ganz wässerig und weilen -noch schlechte Hoffnung auf den Frieden war und ich deswegen sowohl -fernerer Einquartierung als gänzlichen Ruins unterworfen, resolvierete -ich mich wieder um mitzumachen, sofern er mir seine Parola halten und -die Obrist-Leutnantstelle geben wollte. - -Also ward die Glocke gegossen, ich ließ meinen Knän holen, derselbe -war noch mit meinem Viehe zu Bayrischbrunn, verschrieb ihm meinen Hof -vor Eigentum, doch daß ihn nach seinem Tod der Magdsohn erben sollte, -weil kein ehelicher Erbe vorhanden. Folgends holete ich mein Pferd und -was ich noch an Geld und Kleinodien hatte. Da ward die Einquartierung -plötzlich aufgehoben und wir mußten, ehe wir uns dessen versahen zur -Hauptarmee marschieren. - -Die torstensohnischen Promessen, mit denen sich der Obrist auf meinem -Hof breit gemachet, waren bei weitem nicht so groß, als er vorgeben, er -ward vielmehr nur über die Achsel angesehen. Und demnach er argwöhnete, -daß ich mich bei ihm in die Länge nicht gedulden würde, dichtete er -Briefe, als wenn er in Livland, allwo er zu Haus war, ein frisch -Regiment zu werben hätte, und überredete mich, daß ich gleich ihm zu -Wismar aufsaß und mit nach Livland fuhr. Allein er hatte kein Regiment -zu werben und war auch sonsten ein blutarmer Edelmann. - -Obzwar nun ich mich hatte zweimal betrügen und so weit hinweg -führen lassen, so ging ich doch auch das dritte Mal an, dann er -wiese mir Schreiben vor, die er aus Moskau bekommen, in welchen ihm -hohe Kriegschargen angetragen wurden. Und weil er gleich mit Weib -und Kindern aufbrach, dachte ich, er wird ja um der Gänse willen -nicht hinziehen. -- An der reußischen Grenze begegneten uns aber -unterschiedliche abgedankte deutsche Soldaten, vornehmlich Offizierer, -also daß mir anfing zu graueln. - -»Was Teufels machen wir! Wo Krieg ist ziehen wir hinweg, und wo es -Friede und die Soldaten abgedankt werden, da kommen wir hin?« - -Er gab mir immer gute Worte, ich sollte ihn nur sorgen lassen, er wüßte -besser, was zu tun sei. - -Nachdem wir nun sicher in der Stadt Moskau angekommen, konferierte mein -Obrist täglich mit den Magnaten und vielmehr noch mit dem Metropoliten. -Endlich gab er mir bekannt, daß es nichts mehr mit dem Krieg wäre, und -daß ihn sein Gewissen treibe, die griechische Religion anzunehmen. Sein -treuherziger Rat wäre, weil er mir ohndas nunmehr nicht helfen könnte, -wie er versprochen, ich sollte ihm nachfolgen. Des Zaren Majestät hätte -bereits gute Nachricht von meiner Person und vortrefflichen Qualitäten, -die würden gnädigst belieben, sofern ich mich fügen wollte, mich als -einen Kavalier mit einem stattlichen Gut und vielen Untertanen zu -begnadigen. - -Ich ward hierüber ganz bestürzt, deswegen ich dann, eh ich mich auf -eine Antwort resolvieren konnte, lange stillschwieg. Endlich brachte -ich vor, ich wäre gekommen ihrer zarischen Majestät als ein Soldat zu -dienen, seien nun dieselbe meiner Kriegsdienste nicht bedörftig, so -könnte ich nichts ändern, daß aber dieselbe mir eine so hohe zarische -Gnade allergnädigst widerfahren zu lassen geruhten, wäre mir mehr -Pflicht zu rühmen, als solche alleruntertänigst zu acceptieren, weil -ich mich meine Religion zu ändern noch zurzeit nicht entschließen -könnte, wünschete vielmehr, daß ich wiederum im Schwarzwald auf meinem -Baurenhof säße. - -Hierauf antwortete er: »Der Herr tue nach seinem Belieben, allein -ich hätte vermeinet, wann Ihn Gott und das Glück grüßeten, so sollte -Er beiden billig danken. Wann Er sich ja nicht helfen lassen und Er -gleichsam wie ein Prinz leben will, so verhoffe ich gleichwohl, Er -werde davor halten, ich habe an Ihm das Meinige nach äußersten Vermögen -zu tun keinen Fleiß gesparet.« - -Daraufhin machte er einen tiefen Bückling, ging seines Wegs und ließ -mich dort sitzen, ohn daß er zulassen wollte, ihm nur bis zur Tür das -Geleite zu geben. - -Als ich nun ganz perplex dasaß und meinen damaligen Zustand -betrachtete, hörete ich zween reußische Wägen vor unserm Losament. -Sahe darauf zum Fenster hinaus und wie mein guter Herr Obrister mit -seinen Söhnen in dem einen und die Frau Obristin mit ihren Töchtern in -den andern einstieg. Es waren großfürstliche Fuhren und Livrei zumalen -etliche Geistliche dabei, so diesem Ehevolk gleichsam aufwarteten und -allen guten, geneigten Willen erzeugeten. - - - - -Das zehent Kapitel - - -Von dieser Zeit an ward ich zwar nicht offentlich, sondern heimlich -durch etliche Strelitzen verwachet und mein Obrister oder die Seinigen -kamen mir nicht ein Mal mehr zu Gesicht. Damals satzte es seltsame -Grillen und viele graue Haare auf meinem Kopf. Ich machte Kundschaft -mit den Deutschen, die sich von Kauf- und Handwerksleuten in Moskau -~ordinari~ aufhalten, und klagte ihnen mein Anliegen. Sie gaben -mir Trost und Anleitung, wie ich wieder mit guter Gelegenheit nach -Deutschland kommen könne. Sobald sie aber Wind bekamen, daß der Zar -mich im Land zu behalten entschlossen sei und mich dazu drängen wollte, -wurden sie alle zu Stummen an mir, ja sie entäußerten sich meiner und -es ward mir schwer, auch nur vor meinen Leib Herberge zu bekommen; -Pferd und Sattelzeug war bereits verzehret. Als ich dann alle Dukaten -aus meinen Kleidern getrennt, fing ich an, meine Ringe und Kleinodien -zu versilbern. Indessen lief ein Vierteljahr herum, nach welchem -oftgemeldter Obrister samt seinem Hausgesind umgetauft und mit einem -ansehnlichen Gut und vielen Untertanen versehen ward. - -Damals ging ein Mandat aus, daß man wie unter den Einheimischen so -auch unter den Fremden keine Müßiggänger bei hoher unausbleiblicher -Strafe leiden sollte, als die den Arbeitenden nur das Brot vor dem -Maul wegfressen. Was von Fremdem nicht arbeiten wollte, das sollte in -einem Monat das Land verlassen. Also schlugen sich unserer bei fünfzig -zusammen, der Meinung den Weg nach Deutschland miteinander zu machen. -Wir wurden aber nicht zwei Stunden weit von der Stadt von reußischen -Reutern eingeholet mit Vorwand, daß ihre zarische Majestät ein groß -Mißfallen hätte, daß wir uns frevelhafter Weise unterstanden, in so -starker Anzahl zusammen zu rotten und ohn Paß dero Land durchzögen. Auf -unserm Rückwege erfuhr ich, wie mein Handel beschaffen war, dann der -Führer sagte mir ausdrücklich, daß die zarische Majestät mich nicht aus -dem Land lassen würden, sein treuherziger Rat wäre, ich sollte mich in -dero allergnädigsten Willen fügen, zu ihrer Religion übertreten, sonst -ich wider Willen als ein Knecht dienen müßte. Einen so wohlerfahrenen -Mann wolle ihre zarische Majestät nicht aus dem Lande lassen. - -Ich verringerte mich bescheidentlich ob meiner Tugend und -Wissenschaften mit Versicherung, daß ich an meinem äußersten Vermögen -nichts verwinden lassen würde, sofern ich in einzigerlei Wege ihrer -zarischen Majestät ohn Beschwerung meines Gewissens und ohne meine -Religion zu ändern, dienen könnte. - -Ich ward von den andern abgesondert und zu einem Kaufherrn logiert, -allwo ich nunmehr offentlich verwachet, hingegen aber täglich mit -herrlichen Speisen und köstlichem Getränk vom Hof aus versehen wurde. -Hatte auch täglich Leute, die mir zusprachen und mich hin und wieder -zu Gast luden, sonderlich einer. Dieser diskurierte mehrenteils mit -mir von allerhand mechanischen Künsten, ~item~ Kriegs- und anderen -Maschinen, vom Fortifikationswesen und der Artollerei mit freundlichen -Gesprächen, dann ich konnte schon ziemlich reußisch reden. Als er -unterschiedliche Mal auf den Busch geklopft und keine Hoffnung fassen -konnte, daß ich mich im geringsten ändern würde, so bat er mich, ich -sollte doch dem großen Zar zu Ehren ihrer Nation etwas von meinen -Wissenschaften mitteilen, ihr Zar würde meine Willfährigkeit mit hohen -kaiserlichen Gnaden erkennen. Darauf antwortete ich, meine ~Affection~ -wäre jederzeit dahin gestanden. - -Als er nun solche Offerten verstund, sagte er, daß ihre zarische -Majestät allergnädigst bedacht wären, in dero Landen selber Salpeter -zu graben und Pulver zurichten zu lassen, weil aber niemand unter -ihnen wäre, der damit umgehen könnte, würde ich der zarischen Majestät -einen angenehmen Dienst erweisen, wann ich mich des Werks unterfinge, -sie würden mir hierzu Leute und Mittel genug an die Hand schaffen. -Er vor seine Person wolle mich aufs aufrichtigste gebeten haben, ich -sollte solches allergnädigstes Ansinnen nicht abschlagen, dieweilen -sie bereits genugsam Nachricht hätten, daß ich mich auf diese Sachen -trefflich wohl verstünde. Darauf sagte ich mit courtoisen Worten zu, -soferne ihre zarische Majestät gnädigst geruhten, mich in meiner -Religion passieren zu lassen. So ward dieser Reuße trefflich lustig, -also daß er mir mit dem Trunk mehr zusprach als ein Deutscher. - -Am andern Tag kamen vom Zar zween Knesen und ein Dolmetsch, die -ein endlichs mit mir beschlossen und von wegen des Zaren mir ein -köstlich reußisch Kleid verehreten. Also fing ich gleich etliche -Tage hernach an, Salpetererde zu suchen und meinen Leuten zu lernen, -wie sie dieselbe von der Erde separieren und läutern sollten. Mithin -verfertigte ich die Abrisse zu einer Pulvermühle und lehrete andere -die Kohlen brennen, daß wir also in ganz kurzer Zeit sowohl des -besten Pirsch- als des groben Stückpulvers eine ziemliche Quantität -verfertigten, dann ich hatte Leute genug und darneben auch meine -sonderbaren Diener, die mir aufwarteten, oder besser zu sagen, die -mich hüten und verwahren sollten. - -Ich war einsmals geschäftig auf den Pulvermühlen, die ich hatte -außerhalb Moskaus an den Fluß bauen lassen, da ward unversehens Alarm, -weilen sich die Tataren bereits vier Meilen weit auf hunderttausend -Pferde stark befanden, das Land plünderten und also immerhin -fortavancierten. Wir mußten uns an Hof begeben, allwo wir aus des -Zars Rüstkammer und Marstall montiert wurden. Ich zwar ward anstatt -des Kürasses mit einem gesteppten seidenen Panzer angetan, welcher -jeden Pfeil aufhielt, aber vor keiner Kugel schußfrei sein konnte; -Stiefeln, Sporen, und eine fürstliche Hauptzier mit einem Reiherbusch, -samt einem Säbel, der Haar schur, mit lauter Gold beschlagen und -Edelsteinen versetzt, wurden mir dargegeben. Von des Zaren Pferden ward -mir ein solches unterzogen, dergleichen ich zuvor mein Lebtag keines -gesehen, geschweige geritten. Ich und das Pferdzeug glänzten von Gold, -Silber, Edelsteinen und Perlen. Ich hatte eine stählerne Streitkolbe -angehangen. Mir folgte eine weiße Fahne mit einem doppelten Adler, -welcher von allen Orten und Winkeln gleichsam Volk zuschneiete, also -daß wir eh zwei Stunden verzogen bei vierzig und nach vier Stunden bei -sechzigtausend Pferde stark waren. - -Es ist meiner Histori an diesem Treffen nicht viel gelegen, ich will -allein dies sagen, daß wir die Tataren, so mit müden Pferden und vielen -Beuten beladen anzogen, urplötzlich in einem ziemlich tiefen Gelände -antrafen, als sie sich dessen am allerwenigsten versahen. Im ersten -Angriff sagte ich zu meinen Nachfolgern in reußischer Sprache: »Nun -wohlan, es tue jeder wie ich!« - -Solches schrieen sie einander zu. Dem ersten, welcher ein ~Mirsa~ war, -schlug ich den Kopf entzwei. Die Reußen folgten meinem heroischen -Exempel, so daß die Tataren sich in allgemeine Flucht wandten. Ich tät -wie ein Rasender oder wie einer, der aus Desperation den Tod sucht und -nicht finden kann. Was mir vorkam, schlug ich nieder, es wäre gleich -Tatar oder Reuße gewesen. Und die, so vom Zar auf mich bestellet waren, -drangen mir so fleißig nach, daß ich allezeit einen sichern Rücken -behielt. Die Luft flog voller Pfeile, als wann Immen geschwärmt hätten, -wovon mir dann einer in Arm zu teil wird. Eh ich den Pfeil auffing, -lachte mein Herz in meinem Leib an solcher Blutvergießung, da ich aber -meine eigen Blut fließen sahe, verkehrete sich das Lachen in unsinnige -Wut. Demnach sich aber diese grimmigen Feinde in eine hauptsächliche -Flucht wandten, ward mir von etlichen Knesen im Namen des Zaren -befohlen, ihrem Kaiser die Botschaft zu bringen, ich hatte hundert -Pferde zur Nachfolge. Da ritt ich durch die Stadt der zarischen Wohnung -zu und ward von allen Menschen mit Frohlocken und Glückwünschung -empfangen. Sobald ich aber von dem Treffen Bericht erstattet, mußte ich -meine festlichen Kleider wieder ablegen, welche wiederum in des Zaren -Kleiderbehaltnus aufgehoben wurden, wiewohl sie samt dem Pferdgezeug -über und über mit Blut besprengt und besudelt waren und also fast gar -zunicht gemachet waren. Sie sollten mir zum wenigsten samt dem Pferd -als Ehrengabe überlassen worden sein. - -Solang meine Wunde zu heilen hatte, ward ich allerdings fürstlich -traktieret. Ich ging in einem Schlafpelz von göldenem Stück mit Zobel -gefüttert, wiewohl der Schade weder tötlich noch gefährlich war, und -ich habe die Tage meines Lebens niemals keiner solchen fetten Küchen -genossen als eben damals. Solches aber war alle meine Beute, die ich -von meiner Arbeit hatte, ohn das Lob, so mir der Zar verliehe. - -Als ich gänzlich heil war, ward ich mit einem Schiff die Wolga hinunter -nach Astrachan geschickt, daselbsten wie in Moskau eine Pulvermacherei -anzuordnen, weil dem Zar unmöglich war, diese Grenzfestungen allezeit -von Moskau aus mit frischem und gerechtem Pulver zu versehen. Ich ließ -mich gern gebrauchen, weil ich Promessen hatte, der Zar würde mich nach -Verrichtung solchen Geschäftes wiederum in Holland fertigen und mir, -meinen Verdiensten gemäß, ein namhaftes Stück Geld mitgeben. - -Als ich aber im besten Tun war und mich außerhalb der Festung über -Nacht in einer Pulvermühle befand, ward ich von einer Schar Tataren -diebischenweise gestohlen und aufgehoben, weit ins Land hinein -verschleppt und endlich um etliche chinesisch Kaufmannswaren den -niuchischen Tataren vertauscht, welche mich nachher dem König von -Korea als ein sonderbares Präsent verehreten. Daselbst ward ich wert -gehalten, und weil ich dem König lehrete, wie er mit dem Rohr, auf -der Achsel liegend und mit dem Rücken gegen die Scheibe gekehrt, -dannoch ins Schwarze treffen könnte, schenkte er mir die Freiheit und -fertigte mich durch ~Japonia~ nach ~Makao~ zu den Portugesen. Etlich -Kaufleute nahmen mich mit ihren Waren nach Alexandria in Egypten, und -von dort kam ich nach Konstantinopel. Weil aber der türkische Kaiser -eben damalen etliche Galeeren wider die Venediger ausrüstete, mußten -viel türkische Kaufleute ihre christlichen Sklaven um bare Bezahlung -hergeben, worunter ich mich dann als ein junger, starker Kerl auch -befand. Also mußte ich lernen rudern. Aber solche schwere Dienstbarkeit -währete nicht über zween Monat, dann unsere Galeere ward in ~Levante~ -von denen Venetianern ritterlich übermannet und ich aus der türkischen -Gewalt erlediget. - -Ich bekam leichtlich einen Paß, weil ich nach Rom und Loretto -pilgerweis wollte, um Gott vor meine Erledigung zu danken. - -Von dannen kam ich über den Gotthart durchs Schweizerland wieder auf -den Schwarzwald zu meinem Knän, welcher meinen Hof treu bewahret. Ich -brachte nichts besonders heim als einen Bart, der mir in der Fremde -gewachsen war. - -Indessen war der deutsche Friede geschlossen worden, also daß ich bei -meinem Knän in sicherer Ruh leben konnte. Ich ließ ihn sorgen und -hausen und satzte mich hinter die Bücher, welches dann beides: meine -Arbeit und Ergetzung war. - - - - -Das elfte Kapitel - - -Ich lase einsmals, was das Orakel den römischen Abgesandten, als sie es -fragten, was sie tun müßten, damit ihre Untertanen friedlich regiert -würden, zur Antwort gabe: »~Nosce te ipsum~«, das ist: Es soll sich -jeder selbst erkennen. Solches machte, daß ich mich hintersann und -Rechnung über mein geführtes Leben begehrete. Da sagte ich alsdann zu -mir selbst: - -Dein Leben ist kein Leben gewesen sondern ein Tod, deine Tage ein -schwerer Schatten, deine Jahre ein schwerer Traum, deine Wollüste -schwere Sünden, deine Jugend eine Phantasei, deine Wohlfahrt ein -Alchimistenschatz, der zum Schornstein hinausfähret und dich verläßt, -eh du dich dessen versiehst. Du hast im Krieg viel Glück und Unglück -eingenommen, bist bald hoch, bald nieder, bald groß, bald klein, bald -reich, bald arm, bald fröhlich, bald betrübt, beliebt und verhaßt, -geehrt und veracht gewesen -- aber nun du, meine arme Seele, was hast -du von dieser ganzen Reise zuwege gebracht? - -Arm bin ich an Gut, mein Herz ist beschwert mit Sorgen, zu allem -Guten bin ich faul, träg und verderbt. Mein Gewissen ist ängstlich -und beladen, ich bin mit Sünden überhäuft und abscheulich besudelt. -Der Leib ist müde, der Verstand verwirrt, die Unschuld ist hin, meine -beste Jugend verschlissen, die edle Zeit verloren. Nichts ist, das mich -erfreuet, ich bin mir selber feind. - -Mit solchen Gedanken quälte ich mich täglich und eben damals kamen mir -etliche Schriften des Antonio de Guevara unter die Hände, davon ich -etwas zum Beschluß hierher setze, weil sie kräftig waren, mir die Welt -vollends zu verleiten. - -Diese lauten also: - -~Adieu~ Welt, dann auf dich ist nicht zu trauen. In deinem Haus ist -das Vergangene schon verschwunden, das Gegenwärtige verschwindet uns -unter den Händen, das Zukünftige hat nie angefangen, also daß du ein -Toter bist unter den Toten und in hundert Jahren läßt du uns nicht eine -Stunde leben. - -~Adieu~ Welt, dann du nimmst uns gefangen und läßt uns nicht wieder -ledig, du bindest uns und lösest uns nicht wieder auf, du tötest ohne -Urteil, begräbst ohne Sterben. Bei dir ist keine Freude ohne Kummer, -kein Fried ohn Uneinigkeit, keine Ruhe ohne Forcht, keine Fülle ohne -Mängel, keine Ehre ohne Makel, kein Gut ohne bös Gewissen, keine -Freundschaft ohne Falschheit. - -~Adieu~ Welt, dann in deinem Palast dienet man ohn Entgelt, man -liebkoset, um zu töten, man erhöhet, um zu stürzen, man hilft, um zu -fällen, man ehrt, um zu schänden, man straft ohn Verzeihen. - -Behüt dich Gott, Welt, dann in deinem Haus werden die großen Herren -und Favoriten gestürzet, die Unwürdigen herfürgezogen, Verräter mit -Gnaden angesehen, Getreue in Winkel gestellet, Unschuldige verurteilet, -den Weisen und Qualifizierten gibt man Urlaub, den Ungeschickten große -Besoldung, den Hinterlistigen wird geglaubet, und Aufrichtige und -Redliche haben keinen Kredit. Ein jeder tut, was er will, und keiner, -was er soll. - -~Adieu~ Welt, dann in dir wird niemand mit seinem rechten Namen -genennet, den Vermessenen nennt man kühn, den Verzagten fürsichtig, -den Ungestümen emsig, den Nachlässigen friedsam, ein Verschwender wird -herrlich genannt, ein Karger eingezogen. Einen hinterlistigen Schwätzer -und Plauderer nennet man beredt, den Stillen einen Narren oder -Phantasten, einen Ehebrecher und Jungfrauenschänder nennt man einen -Buhler, einen Unflat nennt man Hofmann, einen Rachgierigen eifrig, -einen Sanftmütigen einen Phantasten. - -~Adieu~ Welt, dann du verführest jedermann: den Ehrgeizigen verheißest -du Ehre, dem Unruhigen Veränderung, dem Hochtragenden Fürstengnade, dem -Nachlässigen Ämter, Fressern und Unkeuschen Freude und Wollust, Feinden -Rache, Dieben Heimlichkeit. - -~Adieu~ Welt, dann in deinem Palast findet weder Wahrheit noch Treue -Herberge! Wer mit dir redet, wird verschamt, wer dir trauet, betrogen, -wer dir folget, verführt. Du betreugst, stürzest, schändest, besudelst, -drohest, vergissest jedermann; dannenhero weinet, seufzet, jammert, -klaget und verderbt jedermann und jedermann nimmt ein Ende. Bei dir -siehet und lernet man nichts, als einander hassen bis zum Würgen, reden -bis zum Lügen, lieben bis zum Verzweifeln, handeln bis zum Stehlen, -bitten bis zum Betrügen, sündigen bis zum Sterben. - -Behüt dich Gott, Welt, dann dieweil man dir nachgehet verzehret man -die Zeit in Vergessenheit, die Jugend mit Rennen, Laufen, Spielen, -die Mannheit mit Pflanzen und Bauen, Sorgen und Klagen, Kaufen und -Verkaufen, Zanken, Hadern, Kriegen, Lügen und Betrügen, das Alter in -Jammer und Elend, ~in summa~ nichts als Mühe und Arbeit bis in den Tod. - -~Adieu~ Welt, dann niemand ist mit dir content oder zufrieden. Ist er -arm, so will er haben, ist er reich, so will er gelten, ist er veracht, -so will er hoch steigen, ist er beleidigt, so will er sich rächen, ist -er in Gnaden, so will er viel gebieten, ist er lasterhaftig, so will er -nur bei gutem Mut sein. - -~Adieu~ Welt, dann bei dir ist nichts beständig. Die hohen Türme werden -vom Blitz erschlagen, die Mühlen vom Wasser hinweggeführet, das Holz -wird von Würmern, das Korn von Mäusen, die Frucht von Raupen, die -Kleider von Schaben gefressen. Das Viehe verdirbt vor Alter, der Mensch -vor Krankheit. - -O Welt, behüt dich Gott, dann in deinem Haus führet man weder ein -heilig Leben noch einen gleichmäßigen Tod, der eine stirbt in der -Wiege, der ander in der Jugend auf dem Bette, der dritt am Strick, der -viert am Schwert, der fünft am Rad, der sechst auf dem Scheiterhaufen, -der siebend im Weinglas, der acht in Freßhafen, der neunt verworgt am -Gift, der zehnt durch Zauberei, der elft stirbt in der Schlacht, der -zwölft ertränkt seine arme Seel im Tintenfaß. - -Behüt dich Gott, Welt, dann mich verdreußt deine ~Conversation~! -Das Leben, das du uns gibst, ist eine elende Pilgerfahrt, ein -unbeständiges, ungewisses, hartes, rauhes, hinflüchtiges und unreines -Leben voll Armseligkeit und Irrtum. Du lässest dich der Bitterkeit -des Todes, mit deren du umgeben und durchsalzen bist, nicht genügen, -sondern betreugst noch darzu die meisten mit deinem Schmeicheln. Du -gibst aus dem goldenen Kelch Lüge und Falschheit zu trinken und machest -blind, taub, toll, voll und sinnlos. Du machst aus uns einen finsteren -Abgrund, ein elendes Erdreich, ein Kind des Zorns, ein stinkend Aas, -ein unreines Geschirr in der Mistgrube voller Gestank und Greuel. -Darum, o Welt, behüt dich Gott! - -~Adieu~, o Welt, o schnöde, arge Welt! Anstatt deiner Freuden und -Wollüste werden die bösen Geister an die unbußfertigen, verdammten -Seelen Hand anlegen und sie in einem Augenblick in den Abgrund der -Hölle reißen. Alsdann ist alle Hoffnung der Gnade und Milderung aus! -Und je mehr einer sich bei dir, o arge, schnöde Welt, hat herrlich -gemachet, je mehr schenket man ihm Qual und Leiden ein, dann so -erforderts die göttliche Gerechtigkeit! Alsdann wird die arme Seele -ächzen: Verflucht seist du, Welt, weil ich durch dein Anstiften Gottes -und meiner selbst vergessen! Verflucht sei die Stunde, in deren Schoß -mich Gott erschuf! Verflucht der Tag, darin ich geboren bin! O ihr -Berge, Hügel und Felsen, fallet auf mich und verberget mich vor dem -grimmigen Zorn des Lamms, vor dem Angesicht dessen, der auf dem Stuhl -sitzet! Ach Wehe und aber Wehe in Ewigkeit! - -O Welt, du unreine Welt, derhalben beschwöre ich dich, ich bitte, ich -versuche, ich ermahne dich und protestiere wider dich, du wollest -keinen Teil mehr an mir haben! - -Ich habe das Ende gesetzt der Sorge. Lebet wohl, Hoffnung und Glück! - - * * * * * - -Diese Worte erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken. Endlich -verließ ich die Welt und wurde wieder Einsiedel. Ich hätte gern bei -meinem Sauerbrunn im Muckenloch gewohnet, aber die Bauren in der -Nachbarschaft wollten es nicht leiden. Sie besorgten, ich würde den -Brunn verraten. - -Ich begab mich deshalb in eine andere Wildnus und fing mein spessarter -Leben wieder an. - -Gott verleihe uns allen seine Gnade, das wir allesamt das von ihm -erlangen, woran uns am meisten gelegen: nämlich ein seliges - - _Ende_! - - - - - Dieses Buch wurde als zweiter Band der Jahresreihe 1919/1920 für - den Volksverband der Bücherfreunde hergestellt. Herausgegeben - von E. G. Kolbenheyer. Gedruckt wurde der Band von der Druckerei - Poeschel & Trepte, Leipzig, in der altschwabacher Drucktype. Der - Entwurf zum Einband, der vom Kunstmaler Willy Belling stammt, - wurde in der Spamer'schen Buchdruckerei, Leipzig, in Offsetdruck - hergestellt. - - Ausschließlich für die Mitglieder des Volksverbands der - Bücherfreunde. - - - +--------------------------------------------------------------+ - | Anmerkungen zur Transkription | - | | - | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen | - | gebräuchlich waren, wie: | - | | - | abgefäumt -- abgefeumt | - | accomodiert -- accommodiert | - | accordieren -- akkordieren | - | Affection -- Affektion | - | Bauersmann -- Baursmann | - | Belägerung -- Belagerung | - | blies -- bließ | - | Böck -- Böcke | - | bößen -- bösen | - | Cavalcada -- Cavalcade | - | dabei -- darbei | - | dagegen -- dargegen | - | darauf -- drauf | - | discurierte -- diskurierte -- diskutierte | - | Doctor -- Doktor | - | dorfte -- dörfte | - | Ehestand -- Ehstand | - | eigene -- eigne | - | Erlaubnis -- Erlaubnus | - | Eskadron -- Esquadronen | - | Faßnacht -- Fastnacht | - | Feldwaibel -- Feldweibel | - | Fußstapfen -- Fußtapfen | - | Gansstall -- Gänsstall | - | Gebärden -- Geberden | - | Gedächtnis -- Gedächtnus | - | Gefängnis -- Gefängnus | - | gräulich -- greulich | - | Hellebarden -- Hellebarten | - | hie- -- hier- | - | hiesigen -- hießigen | - | irgendswo -- irgendwo | - | ist's -- ists | - | Kapitain -- Kapitän | - | Lucifer -- Luzifer | - | Mauer -- Maur | - | Obrist-Leutenant -- Obrist-Leutnant | - | öffentliche -- offentliche | - | Paradeis -- Paradies | - | perfecter -- perfekter | - | Phantasei -- Phantasie | - | Präceptor -- Praeceptor | - | prakticiert -- praktiziert | - | Rauberei -- Räuberei | - | Ruben -- Rüben | - | Sattel-Zeug -- Sattelzeug | - | schrieen -- schrien | - | Schultz -- Schulz | - | Schwäher -- Schweher -- Schwehr | - | seind -- sind | - | stack -- stak | - | Stiegelhüpfer -- Stieglhupfer | - | Taback -- Tabak -- Tobak | - | ungeheuere -- ungeheure | - | unmöglich -- unmüglich | - | unseren -- unsern | - | unverholen -- unverhohlen | - | verträulich -- vertraulich -- vertreulich | - | Vorteil -- Vortel | - | Wammesklopfer -- Wamsklopfer | - | zehen -- zehn | - | zuforderst -- zuvorderst | - | zwanzig -- zwenzig | - | | - | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. | - | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: | - | | - | S. 4 »Erdboten« in »Erdboden« geändert. | - | S. 11 »Geis« in »Geiß« geändert. | - | S. 14 »vohin« in »wohin« geändert. | - | S. 18 »bedunkte« in »bedünkte« geändert. | - | S. 24 »Parrherrn« in »Pfarrherrn« geändert. | - | S. 29 »Officierer« in »Offizierer« geändert. | - | S. 31 »müßen« in »müssen« geändert. | - | S. 39 »Corps de Guarde« in »Corps de Garde« geändert. | - | S. 45 »abgegeangen« in »abgegangen« geändert. | - | S. 46 »Mannsfelder« in »Mansfelder« geändert. | - | S. 47 »wollinen« in »wollenen« geändert. | - | S. 59 »Einsiedl« in »Einsiedel« geändert. | - | S. 59 »solichs« in »solches« geändert. | - | S. 63 »sattgessen« in »sattgegessen« geändert. | - | S. 67 »Bulerei« in »Buhlerei« geändert. | - | S. 76 »mollte« in »wollte« geändert. | - | S. 77 »Unsachen« in »Ursachen« geändert. | - | S. 79 »erschüge« in »erschlüge« geändert. | - | S. 97 »Immagination« in »Imagination« geändert. | - | S. 98 »Nabochodonosor« in »Nabuchodonosor« geändert. | - | S. 103 »Orfeigen« in »Ohrfeigen« geändert. | - | S. 108 »forchterlich« in »förchterlich« geändert. | - | S. 111 »hamburger und zerbster Bier« in | - | »Hamburger und Zerbster Bier« geändert. | - | S. 114 »aus Befehl« in »auf Befehl« geändert. | - | S. 123 »war beliebt« in »was beliebt« geändert. | - | S. 131 »Kurasche« in »Courage« geändert. | - | S. 137 »allerfeulste« in »allerfäulste« geändert. | - | S. 137 »salvaguadiert« in »salvaguardiert« geändert. | - | S. 140 »Goesfeld« in »Coesfeld« geändert. | - | S. 142 »Reckinghusen« in »Recklinghausen« geändert. | - | S. 146 »Geisbock« in »Geißbock« geändert. | - | S. 147 »Wohlerwürden« in »Wohlehrwürden« geändert. | - | S. 155 »was du wilt« in »was du willst« geändert. | - | S. 171 »Reckinghausen« in »Recklinghausen« geändert. | - | S. 173 »dahingenen« in »dahingegen« geändert. | - | S. 175 »wider« in »wieder« geändert. | - | S. 181 »gnug« in »genug« geändert. | - | S. 197 »Narre« in »Narren« geändert. | - | S. 204 »selbt« in »selbst« geändert. | - | S. 204 »gemanglet« in »gemangelt« geändert. | - | S. 211 »Krobaten« in »Kroaten« geändert. | - | S. 215 »Schaz« in »Schatz« geändert. | - | S. 218 »Copei« in »Copie« geändert. | - | S. 218 »Halb« in »halb« geändert. | - | S. 228 »instruieret« in »instruierte« geändert. | - | S. 237 »Latern« in »Laterne« geändert. | - | S. 243 »verstrochene« in »versprochene« geändert. | - | S. 247 »machtst« in »machst« geändert. | - | S. 253 »krigte« in »kriegte« geändert. | - | S. 254 »Welicher« in »Welcher« geändert. | - | S. 258 »muße« in »mußte« geändert. | - | S. 285 »gesannte« in »gespannte« geändert. | - | S. 286 »wachet« in »machet« geändert. | - | S. 292 »Tot« in »Tod« geändert. | - | S. 298 »Spectakul« in »Spektakul« geändert. | - | S. 299 »wiederteuferisch« in »wiedertäuferisch« geändert. | - | S. 302 »Begegnussen« in »Begegnüssen« geändert. | - | S. 305 »verdrebt« in »verderbt« geändert. | - | S. 313 »stürtzete« in »stürzete« geändert. | - | S. 316 »bezahte« in »bezahlte« geändert. | - | S. 328 »Weißel« in »Weisel« geändert. | - | S. 331 »Samogeten« in »Samojeden« geändert. | - | S. 336 »kommen« in »komme« geändert. | - | S. 341 »jetz« in »jetzt« geändert. | - | S. 345 »uns« in »und« geändert. | - | S. 351 »ihn« in »ihm« geändert. | - | S. 352 »Stelitzen« in »Strelitzen« geändert. | - | S. 354 »Wisseuschaften« in »Wissenschaften« geändert. | - | | - +--------------------------------------------------------------+ - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by -Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS *** - -***** This file should be named 55171-0.txt or 55171-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/5/1/7/55171/ - 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Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit http://pglaf.org - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. 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Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/55171-0.zip b/old/55171-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 7c34d36..0000000 --- a/old/55171-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/55171-h.zip b/old/55171-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 28cb4e5..0000000 --- a/old/55171-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/55171-h/55171-h.htm b/old/55171-h/55171-h.htm deleted file mode 100644 index a83cb44..0000000 --- a/old/55171-h/55171-h.htm +++ /dev/null @@ -1,13389 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> - <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - <title> - The Project Gutenberg eBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. - </title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - -body { - margin-left: 10%; - margin-right: 10%; -} - -.pagebreak { - page-break-before: always; -} - -.nopagebreak { - page-break-before: avoid; -} - -h1,h2,h3 { - text-align: center; /* all headings centered */ - clear: both; -} - -h1 { color: red; } - -h2 { margin-top: 6em; margin-bottom: 8em; page-break-before: always; } - -h3 { margin-top: 2em; font-size: 200%; letter-spacing: 0.2em; font-style: normal; page-break-before: always; } - -p { - margin-top: .51em; - text-align: justify; - text-indent: 1em; - margin-bottom: .49em; -} - -.p4 {margin-top: 4em;} -p.begin { text-indent: 0em; } -p.begin:first-letter { font-weight: bold; font-size: 140%; } -.big14 { font-size: 140%; } -.big16 { font-size: 160%; } -.big18 { font-size: 180%; } -.noindent {text-indent: 0em;} - -hr { - width: 33%; - margin-top: 2em; - margin-bottom: 2em; - margin-left: 33.5%; - margin-right: 33.5%; - clear: both; -} - -hr.tb {width: 45%;margin-left: 27.5%;margin-right: 27.5%;} -hr.chap {width: 15%;margin-left: 42.5%;margin-right: 42.5%;} - -ul.index { list-style-type: none; } - -.pagenum { /* uncomment the next line for invisible page numbers */ - /* visibility: hidden; */ - position: absolute; - left: 92%; - font-size: smaller; - text-align: right; - text-indent: 0em; -} /* page numbers */ - -.right {text-align: right; margin-right: 2em;} - -.center {text-align: center; text-indent: 0em;} - -.antiqua -{ - font-style: normal; - font-family: sans-serif; - font-size: 90%; -} - -/* Images */ -.figcenter { - margin: auto; - text-align: center; -} - -img.drop-cap -{ - float: left; - margin: 0 0.5em 0 0; -} - -p.drop-cap { text-indent: 0.3em; } - -p.drop-cap:first-letter -{ - color: transparent; - visibility: hidden; - margin-left: -0.9em; -} - -@media handheld -{ - img.drop-cap - { - display: none; - } - - p.drop-cap { text-indent: 0em; page-break-before: avoid; } - - p.drop-cap:first-letter - { - color: inherit; - visibility: visible; - margin-left: 0; - font-size: 200%; - } -} - -/* Poetry */ -.poem { - margin-left:10%; - margin-right:10%; - text-align: left; -} - -.poem br {display: none;} - -.poem .stanza {margin: 1em 0em 1em 0em;} - -/* Transcriber's notes */ -.transnote {background-color: #E6E6FA; - color: black; - font-size:smaller; - padding:0.5em; - margin-bottom:5em; - font-family:sans-serif, serif; } - .poem span.i0 {display: block; margin-left: 0em; padding-left: 3em; text-indent: -3em;} - .poem span.i2 {display: block; margin-left: 1em; padding-left: 3em; text-indent: -3em;} - </style> - </head> -<body> - - -<pre> - -The Project Gutenberg EBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by -Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Der abenteuerliche Simplicissimus - -Author: Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen - -Editor: Eugen Guido Kolbenheyer - -Release Date: July 22, 2017 [EBook #55171] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS *** - - - - -Produced by Peter Becker and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - - - -<p class="center big18">Hans Jakob Christoffel von -Grimmelshausen</p> - -<div class="figcenter" style="width: 100px;"> -<img src="images/title_deco.png" width="100" height="30" alt="" /> -</div> - - -<h1>Der -abenteuerliche -Simplicissimus</h1> - -<p class="center big16">Das ist Beschreibung des Lebens -eines seltsamen Vaganten</p> - -<div class="figcenter" style="width: 200px;"> -<img src="images/title_logo.png" width="200" height="116" alt="" /> -</div> - -<p class="center">In unwesentlicher Kürzung -herausgegeben von</p> - -<p class="center big14">E. G. Kolbenheyer</p> - -<div class="figcenter" style="width: 100px;"> -<img src="images/title_deco.png" width="100" height="30" alt="" /> -</div> - -<p class="center big14">Volksverband der Bücherfreunde<br /> -Wegweiser-Verlag G. m. b. H. Berlin<br /> -1920 -</p> - -<p class="pagebreak"></p> - - -<blockquote> - -<p>Der abenteuerliche Simplicissimus erschien 1669 in zweiter -Auflage, die erste ging verloren. Der Volksverband der -Bücherfreunde bringt durch seine Neuausgabe, die 1919 -veranstaltet wurde, in Erinnerung, daß sich das Erscheinen -des für die deutsche Literatur- und Sittengeschichte -so bedeutungsvollen Kulturromans -zum 250. Male jährt.</p></blockquote> - -<p class="pagebreak"></p> - - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Steig auf aus deinem Grab, du blanker Sittenrichter,<br /></span> -<span class="i0">Und siehe, wie das Rad sich abermals gewandt.<br /></span> -<span class="i0">Du, deutscher Sterbensnot und Mühsal herber Dichter,<br /></span> -<span class="i0">Durchstreife kundgen Augs dein wundes Vaterland.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Und findest du nicht Dorf und Stadt in Trümmern rauchen,<br /></span> -<span class="i0">Weil endlich die Gewalt sich selber ausgebrannt,<br /></span> -<span class="i0">So wird dein Blick doch in des Volkes Herzen tauchen,<br /></span> -<span class="i0">Und, ach, du findest viel im alten, irren Stand.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Wirst du nicht neu dein bittres Klagelied erheben,<br /></span> -<span class="i0">Dem Trümmerhauf entfliehn im härnen Bußgewand?<br /></span> -<span class="i0">O schnöde, arge Welt! O, du vergeudet Leben!<br /></span> -<span class="i0">Du hoffartstrunknes Herz, wie liegst du tief im Sand! —<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Ein Vierteltausend-Jahr spannt seinen bunten Bogen<br /></span> -<span class="i0">Von dir zu uns, und alles Einzelglück und -leid<br /></span> -<span class="i0">Verschwebt, weil unsres Volkes welterschütternd Wogen<br /></span> -<span class="i0">Erschwoll und sank zu Tal im Taumel der Gezeit.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Des Gottes schwere Hand lag auch auf deinen Tagen:<br /></span> -<span class="i0">Deutschland zutiefst in Not, verblutet und vertan!<br /></span> -<span class="i0">Aus eigner Kraft ermannt und himmelhoch getragen,<br /></span> -<span class="i0">Rang es empor und fiel in doppeltharter Bahn.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Uns fruchtet kein Gewinn auf glatten Maklerwegen,<br /></span> -<span class="i0">Jung stürmt das herbe Blut und muß im Schmerz erblühn.<br /></span> -<span class="i0">So aber wächst und reift in uns ein Weltensegen<br /></span> -<span class="i0">Und wird in reinerm Licht erglühen, wird erglühn!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Nun schüttle ab, Simplicius, die Schweigenshülle,<br /></span> -<span class="i0">Zeig' deiner fernen Zeiten nahverwandte Fülle!<br /></span> -</div></div> - - - -<hr class="chap" /> - -<h2><a name="Das_erste_Buch" id="Das_erste_Buch">Das erste Buch</a></h2> - - - - -<h3><a name="Das_erste_Kapitel" id="Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3> - - -<div class="nopagebreak"> - <img class="drop-cap" src="images/i003_cap.png" width="150" height="154" alt="" /> -</div> - -<p class="drop-cap">Diese unsere Zeit, von der man meint, sie -sei der Welt Ende, hat all- und jedermann -mit einer sonderbaren Sucht -geschlagen. Wer nur soviel zusammengeraspelt -und erschachert hat, daß ihm -etliche Heller im Beutel kützeln, muß -sich im Narrenkleid auf die neue Mode tragen, und wen -ein Glücksfall als mannhaft und ehrlich erwiesen, der -glaubt rittermäßig, gleich einer Adelsperson aufziehen -zu müssen.</p> - -<p>Solchem Narrenvolk mag ich mich nicht gleichstellen, -obzwar meine Abkunft und Auferziehung sich mit der -eines Fürsten wohl vergleichen läßt. Etliche Unterschiede -sollen billig vor gering angeschlagen sein.</p> - -<p>Mein Knän (dann also nennet man die Väter im -Spessart) hatte seinen Palast sowohl als ein anderer, -ja, kein König vermöchte ihn mit eigenen Händen besser -zu bauen. Der war mit Lehm gemalet und anstatt des unfruchtbaren -Schiefers, kalten Bleies und roten Kupfers -mit Stroh bedeckt, darauf das edel Getreid wächst. Des -Schlosses Mauern ließ mein Knän nicht mit gemeinem -Feldstein und liederlich gebackenen Ziegeln aufbauen, sondern -aus festem, hundertjährigem Eichenholz, auf dem -— so man der Eichelmast gedenkt — Bratwürst und -fette Schunken wachsen. Wo ist ein Monarch, der ihm -dergleichen nachtut! Zimmer, Säl und Gemächer hatte -er vom Rauch ganz erschwarzen lassen, nur weil das -die beständigste Farbe der Welt ist und solche Tünche -auch mehr Zeit braucht, als ein Maler zu seinen trefflichsten -Kunststücken erheischet. Die Tapezereien bestunden<span class="pagenum"><a name="Seite_p004" id="Seite_p004">[S. 4]</a></span> -in dem zärtesten Gewebe, das auf dem Erdboden -gesponnen wird, unzählig kleine Weberinnen hatten sie -mit ihren zierlichen Beinen gewirkt. Dem Sankt Nit-Glas -waren die Fenster geweiht, und edler als das beste -und durchsichtigste Glas von Murano verhüllete sie -Leinwand, an der des Baurn und der Weiber redliche -Mühsal hängt. Seinem Adel nach beliebet es meinem -Knän zu glauben, daß alles was durch viel Müh zuweg -gebracht würde, auch schätzbar und desto köstlicher -sei, was aber köstlich, das wäre dem Adel am anständigsten. -Pagen, Lakaien und Stallknecht stellten Schaf, -Böck und Säu und jedes ging fein ordentlich in seiner -natürlichen Livrei. Sie warteten mir täglich auf, bis -ich sie von der Weid heimtrieb. Rüst- und Harnischkammer -war mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen, -Schaufeln, Mist- und Heugabeln genugsam versehen -und mein Vater übte sich täglich in den Waffen. Ochsenanspannen -war sein hauptmannschaftliches Kommando, -Mistausführen sein Fortifikationswesen, Ackern sein Feldzug, -Stallausmisten seine adelige Kurzweil und sein -Turnierspiel. Damit rannte er die ganze Weltkugel, soweit -er immer reichen konnte, an und jagte ihr zu allen -Erntezeiten eine gute Beute ab. Dieses alles setze ich -hintan und überhebe mich dessen gar nicht, damit niemand -Ursache habe, mich mit den andern neuen Nobilisten -auszulachen. Um geliebter Kürze willen aber -dozier ich vor diesmal nichts Ausführliches von meines -Vaters Geschlecht, Stamm und Namen. Meines Knäns -Schloß stand an einem sehr lustigen Ort im Spessart -erbaut, allwo die Wölfe einander gute Nacht geben.</p> - -<p>Und rittermäßig wie das ganze Hauswesen war meine -Auferziehung. Mit zehn Lebensjahren hatte ich die -Prinzipien in obgemeldeten adeligen Übungen vollauf begriffen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p005" id="Seite_p005">[S. 5]</a></span> -Mein Knän war vielleicht eines viel zu hohen -Geistes und folgte dahero dem gewöhnlichen Brauch, -darnach, wer vornehm ist, sich billig um Schulpossen -nicht viel bekümmert, weil er seine Leute hat, die derlei -Plackschmeißerei abwarten. Ich konnte nicht über -fünf zählen, solches aber gar wohl. Sonst war ich ein -trefflicher Musikus auf der Sackpfeifen. Und was Gottesgelahrtheit -anlangt, glich keiner mir in der ganzen Christenwelt: -ich kannte weder Gott noch Menschen, weder -Himmel noch Hölle, nicht Engel noch Teufel, wußte -nichts von Gutem und Bösem, wie unsere ersten Eltern -im Paradies, die in ihrer Unschuld nichts von Krankheit, -Tod und Sterben, desto weniger von der Auferstehung -gewußt haben. Also auch ich. Und gleichermaßen -war ich wohlbewandert in Medizin, Juristerei -und sonst den Künsten und Wissenschaften allen. Ich -war vollkommen, dann mir war unmüglich zu wissen, -daß ich so gar nichts wußte. O wahrhaft edeles Leben!</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p006" id="Seite_p006">[S. 6]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_ander_Kapitel" id="Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Sonach begabete mich mein Knän mit der herrlichsten -Würde nicht allein seiner Hofhaltung, sondern der -ganzen Welt: mit dem Hirtenamt. Ich mußte die Säu, -Ziegen und seine ganze Schafherde hüten, weiden und vermittels -meiner Sackpfeifen vor dem Wolf beschützen. -Damals glich ich wohl dem David, nur hatte ich an -seiner Harfen Statt den Dudelsack. Kein schlimmer Anfang -und ein gutes Omen! Von der Welt Anbeginn -seind jeweils hohe Personen Hirten gewesen, wie wir -von Abel, Abraham, Isaak, Jakob und seinen Söhnen -und Moise selbst in der hl. Schrift lesen, da er zuvor -seines Schwähers Schafe hüten mußte, eh er Heerführer -und Gesetzgeber von ganz Israel ward. Ja, -möchte mir jemand vorwerfen, das waren Heilige und -keine spessarter Baurenbuben, die von Gott nichts -wußten. Dawider muß ich gestehen: Was hat meine -damalige Unschuld dessen zu entgelten? Also aber redet -<span class="antiqua">Philo</span> der Jud in seiner Lebensbeschreibung Moisis -vortrefflich: Das Hirtenamt ist Vorbereitung und Anfang -zum Regiment, gleichwie Kriegskünst und Waffenhandwerk -auf der Jagd geübt und angeführt werden. — -Solches alles muß mein Knän wohl verstanden haben -und hat mir also keine geringe Hoffnung zu künftiger -Herrlichkeit gemacht.</p> - -<p>Allein ich kannte den Wolf ebensowenig als meine -eigene Unwissenheit, derowegen war mein Vater in -seiner Instruktion desto fleißiger:</p> - -<p>»Bub, bis flissig! Los die Schof nit ze wit umanander -laffen! Un spill wacker uff der Sackpfiffa, daß der Wolf -nit komm und Schada dau! Dann he is a solcher veirboinigter<span class="pagenum"><a name="Seite_p007" id="Seite_p007">[S. 7]</a></span> -Schelm und Dieb, der Menscha und Vieha -frißt. Un wann dau awer fahrlässi bist, so will eich -dir da Buckel arauma!«</p> - -<p>Ich antwortete mit gleicher Holdseligkeit: »Knäno, -sag mir aa, wei der Wolf seihet? Eich huun noch kan -Wolf gesien.«</p> - -<p>»Ah, dau grober Eselkopp,« repliziert er hinwider, -»dau bleiwest dein Lewelang a Narr! Gait meich Wunner, -was aus dir wera wird. Bist schun su a grusser Dölpel -und weist noch neit, was der Wolf für a veirfeussiger -Schelm is!«</p> - -<p>Er gab mir noch mehr Unterweisungen und ward -zuletzt unwillig, maßen er mit einem Gebrümmel fortging, -weil er sich bedünken ließ, mein grober Verstand -könnte seine subtilen Unterweisungen nicht fassen.</p> - -<p>Da fing ich an mit der Sackpfeife so gut Geschirr -zu machen, daß man den Kroten im Krautgarten mit -meinen Schalmeien hätte vergeben mögen. Daneben sang -ich, daß die Mutter oft gesagt, sie besorge, die Hühner -werden dermaleins von dem Gesang sterben. Demnach -ich mich vor dem Wolf sicher genug zu sein bedünkte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p008" id="Seite_p008">[S. 8]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_dritte_Kapitel" id="Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Sang also auf ein Zeit ein Lied, das ich von meiner -Mutter selbst gelernet hatte:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Du sehr verachter Baurenstand<br /></span> -<span class="i0">Bist doch der beste in dem Land,<br /></span> -<span class="i0">Kein Mann dich gnugsam preisen kann,<br /></span> -<span class="i0">Wann er dich nur recht siehet an.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Es ist fast alles unter dir,<br /></span> -<span class="i0">Ja was die Erde bringt herfür,<br /></span> -<span class="i0">Wovon ernähret wird das Land,<br /></span> -<span class="i0">Geht dir anfänglich durch die Hand.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Der Kaiser, den uns Gott gegeben,<br /></span> -<span class="i0">Uns zu beschützen, muß doch leben<br /></span> -<span class="i0">Von deiner Hand, auch der Soldat,<br /></span> -<span class="i0">Der dir doch zufügt manchen Schad.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Erde wär ganz wild durchaus,<br /></span> -<span class="i0">Wann du auf ihr nicht hieltest Haus.<br /></span> -<span class="i0">Ganz traurig auf der Welt es stünd,<br /></span> -<span class="i0">Wann man kein Bauersmann mehr fünd.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Vom bitterbößen Podagram<br /></span> -<span class="i0">Hört man nicht, daß an Bauren kam,<br /></span> -<span class="i0">Das doch den Adel bringt in Not<br /></span> -<span class="i0">Und manchen Reichen gar in Tod.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Der Hoffart bist du sehr gefeit,<br /></span> -<span class="i0">Absonderlich zu dieser Zeit.<br /></span> -<span class="i0">Und daß sie auch nicht sei dein Herr,<br /></span> -<span class="i0">So gibt dir Gott des Kreuzes mehr.<br /></span><span class="pagenum"><a name="Seite_p009" id="Seite_p009">[S. 9]</a></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Ja der Soldaten böser Brauch<br /></span> -<span class="i0">Dient gleichwohl dir zum Besten auch,<br /></span> -<span class="i0">Daß Hochmut dich nicht nehme ein<br /></span> -<span class="i0">Sagt er: dein Hab und Gut ist mein.<br /></span> -</div></div> - -<p>Bis hieher und nicht weiter kam ich mit meinem -Gesang, dann ich ward im Augenblick samt meiner -Schafherde von einem Trupp Reuter umgeben, die im -Walde verirrt gewesen und durch meine Musik und -Geschrei waren zurecht gebracht worden.</p> - -<p>Hoho, dachte ich, dies seind die rechten Kauz! Die -vierbeinig Schelmen und Diebe, davon mein Knän sagte! -Dann ich sahe Roß und Mann vor eine einzige Kreatur -an und vermeinete nicht anders, als es müßten Wölfe -sein. Da erdappte mich einer beim Flügel, schleuderte -mich so ungestüm auf ein leer Baurenpferd, daß ich -auf der andern Seite wieder herab und auf meine liebe -Sackpfeife fiel, die so jämmerlich aufschrie, als wollet -sie aller Welt Erbarmen bewegen. Half nichts, ich mußte -wieder zu Pferd. Am meisten verdroß mich, daß die -Reuter vorgaben, ich hätte dem Dudelsack im Fallen -weh getan, darum er so ketzerlich geschrieen hätte. Meine -Mähre trabet stetig dahin und mir kams seltsam für, -daß ich nicht also auch in einen eisernen Kerl verwandlet -wurde.</p> - -<p>Sintemalen keiner von denen Reutern ein Schaf hinwegfraß, -gedachte ich, sie seien da, mir die Schafe helfen -heimzutreiben, dann geradewegs eileten sie auf meines -Knäns Hof zu. Derowegen sahe ich mich fleißig um, ob er -und meine Mutter uns nicht bald entgegengehen und uns -willkommenheißen wollten. Aber vergebens, mein Knän -und die Mutter samt unserm Ursele hatten die Hintertür -getroffen und wollten dieser Gäste nicht erwarten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p010" id="Seite_p010">[S. 10]</a></span> - -Kurz zuvor wußte ich nichts andres, als daß mein -Knän, die Mutter, ich und das übrige Hausgesind allein -auf der Erden seien. Nun aber lernte ich meinen Herrgott -im Himmel kennen. Ich erfuhr gar bald darnach -die Herkunft der Menschen in diese Welt und daß sie -wieder heraus müssen.</p> - -<p>Ja, ich war nur in Gestalt Mensch, mit Namen ein -Christenkind, im übrigen eine Bestia. Gott, der allmächtige, -sahe meine Unschuld mit barmherzigen Augen an -und wählet aus seinen tausenderlei Wegen diesen, mich -zu beidem: zu seiner und meiner Erkanntnus zu bringen.</p> - -<p>Vorerst stelleten die Reuter ihre Pferde ein, hernach -hatte jeglicher seine sonderliche Verrichtung, und jede -war lauter Untergang und Verderben. Dann obzwar -etliche anfingen zu metzgen, zu sieden und zu braten, -als sollte ein lustig Bankett gehalten werden, so waren -hingegen andere, die durchstürmten das Haus unten und -oben, ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam -ob wäre das gölden Fließ darin verborgen. Andere -packten Tuch, Kleidung und Hausrat zusammen, als -wollten sie einen Krempelmarkt anrichten. Was sie aber -nicht mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen. Etliche -durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, andere -schütteten die Federn aus den Bettzüchen und füllten -hingegen Speck, Fleisch und sonstiges Gerät hinein, als -seie alsdann besser darauf zu schlafen. Sie schlugen -Öfen und Fensterläden ein, gleich als hätten sie einen -ewigen Sommer zu verkünden. Kupfer- und Zinngeschirr -stampften sie zusammen und packten die gebogenen und -verderbten Stücke. Bettladen, Tische, Stühle und Bänke -verbrannten sie, da doch viel Klafter dürr Holz im Hof -lag. Häfen und Schüsseln mußten entzwei. Unsere Magd -ward im Stall dermaßen traktiert, daß sie nicht mehr<span class="pagenum"><a name="Seite_p011" id="Seite_p011">[S. 11]</a></span> -daraus gehen konnte. Den Knecht legten sie gebunden -auf die Erde, steckten ein Sperrholz in sein Maul und -schütteten ihm einen Melkkübel voll Jauche in Leib. -Das nannten sie den schwedischen Trunk. Zwangen ihn -so, etliche von denen Reutern anderwärts zu führen, -allda sie Menschen und Viehe hinwegnahmen und in -unsern Hof brachten. Auch mein Knän, meine Mutter -und unser Ursele waren darunter.</p> - -<p>Da schraubten sie die Stein von den Pistolenhähnen -ab und anstatt deren die Baurendaumen auf, folterten -die armen Schelme, als wollten sie Hexen brennen, -maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren in -Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren, -unangesehen er noch nichts bekannt hatte. Einem andern -schlangen sie ein Seil um den Schädel und drehten es -mit einem Holzbengel zusammen, daß ihm Blut zu -Mund und Ohren heraussprang. <span class="antiqua">In summa</span>, es hatte -jeder seine eigene Erfindung die Bauren zu peinigen.</p> - -<p>Mein Knän war meinem damaligen Bedünken nach -der Glücklichste, ohn Zweifel darum, weil er der Hausvater -war. Sie satzten ihn zu einem Feuer, banden ihn, -daß er weder Hände noch Füße regen konnte, rieben -seine Sohlen mit feuchtem Salz, das ihm unser alte -Geiß wieder ablecken und dadurch also kützlen mußte, -daß er vor Lachen hätte zerbersten mögen. (Ich hab -Gesellschaft halber vom Herzen mitgelacht.) In solchem -Gelächter bekannte er seine Schuldigkeit und öffnete -seinen verborgenen Schatz, der von Geld, Perlen und -Kleinodien reicher war, als man hinter dem Bauren -hätte suchen mögen.</p> - -<p>Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern -vermag ich sonderlich nichts zu sagen, doch weiß ich -wohl, daß man hin und wieder in den Winkeln erbärmlich<span class="pagenum"><a name="Seite_p012" id="Seite_p012">[S. 12]</a></span> -schreien hörte. Schätze, es sei der Mutter und dem -Ursele nicht besser gegangen als den andern.</p> - -<p>Unter all dem Elend wandte ich den Braten am Spieß -und half die Pferde tränken, dadurch ich zu unserer -Magd in den Stall kam. Die sahe wunderwerklich zerstrobelt -aus, ich kannte sie kaum und sie sprach zu mir -mit kränklicher Stimme:</p> - -<p>»O Bub, lauf weg, sonst nehmen dich die Reuter -mit! Guck, daß du davonkommst! Du siehest wohl, wie -es so übel ...«</p> - -<p>Mehres konnte sie nicht sagen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p013" id="Seite_p013">[S. 13]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_vierte_Kapitel" id="Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Wohin aber? Dazu war mein Verstand viel zu gering, -einen Vorschlag zu tun; doch ist es mir so -weit gelungen, daß ich gegen Abend in Wald bin entlaufen. -Wo nun aber weiter hinaus? — Die stockfinstre Nacht -bedeuchte meinem finstern Verstand nicht schwarz genug, -dahero verbarg ich mich in ein dickes Gesträuch. Da -konnte ich das Geschrei der getrillten Bauren vernehmen. -Allein ich hörete auch der Nachtigallen lieblichen Gesang, -unbekümmert um alle Menschennot. Darum so -legte ich mich auch ohn alle Sorg auf ein Ohr und -entschlief.</p> - -<p>Als der Morgenstern im Osten herfürflackerte, sahe -ich meines Knäns Haus in voller Flamme stehen, und -ich schlich näher, jemand vom Hof anzutreffen. Gleich -ward ich von fünf Reutern erblickt und angeschrieen:</p> - -<p>»Jung, kom heröfer oder skall mi de Tüfel halen, -ich schiete dik, dat di de Dampf tom Hals utgat!«</p> - -<p>Ich hielt stockstill, das Maul offen. Sie konnten wegen -eines Morastes nicht zu mir gelangen, was sie ohn -Zweifel rechtschaffen vexierte. Lösete einer den Karabiner -auf mich, von welchem urplötzlichem Feuer und -unversehenlichem Krach, den mir ein Echo durch vielfältige -Verdoppelung grausamer machte, ich dermaßen -erschröckt ward, daß ich alsobald zur Erde niederfiel. -Ich regete vor Angst keine Ader mehr. Die Reuter -ritten ihres Wegs und ließen mich ohn Zweifel vor -tot liegen. So hatte ich jedoch den ganzen Tag das -Herz nicht, mich aufzurichten.</p> - -<p>Als mich aber die Nacht wieder ergriff, stund ich auf -und wanderte, bis ich im Walde von ferne einen faulen<span class="pagenum"><a name="Seite_p014" id="Seite_p014">[S. 14]</a></span> -Baum schimmern sahe, kehrete in neuer Forcht derowegen -spornstreichs um und lief so lang, bis ich wieder -einen gleichen Baum erblickte, davon ich gleichfalls floh. -Also trieben mich die gefäuleten Bäum einer zum andern, -bis mir zuletzt der liebe Tag zu Hilfe kam. Aber -mein Herz stak voll Angst und Jammer, die Schenkel -voll Müdigkeit, der Magen knurrte, das Maul lechzete, -närrische Einbildungen erfüllten mein Hirn und schwerer -Schlaf meine Augen. Ich ging dannoch fürder, wußte -aber nicht wohin: je weiter, je tiefer von den Menschen -hinweg in die Wildnus. Ein unvernünftig Tier hätt -besser aus und ein gewußt. Doch war ich noch so -witzig, als mich abermal die Nacht ereilte, daß ich in -einen hohlen Baum kroch, darin zu schlafen. —</p> - -<p>Kaum war ich aber dargesunken, hörte ich eine Stimme:</p> - -<p>»O große Liebe, du mein einziger Trost! Meine Hoffnung, -du mein Reichtum, o mein Gott!«</p> - -<p>Ganz unverständlich wallte die Stimme weiter, vor -deren Seltsamkeit ich mich entsatzte. Allein es klang -herfür, daß Hunger und Durst gestillet werden sollten, -also riet mir mein ohnerträglich Verlangen, mich -auch zu Gast zu laden; fasset ein Herz und kroch hinzu. -Da wurde ich eines großen Mannes gewahr, in langen, -schwarzgrauen Haaren, die ganz verworren auf den -Achseln lagen. Er hatte einen wilden Bart, sein Angesicht -war zwar bleich, gelb und mager, aber ziemlich -lieblich. Der lange Rock starrte von tausend aufeinander -gesetzten Flicken. Um Hals und Leib trug er eine schwere -eiserne Kette gebunden wie <span class="antiqua">St. Wilhelmus</span>. Ich fing an -zu zittern wie ein nasser Hund. Was meine Angst noch -mehrete, war ein Krucifix an sechs Schuhe lang, so -er an seine Brust druckte. Ich konnte mich nicht anders -entsinnen: ohn Zweifel, das war der Wolf!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p015" id="Seite_p015">[S. 15]</a></span> - -In solcher Angst wischte ich mit meiner Sackpfeifen -herfür, ich bließ zu, stimmte an, ließ mich gewaltig -hören, diesen greulichen Wolf zu vertreiben. Über solch -gählinger und ungewöhnlicher Musik an einem so wilden -Ort der Einsiedel anfänglich nicht wenig stutzte, ohn -Zweifel vermeinend, der Teufel wollte ihn wie <span class="antiqua">St. Antonio</span> -tribulieren und seine Andacht stören. Ich retirieret in -den Baum, er aber ging mich an, den Feind des Menschengeschlechts -genugsam auszuhöhnen:</p> - -<p>»Ha, du bist ein Gesell darzu, die Heiligen ohn göttliche -Verhängnus...«</p> - -<p>Ich hab mehrers nit verstanden. Vor Grausen und -Schröcken sank ich in Ohnmacht nieder.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p016" id="Seite_p016">[S. 16]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_fuenfte_Kapitel" id="Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Was gestalten mir wieder zu mir selbst verholfen -worden, weiß ich nicht. Als ich mich erholet lag -mein Kopf in des Alten Schoß und vorn war meine Juppe -geöffnet. Da ich den Einsiedel so nahe bei mir sahe, -fing ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir -das Herz hätte aus dem Leibe reißen wollen. Er aber -sagte:</p> - -<p>»Mein Sohn, schweig, ich tue dir nichts.«</p> - -<p>Je mehr er mich aber tröstete und mir liebkoste, je -mehr ich schrie:</p> - -<p>»Du frißt mich! Du frißt mich! Du bist der Wolf -und willst mich fressen!«</p> - -<p>»Eija wohl nein, mein Sohn. Sei zufrieden, ich friß -dich nicht!«</p> - -<p>Dies Gefecht währete lang. Endlich ließ ich mich soweit -weisen, mit ihm in die Hütte zu gehen. Da war -Armut Hofmeisterin, Hunger Koch, Mangel Küchenmeister. -Mein Magen aber ward mit Gemüs und einem -Trunk Wasser gelabet und mein verwirrt Gemüt durch -tröstliche Freundlichkeit wieder aufgerichtet. Der Schlaf -befing mich zusehends und der Einsiedel ließ mir sein -Lager, obgleich nur einer darin liegen konnte.</p> - -<p>Um Mitternacht erwachte ich und hörte den Alten -singen:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall,<br /></span> -<span class="i0">Laß deine Stimm mit Freudenschall<br /></span> -<span class="i0">Aufs lieblichste erklingen.<br /></span> -<span class="i0">Komm, komm, und lob den Schöpfer dein,<br /></span> -<span class="i0">Weil andre Vöglein schlafen sein<br /></span> -<span class="i0">Und nicht mehr mögen singen.<br /></span><span class="pagenum"><a name="Seite_p017" id="Seite_p017">[S. 17]</a></span> -<span class="i2">Laß dein Stimmlein<br /></span> -<span class="i2">Laut erschallen, dann vor allen<br /></span> -<span class="i2">Kannst du loben<br /></span> -<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Obschon ist hin der Sonnenschein,<br /></span> -<span class="i0">Und wir im Finstern müssen sein,<br /></span> -<span class="i0">So können wir doch singen<br /></span> -<span class="i0">Von Gottes Güt und seiner Macht,<br /></span> -<span class="i0">Weil uns kann hindern keine Nacht,<br /></span> -<span class="i0">Sein Lob zu vollenbringen.<br /></span> -<span class="i2">Drum dein Stimmlein<br /></span> -<span class="i2">Laß erschallen, dann vor allen<br /></span> -<span class="i2">Kannst du loben<br /></span> -<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Echo, der wilde Widerhall,<br /></span> -<span class="i0">Will sein bei diesem Freudenschall<br /></span> -<span class="i0">Und lässet sich auch hören,<br /></span> -<span class="i0">Verweist uns alle Müdigkeit,<br /></span> -<span class="i0">Der wir ergeben allezeit,<br /></span> -<span class="i0">Lehrt uns den Schlaf betören.<br /></span> -<span class="i2">Drum dein Stimmlein<br /></span> -<span class="i2">Laß erschallen, dann vor allen<br /></span> -<span class="i2">Kannst du loben<br /></span> -<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Sterne, so am Himmel stehn,<br /></span> -<span class="i0">Sich lassen zum Lob Gottes sehn<br /></span> -<span class="i0">Und Ehre ihm beweisen.<br /></span> -<span class="i0">Die Eul auch, die nicht singen kann,<br /></span> -<span class="i0">Zeigt doch mit ihrem Heulen an,<br /></span> -<span class="i0">Daß sie Gott auch tu preisen.<br /></span> -<span class="i2">Drum dein Stimmlein<br /></span><span class="pagenum"><a name="Seite_p018" id="Seite_p018">[S. 18]</a></span> -<span class="i2">Laß erschallen, dann vor allen<br /></span> -<span class="i2">Kannst du loben<br /></span> -<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Nur her, mein liebes Vögelein,<br /></span> -<span class="i0">Wir wollen nicht die Fäulsten sein<br /></span> -<span class="i0">Und schlafend liegen bleiben.<br /></span> -<span class="i0">Vielmehr bis daß die Morgenröt<br /></span> -<span class="i0">Erfreuet diese Wälder öd,<br /></span> -<span class="i0">In Gottes Lob vertreiben.<br /></span> -<span class="i2">Laß dein Stimmlein<br /></span> -<span class="i2">Laut erschallen, dann vor allen<br /></span> -<span class="i2">Kannst du loben<br /></span> -<span class="i0">Gott im Himmel hoch dort oben.<br /></span> -</div></div> - -<p>Unter währendem diesem Gesang bedünkte mich wahrhaftig, -daß Nachtigall sowohl als Eule und Echo eingestimmet -hätten. Als wann ich je der Melodei des -Morgensterns auf meiner Sackpfeifen gefolget wär, also -trieb es mich, den Alten zu begleiten, da mir diese Harmonie -so lieblich schiene — doch ich entschlief.</p> - -<p>Bei hohem Tag stund der Einsiedel vor mir und sagte:</p> - -<p>»Auf, Kleiner und iß! Ich will dir alsdann den Weg -weisen, daß du noch vor Nacht in das nächste Dorf -und wieder zu den Leuten kommest.«</p> - -<p>Ich fragte ihn: »Was für Dinger? Dorf und Leut?«</p> - -<p>»Behüte Gott, weißt du nicht was Dorf und Leute -seind? Bist du närrisch oder gescheit?«</p> - -<p>»Nein,« sagte ich, »ich bin meines Knäns Bub.«</p> - -<p>Darauf fielen unsere Reden und Gegenreden:</p> - -<p>»Wie heißt du?« — »Bub.« — »Wie hat dich Vater -und Mutter gerufen?« — »Ich weiß von kein Vater -und Mutter nicht.« — »Wer hat dir das Hemd geben?« -— »Ei, mein Meuder.« — »Wie hieße dich dann dein<span class="pagenum"><a name="Seite_p019" id="Seite_p019">[S. 19]</a></span> -Meuder?« — »Bub, Schelm, ungeschickter Dölpel, -Galgenvogel.« — »Wer ist deiner Meuder Mann?« — -»Niemand.« — »Bei wem hat sie des Nachts geschlafen?« -— »Bei meinem Knän.« — »Wie heißt der?« — -»Knän.« — »Wie hat ihn deine Meuder gerufen?« — -»Knän, auch Meister.« — »Niemalen anders?« — -»Ja.« — »Wie dann?« — »Rülp, grober Bengel, volle -Sau.« — »Du bist wohl ein unwissender Tropf!« — -»Ei, kennst du einen andern Namen?« — »Und was -weißt du von unserm Herrgott?« — »Den kenn ich -wohl.« — »Also, wie kennst du ihn?« — »Ja, der ist -daheim an unserer Stubentür gestanden auf dem Gesims. -Mein Meuder hat ihn von der Kirchweih heimgebracht -und hingekleibt.« — »Ach, daß Gott walte! -Weißt du anders nicht? Bist du nie in die Kirche -gangen?« — »Ei ja wohl! Ich kann wacker klettern und -hab als einen ganzen Wams voll Kirschen gebrockt.«</p> - -<p>»Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was vor -eine große Gnade und Wohltat es ist, wem du deine -Erkanntnus mitteilest, und wie gar nichts ein Mensch -sei, dem du solche nicht gibest. Wüßte ich nur, wo deine -Eltern wohneten, so wollte ich dich gern hinbringen -und sie lehren, wie sie Kinder erziehen sollten.«</p> - -<p>»Unser Haus ist verbrannt. Mein Meuder und der -Knän, also auch unser Ursele seind hinweggeloffen und -wiederkommen und unser Magd ist krank im Stall gelegen.«</p> - -<p>»Wie ist das geschehen?«</p> - -<p>»Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die auf -Ochsen ohn Hörn gesessen seind, haben Schaf, Küh' -und Säu gestochen. Da bin ich auch weggeloffen und -darnach hat das Haus gebrannt.«</p> - -<p>»Wo war dann dein Knän?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p020" id="Seite_p020">[S. 20]</a></span> - -»Sie haben ihn angebunden und unser alte Geiß hat -ihm die Füß geleckt, da hat mein Knän lachen müssen -und hat denselben eisernen Männern viel Weißpfennig -geben, groß und klein, hübsche gelbe und sonst glitzerechte -Dinger und Schnüre voll weißer Küglein. Darauf -hat unser Ann gesagt, ich soll auch weglaufen, sonst -nehmen mich die Krieger mit.«</p> - -<p>»Wo hinaus willst du?«</p> - -<p>»Ich weiß Weger nit und will bei dir bleiben.«</p> - -<p>»So geh und iß,« sagte der Einsiedel.</p> - -<p>Das war unser <span class="antiqua">discurs</span>, unter welchem mich der -Alte oft mit allertiefstem Seufzen anschauete. Weiß -nicht, ob es aus Mitleiden geschahe oder aus Ursach, -die ich erst etliche Jahr hernach erfuhr.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p021" id="Seite_p021">[S. 21]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_sechste_Kapitel" id="Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich futterte nach Notdurft, sonach mich der Einsiedel -fortgehen hieß. Da suchte ich meine allerzartesten -Worte herfür, daß er mich bei sich behielte, bis er -beschloß meine verdrüßliche Gegenwart zu leiden, darum -daß er mich unterrichtete.</p> - -<p>Ich hielt mich wohl, und er fand Gefallen an mir, -da ich begierig seine Unterweisungen hörete und die -wachsweiche, und zwar noch glatte Tafel meines Herzens -seine Worte zu fassen sich geschickt erwies.</p> - -<p>Er lernete mir vom Fall Luzifers und wie unsere -ersten Eltern aus dem Paradies verstoßen wurden, -unterwies mich im Gesetz Moisis und den zehn Geboten, -kam also auf das Leben, Sterben und die Auferstehung -unseres Heilands, zuletzt beschloß er mit dem -jüngsten Tag. Sein Leben und sein Reden waren mir -eine immerwährende Predigt und ich gewann solche -Liebe zu seinem Unterricht, daß ich des Nachts nicht -davor schlafen konnte. So lernte ich auch beten. Da -ich aber in purer Einfalt verblieben, hat mich der Einsiedel, -weil weder er noch ich meinen rechten Namen -gewußt, <span class="antiqua">SIMPLICIUS</span> benannt.</p> - -<p>Wir baueten vor mich eine Hütte gleich der seinen -von Holz, Reisern und Erde, fast formiert wie der -Musketierer im Feld ihre Zelten, oder besser zu sagen, -wie die Bauren ihre Rubenlöcher decken, kaum daß ich -aufrecht darin sitzen konnte, so nieder. Mein Bett war von -dürrem Laub und Gras, ebensogroß als die Hütte selbst.</p> - -<p>Als ich das erste Mal den Einsiedel in der Bibel -lesen sahe, konnte ich mir nicht einbilden, mit wem er -doch ein solch heimlich und, meinem Bedünken nach,<span class="pagenum"><a name="Seite_p022" id="Seite_p022">[S. 22]</a></span> -sehr ernstlich Gespräch haben müßte; ich sahe wohl -die Bewegung seiner Lippen, hingegen aber niemand, -der mit ihm redete, und merkte doch an seinen Augen, -daß ers mit etwas in selbigem Buch zu tun hatte. -Ich gab Achtung auf das Buch, und nachdem er solches -beigelegt, machte ich mich darhinter, schlugs auf und -bekam im ersten Griff das erste Kapitel des Hiobs und -die davor stehende Figur, so ein feiner Holzschnitt und -schön illuminieret war, in die Augen. Ich fragte dieselbigen -Bilder seltsame Sachen, weil mir aber keine -Antwort widerfahren wollte, ward ich ungeduldig und -sagte eben, als der Einsiedel hinter mich schlich:</p> - -<p>»Ihr kleine Hudler, habet ihr dann keine Mäuler mehr? -Habet ihr nicht allererst mit meinem Vater lang genug -schwätzen können? Ich sehe wohl, daß ihr auch dem -armen Knän da seine Schafe heim treibet und das Haus -angezündet habet. Halt! Halt! Ich will das Feuer noch -wohl löschen!«</p> - -<p>Damit stund ich auf, Wasser zu holen.</p> - -<p>»Wohin, <span class="antiqua">Simplici</span>?«</p> - -<p>»Ei Vater, da sind auch Krieger, die haben Schafe -und wollen sie wegtreiben. Sie habens dem armen Mann -da genommen, mit dem du erst geredet hast. So brennet -sein Haus auch schon lichterlohe und wird verbrennen, -wann ich nicht bald lösche.«</p> - -<p>Und ich zeigte mit dem Finger, was ich sahe.</p> - -<p>»Bleib nur, es ist noch keine Gefahr.«</p> - -<p>»Bist du dann blind? Wehre du, daß sie die Schafe -nicht forttreiben, so will ich Wasser holen!«</p> - -<p>»Ei, diese Bilder leben nicht, sie seind nur gemacht, -uns vorlängst geschehene Dinge vor Augen zu stellen.«</p> - -<p>»Du hast ja erst mit ihnen geredet, warum sollten -sie dann nicht leben?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p023" id="Seite_p023">[S. 23]</a></span> - -Der Einsiedel mußte wider Willen und Gewohnheit -lachen.</p> - -<p>»Liebes Kind, die Bilder können nicht reden, was -aber ihr Tun und Wesen sei, kann ich aus diesen -schwarzen Zeichen sehen. Das nennt man Lesen.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Wäre ich ein Mensch wie du, so -müßte ich auch aus denen schwarzen Zeilen sehen können, -was du kannst. Wie soll ich mich in dein Gespräch mit -ihnen richten?«</p> - -<p>»Wohlan, mein Sohn, ich will dich lehren.«</p> - -<p>Demnach schrieb er mir ein Alphabet auf einer birkenen -Rinden nach dem Druck formiert, und ich lernte buchstabieren, -folgends lesen, endlich besser schreiben, als der Einsiedel -selber konnte, weil ich alles dem Druck nachmalete. —</p> - -<p>Unsere Speise war allerhand Gewächs, Ruben, Kraut, -Bohnen, Erbsen, und wir verschmäheten auch nicht -Buchecker, wilde Äpfel, Birn und Kirschen, ja, die -Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm. Brotfladen -buken wir in heißer Aschen aus gestoßenem Welschkorn. -Im Winter fingen wir Vögel an Sprinkeln und -Stricken, im Frühling bescherete uns Gott Junge aus -den Nestern. Wir behalfen uns mit Schnecken und -Fröschen, so war uns auch mit Reusen und Anglen -das Fischen und Krebsen nicht zu wider, welches alles -unser grob Gemüs hinunterconvoieren mußte. Wir hatten -auf ein Zeit ein junges wildes Schweinlein gefangen, -welches wir, in einen Pferch versperret, mit Eicheln -und Eckern auferzogen, gemästet und endlich verzehret, -weil mein Einsiedel wußte, daß solches keine Sünde -sein konnte, wann man genießet, was Gott dem ganzen -menschlichen Geschlecht zu diesem End erschaffen. Von -Gewürz brauchten wir nichts, dann wir dörften die -Lust zum Trunk nicht erwecken. Die Notdurft an Salz<span class="pagenum"><a name="Seite_p024" id="Seite_p024">[S. 24]</a></span> -gab uns ein Pfarrer, der ungefähr drei Meilwegs von -uns wohnete.</p> - -<p>Des Hausrates war genug vorhanden: Schaufel, Haue, -Axt, Beil und ein eiserner Kochhafen. Das wir von -obgemeldtem Pfarrer entlehnet hatten. Jeder besaß ein -stumpfes Messer zu eigen. Wir bedorften weder Schüssel -noch Teller, Löffel, Gabel, Kessel, Pfannen, Rost und -Bratspieß. Unser Hafen war Schüssel zugleich, unsere -Hände Gabeln und Löffel. Wollten wir trinken, so -hingen wir das Maul hinein, wie Gideons Kriegsleute. -Von allerhand Gewand, Wolle, Seiden, Baumwolle -und Leinen, alles zu Betten, Tischen und Tapezereien, -hatten wir nichts, als wir auf dem Leibe trugen, weil -wir genug zu haben schätzten, wann wir uns vor Regen -und Frost beschützen könnten. Wir hielten keine gewisse -Regul oder Ordnung, außerhalb an Sonn- und Feiertägen, -an welchen wir schon um Mitternacht hinzugehen -anfingen, damit wir noch frühe genug, ohn männliches -Vermerken, in des obgemeldten Pfarrherrn Kirche kommen -und dem Gottesdienst abwarten konnten.</p> - -<p>Ich lernete in solchem hartem Leben Hunger, Durst, -Hitze, Kälte und große Arbeit überstehen und zuvorderst -Gott erkennen und wie man ihm rechtschaffen dienen -sollte, welches das vornehmste war. Zwar wollte mich -mein getreuer Einsiedel ein Mehrers nicht wissen lassen, -dann er hielte davor, es sei einem Christen genug, zu -seinem Ziel und Zweck zu gelangen. Dahero es gekommen, -obzwar ich mein Christentum wohl verstand und die -deutsche Sprache so schön redete, als wann sie die -<span class="antiqua">Orthographia</span> selbst ausspräche, daß ich dannoch der Einfältigste -verblieb, gestalten ich, wie ich den Wald verlassen, -ein solch elender Tropf in der Welt war, daß man -keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte locken können.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p025" id="Seite_p025">[S. 25]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_siebente_Kapitel" id="Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Zwei Jahre ungefähr hatte ich zugebracht und das -harte eremitische Leben kaum gewohnet, als mein -bester Freund auf Erden seine Haue nahm, mir aber -die Schaufel gab und mich an der Hand in unsern -Garten führete.</p> - -<p>»Nun, <span class="antiqua">Simplici</span>, liebes Kind, dieweil gottlob die Zeit -vorhanden, daß ich aus der Welt scheiden, die Schuld -der Natur bezahlen und dich in dieser Welt hinter mir -verlassen soll, so habe ich dich auf dem angetretenen -Weg der Tugend stärken und dir einzige Lehren zum -Unterricht geben wollen, wie du dein irdisch Leben -anstellen solltest, damit du gewürdigt werdest das Angesicht -Gottes in jenem Leben ewiglich zu schauen, -zumalen ich deines Lebens künftige Begegnüsse beiläufig -sehe und wohl weiß, daß du in dieser Einöde -nicht lange verharren wirst.«</p> - -<p>Diese Worte setzten meine Augen ins Wasser, wie -hiebevor des Feindes Erfindung die Stadt Villingen, -und sie waren mir so unerträglich, daß ich sie nicht -ertragen konnte.</p> - -<p>»Herzliebster Vater, willst du mich allein in diesem -wilden Wald verlassen?«</p> - -<p>Mehrers vermochte ich nicht heraus zu bringen, dann -meines Herzens Qual ward aus überfließender Liebe, -die ich zu meinem Vater trug, also heftig, daß ich gleichsam -wie tot zu seinen Füßen niedersank. Er hingegen -richtete mich auf, tröstete mich, so gut es Zeit und Gelegenheit -zuließ, und verwiese mich gleichsam fragend:</p> - -<p>»Willst du der Ordnung des Allerhöchsten widerstreben? -Was unterstehst du dich, meinem schwachen<span class="pagenum"><a name="Seite_p026" id="Seite_p026">[S. 26]</a></span> -Leib, der nach Ruhe lechzet, aufzubürden? Ach nein, -mein Sohn, laß mich fahren!«</p> - -<p>Und er riete mir getreulich: »Anstatt deines unnützen -Geschreies folge meinen letzten Worten, welche seind, -daß du dich je länger je mehr selbst erkennen sollst. -Dann daß die meisten Menschen verdammt werden, -ist Ursache, daß sie nicht gewußt haben, was sie gewesen -und was sie werden müssen. Und hüt dich jederzeit vor -böser Gesellschaft, dann derselben Schädlichkeit ist unaussprechlich. -Bleib standhaft vor allen Dingen. Wer verharret -bis ans Ende, der wird selig. So du aber aus -menschlicher Schwachheit fällst, dann stehe durch rechtschaffene -Buße geschwind wieder auf.«</p> - -<p>Nachdem mir der sorgfältige, fromme Mann solches -vorgehalten, hat er mit seiner Haue angefangen, sein -eigenes Grab zu machen. Ich half, so gut ich konnte, -wie er mir befahl.</p> - -<p>»Mein lieber und wahrer, einziger Sohn, wann meine -Seele an ihren Ort gegangen ist, so leiste meinem Leib -deine Schuldigkeit und die letzte Ehre. Scharre mich -mit dieser Erde wieder zu, die wir anjetzo aus der -Grube graben.«</p> - -<p>Darauf nahm er mich in seine Arme und druckte -mich küssend viel härter an seine Brust, als einem -Mann, wie er zu sein schiene, hätte müglich sein -können.</p> - -<p>»Liebes Kind, ich befehle dich in Gottes Schutz.«</p> - -<p>Ich hingegen konnte nichts anders als klagen und -heulen, ich hing mich an seine Büßerketten und vermeinte -ihn damit zu halten.</p> - -<p>Er aber sagte: »Laß mich, daß ich sehe, ob mir das -Grab lang genug sei.«</p> - -<p>Legte demnach die Kette ab samt dem Oberrock und<span class="pagenum"><a name="Seite_p027" id="Seite_p027">[S. 27]</a></span> -begab sich in das Grab wie einer, der sich sonst schlafen -legen will.</p> - -<p>»Ach großer Gott, nun nimm wieder hin die Seele, -die du mir gegeben!«</p> - -<p>Hierauf beschloß er seine Lippen und Augen sänftiglich. -Ich aber stund da wie ein Stockfisch etlich Stunden, -dieweil ich ihn öfters in dergleichen Verzuckungen gesehen. -Da sich aber mein allerliebster Einsiedel nicht -mehr aufrichten wollte, stieg ich zu ihm ins Grab und -fing an ihn zu schütteln, zu küssen und zu liebeln. -Aber da war kein Leben mehr.</p> - -<p>Nachdem ich lang mit jämmerlichem Geschrei hin -und her geloffen, begann ich ihn zuzuscharren. Und -wann ich kaum sein Angesicht bedeckt hatte, stieg ich -wieder hinunter, entblößte es wieder, damit ichs noch -einmal sehen und küssen konnte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p028" id="Seite_p028">[S. 28]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_achte_Kapitel" id="Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Über etliche Tage verfügte ich mich zu obgemeldtem -Pfarrer und begehrte Rat von ihm. Unangesehen -er mir nun stark widerraten, länger im Walde zu verbleiben, -bin ich doch tapfer in meines Vorgängers Fußstapfen -getreten, maßen ich den ganzen Sommer tät, -was ein frommer Einsiedel tun soll. Aber gleichwie die -Zeit alles ändert, so verringerte sich auch nach und nach -mein Leid, und die scharfe Winterkälte löschte die -innerliche Hitze meines steifen Vorsatzes zugleich aus. -Jemehr ich anfing zu wanken, je träger ward ich in -meinem Gebet und ich ließ mich die Begierde überherrschen, -die Welt auch zu beschauen. Demnach gedachte -ich wieder zu dem Pfarrer zu gehen und machte mich -seinem Dorf zu, fand es aber in voller Flamme stehen, -dann es eben eine Partei Reuter ausgeplündert und -angezündet hatte. Die Bauren waren teils niedergemacht, -viel verjaget und etliche gefangen, darunter auch der -Pfarrer war. Die Reuter ruckten eben wegfertig aus -und führten den Pfarrer an einem Strick daher. Unterschiedliche -schrieen: Schieß den Schelmen nieder! Andre -wollten Geld von ihm. Er hub die Hände auf und bat -um des jüngsten Gerichtes willen um Verschonung und -Barmherzigkeit. Aber einer ritte ihn übern Haufen und -versetzte ihm gleich eins an Kopf, davon er alle vier -von sich streckte.</p> - -<p>Indem kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren -aus dem Wald, als ob man in ein Wespennest gestochen -hätte. Die fingen an so gräulich zu schreien, so grimmig -drein zu setzen und drauf zu schießen, daß mir alle Haar -zu Berg stunden, weil ich noch niemals bei dergleichen<span class="pagenum"><a name="Seite_p029" id="Seite_p029">[S. 29]</a></span> -Kirchweih gewesen, dann die spessarter Bauren lassen -sich fürwahr so wenig als andre auf ihrem Mist foppen. -Davon rissen die Reuter aus und schlugen ihre ganze -Beute in den Wind.</p> - -<p>Diese Kurzweil benahm mir beinahe die Lust, die -Welt zu beschauen, dann meine Wildnus mir anmutiger -erschiene. Der Pfarrer lag ganz matt, schwach und kraftlos, -doch hielt er mir vor, daß er nun selbst auf den -Bettel geraten wäre, so hätte ich mich seiner Hilfleistung -nichts zu getrösten. Zog demnach ganz traurig gegen -den Wald, gedachte die Wildnus nimmer zu verlassen -und ob es nicht möglich wäre, daß ich ohn Salz leben -und also aller Menschen entbehren könnte. Mich zu -bestärken zog ich meines Einsiedels hinterlassen hären -Hemd an und hing seine Ketten über.</p> - -<p>Den andern Tag als ich bei meiner Hütte saß und -zugleich neben dem Gebet gelbe Ruben zu meines Leibes -Unterhaltung briet, umringten mich an fünfzig Musketierer. -Zwar sie ob meiner Person Seltsamkeit erstauneten, -so durchstürmten sie doch meine Hütte, suchten, -was da nicht zu finden war, und warfen die Bücher -durcheinander, weil sie ihnen nichts taugten. Endlich -sahen sie, als sie mich besser betrachteten, an meinen -Federn, was vor einen schlechten Vogel sie gefangen -hatten, und konnten leicht ihre Rechnung machen; doch -verwunderten sie sich über mein hartes Leben. Ja, der -Offizierer ehrte mich und begehrte gleichsam bittend, -ich wolle ihm den Weg aus dem Wald weisen. Ich -widerte mich nicht und führte sie am nächsten Weg -dem Dorf zu.