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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Neues Altes - -Author: Peter Altenberg - -Release Date: June 30, 2016 [EBook #52463] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NEUES ALTES *** - - - - -Produced by Elizabeth Oscanyan and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - - -[Illustration: Peter Altenberg] - - ------------------------------------------------------------------------- - - - - - Neues Altes - - von - - Peter Altenberg - - - - - S. Fischer, Verlag, Berlin - 1919 - - - - ------------------------------------------------------------------------- - - - - - _Vierte und fünfte Auflage._ - - Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. - Copyright 1911 S. Fischer, Verlag, Berlin. - - - - ------------------------------------------------------------------------- - - - - - Gewidmet Anna Konrad - - -Motto: - - »Solche Männer und ihresgleichen sind einfach geniale Naturen, mit - denen es eine eigene Bewandtnis hat; sie erleben nämlich eine - _wiederholte Pubertät_, während andere Leute _nur einmal_ jung - sind.« - - Goethe, Gespräche mit Eckermann. - - - PA: Aber wie _glücklich zu preisen_ sind die, die _nur einmal_ jung - zu sein brauchen, und dann ruhig absterben dürfen, während jene - anderen _Unseligen_ von ewigen inneren Räuschen gefoltert - werden — — —. - - - »J’ai de mes tourments multiplié les causes — — — d’innombrables - liens vont de mon âme aux choses!« - - Baudelaire. - - - - ------------------------------------------------------------------------- - - - - - INHALT - - - Seite - Widmungen in meine Bücher 13 - Wesen der Freundschaft 17 - Was ist ein Dichter? 19 - Bekenntnis 20 - Entwicklung 21 - Sankt-Martins-Insel 23 - Konzert 25 - Buchbesprechung 26 - Ideale 30 - Ein Brief 31 - Variété 33 - Die abgelehnte Einladung 35 - Hypokrisie 37 - Strandbad »Gänsehäufel« 38 - Rückkehr vom Lande 39 - Krankenlager 41 - Hunde 43 - H. N. 45 - Helga 46 - Das Telephon 47 - Die Lüge 48 - Plauderei 49 - Lebensbild 52 - Lebensbilder aus der Tierwelt 54 - Brief an Mitzi von der »Lamingson-Truppe« 57 - Aphorismen 59 - Texte auf Ansichtskarten 60 - Heilmittel 67 - Der Nebenmensch 68 - Schutz 70 - Brangäne 72 - Der Affe Peter 73 - Ungeziefer 75 - Mutter und Tochter 76 - Der Dichter 77 - Hysterie 78 - Weihnachten 80 - Der Tag des Reichtums 81 - So sollte es immer sein 83 - Inschrift 85 - Tope 86 - Bekanntschaft 87 - Eifersucht 89 - Goethe 90 - Die Pflegeschwester Rosa Schweda 91 - Geschwister 92 - Der Besuch 94 - Sommerabend in Gmunden 95 - Ästheten 97 - Erinnerung 99 - Vöslau 101 - Ein Brief 103 - Der Fortschritt 105 - Über Lebensenergien 107 - Strandbad 109 - Wesen der Religion 110 - Wie sie es glauben wollen, so ist es 111 - »Prodromos« 112 - Restaurant Prodromos 115 - Der Brand 117 - Rücksicht 118 - Myosa 119 - Im Stadtpark 121 - Ehebruch 123 - Hamsun-Menschen 125 - Memoiren 129 - Widmung an Anna Konrad 130 - Der Tod 131 - Eine ganz wahrhaftige Beziehung 133 - Im Volksgarten 135 - Ansprüche einer Romantikerin 137 - Lebensweg 139 - Dienste 140 - Wie ich gesundet bin 141 - Gottesgnadentum 143 - An einen unmodernen Arzt 145 - Zynismus 147 - Nacht-Café 149 - Die Nerven 151 - Britische Tänzerinnen 152 - Der Trattnerhof 155 - Artistische Rundschau, Wien 157 - Parfüm 159 - Übers Schreiben 161 - Angstschrei 163 - Juli-Sonntag 165 - Der Jagdherr 166 - Episode 169 - Josef Kainz 170 - Bettlerfrechheit 171 - Von meinem Krankenlager aus 172 - Krankheit 174 - An eine Elfjährige 177 - Krankenbesuch 179 - Notiz 181 - Rückkehr vom Lande 183 - Nichts Neues 185 - Das Dorf 187 - Gerichtsverhandlung in Wien 189 - Semmering Ende September 1911 190 - Peter Altenberg als Sammler 191 - Yvette Guilbert 193 - Krankenpflege 195 - Herbst am Semmering 197 - Herbstanfang 198 - Eine Begebenheit 201 - Beschäftigung 203 - Besuch im einsamen Park 205 - Tanz 209 - Peter Altenberg 213 - - - - ------------------------------------------------------------------------- - - - - - WIDMUNGEN IN MEINE BÜCHER - -Fräulein H. M., immer und ewig werden die Dichter an dem fast -absichtlichen »Unverständnis« geliebter, vergötterter Frauen zugrunde -geh’n — — —. Du allein brachtest mir die volle _Sicherheit_, daß mein -sonst so oft _mißverstandenes_ Dasein von dir _erkannt_ wurde, in -Weisheit und in Milde, wie von Gott selbst — — —! Heißt man das Liebe?! -Gleichviel. Es ist die »Erlösung«, die eben keine andere bringen kann! - - -An Frau D. M., in unzerstörbarer Freundschaft. - -Freundschaft, du immer und ewig _mißbrauchtes, geschändetes Wort_! Du -bist »Erkenntniskraft des Gehirnes«, _gemildert_ durch »des Herzens -Wohlwollen«! - - -An Maria Maraviglia, spanische Tänzerin. - -Leben, flüchtigstes, zerrinnendstes, kann ich dich nicht festhalten?! -Ja! Durch Erinnerung, Melancholie und Ergebung ins Schicksal — — —. - - -Frau M. B. in Aachen. - -Aus Fernen kam ein begeisterter Gruß — — —. Wie selig war -ich — — — zwischen Aachen und Wien ist genügend Raum für die -Enttäuschungslosigkeit zusammengehöriger Seelen geschaffen — — —! - - -An die Gemahlin des Herrn J. S. - -Wie eine Aristokratin sehen Sie aus des 18. Jahrhunderts — — —. Augen -voll ernster Ruhe und Noblesse, und dennoch wieder Augen der Sphinx und -der Rheinnixen! Die Nase wie von urältesten Adelsgeschlechtern -herstammend, sanft gebogen und dennoch stumpf abbrechend. Adlernase und -Stumpfnase zugleich! So aus einer Zeit von vergangener Würde und Größe. -Man sitzt neben Ihnen, betrachtet Sie, spricht ehrfurchtsvoll, wie mit -_keiner anderen_. Man ist unter einem unerklärlichen Banne. Wie wenn man -vorgestellt würde der »Kaiserin Marie Antoinette«. Man möchte zu Ihnen -sagen: »Votre Altesse Royale — — —«. Aber man muß über die kleinen -Ereignisse des Tages sprechen — — —. Und dabei blickst du wie eine -traurige Fürstin — — —! - - -Für P. H., die »Romantikerin«. - -Sie erwünschen es sich, daß ich Ihnen von meiner einsamen Landpartie im -Vorfrühling Blätter ins Haus sende, in die enge Gasse der Vorstadt?! -Nun, ich befestigte alles einzeln vorsichtig an silbernen Drähten, -zarte, gelbgrüne Blättchen. Wie gleicht Ihr Herz doch der -Vorfrühlingslandschaft — — —! Man bedauert direkt, daß es bald zu -greifbarer Blüte und Frucht ausreifen werde im Sonnenbrande des Lebens! - - -_Für Gertrude Barrison, Tänzerin._ - -Kalt und hart scheinbar sind Sie im Leben, das alle zu leben, alle zu -erleiden, alle zu ertragen haben! Aber _hinter_ diesem »gewaltsamen -Sein« schlummert den ewigen Schlaf, besiegt und längst abgestorben, die -»vergrämte Idealistin«! _Geschreckt_ von der _Heimtücke des Daseins_, -traut sie sich nie mehr zum Vorschein — — —. Und nur des Dichters Auge -blickt noch in Welten, über die der Sargschleier, alles verbergend, -liegt — — —. - - -_An Miß Bessie._ - -Ich hatte dich irrsinnig lieb und vergeblich — — — man hat immer nur -_irrsinnig_ lieb, wenn es _vergeblich_ ist! - - -An Frau E. R. - -Eine Welt von zärtlichster Zärtlichkeit mußte in mir ersterben, auf dein -Geheiß! Auf deinen strengen unerbittlichen Wunsch! In späteren Tagen -warst du sanftmütig und gütig zu mir; in späteren Tagen! Aber den »süßen -Wahnsinn« hast du mir gemordet, wolltest durchaus meiner Seele endlose -Welten auf ein _erfaßbares Maß_ zurückführen; vergeblich! _Stört_ euch -»unser Wahnsinn«, so enttäuscht euch schließlich noch mehr die »normale -Liebe« der anderen! Sind wir auch »übertrieben« in unserer Verehrung, -sind die _anderen allzu nüchtern_ in ihrer gesunden Gerechtigkeit! - - -_An Else Wiesenthal._ - -Immer und überall im Leben vermißt man »Hoheit und Würde« und »edle -Kindlichkeiten« zugleich! Aber in _Ihrem Tanzen_ findet man es. Deshalb -ist man so beglückt und erlöst und erleichtert. Was man an seiner -geliebtesten Geliebten schmerzlich-melancholisch vermißt, findet man, -erstaunt, gerührt, bei Ihnen! Unerbittlich und starr wird immer -naturgemäß sogleich die Seele des Mannes, falls ein _wertvolleres_ Bild -vor seine Seele tritt! Ehebruch, Treuebruch, was seid ihr für -nichtssagende Namen! Das »_Zulänglichere_« löscht einfach stets das -»_Unzulängliche_« aus! Soll man weiter verehren, was der Verehrung nicht -mehr wert ist?! Gehet von hinnen, Schwerfällige, wenn die »_idealere -Tänzerin_« naht! Die »_Gleitende_« besiegt die »_Schleichende_«! - - - - - WESEN DER FREUNDSCHAFT - - -Ich kenne nur zwei Menschen, die mir freundschaftlich gesinnt sind, -mein Bruder und A. R. Sie verstehen alles, was ich denke, empfinde, -sage, geben allen Dingen die _wohlwollendste_ Auslegung. Sie sind ganz -ohne »Fallen-stellen-wollen«. Sie vernehmen nur das Wertvolle, -_überhören_ eventuelle Mißtöne, ohne zu zucken. Sie schöpfen vom -geliebten Menschen den Rahm ab, beklagen sich nicht über die wässerige -Milch, die darunter liegt, sondern erfassen es als ein Naturgesetz, -daß der Rahm nicht bis zuunterst reichen kann — — —. Sie erläutern uns -nach unseren _in uns verborgen liegenden_ Idealen, nicht nach unseren -allen augenfälligen alltäglichen Schwächen! Sie lauern auf unsere -_seltenen_ Höhepunkte, beachten nicht unsere Verkommenheiten. Sie sind -noble Ausleger, Ausdeuter unseres _wirklichen Wesens_. Sie _begreifen_ -unsere Schwächen, sie _achten_ unsere Stärke! Sie sind mit uns, wie -man mit edelrassigen Kanarienvögeln, Papageien, Staren, Hunden, Affen -ist. Man achtet ihre Eigenart, fordert von ihnen nichts Unmögliches. -Man hält sich an ihre »besonderen« exzeptionellen Eigenschaften. Diese -wohlwollend-sentimentale Art von Nervengutmütigkeit heißt: -_Freundschaft_. Jede andere ist tief verlogen. Diese edle »_ewige -Gutmütigkeit_« ist von _Gottes Gnaden_! Man hat sie zumeist erst mit -Verstorbenen. Da kommt man erst zur Besinnung über besondere Werte, -dringt tiefer ein in das Wesen desjenigen, dessen Lebendigsein uns -nicht mehr stört. So lange er lebte, beging er die störende -Ungeschicklichkeit, ein anderer zu sein an Denken und Empfinden als -wir selbst! - - - - - WAS IST EIN DICHTER? - - -Er sah am »Gänsehäufel« ein fremdes junges Mädchen, ganz lang und -schlank, goldbraune wehende Haare, lange, schmale Hände und Füße, ein -ockergelbes seidenes Trikot an dem mulattenbraunen Leibe. - -Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen. - -Er sah in einer japanischen Akrobatentruppe ein fünfjähriges Mäderl, -gelber Teint, Stumpfnäschen, schwarze Haare wie eine Perücke. Lebendig -gewordenes Kinderspielzeug! - -Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen. - -Er las von einer wunderschönen Preisfechterin in Venedig, aus reicher, -geachteter Familie, die ohne Grund, neunzehnjährig, sich aus ihrem -Zimmer, drei Stockwerke hoch, aufs Pflaster stürzte und starb. - -Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen. - -Er hatte neben sich eine, ganz, ganz neben sich, hart neben sich, bei -Tag und bei Nacht. - -Die konnte er aber vergessen, vergessen, vergessen! - - - - - BEKENNTNIS - - - Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts! - Mein Aug’, mein Ohr, mein Denken und mein Träumen - gehörten vielleicht eher den dunklen Mädchen von den - Sundainseln, romantischen Gebilden fremder Welten, - die ihre stillen Wege gehn nahe dem Urwald — — —. - Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts! - Wie Märtyrerinnen warst du aus der Vorzeit, - oder wie Krankenpflegerinnen fremder Menschen, - wie sie heut’ noch sind in Krankenhäusern und in - Klöstern — — —. - Belohnung war dein _eigenes_ Gefühl in dir! - Im _Geben_ nahmst du _tausendfach zurück_, - was du gespendet. Und _davon_ lebtest du! - Nun bist du in dem Dienste deiner heiligen Seele - krank geworden — — — - der magische Schein der Selbstaufopferung verlischt — — — - du kannst nicht mehr grenzenlos ergeben sein! - Und weinend siehst du nun zum ersten Male deines - Lebens Not — — —. - Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts! - Und dennoch traure ich verzweifelt am Sarge deiner - armen Seele — — —. Denn, glaube mir, sie starb! - - - - - ENTWICKLUNG - - -Es gibt zwei Arten von Genies. Die, die eine neue naturgemäße Sache -entdecken, und die, die es _gläubig erfassen_ und verwerten. Der -_Glaube_ an die Genialität des anderen ist die _nächstfolgende_ -Genialität. _Glaube_ an neue Erkenntnisse ist bisher unterschätzt -worden. Es ist ein _zweiter Grad_ von Genialität. Die anderen sind -Skeptiker, also _ungenial_. Dann gibt es noch die _Mitläufer_ mit den -Schwindlern und Hochstaplern. Das sind die ganz Ungenialen, die einem -ebenso Ungenialen wie sie selbst sind, feige Kärrnerdienste leisten. Sie -leben von der Hoffnung, man werde sie ernst nehmen, weil sie einem nicht -ernst zu Nehmenden ernstlich Gefolgschaft leisten! Aber in Gottes Buche -ist alles verzeichnet, und dieser riesigen unerbittlichen Buchführung -über _Reelles_ und _Unreelles_ unterliegt schließlich alles! Alles wird -_aufgedeckt_, die reellen und die gefälschten Ziffern, und man sollte -eben deshalb schicksalsergeben sein. _Entwicklungskonjunkturen_ -ausnützen ist jedoch eine der feigsten Gemeinheiten. Wenn man für die -»Frauenseele« zum Beispiel kämpft, muß man zeit seines langen -schrecklichen Lebens in jeder Beziehung daran auch elend verblutet sein. -Die jungen Gänseriche haben aber noch einfach ihre verfluchte Pflicht -und Schuldigkeit, ohne psychologische Mätzchen das Ihrige wie eh und je -zu leisten. Der Entdecker _leidet_, und der Gläubige an ihn _leidet_. -Aber der geschickte Ausnützer von Konjunkturen macht dabei seinen -_Rebbach_. - -Dasselbe findet in der Kunst statt. Gottes Pläne sind niemandem heilig, -sondern man erstrebt es einfach, seiner eigenen verfehlten Organisation -zum Durchbruche zu verhelfen! _Freaks_ sind noch lange keine _Genies_, -obzwar Genies oft _Freaks_ waren. Sie waren es eben doch nur scheinbar. -Denn _hinter_ ihnen thronte Gott und die Natur, wenn auch ein wenig in -allzu grotesken Formen. Es gibt Räusche, in denen man Symphonien -dichtet; und es gibt Räusche, in denen man sich erbricht. Beides sind -Räusche, Ekstasen, übertriebene Zustände. Aber Rausch und Rausch sind -nicht gleich; und nicht jeder torkelnde Betrunkene schreibt dann in -seinem einsamen Zimmer Schubert-Lieder! - - - - - SANKT-MARTINS-INSEL - - -Als der Arzt ihr mitteilte, daß sie vor den dunklen Toren der -Tuberkulose stehe, sagte sie: »Na, na, dös tun mer net, mit achtzehn -Jahren?!« - -Und sie eilte nach Gravosa, und lag auf der Sankt-Martins-Insel -mutterseelenallein, mit ihren Proviantvorräten, von sieben morgens bis -sieben abends, und breitete splitternackt die Arme aus, um die Heilkraft -der Natur zu empfangen. - -Sie ließ sich mit Mentholfranzbranntwein täglich zweimal eine halbe -Stunde lang einreiben und nahm einen halben Liter Kakao mit sechs -eingesprudelten rohen Eidottern. Ferner Bouillons mit eingesprudelten -rohen Eidottern und Seefischfilets in großen Mengen. - -Als sie gesund wurde, kam der Ehrgeiz und die Lebenslust über sie, und -sie fand ein Engagement in einem ganz kleinen Theater. Ihre erste Rolle -war die französische Gräfin Laborde-Vallais. Sie wußte durchaus nichts -damit anzufangen, aber ein junger Herr schickte ihr in die Garderobe -seine Visitenkarte. - -Sie hatte sich mutig dem Tode entzogen, und bemerkte nun bald, daß das -Leben es nicht wert sei, sich so sehr darum bemüht zu haben. Sie war -dieser Gefahr »Tod« entronnen — nun kam diese größere Gefahr »Leben«! -Dem konnte man nicht mit Sonnenbädern, Kakao, gesprudelten Eidottern, -Mentholfranzbranntwein entrinnen! - -Später lernte sie zufällig den Dichter kennen. Sie verstand nicht, worin -das bestehe, ein Dichter zu sein. Man schreibt Bücher, und man ist ein -Dichter. Aber was stellt es vor, und wozu ist es?!? - -Aber eines Tages sagte er zu ihr: »Wie war es auf der -Sankt-Martins-Insel?!? Sie lagen da, gottergeben, und erwarteten von -Wiese, Wald und Sonne Ihre Heilung — — —.« - -Und jemand sagte zu ihr: »Hören Sie mir schon auf mit Ihrer faden -Sankt-Martins-Insel! Jetzt sind wir Gott sei Dank hier!« - -Da blickte sie hilfeflehend zu dem Dichter, und sie fand einen -hilfsbereiten Blick — — —. - -Da wußte sie, was ein Dichter sei und wozu er da sei — — —. - - - - - KONZERT - -Du kamst aus dem Konzert, erfüllt von Liedern und den Liedertexten, die -von Dichtern waren wie Stefan George, Richard Dehmel, Jacobsen, dem -verstorbenen Dänen, der Musik in Worten machte. - -Du warst schön und prächtig, gelb und gold war dein Gewand, und deine -geliebten Augen blickten noch in Fernen, aus denen sie eben kamen. Ein -Zwerg, ein Wurm, ein gekrümmtes armseliges Reptil erschien ich dir, ans -Irdische dich feig gemahnend, die du aus hehren Fernen kamst, und meiner -Liebe allzu gewohnte Seufzer verhallten in den Tönen deiner neuen -Musikwelten. - -Ich starb dahin vor Eifersucht auf das Konzert, und auf alles, was drum -herum und dran hängt an Ablenkungen selbstverständlicher Art einer -fanatisch geliebten Seele —. Ich starb dahin. - -Du aber blicktest, gelb und goldig war dein romantisches Gewand, in -Fernen, aus denen du soeben kamst, gleichsam von einer langen, langen, -langen Reise —. Wo warst du, Frau?!? - -Da senkte ich den Blick, der zuerst böse starrte, und ich ergab mich in -das Schicksal — — —. - -Du sagtest schlicht: »Es war sehr schön; man hat sehr viel gelernt; man -blickte jedenfalls in Welten, die bisher verschlossen waren —.« - -Da saß ich denn da und getraute mich nicht mehr, deine geliebten Hände -zu berühren wie eh und je —. - -Und du sagtest: »Was haben Sie?!?« Und ich sagte: »Nichts — — —.« - - - - - BUCHBESPRECHUNG - -Er hatte zu ihr gesagt: »Nun habe ich dich, _über allen Kitsch der -Künstler_ hinaus, den _Kunstwerken der Natur und des Lebens selbst_ -allmählich näher gebracht, habe dich mühselig gelehrt, die Romantik des -Daseins _aus erster Hand_ zu genießen! Nun gebe ich dir einen -allerbesten, spannendsten, aufregendsten, ergreifendsten, lehrreichsten -Roman zu lesen: »_Der Volkskrieg in Tirol_ 1809« von Oberleutnant Rudolf -Bartsch.« - -Und sie las es in einigen Stunden einer schlaflosen Nacht. Alle Menschen -darin standen ihr nahe, und sie zitterte um eines jeden Schicksal! -Erzherzog Johann, die Offiziere, die Diplomaten, die Bauernführer wurden -ihr zu vertrauten Freunden. Sie begann das Getriebe der Welt zu erkennen -und Freunde und Feinde in gleicher Weise zu verstehen! Sie sah die -Schlachten zwischen _Intelligenz_ und _Herz_ im Menschen, zwischen -_Vorurteil_ und _Urteil_, zwischen _Fernsicht_ und _Nahsicht_! - -Sie gewann eine tiefe, tiefe Liebe zu Peter Mayr und Andreas Hofer, zu -den reinsten der Reinen, den eigentlichen Idealisten in dem Buche. - -Sie weinte bitterlich und stundenlang über ihre edle Art. Sie schrieb -sich folgende Stelle auf ein Pergamentblatt heraus und ließ es einrahmen -unter dem Titel: »So sind alle, die für die _Kommenden_ von Wert sind!« - -Diese Stelle lautete: Der geniale Hormayr verscherzte sich das Zutrauen -vieler, namentlich der Bauern. Als er nach dem Bankrott der -österreichischen Invasion aus dem Lande floh, _schob_ so recht das ganze -Volk von Tirol den gegen Hormayr einfältigen, aber sittenreinen Sandwirt -an die höchste Stelle — ohne dessen Zutun. - -Schob: dieses Wort bezeichnet viel in Hofers Wesen und Laufbahn! Der -bedächtige Sandwirt war keine aggressive, ideenwälzende Natur wie -Haspinger, kein genial tollkühner Unfried wie Speckbacher. Viele seiner -Führer hatten weit größere Begabung als der bloß mit einem schlichten, -gesunden Hausverstand ohne weiten Blick ausgerüstete Hofer. Gedrängt, -unwiderstehlich gedrängt wurde Hofer zu allem, was er tat. Eine äußere, -aber geheime Macht, deren Walten er wohl ahnte, der er nie zu -widerstehen suchte und die er verehrte, trieb ihn: der Volksgeist von -Tirol! - -Diese Macht erhob ihn hoch — er blieb demütig und schlicht; diese Macht -entriß ihm all seine Entschlüsse. Durch sie gedrängt, siegte er bei -Sterzing, am Isel und bei Leonhard. Durch sie gehalten, vermochte er -nicht zu fliehen, als die Besten des Landes das sinkende Schiff -verließen — und geschoben, ja ganz verwirrt von dem Einfluß der -Verzweifeltsten des ganzen Landes, brach er im Spätherbst 1809 zum -erstenmal in seinem Leben das Wort, verleugnete seine Unterwerfung, -erhob von neuem den Ruf zum Aufruhr, und erst als sein Körperliches -gefangen und dem Tode geweiht war, da befreite sich seine Seele, eine -tiefe Erkenntnis seines ganzen Lebenslaufes durchzuckte ihn, und da -wuchs er ins Übermenschliche. Dieser weichherzige Mann, der so leicht -die gutmütigen Augen voll Wasser bekam, nahm trockenen Auges Abschied -von einer Welt, die sich schlechter erwiesen hatte als er. - -Daß man Hofer so oft verkannt und in ihm den Führer und Kommandanten des -Aufstandes gesehen hatte! Er war weniger und doch mehr. Er war seinem -Volke, was dem Soldaten seine Fahne ist: Das Panier von Tirol! - -_Selbst unbeweglich_, aber von den Kühnsten und Besten getragen, _allen -voran_. Unbefleckt, rein, verehrenswürdig, ja wahrhaft geheiligt! Von -der Religion geweiht, vom Paten Johann mit einem Wahlspruch belebt, vom -Kaiser ausgezeichnet und geschmückt. In der höchsten Not entfaltet, als -alle Kommandanten versagten, siegt diese menschliche vorausgetragene -Fahne Andreas Hofer, dann sinkt sie — — und mit ihr das Land Tirol. Er -war eben der einfache, Mensch gewordene Idealismus, der embryonal in -tausend Herzen, in tausend Gehirnen, in tausend Willenskräften verborgen -lag! - -Die edle Leserin machte die Hinrichtung Andreas Hofers mit, aber sie -konnte nicht, wie er von sich selbst es sagte, sagen: »So leicht kommt -mir sein Sterben an, daß mir die Augen davon nicht naß werden — — —.« - -Sie aß wenig, sie sprach wenig durch viele Tage. Nur dem Freunde, der -ihr diesen »_Roman des wirklichen Lebens_« anempfohlen hatte, blickte -sie dankbarst in die Augen. Da sagte er denn zu ihr: »Dieser -Oberleutnant Rudolf Bartsch ist vielleicht ein _größerer Dichter_ als -viele protokollierte Firmen dieser Branche. Denn er hat die in den -Archiven des Lebens begrabene Poesie und Romantik der Menschheit zu -lebendigem wirkendem Leben gebracht durch sein einfaches tiefes Buch!« -Und die Dame reihte es ein in ihrer kleinen Bibliothek neben ihre -Götter: Hamsun, Strindberg, Maeterlinck, Ibsen, diese _Vermehrer des -Bestandes der allgemeinen menschlichen Seele_! - - - - - IDEALE - -Ein fünfzehnjähriges wunderschönes Stubenmädchen stahl ihrer Herrin -zwanzig Kronen. - -Die Herrin schickte zur Polizei und machte die Anzeige von dem -Diebstahl. Da nahm die Fünfzehnjährige, die ihrer Mutter zum Namenstag -ein Geschenk hatte machen wollen, eine Flasche mit Spiritus, trank die -Hälfte aus, übergoß ihre Kleider mit der anderen Hälfte, zündete sie an. -Nach elf qualvollen Stunden verstarb sie im Wasserbett. - -Einfache künftige Polizeivorschrift: - -Anzeigen gegen Untergebene unter zwanzig Jahren wegen Diebstahls unter -100 Kronen werden zwar angenommen, aber sobald es sich um einen _ersten_ -Fall handelt, in den Papierkorb geworfen! - -Man vertröste die anzeigende »Canaille«, daß sich der Fall leider -»verzögert« habe — — —. - - - - - EIN BRIEF - -Liebes Fräulein Marion Kaulitz, ich habe gestern in der Wiener -Werkstätte, erster Bezirk, Graben 15, die Puppenausstellung besichtigt. -Ich war ganz gerührt. Wie schrecklich sind doch diese Puppengespenster -gewesen aus der Kindheit unsrer geliebten Schwestern und Cousinen! Wie -starrten sie uns blöde herzlos an, erwiderten alle Liebe und Sorge mit -einem nichtssagenden kretinartigen Grinsen, das unsre kleinen Herzen -hätte lieblos machen müssen, wenn wir damals nicht so viel an -selbstloser Liebe aufgespeichert hätten zu adeliger Verschwendung! - -Aber nun schufen Sie, Fräulein, Puppen, die wie edle, zarte -Menschenkinder blicken, träumerisch lächelnde, und solche, die sich -anschicken zu weinen und es dennoch unterdrücken! Kleine, zarte Kindchen -schufen Sie, nicht Puppen! - -»Das Beste ist für unsre Kinder gerade noch gut genug«, sei der -Wahlspruch von verständnisvollen Eltern. Eine meiner kleinen -zartfühlenden Freundinnen, zwölfjährig, hat am Lande im Garten einen -Zentralkäfig aus spinnwebdünnem Stacheldraht. Innerhalb ein kleiner -ovaler Teich von Quellwasser, und blühende kleine Gesträuche. Dieser -Käfig ist bewohnt von siebzig herrlichen Vogelarten. Hier genießt sie -die Märchen der mysteriösen Natur aus allererster Hand, hat einen -kleinen bequemen Fauteuil davor gerückt, sitzt stundenlang, beglückt und -entrückt — — —. - -Geradeso könnte man mit Ihren Püppchen sitzen, stundenlang, Fräulein -Marion Kaulitz! Ich denke mir kinderlose zarte Damen, die dieselben -sanft an ihr Herz drückten. Im Schlafzimmer sollten sie in Sofaecken -kauern, wie kleine zarte Lebewesen! Es gibt einige darunter, die man -direkt lieb gewinnt. Ich kann es mir vorstellen, daß eine alte Jungfer -solche fünfzig ankaufte und so in ihrem Zimmer eine Welt erblühen ließe, -die ihr im realen Leben versagt geblieben ist. Eine Welt von Poesie und -ohne die Enttäuschungen. Eine ist darunter, dreißig Kronen, von der man -es sich vorstellen muß, daß sie unbedingt eine weltentrückte Dichterin -werden würde. Ich sagte zu der wunderbar schönen bleichen Verkäuferin -mit den aschblonden Haaren und der sanftmütigen Stimme: »Melden Sie es -mir seinerzeit, welche Dame diese scheinbar unscheinbare Puppe erstanden -habe! Es wird jedenfalls eine ›innerlich Adelige‹ sein — — —.« Die -bleiche Verkäuferin errötete und sagte: »Ein fremder Herr hat sie heute -bereits von selbst für mich erstanden — — —.« - - - - - VARIÉTÉ - -»Sechs riesenstarke Männer und eine _Sechzehnjährige_, wunderbaren -verklärten Antlitzes, und gewachsen wie ein edler Knabe. Man warf sie -wie einen Gummiball, fing sie nach zahllosen Umdrehungen auf -herkulischen Schultern geschickt auf. Dennoch zitterte man jedesmal für -ihre edelzarten, unbeschreiblich rührenden, gebrechlichen Glieder. Sie -blickte ekstatisch, ließ sich in die Luft wirbeln und auffangen und -hätte, zufällig auf den Boden geschleudert und ermordet, zerbrochen, -zerquetscht, keinen Laut von sich gegeben! Ekstatisch blickend wäre sie -gestorben. Da dachte ein Graf: »Ich werde sie ihren Peinigern entziehen -und ihrem Selbstmorde. Ich werde sie schützen, pflegen und behüten!« -Aber das _wunderbar verklärte_ Antlitz hätte sie dann sogleich verloren, -und den edlen süßen Heldenblick wie in einer Schlacht, in der man gern -vor dem Tode steht! Denn »leben ohne Ehre« ist da überflüssig geworden! -O, Fräulein, gedenken Sie eines armseligen Zeitungsreferenten, der es -nicht drucken lassen darf, daß er vor Ihnen hätte hinknien mögen! -Sondern er mußte schreiben: »Einen wirklichen Rekord in der -Parterreakrobatik bot die jugendliche Tochter des Truppendirektors. Eine -Vereinigung von Kraft und Anmut — — —. Stürmischer Beifall belohnte aber -auch ihre Leistung!« O, Menschheit, pfui über dich, die du noch immer -die »spanische Stiergefechtsseele« hast, ohne Erbarmen und ohne Liebe, -pfui! Fräulein M., Ihre edelzarten Glieder sind mehr wert als das -begeisterte Gejohle einer herzlosen Menge. Gott beschütze Sie, -Allerzarteste, in Ihrem gefahrvollen Berufe! Möge dennoch ein Graf Sie -zuletzt erretten!« - - - - - DIE ABGELEHNTE EINLADUNG - -»Sie luden ihn ein auf ihre Besitzung. Er könne dort tun und lassen, was -er wolle, niemand würde Ansprüche an ihn stellen. Er habe seine Freiheit -garantiert. Er kam nicht. Er hatte zu tiefe _Achtung_ vor dem -_Fernverkehr_ zwischen Menschen, die sich wenigstens teilweise -verstehen, zu viel _Verachtung_ für den _Nahverkehr_, der unter allen -Umständen Abgründe öffnet, in denen die Seelen zerschellen. Welche -Freiheit konnte man ihm garantieren, nachdem er als Gast von selbst -infolge seiner inneren Kultur unwillkürlich den Gastgeber ununterbrochen -berücksichtigt hätte? Die großen Abgründe sind leicht mit Freundschaft -zu überbrücken, _unüberbrückbar_ sind die allerkleinsten; was ist es, -wenn der fanatisch geliebte Hund des Gastgebers dem Gaste als ein -verwöhntes, ekelhaftes Beest erscheint? Genügt das nicht, alle Werte -umzuwerten und Verzweiflung in den Nerven zu erzeugen, wo früher edler -Friede war? Ich will von Speisen und Getränken gar nicht reden, von -Tageseinteilungen. Der Gast wird zum »hysterisch-empfindsamsten« -Menschen, weil er eben der »Gast« ist, der Gastgeber ebenfalls, weil er -eben der »Gastgeber« ist! Es entsteht eine Beziehung von -Verantwortlichkeit für das Glück des anderen. Man bemüht sich, ein -anständiges aber ungeschicktes Kompromiß zu schließen zwischen zwei -Nervensystemen. Nun gibt es aber auch noch tragischere Verwicklungen. -Zum Beispiel »Lieblingsspaziergänge«, oder »Lieblingsplätze im Garten«, -ja sogar »Lieblingsbäume und -blumen«. »Gekränkt sein« ist eine von -unserem guten, ja von unserem besten Willen unabhängige Emotion der -Seele. Wodurch könnte man es besiegen!? Durch Entfernung! Napoleon kann -bei seinem Kammerdiener zu Gaste sein, aber nicht bei einem Napoleon! -Außerdem kann man sich auch noch zu allem anderen vielleicht in das -Stubenmädchen der Hausfrau verlieben. »Distanzen lassen« in jeglichem -Verkehr ist die »Genialität der Bescheidenen«, »Distanzen nicht -einhalten« ist die »Stupidität der Größenwahnsinnigen«! Es gibt daher -für einen »_bescheidenen_« Gast eine einzige Form der Einladung an ihn: -»Liebster Freund, wir reisen heute abends ab, unsere Villa steht Ihnen -daher zur Verfügung. Die Köchin wird kochen, was Sie anbefehlen; -außerdem bekommen Sie Tagesdiäten von zehn Kronen. Gedenken Sie unser in -Liebe!« - - - - - HYPOKRISIE - -Ich möchte ein einziges Mal im Leben ein Liebespaar, ein junges Ehepaar -antreffen, bei dem der Mann nicht in überquellender sorgsamer -Zärtlichkeit das Zigarettenrauchen der Geliebten bespräche! »Anna, du -weißt, dein Pensum ist bereits überschritten, ich habe drei Zigaretten -täglich gestattet, eine nach dem Frühstück, eine nach dem Mittagessen, -eine nach dem Nachtmahl. Ich glaube, ich bin jedenfalls ein -nachsichtiger Gatte — — —.« Nein, das bist du nicht, du Hund! Gerade -hierin also willst du ihr helfen, hast nicht die geringste Ahnung, du -Esel, wieviel Narkotika sie braucht, um deine Langweiligkeiten zu -ertragen, oder sich zu betäuben einmal auf anständige Art! Keine Frau -raucht mehr Zigaretten, als sie unbedingt braucht, denn in der Kontrolle -ihrer Genußfähigkeiten sind die Frauen begabter als die Männer, da sie -den Gesetzen der unbewußten Natur näher stehen, sie daher besser -erlauschen! Ich hasse die Männer, die ihre hypokrite zärtliche Fürsorge -gleichsam auf das scheinbar übertriebene Zigarettenrauchen ihrer -geliebten Frauen konzentrieren. Sie haben überhaupt nicht die geringste -Ahnung von der minutiösen Hygiene des Frauenleibes, der Frauenseele! -Aber vor der unschuldig-betäubenden, ja oft erlösenden Zigarette wollen -sie sie zärtlichst behüten! Der Anfang aller Ungezogenheiten einer Frau, -die sich dann allmählich und unscheinbar entwickeln, ist, ihr ihre -unschuldigen Freuden zu mißgönnen! - - - - - STRANDBAD »GÄNSEHÄUFEL« - - -Wie alt du wirst, Peter — —. Läßt dich deinen Idealen nicht mal mehr -vorstellen?! - -Ich sah zwei Schwestern, sechzehn und fünfzehn, mit braunem Teint und -dunklen Haaren, stumpfnasig, edelhändig, edelfüßig. - -Wie von den Inseln Ceylon, Sumatra, waren sie. - -Die Sonne brannte auf den grauen mehligen Donausand des Strombades -»Gänsehäufel«. - -Ein buntes Treiben; und ich sah nur euch! - -Wie flügge Vögelchen im Neste, sah ich euch, von eurem Vater zart -behütet — —. - -Finger, Zehen, zart zum Abbrechen. - -Und eure Augen schienen noch nie ängstlich geblickt zu haben — — —. - -Ein buntes Treiben auf dem Strand, im Wasser! - -Familienglück mit plätschernden Babys, und Paare, denen man es ansah: -»Ihr gehört zusammen!« - -Von Weidenbüschen kamen Duft und Kühle — —. - -Und als die beiden braunen Schwestern ihre weißen Strandkörbe verließen, -um zu baden, hätte ich mich gern als Leibwache hinpostiert und zu jedem -gesagt: »Die Körbe sind besetzt, ich hüte meiner geliebten Herrschaft -ihre Ruheplätze — — —!« - - - - - RÜCKKEHR VOM LANDE - - -Nun ist es wieder Herbst geworden, und die Grabenkioske füllen sich zur -Abendzeit mit wohlgepflegten und gebräunten Damen. - -Man hätte so viel zu erzählen, und man schweigt! - -Man ist wieder in diesem Gefängnis »Großstadt«. - -Man träumt von Licht und Luft und Wasser. - -Man war ein anderer, besser, menschlicher. - -Nun geht man seinen Trab wie eh und je. - -Man fühlt sich altern, schwerfällig werden, klammert sich an dieses -unglückselige Wort: »Verpflichtungen«! - -Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, und die Dienstboten kündigen. - -»Die gnädige Frau war am Land viel netter zu uns — — —.« - -Ja, das war sie. - -Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste wie Weltreisende, die -vielfache Gefahren überstanden haben — — —. - -Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sicheren Port! - -Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen sich in die Menge der -Zurückgekehrten, als ob nichts vorgefallen wäre — — —. - -Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu behaupten, Wien wäre am -angenehmsten, wenn alles »auf den Ländern« weile — — —. - -Damen, mit den veredelten gebräunten Antlitzen, lasset euch nicht -betrügen von dem Prunk der Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer -Gemächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht und Luft und Wasser und -Freiheit modelliert haben, und der nicht da war ehedem, und der -verschwinden wird im Wintertrubel! - -Komödie hier, Komödie dort vielleicht — — —. - -Doch unter freiem Himmel ist das _Theater_ schöner! - - - - - KRANKENLAGER - - -Ich lag wieder einmal im Sterben. Einer sandte mir daher Kalbsfußgelee -in Glasdose, statt mir seine junge, schöne Geliebte zu senden, die mich -unbedingt eher hätte erretten können als Kalbshaxen! Das Kalbsfußgelee -hatte einen geheimnisvollen, uneröffenbaren Verschluß. Daher war es auch -ganz gleichgültig, daß es vor dem Eröffnen zwei Stunden lang in Eis -liegen sollte. Einer kam sehr teilnahmsvoll und besprach es mit mir -ziemlich eingehend, ob er seiner Mitzi den Laufpaß geben solle oder -nicht, nachdem doch, wie ich wisse —. Wir berieten hin und her, und er -meinte schließlich, er sehe, ich sei nicht ganz bei der Sache. Zum -Schlusse sagte er: »Hast du große Schmerzen?! Merkwürdig, daß diese -Anfälle in letzter Zeit so häufig wiederkommen. Vielleicht sieht man -dich übrigens morgen im Gasthaus. Da können wir es weiter besprechen.« -Eine Dame kam, und ich teilte ihr mit, daß sie die schönsten Ohren, -Hände von der Welt habe. Sie meinte, ich bliebe noch in der Sterbestunde -ein Dichter, ein wirklicher Künstler. Einer kam und legte seine -Zigarettenasche auf mein Nachtkästchen aus Bambus, neben die große, -tiefe Aschenschale. Einer trug mir ein Buch weg, unter dem Vorwande, ich -könne in meinem jetzigen Zustande ohnedies nicht die Sammlung finden, es -zu lesen. Einer sagte mir, man dürfe sich nicht so sehr nachgeben, -sondern müsse die Krankheit durch Energie überwinden. Gott, wo käme er -selbst hin, wenn er sich immer gleich ins Bett legen wollte und sich -pflegte!? Eine junge Dame schrieb: »Verehrter Meister, ich höre, daß Sie -schwerkrank sind. Darf ich um ein Autogramm bitten?!« Als ich wieder -genesen war, sagte man zu mir: »Nun, Peter, du ewig Unzufriedener, hast -du es nicht jetzt wieder einmal erlebt, von wieviel Sympathie und echter -Freundschaft du in schweren Zeiten dennoch umgeben bist?!« Ich blickte -gerührt vor mich hin — das heißt, ich dachte: Verbrecher und -Schafsköpfe! - - - - - HUNDE - - -Ich hasse die Frauen nicht nur wegen der falschen Krawatten, die sie -anhaben, wegen der falschen Schirmgriffe, der falschen Hüte, der -falschen Manschettenknöpfe und so weiter — ich hasse sie in neuerer Zeit -wegen der »Pflanzhunde«, die sie sich mit teuerm Gelde zulegen, um eine -Art von verlogener Tierromantik mit ihnen aufzuführen. - -Meine wunderbar schöne Schwester fand in ihrem fünfzehnten Lebensjahre -ein schreckliches verhungertes Tier auf der Bergstraße nach Kaiserbrunn, -direkt ein Scheusal. Aber sie betreute es fanatisch; und als sie es -eines Sommermorgens im Bottich des kleinen duftenden Gemüsegartens -ertränkt fand, legte sie sich ins Bett und verweigerte acht Tage lang -die Nahrung. - -Heutzutage aber kaufen sie sich für schwere Tausende prämierte Russische -Windhunde, Springer erster Klasse, die zwar unerhört hohe Barrieren -überspringen, aber nicht einmal den Seelengeruch aufbringen, die Wohnung -ihrer scheinbar geliebten Herrin allein wieder aufzufinden! - -Herzlose Idioten von äußerlich schönen Tieren favorisieren sie, -schändliche Masken von Idealen, einen Abglanz ihrer eigenen leeren -Persönlichkeiten, drapiert mit modernen Gewandungen! Wie sie selbst! - -Seinerzeit war der getreueste Freund des Menschen favorisiert, der -aufopferungsfähige weiße oder schwarze Pudel. - -Heute aber liebt man den infam perfid treulosen Dackel, den grotesken -Clown Foxterrier, und den stupiden herzlosen und gleichgültigen -Russischen Windhund. - -Heute geht man auf Farbe und Form. Aber das melancholisch-treuherzige -Auge ist euch gleichgültig geworden! Es wird sich natürlich an euch -rächen! Auch die »Ästhetik« kann nur aus den mysteriösen Tiefen des -Herzens kommen; sonst ist es eine Blüte, die an ihrer eigenen schamlosen -Kälte verkommt, verdorrt! Nur das Herz hat ewig belebende tropische -Wärme. Schönheit allein mordet! - - - - - H. N. - - -In deinen Augen lese ich dein Leben — — — mehr brauch ich nicht zu -wissen, es ist alles. Und deine Stimme ersetzt mir die Musik der Welt! -Deine Hände zu schauen, macht dankbar gegen das Schicksal — — und sie -berühren, macht mich tief erschauern! Wie eine geknickte Blume prangst -du in der Welt, die trotzig starrt von harten Pflanzen! Nur du erzeugst -mir Sehnsucht, Gottes edle Qual! Die anderen genießt man, wenn sie da -sind, und die Entfernung legt sie zu den Toten! Von dir aus strömt des -Dichters Leid und Not, an diesem Stoffe brennen seine Flammen! Wenn du -von Lieblingsliedern sprichst, hör ich sie tönen; Wenn du von -Lieblingsbüchern sprichst, so hab ich sie gelesen! Wenn du von schönen -Frauen sprichst, so seh ich sie, wenn du von Männern sprichst, so sterb -ich vor Verzweiflung! - -Und die Welt erdunkelt mir — — —. Der Bann, der Bann, Bannsegen ohne -Fluch! So bannst du mich! Du bist verstört, von tausend geheimnisvollen -Kräften hin und her getrieben, die aber mir zu Tau und Sonne werden, -indem ich sie gerührt betrachte und begreife, wie eine Mutter ihres -geliebten Kindes Rätsel — — —. Entfern dich nicht! Denn wenn du mich -verläßt, erlischt für Dich dein eigener Zauber — — und eine Welt -ersteht, die dich brutal genießen will! - - - - - HELGA - - -Helga, mein Leitstern, bist du mir erloschen?!? - -Leuchtest du mir nicht mehr in meinen Dunkelheiten?! Willst du meinen -Verdüsterungen nicht mehr Klärung bringen?! Die Nebel zerstreuen, die -sich über meiner Seele lagern, wie die Sonnenkraft auf Bergesgipfeln -beim Nebelreißen?!? Wie ein Kindchen strecke ich die Arme nach dir aus. -Hilf mir! Du gabst mir Kraft, du gabst mir Frieden! Sei ewig -bedankt — — —! Nun kommen die Liebelosen und rauben mir alles! Düstere -Nebel umwölken mein ehemals klares Gehirn — — —. Sei wieder die Sonne, -die Klarheit bringt und Licht und Wärme! Hilf mir, Helga — — —! Alle -andern Frauen nehmen und plündern, die Seele, den Leib, die Kraft des -Gehirnes — — —! Du allein _spendest_ und _spendest_ und _spendest_! Kaum -bist du fort, _umdüstert_ sich alles — — —. Die bösen Geister nehmen -mich in Besitz — — — Guter Geist, Helga, ich entbehre dich, wie ein -krankes Kind seine Baba — — —. _Gütige Kinderfrau_, Helga, ich gebe dir -_diesen_ Ehrentitel, Statt dieses schnöden, inhaltslosen Titels: -Geliebte! - - - - - DAS TELEPHON - - -»Hier Peter Altenberg — — —.« - -— »Oh, Peter, guten Abend. Denken Sie, ich kann heute abend nicht an -Ihren lieben Stammtisch im ›Löwenbräu‹ kommen. Ich habe mir erst vor -einer Stunde die Haare gewaschen und sie brauchen mindestens drei -Stunden, um zu trocknen.« - -»Schluß«, rief er und läutete rasend ab. — - -Das war eine Art von Genugtuung. — Aber sehr bald darauf überkam ihn -eine trübe Stimmung und er dachte: »Was, oh Fraue, was wirst du mir also -noch alles antun, nachdem du dir nicht einmal rechtzeitig die Haare -waschen konntest — — —.« - - - - - DIE LÜGE - - -Eine der schrecklichsten Verlogenheiten des kleinen Lebens ist es, daß -so viele in liebenswürdig-korrekter Art fragen: »Ist es gestattet, an -Ihrem Tische Platz zu nehmen? Stört man nicht!?« - -Welche verlogene Gemeinheit, eine solche perfid-jesuitische Frage zu -stellen, nachdem man es doch sicher weiß, daß niemand daraufhin den Mut -hat, zu antworten: »_Nein_!« - -Möge doch jeder in seiner Vereinsamung bleiben, bis man ihn »liebevoll« -ruft! Wie viele Feindselige drängen sich scheinbar freundschaftlichst -heran, weil man mit einer Dame sitzt, auf die sie »fliegen!« Eine -horrende feige Gemeinheit. Schändliche Wölfe im Schafspelze. Wenn sie -ihre Beute »gerissen« haben, verschwinden sie! Niemand weiß, edle -Distanz zu halten, weder im Gespräch, noch in Handlungen. Eine falsche, -feige Gutmütigkeit beherrscht alles, vom liebenswürdigen, scheinbar -erfreuten Lächeln der Begrüßung an, bis in die ernsteren Komplikationen -hinein, wo die Maske fällt! »Wie geht es Ihnen?!« Jeder denkt dabei: -Hoffentlich schlecht! Das Herz traut sich nirgends hervor; es keucht, -erstickt unter Lügebergen! Niemand kann »er selbst sein«, schaut sich -daher ängstlich um, nach dem Sukkurs der andern! - -Heldentum: »Ist es erlaubt, an Ihrem Tische Platz zu nehmen?!« - -»Nein!« - -Dann geht der feige, geprügelte Hund aber hin und rächt sich! - - - - - PLAUDEREI - - -Früher hat es naturgemäß Religionsstifter gegeben für die _Seelen_. Der -Körper war _urkräftig_, und die Seelen waren _schwächlich_. Da bedurfte -es der _Ärzte_ für die _Seelen_. Nun aber ist es umgekehrt: die Seelen -sind _erstarkt_, und die Körper sind _schwächlich geworden_. Da bedarf -es der Religionsstifter für die _Körper_! - -Keuschheit zum Beispiel war früher eine »psychologische« Forderung, -heute wird es zu einer »physiologischen«! Einfachheit der Lebensweise -war früher eine »psychologische Forderung«, heute ist es eine -»physiologische« geworden! - -Früher beschenkte man Arme aus »psychologischen« Gründen. Heute könnte -man fast bereits sagen: »Ich gab einem Armen 50 Heller, denn ich fühlte -es, daß mir mein Nachtmahl dann besser munden würde und ich es leichter -verdauen könnte —.« - -»Seelische Angelegenheiten« beginnen zugleich »physiologisch« aufgefaßt -zu werden, also eine organische Verbindung von _Selbstlosigkeit_ und -_Ichismus_. Je mehr ich meinen _Körper_ entwickle und schone, desto mehr -kann ich _seelisch für andere leisten_! Ich bin _von mir_ befreit! _Für_ -andere! Liebenswürdigkeit, Menschenfreundlichkeit ist Sache des -Verdauungsapparats. - -Mörder müssen _Blähungen_ haben. Man kann nämlich auch unscheinbar -morden; es muß nicht immer Messer und Kugel sein. Auch Worte können -morden und _jegliche_ Ungezogenheit! Frauen müßten daher besonders -vorsichtig sein in bezug auf ihren gesamten Verdauungsapparat. Sie -können leicht »seelisch morden«, wenn sie unverdauliches Zeug essen, das -sie belästigt und beschwert. Ich will von einer der wichtigsten Sphären -im »physiologischen Organismus« gar nichts auch nur andeuten, in der man -entweder zum »_Übermenschen_« oder zum »_Mandrill_« wird! Aber der -kommende Religionsstifter wird die Verbrechen, die »Höllen«, -_ausschließlich_ in der »physiologischen« Sphäre erkennen, wenn auch der -»Alkoholgenuß« nur selbstverständlich den _Prügelknaben_ vorstellt, der -blöderweise für _alle anderen_ Sünden herhalten soll! »Falscher Ehrgeiz« -zum Beispiel ist ein »_physiologischer_« Mörder in uns, ein Krebs der -Seele, eigentlich aber des Leibes! Die Würmer werden mich fressen, -früher aber muß ich noch Baron werden! Sie sollen einen Baron also -annagen! Man verlästert immer die Dekadenz. Aber wann werden die -Menschen endlich nicht _mehr_ essen, als sie benötigen, nicht _mehr_ -trinken, als sie _benötigen_?!? Bis sie es nicht mehr _vertragen_ vor -Schwäche! Dadurch aber werden sie dann allmählich wieder _ganz stark_ -werden! - -Das ist der _Werdegang_! Zuerst _völlern_, auf seine _überschüssigen_ -Kräfte hin! Dann _sparsam leben_, wegen _seiner unterschüssigen_ -Lebenskräfte. Und dann _infolgedessen_ gesunden, reich werden und es -_bleiben_! Dekadenz ist der _organische Übergang_ zur _Aszendenz_! -Zuerst _vergeuden_ die Menschen ihre Kräfte, weil sie _zu viel_ davon -haben. Dann _sparen_ sie damit, weil sie _zu wenig_ haben. Und -schließlich haben sie wieder _angesammelt_ und _sparen_ wegen schlimmer -Erfahrungen! Es gibt keinen anderen Weg! - -Es wäre denn, daß ein »physiologischer« Religionsstifter die -_persönliche Macht_ ausübte, daß die _Verschwender_ an Lebenskräften zu -_sparen_ begännen, _ehe_ es unbedingt notwendig wäre! Dann könnte er -»gottähnliche Menschen« züchten auf Erden! »Erkenntnisse aus Not« sind -eigentlich dennoch lächerlich, sie haben keine »Verführungskraft«. -»Erkenntnisse« aus »Erkenntnis« allein haben Triebkraft. Sie zeitigen -Blüten und Früchte am Baume der Erkenntnis! Der ganze mögliche -Fortschritt also: _Erkenntnisse_ haben und sie _durchsetzen_, ohne -»physiologisch« dazu bereits _genötigt_ zu sein! Zum Beispiel also, -Krankenkost essen, ohne es _nötig_ zu haben, keusch leben, ohne es -_nötig_ zu haben, zehn Stunden schlafen, ohne es _nötig_ zu haben! Mit -diesem gewonnenen Überschuß an Lebenskräften es versuchen, ein »höherer, -besserer Mensch« zu werden! - - - - - LEBENSBILD - - -Die fünfjährige Marie Ch. mußte um 6 Uhr morgens, bei 10 Grad Kälte, nur -mit einem Hemd bekleidet, den Fußboden des Vorhauses reiben. Ein -Adeliger, ein Geschäftsmann wollte ich sagen, der zufällig in das Haus -trat, machte die polizeiliche Anzeige. Alle ärmlichen Bewohner des -weiten alten Hauses atmeten auf. Sie selbst hätten sich vor der Furie -von Mutter nicht getraut, es zu tun. - -Der Richter zu der Mutter: »— — — und was ist es mit den blutigen -Striemen auf dem Leibe dieses schwächlichen todbleichen Geschöpfes?!« - -»Dös Menscherl hat eh zu viel Blut — — —.« - -Der Richter war empört und verurteilte sie zu 8 Tagen. Nach diesen acht -Tagen wird sie also jedenfalls das »vollblütige Menscherl« nicht mehr -den Boden des Vorhauses reiben lassen, da dort »Adelige« vorbeigehen und -die Anzeige machen könnten. Im trauten Gemache, einen Knebel im Munde, -gibt es verschwiegenere Martern für irgend etwas. Nun hat aber -höchstwahrscheinlich diese »Mutter« eine Entschuldigung. Denn sie nahm -das Mäderl von Bauersleuten weg am Lande, die es zwar sehr fürsorglich -behandelten, aber immerhin 6 bis 10 Kronen monatlich erhielten. Grund -genug, ein Kind als »unerträgliche Last« zu empfinden für durch Armut in -einem ununterbrochenen Zustande von »reizbarer Schwäche« befindliche -Nervensysteme. _Grauen befällt den Allweisen erst_ in dem gar nicht -seltenen Falle, wo Pflegeeltern ein abgöttisch geliebtes, edel gehegtes -Kindchen ohne einen Kreuzer Entschädigung à tout prix behalten wollen, -und die »Eltern« es nicht _gestatten_, sondern es nach Hause nehmen, um -es der gerechten Strafe, geboren worden zu sein, unter unermeßlichen -Qualen zu unterziehen, bis der Frevel seiner Geburt mit dem Tode gesühnt -ist! - -Richter: »Ihr Kind hat es doch dort so gut gehabt, und Sie selbst haben -in zwei engen Stuben acht Kinder zu ernähren?!« - -»Wo acht hungern, kann das neunte auch mithungern, soll sie’s besser -haben als mir, warum?!« - -Richter: »Der Bauer, der Ziehvater, hat erklärt, er setze es zur Erbin -ein — — —.« - -»Nix, dös Kind g’hört zu seine Eltern, zu seine Geschwister — — —.« - -Das Kind wurde später zu Tode gemartert. - -Ich stelle einen einfachen logischen Gesetzesantrag: »Kinder, die -nachweislich es bei Zieheltern, die _keinerlei Entschädigung_ dafür -verlangen, gut haben, dürfen den Eltern, falls sie in bedrängten -Verhältnissen leben, _unter keiner Bedingung wieder ausgefolgt werden_!« - - - - - LEBENSBILDER AUS DER TIERWELT - - -Ich habe mit Begeisterung diese Hefte angesehen, gelesen. Es ist endlich -die Natur »aus erster Hand«, unverfälscht durch den Künstler, der sich -seit Jahrhunderten _verbrecherischerweise_ zwischen Gott und die -Urromantik des Seins drängt, ein zwar _notwendiger_, aber für unsereinen -_überflüssiger_ Vermittler und Erklärer der Schätze des Daseins! Wir -sind selbst »_Künstlermenschen_« geworden! - -Dieser »_Hochzeitstag_« z. B. der Eber im dunklen alten Forste; ja, -weshalb hat bis heute keiner von den protokollierten »Landschaftern« so -etwas gemalt?!? Diese schwarzen Ungetüme, in Liebe aufgelöst, einer auf -den anderen getürmt; die anderen schauen dumm zu, und der Forst ist voll -riesiger schwarzer Stämme. Solche Dinge bringt heutzutage die »Kamera« -fertig und beschämt den Maler, der den Eber »mit _seinem_ Auge«, also -_falsch_ sieht! Der Japaner allein bemühte sich, der Natur mit -unsäglichem Fleiße nahezukommen, beizukommen. Aber bei uns steht immer -der Größenwahn des »Menschen« der einfachen schönen Wahrheit -_heimtückisch hinderlich_ im Wege! Der Maler bringt überall »seine -Seele« hinein, für diejenigen, die nicht einmal »ihre eigene dumme -Seele« besitzen! Aber Gottes Seele, die _aus jeglichem_ ausstrahlt, muß -endlich _ohne Vermittlung_ dieses Hofmeisters »Künstler« erfaßt werden -können! Wer eine Frau erst als wertvoll, als mysteriös, als Verhängnis -empfinden, sehen, erfassen könnte, bis der geniale Maler ihre Werte -gemalt, der Dichter ihre Werte besungen hätte, dem, dem wird sie ihr -Leben lang nur ein »unenträtselbares Sexualtierchen« bleiben! Der -Künstler ist ein Lehrer und Vermittler, und solange man seiner bedarf -und er als wertvoll erscheint, ist man nur ein »Schüler des Lebens«, ein -nicht schauen und hören Könnender, in Gottes All hinein, ein Menschlein, -fern dem Herzen und Gehirne, das in der Natur überall geheimnisvoll -verborgen liegt, auf daß erst der zum wirklichen Leben »Ausgereifte« es -genießen dürfe auf seinem Weg zum Heile, zur Gottähnlichkeit! Den -anderen ist es wohlweislich verschlossen, und man schickt diese »Babies« -in die »Lebensschule« zum Herrn Lehrer »Künstler«, der ihnen -_primitiverweise_ die Anfangsgründe beibringen soll, mit leichtfaßlichen -Beispielen, »Kunstwerke« genannt! - -Wir aber entnehmen diesen mit der einfachen »Kamera« aufgenommenen -»_Lebensbildern aus der Tierwelt_«, R. Voigtländers Verlag, Leipzig, und -diesen Texten, die nur klar und einfach berichten von den Ereignissen -des Tierlebens bei Tag und Nacht und zu jeder Stunde, und von den -»Homerischen Kämpfen« unter Grashalmen und Gebüschen verborgen, wir -entnehmen ihnen alle Poesien, alle Romantik, alle Tragödien, alle -Rätsel, die es hienieden gibt! Unsere Lehrer sind Gott und Natur! - -Man müßte eigentlich einer geliebten Frau diese in Lieferungen -erscheinenden, »Lebensbilder aus der Tierwelt«, R. Voigtländers Verlag, -Leipzig, als Geschenk senden. Denn es ist ein absoluter Prüfstein für -ihre »inneren Werte«; wie sie darauf nämlich reagierte!? - -Nun, ich habe das mit einer unbeschreiblich verehrten Dame getan. - -Sie schrieb mir zurück: »Lieber Freund, sein’s mir nicht bös, aber dös -interessiert mich leider gar nicht ...« - -Nun, hat es meine Anhänglichkeit an sie aber zum Schwinden gebracht?!? -Keine Spur! - - - - - BRIEF AN MITZI VON DER »LAMINGSON-TRUPPE«, DÄNIN. - - - Liebes, liebes Fräulein, Mitzi von der »Lamingson-Truppe«! - -Ich weiß es nicht, wie lange Sie noch in Wien und hier im »Casino de -Paris« bleiben werden, und eines Tages können Sie fort sein, fort auf -Nimmerwiedersehen, irgendwohin in die lustige oder traurige Welt der -Künstler, der Artisten, tausend und tausend merkwürdigen Schicksalen und -Begebenheiten ausgesetzt! - -Mögen Sie es daher wissen, daß ein alter armer glatzköpfiger uneleganter -Dichter Ihnen nachweinen wird und Ihre herrliche liebliche wundervolle -Persönlichkeit gleichsam im Innern seiner Augen aufbewahren wird, lange -lange lange Zeit — — —. - -Man vergleicht oft junge Mädchen mit schlanken Rehen im Walde; aber -niemals, niemals hat ein Vergleich so sehr gestimmt! Sie sind das -schlanke rührende edelbeinige Reh, nicht ahnend, woher der Schuß eines -grausamen Jägers kommen wird im Waldesfrieden — — —. - -Ihre lieben lieben, beim Lächeln zusammengezwickten Augen, werde ich nie -nie vergessen, nie Ihre blondbraunen Haare, Ihre aristokratisch-noblen -Glieder, Ihre edelgebogene und dennoch rechtzeitig abstumpfende Nase, -Ihren süßen Mund! - -Wenn Sie fort sind, Mitzi, Fräulein Mitzi, wird es mir sein, wie wenn -mir jemand ungeheuer Liebes gestorben wäre, und ich werde Ihnen -nachtrauern und um Sie besorgt sein! - -Ihre außergewöhnliche Schönheit, Ihr Leib, der wie das zarte Gedicht -eines Dichters ist, haben mich tief, tief gerührt; und ich möchte, daß -junge, reiche elegante Männer mit derselben Ehrfurcht vor Ihrer -lieblichen Herrlichkeit sich innerlich verneigen könnten wie ich alter -Mann. - -Man müßte Sie betreuen und beschützen wie einen kostbaren lebendigen -Gegenstand, man müßte für Sie sorgen bei Tag und bei Nacht. — — — Mit -liebevollster Fürsorge! - - -Lächeln Sie nicht, wenn Sie diese Zeilen lesen, Ihre Härte könnte mich -nicht verwunden, nicht verletzen — — —. - -Ich bete zu Gott, daß Sie glücklich werden, Sie Allerlieblichste!!! - - Peter Altenberg. - - - - - APHORISMEN - - -Ich verstehe unter »_Kultur einer Frauenseele_«, einen Mann, dem man -sich einmal gewidmet hat, nicht zu _kränken_, bevor man nicht -aufrichtig-traurig zu ihm gesprochen hat: »Es ist Schluß!« - -Eine Frau kann ihr Schlachtopfer »Mannesseele« grausam umbringen, wie -Krebse in siedendem Wasser, oder in milder Form, mit einem Schnitt wie -Kälber. Weshalb es ihnen also verzeihen, wenn sie es grausam tun?! - -Grausam bereits ist der »_kokette Blick_«!!! - -Sage also, Kanaille, lieber vorher: »_Es ist Schluß!_« - - - - - TEXTE AUF ANSICHTSKARTEN - - - _Rokoko_ - -In dieser Zeit lebten Menschen, die vom Leben nicht wußten, wie es -_wirklich_ und _einfach_ ist! - -Sie lebten in einem »falschen Märchenlande« — —. - -Denn das »echte Märchenland« ist die Romantik des _Kartoffelfeldes_ in -einer _wirklichen_ Mondnacht! Solange die menschlich-kindischen Herzen -noch nicht reif sind für die ernste »Romantik der Natur selbst«, -schaffen sie sich »kindische Spielereien«! Aber diese »Verirrten« waren -wenigstens »_Wege-Sucher_«, die sich nur kindisch _verirrten_! Das -wollen wir ihnen also _zugute_ halten! - - _Frau E... R....._ - - Schaffst du denn Symphonien, weibliches Beethoven-Antlitz?!? - Du bist ein _Weib_, kannst dich nicht _austönen_! - Nicht dich _erlösen_! - Ein _Spiegelbild der Welt_ kannst du nicht sein! - Zur _Tagestat_ zu groß, zur _ewigen_ zu _klein_! - So _bleibst_ du Weib und kannst’s dennoch nicht sein!! - - - _Fräulein Barbara von G._ - -»_Nichts_ ist gekommen, nichts _wird kommen_ für meine Seele — — —. - -Ich habe _gewartet_, _gewartet_, oh, _gewartet_ —. - -Die Tage werden dahinschleichen —. - -Und _umsonst_ wehen meine aschblonden seidenen Haare um mein bleiches -Antlitz — — —.« - - -Über die Grenzen des All blicktest du sinnend hinaus; - -Hattest nie Sorge um Hof und Haus! - -_Leben_ und _Traum vom Leben_ — — — — plötzlich ist alles aus — — —. - -Über die Grenzen des All blickst du noch sinnend hinaus — — —! - - -Nach Jahren kommt eine _unaussprechliche Dankbarkeit_ in uns für die -Frau, die wir »unglücklich liebten« — — —. Aus _Bürgern des strengen -Tages_ machte sie uns nämlich zu _weltentrückten Poeten_, _erschloß_ uns -unseres eigenen Herzens Tiefen, _erhöhte_ uns zu »inneren tragischen -Helden«! _Unsere Tränen_ gab sie uns, bannte das _leere Lächeln_! Sie -sei also bedankt und gepriesen! - - - _Schneesturm_ - -Seele, wie bist du schöner, tiefer, nach _Schneestürmen_ — — —. - -Auch du hast sie, gleich der Natur — — —. - -Und über beiden liegt noch ein _trüber Hauch_, wenn das Gewölk sich -schon _verzog_! - - - Bloß ein Feld voll Zwiebeln — — —. - Stillt es die _Not_ dessen, der es bebaut, - Stimmt es _andächtig_ den, der es nur _als Künstler beschaut_! - -Gräber von berühmten Toten sollen uns streng ermahnen, den Tag und die -Stunde wertvoll zu gestalten, da wir _noch_ sind — — —! - - -Helle Wolken und schwarze Bäume! - -Für Kinder zum Schrecken, Gespenster! - -Für Dichter zum Weinen! - -Und der gewöhnliche Mensch geht dran gelassen vorüber, sagt: »Das wäre -etwas für Kinder zum Schrecken, und für Dichter zum Weinen!« - - _Wald im Winter_ - -Ein kleines Mäderl sagte: »Onkel, aber, nicht wahr, hinten ist die böse -Hexe, die die Kinder stiehlt?!« — Ich sagte: »Natürlich«; und bat den -_friedevollen_ Wald um Entschuldigung — — —. Gewisse Menschen _wollen_ -eben keinen Frieden — — —. Sie suchen selbst im Walde die böse Hexe, die -die Kinder stiehlt — — —. Sonst hat er für sie gar keinen Reiz! - - _Weg im Winter_ - -Geliebter verträumter verschneiter Weg! Ging ich hier mit Anita?!? Oder -träumte ich nur, daß ich hier mit ihr gehen möchte?! Fußspuren im -Schnee, ihr paßt nicht zu Anitas geliebten Schuhen —. - - -Hie und da rauschen Schneeklumpen zur Erde. Wie wenn der Frühling es -versuchte, den Winter bereits abzuschütteln! - -»Das Betreten der Kulturen ist strengstens untersagt« — — —; man wird es -dennoch ewig tun! Betreten, zertreten! — - - -Zaun, wie machst du die Landschaft melancholisch! Im Grenzenlosen etwas -Abgegrenztes! - - -Hier ist Friede — — —. Hier weine ich mich aus über alles. Hier löst -sich mein unermeßliches unfaßbares Leid, das meine Seele verbrennt. -Siehe, hier sind keine Menschen, keine Ansiedlungen. Hier tropft Schnee -leise in Wasserlachen — — —. - -Hier suchte sie die ersten Blüten, und fand nichts. Und ich sagte zu -ihr: »Diese gelbgrünen feuchten Rasenflecke, die der zerrinnende Schnee -bloßlegt, sind schöner als Blumen — — —.« Da sah sie hin und _erkannte_! - -Hier bleibe stehen mit deiner geliebtesten Freundin, und _belausche_ ihr -Antlitz — — —! Fühlt sie _dasselbe_ wie du, dann kannst du _beruhigt_ -mit ihr weiterschreiten, in _die Gelände des Lebens_! - -Ich suchte eine Frau, die den Schnee _wirklich_ liebte; und ich fand -keine! Sie _benützten_ nur den Schnee, für ihre Sheerns! — - - -Junge Ochsen auf der Weide. Einst im Sonnenbrande, ziehend am allzu -schweren Gespanne, könnt ihr euch nicht mehr der kühlen Weide erinnern. -Aber in eurem _traurig-dummen_ Auge spiegelt sich alles, und kein Gram -geht verloren in der gramvollen Welt — — —. - - -Margeritten im hohen Grase. Alles blüht und atmet Frieden! Auf dem Boden -leben aber und sterben lautlos hunderttausend Insekten. Nur der Mensch -erhebt seine Stimme und beklagt sein Schicksal. Kann er es ändern?! Ja. -Er kann wenigstens weinen und schreien. Und falls er es nicht kann, tun -es _für ihn_ liebevoll die _Dichter_! - - -Manche Frauen würden nicht elende »Treuebrecherinnen«, »Ehebrecherinnen« -werden, wenn sie stets imstande wären, an den Schätzen der friedevollen -mysteriösen Natur ihre zerfahrenen Seelen wieder und immer wieder -aufzurichten! - - -Natur und Frau sollten in _gleicher Weise_ wirken, uns zu adeligen, -_all_-verstehenden, sanftmütigen _Weltgeschöpfen_ zu transformieren! -Einer Frau diese _geniale Aufgabe_ als _süße Pflicht_ beibringen, heißt: -sie glücklich machen! - - -Sahst du nach dem Gewitterregen den Wald?!? - -Alles rastet, blinkt und ist schöner als zuvor — —. - -Siehe, Fraue, auch du _brauchst Gewitterregen_! - - _Portrait d’une jeune femme_ - -»Je suis venue pour _donner_ — — — prenez, prenez, _prenez_!!« - - _Cléo de Mérode_ - -Unzerstörbares Antlitz; Zeit und Erlebnis versuchen es vergebens, in -deinem edlen Erz sich einzugraben — — —! - - _Prinzessin Ruprecht von Bayern_ - -»Und dein Antlitz ist die ›Materie gewordene‹ Seele selbst!!« - - _Kronprinzessin_ - -Geboren, einem Kaiser Kinder zu gebären und zu Fürstlichkeiten zu -erziehen im Leben! Aber der Dichter erschaut in dir dennoch nur die -einfache Vollkommenheit ohne Zweck und Ziel! - - _Kronprinzessin Maria von Rumänien Glockenblumen_ - -Umringt bist du von deinen Lieblingsblumen, hehre Fraue! Aber du blickst -und stehst nicht in Frühlingsfroheit, sondern ermüdet und enttäuscht. -Vier allerherrlichsten Kindern gabst du das Leben, _deine eigenen -Kräfte_, behieltest dennoch deine _heilige Mädchengestalt_ bei! Das -Altern hat dich _nicht_ verändern können; deshalb blickst du _erstaunt_ -und _wehmütig_!!! Du gabst und gabst und kannst noch immer geben und um -Dich herum altert die alltägliche Welt — — —! - - _Kaiserin Elisabeth von Österreich, Königin von Ungarn_ - -Wohin, träumerische Fraue, wandertest du, rastlos?!? - - — »Weg _von der Lüge_!« - - _Kaiserin Elisabeth_ - -Gott erschuf dich in Seiner tiefsten _künstlerischen Liebe_: zuerst, in -der Jugend, wie man sich auszudrücken pflegt, ein _wildes Füllen_ in -Berg und Tal, mit wirren Locken; und späterhin alle Leiden tragend von -enttäuschten Dichtern; das _innere ewige Klagen_, und das Erschauen, daß -Gottes Reich noch nicht gekommen sei für _Seinesgleichen_. - - _Kaiserin-Elisabeth-Denkmal_ - -Ich hätte dich umringt mit dunklen Legföhren, Rhododendronbüschen, -Edelweiß, Speik, und allen Blüten der Bergalmen! - -Ich hätte die Tiere der freien Berglüfte in silbernen Käfigen um dich -herum gestellt — — —. Bergdohle und Murmeltier. - -Aber man stellte dich in einen Garten, gepflegt und gehegt, und _wider -die freie heilige Natur!!!_ - - _Manöver: Feld-Telephon und Fernrohr_ - -»Fern von der Schlacht, und dennoch mitten drinnen! So wie die Dichter!« - - _Mein Lebensleitmotiv:_ - -»Nie über einen Graben springen, eine Hürde, wenn man _nicht_ ganz -_gesichert_ ist, hinüberzugelangen mit _leichter_ Anmut!« - - - - - HEILMITTEL - - -Ich habe in einer Blumenhandlung in einer Kristallglaswanne zwei goldene -japanische Zwergfische gesehen, mit riesigen durchsichtigen Flossen und -dunklen hervortretenden Augen, mit der Anmut von modernen Tänzerinnen -sich bewegend, und dabei doch reserviert gelassen ihrem Wärter, Pfleger -an die Glaswand zuschwimmend. Ich begreife es absolut nicht, wieso -reiche Damen sich diesen Schatz der Natur entgehen lassen können und -sich nicht eine kleine Herde dieser allerentzückendsten Tiere -anschaffen. Einer kostet allerdings 16 Kronen. Der Boden muß aus kleinen -Kieseln bestehen, die jeden zweiten Tag herausgenommen und in warmem -Wasser gereinigt werden müssen. Die Nahrung ist ausschließlich das -Pulver »Piscidin«, das auf die Wasseroberfläche hingestreut wird. Man -kann stundenlang vor dieser goldenen Anmutpracht verweilen. Die Tiere -lernen uns baldigst kennen und lieben. Viele Frauen würden dadurch vor -ihren bösen Gedanken, bösen Instinkten, und vor allem vor ihrer -gefährlichen inneren Leere und vor Gelangweiltsein gerettet werden -können. Gehet hin, Damen, und kaufet daher japanische Goldfische! - - - - - DER NEBENMENSCH - - -Neunzig Prozent unsrer Lebensenergien raubt uns die Ungezogenheit, die -Taktlosigkeit unseres Nebenmenschen. Jedes falsch angebrachte Wort -zerstört unser zart empfindliches Nervensystem. Nicht Distanzhalten von -der Welt des andern, die man ja doch nicht begreifen kann, mordet die -Nerven. Die unverständliche Welt des andern nicht achtungsvoll und scheu -behandeln, ist eine bodenlose Feigheit. Es ist, wie wenn man jemandem, -der unsäglich an Migräne litte, sagte, er bilde sich diese Leiden nur -ein! Gläubig sein, ist aristokratisch; bezweifeln, ironisieren, ist -plebejisch! Durch Gläubigkeit erweitert man seinen Horizont um den des -andern, durch Skeptizismus bleibt man ewig in seine eigenen engen -Grenzen eingebannt. - -Niemandem wehe tun, falls es nicht unbedingt notwendig wäre, ist die -natürliche Wirkung geistiger Kultur. Jedermann werde erfrischt, ja -erlöst durch deine Gesellschaft, ja, er suche sie auf, wie das bedrückte -Menschenkind den Beichtstuhl. — — — - -Aber unsre Nebenmenschen sind noch Satan, Jago, Mephistopheles, Franz -Moor; selbst zu ewiger innerer Unruhe verdammt, drängt es sie, auch in -uns nur böse Unruhe zu erzeugen, damit wir ja nicht besser, nicht -vornehmer werden als sie selbst es sein können. Sie gönnen uns nicht -höhere innere Entwicklungen, wollen uns _absichtlich degradieren auf ihr -eigenes erreichbares Niveau_! Nur der Dichter erlebt träumend künftige -Entwicklungen gläubigen Herzens, und die, die sich ihm anschließen, -tragen jedenfalls diese idealen Möglichkeiten kommender besserer Welten -schweigend-demütig bereits in ihrem Herzen! Der Nebenmensch ist ein -Gegenmensch. Er will nicht helfen, sondern schädigen. Wäre er selbst ein -Zufriedener, wünschte er nur Zufriedenheit zu verbreiten; als -Unzufriedener wünscht er uns ebenfalls nur Friedlosigkeit! - - - - - SCHUTZ - - -Unter Yellowstone-Park versteht man bei uns bereits irgendeine wertvolle -urwaldartige, mit allen ihren geheimnisvollen Schätzen an Pflanzen, -Tieren, Steinen und Quellen erfüllte Gegend, die unter den Schutz des -Staates gestellt wird, gegen die zerstörende unnachsichtige Barbarei der -Menschheit. Eine Art von idealer Menagerie der Natur selbst! Solch einen -Yellowstone-Park wird man nun in der Schweiz im Scarltal und seinen -Nebentälern errichten, um die kostbaren Alpenpflanzen, um Bär, Luchs, -Wildkatze zu erhalten. Und alles, was da blüht, kreucht und fleucht. -Solche Yellowstone-Parke sollte man nun auch endlich für -Menschenerhaltung errichten, für exzeptionell herrliche Frauen, für -exzeptionell herrliche Männergehirne, die sonst verloren gingen in den -zahlreichen Gefahren! Oasen für Denker und Träumer, in der Wüste des -Lebens, die versengt, und verdorren macht. Oasen für wunderbar schöne -Frauen, zu denen man pilgern dürfte, ihre schmalen schneeweißen langen -Finger an die Lippen zu drücken und daran zu genesen, mehr als an -Guber-Quelle, Virchow-Quelle, Hofbrunnen und Königsbrunnen, mehr als an -den Mysterien Gasteins, Kissingens, Franzensbads, Karlsbads. -Männergehirne, die man für die Menschheit schützen müßte vor dem -Zugrundegehen, Frauenkörper, Frauenseelen, die man für die Menschheit -schützen müßte vor dem Vernichtetwerden in zügellosen Orgien und -Egoismen, in Treibjagden auf Seele und Leib! Yellowstone-Parke müßten -geschaffen werden, Reviere, in denen wertvolle Gehirne, wertvolle -Seelen, wertvolle Leiber, geschützt vor feigen Verfolgungen, die Ideale -der Natur repräsentieren könnten für die verkommende Milliarde der -Unzulänglichen! - -Ein Mädchen zum Beispiel, zu dem man spräche: Pflege die Pracht deiner -zarten, gebrechlichen, adeligen Glieder, deinen Milchteint und deine -Beweglichkeiten! Du sollst in einem Tempelchen hausen und keinerlei -Sorge haben! Auf daß die andern hinpilgerten und, schamvoll in sich -gekehrt, es versuchten, dir nachzugeraten ein wenig! - -Aber bisher schützt man nur Edelexemplare unter den Pflanzen und Tieren, -ja sogar heiße Springquellen mit Marmorbecken. Aber Menschen, Menschen -schützt man noch nicht — — —. - - - - - BRANGÄNE - - -Ich kenne eine Sache im Leben, die mich am tiefsten ergreift von allen, -die ich erlebt habe. Es ist in der Stille des nächtlichen Liebesgartens -der Gesang der edlen Wächterin Brangäne. Es ist die tönend gewordene -Selbstlosigkeit, inmitten der nächtlichen Liebesgefahren. Es ist die -Warnung an die Allzuirdischen, die in der Melodie des Herzens zugleich -eigentlich von selbst ertönt; es ist die Klage der tiefsten, echtesten -Freundschaft, hineingesungen in den dunklen Garten. In jedem Menschen -sind solche Gefühle aufgespeichert, besonders in den alten Kinderfrauen, -die man entläßt von ihren Lieblingen, wenn man sie nicht mehr braucht. -Aber sie weinen sich im stillen aus, alle diese Herzvollen, während bei -Brangäne das Leid und die edle Sorge um einen geliebten Menschen -helltönend wird, und in die dunkle, harte, grausame Welt hinaus stöhnt! -Auch unsre alte Bedienerin Luise sang uns ein unvergeßliches Lied, als -sie beim Abschiede mir und meinem Bruder schrieb: »Die sieben Jahre in -Ihren Diensten, meine Herren, waren das Glück und der Segen meines -ganzen Lebens — — —.