</p> - -<p>Ehe wir aber vor den Wald kamen, sahen wir ungefähr -zehn Bauren, deren ein Teil mit Feuerrohren -bewehrt, die übrigen aber beschäftigt waren, etwas<span class="pagenum"><a name="Seite_p030" id="Seite_p030">[S. 30]</a></span> -einzugraben. Die Musketierer schrieen: Halt! Halt! Jene -aber antworteten mit den Rohren. Wie sie jedoch sahen, -daß sie übermannet waren, gingen sie schnell durch. -Die müden Soldaten konnten keinen ereilen, huben -aber an auszugraben. Sie hatten wenig Streich getan, -da hörten sie eine Stimme von unten herauf:</p> - -<p>»O, ihr Erzbösewichter, vermeinet ihr wohl, daß -der Himmel euer unchristliche Grausamkeit und Bubenstücke -ungestraft hingehen lassen werde? Nein, eure -Unmenschlichkeit soll vergolten werden.«</p> - -<p>Hierüber sahen die Soldaten einander an, weil sie -nicht wußten, was sie tun sollten. Etliche vermeinten, -sie hätten ein Gespenst. Ich gedachte, es träume mir. -Ihr Offizier hieß sie tapfer zu graben.</p> - -<p>Sie kamen auf ein Faß, schlugens auf und fanden -einen Kerl darin, der weder Nasen noch Ohren mehr -hatte, gleichwohl noch lebte. Sobald er sich ein wenig -ermunterte, erzählte er: Ihrer sechs seines Regiments, -so auf Fourage gewesen, seien von den Bauren ergriffen -worden. Sie hätten hintereinander stehen müssen, -davon die ersten Fünf von einer Kugel tot geschossen -worden seien, ihn aber, den letzten, habe die Kugel -nicht mehr erlanget. Da hätten sie ihm Nase und Ohren -abgeschnitten, zuvor aber ihn gezwungen, daß er ihrer -fünfen (<span class="antiqua">salva venia</span>) den Hintern lecken müssen. Da er -sich so gar geschmähet gesehen, hätte er ihnen die -allerunnützesten Worte gegeben, der Hoffnung, es würde -ihm etwan einer aus Ungeduld eine Kugel schenken, -aber vergebens. Nachdem er sie so erbittert, hätten sie -ihn in gegenwärtig Faß gesteckt und also lebendig begraben, -sprechend: Weil er des Todes so eifrig begehre, -wollten sie ihm zum Possen hierin nicht willfahren.</p> - -<p>Indem kam eine andre Partei Soldaten den Wald<span class="pagenum"><a name="Seite_p031" id="Seite_p031">[S. 31]</a></span> -herauf, sie hatten obgedachte Bauren angetroffen, fünf -davon gefangen, die andern erschossen. Unter den gefangenen -waren vier, denen der übel zugerichtete Reuter -zuvor so schandlich hatte zu Willen sein müssen. Als -nun beide Parteien erkannten einerlei Kriegsvolk zu -sein, traten sie zusammen.</p> - -<p>Da sollte man sein blaues Wunder gesehen haben, -wie die Bauren getrillt wurden. Etliche wollten sie -zwar in der ersten Furi totschießen, andere aber sagten: -»Nein, man muß die leichtfertigen Vögel zuvor rechtschaffen -quälen und ihnen eintränken, was sie diesem -Reuter zu tun geheißen.« Dahingegen sagte ein anderer: -»Dieser Kerl ist nichts wert, dann wäre er kein Bernheuter -gewesen, so hätte er allen redlichen Soldaten -zu Spott solch schändliche Arbeit nicht verrichtet, sondern -wäre tausendmal lieber gestorben.« Endlich ward -beschlossen, daß ein jeder von den sauber gemachten -Bauren an zehn Soldaten wett mache, was er von -dem Reuter empfangen, und darzu sagen sollte: ‚Hiermit -lösche ich wieder aus und wische ab die Schande, -die sich die Soldaten einbilden empfangen zu haben, -als uns ein Bernheuter tat, wie ich ihnen tue.’</p> - -<p>Darauf schritten sie zur Sache, aber die Bauren -waren so halsstarrig, daß sie weder durch Verheißung -des Lebens noch durch Marter dazu gezwungen werden -konnten.</p> - -<p>Einer führete den fünften Bauren, an dem der Reuter -nicht schandbar geworden war, etwas beiseits und sagte -zu ihm: »Wann du Gott und seine Heiligen verläugnen -wilt, werde ich dich dahin laufen lassen, wohin du begehrest.« -Der Bauer antwortete, er hätte sein Lebtag -nichts auf Heilige gehalten und auch geringe Kundschaft -mit Gott selbst gehabt. Schwur darauf <span class="antiqua">solenniter</span>,<span class="pagenum"><a name="Seite_p032" id="Seite_p032">[S. 32]</a></span> -daß er Gott nicht kenne. Hierauf jagte ihm der Soldat -eine Kugel an die Stirn, welche aber so viel effektuiert, -als wann die an einen stählernen Berg gangen wäre. -Also zuckte er seine Plempe und rief:</p> - -<p>»Holla, bist du solch ein Schelm! Ich habe versprochen, -dich laufen zu lassen, wohin du begehrest, so -schicke ich dich nun ins höllische Reich, weil du nicht in -den Himmel wilt!«</p> - -<p>Und spaltete ihm damit den Kopf bis an die Zähne.</p> - -<p>Indessen banden die andern Soldaten die vier übrigen -Bauren mit Händen und Füßen an einen umgefallenen -Baum so artlich, daß sie ihre Posteriora gerad in die -Höhe kehrten. Nachdem sie den Bauren die Hosen abgezogen, -nahmen sie etliche Klafter Lunten, machten -Knöpfe daran und fidelten die armen Schelme also -bis Haut und Fleisch ganz von dem Bein hinweg war. -Mich aber ließen sie nach meiner Hütte gehen.</p> - -<p>Da ich wieder heim kam, befand ich, daß mein Feuerzeug -und ganzer Hausrat samt allem Vorrat an armseligen -Speisen, die ich im Garten erzogen und auf -den künftigen Winter vor mein Maul gesparet hatte, -mir einander fort war. — Wo nun hinaus?</p> - -<p>Überdas lagen mir die Sachen, so ich denselben Tag -gehöret und gesehen, ohn Unterlaß im Sinn. Ich dachte -nicht sowohl meiner Erhaltung nach als der <span class="antiqua">Antipathia</span>, -die sich zwischen Soldaten und Bauren enthält. Ich -meinte, es müßten ohnfehlbar zweierlei Menschen in -der Welt sein, wilde und zahme, weil sie einander so -grausam verfolgten.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p033" id="Seite_p033">[S. 33]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_neunte_Kapitel" id="Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">In solchen Gedanken entschlief ich vor Unmut und -Kälte mit einem hungrigen Magen.</p> - -<p>Da dünkte mich, als wenn sich alle Bäume gähling -veränderten. Auf jedem Gipfel saß ein Kavalier und -anstatt der Blätter trugen die Äste allerhand Kerle. -Von solchen hatten etliche lange Spieße, andere Musketen, -kurz Gewehr, Partisanen, Fähnlein, auch Trommeln -und Pfeifen, lustig anzusehen und fein gradweis -auseinandergeteilet. Die Wurzel aber war von ungültigen -Leuten, als Handwerkern, Taglöhnern, mehrenteils -Bauren und dergleichen bestanden, welche nichts desto -weniger dem Baum seine Kraft verliehen und erneureten; -ja, sie ersetzten den Mangel der abgefallenen -Blätter aus den Ihrigen zum eigenen noch größeren -Verderben. Benebens seufzten sie über diejenigen, so -auf dem Baume saßen, dann die ganze Last des Baums -lag auf ihnen und drückte sie dermaßen, daß ihnen das -Geld aus dem Beutel herfürging. So es aber nicht -herfürwollte, striegelten sie die <span class="antiqua">Commissarii</span> mit Besen, -die man militarische <span class="antiqua">Execution</span> nennet, daß ihnen die -Seufzer aus dem Herzen, die Tränen aus den Augen, -das Blut aus den Nägeln und das Mark aus den -Beinen herausging.</p> - -<p>Also mußten sich die Wurzeln dieser Bäume in lauter -Mühseligkeit, diejenigen aber auf den untersten Ästen -in größerer Arbeit und Ungemach gedulden und durchbringen. -Doch waren diese jeweils lustiger, aber auch -trotzig, mehrenteils gottlos und jederzeit eine schwere, -unerträgliche Last der Wurzel.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p034" id="Seite_p034">[S. 34]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Hunger und Durst, auch Hitz und Kält,<br /></span> -<span class="i0">Arbeit und Armut, wie es fällt,<br /></span> -<span class="i0">Gewalttat, Ungerechtigkeit<br /></span> -<span class="i0">Treiben die Landsknecht allezeit.<br /></span> -</div></div> - -<p>Schlemmen und dämmen, Hunger und Durst, huren -und buben, raßlen und spielen, morden und gemordet -werden, tribulieren und wieder getrillet werden, jagen -und gejagt werden, plündern und geplündert werden, -förchten und wieder geförchtet werden, Jammer anstellen -und wieder jämmerlich leiden, <span class="antiqua">in summa</span> nur -verderben, beschädigen und verderbt, beschädigt werden, -das war ihr ganzes Tun und Wesen. Und nicht Winter -und Sommer, nicht Regen noch Wind, Berg noch Tal, -weder Morast, Gruben, Meer, Mauer, Feuer noch -Wälle, weder Vater noch Mutter, weder Gefahr ihrer -Leiber, Seelen und Gewissen, ja, nicht Verlust des -Lebens noch des Himmels verhinderte sie daran. Sie -weberten in ihren Werken emsig fort, bis sie endlich -in Schlachten, Belägerungen, Stürmen, Feldzügen und -den Quartieren selbsten umkamen, verdarben und krepierten. -Etliche wenige, die in ihrem Alter, wann sie -nicht wacker geschunden und gestohlen hatten, Bettler -und Landstürzer abgaben.</p> - -<p>Zunächst darüber saßen alte Hühnerfänger, die sich -etliche Jahre mit höchster Gefahr auf den untersten -Ästen gehalten hatten, sie sahen etwas reputierlicher aus. -Darüber befanden sich noch höhere, die Wammesklopfer, -weil sie die untersten zu kommandieren hatten. -Sie fegten den Pikenieren mit Prügeln und Höllenpotzmarter -Rücken und Kopf und gaben den Musketierern -Baumöl.</p> - -<p>Darüber hatte des Baumes Stamm einen Absatz,<span class="pagenum"><a name="Seite_p035" id="Seite_p035">[S. 35]</a></span> -ein glatt Stück ohne Äste mit seltsamen Seifen der -Mißgunst geschmieret. Kein Kerl, er sei dann vom -Adel, konnte da hinaufsteigen, dann der Stamm war -glätter poliert als ein stählerner Spiegel.</p> - -<p>Und darüber saßen die mit den Fähnlein, Junge, -denen ihre Vettern hinaufgeholfen, Alte, so auf der -silbernen Leiter, die man Schmiralia nennet, oder -mangels anderer hinaufgestiegen waren. Je höher, desto -besser saßen sie.</p> - -<p>Wann ein <span class="antiqua">Commissarius</span> daherkam und eine Wanne -voll Geld über den Baum abschüttete, solchen zu erquicken, -ließen sie den Untersten soviel wie nichts zukommen. -Dahero pflegten von den Untersten mehr -Hungers zu sterben, als ihrer vom Feind umkamen. -So war ein unaufhörliches Gekrappel und Aufklettern -an diesem Baum. Die Untersten hofften der Oberen Fall, -geriet es einem unter zehentausend, so stund er im verdrüßlichen -Alter, daß er besser hinter den Ofen taugte, -Äpfel zu braten, als im Feld vor dem Feind zu liegen. -Man nahm dahero anstatt der alten Soldaten viel -lieber Plackschmeißer, Kammerdiener, arme Edelleute, -irgends Vettern und Schmarotzer und Hungerleider, die -denen, so etwas meritiert, das Brot vorm Maul abschnitten -und Fähnrich wurden.</p> - -<p>Dieses verdroß einen Feldwaibel so sehr, daß er -trefflich anfing zu schmälen. Aber Adelhold sagte:</p> - -<p>»Graue Bärte schlagen den Feind nicht, man könnte -sonst eine Herde Böcke zu solchem Geschäft dingen. -Sage mir, du alter Krachwadel, ob nicht edelgeborene -Offizierer von der Soldateska besser respektieret werden, -dann die, so zuvor gemeine Knechte gewesen? Ist einem -Baurenbuben, der seinem Vater vom Pfluge entlaufen, -besser zu trauen? Ein rechtschaffener Edelmann, eh er<span class="pagenum"><a name="Seite_p036" id="Seite_p036">[S. 36]</a></span> -seinem Geschlecht durch Untreue, Feldflucht oder sonst -dergleichen einen Schandfleck anhinge, eh würde er -ehrlich sterben. Und wann schon einer von euch ein -guter Soldat ist, der Pulver riechen und in allen Begebenheiten -treffliche Anschläge geben kann, so ist er -darum nicht gleich tüchtig andere zu kommandieren. -Wenn man den Baur über den Edelmann setzte und -also strack zu Herren machte, es stünde nach dem gemeinen -Sprichwort nicht fein:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Es ist kein Schwert, das schärfer schiert,<br /></span> -<span class="i0">Als wann der Baur zum Herren wird.<br /></span> -</div></div> - -<p>Hingegen aber ist ein junger Hund zum jagen viel -freudiger als ein alter Löw.«</p> - -<p>Der Feldwaibel antwortete: »Welcher Narr wollte -dann dienen, wann er nicht hoffen darf, um seine Treue -belohnt zu werden? Der Teufel hole solchen Krieg! -Dann gilt es gleich, ob sich einer wohl hält oder nicht. -Ich habe von unserm alten Obristen vielmals gehöret, -daß er keinen Soldaten begehre, der sich nicht festiglich -einbilde, durch Wohlverhalten ein General zu werden.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Lampe leucht' dir fein, doch mußt du sie auch laben<br /></span> -<span class="i0">Mit fett Olivensaft, die Flamm sonst bald verlischt.<br /></span> -<span class="i0">Getreuer Dienst durch Lohn gemehrt wird und erfrischt.<br /></span> -<span class="i0">Soldatentapferkeit will Unterhaltung haben.<br /></span> -</div></div> - -<p>Ich sehe wohl, die Türen zu Würde und Amt werden -uns durch den Adel verschlossen gehalten. Man setzet -den Adel, wann er aus der Schalen gekrochen, gleich -an solche Örter, da wir uns nimmermehr keine Gedanken -hin machen dörfen, wanngleich wir mehr getan -haben, als mancher <span class="antiqua">Nobilist</span>, den man jetzo für einen -Obristen vorstellet. Also veraltet manch wackerer Soldat<span class="pagenum"><a name="Seite_p037" id="Seite_p037">[S. 37]</a></span> -unter seiner Muskete, der billiger ein Regiment -meritierte.«</p> - -<p>Ich wollte dem alten Esel nicht mehr zuhören, der -oft die armen Soldaten prügelte wie die Hunde.</p> - -<p>Ich wandte mich wieder gegen die Bäume. Das ganze -Land stund deren voll und ich sahe, wie sie sich bewegten -und zusammenstießen. Da prasselten die Kerl -haufenweise herunter, augenblicklich frisch und tot. Und -mich bedauchte alle Bäume wären nur einer, auf dessen -Gipfel saße der Kriegsgott <span class="antiqua">Mars</span> und bedeckte mit des -Baumes Ästen ganz Europam.</p> - -<p>Da hob sich ein scharfer Nordwind. Unter gewaltigem -Gerassel und Zertrümmerung des Baums höret ich -eine Stimme:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Steineich, durch den Wind getrieben und verletzet,<br /></span> -<span class="i0">Ihr eigen Äst abbricht, sich ins Verderben setzet:<br /></span> -<span class="i0">Durch innerlichen Krieg und brüderlichen Streit<br /></span> -<span class="i0">Wird alles umgekehrt und folget lauter Leid.<br /></span> -</div></div> - -<p>Und ich ward aus dem Schlaf erweckt und sahe mich -nur allein in meiner Hütte.</p> - -<p>Dahero fing ich wieder an zu bedenken, was ich -immermehr beginnen sollte. Nichts war mir übrig als -noch etliche Bücher, welche hin- und hergestreut und -durch einander geworfen lagen. Als ich solche mit -weinenden Augen auflase, fand ich ungefähr ein Brieflein, -das mein Einsiedel bei seinem Leben noch geschrieben -hatte.</p> - -<p>‚Lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, wenn du dies Brieflein findest, so -gehe alsbald aus dem Wald und errette dich und den -Pfarrer aus gegenwärtigen Nöten. Bedenke und tue -ohn Unterlaß nach meinen letzten Reden, so wirst du -bestehen mögen. <span class="antiqua">Vale</span>!’</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p038" id="Seite_p038">[S. 38]</a></span> - -Ich küßte das Brieflein und das Grab des Einsiedels -zu viel tausend Malen und machte mich auf den Weg, -Menschen zu suchen. Den dritten Tag kam ich nach -Gelnhausen auf ein Feld, das lag überall voller Garben, -welche die Bauren, weil sie nach der namhaften Schlacht -vor Nördlingen verjagt worden, nicht hatten einführen -können. Da genosse ich gleichsam eines hochzeitlichen -Mahles und sättigte mich mit ausgeriebenem Weizen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p039" id="Seite_p039">[S. 39]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_zehent_Kapitel" id="Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Da es tagete, begab ich mich zum nächsten nach -Gelnhausen und fand das Tor offen, zum Teil -verbrannt, halber noch mit Mist verschanzt. Ich konnte -keines lebendigen Menschen gewahr werden. Die Gassen -hin und her lagen mit Toten überstreut, deren etliche -ganz, etliche aber bis aufs Hemd ausgezogen waren. -Dieser jämmerliche Anblick war mir ein erschröcklich -<span class="antiqua">Spectacul</span>. Kaum zween Steinwürfe weit kam ich in -die Stadt, als ich mich derselben schon sattgesehen hatte. -Derowegen kehrete ich wieder um, ging durch die Aue -nebenhin und kam vor die herrliche Festung Hanau. -Aber mich erdappten von deren erster Wacht gleich zween -Musketierer, die mich in ihre <span class="antiqua">Corps de Garde</span> führten.</p> - -<p>Meine Kleidung und Gebärden waren genugsam verwunderlich, -widerwärtig und durchaus seltsam: Meine -Haare waren in dritthalb Jahren weder auf griechisch, -deutsch, noch französisch abgeschnitten, gekampelt, noch -gekräuselt oder gebüfft worden, sondern sie stunden in -ihrer natürlichen Verwirrung noch mit mehr als jährigem -Staub anstatt des Puders durchstreut. Ich sahe -darunter mit meinem bleichen Angesicht herfür, wie -eine Schleiereule, die auf eine Maus spannet. Und weil -meine Haare von Natur kraus waren, hatte es das -Ansehen, als wann ich einen Turban aufgehabt hätte. -Der übrige Habit stimmte mit der Hauptzier überein. -Ich trug meines Einsiedels tausendfältig geflickten Rock -und darüber das hären Hemd wie ein Schulterkleid, -weil ich die Ärmel an Strumpfs Statt brauchte und -dieselben zu solchem End herabgetrennt hatte. Der ganze -Leib war mit eisernen Ketten hinten und vorn, fein<span class="pagenum"><a name="Seite_p040" id="Seite_p040">[S. 40]</a></span> -kreuzweis, wie man <span class="antiqua">St. Wilhelmum</span> zu malen pfleget, -umgürtet, so daß ich fast denen glich, so von den Türken -gefangen und vor ihre Freunde zu betteln im Land umziehen. -Meine Füße schlurften in Holzschuhen und waren -krebsrot, als wann ich ein Paar Strümpfe auf spanisch -Leibfarb angehabt oder die Haut mit Fernambuc gefärbt -hätte. Ein Gaukler oder Marktschreier vermochte -mich wohl als einen Samojeden oder Grünländer dargeben, -so daß er manchen Narren angetroffen hätte, -der einen Kreuzer an mir versehen konnte. Obzwar ich -nach meinem magern und ausgehungerten Anblick keinem -Frauenzimmer oder irgendeines großen Herrn Hofhaltung -entlaufen sein mochte, so ward ich jedoch unter -der Wacht streng examiniert. Und gleichwie sich die Soldaten -an mir vergafften, also betrachtet ich hingegen -ihres Offizierers tollen Aufzug, dem ich Red und Antwort -geben mußte. Ich wußte nicht, ob er Sie oder -Er wäre, dann er trug Haare und Bart auf französisch: -zu beiden Seiten hatte er lange Zöpfe wie Pferdeschwänze -und sein Bart war so elend zugerichtet und -verstümpelt, daß zwischen Maul und Nase nur noch -etliche wenige Haare kurz davongekommen. Nicht weniger -satzten mich seine weiten Hosen des Geschlechtes -halber in nicht geringe Zweifel, als welche mir vielmehr -einen Weiberrock dann ein Paar Mannshosen vorstelleten. -Gewißlich ist es ein Weib, gedachte ich, dann -eine ehrlicher Mann wird seinen Bart wohl nimmermehr -so jämmerlich verketzern lassen. Endlich hielt ich -ihn für einen Mann und Weib zugleich.</p> - -<p>Dieser weibische Mann ließ mich überall besuchen, -fand aber nichts bei mir als ein Büchlein von Birkenrinden, -darin ich meine täglichen Gebete geschrieben -und auch meines frommen Einsiedels Zettlein, so er<span class="pagenum"><a name="Seite_p041" id="Seite_p041">[S. 41]</a></span> -mir zum <span class="antiqua">Valete</span> hinterlassen, liegen hatte. Solches nahm -er mir. Ich fiel vor ihm nieder, fasste ihn um beide -Knie und sagte:</p> - -<p>»Mein lieber Hermaphrodit, laß mir doch mein Gebetbüchlein!«</p> - -<p>»Du Narr,« antwortete er, »wer Teufel hat dir gesagt, -daß ich Hermann heiß!«</p> - -<p>Befahl darauf zweien Soldaten mich mitsamt dem -Büchlein, dann der Geck konnte nicht lesen, zum Gubernator -zu bringen. Und jedermann lief zu, als wenn -ein Meerwunder zur Schau geführet würde.</p> - -<p>Der Gubernator fragte mich, wo ich herkäme. Ich -antwortete: »Ich weiß es nicht.« Er fragte weiter: -»Wo willst du dann hin?« Meine Antwort war: »Ich -weiß es nicht.« — »Was Teufel weißt du dann? Was -ist deine Hantierung?« Ich kunnt nur sagen: »Ich weiß -es nicht.« — »Wo bist du zuhaus?« Als ich nun wiederum -antwortete, ich wüßte es nicht, veränderte er -seine Mienen, weiß nicht, ob es aus Zorn oder Verwunderung -geschahe. Dieweil aber jedermann das Böse -zu argwöhnen pfleget, zumal auch der Feind nahe war, -der in voriger Nacht Gelnhausen eingenommen und -ein Regiment Dragoner darin zu Schanden gemacht -hatte, hielt mich der Gubernator für einen Kundschafter. -Die Wachtsoldaten gaben Bericht, daß anders -nichts bei mir wäre gefunden worden, als gegenwärtiges -Büchlein, darin er alsbald ein paar Zeilen las und -fragte, wer mir das Büchlein gegeben hätte. Ich antwortete, -es wäre von Anfang mein Eigen und von -mir selbst gemacht und überschrieben.</p> - -<p>»Warum eben auf birkenen Rinden?«</p> - -<p>»Weil sich die Rinden von andern Bäumen nicht -darzu schicken.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p042" id="Seite_p042">[S. 42]</a></span> - -»Du Flegel, ich frage, warum du nicht auf Papier -geschrieben hast.«</p> - -<p>»Wir haben keins mehr im Wald gehabt.«</p> - -<p>»Wo, in welchem Wald?«</p> - -<p>Ich antwortete wieder auf meinem alten Schrot, ich -wüßte es nicht. Da wandte sich der Gubernator zu -etlichen Offizierern, die ihm eben aufwarteten: »Entweder -ist dieser ein Erzschelm oder gar ein Narr.« -Und indem er redete, blätterte er in meinem Büchlein -so stark herum, daß des Einsiedel Briefchen herausfallen -mußte. Solches ließ er aufheben, ich aber entfärbte -mich darüber, weil ichs vor meinen höchsten -Schatz und Heiligtum hielt, daher der Gubernator noch -größeren Argwohn schöpfte. Er las den Brief und -sagte: »Ich kenne einmal diese Hand und weiß, daß sie -von einem wohlbekannten Kriegsoffizier ist geschrieben -worden, ich kann mich aber nicht entsinnen von welchem.«</p> - -<p>So kam ihm auch der Inhalt seltsam und unverständlich -vor.</p> - -<p>»Dies ist ohn Zweifel,« erkläret er, »eine abgeredte -Sprache, die sonst niemand verstehet. Wie heißt du?«</p> - -<p>»<span class="antiqua">Simplicius</span>.«</p> - -<p>»Ja, ja, du bist eben der rechte Kauz. Fort, daß man -ihn alsobald an Hand und Fuß in Eisen schließe!«</p> - -<p>Also wanderten die beiden Soldaten mit mir nach -meiner neuen Herberge, dem Stockhaus, und überantworteten -mich dem Gewaltiger, der mich mit Ketten -an Händen und Füßen zierete, gleichsam als hätte ich -nicht genug an mir getragen.</p> - -<p>Dieser Willkomm war der Welt noch zu lieblich, dann -es kamen Henker und Steckenknechte mit erschröcklichen -Folterungsinstrumenten, die meinen elenden Zustand -allererst grausam machten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p043" id="Seite_p043">[S. 43]</a></span> - -»Ach Gott,« sagte ich zu mir, »wie geschiehet dir so -recht! O, du unglückseliger <span class="antiqua">Simplici</span>! Dahin bringet dich -deine Undankbarkeit: Siehe Gott hatte dich kaum zu -seiner Erkanntnus und in seine Dienste gebracht, so -laufst du hingegen aus seinen Diensten. O blinder Ploch, -du hast dieselben verlassen, deinen schändlichen Begierden -genug zu tun und die Welt zu sehen! Jetzt fahre -hin und empfahe den Lohn deiner gehabten eitelen -Gedanken und vermessenen Torheit!«</p> - -<p>Indessen näherten wir uns dem Diebsturm, und als -die Not am größten, da war die Hilfe Gottes am -nähesten: dann als ich mit den Schergen samt einer -großen Menge vorm Gefängnus stund, zu warten bis -es aufgemachet, wollte mein Pfarrer (dann er lag zunächst -dabei auch im Arrest) sehen, was da vorhanden -wäre. Er sahe mich und rief überlaut: »O <span class="antiqua">Simplici</span>, -bist du es!«</p> - -<p>Da hub ich beide Hände auf und schrie: »O Vater! -O Vater!«</p> - -<p>Er fragte mich, was ich getan hätte. Ich antwortete, -ich wüßte es nicht. Als er aber den Umstand vernahm, -bat er, man wollte mit mir inhalten, bis er meine Beschaffenheit -dem Herrn Gubernator berichtet hätte, dann -solches würde verhüten, daß er sich an uns beiden -vergreife.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p044" id="Seite_p044">[S. 44]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_elfte_Kapitel" id="Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Es wurde erlaubt, und über eine halbe Stunde ward -ich auch geholt und in die Gesindestube gesetzet, -allwo sich schon zween Schneider, ein Schuster mit -Schuhen, ein Kaufmann mit Hüten und Strümpfen -und ein anderer mit allerhand Gewand eingestellt hatten, -damit ich ehist gekleidet würde. Folgends erschien ein -Feldscherer mit scharfer Lauge und wohlriechender Seife -und eben als dieser seine Kunst an mir üben wollte, -kam ein anderer Befehl, welcher mich greulich erschreckte: -Ich sollte meinen Habit wieder anziehen. War -aber nicht böß gemeint, dann es kam ein Maler mit -seinen Werkzeugen daher, nämlich mit Minien und -Zinober zu meinen Augenlidern, mit Lack, Endig und -Lasur zu meinen Korallenlippen, mit Auripigmentum, -Rausch-schütt und Bleigelb zu meinen weißen Zähnen, -die ich vor Hunger bleckte, mit Kienruß, Kohlschwärz -und Umbra zu meinen blonden Haaren, mit Bleiweiß -zu meinen gräßlichen Augen und mit sonst vielerlei -Farben zu meinem wetterfarbigen Rock, auch hatte er -eine ganze Hand voll Pensel. Dieser fing an, mich zu -beschauen, abzureißen, zu untermalen, seinen Kopf über -die Seite zu hängen, um seine Arbeit gegen meine Gestalt -genau zu betrachten, und änderte so lange, bis er -endlich ein natürliches Muster entworfen hatte, wie -<span class="antiqua">Simplicius</span> eins war. Alsdann dorfte allererst der Feldscherer -über mich herwischen, derselbe zwackte mir den -Kopf und richtete wohl anderthalb Stund an meinen -Haaren, folgends schnitt er sie ab auf die damalige -Mode, dann ich hatte Haar übrig. Nachgehends satzte -er mich in ein Badstüblein und säuberte meinen ausgehungerten<span class="pagenum"><a name="Seite_p045" id="Seite_p045">[S. 45]</a></span> -Leib von mehr als drei- und vierjähriger -Unlust. Kaum war er fertig, da brachte man mir ein -weißes Hemd, Schuhe und Strümpfe samt einem Überschlag -und Kragen, auch Hut und Feder. Die Hosen -waren gar schön ausgemacht und überall mit Galaunen -verbrämt. Die Schneider arbeiteten noch auf die Eil -am Wams. Der Koch stellte sich mit einem kräftigen -Süpplein ein und die Kellerin mit einem Trunk. Da -saß mein Herr <span class="antiqua">Simplicius</span> wie ein junger Graf zum -besten <span class="antiqua">accommodiert</span>. Ich glaube schwerlich, daß ich -mein Lebtag ein einzig Mal eine größere Wollust empfunden -als eben damals. Mein Waldkleid samt Ketten -und allem Zugehör ward in die Kunstkammer zu andern -raren Sachen und Antiquitäten getan, daneben -mein Bildnus.</p> - -<p>Nach dem Nachtessen ward ich in ein Bette geleget, -dergleichen ich nie gekannt. Aber mein Bauch knurrte -und murrte die ganze Nacht hindurch, daß ich nicht -schlafen konnte, weil er entweder nicht wußte, was gut -war, oder weil er sich über die anmütigen, neuen Speisen -verwunderte. Ich blieb aber liegen, bis die liebe Sonne -wieder leuchtete.</p> - -<p>Denselben Morgen gab mir der Gubernator einen -Leibschützen, der mich zu meinem Pfarrer brachte. In -dessen <span class="antiqua">Museo</span> satzten wir uns und er ließ mich vernehmen:</p> - -<p>»Lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, der Einsiedel, den du im Walde -angetroffen und bis zu seinem Tode Gesellschaft geleistet -hast, ist nicht allein des hießigen Gouverneurs Schwager, -sondern auch im Krieg sein Beförderer und wertester -Freund gewesen, wie dem Gubernator mir zu erzählen -beliebet. Ihm ist von Jugend auf weder an Tapferkeit -noch an Gottseligkeit niemals nichts abgegangen, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_p046" id="Seite_p046">[S. 46]</a></span> -beiden Tugenden man zwar selten bei einander zu finden -pflegt. Sein geistlicher Sinn und widerwärtige Begegnüsse -hemmten endlich den Lauf seiner weltlichen Glückseligkeit, -daß er Adel und ansehnliche Güter verschmähete -und hintan setzte und sein Dichten und Trachten fortan -nur nach einem erbärmlichen, eremitischen Leben gerichtet -war. — Ich will dir aber auch nicht verhalten, -wie er in den Spessart zu solchem Einsiedlerleben gekommen -sei.</p> - -<p>Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht -von Höchst verloren worden, kam er einzig und allein -vor meinen Pfarrhof, als ich eben mit meinem Weib -und Kindern gegen den Morgen entschlafen war, weil -wir wegen des Lärmens im Land, beides: der Flüchtigen -und Nachjagenden, die vorige und auch selbige -halbe Nacht durch und durch gewachet hatten. Er -klopfte erst sittig an, folgends ungestüm genug, bis er -mich und mein schlaftrunkenes Gesind erweckte. Nach -wenig Wortwechseln, welches beiderseits gar bescheiden -fiel, ward ihm die Tür geöffnet, und ich sahe den Kavalier -vom Pferde steigen. Sein kostbarlich Kleid war -ebenso sehr mit seiner Feinde Blut besprengt als mit -Gold und Silber verbrämt. Er besänftigte Forcht und -Schrecken, indem er seinen bloßen Degen einsteckte, und -ich sprach ihn seiner schönen Person und des herrlichen -Ansehens halber vor den Mansfelder selbst an. Er -aber sagte, er sei denselben vor diesmal nur in der -Unglückseligkeit nicht allein zu vergleichen, sondern auch -vorzuziehen. Drei Dinge beklagte er: Seine verlorene, -hochschwangere Gemahlin, die verlorene Schlacht und, -daß er nicht vor das Evangelium sein Leben zu lassen -das Glück gehabt hätte. Ich wollte ihn trösten, sahe -aber bald, daß seine Großmütigkeit keines Trostes bedurfte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p047" id="Seite_p047">[S. 47]</a></span> -Er begehrte ein Soldatenbett von frischem -Stroh.</p> - -<p>Das erste am folgenden Morgen war, daß er mir -sein Pferd schenkte und sein Gold samt etlichen köstlichen -Ringen unter meine Frau, Kinder und Gesinde -austeilete. Ich trug Bedenken, so große Verehrung -anzunehmen. Er aber sagte, er wollte mich vor Gefahr -des Argwohns mit seiner eigenen Handschrift versichern, -ja er begehrte sogar sein Hemd, geschweige seine Kleider -aus meinem Pfarrhof nicht zu tragen. Ich wehrete mit -Händen und Füßen, was ich konnte, weil solches Vorhaben -zumal nach dem Papsttum schmäcke (dann er -eröffnete unumwunden, ein Eremit zu werden) mit Erinnerung, -daß er dem Evangelio mehr mit seinem -Degen würde dienen können. Aber vergeblich. Ich mußte -ihn mit denjenigen Büchern und Hausrat montieren, -die du bei ihm gefunden, und er ließ sich einen Rock -aus der wollenen Decke machen, darunter er dieselbe -Nacht auf dem Stroh geschlafen. So mußte ich auch -meine Wagenketten mit ihm um eine göldene, daran er -seiner Liebsten Conterfait trug vertauschen.</p> - -<p>Nachdem nun neulich die Schlacht vor Nördlingen -verloren, habe ich mich hierher in Sicherheit geflehnet, -weil ich ohn das schon meine besten Sachen hier hatte. -Als mir die baren Geldmittel aufgehen wollten, nahm -ich drei Ringe und obgemeldte göldene Kette mit samt -dem anhangenden Conterfait und trugs zum Juden, -solches zu versilbern. Der hat es aber der Köstlichkeit -und schönen Arbeit wegen dem Gubernator käuflich -angetragen, welcher das Wappen, maßen ein Petschierring -darunter war, und das Conterfait erkannt, nach -mir geschickt und mich befragt hat. Ich wiese des Einsiedlers -Handschrift oder Übergabsbrief auf und erzählte,<span class="pagenum"><a name="Seite_p048" id="Seite_p048">[S. 48]</a></span> -wie er gelebet und gestorben. Er wollte solches nicht -glauben, sondern kündete mir den Arrest an, bis er die -Wahrheit am Orte ergründet und dich hierher gebracht -hätte. Da ist mir nun durch dich, indem du mich erkannt, -insonderheit aber durch das Brieflein, so in -deinem Gebetbuch gefunden ward, ein trefflichs Zeugnis -gegeben worden. Als will er dir und mir wegen seines -Schwagers selig Gutes tun, du darfst dich jetzt nur -resolviern, was du wilt, daß er dir tun soll.«</p> - -<p>Ich antwortete, es gälte mir gleich.</p> - -<p>Der Pfarrer zögerte mich auf seinem Losament bis -zehn Uhr, eh er mit mir zum Gubernator ging, damit -er bei demselben zu mittags Gast sein könne. Dann es -war damals Hanau blockiert und eine solche klemme Zeit -bei dem gemeinen Mann, bevor aber den Flüchtlingen -in selbiger Festung, daß auch etliche, die sich etwas einbildeten, -die angefrorenen Rubschälen auf den Gassen, -so die Reichen etwa hinwarfen, aufzuheben nicht verschmäheten. -Es glückte dem Pfarrer auch sowohl, daß -er neben dem Gubernator selbst über der Tafel zu sitzen -kam. Ich aber wartete auf mit einem Teller in der -Hand, wie mich der Hofmeister anwiese, in welches ich -mich zu schicken wußte wie ein Esel ins Schachspiel. -Aber der Pfarrer ersatzte allein mit seiner Zunge, was -die Ungeschicklichkeit meines Leibes nicht vermochte. -Er erzählte meine Auferziehung in der Wildnus und -wie ich dahero wohl vor entschuldigt zu halten, meine -Treue, die ich dem Einsiedel erwiesen und unser hartes -Leben, weiters daß der Einsiedel all seine Freude an -mir gehabt, weil ich seiner Liebsten von Angesicht so -ähnlich sei. Er rühmte meine Beständigkeit und unveränderlichen -Willen. <span class="antiqua">In summa</span> er konnte nicht genugsam -aussprechen, wie der Einsiedel mich ihm mit ernstlicher<span class="pagenum"><a name="Seite_p049" id="Seite_p049">[S. 49]</a></span> -Inbrünstigkeit kurz vor seinem Tod <span class="antiqua">rekommendieret</span>.</p> - -<p>Dies kützelte mich dermaßen in Ohren, daß mich bedünkte, -ich hätte schon Ergötzlichkeit genug vor alles -empfangen, das ich je bei dem Einsiedel ausgestanden. -Der Gubernator fragte, ob sein seliger Schwager nicht -gewußt hätte, daß er derzeit in Hanau kommandiere. -»Freilich,« antwortete der Pfarrer, »ich habe es ihm -selbst gesagt. Er hat es aber zwar mit einem fröhlichen -Gesicht und kleinem Lächlen, jedannoch so kaltsinnig -angehört, daß ich mich über des Mannes Beständigkeit -und festen Vorsatz verwundern muß.«</p> - -<p>Dem Gubernator, der sonst kein weichherzig Weibergemüt -hatte, stunden die Augen voll Wasser, da er sagte:</p> - -<p>»Hätte ich gewußt, daß er noch im Leben, so wollte -ich ihn auch wider Willen haben holen lassen, damit -ich ihm seine Guttaten hätte erwidern können. Als will -ich anstatt seiner seinen <span class="antiqua">Simplicium</span> versorgen. Ach, -der redliche Kavalier hat wohl Ursache gehabt, seine -schwangere Gemahlin zu beklagen, dann sie ist von -einer Partei kaiserlicher Reuter im Spessart gefangen -worden. Ich habe einen Trompeter zum Gegenteil geschickt, -meine Schwester zu ranzionieren, habe aber -nichts erfahren, als daß meine Schwester denen Reutern -im Spessart verloren gegangen sei, da sie von etlichen -Bauren zertrennt worden.«</p> - -<p>Ich ward also des Gubernators Page und ein solcher -Kerl, den die Leute, sonderlich die Bauren, bereits -Herr Jung nannten.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p050" id="Seite_p050">[S. 50]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_zwoelfte_Kapitel" id="Das_zwoelfte_Kapitel">Das zwölfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Damals war bei mir nichts schätzbarliches als ein -rein Gewissen. Ich kannte von den Lastern nichts -anderes, als daß ich sie etwan nennen gehört oder -davon gelesen hatte, und wann ich deren eines wirklich -begehen sahe, wars mir eine erschröckliche und seltene -Sache. Herr Gott, wie wunderte ich mich anfänglich, -wann ich das Gesetz und Evangelium samt den getreuen -Warnungen Christi betrachtete und hingegen -derjenigen Werke ansahe, die sich vor seine Jünger und -Nachfolger ausgaben! Ich fand eitel Heuchelei und -unzählbare Torheiten bei allen Weltmenschen, daß ich -verzweifelte, ob ich Christen vor mir hätte oder nicht. -Also hatte ich wohl tausenderlei Grillen und seltsame -Gedanken in meinem Gemüt und geriet in schwere -Anfechtung wegen des Befehles Christi: Richtet nicht, -so werdet ihr auch nicht gerichtet.</p> - -<p>Nächst der Hoffart und dem Geiz samt deren ehrbaren -Anhängen waren Fressen und Saufen, Huren -und Buben bei den Vermüglichen eine tägliche Übung. -Aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gottes -machten sie nur einen Scherz. Zum Exempel hörete ich -einsmals einen Ehebrecher, der seiner Tat noch gerühmet -sein wollte: »Es tuts dem geduldigen Hanrei -genug, daß er meinetwegen ein Paar Hörner trägt. -Ich habs mehr dem Mann zu Leid als der Frau zu -Lieb getan, damit ich mich an ihm rächen möchte.«</p> - -<p>»O, kahle Rache,« antwortete ein ehrbar Gemüt, -»dadurch man sein eigen Gewissen beflecket und den -schändlichen Namen eines Ehebrechers überkommt!«</p> - -<p>»Was Ehebrecher,« antwortete der mit Gelächter,<span class="pagenum"><a name="Seite_p051" id="Seite_p051">[S. 51]</a></span> -»ich bin darum kein Ehebrecher, wannschon ich diese -Ehe ein wenig gebogen habe. Dies seind Ehebrecher, -wovon das sechst Gebot saget, daß keiner einem andern -in Garten steigen und die Kirschen eher brechen solle -als der Eigentumsherr.«</p> - -<p>Und er nannte nach seinem Teufelskatechismo den -gütigen Gott einen Ehebrecher, weil er Mann und -Weib durch den Tod von einander trennet.</p> - -<p>Ich sagte, wiewohl er ein Offizierer war, aus übrigem -Eifer und Verdruß zu ihm: »Meinst du nicht, daß du -dich mit diesen gottlosen Worten mehr versündigest, als -mit dem Ehebruch selbst?«</p> - -<p>Er aber antwortete: »Du Mauskopf, soll ich dir -ein paar Ohrfeigen geben?«</p> - -<p>Und ich vermerkte bald, daß jeder Weltmensch einen -besonderen Nebengott hatte, ja, etliche hatten wohl -mehr als die alten und neuen Heiden selbsten. Einige -hatten den ihren in den Geldkisten, andere in der Reputation, -noch andere in ihrem Kopf, so ihnen Gott -ein gesund Gehirn verliehen, also daß sie einzige Künste -und Wissenschaften zu fassen geschickt waren. Auch gab -es viel, deren Gott ihr eigener Bauch war, welchem -sie täglich zu allen Mahlzeiten opferten, und wann -solcher sich unwillig erzeigte, so machten die elenden -Menschen einen Gott aus dem <span class="antiqua">Medico</span> und suchten -ihres Leibes Aufenthalt in der Apotheke, aus welcher -sie zwar öfters zum Tod befördert wurden. Manche -Narren machten Göttinnen aus glatten Metzen, sie -nannten sie mit andern Namen und beteten sie Tag -und Nacht an mit tausend Seufzen und Liedern. Hingegen -waren Weibsbilder, die hatten ihre eigene Schönheit -vor ihren Gott aufgeworfen. Sie brachten ihr -Opfer mit Schminke, Salben, Wassern, Pulvern und<span class="pagenum"><a name="Seite_p052" id="Seite_p052">[S. 52]</a></span> -sonst Schmiersel genug. Ich sahe Leute, die wohlgelegene -Häuser vor Götter hielten, und ich kannte -einen Kerl, der konnte in etlichen Jahren vor dem -Tabackhandel nicht recht schlafen, weil er demselben sein -Herz, Sinne und Gedanken geschenkt hatte. Aber der -Phantast starb und fuhr dahin wie der Tabakrauch -selbst. Ein anderer Gesell, als bei einer Gesellschaft -erzählet ward, wie jeder sich in dem greulichen Hunger -und teueren Zeiten ernährt und durchgebracht, sagte -mit deutschen Worten: Die Schnecken und Frösche seien -sein Herrgott gewesen.</p> - -<p>Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in -eine Kunstkammer, darin schöne Raritäten waren. Unter -den Gemälden gefiel mir nichts besser als ein <span class="antiqua">Ecce-Homo</span> -wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es -die Anschauenden gleichsam zum Mitleiden verzuckte. -Darneben hing eine papierene Karte, in China gemalt, -darauf stunden der Chineser Götter in ihrer Majestät -sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren. Der -Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner -Kunstkammer mir am besten gefiele. Ich deutete auf -besagtes <span class="antiqua">Ecce-Homo</span>. Er aber sagte ich irre mich, der -Chineser Gemält wäre rarer und dahero auch köstlicher, -er wolle es nicht um zehen solcher <span class="antiqua">Ecce-Homo</span> -manglen. Ich antwortete: »Herr ist Euer Herz wie -Euer Mund?« Er sagte: »Ich versehe michs.« Darauf -ich: »So ist auch Eures Herzens Gott derjenige, dessen -Conterfait Ihr mit dem Mund bekennet, das Köstlichste -zu sein.« »Phantast,« rief er, »ich <span class="antiqua">aestimiere</span> die -Rarität!«</p> - -<p>So sehr wurden nun diese Abgötter nicht geehret, -als hingegen die wahre Göttliche Majestät verachtet. -Christus spricht: ‚Liebet eure Feinde, segnet die euch<span class="pagenum"><a name="Seite_p053" id="Seite_p053">[S. 53]</a></span> -fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, -so euch beleidigen und verfolgen, aufdaß ihr Kinder -seid eures Vaters im Himmel. Dann so ihr liebet, die -euch lieben, was werdet ihr für einen Lohn haben? -Tun solches nicht auch die Zöllner? Und so ihr euch -nur zu eueren Brüdern freundlich zeiget, was tut ihr -Sonderlichs? Tun nicht die Zöllner also auch?’</p> - -<p>Aber ich fand nicht allein niemand, der diesem Befehl -Christi nachzukommen begehrte, sondern jeder tät -gerade das Widerspiel.</p> - -<p>Es hieß: viel Schwäger, viel Knebelspieße. Und -nirgends fand ich mehr Neid, Haß, Mißgunst, Hader -und Zank als zwischen Brüdern und Schwestern und -andern angeborenen Freunden, sonderlich wann ihnen -ein Erbe zu teilen zugefallen. Wo die größte Liebe und -Treue sein sollte, fand ich höchste Untreue und den -gewaltigsten Haß. Herren schunden ihre getreuen Diener, -und solche wurden an ihren frommen Herren zu -Schelmen. Den continuierlichen Zank vermerkte ich -zwischen vielen Eheleuten. Mancher Tyrann hielt sein -ehrlich Weib ärger als einen Hund, und manch lose -Vettel ihren frommen Mann vor einen Narren und -Esel. Die Handelsleute und Handwerker rannten mit -dem Judenspieß gleichsam um die Wette und sogen -durch allerhand Fünde und Vorteil dem Baursmann -seinen sauren Schweiß ab. Hingegen waren teils Bauren -so gottlos, andere Leute, wann die nicht rechtschaffen -genug mit Boßheit durchtrieben waren, oder wohl -gar ihren Herren selbst, unter Schein der Einfalt zu -begaunern.</p> - -<p>Ich sahe einsmals einen Soldaten einem andern eine -dichte Maulschelle geben und bildete mir ein, der Geschlagene -würde den andern Backen auch darbieten.<span class="pagenum"><a name="Seite_p054" id="Seite_p054">[S. 54]</a></span> -Aber ich irrte, dann der Beleidigte zog vom Leder und -versatzte dem Täter eins vor den Kopf.</p> - -<p>Ich sagte: »Ach Freund, was machst du!«</p> - -<p>Er antwortete: »Da wäre einer ein Bernheuter! Ich -will mich, schlag mich der Donner und hol mich der -Teufel, selbst rächen oder das Leben nicht haben! Hei, -müßte doch einer ein Schelm sein, der sich so coujonieren -ließe!«</p> - -<p>Das Lärmen zwischen den zweien Duellanten vergrößerte -sich, weilen beiderseits Beiständer auch in die -Haare kamen. Da bliebs bei geringen Kinderschwüren -nicht. Die heiligen Sakramente mußten nicht nur siebenfach, -sondern auch mit hunderttausenden soviel Tonnen, -Galeeren und Stadtgräben voll heraus, also daß mir -alle Haare zu Berg stunden.</p> - -<p>Zum allerschröcklichsten kam es mir vor, wann ich -etliche Großsprecher sich ihrer Boßheit, Sünden, Schande -und Laster rühmen hörte. Da vernahm ich zu unterschiedlichen -Zeiten:</p> - -<p>»Potz Blut, wie haben wir gestern gesoffen! Ich -habe mich in einem Tag wohl dreimal vollgesoffen -und eben soviel Mal gekotzt!«</p> - -<p>»Potz Stern, wie haben wir die Bauren, die Schelmen, -tribuliert!«</p> - -<p>»Potz Strahl, wie haben wir Beuten gemacht!«</p> - -<p>»Potz hundert Gift, wie haben wir einen Spaß mit -den Weibern und Mägden gehabt!«</p> - -<p>»Ich habe ihn darniedergehauen, als wenn ihn der -Hagel hätte darnieder geschlagen.«</p> - -<p>»Ich habe ihn geschossen, daß er das Weiße über -sich kehrte.«</p> - -<p>»Ich habe ihn so artlich über den Tölpel geworfen, -daß ihn der Teufel hätte holen mögen. — Ich habe<span class="pagenum"><a name="Seite_p055" id="Seite_p055">[S. 55]</a></span> -ihm den Stein gestoßen, daß er den Hals hätte brechen -mögen.«</p> - -<p>In Gottes Namen sündigten sie, was wohl zu erbarmen -ist: »Wir wollen in Gottesnamen auf Partei, -plündern, niedermachen, in Brand stecken.«</p> - -<p>Wann ich so etwas hörete und sahe und, wie meine -Gewohnheit war, mit der Hl. Schrift hervorwischte, -so hielten mich die Leute vor einen Narren und ich -ward ausgelachet, daß ich endlich auch unwillig wurde -und mir vorsatzte, gar zu schweigen.</p> - -<p>Als ich demnach vermeinete, ich hätte Ursach zu -zweifeln, ob ich unter Christen wäre oder nicht, ging -ich zu dem Pfarrer mit der Bitte, er wolle mir doch -aus dem Traum helfen. Der Pfarrer antwortete: »Freilich -sind sie Christen und wollte ich dir nicht raten, -daß du sie anderst nennen solltest. Dessen verwundere -dich nicht. Wann die Apostel selbst anjetzo auferstehen -und in die Welt kommen sollten, sie würden jeder -männiglich vor Narren gehalten sein. Was du siehest -und hörest ist eine allgemeine Sache und nur Kinderspiel -dagegen, was sonsten so heimlich, als offentlich -und mit Gewalt wider Gott und den Menschen vorgeht. -Laß dich das nicht ärgern. Du wirst wenig Christen -finden, wie dein Einsiedel einer gewesen ist.«</p> - -<p>Indem führet man etliche Gefangene über den Platz -und wir beschaueten sie auch. Da vernahm ich eine neue -Mode einander zu grüßen und zu bewillkommnen, dann -einer unserer Guarnison kannte einen Gefangenen. Zu dem -ging er, gab ihm die Hand und druckete sie vor lauter Freude -und Treuherzigkeit, dabei er sagte: »Daß dich der Hagel -erschlage, lebst du noch, Bruder? Potz Fickerment, wie -führt uns der Teufel hier zusammen! Ich habe, schlag mich -der Donner vorlängst gemeinet, du wärest gehängt worden!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p056" id="Seite_p056">[S. 56]</a></span> - -Darauf antwortete der andere: »Potz Blitz Bruder, -bist dus oder bist dus nicht? Daß dich der Teufel hole, -wie bist du hierher gekommen? Ich hätte mein Lebtag -nicht vermeinet, daß ich dich wieder antreffen würde, -sondern habe gedacht, der Teufel hätte dich vorlängst -hingeführet!«</p> - -<p>Und als sie von einander gingen, sagte einer zum -andern:</p> - -<p>»Strick zu, Strick zu, morgen kommen wir vielleicht -zusammen, dann wollen wir brav mit einander saufen!«</p> - -<p>Ich verwunderte mich und ging, dem Gubernator -aufzuwarten, dann ich hatte gewisse Zeiten Erlaubnus, -die Stadt zu beschauen, weil mein Herr von meiner -Einfalt Wind hatte und gedachte, solche würde sich -legen, wann ich herumterminierte und von andern gehobelt -und gerülpt würde.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p057" id="Seite_p057">[S. 57]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_dreizehnte_Kapitel" id="Das_dreizehnte_Kapitel">Das dreizehnte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Meines Herren Gunst mehrete sich täglich, weil ich -nicht allein seiner Schwester je länger, je gleicher -sahe, sondern auch ihm selbsten, indem die guten Speisen -und faulen Täge mich glatthärig machten. Wer etwas -mit dem Gubernator zu tun hatte, erzeigte sich mir -günstig, und sonderlich mochte mich der <span class="antiqua">Secretarius</span> -wohl leiden, indem mir derselbe rechnen lernen mußte.</p> - -<p>Er war erst von den Studien gekommen und stak -noch voller Schulpossen, die ihm zu Zeiten ein Ansehen -gaben, als wann er einen Sparren zu viel oder zu -wenig gehabt hätte. Er überredete mich oft, schwarz -sei weiß und weiß sei schwarz, dahero kam es, daß ich ihm -in der Erste alles und aufs letzte gar nichts mehr glaubte.</p> - -<p>Einsmals tadelte ich sein schmierig Tintenfaß, er -aber antwortete solches sei sein bestes Stück in der -ganzen Kanzlei, dann daraus lange er hervor, was er -begehre, die schönsten Dukaten, Kleider und <span class="antiqua">in summa</span>, -was er vermöchte, hätte er nach und nach herausgefischt. -Ich wollte das von einem so kleinen, verächtlichen -Ding nicht glauben. Hingegen sagte er, solches -Vermöge der <span class="antiqua">spiritus papyri</span> (also nannte er die Tinte) -und das Tintenfaß würde darum Faß genannt, weil -es große Dinge fasse.</p> - -<p>»Wie soll mans herausbringen, sintemal man kaum -zween Finger hineinstecken kann?«</p> - -<p>Er antwortete, er hätte einen Arm im Kopf, der -solche Arbeit verrichten müsse und verhoffe sich bald -auch eine schöne, reiche Jungfrau herauszulangen. -Wann er Glück hätte, so getraue er auch ein eigen -Land und Leute heraus zu bringen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p058" id="Seite_p058">[S. 58]</a></span> - -Ich mußte mich über diese künstlichen Griffe verwundern -und fragte, ob noch mehr Leute solche Kunst -könnten.</p> - -<p>»Freilich, alle Kanzler, Doktoren, <span class="antiqua">Secretarii</span>, Prokuratoren -oder Advokaten, <span class="antiqua">Commissarii</span>, <span class="antiqua">Notarii</span>, Kauf- -und Handelsherren, so, wann sie nur fleißig fischen, -zu reichen Herren daraus werden.«</p> - -<p>Ich meinte so seien die Bauren und andere arbeitsame -Leute nicht witzig, daß sie im Schweiß ihres -Angesichtes ihr Brot essen und diese Kunst nicht auch -lernen. Er aber sagte: »Etliche wissen der Kunst -Nutzen nicht, dahero begehren sie solche auch nicht zu -lernen; etliche wolltens gern, mangeln aber des Arms -im Kopfe oder anderer Mittel; etliche lernen die Kunst -und haben Arms genug, wissen aber die Griffe nicht, -so die Kunst erfordert, wenn man dadurch will reich -werden; andere wissen und können alles, was dazu gehöret, -sie wohnen aber in der Fehlhalde und haben -keine Gelegenheit wie ich, die Kunst zu üben.«</p> - -<p>Als wir dergestalt vom Tintenfaß diskurierten, kam -mir das Titularbuch ungefähr in die Hände, darin fand -ich mehr Torheiten, als mir bisher noch nie vor Augen -gekommen.</p> - -<p>Ich rief: »Alles sind ja Adamskinder und eines Gemächts -miteinander, Staub und Aschen, woher kommt -ein so großer Unterschied? Allerheiligst, Unüberwindlichst, -Durchleuchtigst! Sind das nicht göttliche Eigenschaften? -<em>Der</em> ist gnädig, der ander gestreng und was -tut das Geboren dabei? <em>Die</em> heißen Hoch-, Wohl-, Vor-Großgeachte! -Was ist das vor ein närrisch Wort: Vorsichtig! -Wem stehen dann die Augen hinten im Kopf? -Es ist viel rühmlicher, wann einer freundlich tituliert -wird. <span class="antiqua">Item</span> wann das Wort Edel an sich selbsten hochschätzbare<span class="pagenum"><a name="Seite_p059" id="Seite_p059">[S. 59]</a></span> -Tugenden bedeutet, warum es bei Fürsten -und Grafen zwischen hoch und geboren setzen? Und -Wohlgeboren ist eine Lüge, solches möchte eines jeden -Barons Mutter bezeugen, wann man sie fragte, wie -es ihr bei der Entbindung ergangen sei.«</p> - -<p>Der <span class="antiqua">Secretarius</span> und ich lacheten gar sehr. Indem -entrann mir ein so grausamer Leibsdunst, daß beide -ich und der <span class="antiqua">Secretarius</span> darüber erschraken.</p> - -<p>»Trolle dich, du Sau,« sagte er, »zu den andern -Säuen im Stall, mit denen, du Rülp, besser zustimmen, -als mit ehrlichen Leuten konversieren kannst!«</p> - -<p>Und also hatte ich den guten Handel in der Schreibstube, -dem gemeinen Sprüchwort nach, auf einmal -verkerbt.</p> - -<p>Ich kam unschuldig in das Unglück, dann die ungewöhnlichen -Speisen und Arzneien, die mein eingeschnurrtes -Gedärm zurecht bringen sollten, erregten -viel garstige Wetter und Stürm in mir, maßen weder -mein Einsiedel noch mein Knän mich unterrichtet, daß -es übel getan sei, wann man dies Orts der Natur -willfahre.</p> - -<p>Mein Herr hatte nun einen ausgestochenen Essig -zum Pagen neben mir, dem schenkte ich mein Herz. -Aber er eiferte mit mir, wegen der großen Gunst, die -mein Herr zu mir trug. Er besorgte, ich möchte ihm -vielleicht die Schuhe gar austreten und sahe mich -heimlich mit Mißgunst an. Er sann auf Mittel, wie -er mir den Stein stoßen möge und mich zu Fall brächte. -Ich aber vertraute ihm alle meine Heimlichkeiten, so -alle auf kindischer Einfalt und Frömmigkeit bestunden.</p> - -<p>Einsmals schwätzten wir im Bett vom Wahrsagen, -und er versprach mir solches umsonst zu lernen. Hieße -mich darauf den Kopf unter die Decke tun. Ich gehorchte<span class="pagenum"><a name="Seite_p060" id="Seite_p060">[S. 60]</a></span> -fleißig und gab auf die Ankunft des Wahrsagegeistes -genaue Achtung. Potz Glück! Desselben Einzug -in meine Nase war so stark, daß ich eilends unter der -Decke herfürwischte.</p> - -<p>»Was hast du,« fragte der Lehrmeister. Ich antwortete -ihm. Da meinte er: »Du kannst also die Kunst -des Wahrsagens am besten.«</p> - -<p>Ich nahms vor keinen Schimpf, dann ich hatte damals -noch keine Galle und begehrte allein zu wissen, -wie ihm dies so stillschweigend gelungen sei. Er antwortete: -»Du darfst nur das linke Bein lupfen und -darneben heimlich sagen: <span class="antiqua">je pete, je pete, je pete</span> und -mithin so stark gedruckt, als du kannst.«</p> - -<p>»Es ist gut,« sagte ich, »man meinet sodann, die -Hunde haben die Luft verfälscht. Ach, hätte ich doch -diese Kunst heute in der Schreibstube gewußt!«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p061" id="Seite_p061">[S. 61]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_vierzehnte_Kapitel" id="Das_vierzehnte_Kapitel">Das vierzehnte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Des andern Tags hatte mein Herr seinen Offizierern -und andern guten Freunden eine fürstliche -Gasterei angestellt, weil die Unsrigen das feste Haus -Braunfels ohn Verlust eines einzigen Mannes genommen. -Da mußte ich helfen Speisen auftragen, einschenken -und mit einem Teller aufwarten.</p> - -<p>Den ersten Tag ward mir ein großer, fetter Kalbskopf -(von welchen man saget, daß sie kein Armer fressen -dörfe) aufzutragen eingehändigt. Weil nun derselbig -ziemlich mürb gesotten war, ließ er das eine Aug weit -herauslappen, welches mir ein anmutiger und verführerischer -Anblick war. Und da mich der frische Geruch -von der Speckbrühe und aufgestreutem Ingwer zugleich -anreizete, empfand ich einen solchen Appetit, daß mir -das Maul ganz voll Wasser ward: <span class="antiqua">in summa</span> das Aug -lachte meine Augen, meine Nase und meine Zunge zugleich -an und bat gleichsam, ich wollte es doch meinem -heißhungrigen Magen einverleiben. Ich ließ mir nicht -lang den Rock zerreißen, sondern folgte den Begierden. -Im Gang hub ich das Aug mit einem Löffel so meisterlich -heraus und schickte es ohn Anstoß so geschwind -an seinen Ort, daß es auch niemand inne ward, bis -das Essen auf den Tisch kam und mich verriet. So -mangelte eins von den allerbesten Gliedmaßen dem -Kalbskopf. Mein Herr wollte fürwahr den Spott nicht -haben, daß man ihm einen einäugigen Kalbskopf aufzustellen -wagte. Der Koch mußte vor die Tafel und -zuletzt kam das <span class="antiqua">facit</span> über den armen <span class="antiqua">Simplicium</span> heraus. -Mein Herr fragte mit einer schröcklichen Miene, -wohin ich mit dem Kalbsaug gekommen wäre. Geschwind<span class="pagenum"><a name="Seite_p062" id="Seite_p062">[S. 62]</a></span> -zuckte ich mit meinem Löffel aus dem Sack, gab -dem Kalbskopf den andern Fang und wiese kurz und -gut, was man wissen wollte, maßen ich das ander Aug -in einem Hui verschlang.</p> - -<p>»<span class="antiqua">Par dieu</span>,« sagte mein Herr, »dieser Akt schmäckt -mir besser als zehn Kälber!«</p> - -<p>Etliche Possenreißer, Fuchsschwänzer und Tischräte -lobten meine kluge Erfindung, da ich beide Kalbsaugen -zusammenlogiert, als eine Vorbedeutung künftiger Tapferkeit -und unerschrockener Resolution. Also ich vor diesmal -meiner verdieneten Strafe entging. Mein Herr aber -sagte, ich sollte ihm nicht wieder so kommen.</p> - -<p>Bei dieser Mahlzeit trat man ganz christlich zur -Tafel und sprach das Tischgebet sehr still und andächtig. -Solche Andacht kontinuierte, solang als man mit -den ersten Speisen zu tun hatte, als wann man in einem -Kapuziner-<span class="antiqua">Convent</span> gesessen hätte. Aber kaum hatte -jeder drei- oder viermal »gesegnet Gott« gesagt, ward -schon alles lauter. Je länger, je höher erhub sich nach -und nach eines jeden Stimme ohnbeschreiblich.</p> - -<p>Man brachte Gerichte, deswegen »Voressen« genannt, -weil sie gewürzt und vor dem Trunk zu genießen verordnet -waren, <span class="antiqua">item</span> Beiessen, weil sie bei dem Trunk -nicht übel schmeckten, allerhand französischer <span class="antiqua">Potagen</span> -und spanischer <span class="antiqua">Ollapotriden</span> zu geschweigen, welche durch -tausendfältige Zubereitung und unzählbare Zusätze dermaßen -verpfeffert, verdümmelt, vermummet, mixiert -und zum Trunk gerüstet waren, daß sie nach ihrer natürlichen -Substanz unerkenntlich blieben. Wer weiß, ob -die Zauberin <span class="antiqua">Circe</span> andere Mittel gebraucht hat, des Ulisses -Gefährten in Schweine zu verwandeln? Dann die Gäste -fraßen die Gerichte wie Säue, darauf soffen sie wie Kühe, -stellten sich dabei wie Esel und spien wie die Gerberhunde.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p063" id="Seite_p063">[S. 63]</a></span> - -Den edlen Hochheimer, Bacheracher und Klingenberger -gossen sie in kübelmäßigen Gläsern hinunter und -brachten einander Trünke zu, die je länger, je größer -wurden, als ob sie um die Wette miteinander stritten.</p> - -<p>Bis dahin hatte jeder mit gutem Appetit das Geschirr -geleert, nachdem aber Mägen und Köpfe voll -und toll wurden, mußten bei einem Courage, beim andern -Treuherzigkeit, seinem Freunde eins zuzubringen, -beim dritten die deutsche Redlichkeit, ritterlich Bescheid -zu tun, den Trunk fördern. Maßen aber solches der -Länge nach auch nicht bestehen konnte, beschwur je einer -den andern bei großer Herren, lieber Freunde oder bei -der Liebsten Gesundheit den Wein maßweis in sich zu -schütten, worüber manchem die Augen übergingen und -der Angstschweiß ausbrach, doch mußte es gesoffen sein. -Ja, man machte zuletzt mit Trommeln, Pfeifen und -Saitenspiel ein Lärmen und schoß mit Stücken darzu, -ohn Zweifel darum, dieweil der Wein die Mägen mit -Gewalt einnehmen mußte.</p> - -<p>Mein Pfarrer war auch bei dieser Gasterei. Ich trat -zu ihm und sagte: »Warum tun die Leute so seltsam? -Woher kommt es doch, daß sie so hin und her dorkeln? -Mich dünkt schier, sie sein nicht recht witzig, sie haben -sich alle sattgegessen und getrunken, daß sie schwören bei -Teufelholen, wann sie mehr saufen könnten, und dannoch -hören sie nicht auf sich auszuschoppen! Müssen -sie es tun?«</p> - -<p>Der Pfarrer flüsterte mir zu: »Liebes Kind, Wein -ein, Witz aus. Das ist noch nichts demgegenüber, was -noch kommen soll.«</p> - -<p>»Zerbersten dann ihre Bäuche nicht, wann sie immer so -unmäßig einschieben? Können dann ihre Seelen, die Gottes -Ebenbild sein, in solchen Mastschweinkörpern verharren?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p064" id="Seite_p064">[S. 64]</a></span> - -»Halts Maul,« antwortete der Pfarrer, »du dörftest -sonst greulich Pumpes kriegen. Hier ist keine Zeit zu -predigen, ich wollt's sonst besser als du verrichten.«</p> - -<p>Ich sahe ferner stillschweigend zu, wie man Speise -und Trank mutwillig verderbte, unangesehen des armen -Lazarus, den man damit hätte laben können in Gestalt -vieler vertriebener Flüchtlinge, denen der Hunger aus -den Augen heraus guckte und die vor unsern Türen -verschmachteten.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p065" id="Seite_p065">[S. 65]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Das_fuenfzehnte_Kapitel" id="Das_fuenfzehnte_Kapitel">Das fünfzehnte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Als ich dergestalt mit einem Teller vor der Tafel -aufwartete, und mein Gemüt von merklichen Gedanken -geplagt ward, ließ mich auch mein Bauch nicht -zufrieden. Er knurrte und murrte ohn Unterlaß. Ich -gedachte dem ungeheuern Gerümpel abzuhelfen und mich -dabei meiner neuerlernten Kunst zu bedienen. Lupfete -also das Bein, druckte von allen Kräften, was ich -konnte, und wollte heimlich meinen Spruch: <span class="antiqua">je pete</span> — -sagen, aber das ungeheuere Gespann entwischte wider -mein Verhoffen mit greulichem Bellen. Mir wars einsmals -so bang, als wenn ich auf der Leiter am Galgen -gestanden wäre und mir der Henker bereits den Strick -hätte anlegen wollen. In solcher gählingen Angst verwirrt, -wurde mein Maul in diesem urplötzlichen Lärmen -rebellisch, und wo es heimlich brummeln sollte, entfuhr -ihm desto grausamer mit erschröcklicher Stimme sein: -<span class="antiqua">je pete</span>.</p> - -<p>Hiedurch bekam ich Linderung, dagegen einen ungnädigen -Herrn an meinem Gouverneur. Seine Gäste -wurden über diesem unversehenen Knall fast wieder -alle nüchtern, ich aber über die Futtertruhe gespannt -und also gepeitscht, daß ich noch bis auf diese Stund -daran gedenke. Solches waren die ersten Pastonaden, -die ich kriegte.</p> - -<p>Da brachte man Rauchtäfelein und Kerzen, und die -Gäste suchten ihre Bisemknöpfe und Balsambüchslein, -auch sogar ihren Schnupftabak hervor, aber die besten -<span class="antiqua">Aromata</span> wollten schier nichts erklecken.</p> - -<p>Wie dies nun überstanden, mußte ich wieder aufwarten -wie zuvor. Mein Pfarrer war auch noch vorhanden<span class="pagenum"><a name="Seite_p066" id="Seite_p066">[S. 66]</a></span> -und ward zum Trunk genötiget. Er aber wollte -nicht recht daran und sagte, er möchte so viehisch nicht -saufen. Hingegen erwiese ihm ein guter Zechbruder, daß -er wie ein Viehe, sie aber, die andern, wie Menschen -söffen.</p> - -<p>»Dann eine Vieh säuft nur so viel, als ihm wohl -schmäcket und den Durst löschet, weil es nicht weiß, -was gut ist. Uns Menschen aber beliebt, daß wir uns -den Trunk zu Nutz machen und den edlen Rebensaft -einschleichen lassen.«</p> - -<p>»Sehr wohl,« sagte der Pfarrer, »es gebühret mir -aber das rechte Maß zu halten.«</p> - -<p>»Wohl,« antwortete jener, »ein ehrlicher Mann hält -Wort,« und ließ einen mäßigen Becher einschenken, -denselben den Pfarrer zuzuzotteln. Der hingegen ging -durch und ließ den Säufer mit seinem Eimer stehen.</p> - -<p>Als der Pfarrer abgeschafft war, ging es drunter -und drüber. Es ließe sich an, als wenn die Gasterei -einzig Gelegenheit sein sollte, sich gegen einander mit -Vollsaufen zu rächen, einander in Schande zu bringen -oder sonst einen Possen zu reißen. Wann dergestalt -einer expediert ward, daß er weder sitzen, gehen oder -stehen mehr konnte, so hieß es: »Nun ist es wett! Du -hast mirs hiebevor auch so gekocht. Jetzt ist dirs eingetränkt!« -Welcher aber ausdauren und am besten saufen -konnte, wußte sich dessen groß zu machen und dünkte -sich kein geringer Kerl zu sein. Zuletzt dürmelten sie -alle herum, als wann sie Bilsensamen genossen hätten. -Einer sang, der ander weinete, einer lachte, der ander -traurete, einer fluchte, der ander betete. Der schrie überlaut: -Courage! — jener saß stille und friedlich. Einer -wollte den Teufel mit Raufhändeln bannen, ein anderer -schlief, der dritte plauderte, daß keiner ihm zuvorkommen<span class="pagenum"><a name="Seite_p067" id="Seite_p067">[S. 67]</a></span> -konnte. Da erzählte einer von seiner lieblichen -Buhlerei, der ander von seinen erschröcklichen Kriegstaten. -Etliche redeten von der Kirchen und geistlichen -Sachen, andere von Politik und Reichshändeln. Teils -liefen hin und wieder und konnten nirgends bleiben, -teils lagen und vermochten nicht den kleinsten Finger -zu regen. Etliche fraßen wie die Trescher, als hätten -sie acht Tage Hunger gelitten, andere wußten sich dessen -zu entledigen, was sie den Tag eingeschlungen hatten. -<span class="antiqua">In summa</span> meine Kunst, darum ich so greulich zerschlagen -worden, nur ein Scherz dargegen zu rechnen war.</p> - -<p>Endlich satzte es unten an der Tafel ernstliche Streithändel. -Da warf man einander Gläser, Becher, Schüsseln -und Teller an die Köpfe und schlug mit Fäusten, Stühlen, -Stuhlbeinen und Degen, daß endlich der rote Saft über -die Ohren lief. Aber mein Herr stillet den Handel.</p> - -<p>Da nun wieder Friede worden, nahmen die Meistersäufer -die Spielleute samt den Frauenzimmern und -wanderten in ein ander Haus, dessen Saal auch einer -andern Torheit gewidmet war. Mein Herr ging ihnen -nach und ich folget ihm.</p> - -<p>Ich sahe in dem Saal Männer, Weiber und ledige -Personen so schnell untereinander herumhaspeln, daß -es schier wimmelte. Sie hatten ein solch Getrappel und -Gejöhl, daß ich vermeinte, sie wären all rasend worden, -dann ich konnte nicht ersinnen, was sie doch mit diesem -Wüten und Toben vorhaben möchten. Ihr Anblick kam -mir grausam, förchterlich und schröcklich vor, daß ich -mich entsatzte. Mein Gott, dachte ich, es hat sie gewißlich -eine Unsinnigkeit befallen. Vielleicht möchten es -auch höllische Geister sein, welche dem ganzen menschlichen -Geschlecht durch solch Geläuf und Affenspiel -spotteten. Als mein Herr in den Hausflur kam und<span class="pagenum"><a name="Seite_p068" id="Seite_p068">[S. 68]</a></span> -zum Saal eingehen wollte, hörete die Wut eben auf, -nur daß sie noch ein Buckens und Duckens mit den -Köpfen und ein Kratzens und Schuhschleifens auf dem -Boden machten, als wollten sie ihre Fußtapfen wieder -austilgen. Am Schweiß, der ihnen über die Gesichter -floß, und an ihrem Geschnäuf konnte ich abnehmen, -daß sie sich stark zerarbeitet hatten.</p> - -<p>Ich fragte dahero meinen Kameraden, der mir erst -kürzlich wahrsagen gelernet, was solche Wut bedeute. -Der berichtete mir, daß die Anwesenden vereinbart -hätten, dem Saal den Boden mit Gewalt einzutreten. -»Warum vermeinst du wohl, daß sie sich sonst so tapfer -tummeln sollten,« sagte er zu mir. »Hast du nicht gesehen, -wie sie die Fenster vor Kurzweile schon ausgeschlagen?«</p> - -<p>»Herr Gott, so müssen wir mit zugrunde gehen und -samt ihnen Hals und Bein brechen!«</p> - -<p>»Ja,« sagte der Kamerad, »darauf ist's angesehen. -Du wirst merken, wann sie sich in Todesgefahr begeben, -daß jeder eine hübsche Frau und Jungfer erwischt, dann -es pfleget denen Paaren, so also zusammenhaltend fallen, -nicht bald wehe zu geschehen.«</p> - -<p>Mich überfiel eine solche Todesangst, daß ich nicht -wußte, wo ich bleiben sollte. Als aber die Musikanten -sich noch darzu hören ließen und jeder eine bei der -Hand erdappte, ward mirs nicht anderst, als wenn ich -allbereits den Boden eingehen und mir und den andern -die Hälse brechen sähe. Sie fingen an zu gumpen, daß -der ganze Bau zitterte, weil man eben einen drollichten -Gassenhauer aufmachte; ich vermeinte im Todesschröcken -das Haus fiele urplötzlich ein. Derowegen erwischte ich -in der allerhöchsten Not eine Dame von hohem Adel -und vortrefflichen Tugenden, mit welcher mein Herr<span class="pagenum"><a name="Seite_p069" id="Seite_p069">[S. 69]</a></span> -eben konversierte, unversehens beim Arm wie ein Bär -und hielte sie wie eine Klette. Da sie aber zuckte, spielte -ich den <span class="antiqua">Desperat</span> und fing aus Verzweiflung an zu -schreien. Die Musikanten wurden gähling still, die Tänzer -und Tänzerinnen hörten auf und die ehrliche Dame, -der ich am Arm hing, befand sich offendiert.</p> - -<p>Darauf befahl mein Herr mich zu prügeln und hernach -irgendhin einzusperren, weil ich denselben Tag -schon mehr Possen gerissen hatte. Die Fourierschützen, -so dies exequieren sollten, hatten Mitleiden mit mir, -entübrigten mich derohalben der Stöße und sperrten -mich unter eine Stiege in den Gänsstall.</p> - - - - -<hr class="chap" /> - - -<h2><a name="Das_andere_Buch" id="Das_andere_Buch">Das andere Buch</a></h2> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_erste_Kapitel" id="Buch2_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3> - - -<div class="nopagebreak"> - <img class="drop-cap" src="images/i073_cap.png" width="150" height="150" alt="" /> -</div> - -<p class="drop-cap">Drei ganzer Stunden, bis das <span class="antiqua">praeludium -veneris</span> oder der ehrlich Tanz geendet -hatte, mußte ich im Gansstall sitzen -bleiben, eh einer herzuschlich und an -dem Riegel anfing zu rappeln. Ich -lausterte scharf, der Kerl aber machte -die Tür nicht allein auf, sondern wischte auch ebenso -geschwind hinein, als ich gern heraußen gewesen wäre, -und schleppte noch darzu ein Weibsbild an der Hand -mit sich daher gleichwie beim Tanz. Weil ich aber -vielen seltsamen Abenteuern an diesem Tag begegnet -und mich darein ergeben hatte, fürderhin alles mit -Geduld und Stillschweigen zu ertragen, als schmiegte -ich mich zu der Tür mit Forcht und Zittern, das End -erwartend. Gleich darauf erhub sich zwischen diesen -beiden ein Gelispel, woraus ich entnahm, daß sich der -eine Teil über den üblen Geruch des Ortes beklagte, -hingegen der ander Teil hinwiederum tröstete: »Gewißlich, -schöne Dame, mir ist, versichert, vom Herzen leid, -daß uns, die Früchte der Liebe zu genießen, vom mißgünstigen -Glück kein ehrlicher Ort gegönnet wird. Aber -ich kann darneben beteuern, daß mir Ihre holdselige -Gegenwart diesen verächtlichen Winkel anmutiger machet, -als das lieblichste Paradeis selbsten.«</p> - -<p>Hierauf hörete ich küssen und vermerkte seltsame -Posturen, wußte aber nicht, was es bedeuten sollte, -schwieg derowegen noch fürders so still wie eine Maus. -Wie sich aber auch sonst ein possierlich Geräusch erhob -und der Gansstall zu krachen anfing, da wußte ich, -das sein zwei von denen wütenden Leuten, die den<span class="pagenum"><a name="Seite_p074" id="Seite_p074">[S. 74]</a></span> -Boden helfen eintreten. In der Angst ums Leben und -dem Tode zu entfliehen, wischte ich aus der Tür mit -Mordiogeschrei, warf den Riegel zu und suchte das -Haustor.</p> - -<p>In meines Herren Quartier war alles still und schlafend, -dahero dorfte ich mich der Schildwache, die vorm -Haus stund, nicht nähern, und es war schon weit nach -Mitternacht. So fiel mir ein, ich sollte meine Zuflucht -zu dem Pfarrer nehmen.</p> - -<p>Dort kam ich so ungelegen, daß mich die Magd nur -mit Unwillen einließ, ihr Herr aber, der nunmehr fast -ausgeschlafen hatte, an dem Gekeife unser gewahr -wurde. Er rief uns beide vor sich ans Bett und hieß -mich niederlegen, da er sahe, daß ich vor Nachtfrost -und Müdigkeit ganz erstarrt war. Ich erwarmet aber -kaum, dann da es anfing zu tagen, so stund der Pfarrer -schon vorm Bette, zu vernehmen, wie meine Händel -beschaffen wären. Ich erzählte ihm alles und machte -den Anfang bei der Kunst, die mich mein Kamerad -gelehret, und wie sie übel geraten. Folgendes meldete -ich, daß die Gäste, nachdem er hinweg gewesen, ganz -unsinnig wären worden, maßen mein Kamerad mir -berichtet, sie wollten dem Haus den Boden eintreten, -<span class="antiqua">item</span> in was vor schröckliche Angst ich darüber geraten -und auf was Weise ich mich vorm Untergang erretten -gewollt, darüber aber in Gänsstall gesperret worden -seie. Auch was ich in denselben von den zweien, so mich -wieder erlöst, vernommen und welcher Gestalt ich sie -wieder eingesperret hätte, berichtet ich dem Pfarrer.</p> - -<p>»<span class="antiqua">Simplici</span>,« meinte er, »deine Sachen stehen lausig. -Du hattest einen guten Handel, aber ich besorge, es sei -verscherzt. Packe dich nur geschwind aus dem Bette -und trolle dich aus dem Haus, damit ich nicht samt<span class="pagenum"><a name="Seite_p075" id="Seite_p075">[S. 75]</a></span> -dir in deines Herren Ungnade komme, wann man dich -bei mir findet.«</p> - -<p>Also mußte ich zum ersten Mal erfahren, wie wohl -einer bei männiglich daran ist, wann er seines Herren -Gunst hat, und wie scheel einer angesehen wird, wann -solche hinket.</p> - -<p>In meines Herrn Quartier schlief alles noch steinhart -bis auf den Koch und ein paar Mägde; diese -putzten das Zimmer, darin man gestern gezecht, jener -aber rüstete aus den Abschrötlein wieder ein Frühstück -oder vielmehr einen Imbiß zu. Das Zimmer lag hin -und wieder voller zerbrochener so Trink- als Fenstergläser, -voll Unflat und großen Lachen von verschüttetem -Wein und Bier, also daß der Boden einer Landkarten -gleich sahe, darin man hat unterschiedliche Meere, Insuln -und fußfeste Länder vor Augen stellen wollen. -Es stank viel übler als in meinem Gänsstall. Derowegen -machte ich mich in die Küchen, mit Forcht und -Zittern erwartend, was das Glück, wann mein Herr -ausgeschlafen hätte, ferners in mir würken wollte. Darneben -betrachtete ich der Welt Torheit und Unsinnigkeit, -so daß ich damals meines Einsiedlers dörftig und -elend Leben vor glückselig schätzte und ihn und mich -wieder in den früheren Stand wünschte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p076" id="Seite_p076">[S. 76]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_ander_Kapitel" id="Buch2_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Indessen mußten die Diener hin und wider laufen, -die gestrigen Gäste zum Frühstück einzuholen, unter -welchen der Pfarrer zeitlicher als alle andern erscheinen -mußte, weil mein Herr fürderst meinetwegen mit ihm -reden wollte, maßen man ihm berichtet, ich sei aus dem -Gänsstall ausgebrochen, indem ich ein Loch hinter dem -Riegel mit dem Messer geschnitten.</p> - -<p>Er fragte ihn ernstlich, ob er mich vor witzig oder -vor närrisch hielte, ob ich so einfältig oder so boßhaftig -sei, und erzählete ihm, wie unehrbarlich ich mich gehalten, -was teils von seinen Gästen übel empfunden -und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt -mit Fleiß so angestellet worden, <span class="antiqua">item</span>, daß ich nun -in der Küchen umgehe wie ein Junker, der nicht mehr -aufwarten dörfe. Sein Lebtag sei ihm kein solcher -Possen widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler -ehrlicher Leute gerissen. Er wüßte nichts anders mit -mir anzufangen, als daß er mich lasse abprügeln und -wieder vor den Teufel hinjagen.</p> - -<p>Derweilen sammelten sich die Gäste. Der Pfarrer aber -antwortete, wann ihm der Gouverneur zuzuhören beliebte, -so wolle er vom <span class="antiqua">Simplicio</span> eins und anders erzählen, -daraus dessen Unschuld zu ersehen sei und alle -ungleichen Gedanken benommen würden.</p> - -<p>Inzwischen akkordierte der tolle Fähnrich aus dem -Gänsstall mit mir in der Küchen, und brachte mich -durch Drohworte und einen Taler dahin, daß ich versprach, -reinen Mund zu halten.</p> - -<p>Die Tafeln wurden gedeckt und mit Speisen und -Leuten besetzt. Wermut-, Salbei-, Alant-, Quitten- und<span class="pagenum"><a name="Seite_p077" id="Seite_p077">[S. 77]</a></span> -Zitronenwein mußte neben dem Hippokras den Säufern -ihre Köpfe und Mägen wieder begütigen, dann sie -waren schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erst Gespräch -war von ihnen selbsten: wie sie gestern einander -so brav vollgesoffen ... mit nichten! sie hätten allein -gute »Räusche« gehabt, dann keiner säuft sich mehr -voll, sintemal die »Räusche« aufgekommen sind. Als -sie aber von ihren eigenen Torheiten zu reden und zu -hören müde waren, mußte der arme <span class="antiqua">Simplicius</span> herhalten. -Der Gouverneur selbst erinnerte den Pfarrer, -die lustigen Sachen zu eröffnen.</p> - -<p>Dieser bat zuvörderst, man wolle ihm nicht vor ungut -halten, dafern er Wörter reden müßte, die seiner -geistlichen Person übel vermerkt werden könnten. Fing -darauf an zu erzählen, aus was natürlichen Ursachen -ich dem <span class="antiqua">Secretario</span> merkliche Unlust in seiner Kanzlei -angerichtet, wie ich sonach das Wahrsagen gelernet und -solches schlimm erprobt, wie seltsam mir das Tanzen -vorgekommen sei und wie ich darüber in den Gänsstall -gelangt wäre. Solches brachte er in einer wohlanständigen -Art vor, daß sich die Gäste trefflich zerlachen -mußten. Aber von dem, was mir im Gänsstall begegnet, -wollte er nichts sagen.</p> - -<p>Hingegen fragte mich mein Herr, was ich vor so -saubere Künste und Lehren meinem Kameraden gegeben -hätte. Ich antwortete: »Nichts«. »So will ich -dein Lehrgelt zahlen,« versprach mein Herr und ließ -ihn darauf über eine Futtertruhe spannen und allerdings -karbaitschen.</p> - -<p>Er wollte mich ferner meiner Einfalt wegen stimmen, -ihn und seinen Gästen mehr Lust zu machen, dann ich -galt mit meinen närrischen Einfällen selbigen Tags über -allen Musikanten. Und er fragte, warum ich die Stalltür<span class="pagenum"><a name="Seite_p078" id="Seite_p078">[S. 78]</a></span> -erbrochen. Ich sagte: »Das mag jemand anders -getan haben.« — »Wer?« — »Das darf ich niemand -sagen.« Mein Herr war aber ein geschwinder Kopf -und sahe wohl, wie man mich Lausen müßte. »Wer -hat dir solches verboten?« — »Der tolle Fähnrich da.«</p> - -<p>Ich merket an jedermanns Gelächter, daß ich mich -gewaltig verhauen haben mußte, und der tolle Fähnrich -ward so rot wie eine glühende Kohlen.</p> - -<p>Darauf gebot mein Herr zu reden und fragte: »Was -hat der tolle Fähnrich bei dir im Gänsstall zu tun gehabt?« -Ich antwortete: »Er brachte eine Jungfer mit -hinein.«</p> - -<p>Darüber erhub sich bei allen Anwesenden ein solch -Gelächter, daß mich mein Herr nicht mehr hören, geschweige -etwas weiters fragen konnte.</p> - -<p>So brachten etliche mehr Possen auf die Bahn, -sunderlich meine einfältigen Straf- und Mahnreden, -daß man schier denselben Imbiß von nichts, als nur -von mir zu reden und zu lachen hatte.</p> - -<p>Und das verursachte einen allgemeinen Entschluß zu -meinem Untergang: man sollte mich nur tapfer agieren, -so würde ich mit der Zeit einen raren Narren abgeben, -den man auch den größten Potentaten der Welt verehren -und mit dem man die Sterbenden zum Lachen -bringen könnte. —</p> - -<p>Wie man nun also schlampampte und wieder gut -Geschirr machen wollte, meldete die Wacht einen <span class="antiqua">Commissarium</span> -an, der vor dem Tor sei. Das eingehändiget -Schreiben besagte, er wäre von den schwedischen Kronräten -abgeordnet, die Guarnison zu mustern und die -Festung zu visitieren. Solches versalzte allen Spaß und -das Freudengelag verlummerte wie ein Dudelsackzipfel, -dem der Blast entgangen. Die Musikanten und Gäste<span class="pagenum"><a name="Seite_p079" id="Seite_p079">[S. 79]</a></span> -zerstoben wie Tabakrauch, der nur den Geruch hinter -sich läßt. Mein Herr trollete selbst mit dem Adjutanten, -der den Schlüssel trug, samt einem Ausschuß von der -Tagwacht und vielen Windlichtern dem Tor zu, den -Plackschmeißer, wie er ihn nannte, selbst einzulassen. -Er wünschte, daß ihm der Teufel den Hals in tausend -Stücke bräche, ehe er in die Festung käme.</p> - -<p>Sobald er ihn aber eingelassen und auf der inneren -Fallbrücke bewillkommnete, fehlte wenig oder gar nichts, -daß er ihm nicht selbst den Steigbügel hielte, seine -<span class="antiqua">Devotion</span> zu bezeugen, ja die Ehrerbietung war augenblicklich -zwischen beiden so groß, daß der <span class="antiqua">Commissarius</span> -abstieg und zu Fuß mit meinem Herrn gegen sein Losament -schritt. Da wollte ein jeder zur linken Hand -gehen und mehr dergleichen. Ach, gedachte ich, was -vor ein Geist regiert die Menschen, indem er je einen -durch den andern zum Narren machet!</p> - -<p>Wir näherten also der Hauptwache und die Schildwacht -rufte ihr Wer-da, wiewohl sie sahe, daß es mein -Herr war. Dieser wollte nicht antworten, sondern dem -andern die Ehre lassen, daher stellet sich die Schildwacht -mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger. -Endlich antwortete der <span class="antiqua">Commissarius</span>: »Der Mann, -ders Geld gibt.«</p> - -<p>Wie wir bei der Schildwacht vorbeipassierten, und -ich so hinten nachzog, hörete ich den Posten brummen: -»Ein Mann ders Geld gibt! Verlogener Kund! Ein -Schindhund, ders Geld nimmt, das bist! Daß dich der -Hagel erschlüge, eh du wieder aus der Stadt kommst!«</p> - -<p>Also meinete ich, der fremde Herr mit der sammeten -Mutzen müßte ein Heiliger sein, weil nicht allein keine -Flüche an ihm hafteten, sondern dieweil ihm auch seine -Hasser alle Ehre, alles Liebe und alles Gute erwiesen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p080" id="Seite_p080">[S. 80]</a></span> -Er ward noch diese Nacht fürstlich traktieret, blind -vollgesoffen und in ein herrlich Bette gelegt.</p> - -<p>Folgenden Tags ging es bei der Musterung bunt -über Eck her. Ich einfältiger Tropf war selbst geschickt -genug, den klugen <span class="antiqua">Commissarium</span> zu betrügen. Daß -ich ihm zu klein vor die Musketen erschiene, staffieret -man mich mit einem entlehnten Kleid und einer Trummel -aus. Mein Herr ließ in die Rolle meinen Namen einschreiben -und nannte mich <span class="antiqua">Simplicius Simplicissimus</span>.