« Alle diese versteckten, edel-tragischen Dinge der -dienenden Menschenherzen ertönen in Brangänens Gesang. Alle in der -Menschheit bisher leider vergeblich aufgestapelten Selbstlosigkeiten und -Ergebenheiten werden da zu singender Klage; aber die Menschen der -leidenschaftlich irrigen Stunden vernehmen nichts davon als ihre -eigenen, zum Abgrund führenden Sündhaftigkeiten, deren Brausen alles -übertönt — — —. - - - - - DER AFFE PETER - - -Der große Affe Peter ist wirklich ein Wunder der Natur. Denn ich -bemerkte sogleich zu meinen Freunden in meiner Loge, daß dieser Affe -unmöglich zum Radfahren abgerichtet sein könne, sondern daß es eine -Naturanlage sein müsse, und es dem Tiere ein leidenschaftliches -Vergnügen bereite, wie einem Kind eine geliebte Spielerei, Hutschpferd -oder Schaukel. Direktor Brill bestätigte mir auch diese meine Ansicht. -Die Freudigkeit und Geschicklichkeit des Tieres, ein junges -wunderliebes Mädchen mit dem Fahrrad zu verfolgen, erregt im Publikum -Enthusiasmus. Man wird jedenfalls viele brave Kinder hinführen müssen. -Dieser Affe könnte unbedingt die allerschwierigsten Radfahrtricks -spielend erlernen. Nur sollte von seiten des vorführenden Herrn eine -menschlich-freundschaftlichere Beziehung vorhanden sein, wie sie -bisher stets zwischen den Besitzern berühmter Schimpansen, Orangs -stattgefunden hat, ja direkt rührend zärtliche Anhänglichkeiten, wie -zu edlen Pferden, edlen Hunden. Man braucht natürlich nicht die -verlogene Komödie einer exaltierten Freundschaft zu dem Tiere dem -Publikum vorzumachen, aber man muß Zuneigung spüren beiderseits. Ein -berühmter Affendresseur machte sich seinerzeit durch seine harte -Nervosität, den Tieren gegenüber, fast unbeliebt, trotz der -wunderbaren Kunststücke. Nicht was er dem Tiere einlernt, sondern was -er sonst noch übrig hat an Liebe und Verständnis, das macht einem den -Tierdresseur sympathisch. Wie war die Beziehung des aristokratischen -Severus Schäffer zu seinen Hunden! Wie ein jagender Landedelmann mit -seiner Lieblingsmeute! Alle Dresseure müssen etwas von einem -dilettierenden Aristokraten an sich haben. So ritt Direktor Schumann -seine Pferde, nonchalant-vornehm-liebenswürdig. Ich glaube, daß er -seine Pferde nie schlagen konnte. Oder wenigstens sah er danach aus. -Mit einem der Menschenaffen wie Peter aber muß ein tiefes -freundschaftliches echtes Verhältnis entstehen. Er speist nach der -Vorstellung im Restaurant wie ein wohlerzogener Mensch. Er gab mir die -Hand, wollte sie sogar zart an seine Lippen drücken. Bei solchen -Tieren spürt man es, daß man sie nur mit äußerster Zärtlichkeit und -selten angewandter gerechter Strenge zu ihren eigenen erreichbaren -Höhen bringen könne. Die wunderbare Schimpansin Maja im Tiergarten, -1896, haßte jede Dame, die in meiner Gesellschaft oder gar in mich -eingehängt ihr Zimmerchen betrat, und drängte sie weg, umarmte mich -absichtlich stürmisch und liebevoll. Ich glaube, es war das einzige -weibliche Wesen, das an mir ernstlich Gefallen fand. Für edle Tiere -gehört vielleicht ein Philosoph mit einem tiefen Herzen! Frauen geben -es billiger und machen sich nichts daraus. Und Die, die sich wirklich -etwas daraus machen, sind eben ganz so wie edle gutmütige Tiere, siehe -A. R. - - - - - UNGEZIEFER - - -Alle hatten sie gern, sie amüsierte, und war anders wie die meisten. -Daher nützte man sie aus. - -Von Tag zu Tag sah sie schlechter aus, wie eine Besiegte in der Schlacht -des Lebens, die sich verwundet wegschleicht, hinter einem Busche zu -krepieren — — —. - -Da sagte der Dichter: »Nun, können Sie es mir nicht klagen?!« - -»Ich wohne, bitte, in einem Zimmer, wo Wanzen sind. Man erträgt alles -tagsüber von den Menschen, und nachts benehmen sich die Wanzen ebenso -schamlos-feig und stören uns — — —. Da bricht man halt zusammen.« - -Der Dichter machte eine Kollekte, steuerte aber selbst vorsichtig ein -Paket Insektenpulver bei. - -Er sagte: »Für _diese_ Tiere gibt es Mittel; aber für die -_Menschenwanzen_ gibt es keine. Ihre Nachtruhe ist nunmehr gesichert, -Fräulein; aber _Tagesruhe_ gibt es nicht. Da sind die _Menschenwanzen_ -unausrottbar an der Arbeit!« - - - - - MUTTER UND TOCHTER - - -Ich sah eine Mutter tief verzweifelt, daß ihr geliebtes Töchterchen -keine »gute Partie« machen wollte — — —. - -Sie zankte mit ihr, aber in ihrem Innersten hatte sie dennoch Rührung -und Anerkennung. - -Sie sagte zu ihr: »Das Leben ist nun einmal so, ich habe es auch einst -auf mich nehmen müssen, meine Liebe, — — —.« - -Die Tochter blickte die Mutter schief und bitterböse an. - -Dann heiratete sie aber doch endlich einen reichen Mann, der sie -betreute und beschützte. - -Da sagte sie zu der Mutter: »Ich hatte einst falsche Vorstellungen, -Ideale. Ich bin nun ganz glücklich und zufrieden — — —.« - -Da blickte die Mutter ihre Tochter schief und bitterböse an — — —. - - - - - DER DICHTER - - -Du sagst mir, ich hätte so viele ewige Quellen der Begeisterung. -Überall, auf allen Wegen blühe es doch auf, für mich Gesalbten — — —!?! - -Und gerade du sagst mir das kalt, die mir eben alle diese Wege -verstellt, verrammelt hat?!? - -Gerade du, die sich fast heimtückisch an Stelle setzte aller -Weltenprächte?! Durch deine eigene Pracht?!? - -Du schlossest mir, Geliebteste, die Pforten; und nun verlangst du, ich -solle wieder hingehn in das weite Land, woraus dein Zauber mich gerade -verstoßen und vertrieben hat?!? Die Welt besingen, die für mich -gestorben ist durch dich?! Auf _deiner_ edlen Stirne prangt nun die -Weltenpracht, - -von _deiner_ Stimme tönen die Weltenmelodien, - -_du_ selbst vertriebst mich aus dem Paradies der Weltenschönheit durch -deine _eigene_! - -Um mich nun aufzufordern, dahin zurückzukehren, woher ich stammte, -fingst du mich also schnöde ein, jetzt, da ich Pfad und Mut und Kraft -verloren hab’ zum Wandern — — —!? Teufeline! - -So nehm’ ich Abschied denn von dem und jenem Wege, - -da du die Flügel mir beschnitten hast zu dem und jenem Pfad — — —. - -Leb’ wohl, geliebte Frau, - -du botest mir statt Weltenpracht die eigene — — — - -ich zürn’ dir nicht, daß du mich nun entläßt in eine Welt, die erst -durch dich, und nur durch dich, mir leer geworden ist — — —! - - - - - HYSTERIE - - -Sie stand hoch über allen anderen Frauen, die »_wie in düsteren Nebeln_ -dahintorkeln, _schicksalstrunken_ und irre!« Sie aber, die -Neunzehnjährige, ging dahin bereits im Lichte der Wahrhaftigkeiten und -hatte es gelernt, an ihren _bittersten Tränen_ mehr zu lernen, als an -den _flachen Freudigkeiten_! Ihr Arzt hatte ihr die »Eitelkeit« -_exstirpiert_, diesen »Krebs der Frauenseele«, der alles, alles Bessere -ihr _wegfrißt_. Bescheidenheit ist Göttlichkeit. Er hatte sie gelehrt, -ein getreuer edler Hund zu sein! Sie hätte bei einer berühmten -englischen »Schau«, um den berühmten »cup«, unbedingt den ersten Preis -erhalten für »getreueste Hundeseele«! Sie konnte blicken wie ein -»Leonberger«, abstammend vom ersten »Bary«, so ganz tieftraurig. Ihre -Intelligenz war licht, tief und einfach. Sie war weder häßlich noch -hübsch, aber manchesmal sah sie verklärt aus, entrückt, und ein Dichter -würde in solchen Momenten über ihren rotgoldenen Haaren einen -Heiligenschein erblickt haben! Jedenfalls fehlte wenig dazu. - -Aber die Damen der Gesellschaft sagten über sie: »Schade um das junge -Geschöpf, sie hat gute Anlagen, aber sie gehört in eine ›feste Hand‹, -sie stellt sich das Leben noch anders vor, als es ist; wir leben nicht -in ›Wolkenkuckucksheim‹, sondern, bitte, auf der Erde!« - -Über ihrem Bette, an einer wunderbaren japanischen Matte hingen in -schweren Mahagonirahmen die Photographien von Beethoven, Wagner, -Maeterlinck, Bismarck, diesem Deutschland gründenden _Realidealisten_. -Da blickte sie denn oft vor dem Einschlafen hinauf zu ihren Helden und -dankte ihnen herzinnigst für alles, was sie ihr mitgegeben hatten in die -strengen Tage des Lebens. Und daß sie gekämpft und gelitten hatten -eigentlich für sie! - -Eines Tages erhielt sie Besuch von einer Dame. »Sind das Ihre Götter?!?« -sagte die Dame. - -»Es sind meine Erzieher! Ich befinde mich hier in ›fester Hand‹, man -läßt mir nichts durchpassieren, was nicht menschlich ist!« - -Die Dame dachte beim Weggehen: »Es ist schade um das junge Geschöpf, ich -wollte für meinen geliebten Sohn um ihre Hand anhalten, aber es gäbe -unter solchen Umständen nur ein Unglück — — —.« - -So blieb sie denn allein! Allein?!? Mit allen Getreuen, den Denkern und -Idealisten, lebte sie in »_Gemeinschaft_«, und niemals, niemals während -ihres ganzen _wahrheitsvollen_ Lebens beneidete sie die, die doch nur -angeblich »glücklich und zufrieden« waren — — —. - - - - - WEIHNACHTEN - - -Er versenkte sich ganz in ihr Wunschleben, in diese Träumereien von -unerfüllten kleinen Realitäten. Nie äußert man es, außer durch ein -unaufhaltsames Verweilen vor Schaufenstern oder in Geschäftsläden, durch -einen fast hysterisch-melancholischen Blick auf den geliebten -Gegenstand, oder durch die schüchterne beklommene Frage, was er koste?! -So erstand er denn für sie eine japanische Bettwandmatte, strohgelbes -Geflecht mit braunen und rostroten eingewebten Flecken. Ferner einen -bosnischen handgewebten Blusenstoff, kornblumenblau mit malachitgrünen -Fäden. Ferner einen großen französischen Parfümzerstäuber aus Nickel, -für Menthol-Franzbranntwein; ein kaltes Bad, ohne zu baden, wenn man den -ganzen Leib damit anstäubt! Ferner eine Zigarettenschachtel aus -sibirischer Birke, viereckiges Format, für fünfundzwanzig Zigaretten -Inhalt. Ferner eine Schachtel Schreibfedern und zehn riesig dicke -chinesische Rohrfederstiele dazu, federleichte. Und viele andere -erfüllbare Träume ihres Daseins. Er schuf einen Einklang seiner eigenen -Welt und der ihren. Er schenkte ihr nur das, was in gleicher Weise sie -erfreute, es zu bekommen, ihn erfreute, es zu geben! Es war also ein -Akkord verdoppelten Genießens! Und dann schrieb er: »In Deinem Namen -zwanzig Kronen gespendet der Kinderschutz- und Rettungsgesellschaft für -die mißhandelte zwölfjährige Maria B.« Da fühlte sie: »Siehe, wir haben -einen vollständigen Familienweihnachtsabend —.« - - - - - DER TAG DES REICHTUMS - - -Ich wollte einmal einen halben Tag lang das Leben eines Reichen erleben. -Ich ließ mich von einer reizenden Frau und ihrem Gatten in ihrem -Mercédès vom Hause aus abholen. Ich fuhr zu meinem Raseur, -Teinfaltstraße, mich verjüngen zu lassen, besonders mit der -Menthol-Franzbranntwein-Spritze auf den Kopf. Ein Ersatz für jedes kalte -Bad! Dann fuhren wir nach Baden. Dort badeten wir in den -Kurhauswannenbädern, vierundzwanzig Grad Celsius. Dann ließen wir uns -kühle Hotelzimmer aufsperren und schliefen eine halbe Stunde lang. Dann -aßen wir Solospargel, Hirn en fricassé. Dann fuhren wir weiter, nach -Heiligenkreuz. In kühler Halle tranken wir duftenden Tee mit Zitrone. -Abends zurück, in eiliger Fahrt. - -Die Wiesen dufteten, und die Wälder standen schwarz und -unbeweglich-melancholisch unter dem Abendhimmel, der leise leuchtete. - -In Wien verabschiedete ich mich. - -Im Café Ritz fand ich jene junge Dame, die schon lange meine Augen -beglückte. Braunes Haar, blauer Strohhut, Stumpfnase. Ich wollte den Tag -feierlich beschließen. Ich sandte ihr drei wunderbare ganz dunkle Rosen -und einen Eierpunsch, dieses Lieblingsgetränk der meisten solchen Damen. -Sie nahm es huldvollst an, ausnahmsweise. - -Sie kam an meinen Tisch und sagte: - -»Macht es Ihnen wirklich eine so große Freude, mir Aufmerksamkeiten zu -erweisen?!?« - -»Ja, gewiß, sonst täte ich es ja nicht!« - -»Also, dann brauche ich ja nicht dankbar dafür zu sein — — —!?« - -»Nein, keineswegs. Sondern ich Ihnen!« - -Das war der Tag des Reichtums — — —. - - - - - SO SOLLTE ES IMMER SEIN - - -Ein Herr trat auf mich zu im Café und sagte: »Ich bin ein fanatischer -Verehrer von Ihnen.« - -»Bitte sehr«, sagte ich. »Da werden Sie vielleicht gern einen edlen -Champagner zahlen?!?« - -»Mit allergrößter Freude.« - -Wir tranken drei Flaschen G. und H. Mumm, extra dry, süß. - -Es wurde sieben Uhr morgens. Ich ging ins Zentralbad, 27 Grad, -Porzellanwanne. In der Kassa saß eine junge Dame mit edelzarten Händen. -Ich sagte ihr mit meinen Augen: »Süßeste Kassierin —« Und: »Man sollte -dich miterstehen dürfen — — —.« - -Dann frühstückte ich in einer Charcüterie: kalten geräucherten Stör aus -der Wolga, das Deka 12 Heller. Crevettes aus Ostende. Grüne große Oliven -aus Spanien, zehn Stück 60 Heller. Prager Schinken, das Deka 6 Heller, -90 Heller. Zwei Bananen, goldgelb-schwarz gefleckt, aus Afrika, das -Stück 30 Heller, 60 Heller. - -Dann kaufte ich mir eine blaue phototypierte Ansichtskarte: »Weg, am See -entlang.« In einer Winterlandschaft. - -Ich dachte sie mir eingerahmt in einem fünf Zentimeter breiten -Eschenholzrahmen. - -Ich kam infolge dieser Träumereien um halb zehn Uhr morgens nach -Hause. Da sagte das junge Hausmeistermädchen, die mich zum Aufzuge -führte, zu mir: »Herr Altenberg haben gewiß wieder heute nacht -umgeschmissen — — —.« - -»Jawohl,« sagte ich, »die Weltordnung der Philister!« - -Sie dachte: »Nun, er hat 40 Heller bezahlt für den Aufzug, obzwar es im -Zins bereits schon miteingerechnet ist — — —.« - - - - - INSCHRIFT - auf der Photographie eines Mädchens - aus gutem Bürgerhause: - - -Adelige schmale Hände hast du, adelige Füße und Zehen, müde edle Anmut -ist in deinem Gehen und Sitzen und Kauern, und deines biegsamen Leibes -eidechsenschlanke Linien sind wunderbar, Yolanthe Maria! - -Aber zum Zu-Grunde-gehen, zum langsamen, armseligen, bist du bestimmt! -Zum Verfaulen bei lebendigem Leibe! - -Denn _sicher_ willst du gehen, _Unsichere_! - -_Auf geebnetem Pfade willst_ du _Gipfel erklimmen_?!? - -_Schamlose, Feige!_ Willst du Lord Byrons edlen Feueratem spüren, _mußt -du bereit sein, eventuell dich zu versengen_! - -Willst du _finden_ können, so mußt du _suchen_ können, gleiten und -_stürzen_ können! - -Auf geebnetem Pfade kommt nur Herr Kohn daher, reicht dir die Hand, daß -du nicht »_fallest_«! - - - - - TOPE - - -Ich dichte hie und da auch Toiletten. Immer nur für eine einzige Dame. -Sie ist natürlich lang und ganz schlank, wie ein Marathonsieger, hat -eine Stumpfnase, Gott sei Dank großen Mund und starke Lippen, hechtgraue -Augen, rotbraune Haare und anliegende papierdünne, edelgemuschelte -Ohren. Hände und Füße sind lang-schmal. Sie sieht aus wie eine junge -slowakische Bäuerin, an der der adelige Gutsherr mitgearbeitet hat. - -Ich entwarf die Toilette Tope (Der Maulwurf): Ein seidendünner -maulwurfgrauer Samt (Pan), die Bluse ohne Naht, nur wie ein -zusammengelegtes Tuch, aber lang. Ein Gürtel, riesig breit, aus -dunkelgrauen und weißen Glasperlen, riesige Schließe aus oxydiertem -grauen Silber. Riesige kugelige graue Perlmutterknöpfe. Der Rock -vollkommen bis hinab zum Zuknöpfen, mit denselben Riesenknöpfen. Grauer -Sombrero mit grauem breiten Lederband und weißer, an der rechten Seite -herabwallender Straußfeder. Grauer Seidenschirm mit grauem dicken -Perlmuttergriff. Grauseidene Strümpfe, graue Antilopenhandschuhe, graue -Schuhe aus mattem dünnem Leder. - -Ich sagte zu der Dame: »Machen wir zusammen ein Gedicht —.« - -»?!?« - -»Ich komponiere eine Toilette, und Sie tragen sie. Das ist das schönste -Gedicht!« - - - - - BEKANNTSCHAFT - - -Er sah sie zum erstenmal. Sie sah aus wie eine riesig hohe, schlanke, -aschblonde russische Studentin, nur sehr müde von ungekämpften Kämpfen. -Ein Königgrätz ohne Schlachtendonner. Tief verwundet ohne Bleigeschoß. -Das Sein an und für sich besiegte sie. Das bloße Sein des Tages und der -Stunde. Was sich jeweilig ergab, ereignete, verletzte, kränkte sie. -Sahst du Fische aus dem Gebirgswasser in Wasserbottichen?! In ihrem -starren Gesichtsausdruck, wie eh und je, sucht man ihr Leiden zu -erspähen, und findet nichts und findet dennoch alles! Er sagte: »Gehen -Sie nicht in wohlgepflegte Gärten, gehen Sie in offene Felder, wo -niemand etwas Besonderes findet; fern dem Getriebe. Gehen Sie spazieren, -wo niemand spazieren geht, so zwischen brauner Erd’ und blauem Himmel!« - -Und sie sagte: »Man verwehrt es mir!« - -»Kaufen Sie sich einen getreuen schwarzen Pudel, dem Sie manches Opfer -bringen können an Zeit und Güte — — —.« - -»Man verwehrt es mir — — —.« - -Er schwieg. - -Und sie: »Weshalb raten Sie mir nicht, ich solle mich an einen Menschen -klammern, anklammern?!« - -»An einen Menschen! Ja. Aber ich kenne keinen! Die Tiefe der Natur, die -Treue des Pudels, die kenne ich! Aber einen Menschen für Sie, den kenn’ -ich nicht — — —.« - -Und später sagte sie: »Sie haben sich geirrt! Denn ich fand einen, der -mich einsam meine Wege wandern ließ, zwischen brauner Erd’ und blauem -Himmel, und der mir einen schwarzen Pudel kaufte und getreulich stets -beiseite stand — — —.« - -Er blickte sie tief freundschaftlich an — — —. - -Da sagte sie: »Vielleicht verdanke ich es Ihnen, daß ich mir einen -suchte, der so war — — —!?« - -Dann neigte sie sich tief zu seiner Hand und küßte sie — — —. - -Und dann kam der edle Jüngling, den sie erwählt hatte, und küßte sie auf -ihre melancholische Stirn —. - -Und er sagte zu dem Dichter: - -»Ich folgte nur Ihrem Rate, Ihrer Weisung, danke — — —. Es hat mir eine -Seele gewonnen!« - -Da wandte sich der Dichter entrüstet und tief verzweifelt ab. - -Denn _von Gott_ müssen solche Erkenntnisse _direkt_ in unsere Herzen -kommen, da die Wirkung sonst nicht _von Dauer_ ist und unheilig — — —! - - - - - EIFERSUCHT - - -Sie war sehr, sehr krank. — Der Arzt verordnete einen halben Liter heiße -Zitronenlimonade, ein wollenes Tuch um den Kopf und stundenlang -schwitzen. - -Sie war aber arm, und die Quartiersfrau, bei der sie wohnte, konnte ihr -nur eine dünne Bettdecke geben. Da sandte ihr der Dichter seine grünrote -Flanelldecke, die er selbst benötigte, und sein Freund, der Baron, -sandte eine Pelzdecke aus selbstgeschossenen Wildkatzenfellen, die er -gar nicht gebrauchte. - -Als nun der Dichter sie besuchte, fand er die Pelzdecke direkt auf ihrem -heißen, glühenden Leibe liegen, die Flanelldecke dagegen zuoberst. Er -sagte es ihr sogleich ziemlich brutal, daß er dieses für einen -»Treubruch« halte, wenn auch in den ersten Anfangsstadien. - -Sie erwiderte: »Ich wollte deine Decke streicheln können, immer und -immer mit meinen zärtlichen Fingern. Deshalb gab ich sie zuoberst.« »Du -Falsche! — — —« sagte der Dichter und ging zürnend weg. - -Später kam der Arzt und sagte: »Ich würde Ihnen vorschlagen, Fräulein, -die schwere Pelzdecke zuunterst zu legen, und die leichtere Flanelldecke -oben darauf; es ist zweckmäßiger!« - -»Nein,« sagte sie, »das tue ich nicht.« Als sie endlich gesund war, -sagte der Arzt von ihr: »Die Hysterie solcher Patientinnen erschwert den -Heilungsprozeß ganz besonders. Selbst in nichtigen Kleinigkeiten müssen -sie ihren lächerlichen eigensinnigen Willen durchsetzen. —« - - - - - GOETHE - - -Ein ungeheuer wichtiger und daher ganz unbekannter Ausspruch Goethes: - - »Man könnte erzogene Kinder gebären, - Wenn die Eltern erzogen wären!« - -Dieser Satz allein ersetzt in der Entwicklungslehre ganze Bände und -Studien. Deshalb erwünschen sich auch die meisten ungezogenen, -eigenwilligen, herzlosen, dumm lebenslustigen Frauen unbewußt keine -Kinder. Sie haben wenigstens davor Achtung, diesen unglückseligen -Nachkommen nicht ihre eigenen Ungezogenheiten und Lebenshärten -mitvererben zu wollen auf dem schon ohnedies genug schweren -Lebenswege —. - - - - - DIE PFLEGESCHWESTER ROSA SCHWEDA - - -Ich habe viel erlebt und erlitten, natürlich, in meinem -Pflegerinnenberufe. Aber die Nacht des 5. März als Pflegerin des Peter -Altenberg war die schrecklichste und merkwürdigste. Am Tage vorher hatte -ich sein Buch »Bilderbogen des kleinen Lebens« gekauft und gelesen. - -Nun sah ich ihn da liegen, ganz verwahrlost, von Leiden zerfressen. Ich -fühlte es, daß er über seinen eigenen Untergang tief verzweifelt sei. -Sein Idealismus war untergegangen, und es blieb die Ruine übrig. — Ich -bemitleidete ihn nicht, sondern die _vielen_, _vielen_, denen so die -Früchte seines Geistes, seines großen Herzens _entgehen_ sollten. — - -Ich hatte die Empfindung: »Hund, du darfst noch nicht verrecken, du hast -uns Ärmsten noch manches zu spenden, du hast uns noch aufzuklären, hast -uns sogar besser zu machen! Was schleichst du dich fort, Sünder, ehe du -alles für uns ausgesprochen hast?!« - -So schändlich egoistisch dachte ich über diesen sich windenden Wurm in -diesen schrecklichen bangen Nachtstunden. Ich richtete ihm die Polster, -wischte ihm den Angstschweiß ab, aber es geschah in einer verbissenen -Bitterkeit gegen ihn! Den Helfer! - -Wer, wer hätte sich denn gesund und ewig lebendig erhalten müssen als -er? Und indem ich an die Werke dachte, die er uns _vorenthielt_, pflegte -ich mit Widerwillen einen unglückseligen Kranken, der zum vorzeitigen -Sichfortschleichen aus der Welt gar nicht das Recht hatte uns -gegenüber — — —. - - - - - GESCHWISTER - - -Meine Schwester, Sektionsrätin M., besuchte mich, und sagte an meinem -Krankenlager: »Du, diese so überaus wirksame Schlammbadkur in Bad X. -wurde vollkommen um den Effekt gebracht durch einen merkwürdigen und -schrecklichen Umstand, der meine Nerven einfach ermordete. Denke dir, -dort stopft man noch die Gänse, diese allerunglücklichsten Geschöpfe -einer ohnedies schon genug furchtbaren und unerbittlichen Welt! In -dunklen Kellern, in den glühheißen Augustnächten, hocken diese -Unglückseligen in absichtlich zu eng gemachten Holzkäfigen, werden Tag -und Nacht gewaltsam gefüttert, und es wird ihnen durch all diese -grausigen Wochen hindurch das Trinken von Wasser verwehrt! Das -entsetzliche Schicksal dieser Unglückseligen in den unterirdischen -Folterzellen hat mich den Ort zu fliehen gezwungen. Mein Töchterchen -Hilde, die die ganze Sache entdeckt hatte, ging täglich oftmals -insgeheim mit einer Kindergießkanne in die Folterkammer, und goß den -gemarterten Gefangenen Wasser in die weit aufgesperrten Schnäbel. Die -wunderschöne junge Slowakin Viktora aber lachte dazu aus vollem Halse, -als sie das Samariterwerk sah, und sagte: »Fräulein Hilde, wird sie auch -eingesperrt werden so, wenn Frau sie erwischt — — —?« Aber unsere -französische Gouvernante Hélène sagte: »Madame, en Suisse cela ne se -fait pas, on ne connait pas ces martyrs infames —.« - -Ich erwiderte meiner Schwester: »Ich bin ganz, ganz erstaunt über deinen -Bericht. Gerade von dir, meiner Schwester, die ich jahrelang nicht sehe -und spreche! Welcher merkwürdige Zusammenhang der Nerven! Gerade vor -einem Jahre schrieb ich nämlich folgende Skizze: - -Man führte die edle Zwölfjährige nach Berlin, um ihr alles zu zeigen, -was es dort Herrliches gebe. Automobilfahrten zu allen Seen, Variété, -Theater; man ließ ihr das Paradies »Berlin« erstehen, soweit es für eine -Zwölfjährige seine Tore überhaupt öffnen konnte. Als sie wieder nach -Wien zurückkehrte, fragte sie eine Dame: Nun, Lilly, wo ist es besser zu -leben, in Deutschland oder in Österreich?! Und Lilly H. erwiderte: Nur -in Deutschland kann man existieren! Da habe ich bemerkt, daß die armen -Pferde an den Lastwagen viel geschickter und rücksichtsvoller -angebrachtes Riemenzeug tragen als bei uns, das ihnen die Arbeit -erleichtert und Torturen erspart. Und dann habe ich auch noch erfahren, -daß es in ganz Deutschland bei strengster Strafe verboten ist, Tiere -künstlich zu mästen, und daß geheime Agenten, in der Verkleidung von -reichen Viehkäufern, sämtliche Bauerndörfer Jahr für Jahr daraufhin -kontrollieren und für jeden entdeckten Fall hohe Belohnungen erhalten!« - -Meine Schwester nahm meine Hand und sagte ruhig: »Nun, was ist dabei, -wir sind eben Geschwister — — —!« - - - - - DER BESUCH - - -Eine junge Frau, die ich seit lange als eine fast Heilige an Demut und -Sanftmütigkeiten verehre, kam an mein Krankenbett, bleich und verstört. - -Sie erzählte mir, daß ihr Mann, der sich für sie aufopfere, -Gesichtsneurose habe und sich, mit ihrer Einwilligung, der Operation auf -Tod und Leben unterziehen wolle. Sie wisse nicht, ob sie es gestatten -solle. »Soll ich, soll ich nicht, soll ich?! Ich werde es also an meinen -Knöpfen abzählen —.« - -Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen, und sie stützte den Kopf in -die Hand. - -Da sagte sie: »Nicht, Peter, das Leben ist eigentlich komisch —.« - -Und ich sah eine Träne, vielleicht die heißeste, verzweifeltste, die je -geweint wurde. - -Drei Tage später saß sie an meinem Krankenbette: »Peter, ich habe es ihm -gestattet, und er ist daran gestorben. Peter, nicht wahr, die Welt ist -komisch —.« - -Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen — — —. - -Ich zählte es an den Knöpfen ab, was, weiß ich nicht. Aber immerhin, an -den Knöpfen —. Soll man, soll man nicht, soll man?! - - - - - SOMMERABEND IN GMUNDEN - - -Wir, die nicht genug haben an den Taten des Alltages, wir Ungenügsamen -der Seele, wir wollen unseren rastlosen, enttäuschten und irrenden Blick -richten auf die Wellensymphonien des Sees, auf den Frieden überhängender -Weidenbäume und die aus düsterem Grunde steil stehenden Wasserpflanzen! - -Auf die Menschen wollen wir unsern impassiblen Blick richten, mit ihren -winzigen Tragödien und ihren riesigen Lächerlichkeiten; mit düsterer -Verachtung wollen wir nichts zu tun haben, und mildes Lächeln soll der -Panzer sein gegen ihre Armseligkeiten! - -Dem Gehen edler anmutiger Menschen wollen wir nachblicken, dem Spiele -adeliger Gebärden und der Noblesse ihrer Ruhe! Ein Arm auf einer -Sessellehne, eine Hand an einem Schirmgriff, das Halten des Kleides bei -Regenwetter, süßes kindliches Bacchantentum bei einem Quadrillefinale, -wortloses Erbleichen und wortloses Erröten, stummer Haß und stummes -Lieben, und alles Auf und Ab der eingeschüchterten und zagen -Menschenseele — — das, das alles wollen wir Stunde um Stunde in uns -hineintrinken und daran wachsen! - -Rastlos aber, vom Satan Gejagten gleich, stürmen die Anderen -enttäuschungsschwangeren Zwecken entgegen, und ihre Seele bleibt -ungenützt, verdirbt, schrumpft ein, stirbt ab! - -Jeder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht beim Toscana-Garten steht -Schilf, und Weiden, und Haselstauden hängen über, ein Vogel flüchtet, -und alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen. Nebel zieht herüber, du -lässest die Ruder sinken, und niemand, niemand stört dich! - - - - - ÄSTHETEN - - -Ich habe zwei Ästheten erster Güte kennen gelernt, einen jungen Mann und -seine junge Gattin. Sie schaut aus, wie man sich den siebzehnjährigen -Dante vorstellt. Sie trägt arabischen und indischen Schmuck. Sie leben -im Tessin, am Lago Maggiore, in einem alten Steinhaus inmitten eines -Edelkastanienurwäldchens. Jeder Satz, den sie äußert, ist ganz tief aus -dem Geiste der Menschheit herausgeschöpft. Was sind eigentlich Ästheten, -die uns brutaleren, zynischeren Naturen doch gänzlich ferne liegen?! Es -sind Organisationen, bei denen sich die Urinstinkte völlig in -Betrachtung und Genießen der zahllosen wertvollen Dinge der Welt -aufgelöst, ja verflüchtigt haben. Alle Gemeinheiten, denen wir noch wie -böse Tiere hie und da unterworfen sind, sind nicht mehr in ihnen. Der -Friede ist in sie eingezogen, durch den ewigen Anblick von Gottes -Weltenschönheiten, Weltenmerkwürdigkeiten. Solche Frauen blicken -verklärter als alle anderen, denn ihr Reich ist, trotz allen Anscheins, -nicht hienieden. Sie werden erlöst von der Sünde in jeglicher Beziehung; -deshalb blicken sie mystisch, in kommende Welten hinein — — —. Jeder -Mensch kann sich aus eigener Macht zu einem geistig-seelischen -Organismus hinaufgestalten; und er und seine Umgebung hätten den Vorteil -davon. Aber nur wenige unternehmen es. Ästheten sind, für brutale -Organisationen betrachtet, wie gebrechliche Spielzeuge des Lebens, in -linden Lüften und linden Düften dahinschaukelnd, tödlich verwundet von -jedem rauhen Wort sogar. Es gibt Dinge, die man in ihrer Gegenwart nie -auszusprechen wagte. Man muß durch sie von selbst ein feinfühligerer -Mensch werden im Augenblick, obzwar man sich natürlich dadurch beengt -fühlt. Aber mit Jeanne d’Arc hätte man ja auch nicht ungezogen oder -sexuell sein können. Um gewisse Organisationen lagert eben die -Atmosphäre Gottes, und da erlischt dann allmählich in den Augen des -Lebenszynikers sein satanisch-ironisches Lächeln! Heil ihnen! Sie haben -mehr gesegneten Frieden als wir anderen, wir Barbarischen — — —. Sie -sind »Naturmenschen« einer erhöhteren, erst anbrechenden Kultur, die -dann nach langer Zeit zu einer zweiten Natur werden wird! Ästheten sind -übertriebene Vorläufer einer gottgefälligeren Seelenentwicklung! - - - - - ERINNERUNG - - -Der Rathauspark duftet nun von edlen Bäumen und edlen Sträuchern. Es ist -kühl und schattig. Aber damals war es eine endlose graue Wiese mit -eingetretenen staubigen oder kotigen schmalen Fußwegen. Eines Tages -stand eine grüne Bretterbude da, das erste Wandelpanorama in Wien, -genannt »Der Rigi«. Es roch nach Öllämpchen, und mein Hofmeister und ich -saßen in der ersten Reihe auf Strohsesselchen. Der Rigi und alle Seen -und Bergesketten zogen an uns vorüber, zu den Klängen eines -italienischen Werkels. Dann wurde es allmählich finster, und die -Berghotelfenster beleuchteten sich, denn sie waren ausgeschnitten und -dahinter Licht. Das gefiel mir. Später machten wir eines Tages die erste -Pferdetramwayversuchsfahrt mit, vom Schottenring bis Dornbach. Es fiel -mir auf, daß es fortwährend klingelte, was bisher bei den Fuhrwerken -nicht zu beobachten war. Man hielt das Ganze für gefährlich und unsicher -und glaubte nicht recht daran, daß es sich einbürgern werde. - -Die Sonntage wurden in Hietzing bei »Domayer« verbracht. Es fiel uns -angenehm auf, daß unser Vater dem Fiaker, der uns führte, _du_ sagte und -sich in leutselige Gespräche mit ihm einließ. Er kam uns vor wie ein -milder Potentat. Die Trinkgelder waren enorm, gleichsam die -Entschädigung für das vertrauliche _du_. Die Rückfahrten vom Lande -abends sind das Schönste; da schläft man wie ein Toter. Man verflucht -den Moment der Ankunft, der Wagen ist das wunderbarste Bett gewesen. -Aber jetzt kommt Stiegensteigen, Ausziehen, eine unsäglich beschwerliche -Arbeit. - -Gebratene Äpfel spielten bei uns eine große Rolle. Alles duftete in den -Zimmern danach. Das ist ganz abgekommen. Auch gedünstete Kastanien, -goldigglänzend, auf schwarzgrünem Kohlpüree, waren eine Festspeise, die -jetzt im Absterben begriffen ist. Die neue Generation macht sich nichts -daraus. - -Wir vergötterten unsere Hofmeister und Gouvernanten, und sie uns. Die -Eltern spielten nur eine zweite diskretere Rolle, traten erst in Aktion -bei außergewöhnlichen Ereignissen. Sie waren einfach der »Oberste -Gerichtshof«. Wir lebten »romantische Idyllen«, deshalb fiel es uns -später so schwer, dem realen Leben Genüge zu leisten — — —. - - - - - VÖSLAU - - -Vöslau, eigentümlicher Ort, einzige wirkliche Sentimentalität, die ich -habe. Deine grünbefranste Station ist geblieben wie eh und je. Nur -meine wunderschöne Mama, die mich im Damenbade sorgsam auf ihren Armen -wiegte, ist längst nicht mehr. Die Lindenblüten rochen wunderbar, und -das sonnengedörrte Holz der Kabinen und die Wäsche der triefenden -Schwimmanzüge. Der Kies brannte die zarten Kinder- und Frauensohlen. -Vom Wald kam Tannenharzduft, und von den Hausgärten kamen -Millefleursgerüche. Meine Mama hielt mich zärtlichst mitten im Teiche, -der für mich ein Ozean war! Sie verschwendete ihre romantische -Zärtlichkeit an ein egoistisches, verständnisloses Kindchen, das ihren -Hals in Angst umklammerte. Wunderbar ist der eingedämmte Bach, von der -Station aus bis zum Bade. Links ungeheure üppige Wiesen, die zu nichts -zu dienen scheinen und herrliches, dichtes Unkraut produzieren, für -nichts und wieder nichts. Der Wind rauscht eigentümlich in den Tannen. -Man hält es für einen mysteriösen Aufenthalt für Rekonvaleszenten, für -kleine zarte Mäderln. Es ist so ein Sanatorium für müde Menschen. Die -graublaue Ursprungsquelle von vierundzwanzig Grad Celsius ist wie -lebenspendend. Sie spricht nicht viel, sie murmelt und gewährt! Viele -Hausgärten sind voll von Frieden und Pracht. Im Cafégarten hart beim -Bade ist es kühl vor Baumschatten wie in einem Keller. Daneben ein -unbekannter Park wie ein Urwald. Niemand hat ihn vielleicht je -betreten, ihn gestört in seinen überschüssigen Kräftespendungen! Wozu -braucht man Brasilien und Lianenverstrickungen und Blütendunst und -Geranke?!? Dieser Park ist Urwald. Vöslau, immer noch, seit -fünfundvierzig Jahren, ist deine Station grünbefranst, und in dem -Bache plätschern lustig die Enten, die unmittelbar darauf abgestochen -werden, denn der murmelnde Bach ist nur ein letztes Reinigungsbad, -gleichsam eine Vorleichenwaschung. Beim Bade duftet es nach -Lindenblüten. Nichts hat sich verändert. Nur meine Mama ist nicht -mehr. - - - - - EIN BRIEF - - - Lieber Stefan Großmann, - -in meinen entsetzlichen Qualen habe ich heute soeben Ihren herrlichen -Essay über und für _Frau_ Tolstoi gelesen. Es ist großartig. Nur eines: -Das männliche Genie geht eben in seinen langsamen Weltentwicklungen -_zuerst_ vom _gewöhnlichen_ allgemeinen _irdischen_ Leben aus, völlert, -bekehrt sich sodann, gründet Familiensegen, sucht Frieden wie ein jeder -gewöhnliche Sterbliche. Dann, im Alter aber erschaut es die idealeren -Welten, ist jedoch von seinen vorherigen Entwicklungsstufen _gebunden_, -ja _geknebelt_, kann und darf sie nicht los werden, und lebt doch -_bereits zugleich_ in Welten, die das bisherige althergebrachte irdische -Sein _überflügelt_ haben. — — — Wie wenn einem Heranwachsenden noch -immer die getreueste Mutterbrust ihre Milch anböte, während er _längst_ -über diese Periode seiner irdischen schwächlichen Kleinlichkeit -hinausgewachsen ist!?! Der Träumer, der Denker, der Prophet, der -Vorherseher, der Menschen-_Erhöher_ schwingt sich von selbst, _ohne es -zu wissen_, in Regionen einer _anderen_ künftigen Konstellation, während -er historisch-atavistisch noch mit den ehernen Klammern _alltäglicher_ -und _gewohnter Notdurften_ am bisherigen gebräuchlichen Dasein -festverankert ist! Das ist seine Tragik! Daher seine _organische -Undankbarkeit_ gegen jene, die einem Stoffe in ihm dienen, den zu -_überwinden_ und _immaterieller_ zu machen, er die ersten genialen -Versuche unternimmt. — — — Man degradiert ihn also in allerbester -Intention, zu einer bereits geistig überwundenen Entwicklungsstufe -seiner selbst. Preisen wir seine adeligen Betreuerinnen, aber vergessen -wir dabei _zugleich nie_, daß es in genialen Prophetengehirnen -_Entwicklungsembryos_ gibt, denen Frauen und Freunde _ratlos_, ja -_unbewußt feindselig_, sich entgegenstemmen! Die Henne brütet ein -Entlein aus, betreut es, sucht es vor allem vor der Gefahr »Bächlein« zu -bewahren. Aber das Entlein strebt nach dem fließenden klaren Wasser, und -die mütterliche Henne blickt _in Todesangst_ den Schwimmkünsten des -Entleins in seinem ihm organischen Elemente nach! Henne, bescheide dich, -Entlein, schwimme, tauche! Genie, du bist zwar undankbar, aber es ist -eine organische, von Gott gesegnete Undankbarkeit, die den kommenden -Menschen _zugute_ kommen muß. Die Frauen betreuen die _Genies_, aber die -Genies betreuen die _Menschheit_! Beide gehen zugrunde in ihrem -merkwürdigen unentrinnbaren Lebenswerke, das in der Weltentwicklung -vorgesehen, vorbedacht und wohlerwogen wurde vom göttlichen, meist noch -gänzlich unfaßbaren Willen! - -Frau Tolstoi, du bist nicht minderwertig; Herr Tolstoi, du bist nicht -mehrwertig; in allen lebt und webt die göttliche Seele, unerforschlich, -und dennoch geahnt und gespürt von einigen wenigen — — —. - - Ihr Peter Altenberg. - - - - - DER FORTSCHRITT - - -Es ist tragisch genug, daß die meisten Verbesserungen in jeglicher -Sphäre des Lebens wie von einer heimtückischen bösen Macht, vor allem -vom bösen Zauberer »Gewohnheit« hintertrieben, aufgehalten, zerstört -werden. Bei vielen Dingen kann man Gründe dafür finden, und sich -daher wenigstens teilweise historisch-philosophisch über das -Beharrungsvermögen des menschlichen Geistes beruhigen. Es gibt jedoch -eine ganze Anzahl herrlicher Neuerungen, deren Nichtpopulärwerden man -absolut nicht begreift. Dazu gehört die amerikanische Schuhputzmaschine. -Ich kenne eine einzige in ganz Wien, im Hausflur des Cafés am Mehlmarkt. -Man wirft zehn Heller in den Spalt, und dein Fuß wird dir sanft -hineingezogen in die Maschine, und der Schuh dabei von Staub und Kot -gereinigt. Dann wird er ebenso sanft wieder herausgeschoben und dabei -gewichst und glänzend gebürstet! Man muß nur die Hose ein bißchen -hochheben, da diese weder gewichst noch auch glänzend gemacht zu werden -wünscht. Auch muß dein Fuß der Maschine völlig nachgeben, denn sie -allein weiß, was für deinen Schuh zweckmäßig ist, und sie entläßt ihn -erst zur rechten Zeit. Weshalb sind solche herrlichen und gutmütigen -Maschinen nicht schon längst in den Vestibülen von Hotels, Cafés, -Theatern aufgestellt?! Es ist fast eine Tragödie, es zu erleben, wie -selbst in den allereinfachsten Dingen niemand das Herz und den Sinn -dafür hat, seinen Nebenmenschen das Leben ein bißchen zu erleichtern. -Dabei wäre es noch ein Geschäft, natürlich für beide Teile. Wie muß man -da im vorhinein verzichten, in noch schwierigeren Lagen, unterstützt, -betreut zu werden!? - -Jemand sagte zu mir: »Es paßt mir nicht, daß diese Maschine mir meine -zarten Chevreauschuhe mit einer minderwertigen Creme putzt!