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p081" id="Seite_p081">[S. 81]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_dritte_Kapitel" id="Buch2_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Als der <span class="antiqua">Commissarius</span> wieder weg war, ließ mich -der Pfarrer heimlich zu sich in sein Losament -kommen und sagte:</p> - -<p>»O <span class="antiqua">Simplici</span>, deine Jugend dauert mich und deine -Unglückseligkeit bewegt mich zum Mitleiden. Höre, mein -Kind, dein Herr ist entschlossen, dich aller Vernunft zu -berauben und dich zum Narren zu machen, maßen er -bereits ein Kleid vor dich anfertigen läßt. Morgen -mußt du in die Schule, darin du deine Vernunft verlernen -sollst. Man wird dich ohn Zweifel so greulich -trillen, daß du ein Phantast werden mußt, wenn anderst -Gott und natürliche Mittel solches nicht verhindern. -Um deines Einsiedlers Frömmigkeit und deiner eigenen -Unschuld willen sei dir mit Rat und notwendigen guten -Arzneien beigesprungen. Folge nun meiner Lehre: Nimm -dieses Pulver ein, welches dir Hirn und Gedächtnus -dermaßen stärken wird, daß du, unverletzt deines Verstandes, -alles leicht überwinden magst. Auch schmiere dir -mit diesem Balsam Schläfen, Wirbel und Genick samt -den Naslöchern. Beides brauch auf den Abend, sintemal -du keiner Stunde sicher sein wirst. Wann man dich -in dieser verfluchten Kur haben wird, so achte und -glaube nicht alles, stelle dich jedoch, als wenn du alles -glaubtest. Wenn du aber das Narrenkleid anhaben wirst, -so komme wieder zu mir, damit ich deiner mit fernerem -Rat pflegen möge. Indessen will ich Gott bitten, daß -er deinen Verstand und Gesundheit erhalten wolle.«</p> - -<p>Wie der Pfarrer gesagt, also ging es: Im ersten -Schlaf kamen vier Kerl in schröcklichen Teufelslarven, -die sprungen herum wie Gaukler. Einer hatte einen<span class="pagenum"><a name="Seite_p082" id="Seite_p082">[S. 82]</a></span> -glühenden Hacken, der andere eine Fackel. Zween aber -wischten über mich her, zogen mich aus dem Bette, -tanzten mit mir hin und her, zwangen mir meine -Kleider an Leib. Ich aber verführete ein jämmerliches -Zetergeschrei und ließ die allerforchtsamsten Gebärden -erscheinen. Hierauf verbanden sie mir den Kopf mit -einem Handtuch und führeten mich unterschiedliche Umwege, -viel Stiegen auf und ab und endlich in einen -Keller, darin ein großes Feuer brannte. Sie banden -das Handtuch ab und fingen an, mir mit spanischem -Wein und Malvasier zuzutrinken. Ich stellet mich mit -allem Fleiß, als wäre ich nun gestorben und im Abgrund -der Hölle.</p> - -<p>»Sauf zu! Willtu nicht ein guter Gesell sein, so mußt -du in gegenwärtiges Feuer!«</p> - -<p>Die armen Teufeln wollten ihre Sprache und Stimme -verquanten, damit ich sie nicht kennen sollte, ich merkte -aber gleich, daß es meines Herrn Fourierschützen waren. -So trank ich mein Teil, sie aber soffen, weil derlei -himmlischer <span class="antiqua">Nectar</span> selten an solche Gesellen kommt. -Da michs aber Zeit zu sein bedünkte, stellete ich mich -mit Hin- und Hertorkeln, wie ichs gesehen hatte, und -wollte endlich gar nicht mehr saufen, sondern schlafen. -Sie hingegen jagten und stießen mich mit ihren Hacken, -die sie allezeit im Feuer liegen hatten, in allen Ecken -des Kellers herum. Und wann ich in solcher Hatz -niederfiel, so packten sie mich auf, als wann sie mich -ins Feuer werfen wollten. Also ging mirs wie einem -Falken, den man wacht. Ich hätte zwar Trunkenheit -und Schlafes halber ausgedauert, aber sie lösten einander -ab. Drei Täge und zwei Nächte habe ich in diesem -raucherichten Keller zugebracht. Der Kopf fing mir an -zu brausen und zu wüten, als ob er zerreißen wollte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p083" id="Seite_p083">[S. 83]</a></span> -Ich warf mich hin und stellet mich tot. Da legten sie -mich in ein Leinlach und zerplotzten mich so unbarmherzig, -daß mir alles Eingeweide samt der Seele hätte -herausfahren mögen. Wovon ich meiner Sinne beraubt -ward und nicht weiß, was sie ferners mit mir gemacht -haben.</p> - -<p>Als ich zu mir selber kam befand ich mich in einem -schönen Saal unter den Händen dreier alter Weiber, -die vor eine treffliche Arznei wider die unsinnige Liebe -hätten dienen mögen, so garstig waren sie. Ich erkannte -wohl, daß die eine unsere Schüsselwäscherin, die andern -zwo aber zweier Fourierschützen Weiber waren. Da -stellete ich mich, als wann ich mich nicht zu regen vermöchte, -wie mich dann in Wahrheit auch nicht tanzerte, -als die ehrlichen Alten mich auszogen und mich wie -ein klein Kindlein säuberten. Doch tät mir solches -trefflich sanft. Sie bezeugten unter währender Arbeit -große Geduld und Mitleiden, also daß ich ihnen beinahe -offenbaret hätte, wie gut mein Handel noch stünde. -Zum Glück gedachte ich: Nein, <span class="antiqua">Simplici</span>, vertraue keinem -alten Weibe! — Da sie nun mit mir fertig waren, -legten sie mich in ein köstlich Bette, darin ich ungewiegt -entschlummerte. Meines Davorhaltens schliefe ich -in einem Satz länger als vierundzwenzig Stunden. Da -ich erwachte stunden zween schöne, geflügelte Knaben -vorm Bette, welche mit weißen Hemden, taffeten Binden, -Perlen, Kleinodien, göldenen Ketten und andern -scheinbarlichen Sachen köstlich gezieret waren. Einer -hatte ein vergöldtes Lavor voller Hippen, Zuckerbrot, -Marzipan und anderm Konfekt, der ander aber einen -göldnen Becher in Händen. Diese Engel wollten mich -bereden, daß ich nunmehr im Himmel sei, weil ich das -Fegfeuer so glücklich überstanden. Derohalben sollte ich<span class="pagenum"><a name="Seite_p084" id="Seite_p084">[S. 84]</a></span> -nur begehren, was mein Herz wünsche. Mich quälte -der Durst, mich verlangete nur nach einem Trunk, der -mir auch mehr als gutwillig gereichet wurde. Es war -aber kein Wein, sondern ein lieblicher Schlaftrunk.</p> - -<p>Den andern Tag erwachte ich wiederum (dann sonst -schliefe ich noch heute), befand mich aber nicht mehr im -Bette noch im vorigen Saal, sondern in meinem Gänskerker -und überdas trug ich ein Kleid von Kalbsfellen, -daran das rauhe Teil nach auswendig gekehrt war. -Die Hosen waren auf polnisch oder schwäbisch, der -Wams auf närrisch gemacht. Oben am Hals stund eine -Kappe wie eine Mönchsgugel, die war mir über den -Kopf gestreift und mit einem Paar großer Eselsohren -gezieret. Ich mußte meines Unsterns selbst lachen, weil -ich an Nest und Federn sahe, was ich vor ein Vogel -sein sollte. Ich bedachte mich aufs beste und satzte mir -vor, mich so närrisch zu stellen, als mir immer müglich -sei, darneben mit Geduld zu verharren.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p085" id="Seite_p085">[S. 85]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_vierte_Kapitel" id="Buch2_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Weil ich ein Narr sein sollte, der nicht so witzig -ist, von sich selbst herauszugehen, achtet ich des -Loches, das der tolle Fähnrich in die Tür geschnitten -hatte, nicht, sondern blieb und stellte mich als ein hungrig -Kalb, das sich nach der Mutter sehnet. Mein Geplärr -ward auch bald von zween Soldaten gehöret, die darzu -bestellt waren. Sie fragten mich, wer da sei. Ich antwortete: -»Ihr Narren, höret ihr dann nicht, daß ein -Kalb da ist?« Sie nahmen mich heraus und verwunderten -sich wie neugeworbene Komödianten, die nicht -wohl agieren können, daß ein Kalb rede. Sie beratschlagten, -mich dem Gubernator zu verehren, der ihnen -mehr schenken würde, als der Metzger vor mich bezahlt -hätte. Sie fragten mich, wie demnach mein -Handel stünde.</p> - -<p>»Liederlich genug,« antwortete ich.</p> - -<p>»Warum?«</p> - -<p>»Darum, dieweil hier Brauch ist, redliche Kälber in -Gänsstall zu sperren.«</p> - -<p>Sie führten mich gegen des Gouverneurs Quartier -zu und uns folgte eine große Schar Buben nach, die -ebensowohl als ich, wie Kälber schrien.</p> - -<p>Also ward ich dem Gouverneur präsentiert, als ob -ich von denen Soldaten erst auf Partei erbeutet worden -wäre. Er versprach mir die beste Sach. Ich sagte: -»Wohl Herr, man muß mich aber in keinen Gänsstall -sperren, dann wir Kälber können solches nicht erdulden, -wann wir anders wachsen und zu einem Stück Hauptviehe -werden sollen.«</p> - -<p>Er vertröstete mich eines besseren und dünkte sich gar<span class="pagenum"><a name="Seite_p086" id="Seite_p086">[S. 86]</a></span> -gescheit zu sein, daß er einen solchen visierlichen Narren -aus mir gemachet hätte. Hingegen gedachte ich: Harre -mein, lieber Herr, ich habe die Probe des Feuers überstanden.</p> - -<p>Indem trieb ein geflüchteter Baur sein Viehe zur -Tränke. Ich sahe es und eilete mit einem Kälbergeplärr -den Kühen zu, so sich vor mir ärger entsatzten -als vor einem Wolf, ja, sie wurden so schellig und zerstoben -von einander, daß sie der Bauer am selbigen -Ort nicht mehr zusammenbringen konnte. Im Hui war -ein Haufen Volk darbei, das der Gaukelfuhre zusahe. -Mein Herr lachte, daß er hätte zerbersten mögen, und -meinte endlich: »Ein Narr macht ihrer hundert!« Ich -aber gedachte, eben du bist derjenige, dem du jetzt -wahrsagest.</p> - -<p>Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an -das Kalb nannte, also nannte ich hingegen auch einen -jeden mit einem besonderen Namen. <span class="antiqua">In summa</span> mich -schätzte männiglich vor einen ohnweisen Toren und ich -hielte jeglichen vor einen gescheiten Narren. Dieser -Brauch ist meines Erachtens in der Welt noch üblich, -maßen ein jeder mit seinem Witz zufrieden und sich -einbildet, er sei der Gescheiteste unter allen.</p> - -<p>Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor, -brachte aber daneben seltsame Sachen auf die Bahn, -und, als ich essen sollte, konnte niemand menschliche -Speise oder Trank in mich bringen. Ich wollte kurzum -nur Gras haben, was zur selbigen winterlichen Zeit zu -bekommen unmüglich war. So ließ mein Herr zweien -kleinen Knaben frische Kalbfell überstreifen, diese satzte -er zu mir und traktierte uns mit Wintersalat. Ich aber -sahe so starr drein, als wann ich mich darüber verwunderte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p087" id="Seite_p087">[S. 87]</a></span> - -»Jawohl,« sagten sie, weil sie mich so kaltsinnig -sahen, »es ist nichts Neues, daß Kälber Fleisch, Fisch, -Käse, Butter und anders fressen. Sie saufen auch zu -Zeiten einen guten Rausch.«</p> - -<p>Ich ließ mich desto ehender überreden, als ich hiebevor -schon selbst gesehen, wie teils Menschen säuischer -als Schweine, geiler als Böcke, neidiger als Hunde, -unbändiger als Pferde, gröber als Esel, versoffener als -Rinder, gefräßiger als Wölfe, närrischer als Affen und -giftiger als Schlangen und Kroten waren, so dannoch -allesamt menschlicher Nahrung genossen und nur durch -die Gestalt von den Tieren unterschieden waren.</p> - -<p>Gleichwie meine beiden Schmarotzer mit mir zehreten, -also mußten sie auch mit mir zu Bette, wann mein -Herr anders nicht zugeben wollte, daß ich im Kühestall -schliefe. Der grundgütige Gott gab mir so viel Witz -vor meinen Stand, als er einem jeden Menschen zu -seiner Selbsterhaltung verleihet, dannenhero ich erkannte: -Doktor hin, Doktor her, was bildet ihr euch ein, allein -witzig zu sein und Hans in allen Gassen. Hinter den -Bergen, da wohnen auch noch Leute.</p> - -<p>Gegen Mittag so mußte ich auch in die Stube, weil -adelig Frauenzimmer bei meinem Herren war, den neuen -Narren zu hören und zu sehen. Ich erschiene und stund -da wie ein Stummer. Dahero diejenige, so ich hiebevor -beim Tanze erdappet hatte, Ursach nahm zu sagen, sie -hätte gehört, daß dieses Kalb könne reden, nunmehr -verspüre sie aber, daß es nicht wahr sei.</p> - -<p>Ich antwortete: »So habe ich vermeint, die Affen -können nicht reden, höre aber wohl, das dem auch -nicht so sei.«</p> - -<p>»Wie,« sagte mein Herr, »vermeinst du dann, diese -Damen seien Affen?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p088" id="Seite_p088">[S. 88]</a></span> - -»Sein sie es nicht,« gab ich entgegen, »so werden sie -es bald werden. Wer weiß wie es fällt, ich habe mich -auch nicht versehen, ein Kalb zu werden, und bins doch.«</p> - -<p>Da fragte mein Herr, woran ich sehe, daß diese Damen -Affen werden sollten.</p> - -<p>Ich antwortete: »Der Affe trägt seinen Hintern bloß, -diese Jungfer allbereits ihre Brüstlein, dann andre -Mägde pflegen sonst solche zu bedecken.«</p> - -<p>»Schlimmer Vogel,« sagte mein Herr, »so redest du? -Diese lassen billig sehen, was sehenswert ist, der Affe -aber gehet aus Armut nackend. Geschwind bringe ein, -was du gesündiget hast, oder man wird dich mit Hunden -in den Gänsstall hetzen!«</p> - -<p>Hierauf betrachtete ich die Dame so steif und lieblich, -als hätte ich sie heuraten wollen. Endlich sagte ich: -»Herr, ich sehe wohl der Diebsschneider ist an allem -schuldig, er hat das Gewand, das oben um den Hals -gehört, unten am Rock stehen lassen, darum schleift es -so weit hinten nach. Man soll dem Hudler die Hand -abhauen. Jungfer, schafft ihn ab, wann er Euch nicht -so verschänden soll und sehet, daß ihr meiner Meuder, -des Ursele und der Ann Schneider bekommt, die haben -Röck gehabt, so nicht im Dreck geschlappt wie Eurer.«</p> - -<p>Mein Herr fragte, ob dann meines Knäns Ann und -Ursele schöner gewesen als diese Jungfer.</p> - -<p>»Ach wohl nein,« sagte ich, »diese Jungfer hat ja -Haare so gelb, als kleine Kindlein die Windlen zeichnen, -und sie sein so hübsch zusammengerollt, als hätte sie -auf jeder Seite ein paar Pfund Lichter oder ein Dutzend -Bratwürst hangen. Wie hat sie so eine schöne glatte -Stirn, weißer als ein Totenkopf, der viel Jahr lang -im Wetter gehangen. Jammerschad ist, daß ihre zarte -Haut durch den Puder bemackelt wird, als habe die<span class="pagenum"><a name="Seite_p089" id="Seite_p089">[S. 89]</a></span> -Jungfer den Erbgrind, der solche Schuppen von sich -werfe. Wie zwitzern doch ihre funkelnden Augen, vor -Schwärze klärer als meines Knäns Ofenloch. Und die -zwei Reihen Zähne, so in ihrem Maul stehen, schimmern -so schön, als wann sie aus einem Stück von einer -weißen Rübe geschnitzelt wären worden. O Wunderbild, -ich glaube nicht, daß es einem wehe tut, so du -einen damit beißest! Wie ist ihr Hals schier so weiß, -als eine gestandene Sauermilch und ihre Brüstlein sein -von gleicher Farbe und ohn Zweifel so hart, als eine -Geißmämm, die von übriger Milch strotzet. Ach Herr, -sehet ihre Hände und Finger so subtil, so lang, so gelenk, -so geschmeidig und so geschickt, damit sie einem -in den Sack greifen können, wann sie fischen wollen. -Aber was soll dieses gegen ihren ganzen Leib, den ich -zwar nicht sehen kann. Ist er nicht so zart, so schmal -und anmutig, als wann sie acht ganzer Wochen die -schnelle Katharina gehabt hätte?«</p> - -<p>Hierüber erhub sich eine solch Gelächter, daß man -mich nicht mehr hören, noch ich mehr reden konnte. -Ging hiemit durch wie ein Holländer und ließ mich, -solang mirs gefiel, von andern vexieren.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p090" id="Seite_p090">[S. 90]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch2_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Bei allen Mahlzeiten ließ ich mich tapfer gebrauchen, -dann ich hatte mir vorgesatzt, alle Torheiten zu -bereden und alle Eitelkeiten zu bestrafen. Ich rupfte -ihre Laster, und wer sichs nicht gefallen ließe, ward -noch darzu ausgelacht.</p> - -<p>Der erste, der mir mit Vernunft begegnen wollte, war -der <span class="antiqua">Secretarius</span>, dann ich denselben einen Titulschmied -nannte und ihn fragte, wie man der Menschen ersten -Vater titulieret hätte.</p> - -<p>»Du redest wie ein Kalb, maßen nach unseren ersten -Eltern Leute gelebt, die durch seltene Tugenden und -gute Künste sich und ihr Geschlecht dergestalt geadelt -haben, daß sie übers Gestirn zu den Göttern erhoben -worden. Wärest du ein Mensch, so hättest du die Historien -gelesen und verstündest auch den Unterscheid, -sintemalen du aber ein Kalb und keiner menschlichen -Ehre würdig noch fähig, so redest du wie ein dummes -Kalb und gönnest ihnen den Ehrentitul nicht.«</p> - -<p>»Ich bin«, antwortete ich, »sowohl ein Mensch gewesen -als du und habe bei meinem Einsiedel auch ziemlich -viel gelesen. Sage mir, was sein vor herrliche Taten -begangen und Künst erfunden, die genugsam seien, ein -ganzes Geschlecht von etlich hundert Jahr nach Absterben -des Helden und Künstlers zu adlen? Ist nicht -beides: des Helden Stärke und des Künstlers Weisheit -mit hinweggestorben? So aber der Eltern Qualitäten -auf die Kinder überkommen, halt ich davor, daß dein -Vater ein Stockfisch und deine Mutter eine Schneegans -gewesen.«</p> - -<p>»Ha,« rief der <span class="antiqua">Secretarius</span>, »wann es damit wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_p091" id="Seite_p091">[S. 91]</a></span> -ausgericht sein wird, wann wir einander schänden, so -könnte ich dir vorwerfen, daß dein Knän ein grober -spessarter Bauer gewesen, und daß du dich noch mehr -verringert habest, indem du zum unvernünftigen Kalb -geworden bist.«</p> - -<p>»Da recht! Das ist, was ich behaupten will, daß der -Eltern Tugenden nicht allerweg auf die Kinder vererbt -werden, und dahero die Kinder ihrer Eltern -Tugendtitul auch nicht allerweg würdig sein. Mir zwar -ist es keine Schande, daß ich ein Kalb bin worden, -dieweil ich in solchem Falle dem großmächtigen König -Nabuchodonosor nachzufolgen die Ehre habe.«</p> - -<p>»Nun gesetzt, aber nicht zugestanden, du habest recht, -so mußt du doch gestehen, daß diejenigen alles Lobs -wert sein, die sich selbst durch Tugend edel machen. -Wann aber — so folget, daß man die Kinder der Eltern -wegen billig ehre, dann der Apfel fällt nicht weit vom -Stamm. Wer wollte in <span class="antiqua">Alexandri Magni</span> Nachkömmlingen, -wann anders noch einzige vorhanden wären, -ihres alten Ur-Ahnherren herzhafte Tapferkeit nicht -rühmen? Hat er nicht vor dem dreißigsten Jahr die -Welt bezwungen, hat er nicht in einer Schlacht mit -den Indiern, da er von den Seinigen verlassen war, -aus Zorn Blut geschwitzet? War er nicht von lauter -Feuerflammen umgeben, daß die Barbaren vor ihm -flohen? Bezeugt nicht <span class="antiqua">Quintus Curtius</span>, daß sein Atem -wie Balsam, der Schweiß wie Bisem, sein toter Leib -aber nach köstlicher Spezerei roch? — Da könnte ich -auch den <span class="antiqua">Julium Cäsarem</span> und <span class="antiqua">Pompeium</span> anführen, -deren der eine fünfzigmal in offener Feldschlacht gestritten -und 1152000 Mann erlegt und totgeschlagen hat, der -ander aber hat neben 940 den Meerräubern abgenommenen -Schiffen vom Alpengebürg an bis in das<span class="pagenum"><a name="Seite_p092" id="Seite_p092">[S. 92]</a></span> -äußerste Hispanien 876 Städte und Flecken eingenommen -und überwunden. Ist nicht von dem <span class="antiqua">Lucio Siccio Dentato</span>, -welcher Zunftmeister in Rom war, zu sagen, daß -er in 110 Feldschlachten gestanden und achtmal diejenigen -überwunden hat, die ihn herausgefordert, und daß er -45 Wundmäler an seinem Leib zeigen konnte. Mit neun -Obrist Feldherren ist er in ihren Triumphen in Rom -eingezogen. Wo bleibet der starke Herkules, Theseus und -andre, deren unsterbliches Lob zu beschreiben unmüglich.</p> - -<p>Ich will aber die Waffen fahren lassen und mich zu -den Künsten wenden. Was findet sich für Geschicklichkeit -am <span class="antiqua">Zeuxis</span>, welcher mit seinen Schildereien die Vögel in -der Luft betrog, <span class="antiqua">item</span> am <span class="antiqua">Apelles</span>, der eine <span class="antiqua">Venus</span> so -natürlich, so ausbündig und mit allen Lineamenten so -subtil und zart dahermalete, daß sich die Junggesellen -darein verliebten. <span class="antiqua">Plutarchus</span> schreibet, daß <span class="antiqua">Archimedes</span> -ein großes Schiff mit Kaufmannswaren über den Markt -von Syrakus nur mit einer Hand, an einem einzigen -Seil vermöge seiner Schrauben daher gezogen, welches -200 deinesgleichen Kälber nicht hätten zu tun vermocht. -Sollten diese Meister nicht mit einem besonderen Ehrentitul -begabt sein? Und welcher die edle und der ganzen -Welt höchst nutzbare Kunst der Buchdruckerei erfunden, -wer wollte den nicht preisen? Zwar ist wenig daran gelegen, -ob du grobes Kalb solches in deinem unvernünftigen -Ochsengehirn fassest oder nicht! Es geht dir eben -wie jenem Hund, der auf einem Haufen Heu lag und -solches dem Ochsen auch nicht gönnte, weil er es selbst -nicht genießen konnte.«</p> - -<p>Da ich mich so gehetzt sahe, satzte ich dagegen: »Die -herrlichen Heldentaten wären höchlich zu rühmen, wann -sie nicht mit anderer Menschen Untergang und Schaden<span class="pagenum"><a name="Seite_p093" id="Seite_p093">[S. 93]</a></span> -vollbracht wären worden. Was ist das aber vor ein -Lob, welches mit so vielem unschuldig vergossenem -Menschenblut besudelt, und was vor ein Adel, der mit -so vieler tausend anderer Menschen Verderben erobert -und zuwegen gebracht worden? Und die Künste, was -seinds anders als lauter Vanitäten und Torheiten, dienen -zum Geiz, zur Wollust, zur Üppigkeit. So könnte man -der Druckerei und Schriften auch wohl entbehren, dann -der Heilige saget: Die ganze Welt ist Buchs genug, die -Wunder des Schöpfers zu betrachten und die göttliche -Allmacht zu erkennen.«</p> - -<p>Mein Herr wollte auch mit mir scherzen und sagte: -»Ich merke wohl, weil du nicht edel zu werden getrauest, -verachtest du des Adels Ehrentitul.« Ich antwortete: -»Wann schon ich in dieser Stund an deine -Ehrenstell treten sollte, ich wollte sie doch nicht annehmen.« -Mein Herr lachte. »Das glaub ich, dann dem -Ochsen gehöret Haberstroh. Ich meinesteils acht es -für kein Geringes, wann mich das Glück über andere -erhebet.« Ich seufzte und sagte: »Ach, armselige Glückseligkeit! -Herr, du bist der allerelendeste Mensch in ganz -Hanau.«</p> - -<p>»Wieso, wieso, du Kalb!«</p> - -<p>»Wann du nicht weißt oder empfindest, mit wieviel -Sorgen und Unruhe du als Gubernator beladen bist, -so verblendet dich allzu große Begierde der Ehre. Zwar -hast du zu befehlen und wer dir unter Augen kommt, -muß dir gehorsamen, aber bist du nicht ihrer aller -Knecht? Schaue, du bist jetzt rund umher mit Feinden -umgeben und die Konservation dieser Festung liegt dir -auf dem Hals. Bedörfte es nicht öfters, daß du selber -wie ein gemeiner Knecht Schildwacht stündest? Du mußt -um Geld, Munition, Proviant und, daß dein Volk im<span class="pagenum"><a name="Seite_p094" id="Seite_p094">[S. 94]</a></span> -Posten erscheine, bedacht sein und das ganze Land durch -stetiges Exequieren und Tribulieren in Kontribution -erhalten. Schickest du die Deinigen zu solchem End hinaus, -so ist Rauben, Plündern, Stehlen, Brennen und -Morden ihre beste Arbeit. Sie haben erst neulich Orb -geplündert, Braunfels eingenommen und Staden in -Asche gelegt. Davon haben sie sich zwar Beuten, du -dir aber eine schwere Verantwortung vor Gott gemacht. -Und wirst du nicht Ehr und Reichtum in der Welt -lassen und nichts mit dir nehmen als die Sünde, dadurch -du selbige erworben hast? Du verschwendest der -Armen Schweiß und Blut, die jetzt gar verderben und -Hungers sterben. Und dafern anders etwas versäumet -wird, das zur Erhaltung deiner Völker und der Festung -hätte observiert werden sollen, so kostet es deinen Kopf. -Sterbe ich jung, so bin ich der Mühseligkeit eines Zugochsens -überhoben, dir aber stellet man auf tausendfältige -Weise nach und dein ganzes Leben ist Sorge -und Schlafbrechen, dann du mußt Freunde und Feinde -förchten umb deiner Reputation und deines Kommandos -willen. Ich geschweige, daß dich täglich deine brennenden -Begierden quälen, wie du dir einen noch größeren -Namen und Ruhm zu machen, höher in Kriegsämtern -zu steigen, größeren Reichtum zu sammeln, dem Feind -eine Tücke zu beweisen, einen oder den andern Ort zu -überrumpeln, <span class="antiqua">in summa</span> fast alles tun solltest, was andere -Leute schädigt, deine Seele verderbt und der göttlichen -Majestät mißfällt. Du aber lässest dich von deinen -Fuchsschwänzern verwöhnen, daß du dich selbst nicht -mehr erkennst und den gefährlichen Weg nicht siehest. -Sie hetzen und jagen dich zu anderer Leute Schaden, -ihrem Beutel zu nutz.«</p> - -<p>»Du Bernheuter, wer lernet dich so predigen?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p095" id="Seite_p095">[S. 95]</a></span> - -»Sage ich nicht wahr, daß du von deinen Ohrenbläsern -und Daumendrehern dergestalt verderbt seiest, -daß dir bereits nicht mehr zu helfen ist? Aber auch du -entgehst dem Tadel nicht. Hast du nicht Exempel genug -an hohen Personen, so vor der Zeit gelebet? Die Lacedämonier -schalten an ihrem <span class="antiqua">Lycurgo</span>, daß er allezeit -gesenkten Hauptes daherging, die Römer verargeten -dem <span class="antiqua">Scipioni</span> das Schnarchen und es dünkte sie häßlich -zu sein, daß sich <span class="antiqua">Pompeius</span> nur mit einem Finger kratzte. -Des <span class="antiqua">Julii Cäsaris</span> spotteten sie, weil er den Gürtel -nicht artig und lustig antrug. Die Uticenser verleumdeten -ihren <span class="antiqua">Catonem</span>, weil es zu gierig auf beiden -Backen aß. Die Karthager redeten dem <span class="antiqua">Hannibali</span> übel -nach, weil er immerzu mit der Brust aufgedeckt und -bloß daherging. Herr, ich tausche mit keinem, der vielleicht -neben zwölf Fuchsschwänzern und Schmarotzern -tausend so heimliche als öffentliche Feinde hat. Ich sehe -wohl, wie sauer du dirs mußt werden lassen und wieviel -Beschwerden du trägst. Und was wird endlich dein -Lohn sein? Sage mir, lieber Herr, was hast du davon? -Wann dus nicht weißt, so laß dirs von dem griechischen -<span class="antiqua">Demosthenes</span> sagen, den die Athener des Landes verwiesen -und ins Elend gejagt haben. Dem <span class="antiqua">Sokrati</span> ist mit -Gift vergeben worden. <span class="antiqua">Hannibal</span> hat elendiglich, in der -Welt landflüchtig herumschweifen müssen. <span class="antiqua">Lykurg</span> ward -gesteiniget. <span class="antiqua">Solo</span> wurde verbrannt, nachdem ihm ein -Aug ausgestochen ward. Darum behalte du dein Kommando -samt seinem Lohn. Dann wann alles wohl mit -dir abgehet, so bringst du aufs wenigste ein böses Gewissen -davon.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p096" id="Seite_p096">[S. 96]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_sechste_Kapitel" id="Buch2_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Und währendem meinem Diskurs sahe mich jedermann -verwundert an. Mein Herr aber sagte:</p> - -<p>»Ich weiß nicht, was ich an dir habe. Du bedünkest -mich vor ein Kalb viel zu verständig zu sein. Ich vermeine -schier, du seiest unter deiner Kalbshaut mit einer -Schalkshaut überzogen.«</p> - -<p>Ich stellete mich zornig und rief: »Vermeinet ihr -Menschen dann wohl, wir Tiere seien gar Narren? -Das dörft ihr euch wohl nicht einbilden. Ältere Tiere -möchten euch anderst aufschneiden, so sie reden könnten -als ich. Saget mir doch, wer die wilden Waldtauben, -Häher, Amseln und Rebhühner gelehret hat sich mit -Lorbeerblättern zu purgieren und die Turteltäublein -und Hühner mit St. Peterskraut? Wer lehret Hunde -und Katzen das betaute Gras fressen, wann sie ihren -vollen Bauch reinigen wollen? Wer den angeschossenen -Hirsch seine Zuflucht zur wilden Poley nehmen? Wer -hat das Wieselin unterrichtet, daß es Raute gebrauchen -solle, wann es mit der Feldmaus oder irgendeiner -Schlange kämpfen will? Wer gibt den wilden Schweinen -Efeu und den Bären Alraun vor Arznei zu erkennen? -Wer unterweiset die Schwalbe, daß sie ihrer Jungen -blöde Augen mit dem Chelidonio arzneien soll? Wer -instruieret die Schlange, daß sie Fenchel esse, wann sie -ihre Haut abstreifen will? Schier dorfte ich sagen, daß -ihr eure Künste und Wissenschaften von uns Tieren -erlernet habt. Aber ihr freßt und sauft euch krank und -tot, das tun wir Tiere nicht. Ein Löw oder Wolf, -wann er zu fett werden will, so fastet er, bis er frisch -und gesund wird. Wer aber sagt den Sommervögeln,<span class="pagenum"><a name="Seite_p097" id="Seite_p097">[S. 97]</a></span> -wann sie im Frühjahr zu uns kommen, Junge hecken -und im Herbste wieder von dannen in warme Länder -ziehen sollen? Leihet ihr Menschen ihnen vielleicht -eueren Kalender oder Seekompaß? Beschauet die mühsame -Spinne, deren Geweb beinahe ein Wunderwerk -ist. Sehet ob ihr auch einen einzigen Knopf in aller -ihrer Arbeit finden möget. Welcher Jäger hat sie gelehrt, -das Wildpret zu belaustern? Die alten Philosophi -haben solches ernstlich erwogen und sich nicht geschämet -zu fragen und zu disputieren, ob die Tiere nicht auch -Verstand hätten. Gehet hin zu den Immen und sehet, -wie sie Wachs und Honig machen, und alsdann saget -mir euer Meinung wieder.«</p> - -<p>Hierauf fielen unterschiedliche Urteile über mich. Der -<span class="antiqua">Secretarius</span> hielt davor, ich sei närrisch, weil ich mich -selbsten vor ein unvernünftig Tier schätze, maßen diejenigen, -so einen Sparen zu viel oder zu wenig hätten -und sich jedoch weise zu sein dünkten, die aller artlichsten -und visierlichsten Narren wären. Andere sagten, -wann man mir die Imagination benehme, daß ich -ein Kalb sei, so würde ich vor vernünftig und witzig -gelten müssen.</p> - -<p>Mein Herr sagte: »Er ist ein Narr, weil er jedem -ungescheut die Wahrheit sagt, hingegen stehen seine -klugen Diskursen keinem Narren zu.«</p> - -<p>Solches redeten sie auf latein, damit ich's nicht verstehen -sollte.</p> - -<p>Der tolle Fähnrich aber schloß: »Wat wolts met deesem -Kerl sin, hei hett den Tüfel in Liff, hei ist beseeten. -De Tüfel, de kühret ut jehme!«</p> - -<p>Dahero nahm mein Herr Ursache, mich zu fragen, -sintemal ich dann nunmehr zu einem Kalb worden -wäre, ob ich noch wie vor diesem, gleich andern<span class="pagenum"><a name="Seite_p098" id="Seite_p098">[S. 98]</a></span> -Menschen zu beten pflege und in Himmel zu kommen -getraue.</p> - -<p>»Freilich,« antwortete ich, »ich habe ja meine unsterbliche -menschliche Seele noch, die wird ja, wie du leicht -gedenken kannst, nicht in die Hölle begehren, vornehmlich -weil mir's schon einmal so übel darin ergangen. -Ich bin verändert wie vordem Nabuchodonosor und -dörfte ich noch wohl zu einer Zeit wieder zu einem -Menschen werden.«</p> - -<p>»Das wünsche ich dir,« sagte mein Herr mit einem -ziemlichen Seufzen. Daraus ich leichtlich schließen konnte, -daß ihm eine Reue ankommen. »Aber laß hören, wie -pflegst du zu beten?«</p> - -<p>Darauf kniete ich nieder, hub Augen und Hände auf -gut einsiedlerisch zum Himmel, und weilen mich meines -Herren Reue mit Trost berührte, konnte ich mich der -Tränen nicht enthalten. Betete also mit größter Andacht -das Vaterunser und bat weiters vor meine Freunde -und Feinde und, daß mich Gott in dieser Zeitlichkeit -also leben lasse, daß ich der ewigen Seligkeit würdig -werde. Mein Einsiedel hatte mich ein solches Gebet -mit andächtig concipierten Worten gelehret. Hievon etliche -weichherzige Zuseher auch beinahe zu weinen anfingen, -ja meinem Herren selbst stunden die Augen voll -Wasser.</p> - -<p>Alsbald schickte mein Herr zum Pfarrer, dem erzählte -er alles, daß er besorge, es gehe nicht recht mit mir zu, -und daß vielleicht der Teufel mit unter der Decke läge. -Der Pfarrer aber, dem meine Beschaffenheit am besten -bekannt war, meinte, man sollte solches bedacht haben, -eh man mich zum Narren zu machen unterstanden -hätte, Menschen seien Ebenbilder Gottes, mit welchen -nicht wie mit Bestien zu scherzen sei. Doch glaube er<span class="pagenum"><a name="Seite_p099" id="Seite_p099">[S. 99]</a></span> -nicht an ein Spiel des Bösen, dieweil ich jederzeit inbrünstig -zu Gott bete. Sollte aber solches wider Verhoffen -zugelassen werden, so hätte man es bei Gott -schwer zu verantworten, maßen es keine schwerere Sünde -gibt, als einen Menschen der Vernunft zu berauben. -Er wisse aber, daß ich auch hiebevor Witz genug gehabt, -mich aber in diese Welt nicht habe schicken können. -Hätte man sich ein wenig geduldet, so würde ich mich -mit der Zeit besser angelassen haben. »Wann man ihm -nur die Einbildung nehmen kann, daß er nicht mehr -glaubet, er sei ein Kalb! Ich habe selbsten einen kranken -Baur in meiner Pfarr gehabt, der klagte mir, daß er -auf vier Ohm Wasser im Leib hätte, ich sollet ihn -aufschneiden oder ihn in Rauch hängen lassen, damit -dasselbe herauströckne. Darauf sprach ich ihm zu und -überredete ihn, es könne das Wasser auf eine andere -Weise von ihm gebracht werden. Nahm demnach einen -Weinhahn, daran ich einen Darm steckte, das ander End -des Darms band ich an das Spuntloch eines Wasserzubers. -Darauf stellet ich mich, als wann ich ihm den -Hahn in den Bauch steckte, welchen er überall mit -Lumpen umwickelt hatte, damit er nicht zerspringen -sollte. Ich ließ das Wasser durch den Hahn hinweglaufen, -darüber sich der Tropf herzlich erfreuete. Er -tät nach solcher Verrichtung die Lumpen von sich und -kam in wenigen Tagen wieder allerdings zurecht. Also -kann dem guten <span class="antiqua">Simplicio</span> auch wieder geholfen werden.«</p> - -<p>»Dieses alles glaube ich wohl,« sagte mein Herr, »allein -es liegt mir an, daß er zuvor so unwissend gewesen, -nun aber ein jeder sein Reden vor ein Orakul oder -Warnung Gottes halten muß.«</p> - -<p>»Herr,« sagte der Pfarrer, »dieses kann natürlicher -Weise wohl sein, doch weiß ich, daß er belesen ist,<span class="pagenum"><a name="Seite_p100" id="Seite_p100">[S. 100]</a></span> -maßen er sowohl als sein Einsiedel alle meine Bücher -durchgangen hat. Obgleich er nun seiner eigenen Person -vergißt, kann er dannoch hervorbringen, was er -hiebevor ins Gehirn gefaßt hat.«</p> - -<p>Also satzte der Pfarrer den Gubernator zwischen -Forcht und Hoffnung, das brachte mir gute Tage und -ihm einen Zutritt bei meinem Herrn, so daß er ihn -endlich bei der Guarnison zum Kaplan machte.</p> - -<p>Von dieser Zeit besaß ich meines Herrn Gnade, Gunst -und Liebe vollkömmlich, nichts manglete mir zu meinem -besseren Glück, als daß ich an einem Kalbskleid zu viel -und an Jahren noch zu wenig hatte. So wollte mich -der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihm -solches noch nicht Zeit und seinem Nutzen verträglich -zu sein bedünkte.</p> - -<p>Demnach aber mein Herr sahe, daß ich Lust zur Musik -hatte, ließ er mich solche lernen und verdingte mich -zugleich einem vortrefflichen Lautenisten, dessen Kunst -ich in Bälde ziemlich begriff und ihn um soviel übertraf, -weil ich besser singen konnte. Also dienet ich -meinem Herrn zur Lust, Kurzweile, Ergetzung und -Verwunderung. Alle Offizierer erzeugten mir ihren geneigten -Willen, die reichsten Bürger verehreten mich, -Hausgesind und Soldaten wollten mir wohl. Einer -schenkte mir hier, der andere dort, daß ich sie nicht -verfuchsschwänzen sollte. Ich brachte ziemlich Geld zu -Wege, welches ich mehrenteils dem Pfarrer zusteckte. -Ich wuchs auf wie ein Narr in Zwiebelland und meine -Leibskräfte nahmen handgreiflich zu. Man sahe mir -in Bälde an, daß ich nicht mehr im Wald mit Wasser, -Eicheln, Bucheckern, Wurzeln und Kräutern mortifizierte, -sondern daß mir bei guten Bissen der rheinische -Wein und das hanauische Doppelbier wohl zuschlug.<span class="pagenum"><a name="Seite_p101" id="Seite_p101">[S. 101]</a></span> -Mein Herr gedachte mich nach beendeter Belagerung -dem Kardinal Richelieu oder Herzog Bernhard von -Weimar zu schenken, dann ohn daß er hoffte, einen -großen Dank mit mir zu verdienen, gab er auch vor, -daß mein Anblick ihm schier unmöglich länger zu ertragen, -weil ich seiner Schwester je länger, je ähnlicher -wurde und dies im Narrenhabit.</p> - -<p>Der Pfarrer widerriet, dann er hielt davor, die Zeit -wäre gekommen, in welcher er ein Mirakul tun und -mich vernünftig machen wollte. Es sollten andere Knaben -in gleichen Kalbsfellen und mit denselben Zeremonien -von einer Person in Gestalt eines Arztes, Propheten -oder Landfahrers aus Tieren zu Menschen gemacht -werden. Der Gouverneur ließ sich solchen Vorschlag -belieben, mir aber communicierte der Pfarrer, -was er mit meinem Herrn abgeredet hätte.</p> - -<p>Aber das neidische Glück wollte mich so leichtlich -nicht meines Narrenkleides erledigen. Indem die Komödia -noch in Händen der Schneider und Gerber lag, -terminierte ich mit etlichen andern Knaben vor der -Festung auf dem Eise herum, da überfiel uns eine -Partei Kroaten; die satzten uns auf gestohlene Baurenpferd -und führeten uns davon.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p102" id="Seite_p102">[S. 102]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_siebente_Kapitel" id="Buch2_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Obzwar nun die Hanauer gleich Lärm schlugen, sich -zu Pferd heraus ließen, so mochten sie doch denen -Kroaten nichts abgewinnen. Diese leichte Ware ging -sehr vorteilhaftig durch und nahm ihren Weg auf -Büdingen zu, allwo sie fütterten und den Bürgern daselbst -die gefangenen hanauischen reichen Söhnlein wieder -zu lösen gaben, auch ihre gestohlenen Pferde und andere -Beute verkauften. Von dannen brachen sie wieder -auf und gingen schnell durch den Büdinger Wald auf -Stift Fulda zu. Sie nahmen unterwegs mit, was sie -fortbringen konnten, das Rauben und Plündern hinderte -sie an ihrem schleunigen Fortzug im geringsten -nichts, dann sie konntens machen wie der Teufel, maßen -wir noch denselben Abend im Stift Hirschfeld, allwo -sie ihr Quartier hatten, mit einer großen Beute ankamen. -Das ward alles partiert, ich aber fiel dem -Obristen Corpes zu.</p> - -<p>Bei diesem Herrn kam mir alles widerwärtig und -fast spanisch vor. Die hanauischen Schleckerbissen hatten -sich in schwarzes Brot und mager Rindfleisch verändert, -Wein und Bier war mir zu Wasser geworden, so schlief -ich bei den Pferden. Anstatt Lautenschlagen mußte ich -zu Zeiten gleich andern Jungen untern Tisch kriechen, -wie ein Hund heulen und mich von Sporen stechen -lassen. Vor das hanauische Herumterminieren mußte ich -Pferde striegeln. Mein Herr hatte kein Weib, keinen -Pagen, keinen Kammerdiener, keinen Koch, hingegen -aber einen Haufen Reutknechte und Jungen. Er schämete -sich nicht, sein Roß zu satteln und ihm Futter fürzuschütten. -Er schlief auf der bloßen Erde und bedeckte<span class="pagenum"><a name="Seite_p103" id="Seite_p103">[S. 103]</a></span> -sich mit seinem Pelzrock, daher sahe man oft die Müllerflöhe -auf seinen Kleidern herumwandern, deren er sich -im geringsten nicht schämete, sondern noch darzu lachte, -wann ihm jemand einen herablas. Er trug kurze Haupthaar -und einen Schweizerbart, welcher ihm wohl zustatten -kam, weil er zuweilen selbst auf Kundschaft ging. -Von den Seinen und andern, die ihn kannten, ward -er geliebt, geehrt und geförchtet.</p> - -<p>Dies Leben schmäckte mir ganz nicht, dann wir waren -niemals ruhig. Mit den Burschen konnte ich nicht -reden, mußte mich stoßen, plagen, schlagen und jagen -lassen. Die größte Kurzweil, die mein Obrister mit mir -hatte, war, daß ich ihm auf deutsch singen und eins -vorblasen mußte. Ich kriegte alsdann so dichte Ohrfeigen, -daß der rote Saft hernach ging. Zuletzt lernte ich das -Kochen und meines Herrn Gewehr sauber halten, darauf -er viel hielt. Das schlug mir so vortrefflich zu, -daß ich endlich seine Gunst erwarb, maßen er mir ein -neues Narrenkleid aus Kalbsfellen mit viel größeren -Eselsohren machen ließ. Ich trachtete Tag und Nacht, -wie ich mit guter Manier wieder ausreißen möchte, -vornehmlich weil ich den Frühling wieder erlanget hatte.</p> - -<p>Derhalben nahm ich mich an, die Schaf- und Kühkutteln, -deren es voll um unser Quartier lag, fern -hinweg zu schleifen, damit sie keinen so üblen Geruch -machten. Solches ließ sich der Obrist gefallen. Zuletzt -aber blieb ich gar aus und entwischte in den nächsten -Wald.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p104" id="Seite_p104">[S. 104]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_achte_Kapitel" id="Buch2_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Allein ich war wenig Stunden von den Kroaten -hinweg, so erhascheten mich etliche Schnapphahnen, -die mein närrisch Kleid in der finstern Nacht nicht sahen -und mich durch zween von ihnen an einen gewissen Ort -im Walde führen ließen. Als wir dort waren, wollte -der eine Kerl kurzum Geld von mir und legte Handschuh -und Feuerrohr nieder, um mich zu visitieren. -Sobald er aber mein haarigs Kleid und die langen -Eselsohren an meiner Kappe begriff, davon helle Funken -stoben, fuhr er vor Schröck ineinander. Solches -merkte ich gleich, derowegen striegelte ich mein Kleid, -daß es schimmerte, als wann ich inwendig voller brennenden -Schwefels gestocken wäre. Ich schrie ihn mit -schröcklicher Stimme an: »Ich bin der Teufel und will -dir und deinem Gesellen die Hälse abdrähen!«</p> - -<p>Da rannten alle beide durch Stöcke und Stauden, als -wann sie das höllische Feuer gejaget hätte. Ich aber -lachte unterdessen förchterlich, daß es im ganzen Wald -erschallete.</p> - -<p>Als ich mich abwegs machen wollte, strauchelte ich -über das Feuerrohr und da ich weiterschritte, stieß ich -auch an einen Knappsack, daran unten eine Patronentasche, -mit Pulver, Blei und Zugehör wohlversehen, -hing. Das nahm ich alles an mich, weil ich mit dem -Geschoß umzugehen bei den Kroaten wohl gelernet -hatte, und verbarg mich unweit davon in einem dicken -Busch.</p> - -<p>Sobald der Tag anbrach kam die ganze Partei auf vorbenannten -Platz und suchte das verloren Feuerrohr samt -Knappsack. Ich aber hielt mich stiller als eine Maus.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p105" id="Seite_p105">[S. 105]</a></span> - -»Pfui, ihr feige Tropfen,« sagte einer, »daß ihr euch -von einem einigen Kerl erschröcken, verjagen und das -Gewehr abnehmen lasset!«</p> - -<p>Jedoch der eine schwur, der Teufel solle ihn holen, -wann es nicht der Teufel selbst gewesen sei, er hätte -die Hörner und seine rauhe Haut wohl begriffen. Der -Anführer antwortete: »Was meinest du wohl, daß der -Teufel mit deinem Ranzen und Feuerrohr machen wollte. -Ich dörfte meinen Hals verwetten, wo nicht der Kerl -beide Stücke mit sich genommen!«</p> - -<p>Diesem hielt ein andrer Widerpart und sagte: es -könne wohl auch sein, daß seither etlich Bauren dagewesen -wären.</p> - -<p>Zuletzt glaubten sie den grausamen Flüchen der beiden, -so meine funkelnde Haut gesehen hatten, daß es der -Teufel gewesen sei, und nahmen ihren Weg weiters.</p> - -<p>Ich aber machte den Ranzen auf zu frühstücken und -langte mit dem ersten Griff einen Säckel heraus, in -welchen dreihundert und etliche sechzig Dukaten waren. -Viel mehr erfreuete mich aber, daß ich den Sack mit -Proviant wohl gefüllet befand. Also zehrete ich bei -einem lustigen Brünnlein fröhlich zu morgen.</p> - -<p>Solang mein Proviant währete, blieb ich im Wald, -als aber mein Ranzen leer worden, jagte mich der -Hunger in die Baurenhäuser. Da kroch ich bei Nacht -in Keller und Küchen, nahm, was ich fand, und schleppte -es mit mir dahin, wo es am allerwildesten war. Noch -stund der Sommer im Anfang und ich konnte mit -meinem Rohr Feuer machen.</p> - -<p>Unter währendem diesem Herumschweifen haben mich -unterschiedliche Baursleute angetroffen, die seind aber -allezeit vor mir geflohen. Also ward ruchbar, der böse -Feind wandere wahrhaftig in selbiger Gegend umher.<span class="pagenum"><a name="Seite_p106" id="Seite_p106">[S. 106]</a></span> -Derowegen mußte ich sorgen, der Proviant möchte mir -ausgehen. Ich wollte wieder Wurzeln und Kreuter essen, -deren war ich aber nicht mehr gewohnt.</p> - -<p>Einsmals hörete ich zween Holzheuer. Ich ging dem -Schlag nach, und als ich sie sahe, nahm ich eine Handvoll -Dukaten, schlich nahe zu ihnen, zeigte ihnen das -anziehende Geld und sagte: »Ihr Herren, wann ihr -meiner wartet, so will ich euch die Handvoll Gold -schenken.«</p> - -<p>Aber sobald sie mich und das Gold sahen, gaben sie -Fersengeld und ließen Schlegel und Keil samt ihrem -Käs- und Brotsack liegen. Den nahm ich, verschlug -mich in den Wald und verzweifelte schier, wieder einmal -unter Menschen zu kommen.</p> - -<p>Nach langem Hin- und Hersinnen gedachte ich meinen -Schatz zu sichern, derowegen machte ich mir aus meinen -Eselsohren zwei Armbinden, gesellete darein meine -hanauischen zu den schnapphahnischen Dukaten und -arrestieret die Armbänder oberhalb den Ellbogen um -meine Arme. Sodann fuhr ich den Bauren wieder ein -und holte von ihrem Vorrat, was ich bedurfte und -erschnappen konnte, jedoch so, daß ich niemals wieder -an denselbigen Ort kam.</p> - -<p>Als ich zu Ende Mai wieder in einen Baurenhof -geschlichen war, kam ich in die Küche, merkte aber bald, -daß noch Leute auf waren. Blieb demnach mausstill -sitzen und wartete. Unterdessen nahm ich einen Spalt -gewahr, den das Küchenschälterlein hatte. Ich schlich -hinzu und sahe anstatt des Lichts eine schweflichte, blaue -Flamme auf der Bank stehen, bei welcher sie Stecken, -Besen, Gabeln, Stühl und Bänke schmierten und nach -einander damit zum Fenster hinaus flogen. Ich wunderte -mich schröcklich und empfand großes Grauen, weil ich<span class="pagenum"><a name="Seite_p107" id="Seite_p107">[S. 107]</a></span> -aber größerer Schröcklichkeiten gewohnt war, verfügte -ich mich, nachdem sie alle abgefahren, in die Stube -und bedachte, wo ich etwas finden sollte. Satzte mich -in solchen Gedanken auf eine Bank rittlings nieder. -Ich war aber kaum aufgesessen, da fuhr ich samt der -Bank gleichsam augenblicklich zum Fenster hinaus und -ließ meinen Ranzen und Feuerrohr vor den Schmierlohn -und die künstliche Salben dahinter.</p> - -<p>Ich kam in einem Nu zu einer großen Schar Volkes, -diese tanzten einen wunderlichen Tanz, dergleichen ich -mein Lebtag nie gesehen. Sie hatten sich bei den Händen -gefaßt und viel Ring ineinander gemacht mit zusammengekehrten -Rücken, also, daß sie die Angesichter -hinauswarts kehrten. Ein Ring tanzte um den andern -links, der ander rechts herum und würblete dermaßen, -daß ich nicht sehen konnte, was sie in der Mitte stehen -hatten. Gleich seltsam war die Musik, welche eine -wunderliche <span class="antiqua">Harmoniam</span> abgab. Meine Bank hatte -mich bei den Spielleuten niedergelassen. Die hatten anstatt -Flöten, Zwerchpfeifen und Schalmeien nichts anderes -als Nattern, Vipern und Blindschleichen, darauf -sie lustig daherpfiffen. Etliche geigten auf Roßköpfen, -andere schlugen Harfe auf einem Kühgerippe, wie solche -auf dem Wasen liegen. Einer hatte eine Hündin am -Arm, deren leierte er am Schwanz und fingerte an den -Dütten. Darunter trompeteten die Teufel durch die -Nase, daß es im ganzen Wald erschallete. Wie der Tanz -bald aus war, fing die ganze höllische Gesellschaft an -zu rasen, zu rufen, zu rauschen, zu brausen, zu wüten -und zu toben, als ob sie alle toll wären.</p> - -<p>In diesem Lärmen kam ein Kerl auf mich dar und hatte -eine ungeheuere Krote unterm Arm, der waren die Därme -ausgezogen und wieder zum Maul hineingeschoppt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p108" id="Seite_p108">[S. 108]</a></span> - -»Sieh hin, <span class="antiqua">Simplici</span>, ich weiß du bist ein guter Lautenist, -laß doch ein Stückgen hören!«</p> - -<p>Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der -Kerl mit meinem Namen nannte. Ich sahe ihn mit -seiner Krot steif an und er zog seinen Nase aus und -ein. Endlich stieß er mir vor die Brust, daß ich bald -davon erstickte, derowegen rief ich überlaut zu Gott. -Im Hui war es stockfinster und mir so förchterlich ums -Herz, daß ich zu Boden fiel und wohl hundert Kreuz -vor mich machte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p109" id="Seite_p109">[S. 109]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_neunte_Kapitel" id="Buch2_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Demnach es etliche, und zwar vornehme, gelehrte -Leute gibt, die nicht glauben, daß Hexen und -Unholden sein, als zweifele ich nicht, es werden sich -etliche finden, die sagen, <span class="antiqua">Simplicius</span> schneide hier mit -dem großen Messer auf. Mit denen begehre ich nicht -zu fechten, dann weil Aufschneiden jetziger Zeit fast das -gemeinste Handwerk ist, als kann ich nicht leugnen, daß -ichs nicht auch könnte.</p> - -<p>Welche aber der Hexen Ausfahren leugnen, die sollen -sich erinnern, daß Simon, der Zauberer, welcher vom -bösen Geist in die Luft erhoben ward, auf <span class="antiqua">St. Petri</span> -Gebet wieder heruntergefallen. Weiters <span class="antiqua">Nicolaus Remigius</span>, -ein gelehrter und verständiger Mann, so im -Herzogtum Lothringen nicht nur ein halbes Dutzend -Hexen hat verbrennen lassen, erzählet von Johann von -Hembach, daß ihn seine Mutter, die Hexe war, im sechzehnten -Jahr seines Alters mit auf ihre Versammlung -genommen. <span class="antiqua">Majolus</span> setzet zwei Exempel: von einem -Knecht, so sich an seine Frau gehängt, und von einem -Ehebrecher, so der Ehebrecherin Büchsen genommen, -sich mit deren Salbe geschmiert und also beide zu der -Zauberer Zusammenkunft kommen sein. So ist auch -mehr als genugsam bekannt, was Gestalt teils Weiber -und ledige Dirnen in Böhmen ihre Beischläfer des -Nachts einen weiten Weg auf Böcken zu sich holen -lassen. Was <span class="antiqua">Torquemadus</span> in seinem <span class="antiqua">Hexamerone</span> erzählet, -mag bei ihm gelesen werden. Wie Doktor Faust -neben noch andern mehr, die gleichwohl keine Zauberer -waren, durch die Luft gefahren, ist aus seiner Histori -genugsam bekannt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p110" id="Seite_p110">[S. 110]</a></span> - -Mag einer nun meine Geschicht glauben oder nicht, -es gilt mir gleich, doch wer's nicht glauben will, der -mag einen andern Weg erfinden, auf welchen ich aus -dem Stift Hirschfeld oder Fulda in so kurzer Zeit ins -Erzstift Magdeburg marschiert sei.</p> - -<p>Ich fange meine Histori wieder an und versichere -den Leser, daß ich auf dem Bauch liegen blieb, bis es -allerdings heller Tag war, weil ich nicht das Herz hatte, -mich aufzurichten. Etliche Fouragierer weckten mich -auf und nahmen mich in das Läger vor Magdeburg, -allda ich einem Obristen zu Fuß zu teil ward. Dem -erzählte ich alles haarklein und wie ich von denen -Kroaten entloffen wäre; von meinen Dukaten schwieg -ich still. Indessen sammlete sich ein Haufen Volks um -mich, dann ein Narr macht tausend Narren. Unter -denselben war einer, so das vorige Jahr zu Hanau gefangen -gewesen. »Hoho,« rief er, »dies ist des Kommandanten -Kalb zu Hanau!« Der Obrist fragte ihn, -der Kerl aber wußte nichts, als daß ich wohl auf der -Laute schlagen könnte, <span class="antiqua">item</span> daß mich die Kroaten von -des Obrist Corpes Regiment hinweggenommen hätten. -Hierauf schickte die Obristin zu einer andern Obristin, -die auf der Lauten spielen konnte, und ließ um ihre -Lauten bitten. Solche ward mir präsentiert mit Befehl, -ich solle mich hören lassen. Ich aber meinte, daß -mein leerer Bauch nicht wohl mit dem dicken, wie die -Laute einen hatte, zusammenstimmen würde. Also bekam -ich ziemlich zu kröpfen und zugleich einen guten -Trunk Zerbster Bier. Sodann ließ ich beides, die Lauten -und meine Stimme hören. Darunter redete ich allerlei, -so daß ich mit geringer Mühe die Leute dahin brachte, -daß sie glaubten, ich wäre von derjenigen Qualität, -die meine Kleidung vorstellete. Der Obrist fragte mich,<span class="pagenum"><a name="Seite_p111" id="Seite_p111">[S. 111]</a></span> -wo ich weiters hinwollte, und da ich antwortete, daß -es mir gleich sei, so machte er mich zu seinem Hofjunker. -Er wollte auch wissen, wo meine Eselsohren wären.</p> - -<p>»Ja, wann du wüßtest, wo sie wären,« sagte ich, -»so würden sie dir nicht übel anstehen.«</p> - -<p>Ich ward in kurzer Zeit bei den meisten hohen Offizierern -sowohl im kur-sächsischen als im kaiserlichen -Läger bekannt, sonderlich bei den Frauenzimmern, welche -meine Kappe, Ärmel und gestutzten Ohren überall mit -seidenen Banden zierten. Was mir aber an Geld geschenkt -ward, das verspendierte ich in Hamburger und -Zerbster Bier an gute Gesellen. Überall, wo ich nur -hinkam, hatte ich genug zu schmarotzen.</p> - -<p>Als meinem Obristen aber eine eigene Laute vor -mich überkam, dann er gedachte ewig an mir zu haben, -da dorft ich nicht mehr in den beiden Lägern so hin -und wieder schwärmen, sondern er stellete mir einen -Hofmeister dar, der mich beobachten und dem ich hingegen -gehorsamen sollte. Dieser war ein Mann nach -meinem Herzen, still, verständig, wohlgelehrt, von guter -Konversation und was das gröbste gewesen, überaus -gottesförchtig. Er war vordem eines vornehmen Fürsten -Rat und Beamter, aber von den Schwedischen bis in -Grund ruiniert worden. Er ließ sich bei diesem Obristen -vor einen Stallmeister gebrauchen, indem sein einziger -Sohn unter der kur-sächsischen Armee vor einen Musterschreiber -dienete.</p> - -<p>In der ersten Woche schon kam er mir hinter die -Briefe und erkannte, daß ich kein solcher Narr war, -wie ich mich stellete, wie er dann vom ersten Tag an -aus meinem Angesicht ein anders geurteilet hatte, weil -er sich wohl auf <span class="antiqua">Physiognomiam</span> verstund.</p> - -<p>Ich erwachte einsmals um Mitternacht und machte<span class="pagenum"><a name="Seite_p112" id="Seite_p112">[S. 112]</a></span> -über mein Leben und seltsame Begegnüssen allerlei Gedanken, -knieet neben den Bette nieder und erzählete danksagungsweise -alle Guttaten, die mir mein lieber Gott erwiesen, -und alle Gefahren, daraus er mich errettet. Weil -mein Hofmeister mehr alt als jung war und die ganze -Nacht nicht durchgehend schlafen konnte, hörete er alles, -tät aber, als wenn er schliefe und redete nicht mit mir -im Zelt hievon, weil es zu dünne Wände hatte; wollte -auch meiner Unschuld versichert sein.</p> - -<p>Bei einer Gelegenheit fand er mich einsmals nach -Wunsch an einem einsamen Ort und sagte:</p> - -<p>»Lieber, guter Freund, ich weiß, daß du kein Narr -bist, wie du dich stellest, zumalen auch in diesem elenden -Stand nicht zu leben begehrest. Ich will womüglich -mit Rat und Tat bedacht sein, wie dir etwan zu helfen -sein möchte, so du zu mir, als einem ehrlichen Mann, -dein Vertrauen setzen willst.«</p> - -<p>Hierauf fiel ich ihm um den Hals und erzeugete mich -vor übriger Freude nicht anders, als wann er ein Prophet -gewesen wäre, mich von meiner Narrenkappe zu -erlösen. Nachdem wir auf die Erde gesessen, erzählete -ich ihm mein ganzes Leben. Er beschauete meine Hände -und verwunderte sich über beides: die verwichenen und -künftigen seltsamen Zufälle, so er aus meinen Händen -las. Widerriet mir durchaus, daß ich mein Narrenkleid -ablegen sollte, dann er vermittelst <span class="antiqua">Chiromantia</span> sehe, -daß mir mein Fatum ein Gefängnis androhe unter -Leibes- und Lebensgefahr. Er wollte mein treuer Freund -und Vater bleiben.</p> - -<p>Demnach stunden wir auf und kamen auf den Spielplatz, -da man mit Würfeln turnieret und alle Schwüre -mit hundert und tausend Galeeren, Rennschifflein, -Tonnen und Städtgräben voll herausfluchte. Der Platz<span class="pagenum"><a name="Seite_p113" id="Seite_p113">[S. 113]</a></span> -war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln, -überall mit Mänteln überstreut und mit Tischen bestellt, -die alle von Spielern umgeben waren. Jede Gesellschaft -hatte drei viereckichte Schelmenbeiner, denen -sie ihr Glück vertraueten. So hatte auch jeder Mantel -oder Tisch einen Schunderer, dessen Amt war zu sehen, -daß kein Unrecht geschähe. Die liehen auch Mäntel, -Tische und Würfel her und erschnappten gewöhnlich -das meiste Geld, doch blieb es ihnen nicht, dann sie -verspieltens gemeiniglich wieder oder bekams der Feldscherer, -weil ihnen die Köpfe oft gewaltig geflickt wurden.</p> - -<p>Alle vermeineten zu gewinnen, als hätten sie aus -einer fremden Tasche gesetzt, weil aber etlich trafen, -etlich fehlten, so donnerten und flucheten auch etlich -und betrogen und wurden gesäbelt; war ein Gelächter -und Zähneaufeinanderbeißen. Etliche begehrten redliche -Würfel, andere führten unvermerkt falsche ein, die -wieder andere hinwegwurfen, mit den Zähnen zerbissen -und darüber aus Zorn den Schunderern die Mäntel -zerrissen. Unter den falschen Würfeln befanden sich -Niederländer, die man schleifend rollen mußte, sie hatten -spitze Rücken, drauf sie Fünfer und Sechser trugen. -Andere waren oberländisch, denen mußte man die bayrische -Höhe geben, wenn man sie werfen wollte. Etliche -waren aus Hirschhorn, oben leicht und unten schwer, -andre mit Quecksilber oder Blei, aber andere mit zerschnittenen -Haaren, Schwämmen, Spreu und Kohlen -gefüttert. Etliche hatten spitze Ecken, andern waren -solche glatt hinweggeschliffen. Teils waren lange Kolben, -teils sahen sie aus wie Schildkrotten. Mit solchen -Schelmbeinern zwackten, laureten, stahlen sie einander -ihr Geld ab.</p> - -<p>Mein Hofmeister sagte: »Dieses ist der allerärgste und<span class="pagenum"><a name="Seite_p114" id="Seite_p114">[S. 114]</a></span> -abscheulichste Ort im ganzen Läger. Wann einer nur -den Fuß hierher setzet, so hat er das zehende Gebot -übertreten: du sollst deines nächsten Gut nicht begehren. -So du aber spielest und gewinnst, sonderlich durch Betrug -und falsche Würfel, so übertrittst du das siebend -und achte Gebot. Ja, es kann kommen, daß du auch -zum Mörder wirst aus äußerster Not und Desperation. -Ein jeder auf diesem Platze ist in Gefahr, sein Geld -und auch sein Leib, Leben und gar seiner Seelen Seligkeit -zu verlieren.«</p> - -<p>Ich fragte: »Liebster Herr, warum lassens dann die -Vorgesetzten zu?«</p> - -<p>Er antwortete: »Ich will nicht sagen darum, dieweil -teils Offizierer selbst mitmachen, sondern es geschiehet, -weils die Soldaten nicht mehr lassen wollen, ja, auch -nicht lassen können. Dann wer sich dem Spielen einmal -ergeben, der wird nach und nach, er gewinne oder -verspiele, so verpicht darauf, daß er's weniger lassen -kann als den natürlichen Schlaf. Man siehet etliche die -ganze Nacht durch und durch raßlen und vor das beste -Essen und Trinken hineinspielen und sollten sie auch -ohn Hemd davongehen. Es ist zu unterschiedlichen -Malen bei Leib- und Lebensstrafe verboten und auf -Befehl der Generalität durch Rumormeister, Profosen, -Henker und Steckenknechte mit gewaffneter Hand offentlich -und mit Gewalt verwehret worden, aber das half -alles nichts. Also daß man, der Heimlichkeit zu wehren, -das Spielen wieder offentlich erlauben und gar diesen -eigenen Platz darzu widmen mußte, damit die Hauptwacht -bei der Hand wäre. Ich versichere dich, <span class="antiqua">Simplici</span>, -daß ich willens bin, von dieser Materi ein ganz Buch -zu schreiben, sobald ich wieder bei den Meinigen zur -Ruhe komme. Da will ich den Verlust der edlen Zeit<span class="pagenum"><a name="Seite_p115" id="Seite_p115">[S. 115]</a></span> -beschreiben, die man mit Spielen unnütz verbringet, -nicht weniger will ich die grausamen Flüche, mit welchen -man Gott lästert, und die Scheltworte erzählen, mit -denen einer den andern antastet, viel schröckliche Exempel -und Historien einbringen, die sich bei, mit und in dem -Spielen zutragen. Und will nicht vergessen der Duell -und Totschläge, des Geizes, Zorns, Neides, Eifers, der -Falschheit, des Betrugs und Diebstahls und beides: der -Würfel- und Kartenspieler unsinnige Torheiten mit -ihren lebendigen Farben abmalen und vor Augen stellen, -daß jeder Leser ein solch Abscheuen vor dem Spielen -gewinnen soll, als wann er Säumilch gesoffen hätte, -welche man den Spielsüchtigen wider solche ihre Krankheit -unwissend eingibt.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p116" id="Seite_p116">[S. 116]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_zehent_Kapitel" id="Buch2_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Mein Hofmeister ward mir je länger, je holder und -ich hingegen wieder ihm, doch hielten wir unsere -Verträulichkeit sehr geheim. Ich agierte zwar den Narren, -brachte aber keine grobe Zotten und Büffelpossen vor, -so daß meine Gaben zwar vielfältig genug, aber jedoch -mehr sinnreich als närrisch fielen.</p> - -<p>So gab mir auch meines Herren Schreiber, ein arger -Gast und durchtriebener Schalk, viel Materi an die -Hand, dadurch ich auf dem Wege, den die Narren zu -wandeln pflegen, unterhalten ward, indem mich der -Speivogel zu Torheiten überredete, die ich dann nicht -allein vor mich selbsten glaubte, sondern auch anderen -mitteilte.</p> - -<p>Als ich ihn einsmals fragte, was unseres Regiments -Kaplan vor einer sei, sagte er:</p> - -<p>»Er ist der Herr <span class="antiqua">Dicis-et-non-facis</span>, das ist auf deutsch -soviel als ein Kerl, der andern Leuten Weiber gibet -und selbst keine nimmt. Er ist den Dieben spinnefeind, -weil sie nicht sagen, was sie tun, er aber hingegen -saget, was er nicht tut. Hingegen sein die Diebe ihm -auch nicht gar so hold, weil sie gemeiniglich gehenkt -werden, wann sie mit ihm in Umgang kommen.«</p> - -<p>Da ich nachgehends den guten ehrlichen Pater so -nannte, ward er ausgelacht, ich aber selber gebaumölt.</p> - -<p>Ferner überredete er mich, es kämen von den Soldaten -keine tapferen Helden in den Himmel, sondern -bloß einfältige Tropfen, Bernheuter und dergleichen, -die sich an ihrem Sold genügen ließen; auch keine politischen -Alamode-Kavaliers und galante Dames, sondern -nur geduldige Job, Siemänner, langweilige Mönche,<span class="pagenum"><a name="Seite_p117" id="Seite_p117">[S. 117]</a></span> -melancholische Pfaffen, Betschwestern und allerhand -Auswürflinge, die der Welt weder zu sieden noch zu -braten taugen. Er überredete mich auch, daß man zu -Zeiten mit göldenen Kugeln schieße und je kostbarer -solche wären, je größeren Schaden pflegten sie zu tun. -Ja, man führet wohl eh ganze Kriegsheere mitsamt -der Artollerei, Munition und Bagage in göldenen -Ketten gefangen daher. Weiters beschwatzete er mich -von den Weibern, daß mehr als der halbe Teil Hosen -trügen, obschon man sie nicht sähe, und daß vielen -ihrer Männer Hörner auf den Köpfen gaukelten, als -solche ehmals Aktäon getragen, obschon die Weiber -keine Dianen wären. Welches ich ihm alles glaubte, so -ein dummer Narr war ich.</p> - -<p>Hingegen brachte mich mein Hofmeister in Kundschaft -seines Sohns, der, wie hiebevor gemeldet, bei -der kur-sächsischen Armee ein Musterschreiber war. Den -mochte mein Obrister gern leiden und war bedacht, -ihn von seinem Kapitän loszuhandeln und zu seinem -Regimentssekretär zu machen. Mit ihm, welcher wie -sein Vater Ulrich Herzbruder hieß, machte ich Freundschaft, -so daß wir ewige Brüderschaft zusammen -schwuren, kraft deren wir einander in Glück und Unglück, -in Liebe und Leid nimmermehr verlassen wollten. -Nichts lag uns härter an, als wie wir meines Narrenkleides -mit Ehren loswerden und einander rechtschaffen -dienen könnten. Allein der alte Herzbruder verwarnte -uns: Wann ich in kurzer Zeit meinen Stand ändere, -daß mir solches ein schweres Gefängnis und Leib- und -Lebensgefahr gebären würde. Und gleicherweise prognostizierte -er sich selbst und seinem Sohn einen großen -bevorstehenden Spott.</p> - -<p>Kurz nachher merkte ich, daß meines Obristen Schreiber<span class="pagenum"><a name="Seite_p118" id="Seite_p118">[S. 118]</a></span> -meinen neuen Bruder schröcklich neidete, weil er vor -ihm zu der Sekretariatsstelle erhoben werden wollte. -Ich sahe, wie er zu Zeiten griesgramete, wie ihn die -Mißgunst bedrängte und er in schweren Gedanken allezeit -seufzete, wann der den alten oder den jungen Herzbruder -ansahe. Ich kommunizierte meinem Bruder -beides aus getreuer Affektion und tragender Schuldigkeit, -damit er sich vor dem Judas vorsehe. —</p> - -<p>Weil es nun Gebrauch im Krieg ist, daß man alte -versuchte Soldaten zu Profosen machet, so hatten wir -bei uns einen abgefeumten Erzvogel und Kernbösewicht, -der mehr als vonnöten erfahren war. Ein rechter Schwarzkünstler, -Siebdreher und Teufelsbanner, war er und von -sich selbsten nicht allein so fest als Stahl, sondern ein -solcher Geselle, der andere fest machen und noch darzu -ganze Esquadronen Reuter ins Feld stellen konnte. So -gab es Leute, die gern mit diesem Wendenschimpf umgingen, -sonderlich Olivier unser Schreiber, um so mehr, als -sich dessen Neid gegen den jungen Herzbruder vermehrete.</p> - -<p>Eben damals ward meine Obristin mit einem jungen -Sohn erfreuet und die Taufsuppe fast fürstlich dargereicht. -Der junge Herzbruder war aufzuwarten ersuchet -worden und weil er sich aus Höflichkeit einstellte, schiene -solches dem Olivier die erwünschte Gelegenheit. Dann, -als nun alles vorüber war, manglete meines Obristen -großer vergöldter Becher, welcher noch vorhanden gewesen, -da alle fremden Gäste schon hinweg waren. -Hierauf ward der Profos geholt, in der Sache Rat zu -schaffen und das Werk so einzurichten, daß nur dem -Obristen kund wurde, wer der Dieb war, weil noch -Offizierer von seinem Regiment vorhanden, die er nicht -gern zu Schanden machen wollte, wann sich vielleicht -einer davon versehen hätte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p119" id="Seite_p119">[S. 119]</a></span> - -Weil sich nun jeder unschuldig wußte, so kamen wir -alle lustig in des Obristen Zelt. Als der Zauberer aber -etliche Worte gemurmelt hatte, sprangen dem einen von -uns hier, dem andern dort ein, zwei, drei, auch mehr -Hündlein aus den Hosensäcken, Ärmeln, Stiefeln, Hosenschlitzen, -diese wusselten behend im Zelt hin und wieder -herum, daß es ein recht lustig Spektakul war. Mir -aber wurden meine kroatischen Kälberhosen, so voller -junge Hunde gegaukelt, daß ich solche ausziehen, und -weil mein Hemd vorlängst im Walde am Leib verfaulet -war, nackend dastehen mußte. Zuletzt sprang den -jungen Herzbruder ein Hündlein mit göldenem Halsband -aus dem Hosenschlitz und das verschlang alle andern -Hündlein, ward aber selbsten je länger, je kleiner, -das Halsband nur desto größer, bis es sich endlich gar -in des Obristen Tischbecher verwandelte.</p> - -<p>Da sagte der Obrist zu meinem Herzbruder:</p> - -<p>»Siehe, du undankbarer Gast, ich habe dich zu meinem -<span class="antiqua">Secretario</span> des morgenden Tages machen wollen. Nun -aber hast du mit diesen Diebsstücken verdient, daß ich -dich noch heut aufhängen ließe. Das auch unfehlbar -geschehen sollte, wann ich deinen ehrlichen, alten Vater -nicht verschonete. Geschwind, pack dich aus meinem -Läger!«</p> - -<p>Mein junger Herzbruder ward nicht gehört. Indem -er fortging, ward dem guten alten Herzbruder ganz -ohnmächtig, daß man genug an ihm zu laben und der -Obrist selbst an ihm zu trösten hatte.</p> - -<p>Sobald des jungen Herzbruders Kapitän diese Geschichte -erfuhr, nahm er ihm die Musterschreiberstelle -und lud ihm eine Picke auf, von welcher Zeit an er -bei männiglich so verachtet ward, daß er sich oft den -Tod wünschete. Sein Vater aber bekümmerte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_p120" id="Seite_p120">[S. 120]</a></span> -dergestalt, daß er in eine schwere Krankheit fiel und -sich auf das Sterben gefaßt machte. Demnach er sich -ohndas prognostizieret, daß er den 26. <span class="antiqua">Julii</span> Leib- und -Lebensgefahr ausstehen müsse, verlangte er von dem -Obristen, daß sein Sohn noch einmal zu ihm kommen -dörfte. Ich ward der dritte Mitgesell ihres Leides. Da -sahe ich, daß der Sohn keiner Entschuldigung bedörftig -gegen seinen Vater, der als weiser, tiefsinniger Mann -unschwer ermaß, daß Olivier seinem Sohn hatte das -Bad durch den Profosen zurichten lassen. Aber was -vermochte er gegen den Zauberer! Überdies versahe er -sich des Todes und wußte doch nicht geruhiglich zu -sterben, weil er seinen Sohn in solcher Schande hinter -sich lassen sollte. Es war, versichert, dieser beiden Jammer -so erbärmlich anzuschauen, daß ich vom Herzen weinen -mußte. Zuletzt beschlossen sie, Gott ihre Sache in Geduld -heimzustellen und auf Mittel zu gedenken, wie sich -der junge Herzbruder von seiner Kompagnia loswürken -und anderwärts sein Glück suchen könnte. Da mangelte -es aber am Gelde und ich gedachte meiner gespickten -Eselsohren, fragte derowegen, wieviel sie zu ihrer Notdurft -haben mußten. Der junge Herzbruder meinte, mit -hundert Talern aus seinen Nöten zu kommen. Ich rief: -»Hab' ein gut Herz, Bruder, ich will dir hundert Dukaten -geben!« — »Bist du ein rechter Narr und scherzest -in unserer äußersten Trübseligkeit?«</p> - -<p>Ich streifete mein Wams ab und melkete aus dem -einen Eselsohr hundert Dukaten, das Übrige behielt -ich und sagte: »Hiemit will ich deinem kranken Vater -aufwarten.«</p> - -<p>Da fielen sie mir um den Hals, küßten mich und -wußten vor Freuden nicht, was sie taten, wollten mir -auch eine Handschrift zustellen, daß sie mich um diese<span class="pagenum"><a name="Seite_p121" id="Seite_p121">[S. 121]</a></span> -<span class="antiqua">Summam</span> samt dem Interesse hinwiederum mit großem -Dank befriedigen wollten, so ich aber nicht annahm, -sondern mich in ihre beständige Freundschaft befahl.</p> - -<p>Hierauf wollte der junge Herzbruder verschwören, -sich an dem Olivier zu rächen oder darum zu sterben. -Aber sein Vater verbot ihm solches und versicherte -ihn, daß derjenige, der den Olivier totschlüge, wiederum -vom <span class="antiqua">Simplicio</span> den Rest kriegen werde. »Doch,« -sagte er, »ich bin dessen wohl vergewissert, daß ihr -beide einander nicht umbringen werdet, weil keiner von -euch durch Waffen umkommen soll.«</p> - -<p>Der junge Herzbruder entledigte sich mit dreißig Talern, -daß ihm sein Kapitän einen ehrlichen Abschied gab, -verfügte sich mit dem übrigen Geld und guter Gelegenheit -nach Hamburg, montierte sich allda mit zwei Pferden -und ließ sich unter der schwedischen Armee vor -einen Freireuter gebrauchen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p122" id="Seite_p122">[S. 122]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_elfte_Kapitel" id="Buch2_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Keiner schickte sich besser, dem alten Herzbruder abzuwarten, -als ich, so ward mir auch solches Amt -von dem Obristen aufgetragen. Es besserte sich von Tag -zu Tag mit ihm, also daß er noch vor dem 26. <span class="antiqua">Julii</span> -fast wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte. -Doch wollte er sich noch inhalten und krank stellen, bis -vermeldter Tag, vor welchem er sich merklich entsatzte, -vorbei wäre.</p> - -<p>Indessen besuchten ihn allerhand Offizierer von beiden -Armeen, die ihr künftig Glück von ihm wissen -wollten, dann weil er ein guter <span class="antiqua">Mathematicus</span> und -Nativitätensteller, benebens auch ein vortrefflicher -<span class="antiqua">Physiognomist</span> und <span class="antiqua">Chiromanticus</span> war, ging seine -Aussag selten fehl. Er nannte sogar den Tag, an welchem -die Schlacht vor Wittstock nachgehends geschahe, -sintemal ihm viel zukamen, denen um dieselbige Zeit, -einen gewalttätigen Tod zu erleiden, angedroht war.</p> - -<p>Dem falschen Olivier, der sich gar däppisch bei ihm -zu machen wußte, sagte er ausdrücklich, daß er eines -gewalttätigen Todes sterben müsse, und daß ich seinen -Tod rächen werde, weswegen mich Olivier folgender -Zeit hochhielt. Auch mein zukünftiges Leben erzählete -er mir, welches ich aber wenig achtete.</p> - -<p>Als nun der 26. <span class="antiqua">Julii</span> eingetreten war, vermahnete -er mich und einen Fourierschützen, den mir der Obrist -auf sein Begehren denselben Tag zugegeben hatte, ganz -treulich, wir sollten niemand zu ihm ins Zelt lassen. -Er lag allein darin und betete. Da es aber Nachmittag -ward, kam ein Leutenant aus dem Reuterläger dahergeritten, -welcher nach des Obristen Stallmeister fragte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p123" id="Seite_p123">[S. 123]</a></span> -Er ward zu uns und gleich darauf wieder von uns -abgewiesen. Er wollte sich aber nicht abweisen lassen, -sondern bat den Fourierschützen mit untergemischten -Verheißungen, ihn vor den Stallmeister zu lassen, als -mit welchem er noch diesen Abend notwendig reden -müßte. Weil aber solches auch nicht helfen wollte, fing -er an zu fluchen, mit Donner und Hagel dreinzukollern -und zu sagen, er sei schon so vielmal dem Stallmeister -zu Gefallen geritten und hätte ihn noch niemals daheim -angetroffen, so er nun jetzt einmal vorhanden sei, so -sollte er abermal die Ehre nicht haben, nur ein einzig -Wort mit ihm zu reden? Stieg darauf ab, ließ sich -nicht verwehren, das Zelt selbst aufzuknüpfen, worüber -ich ihm in die Hand biß und eine dichte Maulschelle -davor bekam.</p> - -<p>Sobald er meinen Alten sahe, sagte er:</p> - -<p>»Der Herr sei gebeten, mir zu verzeihen, daß ich die -Frechheit gebrauche, ein Wort mit ihm zu reden.«</p> - -<p>»Wohl,« antwortete der Stallmeister, »was beliebt -dann dem Herrn?«</p> - -<p>»Nichts anders,« sagte der Leutenant, »als daß ich -den Herrn bitten wollte, ob er sich ließe belieben, mir -meine Nativität zu stellen.«</p> - -<p>Der Stallmeister entgegnete: »Ich will verhoffen, -mein hochgeehrter Herr werde mir vergeben, daß ich -demselben vor diesmal meiner Krankheit halber nicht -willfahren kann. Weil diese Arbeit viel Rechnens brauchet, -wirds mein blöder Kopf jetzo nicht verrichten können. -Wann er sich aber bis morgen zu gedulden beliebet, -will ich ihm verhoffentlich genugsame <span class="antiqua">Satisfaction</span> tun.«</p> - -<p>»Herr,« sagte hierauf der Leutenant, »Er sage mir -nur etwas dieweil aus der Hand.«</p> - -<p>»Mein Herr,« antwortete der alte Herzbruder, »dieselbe<span class="pagenum"><a name="Seite_p124" id="Seite_p124">[S. 124]</a></span> -Kunst ist gar mißlich und betrüglich, derowegen -bitte ich, der Herr wolle mich damit soweit verschonen, -ich will morgen hergegen alles gern tun, was der Herr -von mir begehret.«</p> - -<p>Der Leutenant wollte sich doch nicht abweisen lassen, -sondern trat meinem Vater vors Bette, streckte ihm die -Hand dar und sagte:</p> - -<p>»Herr, ich bitte nur um ein paar Worte, meines Lebens -Ende betreffend mit Versicherung, wann solches etwas -Böses sein sollte, daß ich des Herren Rede als eine -Warnung von Gott annehmen will, um mich desto -besser vorzusehen. Darum bitte ich um Gottes willen, -der Herr wolle mir die Wahrheit nicht verschweigen!«</p> - -<p>Der redliche Alte antwortete ihm hierauf kurz und -sagte: »Nun wohlan, so sehe sich der Herr dann wohl -vor, damit er nicht in dieser Stunde noch aufgehängt -werde.«</p> - -<p>»Was, du alter Schelm,« schrie der Leutenant, »solltest -du einen Kavalier solche Worte vorhalten dörfen!« -Zog damit vom Leder und stach meinen lieben alten -Herzbruder im Bette zu Tode.</p> - -<p>Ich und der Fourierschütz riefen alsbald Lärmen -und Mordio, also daß alles dem Gewehr zulief. Der -Leutenant aber machte sich unverweilet auf seinen -Schnellfuß und wäre auch ohn Zweifel entritten, wann -nicht eben persönlich der Kurfürst von Sachsen mit -vielen Pferden vorbei gekommen wäre und ihn hätte -einholen lassen. Als derselbe den Handel vernahm, -wandte er sich zu dem von Hatzfeld, als unserm General, -und sagte nichts andres als dieses:</p> - -<p>»Das wäre eine schlechte <span class="antiqua">Disciplin</span> in einem kaiserlichen -Läger, wann auch ein Kranker im Bette vor -den Mördern seines Lebens nicht sicher sein sollte!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p125" id="Seite_p125">[S. 125]</a></span> - -Das war ein scharfer Sentenz und genugsam, den -Leutenant um das Leben zu bringen, gestalt ihn unser -General alsbald an seinem allerbesten Hals aufhängen -ließ.</p> - -<p>Aus dieser wahrhaftigen Histori ist zu sehen, daß nicht -sogleich alle Wahrsagungen zu verwerfen sein, wie etliche -Gecken tun, die gar nichts glauben können. Allein -ich habe oft gewünscht und wünsche es noch, daß mein -lieber alter Herzbruder zu mir geschwiegen hätte. Dann -der Mensch kann sein vorausgesetztes Ziel schwerlich -überschreiten, also auch ich die unglücklichen Fälle, so -er mir angezeiget, habe niemals umgehen können. Was -half mir, daß der alte Herzbruder hoch und teuer schwur, -ich wäre von edlen Eltern geboren und erzogen worden, -da ich doch von niemand anders wußte, als von -meinen Knän und meiner Meuder! <span class="antiqua">Item</span> was halfs -dem Wallenstein, Herzog von Friedland, daß ihm profezeit -ward, er werde gleichsam mit Saitenspiel zum König -gekrönt werden. Weiß man nicht, wie er zu Eger ist -eingewieget worden?</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p126" id="Seite_p126">[S. 126]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_zwoelfte_Kapitel" id="Buch2_Das_zwoelfte_Kapitel">Das zwölfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Meine beiden Herzbrüder hatte ich verloren, das -ganze Läger vor Magdeburg war mir verleidet, -ich ward meines Standes so müd und satt, als wann -ich's mit lauter eisernen Kochkesseln gefressen hätte.</p> - -<p>Olivier, der <span class="antiqua">Secretarius</span>, welcher nach des alten Herzbruders -Tod mein Hofmeister geworden war, erlaubte -mir oft mit den Knechten auf Fourage zu reuten. Als -wir nun einsmals in ein großes Dorf kamen, darin -etliche den Reutern zuständige Bagage logierte, und -jeder hin und wider in die Häuser ging, zu suchen, was -etwan mitzunehmen wäre, stahl ich mich auch hinweg -und suchte, ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden -möchte. Aber ich mußte mit einem Weiberkleid vorlieb -nehmen, zog es an und warf den Narrenhabit in ein -<span class="antiqua">Secret</span>. In diesem Aufzuge ging ich über die Gasse -etlichen Offiziersweibern entgegen und machte enge -Schrittlein. Ich war aber kaum außer Dach, da mich -etliche Fouragierer sahen und besser springen lehrten. -Sie schrieen: Halt! Halt! — ich lief zu den obgemeldten -Offiziererinnen, vor denselben fiel ich auf die Knie und -bat, meine Jungfernschaft vor diesen geilen Buben zu -schützen. Da ward ich von einer Rittmeisterin vor eine -Magd angenommen, bei welcher ich mich auch beholfen, -bis Magdeburg von den unseren eingenommen ward.</p> - -<p>Die Rittmeisterin war kein Kind mehr, wiewohl sie -noch jung war, und vernarrete sich dermaßen in meinen -glatten Spiegel und geraden Leib, daß sie mir endlich -nach lang gehabter Mühe und vergeblicher, umschweifender -Weitläufigkeit nur allzu deutsch zu verstehen gab, -wo sie der Schuh am meisten drucke. Ich aber, damals<span class="pagenum"><a name="Seite_p127" id="Seite_p127">[S. 127]</a></span> -noch viel zu gewissenhaft, tät, als wann ichs nicht -merkte und ließ keine anderen Anreizungen erscheinen, -als solche daraus man eine fromme Jungfer urteilen -mochte. Der Rittmeister und sein Knecht lagen an derselben -Kränke wie die Rittmeisterin, dahero befahl er -seinem Weibe, sie sollte mich besser kleiden, damit sie -sich meines garstigen Baurenkittels nicht schämen dörfte. -Sie tät mehr, als ihr befohlen war, und putzte mich -heraus wie eine franzsche Poppe, welches das Feuer -bei allen dreien noch mehr schürete. Ja, es ward endlich -bei ihnen so groß, daß Herr und Knecht eifrigst -von mir begehreten, was ich ihnen nit leisten konnte -und der Frau selbst mit einer schönen Manier verweigerte. -Und weil die Rittmeisterin mich noch endlich -zu überwinden verhoffte, verlegte sie dem Manne alle -Pässe und liefe ihm alle Ränke ab, also daß er vermeinete, -er müsse toll und töricht darüber werden. -Einsmals stund der Knecht vor dem Wagen, darin ich -alle Nacht schlafen mußte, klagte mir seine Liebe mit -heißen Tränen und bat andächtig um Gnade und Barmherzigkeit. -Ich aber erzeigte mich härter als Stein und -gab ihm zu verstehen, daß ich meine Keuschheit bis in -Ehstand bewahren wollte. Da er mir die Ehe wohl -tausendmal anbot, und ich ihm stets versicherte, daß -es unmöglich sei, verzweifelte er endlich gar, dann er -zog den Degen aus, satzte die Spitze an die Brust, den -Knopf an den Wagen und tät nicht anders, als wann -er sich jetzt erstechen wollte. Ich sprach ihm zu und -gab ihm Vertröstung auf morgen frühe. So ward er -<span class="antiqua">content</span> und ging schlafen, ich aber wachte desto länger. -Und ich befand, daß meine Sache mit der Zeit nicht -gut tun würde. Die Rittmeisterin ward je länger, je -<span class="antiqua">importuner</span> mit ihren Reizungen, der Rittmeister verwegener<span class="pagenum"><a name="Seite_p128" id="Seite_p128">[S. 128]</a></span> -mit seinen Zumutungen, der Knecht verzweifelter -in seiner Liebe. Ich mußte oft meiner Frau bei -hellem Tage Flöhe fangen, nur darum, daß ich ihre -Alabasterbrüstlein sehen und ihren zarten Leib genug -betasten sollte, welches mir, weil ich auch Fleisch und -Blut hatte, zu ertragen stets schwerer fallen wollte. -Ließ mich die Frau zufrieden, so quälete mich der Rittmeister, -und wann ich von diesen beiden Ruhe haben -sollte, so peinigte mich der Knecht. Also kam mich das -Weiberkleid zu tragen viel sauerer an, als meine Narrenkappe. -Ich steckte würklich in derjenigen Gefängnus, auch -Leib- und Lebensgefahr, als mein alter Herzbruder -wahrgesaget hatte. Was sollte ich tun? Ich beschloß -endlich, mich dem Knecht zu offenbaren, sobald es Tag -würde, dann ich dachte, seine Liebesregungen werden -sich alsdann legen.</p> - -<p>Mein Hans ließ es gleich nach Mitternacht tagen, -sein Jawort zu holen, und fing an am Wagen zu -rappeln, als ich eben am allerstärksten schlief. Er rief -etwas zu laut: »Sabina, Sabina, ah, mein Schatz, -stehet auf und haltet mir Euer Versprechen!« Also weckte -er den Rittmeister eher als mich, weil der sein Zelt -am Wagen stehen hatte. Ihm ward vor Eifersucht -grün und gelb vor den Augen, doch kam er nicht heraus, -sondern stund nur auf zu sehen, wie der Handel liefe. -Zuletzt weckte mich der Knecht. Ich schalt ihn, er aber -nötigte mich mit seiner Importunität, aus dem Wagen -zu kommen, oder ihn einzulassen. Wie ich nun mit -meinen aufgestreiften Ärmeln herabstieg, ward mein -Hans durch meine weißen Arme so heftig <span class="antiqua">inflammieret</span>, -daß er mich mit Küssen anfiel. Solches vermochte der -Rittmeister nicht zu erdulden, sondern sprang mit bloßem -Degen aus dem Zelt, meinem armen Liebhaber den Fang<span class="pagenum"><a name="Seite_p129" id="Seite_p129">[S. 129]</a></span> -zu geben, aber der ging durch und vergaß das Wiederkommen.</p> - -<p>»Du Bluthur, ich will dich lernen ...« mehrers konnte -der Rittmeister vor Zorn nicht sagen, sondern schlug -auf mich zu, als wann er unsinnig wäre. Ich fing an -zu schreien, darum mußte er aufhören, damit er keinen -Alarm erregte, dann beide Armeen, die sächsische und -die kaiserliche, lagen damals gegeneinander, weil sich -die schwedische unter dem Panier näherte.</p> - -<p>Als es nun Tag worden, gab mich mein Herr den -Reuterjungen preis, eben als beide Armeen aufbrachen. -Das war nun ein Schwarm von Lumpengesind, und -dahero die Hatz desto größer und erschröcklicher. Sie -eileten mit mir einem Busch zu, ihre viehischen Begierden -zu sättigen, wie dann diese Teufelskinder im -Brauch haben, wann ihnen ein Weibsbild dergestalt -übergeben wird. So folgten ihnen auch sonst viel Bursche -nach, die dem elenden Spaß zusahen, unter welchen auch -mein Hans war. Der ließ mich nicht aus den Augen. -Er wollte mich mit Gewalt erretten, und sollte es seinen -Kopf kosten. Er bekam Beiständer, weil er sagte, ich -sei seine versprochene Braut. Solches war den Reuterjungen, -die ein besser Recht auf mich zu haben vermeineten, -allerdings ungelegen. Da fing man an Stöße -auszuteilen, der Zulauf ward je länger, je größer, ihr -Geschrei lockte den Rumormeister herzu, welcher eben -ankam, als sie mir die Kleider vom Leibe gerissen und -gesehen hatten, daß ich kein Weibsbild war. Seine -Gegenwart machte alles stockstill, weil er mehr geförchtet -ward als der Teufel selbst. Er informierte sich -der Sache kurz und nahm mich gefangen, weil es ein -ungewöhnlich und fast argwöhnisch Ding war, daß sich -ein Mannsbild in Weiberkleidern sollte finden lassen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p130" id="Seite_p130">[S. 130]</a></span> - -Ich ward zum General-Auditor geführt, der fing -an mich zu examinieren. Da erzählete ich meine Händel, -wie sie waren, es ward mir aber nicht geglaubt. Auch -konnte der General-Auditor nicht wissen, ob er einen -Narren oder einen ausgestochenen Bösewicht vor sich -hatte. Frage und Antwort fiel so artlich und der Handel -an sich selbst war seltsam.</p> - -<p>Er hieß mich, eine Feder nehmen und schreiben, ob -etwa meine Handschrift bekannt oder doch so beschaffen -wäre, daß man etwas daraus abnehmen möchte. Ich -ergriff Papier und Feder geschicklich und fragte, was -ich schreiben sollte. Der General-Auditor, der vielleicht -unwillig war, weil das Examen sich verzog, antwortete.</p> - -<p>»Hei, schreib: deine Mutter, die Hur!«</p> - -<p>Ich satzte ihm diese Worte hin, und sie machten -meinen Handel nur desto schlimmer, dann der General-Auditor -glaubte jetzt erst, daß ich ein rechter Vogel sei. -Er fragte den Profosen, ob man mich visitiert, der -Profos antwortete: nein, dann mich der Rumormeister -gleichsam nackend eingebracht hätte. Aber ach, das half -nichts, der Profos mußte mich besuchen und fand meine -beiden Eselsohren mit den Dukaten.</p> - -<p>Da hieß es: was bedörfen wir ferner Zeugnus; dieser -Verräter hat ohn Zweifel ein groß Schelmstück zu verrichten. -Warum sollte sich sonst ein Gescheiter in ein -Narrenkleid oder ein Mannsbild in Weiberkittel verstellen, -zu was End wäre er sonst mit einem so ansehnlichen -Stück Geld versehen? Saget er nicht selbst, -er habe bei dem Gubernator zu Hanau, dem allerverschlagensten -Soldaten in der Welt, lernen auf der -Lauten schlagen? Was mag er sonst bei denselben -Spitzköpfen vor listige Praktiken gesehen haben! Der -nächste Weg ist, daß man ihn auf die Folter bringe!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p131" id="Seite_p131">[S. 131]</a></span> - -Wie mir damals zu Mut gewesen, kann sich ein jeder -leicht einbilden.</p> - -<p>Aber eh man diesen strengen Prozeß mit mir ins -Werk satzte, gerieten die Schweden den Unsrigen in -die Haare. Gleich anfänglich kämpften die Armeen um -den Vortel und gleich darauf um das schwere Geschütz, -dessen die Unsrigen stracks verlustig wurden.</p> - -<p>Unser Profos hielt zwar ziemlich weit mit seinen -Leuten und den Gefangenen hinter der Battaglia, -gleichwohl waren wir unserer Brigade so nahe, daß -wir jeden von hinterwärts an den Kleidern erkennen -konnten. Und als eine schwedische Eskadron auf die -unsrige traf, waren wir sowohl als die Fechtenden selbst -in Todesgefahr, dann in einem Augenblick flog die Luft -so häufig voller singender Kugeln über uns her, daß -es das Ansehen hatte, als ob die Salve uns zu Gefallen -wäre gegeben worden. Davon duckten sich die -Forchtsamen, als ob sie sich in sich selbst hätten verbergen -wollen, diejenigen aber, so Courage hatten und -mehr bei dergleichen Scherz gewesen, ließen solche unverblichen -über sich hinstreichen. Im Treffen selbst -suchte jeder seinem Tode mit Niedermachung des Nächsten, -der ihm aufstieß, vor zu kommen. Das gräuliche -Schießen, das Gekläpper der Harnische, das Krachen -der Piken, das Geschrei beider: der Verwundeten und -Angreifenden machten neben den Trompeten, Trommeln -und Pfeifen eine erschröckliche Musik. Da sahe man -nichts als einen dicken Rauch und Staub, welcher schien, -als wolle er die Abscheulichkeit der Verwundeten und -Toten bedecken. In demselben hörete man ein jämmerliches -Wehklagen der Sterbenden und ein lustiges Geschrei -derjenigen, die noch voller Mut staken. Die Pferde -selbst hatten das Ansehen, als wenn sie zur Verteidigung<span class="pagenum"><a name="Seite_p132" id="Seite_p132">[S. 132]</a></span> -ihrer Herren je länger, je frischer würden, so hitzig -zeigten sie sich in dieser Schuldigkeit. Deren sahe man -etliche unter ihren Herren tot darniederfallen, voller -Wunden, die sie unverschuldet in getreuem Dienste -empfangen hatten, andere fielen auf ihre Reuter und -wurden so von ihnen getragen, die sie bei Lebzeiten -hatten tragen müssen, wiederum andere, nachdem sie -ihrer herzhaften Last, die sie kommandiert hatte, entladen -worden, ließen die Menschen in ihrer Wut und -Raserei, rissen aus und suchten im weiten Feld ihre -einstige Freiheit.</p> - -<p>Die Erde, die sonst alle Toten deckt, war damals -selbst mit Toten überstreut. Köpfe und Leiber lagen -getrennt, etlichen hing in grausamer und jämmerlicher -Weise das Ingeweid heraus, andern war der Kopf zerschmettert -und das Hirn zerspritzt. Da sahe man die -entseelten Leiber ihres eigenen Geblüts beraubet und -hingegen Lebendige mit fremdem Blute begossen. Da -lagen abgeschossene Arme, an welchen sich die Finger -noch regten, gleichsam als ob sie wieder in das Gedräng -wollten, hingegen rissen Kerle aus, die noch -keinen Tropfen Blut vergossen hatten. Dort lagen abgelöste -Schenkel, die, obwohl der Bürde ihres Körpers -entladen, dennoch viel schwerer geworden waren. Da -sahe man verstümmelte Soldaten um Beförderung ihres -Todes, hingegen andere um Quartier und Verschonung -ihres Lebens bitten. <span class="antiqua">Summa summarum</span> da war nichts -anderes als ein elender, jämmerlicher Anblick.</p> - -<p>Die schwedischen Sieger trieben die Unsrigen, um sie -mit ihrer schnellen Verfolgung vollends zu zerstreuen. -Mein Herr Profos ergriff die Flucht und nötigte uns, samt -ihm durchzugehen. Da jagte der junge Herzbruder daher -mit noch fünf Pferden und grüßte ihn mit einer Pistole:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p133" id="Seite_p133">[S. 133]</a></span> - -»Siehe da, du alter Hund, ist es noch Zeit junge -Hündlein zu machen? Ich will dir deine Mühe bezahlen!«</p> - -<p>Aber der Schuß beschädigte den Profosen so wenig -wie einen stählernen Ambos.</p> - -<p>»Oho, bist du der Haare,« rief mein Herzbruder, -»ich will nicht vergeblich dir zu Gefallen herkommen -sein. Du mußt sterben und wäre dir deine Seele angewachsen!«</p> - -<p>Er befahl darauf einen Musketierer von des Profosen -eigener Wacht, ihn mit der Axt niederzuschlagen.</p> - -<p>Ich aber ward erkannt, meiner Ketten und Bande -entlediget und auf ein Pferd gesatzt, das mein Herzbruder -durch einen Knecht in Sicherheit führen ließ.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p134" id="Seite_p134">[S. 134]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_dreizehnte_Kapitel" id="Buch2_Das_dreizehnte_Kapitel">Das dreizehnte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Demnach die sieghaften Überwinder ihre Beuten -teilten und ihre Toten begruben, ermanglete mein -Herzbruder, der durch Begierde der Ehre und Beute -sich hatte so weit verhauen, daß er gefangen ward. So -erbte mich sein Rittmeister, bei welchem ich mich vor -einen Reuterjungen mußte gebrauchen lassen.</p> - -<p>Gleich hernach ward er zum Obrist-Leutenant befördert, -ich aber schlug ihm in den Quartieren die -Lauten, im Marschieren mußte ich ihm den Küraß -nachtragen, welches mir eine beschwerliche Sache war. -Dann obzwar diese Waffen vor feindlichen Püffen -schützen, so befand ich an ihnen ein Widerspiel, indem -unter ihrem Schutz auf meinem Leibe eine Armada -oder Heerhauf ausgebrütet ward, die ihren freien Paß -und Tummelplatz behaupteten, sintemal ich mit meinen -Händen nicht unter den Harnisch konnte, einen kleinen -Streif unter sie zu tun. Ich hatte weder Zeit noch -Gelegenheit, sie durch Feuer, Wasser oder Gift (maßen -ich wohl wußte was Backöfen und Quecksilber vermöchten) -auszurotten und mußte mich mit ihnen -schleppen, meinen Leib und Blut zum besten geben. -Endlich erfand ich eine Kunst, daß ich einen Pelzfleck -um den Ladestecken der Pistole wickelte, wenn ich dann -mit dieser Lausangel unter den Harnisch fuhr, fischte -ich sie dutzendweis aus ihrem Vorteil, es mochte aber -wenig erklecken.</p> - -<p>Einsmals ward mein Obrist-Leutenant kommandiert -eine Cavalcada mit einer starken Partei in Westfalen -zu tun, und wäre er so stark an Reutern gewesen, als -ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt erschröckt,<span class="pagenum"><a name="Seite_p135" id="Seite_p135">[S. 135]</a></span> -so aber mußte er behutsam gehen. Ich war damals -mit meiner Einquartierung auf höchste kommen und -ich getraute meine Pein nicht länger zu gedulden. Als -teils die Reuter fütterten, teils schliefen und teils Schildwacht -hielten, ging ich abseits unter einen Baum, -meinen Feinden eine Schlacht zu liefern. Zu solchem -End zog ich den Harnisch aus, unangesehen andre einen -anziehen, wann sie fechten wollen, und fing ein solches -Würgen und Morden an, daß mir gleich beide Schwerter -an den Daumen vom Blut troffen. So oft mir dieses -<span class="antiqua">Rencontre</span> zu Gedächtnus kommt, beißt mich die Haut -noch allenthalben. Ich dachte zwar, ich sollte nicht so -wider mein Geblüt wüten, vornehmlich wider so getreue -Diener, die sich mit einem hängen und radbrechen -ließen, aber ich fuhr mit meiner Tyrannei unbarmherzig -fort, daß ich nicht gewahrte, wie die Kaiserlichen -meinen Obrist-Leutenant <span class="antiqua">chargierten</span>, bis sie endlich -auch an mich kamen, meine Läus entsatzten und mich -selbst gefangen nahmen. Sie scheueten meine Mannheit -gar nicht, mit der ich kurz zuvor viel Tausend erlegt -und den Titul des Schneiders »Sieben auf einen Streich« -überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner, und ich -mit ihm meinen sechsten Herrn, weil ich sein Jung sein -mußte.</p> - -<p>Unsere Wirtin wollte nicht, daß ich sie und ihr ganzes -Haus mit meinen Völkern besetzte, so machte sie ihnen -den Prozeß kurz und gut, steckte meine Lumpen in -Backofen und brannte sie so sauber aus wie eine alte -Tabakpfeife.</p> - -<p>Hingegen bekam ich ein neues Kreuz auf den Hals, -weil mein Herr einer von denjenigen war, die in Himmel -zu kommen sich getrauen. Er ließ sich glatt am Sold -genügen und betrübte im übrigen kein Kind. Seine<span class="pagenum"><a name="Seite_p136" id="Seite_p136">[S. 136]</a></span> -ganze Prosperität bestund in dem, was er mit Wachen -verdienete und von seiner wochentlichen Löhnung erkargete. -Ich und sein Pferd mußten ihm sparen helfen. -Davon kams, daß ich den trockenen Pumpernickel gewaltig -beißen und mich, wanns wohl ging, mit Dünnbier -behelfen mußte. Wollte ich aber besser futtern, so -mußte ich stehlen, aber mit ausdrücklicher Bescheidenheit, -daß er nichts davon innewurde. Seinethalben -hätte man weder Galgen, Esel, Henker, Steckenknechte -noch Feldscherer bedörft, auch keinen Marketender noch -Trommelschlager, die den Zapfenstreich tun müssen. Sein -ganzes Tun war fern von Fressen, Saufen, Spielen -und allen Duellen, ward er aber auf <span class="antiqua">Convoi</span>, Partei -oder sonst einen Anschlag kommandiert, so schlenderte -er mit dahin, wie ein alt Weib am Stecken.</p> - -<p>Ich hatte mich keines Kleides bei ihm zu getrösten, -weil er selbst zerflickt daherging. Sein Pferd war vor -Hunger so hinfällig, daß sich weder Schwede noch Hesse -vor seinem dauerhaften Nachjagen zu förchten hatten. -Dieses alles bewegte seinen Hauptmann, ihn ins sogenannte -Paradeis, einem Frauenkloster, auf <span class="antiqua">Salvaguardi</span> -zu legen. Dort sollte er sich begrasen und wieder montieren. -Auch hatten die Nonnen um einen frommen -und stillen Kerl gebeten.</p> - -<p>»Potz Glück, Simprecht,« sagte er, dann er konnte -meinen Namen nicht behalten, »kommen wir gar in -das Paradeis! Wie wollen wir fressen!« Und wir fanden, -was wir begehrten, daß ich in Kürze wieder einen -glatten Balg bekam. Dann da satzte es das fetteste -Bier, die besten westfälischen Schunken und Knackwürste, -wohlgeschmack und sehr delikat Rindfleisch, das -man aus dem Salzwasser kochte und kalt zu essen pflegte. -Da lernte ich das schwarze Brot fingersdick mit gesalzener<span class="pagenum"><a name="Seite_p137" id="Seite_p137">[S. 137]</a></span> -Butter schmieren und mit Käs belegen, damit -es desto besser rutschte, und wann ich so über einen -Hammelskolben kam, der mit Knoblauch gespickt war, -und eine gute Kanne Bier darneben stehen hatte, so -erquickte ich Leib und Seele und vergaß meines ausgestandenen -Leides.</p> - -<p>Das Glück wollte es wieder wettspielen, da mich ehebevor -das Unglück haufenweis überfallen hatte: dann -als mich mein Herr nach Soest schickte, seine Bagage -vollends zu holen, fand ich unterwegs einen Pack mit -etlichen Ellen Scharlach, samt einem Sammetfutter. -Das vertauschte ich zu Soest bei einem Tuchhändler -um gemein, grünwullen Tuch zu einem Kleid samt -Ausstaffierung mit dem Geding, mir das Kleid machen -zu lassen. Ich gab ihm auch die silbernen Knöpf und -Galaunen vor ein Hemd und ein Paar neuer Schuhe. -Also kehrete ich nagelneu herausgeputzt wieder ins -Paradeis zu meinem Herrn zurück, der gewaltig kollerte, -daß ich ihm den Fund nicht zugebracht, und der Filz -schamet sich wohl auch, daß sein Junge besser gekleidet -war als er selbst. Derowegen ritt er nach Soest, borgte -Geld auf seinen wochentlichen <span class="antiqua">Salvaguardi</span>-Sold und -montierte sich damit aufs beste.</p> - -<p>Von dieser Zeit an hatten wir das allerfäulste Leben. -Das Kloster war auch von den Hessen, unserm Gegenteil, -mit einem Musketier salvaguadiert, derselb war -seines Handwerks ein Kürschner und dahero nicht allein -ein Meistersänger, sondern auch ein trefflicher Fechter. -Damit er seine Kunst nicht vergäße, übte er sich täglich -mit mir in allen Gewehren, wovon ich so fix ward, -daß ich mich nicht scheuete ihm Bescheid zu tun, wann -er wollte.</p> - -<p>Das Stift vermochte eine eigene Wildbahn und hielt<span class="pagenum"><a name="Seite_p138" id="Seite_p138">[S. 138]</a></span> -einen eigenen Jäger. Weil ich nun grün gekleidet war, -gesellete ich mich zu ihm und lernete ihm denselben -Herbst und Winter seine Künste ab. Solcher Ursachen -halber nannte mich jedermann »dat Jäjerken«. Mir -wurden alle Wege und Stege bekannt, was ich mir -hernach trefflich zu nutz machte. Bei üblem Wetter las -ich allerhand Bücher, die mir der Klosterverwalter -liehe, und da die Klosterfrauen gewahr wurden, daß -ich neben meiner guten Stimme auch auf der Laute -und etwas wenigs auf dem Instrument schlagen konnte, -weil ich zudem eine ziemliche Leibsproportion und schönes -Gesicht hatte, hielten sie alle meine Sitten, Wesen, Tun -und Lassen vor adelig und ich mußte unversehens ein -sehr beliebter Junker sein.</p> - -<p>Da ward mein Herr abgelöst, was ihn auf das gute -Leben so übel bekam, daß er darüber erkrankte, und -weil starkes Fieber darzu schlug, zumalen noch die alten -Mucken, die er sein Lebtag im Kriege aufgefangen, -hinzukamen, machte ers kurz und ward in drei Wochen -hernach begraben. Ich machte ihm die Grabschrift:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Der Schmalhans lieget hier, ein tapferer Soldat,<br /></span> -<span class="i0">Der all sein Lebetag kein Blut vergossen hat.<br /></span> -</div></div> - -<p>Ich war damals ein frischer, aufgeschossener Jüngling, -der seinen Mann stellen konnte, also ward mir von -meinem Hauptmann das Erbe des Dragoners angeboten, -wann ich mich an meines toten Herren Statt -anwerben lassen wollte. Das nahm ich desto lieber an, -weil mir bekannt, daß meines Herren alte Hosen mit -ziemlichen Dukaten gespickt waren.</p> - -<p>Allein dem Kommandanten zu Soest mangelte ein -Kerl, wie ich ihm einer zu sein dünkte, so unterstund -er sich, mich noch zu bekommen, maßen er meine Jugend<span class="pagenum"><a name="Seite_p139" id="Seite_p139">[S. 139]</a></span> -vorwandte, und mich vor keinen Mann passieren lassen -wollte. Er schickte nach mir und sagte:</p> - -<p>»Hör, Jägerken, du sollt mein Diener sein und meine -Pferde warten.«</p> - -<p>»Herr, wir sind nicht vor einander. Ich hätte lieber -einen Herrn, in dessen Diensten die Pferde auf mich -warten. Ich will Soldat bleiben.«</p> - -<p>»Dein Bart ist noch viel zu klein.«</p> - -<p>»O nein, ich getraue einen Mann zu bestehen, der -achtzig Jahre alt ist. Der Bart schlägt keinen Mann, -sonst würden die Böcke hoch <span class="antiqua">aestimieret</span> werden.«</p> - -<p>»Wann die <span class="antiqua">Courage</span> so gut ist, als das Maulleder, -so will ich dich passieren lassen.«</p> - -<p>»Das kann in der nächsten <span class="antiqua">Occasion</span> probiert werden,« -gab ich zu verstehen. Und er ließ mich bleiben.</p> - -<p>Hierauf anatomierte ich meines Dragoners Hosen, -schaffte mir aus deren Eingeweid noch ein gut Pferd -und das beste Gewehr und ließ mich von neuem grün -kleiden, weil mir der Name Jäger beliebte. Also ritt -ich mit meinem Jungen selbander daher wie ein Edelmann -und dünkte mich fürwahr keine Sau zu sein. -Ich war so kühn, meinen Hut mit einem tollen Federbusch -zu zieren wie ein Offizier, daher bekam ich bald -Neider und Mißgönner, und es satzte empfindliche -Worte, endlich gar Ohrfeigen. Ich hatte aber kaum -einem oder dreien gewiesen, was ich im Paradies von -dem Kürschner gelernt hatte, da ließ mich nicht allein -jedermann zufrieden, sondern suchte auch meine Freundschaft.</p> - -<p>Auf Partei warf ich mich wohl herfür, daß ich in -kurzer Zeit bei Freund und Feind bekannt und so berühmt -ward, daß beide Teile viel von mir hielten. -Allermaßen mir die gefährlichsten Anschläge zu verrichten<span class="pagenum"><a name="Seite_p140" id="Seite_p140">[S. 140]</a></span> -und ganze Parteien zu kommandieren anvertraut wurden, -griff ich bald zu wie ein Böhme und, wann ich -etwas namhaftes erschnappte, gab ich meinen Offizierern -so reich Part davon, daß ich selbig Handwerk auch an -verbotenen Orten treiben dorfte, weil mir überall -durchgeholfen ward.</p> - -<p>Der General Graf von Götz hatte in Westfalen drei -feindliche Guarnisonen übriggelassen zu Dorsten, Lippstadt -und Coesfeld, denen war ich gewaltig molest, -dann ich lag ihnen bald hier, bald dort schier täglich -vor den Toren, und weil ich überall glücklich durchkam, -hielten die Leute von mir, ich könnte mich unsichtbar -machen und wäre so fest wie Stahl. Davon -ward ich geförchtet wie die Pestilenz.</p> - -<p>Zuletzt kam es dahin: wo nur ein Ort in Kontribution -zu setzen war, mußte ich solches verrichten, wodurch -mein Beutel so groß ward als mein Name. -Meine Offizierer und Kameraden liebten ihren Jäger, -die vornehmsten Parteigänger vom Gegenteil entsatzten -sich und den Landmann hielt ich durch Forcht und -Liebe auf meiner Seiten, dann ich wußte meine Widerwärtigen -zu strafen und die, so mir nur den geringsten -Dienst täten, reichlich zu belohnen, allermaßen ich beinahe -die Hälfte meiner Beuten verspendierte oder auf -Kundschaft auslegte. Derhalben entging mir keine Partei, -kein <span class="antiqua">Convoi</span>, noch eine Reis' aus des Gegenteils -Posten, alsdann ich ihr Vorhaben durchkreuzte und -allen Anschlägen mit Glück begegnete. Darneben erzeigte -ich mich gegen meine Gefangenen überaus diskret, sodaß -sie mich oft mehr kosteten als die Beute wert war, -sonderlich unterließ ichs nicht, denen Offizierern, obschon -ich sie nicht kannte, ohn Verletzung meiner Pflicht -und Herrendienste eine <span class="antiqua">Courtoisie</span> zu tun.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p141" id="Seite_p141">[S. 141]</a></span> - -Durch solch ein Verhalten wäre ich zeitlich zum Offizier -befördert worden, wann meine Jugend es nicht -verhindert hätte. Wer in solchem Alter ein Fähnlein -wollte, mußte ein Guter von Adel sein, zudem mein -Hauptmann an mir mehr als eine melkende Kuhe verloren -hätte. Also brachte ichs allein zum Gefreiten. Ich -spekulierte Tag und Nacht, wie ich etwas anstellen -möchte, mich noch größer zu machen und konnte vor -solchem närrischen Nachsinnen oft nicht schlafen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p142" id="Seite_p142">[S. 142]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch2_Das_vierzehnte_Kapitel" id="Buch2_Das_vierzehnte_Kapitel">Das vierzehnte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich muß ein Stücklein noch erzählen, das mir begegnet, -eh ich wieder von meinen Dragonern kam.</p> - -<p>Mein Hauptmann ward mit etlichen fünfzig Mann -zu Fuß nach Recklinghausen kommandiert, einen Anschlag -auf eine reiche Karawane zu machen. Wir mußten uns -in den Büschen heimlich halten, so nahm ein jeder auf -acht Tag Proviant zu sich. Demnach aber die Kaufleut, -denen wir aufpaßten, die bestimmte Zeit nicht ankamen, -ging uns das Brot aus, dahero uns der Hunger -gewaltig preßte, dann wir dorften nichts rauben, wir -hätten uns damit selbst verraten.</p> - -<p>Mein Kamerad, ein lateinischer Handwerksgesell, der -erst kürzlich der Schule entloffen, seufzete vergeblich -nach den Gerstensuppen, die ihm hiebevor seine Eltern -zum besten verordnet, er aber verschmähet und verlassen -hatte. Und als er solcher Speisen gedachte, erinnerte er -sich auch seines Schulsacks: »Ach Bruder,« sagte er, -»wärs nicht eine Schande, wann ich nicht so viel Künste -erstudiert haben sollte, mich jetzund zu füttern? Wann -ich nur zum Pfaffen in jenes Dorf gehen dürfte, es -sollte ein treffliches <span class="antiqua">Convivium</span> bei ihm setzen!«</p> - -<p>Ich überlief die Worte ein wenig, ermaß unsern Zustand -und machte einen Anschlag auf unsern Studenten -hin. Der Hauptmann willigte ein.</p> - -<p>So wechselte ich meine Kleider mit einem andern -und zottelte mit meinem Studenten in weitem Umschweif, -wiewohl das Dorf eine halbe Stunde vor uns -lag, auf die Kirche zu. Das nächste Haus bei ihr erkannten -wir vor des Pfarrers Wohnung, es stund an -einer Mauer, die um den ganzen Pfarrhof ging. Mein<span class="pagenum"><a name="Seite_p143" id="Seite_p143">[S. 143]</a></span> -Kamerad hatte seine abgeschabten Studentenkleidlein -noch an, ich gab mich vor einen Malergesellen aus, -dann ich dachte diese Kunst im Dorf nicht üben zu -müssen. Der geistliche Herr war höflich, als ihm mein -Gesell eine tiefe lateinische Reverenz gemacht und einen -Haufen dahergelogen hatte, was Gestalt ihn die Soldaten -auf der Reise ausgeplündert. Er bot dem Studenten -ein Stück Brot und Butter nebst einem Trunk -Bier an, ich aber stellete mich, als ob ich im Wirtshaus -essen wollte und ihn alsdann anrufen, damit wir -noch ein Stück Weges hinter sich legen konnten. Also -ging ich, mich im Dorf umzusehen und hatte auch Glück, -daß ich einen Baur antraf, der seinen Backofen zukleibte, -darin er große Pumpernickel hatte, die vier und -zwanzig Stunden sitzen und ausbacken sollten. Demnach -wußte ich genug und machte es beim Wirte kurz.</p> - -<p>Da ich auf den Pfarrhof kam, hatte mein Kamerad -schon gekröpft und dem Pfarrer gesagt, daß ich Maler -sei, willens meine Kunst in Holland zu perfectionieren. -Der Pfarrer hieße mich sehr willkommen und bat mich, -mit ihm in die Kirche zu gehen, da er mir etliche -schadhafte Stück weisen wolle. Ich mußte folgen, er -führte mich durch die Küche, und während er das -Nachtschloß an der starken Eichentür aufmachte, die -auf den Kirchhof ging — <span class="antiqua">ominorum</span>! — da sahe ich, -daß der schwarze Himmel seiner Kuchelesse voller Lauten, -Flöten und Geigen hing in Gestalt von Schinken, -Knackwürsten und Speckseiten. Trostmütig blicket ich -sie an, weil mich bedünkte, als lachten sie mir und ich -erwog, wie ich sie dem obgemeldten Ofen voll Brot -zugesellen möchte. Allein der Pfarrhof war ummauret, -alle Fenster mit Eisengittern genugsam verwahrt und -so lagen auch zween ungeheure Hunde im Hof, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_p144" id="Seite_p144">[S. 144]</a></span> -bei Nacht gewißlich nicht schlafen würden, wenn man -dasjenige stehlen wollte, daran auch ihnen zu nagen -gebühret.</p> - -<p>Wie wir nun in die Kirche kamen, von den Gemälden -allerhand diskurierten und mir der Pfarrer etliches -auszubessern verdingen wollte, ich aber Ausflüchte -suchte, meinte der Meßner: »Du Kerl, ich sehe dich -eher vor einen verloffenen Soldatenjungen an, als vor -einen Malergesellen!« Ich antwortete: »O du Kerl, -gib mir geschwind Pensel und Farben, so will ich dir -im Hui einen Narren gemalet haben, als du einer bist.«</p> - -<p>Der Pfarrer machte ein Gelächter daraus und meinete, -es gezieme sich nicht an einem so heiligen Ort, -einander wahr zu sagen. Er ließ uns beiden noch einen -Trunk langen und also dahin ziehen. Ich aber vergaß -mein Herz bei den Knackwürsten.</p> - -<p>Um Mitternacht kamen wir wieder ins Dorf und ich -hatte sechs gute Kerle ausgelesen, darunter meinen -munteren Knecht Spring-ins-Feld. In aller Stille huben -wir das Brot aus dem Ofen, weil wir einen mithatten, -der Hunde bannen konnte. Da wir nun bei dem Pfarrhof -vorüberwollten, konnte ichs nicht übers Herz bringen, -ohne Speck weiter zu passieren. Ich wußte aber -keinen andern Eingang als den Kamin, der sollte vor -diesmal meine Tür sein. Wir brachten Leiter und Seil -aus einer Scheuer zuwege, ich stieg selbander mit Spring-ins-Feld -aufs Dach, welches von Hohlziegeln doppelt -belegt und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebauet -war. Meine langen Haar wicklete ich zu einem Büschel -über dem Kopf zusammen und ließ mich mit einem -End des Seils hinunter zu meinem geliebten Speck. -Band also einen Schinken nach dem andern und eine -Speckseite nach der andern an das Seil, was alles der<span class="pagenum"><a name="Seite_p145" id="Seite_p145">[S. 145]</a></span> -andere fein ordentlich zum Dach hinaus fischete und -weitergab.</p> - -<p>Aber, potz Unstern, da ich allerdings Feierabend gemachet -hatte, brach eine Stange, sodaß <span class="antiqua">Simplicius</span> hart -hinunterfiele und das Seil riß, ehe mich meine Kameraden -vom Boden brachten. Ich dachte, Jäger, nun -mußt du eine Hatze ausstehen, in welcher dir selbst das -Fell gewaltig zerrissen wird werden, dann der Pfarrer -war erwacht und befahl seiner Köchin alsbald ein Licht -anzuzünden. Sie kam im Hemd zu mir in die Kuchen, -hatte den Rock über der Achsel hangen und stund so -nahe neben mir, daß sie mich damit rührete. Sie griff -nach einem Brand und hielt das Licht daran und fing -an zu blasen. Ich aber blies viel stärker zu, davon das -gute Mensch erschrak, daß sie Feuer und Licht fallen -ließ und sich zu ihrem Herrn retirierte.</p> - -<p>Ich bedachte mich und wehrete meine Kameraden, -die mir zu verstehen gaben, daß sie das Haus aufstoßen -wollten. Allein Spring-ins-Feld sollte oben bleiben, die -andern an das Gewehr. Inzwischen schlug der Geistliche -sich selber ein Licht an, seine Köchin aber erzählete -ihm, daß ein gräulich Gespenst mit zween -Köpfen, davor sie meinen Haarbüschel angesehen, in -der Kuchen wäre. Das hörete ich, rieb mir derowegen -mein Angesicht mit Asche, Ruß und Kohlen, daß ich -ohn Zweifel keinem Engel mehr — wie hiebevor die -Klosterfrauen sagten — gleich sahe und der Meßner -mich wohl vor einen geschwinden Maler hätte passieren -lassen. Ich fing an in der Kuchen schröcklich zu -poltern und das Geschirr untereinander zu werfen. Den -Kesselring hing ich an den Hals, den Feuerhaken behielt -ich auf den Notfall.</p> - -<p>Solches ließ sich der fromme Pfaffe nicht irren, dann<span class="pagenum"><a name="Seite_p146" id="Seite_p146">[S. 146]</a></span> -er kam mit seiner Köchin prozessionsweis daher, welche -zwei Wachslichter in den Händen und einen Weihwasserkessel -am Arm trug, er selbsten war mit dem Chorrock -bewaffnet samt den Stollen und hatte den Sprengel -in der einen und ein Buch in der andern Hand. Aus -demselben fing er an, mich zu exorcisieren, fragende: -»Wer bist du und was willst du?« — »Ich bin der Teufel -und will dir und deiner Köchin die Hälse umdrähen!«</p> - -<p>Da fuhr er eifrig in seinem <span class="antiqua">Exorcismo</span> weiter fort -und hielt mir vor, daß ich weder mit ihm noch mit -seiner Köchin nichts zu schaffen hätte, hieß mich auch -mit der allerhöchsten Beschwörung wieder hinfahren, -wo ich herkommen wäre. Ich aber antwortete mit ganz -förchterlicher Stimme, daß solches unmöglich sei, wannschon -ich gern wollte. Indessen hatte Spring-ins-Feld, -der ein abgefäumter Erzvogel war und kein Latein -verstund, seine seltsamen Tausendhändel auf dem Dach, -dann er hörete, daß ich mich vor den Teufel ausgab, -und mich auch der Geistliche also hielt. Er wixte wie -eine Eule, bellte wie ein Hund, wieherte wie ein Pferd, -blökte wie ein Geißbock, schrie wie ein Esel und ließ -sich bald durch den Kamin hinunter hören wie ein -Haufen Katzen, die im Hornung rammeln, bald wie -eine Henne, die legen wollte, dann dieser Kerl konnte -aller Tiere Stimmen nachmachen. Solches ängstigte den -Pfarrer und die Köchin auf das Höchste, ich aber machte -mir ein Gewissen, daß ich mich vor den Teufel beschwören -ließe.</p> - -<p>Mitten in solchen Ängsten, die uns beiderseits umgaben, -ward ich gewahr, daß das Nachtschloß an der -Tür, die auf den Kirchhof ging, nicht eingeschlagen, -sonder der Riegel nur vorgeschoben war. Ich schob ihn -geschwind zurück und wischte hinaus.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p147" id="Seite_p147">[S. 147]</a></span> - -Wir liefen in den Busch, weil wir im Dorf nichts -mehr zu verrichten hatten. Dort erquickte sich die ganze -Partei an dem, was von uns gestohlen worden, und -bekam kein einziger den Klucksen darvon, so gesegnete -Leute waren wir.</p> - -<p>Also lagen wir noch zween Tage an selbigem Ort -und erwarteten diejenigen, denen wir schon so lange -aufgepaßt hatten. Wir verloren keinen einzigen Mann -und bekamen dreißig Gefangene. Ich erhielt doppelt -Part, das waren drei schöne Frießländer Hengst mit -Kaufmannswaren beladen, was sie in Eil forttragen -mochten. Wir retirierten uns mehrer Sicherheit halber -auf Rehnen.</p> - -<p>Daselbst gedachte ich wieder an den Pfaffen, dem ich -den Speck gestohlen hatte, nahm einen Saphir, in einen -göldenen Ring gefaßt, aus meiner Beute und schickte -ihn von Rehnen aus durch einen gewissen Boten mit -einem Brieflein an den Geistlichen.</p> - -<p>»Wohlehrwürdiger usw. Wann ich dieser Tagen im -Wald noch etwas zu leben gehabt hätte, so wäre kein -Ursache gewesen Euer Wohlehrwürden ihren Speck zu -stehlen, wobei Sie vermutlich sehr erschröckt worden. -Ich bezeuge beim Höchsten, daß Sie solche Angst wider -meinen Willen eingenommen, hoffe derowegen um Vergebung. -Was den Speck anbelangt, schicke ich derohalben -gegenwärtigen Ring mit Bitte, Euer Wohlehrwürden -belieben damit Vorlieb zu nehmen. Versichere darneben, -daß Dieselbe im übrigen auf alle Begebenheit einen -dienstfertigen und getreuen Diener hat an dem, den -dero Meßner vor keinen Maler hält, welcher sonst genannt -wird</p> - -<p class="center"> -der<br /> - Jäger.« -</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p148" id="Seite_p148">[S. 148]</a></span> - -Dem Bauren aber schickte die Partei aus gemeiner -Beute sechzehen Reichstaler.</p> - -<p>Von Rehnen gingen wir auf Münster und von dar -auf Ham und heim nach Soest in unser Quartier, -allwo ich nach einigen Tagen eine Antwort von dem -Pfarrer empfing.</p> - -<p>»Edler Jäger usw. Wann derjenige, dem Ihr den -Speck gestohlen, hätte gewußt, daß Ihr ihm in teuflischer -Gestalt erscheinen würdet, hätte er sich nicht so -oft gewünscht, den landberufenen Jäger auch zu sehen. -Gleichwie aber das geborgte Fleisch und Brot viel zu -teuer bezahlt worden, also ist auch der eingenommene -Schröcken desto leichter zu verschmerzen, weil er von -einer so berühmten Person ist wider ihren Willen verursachet -worden, deren hiemit allerdings verziehen wird, -mit Bitte, dieselbe wolle ein andermal ohne Scheu -zusprechen bei dem, der sich nicht scheut, den Teufel zu -beschwören.</p> - -<p class="right"> -<span class="antiqua">Vale</span>!«<br /> -</p> - -<p>Also machte ichs allerorten und überkam dadurch -einen großen Ruf.</p> - - - - -<hr class="chap" /> - -<h2><a name="Das_dritte_Buch" id="Das_dritte_Buch">Das dritte Buch</a></h2> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_erste_Kapitel" id="Buch3_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3> - - -<div class="nopagebreak"> - <img class="drop-cap" src="images/i151_cap.png" width="150" height="151" alt="" /> -</div> - -<p class="drop-cap">In Soest suchte ich Ruhm und Gunst -in Handlungen, die sonst strafwürdig -gewesen wären. Ich war ehrgeizig geworden, -und meine Torheit ließ mich -Leib- und Lebensgefahr vor gering anschlagen. -Wann andere schliefen, hielten -mich meine wunderlichen Grillen wach, und ich sann -auf neue Fündgen und Listen. So erfand ich eine -Gattung Schuhe, die man den Absatz zuvorderst anziehen -konnte, deren ließe ich dreißig unterschiedliche -Paar machen. Wann ich solche unter meine Burschen -austeilete, war es unmöglich, uns aufzuspüren, dann -wir trugen bald diese, bald unsere rechten Schuhe an -den Füßen, und es sahe am Ziele aus, als wann zwo -Parteien allda zusammengekommen wären und mit einander -verschwunden seien. Ohndas verwirrete ich unsere -Spur, so daß mich niemand hätte auskünden können. -Ich lag oft allernächst bei denen vom Gegenteil, die -mich in der Ferne suchten, und noch öfter etliche Meilwegs -von dem Busch, den sie umstellten und durchstreiften. -Also ließ ich auch an Scheid- und Kreuzwegen -unversehens absteigen und den Pferden die Eisen das -hinterst zu vörderst aufschlagen. Ganz zu geschweigen -der gemeinen Vorteil, die man brauchet, wann man -schwach auf Partei ist und doch vor stark aus der Spur -judiziert werden will.</p> - -<p>Wann ich nicht auf Partei dorfte, so ging ich sonst -aus zu stehlen, und dann war kein Stall vor mir sicher. -Rindviehe und Pferden wußte ich Stiefel und Schuhe -anzulegen, bis ich sie auf eine gänge Straße brachte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p152" id="Seite_p152">[S. 152]</a></span> -Die großen fetten Schweinspersonen, die Faulheit halber -nicht reisen mögen, wußte ich meisterlich fort zu bringen, -wann sie schon grunzten und nicht daran wollten. Ich -machte ihnen mit Mehl und Wasser einen wohlgesalzenen -Brei, ließ solchen einen Badeschwamm in sich -saufen, an welchen ich einen starken Bindfaden gebunden -hatte. Ließ nachgehends diejenigen, um welche ich buhlete, -den Schwamm voll Mus fressen und behielt die Schnur -in der Hand, worauf sie ohne Wortwechsel geduldig -mitgingen und mir die Zeche mit Schinken und Würsten -bezahleten.</p> - -<p>Was ich brachte, teilete ich sowohl den Offizierern -als meinen Kameraden getreulich mit. Im übrigen -dünkte ich mich viel zu gut darzu zu sein, daß ich die -Armen bestehlen, Hühner fangen oder andere geringe -Sachen hätte mausen sollen.</p> - -<p>Dahero fing ich an nach und nach mit Fressen und -Saufen ein epikuräisch Leben zu führen, weil ich meines -Einsiedels Lehren vergessen und niemand hatte, der -meine Jugend regierte. Meine Offizierer schmarotzten -bei mir und reizten mich viel mehr zu allen Lastern, -wo sie mich hätten strafen und abmahnen sollen. So -ward ich endlich gottlos und verrucht, daß mir kein -Schelmstück zu groß schien, und zuletzt auch heimlich -beneidet, beides: von Kameraden und Offizieren, da -ich mir einen größeren Namen und Ansehen machte, -als sie selbst hatten.</p> - -<p>Während ich im Begriffe stund, mir einige Teufelslarven -und darzugehörige Kleidungen mit Roß- und -Ochsenfüßen machen zu lassen, vermittels deren ich -Freund und Feind in Schröcken setzen könnte, bekam ich -Zeitung, daß ein Kerl sich in Werle aufhielte, welcher -ein trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lasse<span class="pagenum"><a name="Seite_p153" id="Seite_p153">[S. 153]</a></span> -und hin und her auf dem Land, sonderlich bei unsern -Kontribuenten, unter meinem Namen mit Weiberschänden -und Plünderungen allerhand Exorbitantien -verübe, maßen dahero gräuliche Klagen auf mich einkamen. -Solches gedachte ich ihm nicht zu schenken, weit -weniger zu leiden, daß er sich länger meines Namens -bediene. Ich ließ ihn mit Wissen des Kommandanten -in Soest auf Degen und Pistolen ins freie Feld zu -Gast laden, nachdem er aber das Herz nicht hatte zu -erscheinen, ließ ich mich vernehmen, daß ich mich an -ihm revangieren wollte, so ich ihn auf Partei ertappte, -werde er von mir als Feind traktiert werden. Darauf -verbrannte ich in Soest vor meinem Quartier offentlich -meine ganze grüne Kleidung, unangesehen, daß sie -über hundert Dukaten wert war, und fluchte in solcher -Wut noch darüber hin, daß der nächste, der mich mehr -»Jäger« nenne, entweder mich ermorden oder von -meinen Händen sterben müsse, und sollte es auch meinen -Hals kosten. Ich wollte auch keine Partei mehr führen, -ich hätte mich zuvor an meinem Widerpart zu Werle -gerochen.</p> - -<p>Dies erscholl gar bald in der Nachbarschaft, davon -wurden die Parteien vom Gegenteil so kühn und sicher, -daß sie schier täglich vor unsern Schlagbäumen lagen. -Was mir aber gar zu unleidlich viel war, daß der -Jäger von Werle noch immer fortfuhr sich vor mich -auszugeben.</p> - -<p>Indessen jedermann meinete, ich läge auf der Bernhaut, -kündigte ich meines Gegenteils von Werle Tun -und Lassen aus und machte meinen Anschlag darauf. -Meine beiden Knechte, sonderlich Spring-ins-Feld, hatte -ich nach und nach abgerichtet wie die Wachtelhunde. -Davon schickte ich den einen nach Werle zu meinem<span class="pagenum"><a name="Seite_p154" id="Seite_p154">[S. 154]</a></span> -Gegenteil. Der wandte vor, daß ich nunmehr anfinge -zu leben, wie ein anderer Kujon und verschworen hätte -nimmer auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr -bei mir bleiben mögen. Er wisse alle Wege und Stege -im Lande und könne manchen Anschlag geben, gute -Beute zu machen. Der einfältige Narr von Werle -glaubte meinem Knecht und nahm ihn an. So bekam -ich Wind, daß sie in einer bestimmten Nacht auf eine -Schäferei zuhielten, etliche fette Hämmel zu holen. Ich -bestach den Schäfer, daß er seine Hunde anbinden und -die Ankömmlinge unverhindert in die Scheuer minieren -lassen sollte, so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon -gesegnen. Indessen paßte ich und Spring-ins-Feld mit -einem andern Knecht auf, die ich hiebevor beide mit -meinen Teufelslarven und Kleidern wohl ausstaffieret.</p> - -<p>Da nun der Jäger von Werle und sein Knecht ein -Loch durch die Wand gegraben hatten, wollte der Jäger -haben, daß der Knecht zum erstenmal hineinschliefe. -Der aber sagte: »Ich sehe wohl, daß Ihr nicht mausen -könnt, man muß zuvor visieren, ob Bläsi zu Hause -sei oder nicht.«</p> - -<p>Er zog hierauf seinen Degen und hing den Hut an -die Spitze, stieß etliche Male durchs Loch. Als solches -geschehen, kroch der Jäger als erster hinein, aber Spring-ins-Feld -erwischte ihn gleich bei der Degenhand. Da -hörete ich, daß sein anderer Gesell durchgehen wollte, -und weil ich nicht wußte, welches der Jäger sei, eilete -ich nach und ertappte ihn.</p> - -<p>»Was Volks?« — »Kaiserisch.« — »Was Regiments, -ich bin auch kaiserisch, ein Schelm, der seinen Herrn -verleugnet!« — »Wir seind von den Dragonern von -Soest,« sagte er, »Bruder, ich hoffe, Ihr werdet uns -passieren lassen.« — »Wer seid Ihr dann aus Soest.« —<span class="pagenum"><a name="Seite_p155" id="Seite_p155">[S. 155]</a></span> -»Mein Kamerad, den Ihr im Stall ertappet, ist der -Jäger.« — »Schelmen seid ihr! Warum plündert ihr -dann euer eigen Quartier, der Jäger von Soest ist so -kein Narr, daß er sich in einem Schafstall fangen -läßt!« — »Ach, von Wörle wollt ich sagen,« antwortete -er mir.</p> - -<p>Indem ich so disputierte, kam mein Knecht und -Spring-ins-Feld mit meinem Gegenteil auch daher.</p> - -<p>»Siehe da, du ehrlicher Vogel, kommen wir hier zusammen? -Wann ich kaiserliche Waffen nicht respektierte, -so wollte ich dir gleich eine Kugel durch den Kopf -jagen. Ich bin der Jäger von Soest und du bist ein -Schelm, bis du einen von gegenwärtigen Degen zu dir -nimmst und den andern auf Soldatenmanier mit mir -missest.«</p> - -<p>Indem legte Spring-ins-Feld uns zwei gleiche Degen -vor die Füße. Der arme Jäger erschrak so gewaltig, -daß er seine Hosen verderbte, davon schier niemand bei -ihm bleiben konnte. Er und sein Kamerad zitterten -wie nasse Hunde, sie fielen auf die Knie und baten um -Gnade. Aber Spring-ins-Feld kollerte wie aus einem -hohlen Hafen heraus: »Du mußt einmal raufen, oder -ich will dir den Hals brechen!« — »Ach, hochgeehrter -Herr Teufel, ich bin nicht des Raufens halber herkommen! -Der Herr Teufel überhebe mich dessen, so -will ich hingegen tun, was du willst.«</p> - -<p>Mein Knecht zwang ihm den Degen in die Hand, -er zitterte aber so, daß er ihn nicht halten konnte. Der -Schäfer kam herbei und stellte sich, als ob er von den -beiden Teufeln nichts sähe, er fragte mich, was ich mit -diesen beiden Kerlen lang in seiner Schäferei zu zanken -hätte, ich sollte es an einem andern Ort ausmachen, -dann unsere Händel gingen ihm nichts an. Er gäbe<span class="pagenum"><a name="Seite_p156" id="Seite_p156">[S. 156]</a></span> -monatlich seine Konterbission und wolle in Frieden -leben. Zu den beiden sagte er, warum sie sich von mir -einzigem Kerl geheien ließen und mich nicht niederschlügen.</p> - -<p>»Du Flegel,« rief ich, »sie haben dir deine Schafe -stehlen wollen!«</p> - -<p>Da sagte der Bauer: »So wollte ich, daß sie meinen -Schafen müßten den Hintern lecken.« Damit ging er weg.</p> - -<p>Ich drang auf das Fechten, mein armer Jäger aber -konnte vor Forcht schier nicht mehr auf den Füßen -stehen, also daß er mich daurete. Er und sein Kamerad -brachten so bewegliche Worte vor, daß ich ihm endlich -alles verziehe und vergab.</p> - -<p>Aber Spring-ins-Feld war damit nicht zufrieden, er -zwang den Jäger an dreien Schafen zu tun, was der -Baur gewünscht hatte, und zerkratzte ihn mit seinen -Teufelskrallen noch darzu so abscheulich im Gesicht, daß -er aussahe, als ob er mit den Katzen gefressen hätte, -mit welcher schlichten Rache ich mich zufrieden gab.</p> - -<p>Der Jäger von Werle verschwand bald aus der Gegend, -weil er sich zu sehr schämte, dann sein Kamerad -sprengte aller Orten aus und beteuret es mit heftigen -Flüchen, daß ich wahrhaftig zween leibhaftiger Teufel -hätte, die mir auf den Dienst warteten. Darum ward -ich noch mehr geförchtet, hingegen aber desto weniger -geliebet.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p157" id="Seite_p157">[S. 157]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_ander_Kapitel" id="Buch3_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Solches wurde ich bald gewahr, daher stellete ich -mein vorig gottlos Leben allerdings ab. Ich ging -zwar auf Partei, zeigete mich aber gegen Freund und -Feind so leutselig und diskret, daß alle, die mir unter -die Hände kamen, ein anderes glaubten, als sie von mir -gehöret hatten. Ich sammlete mir viel schöne Dukaten -und Kleinodien, welche ich hin und wieder auf dem -Lande in hohle Bäume verbarg, dann ich hatte mehr -Feinde in der Stadt Soest und im Regiment, die mir -und meinem Gelde nachstellten, als außerhalb und bei -den feindlichen Guarnisonen.</p> - -<p>Ich saß einsmals mit fünfundzwanzig Feuerröhren -nicht weit von Dorsten und paßte einer Bedeckung mit -etlichen Fuhrleuten auf, die nach Dorsten kommen sollte. -Ich hielt selbst Schildwacht, weil wir dem Feinde nahe -waren. Da sah ich einen Mann daherkommen, fein -ehrbar gekleidet, der redete mit sich selbst und focht -dabei seltsam mit den Händen.</p> - -<p>»Ich will einmal die Welt strafen, es sei dann, mir -wolle es das große <span class="antiqua">Numen</span> nicht zugeben!«</p> - -<p>Woraus ich mutmaßete, er möcht etwan ein mächtiger -Fürst sein, der so verkleideter Weise herumginge, -seiner Untertanen Leben und Sitten zu erkunden. Ich -dachte, ist dieser Mann vom Feind, so setzt es ein gutes -Lösegeld, wo nicht, so willst du ihn aufs höflichste traktieren. -Sprang derohalben hervor und präsentierte mein -Gewehr mit aufgezogenem Hahnen.</p> - -<p>»Der Herr wird belieben, vor mir hin in den Busch -zu gehen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p158" id="Seite_p158">[S. 158]</a></span> - -Er antwortete sehr ernsthaftig: »Solcher <span class="antiqua">Tractation</span> -ist meinesgleichen nicht gewohnt.«</p> - -<p>Ich tummlete ihn höflich fort. »Der Herr wird sich -vor diesmal in die Zeit schicken.«</p> - -<p>Als die Schildwachen wieder besetzt waren, fragte -ich ihn, wer er sei. Er antwortete großmütig, es würde -mir wenig daran gelegen sein, wannschon ich es wüßte: -Er sei auch ein großer Gott!</p> - -<p>Ich gedachte, er mochte mich vielleicht kennen und -etwan ein Edelmann von Soest sein und so sagen, um -mich zu hetzen, weil man die Soester mit dem großen -Gott und dem göldenen Fürtuch zu vexieren pfleget, -ward aber bald in, daß ich anstatt eines Fürsten einen -Phantasten gefangen hätte, der sich überstudieret und -in der Poeterei gewaltig verstiegen, dann er gab sich -vor den Gott Jupiter aus. Ich wünschte zwar, daß ich -den Fang nicht getan, mußte den Narren aber wohl behalten. -Mir ward ohn das die Zeit lang, so gedachte ich -diesen Kerl zu stimmen.</p> - -<p>»Nun dann, mein lieber Jove, wie kommt es doch, -daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verlässet -und zu uns auf Erden steiget? Vergib mir, o Jupiter, -meine Frage, die du vor fürwitzig halten möchtest, -dann wir seind den himmlischen Göttern auch verwandt -und eitel <span class="antiqua">Sylvani</span>, von den <span class="antiqua">Faunis</span> und <span class="antiqua">Nymphis</span> geboren, -denen diese Heimlichkeit billig unverborgen bleiben -sollte.«</p> - -<p>»Ich schwöre beim <span class="antiqua">Styx</span>,« antwortete er, »daß du -nichts erfahren solltest, wann du meinem Mundschenken -<span class="antiqua">Ganymed</span> nicht so ähnlich sähest! Zu mir ist ein groß -Geschrei über der Welt Laster durch die Wolken gedrungen, -darüber ward in aller Götter Rat beschlossen, -den Erdboden wieder mit Wasser auszutilgen. Weil ich<span class="pagenum"><a name="Seite_p159" id="Seite_p159">[S. 159]</a></span> -aber dem Menschengeschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen -bin, vagiere ich jetzt herum, der Menschen Tun -und Lassen selbst zu erkündigen. Obwohl ich alles ärger -finde, als es vor mich gekommen, so will ich doch nicht -alle Menschen zugleich und ohn Unterscheid ausrotten, -sondern allein die Schuldigen.«</p> - -<p>Ich verbiß das Lachen, so gut ich konnte.</p> - -<p>»Ach Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich -allerdings umsonst sein. Schickest du zur Straf einen -Krieg, so laufen alle verwegenen Buben mit, welche -die friedliebenden, frommen Menschen nur quälen werden; -schickest du eine Teuerung, so ists eine erwünschte -Sache vor die Wucherer, weil alsdann denselben ihr -Korn viel gilt; schickest du aber eine Sterben, so haben -die Geizhälse und alle übrigen Menschen ein gewonnenes -Spiel, indem sie hernach viel erben. Wirst derhalben -die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten -müssen.«</p> - -<p>»Du redest von der Sache wie ein natürlicher Mensch,« -antwortete Jupiter, »als ob du nicht wüßtest, daß es -einem Gott möglich ist, die Bösen zu strafen, die Guten -zu erhalten! Ich will einen deutschen Helden erwecken, -der soll alles mit der Schärfe seines Schwertes vollenden.«</p> - -<p>Ich meinte: »So muß ja ein solcher Held auch Soldaten -haben, und wo man Soldaten braucht, da ist -auch Krieg, und wo Krieg ist, da muß der Unschuldige -sowohl als der Schuldige herhalten.«</p> - -<p>»Ich will einen solchen Helden schicken, der keiner -Soldaten bedarf und doch die ganze Welt reformieren -soll. In seiner Geburtsstunde will ich ihm verleihen -einen wohlgestalten und stärkeren Leib, als <span class="antiqua">Herkules</span> -einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand<span class="pagenum"><a name="Seite_p160" id="Seite_p160">[S. 160]</a></span> -überflüssig gezieret. <span class="antiqua">Mercurius</span> soll ihn mit unvergleichlich -sinnreicher Vernunft begaben, <span class="antiqua">Vulcan</span> soll ihm ein -Schwert schmieden, mit welchem er die ganze Welt bezwingen -und alle Gottlosen niedermachen wird, ohne -fernere Hilfe eines einzigen Menschen. Eine jede große -Stadt soll vor seiner Gegenwart erzittern, und eine jede -Festung, die sonst unüberwindlich ist, wird er in der -ersten Viertelstunde in seinem Gehorsam haben. Zuletzt -wird er den größten Potentaten der Welt befehlen und -die Regierung über Meer und Erden so löblich anstellen, -daß beides: Götter und Menschen ein Wohlgefallen -darob haben sollen.«</p> - -<p>Ich sagte: »Wie kann die Niedermachung aller Gottlosen -ohn Blutvergießen und das Kommando über die -ganze weite Welt ohn sonderbare große Gewalt und -starken Arm geschehen? O Jupiter, ich bekenne dir unverhohlen, -daß ich diese Dinge weniger als ein sterblicher -Mensch begreifen kann.«</p> - -<p>»Weil du nicht weißt, was meines Helden Schwert -vor eine seltene Kraft an sich haben wird. Wann er -solche entblößet und nur einen Streich in die Luft tut, -so kann er einer ganzen Armada, wenngleich sie hinter -einem Berg stünde, auf einmal die Köpfe herunterhauen, -sodaß die armen Teufel ohne Kopf daliegen -müssen, eh sie einmal wissen wie ihnen geschehen. Er -wird von einer Stadt zur andern ziehen und das halsstarrig -und ungehorsam Volk, Mörder, Wucherer, Diebe, -Schelme, Ehebrecher, Hurer und Buben ausrotten. Er -wird jeder Stadt ihren Teil Landes, um sie her gelegen, -im Frieden zu regieren übergeben. Von jeder Stadt -durch ganz Deutschland wird er zween von den klügsten -und gelehrtesten Männern zu sich nehmen, aus denselben -ein Parlament machen, die Städte mit einander auf<span class="pagenum"><a name="Seite_p161" id="Seite_p161">[S. 161]</a></span> -ewig vereinigen, die Leibeigenschaften samt allen Zöllen, -Accisen, Zinsen, Gülten und Umgelten durch ganz Deutschland -aufheben und solche Anstalten machen, daß man -von keinem Frohnen, Wachen, Contribuieren, Geldgeben, -Kriegen, noch einziger Beschwerung beim Volk -mehr wissen wird. Alsdann werde ich mit dem ganzen -Götterchor oftmals herunter zu den Deutschen steigen -und die Musen von neuem darauf pflanzen. Ich will -dann nur deutsch reden und mit einem Wort mich so -gut deutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vordem -den Römern, die Beherrschung über die ganze Welt -werde zukommen lasse.«</p> - -<p>Ich sagte: »Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten -und Herren dazu sagen?«</p> - -<p>Er antwortete: »Hierum wird sich mein Held wenig -bekümmern. Er wird die Großen in drei Teile unterscheiden -und diejenigen, so unexemplarisch und verrucht -leben, gleich den Gemeinen strafen, denen andern aber wird -er die Macht geben, im Land zu bleiben oder nicht. Wer -bleibet und sein Vaterland liebet, der wird leben müssen -wie andere gemeine Leute, die dritten aber, die ja Herren -bleiben und immerzu herrschen wollen, wird er durch -Ungarn und Italien in die Moldau, Wallachei, in Macedoniam, -Thraciam, Griechenland, ja, über den Hellespontum -in Asiam hineinführen, ihnen dieselbigen Länder -gewinnen, alle Kriegsgurgeln in ganz Deutschland -mitgeben und sie alldort zu lauter Königen machen. -Alsdann wird er Konstantinopel in einem Tag einnehmen -und allen Türken, die sich nicht bekehren, die -Köpfe vor den Hintern legen. Daselbst wird er das -römische Kaisertum wieder aufrichten und sich wieder -nach Deutschland begeben und mit seinem Parlament -eine Stadt mitten in Deutschland bauen, welche viel<span class="pagenum"><a name="Seite_p162" id="Seite_p162">[S. 162]</a></span> -größer sein wird und goldreicher als Jerusalem zu Salomonis -Zeiten, deren Wälle sich dem tirolischen Gebirg -und ihre Wassergräben der Breite des Meeres zwischen -Hispania und Afrika vergleichen sollen. Er wird einen -Tempel darin bauen und eine Kunstkammer aufrichten, -darin sich alle Raritäten der ganzen Welt versammeln.«</p> - -<p>Ich fragte den Narren, was dann die christlichen -Könige bei der Sache tun würden, und er antwortete:</p> - -<p>»Die in England, Schweden und Dänemark werden, -weil sie deutschen Geblütes und Herkommens, die in -Hispania, Frankreich und Portugal, weil die alten Deutschen -selbige Länder hiebevor regieret haben, ihre Kronen, -Königreiche und inkorporierten Länder von der -deutschen Nation aus freien Stücken zu Lehen empfangen. -Alsdann wird, wie zu Augusti Zeiten, ein ewiger -beständiger Friede zwischen allen Völkern in der ganzen -Welt sein.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p163" id="Seite_p163">[S. 163]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_dritte_Kapitel" id="Buch3_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Spring-ins-Feld hätte den Handel beinahe verderbet, -weil er sagte: »Und alsdann wirds in Deutschland -hergehen wie im Schlauraffenland, da es lauter -Muskateller regnet und die Kreuzerpastetlein über Nacht -wie die Pfifferlinge wachsen! Da werd ich mit beiden -Backen fressen müssen wie ein Drescher, und Malvasier -saufen, daß mir die Augen übergehen!«</p> - -<p>Da sagte Jupiter zu mir: »Ich habe vermeint, ich -sei bei lauter Waldgöttern, so sehe ich aber, daß ich -den neidigen, dürren Tadler <span class="antiqua">Momus</span> und <span class="antiqua">Zoilus</span> angetroffen -habe. Ja, man soll edle Perlen nicht vor die -Säue werfen!«</p> - -<p>Ich verbiß mein Lachen, so gut ich konnte, und sagte -zu ihm: »Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben -Waldgottes Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede -nicht verhalten, wie es weiter in Deutschland -hergehen wird.«</p> - -<p>»O nein, aber befiehl diesem säuischen <span class="antiqua">Commentatori</span> -fürderhin seine Zunge im Zaum zu halten. — Höre, lieber -Ganymed, es wird alsdann in Deutschland das Goldmachen -so gewiß und so gemein werden als das Hafnerhandwerk, -daß schier ein jeder Roßbub den Stein der -Weisen wird umschleppen.«</p> - -<p>»Wie aber wird Deutschland bei so unterschiedlichen -Religionen einen langwierigen Frieden haben können? -Werden die Pfaffen nicht die Ihrigen hetzen und des -Glaubens wegen wiederum einen Krieg anspinnen?«</p> - -<p>»Nein,« sagte Jupiter, »mein Held wird weislich zuvorkommen -und alle Glauben vereinigen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p164" id="Seite_p164">[S. 164]</a></span> - -»O Wunder! Das wäre ein groß Werk! Wie müßte -das geschehen?«</p> - -<p>»Das will ich dir herzlich gern offenbaren: Nachdem -mein Held den Universal-Frieden der ganzen Welt verschafft, -wird er geistliche und weltliche Vorsteher der -unterschiedlichen Völker und Kirchen mit einem sehr -beweglichen Sermon anreden und sie durch hochvernünftige -Gründe und unwiderlegliche Argumenta dahin -bringen, daß sie sich selbst eine allgemeine Vereinigung -wünschen. Alsdann wird er die allergeistreichsten, gelehrtesten -und frömmsten von allen Orten und Enden her -aus allen Religionen zusammenbringen und ihnen auferlegen, -daß sie sobald immer möglich die Streitigkeiten -ernstlich beilegen und nachgehends mit rechter Einhelligkeit -die wahre, heilige, christliche Religion gemäß -der heiligen Schrift, der uralten Tradition und der -probierten heiligen Väter Meinung schriftlich verfassen -sollen. Wenn er aber merken sollte, daß sich einer oder -der andere von Teufel einnehmen läßt, so wird er die -ganze Versammlung wie in einem <span class="antiqua">Conclave</span> mit Hunger -quälen, und wann sie nicht daran wollen, ein so hohes -Werk zu befördern, so wird er ihnen allen vom Hängen -predigen, daß sie eilands zur Sache schreiten und mit -ihren halsstarrigen, falschen Meinungen, die Welt nicht -mehr wie vor Alters foppen.</p> - -<p>Nach erlangter Einigkeit wird er ein großes Jubelfest -anstellen und der ganzen Welt diese geläuterte Religion -publizieren. Welcher alsdann darwider glaubet, -den wird er mit Schwefel und Pech martyrisieren oder -einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken und dem -Teufel zum neuen Jahr schenken.</p> - -<p>Jetzt weißt du, lieber Ganymed, alles was du zu -wissen begehrt hast.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p165" id="Seite_p165">[S. 165]</a></span> - -Ich dachte bei mir selbst, der Kerl dörfte vielleicht -kein Narr sein, wie er sich stellet, sondern mirs kochen, -wie ichs zu Hanau gemachet, um desto besser von uns -zu kommen. Derowegen gedachte ich ihn zornig zu machen, -weil man einen Narren am besten im Zorn erkennt, -und wollte ihm vorhalten, wie alle Götter in -der weiten Welt vor so verrucht, leichtfertig und stinkend -als Diebe, Kuppler, Ehebrecher, Hanreien, Wüteriche, -Mörder und unverschämte Hurenjäger verschrieen seien, -daß man sie sonst nirgendshin als in des Augias Stall logieren -wolle — da wurde mein Jupiter von einer seltsamen -Unruhe ergriffen: Er zog in Gegenwart meiner und der -ganzen Partei ohn einzige Scham seine Hosen herunter und -stöberte die Flöhe daraus, welche ihn, wie man an seiner -sprenklichten Haut wohl sahe, schröcklich tribulieret hatten.</p> - -<p>»Schert euch fort, ihr kleinen Schinder,« sagte er, »ich -schwöre euch beim <span class="antiqua">Styx</span>, das ihr in Ewigkeit nicht erhalten -sollt, was ihr so sorgfältig sollicitiert!«</p> - -<p>Ich fragte ihn, was er meine. Er antwortete, daß -das Geschlecht der Flöhe, als sie vernommen, er sei auf -Erden, ihre Gesandten zu ihm geschickt hätten, ihn zu -komplimentieren. Sie hätten ihm darneben vorgebracht, -daß sie aus ihrem <span class="antiqua">Territorio</span>, da man ihnen die Hundshäute -zu bewohnen zugesichert, durch die Weiber vertrieben -worden seien, gestalt manche ihr Schoßhündchen -mit Bürsten, Kämmen, Seifen, Laugen und anderen -mörderischen Dingen durchstreift hätten, so daß sie ihr -Vaterland quittieren und andere Wohnungen hätten aufsuchen -müssen. So sie aber den Weibern in die Pelze -gerieten, würden solche verirrte, arme Tropfen übel tractieret, -gefangen und nicht allein ermordet, sondern auch -zuvor zwischen den Fingern elendiglich gemartert und -zerrieben, daß es einen Stein erbarmen möchte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p166" id="Seite_p166">[S. 166]</a></span> - -»Ja,« sagte Jupiter ferner, »sie brachten mir die -Sache so beweglich vor, daß ich Mitleiden mit ihnen -haben mußte und also ihnen Hilfe zusagte, jedoch mit -dem Vorbehalt, daß ich die Weiber zuvor auch hören -möchte. Sie aber wandten vor, wann den Weibern erlaubet -würde, Widerpart zu halten, so wüßten sie wohl, -daß sie mit ihren giftigen Hundszungen entweder meine -Frömmigkeit und Güte betäuben und die Flöhe überschreien -oder aber durch ihre lieblichen Worte und -Schönheit mich betören und zu einem falschen Urteil -verleiten würden, mit fernerer Bitte, ich wolle sie ihrer -untertänigsten Treue genießen lassen, welche sie auch -allezeit erzeiget, indem sie doch jeweils am nächsten dabei -gewesen und am besten gewußt hätten, was zwischen -mir und der Io, Callisto, Europa, Semele und andern -mehr vorgangen, hätten aber niemals nichts aus der -Schule geschwätzt, noch meiner Ehefrau ein einzigs -Wort gesaget, maßen sie sich einer solchen Verschwiegenheit -beflissen, wie dann kein Mensch bis dato von ihnen -etwas dergleichen erfahren hätte. Wann ich aber je zulassen -wollte, daß die Weiber sie in ihrem Bann jagen, -fangen und nach Weidmannsrecht metzeln dörften, so -wäre ihre Bitte, zu gebieten, daß sie hinfort mit einem -heroischen Tod hingerichtet und entweder mit einer Axt -wie Ochsen niedergeschlagen oder wie ein Wildpret gefället -würden, aber nicht mehr so schimpflich zwischen -den Fingern zerquetscht und geradbrecht werden sollten, -was allen ehrlichen Mannsbildern eine Schande wäre. -Sonach erlaubte ich ihnen, bei mir einzukehren, damit -ich ein Urteil darnach fassen könne, ob sie die Weiber -allzuhützig tribulierten. Da fing das Lumpengesind an -mich zu geheien, daß ich sie habe, wie ihr sehet, wieder -abschaffen müssen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p167" id="Seite_p167">[S. 167]</a></span> - -Wir dorften nicht rechtschaffen lachen, weil wir stillhalten -mußten und weils der Phantast nicht gern hatte, -wovon Spring-ins-Feld hätte zerbersten mögen. Da zeigte -unsere Hochwacht an, daß er in der Ferne etwas kommen -sähe. Ich stieg hinauf und gewahrte die Fuhrleute, -denen wir aufpaßten. Sie hatten dreißig Reuter zur -<span class="antiqua">Convoi</span> bei sich, dahero ich mir die Rechnung leicht -machen konnte, daß sie nicht durch den Wald, sondern -übers freie Feld kommen würden, wiewohl es daselbst -einen bösen Weg hatte.</p> - -<p>Von unsrer Lägerstatt ging feldwärts eine Wasserrunze -in einer Klämme hinunter. Deren Ausgang besatzte -ich mit zwenzig Mann, nahm auch selbst meinen -Stand bei ihnen, ließ aber Spring-ins-Feld zurück. Ich -befahl meinen Burschen, wann der <span class="antiqua">Convoi</span> hinkomme, -daß jeder seinen Mann gewiß nehmen sollte, und sagte -auch jedem, wer Feuer geben und wer seinen Schuß im -Rohr zum Vorrat zu behalten habe. Etliche verwunderten -sich, ob ich wohl vermeine, daß die Reuter an -einen Ort kommen werden, wo sie nichts zu tun hätten -und dahin wohl hundert Jahr kein Baur gekommen -sei. Aber ich brauchte keine Teufelskunst, sondern nur -Spring-ins-Feld, dann als der <span class="antiqua">Convoi</span>, welcher ziemlich -Ordnung hielt, <span class="antiqua">recte</span> gegen uns über vorbeipassieren -wollte, fing Spring-ins-Feld so schröcklich an zu brüllen -wie ein Ochs und zu wiehern wie ein Pferd, daß der -ganze Wald widerhallte. Der <span class="antiqua">Convoi</span> hörets, gedachte -Beute zu machen und etwas zu erschnappen, sie ritten -sämtlich so geschwind und unordentlich in unsern Halt, -als wann ein jeder der erste hätte sein wollen, die beste -Schlappe zu holen. Gleich im ersten Willkommen wurden -dreizehn Sättel geleeret und sonst noch etliche aus -ihnen gequetscht. Hierauf schrie Spring-ins-Feld: »Jäger<span class="pagenum"><a name="Seite_p168" id="Seite_p168">[S. 168]</a></span> -hierher!« — davon die Kerl noch mehr erschröckt und -irre wurden. Ich bekam sie alle siebzehn und spannte -vierundzwenzig Pferde aus. Doch hatten sich die Fuhrleute -zu Pferd aus dem Staub gemacht. Wir packten -auf, dorften uns aber nicht viel Zeit nehmen, die Wägen -recht zu durchsuchen.</p> - -<p>Mein Jupiter lief aus dem Wald und schrie uns -nach, bis ich ihn hinten aufsetzen ließ, dann er nicht -besser reuten konnte als eine Nuß.</p> - -<p>Also brachte ich meine Beute und Gefangenen den -andern Morgen glücklich nach Soest und bekam mehr -Ehre und Ruhm von dieser Partei, als zuvor nimmer. -Jeder sagete: »Dies gibt wieder einen Johann de Werdt!« -welches mich trefflich kützelte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p169" id="Seite_p169">[S. 169]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_vierte_Kapitel" id="Buch3_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Meines Jupiter konnte ich nicht los werden, dann -der Kommandant begehrete ihn nicht, weil nichts -an ihm zu rupfen war, sondern sagte, er wollte ihn mir -schenken. Also bekam ich einen eigenen Narren und -dorfte mir keinen kaufen. Kurz zuvor tribuliereten mich -die Läuse, und jetzt hatte ich den Gott der Flöhe in -meiner Gewalt. Es war noch kein Jahr vergangen, da -mir die Buben nachliefen, und jetzt vernarreten sich die -Mägdlein aus Liebe gegen mich. Vor einem halben -Jahr dienete ich einem schlechten Dragoner, jetzt nannten -mich zween Knechte ihren Herrn. O wunderliche -Welt, darinnen nichts Beständigeres ist als die Unbeständigkeit!</p> - -<p>Damals zog der Graf von der Wahl als Obrister-Gubernator -des westfälischen Kreises aus allen Guarnisonen -einige Völker zusammen, eine Cavalcade durchs -Stift Münster zu tun, vornehmlich aber zwo Kompagnien -hessischer Reuter im Stift Paderborn auszuheben, -die den Unsrigen daselbsten viel Dampfs antäten. -Ich ward unter unsern Dragonern mitkommandiert. -Und als sie einzige Truppen zum Ham gesammlet, gingen -wir schnell vor und berannten gemeldter Reuter Quartier, -ein schlecht verwahrtes Städtlein, ehe die Unsrigen -kamen. Sie unterstunden durchzugehen, wir aber jagten -sie wieder zurück in ihr Nest. Es ward ihnen angeboten, -ohne Pferd und Gewehr, jedoch mit dem was -der Gürtel beschließe zu passieren, sie aber wollten sich -nicht darzu verstehen, sondern sich mit ihren Karabinern -wie Musketierer wehren. Also kam es, daß ich noch -dieselbe Nacht probieren mußte, was ich vor Glück im<span class="pagenum"><a name="Seite_p170" id="Seite_p170">[S. 170]</a></span> -Stürmen hätte. Wir leerten die Gassen bald, weil -niedergemacht ward, was sich im Gewehr befand, und -weil sich die Bürger nicht hatten wehren wollen. Also -ging es mit uns in die Häuser. Spring-ins-Feld sagte: -»Wir müssen ein Haus vornehmen, vor welchem ein -großer Haufen Mist liegt, dann darin sitzen reiche -Kauzen.«</p> - -<p>Darauf griffen wir ein solches an, Spring-ins-Feld -visitierte den Stall, ich aber das Haus mit Abrede, daß -jeder mit dem andern parten sollte. Also zündete jeder -seinen Wachsstock an. Ich rief nach dem Hausvater, -kriegte aber keine Antwort, geriet indessen in eine -Kammer und fand dort nichts, als ein leer Bett und -eine beschlossene Truhe. Die hämmerte ich auf in der -Hoffnung, etwas Kostbares zu finden. Aber da ich den -Deckel auftät, richtete sich ein kohlschwarzes Ding gegen -mich auf, welches ich vor den Lucifer selbst ansahe.</p> - -<p>Ich kann schwören, daß ich mein Lebtag nie so erschrocken -bin, als eben damals, da ich diesen schwarzen -Teufel so unversehens erblickte. »Daß dich der Donner -schlag,« rief ich gleichwohl in solchem Schröcken und -zuckte mein Äxtlein, hatte doch das Herz nicht, ihms -in den Kopf zu hauen.</p> - -<p>»Min leve Heer, ick bidde ju doer Gott, schinkt mi -min Levend!«</p> - -<p>Da hörete ich erst, daß es kein Teufel war, befahl -ihm aus der Truhe zu steigen und er stand vor mir in -seiner Schwärze, nackend wie ihn Gott geschaffen hatte, -ein Mohr. Ich schnitt ein Stück von meinem Wachsstock, -gabs ihm zu leuchten und er führete mich in ein -Stüblein, da ich den Hausvater fand, der samt seinem -Gesind dies lustige Spektakul ansahe und mit Zittern -um Gnade bat. Er händigte mir eines Rittmeisters<span class="pagenum"><a name="Seite_p171" id="Seite_p171">[S. 171]</a></span> -Bagage, darunter ein ziemlich wohlgespickt, verschlossen -Felleisen war, ein, mit Bericht, daß der Rittmeister -und seine Leute bis auf gegenwärtigen Mohren sich -zu wehren auf ihre Posten gegangen wären. Inzwischen -hatte Spring-ins-Feld sechs schöne gesattelte Pferde im -Stall erwischt.</p> - -<p>Als hernach die Tore geöffnet, die Posten besetzt und -unser General-Feldzeugmeister Herr Graf von der Wahl -eingelassen ward, nahm er sein Logiment in ebendemselben -Hause, darum mußten wir bei finsterer Nacht -ein ander Quartier suchen. Wir fanden eines und brachten -den Rest der Nacht mit Fressen und Saufen zu. Ich -bekam vor mein Teil den Mohren, die zwei besten Pferde, -darunter ein spanisches war, auf welchen ein Soldat -sich gegen sein Gegenteil dorfte sehen lassen, mit den -ich nachgehends nicht wenig prangte. Aus dem Felleisen -aber kriegte ich unterschiedliche köstliche Ringe und in -einer göldenen Kapsel mit Rubinen besetzt des Prinzen -von Uranien Conterfait, kam also mit Pferden und -allem über zwei hundert Dukaten. Vor den Mohren, -der mich am aller saursten ankommen war, ward mir -von General-Feldzeugmeister, als welchem ich ihn präsentierte, -nicht mehr als zwei Dutzend Taler verehret.</p> - -<p>Als wir demnach Recklinghausen zu kamen, nahm ich -Erlaubnis, mit Spring-ins-Feld meinem Pfaffen zuzusprechen, -mit dem ich mich lustig macht, da ich ihm -erzählete, daß mir der Mohr den Schröcken, den er -und seine Köchin neulich empfunden, wieder eingetränkt -hätte. Ich verehrete ihm auch eine schöne schlagende -Halsuhr zum freundlichen <span class="antiqua">Valete</span>.</p> - -<p>Meine Hoffart vermehrete sich mit meinem Glück, -daraus endlich nichts andres als mein Fall erfolgen -konnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p172" id="Seite_p172">[S. 172]</a></span> - -Ungefähr eine halbe Stunde von Rehnen kampierten -wir und erhielten Erlaubnus, in demselben Städtlein -etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen. Unser Meinung -war, sich einmal rechtschaffen miteinander lustig -zu machen. Also kehreten wir im besten Wirtshaus ein -und ließen Spielleute kommen, die uns Wein und Bier -hinuntergeigen mußten. Da ging es <span class="antiqua">in floribus</span> her und -blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe tun -möchte. Ich stellete mich nicht anders als wie ein junger -Prinz, der Land und Leute vermag und alle Jahre -ein groß Geld zu verzehren hat. Dahero ward uns -besser als einer Gesellschaft Reuter aufgewartet, die -gleichfalls dort zehrete. Das verdroß sie und fingen an -mit uns zu kipplen.</p> - -<p>»Woher kommts, daß diese Stieglhupfer ihre Heller -so weisen?« Dann sie hielten uns vor Musketierer, -maßen kein Tier in der Welt ist, das einem Musketierer -ähnlicher siehet, als ein Dragoner, und wann ein -Dragoner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer -wieder auf.</p> - -<p>Ein anderer Reuter meinete: »Jener Jüngling ist -gewiß ein Strohjunker, dem seine Mutter etliche Milchpfennige -geschicket, die er jetzo spendiert, damit ihm -künftig irgendswo seine Kameraden aus dem Dreck -oder etwan durch den Graben tragen sollen.«</p> - -<p>Solches ward mir durch die Kellerin hinterbracht. -Weil ichs aber nicht selbst gehört, konnte ich anders -nichts darzu tun, als daß ich ein groß Bierglas mit -Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller rechtschaffenen -Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen -Alarm darzu machen ließ, daß keiner sein eigen -Wort hören konnte. Das verdroß sie noch mehr, derowegen -sagten sie offentlich:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p173" id="Seite_p173">[S. 173]</a></span> - -»Was Teufels haben doch die Stiegelhüpfer vor ein -Leben!«</p> - -<p>Spring-ins-Feld antwortete: »Was gehts die Stiefelschmierer -an?« — Das ging ihm hin, dann er sahe so -gräßlich drein und machte so grausame und bedrohliche -Mienen, daß sich keiner an ihm reiben dorfte.</p> - -<p>Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einem ansehnlichen -Kerl, der sagte: »Wann sich die Maurenhofierer -auf ihrem Mist (er vermeinte, wir lägen in -Guarnison stille) nicht so breit machen dörften, wo -wollten sie sich sonst sehen lassen? Man weiß ja wohl, -daß jeder in offener Feldschlacht unser Raub sein muß.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Wir nehmen Städt und Festungen -ein und verwahren sie, dahingegen ihr Reuter auch -vor dem geringsten Rattennest keinen Hund aus dem -Ofen locken könnet. Warum sollten wir uns dann in -den Städten nicht dörfen lustig machen?«</p> - -<p>Der Reuter gab dawider: »Wer Meister im Felde ist, -dem folgen die Festungen. Daß wir aber die Feldschlachten -gewinnen müssen, folget aus dem, daß ich so -drei Kinder, wie du eins bist, mitsamt ihren Musketen -nicht allein nicht förchte, sondern ein Paar davon auf -dem Hut stecken und den dritten erst fragen wollte, wo -seiner noch mehr wären. Und säße ich bei dir, so wollte -ich dem Junker zur Bestätigung ein paar Tachteln -geben.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Ich vermein ein Paar so guter -Pistolen zu haben als du, wiewohl ich kein Reuter, -sondern nur ein Zwitter zwischen ihnen und den Musketierern -bin. Schau, so hab ich Kind ein Herz, mit -meiner Musketen allein einen solchen Prahler zu Pferd, -wie du einer bist, gegen all sein Gewehr im freien Feld -zu Fuß zu begegnen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p174" id="Seite_p174">[S. 174]</a></span> - -»Ach, du Kujon,« rief der andere, »ich halte dich -vor einen Schelmen, wann du nicht wie ein redlicher -von Adel alsbald deinen Worten eine Kraft gibst.«</p> - -<p>Hierauf warf ich ihm einen Handschuh zu.</p> - -<p>Wir zahleten den Wirt und der Reuter machte -Karabiner und Pistolen, ich aber meine Muskete fertig, -und da er mit seinen Kameraden vor uns an den bestimmten -Ort ritt, sagte er zu Spring-ins-Feld, er solle -mir allgemach das Grab bestellen. Ich lachte hingegen, -weil ich mich vorlängst besonnen hatte, wie ich einem -wohlmontierten Reuter begegnen müßte, wann ich einmal -zu Fuß mit meiner Musketen allein im weiten -Felde stünde.</p> - -<p>Da wir nun an den Ort kamen, wo der Betteltanz -angehen sollte, hatte ich meine Musketen bereits mit -zweien Kugeln geladen, frisch Zündkraut aufgerührt -und den Deckel auf der Zündpfanne mit Unschlitt verschmiert, -wie vorsichtige Musketierer zu tun pflegen, -wann sie Zündloch und Pulver auf der Pfanne vor -Regenwetter verwahren wollen.</p> - -<p>Eh wir nun aufeinander gingen, bedingten beiderseits -die Kameraden, daß wir uns im freien Felde angreifen -und zu solchem End der eine von Ost, der -andre von West in ein umzäuntes Feld eintreten sollten, -dann möge jeder sein Bestes gegen den andern tun. -Keiner von den Parteien sollte sich unterstehen, seinem -Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder Beschädigung -zu rächen.</p> - -<p>So gaben ich und mein Gegner einander die Hände -und verziehen je einer dem andern seinen Tod, unter -welcher allerunsinnigsten Torheit, die je ein vernünftiger -Mensch begehen kann, ein jeder hoffte seiner Gattung -Soldaten das <span class="antiqua">Prae</span> zu erhalten, gleichsam als ob des<span class="pagenum"><a name="Seite_p175" id="Seite_p175">[S. 175]</a></span> -einen oder andern Teil Ehre und Reputation an dem -Ausgang unseres trefflichen Beginnens gelegen gewesen -wäre.</p> - -<p>Ich trat mit doppelt brennender Lunte in angeregtes -Feld, stellte mich, als ob ich das alte Zündkraut im -Gang abschütte, ich täts aber nicht, sondern rührete -nur Zündpulver auf den Deckel meiner Pfannen, bließ -ab und paßte mit zween Fingern auf der Pfanne auf, -wie bräuchlich ist. Eh ich noch meinem Gegenteil, der -mich wohl im Gesicht hielt, das Weiße in Augen sehen -konnte, schlug ich auf ihn an und brannte mein falsch -Zündkraut auf dem Deckel vergeblich hinweg. Mein -Gegner vermeinte, die Muskete hätte mir versagt, und -das Zündloch wäre mir verstopft, sprengte dahero mit -einer Pistole in der Hand gar zu gierig <span class="antiqua">recte</span> auf mich -dar. Aber eh er sichs versah, hatte ich die Pfanne offen -und wieder angeschlagen, hieß ihn auch dergestalt willkommen, -daß Knall und Fall eins war.</p> - -<p>Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden, -die mich gleichsam küssend empfingen. Die seinigen entledigten -ihn aus den Steigbügeln und täten gegen ihn -und uns wie redliche Kerle, maßen sie mir auch meinen -Handschuh mit großem Lob wiederschickten.</p> - -<p>Aber da ich meine Ehre am größten zu sein schätzte, -kamen fünfundzwenzig Musketierer aus Rehnen, welche -mich und meine Kameraden gefangen nahmen. Ich -zwar ward alsbald in Ketten und Banden geschlossen -und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei -Leib- und Lebensstrafe verboten waren.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p176" id="Seite_p176">[S. 176]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch3_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Demnach unser General-Feldzeugmeister strenge -Kriegsdisziplin zu halten pflegte, besorgte ich, -meinen Kopf zu verlieren. Meine Hoffnung stund auf -dem großen Ruf und Namen meiner Tapferkeit, so -ich in blühender Jugend durch Wohlverhalten erworben, -doch war ich ungewiß, weil dergleichen tägliche Händel -erforderten ein <span class="antiqua">Exemplum</span> zu statuieren.</p> - -<p>Die Unsrigen hatten damals ein festes Rattennest berannt, -waren aber abgeschlagen, da der Feind wußte, -daß wir kein grob Geschütz führten. Derowegen ruckte -unser Graf von der Wahl mit dem ganzen <span class="antiqua">Corpo</span> vor -besagten Ort, begehrete durch einen Trompeter abermal -die Übergabe, drohete zu stürmen. Es erfolgte aber -nichts als ein Schreiben:</p> - -<p>»Hochwohlgeborener Graf etc. wissen dero hohen -Vernunft nach, wie übelanständig, ja unverantwortlich -es einem Soldaten fallen würde, wenn er einen so -festen Ort dem Gegenteil ohn sonderbare Not einhändigte. -Weswegen Eure Hochgräfliche Exzellenz mir -dann hoffentlich nicht verdenken werden, wann ich mich -befleißige zu verharren, bis die Waffen Eurer Exzellenz -dem Orte zugesprochen. Kann aber meine Wenigkeit -dero außerhalb Herrendiensten in ichtwas zu gehorsamen -die Gelegenheit haben, so werde ich sein Eurer -Exzellenz allerdienstwilligster Diener</p> - -<p class="right"> -N. N.« -</p> - -<p>Den Ort liegen zu lassen war nicht ratsam, zu stürmen -ohn eine Presse hätte viel Blut gekostet und wäre doch -noch mißlich gestanden, ob mans übermeistert hätte. -Die Stücke und alles Zugehör von Münster und Ham -herzuholen, da wäre viel Mühe, Zeit und Unkosten<span class="pagenum"><a name="Seite_p177" id="Seite_p177">[S. 177]</a></span> -darauf geloffen. Indem man bei Groß und Klein ratschlagte, -fiel mir ein, ich sollte mir diese Occasion zu -Nutz machen, um mich zu erledigen. Ich ließ meinen -Obrist-Leutenant wissen, daß ich Anschläge hätte, durch -welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen -wäre, wann ich nur Pardon erlangen und wieder auf -freien Fuß gestellt werden könnte. Da lachten etliche: -wer hangt, der langt! Andere, die mich kannten, auch -der Obrist-Leutenant selbst glaubten mir, weswegen er -sich in eigener Person an den General-Feldzeugmeister -wandte. Der hatte hiebevor auch vom Jäger gehöret, -ließ mich holen und solange meiner Bande entledigen. -Als er mich fragte, was mein Anbringen wäre, antwortete -ich:</p> - -<p>»Gnädiger Herr etc., obzwar mein Verbrechen und -Eurer Exzellenz rechtmäßig Gebot und Verbot mir -beide das Leben absprechen, so heißet mich doch meine -alleruntertänigste Treue, die ich dero römischen kaiserlichen -Majestät meinem allergnädigsten Herrn bis in -den Tod zu leisten schuldig bin, dem Feind einen Abbruch -zu tun und erstallerhöchst gedachter römischer -kaiserlicher Majestät Nutzen und Kriegswaffen zu befördern ...