« Ich -erwiderte ihm, daß die Maschine nur Staub und Kot entferne und dann -glänzend bürste, also eigentlich mit jener Creme, die ein jeder Schuh -schon von selbst habe. »Ach so,« sagte er tief enttäuscht darüber, daß -er der neuen Schuhputzmaschine, die bescheiden ihre Pflicht erfüllt, -kein Klampfl anhängen konnte, ihr kein Bein stellen konnte, über das sie -schmählich stürzen müßte! - - - - - ÜBER LEBENSENERGIEN - - -Die allerwenigsten Menschen haben auch nur die geringste Ahnung von dem -Inhalt des Wortes »Lebensenergien«. Es ist ein mysteriöses und ganz -simples Wort zugleich: es bedeutet alle Kraft, die unser Nervensystem -enthält, zur Betätigung unsers Lebens. Diese Kraft erhalten, vermehren, -heißt eigentlich: ein Kultivierter sein; sie schwächen, verringern, -heißt: ein Unkultivierter sein. Wir verlieren täglich, stündlich -Tausende wertvollster Lebensenergien durch irrige Lebensführung -jeglicher Art, und dann noch durch den Mangel an Rücksicht der -Nebenmenschen auf unser Nervensystem. Tausend Ungezogenheiten und -Taktlosigkeiten der Menschen zerstören unsre angesammelten -Lebensenergien. Ferner Sorge, Kummer, Eifersucht, Alkohol, schlechtes -Essen, ungezogene Kellner, ungezogene Friseure, ungezogene Freunde, -alles, alles das frißt uns täglich, stündlich unsre angesammelten -Lebensenergien weg, und zwar auf eine merkwürdig schwächende, lähmende, -Zuckerkrankheit vorbereitende Art! Frauen besonders sind genial -geschickte Zerstörerinnen unsrer aufgestapelten Lebensenergien, durch -Erzeugung von Eifersucht, diesem Krebsbazillus der Seele! Man wird -plötzlich grün und gelb, und die Lebenselastizität läßt nach. Jeder -Mensch ist eigentlich ein feiger heimtückischer Mörder eines jeden, den -er in Unruhe setzt ohne zwingendsten Grund! Einem Menschen seine -Lebensenergien erhalten wollen, sie schützen, ja, sie vermehren wollen, -heißt allein: ihn wirklich lieb haben! Alles andre ist Seelenmumpitz! -Wer mich in irgendeiner Sphäre meiner Lebensbetätigungen schwächt, -stört, lähmt, statt mich zu fördern, ist mir feindselig gesinnt, wie er -sich auch sonst stellen möge! Die Erhaltung der Lebensenergien meines -Organismus sei die Sehnsucht einer jeden ernstlich freundschaftlichen -Seele. »In meiner Gegenwart hatte sie einen unbeschreiblich elastischen -Gang, alles an ihr schien leichter und von Erdenschwere befreiter zu -werden — — —«; das wäre das ehrendste Zeugnis für eine wirklich -liebevolle Mannesseele. Seine Verluste an Lebensenergien rechtzeitig -spüren, seine Gewinne freudig buchen im Lebenskonto, würde viele der -angenehmen Fähigkeit näherbringen, das hundertste Jahr, das Pfeifchen -schmauchend, zu überschreiten. Ich bin einmal unerbittlich gegen den -göttlichen Leichtsinn, ich bin für die erdenschwere Bedenklichkeit. Ich -glaube, wenn Franz Schubert mein Intimus gewesen wäre, ich hätte ihm -noch weitere zweitausend Lieder entlockt, indem ich ihn beschworen -hätte, sich der seiner bedürfenden Menschheit zu erhalten durch -allersorgfältigste Schonung seiner Lebensenergien. »Ja, pardon, aber ein -Typhus raffte ihn hinweg — — —.« Aufgestapelte Lebensenergien nehmen hie -und da sogar den erfolgreichen Kampf mit solchen Feinden wie Typhus, mit -einer solchen Hunneninvasion, auf! »Ja, aber, mein Herr Schreiber dieser -Zeilen, weshalb nehmen Sie selbst so wenig Rücksicht auf diese immerhin -beherzigenswerten Lehren, in Ihrem eigenen werten Dasein?!?« Weil ich -dann vielleicht Lebensenergien entwickelte, um noch einige solcher -Bücher wie bisher zu schreiben, und das muß unbedingt hintertrieben -werden durch ungeordnete Lebensführung. - - - - - STRANDBAD - - -Nun sah ich dich, Unbekannte, mit deiner bräunlichen Haut und dem -krebsroten nassen seidenen Schwimmtrikot, am »Gänsehäufel«, und bin an -dir vor Sehnsucht erkrankt. Immer, immer seh ich dich mit deinen -unbeschreiblich edlen Gliedern an Wassers Rand entlanggehen mit weiten -Schritten —. - -O, weshalb durft’ ich dir nicht sagen: »Kaiserin des Strandbads!« Dir -hätte es nichts geschadet, und mich hätt’ es erlöst, wie es müde -enttäuschte Menschen erlöst, wenn sie in stillen Kirchen vor einer -heiligen Frau niederknien —. So aber wandle ich, krank an meiner -fanatischen Zärtlichkeit, dahin —. Kaiserin des Strandbads — — —. - -An Unzulänglichem werden wir vorzeitig alt und müde, verlieren den -Glauben an die Realisierbarkeit von Gottes Träumen. Da seh ich dich, -Edelstgegliederte, und fange wieder an zu glauben —! - -In Kleidern, geschützt durch Seide und Batist, oder im Bett, wo des -Mannes Leidenschaft sein Auge trübt, wohlan! Da nehmen wir vorlieb, -begnügen uns! - -Jedoch, aufrechten Ganges, in Licht und Luft getaucht, in nassem -Schwimmtrikot, da besteht keine außer dir diese zärtliche Prüfung! Nun -sah ich dich und wurde krank an dir, weil ich nicht wenigstens flüstern -durfte: »Kaiserin!« - - - - - WESEN DER RELIGION - - -Der Pastor zu einer armen Frau, die bis dahin ziemlich ungläubig war, -den Satzungen der Religion gegenüber: - -»Nun, liebe Frau, sind Sie durch meine Worte jetzt endlich gläubigern -Sinnes geworden?!?« - -»Herr Pastor,« erwiderte die Frau, »seitdem ich weiß, daß Gott alles -sieht, wische ich in dem Hause, in dem ich bedienstet bin, den Staub -auch _unter den Teppichen_ auf — — —.« - -Vielleicht ist auch dies gerade das tiefste Wesen der Liebe, einer Art -von Realreligion: die Frau hält ihre Seele rein, sogar dort, wo niemand -es mehr sieht und bemerken kann! - - - - - WIE SIE ES GLAUBEN WOLLEN, SO IST ES! - - -P. A. erhob sich von seinem Schmerzenslager, ging auf den Blumenmarkt, -kaufte purpurrote Buchenzweige, schneeweiße Tazetten, zitronengelbe -Nelken, dunkle Veilchen und riesig viele goldgelbe Mimosen mit -graugrünen gefiederten Blättchen. - -Und das ihre Dame vergötternde Stubenmädchen rief ihn an telephonisch: -»Meine Gnädige schläft noch. Sie wird sich freuen beim Erwachen. Sie hat -ein wunderschönes Bukett bekommen.« - -Und er: »Von wem kann es denn sein?!?« - -»Hoffentlich von Herrn L. Das würde sie am meisten beglücken.« - -»Ja, es ist richtig von Herrn L.! Aber bitte, sagen Sie nicht, daß Sie -es durch mich erfahren haben, sondern nur als Ihre eigene Vermutung.« - -Und am nächsten Tage sagte die Dame beglückt zu Herrn L.: »Ich habe -wunderbare Blumen erhalten gestern ...« - -Und Herr L. erfuhr durch das süße Stubenmädchen, wie die Sache sich -eigentlich wahrscheinlich verhalten habe ... - -Sie fühlte es als ihre Pflicht, es ihm zu sagen. - -Da sandte er denn am nächsten Tage die herrlichsten Blumen, unter dem -Namen P. A. - -Und die Dame sagte zu ihrem Stubenmädchen: »Sieh, auch P. A. hat mir -Blumen gesandt, sehr nett von ihm, man hätte es ihm nicht zugetraut. -Nun, aber die von Herrn L. am Vortage waren schöner, so wirklich mit -Geschmack und Zärtlichkeit ausgesucht ...« - - - - - »PRODROMOS« - - -Ich habe den Menschen, die im Tagesgeschäfte festgerannt waren, nie viel -geben können, trotz meiner sogenannten Freiheit, die mir Gelegenheit -gab, über die Dinge des Daseins _rücksichtslos nachdenken zu -dürfen_ — — —. Aber es gibt dennoch wertvolle und höchst wichtige Dinge; -vor allem: - -Sorge Tag und Nacht für die Edelfunktion deines Darmes! Das »Bauchherz« -ist wichtiger wie das, was wir verhältnismäßig unnötigerweise unter der -linken Brustwarze tragen. Von der Funktion des Darmes hängt _unser -ganzes Denken_, _Fühlen_ und _Sein_ ab, unsere _Größe_, unsere _Güte_, -unsere _Menschlichkeit_ und unsere _Weisheit_! Wehe dem, der 24 Stunden -lang, also als Sünder und Verbrecher, _unpurgiert_ dahinwandelt! Er wird -millionenmal mehr Schaden anrichten als ein Raubmörder und -Kinderschänder! Er wird in den kleinsten Dingen sein Menschentum -_verleugnen_, das ihm Gott in seiner Gnade mitgegeben hat. Nur der -äußerlich und innerlich purgierte Mensch kann auch geistig _und_ -seelisch purgiert sein! _Existieren_ können, ohne Darmfunktion wie die -Taube, die es im Fluge von sich läßt, ohne sich in ihren edlen -Schwingungen auch nur 1/100 Sekunde dadurch stören zu lassen, ist ein -schändliches Verbrechen an sich und vor allem seinen Nebenmenschen, an -denen man seinen Unmut, den man sich selbst gezüchtet hat, in -heimtückischer Weise dann Tag und Nacht ausläßt. - -Abführmittel sind _theosophische Geheimmittel_, die imstande sind, den -Menschen zu einer höheren Art hinaufzuentwickeln! Im Moment, wo das -Genie seine heiligen Darmfunktionen geschwächt fühlt, fühlt es sich -degradiert zur »_Herde der Gewöhnlichen_«! Seine Schwingen sind ihm — -wenn auch in anderer Weise — beschnitten und gelähmt. - -Bauchherz, nervus sympathicus, plexus solaris, unbekanntestes Phänomen -unter den mysteriösen Phänomenen dieser Welt, möge dir die Forschung und -die Arbeit der künftigen Genies geweiht sein! Unten frei, oben frei! -Unten gebunden, oben gebunden! So ist es! - -Es gibt fast keine Schädlichkeit, die wir unserem Organismus antun, die -nicht durch eine absolut vollkommene Verdauungskraft besiegt werden -könnte! Unsere Darmnerven sind wichtiger wie unsere Gesamttätigkeiten -unseres Organismus, als alle andern Organe zusammen! Mit einem absolut -leichten Stuhlgang müßte man sich theoretisch eine »ewige Jugend« -verschaffen können. Der obstipierte Mensch ist _kein menschliches -Wesen_! Seine Heiligkeit, seine Gottähnlichkeit beginnt erst, wenn die -Darmfunktionen eine _fast ideale_ Leistungsfähigkeit erreicht haben. Die -tiefste Genialität eines Organismus ist, mehr Rücksicht auf seine -Darmnerven zu nehmen, als auf alle andern zusammen! Man schont damit vor -allem _Herz und Gehirn_. - - - Der Philister - -Ewige Rache, die Gott, Schicksal und Natur am Philister nehmen: Sie -verhindern ihn, Tag und Nacht _Tonika_ zu suchen, Belebungs- und -Erregungsmittel dieser Stoffwechselmaschine »Mensch«! Sie wollen immer -glatt und beruhigt überall durchkommen; daher verlieren sie die einzige -Kraft, die es für die menschliche Maschine gibt: den Stoff-_wechsel_! - - - Genialität - -Das geniale Gehirn hat nie die _kleinliche_ Todesangst des Philisters, -sondern die _absolute_ eines Bismarck, der _wußte_, daß bei einer -verlorenen Schlacht von Königgrätz ihm nur mehr die Revolverkugel übrig -bliebe. — Selbst _Goethe_ hatte ein Jahr lang den geladenen Revolver auf -seinem Nachtkastel liegen. Sich schützen?!? Vor dem Altwerden, vor dem -_Sterben_?!? _Wozu also?!_ Das Genie bringt sich _rechtzeitig_ um, wenn -es seine Mission erfüllt hat, oder sie _nicht_ erfüllen konnte! Aber -diese andern _paktieren_ mit dem Leben, das dann doch _keines ist_ und -keinen Pakt zuläßt! - - - - - RESTAURANT PRODROMOS - - -Ein Restaurant ersten Ranges, von einem modernen Architekten unerhört -einfach-primitiv, aber zugleich aristokratisch-apart eingerichtet. Es -wirken in der Küche in idealer Gemeinschaft ein französischer Koch und -ein junger Arzt, Diätetiker, Hygieniker, und der Dichter. Jede Speise -ein unerhört leichtverdauliches Gedicht für den Verdauungsapparat! -Lauter Speisen, die in drei bis fünf Stunden verdaut sind ohne -Rückstände! Reiche Stoffwechselkranke, Nervenkranke, Magenkranke, -Darmkranke würden hier ein absolut sicheres Asyl finden! Die -internationale Püreemaschine würde auf jedem Tische stehen. Einige -Umdrehungen, und jede Speise hat die Konsistenz erhalten von -Erdäpfelpüree, Erbsenpüree! Schöne Zähne sind eine ästhetische -Angelegenheit, aber man soll sie nicht gebrauchen! Den Speisen ihre -Seele ausziehen, ihr Wertvollstes, und das Unverdauliche den Hunden, den -Schweinen! Kein Essig, sondern Zitrone! Ganz, ganz neue -Zusammenstellungen. Zum Beispiel durchpassiertes Kalbfleisch in -Eiersauce. Pürees und Saucen in noch nie dagewesenen neuen Verbindungen! -Man kann sich krank essen und bleibt dennoch gesund! Die Diätetik eine -reale Romantik geworden! Erfüllbare Ideale! Die Zähne haben ihre -miserable dilettantische Zerkleinerungstätigkeit einzustellen, sobald -die internationale Püreemaschine ihre Dienste ideal ersetzt. Man putze -sie und halte sie als Kunstwerkchen in Ehren! Der Edelmaschine darf man -nicht Lasten aufbürden, sondern muß sie ihr zu ersparen suchen! Das -Kindchen saugt an der Mutterbrust, und die müde und nervös gewordene -Menschheit will desgleichen! Jeder komplizierten Maschine sucht man die -Widerstände so viel als möglich zu ersparen; nur dieser unglückseligen -und allerherrlichsten Maschine: »menschlicher Verdauungsapparat« nicht! -Weshalb?! Gründet das Restaurant Prodromos! Es soll eine Oase werden. -Nach jeder Mahlzeit kann man sich hinlegen auf ideale Ruhestühle, was -riesig wichtig ist! Es gibt Zimmerchen, in denen man, wenn auch nur für -zehn Minuten schlafen kann! Eine Regenerationsanstalt, als Restaurant -geführt. Ein Gasthaussanatorium! Teuer, aber fast kostspielige Kuren -ersetzend! Weshalb warten mit der Ausführung?! Gibt es denn keine -Idealisten, die dennoch verdienen möchten?! Sind denn das Gegensätze, um -Gotteswillen?! Was sollte denn reellerweise eigentlich belohnt werden -auf Erden als der wohlverstandene Idealismus?!? Gründet das Restaurant -Prodromos! Und gedenket meiner, des Urhebers! - - - - - DER BRAND - - -Um zwei Uhr morgens kam die Nachricht in die American Bar, daß ein -Palais nächst dem Stadtpark in Flammen stehe. Wir ließen unsre -wunderbaren Mischungen sofort stehen, fuhren im Fiaker rasend hin. - -Auf dem Dache des fünfstöckigen Palastes leuchteten die weißen -Magnesiumfackeln der Feuerwehr, und goldgelbe und rote Funken fielen zur -Erde. Unten im Finstern der Straßen leuchteten die Lampen der -Feuerwehrautomobile wie getreue Wächterhundeaugen! So besorgt-gutmütig! - -Der Stadtpark war schwarz und einsam. Auf einer Bank saßen Zwei, Hand in -Hand. Sie betrachteten den Brand des Palais, hörten die -Feuerwehrsignale: »Wasser! Wasser! Wasser!«, und sie waren und sie -blieben versunken in ihrem eigenen unentrinnbaren Schicksal, Hand in -Hand. - -Das Palais brannte, und man erließ für die obern Parteien bereits die -Nachricht, sie möchten delogieren und herabkommen — — —. - -Der Stadtpark war einsam und im Dunkeln — —. - - - - - RÜCKSICHT - - -Sie trug ein wunderbares, stark dekolletiertes schulterfreies Kleid. -Ihre Freunde bewunderten ihre herrlich modellierten Schultern. Da stand -sie auf, ging in ihre Garderobe zurück und zog ein viel dezenteres Kleid -an, das nur Hals und Arme frei ließ. - -Einige Augenblicke später kam ihr Bräutigam. - -»Natürlich,« sagte er, »man muß sich für die fremden Männer -dekolletieren!« - -»Herr Bräutigam,« sagte ein Baron, »das ist doch gerade das Schöne an -Ihrer Freundin, daß sie immer so einfach und dezent gekleidet ist und -gar nichts aus sich macht. Schließlich und endlich muß es doch auch -Ihnen schmeicheln, wenn andere Sie darum beneiden und sie bewundern!« - -»Anita,« sagte der Bräutigam, »gehe doch in die Garderobe und ziehe dir -mal das neue schulterfreie Kleid an, das ich für dich entworfen habe. Du -bist ja nicht mehr im Sacré Coeur — — —.« - -Die Dame stand auf und ging in die Garderobe, das noch körperwarme -schulterfreie Kleid wieder anzulegen — — —. - -Die Freunde sagten hypokrit: »Das ist wirklich etwas gewagt und -auffallend — — — Aber wenn es Ihnen recht ist, Herr Bräutigam — — —?!?« - - - - - MYOSA - - -Mademoiselle Myosa, das Original mit dem tiefen wunderbaren Blick, in -dem direkt eine Art von fanatischer Tanzmission glüht und fiebert, ist -von unbeschreiblicher Anmut. Die übrigen Tänzerinnen tanzen, aber sie -ist der Tanz selbst, sie versinkt, ertrinkt im Tanzen. Sie existiert -nicht mehr. Sie kann sich, auch im Leben, in nichts anderm äußern. Man -hat die Empfindung: sie ißt nicht, sie trinkt nicht, sie schläft nicht, -sie will kein Geld und keine sonstigen scheinbar unentrinnbaren -Leidenschaften — — — sie will tanzen, tanzen, tanzen! Der Fisch will -Wasser, nur Wasser; und sie will den Tanz, nur den Tanz! Sie ist das -erste Tanzgenie, das ich je erblickt habe, wegen ihrer fast -pathologischen Konzentration. Sie rührt und macht erstaunen. Hat Gott -die Welt nur erschaffen, damit Myosa sich darin austanze?! »Ja!« sagen -ihre düstern Blicke. Sie hat Bewegungen, die man noch nie bei einer -Tänzerin gesehen hat, wie wenn oft ihr wunderbarer kindlicher Leib von -einer inneren Macht gezwungen würde. Dabei ist sie ununterbrochen -verzweifelt, daß es in diesem Vergnügungsetablissement nicht still und -feierlich ist während ihres heiligen Tanzens wie in einer Kirche; -sprechen, lachen, verletzt sie tödlich; ein Zug unaussprechlichen -ergreifenden Leidens ist da mitten im Tanzen auf ihrem herrlichen -Antlitz. Da haßt sie die Menschen und die Welt! Sie ist eine tragische -Persönlichkeit, feindselig und abhold dem leichten Dasein der Stunde. -Sie ist ein Phänomen, eine Einzige, eine in sich Gekehrte, starre -Unerbittliche des Tanzes! Und das alles dort, wo man sich bei uns -amüsieren, zerstreuen will!? Arme, arme Myosa — — —! - - - - - IM STADTPARK - - -Als Kinder saßen wir Abend für Abend mit unsern geliebten Eltern im -Stadtpark, im Kursalon. Wir bekamen Eis und Hohlhippen und hatten -keinerlei Sorgen. Der Vater geht nun seit Jahren nicht aus seinem -bequemen Zimmer mehr heraus, und die Mutter nicht aus dem bequemen -Totenschrein. Ich, glatzköpfig und sorgenvoll, komme nun in den -Stadtpark, Kursalon, auf die Terrasse, an denselben Tisch, an welchem -wir einst sorgenlos mit den geliebten Eltern saßen. Ich bestelle -dasselbe Eis, Himbeerschokolade, wie als Kind, mit recht vielen und -knisternden, also frischen Hohlhippen. Vor mir die Gartenbeete wie -einst, ein bißchen bunter, origineller. Ich sehe Eltern mit ihren -Kindern. Sie zanken und schelten. Unsre Eltern zankten und schalten nie, -nie. Vielleicht war es schlecht, daß sie es nie taten, aber sie hatten -Achtung vor ihren eigenen Erzeugnissen, und Zuversicht! Wir haben sie -enttäuscht; aber sie haben es hingenommen als Schicksal und Verhängnis. -Wir haben ihre Tränen, die sie um uns weinten, nie gespürt — — —. Nun -sitze ich, Glatzköpfiger, Sorgenvoller, wieder im Stadtpark, im -Kursalon, auf der Terrasse, an demselben Tisch wie einst mit den -geliebten Eltern, esse dieselbe Portion Himbeerschokolade wie einst, mit -vielen knisternden, also frischen Hohlhippen — — —. Die Gartenbeete, auf -die ich herabblicke, sind ein wenig bunter, origineller. Aber sonst hat -sich nichts verändert, in den Zeiten vom dummen Kind zum müden Mann! Ich -sehe Eltern, die ihre Kinder im Park schelten; unsre Eltern schalten uns -nie; sie erhofften es, daß wir sie einst belohnen würden für ihre Güte; -aber wir taten es nicht. Wir hatten eine schöne Kinderzeit; so tauchen -wir denn hinab in Erinnerungen, da wir vom seienden Tage nicht leben -können. Wir hatten allzu sanftmütige, hoffnungsfreudige, -schicksalergebene Eltern. Es war ein Fluch und ein Segen! Man kann nun -an Zeiten zurückdenken, die paradiesisch waren — —. Nicht jeder, der vor -sich das Dunkel sieht, kann liebevollen Herzens der lichten Zeiten -dankbar sich erinnern — — —. - - - - - EHEBRUCH - - -Ich verzeihe dir! Vier Tage und vier Nächte habe ich mich durchgerungen. -Die Nächte besonders waren voll von Qual. Wenn du gewußt hättest, was du -mir angetan hast an Leid, du hättest es wahrscheinlich nicht getan. Aber -ihr wißt es eben nicht, wollt, könnt es nicht wissen! Unser verstörtes -Antlitz sagt euch nichts. Prügel sind der Ausbruch für euch unserer -verletzten Eigenliebe. Und sogar Mord ist doch in Eueren Augen nur -Rachgier! Unsere Zärtlichkeit könnt ihr nicht ahnen, die wir für euer -Leben haben, wie jedes Muttertier für seine Jungen, oder wie der Storch, -der sich auf dem brennenden Dache niederläßt, um mit den Jungen, die er -nicht mehr erretten kann vor Qualm und Hitze, selbst zu verbrennen! So -sind wir mit euch! Mit euch verbrennen, wenns keine Rettung gibt — — —. -Das zarte Nest ist in Gefahr, das wir euch errichtet mit allen Mühen -unseres armen Lebens; das Nest ist in Gefahr — — —. Ich will dich -retten, doch der Qualm betäubt mich. Anita, oh Anita — — —! Vier Tage -und vier Nächte hab’ ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders waren -voll von Qual. Ich will dich retten vor dir und vor den anderen! Ich -liebe dich, es bleibt mir keine Wahl — — —. In mir sind Gottes -Zärtlichkeiten für jedes Geschöpf, konzentriert auf dich! Bis du es aber -spürst, vergehen Jahre, Jahre. Mir ist die Kraft verliehen, an deiner -Bahre, in deinem toten Antlitz noch verständnisvollen Dank mir endlich -zu erspähen! Vier Tage und vier Nächte hab ich mich durchgerungen. Die -Nächte besonders waren voll von Qual. Ich liebe dich, es bleibt mir -keine Wahl. Wir wollen den Schmerz begraben, der uns begrub — — —. Nimm -also dein neues Kleid, wir wollen zu fremden Menschen gehen, die -fröhlich sind, Geliebte! - - - - - HAMSUN-MENSCHEN - - -Ich habe irgendwo einen geistreichen Essay gelesen — leider geist-reich, -aber wahrheits-arm — über das Wesen der sogenannten Hamsun-Menschen, das -heißt: jener Menschen, die Hamsun in seinen Romanen beschreibt. - -Es sind nämlich ganz einfach Menschen, die die Lächerlichkeit des -menschlichen Geistes und der menschlichen Seele durchschaut haben und -dahinter gekommen sind, daß alles öder Mumpitz ist! Ich bin überzeugt, -daß Shakespeare die Eifersucht des Othello, den Ehrgeiz des Macbeth, die -Liebe des Romeo für ebenso lächerliche und wertlose Dinge, für -übertriebene Irrsinne, für groteske Stupiditäten von Monomanen oder -Paralytikern gehalten habe; nur hatte er damals noch die sogenannte -gesunde Kraft, aus diesen Irrsinnen scheinbar menschliche Dramen zu -fabrizieren! Hamsun hingegen hält Markensammler, Münzensammler und -Liebesleute für lächerliche Persönlichkeiten, und nichts in der Welt -kann ihm ein Interesse abgewinnen als die schändliche und infame -Lächerlichkeit, mit der alle Menschen die ihnen wichtig erscheinenden -Dinge auch ernstlich für wichtig halten! Diejenigen Unglückseligen, die -in der Mitte schwanken zwischen der Bejahung und Negierung des Daseins, -machen sich ein Geschäft daraus, Hamsun-Menschen fälschlich erklären zu -wollen, indem sie selbst weder den Mut haben, bejahende Normalmenschen -noch negierende Perverse zu sein. Der sogenannte gesunde Mittelweg ist -die Straße des feigen Idioten. Er allein ist der ungerechte und ewig -mißtrauische Nichtsversteher! Sie wollen in den Abgründen des Daseins -sich ein Pfädchen herausschinden, auf dem sie scheinbar noch sicher -dahin schreiten könnten! Aber vergeblich! Es handelt sich nur um einige -Jahre, und auch sie werden zur Browningpistole innerlich greifen müssen. -Hamsun erkannte die Nichtigkeit, die Lächerlichkeit, die Bösartigkeit, -die Gemeinheit des Lebens in jeder Minute, in jeder Stunde, an jedem -Tage; aber die, die noch nicht die Kraft haben, das ganz zu erfassen, -klammern sich an irgend einen Popanz fest, der sie hoffentlich irgend -einmal zugrunde richten wird. - -Hamsun-Menschen haben ganz einfach einen milliardenmal tiefem Einblick -in die Lächerlichkeit und Wesenlosigkeit des Daseins, als die andern -Menschen, und derjenige, der sich aus diesen unentrinnbaren Wahrheiten -herausretten will, beweist damit nur die Feigheit, daß er mit einem -wertlosen Leben den wertlosen Kampf noch immer vergeblich aufnimmt. Alle -Menschen sind Münzen- und Markensammler, und wer ihre absolut wertlosen -Irrsinne nicht erkennt, ist ein ebensolcher Idiot, wenn er auch in -seelischer und geistiger Beziehung andre, aber ebenso wertlose -Sammlungen anlegt! Sich über die letzten Erkenntnisse eines -Hamsun-Gehirns hinüberschwingen zu wollen, ist die infamste Feigheit -eines Menschen, der nicht imstande ist, eine Stunde lang ein -wahrheitsvolles Leben zu führen. - -Das Leben ist eine feige Lächerlichkeit, mit frechen Ambitionen, und es -gehören alle Verlogenheiten der menschlichen Seele und des menschlichen -Geistes dazu, um es auch nur eine Minute lang ernst zu nehmen! -Strindberg wußte, was er von Frauen zu halten hatte, die, statt ihn zu -schützen und zu schonen, ihm seine göttlichen Kräfte auf allen Wegen und -Stegen zu rauben suchten. Er hatte die Genialität, an die -Anständigkeiten der Frau zu glauben, fand aber nur herzlose Tyranninnen, -die die Schwächen selbst der genialen Organisation auf perfideste und -heimtückischste Weise ausnutzten! Was August Strindberg dichtete und -dachte, war ihnen eine nebensächliche Erscheinung, aber sein -persönliches Liebesleben kontrollierten sie mit ihren unfähigen und -niedrigen Sinnen! Alle Männer sollten wie Strindberg es erhoffen, daß -man ihre edelsten Kräfte schonen und schützen werde, und sie nicht -ausnutzen werde zur gemeinen Bequemlichkeit des Tages- und Nachtlebens. -Eine Frau, die auch nur eine Stunde lang einen August Strindberg quälte, -wäre wert, von der ganzen Menschheit boykottiert und gefoltert zu -werden, denn für ihre Glückseligkeit würde der Kommis einer Seidenfirma -bessere Dienste leisten! Sie rächt sich in ihrem ewigen -Vier-Wochen-Turnus an den ewigen Entwicklungsfähigkeiten des Mannes, und -das Genie Strindbergs bäumte sich für hunderttausend gequälte andre -Genies auf gegen den Mangel an Respekt einer geliebten Frau vor der -Geistigkeit des Mannes! - -Hamsun nahm die Sache nicht so tragisch, sondern mehr von der ironischen -Seite, und selbst Shakespeare war ein Strindberg und ein Hamsun im -Grunde seiner Seele, aber er hatte leider noch die gesunde Kraft, es in -fünfaktige Dramen umzusetzen, deren eigentliche tiefe Ironie der Welt -nie verständlich wurde! - -Der Ansichtskartensammler ist kein größerer Narr als alle andern, die -sich an angeblich wichtigere Objekte Tag und Nacht anklammern, um ihr -Leben damit auszufüllen und in kümmerlicher, armseliger, schamlos-feiger -Weise zu fristen. Je weniger Spesen sie dabei haben, desto normaler sind -sie. Es gibt Schriftsteller, die die Geschicklichkeit haben, einem -Hamsun und Strindberg sogar ihre Irrsinne nachzuweisen! Ich selbst -begnüge mich mit der Ansicht, daß sich außerhalb des Lebens zu bewegen -und mit ihm keine anderen Zusammenhänge zu haben wie die eines -satanischen Lächelns, die einzige Sache und Aufgabe eines genialen -Menschen sei! - -Wer die Kraft hat, dem Leben mit aufgezogenem Visier ins Auge zu -blicken, der wird das große Mauer-Oehling und Steinhof der Menschheit in -Ernst und Ruhe erkennen, und seine Stunde, die ihn von dem Stumpfsinn -und der Stupidität endgiltig befreit, mit Freude erwarten —. - - - - - MEMOIREN - - -Ich lese die Geschichte vom Grafen von Lavalette, und sie interessiert -mich gar nicht. Er war ein Getreuester Napoleons des Ersten. - -Aber ich habe bisher es nicht eingesehen, wodurch dieser »geniale -Feuergeist«, dieses »Ungetüm an Lebensenergien«, der Gesamtmenschheit -irgendwie geholfen habe!?! Die Geschichte seiner »Getreuen« interessiert -mich daher um so weniger. Aber als Lavalette, dieser »Tatendurstige« -(ein schreckliches Wort für den Lebenskundigen) eingesperrt und -hingerichtet werden sollte, gab ihm seine Frau ihre Kleider, und er -entfloh. Sie selbst wurde im Kerker derart mißhandelt, daß sie irrsinnig -wurde. - -Da begann ich mich für die Gräfin von Lavalette zu interessieren, die in -den Memoiren gar nicht erwähnt ist. - -Ehre ihrer Seele! - - - - - WIDMUNG AN ANNA KONRAD - - -O Fraue, - -Nicht was du _bist_, bist du! - -Das, was _wir_ von dir träumen, _das_ bist du! - -Was in der dunklen Wehmut unseres begeisterten Blicks erschimmert, das -bist du! - -Der Duft deines Atems, der uns den Duft der ganzen blühenden -geheimnisvollen Welt bringt, _das_ bist du! - -Deine _nicht erfüllten_ Sehnsuchten, die auf deinem lieblichen Antlitz -kauern, und die _wir_ mehr miterleben, _miterleiden_ als du selber, - -_Das_ bist du! - -Die Träne, die aus unsern Augen langsam herabrieselt (wir selber wissen -nicht, aus welchem Leid sie ihre Quellen hat) _das_, _das_ bist du! - -Und _unser Lächeln_ bist du, wenn du kommst — — —! - -Und unsere _ernste Stille_, wenn du von uns gehst — — —! - -Wenn du _uns_ kränkst und wenn du _uns_ verwundest, - -Nimmst du _dir selbst_ die Pracht des eigenen Lebens, - -Denn was wir von dir fühlen, _das_ bist _du_! Bleib darum milde — — —. - -Dreh’ nicht der Nachtigall den Hals um, wenn sie in die lichte Mondnacht -schmettert, - -Denn _ihr Lied_ macht erst die Mondnacht zu dem, was sie _ist_! - -O Fraue, laß uns singen, sagen, klagen — — —. - -Was du _von uns_ vernimmst, _das_ erst bist _du_! - - - - - DER TOD - - -Wann soll ich sterben, mich umbringen?! Es ist an der Zeit. - -Es ist fünf Uhr morgens. Man sieht noch nicht die großen braunroten -Dächer der alten Wallnerstraßenpaläste. Man hört die Uhren von fünf -Kirchtürmen. Sie folgen einander so merkwürdig, wie um sich nicht -gegenseitig zu stören, lauschendes Menschenohr nicht zu verwirren, das -Ohr von Kranken, die dem heimlichern Tage bang entgegenlauschen — — —. - -Wann soll es sein?! - -Sie darf nicht geweckt werden aus ihrem mir heiligen Schlaf, durch eine -Nachricht, die jedenfalls erregt und schadet — — —. Wenns ihr auch -schmeichelt, daß es ihretwegen ist — — —. - -Ich muß also warten, bis die völlig Ausgerastete die merkwürdige -Botschaft hört, - - daß ihr fanatisch getreuester Ritter sie dennoch verlassen mußte, - mitten im Seelendienste, der ihn brach und sie nur störte, die - einsam kranke Frau — — —. - - Nach Hamburg wird die Kunde später dringen, und H. M. ist gewappnet - mit Ergebenheiten! - - In ihrer Religion sind Kreuzigungen vorhergesehen, und sie wird - leben aus innern Kräften, durch Leid erhöht, betaut, befruchtet! - -Bessie wird in Leysin, im Paradies des Wintersports am Genfersee, die -Nachricht hören, und in meinen Briefen vielleicht kramen, die sie -besitzt. - -Die Hauptsach’ ist, daß meine vergötterte Frau in Wien nicht durch die -Nachricht aus dem Schlafe kommt, den sie so nötig hat. - -Man muß sichs also einzuteilen wissen. Tag, brich an! - -Lebet wohl — — —! - -Der grelle Tag macht freilich den Abschied schwerer als des -Wintermorgens düstre Dämmerungen! - -Jedoch die Frau darf’s erst vernehmen, wenn sie ausgerastet ist von -langem Schlafe — — —. - - - - - EINE GANZ WAHRHAFTIGE BEZIEHUNG - - -Sie saß an einem riesigen Parterrefenster, das fast den Boden der -staubigen grauen elenden Dorfstraße berührte, und nähte an einer schönen -blinkenden Nähmaschine. Blusen, von morgens bis abends. Ihre Augen -hatten einen Ausdruck von Verzweiflung. Aber sie selbst wußte nichts -davon. Sie nähte, nähte und nähte. Sie war ganz mager, ungeeignet für -den Sturm des Daseins, der Seelen und Körper schüttelt und hinwegfegt. -Abends aß sie das kalte Gemüse vom Mittagstisch. Das sah ich alles durch -das riesige Parterrefenster hindurch, und sie sah, daß ich alles sah. - -Eines Abends stand sie vor dem Haustor so angelehnt. Da sagte sie: »Ich -habe eine Stellung angenommen in Mariahilf in einer Blusenfabrik, ich -werde nicht mehr privat arbeiten müssen in diesem einsamen Zimmer.