«</p> - -<p>Der Graf fiel mir in meine allerschönste Rede: »Hast -du mir nicht neulich den Mohren gebracht?«</p> - -<p>»Ja, gnädiger Herr.«</p> - -<p>»Wohl, dein Fleiß und Treue möchten vielleicht meritieren, -dir das Leben zu schenken. Was hast du aber -vor einen Anschlag?«</p> - -<p>»Weil der Ort vor grobem Geschütz nicht bestehen -kann, so hält meine Wenigkeit davor, der Feind werde -bald accordieren, wann er nur eigentlich glaubte, daß -wir Stücke bei uns haben.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p178" id="Seite_p178">[S. 178]</a></span> - -»Das hätte mir wohl ein Narr gesagt,« fiel der -Graf ein. »Wer wird sie aber überreden, solches zu -gläuben?«</p> - -<p>»Ihre eigenen Augen. Ich habe ihre hohe Wacht -mit meinem Perspektiv gesehen. Die kann man betrügen, -wann man nur etliche Holzblöcke, den Brunnenrohren -gleich, auf Wägen ladet, dieselben mit großem -Gespann in das Feld führet und hiebevor ein Stückfundament -aufwerfen lässet.«</p> - -<p>»Mein liebes Bürschchen, es seind keine Kinder darin. -Die werden die Stück auch hören wollen, und wann -der Posse dann nicht angeht, so werden wir von aller -Welt verspottet.«</p> - -<p>»Gnädiger Herr, ich will schon Stücke in ihre Ohren -lassen klingen, wann ich nur ein paar Doppelhacken -und ein ziemlich groß Faß haben kann. Sollte man -aber wider Verhoffen nur Spott daraus erlangen, so -werde ich, der Erfinder, denselben mit meinem Leben -aufheben.«</p> - -<p>Obzwar nun der Graf nicht dran wollte, so persuadierte -ihn jedoch mein Obrist-Leutenant dahin, daß -er sagte, ich sei in dergleichen Sachen glückselig. Der -Graf willigte endlich ein und meinte im Scherz zu ihm, -die Ehre so er damit erwürbe, sollte ihm allein zustehen.</p> - -<p>Also wurden drei Blöcke zuwegen gebracht und vor -jeden vierundzwenzig Pferde gespannt, die führeten wir -gegen Abend dem Feind ins Gesicht, dreien Doppelhacken -gab ich zweifache Ladung, die ließ ich durch ein -Stückfaß losgehen, gleich ob es drei Losungsschüsse -hätten sein sollen. Das donnerte dermaßen, daß jedermann -Stein und Bein geschworen hätte, es wären -Quartierschlangen oder halbe Kartaunen. Unser General-Feldzeugmeister<span class="pagenum"><a name="Seite_p179" id="Seite_p179">[S. 179]</a></span> -mußte der Gugelfuhre lachen und -ließ dem Feind abermals einen Accord anbieten mit -Anhang, wann sie sich nicht noch diesen Abend bequemen -würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so -gut werden sollte.</p> - -<p>Darauf wurden alsbald beiderseits Geißeln geschickt, -der Accord geschlossen und uns noch dieselbige Nacht -ein Tor der Stadt eingegeben. — Das kam mir trefflich -gut, dann der Graf schenkte mir nicht allein das -Leben und ließ mich noch selbige Nacht auf freien Fuß -stellen, sondern er befahl dem Obrist-Leutenant in meiner -Gegenwart, daß er mir das erste Fähnlein, so ledig -würde, geben sollte. Das kam dem Obrist-Leutenant -ungelegen, dann er hatte der Vettern und Schwäger -so viel.</p> - -<p>Ich fing an mich etwas reputierlicher zu halten als -zuvor, weil ich so stattliche Hoffnungen hatte, und gesellete -mich allgemach zu den Offizierern und jungen -Edelleuten, die eben auf dasjenige spanneten, was ich -in Bälde zu kriegen mir einbildete. Sie waren deswegen -meine ärgsten Feinde und stelleten sich doch als -meine besten Freunde gegen mich. So war mir der -Obrist-Leutenant nicht gar grün, weil er mich vor -seinen Verwandten hätte befördern sollen. Mein Hauptmann -war mir abhold, dann ich mich an Pferden, -Kleidern und Gewehr viel prächtiger hielt als er. Also -hassete mich auch mein Leutenant wegen eines einzigen -Wortes halber, das ich neulich unbedachtsam hatte laufen -lassen. Wir waren miteinander in der letzten Cavalcada -kommandiert, eine gleichsam verlorene Wacht zu halten. -Als nun die Schildwacht an mir war, kroch der Leutenant -auch auf dem Bauch zu mir und sagete: »Schildwacht, -merkst du was?« Ich antwortete: »Ja, Herr<span class="pagenum"><a name="Seite_p180" id="Seite_p180">[S. 180]</a></span> -Leutenant.« — »Was da! Was da!« sagte er. — »Ich -merke, daß sich der Herr förchtet.« Von dieser Zeit an -hatte ich keine Gunst mehr bei ihm, und wo es am -ungeheuersten war, ward ich zum ersten hinkommandiert. -Nicht weniger feindeten mich die Feldwaibel an, weil -ich ihnen allen vorgezogen ward. Was aber gemeine -Knechte waren, die fingen auch an in ihrer Liebe und -Freundschaft zu wanken, weil es das Ansehen hatte, -als ob ich sie verachte, indem ich mich nicht sonderlich -mehr zu ihnen, sondern zu den großen Hansen gesellete. -Ich lebte eben dahin wie ein Blinder in aller Sicherheit -und ward je länger, je hoffärtiger.</p> - -<p>Ich scheuete mich nicht einen Koller von sechzig -Reichstalern, rote scharlachene Hosen und weiße atlassene -Ärmel, überall mit Gold und Silber verbrämt, -zu tragen, welche Tracht damals den höchsten Offizierern -anstund. Ich war ein schröcklich junger Narr, daß -ich den Hasen so laufen ließ, dann hätte ich mich anders -gehalten und das Geld, das ich so unnützlich an -den Leib hing, an gehörige Ort und Ende verschmieret, -so hätte ich nicht allein das Fähnlein bald bekommen, -sondern mir auch nicht so viel zu Feinden gemacht.</p> - -<p>Nichts vexierte mich mehr, als daß ich mich nicht -als Edelmann wußte, damit ich meinen Knecht und -Jungen auch in meine Livrei hätte kleiden können. -Und ich gedachte, alle Dinge hätten ihren Anfang — -wann du ein Wappen hast, so hast du schon ein eigne -Livrei, und wann du Fähnrich wirst, so mußt du ja -ein Petschier haben, wannschon du kein Junker bist. -Ich ließ mir also durch einen <span class="antiqua">Comitem Palatinum</span> ein -Wappen geben. Das waren drei rote Larven in einem -weißen Feld und auf dem Helm das Brustbild eines -jungen Narren in kälbernem Habit mit ein Paar Eselsohren,<span class="pagenum"><a name="Seite_p181" id="Seite_p181">[S. 181]</a></span> -vorn mit Schellen gezieret. Und dünket mich -wahrlich schon jetzt keine Sau zu sein. So mich jemand -damit hätte foppen wollen, so wären ihm ohn Zweifel -Degen und ein Paar Pistolen präsentieret worden.</p> - -<p>Wiewohl ich damals noch nichts nach dem Weibervolk -fragte, so ging ich doch gleichwohl mit denen von -Adel, wann sie irgends Jungfern besuchten, mich sehen -zu lassen und mit meinen schönen Haaren, Kleidern -und Federbüschen zu prangen. Ich muß gestehen, daß -ich andern vorgezogen wurde, aber auch, daß verwöhnte -Schleppsäcke mich einem wohlgeschnitzten hölzernen Bild -verglichen, an welchem außer der Schönheit sonst weder -Kraft noch Saft wäre. Ich sagte, so man mich der -holzböckischen Art und Ungeschicklichkeit halber anstach, -daß mirs genug sei, wann ich noch zur Zeit meine -Freude an einem blanken Degen und einer guten Muskete -hätte. Die Frauenzimmer billigten auch solche Reden, -da keiner war, der das Herz hatte, mich heraus zu fordern -oder Ursach zu ein Paar Ohrfeigen oder sonst -ziemlich empfindlichen Worten zu geben, zu denen ich -mich bereit zeigte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p182" id="Seite_p182">[S. 182]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_sechste_Kapitel" id="Buch3_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Wann ich so durch die Gassen daherprangete und -mein Pferd unter mir tanzte, da sagte das alberne -Volk wohl: »Sehet, das ist der Jäger! Min God, -wat vor en prave Kerl is nu dat!« Ich spitzte die -Ohren gewaltig und ließ mirs gar sanft tun. Aber ich -Narr hörete meine Mißgönner nicht, die mir ohn -Zweifel wünschten, daß ich Hals und Bein bräche. Verständige -Leute hielten mich gewißlich vor einen jungen -Lappen, dessen Hoffart notwendig nicht lang dauern -würde.</p> - -<p>Meine Gewohnheit war, herum zu terminieren und -alle Wege und Stege, alle Gräben, Moräste, Büsche -und Wasser zu bereiten, um vor eine künftige Occasion -des Orts Gelegenheit so offensive als defensive zu Nutz -machen zu können. Einst ritt ich unweit der Stadt bei -einem alten Gemäuer vorüber, darauf vor Zeiten ein -Haus gestanden. Ich drang mit meinem Pferd in den -Hof ein, zu sehen, ob man sich auch auf den Notfall -zu Pferd darin salvieren könne. Als ich nun bei dem -Keller, dessen Gemäuer noch rund umher aufrecht stund, -vorüberreiten wollte, war mein Pferd, das sonst im -geringsten nichts scheute, weder mit Liebe noch Leid -dahin zu bringen. Ich stieg ab und führete es an der -Hand die verfallene Kellersteigen hinunter, wovor es -doch scheuete, damit ich mich ein andermal darnach -richten könnte. Mit guten Worten und Streichen brachte -ich es endlich so weit, indem ward ich gewahr, daß -es vor Angst schwitzte und die Augen stets nach der -Ecke des Kellers richtete, dahin es am allerwenigsten -wollte, ob ich auch gleich nichts gewahrete. Ich stund<span class="pagenum"><a name="Seite_p183" id="Seite_p183">[S. 183]</a></span> -mit Verwunderung, und wie mein Pferd je länger, desto -ärger zitterte, da kam mich ein solches Grausen an, -als ob man mich bei den Haaren aufzöge und einen -Kübel voll kalt Wasser über mich abgösse. Mein Pferd -stellete sich immer seltsamer, doch konnte ich nichts -sehen, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte, -als ich müßte vielleicht mitsamt dem Pferd verzaubert -sein. Derowegen wollte ich wieder zurück, aber mein -Pferd folgte mir nicht. Dahero ward ich noch ängstlicher -und so verwirrt, daß ich schier nicht wußte, was -ich tät. Zuletzt nahm ich meine Pistole auf den Arm -und band mein Pferd an eine Holderstockwurzel, der -Meinung, aus dem Keller zu gehen und Leute zu suchen, -die meinem Pferde heraushülfen. Indem fällt mir ein, -ob nicht in dem Gemäuer vielleicht ein Schatz läge, -dahero es so ungeheuer sein möchte. Ich sehe mich um, -sonderlich nach der Ecke, dahin mein Pferd nicht wollte, -und ward eines Stückes im Gemäuer gewahr, so groß -als ein gemeiner Kammerladen, welches in Farbe und -Arbeit dem andern Gemäuer nicht allerdings glich. Ich -wollte hinzugehen, da sträubten sich alle meine Haare -gen Berg und das bestärket mich in der Meinung, daß -ein Schatz verborgen sein müsse.</p> - -<p>Hundertmal lieber hätte ich Kugel gewechselt, als -mich in solcher Angst befunden. Ich ward gequält und -wußte doch nicht recht von wem, dann ich sahe oder -hörte nichts. Ich wollte durchbrennen, vermochte aber die -Stiegen nicht hinauf zu kommen, weil mich eine starke -Luft aufhielt. Da lief mir die Katze wohl den Buckel -hinauf! Zuletzt fiel mir ein, ich sollte meine Pistole lösen, -damit mir die Bauren im Feld zuliefen. Ich war so -erzörnt oder viel mehr desperat, da ich sonst kein Mittel -noch Hoffnung sahe, aus diesen ungeheuern Wunderort<span class="pagenum"><a name="Seite_p184" id="Seite_p184">[S. 184]</a></span> -zu kommen, daß ich mich gegen den Ort kehrete, wo -ich die Ursache meiner seltsamen Begegnus vermeinete, -und traf obgemeldtes Gemäuerstück mit zweien Kugeln -so hart, daß es ein Loch gab, zwo Fäuste groß.</p> - -<p>Als der Schuß geschehen, wieherte mein Pferd und -spitzte die Ohren, was mich herzlich erquickte. Ich faßte -einen frischen Mut und ging ohn Forcht zu dem Loch, -da brach die Maur vollends ein. Ich fand einen reichen -Schatz an Silber, Gold und Edelsteinen. Es waren aber -sechs Dutzend altfränkische silberne Tischbecher, ein großer -göldner Pokal, etliche Duplet, eine altfränkische göldene -Kette, unterschiedliche Diamanten, Rubine, Saphire und -Smaragde, alles in Ringe und Kleinodien gefasset, <span class="antiqua">item</span> -ein ganz Lädlein voll großer Perlen, aber alle verdorben -und abgestanden, dann ein verschimmelter lederener -Sack mit achtzig von den ältesten Joachimsthalern aus -feinem Silber, sodann 893 Goldstücke mit dem französischen -Wappen und einem Adler. Dieses Geld, die Ringe -und Kleinodien steckte ich in meine Hosensäcke, Stiefeln, -Hosen und Pistolenhalftern und, weil ich keinen Sack -bei mir hatte, schnitt ich meine Schabracke vom Sattel -und füllete sie zwischen Zeug und Futter mit Silber- -und Goldbechern, hing die gölden Kette um den Hals, -saß fröhlich zu Pferd und wandte mich meinem Quartier -zu. Wie ich aber aus dem Hof kam, rissen zween -Bauren vor mir eilends aus, ich ereilete sie leichtlich, -weil ich sechs Füße und ein eben Feld hatte und rief sie -an. Da erzählten sie mir, daß sie vermeinet hätten, ich -wäre das Gespenst, das in gegenwärtigem, ödem Edelhof -wohne und Leute, die zu nahe kämen, elendiglich zu -traktieren pflege. Aus Furcht vor dem Ungeheuer käme -oft in vielen Jahren kein Mensch an diesen Ort. Die -gemeine Sage ginge im Land, es wäre ein eiserner Trog<span class="pagenum"><a name="Seite_p185" id="Seite_p185">[S. 185]</a></span> -voller Geldes darin, den ein schwarzer Hund hüte zusamt -einer verfluchten Jungfer. Sollte aber ein fremder -Edelmann, der weder seinen Vater noch seine Mutter -kenne, ins Land kommen, so werde er die Jungfer erlösen, -den eisernen Trog mit einem feurigen Schlüssel -aufschließen und das verborgene Geld davonbringen. -Derlei alberne Fabeln erzählten sie mir noch viel. Ich -fragte, was sie dann beide da gewollt hätten. Sie sagten, -sie hätten einen Schuß samt einem lauten Schrei gehöret, -da seien sie zugeloffen. Sie wollten viel Dings von mir -wissen, und ich hätte ihnen sattsam Bären aufbinden -können, aber ich konnte schweigen und ritt meines Wegs -in mein Quartier. —</p> - -<p>Diejenigen, die wissen, was Geld ist, und dahero solches -vor ihren Gott halten, haben dessen nicht geringe Ursach, -dann ist jemand in der Welt, der des Geldes Kräfte -und beinahe göttliche Tugenden erfahren hat, so bin es -ich: Ich weiß wie einem zu Mut ist, der einen ziemlichen -Vorrat hat, und wie der gesinnet sei, der keinen -einzigen Heller vermag. Kräftiger als alles Edelgestein -ist Geld, dann es vertreibet die Melancholei wie der -Diamant, es machet Lust und Beliebung zu den <span class="antiqua">Studiis</span> -wie der Smaragd, darum werden gemeiniglich mehr -reicher als armer Leute Kinder Studenten; es nimmt -hinweg Forchtsamkeit, machet den Menschen fröhlich -und glückselig wie der Rubin; oft ist es dem Schlafe -hinderlich, wie die Granate; hingegen hat es auch eine -große Kraft, die Ruhe und den Schlaf zu befördern, -wie der Hyazinth; es stärket das Herz und machet den -Menschen freudig, sittsam, frisch und mild wie der Saphir -und Amethyst; es vertreibet böse Träume, machet -fröhlich, schärfet den Verstand und so man mit jemand -zanket, machet es, daß man sieget wie der Sardonyx,<span class="pagenum"><a name="Seite_p186" id="Seite_p186">[S. 186]</a></span> -vornehmlich wann man den Richter brav damit schmieret; -es löschet die geile Begierden, weil man schöne -Weiber um Geld kriegen kann. In Kürze, es ist nicht -auszusprechen, was das liebe Geld vermag, wann man -es nur richtig brauchen und anzulegen weiß.</p> - -<p>Das meinige war seltsamer Natur, es machte mich -hoffärtiger, es hinderte mir den Schlaf, es machte mich -zu einem bekümmerten Rechenmeister, es machte mich -geizig.</p> - -<p>Einmal kam mirs in Sinn, ich sollte den Krieg quittieren, -mich irgends hinsetzen und mit einem schmutzigen -Maul zum Fenster aussehen, dann gereuete mich aber -wieder mein freies Soldatenleben und die Hoffnung, ein -großer Hans zu werden. Oder verwünschete ich wiederum -mein unvollkommen Alter und ich sagte zu mir -selber, dann so nähmest du eine schöne, junge, reiche -Frau und kauftest du irgendeinen adeligen Sitz und -führtest ein geruhiges Leben. Allein ich war noch viel -zu jung.</p> - -<p>Damals hatte ich meinen Jupiter noch bei mir, der -redete zu Zeiten sehr subtil und war etliche Wochen gar -klug, hatte mich auch über alle Maßen lieb. Er warnete -mich: »Liebster Sohn, schenkt euer Schindgeld, -Gold und Silber hinweg!«</p> - -<p>»Warum, mein lieber Jove?«</p> - -<p>»Darum, damit Ihr Euch Freunde dadurch machet -und Eurer unnützen Sorgen los werdet. Lasset die Schabhälse -geizig sein. Haltet Euch, wie es einem jungen, wackeren -Kerl zustehet!«</p> - -<p>Ich dachte der Sache nach. Zuletzt verehrete ich dem -Kommandanten ein paar silberner und vergöldter Duplet, -meinem Hauptmann ein paar silberner Salzfässer, -aber es wurde ihnen das Maul nach dem Übrigen nur<span class="pagenum"><a name="Seite_p187" id="Seite_p187">[S. 187]</a></span> -wässeriger, weil es rare Antiquitäten waren. Meinem -getreuen Spring-ins-Feld schenkte ich zwölf Reichstaler. -Auch er riet mir, ich solle meinen Reichtum von mir -tun, dann die Offizierer sähen nicht gern, daß der gemeine -Mann mehr Geld hätte als sie. Auch wären etlich -um Geldes halber heimlich ermordet worden. Es ginge -um im ganzen Läger, und jeder mache den gefundenen -Schatz größer, als er an sich selbst sei, er müsse oft hören, -was unter den Burschen vor ein Gemürmel gehe. Er -ließe Krieg Krieg sein, und setzte sich irgendwo in -Sicherheit.</p> - -<p>Ich sagte zu ihm: »Höre, Bruder, wie kann ich die -Hoffnung auf mein Fähnlein so leicht in den Wind -schlagen!«</p> - -<p>»Hol mich dieser und jener, wann du ein Fähnlein bekommst. -So die andern sehen, daß ein Fähnlein ledig, -möchten sie tausendmal eh dir den Hals brechen helfen. -Lerne mich nur keine Karpfen kennen, mein Vater war -ein Fischer!«</p> - -<p>Ich erwog diese und meines Jupiters Reden und bedachte, -daß ich keinen einzigen angeborenen Freund hätte, -der sich meiner in Nöten annehmen, oder meinen Tod -rächen würde. — Indem sich nun eben eine Gelegenheit -präsentierte, daß ich mit hundert Dragonern, etlichen -Kaufleuten und Güterwägen von Münster nach -Köln convoieren mußte, packte ich meinen Schatz zusammen -und übergab ihn einen von den vornehmsten -Kaufleuten zu Köln gegen spezifizierte Handschrift aufzuheben. -Meinen Jupiter brachte ich auch dahin, weil -er in Köln ansehnliche Verwandte hatte, gegen die er -meine Guttaten rühmete, daß sie mir viel Ehre erwiesen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p188" id="Seite_p188">[S. 188]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_siebente_Kapitel" id="Buch3_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Auf dem Zurückweg machte ich mir allerhand Gedanken, -wie ich mich ins Künftige halten wollte, -damit ich doch jedermanns Gunst erlangen möchte, dann -Spring-ins-Feld hatte mir einen Floh ins Ohr gesetzt -und mich zu glauben persuadieret, als ob mich jedermann -neide. Ich verwunderte mich, daß alle Welt so -falsch sei, mir lauter gute Wort gebe und mich doch -nicht liebe. Derowegen gedachte ich mich anzustellen wie -die andern und zu reden, was jedem gefiele, auch jedem -mit Ehrerbietung zu begegnen, obschon es mir nicht -ums Herz wäre. Vornehmlich aber merkte ich klar, daß -meine eigene Hoffart mich mit den meisten Feinden beladen -hatte, deswegen wollte ich mich fürder demütig -stellen, obschon ichs nicht sei, mit den gemeinen Kerlen -wieder unten und oben liegen, vor den Höheren aber -den Hut in Händen tragen, mich der Kleiderpracht enthalten, -bis ich etwan meinen Stand änderte. Ich hatte -mir von meinem Kaufmann in Köln hundert Taler -geben lassen, dieselben gedachte ich unterwegs dem <span class="antiqua">Convoi</span> -halb zu verspendieren. Solcher Gestalt war ich entschlossen, -mich zu ändern und auf diesem Weg schon -den Anfang zu machen. Ich machte aber die Zeche ohn -dem Wirt.</p> - -<p>Da wir durch das bergische Land passieren wollten, -lauerten uns an einem sehr vortelhaften Ort 80 Feuerröhrer -und 50 Reuter auf, eben als ich selbfünft mit einem -Korporal geschickt ward voran zu reuten. Der Feind -hielt sich still, als wir in seinen Halt kamen, ließ uns -auch passieren, damit der <span class="antiqua">Convoi</span> nicht gewarnet würde, -bis er auch in die Enge käme. Da wir den Hinterhalt<span class="pagenum"><a name="Seite_p189" id="Seite_p189">[S. 189]</a></span> -merkten und umkehrten, gingen sie beiderseits los und -fragten, ob wir Quartier wollten. Ich hatte mein bestes -Roß unter mir, schwang mich herum auf eine kleine -Ebene, zu sehen, ob da Ehre einzulegen sei, indessen -hörete ich stracks an der Salve, welche die Unsrigen -empfingen, was die Glocke geschlagen, trachtete derowegen -nach der Flucht, aber ein Kornet hatte uns den -Paß abgeschnitten. Indem ich mich durchhauen wollte, -bot er mir, weil er mich vor einen Offizier ansahe, -nochmals Quartier an, und ich besann mich, das Leben -davon zu bringen.</p> - -<p>Also präsentierte ich ihm den Degen. Er fragte mich, -was ich vor einer sei, er sehe mich vor einen Edelmann -und Offizier an. Da ich ihm antwortete, ich werde der -Jäger von Soest genannt, sagte er: »Da hat Er gut -Glück, daß Er uns nicht vor vier Wochen in die Hände -geraten, dann zur selben Zeit hätte ich Ihm kein Quartier -halten können, dieweil man Ihn bei uns vor einen -offentlichen Zauberer gehalten hat.«</p> - -<p>Dieser Kornet war ein tapferer, junger Kavalier, es -freuete ihn trefflich, daß er die Ehre hatte, den berühmten -Jäger gefangen zu haben, deswegen hielt er mir -das versprochene Quartier sehr ehrlich und auf holländisch, -deren Brauch ist, den gefangenen Feinden von -dem, was der Gürtel beschleußt, nichts zu nehmen. Da -es an ein Parten ging, sagete ich ihm heimlich, er sollte -sehen, daß ihm mein Pferd, Sattel und Zeug zuteil -würde, dann im Sattel dreißig Dukaten seien und das -Pferd ohndas seinesgleichen schwerlich hätte. Davon -ward mir der Kornet so hold, als ob ich sein leiblicher -Bruder wäre, er saß auch gleich auf mein Pferd und -ließ mich auf dem seinigen reuten.</p> - -<p>Schweden und Hessen gingen noch am selbigen Abend<span class="pagenum"><a name="Seite_p190" id="Seite_p190">[S. 190]</a></span> -in ihre unterschiedlichen Guarnisonen mit ihrer Beute -und den Gefangenen. Mich und den Korporal samt -noch dreien Dragonern behielt der Kornet und führet -uns in eine Festung, die nicht gar zwei Meilen von unserer -Guarnison lag. Und weil ich hiebevor demselben -Ort viel Dampfs angetan, war mein Name daselbst wohl -bekannt, ich selber aber mehr geförcht als geliebt. Der -Kornet schickte einen Reuter voran, dem Kommandanten -zu verkünden, wie es abgeloffen und wen er gefangen -brächte. Davon gab es ein Geläuf in der Stadt, -das nit auszusagen, weil jeder den Jäger gern sehen -wollte, und war nicht anders anzusehen, als ob ein -großer Potentat seinen Einzug gehalten hätte.</p> - -<p>Wir wurden zum Gewaltiger geführt, doch ward es -dem Kornet erlaubt, uns zu gastieren, weil ich hiebevor -meinen Gefangenen, darunter sich des Kornets Bruder -befunden, auch solcher Gestalt diskret begegnet war. Da -nun der Abend kam, fanden sich unterschiedlich Offizierer, -sowohl Soldaten von Fortun, als geborenen -Kavaliers ein, und ich ward, die Wahrheit zu bekennen, -von ihnen überaus höflich traktiert. Ich machte mich -so lustig, als ob ich nichts verloren gehabt, und ließ -mich so vertreulich und offenherzig vernehmen, als ob -ich nicht in Feindeshand, sondern bei meinen besten -Freunden wäre. Dabei beflisse ich mich der Bescheidenheit, -dann ich konnte mir leicht einbilden, daß dem Kommandanten -mein Verhalten notifiziert würde.</p> - -<p>Den andern Tag wurden wir Gefangenen von dem -Regimentsschulzen examiniert. Sobald ich in den Saal -trat, verwunderte er sich über meine Jugend und sagte: -»Mein Kind, was hat dir der Schwede getan, daß du -wider ihn kriegest?«</p> - -<p>Das verdroß mich, antwortete derhalben: »Die<span class="pagenum"><a name="Seite_p191" id="Seite_p191">[S. 191]</a></span> -schwedischen Krieger haben mir meine Schnellküglein -und mein Steckenpferd genommen, die wollte ich gern -wieder haben.«</p> - -<p>Da ich ihn so bezahlete, schämten sich seine beisitzenden -Offizierer, maßen einer auf Latein sagte, er -solle von ernstlichen Sachen mit mir reden, er hätte -kein Kind vor sich, und ich merkte dabei, daß er -Eusebius hieße. Darauf fragte er mich nach meinem -Namen, und als ich ihn genannt, sagte er: »Es ist kein -Teufel in der Hölle, der <span class="antiqua">Simplicissimus</span> heißet.«</p> - -<p>Ich antwortete, so sei auch vermutlich keiner in der -Höllen, der Eusebius hieße, was aber von den Offizierern -nicht am besten aufgenommen ward, dann sie -erinnerten mich, daß ich ihr Gefangener sei und nicht -scherzenshalber wäre hergeholet worden.</p> - -<p>Ich ward dieses Verweises wegen darum nicht rot, -bat auch nicht um Verzeihung, sondern gab zurück, -weil sie mich vor einen Soldaten gefangen hielten und -nicht vor ein Kind wieder laufen lassen würden, so -hätte ich mich nicht versehen, als ein Kind gefoppt zu -werden. Wie man mich gefraget, so hätte ich geantwortet.</p> - -<p>Darauf ward ich um mein Vaterland, Herkommen, -Geburt examiniert, vornehmlich aber ob ich auf -schwedischer Seite gedienet hätte, <span class="antiqua">item</span> wie es in -Soest beschaffen. Ich antwortete auf alles behend, -wegen Soest und selbiger Guarnison aber soviel, als -ich zu verantworten getrauet.</p> - -<p>Indessen erfuhr man zu Soest, wie es mit dem <span class="antiqua">Convoi</span> -abgeloffen, derhalben kam gleich am andern Tag ein -Trommelschläger, uns abzuholen. Dem wurden der -Korporal und die andern drei ausgefolgt und ein -Schreiben mitgegeben, das mir der Kommandant zu -lesen überschickte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p192" id="Seite_p192">[S. 192]</a></span> - -»Monsieur etc. Auf Ihr Schreiben schicke ich gegen -empfangene Ranzion den Korporal samt den übrigen -drei Gefangenen. Was aber <span class="antiqua">Simplicium</span>, den Jäger, -anbelanget, kann selbiger, weil er hiebevor auf dieser -Seite gedienet, nicht hinübergelassen werden. — Kann -ich aber dem Herren im übrigen außerhalb Herrenpflichten -in etwas bedienet sein, so hat derselbe in mir -einen willigen Diener, als der ich soweit bin und verbleibe -dem Herren dienstwilliger</p> - -<p class="right"> -<span class="antiqua">N. de S. A.</span>«<br /> -</p> - -<p>Dieses Schreiben gefiel mir nicht halb und ich mußte -mich doch für die Mitteilung bedanken. Ich begehrete -mit dem Kommandanten zu reden, bekam aber zur -Antwort, daß er schon selbst nach mir schicken würde.</p> - -<p>Das geschahe und mir widerfuhr das erste Mal die -Ehre, an seiner Tafel zu sitzen. Solang man aß, ließ -er mir mit dem Trunk zusprechen, gedachte aber weder -klein noch groß von demjenigen, was er mit mir vorhatte. -Demnach man abgegessen und nur ein ziemlicher -Dummel aufgehängt war, sagte er: »Lieber Jäger, Ihr -habet aus meinem Schreiben verstanden, unter was -vor ein <span class="antiqua">Prätext</span> ich Euch hier behalte. Ich habe nichts -vor, das wider <span class="antiqua">Raison</span> oder Kriegsbrauch wäre. Ihr -habet selbst gestanden, daß Ihr hiebevor auf unserer -Seite bei der Hauptarmee gedienet, werdet Euch derhalben -resolvieren müssen, unter meinem Regiment -Dienst zu nehmen. So will ich Euch mit der Zeit dergestalt -accommodieren, dergleichen Ihr bei der kaiserlichen -Armee nimmer hättet hoffen dörfen. Widrigen -Falls ich Euch wieder demjenigen Obrist-Leutenant -überschicke, welchen Euch die kaiserlichen Dragoner abgefangen -haben.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Hochgeehrter Herr Obrister (dann<span class="pagenum"><a name="Seite_p193" id="Seite_p193">[S. 193]</a></span> -damals war noch nicht Brauch, daß man Soldaten -von Fortun »Ihr Gnaden« titulierte) ich hoffe, weil ich -weder der Krone Schweden noch deren Konföderierten, -viel weniger dem Obrist-Leutenant niemalen mit Eid -verpflichtet, sondern nur ein Pferdejung gewesen, daß -dannenhero ich nicht verbunden sei, schwedische Dienste -anzunehmen und dadurch den Eid zu brechen, den ich -dem römischen Kaiser geschworen, derowegen ich hochgeboren -Herrn Obristen allergehorsamst bitte, er beliebe -mich dieser Zumutung zu überheben.«</p> - -<p>»Was, verachtet Ihr dann schwedische Dienste? Eh' -ich Euch wieder nach Soest lasse, dem Gegenteil zu -dienen, eh' will ich Euch einen andern Proceß weisen -oder im Gefängnus verderben lassen.«</p> - -<p>Ich erschrak zwar über diese Worte, gab mich aber -doch nicht, sondern antwortete: Gott wolle mich vor -solcher Verachtung sowohl als vor dem Meineid behüten. -Im übrigen stünde ich in untertäniger Hoffnung, -der Herr Obrist würde mich seiner weitgerühmten <span class="antiqua">Discretion</span> -nach, wie einen Soldaten traktieren.</p> - -<p>»Ja,« sagte er, »ich wüßte wohl, wie ich Euch traktieren -könnte. Aber bedenkt Euch besser.«</p> - -<p>Darauf ward ich wieder ins Stockhaus geführet und -jedermann kann unschwer erachten, daß ich dieselbige -Nacht nicht viel geschlafen.</p> - -<p>Den Morgen aber kamen etliche Offizierer mit dem -Kornet unter Schein, mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit -aber mir weis zu machen, als ob der Obrist gesinnet -wäre, mir als einem Zauberer den Proceß machen -zu lassen, sofern ich mich nicht anders bequemen würde. -Wollten mich also erschröcken und sehen, was hinter -mir stecke, weil ich mich aber meines guten Gewissens -getröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an und redete<span class="pagenum"><a name="Seite_p194" id="Seite_p194">[S. 194]</a></span> -nicht viel. Ich merkte wohl, daß es dem Obristen um -nichts andres zu tun war, als daß er mich ungern in -Soest sahe. Er konnte sich leicht einbilden, daß ich den -Ort wohl nicht verlassen würde, weil ich meine Beförderung -dort erhoffte, zwei schöne Pferde und sonst -köstliche Sachen allda hatte.</p> - -<p>Den folgenden Tag ließ er mich wieder zu sich kommen, -und fragte, ob ich mich auf ein und anders resolviert -hätte.</p> - -<p>Ich antwortete: »Dies Herr Obrister, ist mein Entschluß, -daß ich eh' sterben, als meineidig werden will. -Wann aber mein hochgeboren Herr Obrister mich auf -freien Fuß zu stellen und mit keinen Kriegsdiensten zu -belegen belieben wird, so will ich dem Herrn Obristen -mit Herz, Mund und Hand versprechen, in sechs Monaten -keine Waffen wider Schwed- und Hessische zu -tragen.«</p> - -<p>Solches ließ er sich stracks gefallen, bot mir die Hand -und schenkte mir zugleich die Ranzion, befahl auch dem -<span class="antiqua">Secretär</span>, daß er einen Revers <span class="antiqua">in duplo</span> aufsetze, den -wir beide unterschrieben. Ich reversierte neben obigem -Punkte, nichts Nachteiliges wider die Guarnison und -ihren Kommandanten praktizieren noch etwas zu Nachteil -und Schaden zu unternehmen, sondern deren Nutzen -und Frommen zu fördern und dieselbe defendieren zu -helfen.</p> - -<p>Hierauf behielt er mich wieder bei dem Mittagsimbiß -und tät mir mehr Ehre an, als ich von den -Kaiserlichen mein Lebtag hätte hoffen dörfen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p195" id="Seite_p195">[S. 195]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_achte_Kapitel" id="Buch3_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich hatte in Soest einen Knecht, der war mir über -alle Maßen getreu, weil ich ihm viel Gutes tät. -Dahero sattelte er meine Pferde und ritt dem Trommelschlager, -der mich abholen sollte, ein gut Stück Weges -von Soest entgegen. Er begegnete ihm mit den Gefangenen -und hatte mein bestes Kleid aufgepackt, dann -er vermeinete, ich wäre ausgezogen worden. Da er mich -aber nicht sahe, sondern vernahm, daß ich bei dem -Gegenteil Dienste anzunehmen aufgehalten werde, gab -er den Pferden die Sporen und sagte: »Adieu Tampour -und Ihr, Korporal, wo mein Herr ist, da will ich auch -sein.«</p> - -<p>Ging also durch und kam zu mir, eben als mich der -Kommandant ledig gesprochen hatte und mir große -Ehre antät. Der priese mich glücklich, wegen meines -Knechtes Treue, verwunderte sich auch, daß ein so -junger Kerl wie ich, so schöne Pferde vermögen und -so wohl montiert sein sollte. Lobte auch das eine Pferd -so trefflich, daß ich gleich merkte, er hätte mirs gerne -abgekauft. Weil er es mir aber aus <span class="antiqua">Discretion</span> nicht -feil machte, sagte ich, wann ich die Ehre begehren -dörfte, daß ers von meinetwegen behalten wollte, so -stünde es zu seinen Diensten. Er schlugs aber rund ab, -dieweil ich einen ziemlichen Rausch hatte, und er die -Nachrede scheute, daß er einem Trunkenen etwas abgeschwätzt, -so dem vielleicht nüchtern reuen möchte, also -daß er des edlen Pferdes gern gemangelt.</p> - -<p>Des Morgens frühe anatomierte ich meinen Sattel -und ließ mein bestes Pferd vor des Obristen Quartier -bringen. Ich sagte ihm, er wolle belieben gegenwärtigen<span class="pagenum"><a name="Seite_p196" id="Seite_p196">[S. 196]</a></span> -Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen zu gönnen, -indem mir mein Pferd allhier nichts nütz, und -solches von mir als Zeichen dankbarer Erkanntnus vor -empfangene Gnaden unschwer annehmen. Der Obrister -bedankte sich mit großer Höflichkeit und sehr courtoisen -Offerten, schickte mir auch denselbigen Nachmittag seinen -Hofmeister mit einem gemästeten lebendigen Ochsen, -zwei fetten Schweinen, einer Tonne Wein, vier Tonnen -Bier, zwölf Fuder Brennholz, welches er mir vor mein -neu Losament, das mir mein Knecht erkundet und ich -auf ein Halbjahr bestellet hatte, bringen und sagen ließ, -weil er sich leicht einbilden könnte, es sei im Anfang -vor mich mit Viktualien schlecht bestellet, so schicke er -mir zur Haussteuer eben einen Trunk, ein Stück Fleisch -mitsamt dem Kochholz. Ich bedankte mich so höflich als -ich konnte, verehrete dem Hofmeister zwo Dukaten und -bat ihn, mich seinem Herrn bestens zu rekommendieren.</p> - -<p>Ich gedachte mir aber auch durch meinen Knecht bei -dem gemeinen Mann ein gutes Lob zu machen, damit -man mich vor keinen kahlen Bernheuter hielte. Ließ -derowegen in Gegenwart meines Hauswirtes meinen -Knecht vor mich kommen, zu demselben sagte ich:</p> - -<p>»Lieber Niklas, du hast mir mehr Treue erwiesen, -als ein Herr seinem Knecht zumuten darf, nun aber, -da ich selbst keinen Herren habe, daß ich etwas erobern -könnte, dich zu belohnen, so gedenke ich keinen Knecht -mehr zu halten. Ich gebe dir hiemit vor deinen Lohn -das andere Pferd, samt Sattel-Zeug und Pistolen, mit -Bitte, du wollest damit vorlieb nehmen und dir vor -diesmal einen andern Herren suchen. Kann ich dir ins -Künftige in etwas bedienet sein, so magst du jederzeit -mich darum ersuchen.«</p> - -<p>Hierauf küßte er mir die Hände und konnte vor<span class="pagenum"><a name="Seite_p197" id="Seite_p197">[S. 197]</a></span> -Weinen schier nicht reden, wollte auch durchaus das -Pferd nicht haben bis ich ihm versprochen, ihn wieder -in Dienst zu nehmen, sobald ich jemand brauche.</p> - -<p>Über diesem Abschied ward mein Hausvater so mitleidig, -daß ihm auch die Augen übergingen. Und gleichwie -mich mein Knecht bei der Soldateska, so erhub -mich der Hausvater bei der Bürgerschaft mit großem -Lob über alle schwangere Bauren. Der Kommandant -aber hielt mich vor einen resoluten Kerl, daß er auch -getraute Schlösser auf meine Parole zu bauen.</p> - -<p>Ich glaube es ist kein Mensch in der Welt, der nicht -einen Hasen im Busen habe, dann wir sind ja alle -einerlei Gemächts und ich kann bei meinen Birnen wohl -merken, wann andere zeitig sein. »Hui, Geck,« möcht -mir da einer antworten, »wann du ein Narr bist, -meinest du darum andre seien es auch?« — »Nein, das -sage ich nicht, dann es wäre zuviel geredt, aber dies -halte ich davor, daß einer den Narren besser verbirgt -als der ander.« Es ist einer darum kein Narr, wann -schon er närrische Einfälle hat, dann wir haben in der -Jugend gemeiniglich alle dergleichen. Welcher aber seinen -Narren hinausläßt, wird vor einen gehalten, weil teils -etliche ihn gar nicht andere aber nur halb sehen lassen. -Welche den ihren gar unterdrücken sein rechte Saurtöpfe. -Ich halte vor die besten und verständigsten Leute, -die den Ihren nach Zeit und Gelegenheit bisweilen ein -wenig mit den Ohren fürragen und Atem schöpfen -lassen, damit er nicht gar bei ihnen ersticke. Den Meinen -ließ ich mir zu weit heraus, da ich mich in einem so -freien Stand sahe, maßen ich einen Jungen annahm, -den ich als Edelpagen kleidete, und zwar in die Farben -Veigelbraun und Gelb. Derselbe mußte mir aufwarten, -als wann ich ein Freiherr wäre.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p198" id="Seite_p198">[S. 198]</a></span> - -Dies war die erste Torheit, die ich in der Stadt beging, -sie ward aber von niemand getadelt. Die Welt ist -der Narreteien so voll, daß sie keiner mehr achtet, noch -selbige verlacht oder sich darüber verwundert; sie ist -deren gewohnt.</p> - -<p>Ich dingte mich und meinen Jungen bei meinem -Hausvater in die Kost und gab ihm an Bezahlung -auf Abschlag, was mir der Kommandant verehret hatte. -Zum Getränk aber mußte mein Jung den Schlüssel -haben, weil ich denen, die mich besuchten, gern davon -mitteilete. Sintemalen ich weder Bürger noch Soldat -war, hielt ich mich zu beiden Teilen und bekam dahero -Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließ.</p> - -<p>Der Stadtorganist, zu dem ich Kundschaft erhielt, -lehrete mich, wie ich komponieren sollte, <span class="antiqua">item</span> auf dem -Instrument besser schlagen, als auch auf der Harfe; -ohn das war ich auf der Lauten ein Meister. Wann -ich dann satt hatte am Musicieren, ließ ich meinen -Kürschner kommen, der mich im Paradeis in allen -Gewehren unterwiesen, mit dem exerzierte ich mich, -um noch perfecter zu werden. So erlangete ich auch -beim Kommandanten, daß er mich von einem Constablen -die Büchsenmeisterkunst und etwas mit dem -Feuerwerk umzugehen lernte. Im übrigen hielt ich mich -sehr still, also daß sich die Leute verwunderten, weil -ich auch viel über den Büchern saß wie ein Student, -da ich doch Raubens und Blutvergießens gewohnt gewesen.</p> - -<p>Mein Hausvater war des Kommandanten Spürhund -und mein Hüter, maßen ich merkte, daß er all mein Tun -und Lassen demselben hinterbrachte. Doch ich gedachte des -Kriegswesens kein einziges Mal, und wann man davon -redete, tät ich, als ob ich niemals kein Soldat gewesen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p199" id="Seite_p199">[S. 199]</a></span> -Zwar wünschte ich, daß meine sechs Monate bald herum -wären, es konnte aber niemand abnehmen, welchem -Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem Obristen -aufwartete, behielt er mich bei seiner Tafel, da setzte es -zuweilen solche Diskurse, dadurch mein Vorsatz ausgeholt -werden sollte, ich antwortete aber jederzeit vorsichtig.</p> - -<p>»Wie stehet es, Jäger, wollet Ihr noch nicht schwedisch -werden? Gestern ist ein Fähnrich gestorben.«</p> - -<p>»Herr Obrister, stehet doch einem Weib wohl an, wann -sie nach ihres Mannes Tod nicht gleich wieder heuratet, -warum sollte ich mich dann nicht sechs Monate gedulden?«</p> - -<p>Kriegte gleichwohl des Obristen Gunst je länger, je -mehr, so daß er mich in und außerhalb der Festung -herumspatzieren, ja, endlich den Hasen, Feldhühnern und -Vögeln nachstellen ließ. Darum leget ich mir ein schlicht -Jägerkleid bei, in demselben strich ich des Nachts in -das Soestische und holet meine verborgenen Schätze hin -und wieder zusammen, schleppte solche in die Festung -und ließ mich an, als ob ich ewig bei den Schweden -wohnen wollte.</p> - -<p>Da stieß einmal die Wahrsagerin von Soest zu mir, -die mich erkannte. »Ich versichre dich, es war dein -Glück,« sagte sie, »daß du gefangen worden. Einige Kerle, -welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen bist beim -Frauenzimmer vorgezogen worden, hätten dich auf der -Jagd erwürgt.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Wie kann jemand mit mir eifern, -da ich doch dem Frauenzimmer nichts nachfrage?«</p> - -<p>»Du wirst des Sinnes nicht bleiben, sonst wird dich -das Frauenzimmer mit Spott und Schande zum Lande -hinausjagen. Ich schwöre dir, daß sie dich nur gar zu<span class="pagenum"><a name="Seite_p200" id="Seite_p200">[S. 200]</a></span> -lieb haben und daß dir solche übermachte Liebe zum -Schaden gereichen wird, wann du dich nicht accommodierst.«</p> - -<p>Ich fragte sie, wann sie ja so viel wüßte, so sollte -sie mir davon sagen, wie es mit meinen Eltern stünde -und ob ich sie mein Lebtag wieder zu sehen bekommen -würde, sie sollte aber fein deutsch mit der Sprache -heraus.</p> - -<p>Darauf sagte sie, ich sollte alsdann nach den Eltern -fragen, wann mir mein Pflegvater unversehens begegnen -würde und führete meiner Säugeammen Tochter -am Strick daher. — Lachte darauf überlaut und machte -sich geschwind von mir.</p> - -<p>Ich hatte damals ein schön Stück Geld und viel köstliche -Ringe und Kleinodien beieinander. Solches schriee -mich immerzu an, es wollte gar gern wieder unter die -Leute. Ich folgte auch, dann weil ich ziemlich hoffärtig -war, prangte ich mit meinem Gut und ließ solches meinen -Wirt sehen, der bei den Leuten mehr daraus machte, -als es war.</p> - -<p>Mein Vorsatz, die Büchsenmeisterei und Fechtkunst -in diesen sechs Monaten zu lernen, war gut und ich begriffs -auch. Aber es war nicht genug, mich vor Müßiggang -allerdings zu behüten, vornehmlich weil niemand -war, der mir zu gebieten hatte. Ich saß zwar auch emsig -über allerhand Büchern, aus denen ich viel Gutes -lernete, es kamen mir aber auch teils unter die Hände, -die mir wie dem Hund das Gras gesegnet wurden. Die -unvergleichliche <span class="antiqua">Arcadia</span>, daraus ich die Wohlredenheit -lernen wollte, war das erste Stück, das mich von -den rechten Historien zu den Liebe-Büchern und von -den wahrhaften Geschichten zu den Heldengedichten zog. -Solcherlei Gattung brachte ich zuwege, wo ich konnte,<span class="pagenum"><a name="Seite_p201" id="Seite_p201">[S. 201]</a></span> -und wann mir eins zuteil ward, hörete ich nicht auf, -bis ichs durchgelesen und sollte Tag und Nacht darüber -gesessen sein. Diese lerneten mich statt wohlreden mit -der Leimstange laufen, doch war dieser Mangel damals -vor mich keine Ursach zu klagen, dann wo meine Liebe -hinfiel, erhielt ich ohn sonderbare Mühe, was ich begehrete, -und ich brauchet nicht wie andere Buhler und -Leimstängler voller phantastischer Gedanken, Begierden, -heimlich Leiden, Zorn, Eifer, Rachgier, Weinen, Protzen -und dergleichen tausendfältigen Torheiten stecken und -mir vor Ungeduld den Tod zu wünschen.</p> - -<p>Ich hatte Geld und ließ mich dasselbe nicht dauren, -überdas eine gute Stimme, übete mich stetig auf allerhand -Instrumenten, wiese die Geradheit meines Leibes, -wann ich mit meinem Kürschner focht. So hatte ich -auch einen trefflich glatten Spiegel und gewöhnte mich -zu einer freundlichen Lieblichkeit, also daß mir das -Frauenzimmer von selbst nachlief.</p> - -<p>Um dieselbige Zeit fiel Martini ein, da fängt bei uns -Deutschen das Fressen und Saufen an und währet teils -bis in die Fastnacht. Da ward ich an unterschiedliche -Örter, sowohl bei Offizierern als Bürgern, die Martinsgans -verzehren zu helfen, eingeladen. Bei solchen Gelegenheiten -kam ich mit den Frauenzimmern in Kundschaft. -Meine Laute und Gesang, die zwangen eine jede -mich anzuschauen, und wann sie mich also betrachteten, -wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber -machte, so anmutige Blicke und Gebärden hervorzubringen, -daß sich manches hübsche Mägdlein darüber -vernarrete und mir unversehens hold ward.</p> - -<p>Und damit ich nicht vor einen Hungerleider gehalten -wurde, stellete ich auch zwo Gastereien, die eine zwar -vor die Offizierer und die andere vor die vornehmsten<span class="pagenum"><a name="Seite_p202" id="Seite_p202">[S. 202]</a></span> -Bürger, an, dadurch ich mir bei beiden Teilen Gunst -und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen -ließ. Es war mir aber alles nur um die lieben -Jungfern zu tun. Und obgleich ich bei einer oder der -andern nicht fand, was ich suchte, so ging ich gleichwohl -allerweg zu ihnen als zu andern, daß alle glauben -sollten, daß ich mich bei den andern auch nur Diskurs -halber aufhielte. Ich hatte gerade sechs und sie hinwiederum -mich, doch hatte keine mein Herz gar und -mich allein.</p> - -<p>Mein Jung, der ein Erzschelm war, hatte genug zu -tun mit Kupplen und Buhlenbrieflein hin und wider -tragen und wußte reinen Mund zu halten. Davon bekam -er von den Schleppsäcken einen Haufen <span class="antiqua">Favor</span>, so -mich aber am meisten kostete. Was mit Trommeln gewonnen -wird, gehet mit Pfeifen dahin.</p> - -<p>Ich hielt meine Sachen so geheim, daß mich kaum -einer vor einen Buhler halten konnte, ausgenommen -der Pfarrer, bei dem ich nicht mehr so viel geistliche -Bücher entlehnte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p203" id="Seite_p203">[S. 203]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_neunte_Kapitel" id="Buch3_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich ging oft zum ältesten Pfarrer und brachte ich -ihm ein Buch zurück, so diskutierete er von allerhand -Sachen mit mir. Wir accomodierten uns so miteinander, -daß einer den andern gern leiden mochte. Als -nun nicht nur die Martinsgans hin und wider und alle -Metzelsuppen sondern auch die heiligen Weihnachtsfeiertäge -vorbei waren, verehrete ich ihm eine Flaschen voll -Straßburger Branntewein zum Neuen Jahr, welchen -er dem westfälischen Gebrauch nach mit Kandelzucker -gern einläpperte. Darauf besuchete ich ihn und er machte -mich zu ihm sitzen, lobte den Branntewein und kam -nach einigem Hin und Wider auf obgemeldten Umstand, -nämlich daß ich in geistlichen Dingen merklich -nachlasse. Ich entschuldiget mich mit der edlen Musik -und der Büchsenmeistereikunst. Er aber antwortete: -»Ja, ja, das glaube ich gern. Aber Er versichere sich, -daß ich mehr von Ihm weiß, als Er sich einbildet.«</p> - -<p>Ich erschrak, da ich diese Worte hörete, und dachte, -hat dir's St. Velten gesagt. Und weil er sahe, daß ich -meine Farbe änderte, fuhr er ferner fort: »Der Herr -ist frisch und jung, Er ist müßig und schön, Er lebet -ohn Sorge und wie ich vernehme, in allem Überfluß, -darum bitte und vermahne ich Ihn im Herrn, daß Er -bedenken wolle, in was vor einem gefährlichen Stand -Er sich befindet. Er hüte sich vor dem Tier, das Zöpfe -hat, will Er anders Sein Glück und Heil beobachten. -Der Herr möchte zwar bedenken, was geht's dem Pfaffen -an — (ich gedachte, du hast es erraten) — oder was -hat er mir zu befehlen! Herr, seid versichert, daß mir -Euere, als meines Guttäters, zeitliche Wohlfahrt aus<span class="pagenum"><a name="Seite_p204" id="Seite_p204">[S. 204]</a></span> -christlicher Liebe hoch angelegen ist. Ihr habet Talente, -leget doch Euere Jugend und Euere Mittel, die -Ihr hier unnütz verschwendet, zu ernsten Studien an, -damit Ihr heut oder morgen beides: Gott und den -Menschen und Euch selbst bedient sein könnet. Lasset -das Kriegswesen, eh Ihr eine Schlappe davontraget, -dann: Junge Soldaten, alte Bettler.«</p> - -<p>Ich hörete die Sentenz mit großer Ungeduld, jedoch -stellete ich mich viel anders, als mir ums Herz war, -damit ich mein Lob, daß ich ein feiner Mensch wäre, -nicht verliere, bedankte mich zumal auch sehr vor seine -erwiesene Treuherzigkeit und versprach, mich auf sein -Einraten zu bedenken. Allein ich war des Zaumes und -der Sporen der Tugenden entwohnet und wollte nunmehr -gekostete Liebe-Wollüste nicht mehr entbehren.</p> - -<p>Jedoch so gar ersoffen in den Leidenschaften und so -dumm war ich nicht, daß ich nicht gedacht hätte, jedermanns -Freundschaft zu behalten, solange ich in der -Festung zu bleiben willens war. Ich erkannte auch wohl, -was es einem vor Unrat bringen konnte, wann er der -Geistlichen Haß hätte, als welche Leute einen großen -Kredit haben. Derowegen nahm ich meinen Kopf zwischen -die Ohren und trat gleich den andern Tag wieder -auf frischem Fuß zu obgedachten Pfarrer und log ihm -mit gelehrten Worten einen solchen Haufen daher, was -gestalten ich mich resolvieret hätte, ihm zu folgen, daß -er sich sichtbarlich darüber freuete. Mir hätte seithero -auch schon in Soest ein solcher englischer Ratgeber gemangelt, -wann nur der Winter bald vorüber, daß ich -fortreisen könnte. Bat ihn darneben, er wollte mir -doch ferner mit gutem Rat beförderlich sein, auf welche -Universität ich mich begeben sollte. Er antwortete, was -ihn anbelange, so hätte er in Leyden studieret, mir aber<span class="pagenum"><a name="Seite_p205" id="Seite_p205">[S. 205]</a></span> -wollte er nach Genf geraten haben, weil ich ein Hochdeutscher -wäre.</p> - -<p>»Jesus Maria,« rief ich, »Genf ist weiter von meiner -Heimat als Leyden!«</p> - -<p>»Was vernehme ich,« sagte er hierauf mit großer Bestürzung, -»ich höre wohl, der Herr ist ein Papist! O -mein Gott, wie finde ich mich betrogen!«</p> - -<p>»Wieso, wieso, Herr Pfarrer? Weil ich nicht nach -Genf will?«</p> - -<p>»O nein, weil Er Mariam anrufet!«</p> - -<p>»Sollte es einem Christen nicht gebühren, die Mutter -seines Erlösers zu nennen?«</p> - -<p>»Das wohl, aber ich vermahne und bitte Ihn so -hoch als ich kann, Er wolle Gott die Ehre geben und -mir gestehen, welcher Religion Er beigetan sei, dann -ich zweifle sehr, daß Er dem Evangelio glaube.«</p> - -<p>»Der Herr Pfarrer höret ja wohl, daß ich ein Christ -bin. Im übrigen gestehe ich, daß ich weder petrisch noch -paulisch, sondern allein <span class="antiqua">simpliciter</span> glaube, was die zwölf -Artikul des allgemeinen, heiligen, christlichen Glaubens -in sich halten. Ich werde mich auch zu keinem Teil vollkommen -verpflichten, bis mich einer durch genugsame Erweisung -persuadieret zu glauben, daß er vor den andern -die rechte, wahre und allein seligmachende Religion habe.«</p> - -<p>»Jetzt glaube ich erst recht, daß Er ein kühnes Soldatenherz -habe, sein Leben dran zu wagen, weil Er -gleichsam ohn Religion und Gottesdienst auf den alten -Kaiser hinein dahinleben und frevelhaftig seine Seligkeit -in die Schanze schlagen darf. Mein Gott, wie kann -ein sterblicher Mensch immermehr so keck sein!«</p> - -<p>»Herr Pfarrer, es sagen alle von ihrer Religion, daß -sie die rechte sei und deren Fundamente sowohl in Natur -als in der heiligen Schrift sonnenklar am Tage liegen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p206" id="Seite_p206">[S. 206]</a></span> -Welchem soll ich aber glauben? Vermeinet der Herr, -es sei so ein Gerings, wann ich einem Teil, den die -andern alle lästern und einer falschen Lehre bezüchtigen, -meiner Seelen Seligkeit anvertraue? Er sehe doch mit -unparteiischen Augen, was Konrad Vetter und Johannes -Nas wider Lutherum, und hingegen Luther und die -Seinigen wider den Papst, sonderlich aber Spangenberg -wider <span class="antiqua">Franciscum</span>, der etliche hundert Jahr vor -einen heiligen und gottseligen Mann gegolten, in offenem -Druck ausgehen lassen. Zu welchem Teil soll ich mich -dann tun, wann je eins das ander ausschreiet, als sei -kein gut Haar an ihm? Sollte mir wohl jemand raten, -hineinzuplumpen wie eine Fliege in den heißen Brei? -O nein, das wird der Herr Pfarrer verhoffentlicht mit -gutem Gewissen nicht tun können! Ich will lieber gar -von der Straßen bleiben, als nur irr laufen. Zudem -sein noch mehr Religionen, dann die in Europa, als -die Armenier, Abessinier, Griechen, Gregorianer und -dergleichen. Was ich vor eine davon annehme, so muß -ich mit meinen Religionsgenossen den andern allen -widersprechen.«</p> - -<p>Darauf sagte er: »Der Herr steckt in großem Irrtum, -aber ich hoffe zu Gott, er werde Ihm aus dem Schlamm -helfen, zu welchem Ende ich Ihm dann unsere Confession -ins Künftige dergestalt aus der heiligen Schrift -bewähren will, daß sie auch wider die Pforten der -Hölle bestehen sollte.«</p> - -<p>Ich antwortete, dessen würde ich mit großem Verlangen -gewärtig sein, gedachte aber bei mir selber, -wann du mir nur nichts mehr von meinen Liebgen -vorhältst, so bin ich mit deinem Glauben wohl zufrieden, -und bis du mit deinen Beweistümern fertig bist, so -bin ich vielleicht, wo der Pfeffer wächst.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p207" id="Seite_p207">[S. 207]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_zehent_Kapitel" id="Buch3_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Gegen meinem Quartier über wohnete ein reformierter -Obrist-Leutenant, der hatte eine überaus -schöne Tochter, die sich ganz adelig trug. Ich hätte -längst gern Kundschaft mit ihr gemachet, unangesehen, -daß ich sie anfänglich allein zu lieben und auf ewig zu -haben begehrete. Ich schenkte ihr manchen Gang und -noch viel mehr liebreicher Blicke. Sie ward mir aber -so fleißig verhütet, daß ich kein einzig Mal mit ihr -reden konnte. So unverschämt dorfte ich auch nicht -hineinplatzen, weil ich mit ihren Eltern keine Kundschaft -hatte und mir der Ort vor einen Kerl von so -geringem Herkommen, als mir das meinige bewußt -war, viel zu hoch vorkam. Am allernächsten gelangte -ich zu ihr, wann wir etwan in oder aus der Kirche -gingen. Da nahm ich dann die Zeit so fleißig in Acht, -mich ihr zu nähern, daß ich oft ein paar Seufzer anbrachte, -was ich meisterlich konnte, obzwar sie alle aus -falschem Herzen gingen. Hingegen nahm sie solche so -kaltsinnig an, daß ich mir einbilden mußte, sie werde -sich nicht so leicht wie eine Bürgerstochter verführen -lassen. Indem wurden meine Begierden nach ihr nur -desto heftiger.</p> - -<p>Der Stern, den die Schüler zu Hl. Dreikönig umtragen, -ist es gewesen, der mir in ihre Wohnung geleuchtet, -da ihr Vater selbst nach mir schickte.</p> - -<p>»Monsieur,« sagte er zu mir, »seine Neutralität zwischen -Bürgern und Soldaten ist eine Ursache, daß ich -Ihn habe zu mir bitten lassen. Ich will zwischen beiden -Teilen eine Sache ins Werk richten, die eines unparteiischen -Zeugen bedarf.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p208" id="Seite_p208">[S. 208]</a></span> - -Ich vermeinete, er hätte was Wundergroßes im Sinn, -weil Schreibzeug und Papier auf dem Tisch lag, bot -ihm derowegen mit sondern Komplimenten meine bereitwilligsten -Dienste an, daß ich mirs nämlich vor eine -große Ehre halten würde, wann ich so glücklich sei, -ihm beliebige Dienste zu leisten. Es war aber nichts -andres als ein Dreikönigsfest zu machen. Dabei sollte -ich zusehen, daß es recht zuginge, wie die Ämter ohn -Ansehung der Personen durch das Los ausgeteilet -würden. Zu diesem Geschäft, bei welchem des Obristen -<span class="antiqua">Secretarius</span> auch war, ließ der Obrist-Leutenant Wein -und Konfekt bringen, weil er ein trefflicher Zechbruder -und es ohn das nach dem Nachtessen war. Der <span class="antiqua">Secretarius</span> -schrieb, ich las die Namen und die Jungfer zog -die Zettel, ihre Eltern aber sahen zu. Sie beklagten sich -über die langen Winternächte und gaben mir zu verstehen, -daß ich, solche desto leichter zu passieren, wohl -zu ihnen zu Licht kommen dörfte.</p> - -<p>So fing ich wieder auf ein Neues an mit der Leimstangen -zu laufen und am Narrenseil zu ziehen, also, -daß sich beide: die Jungfrau und ihre Eltern einbilden -mußten, ich hätte den Angel geschluckt, wiewohl mirs -nicht halber Ernst war. Ich stellete Buhlenbrieflein an -meine Liebste, eben als ob ich hundert Meilwegs von -ihr gewohnet hätte oder in viel Jahren erst zu ihr -könne. Zuletzt machte ich mich gar zutätig, weil mir -meine Löffelei nicht sonderlich von den Eltern gewehret, -sondern zugemutet ward, ich sollte ihre Tochter auf der -Laute lernen schlagen. Da hatte ich nun meinen freien -Zutritt bei Tag sowohl als wie hiebevor des Abends, -also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Ich und meine Fledermaus<br /></span> -<span class="i0">Fliegen nur bei Nachtzeit aus<br /></span> -</div></div> - -<p class="noindent"><span class="pagenum"><a name="Seite_p209" id="Seite_p209">[S. 209]</a></span> -änderte und ein frommes Liedlein machte, darin ich -mein Glück lobte, weil es mir auf so manchen guten -Abend auch so freudereiche Tage verliehe, in denen ich -in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen weiden -und mein Herz um etwas erquicken könnte, hingegen -beklagte ich meine Nächte. Ich sang es meiner Liebsten -mit andächtigem Seufzen und einer lustreizenden Melodei, -dabei die Laute das Ihre trefflich tät und gleichsam -die Jungfer mit mir bat, sie wollte doch cooperieren, -daß mir die Nächte so glücklich als die Täge -bekommen möchten. Aber ich bekam ziemlich abschlägige -Antwort, dann sie war trefflich klug und konnte mich -auf meine Erfindungen gar höflich beschlagen. Ich -nahm mich gleichwohl in Acht, von der Verehelichung -zu schweigen, und wenn schon discursweis davon geredet -ward, stellete ich alle meine Worte auf Schrauben. -Welches meiner Jungfrau verheiratete Schwester bald -merkte und dahero mir und meinem Mägdlein alle -Pässe verlegte, dann sie sahe wohl, daß mich ihre -Schwester von Herzen liebete und daß die Sache in die -Länge kein Guttun würde.</p> - -<p>Es ist unnötig alle Torheiten meiner Löffelei umständlich -zu erzählen. Genug, zuletzt kam es dahin, daß -ich erstlich mein liebes Dingelgen zu küssen und endlich -auch andre Narrenpossen zu tun mich erkühnen dorfte. -Und solchen erwünschten Fortgang verfolgte ich mit -allerhand Reizungen, bis ich bei Nacht von meiner -Liebsten eingelassen ward und mich so hübsch zu ihr -ins Bette fügte, als wann ich zu ihr gehöret hätte.</p> - -<p>Weil jedermann weiß, wie es bei derlei Kirchweih -pfleget gemeiniglich herzugehen, so dörfte sich wohl der -Leser einbilden, ich hätte etwas Ungebührliches begangen. -Jawohl nein! Dann alle meine Gedanken waren umsonst.<span class="pagenum"><a name="Seite_p210" id="Seite_p210">[S. 210]</a></span> -Ich fand einen solchen Widerstand, dergleichen -ich nimmermehr bei keinem Weibsbild anzutreffen gewähnet -hätte, weil ihr Absehen einzig und allein auf -Ehre und Ehestand gerichtet war. Wenngleich ich ihr -solchen mit den allergrausamsten Flüchen versprach, -so wollte sie doch vor der Copulation kurzum nichts -geschehen lassen. Doch gönnete sie mir auf ihrem Bette -neben ihr liegen zu bleiben, auf welchem ich auch ganz -ermüdet vor Unmut sanft einschlummerte.</p> - -<p>Ich ward aber gar ungestüm aufgeweckt. Dann morgens -um vier Uhr stund der Obrist-Leutenant vorm -Bette mit einer Pistole in der einen und einer Fackel -in der andern Hand.</p> - -<p>»Krabat,« schrie er überlaut seinem Diener zu, der -auch mit einem bloßen Säbel bei ihm stund, »geschwind, -Krabat, hole den Pfaffen!«</p> - -<p>Wovon ich dann erwachte.</p> - -<p>O weh, gedachte ich, du sollst gewiß zuvor beichten, -eh er dir den Rest gibet! Es ward mir ganz grün und -gelb vor den Augen und ich wußte nicht, ob ich sie -recht auftun sollte oder nicht.</p> - -<p>»Du leichtfertiger Geselle,« schrie er mich an, »soll -ich dich finden, daß du mein Haus schändest! Tät ich -dir unrecht, wenn ich dir und dieser Vettel den Hals -bräche? Ach, du Bestia, wie kann ich mich doch nur -enthalten, daß ich dir nicht das Herz aus dem Leib -herausreiße und den Hunden vorwerfe!«</p> - -<p>Dabei biß er die Zähne zusammen und verkehrte die -Augen als wie ein unsinnig Tier.</p> - -<p>Ich wußte nicht, was ich sollte, und meine liebe -Beischläferin konnte nichts als weinen. Endlich, da ich -mich ein wenig erholete, wollte ich etwas von unserer -Unschuld vorbringen, er aber hieß mich das Maul<span class="pagenum"><a name="Seite_p211" id="Seite_p211">[S. 211]</a></span> -halten. Indessen war seine Frau auch darzu gekommen, -die fing eine nagelneue Predigt an, also daß ich wünschte, -ich läge irgends in einer Dornhecke. Sie hätte auch in -zweien Stunden nicht aufgehört, wann der Krabat mit -dem Pfarrer nicht gekommen wäre.</p> - -<p>Wohl hatte ich, eh dieser ankam, etlichmal aufzustehen -unterstanden, aber der Obrist-Leutenant machte -mich unter bedrohlichen Mienen liegen bleiben, also -daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein -Kerl hat, der auf einer bösen Tat ertappt wird, und -wie einem Dieb ums Herz wird, den man erwischt, -wann er eingebrochen, obgleich er noch nichts gestohlen -hat. Ich gedenke der lieben Zeit, wann mir der Obrist-Leutenant -samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen -wäre, daß ich sie alle drei zu jagen unterstanden. Aber -jetzt lag ich da wie ein Bernheuter und hatte nicht das -Herz nur das Maul, geschweige die Fäuste recht auf -zu tun.</p> - -<p>»Sehet, Herr Pfarrer das schöne Spektakul, zu -welchen ich Euch zum Zeugen meiner Schande berufen -muß.«</p> - -<p>Und kaum hatte er diese Worte vorgebracht, so fing -er wieder an zu wüten und das Tausendste ins Hundertste -zu werfen, daß ich nichts anderes als vom Halsbrechen -und Hände in meinem Blut waschen verstehen -konnte. Er schaumete ums Maul wie ein Eber und -stellete sich also, daß ich alle Augenblicke gedachte, jetzt -jagt er dir eine Kugel durch den Kopf.</p> - -<p>Der Pfarrer aber wehrete mit Händen und Füßen, -daß kein Totschlag geschehe, so ihn hernach reuen -möchte.</p> - -<p>»Was? Herr Obrist-Leutenant, brauchet Euere hohe -Vernunft und bedenkt das Sprüchwort, daß man zu<span class="pagenum"><a name="Seite_p212" id="Seite_p212">[S. 212]</a></span> -geschehenen Dingen das beste reden soll. Dies schöne -junge Paar, das seinesgleichen schwerlich im Lande hat, -ist nicht das erste und nicht das letzte, so sich von den -unüberwindlichen Kräften der Liebe hat meistern lassen. -Dieser Fehler, da es anders ein Fehler zu nennen, den -sie beide begangen, kann auch durch sie wieder leichtlich -gebessert werden. Zwar lobe ichs nicht, sich auf diese -Art zu verehelichen, aber gleichwohl hat dieses junge -Paar hiedurch weder Galgen noch Rad verdient. Es -ist auch keine Schande zu erwarten, wann der Herr -Obrist-Leutenant seinen Consens zu beider Verehelichung -geben und diese Ehe durch den gewöhnlichen Kirchgang -öffentlich bestätigen lassen wird.«</p> - -<p>»Was! Ich wollte sie ehe morgenden Tags beide zusammen -binden und in der Lippe ertränken lassen! In -diesem Augenblick müssen sie copuliert sein! Deswegen -habe ich Euch holen lassen!«</p> - -<p>Ich dachte, was willtu tun — es heißt: Vogel friß -oder stirb. Zudem ist sie eine solche Jungfrau, deren -du dich nicht schämen darfst. Doch schwur ich und bezeugte -hoch und teuer, daß wir nichts Unehrliches miteinander -zu schaffen gehabt hätten.</p> - -<p>Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer im Bette -sitzend zusammengegeben und, nachdem dies geschehen, -aufzustehen und miteinander aus dem Haus zu gehen -gemüßiget.</p> - -<p>Unter der Tür sagte der Obrist-Leutenant zu mir -und seiner Tochter, wir sollten uns in Ewigkeit vor -seinen Augen nicht mehr sehen lassen. Ich aber, da ich -den Degen an meiner Seite hatte, antwortete gleichsam -im Scherz: »Ich weiß nicht, Herr Schwehrvater, warum -Er alles so Widersinns anstellet! Wann andre neue Eheleute -copuliert werden, so führen sie die nächsten Verwandten<span class="pagenum"><a name="Seite_p213" id="Seite_p213">[S. 213]</a></span> -schlafen. Er aber jaget mich nach der Copulation -nicht allein aus dem Bette, sondern auch aus -dem Haus. Und anstatt des Glücks, das Er mir in -Ehestand wünschen sollte, will Er mich nicht so glückselig -wissen, meines Schwehers Angesicht zu sehen und -Ihm zu dienen. Wahrlich, wann dieser Brauch aufkommen -sollte, so würden die Verehelichungen wenig -Freundschaft mehr in der Welt stiften!« —</p> - -<p>Die Leute in meinem Losament verwunderten sich -alle, da ich diese Jungfrau mit mir heimbrachte, und -noch viel mehr da sie sahen, daß ich so ungescheut mit -ihr schlafen ging. Dann obzwar mir dieser Posse, so -mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so -war ich doch so närrisch nicht, meine Braut zu verschmähen. -So hatte ich zwar die Liebste im Arm, hingegen -aber tausenderlei Gedanken, wie ich meine Sache -heben und legen wollte. Zuweilen vermeinete ich, es -wäre mir der allergrößte Schimpf widerfahren, welchen -ich ohn billige Rache mit Ehren nicht verschmerzen -könnte, wann ich aber besann, daß solche Rache wider -meinen Schwehrvater und also auch wider meine unschuldige, -fromme Liebste laufen müßte, fielen alle -meine Anschläge dahin. Ich schämete mich so sehr.</p> - -<p>Endlich war mein Schluß, vor allen Dingen meines -Schwehrvaters Freundschaft wieder zu gewinnen und -mich im übrigen gegen jedermann an zu lassen, als ob -mir nichts Übles widerfahren sei.</p> - -<p>In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen und -schickte am allerersten nach meinem Schwager, hielt ihm -kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt worden, und ersuchte -ihn, er wolle seine Liebste kommen lassen, um -etwas ausrichten zu helfen, damit ich den Leuten auch -bei meiner Hochzeit zu essen geben könnte, er aber wolle<span class="pagenum"><a name="Seite_p214" id="Seite_p214">[S. 214]</a></span> -belieben unsere Schwehr und Schwieger meinetwegen -zu begütigen.</p> - -<p>Ich verfügte mich zum Kommandanten, dem erzählte -ich mit einer kurzweiligen und artlichen Manier, was -ich und mein Schwehrvater vor eine neue Mode angefangen -hätten, Hochzeit zu machen, welche Gattung so -geschwind zugehe, daß ich in einer Stunde die Heiratsabrede, -den Kirchgang und die Hochzeit auf einmal -vollzogen. Weil nun mein Schwehrvater die Morgensuppe -gesparet hätte, wäre ich bedacht, anstatt deren, -ehrlichen Leuten von der Specksuppen mit zu teilen, -zu der ich untertänig einlade. Der Kommandant wollte -sich meines lustigen Vortrags schier zu Stücken lachen. -Er fragte mich, wie es mit der Heurats-Notul beschaffen -wäre, und wie viel mir mein Schwehrvater -Füchse, deren der alte Schabhals viel hätte, zum Heiratgut -gebe. Ich antwortete, daß unsere Heiratsabrede nur -in einem Punkt bestünde, der laute, daß ich und seine -Tochter sich in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr -sollten sehen lassen, dieweil aber weder Zeugen noch -Notarien dabeigewesen, hoffte ich, es solle wieder revociert -werden.</p> - -<p>Mit solchen Schwänken, deren man an mir diesorts -nicht gewohnt war, erhielt ich, daß der Kommandant -samt meinem Schwehrvater, welchen er hiezu wohl -persuadieren wollte, bei meiner Specksuppe zu erscheinen -versprach. Er schickte auch gleich ein Faß Wein und -einen Hirsch in meine Küchen. Ich aber ließ dergestalt -zurichten, als ob ich Fürsten hätte tractieren wollen, -brachte auch eine ansehnliche Gesellschaft zuwege, die -sich nicht allein miteinander recht lustig machten, sondern -auch vor allen Dingen meinen Schwehrvater und -die Schwieger mit mir und meinem Weibe versöhneten,<span class="pagenum"><a name="Seite_p215" id="Seite_p215">[S. 215]</a></span> -daß sie uns mehr Glückes wünschten, als sie uns die -vorige Nacht fluchten. In der ganzen Stadt aber ward -ausgesprengt, daß unsere Copulation mit Fleiß auf so -fremde Art wäre angestellt worden, damit uns beiden -kein Posse von bößen Leuten widerfahre. Mir war -diese Hochzeit trefflich gesund, dann wann ich gemeinem -Brauch nach über der Kanzel hätte abgeworfen werden -sollen, so hätten sich besorglich Schleppsäcke gefunden, -die mir ein verhinderliches Gewirr drein zu -machen unterstanden.</p> - -<p>Den andern Tag traktierte mein Schwehrvater meine -Hochzeitsgäste, aber bei weitem nicht so wohl als ich. -Da ward erst mit mir geredet, was ich vor eine Hantierung -treiben und wie ich die Haushaltung anstellen -wollte, und ich merkte, daß ich meine edle Freiheit verloren -hatte.</p> - -<p>Ich ließ mich dabei gar gehorsamlich an und begehrte -zuvor meines lieben Schwehrvaters, als eines -verständigen Kavaliers, Rat. Das lobte der Kommandant -und sagte: »Dieweil Er ein junger, frischer Soldat -ist, so wäre es eine große Torheit mitten in jetzigen -Kriegsläuften ein anderes, als das Soldatenhandwerk -zu treiben. Was mich anbelanget, so will ich Ihm ein -Fähnlein geben, wann Er will.«</p> - -<p>Mein Schweher und ich bedankten uns und ich schlugs -nicht mehr aus. Wiese aber doch dem Kommandanten -des Kaufmanns Handschrift, der meinen Schatz zu Köln -in Verwahrung hatte. »Dieses«, sagte ich, »muß ich -zuvor holen, ehe ich schwedische Dienste nehme, dann -sollte man gewahr werden, daß ich dem Gegenteil diene, -so werden sie mir zu Köln die Feige weisen und das -Meinige behalten.«</p> - -<p>Sie gaben mir beide recht, ward also zwischen uns<span class="pagenum"><a name="Seite_p216" id="Seite_p216">[S. 216]</a></span> -dreien abgeredet, zugesaget und beschlossen, daß ich in -wenig Tagen mich nach Köln begeben und nachgehends -ein Fähnlein annehmen sollte.</p> - -<p>Der Kommandant versahe sich auf den künftigen -Frühling einer Belägerung und bewarb sich dahero um -gute Soldaten, sintemal der Graf von Götz damalen -mit vielen kaiserlichen Soldaten in Westfalen lag.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p217" id="Seite_p217">[S. 217]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch3_Das_elfte_Kapitel" id="Buch3_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Es schicket sich ein Ding auf mancherlei Weise. Des -einen Unstern kommt staffelweis und allgemach und -einen andern überfällt der seinige mit Haufen. Mein -Unstern aber hatte einen so süßen und angenehmen -Anfang, daß ich mirs wohl vor das höchste Glück -rechnete.</p> - -<p>Kaum über acht Tage hatte ich mit meinem lieben -Weib im Ehstand zugebracht, da ich in meinem Jägerkleid, -mit einem Feuerrohr auf der Achsel, von ihr und -ihren Freunden Abschied nahm. Ich schlich mich glücklich -durch, weil mir alle Wege bekannt waren, also daß -mir keine Gefahr unterwegs aufstieß, ja ich ward von -keinem Menschen gesehen, bis ich nachher bei Dütz, so -gegen Köln über, diesseits des Rheins lieget, vor den -Schlagbaum kam.</p> - -<p>In Köln kehrete ich bei meinem Jupiter ein, so -damals ganz klug war. Er sagte mir aber gleich, daß -ich besorglich leer Stroh dreschen würde, weil der Kaufmann, -dem ich das Meinige aufzuheben gegeben, Bankerott -gespielet und ausgerissen wäre. Zwar seien meine -Sachen obrigkeitlich verpetschiert und der Kaufmann -citiert worden, aber man zweifle sehr an seiner Wiederkunft. -Bis nun die Sache erörtert würde, könne viel -Wasser den Rhein hinunterlaufen.</p> - -<p>Wie angenehm mir diese Botschaft kam, kann jeder -leicht ermessen. Ich fluchte ärger als ein Fuhrmann, -aber was halfs! Auch hatte ich über zehn Taler Zehrgeld -nicht zu mir genommen, daß ich also auch nicht -so lang aushalten konnte, als die Zeit erforderte. So -mußte ich auch besorgen, daß ich verkundschaft' würde,<span class="pagenum"><a name="Seite_p218" id="Seite_p218">[S. 218]</a></span> -weil ich einer feindlichen Guarnison zugetan wäre. -Unverrichteter Sache wollte ich aber nicht wieder zurück -und das Meinige mutwillig dahinten lassen. So ward -ich mit mir selber ein: Ich wollte mich in Köln aufhalten, -bis die Sache erörtert würde, und die Ursache -meines Ausbleibens meiner Liebsten berichten. Verfügte -mich demnach zu einem <span class="antiqua">Procurator</span>, der ein <span class="antiqua">Notarius</span> -war, und erzählete ihm mein Tun, bat ihn, mir um -die Gebühr mit Rat und Tat beizuspringen. Ich wollte -ihm neben dem Tax, wann er meine Sache beschleunigte, -mit einer guten Verehrung begegnen. Er nahm mich -gutwillig an, dann er an mir zu fischen hoffte, und -dingte mich auch in die Kost. Darauf ging er des andern -Tags mit mir zu denjenigen Herrn, welche die Bankerott-Sachen -zu erörtern haben, gab die vidimierte Copie -von des Kaufmanns Handschrift ein und legte das -Original vor, worauf wir die Antwort bekamen, daß -wir uns bis zur gänzlichen Erörterung gedulden müßten, -weil nicht alle Sachen, davon die Handschrift sage, vorhanden -wären.</p> - -<p>Also versahe ich mich des Müßiggangs wieder auf -eine Zeitlang. Mein Kostherr war, wie gehört, ein -<span class="antiqua">Notarius</span> und <span class="antiqua">Procurator</span>, darneben hatte er ein halb -Dutzend Kostgänger und hielt stets acht Pferde auf der -Streu, welche er den Reisenden um Geld hinzuleihen -pflegte, darbei hatte er einen deutschen und einen -wällischen Knecht, die sich beides: zu Führen und zu -Reiten gebrauchen ließen. Und weil keine Juden nach -Köln kommen dörfen, konnte er mir allerlei Sachen -desto besser wuchern.</p> - -<p>Mein <span class="antiqua">Notarius</span> zehrete von seinen Kostgängern, doch -seine Kostgänger nicht von ihm, er hätte sich und sein -Hausgesind reichlich ernähren können, wanns der Schindhund<span class="pagenum"><a name="Seite_p219" id="Seite_p219">[S. 219]</a></span> -nur darzu hätte angewendet. Aber er mästete uns -auf schwedisch und hielt gewaltig zurück. Ich aß anfangs -nicht mit seinen Kostgängern, sondern mit seinen Kindern -und Gesind, weil ich nicht viel Geld bei mir hatte. -Da satzte es schmale Bißlein, so meinen Magen, der -nunmehr zu den westfälischen Tractamenten gewöhnet -war, ganz spanisch vorkamen. Kein gut Stück Fleisch -kriegten wir auf den Tisch, sondern nur dasjenige, so -acht Tage zuvor von der Studenten Tafel getragen, von -denselben überall wohl benagt und nunmehr vor Alter -so grau als Methusalem geworden war. Darüber machte -dann die Kostfrau eine schwarze, sauere Brühe und -überteufelts mit Pfeffer. Da wurden dann die Beiner -so sauber geschleckt, daß man alsbald Schachsteine daraus -hätte drehen können. Und doch waren sie dann -noch nicht recht ausgenutzt, sondern sie kamen in einen -hiezu verordneten Behalter, und wann unser Geizhals -deren eine Quantität beisammen hatte, mußten sie erst -kleingehackt und das übrige Fett bis auf das alleräußerste -herausgesotten werden. Nicht weiß ich, wurden -die Suppen daraus geschmälzt oder die Schuhe -damit geschmieret. An den Fasttägen, deren mehr als -genug einfielen und alle <span class="antiqua">solenniter</span> gehalten wurden, -weil der Hausvater diesfalls gar gewissenhaft war, -mußten wir uns mit stinkenden Bücklingen, versalzenen -Polchen, faulen Stock- und andern abgestandenen Fischen -herumbeißen, dann er kaufte alles der Wohlfeile nach und -ließ sich die Mühe nicht dauren, zu solchem Ende selbst -auf den Fischmarkt zu gehen und anzupacken, was die -Fischer auszuschmeißen im Sinne hatten. Unser Brot -war gemeiniglich schwarz und alt, der Trank aber ein -dünn, saur Bier, das mir die Därme hätte zerschneiden -mögen, und mußt doch gut abgelegen Märzbier heißen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p220" id="Seite_p220">[S. 220]</a></span> - -Von dem deutschen Knecht vernahm ich, daß es -Sommerszeit noch schlimmer hergehe, dann da sei das -Brot schimmlich, das Fleisch voller Würmer und ihre -beste Speise wäre irgends zu Mittags ein paar Rettiche -und auf den Abend eine Handvoll Salat. Ich fragte, -warum er dann bei dem Filz bleibe, da antwortete er -mir, daß er die meiste Zeit auf der Reise sei, und derhalben -mehr auf der Reisenden Trinkgelder als auf -seinen Schimmel-Juden bedacht sein müßte. Er getraue -seinem Weib und Kindern nicht im Keller, wie er sich -selbsten den Tropfen Wein nicht gönne.</p> - -<p>Einsmals brachte er sechs Pfund Sülzen oder Rinderkutteln -heim, das setzte er in seinen Speiskeller. Weil -zu seiner Kinder großem Glück das Tagfenster offen -stund, banden sie eine Eßgabel an einen Stecken und -angelten damit die Kuttelflecke heraus, welche sie also -bald in großer Eile verschlangen, dann sie waren gekocht. -Darnach gaben sie vor, die Katze hätte es getan, -aber der Erbsenzähler wollte es nicht glauben, fing -derhalben die Katze, wog sie und befand, daß sie mit -Haut und Haar nicht so schwer war, als seine Kutteln -gewesen.</p> - -<p>Weil er dann so gar unverschämt handelte, begehrte -ich an gemeldter Studenten Tafel zu essen, es koste -was es wolle. Dort ging es zwar etwas herrlicher her, -ward mir aber wenig damit geholfen, dann alle Speisen -waren nur halb gar, was meinem Kostherrn zwiefach -zu baß kam, erstlich am Holz, so er gesparet, und daß -wir viel zurück ließen. Über das so dünkte mich, er -zählete uns alle Mundvoll in Hals hinein und kratzte -sich hintern Ohren, wann wir einmal recht futterten. -Sein Wein war gewässert, der Käs, den man am Ende -jeder Mahlzeit aufstellete, steinhart, die holländische<span class="pagenum"><a name="Seite_p221" id="Seite_p221">[S. 221]</a></span> -Butter aber dermaßen versalzen, daß keiner über ein -Lot davon auf einen Imbiß genießen konnte. Das Obst -mußte man wohl so lang auf- und abtragen, bis es -mürbe und zum essen tauglich war. Wann dann etwan -ein oder der andere darauf stichelte, so fing er einen -erbärmlichen Hader mit seinem Weibe an, daß wirs -höreten, heimlich aber befahl er ihr, sie solle nur bei -der alten Geigen bleiben.</p> - -<p>Einsmals brachte ihm einer seiner Klienten einen -Hasen zur Verehrung, den sahe ich in der Speiskammer -hangen und gedachte, wir würden einmal Wildpret essen. -Aber der deutsche Knecht sagte, daß der Has uns nicht -an den Zähnen brennen würde, ich sollte Nachmittags -auf den Alten Markt gehen und sehen, ob er nicht -dort zum Verkauf hinge. Darauf schnitt ich dem Hasen -ein Stücklein vom Ohr. Als wir über dem Mittagsimbiß -saßen, und unser Kostherr nicht bei uns war, -erzählete ich, daß unser Geizhals einen Hasen zu verkaufen -hätte, um den ich ihn zu betrügen gedächte, -wann mir einer von ihnen folgen wollte. Jeder sagte -ja, dann sie hätten unserm Wirt gern vorlängst einen -Schabernack angetan.</p> - -<p>Also verfügten wir uns den Nachmittag auf den -Alten Markt, da unser Kostherr stund, um aufzupassen, -was der Verkäufer lösete. Wir sahen ihn bei vornehmen -Leuten, mit denen er discurierte.</p> - -<p>Ich hatte nun einen Kerl angestellt, der ging zu dem -Höcker, wo der Hase hing:</p> - -<p>»Landsmann, der Has ist mein. Ich nehme ihn als -mein gestohlen Gut auf Recht hinweg. Er ist mir -heut Nacht von meinem Fenster hinweggefischet worden. -Läßt du ihn nicht gutwillig folgen, so gehe ich auf deine -Gefahr und Unrechts Kosten mit dir hin, wo du wilt.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p222" id="Seite_p222">[S. 222]</a></span> - -Der Unterhändler antwortete, er sollte sehen, was -er zu tun hätte. Dort stünde ein vornehmer Herr, der -ihm den Hasen zu verkaufen gegeben und ohn Zweifel -nicht gestohlen habe.</p> - -<p>Als nun die Zween so wortwechselten, bekamen sie -gleich einen Umstand, so unser Geizhals stracks in Acht -nahm und hörete, wieviel die Glocke schlug. Winkte -derohalben dem Unterkäufer, daß er den Hasen folgen -lassen sollte. Mein Kerl aber wußte den Umstehenden -das Stück Ohr zu weisen und an dem Schnitte zu -messen, daß ihm jedermann recht gab.</p> - -<p>Indessen näherte ich mich auch von ungefähr mit -meiner Gesellschaft, stund an dem Kerl, der den Hasen -hatte und fing an mit ihm zu marken, und nachdem -wir des Kaufs eins wurden, stellete ich den Hasen -meinem Kostherrn zu mit Bitte, solchen mit sich heimzunehmen -und auf unsern Tisch zurichten zu lassen, -dem Kerl aber gab ich statt der Bezahlung ein Trinkgeld -zu zwo Kannen Bier. Also mußte uns der Geizhals -den Hasen wider Willen zukommen lassen und -dorfte noch darzu nichts sagen. Dessen wir genug zu -lachen hatten.</p> - - - - -<hr class="chap" /> - -<h2><a name="Das_vierte_Buch" id="Das_vierte_Buch">Das vierte Buch</a></h2> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_erste_Kapitel" id="Buch4_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3> - - -<div class="nopagebreak"> - <img class="drop-cap" src="images/i225_cap.png" width="150" height="157" alt="" /> -</div> - -<p class="drop-cap">Allzuscharf machet schartig und wenn man -den Bogen überspannet, so muß er endlich -zerbrechen. Der Posse, den ich meinem -Kostherren mit dem Hasen riß, war -mir nicht genug. Ich lehrete seine Kostgänger, -wie sie die versalzene Butter -wässern und dadurch das überflüssige Salz herausziehen, -den harten Käs aber wie Parmesaner schaben und mit -Wein anfeuchten sollten, was dem Geizhals lauter Stiche -ins Herz waren. Ich zog durch meine Kunststücke über -Tisch das Wasser aus dem Wein, und machte ein Lied, -darin ich den Geizigen einer Sau vergliche, von der -nichts Gutes zu hoffen sei, bis sie der Metzger tot auf -dem Schragen hätte. Dafür bezahlete er mich mit folgender -Untreue.</p> - -<p>Die zween Jungen von Adel bekamen einen Wechsel -und Befehl von ihren Eltern, sich nach Frankreich zu -begeben und die Sprache zu lernen. Unseres Kostherren -deutscher Knecht war anderwärts auf Reise und dem -wälschen wollte er die Pferde nicht vertrauen. Er bat -mich derowegen, ob ich ihm nicht den großen Dienst -tun und beide Edelleute mit den Pferden nach Paris -führen wollte, weil ohn das meine Sache in vier Wochen -noch nicht erörtert werden könnte, indessen wollte er -hingegen meine Geschäfte, wann ich ihm vollkommene -Gewalt geben würde, so getreulich befördern, als ob -ich selbst gegenwärtig wäre. Die von Adel ersuchten -mich deswegen auch, und mein Fürwitz, Frankreich zu -besehen, riet mir solches gleichfalls, weil ichs jetzt ohn -sondere Unkosten tun konnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p226" id="Seite_p226">[S. 226]</a></span> - -Also macht ich mich mit diesen Edelleuten anstatt -eines Postillions auf den Weg, auf welchem mir nichts -Merkwürdiges zuhanden stieß.</p> - -<p>Da wir nach Paris kamen und bei unseres Kostherren -Korrespondenten, von dem die Edelleute auch -ihre Wechsel empfingen, einkehrten, ward ich den andern -Tag nicht allein mit den Pferden arrestiert, sondern -derjenige, so vorgab, mein Kostherr wäre ihm -eine Summe Geldes schuldig, griffe mit Bewilligung -des Viertels-<span class="antiqua">Commissarii</span> zu und versilberte die Pferde. -Also saß ich da wie Matz von Dresden und wußte -mir selber nicht zu helfen viel weniger zu raten, wie ich -einen so weiten Weg wieder zurückkommen sollte.</p> - -<p>Die von Adel bezeugeten ein groß Mitleiden mit mir -und verehreten mich desto ehrlicher mit einem guten -Trinkgeld, wollten mich auch nicht ehender von sich -lassen, bis ich entweder einen guten Herrn oder eine -Gelegenheit hätte wieder nach Deutschland zu kommen. -Ich hielt mich etliche Tage in ihrem Losament, weil -ich den einen, so etwas unpäßlich war, auswartete. -Demnach ich mich so fein anließ, schenkte er mir sein -Kleid, dann er sich auf die neue Mode kleiden ließ.</p> - -<p>Als ich nun in Zweifel stund, was ich tun sollte, -hörete mich einsmals der <span class="antiqua">Medicus</span>, so meinen kranken -Junker kurieret, auf der Laute schlagen und ein deutsch -Liedlein darein singen. Das gefiele ihm so wohl, daß -er mir eine gute Bestallung anbot samt seinem Tisch, -da ich mich zu ihm begeben und seine zween Söhne -unterrichten wollte, dann er wußte schon besser, wie -mein Handel stund, als ich selbst und, daß ich einen -guten Herrn nicht ausschlagen würde. Ich verdingte -mich aber nicht länger als von einem Vierteljahr zum -andern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p227" id="Seite_p227">[S. 227]</a></span> - -Dieser Doktor redete so gut deutsch als ich und italienisch -wie seine Muttersprache. Als ich nun die Letze -mit meinen Edelleuten zehrte, war er auch dabei. Mir -gingen üble Grillen im Kopf herum, dann da lag mir -mein frischgenommen Weib, mein versprochen Fähnlein -und mein Schatz in Köln im Sinn, von welchem allem -ich mich so leichtfertig hinweg zu begeben hatte bereden -lassen. Ich sagte auch über den Tisch: »Wer weiß, ob -vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hierher -praktizieret, damit er das Meinige zu Köln erheben -und behalten möge.«</p> - -<p>Der Doktor meinte, das könne wohl sein, vornehmlich -wann ich ein Kerl von geringem Herkommen sei.</p> - -<p>»Nein,« antwortete der eine Edelmann, »wann er -zu solchem Ende hierher geschickt worden ist, daß er -hier bleiben solle, so ists darum geschehen, weil er ihm -seines Geizes wegen soviel Drangsal antäte.«</p> - -<p>Der Doktor sagte: »Es sei geschehen, aus was vor -einer Ursache es wolle, so lasse ich wohl gelten, daß -die Sache so angestellt worden, daß Er hier bleiben -muß. Er lasse sich aber das nicht irren. Ich will Ihm -schon wieder mit guter Gelegenheit nach Deutschland -verhelfen. Er schreibe dem <span class="antiqua">Notarius</span> nur, daß er den -Schatz wohl beachte, sonst werde er scharfe Rechenschaft -geben müssen. Es gibet mir einen Argwohn, daß es -ein angestellter Handel sei, weil derjenige, so sich vor -den <span class="antiqua">Creditor</span> dargegeben, Eures Kostherren und seines -hiesigen Korrespondenten sehr guter Freund ist.«</p> - -<p><span class="antiqua">Monsigneur Canard</span>, so hieß mein neuer Herr, erbot -sich mir mit Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich -des Meinigen zu Köln nicht verlustig würde, dann er -sahe wohl, daß ich traurig war. In seiner Wohnung -begehrete er, ich sollte ihm erzählen, wie meine Sachen<span class="pagenum"><a name="Seite_p228" id="Seite_p228">[S. 228]</a></span> -beschaffen wären. Ich gab mich vor einen armen deutschen -Edelmann aus, der weder Vater noch Mutter, -sondern nur etliche Verwandte in einer Festung hätte, -darin schwedische Guarnison läge, welches ich vor meinem -Kostherrn und denen von Adel verborgen hätte, damit -sie das Meinige als ein Gut, so dem Feinde zuständig, -nicht an sich zögen. Meine Meinung wäre, ich wollte -dem Kommandanten der Festung schreiben, als unter -dessen Regiment ich die Stelle eines Fähnrichs hätte, -und ihm berichten, was gestalten ich hierher praktiziert -worden, ihn auch bitten, sich des Meinigen habhaft zu -machen und indessen meinen Freunden zuzustellen.</p> - -<p><span class="antiqua">Canard</span> befand mein Vorhaben ratsam und versprach -mir die Schreiben an ihren Ort zu bestellen, und sollten -sie gleich nach Mexiko oder China lauten.</p> - -<p>Demnach schrieb ich an meine Liebste, an meinen -Schwehervater und den Obristen <span class="antiqua">de S. A.</span>, Kommandanten -in L., an welchen ich auch das <span class="antiqua">Copert</span> richtete -und ihm die übrigen beiden beischloß: Ich wollte mich -mit ehisten wieder einstellen, dann ich nur die Mittel -in die Hand kriegte, eine so weite Reise zu vollenden. -Er und mein Schweher möchten vermittels der <span class="antiqua">Militiae</span> -das Meinige zu bekommen unterstehen, eh Gras darüber -wüchse. Darneben berichtete ich, wieviel es an -Gold, Silber und Kleinodien sei. — Solche Briefe -verfertigte ich <span class="antiqua">in duplo</span>, ein Teil bestellete <span class="antiqua">Mons. Canard</span>, -den andern gab ich auf die Post, damit eins desto -gewisser einliefe.</p> - -<p>Also ward ich wieder fröhlich und ich instruierte -meines Herrn zween Söhne desto leichter. Die wurden -wie die Prinzen erzogen, dann weil <span class="antiqua">Mons. Canard</span> sehr -reich als auch überaus hoffärtig war, wollte er sich -sehen lassen. Welche Krankheit er von großen Herren<span class="pagenum"><a name="Seite_p229" id="Seite_p229">[S. 229]</a></span> -an sich genommen, weil er täglich mit Fürsten umging -und ihnen alles nachäffte.</p> - -<p>Sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in -welcher kein anderer Mangel erschien, als daß man ihn -nicht auch einen gnädigen Herrn nannte. Einen <span class="antiqua">Marquis</span>, -da ihn etwan einer besuchen kam, traktierte er nicht -höher als seinesgleichen. So teilete er zwar auch geringen -Leuten von seinen Arzeneien mit, nahm aber -kein geringstes Geld von ihnen, sondern schenkte ihnen -eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen Namen -haben möchte.</p> - -<p>Weil ich ziemlich <span class="antiqua">curiös</span> war und wußte, daß er mit -meiner Person prangte, als weil ich auch stets in seinem -Laboratorio ihm arzeneien half, davon ich einigermaßen -vertraut mit ihm ward, fragte ich ihn einsmals, warum -er sich nicht von seinem adeligen Sitz her schreibe, den -er neulich nahend Paris um 20000 Kronen gekauft, -<span class="antiqua">item</span> warum er lauter Doktores aus seinen Söhnen zu -machen gedenke und sie so streng studieren lasse, ob -nicht besser wäre, daß er ihnen, wie andern Kavaliers, -irgend Ämter kaufe und sie also vollkommen in den -adeligen Stand treten lasse, den sie durch den Landsitz -schon namensweis erworben hätten.</p> - -<p>»Nein,« sagte er, »wann ich zu einem Fürsten komme, -so heißt es: Herr Doktor, setze Er sich nieder. Zum -Edelmann aber wird gesagt: Wart auf!«</p> - -<p>Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß -ein Arzt dreierlei Angesichter hat: Das erste eines -Engels, wann ihn der Kranke ansichtig wird, das ander -eines Gottes, wann er hilft, das dritte eines Teufels, -wann man gesund ist und ihn wieder abschafft. Also -währet solche Ehrung nicht länger, als solang dem -Kranken der Wind im Leib herumgeht, höret das<span class="pagenum"><a name="Seite_p230" id="Seite_p230">[S. 230]</a></span> -Rumpeln auf, so hat die Ehre ein Ende und heißt -alsdann auch: Doktor, vor der Tür ist's dein! Der -Edelmann kommt aber niemals von des Prinzen Seite. -Auch hat der Herr Doktor neulich etwas von einem -Fürsten in den Mund genommen und demselben seinen -Geschmack abgewinnen müssen, da wollte ich lieber zehn -Jahre stehen und aufwarten, als ich eines andern Kot -versuchete und wanngleich man mich auf Rosen setzte.«</p> - -<p>Er antwortete: »Das muß ich nicht tun, sondern tus -gern. Wann der Fürst sieht, wie sauer michs ankommt, -seinen Zustand recht zu erkunden, wird meine Verehrung -desto größer. Und warum sollte ich dessen Kot nicht -versuchen, der mir etlich hundert Dukaten dafür zum -Lohn gibet? Ihr redet von der Sache wie ein Deutscher. -Wann Ihr aber einer andern Nation wäret, so -wollet ich sagen, Ihr hättet geredet wie ein Narr.«</p> - -<p>Mit dieser Sentenz nahm ich vorlieb.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p231" id="Seite_p231">[S. 231]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_ander_Kapitel" id="Buch4_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin"><span class="antiqua">Mons. Canard</span> hatte täglich viel Schmarotzer und -hielt gleichsam eine freie Tafel. Einsmals besuchte -ihn des Königs Zeremonienmeister und andere -vornehme Personen vom Hof, denen er eine fürstliche -Collation darreichte. Damit er nun denselben seinen -allergeneigtesten Willen erzeugte und ihnen alle Lust -machte, begehrete er, ich wolle ihm zu Ehren und der -ansehnlichen Gesellschaft zu Gefallen ein deutsch Liedlein -in meine Laute hören lassen. Ich folgte gern, weil -ich eben in Laune war und befliß mich derhalben, das -beste Geschirr zu machen.</p> - -<p>Daran fanden die Anwesenden ein solch Ergötzen, -daß der Zeremonienmeister sagte, es wäre immer schade, -daß ich nicht die franzsche Sprache könnte, er wollte -mich trefflich wohl beim König und der Königin anbringen.</p> - -<p>Mein Herr besorgte, ich möchte ihm aus seinen -Diensten entzuckt werden und antwortete, ich sei einer -von Adel, der nicht lange in Frankreich zu verbleiben -gedächte, würde mich demnach schwerlich vor einen -Musikanten gebrauchen lassen.</p> - -<p>Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er seine Tage -nicht eine so seltene Schönheit, eine so klare Stimme -und einen so künstlichen Lautenisten in einer Person -gefunden. Es sollte ehist vorm König in <span class="antiqua">Louvre</span> eine -<span class="antiqua">Comoedia</span> gespielet werden, wann er mich darzu gebrauchen -könnte, so verhoffe er große Ehre mit mir -einzulegen. Das hielt mir <span class="antiqua">Mons. Canard</span> vor, und ich -antwortete, wann man mir sagete, was vor eine Person -ich darstellen und was vor ein Lied ich in meine Laute<span class="pagenum"><a name="Seite_p232" id="Seite_p232">[S. 232]</a></span> -singen sollte, so könnte ich ja beides: Melodeien und -Lieder auswendig lernen, wannschon sie in franzscher -Sprache wären. Als mich der Zeremonienmeister so -willig sahe, mußte ich ihm versprechen den andern Tag -in <span class="antiqua">Louvre</span> zu kommen, um zu probieren. Also stellete -ich mich ein. Die Melodeien schlug ich gleich perfekt -auf dem Instrument, weil ich das Tabulaturbuch vor -mir hatte. Die franzschen Lieder, welche mir zugleich -verdeutscht wurden, kamen mich gar nicht schwer an, -also daß ichs eher konnte, als sichs jemand versahe.</p> - -<p>Ich habe die Zeit meines Lebens keinen so angenehmen -Tag gehabt, als mir derjenige war, an welchem -die <span class="antiqua">Comoedia</span> gespielet ward. <span class="antiqua">Mons. Canard</span> gab mir -etwas ein, meine Stimme desto klärer zu machen; da -er aber meine Schönheit mit <span class="antiqua">oleo talci</span> erhöhen und -meine halbkrausen Haare, die vor Schwärze glitzerten, -verpudern wollte, fand er, daß er mich dadurch nur -entstellet hätte.</p> - -<p>Ich ward mit einem Lorbeerkranz gekrönt und in ein -antiquisch meergrün Kleid angetan, in welchem man mir -den ganzen Hals, den Oberteil der Brust, die Arme bis -hinter die Ellenbogen und die Knie von den halben -Schenkeln an bis auf die halben Waden nackend und -bloß sehen konnte. Um solches schlug ich einen leibfarbenen -taffeten Mantel, der sich mehr einem Feldzeichen vergliche. -In solchem Kleid löffelte ich um meine <span class="antiqua">Eurydice</span>, -rufte die <span class="antiqua">Venus</span> mit einem schönen Liedlein um Beistand -an und brachte endlich meine Liebste davon. In welchem -Akt ich mich trefflich zu stellen und meine Liebste mit -Seufzen und spielenden Augen anzublicken wußte.</p> - -<p>Nachdem ich aber meine <span class="antiqua">Eurydice</span> verloren, zog ich -ein ganz schwarz Habit an, auf die vorige Mode gemacht, -aus welchem meine weiße Haut hervorschien<span class="pagenum"><a name="Seite_p233" id="Seite_p233">[S. 233]</a></span> -wie Schnee. In solchem beklagte ich meine verlorene -Liebste und bildete mir die Sache so erbärmlich ein, -daß mir mitten in meinen traurigen Liedern und Melodeien -die Tränen herausruckten. Bis ich vor <span class="antiqua">Plutonem</span> -und <span class="antiqua">Proserpinam</span> in die Hölle kam, stellete ich denselben -in einem sehr beweglichen Liede die Liebe vor, -so wir beide zusammen trügen, bat mit den allerandächtigsten -Gebärden, und zwar alles in die Harfe singend, -sie sollten mir die <span class="antiqua">Eurydice</span> wieder zukommen lassen, -und bedankte, nachdem ich das Jawort erhalten, mit -einem Liede, wußte dabei das Angesicht, samt Gebärden -und Stimme so fröhlich zu verkehren, daß sich alle -Anwesenden darüber verwunderten. Da ich aber meine -<span class="antiqua">Eurydice</span> wieder unversehens verlor, fing ich an, auf -einem Felsen sitzend, den Verlust mit erbärmlichsten -Worten und einer traurigen Melodei zu beklagen und -alle Kreaturen um Mitleiden anzurufen. Darauf stellten -sich allerhand zahme und wilde Tiere, Berge, Bäume -und dergleichen bei mir ein, also daß es in Wahrheit -ein Ansehen hatte, als ob alles mit Zauberei übernatürlicher -Weise wäre zugerichtet worden. Da ich aber -zuletzt allen Weibern abgesagt und von den Bacchantinnen -erwürget und ins Wasser geworfen ward, daß -man nur meinen Kopf sahe, sollte mich ein erschröcklicher -Drache benagen. Der Kerl aber so im Drachen -stak, denselben zu regieren, konnte meinen Kopf nicht -sehen und ließ das Drachenmaul neben dem meinigen -grasen. Solches kam mir lächerlich vor, daß ich mir -nicht abbrechen konnte, darüber zu schmollen, welches -die Damen, so mich gar wohl betrachteten, in Acht -nahmen.</p> - -<p>Von dieser <span class="antiqua">Comoedia</span> bekam ich neben dem Lob nicht -allein eine treffliche Verehrung, sondern auch einen andern<span class="pagenum"><a name="Seite_p234" id="Seite_p234">[S. 234]</a></span> -Namen, indem mich forthin die Franzosen nicht -anders als <span class="antiqua">Beau Alman</span> nannten. Es wurden noch -mehr dergleichen Spiele und Ballett gehalten, in welchen -ich mich gebrauchen ließ. Ich befand aber zuletzt, daß -ich von den andern geneidet ward, weil ich die Augen -der Zuseher, sonderlich der Weiber, gewaltig auf mich -zog. Tät mich derowegen ab, maßen ich einsmals ziemlich -Stöße kriegte, da ich als ein <span class="antiqua">Herkules</span>, gleichsam -nackend in einer Löwenhaut, mit dem Flußgott <span class="antiqua">Achelous</span> -um die <span class="antiqua">Deianira</span> kämpfte, da er mir's gröber -machte, als in einem Spiel Gebrauch ist. —</p> - -<p>Einsmals kam ein Lakai, der sprach meinen <span class="antiqua">Mons. -Canard</span> an und brachte ihm ein Brieflein, eben als ich -in seinem Laboratorio über alchimistischer Arbeit saß, -dann ich hatte aus Lust bei meinem Doktor manchen -chimischen Prozeß gefördert mit Resolvieren, Sublimieren, -Kalcinieren, Digerieren und unzählig vielen -andern Praktiken.</p> - -<p>»<span class="antiqua">Monsieur Beau Alman</span>,« rief der Doktor, »das -Schreiben betrifft Euch. Es schicket ein vornehmer -Herr, Ihr wollet gleich zu ihm kommen, daß er Euch -ansprechen könnte, ob Euch nicht beliebe, seinen Sohn -auf der Laute zu informieren. Er bittet mit sehr courtoisen -Versprechen, daß ich Euch zurede, Ihr wollet -ihm diesen Gang nicht abschlagen.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Wann ich Euretwegen jemand dienen -könnte, so will ich am Fleiße nicht sparen.«</p> - -<p>Darauf sagte er, ich solle mich anders anziehen, indessen -wolle er mir etwas zu essen machen, dann ich -hätte einen ziemlich weiten Weg zu gehen.</p> - -<p>Also putzte ich mich und verschluckte in Eil etwas -von den Gerichten, sonderlich aber ein paar kleiner delikater -Würstlein, welche mir zwar, als mich deuchte,<span class="pagenum"><a name="Seite_p235" id="Seite_p235">[S. 235]</a></span> -ziemlich stark apothekerten. Ging demnach mit gedachtem -Lakai durch seltsame Umwege eine Stunde lang, -bis wir gegen Abend an eine Gartentür kamen, die nur -zugelehnt war. Der Lakai stieß sie vollends auf und -schlug sie hinter uns zu, führete mich nachgehends in -ein Lusthaus, so in einer Ecke des Gartens stund. -Nachdem wir einen ziemlich langen Gang passierten, -klopfte er vor einer Tür, so von einer alten adeligen -Dame stracks aufgemachet ward. Diese hieß mich in -deutscher Sprache sehr höflich willkommen und zu ihr -vollends hineintreten. Der Lakai aber, so kein Deutsch -konnte, nahm mit tiefer Reverenz Abschied.</p> - -<p>Die Alte führte mich bei der Hand vollends in das -Zimmer, das rundumher mit köstlichen Tapeten behängt -und sonsten auch schön gezieret war. Sie hieß mich -niedersitzen, damit ich verschnaufen und zugleich vernehmen -könnte, aus was Ursachen ich an diesen Ort -geholet worden.</p> - -<p>Ich folgte gern und satzte mich auf einen Sessel, den -sie mir zum Feuer stellete, sie aber ließ sich neben mir -auf einen andern nieder und sagte:</p> - -<p>»<span class="antiqua">Monsieur</span>, wann Er etwas von den Kräften der Liebe -weiß, daß nämlich solche die allertapfersten, stärksten -und klügsten Männer überwältige und zu beherrschen -pflege, so wird Er sich umso viel mehr desto weniger -verwundern, wann dieselbe auch ein schwaches Weibsbild -meistert. Er ist nicht der Laute halber, wie man -Ihn und <span class="antiqua">Mon. Canard</span> überredet hat, von einem Herrn, -aber wohl seiner übertrefflichen Schönheit halber von -der allervortrefflichsten Dame in Paris hierher berufen -worden. Sie versiehet sich allbereits des Todes, so sie -nicht bald des Herren überirdische Gestalt zu beschauen -und sich daran zu erquicken das Glück haben sollte.<span class="pagenum"><a name="Seite_p236" id="Seite_p236">[S. 236]</a></span> -Derowegen hat sie mir befohlen, dem Herrn, als meinem -Landsmann, solches anzuzeigen und ihn höher zu bitten -als <span class="antiqua">Venus</span> ihren <span class="antiqua">Adonis</span>, daß er diesen Abend sich bei -ihr einfinden und seine Schönheit genugsam von ihr -betrachten lasse, welches er ihr hoffentlich als einer vornehmen -Dame nicht abschlagen wird.«</p> - -<p>Ich antwortete: »<span class="antiqua">Madame</span>, ich weiß nicht, was ich -denken, viel weniger hierauf sagen soll. Ich erkenne -mich nicht darnach beschaffen zu sein, daß eine Dame -von so hoher Qualität nach meiner Wenigkeit verlangen -sollte. Wann die Dame, so mich zu sehen begehret, -so vortrefflich und vornehm sei, als mir meine hochgeehrte -Frau Landsmännin vorbringt, so hätte sie wohl -bei früher Tageszeit nach mir schicken dörfen und mich -nicht erst hierher an diesen einsamen Ort bei so spätem -Abend berufen. Was habe ich in diesem Garten zu tun? -Meine Landsmännin vergebe, wann ich als verlassener -Fremder in die Forcht gerate, man wolle mich auch sonst -hintergehen. Sollte ich aber merken, daß man mir so -verräterisch mit bösen Tücken an den Leib wollte, -würde ich vor meinem Tode den Degen zu gebrauchen -wissen.«</p> - -<p>»Sachte, sachte, mein hochgeehrter Herr Landsmann, -Er lasse diese unmutigen Gedanken aus dem Sinn. Die -Weibsbilder sind seltsam und vorsichtig in ihren Anschlägen, -daß man sich nicht gleich anfangs so leicht -darein schicken kann. Wann diejenige, die Ihn über alles -liebet, gern hätte, daß Er Wissenschaft von ihrer Person -haben sollte, so hätte sie Ihn freilich nicht erst hierher, -sondern den geraden Weg zu sich kommen lassen. -Dort liegt eine Kappe, die muß der Herr ohndas erst -aufsetzen, wann Er zu ihr geführt wird, weil sie auch -sogar nicht will, daß Er den Ort, geschweige, bei wem<span class="pagenum"><a name="Seite_p237" id="Seite_p237">[S. 237]</a></span> -er gesteckt, wissen sollte. Bitte und ermahne demnach -den Herrn so hoch als ich immer kann, Er zeige sich -gegen diese Dame so, wie es ihre Hoheit als auch ihre -gegen Ihn tragende unaussprechliche Liebe meritiert. -Anders wolle Er gewärtig sein, daß sie mächtig genug -sei, seinen Hochmut und Verachtung auch in diesem -Augenblick zu strafen.«</p> - -<p>Es ward allgemach finster und ich hatte allerhand -Sorgen und forchtsame Gedanken, also daß ich wie ein -geschnitzt Bild dasaß. Konnte mir wohl auch einbilden, -daß ich diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen -könnte. So willigte ich denn in alles, so man mir zumutete, -und sagte der Alten: »Wenn ihm dann so ist, -wie Sie vorgebracht, so vertraue ich meine Person -Ihrer angeborenen deutschen Redlichkeit, der Hoffnung, -sie werde nicht zulassen, daß einem unschuldigen Deutschen -eine Untreue widerführe. Sie vollbringe also, was -Ihr befohlen.«</p> - -<p>»Ei, behüte Gott, Er wird mehr Ergötzen finden, -als Er sich hat sein Tag niemals einbilden dörfen!«</p> - -<p>Sie rief: <span class="antiqua">Jean</span>, <span class="antiqua">Pierre</span>! — alsobald traten diese in -vollem, blanken Küraß, vom Scheitel bis auf die Fußsohle -gewaffnet, mit einer Hellebarden und Pistolen in -Händen, hinter einer Tapezerei herfür. Davon ich dergestalt -erschrak, daß ich mich entfärbte. Die Alte ward -solches lächelnd gewahr.</p> - -<p>»Man muß sich nicht förchten, wenn man zum Frauenzimmer -gehet.«</p> - -<p>Sie befahl den beiden ihren Harnisch abzulegen, die -Laterne zu nehmen und nur mit ihren Pistolen zu folgen. -Demnach streifte sie mir die schwarze Sammetkappe -über den Kopf und führete mich an der Hand durch seltsame -Wege.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p238" id="Seite_p238">[S. 238]</a></span> - -Ich spürte wohl, daß ich durch viel Türen und auch -über einen gepflasterten Weg passierte. Endlich mußte -ich etwan eine halbe Viertelstunde eine kleine steinerne -Stiege steigen, da tät sich ein Türlein auf, von dannen -kam ich über einen belegten Gang und mußte eine -Wendelstiege hinauf, folgends etliche Staffeln wieder -hinab, allda sich etwa sechs Schritte weiters eine Tür -öffnete.</p> - -<p>Als ich endlich durch solche kam, zog mir die Alte -die Kappe wieder herunter. Da befand ich mich in -einem Saal, der überaus zierlich aufgeputzt war. Die -Wände waren mit schönen Gemälden, der Tresor mit -Silbergeschirr und das Bette, so darin stund, mit Umhängen -von göldenen Stücken gezieret. In der Mitten -stund der Tisch, prächtig gedeckt, und bei dem Feuer befand -sich eine Badewanne, die wohl hübsch war, aber -meinem Bedünken nach schändete sie den ganzen Saal.</p> - -<p>Die Alte sagte zu mir: »Nun willkommen, Herr -Landsmann, kann Er noch sagen, daß man Ihn mit -Verräterei hintergehe? Er lege nur allen Unmut ab -und erzeige sich wie neulich auf dem Theatro, da er -seine <span class="antiqua">Eurydice</span> wieder erhielt. Er wird hier, ich versichere, -eine schönere antreffen, als Er dort eine verloren.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p239" id="Seite_p239">[S. 239]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_dritte_Kapitel" id="Buch4_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich merkte schon an diesen Worten, daß ich mich -nicht nur an diesem Ort beschauen lassen, sondern -noch gar was anderes tun sollte. Sagte derowegen -zu der Alten:</p> - -<p>»Es ist einem Durstigen wenig damit geholfen, wann -er bei einem verbotenen Brunnen sitzt.«</p> - -<p>Sie antwortete, man sei in Frankreich und also nicht -so mißgünstig, daß man einem das Wasser verbiete, -sonderlich, wo dessen ein Überfluß sei.</p> - -<p>»Ja,« sagte ich, »Sie saget mir wohl davon, wann -ich nicht schon verheiratet wäre.«</p> - -<p>»Das sind Possen,« meinte das gottlose Weib, »man -wird Euch solches nicht glauben, dann die verehelichten -Kavaliers ziehen selten nach Frankreich. Und wenngleich -dem so wäre, kann ich nicht glauben, daß der Herr so -albern sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden -Brunnen zu trinken.«</p> - -<p>Dies war unser Diskurs, dieweil mir eine adelige -Jungfer, so das Feuer pflegte, Schuhe und Strümpfe -auszog, die ich überall im Finstern besudelt hatte, wie -dann Paris ohn das eine sehr kotige Stadt ist.</p> - -<p>Gleich darauf kam Befehl, daß man mich noch vor -dem Essen baden sollte, dann bemeldtes Jungfräulein -ging ab und zu und brachte Badezeug, so alles nach -Bisem und wohlriechender Seife duftete. Das leinen -Gerät war von reinstem Kammertuch und mit teueren -holländischen Spitzen besetzt.</p> - -<p>Ich wollte mich schämen und vor der Alten nicht -nackend sehen lassen, aber es half nichts, ich mußte dran<span class="pagenum"><a name="Seite_p240" id="Seite_p240">[S. 240]</a></span> -und mich von ihr ausreiben lassen, das Jungfergen -mußte eine Weile abtreten.</p> - -<p>Nach dem Bad ward mir ein zartes Hemd gegeben -und ein köstlicher Schlafpelz von veielblauem Taffet -angelegt, samt ein Paar Strümpfen von gleicher Farbe. -So war meine Schlafhaube samt den Pantoffeln mit -Gold und Perlen gestickt, also daß ich nach dem Bad -dort saß zu protzen wie der Herzkönig.</p> - -<p>Indessen mir nun meine Alte das Haar trücknete und -kämpelte trug mehrgemeldtes Jungfergen die Speisen -auf, und nachdem der Tisch überstellet war, traten drei -heroische Damen in den Saal, welche ihre Alabasterbrüstlein -zwar ziemlich weit entblößt trugen, vor den -Angesichtern aber ganz vermaskiert waren.</p> - -<p>Sie dünkten mich alle drei vortrefflich schön zu sein, -aber doch war eine viel schöner als die andern. Ich -machte ihnen ganz stillschweigend einen Bückling und -sie bedankten sich mit der gleichen Zeremonie, welches -natürlich aussahe, als ob etliche Stumme beieinander -seien. Sie satzten sich alle drei zugleich, daß ich nicht -erraten konnte, welche die Vornehmste gewesen.</p> - -<p>Der ersten Rede war, ob ich nicht französisch könnte. -Meine Landsmännin sagte nein. Hierauf befahl ihr die -andre, sie solle mir sagen, ich wollte belieben niederzusitzen. -Dann bedeutete die Dritte der Alten, sie solle sich -auch setzen. Woraus ich abermal nicht abnehmen konnte, -welche die Vornehmste unter ihnen war.</p> - -<p>Ich saß neben dem alten Gerippe und sie blickten -mich alle drei sehr anmütig, lieb- und huldreich an, -und ich dörfte schwören, daß sie viel hundert Seufzer -gehen ließen.</p> - -<p>Meine Alte fragte mich, welche ich unter den dreien -vor die Schönste hielte. Ich antwortete, daß einem die<span class="pagenum"><a name="Seite_p241" id="Seite_p241">[S. 241]</a></span> -Wahl wehe tue. Hierüber fing sie an zu lachen, daß -man alle vier Zähne sahe, die sie noch im Maul hatte, -und sagte: »Warum das?«</p> - -<p>»Soviel ich sehe, sein alle drei nit häßlich.«</p> - -<p>Dieses ward die Alte gefragt und sie log darzu, ich -hätte gesagt, einer jeden Mund wäre hunderttausend Mal -Küssens wert, dann ich konnte ihre Mäuler unter den -Masken wohl sehen. Ich stellete mich unter all diesem -Diskurs über Tisch, als ob ich kein Wort französisch -verstünde.</p> - -<p>Weil es nun so still herging, machten wir desto früher -Feierabend. Die Damen wünschten eine gute Nacht und -gingen ihres Wegs, ich durfte aber das Geleite nicht -weiter als bis an die Tür geben, so die Alte gleich -nach ihnen zuriegelte.</p> - -<p>Ich fragte, wo ich dann schlafen müßte. Sie sagte, -ich müßte bei ihr in gegenwärtigem Bette vorlieb -nehmen. Ich meinte das Bette wäre immerhin gut -genug.</p> - -<p>Indem wir so plauderten, zog eine schöne Dame den -Bettvorhang etwas zurück und sagte der Alten, sie solle -aufhören zu schwätzen und schlafen gehen. Stracks nahm -ich ihr das Licht und wollte sehen, wer im Bette läge. -Sie aber löschte solches aus.</p> - -<p>»Herr, wann Ihm sein Kopf lieb ist, so unterstehe -er sich dessen nicht, was Er im Sinne hat. Er sei versichert, -da Er im Ernst sich bemühen wird, diese Dame -wider ihren Willen zu sehen, daß Er nimmermehr -lebendig von hinnen kommt.«</p> - -<p>Damit ging sie durch und beschloß die Tür. Die -Jungfer aber, so dem Feur gewartet, löschte es vollends -aus und ging hinter einer Tapezerei durch eine verborgene -Tür hinweg.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p242" id="Seite_p242">[S. 242]</a></span> - -»<span class="antiqua">Allez, monsieur Beau Aleman</span>, geh slaff mein 'erz, -gomm, rick su mir!«</p> - -<p>Soviel hatte ihr die Alte Deutsch gelernet. Ich begab -mich zum Bette, zu sehen, wie dann dem Ding zu helfen -sein möchte, sobald ich aber hinzu kam, fiel sie mir um -den Hals und bisse mir vor Hitze schier die unter Lefzen -herab, ja, sie fing an das Hemd gleichsam zu zerreißen, -zog mich also zu sich und stellete sich vor unsinniger -Liebe also an, daß nicht auszusagen.</p> - -<p>Sie konnte nichts anders Deutsch als: Rick su mir, -mein 'erz! — das übrige gab sie sonst zu verstehen.</p> - -<p>Ich dachte zwar heim an meine Liebste, aber was -half es. Ich war leider ein Mensch und fand eine so -wohlproportionierte Kreatur, daß ich ein Holzblock -hätte sein müssen. —</p> - -<p>Dergestalt brachte ich acht Täge an diesem Orte zu. -Nach geendigter Zeit satzte man mich im Hof mit verbundenen -Augen in eine zugemachte Kutsche zu meiner -Alten, die mir unterwegs die Augen wieder aufband. -Man führete mich in meines Herren Hof, und die -Kutsche fuhr wieder schnell hinweg. Meine Verehrung -waren zweihundert Dukaten, und da ich die Alte fragte, -ob ich niemand kein Trinkgeld davon geben könnte, -sagte sie, bei Leibe nicht!</p> - -<p>Nachgehends bekam ich noch mehr dergleichen Kunden, -welche es mir endlich so grob machten, daß ich der -Narrenposse ganz überdrüssig ward.</p> - -<p>Auch fing ich an und ging in mich selber, nicht zwar -aus Gottseligkeit oder Trieb meines Gewissens, sondern -aus Sorge, daß ich einmal auf solch einer Kirchweih -erdappt und nach Verdienst bezahlt würde. An -Geld und andern Sachen hatte ich so viel Verehrungen -zusammen, daß mir Angst dabei ward und ich mich<span class="pagenum"><a name="Seite_p243" id="Seite_p243">[S. 243]</a></span> -nicht mehr verwunderte, daß sich die Weibsbilder aus -dieser viehischen Unfläterei ein Handwerk machen.</p> - -<p>Derhalben trachtete ich wieder nach Deutschland zu -kommen und das umso viel mehr, weil der Kommandant -zu L. mir geschrieben hatte, daß er etliche kölnische -Kaufleute bei den Köpfen gekriegt, die er nit -aus den Händen lassen wollte, es seien ihm dann meine -Sachen zuvor eingehändiget, <span class="antiqua">item</span> daß er mir das versprochene -Fähnlein aufhalte und meiner noch im Frühling -gewärtig sei, dann sonst müßte er die Stelle mit -einem andern besetzen.</p> - -<p>So schickte mir mein Weib auch ein Brieflein darbei, -das voll liebreicher Bezeugung ihres großen Verlangens -war. Hätte sie aber gewußt, wie ich so ehrbar -gelebet, so sollte sie mir wohl einen andern Gruß -hineingesetzt haben.</p> - -<p>Ich konnte mir wohl einbilden, daß ich mit <span class="antiqua">Monsignore -Canards</span> Einwilligung schwer hinweg käme, -gedachte derhalben heimlich durch zu gehen. Und als ich -einsmals etliche Offizierer von der weimarischen Armee -antraf, gab ich mich ihnen als Fähnrich von des Obristen -<span class="antiqua">de S. A.</span> Regiment zu erkennen mit Bitte, sie -wollten mich in ihrer Gesellschaft als Reisegefährten -mitnehmen, da ich meiner Geschäfte in Paris ledig sei. -Also eröffneten sie mir den Tag ihres Aufbruches und -nahmen mich willig mit. An <span class="antiqua">Mons. Canard</span> schrieb ich -aber zurück und datierte zu Mastrich, damit er meinen -sollte, ich wäre auf Köln gegangen, und nahm meinen -Abschied mit Vermelden, daß mir unmöglich gewesen -länger zu bleiben, weil ich seine aromatischen Würstlein -nicht mehr hätte verdauen können.</p> - -<p>Im zweiten Nachtläger von Paris aus ward mir -wie einem, der den Rotlauf bekommt. Mein Kopf tät<span class="pagenum"><a name="Seite_p244" id="Seite_p244">[S. 244]</a></span> -mir so grausam weh, daß mir unmöglich war aufzustehen. -Ich lag in einem gar schlechten Dorf, darin ich -keinen <span class="antiqua">Medicum</span> haben konnte, und was das ärgste -war, so hatte ich auch niemand, der meiner wartete, dann -die Offizierer reisten des Morgens früh ihres Weges -fort gegen den Elsaß zu. Sie ließen mich als einen, -der sie nichts anginge, gleichsam todkrank daliegen. -Doch hinterließen sie bei dem Schulzen, daß er mich -als einen Kriegsoffizier, der dem König diene, beobachten -sollte.</p> - -<p>Also lag ich ein paar Tage dort, daß ich nichts von -mir selber wußte, sondern wie ein Hirnschelliger fabelte. -Man brachte den Pfaffen, derselbe konnte aber nichts -Verständiges von mir vernehmen. Doch gedachte er auf -Mittel, mir nach Vermögen zu Hilfe zu kommen, allermaßen -er mir eine Ader öffnen, einen Schweißtrank -eingeben und mich in ein warmes Bette legen ließ, zu -schwitzen. Das bekam mir so wohl, daß ich mich in -derselben Nacht wieder besann, wo ich war.</p> - -<p>Am folgenden Tag fand mich der Pfaffe ganz desperat, -dieweil mir nicht allein all mein Geld, es waren fünf -hundert Dublonen, entführt war, sondern auch ich nicht -anders vermeinte, als hätte ich <span class="antiqua">salva venia</span> die lieben -Franzosenblatteren, weil sie mir billiger als die Dublonen -gebühreten. Ich war auch über den ganzen Leib -so voller Flecken als wie ein Tieger, konnte weder gehen, -stehen, sitzen, liegen und war auch keine Geduld bei mir. -Ja, ich stellete mich nicht anders, als ob ich ganz hätte -verzweifeln wollen, daß also der gute Pfarrer genug -an mir zu trösten hatte, weil mich der Schuh an -zweien Orten so heftig druckte.</p> - -<p>»Nach dem Geld fragte ich nichts, wann ich nur -diese abscheuliche, verfluchte Krankheit nicht am Hals<span class="pagenum"><a name="Seite_p245" id="Seite_p245">[S. 245]</a></span> -hätte oder wäre an Ort und Enden, da ich wieder -kuriert werden könnte!«</p> - -<p>»Ihr müßt Euch gedulden. Wie müßten erst die -armen, kleinen Kinder tun, deren im hießigen Dorf -über fünfzig daran krank liegen.«</p> - -<p>Wie ich hörete, daß auch Kinder damit behaftet, -war ich alsbald herzhafter, dann ich konnte ja leicht -gedenken, daß selbige jene garstige Seuch nit kriegen -würden, nahm derowegen mein Felleisen zur Hand und -suchte, was es etwan noch vermöchte. Da war ohn -das weiße Zeug nicht Schätzbares drin, als eine Kapsel -mit einer Damen Conterfait, rund herum mit Rubinen -besetzt, so mir eine zu Paris verehret hatte. Ich nahm -das Conterfait heraus und stellete das übrige dem -Pfarrer zu mit Bitte, solches in der nächsten Stadt -zu versilbern. Auch mein Klepper mußte dran glauben. -Damit reichte ich kärglich aus, bis die Blattern anfingen -zu dörren und mir besser ward.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p246" id="Seite_p246">[S. 246]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_vierte_Kapitel" id="Buch4_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Womit einer sündiget, damit pflegt er auch gestraft -zu werden. Die Kindsblattern richteten mich -dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den Weibsbildern gute -Ruhe hatte. Ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich -aussahe wie eine Scheurtenne, darauf man Erbsen gedroschen. -Ja, ich ward so häßlich, daß sich mein schönes, -krauses Haar, in welchem sich so manch Weibsbild verstrickt, -meiner schämte und seine Heimat verließ, daß -ich also notwendig eine Perücke tragen mußte. Meine -liebliche Stimme ging als auch dahin, dann ich den -Hals voller Blattern gehabt. Meine Augen, die man -hiebevor niemalen ohne Liebesfeuer finden konnte, eine -jede zu entzünden, sahen jetzt rot und triefend aus wie -die eines achtzigjährigen Weibes. Über das alles war -ich in fremden Landen, kannte weder Hund noch Menschen, -verstund die Sprache kaum und hatte allbereits -kein Geld.</p> - -<p>Da fing ich erst an hinter sich zu denken und die -herrliche Gelegenheit zu bejammern, die mir hiebevor -zur Beförderung meiner Wohlfahrt angestanden, ich -aber so liederlich hatte verstreichen lassen. Ich merkte, -daß mein außergewöhnlich Kriegsglück und mein gefundener -Schatz nur Ursache und Vorbereitung zu meinem -Unglück gewesen. Da war kein Einsiedel mehr, der -es treulich mit mir meinete, kein Pfarrer, der mir das -Beste riete. Da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte -auch fort und meine Gelegenheit anderswo suchen. O -schnelle, unglückselige Veränderung! Vor vier Wochen -war ich ein Kerl, der die Fürsten zur Verwunderung -bewegte, das Frauenzimmer entzuckte, dem Volk als ein<span class="pagenum"><a name="Seite_p247" id="Seite_p247">[S. 247]</a></span> -Meisterstück der Natur, ja, ein Engel vorkam, jetzt -aber so unwert, daß mich die Hunde anpißten.</p> - -<p>Der Wirt stieß mich aus dem Haus, da ich nicht bezahlen -konnte, kein Werber wollte mich vor einen Soldaten -annehmen, weil ich wie ein grintiger Kuckuck -aussahe, arbeiten konnte ich nit, dann ich war noch zu -matt und keiner Arbeit gewohnt. Mich tröstete allein, -daß es gegen den Sommer ging und ich mich zur Not -hinter einer Hecken behelfen konnte, weil mich niemand -mehr im Hause litt. Mein stattlich Kleid und Leinenzeug -wollte mir niemand abkaufen, weil jeder sorgte, ich -möchte ihm auch eine Krankheit damit an den Hals hängen.</p> - -<p>Ich nahms also auf den Buckel, den Degen in die -Hand und den Weg unter die Füße, der mich in ein -klein Städtlein trug, so gleich wohl über eine eigene -Apotheke vermochte. In dieselbe ging ich und ließ mir -eine Salbe zurichten, die mir die Blatternnarben im Gesicht -vertreiben sollte. Ich gab ein schön, zart Hemd davor.</p> - -<p>Es war ein Markt daselbst, und auf demselben befand -sich ein Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da -er doch liederlich Ding den Leuten dafür anhing.</p> - -<p>»Narr,« sagte ich zu mir selber, »was machst du, -daß du nicht auch so einen Kram aufrichtest! Bist du -so lang bei <span class="antiqua">Mons. Canard</span> gewesen und hast nicht so viel -gelernt, einen einfältigen Baur zu betrügen und dein -Maulfutter davon zu gewinnen? Da mußt du wohl -ein elender Tropf sein.«</p> - -<p>Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann -mein Magen war nicht zu ersättigen. Ich hatte aber -nur noch einen einzigen göldenen Ring mit einem -Diamant, der etwa zwenzig Kronen wert war. Den -versilberte ich um zwölfe und resolvierte mich, ein Arzt -zu werden. Kaufte die Materialia zu einem Theriak<span class="pagenum"><a name="Seite_p248" id="Seite_p248">[S. 248]</a></span> -und richtete ihn zu für kleine Städt und Flecken. Vor -die Bauren aber nahm ich ein Teil Wacholderlatwerge, -vermischte solches mit Eichenlaub, Weidenblättern und -dergleichen herben Ingredienzien, alsdann machte ich -auch aus Kräutern, Wurzeln, Blättern und etlichen -Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit -man wohl ein gedruckt Pferd hätte heilen können, -<span class="antiqua">item</span> aus Galmei, Kieselsteinen, Krebsaugen, Schmirgel -und Trippel ein Pulver, weiße Zähne damit zu machen, -ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Ammoniak -und Kampfer vor Mundfäule, Zähn- und Augenweh. -Ich bekam auch einen Haufen blecherner und hölzerner -Büchslein, Papier und Gläslein, meine Ware darein -zu schmieren. Damit es auch ein Ansehen haben möchte, -ließ ich mir einen französischen Zettel koncipieren und -drucken, darin man sehen konnte, wozu ein und das -ander gut war. Ich hatte kaum drei Kronen in die -Apotheke und vor Geschirr angewendet und war in -drei Tagen fertig. Also packte ich auf und nahm mir -vor, von einem Dorf zum andern bis in das Elsaß -hinein zu streichen und endlich zu meinem Weib zu finden.</p> - -<p>Da ich das erste Mal mit meiner Quacksalberei vor -eine Kirche kam und feil hatte, war die Losung gar -schlecht, weil ich noch viel zu blöd war. Sahe demnach -gleich, daß ichs anders angreifen müßte. Im Wirtshaus -vernahm ich über Tisch vom Wirt, daß den -Nachmittag allerhand Leute unter der Linden vor -seinem Haus zusammenkommen würden, da dörfte ich -wohl so etwas verkaufen, wann man nur an einer -Probe vor Augen sähe, daß mein Theriak ausbündig -gut wäre. Als ich dergestalt vernommen, woran es -mangele, bekam ich ein halbes Trinkgläslein voll gutem -Straßburger Branntewein und fing eine Art Kroten,<span class="pagenum"><a name="Seite_p249" id="Seite_p249">[S. 249]</a></span> -so in den unsauberen Pfützen sitzen und singen, sind -fast rotgelb unten am Bauch schwarz gescheckigt, gar -unlustig anzusehen. Ein solche satzte ich in ein Schoppenglas -mit Wasser und stellets neben meine Ware auf -den Tisch unter der Linde. Wie sich nun die Leute versammleten -und um mich herumstunden, vermeineten -etliche, ich würde mit der Zange, so ich von dem Wirte -aus der Kuchen entlehnet, die Zähn ausbrechen, ich -aber fing an:</p> - -<p>»Ihr Herren und gueti Freund, bin ich kein Brech-dir-die-Zahn-aus, -allein hab ich gut Wasser vor die Aug, -es mag all die Flüß aus die rote Aug ...«</p> - -<p>»Ja,« antwortete einer, »man siehets an Euren -Augen wohl, die sehen ja aus wie zween Irrwische!«</p> - -<p>»Das ist wahr, wann ich aber der Wasser vor mich -nicht hab, so wär ich wohl gar blind werd. Ich verkauf -sonst das Wasser nit. Der Theriak und das Pulver -vor die weiße Zähn und das Wundsalb will ich verkauf -und der Wasser noch darzu schenk! Ich bin kein -Schreier und Bescheiß-dir-die-Leut. Hab ich mein Theriak -feil, wann ich sie hab probiert, und sie dir nit gefallt, -so darfst du sie nit kauf ab.«</p> - -<p>Indem ließ ich einen von meinem Umstand aus den -Theriakbüchslein wählen, daraus tät ich etwan eine -Erbse groß in meinen Branntewein, den die Leute vor -Wasser ansahen, zerrieb den Theriak darin und kriegte -mit der Zange die Krot zu fassen.</p> - -<p>»Secht ihr, gueti Freund, wann dies giftig Wurm -kann mein Theriak trink und sterbe nit, do ist der Ding -nit nutz, dann kauf ihr nur nit ab.«</p> - -<p>Hiemit steckte ich die arme Krote, welche im Wasser -geboren und erzogen, in meinen Branntewein und hielt -ihn mit einem Papier zu, daß die Krot nicht herausspringen<span class="pagenum"><a name="Seite_p250" id="Seite_p250">[S. 250]</a></span> -konnte. Da fing sie dergestalt an darin zu -wüten und zu zablen, ja viel ärger zu tun, als ob ichs -auf glühend Kohlen geworfen hätte, und streckte endlich -alle vier von sich.</p> - -<p>Die Bauren sperrten Maul und Beutel auf, da war -in ihrem Sinn kein besserer Theriak als der meinige, -und ich hatte genug zu tun, den Plunder in die Zettel -zu wickeln und Geld davor einzunehmen. Es kauften -etliche drei-, vier-, fünf- und sechsfach, damit sie auf den -Notfall mit so köstlicher Giftlatwerge versehen wären, -ja, sie kauften auch vor ihre Freunde und Verwandten.</p> - -<p>Ich machte mich noch dieselbe Nacht in ein anderes Dorf, -weil ich besorgte, es möchte etwan auch ein Baur so kurios -sein und eine Kroten in ein Wasser setzen, meinen Theriak -zu probieren, und mir der Buckel geraumet werden.</p> - -<p>Damit ich aber gleichwohl die Vortrefflichkeit meiner -Giftlatwerge auf eine andere Manier erweisen könnte, -machte ich mir aus Mehl, Safran und Gallus einen -gelben <span class="antiqua">Arsenicum</span> und aus Mehl und Vitriol einen -<span class="antiqua">Mercurium Sublimatum</span>. Wann ich die Probe tun -wollte, hatte ich zwei gleiche Gläser mit frischem Wasser -auf dem Tisch, davon das eine ziemlich stark mit <span class="antiqua">Aqua -Fort</span> oder <span class="antiqua">Spiritus Victril</span> vermischt war. In dasselbe -zerrührte ich ein wenig von meinem Theriak und schabte -alsdann von meinen beiden Giften so viel, als genug war, -hinein. Davon ward das eine Wasser, so keinen Theriak -und also auch kein <span class="antiqua">Aqua Fort</span> hatte, so schwarz als Tinte, -das andre blieb wegen des Scheidewassers wie es war.</p> - -<p>»Ha,« sagten dann die Leute, »das ist fürwahr ein -köstlicher Theriak um so ein gering Geld!«</p> - -<p>Wann ich aber beide untereinander goß, so ward -wieder alles klar. Davon zogen die guten Bauren ihre -Beutel und ich kam glücklich an die deutsche Grenze.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p251" id="Seite_p251">[S. 251]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch4_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Da ich durch Lothringen passierte ging mir meine -Ware aus und also auch meine Gläslein. Demnach -ich aber von einer Glashütte im fleckensteinischen -Gebiet hörete, begab ich mich darauf zu, mich wieder -zu montieren. Und indem ich Abwege suchte, weilen ich -die Guarnisonen scheuete, ward ich ungefähr von einer -Partei aus Philippsburg, die sich auf dem Schloß -Wagelnburg aufhielt, gefangen. Der Baur, so mir den -Weg zu weisen mitgegangen war, hatte den Kerln gesagt, -ich sei ein Doctor, ward also wider des Teufels -Dank vor einen Doctor nach Philippsburg geführet.</p> - -<p>Ich scheuete mich gar nicht zu sagen, wer ich wäre, -aber ich sollte ein Doctor sein. Ich schwor, daß ich -unter die kaiserlichen Dragoner nach Soest gehörig, aber -es hieß, der Kaiser brauche sowohl in Philippsburg -als in Soest Soldaten, man würde mir bei ihnen -Aufenthalt geben, wann mir dieser Vorschlag nicht -schmecke, so möchte ich mit dem Stockhaus vorlieb -nehmen.</p> - -<p>Also kam ich vom Pferd auf den Esel und mußte -wider Willen Musketierer sein. Das kam mir blutsauer -an, weil der Schmalhans dort herrschte und das Kommißbrot -schröcklich klein war. Und die Wahrheit zu bekennen, -so ist es wohl eine elende Kreatur um einen -Musketierer in einer Guarnison. Dann da ist keiner -anders als ein Gefangener, der mit Wasser und Brot -der Trübsal sein armseliges Leben verzögert. Ja, ein -Gefangener hat es noch besser, dann er darf weder -wachen, Runden gehen, noch Schildwacht stehen, sondern -bleibt in seiner Ruhe liegen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p252" id="Seite_p252">[S. 252]</a></span> - -Etliche nahmen, und sollten es auch verloffene Huren -gewesen sein, in solchem Elend keiner andern Ursache -halber Weiber, als daß sie von solchen entweder durch -Arbeiten als nähen, wäschen, spinnen oder krämpeln -und schachern und gar stehlen ernähret würden. Da war -eine Fähnrichin unter den Weibern, die hatte eine Gage -wie ein Gefreiter. Eine andre war Hebamme und brachte -dadurch sich selbsten und ihrem Mann manchen Schmauß -zuwege. Eine andre konnte stärken und wäschen, andre -verkauften Tobak und versahen die Kerle mit Pfeifen, -andere handelten mit Branntewein und eine war eine -Näherin. Es gab ihrer, die sich blöslich vom Felde -ernähreten: im Winter gruben sie Schnecken, im Frühling -ernteten sie Salat, im Sommer nahmen sie Vogelnester -aus, im Herbste wußten sie sonst tausenderlei -Schnabelweide zu kriegen. Solcher Gestalt nun meine -Nahrung zu haben, war nicht vor mich, dann ich hatte -schon ein Weib. Zur Arbeit auf der Schanze war ich -zu faul, ein Handwerk hatte ich Tropf nie gelernet und -einen Musikanten hatte man in dem Hungerland nicht -vonnöten. Auf Partei zu gehen ward mir nicht vertraut. -Etliche konnten besser mausen als Katzen, ich -aber haßte solche Hantierung wie die Pest. <span class="antiqua">In summa</span> -wo ich mich nur hinkehrete, da konnte ich nichts ergreifen, -das meinen Magen hätte stillen mögen. »Du -sollst ein Doctor sein,« sagten sie mir, »und kannst -anders keine Kunst als Hunger leiden.«</p> - -<p>Zuletzt war anderer Unglück mein Glück, dann nachdem -ich etliche Gelbsüchtige und ein paar Fiebernde -kurierte, die einen besonderen Glauben an mich gehabt -haben müssen, ward mir erlaubt, vor die Festung zu -gehen, meinem Vorwande nach Wurzeln und Kräuter -zu meinen Arzneien zu sammeln. Da richtete ich hingegen<span class="pagenum"><a name="Seite_p253" id="Seite_p253">[S. 253]</a></span> -den Hasen mit Stricken und fing die erste Nacht -zween. Dieselben brachte ich dem Obristen und erhielt -dadurch nicht allein einen Taler zur Verehrung, sondern -auch Erlaubnus, daß ich hinausdörfte, wann ich -die Wacht nicht hätte. Als kam das Wasser wieder auf -meine Mühle, maßen es das Ansehen hatte, als ob ich -Hasen in meine Stricke bannen könnte, so viel fing ich -in dem erödeten Land.</p> - -<p>Ich ward unter meiner Muskete ein recht wilder -Mensch. Keine Boßheit war mir zuviel, alle Gnaden -und Wohltaten, die ich von Gott jemals empfangen, -waren allerdings vergessen. Ich lebte auf den alten Kaiser -hinein wie ein Viehe. Selten kam ich in die Kirche und -gar nicht zur Beichte. Wo ich nur jemand berücken -konnte, unterließ ichs nicht, so daß schier keiner ungeschimpft -von mir kam. Davon kriegte ich oft dichte Stöße -und noch öfter den Esel zu reuten, ja man bedrohete -mich mit Galgen und Wippe, aber es half alles nichts. -Ich trieb meine gottlose Weise fort, daß es das Ansehen -hatte, als ob ich desperat spiele und mit Fleiß -der Höllen zurenne. Und obgleich ich keine Übeltat beging, -dadurch ich das Leben verwürkt hätte so war -ich jedoch so ruchlos, daß man hat kaum einen wüsteren -Menschen antreffen mögen.</p> - -<p>Dies nahm unser Regimentskaplan in Acht, und weil -er ein rechter frommer Seeleneiferer war, schickte er -auf die österliche Zeit nach mir, zu vernehmen, warum -ich mich nicht bei der Beichte und Communion eingestellet -hätte. Ich traktierte ihn wie hiebevor den Pfarrer -zu L., also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten -konnte. Er verdonnerte mich zum Beschluß:</p> - -<p>»Ach, du elender Mensch, ich habe vermeinet du -irrest aus Unwissenheit, aber nun merke ich, daß du<span class="pagenum"><a name="Seite_p254" id="Seite_p254">[S. 254]</a></span> -aus lauter Boßheit und gleichsam vorsätzlicher Weis -zu sündigen fortfährest! Welcher Heiliger vermeinst du -wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und -ihrer Verdammnus haben werde? Ich protestiere vor -Gott und Welt, daß ich an deiner Verdammnus keine -Schuld habe, weil ich getan habe und noch ferner unverdrossen -tun wollte, was zur Beförderung deiner -Seligkeit vonnöten wäre. Es wird aber besorglich künftig -mehrers zu tun nicht obliegen, dann daß ich deinen -Leib, wann ihn deine arme Seel in solchem verdammten -Stand verläßt, an keinen geweihten Ort zu andern -frommen abgestorbenen Christen begraben, sondern auf -den Schindwasen zu den Kadavern des verreckten Viehes -hinschleppen lasse, oder an denjenigen Ort, da man andere -Gottvergessene und Verzweifelte hintut.«</p> - -<p>Diese ernstliche Bedrohung fruchtete nichts. Ich -schämete mich vorm Beichten.</p> - -<p>O ich großer Narr! Oft erzählte ich meine Bubenstücke -bei ganzen Gesellschaften und log noch darzu, -aber jetzt, da ich einem einzigen Menschen anstatt Gottes -meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung zu -empfangen, war ich ein verstockter Stummer.</p> - -<p>Ich antwortete: »Ich dien vor einen Soldaten. Wann -ich nun sterbe als ein Soldat, so wirds kein Wunder -sein, wann ich als irgendein Gefallener auf freiem Feld, -mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen werde.«</p> - -<p>Also schied ich von dem seeleneifrigen Geistlichen, den -ich wohl einsmals einen Hasen abgeschlagen hatte mit -Vorwand, weil der Has an einem Strick gehangen und -sich selbst ums Leben gebracht, daß sich dannenhero -nicht gebühre, den Verzweifelten in ein geweiht Erdreich -zu begraben.</p> - -<p>Ich mußte wider meines Herzens Willen bleiben und<span class="pagenum"><a name="Seite_p255" id="Seite_p255">[S. 255]</a></span> -Hunger leiden bis in den Sommer hinein. Da ward ich -unverhofft von der Muskete befreit. Je mehr sich der -Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers -näherte ich auch meine Erlösung.</p> - -<p>Dann als selbiger zu Brucksal das Haupt-Quartier -hatte, ward mein Herzbruder, dem ich im Läger zu -Magdeburg getreulich geholfen, von der Generalität mit -etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, allwo -man ihm die größte Ehre antät. Ich stund eben vor -des Obristen Quartier Schildwacht und erkannte ihn -gleich im ersten Augenblick, obwohl er einen schwarzen -sammtenen Rock antrug. Ich hatte aber nicht das Herz, -ihn sogleich anzusprechen, dann ich mußte sorgen, er -würde dem Weltlauf nach sich meiner schämen oder -mich sonst nicht kennen wollen; ich war ein lausiger -Musketierer.</p> - -<p>Nachdem ich aber abgelöst ward, erkundigte ich mich -bei dessen Dienern nach seinem Stand und Namen, -damit ich versichert sei, hatte gleichwohl das Herz nicht, -ihn anzureden, sondern schrieb ein Brieflein:</p> - -<p>‚<span class="antiqua">Monsieur etc.</span> Wann meinem hochgeborenen Herrn -beliebte, denjenigen, den er hiebevor durch seine Tapferkeit -aus Eisen und Banden errettet, auch anjetzo durch -sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten Stand -von der Welt zu erlösen, wohin er als ein Ball des -unbeständigen Glückes geraten — so würde Ihm solches -nicht allein nicht schwer fallen, sondern Er würde auch -vor einen ewigen Diener obligieren seinen ohn das getreu -verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen</p> - -<p class="right"> -<span class="antiqua">S. Simplicissimum.</span>’<br /> -</p> - -<p>Sobald er solches gelesen ließ er mich hineinkommen.</p> - -<p>»Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch das Schreiben -gegeben hat?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p256" id="Seite_p256">[S. 256]</a></span> - -»Herr, er lieget in dieser Festung gefangen.«</p> - -<p>»So gehet zu ihm und saget, ich wolle ihm davon -helfen, und sollte er schon den Strick an den Hals -kriegen.«</p> - -<p>»Herr, es wird solcher Mühe nicht bedörfen, ich bin -der <span class="antiqua">Simplicius</span> selber ...«</p> - -<p>Er ließ mich nicht ausreden, sondern umfing mich -brüderlich. Und eh er mich fragte, wie ich in die Festung -und solche Dienstbarkeit geraten, schickte er seinen Diener -zum Juden, Pferd und Kleider vor mich zu kaufen. -Indessen erzählete ich ihm, wie mirs ergangen, sint sein -Vater vor Magdeburg gestorben. Und als er vernahm, -daß ich der Jäger von Soest gewesen, beklagte er, daß -er solches nicht eher gewußt hätte, dann er mir damals -gar wohl zu einer Kompagnie hätte verhelfen können.</p> - -<p>Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast -von Kleidern daherkam, las er mir das Beste heraus -und ließ michs anziehen und nahm mich mit sich zum -Obristen.</p> - -<p>»Herr, ich habe in Seiner Guarnison gegenwärtigen -Kerl angetroffen, dem ich so hoch verobligiert bin, daß -ich ihn in so niedrigem Stand, wannschon seine Qualitäten -keinen besseren meritieren, nicht lassen kann. Bitte -dahero den Herrn Obristen, Er wolle mir den Gefallen -erweisen und zulassen, daß ich ihn mit mir nehme, um -ihm bei der Armee fort zu helfen.«</p> - -<p>Der Obrist verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß -er mich einmal loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter -Herr vergebe mir, wann ich glaube, ihm beliebe -nur zu probieren, ob ich ihm auch so dienstwillig -sei, als Er dessen wohl wert ist. Was diesen Kerl anlanget, -ist solcher eigentlich nicht mir, sondern seinem -Vorgeben nach unter ein Regiment Dragoner gehörig,<span class="pagenum"><a name="Seite_p257" id="Seite_p257">[S. 257]</a></span> -darneben ein so schlimmer Gast, der meinem Profosen, -sint er hier ist, mehr Arbeit geben als sonst eine ganze -Kompanei.«</p> - -<p>Endete damit die Rede und wünschte mir Glück -ins Feld.</p> - -<p>Dies war meinem Herzbruder noch nicht genug, sondern -er bat den Obristen, mich an seine Tafel zu nehmen. -Er täts aber zu dem End, daß er den Obristen -in meiner Gegenwart erzählte, was er in Westfalen nur -gesprächsweis von dem Grafen von der Wahl und dem -Kommandanten von Soest über mich gehöret hatte. -Das strich er nun dergestalt heraus, daß alle Zuhörer -mich vor einen guten Soldaten halten mußten. Dabei -hielt ich mich so bescheiden, daß der Obrist und seine -Leute nicht anders glauben konnten, als ich wäre mit -andern Kleidern auch ein ganz anderer Mensch geworden.</p> - -<p>Darauf erzählte er Obrist viel Bubenstücklein, die ich -begangen: Wie ich Erbsen gesotten und obenauf mit -Schmalz übergossen, sie vor eitel Schmalz zu verkaufen, -<span class="antiqua">item</span> ganze Säck voll Sand vor Salz, indem ich die -Säcke unten mit Sand und oben mit Salz gefüllet, wie -ich dem einen hier, dem andern dort einen Bären aufgebunden -und die Leute mit Pasquillen vexieret.</p> - -<p>Ich gestund auch unverholen, daß ich willens gewesen, -den Obristen mir allerhand Boßheiten dergestalt -zu perturbieren und abzumatten, daß er mich endlich -aus der Guarnison hätte schaffen müssen.</p> - -<p>Nach beendetem Imbiß hatte der Jud kein Pferd, -so meinem Herzbruder vor mich gefallen hätte. Endlich -verehrete ihm der Obrist eins mit Sattel und Zeug -aus seinem Stall, auf welches sich Herr <span class="antiqua">Simplicius</span> -satzte und mit seinem Herzbruder zur Festung hinausritte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p258" id="Seite_p258">[S. 258]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_sechste_Kapitel" id="Buch4_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Also ward ich in Eil wieder ein Kerl, der einem -braven Soldaten gleich sahe. Mein Herzbruder -verschaffte mir noch ein Pferd samt einem Knecht und -tat mich als Freireuter zum Neun-Eckischen Regiment. -Ich tät aber denselben Sommer wenig Taten, als daß -ich am Schwarzwald hin und wider etliche Kühe stehlen -half und mir das Brißgäu und Elsaß ziemlich bekannt -machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern. -Mein Knecht samt dem Pferd ward von den Weimarischen -gefangen, also mußte ich das ander desto härter -strapazieren und endlich gar niederreuten.</p> - -<p>So kam ich in den Orden der Merode-Brüder, dann -mein Herzbruder gedachte mich zappeln zu lassen, bis -ich mich besser vorzusehen lernete. So begehrte ich -solches auch nicht, dann ich fand an meinen Consorten -eine so angenehme Gesellschaft, daß ich mir bis in das -Winterquartier keinen besseren Handel wünschte.</p> - -<p>Ich muß nun ein wenig erzählen, was die Merode-Brüder -vor Leute sind, dann ich habe bisher noch -keinen Scribenten getroffen, der etwas von ihren Gebräuchen, -Gewohnheiten, Rechten und Privilegien in -seine Schriften einverleibt hätte, unangesehen es wohl -wert ist, daß nicht allein die jetzigen Feldherren, sondern -auch der Bauersmann wisse, was es vor eine Zunft sei.</p> - -<p>Als der berühmte General Johann Graf von Merode -einsmals ein neugeworben Regiment zur Armee -brachte, waren die Kerl so schwacher baufälliger Natur, -daß sie also das Marschieren und ander Ungemach, das -ein Soldat im Felde ausstehen muß, nicht erleiden -konnten, derowegen dann ihre Brigade zeitlich so schwach<span class="pagenum"><a name="Seite_p259" id="Seite_p259">[S. 259]</a></span> -ward, daß sie kaum die Fähnlein mehr bedecken konnte. -Wo man einen oder mehr Kranke und Lahme auf -dem Markt, in Häusern und hinter Zäunen und Hecken -antraf und fragte: Wes Regiments? — so war gemeiniglich -die Antwort: von Merode. Davon entsprang, -daß man endlich alle diejenigen, sie wären gleich krank -oder gesund, verwundt oder nit, wann sie nur außerhalb -der Zugordnung daherzottelten oder sonst nicht -bei ihren Regimentern das Quartier im Feld nahmen, -Merode-Brüder nannte, welche Bursche man zuvor -Säusenger und Immenschneider genannt hatte, dann -sie sind die Brummser in den Immenstöcken, die, wann -sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr arbeiten -noch Honig machen, sondern nur fressen können. Wann -ein Reuter sein Pferd und ein Musketier seine Gesundheit -verleurt oder ihm Weib und Kind erkrankt und -er zurück bleiben will, so ists schon anderthalb Paar -Merode-Brüder, ein Gesindlein, so sich mit nichts besser -als mit den Zigeunern vergleichet, weil es denselben -beides: an Sitten und Gewohnheiten ähnlich ist. Da -siehet man sie haufenweis beieinander, wie Feldhühner -im Winter, hinter den Hecken, im Schatten oder an -der Sonne um irgend ein Feuer herumliegen, Tabak -saufen und faulenzen, wann unterdessen anderwärts ein -rechtschaffener Soldat beim Fähnlein Hitze, Durst, Hunger, -Frost und allerhand Elend überstehet. Da gehet eine -Merodeschar auf die Mauserei, wann indessen manch -armer Soldat unter seinen Waffen versinken möchte. -Sie spolieren vor, neben und hinter der Armee, alles -was sie antreffen und nicht genießen können, verderben -sie, also daß die Regimenter, wann sie in die Quartier -oder Läger kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser -finden. Wann sie allen Ernstes angehalten werden, bei<span class="pagenum"><a name="Seite_p260" id="Seite_p260">[S. 260]</a></span> -der Bagage zu bleiben, so wird man oft sie stärker -finden, als die Armee selbst. Wann sie aber gesellenweis -marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so -haben sie keinen Wachtmeister, der sie kommandiert, -keinen Feldweibel oder Schergianten, der ihren Wams -ausklopfet, keinen Korporal, der sie wachen heißt, -keinen Tampour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar- -und Tagwacht erinnert und <span class="antiqua">in summa</span> niemand, der -sie anstatt des Adjutanten in Schlachtordnung stellet -oder anstatt des Fouriers einlogiert, sondern leben vielmehr -wie die Freiherren. Wann aber etwas an Kommiß -der Soldateska zukommt, so sind sie die ersten, die ihr -Teil holen, obgleich sie es nicht verdient. Hingegen sind -die Rumormeister und Generalgewaltiger ihre allergrößte -Pest, als welche ihnen zu Zeiten, wann sie es -zu bunt machen, eisernes Silbergeschirr an Händ und -Füß legen oder sie mit den Kragen zieren und sie an -ihre allerbesten Hälse anhängen lassen.</p> - -<p>Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht -und kommen auch in keine Schlachtordnung und sie -ernähren sich doch. Der heilloseste Reuterjung, der nichts -tut als fouragieren, ist dem Feldherren nützer, als -tausend Merode-Brüder, die ein Handwerk daraus -machen und ohn Not auf der Bernhaut liegen. Sie -werden vom Gegenteil hinweggefangen und von den -Bauren auf die Finger geklopft. Dadurch wird die -Armee gemindert und der Feind gestärkt. Man sollte -sie zusammenkuppeln wie die Windhunde und sie in -den Guarnisonen kriegen lernen oder gar auf Galeeren -schmieden, wann sie nicht auch zu Fuß im Feld das -Ihrige tun wollten, bis sie gleichwohl wieder ein Pferd -kriegen.</p> - -<p>Ein solcher ehrbarer Bruder war ich damals auch<span class="pagenum"><a name="Seite_p261" id="Seite_p261">[S. 261]</a></span> -und verbliebs bis zu dem Tag vor der Wittenweyrer -Schlacht, zu welcher Zeit das Hauptquartier in Schuttern -lag. Als ich damals mit meinen Kameraden in das -Geroldseckische ging, Kühe und Ochsen zu stehlen, ward -ich von den Weimarischen gefangen, die uns viel besser -zu traktieren wußten, dann sie luden uns Musketen -auf und stießen uns hin und wieder unter die Regimenter.</p> - -<p>Weil ich nunmehr Weimarisch war, mußte ich Breisach -belägern helfen, da wachte ich dann wie andere -Musketierer Tag und Nacht und lernte trefflich schanzen. -Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, weil -der Beutel leer, Wein, Bier und Fleisch eine Rarität, -Äpfel und hart, schimmelig Brot (jedoch kümmerlich -genug) mein bestes Wildpret.</p> - -<p>Solches war mir sauer zu ertragen, Ursache: wann -ich zurück an die egyptischen Fleischtöpfe, das ist an -westfälische Schinken und Knackwürste zu L. gedachte. -Ich sehnete mich niemalen mehr nach meinem Weib, -als wann ich im Zelte lag und vor Frost halb erstarrt -war. Da sagte ich dann oft zu mir selber: Hui, <span class="antiqua">Simplici</span>, -meinest du auch wohl, es geschehe dir unrecht, -wann dir einer wieder wett spielte, was du zu Paris -begangen? — Und mit solchen Gedanken quälte ich -mich wie ein anderer eifersüchtiger Hanrei, da ich doch -meinem Weib nichts als Ehre und Tugend zutrauen -konnte.</p> - -<p>Zuletzt ward ich so ungeduldig, daß ich mich meinem -Kapitain eröffnete. Schrieb auch auf der Post nach L. -und erhielt durch den Obristen <span class="antiqua">de S. A.</span> und meinem -Schwehrvater, daß sie durch ihre Schreiben bei dem -Fürsten von Weimar einen Paß von meinem Kapitain -zuwege brachten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p262" id="Seite_p262">[S. 262]</a></span> - -Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten -marschierte ich mit einem guten Feuerrohr vom Läger -ab und das Brißgäu hinunter der Meinung, auf selbiger -Weihnachtsmesse zu Straßburg von meinem -Schwehr ein Geldstück zu empfangen und mit Kaufleuten -den Rhein hinunter zu fahren.</p> - -<p>Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert und zu -einem Haus kam, geschah ein Schuß nach mir, so daß -mir die Kugel den Rand am Hut verletzte. Gleich -darauf sprang ein starker, vierschrötiger Kerl aus dem -Haus auf mich los und schrie, ich sollte das Gewehr -ablegen. »Bei Gott, Landsmann, dir zu Gefallen nicht!« -Und zog den Hahn über.</p> - -<p>Er aber wischte mit einem Ding vom Leder, das -mehr einem Henkersschwert als einem Degen glich.</p> - -<p>Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an und -traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumtaumelte -und endlich zu Boden fiel. Das machte ich mir zu Nutz, -rang ihm geschwind sein Schwert aus der Faust und -wollts ihm in den Leib stoßen, da es aber nicht durchgehen -wollte, sprang er unversehens auf, erwischte mich -beim Haar und ich ihm auch, sein Schwert hatte ich -schon weggeworfen.</p> - -<p>Darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander -an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu -erkennen gab, und konnte doch keiner des andern Meister -werden. Bald lag ich, bald er oben und im Hui kamen -wir wieder auf die Füße, so aber nicht lang dauerte, -weil ja einer des andern Tod suchte.</p> - -<p>Das Blut, so mir häufig zu Hals und Mund herauslief, -spie ich meinem Feind ins Gesicht, weil ers so -hitzig begehrte. Das war mir gut, dann es hinderte -ihn am sehen. Also zogen wir einander bei anderthalb<span class="pagenum"><a name="Seite_p263" id="Seite_p263">[S. 263]</a></span> -Stund im Schnee herum, davon wurden wir so matt, -daß allem Ansehen nach die Unkraft des einen der -Müdigkeit des andern nicht Herr werden konnte. Meine -Ringkunst kam mir damals wohl zustatten, dann mein -Feind war viel stärker als ich und überdas eisenfest.</p> - -<p>Endlich sagte er: »Bruder, höre auf, ich gebe mich -dir zu eigen!«</p> - -<p>Ich antwortete: »Hättest du mich passieren lassen.«</p> - -<p>»Was hast du mehr, wanngleich ich sterbe?«</p> - -<p>»Und du, wann du mich hättest niedergeschossen, -sintemal ich keinen Heller bei mir habe.«</p> - -<p>Darauf bat er um Verzeihung und ich ließ mich erweichen. -Wir stunden auf und gaben einander die Hände, -daß alles, was geschehen, vergessen sein sollte. Verwunderte -sich einer über den andern, daß er seinen -Meister gefunden, dann jener meinte, ich sei auch mit -einer solchen Schelmenhaut überzogen wie er.</p> - -<p>Ich ließ ihm dabei bleiben, damit er sich mit seinem -Gewehr nicht noch einmal an mir reibe. Er hatte von -meinem Schuß eine große Beule an der Stirn und ich -hatte mich sehr verblutet.</p> - -<p>Weil es gegen Abend war, ließ ich mich überreden -und ging mit ihm, da er dann unterwegs oft mit -Seufzen bezeugte, wie leid ihm sei, daß er mich beleidigt -habe.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p264" id="Seite_p264">[S. 264]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_siebente_Kapitel" id="Buch4_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein -Leben zu wagen, ist wohl ein dummes Vieh! -Man hätte nicht einen von tausend Kerlen gefunden, -der mit seinem Mörder an einen unbestimmten Ort -zu Gast gegangen wäre. — Ich fragte ihn auf dem -Weg, wes Volks er sei. Er sagte, daß er für sich selbst -kriege. So wollte er auch meinen Namen wissen. Ich -sagte: »<span class="antiqua">Simplicius.</span>« Da kehrte er sich um, dann ich -ließ ihn vor mir gehen, und sahe mir steif ins Gesicht.</p> - -<p>»Heißt du auch <span class="antiqua">Simplicissimus</span>?«</p> - -<p>»Ja, es ist ein Schelm, der seinen Namen verleugnet. -Wie heißest aber du?«</p> - -<p>»Ach, Bruder, ich bin Olivier, den du vor Magdeburg -hast gekannt.«</p> - -<p>Warf damit sein Rohr von sich und fiel auf die -Knie nieder, mich um Verzeihung zu bitten, sagend, -daß er keinen besseren Freund in der Welt hätte als -mich, weil ich seinen Tod nach des alten Herzbruder -Profezeihung tapfer rächen sollte.</p> - -<p>Da konnte ich mich wohl verwundern.</p> - -<p>»Ich bin aus einem <span class="antiqua">Secretario</span> ein Waldfischer, du -aber aus einem Narren ein tapferer Soldat geworden, -und das ist wohl seltsam. Sei versichert, Bruder, unserer -zehntausend hätten morgenden Tags Breisach entsetzt -und zu Herren der ganzen Welt gemacht.«</p> - -<p>Obzwar mir solche Prahlerei nicht gefiel, gab ich -ihm doch recht, vornehmlich weil mir sein schelmisch -Gemüt bekannt war.</p> - -<p>Wir kamen in ein klein, abgelegen Taglöhnerhäuslein, -in welchem ein Baur eben die Stube einhitzte. Zu dem<span class="pagenum"><a name="Seite_p265" id="Seite_p265">[S. 265]</a></span> -sagte er: »Hast du etwas gekocht?« »Nein, ich hab -den gebratenen Kalbsschlegel noch.« »Nun dann, so -geh und lang her, was du hast und bring das Fäßlein -Wein.«</p> - -<p>»Bruder, du hast einen willigen Wirt,« meinte ich.</p> - -<p>»Das dank dem Schelmen der Teufel! Ich ernähre -ihn mit Weib und Kindern. Ich lasse ihm darzu alle -Kleider, die ich erobere.«</p> - -<p>Sodann berichtete Olivier, daß er diese Freibeuterei -schon lang getrieben und sie ihm besser als Herrendienst -zuschlage, er gedächte auch nicht früher aufzuhören, bis -er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte.</p> - -<p>»Bruder, du lebest in einen gefährlichen Stand, -wann du ergriffen wirst, wie meinest du wohl, daß -man mit dir umginge?«</p> - -<p>»Ha, ich höre, daß du noch der alte <span class="antiqua">Simplicius</span> bist! -Ich weiß wohl, daß derjenige, so kegeln will, aufsetzen -muß, aber die Herren von Nürnberg lassen keinen -hängen, sie haben ihn dann.«</p> - -<p>»Dannoch ist ein solch Leben, wie du es führest, das -allerschändlichste der Welt, daß ich also nicht glaube, -du begehrest darin zu sterben.«</p> - -<p>»Was? Das schändlichste? Mein tapferer <span class="antiqua">Simplici</span>, -ich versichere dich, daß die Räuberei das alleradeligste -<span class="antiqua">Exercitium</span> ist, das man dieser Zeit auf der Welt haben -kann! Sage mir, wieviel Königreiche und Fürstentümer -sind nicht mit Gewalt geraubt und zuwege gebracht -worden? Oder wo wird einem König oder Fürsten -auf dem ganzen Erdboden vor übel genommen, wann -er seiner Länder Gefälle geneußt, die doch gemeiniglich -durch seiner Vorfahren verübte Gewalt erworben -worden? Was könnte doch adeliger genannt werden, -als eben das Handwerk, dessen ich mich jetzt bediene?<span class="pagenum"><a name="Seite_p266" id="Seite_p266">[S. 266]</a></span> -Willst du mir vorhalten, daß ihrer viel wegen Mordens, -Raubens und Stehlens sein gerädert, gehängt -und geköpft worden? Du wirst keine andern als arme -und geringe Diebe haben hängen sehen, was auch billig -ist, weil sie sich dieser vortrefflichen Übung haben unterfangen, -die doch allein herzhaften Gemütern gebührt -und vorbehalten ist. Wo hast du jemals eine vornehmere -Standesperson durch die <span class="antiqua">Justitia</span> strafen sehen? Ja, -was noch mehr ist, wird doch kein Wucherer gestraft, -der diese Kunst heimlich treibet, und zwar unter dem -Deckmantel der christlichen Liebe! Warum sollte ich -strafbar sein, der ich solche offentlich auf gut alt-deutsch -ohn einzige Bemäntelung und Gleißnerei übe? Mein -lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, du hast den <span class="antiqua">Machiavellum</span> noch nicht -gelesen! Ich bin eines recht aufrichtigen Gemüts. Ich -fecht und wage mein Leben darüber, wie die alten -Helden. Weil ich mein Leben in Gefahr setze, so folgt -unwidersprechlich, daß mirs billig und erlaubt sei, diese -Kunst zu üben.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei -dir erlaubt oder nicht, es ist dannoch wider die Natur, -die nicht will, daß einer einem andern tun solle, was -er nicht will, daß es ihm geschehe. Gott lässet kein -Sünde ungestraft.«</p> - -<p>Da sagte Olivier: »Es ist so, du bist noch <span class="antiqua">Simplicius</span>, -der den <span class="antiqua">Machiavellum</span> nicht studiert hat. Könnte ich -aber auf solche Art eine <span class="antiqua">Monarchiam</span> aufrichten, so -wollte ich sehen, wer mir alsdann viel dawider predigte.«</p> - -<p>Wir hätten noch mehr miteinander disputiert, weil -aber der Baur mit dem Essen und Trinken kam, saßen -wir zusammen und stilleten unsere Mägen, dessen ich -dann trefflich hoch vonnöten hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p267" id="Seite_p267">[S. 267]</a></span> - -Unser Essen war weiß Brot und ein gebratener -kalter Kalbsschlegel, dabei hatten wir einen guten Trunk -Wein und eine warme Stube.</p> - -<p>»Gelt, <span class="antiqua">Simplici</span>, hier ist es besser als vor Breisach -in den Laufgräben!«</p> - -<p>»Das wohl, wann man solch ein Leben mit gewisser -Sicherheit und besserer Ehre zu genießen hätte.«</p> - -<p>Darüber lachte er überlaut.</p> - -<p>»Mein lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, ich sehe zwar, daß du deine -Narrenkappe abgeleget, hingegen aber deinen närrischen -Kopf noch behalten hast, der nit begreifen kann, was -gut und bös ist.«</p> - -<p>Ich gedachte, du mußt andere Worte hervorsuchen -als bisher.</p> - -<p>»Wo ist sein Tag je erhört,« sagte ich, »daß der -Lehrjung das Handwerk besser versteht als der Lehrmeister. -Bruder, hast du ein so edel, glückselig Leben, -wie du vorgibst, so mache mich seiner teilhaftig, sintemal -ich eines guten Glückes hoch vonnöten.«</p> - -<p>»Sei versichert, Bruder,« antwortete Olivier, »daß -ich dich so sehr liebe als mich selbsten, und daß mir -die Beleidigung, die ich dir heut zugefügt, viel weher -tut, als die Kugel, damit du mich an meine Stirn getroffen. -Warum sollte ich dir dann etwas versagen -können? Wann dirs beliebet, so bleib bei mir, ich will -vor dich sorgen als wie vor mich. Damit du aber -glaubest, so will ich dir die Ursache meiner Liebe sagen. -— Der alte Herzbruder hat mir vor Magdeburg diese -Worte geweissaget: ‚Olivier, siehe unsern Narren an -wie du wilt, so wird er dannoch durch seine Tapferkeit -dich erschröcken und dir den größten Possen erweisen, -der dir dein Lebtag je geschehen wird, weil du ihm -darzu verursachet. Doch wird er dir dein Leben schenken,<span class="pagenum"><a name="Seite_p268" id="Seite_p268">[S. 268]</a></span> -so in seinen Händen gestanden, und wird an den -Ort kommen, da du erschlagen wirst, daselbst wird er -glückselig deinen Tod rächen.’ — Dieser Weissagung -halber, lieber <span class="antiqua">Simplici</span>, bin ich bereit, dir mein Herz -im Leib zu teilen, dann etlichs von den Worten des -alten Herzbruder ist mit heutigem Tag erfüllet. Also -zweifle ich nicht, daß das übrige von meinem Tod auch -im wenigsten fehlschlagen werde. Aus solcher Rache -nun, mein lieber Bruder, muß ich schließen, daß du -mein getreuer Freund seiest. Da hast du nun die <span class="antiqua">Concepta</span> -meines Herzens.«</p> - -<p>Ich gedachte: traue dir der Teufel, ich nicht. Nehme -ich Geld von dir auf den Weg, so möchtest du mich -erst niedermachen, bleibe ich bei dir, so muß ich sorgen, -mit dir gevierteilt zu werden. Satzte mir demnach vor, -ich wollte ihm eine Nase drehen und bei ihm bleiben, -bis ich mit Gelegenheit von ihm kommen könnte. Ich -sagte ihm derhalben, so er mich leiden möchte, so wollte -ich mich ein Tag oder acht bei ihm aufhalten, ob ich -auf solche Art zu leben gewöhnen könnte. So sollte er -beides: einen guten Soldaten und einen getreuen Freund -an mir haben.</p> - -<p>Hierauf satzte er mir mit dem Trunk zu, ich getraute -aber auch nicht und stellete mich voll eh ichs -war.</p> - -<p>Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf, <span class="antiqua">Simplici</span>, -wir wollen in Gottes Namen hinaus und sehen, -was etwan zu bekommen sein möchte.«</p> - -<p>Ach Gott, dachte ich, soll ich dann nun in deinem -hochheiligen Namen auf die Rauberei gehen und bin -hiebevor nit so kühn gewesen, ohn Erstaunen zuzuhören, -wann einer sagte: Komm Bruder, wir wollen -in Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p269" id="Seite_p269">[S. 269]</a></span> -O himmlischer Vater, wie habe ich mich verändert, -ach, hemme meinen Lauf!</p> - -<p>Mit dergleichen Gedanken folgete ich Olivier in ein -Dorf, darin keine lebendige Kreatur war. Da stiegen -wir des fernen Aussehens halber auf den Kirchturm. -Dort hatte er zwei Laib Brot, etliche Stücke gesotten -Dörrfleisch und ein Fäßlein voll Wein im Vorrat. Er -sagte mir, daß er noch etliche solcher Örter hätte, die -mit Speis und Trank versehen wären, damit, wann -Bläsi an dem einen Ort nicht zu Haus wäre, er ihn -am andern finden könnte. Ich mußte zwar seine -Klugheit loben, gab ihm aber zu verstehen, daß -es doch nicht schön stünde, einen so heiligen Ort zu -beflecken.</p> - -<p>»Was beflecken? Die Kirchen, so sie reden könnten, -würden gestehen, daß sie meine Laster entgegen denen, -so hiebevor in ihnen begangen worden, noch vor ganz -gering aufnehmen müßten. Wie mancher und wie manche -seit Erbauung dieser Kirchen sein hereingetreten unter -dem Schein, Gott zu dienen, da sie doch nur hergekommen, -ihre neuen Kleider, ihre schöne Gestalt, ihre -Würden und sonst so etwas sehen zu lassen. Da kommt -einer zur Kirche wie ein Pfau und stellet sich vor den -Altar, als ob er den Heiligen die Füße abbeten wollte, -dort steht einer in der Ecke, zu seufzen wie der Zöllner -im Tempel, welche Seufzer aber nur zu seiner Liebsten -gehen, in deren Angesicht er seine Augen weidet, um -derentwillen er sich auch eingestellet. Ein anderer kommt -vor oder, wanns wohlgerät, in die Kirche mit einem -Gebund Briefe, wie einer, der eine Brandsteuer sammlet, -seine Zinsleute zu mahmen. Hätte er aber nicht gewußt, -daß seine Schuldner zur Kirche kommen müßten, so -wäre er fein daheim über seinen Registern sitzen geblieben.<span class="pagenum"><a name="Seite_p270" id="Seite_p270">[S. 270]</a></span> -Meinest du nicht, es werden auch von denenjenigen -in die Kirche begraben, die Schwert, Galgen, -Feuer und Rad verdienet hätten? Mancher könnte seine -Buhlerei nicht zu Ende bringen, da ihm die Kirche -nicht beförderlich wäre. Ist etwas zu verkaufen oder -zu verleihen, so wird es an die Kirchtür geschlagen. -Wann mancher Wucherer die ganze Woche keine Zeit -nimmt, seiner Schinderei nachzusinnen, so sitzt er unter -währendem Gottesdienst in der Kirche und dichtet, wie -der Judenspieß zu führen sei. Da sitzen sie wohl hier -und dort unter der Messe und Predigt, miteinander zu -diskurieren und dann werden oft Sachen beratschlagt, -deren man an Privatörtern nicht gedenken dörfte. Teils -sitzen dort und schlafen, als ob sie es verdingt hätten. -Etliche richten die Leut aus: Ach wie hat der Pfarrer -diesen und jenen so artlich in seiner Predigt getroffen! -Andere geben fleißig Achtung auf ihren Seelsorger, -damit sie ihn, wann er nur im geringsten anstößt, -durchziehen und tadeln möchten. Nicht allein in ihrem -Leben beschmutzen die Menschen mit Lastern die Kirchen, -sondern auch nach ihrem Tod mit Eitelkeit und -Torheit. Du wirst an den Grabsteinen sehen, wie diejenigen -noch prangen, die doch die Würmer schon längst -gefressen. Siehest du dann in die Höhe der Kirche, so -kommen dir mehr Schilde, Helme, Waffen, Degen, -Fahnen, Stiefel, Sporen und dergleichen Ding ins Gesicht -als in mancher Rüstkammer, dahero kein Wunder, -daß sich die Bauren diesen Krieg über an etlichen -Orten aus den Kirchen, wie aus Festungen um das -Ihre gewehrt. — Ist es billig, daß mancher Reiche -um ein Stück Geld in die Kirche begraben wird, hingegen -der Arme außerhalb in einem Winkel verscharrt -werden muß? Warum endlich sollte mir verboten sein,<span class="pagenum"><a name="Seite_p271" id="Seite_p271">[S. 271]</a></span> -meine Nahrung vermittels eines Kirchtums zu suchen, -da sich doch sonst so viel Menschen von der Kirche -ernähren?