« - -Da dachte ich: »Dorfstraße, Dorfstraße, du hast deinen Glanz, du hast -deinen Reichtum eingebüßt!« - -»Man muß sich seine Lage verbessern, nicht wahr!?« sagte sie, »ich habe -Sie übrigens immer an meinem Fenster vorübergehen sehen, dreimal des -Tages. Dreimal des Tages sind Sie freilich vorübergegangen. Aber in -Mariahilf werden vierzig Mädchen sein, und man wird plaudern können, und -arbeiten wie in einem Ameisenhaufen — — —.« - -»Sie, Fräulein, ich werde auch dreimal noch täglich an Ihrem Fenster -vorübergehen, wenn Sie nicht mehr dasitzen — — —.« - -»Ja, werden Sie das?!? Da werde ich also doch auch zugleich zu Hause -sein wie früher in meiner Heimat — — —.« - -»Lassen Sie vielleicht Ihre blinkende kleine Nähmaschine am Fenster -stehen, und dabei eine ihrer angefangenen Blusen — — —.« - -»Ja, bitte, das werde ich — — —.« - -Das war die einzige wahrhaftige Beziehung mit einer Frauenseele während -meines ganzen ereignisreichen Lebens — — —. - -Dorfstraße, graue staubige Dorfstraße, du hast nun deinen Glanz, du hast -deinen Reichtum eingebüßt — — —. Sie, sie geht nun in die Arbeit, in die -Welt — — —! - - - - - IM VOLKSGARTEN - - -Juli im Volksgarten. Die holde Frische der Gewächse ist vorüber. Nur -Rosa Crimson Rampler blühen als dunkelrotes Gebüsch. Auf dem Teich vor -dem Elisabethdenkmal sind die Seerosen verblüht. Nur die Blätter liegen -papierflach auf grünschillerndem Wasser. In den riesigen hellgrauen -Tonkübeln blühen hellrosa Hortensien. Die marmornen Kindergesichter an -den Brunnen strahlen Lieblichkeit aus sondergleichen. Es sollen die -Kinder des Bildhauers selbst sein. Heil ihm! Ein Mäderl von neun Jahren -zeigt uns alle ihre herrlichen Künste. Sie hat nur ein weißes Hemd an -mit einer dicken roten seidenen Schnur. Sie läuft Springschnur wie ein -griechischer Marathonläufer. Sie spielt Diabolo wie ein Champion. Sie -spielt zugleich mit zwei Raketts und zwei roten Gummibällen. Ich rufe: -»Bravo, bravo!« als säße ich in einem Variété. Sie hat nackte -Gazellenbeine. Sie macht alles von nun an infolge des Applauses für mich -und meine edle Freundin. Einmal heben wir ihr einen Ball auf. Sie weiß, -sie befindet sich in unsrer Gunst. Sie hat fremde Menschen für sich -gewonnen, sie hat die enge Sphäre von Papa, Mama, Onkel, Tante -überflogen, sie ist in das Land eingedrungen objektiver Anerkennungen. - -Und da sagte ihre Mama: »Spiele doch zu mir zu, ich will dich auch -sehen, nicht immer nur deinen Rücken.« - -Da wandte sich das Kind von uns ab und spielte gegen die Mama zu. Nur -hie und da blickte sie sich um nach ihren fremden Verehrern. - -Später kam der Papa, ermüdet vom Geschäfte. - -»Amüsierst du dich, Anna?!?« sagte er zu seinem Töchterchen. - -»Amüsieren, amüsieren —« dachte Anna, »man bewundert mich, man staunt -mich an —.« - - - - - ANSPRÜCHE EINER ROMANTIKERIN - - -Wenn dir, Du angeblich Liebender, jeder Atemhauch meines Mundes ebenso -berauschend wäre wie meinem Peter, - -wenn dich mein Gehen, Stehen, Sitzen, und jede Linie meines Leibes -ebenso entzücken könnte, - -wenn der dunkle Klang meiner Stimme, wie Peter sagt, aus dem -Gaumen-Resonanzboden, - -dir ebenso lieblich tönen könnte, - -und ebenso berauschend das Rauschen meiner seidenen Unterkleider wie -ihm, - -wenn du in das Waschwasser meines Lavoirs, in dem ich badete, ebenso -liebevoll deinen Kopf untertauchen könntest wie er, - -gleichsam um zu ertrinken in heiliger Flut; - -wenn du mich ebenso nähmest als überirdisches Wesen, das ich natürlich -nicht bin und nicht sein kann, bei Tag und Nacht, - -wenn du also gleich ihm aus meinen Armseligkeiten eine verklärte -Dichtung machen könntest, die dich beglückte und Leben spendete wie Tau -und Sonne den zarten Pflanzen — — — - -wer weiß, ob ich mich dann nicht verführen ließe, dir zu dienen gleich -ihm — — —. - -Aber du kannst, du wirst es nicht zusammenbringen! - -Es sind Mysterien, aufbewahrt von Gott den wirklich liebevollen -Herzen!!! - -Das zu erkennen, ist unser einziger, unser bester Schutz! - -Es gibt nur immer einen, dem wir ein Verhängnis werden! Den anderen sind -wir Zitronen, die man auspreßt, und deren Schale man in die Latrine -wirft! - - - - - LEBENSWEG - - -Der Ältere und der Jüngere waren anfänglich kolossal eifersüchtig -aufeinander. Bis der Ältere ihr einen geläuterten Brief schrieb. Darin -stand unter anderm: »Der Jüngere ist der Jüngere. Daher hat er den -momentanen Sieg. Aber der Ältere ist der Ältere. Daher hat er einen -Vorsprung, welcher Art immer. Es wird sich schon zeigen —.« Sie verstand -kein Wort davon. Infolgedessen versöhnten sich die beiden Rivalen. - -Dem Jüngeren ward sie aber zu einfach, zu ruhig mit der Zeit. Der Ältere -ruhte bei ihr aus, von den Strapazen seiner Seelenweltreisen. Der -Jüngere hatte sie lieb, solange sie nicht da war, der Ältere erst, wenn -sie neben ihm dahinging wie ein verlorenes Kindchen. Er dachte dabei an -die »Ludern«, denen er unnützerweise sein Denken, sein Dichten, sein -Träumen geweiht hatte durch Jahre, und die doch nur sich-überhebende -freche Püppchen gewesen waren zeitlebens. - -Aber auch er hatte bald genug von ihr, obzwar er sie brüderlich zärtlich -lieb hatte und sie ganz verstand und achtete. Der Jüngere feierte hie -und da dennoch immer wieder Orgien mit ihr und behauptete dann, sie sei -doch die einzige von allen. Der Ältere brachte sie zum Chor der -Operette. Es begann ihr sehr gut zu gehen. Aber immer wieder kam sie zu -dem Jüngeren zurück ohne Grund, und zu dem Älteren sagte sie sanft: -»Wissen Sie noch, wie Sie mir die Pfirsiche geschenkt haben?!« Später -fuhr sie im eigenen Automobil. Sie vergaß ganz des Jüngeren. Aber so oft -sie den Älteren erblickte, sagte sie sanft: »Servus, Pfirsich-Herr!« - - - - - DIENSTE - - -Man kann vielen Menschen riesige Dienste in den geringsten Kleinigkeiten -leisten. Aber niemand tut es. Zum Beispiel einer Dame zu sagen: »Wenn -Sie sich abends mit einem trockenen englischen Reibhandschuh, -fleshglove, den ganzen Leib leicht rosig reiben lassen werden, ganz, -ganz zart, ohne Reibeisengefühl, so werden sie gegen Zugluft vollständig -immun werden!« - -Ich trat einst auf eine wunderbar schöne Frau zu und sagte zu ihr: -»Gnädige Frau, ich könnte Ihnen einen wesentlichen Lebensdienst leisten, -den Ihnen wahrscheinlich sonst niemand leisten würde —.« »Nun, worin -besteht er?!« »Sie haben in Ihrem wunderbar modellierten Ohr einen -schwarzen Mitesser, den ich auf die zarteste Weise mit einem geschickten -Druck meiner zwei Finger entfernen könnte. Mancher Mann könnte daran -enttäuscht werden, und es könnte Ihren edlen Lebensweg erschweren —.« - -Die Dame erbleichte, stand auf, ging mit mir hinaus. Ich entfernte ihr -den schwarzen Mitesser aus dem rosigen Ohr. - -Dann sagte sie: »Sie, Herr, wie kommen Sie eigentlich zu solchen -Unverschämtheiten?! Was gehen Sie denn meine Ohren an?!« - -»Nichts«, erwiderte ich und entfernte mich befriedigt. - - - - - WIE ICH GESUNDET BIN - - -Ich bin nämlich gar nicht gesundet, sondern aus dem Grabe, wie ein -Gespenst meiner selbst auferstanden. Aber ich habe in Inzersdorf bei -Wien einen schönen stillen Park gehabt mit Naturwiesen, einen -allerbesten Direktor Emil Fries, einen Gentleman vom Kopf bis zu den -Sohlen, seine edle französische Frau zu meiner idealen Gesellschaft, -taktvoll und herzlich vom Kopf bis zu den Sohlen; Fräulein Herta, die in -sich Gekehrte ... Und die Gouvernante der Kinder war eine edle -Melancholikerin, die die Bürde des Lebens tragisch auf sich nahm. Der -Park hatte eine Allee mit großen holzgeschnittenen Löwen, die Wappen -trugen, und in den riesigen runden dunklen Gebüschen nisteten Vögel. - -In diesem Milieu, wo nichts mich marterte, lugte ich noch einmal aus dem -Grabe heraus, so ein letzter Blick auf wahre Werte der arg verworrenen -Menschheit. - -In einem dunklen Gartenparterrezimmer sitzen seit Jahren Graf C. und -Herr von D. hart nebeneinander in alten Lederfauteuils, wortlos, ohne -sich zu rühren, stunden- und stundenlang wie Wachsfiguren, bis jemand -kommt und sie zu Bette legt. Nie, nie, nie sprechen sie einen Wunsch -aus, rauchen nicht, langweilen sich nie, warten auf die Tage, die -Monate, die Jahre, wie alte Bäume im Frieden der Natur. - -Ich bin nicht gesundet; meine Qualen haben sich ins Maßlose gesteigert, -ich ringe um Tag und Stunde und um irgendeinen Lichtblick, wie es die -englische Tänzerin Esther war, die am ersten Abend zu mir gesagt hat: »I -have been in the whole world, but I have learned only one important -thing: To hate the man! Was will er ewig von uns, während unsere Seelen -noch kalt sind, und wir ihm doch schon unser Bestes, ja unser Liebstes, -unser Tanzen spenden?!?« Esther, Esther, o Esther — Sie sagte: »Du, ich -werde dich besuchen, aber nur wenn du ganz krank bist, ganz, und mit -geschlossenen Augen daliegst, denn da brauchst du nicht mit mir zu -sprechen.« - -Ich bin nicht gesundet und werde es nie, nie mehr wieder. Ich ringe mir -noch irgendeinen Lichtblick ab, und dann adieu. — - - - - - GOTTESGNADENTUM - - -Gott, der in der Natur _geheimnisvoll_ thront, um Ideale abzuwarten, die -sich endlich _realisieren_ sollen, will für alle, alle, alle, -leidenschaftlichst ihre Entwicklung zu ihrer Vollkommenheit, zur -Glückseligkeit, zu ihrem eigenen inneren und äußeren Frieden! Er -überträgt daher vorerst den Herrschern diese zarte und schwierige -Mission, solange das Volk noch _unmündig_ ist. Aber später fühlt es -leider der Herrscher nicht, daß seine Milliarde von Schützlingen _aus -eigener Kraft_ Gottes Wege zu wandeln bereits erstarkt sind! Wie wenn -ein Achtzigjähriger noch immer von seinem fünfzigjährigen Sprößling -sagte: »Karlchen hat sich verkühlt — er muß einige Tage das Bettchen -hüten — — —«. So behandeln die Monarchen ihr geliebtes Volk, haben keine -Ahnung, daß es _längst mündig_ geworden ist, sie selbst aber unterdessen -_greisenhaft_. - -Gottes Gnade kann einem einzelnen verliehen sein, der für alle -_zugleich_ sorgt; sie kann aber _später_ allen verliehen sein, die -_einzeln für sich selbst sorgen_! Vom einzelnen und von der Gesamtheit -jedoch kann Gottes Gnadentum in gleicher Weise mißbraucht werden! Es -kann einer für alle das Glück verschaffen oder verhindern; es können -alle es für sich selbst ebenso! - -Gottes Gnade strömt aus Gottes Geist, aus Gottes Herzen; und ein kleiner -zarter Knabe kann sie ausüben, wenn er tausend Erwachsene vor einer -Gefahr bewahrt, die sie selbst nicht ahnen in ihrer rastlosen -Geschäftigkeit. Wenn der Herrscher die _wirkliche Gnade Gottes_ -repräsentiert in bezug auf ein ganzes Volk, so hat er das Recht, von -seinem _Gottesgnadentum_ zu sprechen! - -In diesem Falle aber wird selbstverständlich das ganze Volk diese -Repräsentation auch unbedingt bis in die innersten Nerven hinein spüren, -und daher _aufjubeln_ und Dankgebete für ihn verrichten! Wenn das aber -nicht geschieht, sondern _Murren_ und _bange Verzweiflung_ in den Landen -losbrechen, dann ist es an der Zeit, für die Weisen der Nation, Einkehr -zu halten, Ausschau, und dem _Bedenken_ ihre geistigen Tore weit zu -öffnen! - -Es gibt kein Zurück, nach Gottes Ratschluß! Es gibt nur ein Vorwärts, -Vorwärts, Vorwärts, in jeglicher Sphäre menschlicher Betätigungen! Wer -das unternimmt, ein einzelner oder alle, steht unter Gottes Gnadentum! - - - - - AN EINEN UNMODERNEN ARZT - - -Werde gläubig! Gehe doch endlich von deinen eingewurzelten Prinzipien -ab, die für niemanden passen als eventuell für dich selbst, und siehe, -für dich sogar _vielleicht auch nicht_! Denn du sogar bist _besser_ als -dein eigenes Wissen! - -Wolle neue, dir unbekannte, dir noch unverständliche Welten kennen -lernen, öffne deine Augen und Ohren den neuen merkwürdigen Ereignissen! - -Was du selbst weißt und erfahren hast, ist alt, vermodernd und tot! - -Was andere dir bringen aus anderen Welten, kann dich erneuern! - -Schaue mit _ihren_ Augen, horche mit _ihren_ Ohren, fühle mit _ihren_ -Seelen, denke mit _ihrem_ Geiste! - -Wehe dir, wehe, wehe, der du deine eigene Welt den anderen -_aufoktroyieren_ willst! - -Solches durfte nur der Heiland — — —. Denn er _wußte_ es, _wofür_ er -sich kreuzigen ließ — — —. - -Aber du hast dich ewig zu _bescheiden_ und den Welten der _anderen_ zu -lauschen, von denen du Töne vernehmen kannst, die dir bisher leider -fremd waren! - -Nicht was du _bisher_ wußtest, kann dich bereichern, sondern das, was du -bisher _nicht_ wußtest! - -Aus der Weltenwurzel ewig neuartige Säfte, Kräfte ziehen, heißt, ein -feiner, nobler, kultivierter Mensch sein! - -Sein eigenes armseliges Weltchen den ungeheuren Komplikationen des -Weltenalls _entgegenstemmen_ wollen, ist eine _feige Gemeinheit_! - -Ergib dich den neuen, dir noch unverständlichen Wundern, und erhoffe es -dir, durch neue Erfahrungen _dich selbst endlich desavouieren zu -dürfen_! - - - - - ZYNISMUS - - -Ein neunzehnjähriger Gymnasiast tötet eine Fünfzehnjährige mit fünf -Revolverschüssen. Er verteidigt sich in keiner Weise. Was liegt also -vor?!? Es liegt vor das unbewußte Bewußtsein aller Höllenqualen, die -einem liebenden Manne noch Zeit seines verdammten Daseins bevorstehen -und die eine dumme, verwöhnt werdende fünfzehnjährige Schöne den Männern -bis zu ihrem 35. Lebensjahre unbedingtest allmählich noch bereiten wird! -Rettung gibt es da nicht in diesem Höllenpfuhle. Die mörderische -Schlacht ist vorzeitig, ist also rechtzeitig entbrannt, und muß zu Ende -gekämpft werden, von dem _unbewußt voraussichtigen_ Desperado, mit fünf -heimtückischen Todesschüssen, weil die 15jährige Geliebteste, -Allergeliebteste, von einem Nachbar in »kindlicher Freude« fünf Rosen -annahm, einen Don Juan von Kellner daran liebenswürdig-holder Weise -riechen ließ, und dieselbe Gnade dem unglückselig Liebenden dann -ironisch versagte! Seine Voraussicht kommender grauenvoller Leiden war -seine _verbrecherische Genialität_! Das Fräulein beginnt bereits, ganz -geheimnisvoll, sich zu fühlen als Beherrscherin und Zerstörerin dieser -unglückseligen zarten Welt »männliche Zuneigung«, und der -neunzehnjährige Rüpel weiß nicht anders die schreckliche Gefahr zu -bannen, als indem er fünf tödliche Schüsse auf die Schuldig-Unschuldige -abgibt! Die Frau, die zartfühlende, menschenfreundlich-adelige hat eine -_Verpflichtung_ gegen an ihr erkrankte Männerseelen! Nicht gerade die -Verpflichtung, endgültige Erlösungen ihnen zu spenden, jedesfalls aber -nicht mutwillig in eiternden Wunden herumzustochern — — —. Es ist keine -große Kunst und keine Lebensaufgabe, Männer irrsinnig und seelenkrank zu -machen; aber ihnen wenigstens wie ein milder, menschenfreundlicher Arzt -die äußersten und unnötigen Qualen zu ersparen, das wäre beginnendes, -zartes, strahlendes, sich selbst vor allem belohnendes Menschentum! - - - - - NACHTCAFÉ - - -Was ist ein Nachtcafé?! Etwas Unverlogenes. Die Mädchen wollen leben und -nicht Frondienste leisten, nicht Schaffel reiben und Nachttöpfe fremder -Menschen reinigen, solange sie noch entzückende Leiber haben. Sie wollen -sich andererseits betrinken, um zu vergessen, daß das alles nicht so -weiter geht, in infinitum. Sie stehen vor stündlichen Gefahren, müssen -sich berauschen an irgend etwas, um sich Mut zu machen für die Schlacht -des Lebens! Niemand behandelt sie nach ihres jungen Herzens Wunsche! -Infolgedessen rächen sie sich, wie sie es können, bald so, bald anders! -Heimtückische, feige Marodeure sind nur die Männer! Eine, der ich in -Briefen meine tiefste Sympathie, mein gerechtestes Verständnis bewiesen -hatte, sagte dennoch: »Du mußt mir die zwanzig Kronen im vorhinein -bezahlen — —! Wir haben es leider gelernt, selbst romantisch veranlagten -Dichtern nicht mehr zu trauen — — —!« - -Die Damenkapelle ist eine Oase. Sie sind verheiratet, Bräute, oder sonst -treu irgend jemandem. Sie haben ein konsolidierteres Schicksal. Sie -haben irgend etwas gelernt, wodurch man sich weiterbringt. Sie haben -sich der Lebensordnung eingefügt. Ob sie glücklicher sind, nicht andern -Enttäuschungen, Gefahren ausgeliefert?!? Zwei Welten, hart aneinander, -einander gleich in ihren schweren Kämpfen. Keine Damenkapelle ohne diese -Hetären, keine Hetären ohne diese Damenkapelle! Nur die Männer sind das -perfide Element. Sie möchten alle zusammen unglücklich machen, ihre ewig -hungrigen Eitelkeiten mästen mit den unglückseligen Blicken verliebter -Frauen! Damenkapelle oder Hetäre gilt ihnen gleich, ihre innere rohe -Leere mit einem liebevollen dummen Frauenherzen auszufüllen — — —! -Nachtcafé, du kleine miserable Welt, du Abbild der großen, noch viel -miserableren! - - - - - DIE NERVEN - - -Ich hatte einen Freund, einen höchst intelligenten Menschen. Aber seine -Nerven, oh, die waren gar nicht intelligent ... - -Eines Abends im Café sagte er zu mir: »Du, Peter, du könntest mir einen -riesigen Freundschaftsdienst erweisen! Ich fühle mich heute wieder so -greisenhaft, so ausgelöscht ... Bitte sage mir nach fünf Minuten, daß -ich heute besonders frisch und jugendlich aussehe ...« - -Ich nahm die Uhr, legte sie auf den Tisch, und sagte nach fünf Minuten: -»Du, sage mir, was ist heute los mit dir? So jugendlich frisch hast du -wirklich schon lange nicht ausgesehen ...!« - -Er wurde ganz rot vor Freude, ganz begeistert, und erwiderte: »Wirklich? -Das freut mich! Solche angenehme Sachen sagt einem halt niemand auf der -Welt wie du!« - - - - - BRITISCHE TÄNZERINNEN - - -Im Wiener Moulin Rouge ist jetzt eine Truppe von acht jungen -Engländerinnen, die angeblich nicht viel tanzen können. Das ist aber -grundfalsch und eine echt dilettantische Auffassung. Die Art, wie eine -Frau ihre Persönlichkeit in Bewegung, in Tanz wiedergibt, ist das -Wertvolle an ihr und an ihrer Darbietung! Das allein! Das Schreckliche -an unsern frühern Tänzerinnen war eben, daß die Schulung und die -Künstlichkeit ihre persönliche Grazie, ihre individuelle Bewegungsart -auslöschen, vernichten mußten! In der modernen Welt wird aber die -Persönlichkeit frei, und man verzichtet gerne auf die sogenannte hohe -Schule! Diese jungen acht Engländerinnen, die angeblich nicht viel -können, wie die Tanzmeister an den Tanzschulen behaupten, diese jungen -acht Engländerinnen repräsentieren in Art und Gebärde dennoch die -keusche, kindliche, merkwürdige Anmut aller englischen Mädchen und -Frauen, die von Natur aus und ganz von selbst mit unbeschreiblichem -Geschmack und Takt begabt sind und niemals mehr vorstellen wollen im -Leben, als ihnen von Natur und Schicksal beschieden ist! Sie bleiben -kindlich-herzig unter allen Umständen, in jeder Situation, in jeder -Lebenslage; sie akkomodieren sich nicht feigerweise, wünschen lieber zu -langweilen, als mit übertriebener Lustigkeit aufzuwarten! Sie tanzen, -wie Kinder im Volksgarten, im Stadtpark tanzen würden; oder im Hofe bei -einem Werkel, oder sonstwo für sich allein — — —. Sie rühren, ergreifen, -und ihre Tanznatürlichkeit besiegt die entsetzliche Tanzkunst, die sich -eine jede fast in emsigem Bemühen erwerben kann! Möchten wir uns doch -endlich, in jeder Hinsicht, von der schrecklichen historischen -Überlieferung emanzipieren, dieser Arterienverkalkung der menschlichen -Seele! Es gibt heutzutage bereits einige Tänzerinnen, die nur ihr -eigenes Wesen in Bewegung umsetzen, ihre persönliche Grazie allein -wirken lassen! Mögen sie bei den Tanzmeistern durchfallen, bei den -Meistern des lebendigen Lebens werden sie reüssieren. Diese acht jungen -Engländerinnen tanzen wie die allerherzigsten Kindchen, sie rühren und -ergreifen, sie geben sogar eine Idee von Englands Frauen überhaupt! -Seien wir ihnen vor allem dankbar, daß sie uns die manierierten, -affektierten, berechnenden Frauen noch unausstehlicher machen durch den -Kontrast! - -»Ich hole mir eine arme englische Tänzerin zur Frau«, sagte einmal ein -genialer welterfahrener Mann zu mir. - -»Bravo,« erwiderte ich, »aber wissen Sie auch, weshalb Sie das tun?!?« - -»Es sind kindliche und dankbare Geschöpfe, die es einem nie vergessen, -daß man sie errettet hat vor dem und jenem, was immerhin passieren -könnte. Außerdem ist ihnen der sichere Ehrentitel »Missis so und so« -wertvoller als die flüchtigen Triumphe, denen Enttäuschung auf dem Fuße -folgt!« - -Ich glaube, die anständige, angeblich temperamentlose Engländerin macht -das bessere Geschäft auf Erden, als die leichtsinnigen, lebensunkundigen -andern. Anständigkeit ist Willenssache. Aber diesen Willen eben haben -wollen, in allem und jedem, ist Kultur und Adel. Die Engländerin will -eben anständig sein! Möge sie daher Frieden, Achtung und Sorglosigkeit -einheimsen! Man gönne es ihr ... - - - - - DER TRATTNERHOF - - -Also dieser aristokratisch-einfache, zweckmäßig gegliederte alte Bau -soll nun auch verschwinden! - -Statt dessen werden schreckliche Unnötigkeiten erstehen, Türmchen mit -Kupferplatten versehen, oder eiserne schwarze, oder vergoldete; riesige -Emailplatten in allen Farben; kleine Balkone, auf die niemand -hinaustreten kann, mit Geländern wie irrsinnig gewordene Schlänglein! -Ein Tohuwabohu von Unzulänglichkeiten! Ein architektonischer Hexensabbat -alles Unnötigen, Unzweckmäßigen, blöd Verschwendeten auf Erden! In -unseren geliebten Spielereischachteln einstens waren Häuser mit glatten -edlen Wänden, breiten Fenstern, hohen Dächern, großen Haustoren. Da -konnten wir uns weite, stille, abgeschiedene Zimmer hineindenken, in -denen man ein Refugium fand vor den Stürmen des äußeren Lebens! Aber -heutzutage ist man ehrlich; an der Schnickschnackfassade sollst du es -nämlich sogleich zu spüren bekommen, daß du auch in deinem eigenen, von -dir selbst bezahlten Zimmer, keinerlei klösterlichen Frieden, Ruhe, -Sicherheit, Vereinsamung, Abgeschlossenheit mehr finden könntest — — —! -Die Menschen suchen Ornamente, Verschnörkelungen, _Zieraten_ (ein -ekelerregendes Wort), weil sie zu ihren eigenen, in sie von Gott -gelegten _Paradieseseinfachheiten_ noch nicht vorgedrungen sind! - -Der alte, einfache, edle Trattnerhof hat durch Jahrzehnte niemanden -gestört, belästigt. Ich sehe nun schon alle Künsteleien ihre -schändlichen Orgien feiern. Häuser werden zum Bewohntwerden errichtet, -meine Herren Architekten; architektonische Knockabouts gehören in den -Wurstelprater! - - - - - ARTISTISCHE RUNDSCHAU, WIEN - - -_Djellah_. Über diese Künstlerin wollen wir einem berufenen Fachmann und -zwar dem Altmeister _Peter Altenberg_ das Wort lassen, welcher folgendes -schreibt: - -Es ist sehr schwer für mich, über den »Clou« des Etablissements -»Tabarin« zu schreiben. Denn es ist geradeso, wie wenn man sein eigenes -Kindchen zu loben hätte öffentlich. Und stets betrachtete ich diesen -speziellen Typus von adeliger, schlankster brauner Frauenschönheit als -meine geliebten vergötterten Kindchen. Ich meine in diesem Falle die -malayische Tänzerin Djellah. Nicht was sie kann, was sie ist, ist ihr -Besonderes! Ihr Sein, die Form ihrer Glieder, der Ausdruck ihrer Augen, -die Modellierung von Stirn und Nase, die Farbe ihrer Haut, die Zartheit -ihres Wesens ist ihr Besonderes. Man würde sie ebenso verehren, wenn sie -langsam durch Lianenwälder schritte, oder in einem kleinen Rindenboote -säße, oder in einem Dorfe vor einer niederen Hütte kauerte — — — Sie -repräsentiert eine _andere_ Welt, eine schlanke, biegsame braune Welt, -erfüllt mit natürlicher Anmut und sanfter Bewegungsfreudigkeit. Die -unbeschreibliche Schönheit ihrer gelbbraunen Beine zu schildern, wäre -geschmacklos. Vor Idealen verstummt man, falls man nicht ein ganzes -Feuilleton darüber zu schreiben den ehrenden Auftrag erhalten hätte. Da -freilich muß man loslegen, coute que coute. Djellah ist in der Richtung -der herrlichen Ruth St. Denis; nur leidenschaftsloser, weniger -prunkvoll, selbstverständlich, ohne Cobragiftdekoration. Um so edler und -wertvoller. Bei uns kümmert man sich leider noch immer viel zu viel um -das »Können« von Menschen, als ausschließlich um ihr »Sein«. Das -Erlernbare ist »erlernbar«, aber vor dem »Unerlernbaren«, in jeglicher -Richtung, da müssen wir »Habt Acht« stehen und ehrfurchtsvoll -salutieren. Heil Djellah — — —! Können, erlernen, ist gar nichts; aber -es von Schicksals Gnaden mitbekommen haben, Glieder, Hände, Füße, -Gelenke, Teint usw. usw., das ist das wirklich Besondere auf -Erden — — —! Da beginnt nämlich die _physiologische Aristokratie_! - - - - - PARFÜM - - -Als Kind fand ich in dem Schreibtisch meiner geliebten wunderbar schönen -Mama, der aus Mahagoni war und geschliffenem Glase, in einer Lade einen -leeren Flacon, der aber noch immer intensiv nach einem bestimmten, mir -unbekannten Parfüm duftete. - -Oft schlich ich mich hin und roch dann. - -Ich verband dieses Parfüm mit aller Liebe, Zärtlichkeit, Freundschaft, -Sehnsucht, Traurigkeit, die es überhaupt gibt. - -Aber alles bezog sich auf meine Mama. Später überfiel uns das Schicksal -wie eine unvorhergesehene Hunnenhorde und bereitete uns allenthalben -schwere Niederlagen. - -Und eines Tages zog ich denn von Parfümeriehandlung zu -Parfümeriehandlung, um in kleinen Probefläschchen vielleicht das Parfüm -zu entdecken aus der Mahagonischreibtischlade meiner geliebten -verstorbenen Mama. Und endlich, endlich entdeckte ich es: Peau -d’Espagne, Pinaud, Paris. - -Da gedachte ich der Zeiten, da Mama das einzige weibliche Wesen war, das -mir Freude und Schmerz, Sehnsucht und Verzweiflung bereiten konnte, das -mir immer, immer wieder aber alles verzieh, und das um mich sich sorgte, -und vielleicht sogar insgeheim abends vor dem Einschlafen für mein -künftiges Glück gebetet hatte ... - -Viele junge Damen sandten mir in kindlich-süßen Begeisterungen später -ihre Lieblingsparfüme, dankten mir herzlichst für ein von mir erfundenes -Rezept, jedes Parfüm nämlich unmittelbar nach dem Bade direkt auf die -nackte Haut des ganzen Leibes einzureiben, so daß es wie echte eigene -Hautausdünstung wirke! Aber alle diese Parfüme waren wie die Gerüche von -wunderschönen, aber eher giftigen exotischen Blumen. Nur Essence Peau -d’Espagne, Pinaud, Paris, brachte mir melancholischen Frieden, obzwar -meine Mama nicht mehr vorhanden war und mir nichts mehr verzeihen konnte -von meinen Sünden! - - - - - ÜBERS SCHREIBEN - - -Ich bin durch einen Brief meines wirklichen Freundes und -freundschaftlichsten (er schreibt unerhört flink auf einer allerbesten -Schreibmaschine) Fr. W. erst zur Erkenntnis gekommen, zur plötzlichen -einbrechenden einfachsten Erkenntnis, daß _gut_ Briefe schreiben nur -bedeuten könne, _so_ zu schreiben, als _höre_ der Briefempfänger während -des Lesens unmittelbar den neben ihm sitzenden Schreiber des Briefes -laut und eindringlich mit ihm _sprechen_! Diesen Unterschied des -_schweigend_ Schreibenden und des _tönend_ Sprechenden ausgleichen -können, vollständig, in einem Briefe, heißt Brief _schreiben können_! -Alles andere ist literarischer Mumpitz mit Lorbeeren gekrönt à la -Schweinskopf. Temperament, Ungezogenheiten, Eigenheiten, Frechheiten, -Dummheiten, alles muß _herausgellen_, gellen, gellen; sonst ist -es eine gemachte, verlogene und daher _ennuyante_ Sache! -Briefmomentphotographie! - -Zu mir kam einmal einer meiner Freunde, der Uhrmacher Josef T. Er hatte -seine wunderbare 23jährige Geliebte zu Grabe geleitet. - -»Peter, Sie kennen mich, helfen S’ mir! Eine Grabschrift von Ihnen für -meinen marmornen Gedenkstein! Wann darf ich hoffen, daß Ihnen was -Passendes einfallen dürfte?!?« - -»_Sofort_,« erwiderte ich mitten auf der Straße, »oder _nie_!« - -Er riß sein Notizbuch heraus. - -Ich schrieb: - - »Ich war der Uhrmacher Josef T., - Und dann war ich im Paradiese durch Dich — — —. - Und jetzt bin ich wieder der Uhrmacher - Josef T. — — —.« - -So rasch, so prompt muß man seine Menschlichkeiten ausschütten; denn -später wird es eine fade Sauce! Daher die vielen faden Saucen — — —. - - - - - ANGSTSCHREI - - -Es gibt nur einen einzigen, einen allereinzigsten Beweis einer Frau, -ihrer echten, menschlichen, aufrichtigen, anständigen Beziehung zu uns: -das ist, uns mit Absicht und heiligem Willen jegliche Eifersuchtsqual zu -ersparen, ja sie in jedem Augenblick einfach unmöglich zu machen! Dieser -gütige Wille allein beweist uns ihre wirkliche Zusammengehörigkeit mit -uns! Diesen gütigen Willen kann sie sich zulegen! Sonst bekommt unser -Edelgehirn den Verfolgungswahn, gleich diesem adeligsten Gehirn -Strindbergs! - -Eine geliebte Frau muß uns schützen wollen zu jeglicher Stunde, da wir -einmal in bezug auf ihren geliebten, vergötterten Leib in einer Art von -mysteriöser Hypnose uns befinden! Diese unsre schreckliche, durch sie -allein erzeugte Krankheit muß sie behandeln wie ein Arzt einen -unglückseligen schwer Erkrankten, der seiner Obhut sich gläubig -überläßt! Wehe, wenn sie diesen ohnedies schwer Leidenden auch noch -absichtlich schwächen wollte, statt ihm Heilung zu bringen, da es doch -nur von ihrem edlen anständigen Willen abhängt, es zu erreichen! - -Diese Heimtücke, uns absichtlich unglückselig zu machen, ist die -Schlange in ihr. Denn jede anständige Persönlichkeit hat den natürlichen -Wunsch, ihren armen Nebenmenschen zu helfen und zu dienen, soweit es -nämlich möglich ist! Die Zerstörungselemente sind eine gottlose infame -Gemeinheit, die nur in teuflischen Organisationen liegt. Jede andre -sucht zu schützen und zu helfen, soweit es möglich ist! - -Eifersucht ist eine schwere Erkrankung des Gehirns, die von jeder -menschenfreundlich gesinnten Frau gebannt, geheilt werden kann. Wenn sie -es absichtlich unterläßt, so ist sie eine Teufeline, eine, die sich an -der Zerstörung unsrer heiligen Lebenskräfte weidet, weil sie nur Böses -überhaupt leisten kann und Zerstörendes, nicht aber Leben, Freudiges und -Gedeihendes! - -Mögen die wertvollen, kultivierten Männer ein wenig genauer zusehen, -wodurch ihnen der größte Teil ihrer wertvollsten Lebensenergien -eigentlich vollkommen grundlos täglich geraubt und vernichtet wird, und -mögen sie endlich anfangen, sich ernstlich zu schützen vor dieser -tiefsten Gefahr: Ungezogenes, eitles, freches und sich überhebendes -Weib! Teufeline statt Schutzengel! - - - - - JULI-SONNTAG - - -Fünf Uhr morgens. Alles ist gebadet in gelbem Sonnenlicht. Noch ist es -frisch und kühl. Viele Touristen erheben sich aus dem Schlaf, -unausgeschlafen, der Sonne entgegen. Leicht wird es ihnen, mit kaltem -Wasser das Schlafbedürfnis zu bannen. Noch ist es kühl, und man -schreitet dem heißen Tag entgegen, wie in die heiße Schlacht! - -Viel zu wenig bieten der Tag und die Stunde den meisten. Und auch das -genügsamste Herz lechzt nach Außergewöhnlichem. Da kommt der -Juli-Sonntag in grellem gelbem Licht! Juli-Sonntag, du sollst es -bringen! - -Überallhin echappiert die unzufriedene Menschheit. Müde gelaufen fällt -sie dann zurück in die Pflicht! Montag, wie wärest du sauer, wärest du -nicht die Quelle und Ursache sonntäglich kommenden süßen Glücks! -Sonntags siehst du die Müden in Wiesen und Wäldern gelagert, rein -gebadet vom Schmutz der vergangenen Woche, kommender Woche gefaßter -entgegenharrend. - - - - - DER JAGDHERR - - -»Herr Baron, weshalb sehen Sie heute so gedrückt und verstimmt aus?! -Wenn _Sie_ nicht froh und sorglos aussehen sollten, wer könnte es dann -noch überhaupt?!?« - -»Sie scheinen es nicht zu wissen, daß jetzt der Herbst ist und die -›Hirschbrunft‹ anfängt. Nein, wie mir mein Oberförster gemeldet hat, daß -die Hirsche bereits ›röhren‹, da begann meine Verzweiflung. Ich hörte -schon die stundenlangen, endlosen Gespräche meiner geehrten Jagdgäste -darüber, weshalb und aus welchen komplizierten Gründen sie den -Vierzehnender nicht _getötet_ haben. Ich sage zu meinen Jagdgästen immer -absichtlich ›getötet‹, denn da giften sie sich am meisten; denn -eigentlich müßte man sagen —, aber das stupide technische Wort kann ich -mir, oder will ich mir vor allem, nicht merken. Meine Gäste wären so -nette Menschen, wenn sie nicht jagen würden! Ich verstehe absolut nicht, -weshalb ein Hirsch, der vierzehn Enden hat, interessanter sein sollte -als einer, der überhaupt kein Ende hat. Jedenfalls, so viel Enden kann -kein Hirsch haben, daß er für mich an Interesse gewänne! Ich esse nicht -einmal sein Fleisch, da es schwarz, saftlos und meistens zäh ist. Einmal -sagte mir ein Weiser: - -›Wissen Sie, Herr Baron, weshalb ich so gern Hirschbraten esse?!?