«</p> - -<p>Ich hätte Olivier gerne geantwortet, doch getrauete -ich mich nicht nach meinem Herzen zu reden.</p> - -<p>Er fragte mich, wie mirs ergangen, sint wir vor -Magdeburg voneinder gekommen, weil ich aber wegen -der Halsschmerzen gar zu unlustig, entschuldigte ich -mich mit Bitte, er wollte mir doch zuvor seines Lebens -Lauf erzählen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p272" id="Seite_p272">[S. 272]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_achte_Kapitel" id="Buch4_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3> - - -<p>»Mein Vater«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt -Aach von geringen Leuten geboren worden. -Er mußte bei einem reichen Kaufmann, der mit Kupfer -schacherte, dienen und hielt sich so fein, daß der ihm -Schreiben, Lesen und Rechnen lernen ließ und endlich -über seinen ganzen Handel satzte. Dies schlug beiden -Teilen wohl zu. Der Kaufmann ward je länger je -reicher, mein Vater aber je länger je stolzer, daß er sich -auch seiner Eltern schämete und sie verachtete. Der -Kaufmann starb und verließ seine alte Witwe samt -deren einziger Tochter, die kürzlich in eine Pfanne getreten -und sich von einem Gademhengst ein Junges -hatte zweigen lassen, das aber seinem Großvater bald -nachfolgte. Da nun mein Vater sahe, daß die Tochter -zwar vater- und kinderlos aber nicht geldlos worden, -achtete er nicht, daß sie keinen Kranz mehr tragen -dorfte, sondern erwug ihren Reichtum und machte sich -bei ihr zutäppisch, so ihre Mutter gern zuließ, dann -mein Vater hatte um den ganzen Kindeshandel Wissenschaft -und konnte sonst mit dem Judenspieß trefflich -fechten. Also ward mein Vater unversehens ein reicher -Kaufmann, ich aber, sein Erbe, ward in Kleidung gehalten -wie ein Edelmann, in Essen wie ein Freiherr -und in der übrigen Wartung wie ein Graf.</p> - -<p>Kein Schelmstück war mir zu viel, dann was zur -Nessel werden soll, brennt bei Zeiten. Ich terminierte -mit bößen Buben durch dick und dünn auf der Gasse. -Kriegte ich Stöße, so sagten meine Eltern: soll so ein -großer Flegel sich mit einem Kinde schlagen! Überwand -ich, maßen ich kratzte, biß und warf, so sagten sie:<span class="pagenum"><a name="Seite_p273" id="Seite_p273">[S. 273]</a></span> -unser Oliviergen wird ein braver Kerl. Ich ward immer -ärger, bis man mich zur Schule schickte. Was die bösen -Buben ersannen und nicht praktizieren dorften, das -satzte ich ins Werk. Meinen Schulmeister tät ich großen -Dampf an, dann er dorfte mich nicht hart halten, weil -er ziemliche Verehrung von meinen Eltern bekam.</p> - -<p>Ich stäubte Nießwurz an den Ort, da man die Knaben -zu kastigieren pflegte; wann sich dann etwa ein halsstarriger -wehrte, so stob mein Pulver herum und machte -mir eine angenehme Kurzweile, dann alles nießen mußte. -Ich stahl oft dem einen etwas und steckte es dem andern -in den Sack, dem ich gern Stöße angerichtet. Mit -solchen Griffen konnte ich so behutsam umgehen, daß -ich fast niemals darüber erdappt ward.</p> - -<p>Weilen sich meines Vaters Reichtum täglich mehrete, -als bekam er auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer, -die meinen guten Kopf trefflich lobten und -meine Untugenden zu entschuldigen wußten. Derowegen -hatten meine Eltern eine Freude an ihrem Sohn, als -die Grasmücke, die einen Guckuck aufzeucht. Sie dingten -mir einen eigenen <span class="antiqua">Praeceptor</span> und schickten mich nach -Lüttich, mehr daß ich dort Welsch lernen, als studieren -sollte, weil sie keinen Theologum, sondern einen Handelsmann -aus mir erziehen wollten. Dieser hatte Befehl, -mich beileib nicht streng zu halten, daß ich kein forchtsam -knechtisch Gemüt überkäme und nicht leutscheu, -sondern ein Weltmann würde.</p> - -<p>Ermeldter <span class="antiqua">Praeceptor</span> war dieser Weisung unbedürftig -und von sich selbsten auf alle Büberei geneigt, -aufs Buhlen und Saufen aber am meisten, ich aber -von Natur aus aufs Balgen und Schlagen. Daher ging -ich schon bei Nacht mit ihm und seines gleichen <span class="antiqua">gassatim</span> -und lernte ihm in Kürze mehr Untugenden ab als Latein.<span class="pagenum"><a name="Seite_p274" id="Seite_p274">[S. 274]</a></span> -Beim Studieren verließ ich mich auf mein gut Gedächtnis -und scharfen Verstand. Mein Gewissen war -bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte -fahren mögen. Ich fragte nichts darnach, wann ich in -der Kirche unter der Predigt schlüpfrige Bücher lase, -und hörte nichts Liebers vom ganzen Gottesdienst, als -wann man sagte: <span class="antiqua">Ite, missa est.</span> Darneben dünkte ich -mich keine Sau zu sein, sondern hielt mich recht stutzerisch, -alle Tage wars mir Martins-Abend oder Faßnacht. -Da mir mein Vater zur Notdurft reichlich schickte -und auch meiner Mutter fette Milchpfennige tapfer -durchgehen ließe, lockte uns auch das Frauenzimmer an -sich. Bei diesen Schleppsäcken lernte ich Löffeln, Buhlen -und Spielen; Hadern, Balgen und Schlagen konnte ich -zuvor.</p> - -<p>Mein Vater erfuhr dieses herrliche Leben durch seinen -Faktor in Lüttich. Der bekam Befehl, den <span class="antiqua">Praeceptor</span> -abzuschaffen und den Zügel fürderhin nicht so lang zu -lassen, mich ferner genauer im Gelde zu halten. Solches -verdroß uns beide. Demnach wir aber nicht mehr wie -hiebevor spendieren konnten, gesellten wir uns zu einer -Bursch, die den Leuten des Nachts auf der Gasse die -Mäntel abzwackte oder sie gar in der Maas ersäufte. -Was wir solchergestalt eroberten, verschlemmten wir -mit unseren Huren und ließen das Studieren beinahe -ganz unterwegen.</p> - -<p>Als wir nun einsmals bei Nacht herum schlingelten, -den Studenten ihre Mäntel hinweg zu vulpinieren, -wurden wir überwunden, mein <span class="antiqua">Praeceptor</span> erstochen -und ich neben andern fünfen, die rechte Spitzbuben -waren, erdappt und eingezogen. Auf Bürgschaft des -Faktors, der ein ansehnlicher Mann war, ward ich losgelassen, -doch daß ich bis auf weiteren Bescheid in<span class="pagenum"><a name="Seite_p275" id="Seite_p275">[S. 275]</a></span> -seinem Hause im Arrest bleiben sollte. Jene fünf wurden -als Spitzbuben, Räuber und Mörder gestraft. Mein -Vater kam eiligst selbst auf Lüttich, richtete meine Sache -mit Geld aus, hielt mir eine scharfe Predigt und verwiese -mir, was ich ihm vor Kreuz und Unglück und -meiner Mutter vor Verzweiflung machte — auch, daß -er mich enterben und vorn Teufel hinwegjagen wollte. -Ich versprach Besserung und ritte mit ihm nach Haus; -also hat mein Studieren ein Ende genommen.</p> - -<p>Ich war kein ehrbarer <span class="antiqua">Domine</span> geworden, sondern -ein Disputierer und Schnarcher, der sich einbildete, er -verstehe trefflich viel. Und mein Vater befand, daß ich -im Grund verderbt wäre.</p> - -<p>»Höre, Olivier,« sagte er, »ich sehe deine Eselsohren -je länger je mehr hervorragen, du bist eine unnütze Last -auf Erden. Ein Handwerk zu lernen bist du zu groß, -einem Herren zu dienen bist du zu flegelhaftig, meine -Hantierung zu begreifen und zu treiben bist du nichts -nutz. Ich habe gehofft dich zum Manne zu machen, so -habe ich dich hingegen jetzt aus des Henkers Händen -erkaufen müssen: Pfui, der Schande!«</p> - -<p>Dergleichen Lectionen mußte ich täglich hören, bis -ich zuletzt auch ungeduldig ward und sagte, ich wäre an -allem nicht schuldig, sondern er und mein <span class="antiqua">Praeceptor</span>, -der mich verführt hätte. Daß er keine Freude an mir -erlebe, wäre billig, sintemal seine Eltern sich auch seiner -nicht erfreuen, als er sie gleichsam im Bettel verhungern -lasse. Da erdappte er einen Prügel und wollte mir -meine Wahrsagung lohnen, hoch und teuer sich verschwörend, -er wolle mich nach Amsterdam ins Zuchthaus -tun. Ich ging durch und ritte seinen besten Hengst -auf Köln zu.</p> - -<p>Den versilberte ich, kam abermals in eine Gesellschaft<span class="pagenum"><a name="Seite_p276" id="Seite_p276">[S. 276]</a></span> -der Spitzbuben und Diebe und half bei Nacht einfahren. -Maßen aber einer kurz hernach ergriffen ward, als er -einer vornehmen Frau auf dem Alten Markt ihren -schweren Beutel doll machen wollte und ich ihn einen -halben Tag mit dem eisernen Halskragen am Pranger -stehen sah, dergleichen wie sie ihm ein Ohr abschnitten -und ihn mit Ruten aushieben, ward mir das Handwerk -verleidet. Unser Obrister, bei dem wir vor Magdeburg -gewesen, nahm eben damals Knechte an; ich ließ -mich derowegen vor einen Soldaten unterhalten.</p> - -<p>Nachgehends ging sein Schreiber mit Tod ab, so -nahm mich der Obrist an dessen Statt zu sich, dann -er hatte vernommen, daß ich eines reichen Kaufmanns -Sohn wäre. Ich lernte von unserm <span class="antiqua">Secretario</span>, wie -ich mich halten sollte, und mein Vorsatz, groß zu werden, -verursachte, daß ich mich ehrbar und reputierlich -einstellte und nit mehr mit Lumpenpossen schleppte.«</p> - -<p>Sonach erzählte mir Olivier das Schelmenstück, das -er meinem jungen Herzbruder mit dem übergöldten -Becher angetan, damit er den alten Herzbruder auf den -Tod gekränket, und mir ward grün und gelb vor Augen, -als ich es aus seinem eigenen Maul hören mußte. -Gleichwohl dorfte ich keine Rache nehmen.</p> - -<p>»Im Treffen vor Wittstock«, sagte Olivier, »hielt ich -mich nicht wie ein Federspitzer, der nur auf das Tintenfaß -bestellt ist. Ich war wohl beritten und so fest als -Eisen, ließ derhalben meinen <span class="antiqua">Valor</span> sahen, als einer der -durch den Degen hoch zu kommen oder zu sterben gedenket. -Wie eine Windsbraut vagierte ich um unsere -Brigade herum, mich zu exerzieren und zu erweisen, -daß ich besser zu den Waffen als zur Feder tauge. Aber -das Glück der Schweden überwand, ich wurde gefangen.</p> - -<p>In einem Regiment, welches nach Pommern gelegt<span class="pagenum"><a name="Seite_p277" id="Seite_p277">[S. 277]</a></span> -ward, sich wieder zu erholen, ließ ich treffliche Courage -verspüren und ward zum Korporal gemacht. Aber ich -gedachte wieder unter die Kaiserlichen zu kommen. — -Einsmals hatte ich mit sieben Musketierern achthundert -Gulden ausständige Kontribution in unseren abgelegenen -Quartieren erpreßt. Da ich nun das Geld beisammen -trug, zeigte ich es meinen Burschen und machte ihre -Augen nach demselben lüsternd, also daß wir des Handels -einig wurden zu teilen und durchzugehen. Sonach -persuadierte ich drei, daß sie mir halfen die andern vier -tot zu schießen, und wir teileten das Geld. Unterwegs -überredete ich noch einen, daß er auch die zween übrigen -nieder schießen half. Den letzten erwürgte ich auch. So -kam ich nach Werle, allwo ich mich anwerben ließ und -mit dem Gelde ziemlich lustig machte.</p> - -<p>Ich hörte daselbst viel Rühmens von einem jungen -Soldaten in Soest, der sich treffliche Beuten und einen -großen Namen machte. Man nannte ihn wegen seiner -grünen Kleidung den Jäger. Mein Geld ging auf die -Neige, derhalben ich mir einen grünen Wams und Hosen -machen ließ und auf seinem Namen mit Verübung -allerhand Exorbitantien in allen Quartieren stahl, soviel -ich konnte. Der Jäger ließ mich herausfordern, -aber der Teufel hätte mit ihm fechten mögen, den er -auch in den Haaren sitzen hatte. Der würde mir meine -Festigkeit schön aufgetan haben. Doch konnte ich seiner -List nicht entgehen. Er praktizierte mich mich Hülfe -zweier leibhaftiger Teufel in eine Schäferei und zwang -mich zu der spöttlichsten Sache von der Welt, davon -ich mich dergestalt schämte, daß ich hinweg nach Lippstadt -lief.</p> - -<p>Ich nahm fürders holländische Dienste, allwo ich -zwar richtigere Bezahlung aber vor meinen Humor<span class="pagenum"><a name="Seite_p278" id="Seite_p278">[S. 278]</a></span> -einen langweiligen Krieg fand, dann da wurden wir -eingehalten wie die Mönche und sollten züchtiger leben -als die Nonnen.</p> - -<p>Also gedachte ich mich zu den Spanischen zu schlagen -und entwich, maßen mir der holländer Boden heiß geworden -war. Allein mir ward der Kompaß verruckt, -daß ich unversehens an die Bayrischen geriet. Mit -denselben marschierte ich unter den Merode-Brüdern -aus Westfalen bis ins Brißgäu und nährte mich mit -Spielen und Stehlen, bis das Treffen vor Wittenweyer -vorüberging, in welchem ich gefangen, abermals unter -ein Regiment zu Fuß gestoßen und also zu einem -Weimarischen Soldaten gemacht ward. Es wollte mir -aber im Läger vor Breisach nicht gefallen, darum -quittierte ichs bei Zeiten und ging davon, vor mich -selbst zu kriegen, wie du siehest.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p279" id="Seite_p279">[S. 279]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_neunte_Kapitel" id="Buch4_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführte, -konnte ich mich nicht genugsam über die göttliche -Vorsehung verwundern. Dann sollte diese Bestia gewußt -haben, daß ich der Jäger von Soest gewesen wäre, so -hätte er mir gewißlich wieder eingetränkt, was ich ihm -hiebevor auf der Schäferei getan. Ich sahe erst, was ich -dem Olivier vor einen Possen erwiesen und wie weislich -und obscur der alte Herzbruder seine Weissagungen gegeben, -und wie es dannoch schwer fallen würde und seltsam -hergehen müßte, da ich eines solchen Tod, der Galgen -und Rad verdienet hätte, rächen sollte. Indem ich nun -solche Gedanken machte, ward ich in Oliviers Gesicht -etlicher Ritze gewahr, die ich vor Wahrzeichen des Spring-ins-Feld -und seiner Teufelskrallen hielte. Ich fragte, -woher ihm solche Zeichen kämen.</p> - -<p>»Ach Bruder,« antwortete er, »wann ich dir alle meine -Bubenstücke und Schelmerei erzählen sollte, so würde -beides: mir und dir die Zeit zu lang werden. Ich will -dir hievon auch die Wahrheit sagen, obschon es scheinet, -als gereiche sie mir zum Spott.</p> - -<p>Ich glaube gänzlich, daß ich vom Mutterleib an zu -einem gezeichneten Angesicht vorbestimmt gewesen sei. -In meiner Jugend ward ich von meinesgleichen Schuljungen -zerkratzt, so hielt mich auch einer von denen -Teufeln, die dem Jäger von Soest aufwarteten, überaus -hart, maßen man seine Klauen wohl sechs Wochen -in seinem Gesicht spürete. Diese Striemen aber, die du -jetzt siehest, haben einen anderen Ursprung: Als ich unter -den Schweden im Pommer lag und eine schöne Matresse -hatte, mußte mein Wirt aus seinem Bette weichen<span class="pagenum"><a name="Seite_p280" id="Seite_p280">[S. 280]</a></span> -und uns hineinlegen lassen. Seine Katze, die in demselben -Bette zu schlafen gewohnt war, kam alle Nacht -und machte uns große Ungelegenheit, dann meine Matresse -konnte keine Katze leiden und verschwur sich hoch, -sie wollte mir in keinem Fall mehr Liebes erweisen, -bis ich ihr zuvor die Katze hätte abgeschafft. So gedachte -ich mich an der Katze zu rächen, daß ich auch -eine Lust daran haben möchte. Steckte sie derhalben in -einen Sack, nahm meines Wirts beide starke Baurenhunde -mit mir auf eine breite, lustige Wiese und gedachte -da meinen Spaß zu haben, dann ich vermeinte, -weil kein Baum in der Nähe war, auf den sich die -Katze retirieren konnte, würden sie die Hunde eine Weile -hin und her jagen, wie einen Hasen raumen und mir -eine treffliche Kurzweile anrichten. Aber Potz Stern! -es ging mir nicht allein hundeübel, wie man zu sagen -pfleget, sondern auch katzenübel, maßen die Katze, sobald -ich den Sack auftat, nur ein weites Feld, ihre -zwei starken Feinde und nichts Hohes vor sich sahe, dahin -sie ihre Zuflucht hätte nehmen mögen. Derowegen sprang -sie auf meinen Kopf. — Je mehr ich sie nun herunter -zu zerren trachtete, je fester schlug sie ihre Krallen ein. -Solch unserem Gefecht konnten die beiden Hunde nicht -lang zusehen, sondern mengten sich mit ins Spiel, sie -sprangen mit offenem Rachen hinten, vorne, zur Seite -nach der Katze, die sich mit ihren Klauen einkrallete, -so gut sie konnte. Tät sie aber mit ihrem Dornhandschuh -einen Fehlstreich nach den Hunden, so traf mich -derselbe gewiß. Weil sie aber auch die Hunde auf die -Nase schlug, beflissen sich dieselbigen, sie mit ihren Talpen -herunter zu bringen und gaben mir damit manchen -Griff ins Gesicht. Wann ich aber selbst mit beiden Händen -nach der Katze tastete, sie herunter zu reißen, biß<span class="pagenum"><a name="Seite_p281" id="Seite_p281">[S. 281]</a></span> -und kratzte sie nach ihrem besten Vermögen. Also ward -ich beides: von den Hunden und von der Katze dergestalt -schröcklich zugerichtet, daß ich schwerlich einem -Menschen gleichsahe. Mein Kragen und Koller war -blutig wie eines Schmiedes Notstall am St. Stefanstag, -wann man die Pferde zur Ader läßt, und ich wußte -ganz kein Mittel, mich aus diesen Ängsten zu erretten. -Zuletzt so mußte ich von freien Stücken auf die Erde -niederfallen, damit beide Hunde die Katze erwischen -konnten, wollte ich anderst nicht, daß mein Kapitolium -noch länger ihr Fechtplatz sein sollte. Die Hunde erwürgten -zwar die Katze, ich hatte aber bei weitem keinen -so herrlichen Spaß davon. Dessentwegen ward ich so -ergrimmt, daß ich nachgehends beide Hunde totschoß und -meine Matreß dergestalt abprügelte, daß sie hätte Öl geben -mögen und darüber von mir weglief, weil sie ohn Zweifel -keine solche abscheuliche Larve länger lieben konnte.«</p> - -<p>Ich hätte gerne gelacht und mußte mich doch mitleidentlich -erzeigen. Und als ich eben auch anfing, meines -Lebens Lauf zu erzählen, sahen wir eine Kutsche samt -zwei Reutern das Land herauf kommen. Wir satzten -uns in ein Haus, das an der Straße lag und sehr bequem -war, Reisende anzugreifen. Olivier legte mit einem -Schuß gleich den einen Reuter und das Pferd, eh sie -unserer inne wurden, deswegen dann der andere gleich -durchging. Indem ich mit übergezogenem Hahn den -Kutscher halten und absteigen gemachet, sprang Olivier -auf ihn dar und spaltete ihm mit seinem breiten Schwert -den Kopf bis auf die Zähne, wollte auch gleich die -Frauenzimmer und Kinder metzgen, so vor Schröcken -mehr den toten Leichen als den Lebenden gleich sahen. -Ich aber wollte es rund nicht gestatten und sagte, er -müßte mich zuvor erwürgen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p282" id="Seite_p282">[S. 282]</a></span> - -»Ach, du närrischer <span class="antiqua">Simplici</span>, daß du so ein heilloser -Kerl bist und dich dergestalt anläßt!«</p> - -<p>»Bruder, wes willst du die unschuldigen Kinder zeihen? -Wann es Kerl wären, die sich stellen könnten!«</p> - -<p>»Was! Eier in die Pfannen, so werden keine Junge -draus! Ich kenne diese jungen Blutsauger wohl! Ihr -Vater, der Major, ist ein rechter Schindhund und der -erste Wamsklopfer von der Welt.«</p> - -<p>Mit solchen Worten wollte er immer fortwürgen, -doch enthielt ich ihn so lang, bis er sich endlich erweichen -ließe. Es waren aber einer Majors Weib, ihre Magd -und drei Kinder, die mich von Herzen daureten. Wir -sperrten sie in einen Keller, auf daß sie uns nicht so -bald verraten sollten, darin sie sonst nichts als Obst und -weiße Rüben zu beißen hatten, bis sie gleichwohl von -jemand erlöst würden. Demnach plünderten wir die -Kutschen und zogen mit schönen Pferden in Wald, wo -er zum dicksten war.</p> - -<p>Da sahe ich unweit von uns einen Kerl stockstill an -einem Baum stehen, solchen wiese ich dem Olivier aus -Vorsicht.</p> - -<p>»Ha, Narr,« antwortete er, »es ist ein Jud, den hab -ich hingebunden. Der Schelm ist aber vorlängst erfroren -und verreckt.« Indem ging er zu ihm, klopfte ihm mit -der Hand unten ans Kinn und sagte: »Du Hund, hast -mir viel schöne Dukaten gebracht!«</p> - -<p>Da rollten dem Juden etliche Dublonen zum Maul -heraus, welche der arme Schelm noch bis in seinen Tod -davon bracht hatte. Olivier griff ihn darauf ins Maul -und brachte zwölf Dublonen und einen köstlichen Rubin -zusammen.</p> - -<p>»Diese Beute habe ich dir zu danken, <span class="antiqua">Simplici</span>.«</p> - -<p>Schenkte mir darauf den Rubin, stieß das Geld zu<span class="pagenum"><a name="Seite_p283" id="Seite_p283">[S. 283]</a></span> -sich und ging seinen Baurn zu holen mir Befehl, ich -sollte indessen bei den Pferden verbleiben, aber wohl -zusehen, daß mich der tote Jud nicht beiße.</p> - -<p>Derweilen schlug mir das Gewissen merklich, darum -daß ich die Kutsche aufgehalten, daß der Kutscher so -erbärmlich ums Leben kommen und beide Weibsbilder -mit denen unschuldigen Kindern in den Keller versperrt -worden, worin sie vielleicht wie dieser Jude verderben -mußten. Allein ich fand nicht Mittel noch Ausweg, dann -ich gedachte, würdest du von den Weimarischen mit -diesen Pferden erwischt, so wirst du als ein überzeugter -Mörder aufs Rad gelegt, und ob deine Füße auch -schnell genug wären, du wolltest desto weniger den -Bauren auf dem Schwarzwald, so damals den Soldaten -auf die Hauben klopften, entrinnen. Indem ich -mich nun selbst so marterte und quälete und doch nichts -entschließen konnte, kam Olivier mit dem Baur daher. -Der führte uns mit den Pferden auf einen Hof, da wir -fütterten. Wir ritten nach Mitternacht weiters und kamen -gegen Mittag an die äußerste Grenzen der Schweizer, -allwo Olivier wohl bekannt war und uns stattlich auftragen -ließ. Der Wirt schickte nach zweien Juden, die -uns die Pferde abhandelten. Es war alles so nett und -just bestellt, daß es wenig Wortwechselns brauchte. Der -Juden große Frage war, ob die Pferde kaiserisch oder -schwedisch gewesen. Da sie vernahmen, daß sie von den -Weimarischen herkämen, sagten sie, so müsse man solche -nicht nach Basel sondern in das Schwabenland zu den -Bayrischen reuten. Über welche große Kundschaft und -Verträulichkeit ich mich verwundern mußte.</p> - -<p>Wir bankettierten edelmännisch und ich ließ mir die -guten Waldforellen und köstlichen Krebs wohl schmäcken. -Wie es Abend ward, so machten wir uns wieder auf<span class="pagenum"><a name="Seite_p284" id="Seite_p284">[S. 284]</a></span> -den Weg, hatten unsern Baur mit Gebratens und andern -Viktualien wie einen Esel beladen. Damit kamen -wir den andern Tag auf einen einzelnen Baurenhof, -allwo wir freundlich aufgenommen wurden und uns -wegen ungestümen Wetters ein paar Tage aufhielten. -Folgends kamen wir auf Wald und Abwegen wieder -in das Häuslein, dahin mich Olivier anfänglich geführet.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p285" id="Seite_p285">[S. 285]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_zehent_Kapitel" id="Buch4_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Wie wir nun so dasaßen auszuruhen, schickte Olivier -den Baur aus, Essensspeise samt Zündkraut -und Lot einzukaufen. Und als selbiger hinweg -war, zog er seinen Rock aus und sagte:</p> - -<p>»Bruder, ich mag das Teufelsgeld nicht mehr allein -herumschleppen!« — Band demnach ein paar Würste -oder Wülste, die er auf bloßem Leib trug, herunter und -warf sie auf den Tisch. »Das Donnergeld hat mir Beulen -gedruckt.«</p> - -<p>Ich ergriff die Wülste und befand sie trefflich gewichtig, -weil es lauter Goldsorten waren. Ich sagte, es sei -alles unbequem gepackt, ich wollts einnähen, daß einem -das Tragen nicht halb so sauer ankäme. Es gefiel ihm -und ich machte mir und ihm ein Scapulier oder Schulterkleid -aus einem Paar Hosen und versteppte manchen -schönen, roten Batzen darein, daß wir unter dem Hemde -hinten und vorn mit Gold gewappnet waren. So verriete -er mir auch, daß er mehr als tausend Taler in -einem Baume liegen hätte, aus welchem er den Baur -hausen ließe, weil er solchen Schafmist nicht hoch halte.</p> - -<p>Wir bäheten uns beim Ofen und gedachten an kein -Ungemach, da kamen, als wir uns dessen am wenigsten -versahen, sechs Musketierer samt einem Korporal mit -fertigem Gewehr und aufgepaßten Lunten ins Häuslein, -stießen die Stubentür auf und schrieen, wir sollten -uns gefangen geben. Aber Olivier, der sowohl als ich -seine gespannte Musketen neben sich liegen hatte, antwortete -ihnen mit einem Paar Kugeln, durch welche -er gleich zween zu Boden fällete, ich aber erlegte den -dritten und beschädigte den vierten durch einen gleichmäßigen<span class="pagenum"><a name="Seite_p286" id="Seite_p286">[S. 286]</a></span> -Schuß. Darauf wischte Olivier mit seinem -notfesten Schwert, welches Haare schur, vom Leder -und hieb den fünften von der Achsel bis auf den Bauch -hinunter, daß ihme das Eingeweide heraus und er neben -demselben nieder fiel, indessen schlug ich dem sechsten mit -umgekehrtem Feuerrohr auf den Kopf, daß er alle vier -von sich streckte. Einen solchen Streich kriegte Olivier -von dem siebenten, und zwar mit solcher Gewalt, daß -ihm das Hirn herausspritzte, ich aber traf diesen wiederum -dermaßen, daß er seinen Kameraden beim Totenreigen -Gesellschaft leisten mußte. Der Beschädigte aber -fing an zu laufen, als ob ihn der Teufel selbst gejagt -hätte. Und dies Gefecht währte kürzer als eines Vaterunsers -Länge.</p> - -<p>Sonach ich nun dergestalt allein Meister auf dem -Platze blieb, beschauete ich den Olivier, ob er vielleicht -noch einen lebendigen Atem in sich hätte. Da ich ihn -aber ganz entseelt befand, dünkte es mich ungereimt zu -sein, einem toten Körper so viel Goldes zu lassen, zog -ihm derowegen das golden Fell ab und hing es mir an -den Hals zu dem andern. Ich nahm auch Oliviers Muskete -und Schwert zu mir, maßen mein Rohr zerschlagen -war, und machte mich aus dem Staub auf einen Weg, -da ich wußte, daß der Baur herkommen müsse.</p> - -<p>Und kaum eine halbe Stunde ging ich in meinen Gedanken, -so kam unser Baur daher und schnaubte wie -ein Bär, dann er lief von allen Kräften.</p> - -<p>»Warum so schnell? Was Neues?«</p> - -<p>»Geschwind, machet Euch abwegs! Es kommt ein -Korporal mit sechs Musketierern, die haben mich gefangen, -daß ich sie zu euch führen sollte, ich bin ihnen -aber entronnen.«</p> - -<p>O Schelm, dachte ich, du hast uns um des Olivier<span class="pagenum"><a name="Seite_p287" id="Seite_p287">[S. 287]</a></span> -Silbergeld verraten, ließe mich aber doch nichts merken, -sondern sagte, daß Olivier und die andern tot wären. -Das wollte er nicht glauben, bis ich ihn in das Häuslein -führte, daß er das Elend an den sieben Körpern -sehen könnte.</p> - -<p>Der Baur erstaunte vor Schröcken und fragte, was -Rats.</p> - -<p>»Rat ist schon beschlossen. Unter dreien Dingen geb -ich dir Wahl: Entweder führe mich alsbald durch -sichere Abwege über den Wald hinaus nach Villingen -oder zeige mir Oliviers Geld im Baum oder stirb hier. -Führst du mich, so bleibt das Geld dein, wirst du mirs -weisen, so teil ichs mit dir, tust du aber keines, so -schieß ich dich tot.« — Der Baur wäre gern entloffen, -aber er forchte die Muskete; fiele derhalben auf die -Knie und erbot sich, mich über Wald zu führen.</p> - -<p>Also wanderten wir denselben Tag und folgende -Nacht ohn Essen und Trinken, bis wir gegen Tag die -Stadt Villingen vor uns liegen sahen. Den Baur trieb -Todesfurcht, mich aber die Begierde, mich selbst und -mein Gold davon zu bringen, und muß fast glauben, -daß einem Menschen das Gold große Kräfte mitteilet, -dann obzwar ich schwer genug daran trug, so empfand -ich jedoch keine sonderbare Müdigkeit.</p> - -<p>Ich hielt es vor ein glücklich Omen, daß man die -Pforte eben öffnete, als ich vor Villingen kam. Der -Offizier von der Wacht examinierte mich, und da ich -mich vor einen Freibeuter ausgab von jenem Regiment, -wohin mich Herzbruder getan, wie auch, daß ich aus -dem Läger vor Breisach von den Weimarischen herkäme -und nunmehr zu meinem Regiment unter die -Bayrischen begehrte, gab er mir einen Musketierer zu, -der mich zum Kommandanten führte. Dem bekannte<span class="pagenum"><a name="Seite_p288" id="Seite_p288">[S. 288]</a></span> -ich alles, daß ich mich ein Tag oder vierzehn bei einem -Kerl aufgehalten und mit demselben eine Kutschen angegriffen, -der Meinung, von den Weimarischen Beute -zu holen und rechtschaffen montiert wieder zu unserem -Regiment zu kommen. Wir seien aber von einem Korporal -mit sechs andern Kerlen überfallen worden, dadurch -mein Kamerad und sechs vom Gegenteil auf -dem Platze geblieben. Der Kommandant wollte es -fast nicht glauben, daß wir zween sollten sechs Mann -niedergemacht haben und ich nahm Gelegenheit von -Oliviers Schwert zu reden. Das gefiel ihm so wohl, -daß ichs ihm, wollte ich anders mit guter Manier von -ihm kommen und Paß erlangen, gegen einen andern -Degen lassen mußte. Im Wahrheit aber so war dasselbe -trefflich schön und gut. Es war ein ganzer, ewigwährender -Kalender darauf geätzt.</p> - -<p>Ich ging den nächsten Weg ins Wirtshaus und wußte -nicht, ob ich am ersten schlafen oder essen sollte. Doch -wollte ich zuvor meinen Magen stillen und machte mir -unterdessen Gedanken, wie ich meine Sachen anstellen, -daß ich mit meinem Gold sicher nach L. zu meinem -Weibe kommen möchte.</p> - -<p>Indem ich nun so spekulierte, hinkte ein Kerl mit -einem Stecken in der Hand in die Stube, der hatte -einen verbundenen Kopf, einen Arm in der Schlinge -und so elend verlauste Kleider an, daß ich ihm keinen -Heller darum gegeben hätte. Der Hausknecht wollte ihn -austreiben, weil er übel stank. Er aber bat, ihn um -Gottes Willen zu lassen, sich nur ein wenig zu erwärmen, -so aber nichts half. Demnach ich mich seiner erbarmete -und vor ihn bat, ward er kümmerlich zum Ofen gelassen. -Er sahe mir, wie mich bedünkte, mit begierigem -Appetit und großer Andacht zu, wie ich darauf hieb<span class="pagenum"><a name="Seite_p289" id="Seite_p289">[S. 289]</a></span> -und ließ etliche Seufzer laufen. Und als der Hausknecht -ging, mir ein Stück Gebratenes zu holen, ging er gegen -mich zum Tisch zu und reichte ein irden Pfennighäfelein -in der Hand dar, daß ich mir wohl einbilden konnte, -warum er käme; nahm derhalben die Kanne und goß -ihm seinen Hafen voll, eh er heischte.</p> - -<p>»Ach Freund,« sagte er, »um Herzbruders willen -gebet mir auch zu essen!«</p> - -<p>Solches ging mir durchs Herz und ich befand, daß -es Herzbruder selbsten war. Ich wäre beinahe in Ohnmacht -gesunken, doch erhielt ich mich, fiel ihm um den -Hals, satzte ihn zu mir, da uns beiden die Augen übergingen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p290" id="Seite_p290">[S. 290]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch4_Das_elfte_Kapitel" id="Buch4_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Wir konnten fast weder essen noch trinken, nur -fragte einer den andern, wie's ihm ergangen. -Der Wirt wunderte sich, daß ich einen so lausigen Kerl -bei mir litte, ich aber sagte, solches sei unter Kriegskameraden -Brauch. Da ich auch verstund, daß sich -Herzbruder bisher im Spital aufgehalten, vom Almosen -sich ernähret, und seine Wunden liederlich verbunden -worden, dingte ich dem Wirt ein sonderlich -Stüblein ab, legte Herzbruder in ein Bette, ließ ihm -den besten Wundarzt kommen, wie auch einen Schneider -und eine Näherin, ihn zu kleiden und den Läusen aus -den Zähnen zu ziehen. Ich hatte eben diejenigen Dublonen, -so Olivier dem toten Juden aus dem Maul bekommen, -bei mir in einem Säckel. Dieselben schlug ich -auf den Tisch und sagte dem Wirt zu Gehör:</p> - -<p>»Schau Herzbruder, das ist mein Geld, das will ich -an dich wenden und mit dir verzehren.«</p> - -<p>Darnach der Wirt uns wohl aufwartete. Dem Barbier -aber wies ich den Rubin, der ungefähr zwanzig Taler -wert war und sagte, weil ich mein wenig Geld vor -uns zu Zehrung und Kleidung aufwenden müßte, so -wollte ich ihm denselben Ring geben, wenn er meinen -Kameraden in Bälde von Grund aus kurieren wollte, -dessen er dann wohl zufrieden war, daß er seinen besten -Fleiß aufwandte.</p> - -<p>Also pflegte ich Herzbrudern wie meinem andern Ich. -Der Kommandant, dem ich alles anzeigete, gönnte mir -zu bleiben, bis mein Kamerad mir würde folgen können -und versprach uns beide alsdann mit gemeinsamen Paß -zu versehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p291" id="Seite_p291">[S. 291]</a></span> - -Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam, bat -ich ihn, er wollte mir unbeschwert erzählen, wie er in -einen so armseligen Stand geraten wäre, dann ich bildete -mir ein, er möchte vielleicht eines Versehens halber -von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemachet -und in gegenwärtiges Elend versetzt worden sei.</p> - -<p>Er aber sagte: »Du weißt, Bruder, daß ich des -Grafen von Götz <span class="antiqua">Factotum</span> und geheimster Freund -gewesen, daß aber der verwichene Feldzug unter seiner -Generalität eine unglückliche Endschaft erreichet, indem -wir die Schlacht bei Wittenweyer verloren. Weil nun -deswegen hin und wieder von aller Welt sehr ungleich -geredet ward, zumalen wohlgemeldter Graf sich zu verantworten -nach Wien ist citieret, so lebe ich beides: -vor Scham und Forcht freiwillig in dieser Niedere und -wünsche mir oft entweder in diesem Elend zu sterben -oder doch wenigst mich so lang verborgen zu halten, -bis der Graf seine Unschuld an Tag gebracht. — Vor -Breisach armierte ich mich selbst, da ich sahe, daß es -unserseits so schläfrig herging, den andern zum Exempel. -Ich kam unter den ersten Angängern an den Feind auf -die Brücke, da es dann scharf herging. So empfing ich -zugleich einen Schuß in meinen rechten Arm und den -andern Schenkel, daß ich weder ausreißen, noch meinen -Degen gebrauchen konnte. Und als die Enge des Ortes -und der große Ernst nicht zuließ, viel von Quartiernehmen -und -geben zu parlamentieren, kriegte ich einen -Hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel. Und weil ich -fein gekleidet war, wurde ich in der Furi von etlichen -ausgezogen und vor tot in Rhein geworfen. In solchen -Nöten schrie ich zu Gott, indem ich unterschiedliche -Gelübde tät, spürete auch seine Hilfe. Der Rhein warf -mich ans Land, allwo ich meine Wunden mit Moos<span class="pagenum"><a name="Seite_p292" id="Seite_p292">[S. 292]</a></span> -verstopfte und beinahe erfror. Jedoch ich kroch davon -und stieß unter etliche Merode-Brüder und Soldatenweiber, -die sich meiner erbarmeten. Ich mußte aber -sehen, daß sich die Unsrigen zu einem spöttlichen Abzug -rüsteten, resolvierte derhalben bei mir selbsten, mich -niemand zu offenbaren, und nahm meinen Elendsweg, -von dem du mich hast aufgehoben.«</p> - -<p>Ich tröstete Herzbrudern so gut ich konnte und vertraute -ihm, daß ich noch mehr Geld hätte als jene -Dublonen. Und ich erzählte ihm Oliviers Untergang -und was Gestalt ich seinen Tod habe rächen müssen. -Welches sein Gemüt dermaßen erquickte, also daß es -ihm auch an seinen Leib zustatten kam, maßen es sich -an allen Wunden täglich mit ihm besserte.</p> - - - - -<hr class="chap" /> - -<h2><a name="Das_fuenfte_Buch" id="Das_fuenfte_Buch">Das fünfte Buch</a></h2> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_erste_Kapitel" id="Buch5_Das_erste_Kapitel">Das erste Kapitel</a></h3> - - -<div class="nopagebreak"> - <img class="drop-cap" src="images/i295_cap.png" width="150" height="152" alt="" /> -</div> - -<p class="drop-cap">Nachdem Herzbruder wieder allerdings erstärkt, -vertrauete er mir, daß er in den -höchsten Nöten eine Wallfahrt nach -Einsiedeln zu tun gelobt. Weil er dann -jetzt ohn das so nahe am Schweizerland -wäre, so wollte er solche verrichten -und sollte er auch dahin betteln. Ich bot ihm -Geld und meine Gesellschaft an, ja, ich wollte gleich -zween Klepper kaufen. Nicht zwar der Ursache, daß -mich die Andacht darzu getrieben, sondern um die Eidgenoßschaft -zu besehen, als das einzige Land, darin der -liebe Friede noch grünete. So freute mich auch nicht -wenig, daß ich Gelegenheit hatte, Herzbrudern auf solcher -Reise zu dienen, maßen ich ihn fast höher als mich -selbst liebte. Er aber schlug beides: meine Hilfe und -meine Gesellschaft ab mit Vorwand, seine Wallfahrt -müsse zu Fuß und darzu auf Erbsen geschehen, meine -Gesellschaft würde ihn nicht allein an der Andacht verhindern, -sondern mir selbst große Ungelegenheit aufladen. -Das redete er aber, mich von sich zu schieben, weil -er sich ein Gewissen machte auf einer so heiligen Reise -von dem Gelde zu zehren, das mit Morden und Rauben -erobert worden. Er sagte unverholen, daß ich bereits -mehr an ihm getan, weder ich schuldig gewesen, noch -er zu erwidern getraue. Hierüber gerieten wir in ein -freundlich Gezänke, das war so lieblich, als ich dergleichen -niemals habe hören hadern. Bis ich endlich -merkte, daß er beides: an Oliviers Geld und meinem -gottlosen Leben einen Ekel hatte. Derhalben behalf ich -mich mit Lügen und überredete ihn, daß mich mein<span class="pagenum"><a name="Seite_p296" id="Seite_p296">[S. 296]</a></span> -Bekehrungsvorsatz nach Einsiedeln triebe, sollte er mich -nun von einem so guten Werk abhalten und ich darüber -sterben, so würde ers schwer verantworten können. -Hierdurch persuadierte ich ihn, daß er es zuließ, sonderlich -weil ich eine große Reue bezeugte, als ich ihn -dann auch überredete, daß ich sowohl als er auf Erbsen -nach Einsiedeln gehen wollte.</p> - -<p>Er willigte endlich drein, wiewohl mit Widerstreben, -daß ich einen Paß bekam nach meinem Regiment (und -nicht nach Einsiedeln) zu gehen. Mit demselben wanderten -wir bei Beschließung des Tores samt einem getreuen -Wegweiser aus der Stadt, als wollten wir nach -Rottweil, wandten uns aber kurz durch Nebenwege -und kamen noch dieselbige Nacht über die schweizerische -Grenze und folgenden Morgen in ein Dorf, allda wir -uns mit schwarzen langen Röcken, Pilgerstäben und -Rosenkränzen montierten und den Boten wieder zurückschickten.</p> - -<p>Das Land kam mir so fremd vor gegen andern -deutschen Ländern, als wann ich in Brasilia oder in -China gewesen wäre. Da sahe ich die Leute im Frieden -handeln und wandeln. Die Ställe stunden voll Viehe. -Die Baurenhöfe liefen voll Hühner, Gäns und Enten. -Die Straßen wurden sicher von den Reisenden gebrauchet. -Die Wirtshäuser saßen voll Leute, die sich -lustig machten. Da war ganz keine Forcht vor dem -Feind, keine Sorge vor der Plünderung und keine Angst, -sein Gut, Leib noch Leben zu verlieren. Ein jeder -lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum, -und zwar, gegen andere deutsche Länder zu rechnen, -in lauter Wollust und Freude, also daß ich dieses Land -vor ein irdisch Paradies hielt, wiewohln es von Art -rauh genug zu sein schiene.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p297" id="Seite_p297">[S. 297]</a></span> - -Das machte, daß ich auf dem ganzen Weg nur hin -und her gaffte, wann hingegen Herzbruder an seinem -Rosenkranz betete. Deswegen ich manchen Filz bekam, -dann er wollte, daß ich wie er bete, welches ich aber -nicht gewöhnen konnte.</p> - -<p>Zu Zürich kam er mir recht hinter die Briefe und -dahero sagte er mir die Wahrheit auch am tröckensten -heraus. Dann als wir zu Schaffhausen, allwo mir die -Füße von den Erbsen sehr wehe täten, die vorige -Nacht geherberget und ich mich den künftigen Tag -wieder auf Erbsen zu gehen förchtete, ließ ich sie kochen -und tät sie wieder in die Schuhe.</p> - -<p>»Bruder, du hast große Gnade vor Gott,« meinte -Herzbruder zu Zürich, »daß du unangesehen der Erbsen, -dannoch so wohl fortkommen kannst.«</p> - -<p>»Ja,« sagte ich, »liebster Herzbruder, ich habe sie gekocht, -sonst hätte ich soweit nicht darauf gehen können.«</p> - -<p>»Ach, daß Gott erbarme, was hast du getan! Du -hättest sie lieber gar aus den Schuhen gelassen, wann -du nur dein Gespötte damit treiben willst. Gott wird -dich und mich zugleich strafen. Ich besorge, es stehe -deine Seligkeit in höchster Gefahr. Ich liebe keinen -Menschen mehr als dich, leugne aber auch nit, daß ich -mir ein Gewissen machen muß, solche Liebe zu kontinuieren.«</p> - -<p>Ich verstummte vor Schröcken, daß ich mich schier -nicht wieder erholen konnte. Zuletzt bekannte ich frei, -daß ich die Erbsen nicht aus Andacht, sondern allein -ihm zu Gefallen in die Schuhe getan, damit er mich -mitgenommen hätte.</p> - -<p>»Ach Bruder, ich sehe, daß du weit vom Weg der -Seligkeit bist. Gott verleihe dir Besserung, dann ohne -die kann unsere Freundschaft nicht bestehen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p298" id="Seite_p298">[S. 298]</a></span> - -Von dieser Zeit folgte ich ihm traurig nach, als einer, -den man zu Galgen führet. Mein Gewissen fing an -mich zu drucken, alle meine Bubenstücke stelleten sich -mir vor Augen, da beklagte ich erst die verlorene Unschuld. -Und was meinen Jammer vermehrete war, daß -Herzbruder nicht viel mehr mit mir redete und mich -nur mit Seufzen anschauete, als hätte er meine Verdammnis -an mir bejammert.</p> - -<p>Solchergestalt langten wir zu Einsiedeln an und kamen -eben in die Kirche, als ein Priester einen Besessenen -exorcisieret. Das war mir neu und seltsam, derowegen -ließ ich Herzbrudern knien und beten, so lange er wollte, -und ging hin, diesem Spektakul aus Fürwitz zuzusehen.</p> - -<p>Aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da -schrie mich der böse Geist aus dem armen Menschen -an: »Oho, du Kerl, schlägt dich der Hagel auch her? -Ich habe vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem -Olivier in unserer höllischen Wohnung anzutreffen! Du -ehebrecherischer, mörderischer Jäger, darfst du dir wohl -einbilden, uns zu entrinnen? O ihr Pfaffen, nehmt ihn -nur nicht an, er ist ein Gleißner und ärger Lügner -als ich, er foppt euch nur und spottet beides: Gott -und Religion!«</p> - -<p>Der <span class="antiqua">Exorcist</span> befahl dem Geist zu schweigen, weil -man ihm als einem Erzlügner ohn das nicht glaube.</p> - -<p>»Ja, ja, fraget des ausgesprungenen Mönches Reisegesellen, -der wird euch wohl erzählen, daß dieser <span class="antiqua">Atheist</span> -die Erbsen gekocht, auf welchen er hierher zu gehen -versprochen!«</p> - -<p>Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopfe oder Füßen -stund, da ich dieses alles hörete und mich jedermann -ansahe. Der Priester strafte den Geist, konnte ihn aber -denselben Tag nicht austreiben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p299" id="Seite_p299">[S. 299]</a></span> - -Indessen kam Herzbruder auch herzu, als ich eben -vor Angst mehr einem Toten als Lebendigen gleich -sahe und zwischen Furcht und Hoffnung nicht wußte, -was ich tun sollte. Er tröstete mich und versicherte die -<span class="antiqua">Patres</span>, daß ich mein Tag kein Mönch gewesen, aber -wohl ein Soldat, der vielleicht mehr Böses als Gutes -getan haben möchte. Ich aber war in meinem Gemüt -dermaßen verwirrt, als ob ich allbereits die höllische -Pein selbst empfände, als daß die Geistlichen genug an -mir zu beruhigen hatten. Sie vermahneten mich zur -Beichte und Kommunion, aber der Geist schrie abermals -aus dem Besessenen:</p> - -<p>»Ja, ja, er wird fein beichten! Er weiß nicht einmal, -was beichten ist! Seine Eltern sein mehr wiedertäuferisch -als calvinisch gewesen!«</p> - -<p>Der <span class="antiqua">Exorcist</span> befahl dem Geist abermals zu schweigen -und sagte:</p> - -<p>»So wird dichs desto mehr verdrießen, wenn dir das -verloren Schäflein wieder aus dem Rachen gezogen und -der Herde Christi einverleibet wird.«</p> - -<p>Darauf fing der Geist so grausam an zu brüllen, -daß es schröcklich zu hören war. Aus welchem greulichen -Gesang ich meinen größten Trost schöpfte, dann -ich dachte, wann ich keine Gnade vor Gott mehr erlangen -könnte, so würde sich der Teufel nicht so übel -anstellen.</p> - -<p>Ich empfand eine solche Reue und Begierde zur -Buße und mein Leben zu bessern, daß ich alsobald -einen Beichtvater begehrte, worüber sich Herzbruder -höchlich erfreuete, weil er wahrgenommen und wohl -gewußt, daß ich bisher noch keiner Religion beigetan -gewesen. Demnach bekannte ich mich offentlich zur katholischen -Kirche, ging zur Beichte und kommunizierte<span class="pagenum"><a name="Seite_p300" id="Seite_p300">[S. 300]</a></span> -nach empfangener <span class="antiqua">Absolution</span>. Worauf mir dann so -leicht und wohl ums Herz ward, daß ichs nicht aussprechen -kann. Der Geist in dem Besessenen ließ mich -fürderhin zufrieden.</p> - -<p>Wir verblieben vierzehn ganzer Tage an diesem gnadenreichen -Ort, wo ich die Wunder, so allda geschehen, -betrachtete, welches alles mich zu ziemlicher Andacht -und Gottseligkeit reizete, doch währte solches auch nur -so lang, als es mochte. Dann wie meine Bekehrung -aus Angst und Forcht entsprungen, also ward ich auch -nach und nach wieder lau und träg, weil ich allmählich -des Schreckens vergaß.</p> - -<p>Wir begaben uns nach Baden, alldorten vollends -auszuwintern.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p301" id="Seite_p301">[S. 301]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_ander_Kapitel" id="Buch5_Das_ander_Kapitel">Das ander Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich dingete daselbst eine lustige Stube und Kammer -vor uns, deren sonst zur Sommerszeit die Badegäste -zu gebrauchen pflegen, welches gemeiniglich reiche -Schweizer sein, die mehr hinziehen sich zu erlustieren -und zu prangen, als einiger Gebrechen halber zu baden.</p> - -<p>Als Herzbruder sahe, daß ich so herrlich angriff, ermahnete -er mich zur Gesparsamkeit. Viel Geld sei bald -vertan, es stäube hinaus wie der Rauch und verspreche, -nimmermehr wieder zu kommen. Auf solche treuherzige -Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen, -wie reich mein Säckel wäre. Es sei zudem billig, -daß Herzbruder aus Oliviers Säckel vergnügt würde, -um die Schmach, die er hiebevor von ihm vor Magdeburg -empfangen, sintemal die Erwerbung dieses Goldes -ohn das alles Segens unwürdig wäre, so daß ich keinen -Meierhof daraus zu kaufen gedächte. Ich zog meine -beiden Scapulier ab, trennte die Dukaten und Pistoletten -heraus und sagte zu Herzbruder, er möge nun -mit dem Gelde nach Belieben verfahren, maßen ich -mich in aller Sicherheit zu sein wüßte.</p> - -<p>Er sagte: »Bruder, du tust nichts, so lange ich dich -kenne, als deine gegen mich habende Liebe bezeugen. -Womit meinst du, daß ichs wieder um dich werde beschulden -können? Es ist nicht nur um das Geld zu tun, -sondern um deine Liebe und Treue, vornehmlich aber -um dein zu mir habendes hohes Vertrauen, so nicht -zu schätzen ist. Bruder, mit einem Wort, dein tugendhaft -Gemüt machet mich zu deinem Sklaven, und was -du gegen mich tust, ist mehr zu verwundern als zu -wiedergelten möglich. Versichert, Bruder, dieses Beweistum<span class="pagenum"><a name="Seite_p302" id="Seite_p302">[S. 302]</a></span> -deiner wahren Freundschaft verbindet mich -mehr gegen dich als ein reicher Herr, der mir viel -tausend verehrte. Allein bitte ich, mein Bruder, bleibe -selber Verwahrer und Austeiler über dein Geld. Mir -ist genug, daß du mein Freund bist.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Was wunderliche Reden sein das, -hochgeehrter Herzbruder? Er gibt mündlich zu vernehmen, -daß Er mir verbunden sei und will doch nicht -davor sein, daß ich dieses Geld nicht unnütz verschwende?«</p> - -<p>Also redeten wir beiderseits gegeneinander läppisch -genug, weil ja einer des andern Liebe trunken war. -Und ward Herzbruder zu gleich mein Hofmeister, Säckelmeister, -Diener und Herr. Und in solcher müßiger Zeit -erzählete er mir seines Lebens Lauf und ich ihm den -meinen. Da er nun hörete, daß ich ein junges Weib zu -L. hatte, verwiese er mir, daß ich mich nicht ehender -zu derselbigen, als mit ihm in das Schweizerland begeben, -dann solches wäre anständiger und auch meine -Schuldigkeit gewesen. Demnach ich mich entschuldiget, -daß ich ihn als meinen allerliebsten Freund in seinem -Elend zu verlassen nicht übers Herz bringen können, -beredete er mich, daß ich meinem Weibe schrieb und -ihr meine Gelegenheit zu wissen machte mit Versprechen, -mich mit ehistem wieder zu ihr zu begeben. Tät meines -langen Ausbleibens widriger Begegnüssen halber Entschuldigung.</p> - -<p>Dieweil dann Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen -erfuhr, daß es um den Grafen von Götz wohl stünde -und er gar wiederum das Kommando über eine Armee -kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand -nach Wien und schrieb auch nach der kur-bayrischen -Armee wegen seiner Bagage.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p303" id="Seite_p303">[S. 303]</a></span> - -Herzbruder erhielt von hochgemeldten Grafen eine -Wiederantwort und treffliche Promessen von Wien, ich -aber bekam von L. keinen einzigen Buchstaben, unangesehen -ich unterschiedliche Posttäge <span class="antiqua">in duplo</span> hinschriebe. -Das machte mich unwillig und verursachete, daß ich -denselbigen Frühling meinen Weg nicht nach Westfalen -antrat, sondern von Herzbrudern erhielt, daß er mich -mit ihm nach Wien nahm, mich seines verhofften Glückes -genießen zu lassen. Also montierten wir uns aus meinem -Geld wie zwei Kavaliers beides: mit Kleidungen, Pferden, -Dienern und Gewehren. Gingen durch Konstanz -auf Ulm, allda wir uns auf die Donau satzten und von -dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich anlangten. -Auf demselben Weg beobachtete ich sonst nichts, als -daß die Weibsbilder, so an dem Strand wohnen, den -Vorüberfahrenden, so ihnen zuschreien, nicht mündlich -sondern schlicht mit dem Beweistum selbst antworten, -davon ein Kerl manch feines Einsehen haben kann.</p> - -<p>Es geht wohl seltsam in der veränderlichen Welt her! -Wer alles wüßte, der würde bald reich. Ich sage: Wer -sich allweg in die Zeit schicken könnte der würde auch -bald groß und mächtig. Wer aber weiß, sich groß und -mächtig zu machen, dem folget der Reichtum auf dem -Fuß. Das Glück, so Macht und Reichtum zu haben -pfleget, blickte mich trefflich holdselig an.</p> - -<p>Der Graf von der Wahl, unter dessen Kommando -ich mich hiebevor in Westfalen bekannt gemacht, war -eben auch zu Wien. Herzbruder ward zu einem Bankett -geladen, da sich verschiedene kaiserliche Kriegsräte neben -dem Grafen von Götz und andern mehr befanden. Als -man von allerhand seltsamen Köpfen und berühmten -Parteigängern redete, erzählte der Graf von der Wahl -auch etliche Stücklein des Jägers von Soest, daß man<span class="pagenum"><a name="Seite_p304" id="Seite_p304">[S. 304]</a></span> -sich teils über einen so jungen Kerl verwunderte, teils -bedauerte, daß der listige hessische Obrist <span class="antiqua">de S. A.</span> ihm -einen Weh-Bengel angehängt, damit er entweder den -Degen beiseite legen oder schwedische Waffen tragen -sollte. Herzbruder, der eben dort stund, bate um Verzeihung -und Erlaubnis zu reden und sagte, daß er den -Jäger von Soest besser kenne als sonst einen Menschen, -er sei nicht allein ein guter Soldat, sondern auch ein -ziemlicher Reuter, perfekter Fechter, trefflicher Büchsenmeister -und Feuerwerker, über dies alles einer, der einem -Ingenieur im Fortifikationswesen nichts nachgeben -würde. Er hätte nicht nur sein Weib, weil er mit ihr -schimpflich hintergangen worden, sondern auch alles -was er gehabt zu L. hinterlassen und wiederum kaiserliche -Dienste gesucht, maßen er mit ihm selbsten nach -Wien gekommen des Willens, sich abermals wider der -römischen kaiserlichen Majestät Feinde gebrauchen zu -lassen, doch soferne er solche Kondition haben könnte, -die ihm anständig seien.</p> - -<p>Damals war diese ansehnliche Kompanei mit dem -lieben Trunk schon dergestalt begeistert, daß sie ihre -Kuriosität, den Jäger zu sehen befriedigt wissen wollte, -maßen Herzbruder geschickt ward, mich in einer Kutsche -zu holen. Er instruierte mich unterwegs, derhalben -antwortete ich, als ich hinkam, auf alles sehr kurz und -redete nichts, es müßte dann einen klugen Nachdruck -haben. Ich erschien dergestalt, daß ich jedem angenehm -war. Mithin kriegte ich auch einen Rausch und glaube -wohl, daß ich dann habe scheinen lassen, wie wenig ich -bei Hof gewesen. Endlich versprach mir ein Obrister -zu Fuß eine Kompagnie unter seinem Regiment.</p> - -<p>Also ward ich derselbigen vor einen Hauptmann vorgestellt. -Obzwar meine Kompagnie samt mir ganz<span class="pagenum"><a name="Seite_p305" id="Seite_p305">[S. 305]</a></span> -komplett war, hatte sie nicht mehr als sieben Schillerhälse, -zudem waren meine Unter-Offizierer mehrenteils -alte Krachwadel, darüber ich mich hinter Ohren kratzte. -Dahero ward ich mit ihnen bei der nächsten scharfen -Occasion desto leichter gemarscht. Dabei verlor der Graf -von Götz das Leben, Herzbruder und ich bekamen einen -Schuß. Wir begaben uns auf Wien, um uns kurieren -zu lassen, wo sich bei Herzbruder ein anderer gefährlicher -Zustand zeigte, dann er ward lahm an allen vieren, -wie ein <span class="antiqua">Cholericus</span>, den die Galle verderbt, und war -doch am wenigsten selbiger Komplexion noch dem Zorn -beigetan. Nichts desto weniger ward ihm eine Sauerbrunnkur, -der Gießbacher an dem Schwarzwald, vorgeschlagen.</p> - -<p>Also veränderte sich das Glück unversehens. Herzbruder -machte sein Testament und satzte mich zum einzigen -Erben, und ich schlug mein Glück in den Wind -und quittierte meine Kompagnie, damit ich ihn begleiten -und ihm in Sauerbrunn aufwarten könnte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p306" id="Seite_p306">[S. 306]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_dritte_Kapitel" id="Buch5_Das_dritte_Kapitel">Das dritte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ein erfahrener Medicus, den ich von Straßburg -eingeholet, befand, daß dem Herzbruder mit Gift -vergeben worden, das Gift sei aber nicht stark genug -gewesen, ihn gleich hinzurichten. Es müsse durch Gegenmittel -und Schweißbäder ausgetrieben werden, und -würde sich solche Kur auf ungefähr eine Woche oder -acht belaufen. Mein Herzbruder resolvierte sich, in -Sauerbrunn die Kur zu vollenden, weil er nicht allein -eine gesunde Luft, sondern auch allerhand anmutige -Gesellschaft unter den Badegästen hatte.</p> - -<p>Solche Zeit mochte ich nicht vergeblich hinbringen, -weil ich Begierde hatte, dermalen eins mein Weib auch -wiederum zu sehen. Herzbruder hatte meiner nicht vonnöten -und lobte solches Fürnehmen. Gab mir auch -etliche kostbare Kleinodien, die ich ihr seinetwegen verehren -und sie um Verzeihung bitten sollte, daß er eine -Ursache gewesen sei, daß ich sie nicht ehender besuchet.</p> - -<p>Also ritt ich auf Straßburg, allwo mein Geld auf -Wechsel lag, machte mich nicht allein mit Geld gefaßt, -sondern erkundigte auch, wie ich meine Reise anstellen -möchte, um zwischen so vielen Guarnisonen der beiderseits -kriegenden Teile am sichersten fort zu kommen. -Erhielt derowegen einen Paß vor einen Straßburger -Botenläufer und machte etliche Schreiben an mein Weib, -ihre Schwester und deren Eltern, als ob ich einen Boten -nach L. schicken wollte. Ich verkleidete mich aber selbsten -in ein weiß und rote Livrei und fuhr also botenweis -bis nach Köln, welche Stadt damals zwischen den -kriegenden Parteien neutral war.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p307" id="Seite_p307">[S. 307]</a></span> - -Ich ging zuforderst hin, meinen <span class="antiqua">Jovem</span> zu besuchen, -den ich hiebevor bei Soest gefangen hatte, um zu erkundigen, -welche Bewandnus es mit meinen hinterlegten -Sachen hätte. Mein <span class="antiqua">Jupiter</span> war aber damals -wieder ganz hirnschellig und unwillig über das menschliche -Geschlecht.</p> - -<p>»O <span class="antiqua">Mercuri</span>,« sagte er zu mir, »was bringst du neues -von Münster? Vermeinen die Menschen wohl ohn -meinem Willen Frieden zu machen? Nimmermehr! Sie -hatten ihn. Warum haben sie ihn nicht behalten? -Gingen nicht alle Laster im Schwang, als sie mich -bewegten den Krieg zu senden? Womit haben sie seithero -verdient, daß ich ihnen den Frieden wiedergeben -sollte? Haben sie sich dann selbiger Zeit her bekehrt? -Seind sie nicht ärger worden und selbst mit in Krieg -geloffen wie zu einer Kirmeß? Oder haben sie sich -vielleicht wegen der Teuerung bekehret, die ich ihnen -zugesandt, darin so viel tausend Seelen Hungers gestorben? -Oder hat sie vielleicht das grausame Sterben -erschröcket (das so viel Millionen hingerafft) daß sie sich -gebessert? Nein, nein, <span class="antiqua">Mercuri</span>, die übrig Verbliebenen, -die den elenden Jammer mit ihren Augen angesehen, -haben sich nicht allein nicht gebessert, sondern seind viel -ärger worden als sie zuvor jemals gewesen. Haben sie -sich nun wegen so vieler scharfen Heimsuchungen nicht -bekehret, sondern unter dem schweren Kreuz und Trübsal -gottlos zu leben nicht aufgehöret, was werden sie -dann erst tun, wann ich ihnen den wohl-lustbarlichen, -göldenen Frieden wieder zusendete? Aber ich will ihrem -Mutwillen wohl bei Zeiten steuern und sie im Elend -hocken lassen.«</p> - -<p>Weil ich nun wußte, wie man diesen Gott lausen -mußte, wann man ihn recht stimmen wollte, sagte ich:<span class="pagenum"><a name="Seite_p308" id="Seite_p308">[S. 308]</a></span> -»Ach, großer Gott, es seufzet aber alle Welt nach dem -Frieden und verspricht eine große Besserung.«</p> - -<p>»Ja,« antwortete <span class="antiqua">Jupiter</span>, »sie seufzen wohl, aber -nicht meinet- sondern um ihrentwillen. Nicht daß jeder -unter seinem Weinstock und Feigenbaum Gott loben, -sondern daß sie deren edle Früchte mit guter Ruhe und -in aller Wollust genießen möchten. — Ich fragte neulich -einen Schneider, ob ich den Frieden geben sollte. -Er antwortete es sei ihm gleich, er müsse sowohl zu -Kriegs- als Friedenszeiten mit der stählernen Stange -fechten. Eine solche Antwort kriegte ich auch von einem -Rotgießer, der sagte, wann er im Frieden keine Glocken -zu gießen hätte, so wäre im Kriege genug an Stücken -und Feuermörsern zu tun. Also antwortete mir auch -ein Schmied: er habe keine Pflüge und Baurenwägen -zu beschlagen, so kämen ihm im Krieg genug Reuterpferde -und Heerwägen unter die Hände, also daß er -des Friedens wohl entbehren könne. Siehe nun, lieber -<span class="antiqua">Mercuri</span>, warum soll ich ihnen dann den Frieden verleihen? -Alle so ihn wünschen, begehren seiner um ihres -Bauchs und der Wollust willen, hingegen sind andere -die den Krieg wollen, weil er ihnen einträget. Und -gleichwie die Mäuerer und Zimmerleute den Frieden -wünschen, damit sie in Auferbauung der eingeäscherten -Häuser Geld verdienen, also verlangen andere die Fortsetzung -des Krieges, im selbigen zu stehlen.«</p> - -<p>Weil nun mein <span class="antiqua">Jupiter</span> mit solchen Sachen umging, -konnte ich mir leicht einbilden, daß er mir in seinem -verwirrten Stand von dem Meinigen wenig Nachricht -würde geben können. Nahm also den Kopf zwischen -die Ohren und ging durch Abwege nach L.</p> - -<p>Daselbst erfuhr ich, vor einen fremden Boten gehalten, -daß mein Schweher samt der Schwieger bereits<span class="pagenum"><a name="Seite_p309" id="Seite_p309">[S. 309]</a></span> -vor einem halben Jahr diese Welt gesegnet, und dann, -daß meine Liebste, nachdem sie mit einem Sohn niedergekommen, -den ihre Schwester bei sich hätte, gleichfalls -stracks nach ihrem Kindbette, diese Zeitlichkeit verlassen.</p> - -<p>Darauf lieferte ich meinem Schwager die Schreiben, -die ich selbst an meine Liebste und ihre Schwester gerichtet -hatte, aus. Derselbe wollte mich nun beherbergen, -damit er erfahren könnte, wes Standes <span class="antiqua">Simplicius</span> -sei und wie er sich verhielte. Zu dem Ende diskutierte -meine Schwägerin lang mit mir von mir selbsten, und -ich redete auch von mir, was ich nur Löbliches wußte, -dann die Pocken hatten mich dergestalt verderbt und -verändert, daß mich kein Mensch erkannte.</p> - -<p>Als ich ihr nun nach der Länge erzählte, daß Herr -<span class="antiqua">Simplicius</span> viel schöner Pferde und Diener hätte und -in einer schwarzen sammeten Mütze aufzöge, die überall -mit Gold verbrämt wäre, sagte sie:</p> - -<p>»Ich habe mir jederzeit eingebildet, daß er keines so -schlichten Herkommens sei, als er sich davor ausgeben. -Der hießige Kommandant hat meine Eltern selig mit -großen Verheißungen persuadiert, daß sie ihm meine -Schwester selig, die wohl eine fromme Jungfrau gewesen, -ganz vorteilhaftiger Weise aufgesattelt. Er hat -einen Vorrat in Köln gehabt und ihn hierher holen -wollen, ist aber darüber ganz schelmischer Weise nach -Frankreich prakticiert worden. — Meine Schwester hat -ihn kaum vier Wochen gehabt. Weil dann nunmehr -mein Vater und Mutter tot, ich und mein Mann aber -keine Kinder miteinander erhoffen, haben wir meiner -Schwester Kind zum Erben angenommen und mit Hülfe -des hießigen Kommandanten seines Vaters Habe zu Köln -erhoben, welche sich auf dreitausend Gulden belaufen -möchte. Wann also dieser junge Knab einmal zu seinen<span class="pagenum"><a name="Seite_p310" id="Seite_p310">[S. 310]</a></span> -Jahren kommt, wird er nicht Ursach haben sich unter -die Armen zu rechnen. Ich und mein Mann lieben das -Kind auch so sehr, daß wirs nicht mehr seinem Vater -ließen, wannschon er selbst käme. Ich weiß, wann mein -Schwager wüßte, was er vor einen schönen Sohn hier -hätte, daß ihn nichts halten könnte hierher zu kommen.«</p> - -<p>Indem lief mein Kind in seinen ersten Hosen um -uns und ich erfreuete mich vom Herzen. Ich suchte die -Kleinodien herfür, so ich hätte meiner Liebsten bringen -sollen, und gab sie meinem Schwager vor das Kind, -was er mit Freuden empfing.</p> - -<p>Mithin drang ich auf meine Abfertigung, und als ich -dieselbe bekam, begehrete ich im Namen des <span class="antiqua">Simplicii</span> -den kleinen <span class="antiqua">Simplicium</span> zu küssen, damit ich solches -seinem Vater als Wahrzeichen erzählen könnte. Als dies -nun auf Vergünstigung meiner Schwägerin geschah, fing -beiden, mir und dem Kinde, die Nase an zu bluten, -darüber mir das Herz hätte brechen mögen, doch ich -verbarg meine <span class="antiqua">Affecten</span>. Damit man nicht Zeit haben -möchte, der Ursache dieser Sympathie nachzudenken, -machte ich mich stracks aus dem Staube.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p311" id="Seite_p311">[S. 311]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_vierte_Kapitel" id="Buch5_Das_vierte_Kapitel">Das vierte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Nach meiner Rückkunft in Sauerbrunn ward ich -gewahr, daß es sich mit Herzbrudern eher gebösert -als gebessert hatte, wiewohl ihn die Doktores -und Apotheker strenger als eine fette Gans gerupft. Er -kam mir auch ganz kindisch vor und konnte nur kümmerlich -gehen. Sein Trost war, daß ich bei ihm sein -sollte, wann er die Augen würde zutun.</p> - -<p>Hingegen machte ich mich lustig und suchte meine -Freude; doch solcher Gestalt, daß an seiner Pflege nichts -manglete. Und weil ich mich ein Witwer zu sein wußte, -reizten mich die guten Täge und meine Jugend wiederum -zur Buhlerei, dann ich den zu Einsiedeln eingenommenen -Schröcken allerdings wieder vergessen hatte. -Ich machte mit den Lustigsten Kundschaft, die dahin -kamen, und fing an courtoise Reden und Komplimenten -zu lernen, deren ich meine Tage sonst niemals viel geachtet -hatte. Man hielt mich vor einen vom Adel, weil -mich meine Leute Herr Hauptmann nannten. Dannhero -machten die reichen Stutzer mit mir Brüderschaft und -war alle Kurzweile, Spielen, Saufen, Fressen meine -allergrößte Arbeit und Sorge.</p> - -<p>Unterdessen ward es mit Herzbrudern je länger je -ärger, also daß er endlich die Schuld der Natur bezahlen -mußte. Ich ließ ihn ganz herrlich begraben und -seine Diener mit Trauerkleidern und einem Stück Geld -ihres Wegs laufen.</p> - -<p>Sein Abschied tät mir schmerzlich weh, vornehmlich -weil ihm mit Gift vergeben worden. Obzwar ich solches -nicht ändern konnte, so änderte es doch mich, dann ich -flohe alle Gesellschaft und suchte nur die Einsamkeit,<span class="pagenum"><a name="Seite_p312" id="Seite_p312">[S. 312]</a></span> -meinen betrübten Gedanken Audienz zu geben. Ich verbarg -mich etwan irgends in einem Busch und betrachtete -nicht allein, was ich vor einen Freund verloren, -sondern ich machte auch allerhand Anschläge von Anstellung -meines künftigen Lebens. Bald wollte ich wieder -in Krieg und unversehens gedachte ich, es hättens die -geringsten Bauren in dieser Gegend besser, maßen noch -alle Baurenhöfe gleich als zu Friedenszeiten in trefflichem -Bau und alle Ställe voll Vieh waren.</p> - -<p>Als ich mich nun mit Anhörung des lieblichsten Vogelgesangs -ergötzte und mir einbildete, daß die Nachtigall -durch ihre Lieblichkeit andere Vögel banne, still zu schweigen -und ihr zuzuhören, da näherte sich jenseits dem -Bache eine Schönheit an Gestalt, die mich mehr bewegte, -weil sie nur den Habit einer Bauerdirne antrug, -als eine stattliche <span class="antiqua">Demoiselle</span> sonst mir nicht hätte tun -mögen. Sie hub einen Korb vom Kopf, darin sie einen -Ballen frische Butter trug, solchen im Sauerbrunn zu -verkaufen. Denselben erfrischte sie im Wasser. Unterdessen -satzte sie sich nieder ins Gras, warf ihr Kopftuch -und den Baurenhut von sich und wischte den Schweiß -vom Angesicht, also daß ich sie genug betrachten und -meine vorwitzigen Augen an ihr weiden konnte. Da -dünkte mich, ich hätte die Tage meines Lebens kein -schöner Mensch gesehen. Die Proportion des Leibes -schien vollkommen und ohn Tadel, Arme und Hände -schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarzen -Augen aber voller Feuer und liebreizender Blicke.</p> - -<p>Als sie nun ihre Butter wieder einpackte, schrie ich -hinüber:</p> - -<p>»Ach Jungfer, Ihr habt zwar mit Euren schönen -Händen Euere Butter im Wasser abgekühlt, hingegen aber -mein Herz durch Euere klaren Augen ins Feuer gesetzt.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p313" id="Seite_p313">[S. 313]</a></span> - -Sobald sie mich sahe und hörete, lief sie davon, als -ob man sie gejagt hätte. Sie hinterließ mich mit all -denjenigen Torheiten beladen, damit die verliebten Phantasten -gepeinigt zu werden pflegen.</p> - -<p>Meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen -zu werden, ließen mich nicht in meiner Einsamkeit, sondern -machten, daß ich den Gesang der Nachtigallen nicht -höher achtete als ein Geheul der Wölfe. Derhalben -tollete ich auch dem Sauerbrunn zu und schickte meinen -Jungen voran, die Butterverkäuferin anzupacken und -mit ihr zu marken, bis ich hernach käme. Er tät das -Seinige und ich nach meiner Ankunft auch das Meinige, -aber ich fand ein steinern Herz und solche Kaltsinnigkeit, -dergleichen ich hinter einem Baurenmensch -nimmermehr zu finden getrauet hätte, welches mich -aber viel verliebter machte.</p> - -<p>Damals hätte ich entweder einen strengen Feind oder -einen guten Freund haben sollen. Einen Feind, damit -ich meine Gedanken gegen denselben hätte richten und -der närrischen Liebe hätte vergessen müssen, oder einen -Freund, der mir ein anderes geraten und mich von meiner -Torheit hätte abmahnen mögen. Ach leider, ich hatte -nichts als mein Geld, das mich verblendete, meine blinden -Begierden, die mich verführeten, weil ich ihnen den -Zaum schießen ließ, und meine grobe Unbesonnenheit, -die mich verderbete und in alles Unglück stürzete. Mit -einem Wort, ich war mit dem Narrenseil rechtschaffen -verstrickt und derhalben ganz blind und ohn Verstand. -Und weil ich meine viehischen Begierden nicht anders -zu sättigen getrauete, entschloß ich mich, das Mensch zu -heiraten. Was, gedachte ich, du bist deines Herkommens -doch nur ein Baurensohn und wirst deiner Tage kein -Schloß besitzen; du hast Geld genug, auch den besten<span class="pagenum"><a name="Seite_p314" id="Seite_p314">[S. 314]</a></span> -Baurenhof in dieser Gegend zu bezahlen. Du wirst dies -ehrliche Baurngretlein heiraten und dir einen geruhigen -Herrenhandel inmitten der Bauren schaffen. — Ich erhielt, -wiewohl nicht ohne Mühe, das Jawort.</p> - -<p>Zur Hochzeit ließ ich trefflich rüsten, dann der Himmel -hing mir voller Geigen. Das Baurengut, darauf meine -Braut geboren worden, lösete ich nicht allein ganz an -mich, sondern fing noch darzu einen schönen, neuen Bau -an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- als haushalten -hätte wollen. Eh die Hochzeit vollzogen, hatte ich daselbst -über dreißig Stück Viehe stehen, weil man soviel -auf dem Gut erhalten konnte. Ich bestellte alles aufs -Beste und sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir -nur meine Torheit eingab.</p> - -<p>Aber die Pfeife fiel mir bald in Dreck. Dann als ich -nunmehr vermeinete mit gutem Wind in Engelland zu -schiffen, kam ich wider alle Zuversicht nach Holland. -Viel zu spat ward ich erst gewahr, was Ursache mich -meine Braut hatte so ungern nehmen wollen. Und ich -konnte mein spöttlich Anliegen keinem Menschen klagen. -So zahlete ich nach Maß und Billigkeit meine Schulden, -was Erkanntnus mich darum doch nichts desto -geduldiger, viel weniger frömmer machte. Ich fand mich -betrogen und gedachte meine Betrügerin wieder zu prellen, -maßen ich anfing grasen zu gehen, wo ich zukommen -konnte. Überdas stack ich mehr bei guter Gesellschaft -in Sauerbrunn als zu Haus.</p> - -<p>Meine Frau war ebenso liederlich. Sie hatte einen -Ochsen, den ich ins Haus hatte schlagen lassen, in etliche -Körbe eingesalzen; als sie eine Spänsau zurichten -sollte, unterstund sie sich solche wie einen Vogel zu rupfen; -sie wollte die Krebse am Rost und die Forellen -am Spieß braten. Nichts desto weniger trank sie auch<span class="pagenum"><a name="Seite_p315" id="Seite_p315">[S. 315]</a></span> -das liebe Weingen gern und teilete andern guten Leuten -auch mit. —</p> - -<p>Einsmals spazierete ich mit etlichen Stutzern das Tal -hinunter, eine Gesellschaft im untern Bad zu besuchen. -Da begegnete uns ein alter Baur mit einer Geiß am -Strick, die er verkaufen wollte. Und weil mich dünkte, -ich hätte ihn mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit -der Geiß herkomme.</p> - -<p>Er zog sein Hütlein und sagte: »Gnädiger Hearr, -eich darffs ouch werli neit sän.«</p> - -<p>»Du wirst sie ja nicht gestohlen haben.«</p> - -<p>»Nein, ich bring sie aus dem Städtgen im Tal, welches -ich eben gegen den Hearrn nit darf nennen, dieweil wir -vor einer Geiß reden.«</p> - -<p>Solches bewegte die Gesellschaft zum Lachen, und -weil ich mich entfärbte, gedachten sie, ich hätte Verdruß, -maßen mir der Baur so artig eingeschenkt. Aber -ich hatte andere Gedanken, dann an der großen Warze, -die der Baur mitten auf der Stirn stehen hatte, ward -ich eigentlich versichert, daß es mein Knän aus dem -Spessart war. — Wollte derhalben zuvor einen Wahrsager -agieren, eh ich mich ihm offenbarte.</p> - -<p>»Mein lieber alter Vater, seid Ihr nicht im Spessart -zu Haus?«</p> - -<p>»Ja, Hearr.«</p> - -<p>»Haben Euch nicht vor ungefähr achtzehen Jahren -die Reuter Euer Haus und Hof geplündert und verbrannt?«</p> - -<p>»Ja, Gott erbarms, es ist aber noch nit so lang.«</p> - -<p>»Habet Ihr nicht zwei Kinder, nämlich eine erwachsene -Tochter und einen jungen Knaben gehabt?«</p> - -<p>»Hearr, die Tochter war mein Kind, der Bub nit. -Ich hab ihn aber an Kindesstatt aufziehen wollen.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p316" id="Seite_p316">[S. 316]</a></span> - -Hieraus verstund ich wohl, daß ich dieses Knollfinken -Sohn nicht sei, welches mich eines Teils erfreuete, hingegen -aber auch betrübete, weil mir einfiel, ich müßte -sonst ein Bankert oder ein Findling sein. Fragte derowegen -den Knän, wo er den Buben aufgetrieben.</p> - -<p>»Ach, der Krieg hat mir ihn gegeben und der Krieg -hat nur ihn wieder genommen.«</p> - -<p>Weil ich dann besorgte, es dörfte wohl ein <span class="antiqua">Facit</span> -herauskommen, das mir wegen meiner Geburt nachteilig -sein möchte, fragte ich, ob er die Geiß der Wirtin -in die Küche verkauft hätte.</p> - -<p>»Ach nein, Hearr, ich bring sie der Gräfin, die im -Sauerbrunn badet. Der Doktor Hans in allen Gassen -hat etliche Kräuter geordnet, so die Geiß essen muß. -Was sie dann vor Milch gibt, die nimmt der Doktor -und machet der Gräfin noch so ein Arznei drüber, dann -muß sie die Milch trinken. Man seit, es mangle der -Gräfin am Gehäng.«</p> - -<p>Unter währender solcher Relation besann ich, auf -was Weise ich noch mit dem Baurn reden möchte, bot -ihm derhalben einen Taler mehr um die Geiß als die -Gräfin. Solches ging er gleich ein, doch mit dem Beding, -er sollte der Gräfin zuvor angeben, daß ihm ein -Taler mehr darauf geboten, er wollte mir den Handel -auf den Abend anzeigen.</p> - -<p>Also ging mein Knän seines Wegs und auch ich -drehete mich bald von der Kompanie ab und ging hin, -wo ich meinen Knän wiederfand; der hatte seine Geiß -noch. Ich führete ihn auf meinen neuen Hof, bezahlte -die Geiß und hängte ihm einen halben Rausch an. -Sodann fragte ich ihn nach seinem Knaben.</p> - -<p>»Ach Herr, der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert, -und die Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_p317" id="Seite_p317">[S. 317]</a></span> -genommen.« Nach verlorener Schlacht bei Höchst habe -des Mansfelder flüchtig Volk sich weit und breit zerstreuet. -Viel seien in den Spessart gekommen, weil sie -die Büsche suchten, sich zu verbergen, aber indem sie -dem Tod in der Ebene entgingen, hätten sie einen in -den Bergen gefunden, dann damalen ginge selten ein -Baur in die Büsche ohn sein Feuerrohr, da man zu -Haus bei Hauen und Pflügen nicht bleiben konnte. In -demselben Tumult habe er nicht weit von seinem Hof -in dem wilden ungeheuren Wald eine schöne, junge -Edelfrau samt einem stattlichen Pferd getroffen, so er -anfänglich vor einen Kerl gehalten, weil sie so mannlich -daherritte. Indem sie beides: Händ und Augen zum -Himmel aufgehoben und auf wälsch mit einer erbärmlichen -Stimme zu Gott gerufen, habe er sein Rohr -sinken lassen und den Hahn wieder zurückgezogen, dann -er gesehen, daß sie ein betrübtes Weibsbild wäre. -Indem er näher getreten riefe sie ihn an: »Ach, wann -Ihr ein ehrlicher Christenmensch seid, so bitte ich Euch -um Gottes und seiner Barmherzigkeit, ja um des -jüngsten Gerichtes willen, Ihr wollet mich zu ehrlichen -Weibern führen, die mich durch göttliche Hilfe von -meines Leibes Bürde entledigen helfen!« Diese Worte -hätten ihn samt der holdseligen Aussprache zu solcher -Erbärmde gezwungen, daß er ihr Pferd beim Zügel -nahm und sie durch Hecken und Stauden an den allerdicksten -Ort des Gesträuchs führete, da er selbst Weib, -Kind, Gesind und Viehe hingeflüchtet gehabt. Daselbst -seie sie ehender als in einer halben Stund des jungen -Knaben genesen.</p> - -<p>Ich sprach ihm gütlich zu. Da er aber sein Glas ausgeleert -hatte, fragte ich wie es darnach weiter mit der -Frau gegangen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p318" id="Seite_p318">[S. 318]</a></span> - -Er antwortete, sie habe ihn zum Gevatter gebeten -und ihm auch ihres Mannes und ihren Namen genennt, -damit sie möchten ins Taufbuch geschrieben -werden. Indem habe sie ihr Felleisen aufgetan, darin -sie wohl köstliche Sachen hatte, und ihm, seinem Weib -und Kind, der Magd und sonst allen geschenkt. Aber -indem sie so damit umging und von ihrem Mann erzählete, -sei sie unter den Händen der Weiber gestorben. -Pfarrer und Schultz hätten ihm darnach befohlen, das -Kind aufzuziehen und vor Mühe und Kosten der -Fraue ganze Hinterlassenschaft zu behalten, ausgenommen -etliche Paternoster, Edelsteine und sonst Geschmeiß. -Also sei das Kind von der Bäurin mit Geißmilch -auferzogen worden.</p> - -<p>»Ihr habet mir,« sagte ich, »eine artliche Geschichte -erzählt und doch das Beste vergessen, dann Ihr habet -nicht gesagt, weder wie die Frau noch ihr Mann oder -das Kind geheißen.«</p> - -<p>Er antwortete: die Edelfrau habe Susanna Ramst, -ihr Mann Kapitain Sternfels von Fuchsheim geheißen, -und weil er Melchior hieße, so habe er den Buben bei -der Taufe auch Melchior Sternfels von Fuchsheim -nennen und ins Taufbuch schreiben lassen.</p> - -<p>Hieraus vernahm ich umständlich, daß ich meines -Einsiedels und der Schwester des Gubernators Ramsey -leiblicher Sohn gewesen. Aber ach, leider viel zu spat! -Dann meine Eltern waren schon beide tot.</p> - -<p>Ich deckte meinen Paten vollends mit Wein zu und -ließ den andern Tag auch sein Weib holen. Da ich mich -ihnen nun offenbarte, wollten sie's nicht glauben, bis -ich ihnen einen schwarzen haarigen Fleck aufgewiesen, -den ich auf der Brust habe.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p319" id="Seite_p319">[S. 319]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_fuenfte_Kapitel" id="Buch5_Das_fuenfte_Kapitel">Das fünfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ohnlängst hernach nahm ich meinen Pflegvater zu -mir und tät mit ihm einen Ritt hinunter in -Spessart, glaubwürdigen Schein und Urkund meines -Herkommens und ehelicher Geburt zu Wege zu bringen, -welches ich unschwer erhielt. Ich kehrete auch bei dem -Pfarrer ein, der sich zu Hanau aufgehalten, und ließ -über meine ganze Histori aus der Zeugen Mund durch -einen <span class="antiqua">Notarium</span> ein <span class="antiqua">Instrument</span> aufrichten, dann ich -dachte, wer weiß, wo du es noch einmal brauchst. -Solche Reise kostete mich über vierhundert Taler, dann -auf dem Rückweg ward ich von einer Partei erhascht, -abgesetzt und geplündert, also daß ich und mein Knän -nackend und kaum mit dem Leben davonkam.</p> - -<p>Indessen ging es daheim noch schlimmer zu. Dann -nachdem mein Weib vernommen, daß ihr Mann ein -Junker sei, spielte sie nicht allein die große Frau, sondern -verliederlichte auch alles in der Haushaltung, was -ich, weil sie großen Leibes war, stillschweigend ertrug. -Überdas ward mir das meiste und beste Viehe von -einer Seuche dahingerafft. Dieses alles wäre noch zu -verschmerzen gewesen. Aber, <span class="antiqua">o mirum</span>, kein Unglück -allein! In der Stunde, darin mein Weib genase, ward -die Magd auch Kindbetterin. Das Kind zwar, so sie -brachte, sahe mir allerdings ähnlich, das Kind meines -Weibes hingegen sahe dem Knecht so gleich, als wanns -ihm aus dem Gesicht wäre geschnitten worden. Jedoch -es gehet nicht anders her, wann man in einem so -gottlosen und verruchten Leben seinen viehischen Begierden -folget.</p> - -<p>Nun was halfs, ich mußte taufen. Andernteils nahm<span class="pagenum"><a name="Seite_p320" id="Seite_p320">[S. 320]</a></span> -es mein Weibgen nur auf die leichte Achsel. Doch die -Magd mußte aus dem Haus, dann mein Weib argwöhnete, -was ich ihretwegen vom Knecht gedachte. -Indessen ich ward von dieser Anfechtung heftig gepeinigt, -daß ich meinem Knecht ein Kind aufziehen, -das Meinige aber von der Magd nicht mein Erbe sein -sollte, und daß ich dabei froh sein mußte, weil sonst -niemand nichts wußte.</p> - -<p>Mit solchen Gedanken marterte ich mich täglich, -mein Weib aber delektierte sich stündlich mit Wein, -dann sie hatte sich das Kumpen sint unserer Hochzeit -dergestalt angewöhnt, das es ihr selten vom Maul kam -und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne einen ziemlichen -Rausch schlafen ging. Davon soff sie ihrem Kind -zeitlich das Leben ab und entzündete sich das Gehäng -dergestalt, daß es ihr bald hernach entfiel und mich -wieder zum Witwer machte. Das ging mir so zu Herzen, -daß ich mich fast krank darüber gelachet hätte.</p> - -<p>Ich befand mich solchergestalt wieder in meiner -ersten Freiheit. Mein Beutel war ziemlich geleeret, ich -hingegen mit großer Haushaltung vielem Viehe und -Gesind beladen. Also nahm ich meinen Paten Melchior -vor einen Vater und dessen Frau vor eine Mutter, -den Magdsohn aber vor meinen Erben an und übergab -den beiden Alten Haus und Hof samt meinem -ganzen Vermögen, bis auf gar wenig gelbe Batzen und -Kleinodien. Ich hatte einen Ekel ob aller Weiber Beiwohnung -und Gemeinschaft, ich nahm mir vor, mich -nicht mehr zu verheiraten.</p> - -<p>Diese beiden Alten gossen meine Haushaltung gleich -in einen andern Model. Sie schafften vom Gesind und -Viehe ab, was nichts nütze und bekamen hingegen auf -den Hof, was etwas eintrug. Sie vertrösteten mich<span class="pagenum"><a name="Seite_p321" id="Seite_p321">[S. 321]</a></span> -alles Guten und versprachen, wann ich sie nur hausen -ließe, so wollten sie mir allweg ein gut Pferd auf der -Streu halten und so viel verschaffen, daß ich je zu Zeiten -mit einem ehrlichen Biedermann eine Maß Wein trinken -könnte. Ich spürete es auch gleich. Mein Pate bestellte -mit dem Gesind den Feldbau, schacherte mit Viehe -und mit dem Holz- und Harzhandel ärger als ein Jud -und meine Götfrau legte sich auf die Viehzucht und -wußte Milchpfennige besser zu gewinnen und zusammen -zu halten, als zehen solcher Weiber, wie ich eins gehabt -hatte. Auf solche Weise ward mein Baurenhof in kurzer -Zeit vor den besten in der ganzen Gegend geschätzet. —</p> - -<p>Einsmals spazierte ich in Sauerbrunn, jedoch nicht -um mich mit Stutzern bekannt zu machen, dann ich -fing an meiner Alten Kargheit nachzuahmen, gleichwohl -geriet ich zu einer Gesellschaft mittelmäßigen -Standes, weil sie von einer seltenen Sache, nämlich -vom Mummelsee diskutierten. Der war in der Nachbarschaft -auf einem von den höchsten Bergen gelegen, -unergründlich, und wunderbarliche Fabeln verlauteten -von ihm.