‹ - -›Nein,‹ erwiderte ich, ›das kann ich mir gar nicht denken — — —.‹ - -›Wegen der Sauce Cumberland, die so gut dazu paßt, aus -Hetschepetschfrüchten, Rosenfrucht, bereitet!‹ - -›Aber, lieber Freund, da essen Sie doch die Hetschepetschsauce für sich -alleine!?‹ - -›Ja, Herr Baron, wenn man _das_ könnte; aber das _kann_ man nicht — — —! -Sie gehört zum Hirschbraten‹. - -Ein Jagdgut ist sehr angenehm natürlich, aber nur wegen der Mühlen, -Kalkbrennereien und so weiter, die dazu gehören. Die vielen Hirsche -stören mich, sie lenken mich ab von einer anständigen, fruchtbringenden -und sinnvollen Tätigkeit. Besonders die Vierzehnender hasse ich; über -die wird nämlich am meisten und wichtigsten Blödsinn geredet. Am -tragischsten aber ist es für mich, wenn dieses Tier nicht getötet, -sondern nur angeschossen wird. Da erreicht die Aufregung meiner -Jagdgäste den Höhepunkt. Man glaubt jedesmal, sie hätten die Schlacht -von Sedan verloren oder wären plötzlich entthront worden. ›Man wird es -schon finden, das arme Tier,‹ sage ich da jedesmal, um sie zu giften. -›Es wird in einem Gebüsch _gestorben_ sein, etsch!‹ Beim Wort -›gestorben‹ möchten sie mich alle ohrfeigen — — —. - -Aber lieber ist es mir, das arme Vieh werde sogleich ins Herz -geschossen, damit es die Leiden erspare und ich meine Ruhe haben könne -beim Souper. Nun werden Sie mich natürlich fragen, weshalb ich überhaupt -eine Jagd habe und Jagdgäste dazu einlade. Da kann ich Ihnen nur mit dem -_mysteriös-philosophischen_ Satze, den noch _kein Kultivierter_ je -ergründet hat, antworten: ›Mein lieber Herr, das verstehen Sie nicht, -_es gehört einmal dazu_!‹« - -Der Baron schwieg; dann sagte er: - -»Einer meiner geehrten Herren Hirschgeweihjagdgäste lud mich aus -Dankbarkeit wieder zu seiner ›Wildschweinjagd‹ ein. Ich war gezwungen, -irgendwo auf einem Balkon, der mit Reisig eingefriedet war, auf das -gutmütige und häßliche Vieh zu warten. Endlich erschien es und knabberte -schnauzend an einem Hügelchen von Kukuruz, das als Lockspeise eigens -listig errichtet war. Da schoß ich es, pumps, ins Herz, und bekam als -Trophäe die Stoßzähne, die ich in den Abort warf — — —.« - - - - - EPISODE - - -Zwei elegante junge Leute stellen sich verlegen vor: - -»Wir sind seit langem begeisterte Verehrer Ihrer Dichtungen und bitten -Sie um die Ehre, an unserm Tische mit uns Champagner zu trinken — — —.« - -»Meine Herren, ich bin sehr, sehr krank, und bitte Sie daher, mir vorher -alle Garantien zu bieten, daß man sich in vollster Korrektheit benehmen -werde!« - -»Aber Herr Altenberg, würden wir sonst um die Ehre Ihrer Gesellschaft zu -bitten überhaupt wagen?!?« - -Zwei Stunden später: »Sie, Peterl, mir san ganz gewöhnliche naive -Menschenkinder, aber Sie haben doch das Raffinement, Sie verstehen doch -diese Sachen aus dem ff. Sie, bitt’ Sie, mir beide fliegen so kolossal -auf dös Menscherl dort am dritten Tisch. Gehn’s, kobern’s es uns zu — -spielen Sie den Vermittler!« - -Ich stand auf, sagte: »Meine Herren, Sie vergessen Ihre zugesagten -Garantien! Ich muß Sie ernstlich daran erinnern — — —.« - -»Was Garantien — wir wollen uns für unser Geld amüsieren.« - -Darauf stand ich brüsk auf, ging zu der Dame hin und brachte sie an den -Tisch. Eine Pause entstand beklommener Verlegenheit. Dann sagte ich: -»Sie haben nun für Ihr Geld Ihr Vergnügen! Apropos, es gebühren mir aber -noch für die Vermittlung zwei Flaschen Schampus! Also her damit! Ich -werde sie aber _allein_ an einem anderen Tische trinken!« - - - - - JOSEF KAINZ - - - Habt ihr Wasser über Felsen donnern, krachen gehört?! - Hagel aufschlagen in taubeneigroßen Körnern?! - Wolkenbrüche auf Dächern niedersausen?! - Sturmwind durch Wälder fegen?! - Felder gemäht werden vom Winde?! - Seewellen an Land hingepeitscht werden?! - Und die Geräusche aller übrigen entfesselten Naturkräfte?!? - Seht, so, so war Josef Kainzens Stimme!!! - So ähnlich muß Gottes Stimme getönt haben, - Als er bei Erschaffung der Welt befahl: - »So und so will ich es!!!« - - - - - BETTLERFRECHHEIT - - -Es ist doch selbstverständlich, daß ein Bettler, der in einem -palastartigen Zinshause im ersten Stocke schüchtern-bescheiden anklopft -oder vielmehr auf den elektrischen Knopf kurz drückt und in äußerster -Zerknirschung um ein Stückchen Brot bittet, es erwartet, daß man ihm ein -Beefsteak mit Spiegelei und extra eine Krone bar hinausreiche. - -Sollte aber jemand naiverweise den Wunsch nach einem Stückchen Brot à la -lettre erfüllen, so darf er sich über die vollständig korrekte Antwort -nicht wundern: »Dös können’s selber fressen!« - -Daher zeugt die Art, ohne demütig zerknirscht anzuklopfen, sondern ernst -und in gerader Haltung 1000 Kronen _geborgt_ zu verlangen, von tieferer -Menschenkenntnis; denn hier klammert sich das Opfer der »ungerecht -verteilten Lebensgüter im Dasein« wenigstens an diese letzte Hoffnung: -»Er wird zurückzahlen, falls er kann — — —.« Nein, Esel, falls er will! -Aber er will nie, nie, nie. Denn wenn er die Kraft mitbekommen hätte von -seines Gehirnes Gnaden, zurückzuzahlen, so hätte er auch vor allem die -Kraft mitbekommen, so sparsam zu leben, daß er nie in eine so -verzwickte, also bereits der _Unanständigkeit_ und dem _Betruge_ nahe -Lage gebracht worden wäre! - - - - - VON MEINEM KRANKENLAGER AUS - - -Ich lese so viel wertlose Bücher annonciert, besonders die, deren -Illustrationen ebenso unverständlich blöd wie die »Sand in die Augen -streuenden« pathologisch-aufgeblasenen Texte dazu sind. Ich gelte selbst -als unverständlich und verworren. Das ist aber ein großer Irrtum. Ich -bin nämlich ganz einfach zu verstehen für Leute, die eine _Seele_ haben -und sogenannte »_Hyperästhesien_«, wie wir Griechen uns auszudrücken -belieben, damit das _Volk_ uns nicht sogleich verstehe. Auf Deutsch -heißt es: _Überempfindlichkeiten_. Und daran krankt oder, wie tiefer -Denkende es auffassen, daran _gesundet_ allmählich unser, bisher ein -bißchen zu brutales Zeitalter. Aber, um auf das Thema dieses Aufsatzes -zu kommen, dessen Einleitung bisher ziemlich verschroben und unnötig -gewesen ist — — —, ich fühle mich eben in diesen verworrenen -Zeitläuften, wo schlecht von gut deshalb schwer zu unterscheiden ist, -weil so viele talentlose Idioten die Konjunktur »Richard Wagner war auch -einst verkannt und mißverstanden« frecher- und tölpelhafterweise -ausnützen, ich fühle mich eben in diesen verworrenen Zeitläuften -verpflichtet, ein unbeschreiblich einfaches, Kindern verständliches, -herrliches, rührendes Buch öffentlich zu erwähnen: Philippe Monnier: -Blaise, der Gymnasiast, übersetzt von Dr. Rudolf Engl und Marie -Döderlein, Verlag Albert Langen. Ich glaube, viele unserer -Literatursnobs werden sich schämen, wenn sie die Wirkung dieses unerhört -einfachen Buches verspüren werden in ihren, zu gordischen Knötchen -verschlungenen Gehirnchen! Es ist keine sonderliche Kunst, sich, indem -man andere, Contemporains, bewundert, den Erfolg eines adelig denkenden -Unabhängigen, Vorurteilslosen zu ergattern! Aber solche _Manöver_ wird -man dem todeskranken, bereits in lichteren Sphären befindlichen Autor -der ausgezeichneten Bücher »Wie ich es sehe« und »Was der Tag mir -zuträgt« keineswegs zumuten können. Blaise, der Gymnasiast, versetzt -feinfühlige Menschen in alle poetisch-romantisch-alltäglichen -Vorkommnisse ihrer Jugend, deren Erlebnisse niemand _vor_ dem 40. -Lebensjahr zu genießen oder literarisch zu verwerten weiß! Jugendzeit, -du goldene Zeit — — —, aber mit welchen _tiefen Niaiserien_ ist sie in -diesem Buche vorgeführt! Man erholt sich von sogenannten talmimodernen -Malern, Dichtern, Bildhauern und Frauen. Wenn ich einfach sein _will_, -so muß ich es vor allem auch wirklich sein _können_. Nicht ein jeder -darf nämlich als »_härener Pilger_« uns belästigen! Etsch! - - - - - KRANKHEIT - - -Wenn sogenannte Freunde einen Schwerkranken besuchen, haben sie -ausschließlich die Absicht, alles schön zu färben. Niemals hat er -blühender ausgesehen, ja direkt verjüngt. Man möchte es nicht glauben, -in dieser kurzen Zeit! Die Hoffnung, mit dem billigsten, was es auf -Erden gibt, dem schönen liebenswürdigen Wort, sich aus der Affäre zu -ziehen, ist größer als der Zwang der Anständigkeit, den die schlichte -Wahrheit erfordert. Man findet sein Zimmer ganz einfach süperb, viel -gemütlicher als sein einstiges Heim, obzwar man genau weiß, daß er mit -allen Fasern seines Herzens an jedem Winkel seines geliebten -Heimatzimmerchens hing. Man vermeidet es geschickt, zu fragen, wer denn -alles bezahle, und fragt diskret an, ob die drei Kronen, die man einmal -rekommandiert geschickt habe, auch wirklich angekommen seien. Bei -bejahender Antwort verklärt sich das Antlitz des Spenders, und er sagt: -»No, siehst du, Peter, wie man dich nicht verläßt in deinen schweren -Zeiten!?« - -Der Kranke wird plötzlich zu einem Verfemten, mit dem man geschickt -lavieren muß. Den Gesunden konnte man auf verschiedene und eigentümliche -Art ausnützen und verwerten: War er gescheiter, so konnte man seine -eigene Stupidität hinter ihm bequem verbergen; war er liebenswürdiger, -so konnte man die eigene Roheit durch ihn geschickt kaschieren. Aber der -Kranke ist zu nichts Rechtem mehr zu gebrauchen. Ihn den Würmern noch -für längere Zeit vorzuenthalten, ist scheinbar eine schlechte -Spekulation; aber ein gewisses Schamgefühl verhindert sie dennoch, den -Unterschied zwischen der Beziehung zu dem Gesunden und zu dem -Schwerkranken allzu augenfällig zu machen. Außerdem könnte es ja doch -unter der Million von Idioten einen geben, der die ganzen Manöver -durchschaute. - -Man liebte den Gesunden selbstverständlich ebensowenig wie den Kranken, -aber man hatte damals wenigstens keine Gelegenheit, ihn als eine direkte -Last zu empfinden, und infolgedessen hielt man die natürlichen -Grausamkeiten ihm gegenüber in gewissen Schranken der sogenannten -Wohlerzogenheit. Trotzdem gönnte ihm niemand Zeit seines Lebens Freude -und Glück, und wenn er es sich trotzdem errang, so geschah es unter -merkwürdig schwierigen, belastenden Umständen, die aus dem Neid der -sogenannten besten Freunde entsprangen. Dem Gesunden gönnte man nicht -eine Stunde lang seine Kraft, zu leben, begeistert zu sein, zu lieben -und aufwärts zu kommen, und erst der Schwerkranke befreit die Freunde -von der stündlichen Gefahr, daß er ihnen über den Kopf wachse. Wenn die -Erfahrungen, die der Kranke macht, dem Gesunden zugute gekommen wären, -wäre er fast ein Genie geworden an Lebenskunst; so aber wurde er das -selbstverständliche Opfer der heimtückischen Lüge des Lebens. - -Oscar Wilde starb, wie keiner von der Million der Enterbten je -dahingestorben ist; aber viele Jahre nach seinem Tode setzte ihm eine -Pariser Dame einen Grabstein, der vierzigtausend Franken kostete. Könnte -der Tote seine geniale Hand emporrecken, so würde er die wertlosen -steinernen und bronzenen Dekorationen zertrümmern, die eine Gans seinen -vermoderten wertlosen Gebeinen gesetzt hat. Gebt dem Lebendigen die -Kraft, alle Genialitäten seines Hirns, seines Herzens für euch -Stumpfsinnige, Keuchende, Kriechende zu verwerten und ausleben zu -lassen, und überlasset die Sorge um die sechs Rappen, die den -Leichenwagen des zu Tode Gemarterten ziehen werden, der Entreprise des -pompes funèbres! - - - - - AN EINE ELFJÄHRIGE (†) - - -Hilde, Elfjährige, ich wußte nichts bis dahin über dich — — —. - -Nun aber habe ich deine Stimme vernommen, deine wunderbar klare tönende -Stimme, - -wie Seelenglocken so hinaustönend in die dumpfe stumpfe Welt! - -Und diese Stimme wird alles viel deutlicher, viel tiefer, viel -erhabener, viel verzweifelter einst sprechen, was das Leben des Tages -und der Stunde uns zu sagen zwingt! - -Wie wird diese Stimme einst sagen: »Bleibe bei mir!?« - -Wie wird sie es sagen: »Du liebst mich nicht mehr!?« Und: »Adieu, -adieu — — —.«!? - -Diese Stimme ist so klar und rein wie Gottes Träume über das Leben der -Menschen! - -Aber das Leben der Menschen selbst ist unklar und schmutzig-trübe! Diese -Stimme wird hineintönen wie eine Seelenglocke, ernst, erhaben, -liebevoll, feierlich, rührend, in das dumpfe Gebrause der Menschheit, -sie wird verklingen, übertönt werden und ausgelöscht — — —. Sie wird -ihren tönenden Glockenklang verlieren und dumpf werden wie die Umwelt -— — —. - -Aber ein alter Dichter auf dem Sterbebett hat sie noch vernommen und -nimmt den Klang mit aus einer dumpfen stumpfen Welt, tief gerührt und -ergriffen — — —. - -Stimme der elfjährigen Hilde, klare tönende Seelenglocke, läute, töne, -solange, solange es irgendwie geht — — —. - -Und wenn sie dumpf wird im Brausen des Lebensgetriebes, dann gedenke, -Hilde, des unglückseligen Dichters, der noch die Seelenglocke deines -edlen elfjährigen Herzens im Ohre mit hinübernahm — —. - - - - - KRANKENBESUCH - - -Die Freunde wollten dem todkranken Dichter eine nach ihrer Ansicht ganz -exzeptionelle vollkommene Schönheit, eine Künstlerin aus München, -vorführen. Sie nahmen daher ein Auto und fuhren hinaus zu ihm in das -Sanatorium. - -Die Dame war ganz einfach angekleidet, ganz in Schwarz. Sie hatte -ungefähr die Gestalt der Kaiserin Elisabeth, ein bleiches Gesicht, -aschblonde, fast hellgraue Haare. - -Die freiwillige Pflegerin des Dichters begrüßte vor der Zimmertür die -Ankommenden und warf einen flüchtigen, merkwürdigen Blick auf das -unbeschreiblich schöne Perlenkollier an dem nackten Hals der fremden -jungen Dame. - -Darauf sagte einer der Freunde des Dichters: »Sie, Fräulein, der Dichter -befindet sich immer in schweren ökonomischen Krisen. Wenn er dies -herrliche Kollier an Ihnen sieht, wird es ihn bei seinen sowieso -zerrütteten Nerven aufregen, daß es Künstler gibt, die anders bezahlt -werden als er.« - -»Oh,« sagte sie, »glauben Sie wirklich, daß ihn das aufregen wird? Dann -will ich es ablegen.« Sie nestelte an der Goldschließe, nahm das Kollier -in die hohle rechte Hand — — —. - -»Sie sind eine liebe, feine Person!« sagte einer der Freunde. »So etwas -Takt- und Geschmackvolles, diesen halb irrsinnigen Dichter so zu -schonen! Ich muß wirklich sagen, ich könnte Ihnen die Hand dafür -küssen.« - -Die Dame trat als erste ruhig in das Krankenzimmer an das Bett des -Dichters, nannte ihren Namen, gab ihm ihre wunderschöne rechte Hand und -ließ ihm das darin befindliche Perlenkollier in der seinen. - -Beim Abschied sagten die Freunde: »Jetzt ist keine Gefahr mehr. Jetzt -können Sie Ihr herrliches Perlenkollier schon wieder anlegen.« - -»Ich will es lieber in der Tasche behalten«, erwiderte ruhig die -Dame — — —. - - - - - NOTIZ - - -Die Polizei hat die Vorführung einer Reihe von Filmen in den -Kinematographentheatern, diesen modernsten, theoretisch wenigstens -_einzig möglichen_ Bildungsstätten für das Volk, verboten, weil sie -Tiermißhandlungen (Ausreißen der Straußenfedern auf Farmen, Stopfen, -Mästen der Gänse in Pistyan usw. usw.) _selbstverständlich_ in derselben -schamlos krassen Art zur Darstellung gebracht haben, in der sie aber -_tatsächlich_ ausgeübt werden. Die _Entrüstungsrufe_ des Publikums -sollen zu dieser polizeilichen Verordnung den Anstoß gegeben haben. Die -Menschen sollen es also _nicht_ erfahren, welche _Schändlichkeiten_ aus -Erwerbszwecken begangen werden. Das erinnert allzu sehr an die alte -Anekdote, in der ein Millionär seinen Kammerdienern befahl: »Werft’s mir -diesen alten unglücklichen Hausierer hinaus, er zerbrecht mir das Herz!« - -Nur ein _unerbittlicher Einblick_ in das Unglück, das so viele Wesen -schuldlos trifft, kann die stumpfen, trägen Herzen der Menschen -_aufrütteln_, zu Verbesserungen und wahrhaftiger Menschlichkeit! Ich -füge ein Erlebnis hinzu, das zwar nicht daher paßt, aber immerhin einen -Einblick gewährt in die in Vertiertheiten schlummernde Seele der -heutigen Menschen. Einer meiner Bekannten, ein fanatisches Mitglied des -Tierschutzvereines, stellte einmal einen brutalen Kutscher zur Rede, und -als dies nur nachteilige Folgen für die armen Pferde hatte, machte er -die Anzeige gegen den Kutscher. Vor der Verhandlung sagte der edle -Rechtsanwalt Dr. Kr. meines Bekannten zu ihm: »Sagen Sie nicht allzu -schroff ungünstig gegen den Kutscher aus, und verlangen Sie besonders -nicht seine Bestrafung, weil er drohend gegen Sie den Peitschenstiel -erhob. Es geht nur _an den armen Pferden aus_! ›Wart’s, Ludern, dös -sollt’s mir büßen‹ — — —!« - -In Deutschland ist das _künstliche_ Stopfen, Mästen von Geflügel -strengstens _bei hoher Strafe_ verboten. »Friß, so lang’ du fressen -kannst und magst!« ist ein humaneres Prinzip als: »Friß, ob du magst -oder nicht — — —!« - -Ein bisserl Anständigkeit, meine Herrschaften, man verlangt ja eh nicht -viel! Die Gansleber wird auch schmackhaft nach sechs Monaten, laßt’s -doch dem armen Vieh Zeit, seine Leber dem niederträchtigen, -wollüstig-feigen Gaumen der Menschen zuliebe maßlos zu vergrößern! Man -muß ja nicht mit den verbrecherischen Fingern und Federkielen -nachhelfen; Tiere wie Menschen _fressen sich ja eh zu Tode_, wenn man -sie nur laßt! - - - - - RÜCKKEHR VOM LANDE - - -Nun ist es wieder Herbst geworden, und die Graben-Kioske füllen sich zur -Abendzeit mit wohlgepflegten und gebräunten Damen. - -Man hat sich so viel zu erzählen, und man schweigt! - -Man ist wieder in diesem Gefängnis »Großstadt«. - -Man träumt von Licht und Luft und Wasser. - -Man war ein anderer, besser, menschlicher, mit einem Wort »beweglicher«. - -Nun geht man seinen Trab wie eh und je. - -Man fühlt sich altern, schwerfällig werden, klammert sich an dieses -unglückselige Wort: Verpflichtungen! - -Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, und die Dienstboten kündigen. - -»Die gnädige Frau war am Lande viel netter zu uns — — —.« - -Ja, das war sie. - -Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste wie Weltreisende, die -vielfache Gefahren überstanden haben — — —. - -Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sichern Port! - -Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen sich in die Menge der -Zurückgekehrten, als ob nichts vorgefallen wäre — — —. - -Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu behaupten, Wien wäre am -angenehmsten, wenn alles »auf den Ländern« weile — — —. - -Damen, mit den veredelten gebräunten Antlitzen, lasset euch nicht -betrügen von dem Prunk der Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer -Gemächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht und Luft und Wasser und -Freiheit modelliert haben, und der nicht da war ehedem, und der -verschwinden wird im Wintertrubel! - -Komödie hier, Komödie dort vielleicht — — —. - -Doch unter freiem Himmel ist das Theater schöner! - - - - - NICHTS NEUES - - -So viele Menschen, man könnte sie _Strindberg-Organisationen_ nennen, -nach ihrer Art, physiologisch-psychologisch zu reagieren, erwarten immer -und immer von der geliebten Frau _etwas ganz Besonderes_, als ob sie die -Verpflichtung hätte, plötzlich die Seele eines indischen Theosophen zu -bekommen, der Gott um Milliarden Kilometer näher steht als alle anderen -_nur sogenannten_ Menschen! - -Da erinnere ich mich immer und immer wieder dieses Franz Schubert, -Liederdichters, zu dem seine vierzehnjährige Schülerin Komtesse -Esterhazy einmal bei der Klavierlektion gesagt hat: »Das ist aber gar -nicht schön, Herr Schubert, daß Sie mir nie eines Ihrer Lieder -widmen — — —!« - -Da erwiderte der gottbegnadete Mann: »Aber sie sind ja eh alle nur für -Sie geschrieben — — —.« - -Ja, ist das nicht das Höchste, einem Franz Schubert mitgeholfen zu haben -zu seinen Liedern, wie Sonne, Tau und Regen mithelfen zum Wachsen von -Pflanzen!? - -Was braucht sie also an und für sich zu sein, diese Vierzehnjährige, -unter dem öden Mikroskop herzloser verständnisarmer Menschen?!? Sie -verhalf ihm zu seinen Liedern, und ohne sie wären sie nicht -entstanden — — —! - -Ich formulierte das später in die Verse: - -»Oh Fraue, nicht was du _bist_, _bist_ du! - -_Das_ bist du, was _wir_ von dir träumen! - -_Unsere_ durchweinten Nächte um _deinet_willen, _das_ bist du! - -_Gelassen_ nimmst du unsere Huldigung und unseren Schmerz entgegen — — — - -Denn nimmer weißt du, wie es kam, weshalb, woher, wozu, zu welchem -Ende!?!« - - - - - DAS DORF - - -Ich hatte eine unglückliche Liebe zu einer Dreizehnjährigen, deren Blick -allein aus den hechtgrauen Augen mit den schwarzen Wimpern, allen -Blicken gleichkam der Heiligen in den Kirchen. Sie hatte keine rechte -Freude am Leben, als ob sie die Wirrnisse des irdischen Jammertales -vorausahnte, die eigentlich allen so schwermütig Blickenden in Aussicht -stehen. — Ich machte ihre Tragödien mit, die noch nicht vorhanden waren, -und vor dem Leben beschützen konnte ich sie dennoch nicht. Sie war die -Tochter eines Schuhmachers in dem kleinen, armseligen, felderumrankten -Orte J.. Er hatte 11 Kinder. Die, die schon verdienten, verdienten. Aber -die Kleinen mußten von meiner Dreizehnjährigen betreut werden. Wie -liebevoll wurden sie betreut! Darüber kann man gar nichts schreiben. Sie -mußte die 15 Enten hüten, die Schweine füttern, und die kleinen Kinder -brauchten dies und jenes. Ich liebte Anna, aber selten kam sie in meine -Nähe, und auch dann glitt mein Blick von freundschaftlichster -Zärtlichkeit an ihren Augen ab, wie Öl über Wasser. - -Eines Abends saß ich allein auf der Bank, in der alten verstaubten -Lindenallee und wartete auf Anna vergebens. Da kam ihre siebenjährige -Schwester Josefa, die für mich immer und immer einen Blick von tiefer -Menschenfreundlichkeit hatte, aus ihren zwei verschieden blickenden -Nachtfalteraugen, so reell-gutmütig, so leichtverständlich, so wie das -a-b-c des Menschenherzens — — —. Sie hatte mich lieb! - -Ich führte sie in die nahegelegene Meierei, ließ ihr Schlagsahne geben -und Biskuits. Immer lächelte sie mich an, wie von edler -Liebenswürdigkeit getrieben. Da küßte ich sie auf Stirne, Haare, Augen. -Sie rührte sich nicht, empfand es als Pflicht der Dankbarkeit, sich -küssen zu lassen — — —. - -Da vergaß ich meiner Leiden um Anna, die mein gequältes Herz stets ruhig -aus ihren geliebten hechtgrauen schwarzbewimperten Augen betrachtet -hatte. Da sagte Josefa: »Schenkens mir noch zwei Biskuits, ich trag’ sie -nach Haus für die Annerl. Sie darf net kommen mit Ihnen, weil sie schon -zu groß ist. Was kann sie dafür, daß sie schon zu groß ist?!?« Da gab -ich ihr 20 Biskuits mit für ihre Schwester, die wirklich nichts dafür -konnte, daß sie dem Blicke eines unermeßlich liebevollen Menschenherzens -mit mißtrauischer Gleichgültigkeit bereits begegnen mußte, wie im -vorhinein gepanzert gegen die hinterlistige Männerwelt — — —! - - - - - GERICHTSVERHANDLUNG IN WIEN - - -Fräulein Str., eine arme Klavierlehrerin, kannte alle Schandtaten ihres -Herrn Bruders. Aber sie schickte Geld und Geld, wenn er darum schrieb. -Und Geld und wieder Geld. Immer galt es ihr, ein wertvolles Leben noch -zu retten, das aber wertlos war. Und übrigens, wer könnte das -entscheiden?! - -Der Richter sagte: »Ihr Vorgehen, Fräulein, ist strafbar, aber es macht -Ihrem Herzen alle Ehre — —.« - -Das Fräulein erwiderte: »Für irgend etwas muß man sich doch abplagen. -Nur seinen armseligen Hunger stillen?!? Wenn er nicht wär’, no, so wärs -halt was anders, die Kirche oder eine Leidenschaft — — —. Für irgend -etwas muß man sich doch abplagen.« - -Man verurteilte sie wegen Vorschubleistung. - -Als die Blicke der beiden verurteilten Geschwister sich begegneten, -begannen einige Menschen im Auditorium zu weinen — — —. - - - - - SEMMERING, ENDE SEPTEMBER 1911 - - -Immer noch dieses Nachtgebrause im Göstritzwalde, immer noch um 7 -morgens diese silbergrauen Nebelschleier. Aber meine Seele ist krank, -weil Du nicht da bist, Anna Konrad! Du gehst, unausgeschlafen, müde, in -die Schule, lernst mechanisch, daß Hannibal den Giftbecher trinken mußte -aus irgendeinem Dir unverständlichen Grunde. Du kannst nicht mehr abends -beim Abschiede zu mir sprechen: »Also schicken Sie mir bestimmt heute -noch ›halb und halb‹; das hieß: Für 20 Heller Extrawurst, und für 20 -Heller Zuckerln als Dessert!« Ich kam mir da jedesmal vor wie Kaiser -Josef in den Volksstücken, der Leute beglückte, indem er einfach sagte: -»Was braucht Ihr zu Eurem Glücke?! 10000 Gulden? Da habt Ihr sie!« Nun -bist Du ferne, Anna Konrad! Immer noch dieses herrliche Nachtgebrause im -Göstritzwalde, immer noch um 7 morgens die dichten silbergrauen -Nebelschleier um Berg und Wald — — —. - -Anna, Anna, Anna Konrad, ich liebe Dich! - - Peter Altenberg. - - - - - PETER ALTENBERG ALS SAMMLER - - -Die »Internationale Sammlerzeitung« veröffentlicht in ihrer eben -erschienenen Nr. 13 eine interessante Rundfrage über den Wert des -Sammelns. Die Zeitschrift bringt unter anderem Beiträge vom -Unterrichtsminister Grafen Stürgkh, Alfred Lichtwark, Alma Tadema, -Harden, Paul Heyse, Max Kalbeck, Eduard Pötzl, Felix Salten, Balduin -Groller, Ginzkey. Peter _Altenberg_ gab auf die Frage nach seiner -Sammelliebhaberei die folgende interessante Antwort: »Es ist ganz -merkwürdig, daß Sie sich gerade an mich wenden in dieser Angelegenheit. -Denn Sie können es absolut nicht wissen, daß ich, ein ganz Armer, seit -vielen Jahren ein einfach fanatischer Sammler bin, und mir, gleich den -Milliardären, eine heißgeliebte, gehegte und mit vielen Opfern zustande -gebrachte herrlichste Bildergalerie verschafft habe: 1500 -Ansichtskarten, 20 Heller das Stück, in zwei herrlichen japanischen -Kästchen mit je sechs Fächern. Es sind ausschließlich _photographische_ -Aufnahmen von Landschaften, Frauen, Kindern, Tieren. Ich fand vor -einigen Wochen, daß der wirklich Ausgebildete des Lebens sich seiner -Schätze _entäußern_ müsse, um das _tiefste einzige_ Glück des »Gebens«, -des »Spendens« auch noch bei seinen Lebzeiten _miterleben_ zu können an -seinen »Beschenkten«. Daher sandte ich beide japanische Kästchen mit den -seit 1897 gesammelten 1500 Ansichtskarten nach Hamburg an die junge -Dame, die allein von allen Frauen dieses Geschenk zu werten weiß. -Seitdem sammle ich desto eifriger, desto leidenschaftlicher, um nun die -Sammlung meiner Freundin zu komplettieren. — — Hier also sind gleich -zwei heilsamste Ablenkungen von dem gefährlichen Bleigewicht des eigenen -Ich: erstens das Glück des Sammelns selbst, zweitens das Glück, es _für -einen anderen_, ebenso Verständnisvollen tun zu können! »Sammeln« heißt, -sich auf etwas außerhalb der eigenen Persönlichkeit Liegendes -konzentrieren können, das aber nicht so gefahrvoll und undankbar ist wie -eine geliebte Frau — — —.« - - - - - YVETTE GUILBERT - - -Sie ist das Wunder des Chansons, das, an und für sich nichtig, farblos, -leblos, durch sie eine Fülle von Tragik, grotesken Dingen, Lieblichkeit, -Koketterie erhält. Ihre Augen bereits drücken alles aus, was es an -seelischen Dingen überhaupt gibt, aber auch ihre Arme und Hände sprechen -überaus eindringlich. Ihre Wirkungen grenzen an das Wunder. Und diese -nur andeutende Art, diese wechselnden Nuancen, der clin d’œuil, der -alles sagt, was zu sagen ist. Sie allein von allen hat die Macht, ein -Lied auszuschöpfen, ja, es erst in seiner Fülle zu dichten! Ganze -Schicksale bringt sie in einen sinnlosen Refrain, und man staunt über -das Außerordentliche, das sich da ereignet. Aus einem Nichts ein Alles -machen, darin könnten alle von ihr lernen, wenn es erlernbar wäre. Le -minimum d’effort et le maximum d’effet ist auch ihre Devise. Den -Höhepunkt ihrer Chansons bildet unbedingt »Les cloches de Nantes«. Wie -ein düsteres Schicksal erdröhnen von allen Seiten die großen Glocken in -den alten Kirchentürmen. Da gibt sie sich ganz aus, bricht los, bewirkt -Enthusiasmus! Die Guilbert gehört zu den wenigen Erscheinungen, die -einen als etwas nie wieder in die Welt Kommendes ergreifen. Man darf es -nie versäumen, sie wieder und wieder zu sehen, zu studieren, so oft sich -die Gelegenheit bietet. Für mich gehören zu solchen Erscheinungen -Mitterwurzer, Girardi, Hermann Winkelmann. Es sind Menschen, die nicht -ersetzt werden! Ihre Macht ist nicht zu definieren, da sie irgend etwas -Rätselhaftes hat. Man befürchtet stets, daß sie einmal sterben werden, -und geschieht es, ist man untröstlich, hat ein persönliches Leid -erfahren. Man möchte in Trauer gehen um sie. So eine Organisation ist -auch Yvette Guilbert. Diseusen, ach, lernet doch von ihr das leider -Unerlernbare! - - - - - KRANKENPFLEGE - - -Eine Frau, die, während ihr Geliebter im Sterben liegt, sich ebenso -pflegt, wäscht, mit hundert Salben salbt, wie eh’ und je, und keinerlei -Bedenken hat, sich ebenso zu pflegen und zu hegen, wie sie es gewohnt -war, hat ihn nie, nie wirklich lieb gehabt! Sie müßte plötzlich alles -aufgeben, sich schmutzig werden lassen, sich verkommen lassen, auf ihre -adelige Körperpflege vollkommen verzichten können, sich Hände und -Gesicht nicht mehr waschen wollen, ja sogar die schönen Haare nicht mehr -pflegen, sich in einen Abgrund stürzen lassen, wo das reale Leben -zerschellt und aufhört — — —. - -Es müßte alle ihre weibliche Eitelkeit plötzlich ersterben, nicht mehr -sein — — —. Sie müßte zu einem Aschenbrödel werden, ganz in sich -zurückgezogen und unbeachtet, nur in der edlen Pflege aufgehend und -unscheinbar werdend vor Aufmerksamkeiten! Sie müßte unwillkürlich aus -einer Dame zu einer »Pflegerin« werden, sich degradieren, um sich zu -erhöhen! - -Ihre Fingernägel müßten ihre Edelpolitur verlieren, ihre Strümpfe müßten -Löcher bekommen und Knöpfe müßten ihr an der Bluse fehlen. Ihre werdende -Ungepflegtheit müßte ihre Ehre sein! Ihre Freundinnen müßten zu ihr -sprechen: »Du siehst gealtert aus, meine Liebe, schließlich muß man doch -auch ein bißchen auf sich schauen, solange man jung und hübsch -ist — — —.« - -»Dazu habe ich jetzt, Gott sei Dank, keine Zeit mehr übrig — — —.« - -»Gott sei Dank?!« sagten die Freundinnen und kicherten: »Sie muß immer -apart sein — — —.« - - - - - HERBST AM SEMMERING - - -Müde schleichen die Stunden dahin. Noch einmal ist es mir Zähestem -vergönnt, die herbstliche Pracht meines Kindheitsparadieses (damals gab -es nur Gasthof »Nedwall«) zu erschauen! Brennesselgebüsche und -dunkelbraune vertrocknete Sträucher. Ein kleines Mäderl in Lederhöschen, -mit dicken, rostbraunen Zöpfen, in die grellrote Seidenbänder -eingeflochten sind, repräsentiert mir die »Schönheit der ganzen Welt«. -Die Eltern nennen sie, tief entzückt, schlimm und übermütig. Wie wenn -die Saharet, Ruth St. Denis, Grete Wiesenthal, schlimm und übermütig -sein könnten! Der Schneeberg trieft von zerrinnendem Schnee, und das -Elisabethkirchlein ragt in graue Wolken. Ein Direktor reitet, kranke -Frauen fahren langsam durch den Fichtenwald. Lila Enzian, kurzstengelig, -und Löwenzahn. Aber meine »heilige Stunde« ist von 3 bis 4. Da spielt -nach dem Essen die Amerikanerin mit ihrem großen schlanken Freunde im -Café Karambol. Er belehrt sie natürlich väterlich, die doch _alles_ -bereits mitbekommen hat vom Schicksal, Anmut und Beweglichkeit und -Gazellenglieder und Feenhände. Jede ihrer Bewegungen ist vollkommen. Das -ist meine »heilige Stunde«, da ich menschliche Vollkommenheit erblicke. -Da vergesse ich, daß Gottes Träume sich noch nicht realisiert haben — —. - - - - - HERBSTANFANG - - -Freitag nachts, Marien-Feiertag, 8. September. Eine verzweifelte -Stimmung ist in mir, ich fühle es, ich spüre es, _alles geht zu Ende_. -Die dunklen Herbstabende kommen, Deine Schule, A. K., fängt an, und -böse, heimtückische, neidische, lieblose Menschen _zerstören_ mir mein -Paradies, das ich in meiner alten, kranken, dem _Untergange geweihten_ -Dichterseele für Dich, einzig und fast irrsinnig _geliebtes Geschöpf_, -errichtet habe unter Tränen. _Du_, _Du_ allein bist auf dieser traurigen -Erde in meinem gefolterten Herzen, und Du weißt nichts davon, kannst, -wirst davon, willst davon nichts wissen — — —. Nie wirst Du meine -Anhänglichkeit ahnen. Dein _Blick_, Deine _Stimme_, _alles_, _alles_ an -Dir ist der Balsam meines todeswunden, todesmüden Herzens. Ich habe Dich -lieb, lieb, wie niemand Dich je lieb haben wird — — —. Und nun spüre ich -das Ende heranschleichen, sonst könnte ich nicht so traurig, so -lebensmüde sein, und beim Erwachen am Morgen so bitter weinen und -weinen, obzwar mir eigentlich nichts Böses geschehen ist — — —. Ich -verlange nichts von Deiner kindlichen dreizehnjährigen Seele, Anna K., -als daß Du es mir glaubst in Deinem tiefsten Herzen, daß schon im -_Anfang_ Deines ins _ungewisse gefahrvolle_ Leben hinein aufblühenden -Lebens, ein Mann _in unbeschreiblicher Zärtlichkeit_ an Deiner -geliebten, merkwürdigen, kindlichen und dennoch bereits tief -melancholischen Persönlichkeit, mit _ergebenster liebevollster_ Seele -gehangen ist, und viel, viel um Dich getrauert hat, weil die anderen -Menschen alles _mißverstehen_ und _böswillig_, _heimtückisch deuten_! - -Ich wollte Dir mit der kleinen Uhr eine besondere Freude bereiten, Dir -meine _vollkommen selbstlose Anhänglichkeit_ zu verstehen geben, aber -auch das haben die hartherzigen, mißtrauischen Menschen nicht _Dir_, -nicht _mir_ gegönnt! - -Bleibe mir _gütig gesinnt_, Anna, lasse Dich _von niemandem_ auf falsche -Gedanken bringen! Ein Atemzug Deines Mundes, ein Blick Deiner Augen, ein -Schritt Deines müden kranken Fußes bedeuten mir _die Schönheit_, _die -Traurigkeiten der ganzen Welt_! - - Dein Peter Altenberg. - - -»Annerl, hast du den Brief heute Samstag erhalten, den ich noch gestern -Freitag nachts an dich geschrieben habe?!? Und hast du ihn verstanden?!« - -»Selbstverständlich. Was soll ich daran nicht verstehen?! Ich kenn’ -Ihnen doch auswendig und inwendig — — —.« - -Pause. - -»Sie, nächste Woche fangen die Schulen an. Da brauch’ ich -schöne Schulrequisiten. Also zwei solche schöne dicke -Tonking-Bambus-Federstiele, wie Sie sie immer benützen, dann 20 von -Ihnere Stahlfedern, Kuhn 201, aber wirklich 20, oder wissen S’ was, 25, -daß es eine gerade Zahl gibt. Und dann ein schönes Zeichenheft. Und dann -einen Radiergummi. Und dann, no, Sie werden doch wissen, was ich sonst -noch in der Schule brauche. Ja, richtig, einen Bleistiftspitzer, wie Sie -einen haben, in einem kleinen Schachterl. Gott, die Schul’, na -wenigstens is ma in der Schul’. Was haben S’ denn, Sie, Herr Peter?!?« - -»Nichts — — —«, erwiderte ich. - - - - - EINE BEGEBENHEIT - - -Ich lernte eine junge, sehr, sehr empfindsame Frau kennen, die Martyrien -durchmachte wegen der Ruhe und Gleichgültigkeit ihres entzückenden -Gatten. Sie sah Gespenster von fünfzehnjährigen, sechzehnjährigen -Mädchen, lebte in unglückseliger innerer Hast dahin, verzehrte sich -selbst. In dieser schweren Krankheit ihrer süßen kindlichen Seele -entwickelte sich in ihr der Plan, für dieses endlose Martyrium Strafe, -eventuell Erlösung zu haben. Sie begann daher, einem netten gutmütigen -Manne Avancen zu machen. Der Gatte rührte sich nicht. Das machte sie -noch kranker. Sie trieb sich kopfüber hinein. Der Gatte rührte sich -nicht. Als ich diese gefährliche Situation überblickte, las ich eines -Abends nach dem Nachtmahle den beiden mein Gedicht »Das Bangen« vor. - -Das Gedicht lautet: - - - _Das Bangen_ - - Mir bangt um dich, Anna — — —. - Weshalb mir bang ist, weiß ich nicht, - Ich weiß nur, daß mir bang ist. - Mir ist bang! - Wie einer Mutter bang ist ohne Grund, - Noch sind sie alle munter und gesund — — —! - Und wie dem Schiffer bang ist, bange, bange, - Während die anderen noch lange - Den wolkenlosen Himmel blöd betrachten, - Und den Warner ob seiner Weisheit nur verachten. - Mir bangt, wie einem bangt, - Der Kinder auf dem Meer-Sand-Hügel spielen sieht, - Und weiß, daß nun die Flut vom Land sie abtrennt — flieht! - Mir bangt, wie einem bangt, - Der weiß, er wird gehenkt um sieben Uhr früh. - So, so bangt mir um dich — — — - Du bist _mein Leben_, es bangt mir um mich - Du aber, du gehst deinen Weg von mir, - Nicht bangt vor meinem bangen Bangen dir - Dem neuen Schicksal treibst du jach entgegen — — — - Und perlt mein Todesschweiß auf deinen Pfad hernieder, - Nimmst du’s als Tau auf neuen Morgenwegen! - -Ich las es langsam und eindringlich vor. - -Pause. - -Der Mann erhob sich, trat langsam auf mich zu, nahm meine Hand in seine -beiden Hände, sah mich lange, lange, lange an — — —. Die Frau starrte -hin, starrte hin, schrie auf: »Er liebt mich, er leidet, oh, er liebt -mich! Ich Unglückliche — —!« und fiel hin. - -Ich hatte das Gedicht um vierundzwanzig Stunden zu spät vorgelesen. - - - _In das Gedenkbüchlein einer Amerikanerin:_ - -»It’s inside in the human nature, to hate all those, who are better -speaking, better dancing, better thinking, better feeling as we self!« - - - _Wintersport am Semmering:_ - -»Schneeglöckchen, immer sangen die Dichter von dir, du läutest den -Frühling ein — — —. - -Für mich _begräbst_ du den herrlichen Winter!« - - - - - BESCHÄFTIGUNG - - -Ich erfinde nichts, daher bin ich kein Schriftsteller und kein Dichter. -Das Leben trägt mir alles zu, ich habe nichts dabei zu verrichten, als -das Zugetragene _nicht_ zu verfälschen oder den anderen absichtlich -plausibler machen zu wollen, denn man hilft ihnen ja doch nicht dadurch. - -Ich kannte vor vielen Jahren die Frau eines Literaturprofessors an der -Universität W. Eines Tages sagte sie zu ihm: »Ich liebe diesen jungen -Schauspieler, den wir vor vier Tagen (so lange brauchen nämlich die -Reizungen des Nervus sympaticus, um dringend zu werden in der Seele) -gemeinsam im Theater genossen haben — —« - -»Lade ihn aber vorerst zu uns zu einem Souper ein, damit man sehen -könne, ob er dieselbe Wirkung auf dich ausübt außerhalb seines -Idealterrains — —« - -Nach dem Souper sagte sie zu ihrem Gatten: - -»Es ist nichts mit diesem Manne. Oh, du, du, du einziger — — —.« - -Als ihr Mann in jungen Jahren gestorben war, sprach sie einst einen -fremden Herrn vormittags, Ecke Kärntnerstraße und Graben an: »Ich -ersuche um Ihren Namen und Ihre Adresse — — —.« - -Seitdem arbeitete sie tagelang an Dingen der sogenannten Nadelmalerei, -wobei man mit verschiedenfarbiger Seide die zarten Nuancen von -Gegenständen nachzuahmen versucht. Alle diese Dinge schickte sie dem -fremden Manne und war glücklich dabei und vor allem friedvoll, seelisch -beschäftigt. Später unterrichtete sie Dorfkinder umsonst im -Französischen, ihrer Muttersprache. Und dann hörte ich nichts mehr über -sie 35 Jahre lang. Aber stets gedenke ich ihrer, besonders wenn ich an -die modernen Tennisspielerinnen denke! Die suchen sich auch »die Zeit zu -vertreiben«!?! - - - - - BESUCH IM EINSAMEN PARK - - -Wie wenn die müde Seele noch einmal auf längst gesprungenen Saiten ihre -begeisterten Klagen singen dürfte, so ist es, wenn du zu mir kommst, -Helene N.! - -Der Alltag weicht da wie ein böser Zauber, der uns gefangen hielt, in -einem Leben, das nicht die Stunde wert ist, die es bringt! Man lebte dem -Tode entgegen! - -Das alte Zauberreich von melancholischen Zärtlichkeiten erblüht durch -dich, und der fade Park wird zum mysteriösen Urwald, wenn dein geliebter -Schritt die alten öden Wege wandelt — — —. - -Dein Sprechen wird wieder zu Musik, der Hauch des Atems wird wieder zum -Wehen von Frühlings-Gebirgsalmen mit Kohlröschen und Seidelbast und -Knieholz. - -Dein Sitzen beglückt und dein Stehen und dein Wandeln — — —. - -Alles, was _dich_ unglücklich macht, wird zugleich _mein_ Unglück, und -deine Klage trifft ein exaltiertes Bruderherz; indem ich leide und dir -die Last abnehme unverstandenen Kummers, _jauchzt_ meine Seele, daß sie -_mit dir leiden darf_! - -Ich möchte dich ins Zauberreich entführen, - -wo du mein Kindchen wirst, gewiegt, getragen, beschützt, in -überzärtlichen Armen, an einem für dich bebenden Herzen — — —, - -weg von den Ungetümen »Menschen«, die dich mit ihrem feigen -Unverständnis morden! - -Bist du denn ein Distelstrauch am Wege, ein Unkraut oder -Brennesselgebüsch?! Bist du dem Tritt des schweren frechen Fußes -ausgesetzt?! - -Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet werden muß vor jedem -rohen Hauche?! - -Bist du nicht die, die unser totes Herz zum Leben wieder zaubert?!? - -und deren zarte, edle Gliederpracht aus unseren glitzernden, stieren -Fischaugen ein gerührtes Künstlerauge wiederzaubert?!? - -In welche Welt bin ich geraten, pfui!?! Wo alles sich in schnöder -Ordnung abhaspelt!? Du bist die _andere_! Anders wie die andern! Wie -Ambrosia anders war als Rumpsteak mit Salat! Göttliche Kräfte bringst -du, ohne es zu wissen! Und pflichtlos sinken wir zu deinen Füßen hin! -Nur eine Pflicht erkennend, vor dir hinzuknien! - -Das zugeschnittene Maß, das alle _fördert_, ist uns _verächtlich_ und -_vergiftet_ uns! Der _ekle Friede_ sorgenlosen Daseins macht unsere -Kräfte _stocken_ und _vertrocknen_. Wir müssen brennen, glühen und -vergehen! - -Und unsere innere Träne, wenn du beim Scheiden uns ruhig die Hand -reichst, - -macht uns erst wieder leben, leiden und verzweifeln, und auf eine Stunde -hoffen, da du, Gebenedeite, wiederkehrst! Für diese Stunde leben wir in -Not! - -_Die da sind, morden uns_; - -doch die da kommen, um _von uns zu scheiden_, bringen uns das Glück des -_abgrundtiefen Seelenschmerzes wieder_! - -Wir wollen rauschen, brausen und zerschäumen! - -Des Lebens eingedämmte Ordnung ist unser heimtückischer Feind, für -dumpfes Erdenleben ganz geeignet, das uns, unter der feigen Maske der -Rettung, nur lahmlegt und vernichtet und vorzeitigem Tod entgegentreibt. - -Helene N., komme, auf daß ich hundert Stunden lang in Fieberzehrung dich -erwarten könne — — —. In Fieber mich _verzehren_, ist mein _Leben_! - -Und scheide von mir, auf daß ich tausend Stunden dir _nachtrauern_ -könne — — —. - -Mein Geist lebt nicht vom _Sein_, das lahm macht und gebrechlich — — —; - -mein Geist lebt nur vom Hoffen und Verzweifeln! - -Du kamst, Helene N., und alles ward belebt und blühte auf — — — —. - -Du gingst, und Trauerflore hingen über der dunklen ausgestorbenen -Welt — — —. - -Die Welt der Pflichten ist vielleicht gesünder und fordert manches -Wertvolle in kleinerem Kreise — —. - -Wir aber wollen lieber an unseren inneren Symphonien elend scheitern; -des Alltags Werkelton mordet uns ebenso, nur langsamer und -qualvoller — — —. Wie stumpfe Messer gegen scharfe Klingen! - -Der Folter wollen wir entgeh’n des leeren Lebens, das unseren Organen -ihre Kraft entzieht; - -und in der Schlacht trifft rücksichtsvoller uns der Tod, und herrlich -plötzlicher, - -als _vorbereitet_ zu jeder Stunde eines Lebens, das weniger als nichts -für uns bedeutet! - -Helene N., komm’ wieder in den Park, - -wo Irre ihre irren Träume träumen — — —. - -_Du_ wirst hier doch vielleicht _mehr_ Menschlichkeiten finden, - -als in der Welt, die sich _frech fälschlich_ für die _normale_ hält!!! - - - - - TANZ - - -Elsa Wiesenthal, schlichte, rätselhafte Naturkraft, wie Rittner, -Mitterwurzer, Girardi, bringst du uns nun wieder den Geist, der -geheimnisvoll, diskret verborgen in den Dingen lebt?! Bringst du uns -wieder Hoheit, Ruhe und Würde in deinem adeligen Tanzen?! Oder hast du -dich vom »Geist« verführen lassen wie alle, die der geistvollen, -geistleeren Herde sich verständlich machen wollen?!? Gib uns nicht mehr, -als was _du_ kannst und _deine_ Kunst! Sei eine schweigende Fürstin des -Lebens, die lieber unverstanden dahingleitet, als scheinbar verständlich -Leidenschaft markiert! Sei du mit deiner süßen merkwürdigen Schwester -Berta, wie einst ein edles Beispiel, wie man aus einem Nichts ein Alles -macht! - - - - - PETER ALTENBERG - - Von Hans Franck (Hamburg) - - -Es gibt viele, die seiner lachen. - -Und wir, denen er mit wenigen inhaltsschweren Worten die Märchen des -Lebens gedeutet, die »Bilderbogen des kleinen Lebens« koloriert, die er -die Erlebnisse des Tages anders sehen gelehrt hat, wir können ihnen -nichts dawider sagen. Müssen ihnen Recht geben, müssen zugestehen: Was -ihr in Händen habt, was ihr seht, sind Lächerlichkeiten. Es ist, wie ihr -es seht! Ihr! - -Es ist, wie die Spötter sagen. Aber es ist zugleich anders. Die Kunst -Altenbergs kann, wie das vielfarbige Leben, wie die widerspruchsvolle -Natur — nach Fr. Th. Vischers Wort — an einem Ende gemein, am andern -seelisch fein, nicht mit einem so oder so umgrenzt werden, sondern nur -mit einem so und so. - -Sie ist voller Lächerlichkeiten und Schönheiten, voller Gequältheiten -und Feinheiten, voller Leerheiten und Vollheiten, voller nichtssagender -Gewolltheiten und vielsprechender Gekonntheiten. - -Sie ist — um wieder Vischers Wort von der Natur aufzunehmen — ein -seltsam Ding. - -Für die Formung der tausendfältigen kleinen und kleinsten Gaben, die so -ein Buch Peter Altenbergs birgt, wurde der bewußte Gegensatz zu der -Kunst der vielen klingenden Worte maßgebend. Die Wortkünstler sind dem -Dichter Lügner und Charlatane. Sind ihm gewöhnliche Menschen, die ihre -Geistesblöße mit dem wallenden Wortmantel zuzudecken suchen, die ihre -Empfindungsarmut durch einen bloßen Wortreichtum auszugleichen glauben. -»Ich hasse und verachte sie — ruft Peter Altenberg in seinen Märchen des -Lebens — Wortreichtum ist Seelen- und Geistesarmut! Man verkriecht sich, -versteckt sich dahinter, wie wenn man verzweifelt wäre, daß man nichts -Wichtiges mitzuteilen hätte! Zwei und drei ist fünf kann nicht wortreich -gesagt werden! Und dennoch verläßt man sich darauf, daß es eine Herde -von Idioten gibt, die an dem »Wortklang« sich berauschen. — — Wehe, wehe -denjenigen, die die Fähigkeiten dazu hätten, und nur ihrem Geisteswahne, -ihrer Eitelkeit dienen! Auf einer Stradivariusgeige spielen sie, aber -keine einfachen Adagios, die zu Tränen rühren, sondern verblüffende -Passagen, die kalt lassen!« - - * * * * * - -Altenberg ist der Virtuose der Wortskizze. Ist es, weil er dem Reichtum -des Lebens dienen will. Einem kleinen Ausschnitt sich willenlos -hinzugeben und in unendlichem geduldigem Mühen nach höchster -vollkommener Bildwirkung sich vor dem übrigen zu verschließen, daran -hindert ihn die drängende Fülle, die ihm nicht Ruhe läßt. So springt er -von einem zum andern, immer auf der Spur des schnellfliehenden Lebens. -Zur Beschaulichkeit ist keine Zeit. Nicht zum Schwelgen. Es gilt zu -erjagen, zu erraffen, gilt, flüchtiger als das fliehende Geschehen zu -sein. - -Daß diese Eigenart Altenbergs ihren Wert und Unwert in Einem hat, daß -ihre Stärke die Mutter ihrer Schwäche ist, versteht sich. Es zu -beweisen, wird man mir erlassen. - -Dem _Leben_ gilt Altenbergs Kunst. - -Diesem Wunder aller Wunder, mit dem wir täppisch, wie wir sind, auf Du -und Du stehen. Das wir hinnehmen mit großen, blöden, dummdreisten Augen. -Das wir zu kennen wähnen, und das doch von tausend Schleiern bedeckt -ist. Das Wunder, das uns zum kahlen Alltag wurde, wird hier wieder ein -blühendes Märchen, dem wir mit gläubigen Kinderaugen aus der Ferne -zuschauen. Wunder des Alltags. Um sie geht es. Oder wie es der schönste -unter allen Buchtiteln Altenbergs faßt, um die »Märchen des Lebens«. -Unermüdlich trachtet der Dichter, die kleinen Dinge des Alltags -besonders zu sehen, die Perlen am flachen Strand zu finden. Hundertmal -mag er wertlose Kiesel auflesen und bei den kalten Besserwissern -höhnisches Lächeln dafür ernten: plötzlich funkelt ein winziges Ding in -seinen Händen und läßt uns die Augen übergehen. - -Mitten hinein in die zarten Wortskizzen drängt sich plötzlich eine -breite, schwerwiegende Untersuchung mit einer Überzahl unterstrichener -Worte. Der Dichter wandelt sich in einen Propheten. Der Mann der zarten -Worte in einen glaubensstarken Prediger, der lauthallende Straf- und -Mahnreden auf die sündige Menschheit herabschleudert. Der eben noch ein -ganz Besonderer, ein starker Einzelner, ein Außenseiter war, wird -plötzlich zum Bruder Schultze-Naumburgs, des Kunstwartmannes, des Vaters -des Reformkleides und der Reformstiefel. - -Mit eindringlichen, treffsicheren Worten predigt er von seinem Ideale: -der naturgemäßen Körperkultur. Anbetend neigt er sein Haupt vor dem -großen Gotte Gesundheit. Worte fallen, die der Unnatur die -gleißnerischen Kleider vom Leibe reißen und doch nichts bessern werden. -Wann hätte diese Dame und ihr lästerliches Töchterlein Mode, je die -Scham gekannt? Sie kann noch stärkeres ertragen als Altenbergs -fanatische Predigten und seine gutgemeinten Insultierungen. - -Darum ist es, schauen wir zurück auf die leidenschaftlichen Bekenntnisse -zur Göttin Gesundheit, letzten Endes nicht das Gegenständliche, der -Inhalt der Rede, der uns in den Bann der Worte zwingt, sondern die -Persönlichkeit, die ungehinderter als in den formgewordenen Dichtungen, -innerstes Sein und Meinen offenbart. Auch hier steht Altenberg im -Dienste des großen, göttlichen, uneingezwängten Lebens. Auch hier will -er jedem Pulsschlag freie Bahn schaffen. Auch hier erlösen von dem -Drucke, den Steifheit und Gutmeinen, Enge und Schwerfälligkeit dem -Wunder aller Wunder zufügten und bis in die Undenkbarkeit zufügen -werden. - -So geht auch diese Besonderheit mit dem Allgemeinen zusammen. In das -Werk des Schöpfers der »Märchen des Lebens«, des Suchers im Alltag, des -eigenwilligen Sehers fügt sich das Prodromosbuch ein, das Glied einer -Kette. Der Unmittelbarkeit des unverfälschten Lebens trachtet der -Dichter so gut wie der Prediger nach. Und die sprunghafte, das -Wortemachen hassende Form eint beides auch nach außen hin. - - (Königsberger Hartungsche Zeitung) - - - - - _Werke von Peter Altenberg_ - - - Wie ich es sehe - _Fünfzehnte vermehrte Auflage._ Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M. - - Was der Tag mir zuträgt - _Achte vermehrte Auflage._ Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M. - - Prodromos - _Sechste Auflage._ Geheftet 5 Mark, gebunden 7 Mark 50 Pf. - - Märchen des Lebens - _Sechste vermehrte Auflage._ Geh. 5 M. 50 Pf., geb. 8 M. - - Neues Altes - _Vierte und fünfte Auflage._ Geh. 5 Mark, geb. 7 Mark 50 Pf. - - »Semmering 1912« - _Siebente vermehrte Auflage._ Geh. 6 M., geb. 8 M. 50 Pf. - - Fechsung - _Sechste Auflage._ Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf. - - Nachfechsung - _Fünfte Auflage._ Geheftet 7 Mark, gebunden 9 Mark 50 Pf. - - Vita ipsa - _Zehnte Auflage._ Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf. - - Mein Lebensabend - _Achte Auflage._ Geheftet 6 Mark 50 Pf., gebunden 9 Mark. - ------------------------------------------------------------------------- - - - - - _Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig_ - - - - ------------------------------------------------------------------------- - - - Transcriber's Notes - -Im Original gesperrte Schrift wird kursiv wiedergegeben. - -Offensichtliche Satzfehler wurden stillschweigend korrigiert. - -S. 15: »Deshalb ist man o beglückt ...« wurde korrigiert zu »Deshalb ist -man so beglückt ...«. - -S. 177: Der Titel enthält das Symbol † für »verstorben«. - - -Type originally set in spaced text has been changed to italics. - -Quotation marks have been modernized to » « and › ‹. - -Obvious printer errors have been silently corrected. - -On page 15, “Deshalb ist man o beglückt ...” has been corrected to -“Deshalb ist man so beglückt ...” - -On page 177 the title contains “(†)”. Its meaning is “deceased”. - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Neues Altes, by Peter Altenberg - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NEUES ALTES *** - -***** This file should be named 52463-0.txt or 52463-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/2/4/6/52463/ - -Produced by Elizabeth Oscanyan and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - diff --git a/old/52463-0.zip b/old/52463-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index dffdfc6..0000000 --- a/old/52463-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/52463-h.zip b/old/52463-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index d470e63..0000000 --- a/old/52463-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/52463-h/52463-h.htm b/old/52463-h/52463-h.htm deleted file mode 100644 index 03d51eb..0000000 --- a/old/52463-h/52463-h.htm +++ /dev/null @@ -1,6796 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=UTF-8" /> - <title>Neues Altes by Peter Altenberg—A Project Gutenberg eBook.</title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - body { margin-left: 8%; 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Neues Altes - -Author: Peter Altenberg - -Release Date: June 30, 2016 [EBook #52463] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NEUES ALTES *** - - - - -Produced by Elizabeth Oscanyan and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<div> - <h1 class='c000' title='Neues Altes'></h1> -</div> - -<div class='figcenter id001'> -<img src='images/imprint.jpg' alt='Peter Altenberg and his Signature' class='ig001' /> -<div class='ic001'> -<p>Peter Altenberg</p> -</div> -</div> - -<div class='pbb'> - <hr class='pb c001' /> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> -<div class='nf-center c002'> - <div><i>Neues Altes</i></div> - </div> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> -<div class='nf-center c003'> - <div><i>von</i></div> - </div> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> -<div class='nf-center c004'> - <div><i>Peter Altenberg</i></div> - </div> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> -<div class='nf-center c005'> - <div><i>S. Fischer, Verlag, Berlin</i></div> - <div><i>1919</i></div> - </div> -</div> - -<div class='pbb'> - <hr class='pb c005' /> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> - <div class='nf-center'> - <div class='c006'><em class='gesperrt'>Vierte und fünfte Auflage.</em></div> - <div class='c007'>Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.</div> - <div class='c008'>Copyright 1911 S. Fischer, Verlag, Berlin.</div> - </div> -</div> - -<div class='pbb'> - <hr class='pb c007' /> -</div> - -<div class='chapter'> - <h2 class='c009'>Gewidmet Anna Konrad</h2> -</div> - -<p class='c010'>Motto:</p> - -<p class='c011'>»Solche Männer und ihresgleichen sind einfach geniale -Naturen, mit denen es eine eigene Bewandtnis -hat; sie erleben nämlich eine <i>wiederholte Pubertät</i>, -während andere Leute <i>nur einmal</i> jung sind.«</p> -<div class='c012'>Goethe, Gespräche mit Eckermann.</div> -<p class='c013'>PA: Aber wie <i>glücklich zu preisen</i> sind die, die -<i>nur einmal</i> jung zu sein brauchen, und dann ruhig -absterben dürfen, während jene anderen <i>Unseligen</i> -von ewigen inneren Räuschen gefoltert werden — — —.</p> -<p class='c013'><span lang="fr" xml:lang="fr">»J’ai de mes tourments multiplié les causes — — — -d’innombrables liens vont de mon âme aux choses!«</span></p> -<div class='c012'>Baudelaire.</div> -<div class='pbb'> - <hr class='pb c005' /> -</div> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_9'>9</span> - <h2 class='c009'>INHALT</h2> -</div> - -<table class='table0' summary=''> -<colgroup> -<col width='87%' /> -<col width='12%' /> -</colgroup> - <tr> - <td class='c014'> </td> - <td class='c015'><span class='small'>Seite</span></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Widmungen in meine Bücher</td> - <td class='c015'><a href='#Page_13'>13</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Wesen der Freundschaft</td> - <td class='c015'><a href='#Page_17'>17</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Was ist ein Dichter?</td> - <td class='c015'><a href='#Page_19'>19</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Bekenntnis</td> - <td class='c015'><a href='#Page_20'>20</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Entwicklung</td> - <td class='c015'><a href='#Page_21'>21</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Sankt-Martins-Insel</td> - <td class='c015'><a href='#Page_23'>23</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Konzert</td> - <td class='c015'><a href='#Page_25'>25</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Buchbesprechung</td> - <td class='c015'><a href='#Page_26'>26</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Ideale</td> - <td class='c015'><a href='#Page_30'>30</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Ein Brief</td> - <td class='c015'><a href='#Page_31'>31</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Variété</td> - <td class='c015'><a href='#Page_33'>33</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Die abgelehnte Einladung</td> - <td class='c015'><a href='#Page_35'>35</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Hypokrisie</td> - <td class='c015'><a href='#Page_37'>37</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Strandbad »Gänsehäufel«</td> - <td class='c015'><a href='#Page_38'>38</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Rückkehr vom Lande</td> - <td class='c015'><a href='#Page_39'>39</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Krankenlager</td> - <td class='c015'><a href='#Page_41'>41</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Hunde</td> - <td class='c015'><a href='#Page_43'>43</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>H. N.</td> - <td class='c015'><a href='#Page_45'>45</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Helga</td> - <td class='c015'><a href='#Page_46'>46</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Das Telephon</td> - <td class='c015'><a href='#Page_47'>47</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Die Lüge</td> - <td class='c015'><a href='#Page_48'>48</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Plauderei</td> - <td class='c015'><a href='#Page_49'>49</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Lebensbild</td> - <td class='c015'><a href='#Page_52'>52</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Lebensbilder aus der Tierwelt</td> - <td class='c015'><a href='#Page_54'>54</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Brief an Mitzi von der »Lamingson-Truppe«</td> - <td class='c015'><a href='#Page_57'>57</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Aphorismen</td> - <td class='c015'><a href='#Page_59'>59</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Texte auf Ansichtskarten</td> - <td class='c015'><a href='#Page_60'>60</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Heilmittel</td> - <td class='c015'><a href='#Page_67'>67</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Nebenmensch</td> - <td class='c015'><a href='#Page_68'>68</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Schutz</td> - <td class='c015'><a href='#Page_70'>70</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'><span class='pageno' id='Page_10'>10</span>Brangäne</td> - <td class='c015'><a href='#Page_72'>72</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Affe Peter</td> - <td class='c015'><a href='#Page_73'>73</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Ungeziefer</td> - <td class='c015'><a href='#Page_75'>75</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Mutter und Tochter</td> - <td class='c015'><a href='#Page_76'>76</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Dichter</td> - <td class='c015'><a href='#Page_77'>77</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Hysterie</td> - <td class='c015'><a href='#Page_78'>78</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Weihnachten</td> - <td class='c015'><a href='#Page_80'>80</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Tag des Reichtums</td> - <td class='c015'><a href='#Page_81'>81</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>So sollte es immer sein</td> - <td class='c015'><a href='#Page_83'>83</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Inschrift</td> - <td class='c015'><a href='#Page_85'>85</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Tope</td> - <td class='c015'><a href='#Page_86'>86</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Bekanntschaft</td> - <td class='c015'><a href='#Page_87'>87</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Eifersucht</td> - <td class='c015'><a href='#Page_89'>89</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Goethe</td> - <td class='c015'><a href='#Page_90'>90</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Die Pflegeschwester Rosa Schweda</td> - <td class='c015'><a href='#Page_91'>91</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Geschwister</td> - <td class='c015'><a href='#Page_92'>92</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Besuch</td> - <td class='c015'><a href='#Page_94'>94</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Sommerabend in Gmunden</td> - <td class='c015'><a href='#Page_95'>95</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Ästheten</td> - <td class='c015'><a href='#Page_97'>97</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Erinnerung</td> - <td class='c015'><a href='#Page_99'>99</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Vöslau</td> - <td class='c015'><a href='#Page_101'>101</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Ein Brief</td> - <td class='c015'><a href='#Page_103'>103</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Fortschritt</td> - <td class='c015'><a href='#Page_105'>105</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Über Lebensenergien</td> - <td class='c015'><a href='#Page_107'>107</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Strandbad</td> - <td class='c015'><a href='#Page_109'>109</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Wesen der Religion</td> - <td class='c015'><a href='#Page_110'>110</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Wie sie es glauben wollen, so ist es</td> - <td class='c015'><a href='#Page_111'>111</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>»Prodromos«</td> - <td class='c015'><a href='#Page_112'>112</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Restaurant Prodromos</td> - <td class='c015'><a href='#Page_115'>115</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Brand</td> - <td class='c015'><a href='#Page_117'>117</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Rücksicht</td> - <td class='c015'><a href='#Page_118'>118</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Myosa</td> - <td class='c015'><a href='#Page_119'>119</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'><span class='pageno' id='Page_11'>11</span>Im Stadtpark</td> - <td class='c015'><a href='#Page_121'>121</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Ehebruch</td> - <td class='c015'><a href='#Page_123'>123</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Hamsun-Menschen</td> - <td class='c015'><a href='#Page_125'>125</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Memoiren</td> - <td class='c015'><a href='#Page_129'>129</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Widmung an Anna Konrad</td> - <td class='c015'><a href='#Page_130'>130</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Tod</td> - <td class='c015'><a href='#Page_131'>131</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Eine ganz wahrhaftige Beziehung</td> - <td class='c015'><a href='#Page_133'>133</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Im Volksgarten</td> - <td class='c015'><a href='#Page_135'>135</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Ansprüche einer Romantikerin</td> - <td class='c015'><a href='#Page_137'>137</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Lebensweg</td> - <td class='c015'><a href='#Page_139'>139</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Dienste</td> - <td class='c015'><a href='#Page_140'>140</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Wie ich gesundet bin</td> - <td class='c015'><a href='#Page_141'>141</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Gottesgnadentum</td> - <td class='c015'><a href='#Page_143'>143</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>An einen unmodernen Arzt</td> - <td class='c015'><a href='#Page_145'>145</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Zynismus</td> - <td class='c015'><a href='#Page_147'>147</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Nacht-Café</td> - <td class='c015'><a href='#Page_149'>149</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Die Nerven</td> - <td class='c015'><a href='#Page_151'>151</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Britische Tänzerinnen</td> - <td class='c015'><a href='#Page_152'>152</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Trattnerhof</td> - <td class='c015'><a href='#Page_155'>155</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Artistische Rundschau, Wien</td> - <td class='c015'><a href='#Page_157'>157</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Parfüm</td> - <td class='c015'><a href='#Page_159'>159</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Übers Schreiben</td> - <td class='c015'><a href='#Page_161'>161</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Angstschrei</td> - <td class='c015'><a href='#Page_163'>163</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Juli-Sonntag</td> - <td class='c015'><a href='#Page_165'>165</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Der Jagdherr</td> - <td class='c015'><a href='#Page_166'>166</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Episode</td> - <td class='c015'><a href='#Page_169'>169</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Josef Kainz</td> - <td class='c015'><a href='#Page_170'>170</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Bettlerfrechheit</td> - <td class='c015'><a href='#Page_171'>171</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Von meinem Krankenlager aus</td> - <td class='c015'><a href='#Page_172'>172</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Krankheit</td> - <td class='c015'><a href='#Page_174'>174</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>An eine Elfjährige</td> - <td class='c015'><a href='#Page_177'>177</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Krankenbesuch</td> - <td class='c015'><a href='#Page_179'>179</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'><span class='pageno' id='Page_12'>12</span>Notiz</td> - <td class='c015'><a href='#Page_181'>181</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Rückkehr vom Lande</td> - <td class='c015'><a href='#Page_183'>183</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Nichts Neues</td> - <td class='c015'><a href='#Page_185'>185</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Das Dorf</td> - <td class='c015'><a href='#Page_187'>187</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Gerichtsverhandlung in Wien</td> - <td class='c015'><a href='#Page_189'>189</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Semmering Ende September 1911</td> - <td class='c015'><a href='#Page_190'>190</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Peter Altenberg als Sammler</td> - <td class='c015'><a href='#Page_191'>191</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Yvette Guilbert</td> - <td class='c015'><a href='#Page_193'>193</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Krankenpflege</td> - <td class='c015'><a href='#Page_195'>195</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Herbst am Semmering</td> - <td class='c015'><a href='#Page_197'>197</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Herbstanfang</td> - <td class='c015'><a href='#Page_198'>198</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Eine Begebenheit</td> - <td class='c015'><a href='#Page_201'>201</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Beschäftigung</td> - <td class='c015'><a href='#Page_203'>203</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Besuch im einsamen Park</td> - <td class='c015'><a href='#Page_205'>205</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Tanz</td> - <td class='c015'><a href='#Page_209'>209</a></td> - </tr> - <tr> - <td class='c014'>Peter Altenberg</td> - <td class='c015'><a href='#Page_213'>213</a></td> - </tr> -</table> - -<div class='pbb'> - <hr class='pb c005' /> -</div> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_13'>13</span> - <h2 class='c009'>WIDMUNGEN IN MEINE BÜCHER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Fräulein H. M., immer und ewig werden die -Dichter an dem fast absichtlichen »Unverständnis« -geliebter, vergötterter Frauen zugrunde geh’n — — —. -Du allein brachtest mir die volle <i>Sicherheit</i>, daß -mein sonst so oft <i>mißverstandenes</i> Dasein von -dir <i>erkannt</i> wurde, in Weisheit und in Milde, -wie von Gott selbst — — —! Heißt man das Liebe?! -Gleichviel. Es ist die »Erlösung«, die eben keine -andere bringen kann!