</p> - -<p>Einer sagte, wann man ungrad, es seien gleich Erbsen, -Steinlein oder etwas andres in ein Nastüchlein binde -und hinein hänge, so veränderte es sich in grad, also -auch grad in ungrad. Die meisten aber gaben vor und -befestigten es auch mit Exempel, wann man ein oder -mehrere Steine hineinwürfe, so erhebe sich gleich, Gott -gebe wie schön auch der Himmel zuvor gewesen, ein -grausam Ungewitter mir schröcklichem Regen, Schloßen -und Sturmwinde. Einer erzählte, daß auf ein Zeit, da -etliche Hirten ihr Viehe bei dem See gehütet, ein -brauner Stier herausgestiegen, welcher sich zu dem andern -Rindviehe gesellet, dem aber gleich ein kleines<span class="pagenum"><a name="Seite_p322" id="Seite_p322">[S. 322]</a></span> -Männlein nachgefolget, ihn wieder zurück zu treiben. -Auch seie einsmals ein Baur mit seinem Ochsen und -etlichen Holzplöchern über den gefrornen See gefahren, -ohn einzigen Schaden, als ihm aber sein Hund nachkommen, -sei das Eis mit ihm gebrochen und der arme -Hund allein hinunter gefallen und nicht mehr gesehen -worden. Noch einer behauptete bei großer Wahrheit, -es sei ein Schütze auf der Spur des Wildes bei dem -See vorübergegangen, der hätte auf dem Wasser ein -Männlein sitzen sehen, das einen ganzen Schoß voll -gemünzter Goldsorten gehabt und gleichsam damit gespielet -hätte. Und als er nach demselben Feuer geben -wollen, hätte sich das Männlein geduckt und gerufen: -»Wann du mich gebeten deiner Armut zu Hilf zu -kommen, so wollte ich dich reich genug gemacht haben.«</p> - -<p>Solche und andere Historien verlachte ich. Aber es -fanden sich Baursleute, und zwar alte, glaubwürdige -Männer, die erzählten, wie dann ein regierender Herzog -von Württemberg ein Floß machen ließ, die Tiefe zu -ergründen. Nachdem die Messenden aber bereits neun -Zwirnnetz mit einem Senkel hinunter gelassen und -gleichwohl noch keinen Boden gefunden, hätte das Floß -wider die Natur des Holzes angefangen zu sinken, also -daß sie von ihrem Vornehmen abstehen und sich hätten -ans Land salvieren müssen, maßen man noch heutzutag -die Stücke des Flosses am Ufer und zum Gedächtnus -dieser Geschicht das fürstlich württembergsche Wappen -in Stein gehauen vor Augen sehe.</p> - -<p>Die Begierde, den Mummelsee zu beschauen, vermehrte -sich bei mir, als ich von dem Knän verstund, daß er -auch dort gewesen und den Weg wisse. Da er aber -hörete, daß ich überein auch darzu wollte, sagte er: -»Der Herr Sohn wird nichts andres sehen, als das<span class="pagenum"><a name="Seite_p323" id="Seite_p323">[S. 323]</a></span> -Ebenbild eines Weihers, der mitten in einem großen -Walde liegt, und wann er seine jetzige Lust mit beschwerlicher -Unlust gebüßet, so wird er nichts andres -als Reue, müde Füße und den Hergang vor den Hingang -davon haben.«</p> - -<p>Da er aber meinen Ernst sahe, meinete er, dieweil -die und auf dem Hof weder zu hauen -noch zu ernten, wolle er selbst mit mir gehen; dann er -hatte mich so lieb und prangte mit mir, weil die Leute -im Land glaubten, daß ich sein leiblicher Sohn sei.</p> - -<p>Also wanderten wir miteinander über Berg und Tal -und kamen zum Mummelsee, eh wir sechs Stunden -gegangen waren, dann mein Pate war noch so käfermäßig -und sowohl zu Fuß als ein Junger. Nachdem -wir uns an Speis und Trank erquickt, beschauete ich -den See und fand die etlichen gezimmerten Hölzer des -Württembergischen Flosses darin liegen. Die Luft war -ganz windstill und wohl temperiert, so wollte ich auch -probieren, was Wahrheit an der Sagenmär wäre, sintemal -ich allbereit die Sage, daß der See keine Forellen -leide, am mineralischen Geschmack des Wassers als -natürlich zu sein befunden.</p> - -<p>Ich ging gegen der linken Hand an dem See hin, da -das Wasser wegen der abscheulichen Tiefe des Sees -gleichsam kohlschwarz zu sein scheinet und deswegen so -förchterlich aussiehet. Daselbst fing ich an große Steine -hinein zu werfen, als ich sie nur immer erheben und -ertragen konnte. Mein Knän warnete mich und bat, -ich aber continuierete meine Arbeit emsig fort, bis ich -über dreißig Steine in den See brachte.</p> - -<p>Da fing die Luft an, den Himmel mit schwarzen -Wolken zu bedecken, in welchen ein grausamer Donner -gehöret ward, also daß mein Knän, der jenseits des<span class="pagenum"><a name="Seite_p324" id="Seite_p324">[S. 324]</a></span> -Sees bei dem Auslauf stund, über meine Arbeit lamentierte -und mir zuschrie, ich sollte mich doch salvieren, -damit uns Regen und das schröckliche Wetter nicht ergreife. -Ich aber antwortete: »Vater, ich will bleiben -und des Endes erwarten, sollte es auch Hellebarten -regnen.«</p> - -<p>Er schmälete noch weiterhin zu mir herüber, ich verwandte -aber die Augen nicht von der Tiefe und sahe -weit untern gegen den Abgrund etliche Kreaturen im -Wasser herumfladern, die mich der Gestalt nach an -Frösche ermahneten und gleichsam wie Schwärmerlein -aus einer aufsteigenden Rakete in der Luft herumvagierten. -Je näher sie kamen, desto größer und an -Gestalt den Menschen ähnlicher schienen sie meinen -Augen, weswegen mich dann erstlich eine große Verwunderung -und endlich ein Grausen und Entsetzen -ankam.</p> - -<p>»Ach,« rief ich vor Schröcken so laut, daß es mein -Knän wohl hören konnte, »wie seind die Wunderwerke -des Schöpfers auch sogar im Bauch der Erden und -in der Tiefe des Wassers so groß!«</p> - -<p>Da war schon eins von den Sylphen oben auf dem -Wasser und antwortete: »Das bekennst du, ehe du etwas -davon gesehen hast, was würdest du wohl sagen, wann -du erst selbsten im <span class="antiqua">Centro</span> der Erden wärest und unsere -Wohnung, die dein Fürwitz beunruhiget, beschautest!«</p> - -<p>Unterdessen kamen noch mehr dergleichen Wassermännlein, -gleichsam wie Tauchentlein hervor. Sie -brachten die Steine wieder herauf, worüber ich ganz -erstaunete. Der Erste und Vornehmste unter ihnen, -dessen Kleidung wie lauter Gold und Silber glänzete, -warf mir einen leuchtenden Stein zu, so groß wie ein -Taubenei und so grün und durchsichtig, wie ein Smaragd.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p325" id="Seite_p325">[S. 325]</a></span> - -»Nimm das Kleinod, damit du etwas von uns und -diesem See zu sagen wissest.«</p> - -<p>Ich hatte ihn aber kaum aufgehoben und zu mir -gesteckt, da ward mir nicht anderst, als ob mich die -Luft hätte ersticken und ersäufen wollen, derhalben ich -mich dann nicht länger aufrecht behalten konnte, sondern -herumtaumelte wie eine Garnwinde und endlich -gar in den See hinunter fiel. Sobald ich aber ins -Wasser kam, erholete ich mich wieder und atmete aus -Kraft des Steins das Wasser anstatt der Luft. Ich -konnte auch gleich sowohl als die Wassermännlein in -dem See herumwebern, maßen ich mich mit ihnen in -den Abgrund hinunter tät, als wann sich eine Schar -Vögel mit Umschweifen gegen die Erde nieder lässet.</p> - -<p>Da mein Knän dies Wunder, samt meiner gählingen -Verzückung gesehen, trollete er sich von dem See hinweg -und heim zu, als ob ihm der Kopf brennte. Daselbst -erzählete er den Verlauf. Etliche glaubten ihm, -die meisten aber hielten es vor eine Fabel.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p326" id="Seite_p326">[S. 326]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_sechste_Kapitel" id="Buch5_Das_sechste_Kapitel">Das sechste Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Der Fürst über den Mummelsee, so mich begleitete, -sagte mir, daß wir durch die halbe Erde just -neunhundert deutscher Meilen hätten, und wer zum -<span class="antiqua">Centro</span> der Erde wolle, der müßte durch einen dergleichen -Seen seinen Weg nehmen, deren hin und wieder -so viel, als Tag im Jahr seien, in der Welt wären -und alle bei ihres Königs Wohnung zusammen stießen. -In solchem sanften Abfahren konnte ich mit dem -Mummelseeprinzen allerhand diskurieren, dann ich bemerkte -seine Freundlichkeit. So fragte ich, zu was Ende -sie mich einen so weiten, gefährlichen Weg mit sich -nähmen. Er antwortete mir gar bescheiden, der Weg -sei nicht weit und in einer Stunde spaziert, er sei nicht -gefährlich, dieweil ich in seiner Gesellschaft mit dem -überreichten Stein hinabführe, daß er mir aber ungewöhnlich -vorkomme, sei nicht zu verwundern. Darauf -bat ich ihn ferner, mir zu berichten, weshalb der gütige -Schöpfer so viel wunderbarliche Seen erschaffen.</p> - -<p>»Du fragst billig um dasjenige, was du nicht verstehst, -diese Seen sind um dreierlei Ursachen willen geschaffen. -Erstlich werden durch sie alle Meere gleichsam -wie mit Nägeln an die Erde geheftet, zweitens werden -von uns durch diese Seen die Wasser aus den Tiefen -des Ozeans in alle Quellen der Erde getrieben, wovon -Flüsse und Ströme entstehen, der Erdboden befeuchtiget, -die Gewächse erquicket und beides: Mensch und Vieh -getränket werden, drittens, daß wir als vernünftige -Kreaturen Gottes darin leben und Gott loben. Wann -wir aber aus einer andern Ursache unsere Geschäfte -unterlassen müssen, so wird die Welt durchs Feuer<span class="pagenum"><a name="Seite_p327" id="Seite_p327">[S. 327]</a></span> -untergehen, dann zu dieser Zeit, so alle Wasser verschwinden, -wird die Erde von sich selbst durch die -Sonnenhitze entzündet.«</p> - -<p>Da ich ihn also gleichsam die heilige Schrift anziehen -hörete, fragte ich, ob sie sterbliche Kreaturen -wären, oder ob sie Geister seien. Darauf antwortete -er, sie seien keine Geister sondern sterbliche Leutlein -und gab mir folgends eine <span class="antiqua">Genealogia</span> oder Stammtafel -aller Kreatur, indem er mir fürderst von der Erschaffung -der Engel erzählete und den Sturz derer, so -aus Hoffart gefallen, folgends wie Gott die Welt mit -allen Kreaturen aus seinem göttlichen Willen hervorgehen -ließe und also auch den irdischen Menschen zu -solchem End geschaffen, daß er Gott loben und sich -vermehren sollte, bis sein Geschlecht so groß sei, die -Zahl der gefallenen Engel zu ersetzen. Dann die heilige, -entleibte Seele eines zwar irdischen, doch himmlisch gesinnten -Menschen hat alle guten Eigenschaften des -Engels an sich, der entseelte Leib eines irdischen Menschen -aber ist gleich dem andern Aas eines unvernünftigen -Tieres. Kam demnach zum Beschluß auf das Geschlecht -der Sylphen und sagte: »Uns selbsten setzten -wir vor das Mittel zwischen euch und allen lebendigen -Kreaturen der Welt. Sintemal obgleich wir wie ihr -vernünftige Seelen haben, so sterben jedoch dieselbige -mit unseren Leibern hinweg, gleichsam als wie die lebhaften -Geister der unvernünftigen Tiere in ihrem Tod -verschwinden. Zwar ist uns kundbar, daß ihr durch den -ewigen Sohn Gottes aufs höchste geadelt seid und euch -die ewige Seligkeit wiederum erworben ist, aber ich -rede und verstehe nichts von der Seligkeit, weil wir -deren zu genießen nicht fähig sein. Uns hat der allgütige -Schöpfer genugsam in dieser Zeitlichkeit beseeligt, als<span class="pagenum"><a name="Seite_p328" id="Seite_p328">[S. 328]</a></span> -mit einer guten, gesunden Vernunft, mit Erkanntnus -seines heiligen Willens, mit gesunden Leibern, langem -Leben und einer edlen Freiheit, mit genugsam Wissenschaft -und Kunst und, was das allermeiste ist, wir sind -keiner Sünde, dannenhero auch keiner Strafe, ja nicht -einmal der geringsten Krankheit unterworfen.«</p> - -<p>Ich antwortete, da sie keiner Missetat und auch keiner -Strafe unterworfen, wozu sie dann eines Königs bedörftig, -<span class="antiqua">item</span> wie sie sich der Freiheit rühmen könnten, -wann sie einem König untertan. Darauf sagte er, sie -hätten ihren König nicht, daß er Justiz übe, noch daß -sie ihm dienen sollten, sondern er dirigiere wie der -Weisel im Immenstock ihre Geschäfte. Sie würden -ohne Wollust gezeugt und ohne Schmerzen geboren und -also stürben sie auch nicht mit Schmerzen sondern gleichsam, -wie ein Licht verlösche, wann es seine Zeit geleuchtet -habe, also verschwinden auch ihre Leiber samt -den Seelen. Gegen ihre Freiheit aber sei die Freiheit -des allergrößten Monarchen unter uns irdischen Menschen -gar nichts, dann sie könnten weder getötet noch -zu etwas Unbeliebigem genötigt werden. Kein Gefängnus -könne sie halten, weil sie Feuer, Wasser, Luft und -Erde ohne einzige Mühe und Müdigkeit durchgehen -könnten.</p> - -<p>Darauf sagte ich: »So ist euer Geschlecht von dem -Schöpfer weit höher geadelt und beseeligt als das unsrige.«</p> - -<p>»Ach nein,« antwortete der Fürst, »Ihr sündigt, -wann Ihr dies glaubt, dann Ihr vergesset der ewigen -Seligkeit.«</p> - -<p>Ich sagte: »Was haben darum die Verdammten -davon?«</p> - -<p>Da fragte er: »Was kann die Güte Gottes davor, -wann euer einer sein Selbst vergisset und sich der Welt<span class="pagenum"><a name="Seite_p329" id="Seite_p329">[S. 329]</a></span> -schändlichen Wollüsten ergibet, seinen viehischen Begierden -die Zügel schießen lässet und sich dem unvernünftigen -Vieh, ja den höllischen Geistern gleich machet?«</p> - -<p>Ich sagte zu dem Fürstlein, weil ich auf dem Erdboden -ohn das mehr Gelegenheit hätte von dieser <span class="antiqua">Materia</span> -zu hören, als ich mir zu nutz machte, so wollte -ich ihn gebeten haben, mir die Ursache zu erzählen, -warum ein so groß Ungewitter entstehe, wann man -Steine in solche Seen werfe.</p> - -<p>»Weil alle Steine, so hineingeworfen werden, notwendig -und natürlicher Weise in unsere Wohnung fallen -und liegen bleiben müßten, so schaffen wir sie mit einer -Ungestüme wieder hinaus, damit der Mutwille der -Menschen abgeschreckt und in Zaum gehalten werden -möge. An dieser einzigen Verrichtung kannst du die -Notwendigkeit unseres Geschlechtes abnehmen, sintemal -wann die Steine von uns nicht wieder ausgetragen -würden, so müßten endlich die Gebäude, damit das -Meer an die Erde geheftet und befestiget ist, zerstört -und die Gänge, durch die die Quellen aus dem Abgrund -des Meeres auf die Erde geleitet werden, verstopft -bleiben, das dann eine schädliche Konfusion und der -ganzen Welt Untergang mit sich bringen könnte.«</p> - -<p>Ich bedankte mich dieser Kommunikation und fragte, -ob es auch möglich sein könnte, daß er mich wieder -durch einen andern als den Mummelsee nach einem -andern Ort der Erde auf die Welt bringen könnte.</p> - -<p>»Freilich, warum das nicht? Wann es nur Gottes -Wille ist. Dann auf solche Weise haben unsere Voreltern -vor alten Zeiten etliche Kanaaneer, die dem -Schwert Josuas entronnen und sich aus Desperation -in einen solchen See gesprenget, in Amerikam geführet, -maßen deren Nachkömmlinge noch auf den heutigen<span class="pagenum"><a name="Seite_p330" id="Seite_p330">[S. 330]</a></span> -Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre Ureltern -anfänglich entsprungen.«</p> - -<p>Als ich nun sahe, daß er über meine Verwunderung -erstaunete, gleichsam als ob seine Erzählung nicht Verwunderns -würdig wäre, fragte ich ihn, ob er dann -nicht auch Seltsames und Wunderliches von uns Menschen -gesehen.</p> - -<p>Hierauf sagte er: »Wir wundern uns an euch nichts -mehrers, als daß ich euch, da ihr doch zum ewigen, -seligen Leben erschaffen, durch zeitliche und irdische -Wollüste, die doch so wenig ohn Unlust und Schmerzen -als Rosen ohne Dörner sind, dergestalt betören lasset. -Ach, möcht unser Geschlecht an euerer Stelle sein, wir -möchten euerer nichtigen und flüchtigen Zeitlichkeit Probe -besser halten als ihr. Dann das Leben, so ihr habet, -ist nicht euer Leben, sondern euer Leben oder Tod -wird euch erst gegeben, wann ihr die Zeitlichkeit verlasset. -Dannenhero halten wir die Welt vor einen Probierstein -Gottes, auf welchem der Allmächtige das Gold -des Menschen probieret.«</p> - -<p>Das war das Ende unseres Gesprächs, weil wir uns -dem Sitz des Königs näherten, vor welchen ich ohn -Zeremonien oder Verlust einiger Zeit hingebracht ward. -Da hatte ich nun wohl Ursache mich über seine Majestät -zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte -Hofhaltung noch einziges Gepränge, ja aufs Wenigste -keinen Kanzler oder geheime Räte, noch einzigen Dolmetschen -oder Trabanten und Leibguarde, sogar keinen -Schalksnarren, noch Koch, Keller, Page oder einzigen -Favoriten oder Tellerlecker sahe, sondern rings um ihn -her schwebten die Fürsten über alle Seen, die sich in -der ganzen Welt befinden, jedweder in derjenigen Landestracht -aufziehend, in welches sich sein See vom <span class="antiqua">Centro</span><span class="pagenum"><a name="Seite_p331" id="Seite_p331">[S. 331]</a></span> -der Erde aus erstreckte. Dannenhero sahe ich zugleich -die Ebenbilder der Chineser und Afrikaner, Troglodyten -und Novazembler, Tataren und Mexikaner, Samojeden -und Moluccenser, ja auch von denen so unter -den <span class="antiqua">Polis arctico</span> und <span class="antiqua">antarctico</span> wohnen, das wohl -ein seltsames Spektakul war; derjenige, so ober den -Pilatussee die Obersicht trug, zog mit einem breiten, -ehrbaren Bart und ein paar Ploderhosen auf, wie ein -reputierlicher Schweizer, und derjenige, so ober den -See Camarina die Aufsicht hatte, sahe beides: mit -Kleidern und Geberden einem Sizilianer so ähnlich, -daß einer tausend Eide geschworen hätte, er wäre niemalen -aus Sicilia weggekommen.</p> - -<p>Ich bedorfte nicht viel Komplimenten zu machen, -dann der König fing selbst an, gut deutsch mit mir zu -reden.</p> - -<p>»Aus was Ursache hast du dich unterfangen, uns -gleichsam ganz mutwilliger Weise so einen Haufen Steine -zuzuschicken?«</p> - -<p>»Weil bei uns einem jeden erlaubt ist an einer verschlossenen -Tür anzuklopfen.«</p> - -<p>»Wie wann du aber den Lohn deiner fürwitzigen -<span class="antiqua">Importunität</span> empfingest?«</p> - -<p>»Ich kann mit keiner größeren Strafe beleget werden, -als daß ich sterbe. Sintemal ich aber seithero so -viel Wunder erfahren und gesehen, wie unter Millionen -Menschen keiner das Glück nicht hat, würde mir mein -Tod vor gar keine Strafe zu rechnen sein.«</p> - -<p>»Ach, elende Blindheit! Ihr Menschen könnet nur -einmal sterben und ihr Christen sollet den Tod nicht -eher getrost zu überstehen wissen, ihr wäret dann gegen -Gott durch eine unzweifelhafte Hoffnung versichert. Aber -ich habe vor, diesmal weit anderes mit dir zu reden.<span class="pagenum"><a name="Seite_p332" id="Seite_p332">[S. 332]</a></span> -Es ist mit bekannt worden, daß ihr Christen euch des -jüngsten Tages ehistens versehet, weilen alles, was auf -der Erden lebet, den Lastern so schröcklich ergeben seie, -also daß der allmächtige Gott nicht lange verziehen -werde. Darob entsetzten wir uns nicht wenig, wegen -der Nähe solcher erschröcklichen Zeit. Haben dich derowegen -zu uns holen lassen, um zu vernehmen, was -etwan nach etlichen Wahrzeichen, die euer Heiland für -seine Ankunft hiebevor selbsten hinterlassen, vor Sorge -oder Hoffnung sein möchte. Ersuchen dich derowegen -ganz holdselig, du wollest uns bekennen, ob derjenige -Glaube noch auf Erden sei, welchen der Richter bei -seiner Ankunft schwerlich mehr finden wird.«</p> - -<p>Ich sagte, das zu beantworten seie mir viel zu hoch. -Die Ankunft des Herrn sei Gott allein bekannt.</p> - -<p>»Nun wohlan, so sage mir, wie sich die Stände der -Welt in ihrem Beruf halten, damit ich daraus der Welt -Untergang absehe. Hingegen will ich dich, wann du mir -die Wahrheit bekennst, mit einer solchen Verehrung abfertigen, -deren du dich dem Lebtag wirst zu erfreuen -haben.«</p> - -<p>Als ich nun hierauf schwieg und mich bedachte, fuhr -der König fort: »Dran! Dran! Fang am höchsten an -und beschließ am niedersten. Es muß doch sein, wann -du anders wieder auf den Erdboden willst.«</p> - -<p>Ich antwortete: »Wann ich am höchsten anfahen soll, -so mach ichs billig bei den Geistlichen, diese seind gemeiniglich -alle, sie seien auch gleich, was vor Religion -sie immer wollen, rechtschaffene Verächter der Ruhe, -Vermeider der Wollüste, in ihrem Beruf begierig zur -Arbeit, geduldig gegen Verachtung, demütig bei ihren -Verdiensten, hochmütig gegen die Laster. Und gleichwie -sie sich allein befleißen, Gott zu dienen und andere Menschen<span class="pagenum"><a name="Seite_p333" id="Seite_p333">[S. 333]</a></span> -mehr durch ihre Exempel als durch Worte zum -Reiche Gottes zu bringen, also haben die weltlichen -hohen Häupter allein ihr Absehen auf die liebe <span class="antiqua">Justitia</span>, -welche sie dann ohn Ansehen der Person einem jedweden, -Armen oder Reichen, durch die Bank hinaus -schnurgerad erteilen und widerfahren lassen. Die Kaufleute -handeln nie aus Geiz oder um Gewinns willen, -sondern damit sie ihren Nebenmenschen mit ihrer Ware, -die sie zu solchem Ende aus fernen Landen herbringen, -bedient sein können. Die Wirte treiben nicht deswegen -ihre Wirtschaften, reich zu werden, sondern damit sich -der Hungrige, Durstende und Reisende bei ihnen erquicken, -und sie die Bewirtung als ein Werk der Barmherzigkeit -an den müden und kraftlosen Menschen üben -können. Also suchet der <span class="antiqua">Medicus</span> nicht seinen Nutz, sondern -die Gesundheit seines Patienten, wohin dann auch -die Apotheker zielen. Die Handwerker wissen von keinen -Vorteln, Lügen und Betrug, sondern befleißen sich, -ihre Kunden mit dauerhafter und rechtschaffener Arbeit -am besten zu versehen. Den Schneidern tut nichts Gestohlenes -im Auge wehe, und die Weber bleiben aus -Redlichkeit arm, daß sich auch keine Mäus bei ihnen -ernähren können, denen sie ein Knäul Garn nachwerfen -müßten. Man weiß von keinem Wucher, sondern der -Wohlhäbige hilft dem Dürftigen aus christlicher Liebe -ganz ungebeten. Und wann ein Armer nicht zu bezahlen -hat, ohn merklichen Schaden und Abgang seiner Nahrung, -so schenkt ihm der Reiche die Schuld aus freien -Stücken. Man spüret keine Hoffart, dann jeder weiß -und bedenkt, daß er sterblich ist. Man merket keinen -Neid, dann es weiß und erkennet je einer den andern -vor ein Ebenbild Gottes, das von seinem Schöpfer geliebt -wird. Keiner erzörnt sich über den andern, weil<span class="pagenum"><a name="Seite_p334" id="Seite_p334">[S. 334]</a></span> -sie wissen, daß Christus vor alle gelitten und gestorben. -Man höret von keiner Unkeuschheit oder unordentlichen -fleischlichen Begierden, sondern was so vorgehet, das -geschieht aus Begierde und Liebe zur Kinderzucht. Da -findet man keine Trunkenbolde oder Vollsäufer, sondern -wann einer den andern mit einem Trunk ehrt, so lassen -sich beide nur mit einem christlichen Räuschlein begnügen. -Da ist keine Trägheit im Gottesdienst, dann ein -jeder erzeiget einen emsigen Fleiß und Eifer, wie er vor -allem andern Gott rechtschaffen dienen möge; und eben -deswegen sind jetzund so schwere Kriege auf Erden, -weil je ein Teil vermeinet, der andere diene Gott nicht -recht. Es gibt keine Geizigen mehr, sondern Sparsame, -keine Verschwender, sondern Freigebige, keine Kriegsgurgeln, -die Leute berauben und verderben, sondern -Soldaten die das Vaterland beschirmen, keine mutwilligen, -faulen Bettler, sondern Verächter der Reichtümer -und Liebhaber der freiwilligen Armut, keine Korn- -und Weinjuden, sondern vorsichtige Leute, die den überflüssigen -Vorrat auf den besorglichen künftigen Notfall -vor das Volk aufheben und zusammenhalten.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p335" id="Seite_p335">[S. 335]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_siebente_Kapitel" id="Buch5_Das_siebente_Kapitel">Das siebente Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich pausierte ein wenig und bedachte mich, aber -der König sagte, er hätte bereits so viel gehöret, -daß er nicht mehr zu wissen begehrete, wann ich wollte, -so sollten sie mich gleich wieder an den Ort bringen, -von wo sie mich genommen. Wollte ich aber eins oder -das andere beschauen, so sollte ich in seinem Reiche sicher -begleitet sein und alsdann werde ich mit einer Verehrung -abgefertigt werden, daß ich zufrieden sein könnte. Da -ich mich aber zu nichts entschließen konnte, wandte er -sich zu etlichen, die eben in den Abgrund des <span class="antiqua">Mare -del Zur</span> sich begaben. »Nehmt ihn mit und bringet ihn -bald wieder, damit er noch heut auf den Erdboden gestellet -werde!« Zu mir sagte er, ich möchte mich auf einen -Wunsch besinnen.</p> - -<p>Durch ein Loch, das etliche hundert Meilen lang war, -kamen wir auf den Grund des friedsamen Meeres <span class="antiqua">del -Zur</span>, darauf standen Korallenzinken so groß wie Eichbäume, -von denen sie zur Speise mit sich nahmen, was -noch nicht erhärtet und gefärbet war, dann sie pflegten -sie zu essen, wie wir die jungen Hirschgeweihe. Da sahe -ich Schneckenhäuser so groß als ein Rondell und breit -als ein Scheuertor. <span class="antiqua">Item</span> Perlen so dick als Fäuste, -welche sie anstatt der Eier aßen. Der Boden lag überall -mit Smaragden, Türkis, Rubinen, Diamanten und andern -Edelsteinen überstreut, gemeiniglich so groß wie -Bachkiesel. Da sahe man hier und dort gewaltige Schröffen -viel Meilwegs in die Höhe ragen, die vor das -Wasser hinausgingen und lustige Insuln trugen. Sie -waren rund herum mit allerhand wunderbarlichen Meergewächsen -gezieret und von mancherlei seltsamen Kreaturen<span class="pagenum"><a name="Seite_p336" id="Seite_p336">[S. 336]</a></span> -bewohnet. Die Fische aber, groß und klein, von -unzählbarer Art vagierten über uns im Wasser herum -und gemahneten mich allerdings an so vielerlei Vögel, -die sich in Frühlingszeit und im Herbst bei uns in der -Luft erlustieren.</p> - -<p>Als der, in dessen Obhut ich befohlen war, sahe, wie -mir alles so wunderbarlich vorkam und ich darüber erstaunete, -daß sie als Peruaner, Brasilianer, Mexikaner -und Insulaner <span class="antiqua">de los latrones</span> dannoch so gut deutsch -redeten, da sagte er, daß sie nicht mehr als eine Sprache -könnten, die aber alle Völker auf den ganzen Umkreis -der Erden in ihrer Sprache verstünden und sie hingegen -wiederum, welches daher komme, daß ihr Geschlecht -mit der Torheit des babylonischen Turmes nichts zu -schaffen hätte.</p> - -<p>Weil sich nun meine Begleitung genugsam verproviantiert -hatte, kehrten wir in das <span class="antiqua">Centrum</span> der Erde -zurück. Auf dem Wege sagte ich, die Wunder, die ich bisher -gesehen, hätten mich so gar aus mir selbst gebracht, -daß ich mich auf nichts bedenken könnte, sie wollten -mir raten, was ich von dem König begehren sollte. -Meine Meinung wäre, von ihm einen Gesundbrunnen -auf meinen Hof zu erbitten, wie derjenige wäre, der -neulich von sich selbst in Deutschland entsprungen sei. -Mein Führer antwortete mir, solches würde in seines -Königs Macht nicht stehen. Darauf fragte ich nach Ursach -dessen und er antwortete: »Es befinden sich hin -und wieder in der Erde leere Stätten, die sich nach und -nach mit allerhand Metallen ausfüllen, schläget sich zu -Zeiten durch die Spälte aus dem <span class="antiqua">Centro</span>, davon alle -Quellen getrieben werden, Wasser darzu, welches dann -um und zwischen den Metallen viel hundert Jahr sich -enthält und der Metallen edle Art und heilsame Eigenschaften<span class="pagenum"><a name="Seite_p337" id="Seite_p337">[S. 337]</a></span> -an sich nimmt, und suchet es endlich durch -seinen starken Trieb einen Auslauf, so wird das Heilwasser -nach so und soviel hundert Jahren zum allerersten -ausgestoßen und tät alsdann in denen menschlichen -Körpern die wunderbarliche Wirkung, die man -an solchen neuen Heilbrunnen siehet. So es aber in -schnellem Lauf durch die Metalle passieret, vermöchte es -keine Tugenden oder Kräfte von den Metallen an sich -nehmen.« Wann ich die Gesundheit, sagte er, so sehr -affectiere, so sollte ich den König ersuchen, daß er mich -dem König der Salamander, mit welchem er in Korrespondenz -stünde, in eine Kur empfehle. Derselbe könne -die menschlichen Körper durch einen Edelstein begaben, -daß sie in keinem Feuer verbrennen mögen. Wenn man -solche Menschen wie eine schleimige, alte, stinkende Tabakspfeife -mitten in das Feuer setze, da verzehrten sich -dann alle bösen Humores und schädlichen Feuchtigkeiten, -und komme ein Patient wieder so jung, frisch, gesund -und neugeschaffen hervor, als wann er <span class="antiqua">Elixir Theophrasti</span> -eingenommen hätte.</p> - -<p>Ich wußte nicht, ob mich der Kerl foppte oder ob -es ihm ernst war, doch bedankte ich mich der vertraulichen -<span class="antiqua">Communication</span> und sagte, ich besorge diese -Kur sei mir als einem <span class="antiqua">Cholerico</span> zu hitzig. Mir würde -nichts Lieberes sein, als wann ich meinen Mitmenschen -eine heilsame, rare Quelle mit mir auf den Erdboden -bringen könnte, welches ihnen zu Nutz, dem Könige -im <span class="antiqua">Centro</span> der Erden zur Ehre, mir aber zu einem -unsterblichen Namen und ewigem Gedächtnus gereichen -würde. Darauf mußte ich hören, daß der König im -<span class="antiqua">Centro</span> der Erden der Ehre oder Schande, so ihm unter -den Menschen zugelegt werde, gleichviel achte.</p> - -<p>Mithin kamen wir wiederum vor das Angesicht des<span class="pagenum"><a name="Seite_p338" id="Seite_p338">[S. 338]</a></span> -Königs, da bemerkte ich, wie die Sonne einen See -nach dem andern beschiene und ihre Strahlen bis in diese -schröckliche Tiefe herunter warf, also daß den Sylphis -niemalen kein Licht mangelte. Man brauchte zum Imbiß -weder Wein noch stark Getränke, aber anstatt dessen -tranken sie Perlen, als welche noch nicht erhärtet waren, -aus; die gaben ihnen treffliche Stärke.</p> - -<p>Indessen hatte sich die Zeit genähert, daß ich wieder -heim sollte, derhalben befahl der König, ich sollte meinen -Wunsch tun. Da antwortete ich, es könnte mir keine -größere Gnade widerfahren, als wann er mir einen -rechtschaffenen medicinalischen Sauerbrunn auf meinen -Hof würde zukommen lassen.</p> - -<p>»Ist es nur das? Ich hätte vermeint, du würdest -etliche große Smaragde mit dir nehmen. Jetzt sehe ich, -daß kein Geiz bei euch Christen ist.«</p> - -<p>Mithin reichte er mir einen Stein von seltsam wechselnden -Farben und sagte: »Diesen stecke zu dir. Wo du -ihn auf den Erdboden legen wirst, daselbst wird er anfahen, -das <span class="antiqua">Centrum</span> wieder zu suchen und die bequemsten -Mineralia durchgehen, bis er wieder zu uns kommt -und dir unsretwegen eine herrliche Sauerbrunnquelle zuschicket, -die dir so wohl bekommen und zuschlagen soll, -als du mit Eröffnung der Wahrheit um uns verdienet -hast.«</p> - -<p>Darauf nahm mich der Fürst vom Mummelsee wieder -in sein Geleit. Diese Heimfahrt dünkte mich viel weiter -als die Hinfahrt, also daß ich auf dritthalbtausend wohlgemessener -deutscher Meilen rechnete. Auch redete ich -mit meinen Begleitern nichts. Im übrigen war ich in -meiner Phantasie mit meinem Sauerbrunn so reich, -daß alle meine Gedanken und Witz genug zu tun hatten -zu beratschlagen, wo ich ihn hinsetzen und wie ich mir<span class="pagenum"><a name="Seite_p339" id="Seite_p339">[S. 339]</a></span> -ihn zu Nutz machen wollte. Da hatte ich allbereits meine -Anschläge wegen der ansehnlichen Gebäude, die ich dazusetzen -mußte, damit die Badegäste auch rechtschaffen -accomodiert seien und ich ein großes Losamentgeld aufheben -möchte. Ich ersann schon, durch was vor Schmiralia -ich die <span class="antiqua">Medicos</span> dahinbringen wollte, daß sie -meinen neuen Wundersauerbrunn allen andern, ja gar -den Schwalbacher vorziehen und mir einen Haufen neuer -Badegäste zuschaffen sollten. Ich machte schon ganze -Berge eben, damit sich die Ab- und Zufahrenden über -keinen mühsamen Weg beschwereten. Ich dingete schon -verschmitzte Hausknechte, geizige Köchinnen, vorsichtige -Bettmägde, wachsame Stallknechte, saubere Bad- und -Brunnenverwalter und sann auch allbereits einen Platz -aus, auf welchem ich mitten im wilden Gebürge, bei -meinem Hof einen schönen, ebenen Lustgarten pflanzen -und allerlei rare Gewächse darin ziehen wollte, damit -die fremden Herren Badegäste mit ihren Frauen darin -spazieren, sich die Kranken erfrischen, die Gesunden -mit allerhand kurzweiligen Spielen ergötzen und errammlen -können. Da mußten mir die <span class="antiqua">Medici</span>, doch um -die Gebühr, einen herrliche Tractat von meinem Brunn -und dessen köstliche Qualität zu Papier bringen, welchen -ich alsdann neben einem schönen Kupferstich, darin -mein Baurenhof im Grundriß entworfen, wohl drucken -lassen konnte, aus welchem ein jeder abwesende Kranke -sich gleichsam halb gesund lesen und hoffen möchte. Ich -ließ bereits meinen Sohn von L. holen, doch dorfte -er mir kein Bader werden, dann ich hatte mir vorgenommen, -meinen Gästen obzwar nicht den Rücken, -so doch aber ihren Beutel tapfer zu schröpfen.</p> - -<p>Mit solchen reichen Gedanken und überseligem Phantasiehandel -erreichte ich wiederum die Luft, maßen mich<span class="pagenum"><a name="Seite_p340" id="Seite_p340">[S. 340]</a></span> -mein Prinz allerdings mit trockenen Kleidern aus seinem -Mummelsee ans Land satzte. Doch mußte ich das Kleinod, -so er mir anfänglich gegeben, stacks von mir tun, -dann ich hätte sonst in der Luft ersaufen oder Atem -zu holen den Kopf wieder in das Wasser stecken müssen. -Da er den Stein wieder zu sich genommen, beschirmten -wir einander als Leute, die einander nimmer wieder zu -sehen würden bekommen. Er duckte sich und fuhr wieder -mit den seinigen in den Abgrund. Ich aber ging mit -meinem Quellenstein voll Freuden davon.</p> - -<p>Aber ach, meine Freude währete nicht lang! Indem -ich noch immerfort Kalender machte, wie ich den köstlichen -Wunderbrunn auf meinen Hof setzen und mir -darbei einen geruhigen Herrenhandel schaffen möchte, -stund ich, eh ich meiner Verirrung gewahr ward, mitten -in einer Wildnus wie Matz von Dresden beides: ohne -Speis und Gewehr, dessen ich gegen die bevorstehende -Nacht wohl bedörftig gewesen wäre. Geduld, Geduld, dein -Stein wird dich aller überstandenen Not wiederum ergetzen! -Gut Ding will Weile haben! Vortreffliche Sachen -werden ohne große Mühe und Arbeit nicht erworben, -sonst würde jeder Narr ohn Schnaufens und Bartwischens -einen solchen edlen Sauerbrunn zuwege bringen.</p> - -<p>Ich trat tapferer auf die Sohlen. Der Vollmond -leuchtete mir zwar fein, aber die hohen Tannen ließen -mir sein Licht nicht so wohl gedeihen, doch kam ich -soweit fort, bis ich um Mitternacht von weitem ein -Feuer gewahr ward. Etliche Waldbauren saßen darbei, -die mit Harz zu tun hatten.</p> - -<p>Wiewohl nun solchen Gesellen nicht allezeit zu trauen, -so zwang mich doch die Not zu ihnen. Ich hinterschlich -sie unversehens und sagte: »Guten Abend, ihr Herrn!«</p> - -<p>Da stunden und saßen sie alle sechse vor Schröcken<span class="pagenum"><a name="Seite_p341" id="Seite_p341">[S. 341]</a></span> -zitternd. Dann weil ich einer von den Längsten bin, -noch schwarze Trauerkleider anhatte, zumalen einen -schröcklichen Prügel in den Händen trug, auf welchem -ich mich wie ein wilder Mann steurete, kam ihnen -meine Gestalt entsetzlich vor. Endlich erholete sich einer.</p> - -<p>»Wer ischt dann der Hair?«</p> - -<p>Da hörete ich, daß er schwäbischer Nation sein müßte, -die man zwar (aber vergeblich) vor einfältig schätzet, -sagte derowegen, ich sei ein fahrender Schüler, der jetzo -erst aus dem Venusberg komme.</p> - -<p>»Oho,« antwortete einer, »jetzt glaube ich, Gottlob, -daß ich den Frieden wieder erleben werde, weil die -fahrenden Schüler wieder anfangen zu reisen.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p342" id="Seite_p342">[S. 342]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_achte_Kapitel" id="Buch5_Das_achte_Kapitel">Das achte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Also kamen wir ins Gespräch und ich genoß so vieler -Höflichkeit von ihnen, daß sie mich hießen zu Feuer -niedersitzen und mir ein Stück schwarz Brot und magern -Kühkäs anboten, welches ich gern annahm. Endlich -wurden sie so verträulich, daß sie mir zumuteten, ich -sollte ihnen als fahrender Schüler gute Wahrheit sagen. -Da fing ich an einem nach dem andern auf seine Hand -hin aufzuschneiden, was ich meinete, daß es ihnen wohl -gelegen sei. Sie begehreten weiterhin allerhand fürwitzige -Künste von mir zu lernen, ich aber vertröstete -sie auf den künftigen Tag, und begehrete, daß sie mich -ein wenig ruhen wollten lassen. Legte mich also beiseits, -mehr zu horchen als zu schlafen. Je mehr ich nun -schnarchte, je wachsamer sie sich erzeigeten. Sie stießen -die Köpfe zusammen und fingen an zu beraten, wer -ich sein möchte. Vor keinen Soldaten wollten sie mich -halten, weil ich ein schwarz Kleid antrug, und vor -keinen Bürgerskerl konnten sie mich schätzen, weil ich -zu einer solchen ungewöhnlichen Zeit so fern von den -Leuten in das Mückenloch (so heißet der Wald) angestochen -käme. Zuletzt beschlossen sie, ich müßte dannoch -ein lateinischer Handwerksgeselle sein, der verirrt wäre, -oder ein fahrender Schüler, weil ich so trefflich wahrsagen -konnte.</p> - -<p>»Ja,« fing einer an, »er hat darum doch nicht alles -gewußt. Etwan ist er ein loser Krieger und hat sich -so verkleidet, unser Viehe und die Schliche im Wald -auszukunden. Ach, daß wir es wüßten, wir wollten -ihn schlafen legen, daß er das Aufstehen vergessen sollte!«</p> - -<p>Indessen lag ich dort und spitzte die Ohren. Ich gedachte:<span class="pagenum"><a name="Seite_p343" id="Seite_p343">[S. 343]</a></span> -werden mich diese Knollfinken angreifen, so muß -mir zuvor einer oder drei ins Gras beißen.</p> - -<p>Demnach nun diese ratschlagten und ich mich mit -Sorgen ängstigte, ward mir gähling, als ob ein Bettnässer -bei mir läge, dann ich lag unversehens ganz naß. -<span class="antiqua">O mirum!</span> Da war Troja verloren! Alle meine trefflichen -Anschläge waren dahin, dann ich merkte am -Geruch, daß es mein Sauerbrunn war. Da geriet ich -vor Zorn und Unwillen in eine solche Raserei, daß ich -mich beinahe mit den sechs Bauren eingelassen und -herumgeschlagen hätte.</p> - -<p>»Ihr gottlosen Flegel! An diesem Sauerbrunn, der -auf meiner Lagerstätte hervorquillet, könnet ihr merken, -wer ich sei! Es wäre kein Wunder, ich strafe Euch alle, -daß euch der Teufel holen möchte, weil ihr so böse -Gedanken traget.«</p> - -<p>Machte darauf so bedrohliche und erschröckliche Mienen, -daß sie sich alle vor mir entsatzten. Doch kam ich -wieder zu mir selber und dachte, besser den Sauerbrunn -als das Leben verloren, gab ihnen derhalben gute Worte -und sagte: »Stehet auf und versuchet den herrlichen -Sauerbrunn, den ihr und alle Harz- und Holzmacher -hinfort in dieser Wildnus meinetwegen zu genießen -haben werdet.«</p> - -<p>Sie sahen einander an wie lebendige Stockfische, bis -sie merkten, daß ich fein nüchtern aus meinem Hut den -ersten Trunk tät. Da stunden sie nacheinander vom -Feuer auf, besahen das Wunder, versuchten das Wasser -und begannen zu lästern: Sie wollten, daß ich mit -meinem Sauerbrunn an einen andern Ort geraten wäre, -dann sollte ihre Herrschaft dessen inne werden, so müßte -das ganze Amt Dornstädt fröhnen und Wege darzu -machen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p344" id="Seite_p344">[S. 344]</a></span> - -»Dahingegen«, sagte ich, »habet ihr dessen alle zu genießen. -Eure Hühner, Eier, Butter, Viehe und alles -könnet ihr besser ans Geld bringen.«</p> - -<p>»Nein, nein,« riefen sie, »nein! Die Herrschaft setzt -einen Wirt hin, der wird allein reich und wir müssen -seine Narren sein, ihm Wege und Stege erhalten und -werden keinen Dank darzu haben!«</p> - -<p>Zuletzt entzweiten sie sich, zween wollten den Sauerbrunn -behalten, vier muteten mir zu, ich sollte ihn -wieder abschaffen. Weil aber nunmehr Tag vorhanden -war und ich nichts mehr da zu tun hatte, sagte ich, -wann sie nicht wollten, daß alle Kühe im ganzen -bayersbrunner Tal rote Milch geben sollten, solang -der Brunn liefe, so sollten sie mir alsobald den Weg -in Seebach weisen. Sie gaben mir zwei mit, maßen -sich einer allein bei mir forchtete.</p> - -<p>Also schied ich von dannen und obzwar dieselbe ganze -Gegend unfruchtbar war und nichts als Tannzapfen -trug, so hätte ich sie doch noch elender verfluchen mögen, -weil ich alle meine Hoffnung daselbst verloren. — Nach -vieler Mühe und Arbeit kam ich gegen Abend wieder -heim auf meinen Baurenhof und sahe, daß mein Knän -mir wahrgesagt hatte: nichts als müde Beine und den -Hergang vor den Hingang würde ich von dieser Wallfahrt -haben.</p> - -<p>Nach meiner Heimkunft hielt ich mich gar eingezogen, -meine größte Freude und Ergötzung war, hinter den -Büchern zu sitzen, deren ich mir dann viel beischaffte, -so von allerhand Sachen handelten, sonderlich die eines -großen Nachsinnens bedörfen. Aber <span class="antiqua">Grammaticam</span> und -<span class="antiqua">Arithmeticam</span>, <span class="antiqua">Mathematicam</span> und <span class="antiqua">Geometriam</span> auch -<span class="antiqua">Astronomiam</span> warf ich bald von mir, teils sie mir -gar bald erleidet und ich ihrer überdrüssig ward, teils<span class="pagenum"><a name="Seite_p345" id="Seite_p345">[S. 345]</a></span> -sie mich zwar trefflich erlustigten aber mir endlich auch -falsch und ungewiß vorkamen, also, daß ich mich auch -nicht länger mit ihnen schleppen mochte. Bei der -Lullischen Kunst befand ich viel Geschrei und wenig -Wolle. Ich machte mich hinter die <span class="antiqua">Kabbala</span> der Hebräer -und <span class="antiqua">Hieroglyphicas</span> der Egypter, fand aber als Allerletztes -von allen meinen Künsten und Wissenschaften, -daß keine bessere sei als <span class="antiqua">Theologia</span>.</p> - -<p>Nach derselben Richtschnure erfand ich vor die Menschen -eine Art zu leben, die mehr englisch als menschlich -sein könnte. Es sollte sich meines Davorhaltens -eine Gesellschaft zusammen tun beides: von verehelichten -als ledigen so Manns- als Weibspersonen, die -auf Manier der Wiedertäufer allein sich beflissen, unter -einem verständigen Vorsteher durch ihrer Hände Arbeit -ihren Unterhalt zu gewinnen und sich die übrige Zeit -mit dem Lob und Dienst Gottes und um ihrer Seelen -Seligkeit zu bemühen. Ich hatte hiebevor in Ungarn -auf den wiedertäuferischen Höfen ein solches Leben -gesehen und vor das seligste in der ganzen Welt geschätzet, -dann sie kamen mir in ihrem Tun und Leben -allerdings für wie die jüdischen Essäer. Sie hatten erstlich -große Schätze und überflüssige Nahrung, die sie -aber keineswegs verschwendeten. Kein Fluch, Murmelung, -noch Ungeduld ward bei ihnen gespüret, ja, man -hörete kein unnützes Wort. Da sahe ich Handwerker -in ihren Werkstätten arbeiten, als wann sie es verdingt -hätten. Ihr Schulmeister unterrichtete die Jugend, als -wann sie alle seine leiblichen Kinder gewesen wären. -Nirgends sahe ich Manns- und Weibsbilder untereinander -vermischt, sondern an jedem bestimmten Ort -auch jedes Geschlecht absonderlich seine obliegend Arbeit -verrichten. Ich fand Zimmer, in welchen nur Kindbetterinnen<span class="pagenum"><a name="Seite_p346" id="Seite_p346">[S. 346]</a></span> -waren, die ohne Obsorge ihrer Männer -durch ihre Mitschwestern mit aller notwendigen Pflege -samt ihren Kindern reichlich versehen wurden. Andere -sonderbare Säle standen voll Wiegen mit Säuglingen, -die von andern Weibern, das waren Witwen, beobachtet -wurden, daß sich deren Mütter ferners nicht um sie -bekümmern durften, als wann sie täglich zu dreien gewissen -Zeiten kamen, ihnen ihre mildreichen Brüste zu -bieten. Anderswo sahe ich das weibliche Geschlecht sonst -nichts tun als spinnen, also daß man über die hundert -Kunkeln oder Spinnrocken in einem Zimmer beieinander -antraf. Da war eine die Wäscherin, die andere -die Bettmacherin, die dritte Viehmagd, die vierte -Schüsselwäscherin, die fünfte Kellerin, die sechste hatte -das weiße Zeug zu verwalten und also auch die übrigen -alle wußten eine jede, was sie tun sollten. Und gleichwie -die Ämter unter dem weiblichen Geschlecht ordentlich -ausgeteilet waren, also wußte auch unter den -Männern und Jünglingen ein jeder sein Geschäft. Die -Kranken hatten Wärter und Wärterin und stund ihnen -ein allgemeiner <span class="antiqua">Medicus</span> und Apotheker bei, wiewohl -sie wegen löblicher Diät und guter Ordnung selten erkrankten. -Sie hatten ihre gewissen Stunden zum Essen -und Schlafen, aber keine einzige Minute zum Spielen -noch Spazieren, außerhalb die Jugend, welche mit ihrem -Präceptor jedesmal nach dem Essen der Gesundheit -halber eine Stunde spazierte. Da war kein Zorn, kein -Eifer, keine Rachgier, kein Neid, keine Feindschaft, -keine Sorge um Zeitliches, keine Hoffart, keine Reue. -Kein Mann sahe sein Weib, als wann er auf die bestimmte -Zeit sich mit derselben in seiner Schlafkammer -befand, in welcher er sein zugerichtetes Bette und sonst -nichts darbei als einen Wasserkrug und weißen Handzwilch<span class="pagenum"><a name="Seite_p347" id="Seite_p347">[S. 347]</a></span> -fand, damit sie mit gewaschenen Händen schlafen -gehen und des Morgens an die Arbeit aufstehen möchten. -Und alle hießen einander Schwester und Bruder, -und war doch solche ehrbare Verträulichkeit keine Ursache -unkeusch zu sein. Ein solches seliges Leben, wie -diese Wiedertäuferischen Ketzer führten, hätte ich gern -auch aufgebracht. Und hätte als ein anderer <span class="antiqua">Dominicus</span> -oder <span class="antiqua">Franciscus</span> einer solchen vereinigten Christengesellschaft -meinen Hof und ganzes Vermögen zum besten -gegeben, unter denselben ein Mitglied zu sein. Aber -mein Knän profezeite mir stracks, daß ich wohl nimmermehr -solche Bursche zusammenbringen würde.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p348" id="Seite_p348">[S. 348]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_neunte_Kapitel" id="Buch5_Das_neunte_Kapitel">Das neunte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Denselbigen Herbst näherten sich französische, schwedische -und hessische Völker, sich bei uns zu erfrischen, -deswegen dann jedermann sich selbst samt seinem -Viehe und besten Sachen in die hohen Wälder flüchtete. -Ich machte es wie meine Nachbarn und ließ das Haus -ziemlich leer stehen, in welches ein reformierter schwedischer -Obrister logieret ward. Derselbige fand in meinem -Kabinett noch etliche Bücher, dann ich in der Eil nicht -alles hinwegbringen konnte, und unter andern einzige -mathematische und geometrische Abrisse, auch etwas -vom Fortifikationswesen. Er schloß deshalben, daß sein -Quartier keinem gemeinen Bauren zuständig sein müßte, -fing derowegen an, sich um meine Person zu erkundigen -und ihr nach zu trachten, maßen er selbsten durch -courtoise Zuentbietungen und untermischte Drohworte -mich dahin brachte, daß ich mich zu ihm auf meinem -Hof begab. Mit großer Freundlichkeit brachte er zu -Wege, daß ich ihm mein Geschlecht und Herkommen -und alle meine Beschaffenheit vertraute. Er verwunderte -sich, daß ich mitten im Kriege meine Gaben, die -mir Gott verliehen, hinter dem Ofen und beim Pflug -verschimmeln lasse. Wenn ich schwedische Dienste annehmen -würde, so wüßte er, daß mich meine Qualitäten -und Kriegswissenschaften bald hoch bringen würden. -Ich ließ mich hiezu kaltsinnig an. Aber er drang -weiter in mich, maßen ihm von Torstensohn ein Regiment -versprochen sei, wann er ein solches erhalten -würde, woran er dann gar nicht zweifle, so wolle er -mich alsbald zu seinem Obrist-Leutnant machen. Mit -dergleichen Worten machte er mir das Maul ganz<span class="pagenum"><a name="Seite_p349" id="Seite_p349">[S. 349]</a></span> -wässerig und weilen noch schlechte Hoffnung auf den -Frieden war und ich deswegen sowohl fernerer Einquartierung -als gänzlichen Ruins unterworfen, resolvierete -ich mich wieder um mitzumachen, sofern er mir -seine Parola halten und die Obrist-Leutnantstelle geben -wollte.</p> - -<p>Also ward die Glocke gegossen, ich ließ meinen Knän -holen, derselbe war noch mit meinem Viehe zu Bayrischbrunn, -verschrieb ihm meinen Hof vor Eigentum, doch -daß ihn nach seinem Tod der Magdsohn erben sollte, -weil kein ehelicher Erbe vorhanden. Folgends holete -ich mein Pferd und was ich noch an Geld und Kleinodien -hatte. Da ward die Einquartierung plötzlich aufgehoben -und wir mußten, ehe wir uns dessen versahen -zur Hauptarmee marschieren.</p> - -<p>Die torstensohnischen Promessen, mit denen sich der -Obrist auf meinem Hof breit gemachet, waren bei weitem -nicht so groß, als er vorgeben, er ward vielmehr nur -über die Achsel angesehen. Und demnach er argwöhnete, -daß ich mich bei ihm in die Länge nicht gedulden würde, -dichtete er Briefe, als wenn er in Livland, allwo er -zu Haus war, ein frisch Regiment zu werben hätte, -und überredete mich, daß ich gleich ihm zu Wismar -aufsaß und mit nach Livland fuhr. Allein er hatte -kein Regiment zu werben und war auch sonsten ein -blutarmer Edelmann.</p> - -<p>Obzwar nun ich mich hatte zweimal betrügen und -so weit hinweg führen lassen, so ging ich doch auch -das dritte Mal an, dann er wiese mir Schreiben vor, -die er aus Moskau bekommen, in welchen ihm hohe -Kriegschargen angetragen wurden. Und weil er gleich -mit Weib und Kindern aufbrach, dachte ich, er wird -ja um der Gänse willen nicht hinziehen. — An der<span class="pagenum"><a name="Seite_p350" id="Seite_p350">[S. 350]</a></span> -reußischen Grenze begegneten uns aber unterschiedliche -abgedankte deutsche Soldaten, vornehmlich Offizierer, -also daß mir anfing zu graueln.</p> - -<p>»Was Teufels machen wir! Wo Krieg ist ziehen wir -hinweg, und wo es Friede und die Soldaten abgedankt -werden, da kommen wir hin?«</p> - -<p>Er gab mir immer gute Worte, ich sollte ihn nur -sorgen lassen, er wüßte besser, was zu tun sei.</p> - -<p>Nachdem wir nun sicher in der Stadt Moskau angekommen, -konferierte mein Obrist täglich mit den Magnaten -und vielmehr noch mit dem Metropoliten. Endlich -gab er mir bekannt, daß es nichts mehr mit dem -Krieg wäre, und daß ihn sein Gewissen treibe, die -griechische Religion anzunehmen. Sein treuherziger Rat -wäre, weil er mir ohndas nunmehr nicht helfen könnte, -wie er versprochen, ich sollte ihm nachfolgen. Des Zaren -Majestät hätte bereits gute Nachricht von meiner Person -und vortrefflichen Qualitäten, die würden gnädigst -belieben, sofern ich mich fügen wollte, mich als einen -Kavalier mit einem stattlichen Gut und vielen Untertanen -zu begnadigen.</p> - -<p>Ich ward hierüber ganz bestürzt, deswegen ich dann, -eh ich mich auf eine Antwort resolvieren konnte, lange -stillschwieg. Endlich brachte ich vor, ich wäre gekommen -ihrer zarischen Majestät als ein Soldat zu dienen, seien -nun dieselbe meiner Kriegsdienste nicht bedörftig, so -könnte ich nichts ändern, daß aber dieselbe mir eine so -hohe zarische Gnade allergnädigst widerfahren zu lassen -geruhten, wäre mir mehr Pflicht zu rühmen, als solche -alleruntertänigst zu acceptieren, weil ich mich meine -Religion zu ändern noch zurzeit nicht entschließen könnte, -wünschete vielmehr, daß ich wiederum im Schwarzwald -auf meinem Baurenhof säße.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p351" id="Seite_p351">[S. 351]</a></span> - -Hierauf antwortete er: »Der Herr tue nach seinem -Belieben, allein ich hätte vermeinet, wann Ihn Gott -und das Glück grüßeten, so sollte Er beiden billig danken. -Wann Er sich ja nicht helfen lassen und Er gleichsam -wie ein Prinz leben will, so verhoffe ich gleichwohl, -Er werde davor halten, ich habe an Ihm das Meinige -nach äußersten Vermögen zu tun keinen Fleiß gesparet.«</p> - -<p>Daraufhin machte er einen tiefen Bückling, ging seines -Wegs und ließ mich dort sitzen, ohn daß er zulassen -wollte, ihm nur bis zur Tür das Geleite zu geben.</p> - -<p>Als ich nun ganz perplex dasaß und meinen damaligen -Zustand betrachtete, hörete ich zween reußische -Wägen vor unserm Losament. Sahe darauf zum Fenster -hinaus und wie mein guter Herr Obrister mit seinen -Söhnen in dem einen und die Frau Obristin mit ihren -Töchtern in den andern einstieg. Es waren großfürstliche -Fuhren und Livrei zumalen etliche Geistliche dabei, -so diesem Ehevolk gleichsam aufwarteten und allen -guten, geneigten Willen erzeugeten.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p352" id="Seite_p352">[S. 352]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_zehent_Kapitel" id="Buch5_Das_zehent_Kapitel">Das zehent Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Von dieser Zeit an ward ich zwar nicht offentlich, -sondern heimlich durch etliche Strelitzen verwachet -und mein Obrister oder die Seinigen kamen mir nicht -ein Mal mehr zu Gesicht. Damals satzte es seltsame -Grillen und viele graue Haare auf meinem Kopf. Ich -machte Kundschaft mit den Deutschen, die sich von -Kauf- und Handwerksleuten in Moskau <span class="antiqua">ordinari</span> aufhalten, -und klagte ihnen mein Anliegen. Sie gaben mir -Trost und Anleitung, wie ich wieder mit guter Gelegenheit -nach Deutschland kommen könne. Sobald sie aber -Wind bekamen, daß der Zar mich im Land zu behalten -entschlossen sei und mich dazu drängen wollte, wurden -sie alle zu Stummen an mir, ja sie entäußerten sich -meiner und es ward mir schwer, auch nur vor meinen -Leib Herberge zu bekommen; Pferd und Sattelzeug -war bereits verzehret. Als ich dann alle Dukaten aus -meinen Kleidern getrennt, fing ich an, meine Ringe -und Kleinodien zu versilbern. Indessen lief ein Vierteljahr -herum, nach welchem oftgemeldter Obrister samt -seinem Hausgesind umgetauft und mit einem ansehnlichen -Gut und vielen Untertanen versehen ward.</p> - -<p>Damals ging ein Mandat aus, daß man wie unter -den Einheimischen so auch unter den Fremden keine -Müßiggänger bei hoher unausbleiblicher Strafe leiden -sollte, als die den Arbeitenden nur das Brot vor dem -Maul wegfressen. Was von Fremdem nicht arbeiten -wollte, das sollte in einem Monat das Land verlassen. -Also schlugen sich unserer bei fünfzig zusammen, der -Meinung den Weg nach Deutschland miteinander zu -machen. Wir wurden aber nicht zwei Stunden weit<span class="pagenum"><a name="Seite_p353" id="Seite_p353">[S. 353]</a></span> -von der Stadt von reußischen Reutern eingeholet mit -Vorwand, daß ihre zarische Majestät ein groß Mißfallen -hätte, daß wir uns frevelhafter Weise unterstanden, -in so starker Anzahl zusammen zu rotten und -ohn Paß dero Land durchzögen. Auf unserm Rückwege -erfuhr ich, wie mein Handel beschaffen war, dann -der Führer sagte mir ausdrücklich, daß die zarische Majestät -mich nicht aus dem Land lassen würden, sein -treuherziger Rat wäre, ich sollte mich in dero allergnädigsten -Willen fügen, zu ihrer Religion übertreten, -sonst ich wider Willen als ein Knecht dienen müßte. -Einen so wohlerfahrenen Mann wolle ihre zarische -Majestät nicht aus dem Lande lassen.</p> - -<p>Ich verringerte mich bescheidentlich ob meiner Tugend -und Wissenschaften mit Versicherung, daß ich an -meinem äußersten Vermögen nichts verwinden lassen -würde, sofern ich in einzigerlei Wege ihrer zarischen -Majestät ohn Beschwerung meines Gewissens und ohne -meine Religion zu ändern, dienen könnte.</p> - -<p>Ich ward von den andern abgesondert und zu einem -Kaufherrn logiert, allwo ich nunmehr offentlich verwachet, -hingegen aber täglich mit herrlichen Speisen -und köstlichem Getränk vom Hof aus versehen wurde. -Hatte auch täglich Leute, die mir zusprachen und mich -hin und wieder zu Gast luden, sonderlich einer. Dieser -diskurierte mehrenteils mit mir von allerhand mechanischen -Künsten, <span class="antiqua">item</span> Kriegs- und anderen Maschinen, -vom Fortifikationswesen und der Artollerei mit freundlichen -Gesprächen, dann ich konnte schon ziemlich reußisch -reden. Als er unterschiedliche Mal auf den Busch geklopft -und keine Hoffnung fassen konnte, daß ich mich -im geringsten ändern würde, so bat er mich, ich sollte -doch dem großen Zar zu Ehren ihrer Nation etwas<span class="pagenum"><a name="Seite_p354" id="Seite_p354">[S. 354]</a></span> -von meinen Wissenschaften mitteilen, ihr Zar würde -meine Willfährigkeit mit hohen kaiserlichen Gnaden erkennen. -Darauf antwortete ich, meine <span class="antiqua">Affection</span> wäre -jederzeit dahin gestanden.</p> - -<p>Als er nun solche Offerten verstund, sagte er, daß -ihre zarische Majestät allergnädigst bedacht wären, in -dero Landen selber Salpeter zu graben und Pulver zurichten -zu lassen, weil aber niemand unter ihnen wäre, -der damit umgehen könnte, würde ich der zarischen Majestät -einen angenehmen Dienst erweisen, wann ich mich -des Werks unterfinge, sie würden mir hierzu Leute und -Mittel genug an die Hand schaffen. Er vor seine Person -wolle mich aufs aufrichtigste gebeten haben, ich sollte -solches allergnädigstes Ansinnen nicht abschlagen, dieweilen -sie bereits genugsam Nachricht hätten, daß ich -mich auf diese Sachen trefflich wohl verstünde. Darauf -sagte ich mit courtoisen Worten zu, soferne ihre zarische -Majestät gnädigst geruhten, mich in meiner Religion -passieren zu lassen. So ward dieser Reuße trefflich -lustig, also daß er mir mit dem Trunk mehr zusprach -als ein Deutscher.</p> - -<p>Am andern Tag kamen vom Zar zween Knesen und -ein Dolmetsch, die ein endlichs mit mir beschlossen und -von wegen des Zaren mir ein köstlich reußisch Kleid -verehreten. Also fing ich gleich etliche Tage hernach an, -Salpetererde zu suchen und meinen Leuten zu lernen, -wie sie dieselbe von der Erde separieren und läutern -sollten. Mithin verfertigte ich die Abrisse zu einer Pulvermühle -und lehrete andere die Kohlen brennen, daß wir -also in ganz kurzer Zeit sowohl des besten Pirsch- als -des groben Stückpulvers eine ziemliche Quantität verfertigten, -dann ich hatte Leute genug und darneben -auch meine sonderbaren Diener, die mir aufwarteten,<span class="pagenum"><a name="Seite_p355" id="Seite_p355">[S. 355]</a></span> -oder besser zu sagen, die mich hüten und verwahren -sollten.</p> - -<p>Ich war einsmals geschäftig auf den Pulvermühlen, -die ich hatte außerhalb Moskaus an den Fluß bauen -lassen, da ward unversehens Alarm, weilen sich die Tataren -bereits vier Meilen weit auf hunderttausend Pferde -stark befanden, das Land plünderten und also immerhin -fortavancierten. Wir mußten uns an Hof begeben, -allwo wir aus des Zars Rüstkammer und Marstall -montiert wurden. Ich zwar ward anstatt des Kürasses -mit einem gesteppten seidenen Panzer angetan, welcher -jeden Pfeil aufhielt, aber vor keiner Kugel schußfrei -sein konnte; Stiefeln, Sporen, und eine fürstliche Hauptzier -mit einem Reiherbusch, samt einem Säbel, der Haar -schur, mit lauter Gold beschlagen und Edelsteinen versetzt, -wurden mir dargegeben. Von des Zaren Pferden -ward mir ein solches unterzogen, dergleichen ich zuvor -mein Lebtag keines gesehen, geschweige geritten. Ich -und das Pferdzeug glänzten von Gold, Silber, Edelsteinen -und Perlen. Ich hatte eine stählerne Streitkolbe -angehangen. Mir folgte eine weiße Fahne mit einem -doppelten Adler, welcher von allen Orten und Winkeln -gleichsam Volk zuschneiete, also daß wir eh zwei Stunden -verzogen bei vierzig und nach vier Stunden bei -sechzigtausend Pferde stark waren.</p> - -<p>Es ist meiner Histori an diesem Treffen nicht viel -gelegen, ich will allein dies sagen, daß wir die Tataren, -so mit müden Pferden und vielen Beuten beladen anzogen, -urplötzlich in einem ziemlich tiefen Gelände antrafen, -als sie sich dessen am allerwenigsten versahen. -Im ersten Angriff sagte ich zu meinen Nachfolgern -in reußischer Sprache: »Nun wohlan, es tue jeder -wie ich!«</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p356" id="Seite_p356">[S. 356]</a></span> - -Solches schrieen sie einander zu. Dem ersten, welcher -ein <span class="antiqua">Mirsa</span> war, schlug ich den Kopf entzwei. Die Reußen -folgten meinem heroischen Exempel, so daß die Tataren -sich in allgemeine Flucht wandten. Ich tät wie ein Rasender -oder wie einer, der aus Desperation den Tod -sucht und nicht finden kann. Was mir vorkam, schlug -ich nieder, es wäre gleich Tatar oder Reuße gewesen. -Und die, so vom Zar auf mich bestellet waren, drangen -mir so fleißig nach, daß ich allezeit einen sichern Rücken -behielt. Die Luft flog voller Pfeile, als wann Immen -geschwärmt hätten, wovon mir dann einer in Arm zu -teil wird. Eh ich den Pfeil auffing, lachte mein Herz -in meinem Leib an solcher Blutvergießung, da ich aber -meine eigen Blut fließen sahe, verkehrete sich das Lachen -in unsinnige Wut. Demnach sich aber diese grimmigen -Feinde in eine hauptsächliche Flucht wandten, ward mir -von etlichen Knesen im Namen des Zaren befohlen, -ihrem Kaiser die Botschaft zu bringen, ich hatte hundert -Pferde zur Nachfolge. Da ritt ich durch die Stadt -der zarischen Wohnung zu und ward von allen Menschen -mit Frohlocken und Glückwünschung empfangen. Sobald -ich aber von dem Treffen Bericht erstattet, mußte -ich meine festlichen Kleider wieder ablegen, welche -wiederum in des Zaren Kleiderbehaltnus aufgehoben -wurden, wiewohl sie samt dem Pferdgezeug über und -über mit Blut besprengt und besudelt waren und also -fast gar zunicht gemachet waren. Sie sollten mir zum -wenigsten samt dem Pferd als Ehrengabe überlassen -worden sein.</p> - -<p>Solang meine Wunde zu heilen hatte, ward ich allerdings -fürstlich traktieret. Ich ging in einem Schlafpelz -von göldenem Stück mit Zobel gefüttert, wiewohl der -Schade weder tötlich noch gefährlich war, und ich habe<span class="pagenum"><a name="Seite_p357" id="Seite_p357">[S. 357]</a></span> -die Tage meines Lebens niemals keiner solchen fetten -Küchen genossen als eben damals. Solches aber war -alle meine Beute, die ich von meiner Arbeit hatte, ohn -das Lob, so mir der Zar verliehe.</p> - -<p>Als ich gänzlich heil war, ward ich mit einem Schiff -die Wolga hinunter nach Astrachan geschickt, daselbsten -wie in Moskau eine Pulvermacherei anzuordnen, weil -dem Zar unmöglich war, diese Grenzfestungen allezeit -von Moskau aus mit frischem und gerechtem Pulver -zu versehen. Ich ließ mich gern gebrauchen, weil ich -Promessen hatte, der Zar würde mich nach Verrichtung -solchen Geschäftes wiederum in Holland fertigen und -mir, meinen Verdiensten gemäß, ein namhaftes Stück -Geld mitgeben.</p> - -<p>Als ich aber im besten Tun war und mich außerhalb -der Festung über Nacht in einer Pulvermühle befand, -ward ich von einer Schar Tataren diebischenweise -gestohlen und aufgehoben, weit ins Land hinein verschleppt -und endlich um etliche chinesisch Kaufmannswaren -den niuchischen Tataren vertauscht, welche mich -nachher dem König von Korea als ein sonderbares -Präsent verehreten. Daselbst ward ich wert gehalten, -und weil ich dem König lehrete, wie er mit dem Rohr, -auf der Achsel liegend und mit dem Rücken gegen die -Scheibe gekehrt, dannoch ins Schwarze treffen könnte, -schenkte er mir die Freiheit und fertigte mich durch -<span class="antiqua">Japonia</span> nach <span class="antiqua">Makao</span> zu den Portugesen. Etlich Kaufleute -nahmen mich mit ihren Waren nach Alexandria in -Egypten, und von dort kam ich nach Konstantinopel. -Weil aber der türkische Kaiser eben damalen etliche -Galeeren wider die Venediger ausrüstete, mußten viel -türkische Kaufleute ihre christlichen Sklaven um bare -Bezahlung hergeben, worunter ich mich dann als ein<span class="pagenum"><a name="Seite_p358" id="Seite_p358">[S. 358]</a></span> -junger, starker Kerl auch befand. Also mußte ich lernen -rudern. Aber solche schwere Dienstbarkeit währete nicht -über zween Monat, dann unsere Galeere ward in <span class="antiqua">Levante</span> -von denen Venetianern ritterlich übermannet und -ich aus der türkischen Gewalt erlediget.</p> - -<p>Ich bekam leichtlich einen Paß, weil ich nach Rom -und Loretto pilgerweis wollte, um Gott vor meine -Erledigung zu danken.</p> - -<p>Von dannen kam ich über den Gotthart durchs -Schweizerland wieder auf den Schwarzwald zu meinem -Knän, welcher meinen Hof treu bewahret. Ich brachte -nichts besonders heim als einen Bart, der mir in der -Fremde gewachsen war.</p> - -<p>Indessen war der deutsche Friede geschlossen worden, -also daß ich bei meinem Knän in sicherer Ruh leben -konnte. Ich ließ ihn sorgen und hausen und satzte mich -hinter die Bücher, welches dann beides: meine Arbeit -und Ergetzung war.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p359" id="Seite_p359">[S. 359]</a></span></p> - - - - -<h3><a name="Buch5_Das_elfte_Kapitel" id="Buch5_Das_elfte_Kapitel">Das elfte Kapitel</a></h3> - - -<p class="begin">Ich lase einsmals, was das Orakel den römischen -Abgesandten, als sie es fragten, was sie tun -müßten, damit ihre Untertanen friedlich regiert würden, -zur Antwort gabe: »<span class="antiqua">Nosce te ipsum</span>«, das ist: Es soll -sich jeder selbst erkennen. Solches machte, daß ich mich -hintersann und Rechnung über mein geführtes Leben -begehrete. Da sagte ich alsdann zu mir selbst:</p> - -<p>Dein Leben ist kein Leben gewesen sondern ein Tod, -deine Tage ein schwerer Schatten, deine Jahre ein -schwerer Traum, deine Wollüste schwere Sünden, deine -Jugend eine Phantasei, deine Wohlfahrt ein Alchimistenschatz, -der zum Schornstein hinausfähret und dich verläßt, -eh du dich dessen versiehst. Du hast im Krieg viel -Glück und Unglück eingenommen, bist bald hoch, bald -nieder, bald groß, bald klein, bald reich, bald arm, bald -fröhlich, bald betrübt, beliebt und verhaßt, geehrt und -veracht gewesen — aber nun du, meine arme Seele, -was hast du von dieser ganzen Reise zuwege gebracht?</p> - -<p>Arm bin ich an Gut, mein Herz ist beschwert mit -Sorgen, zu allem Guten bin ich faul, träg und verderbt. -Mein Gewissen ist ängstlich und beladen, ich bin -mit Sünden überhäuft und abscheulich besudelt. Der -Leib ist müde, der Verstand verwirrt, die Unschuld ist -hin, meine beste Jugend verschlissen, die edle Zeit verloren. -Nichts ist, das mich erfreuet, ich bin mir selber feind.</p> - -<p>Mit solchen Gedanken quälte ich mich täglich und -eben damals kamen mir etliche Schriften des Antonio -de Guevara unter die Hände, davon ich etwas zum -Beschluß hierher setze, weil sie kräftig waren, mir die -Welt vollends zu verleiten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p360" id="Seite_p360">[S. 360]</a></span> - -Diese lauten also:</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann auf dich ist nicht zu trauen. In -deinem Haus ist das Vergangene schon verschwunden, -das Gegenwärtige verschwindet uns unter den Händen, -das Zukünftige hat nie angefangen, also daß du ein -Toter bist unter den Toten und in hundert Jahren läßt -du uns nicht eine Stunde leben.</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann du nimmst uns gefangen und läßt -uns nicht wieder ledig, du bindest uns und lösest uns -nicht wieder auf, du tötest ohne Urteil, begräbst ohne -Sterben. Bei dir ist keine Freude ohne Kummer, kein -Fried ohn Uneinigkeit, keine Ruhe ohne Forcht, keine -Fülle ohne Mängel, keine Ehre ohne Makel, kein Gut -ohne bös Gewissen, keine Freundschaft ohne Falschheit.</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann in deinem Palast dienet man ohn -Entgelt, man liebkoset, um zu töten, man erhöhet, um -zu stürzen, man hilft, um zu fällen, man ehrt, um zu -schänden, man straft ohn Verzeihen.</p> - -<p>Behüt dich Gott, Welt, dann in deinem Haus werden -die großen Herren und Favoriten gestürzet, die Unwürdigen -herfürgezogen, Verräter mit Gnaden angesehen, -Getreue in Winkel gestellet, Unschuldige verurteilet, -den Weisen und Qualifizierten gibt man Urlaub, -den Ungeschickten große Besoldung, den Hinterlistigen -wird geglaubet, und Aufrichtige und Redliche haben -keinen Kredit. Ein jeder tut, was er will, und keiner, -was er soll.</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann in dir wird niemand mit seinem -rechten Namen genennet, den Vermessenen nennt man -kühn, den Verzagten fürsichtig, den Ungestümen emsig, -den Nachlässigen friedsam, ein Verschwender wird herrlich -genannt, ein Karger eingezogen. Einen hinterlistigen -Schwätzer und Plauderer nennet man beredt, den Stillen<span class="pagenum"><a name="Seite_p361" id="Seite_p361">[S. 361]</a></span> -einen Narren oder Phantasten, einen Ehebrecher und -Jungfrauenschänder nennt man einen Buhler, einen -Unflat nennt man Hofmann, einen Rachgierigen eifrig, -einen Sanftmütigen einen Phantasten.</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann du verführest jedermann: den Ehrgeizigen -verheißest du Ehre, dem Unruhigen Veränderung, -dem Hochtragenden Fürstengnade, dem Nachlässigen -Ämter, Fressern und Unkeuschen Freude und -Wollust, Feinden Rache, Dieben Heimlichkeit.</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann in deinem Palast findet weder -Wahrheit noch Treue Herberge! Wer mit dir redet, -wird verschamt, wer dir trauet, betrogen, wer dir folget, -verführt. Du betreugst, stürzest, schändest, besudelst, -drohest, vergissest jedermann; dannenhero weinet, seufzet, -jammert, klaget und verderbt jedermann und jedermann -nimmt ein Ende. Bei dir siehet und lernet man -nichts, als einander hassen bis zum Würgen, reden bis -zum Lügen, lieben bis zum Verzweifeln, handeln bis -zum Stehlen, bitten bis zum Betrügen, sündigen bis -zum Sterben.</p> - -<p>Behüt dich Gott, Welt, dann dieweil man dir nachgehet -verzehret man die Zeit in Vergessenheit, die Jugend -mit Rennen, Laufen, Spielen, die Mannheit mit -Pflanzen und Bauen, Sorgen und Klagen, Kaufen -und Verkaufen, Zanken, Hadern, Kriegen, Lügen und -Betrügen, das Alter in Jammer und Elend, <span class="antiqua">in summa</span> -nichts als Mühe und Arbeit bis in den Tod.</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann niemand ist mit dir content oder -zufrieden. Ist er arm, so will er haben, ist er reich, so -will er gelten, ist er veracht, so will er hoch steigen, -ist er beleidigt, so will er sich rächen, ist er in Gnaden, -so will er viel gebieten, ist er lasterhaftig, so will er -nur bei gutem Mut sein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_p362" id="Seite_p362">[S. 362]</a></span> - -<span class="antiqua">Adieu</span> Welt, dann bei dir ist nichts beständig. Die -hohen Türme werden vom Blitz erschlagen, die Mühlen -vom Wasser hinweggeführet, das Holz wird von Würmern, -das Korn von Mäusen, die Frucht von Raupen, -die Kleider von Schaben gefressen. Das Viehe verdirbt -vor Alter, der Mensch vor Krankheit.</p> - -<p>O Welt, behüt dich Gott, dann in deinem Haus -führet man weder ein heilig Leben noch einen gleichmäßigen -Tod, der eine stirbt in der Wiege, der ander -in der Jugend auf dem Bette, der dritt am Strick, der -viert am Schwert, der fünft am Rad, der sechst auf -dem Scheiterhaufen, der siebend im Weinglas, der acht -in Freßhafen, der neunt verworgt am Gift, der zehnt -durch Zauberei, der elft stirbt in der Schlacht, der zwölft -ertränkt seine arme Seel im Tintenfaß.</p> - -<p>Behüt dich Gott, Welt, dann mich verdreußt deine -<span class="antiqua">Conversation</span>! Das Leben, das du uns gibst, ist eine -elende Pilgerfahrt, ein unbeständiges, ungewisses, hartes, -rauhes, hinflüchtiges und unreines Leben voll Armseligkeit -und Irrtum. Du lässest dich der Bitterkeit des -Todes, mit deren du umgeben und durchsalzen bist, -nicht genügen, sondern betreugst noch darzu die meisten -mit deinem Schmeicheln. Du gibst aus dem goldenen -Kelch Lüge und Falschheit zu trinken und machest blind, -taub, toll, voll und sinnlos. Du machst aus uns einen -finsteren Abgrund, ein elendes Erdreich, ein Kind des -Zorns, ein stinkend Aas, ein unreines Geschirr in der -Mistgrube voller Gestank und Greuel. Darum, o Welt, -behüt dich Gott!</p> - -<p><span class="antiqua">Adieu</span>, o Welt, o schnöde, arge Welt! Anstatt deiner -Freuden und Wollüste werden die bösen Geister an die -unbußfertigen, verdammten Seelen Hand anlegen und -sie in einem Augenblick in den Abgrund der Hölle reißen.<span class="pagenum"><a name="Seite_p363" id="Seite_p363">[S. 363]</a></span> -Alsdann ist alle Hoffnung der Gnade und Milderung -aus! Und je mehr einer sich bei dir, o arge, schnöde -Welt, hat herrlich gemachet, je mehr schenket man ihm -Qual und Leiden ein, dann so erforderts die göttliche -Gerechtigkeit! Alsdann wird die arme Seele ächzen: -Verflucht seist du, Welt, weil ich durch dein Anstiften -Gottes und meiner selbst vergessen! Verflucht sei die -Stunde, in deren Schoß mich Gott erschuf! Verflucht -der Tag, darin ich geboren bin! O ihr Berge, Hügel -und Felsen, fallet auf mich und verberget mich vor -dem grimmigen Zorn des Lamms, vor dem Angesicht -dessen, der auf dem Stuhl sitzet! Ach Wehe und aber -Wehe in Ewigkeit!</p> - -<p>O Welt, du unreine Welt, derhalben beschwöre ich -dich, ich bitte, ich versuche, ich ermahne dich und protestiere -wider dich, du wollest keinen Teil mehr an mir -haben!</p> - -<p>Ich habe das Ende gesetzt der Sorge. Lebet wohl, -Hoffnung und Glück!</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Diese Worte erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken. -Endlich verließ ich die Welt und wurde wieder -Einsiedel. Ich hätte gern bei meinem Sauerbrunn im -Muckenloch gewohnet, aber die Bauren in der Nachbarschaft -wollten es nicht leiden. Sie besorgten, ich -würde den Brunn verraten.</p> - -<p>Ich begab mich deshalb in eine andere Wildnus und -fing mein spessarter Leben wieder an.</p> - -<p>Gott verleihe uns allen seine Gnade, das wir allesamt -das von ihm erlangen, woran uns am meisten -gelegen: nämlich ein seliges</p> - -<p class="center"> -<em>Ende</em>!<br /> -</p> - -<p class="pagebreak"><span class="pagenum"><a name="Seite_p364" id="Seite_p364">[S. 364]</a></span></p> - - - - -<blockquote> - -<p>Dieses Buch wurde als zweiter Band der Jahresreihe 1919/1920 -für den Volksverband der Bücherfreunde hergestellt. Herausgegeben -von E. G. Kolbenheyer. Gedruckt wurde der Band von -der Druckerei Poeschel & Trepte, Leipzig, in der altschwabacher -Drucktype. Der Entwurf zum Einband, der vom Kunstmaler -Willy Belling stammt, wurde in der -Spamer'schen Buchdruckerei, Leipzig, -in Offsetdruck hergestellt.</p> - -<p>Ausschließlich -für die Mitglieder des Volksverbands der Bücherfreunde.</p></blockquote> - - - - -<div class="transnote pagebreak p4"> -<h2 class="nopagebreak">Anmerkungen zur Transkription</h2> -Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen gebräuchlich waren, wie: - -<ul class="index"> -<li>abgefäumt -- abgefeumt</li> -<li>accomodiert -- accommodiert</li> -<li>accordieren -- akkordieren</li> -<li>Affection -- Affektion</li> -<li>Bauersmann -- Baursmann</li> -<li>Belägerung -- Belagerung</li> -<li>blies -- bließ</li> -<li>Böck -- Böcke</li> -<li>bößen -- bösen</li> -<li>Cavalcada -- Cavalcade</li> -<li>dabei -- darbei</li> -<li>dagegen -- dargegen</li> -<li>darauf -- drauf</li> -<li>discurierte -- diskurierte -- diskutierte</li> -<li>Doctor -- Doktor</li> -<li>dorfte -- dörfte</li> -<li>Ehestand -- Ehstand</li> -<li>eigene -- eigne</li> -<li>Erlaubnis -- Erlaubnus</li> -<li>Eskadron -- Esquadronen</li> -<li>Faßnacht -- Fastnacht</li> -<li>Feldwaibel -- Feldweibel</li> -<li>Fußstapfen -- Fußtapfen</li> -<li>Gansstall -- Gänsstall</li> -<li>Gebärden -- Geberden</li> -<li>Gedächtnis -- Gedächtnus</li> -<li>Gefängnis -- Gefängnus</li> -<li>gräulich -- greulich</li> -<li>Hellebarden -- Hellebarten</li> -<li>hie- -- hier-</li> -<li>hiesigen -- hießigen</li> -<li>irgendswo -- irgendwo</li> -<li>ist's -- ists</li> -<li>Kapitain -- Kapitän</li> -<li>Lucifer -- Luzifer</li> -<li>Mauer -- Maur</li> -<li>Obrist-Leutenant -- Obrist-Leutnant</li> -<li>öffentliche -- offentliche</li> -<li>Paradeis -- Paradies</li> -<li>perfecter -- perfekter</li> -<li>Phantasei -- Phantasie</li> -<li>Präceptor -- Praeceptor</li> -<li>prakticiert -- praktiziert</li> -<li>Rauberei -- Räuberei</li> -<li>Ruben -- Rüben</li> -<li>Sattel-Zeug -- Sattelzeug</li> -<li>schrieen -- schrien</li> -<li>Schultz -- Schulz</li> -<li>Schwäher -- Schweher -- Schwehr</li> -<li>seind -- sind</li> -<li>stack -- stak</li> -<li>Stiegelhüpfer -- Stieglhupfer</li> -<li>Taback -- Tabak -- Tobak</li> -<li>ungeheuere -- ungeheure</li> -<li>unmöglich -- unmüglich</li> -<li>unseren -- unsern</li> -<li>unverholen -- unverhohlen</li> -<li>verträulich -- vertraulich -- vertreulich</li> -<li>Vorteil -- Vortel</li> -<li>Wammesklopfer -- Wamsklopfer</li> -<li>zehen -- zehn</li> -<li>zuforderst -- zuvorderst</li> -<li>zwanzig -- zwenzig</li> -</ul> - -Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: - -<ul class="index"> -<li>S. 4 »Erdboten« in »Erdboden« geändert.</li> -<li>S. 11 »Geis« in »Geiß« geändert.</li> -<li>S. 14 »vohin« in »wohin« geändert.</li> -<li>S. 18 »bedunkte« in »bedünkte« geändert.</li> -<li>S. 24 »Parrherrn« in »Pfarrherrn« geändert.</li> -<li>S. 29 »Officierer« in »Offizierer« geändert.</li> -<li>S. 31 »müßen« in »müssen« geändert.</li> -<li>S. 39 »Corps de Guarde« in »Corps de Garde« geändert.</li> -<li>S. 45 »abgegeangen« in »abgegangen« geändert.</li> -<li>S. 46 »Mannsfelder« in »Mansfelder« geändert.</li> -<li>S. 47 »wollinen« in »wollenen« geändert.</li> -<li>S. 59 »Einsiedl« in »Einsiedel« geändert.</li> -<li>S. 59 »solichs« in »solches« geändert.</li> -<li>S. 63 »sattgessen« in »sattgegessen« geändert.</li> -<li>S. 67 »Bulerei« in »Buhlerei« geändert.</li> -<li>S. 76 »mollte« in »wollte« geändert.</li> -<li>S. 77 »Unsachen« in »Ursachen« geändert.</li> -<li>S. 79 »erschüge« in »erschlüge« geändert.</li> -<li>S. 97 »Immagination« in »Imagination« geändert.</li> -<li>S. 98 »Nabochodonosor« in »Nabuchodonosor« geändert.</li> -<li>S. 103 »Orfeigen« in »Ohrfeigen« geändert.</li> -<li>S. 108 »forchterlich« in »förchterlich« geändert.</li> -<li>S. 111 »hamburger und zerbster Bier« in »Hamburger und Zerbster Bier« geändert.</li> -<li>S. 114 »aus Befehl« in »auf Befehl« geändert.</li> -<li>S. 123 »war beliebt« in »was beliebt« geändert.</li> -<li>S. 131 »Kurasche« in »Courage« geändert.</li> -<li>S. 137 »allerfeulste« in »allerfäulste« geändert.</li> -<li>S. 137 »salvaguadiert« in »salvaguardiert« geändert.</li> -<li>S. 140 »Goesfeld« in »Coesfeld« geändert.</li> -<li>S. 142 »Reckinghusen« in »Recklinghausen« geändert.</li> -<li>S. 146 »Geisbock« in »Geißbock« geändert.</li> -<li>S. 147 »Wohlerwürden« in »Wohlehrwürden« geändert.</li> -<li>S. 155 »was du wilt« in »was du willst« geändert.</li> -<li>S. 171 »Reckinghausen« in »Recklinghausen« geändert.</li> -<li>S. 173 »dahingenen« in »dahingegen« geändert.</li> -<li>S. 175 »wider« in »wieder« geändert.</li> -<li>S. 181 »gnug« in »genug« geändert.</li> -<li>S. 197 »Narre« in »Narren« geändert.</li> -<li>S. 204 »selbt« in »selbst« geändert.</li> -<li>S. 204 »gemanglet« in »gemangelt« geändert.</li> -<li>S. 211 »Krobaten« in »Kroaten« geändert.</li> -<li>S. 215 »Schaz« in »Schatz« geändert.</li> -<li>S. 218 »Copei« in »Copie« geändert.</li> -<li>S. 218 »Halb« in »halb« geändert.</li> -<li>S. 228 »instruieret« in »instruierte« geändert.</li> -<li>S. 237 »Latern« in »Laterne« geändert.</li> -<li>S. 243 »verstrochene« in »versprochene« geändert.</li> -<li>S. 247 »machtst« in »machst« geändert.</li> -<li>S. 253 »krigte« in »kriegte« geändert.</li> -<li>S. 254 »Welicher« in »Welcher« geändert.</li> -<li>S. 258 »muße« in »mußte« geändert.</li> -<li>S. 285 »gesannte« in »gespannte« geändert.</li> -<li>S. 286 »wachet« in »machet« geändert.</li> -<li>S. 292 »Tot« in »Tod« geändert.</li> -<li>S. 298 »Spectakul« in »Spektakul« geändert.</li> -<li>S. 299 »wiederteuferisch« in »wiedertäuferisch« geändert.</li> -<li>S. 302 »Begegnussen« in »Begegnüssen« geändert.</li> -<li>S. 305 »verdrebt« in »verderbt« geändert.</li> -<li>S. 313 »stürtzete« in »stürzete« geändert.</li> -<li>S. 316 »bezahte« in »bezahlte« geändert.</li> -<li>S. 328 »Weißel« in »Weisel« geändert.</li> -<li>S. 331 »Samogeten« in »Samojeden« geändert.</li> -<li>S. 336 »kommen« in »komme« geändert.</li> -<li>S. 341 »jetz« in »jetzt« geändert.</li> -<li>S. 345 »uns« in »und« geändert.</li> -<li>S. 351 »ihn« in »ihm« geändert.</li> -<li>S. 352 »Stelitzen« in »Strelitzen« geändert.</li> -<li>S. 354 »Wisseuschaften« in »Wissenschaften« geändert.</li> -</ul> - - -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Der abenteuerliche Simplicissimus, by -Hans Jakob Christoffel vom Grimmelshausen - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS *** - -***** This file should be named 55171-h.htm or 55171-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/5/1/7/55171/ - -Produced by Peter Becker and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License (available with this file or online at -http://gutenberg.org/license). - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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