</p> - -<p class='c010'>An Frau D. M., in unzerstörbarer Freundschaft.</p> - -<p class='c016'>Freundschaft, du immer und ewig <i>mißbrauchtes, -geschändetes Wort</i>! Du bist »Erkenntniskraft -des Gehirnes«, <i>gemildert</i> durch »des Herzens -Wohlwollen«!</p> - -<p class='c010'>An Maria Maraviglia, spanische Tänzerin.</p> - -<p class='c016'>Leben, flüchtigstes, zerrinnendstes, kann ich dich -nicht festhalten?! Ja! Durch Erinnerung, Melancholie -und Ergebung ins Schicksal — — —.</p> - -<p class='c010'>Frau M. B. in Aachen.</p> - -<p class='c016'>Aus Fernen kam ein begeisterter Gruß — — —. -Wie selig war ich — — — zwischen Aachen und Wien -ist genügend Raum für die Enttäuschungslosigkeit -zusammengehöriger Seelen geschaffen — — —!</p> - -<p class='c010'>An die Gemahlin des Herrn J. S.</p> - -<p class='c016'>Wie eine Aristokratin sehen Sie aus des 18. Jahrhunderts -— — —. Augen voll ernster Ruhe und -Noblesse, und dennoch wieder Augen der Sphinx und -<span class='pageno' id='Page_14'>14</span>der Rheinnixen! Die Nase wie von urältesten Adelsgeschlechtern -herstammend, sanft gebogen und dennoch -stumpf abbrechend. Adlernase und Stumpfnase -zugleich! So aus einer Zeit von vergangener -Würde und Größe. Man sitzt neben Ihnen, betrachtet -Sie, spricht ehrfurchtsvoll, wie mit <i>keiner anderen</i>. -Man ist unter einem unerklärlichen Banne. Wie wenn -man vorgestellt würde der »Kaiserin Marie Antoinette«. -Man möchte zu Ihnen sagen: »Votre Altesse -Royale — — —«. Aber man muß über die kleinen -Ereignisse des Tages sprechen — — —. Und dabei -blickst du wie eine traurige Fürstin — — —!</p> - -<p class='c010'>Für P. H., die »Romantikerin«.</p> - -<p class='c016'>Sie erwünschen es sich, daß ich Ihnen von meiner -einsamen Landpartie im Vorfrühling Blätter ins -Haus sende, in die enge Gasse der Vorstadt?! Nun, -ich befestigte alles einzeln vorsichtig an silbernen -Drähten, zarte, gelbgrüne Blättchen. Wie gleicht -Ihr Herz doch der Vorfrühlingslandschaft — — —! -Man bedauert direkt, daß es bald zu greifbarer -Blüte und Frucht ausreifen werde im Sonnenbrande -des Lebens!</p> - -<p class='c010'><i>Für Gertrude Barrison, Tänzerin.</i></p> - -<p class='c016'>Kalt und hart scheinbar sind Sie im Leben, das -alle zu leben, alle zu erleiden, alle zu ertragen haben! -Aber <i>hinter</i> diesem »gewaltsamen Sein« schlummert -den ewigen Schlaf, besiegt und längst abgestorben, -die »vergrämte Idealistin«! <i>Geschreckt</i> von der -<i>Heimtücke des Daseins</i>, traut sie sich nie mehr -zum Vorschein — — —. Und nur des Dichters Auge -<span class='pageno' id='Page_15'>15</span>blickt noch in Welten, über die der Sargschleier, -alles verbergend, liegt — — —.</p> - -<p class='c010'><i>An Miß Bessie.</i></p> - -<p class='c016'>Ich hatte dich irrsinnig lieb und vergeblich — — — -man hat immer nur <i>irrsinnig</i> lieb, wenn es <i>vergeblich</i> -ist!</p> - -<p class='c010'>An Frau E. R.</p> - -<p class='c016'>Eine Welt von zärtlichster Zärtlichkeit mußte in -mir ersterben, auf dein Geheiß! Auf deinen strengen -unerbittlichen Wunsch! In späteren Tagen warst -du sanftmütig und gütig zu mir; in späteren Tagen! -Aber den »süßen Wahnsinn« hast du mir gemordet, -wolltest durchaus meiner Seele endlose Welten auf -ein <i>erfaßbares Maß</i> zurückführen; vergeblich! -<i>Stört</i> euch »unser Wahnsinn«, so enttäuscht euch -schließlich noch mehr die »normale Liebe« der -anderen! Sind wir auch »übertrieben« in unserer -Verehrung, sind die <i>anderen allzu nüchtern</i> in -ihrer gesunden Gerechtigkeit!</p> - -<p class='c010'><i>An Else Wiesenthal.</i></p> - -<p class='c016'>Immer und überall im Leben vermißt man -»Hoheit und Würde« und »edle Kindlichkeiten« -zugleich! Aber in <i>Ihrem Tanzen</i> findet man es. -Deshalb ist man so beglückt und erlöst und erleichtert. -Was man an seiner geliebtesten Geliebten -schmerzlich-melancholisch vermißt, findet man, erstaunt, -gerührt, bei Ihnen! Unerbittlich und starr -wird immer naturgemäß sogleich die Seele des -Mannes, falls ein <i>wertvolleres</i> Bild vor seine Seele -<span class='pageno' id='Page_16'>16</span>tritt! Ehebruch, Treuebruch, was seid ihr für -nichtssagende Namen! Das »<i>Zulänglichere</i>« löscht -einfach stets das »<i>Unzulängliche</i>« aus! Soll man -weiter verehren, was der Verehrung nicht mehr -wert ist?! Gehet von hinnen, Schwerfällige, wenn -die »<i>idealere Tänzerin</i>« naht! Die »<i>Gleitende</i>« -besiegt die »<i>Schleichende</i>«!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_17'>17</span> - <h2 class='c009'>WESEN DER FREUNDSCHAFT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich kenne nur zwei Menschen, die mir freundschaftlich -gesinnt sind, mein Bruder und A. R. Sie -verstehen alles, was ich denke, empfinde, sage, -geben allen Dingen die <i>wohlwollendste</i> Auslegung. -Sie sind ganz ohne »Fallen-stellen-wollen«. -Sie vernehmen nur das Wertvolle, <i>überhören</i> -eventuelle Mißtöne, ohne zu zucken. Sie schöpfen vom -geliebten Menschen den Rahm ab, beklagen sich nicht -über die wässerige Milch, die darunter liegt, sondern -erfassen es als ein Naturgesetz, daß der Rahm nicht -bis zuunterst reichen kann — — —. Sie erläutern -uns nach unseren <i>in uns verborgen liegenden</i> -Idealen, nicht nach unseren allen augenfälligen -alltäglichen Schwächen! Sie lauern auf unsere <i>seltenen</i> -Höhepunkte, beachten nicht unsere Verkommenheiten. -Sie sind noble Ausleger, Ausdeuter -unseres <i>wirklichen Wesens</i>. Sie <i>begreifen</i> unsere -Schwächen, sie <i>achten</i> unsere Stärke! Sie sind -mit uns, wie man mit edelrassigen Kanarienvögeln, -Papageien, Staren, Hunden, Affen ist. Man achtet -ihre Eigenart, fordert von ihnen nichts Unmögliches. -Man hält sich an ihre »besonderen« exzeptionellen -Eigenschaften. Diese wohlwollend-sentimentale Art -von Nervengutmütigkeit heißt: <i>Freundschaft</i>. -Jede andere ist tief verlogen. Diese edle »<i>ewige -Gutmütigkeit</i>« ist von <i>Gottes Gnaden</i>! Man -hat sie zumeist erst mit Verstorbenen. Da kommt -man erst zur Besinnung über besondere Werte, -dringt tiefer ein in das Wesen desjenigen, dessen -Lebendigsein uns nicht mehr stört. So lange er lebte, -<span class='pageno' id='Page_18'>18</span>beging er die störende Ungeschicklichkeit, ein anderer -zu sein an Denken und Empfinden als wir -selbst!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_19'>19</span> - <h2 class='c009'>WAS IST EIN DICHTER?</h2> -</div> - -<p class='c010'>Er sah am »Gänsehäufel« ein fremdes junges -Mädchen, ganz lang und schlank, goldbraune -wehende Haare, lange, schmale Hände und Füße, -ein ockergelbes seidenes Trikot an dem mulattenbraunen -Leibe.</p> - -<p class='c016'>Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.</p> - -<p class='c016'>Er sah in einer japanischen Akrobatentruppe ein -fünfjähriges Mäderl, gelber Teint, Stumpfnäschen, -schwarze Haare wie eine Perücke. Lebendig gewordenes -Kinderspielzeug!</p> - -<p class='c016'>Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.</p> - -<p class='c016'>Er las von einer wunderschönen Preisfechterin -in Venedig, aus reicher, geachteter Familie, die ohne -Grund, neunzehnjährig, sich aus ihrem Zimmer, drei -Stockwerke hoch, aufs Pflaster stürzte und starb.</p> - -<p class='c016'>Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.</p> - -<p class='c016'>Er hatte neben sich eine, ganz, ganz neben sich, -hart neben sich, bei Tag und bei Nacht.</p> - -<p class='c016'>Die konnte er aber vergessen, vergessen, vergessen!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_20'>20</span> - <h2 class='c009'>BEKENNTNIS</h2> -</div> -<div class='lg-container-l c017'> - <div class='linegroup'> - <div class='group'> - <div class='line in4'>Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!</div> - <div class='line'>Mein Aug’, mein Ohr, mein Denken und mein Träumen</div> - <div class='line'>gehörten vielleicht eher den dunklen Mädchen von den</div> - <div class='line'>Sundainseln, romantischen Gebilden fremder Welten,</div> - <div class='line'>die ihre stillen Wege gehn nahe dem Urwald — — —.</div> - <div class='line'>Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!</div> - <div class='line'>Wie Märtyrerinnen warst du aus der Vorzeit,</div> - <div class='line'>oder wie Krankenpflegerinnen fremder Menschen,</div> - <div class='line'>wie sie heut’ noch sind in Krankenhäusern und in</div> - <div class='line'>Klöstern — — —.</div> - <div class='line'>Belohnung war dein <i>eigenes</i> Gefühl in dir!</div> - <div class='line'>Im <i>Geben</i> nahmst du <i>tausendfach zurück</i>,</div> - <div class='line'>was du gespendet. Und <i>davon</i> lebtest du!</div> - <div class='line'>Nun bist du in dem Dienste deiner heiligen Seele</div> - <div class='line'>krank geworden — — —</div> - <div class='line'>der magische Schein der Selbstaufopferung verlischt — — —</div> - <div class='line'>du kannst nicht mehr grenzenlos ergeben sein!</div> - <div class='line'>Und weinend siehst du nun zum ersten Male deines</div> - <div class='line'>Lebens Not — — —.</div> - <div class='line'>Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!</div> - <div class='line'>Und dennoch traure ich verzweifelt am Sarge deiner</div> - <div class='line'>armen Seele — — —. Denn, glaube mir, sie starb!</div> - </div> - </div> -</div> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_21'>21</span> - <h2 class='c009'>ENTWICKLUNG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Es gibt zwei Arten von Genies. Die, die eine neue -naturgemäße Sache entdecken, und die, die es <i>gläubig -erfassen</i> und verwerten. Der <i>Glaube</i> an die -Genialität des anderen ist die <i>nächstfolgende</i> -Genialität. <i>Glaube</i> an neue Erkenntnisse ist bisher -unterschätzt worden. Es ist ein <i>zweiter Grad</i> -von Genialität. Die anderen sind Skeptiker, also -<i>ungenial</i>. Dann gibt es noch die <i>Mitläufer</i> mit -den Schwindlern und Hochstaplern. Das sind die -ganz Ungenialen, die einem ebenso Ungenialen wie -sie selbst sind, feige Kärrnerdienste leisten. Sie leben -von der Hoffnung, man werde sie ernst nehmen, -weil sie einem nicht ernst zu Nehmenden ernstlich -Gefolgschaft leisten! Aber in Gottes Buche ist alles -verzeichnet, und dieser riesigen unerbittlichen Buchführung -über <i>Reelles</i> und <i>Unreelles</i> unterliegt -schließlich alles! Alles wird <i>aufgedeckt</i>, die reellen -und die gefälschten Ziffern, und man sollte eben -deshalb schicksalsergeben sein. <i>Entwicklungskonjunkturen</i> -ausnützen ist jedoch eine der -feigsten Gemeinheiten. Wenn man für die »Frauenseele« -zum Beispiel kämpft, muß man zeit seines -langen schrecklichen Lebens in jeder Beziehung daran -auch elend verblutet sein. Die jungen Gänseriche -haben aber noch einfach ihre verfluchte Pflicht und -Schuldigkeit, ohne psychologische Mätzchen das -Ihrige wie eh und je zu leisten. Der Entdecker -<i>leidet</i>, und der Gläubige an ihn <i>leidet</i>. Aber -der geschickte Ausnützer von Konjunkturen macht -dabei seinen <i>Rebbach</i>.</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_22'>22</span>Dasselbe findet in der Kunst statt. Gottes Pläne -sind niemandem heilig, sondern man erstrebt es -einfach, seiner eigenen verfehlten Organisation zum -Durchbruche zu verhelfen! <i>Freaks</i> sind noch lange -keine <i>Genies</i>, obzwar Genies oft <i>Freaks</i> waren. -Sie waren es eben doch nur scheinbar. Denn <i>hinter</i> -ihnen thronte Gott und die Natur, wenn auch ein -wenig in allzu grotesken Formen. Es gibt Räusche, -in denen man Symphonien dichtet; und es gibt -Räusche, in denen man sich erbricht. Beides sind -Räusche, Ekstasen, übertriebene Zustände. Aber -Rausch und Rausch sind nicht gleich; und nicht -jeder torkelnde Betrunkene schreibt dann in seinem -einsamen Zimmer Schubert-Lieder!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_23'>23</span> - <h2 class='c009'>SANKT-MARTINS-INSEL</h2> -</div> - -<p class='c010'>Als der Arzt ihr mitteilte, daß sie vor den dunklen -Toren der Tuberkulose stehe, sagte sie: »Na, na, -dös tun mer net, mit achtzehn Jahren?!«</p> - -<p class='c016'>Und sie eilte nach Gravosa, und lag auf der -Sankt-Martins-Insel mutterseelenallein, mit ihren -Proviantvorräten, von sieben morgens bis sieben -abends, und breitete splitternackt die Arme aus, um -die Heilkraft der Natur zu empfangen.</p> - -<p class='c016'>Sie ließ sich mit Mentholfranzbranntwein täglich -zweimal eine halbe Stunde lang einreiben und nahm -einen halben Liter Kakao mit sechs eingesprudelten -rohen Eidottern. Ferner Bouillons mit eingesprudelten -rohen Eidottern und Seefischfilets in großen Mengen.</p> - -<p class='c016'>Als sie gesund wurde, kam der Ehrgeiz und die -Lebenslust über sie, und sie fand ein Engagement -in einem ganz kleinen Theater. Ihre erste Rolle war -die französische Gräfin Laborde-Vallais. Sie wußte -durchaus nichts damit anzufangen, aber ein junger -Herr schickte ihr in die Garderobe seine Visitenkarte.</p> - -<p class='c016'>Sie hatte sich mutig dem Tode entzogen, und -bemerkte nun bald, daß das Leben es nicht wert sei, -sich so sehr darum bemüht zu haben. Sie war dieser -Gefahr »Tod« entronnen — nun kam diese größere -Gefahr »Leben«! Dem konnte man nicht mit -Sonnenbädern, Kakao, gesprudelten Eidottern, Mentholfranzbranntwein -entrinnen!</p> - -<p class='c016'>Später lernte sie zufällig den Dichter kennen. -Sie verstand nicht, worin das bestehe, ein Dichter -zu sein. Man schreibt Bücher, und man ist ein Dichter. -Aber was stellt es vor, und wozu ist es?!?</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_24'>24</span>Aber eines Tages sagte er zu ihr: »Wie war es -auf der Sankt-Martins-Insel?!? Sie lagen da, gottergeben, -und erwarteten von Wiese, Wald und Sonne -Ihre Heilung — — —.«</p> - -<p class='c016'>Und jemand sagte zu ihr: »Hören Sie mir schon -auf mit Ihrer faden Sankt-Martins-Insel! Jetzt sind -wir Gott sei Dank hier!«</p> - -<p class='c016'>Da blickte sie hilfeflehend zu dem Dichter, und -sie fand einen hilfsbereiten Blick — — —.</p> - -<p class='c016'>Da wußte sie, was ein Dichter sei und wozu er -da sei — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_25'>25</span> - <h2 class='c009'>KONZERT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Du kamst aus dem Konzert, erfüllt von Liedern -und den Liedertexten, die von Dichtern waren wie -Stefan George, Richard Dehmel, Jacobsen, dem verstorbenen -Dänen, der Musik in Worten machte.</p> - -<p class='c016'>Du warst schön und prächtig, gelb und gold war -dein Gewand, und deine geliebten Augen blickten -noch in Fernen, aus denen sie eben kamen. Ein -Zwerg, ein Wurm, ein gekrümmtes armseliges -Reptil erschien ich dir, ans Irdische dich feig gemahnend, -die du aus hehren Fernen kamst, und -meiner Liebe allzu gewohnte Seufzer verhallten in -den Tönen deiner neuen Musikwelten.</p> - -<p class='c016'>Ich starb dahin vor Eifersucht auf das Konzert, -und auf alles, was drum herum und dran hängt an -Ablenkungen selbstverständlicher Art einer fanatisch -geliebten Seele —. Ich starb dahin.</p> - -<p class='c016'>Du aber blicktest, gelb und goldig war dein -romantisches Gewand, in Fernen, aus denen du -soeben kamst, gleichsam von einer langen, langen, -langen Reise —. Wo warst du, Frau?!?</p> - -<p class='c016'>Da senkte ich den Blick, der zuerst böse starrte, -und ich ergab mich in das Schicksal — — —.</p> - -<p class='c016'>Du sagtest schlicht: »Es war sehr schön; man -hat sehr viel gelernt; man blickte jedenfalls in Welten, -die bisher verschlossen waren —.«</p> - -<p class='c016'>Da saß ich denn da und getraute mich nicht mehr, -deine geliebten Hände zu berühren wie eh und je —.</p> - -<p class='c016'>Und du sagtest: »Was haben Sie?!?« Und ich -sagte: »Nichts — — —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_26'>26</span> - <h2 class='c009'>BUCHBESPRECHUNG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Er hatte zu ihr gesagt: »Nun habe ich dich, -<i>über allen Kitsch der Künstler</i> hinaus, den -<i>Kunstwerken der Natur und des Lebens -selbst</i> allmählich näher gebracht, habe dich mühselig -gelehrt, die Romantik des Daseins <i>aus erster -Hand</i> zu genießen! Nun gebe ich dir einen allerbesten, -spannendsten, aufregendsten, ergreifendsten, -lehrreichsten Roman zu lesen: »<i>Der Volkskrieg -in Tirol</i> 1809« von Oberleutnant Rudolf Bartsch.«</p> - -<p class='c016'>Und sie las es in einigen Stunden einer schlaflosen -Nacht. Alle Menschen darin standen ihr nahe, und -sie zitterte um eines jeden Schicksal! Erzherzog -Johann, die Offiziere, die Diplomaten, die Bauernführer -wurden ihr zu vertrauten Freunden. Sie begann -das Getriebe der Welt zu erkennen und Freunde -und Feinde in gleicher Weise zu verstehen! Sie sah -die Schlachten zwischen <i>Intelligenz</i> und <i>Herz</i> -im Menschen, zwischen <i>Vorurteil</i> und <i>Urteil</i>, -zwischen <i>Fernsicht</i> und <i>Nahsicht</i>!</p> - -<p class='c016'>Sie gewann eine tiefe, tiefe Liebe zu Peter Mayr -und Andreas Hofer, zu den reinsten der Reinen, -den eigentlichen Idealisten in dem Buche.</p> - -<p class='c016'>Sie weinte bitterlich und stundenlang über ihre -edle Art. Sie schrieb sich folgende Stelle auf ein -Pergamentblatt heraus und ließ es einrahmen unter -dem Titel: »So sind alle, die für die <i>Kommenden</i> -von Wert sind!«</p> - -<p class='c016'>Diese Stelle lautete: Der geniale Hormayr verscherzte -sich das Zutrauen vieler, namentlich der -Bauern. Als er nach dem Bankrott der österreichischen -<span class='pageno' id='Page_27'>27</span>Invasion aus dem Lande floh, <i>schob</i> so recht -das ganze Volk von Tirol den gegen Hormayr einfältigen, -aber sittenreinen Sandwirt an die höchste -Stelle — ohne dessen Zutun.</p> - -<p class='c016'>Schob: dieses Wort bezeichnet viel in Hofers -Wesen und Laufbahn! Der bedächtige Sandwirt war -keine aggressive, ideenwälzende Natur wie Haspinger, -kein genial tollkühner Unfried wie Speckbacher. -Viele seiner Führer hatten weit größere Begabung -als der bloß mit einem schlichten, gesunden Hausverstand -ohne weiten Blick ausgerüstete Hofer. -Gedrängt, unwiderstehlich gedrängt wurde Hofer -zu allem, was er tat. Eine äußere, aber geheime -Macht, deren Walten er wohl ahnte, der er nie zu -widerstehen suchte und die er verehrte, trieb ihn: -der Volksgeist von Tirol!</p> - -<p class='c016'>Diese Macht erhob ihn hoch — er blieb demütig -und schlicht; diese Macht entriß ihm all seine Entschlüsse. -Durch sie gedrängt, siegte er bei Sterzing, -am Isel und bei Leonhard. Durch sie gehalten, vermochte -er nicht zu fliehen, als die Besten des Landes -das sinkende Schiff verließen — und geschoben, ja -ganz verwirrt von dem Einfluß der Verzweifeltsten -des ganzen Landes, brach er im Spätherbst 1809 -zum erstenmal in seinem Leben das Wort, verleugnete -seine Unterwerfung, erhob von neuem den -Ruf zum Aufruhr, und erst als sein Körperliches gefangen -und dem Tode geweiht war, da befreite sich -seine Seele, eine tiefe Erkenntnis seines ganzen -Lebenslaufes durchzuckte ihn, und da wuchs er ins -Übermenschliche. Dieser weichherzige Mann, der so -leicht die gutmütigen Augen voll Wasser bekam, -<span class='pageno' id='Page_28'>28</span>nahm trockenen Auges Abschied von einer Welt, -die sich schlechter erwiesen hatte als er.</p> - -<p class='c016'>Daß man Hofer so oft verkannt und in ihm den -Führer und Kommandanten des Aufstandes gesehen -hatte! Er war weniger und doch mehr. Er war -seinem Volke, was dem Soldaten seine Fahne ist: -Das Panier von Tirol!</p> - -<p class='c016'><i>Selbst unbeweglich</i>, aber von den Kühnsten -und Besten getragen, <i>allen voran</i>. Unbefleckt, -rein, verehrenswürdig, ja wahrhaft geheiligt! Von -der Religion geweiht, vom Paten Johann mit einem -Wahlspruch belebt, vom Kaiser ausgezeichnet und -geschmückt. In der höchsten Not entfaltet, als alle -Kommandanten versagten, siegt diese menschliche -vorausgetragene Fahne Andreas Hofer, dann sinkt -sie — — und mit ihr das Land Tirol. Er war eben der -einfache, Mensch gewordene Idealismus, der embryonal -in tausend Herzen, in tausend Gehirnen, in tausend -Willenskräften verborgen lag!</p> - -<p class='c016'>Die edle Leserin machte die Hinrichtung Andreas -Hofers mit, aber sie konnte nicht, wie er von sich -selbst es sagte, sagen: »So leicht kommt mir sein -Sterben an, daß mir die Augen davon nicht naß -werden — — —.«</p> - -<p class='c016'>Sie aß wenig, sie sprach wenig durch viele Tage. -Nur dem Freunde, der ihr diesen »<i>Roman des -wirklichen Lebens</i>« anempfohlen hatte, blickte sie -dankbarst in die Augen. Da sagte er denn zu ihr: -»Dieser Oberleutnant Rudolf Bartsch ist vielleicht -ein <i>größerer Dichter</i> als viele protokollierte -Firmen dieser Branche. Denn er hat die in den -Archiven des Lebens begrabene Poesie und Romantik -<span class='pageno' id='Page_29'>29</span>der Menschheit zu lebendigem wirkendem Leben gebracht -durch sein einfaches tiefes Buch!« Und die -Dame reihte es ein in ihrer kleinen Bibliothek neben -ihre Götter: Hamsun, Strindberg, Maeterlinck, Ibsen, -diese <i>Vermehrer des Bestandes der allgemeinen -menschlichen Seele</i>!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_30'>30</span> - <h2 class='c009'>IDEALE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ein fünfzehnjähriges wunderschönes Stubenmädchen -stahl ihrer Herrin zwanzig Kronen.</p> - -<p class='c016'>Die Herrin schickte zur Polizei und machte die -Anzeige von dem Diebstahl. Da nahm die Fünfzehnjährige, -die ihrer Mutter zum Namenstag ein -Geschenk hatte machen wollen, eine Flasche mit -Spiritus, trank die Hälfte aus, übergoß ihre Kleider -mit der anderen Hälfte, zündete sie an. Nach elf -qualvollen Stunden verstarb sie im Wasserbett.</p> - -<p class='c016'>Einfache künftige Polizeivorschrift:</p> - -<p class='c016'>Anzeigen gegen Untergebene unter zwanzig Jahren -wegen Diebstahls unter 100 Kronen werden zwar angenommen, -aber sobald es sich um einen <i>ersten</i> -Fall handelt, in den Papierkorb geworfen!</p> - -<p class='c016'>Man vertröste die anzeigende »Canaille«, daß -sich der Fall leider »verzögert« habe — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_31'>31</span> - <h2 class='c009'>EIN BRIEF</h2> -</div> - -<p class='c010'>Liebes Fräulein Marion Kaulitz, ich habe gestern -in der Wiener Werkstätte, erster Bezirk, Graben 15, -die Puppenausstellung besichtigt. Ich war ganz gerührt. -Wie schrecklich sind doch diese Puppengespenster -gewesen aus der Kindheit unsrer geliebten -Schwestern und Cousinen! Wie starrten sie uns -blöde herzlos an, erwiderten alle Liebe und Sorge -mit einem nichtssagenden kretinartigen Grinsen, das -unsre kleinen Herzen hätte lieblos machen müssen, -wenn wir damals nicht so viel an selbstloser Liebe -aufgespeichert hätten zu adeliger Verschwendung!</p> - -<p class='c016'>Aber nun schufen Sie, Fräulein, Puppen, die wie -edle, zarte Menschenkinder blicken, träumerisch -lächelnde, und solche, die sich anschicken zu weinen -und es dennoch unterdrücken! Kleine, zarte Kindchen -schufen Sie, nicht Puppen!</p> - -<p class='c016'>»Das Beste ist für unsre Kinder gerade noch gut -genug«, sei der Wahlspruch von verständnisvollen -Eltern. Eine meiner kleinen zartfühlenden Freundinnen, -zwölfjährig, hat am Lande im Garten einen -Zentralkäfig aus spinnwebdünnem Stacheldraht. -Innerhalb ein kleiner ovaler Teich von Quellwasser, -und blühende kleine Gesträuche. Dieser Käfig ist -bewohnt von siebzig herrlichen Vogelarten. Hier -genießt sie die Märchen der mysteriösen Natur aus -allererster Hand, hat einen kleinen bequemen Fauteuil -davor gerückt, sitzt stundenlang, beglückt und -entrückt — — —.</p> - -<p class='c016'>Geradeso könnte man mit Ihren Püppchen sitzen, -stundenlang, Fräulein Marion Kaulitz! Ich denke mir -<span class='pageno' id='Page_32'>32</span>kinderlose zarte Damen, die dieselben sanft an ihr -Herz drückten. Im Schlafzimmer sollten sie in Sofaecken -kauern, wie kleine zarte Lebewesen! Es gibt -einige darunter, die man direkt lieb gewinnt. Ich -kann es mir vorstellen, daß eine alte Jungfer solche -fünfzig ankaufte und so in ihrem Zimmer eine Welt -erblühen ließe, die ihr im realen Leben versagt geblieben -ist. Eine Welt von Poesie und ohne die -Enttäuschungen. Eine ist darunter, dreißig Kronen, -von der man es sich vorstellen muß, daß sie unbedingt -eine weltentrückte Dichterin werden würde. Ich -sagte zu der wunderbar schönen bleichen Verkäuferin -mit den aschblonden Haaren und der sanftmütigen -Stimme: »Melden Sie es mir seinerzeit, -welche Dame diese scheinbar unscheinbare Puppe -erstanden habe! Es wird jedenfalls eine ›innerlich -Adelige‹ sein — — —.« Die bleiche Verkäuferin errötete -und sagte: »Ein fremder Herr hat sie heute -bereits von selbst für mich erstanden — — —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_33'>33</span> - <h2 class='c009'>VARIÉTÉ</h2> -</div> - -<p class='c010'>»Sechs riesenstarke Männer und eine <i>Sechzehnjährige</i>, -wunderbaren verklärten Antlitzes, und gewachsen -wie ein edler Knabe. Man warf sie wie -einen Gummiball, fing sie nach zahllosen Umdrehungen -auf herkulischen Schultern geschickt auf. -Dennoch zitterte man jedesmal für ihre edelzarten, -unbeschreiblich rührenden, gebrechlichen Glieder. -Sie blickte ekstatisch, ließ sich in die Luft wirbeln -und auffangen und hätte, zufällig auf den Boden -geschleudert und ermordet, zerbrochen, zerquetscht, -keinen Laut von sich gegeben! Ekstatisch blickend -wäre sie gestorben. Da dachte ein Graf: »Ich werde -sie ihren Peinigern entziehen und ihrem Selbstmorde. -Ich werde sie schützen, pflegen und behüten!« -Aber das <i>wunderbar verklärte</i> Antlitz hätte sie -dann sogleich verloren, und den edlen süßen Heldenblick -wie in einer Schlacht, in der man gern vor dem -Tode steht! Denn »leben ohne Ehre« ist da überflüssig -geworden! O, Fräulein, gedenken Sie eines -armseligen Zeitungsreferenten, der es nicht drucken -lassen darf, daß er vor Ihnen hätte hinknien mögen! -Sondern er mußte schreiben: »Einen wirklichen -Rekord in der Parterreakrobatik bot die jugendliche -Tochter des Truppendirektors. Eine Vereinigung von -Kraft und Anmut — — —. Stürmischer Beifall belohnte -aber auch ihre Leistung!« O, Menschheit, -pfui über dich, die du noch immer die »spanische -Stiergefechtsseele« hast, ohne Erbarmen und ohne -Liebe, pfui! Fräulein M., Ihre edelzarten Glieder -sind mehr wert als das begeisterte Gejohle einer herzlosen -<span class='pageno' id='Page_34'>34</span>Menge. Gott beschütze Sie, Allerzarteste, in -Ihrem gefahrvollen Berufe! Möge dennoch ein Graf -Sie zuletzt erretten!«</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_35'>35</span> - <h2 class='c009'>DIE ABGELEHNTE EINLADUNG</h2> -</div> - -<p class='c010'>»Sie luden ihn ein auf ihre Besitzung. Er könne -dort tun und lassen, was er wolle, niemand würde -Ansprüche an ihn stellen. Er habe seine Freiheit -garantiert. Er kam nicht. Er hatte zu tiefe <i>Achtung</i> -vor dem <i>Fernverkehr</i> zwischen Menschen, -die sich wenigstens teilweise verstehen, zu viel <i>Verachtung</i> -für den <i>Nahverkehr</i>, der unter allen -Umständen Abgründe öffnet, in denen die Seelen -zerschellen. Welche Freiheit konnte man ihm garantieren, -nachdem er als Gast von selbst infolge seiner -inneren Kultur unwillkürlich den Gastgeber ununterbrochen -berücksichtigt hätte? Die großen Abgründe -sind leicht mit Freundschaft zu überbrücken, -<i>unüberbrückbar</i> sind die allerkleinsten; was ist -es, wenn der fanatisch geliebte Hund des Gastgebers -dem Gaste als ein verwöhntes, ekelhaftes Beest erscheint? -Genügt das nicht, alle Werte umzuwerten -und Verzweiflung in den Nerven zu erzeugen, wo früher -edler Friede war? Ich will von Speisen und Getränken -gar nicht reden, von Tageseinteilungen. Der Gast -wird zum »hysterisch-empfindsamsten« Menschen, -weil er eben der »Gast« ist, der Gastgeber ebenfalls, -weil er eben der »Gastgeber« ist! Es entsteht eine -Beziehung von Verantwortlichkeit für das Glück -des anderen. Man bemüht sich, ein anständiges -aber ungeschicktes Kompromiß zu schließen zwischen -zwei Nervensystemen. Nun gibt es aber auch noch -tragischere Verwicklungen. Zum Beispiel »Lieblingsspaziergänge«, -oder »Lieblingsplätze im Garten«, -ja sogar »Lieblingsbäume und -blumen«. »Gekränkt -<span class='pageno' id='Page_36'>36</span>sein« ist eine von unserem guten, ja von unserem besten -Willen unabhängige Emotion der Seele. Wodurch -könnte man es besiegen!? Durch Entfernung! Napoleon -kann bei seinem Kammerdiener zu Gaste sein, -aber nicht bei einem Napoleon! Außerdem kann -man sich auch noch zu allem anderen vielleicht in -das Stubenmädchen der Hausfrau verlieben. »Distanzen -lassen« in jeglichem Verkehr ist die »Genialität -der Bescheidenen«, »Distanzen nicht einhalten« ist -die »Stupidität der Größenwahnsinnigen«! Es gibt -daher für einen »<i>bescheidenen</i>« Gast eine einzige -Form der Einladung an ihn: »Liebster Freund, wir -reisen heute abends ab, unsere Villa steht Ihnen -daher zur Verfügung. Die Köchin wird kochen, was -Sie anbefehlen; außerdem bekommen Sie Tagesdiäten -von zehn Kronen. Gedenken Sie unser in -Liebe!«</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_37'>37</span> - <h2 class='c009'>HYPOKRISIE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich möchte ein einziges Mal im Leben ein Liebespaar, -ein junges Ehepaar antreffen, bei dem der -Mann nicht in überquellender sorgsamer Zärtlichkeit -das Zigarettenrauchen der Geliebten bespräche! -»Anna, du weißt, dein Pensum ist bereits überschritten, -ich habe drei Zigaretten täglich gestattet, -eine nach dem Frühstück, eine nach dem Mittagessen, -eine nach dem Nachtmahl. Ich glaube, ich -bin jedenfalls ein nachsichtiger Gatte — — —.« Nein, -das bist du nicht, du Hund! Gerade hierin also willst -du ihr helfen, hast nicht die geringste Ahnung, du -Esel, wieviel Narkotika sie braucht, um deine Langweiligkeiten -zu ertragen, oder sich zu betäuben einmal -auf anständige Art! Keine Frau raucht mehr -Zigaretten, als sie unbedingt braucht, denn in der -Kontrolle ihrer Genußfähigkeiten sind die Frauen -begabter als die Männer, da sie den Gesetzen der -unbewußten Natur näher stehen, sie daher besser -erlauschen! Ich hasse die Männer, die ihre hypokrite -zärtliche Fürsorge gleichsam auf das scheinbar übertriebene -Zigarettenrauchen ihrer geliebten Frauen -konzentrieren. Sie haben überhaupt nicht die geringste -Ahnung von der minutiösen Hygiene des -Frauenleibes, der Frauenseele! Aber vor der unschuldig-betäubenden, -ja oft erlösenden Zigarette -wollen sie sie zärtlichst behüten! Der Anfang aller -Ungezogenheiten einer Frau, die sich dann allmählich -und unscheinbar entwickeln, ist, ihr ihre unschuldigen -Freuden zu mißgönnen!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_38'>38</span> - <h2 class='c009'>STRANDBAD »GÄNSEHÄUFEL«</h2> -</div> - -<p class='c010'>Wie alt du wirst, Peter — —. Läßt dich deinen -Idealen nicht mal mehr vorstellen?!</p> - -<p class='c016'>Ich sah zwei Schwestern, sechzehn und fünfzehn, -mit braunem Teint und dunklen Haaren, stumpfnasig, -edelhändig, edelfüßig.</p> - -<p class='c016'>Wie von den Inseln Ceylon, Sumatra, waren sie.</p> - -<p class='c016'>Die Sonne brannte auf den grauen mehligen -Donausand des Strombades »Gänsehäufel«.</p> - -<p class='c016'>Ein buntes Treiben; und ich sah nur euch!</p> - -<p class='c016'>Wie flügge Vögelchen im Neste, sah ich euch, -von eurem Vater zart behütet — —.</p> - -<p class='c016'>Finger, Zehen, zart zum Abbrechen.</p> - -<p class='c016'>Und eure Augen schienen noch nie ängstlich geblickt -zu haben — — —.</p> - -<p class='c016'>Ein buntes Treiben auf dem Strand, im Wasser!</p> - -<p class='c016'>Familienglück mit plätschernden Babys, und -Paare, denen man es ansah: »Ihr gehört zusammen!«</p> - -<p class='c016'>Von Weidenbüschen kamen Duft und Kühle — —.</p> - -<p class='c016'>Und als die beiden braunen Schwestern ihre -weißen Strandkörbe verließen, um zu baden, hätte -ich mich gern als Leibwache hinpostiert und zu jedem -gesagt: »Die Körbe sind besetzt, ich hüte meiner -geliebten Herrschaft ihre Ruheplätze — — —!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_39'>39</span> - <h2 class='c009'>RÜCKKEHR VOM LANDE</h2> -</div> -<p class='c010'>Nun ist es wieder Herbst geworden, und die -Grabenkioske füllen sich zur Abendzeit mit wohlgepflegten -und gebräunten Damen.</p> - -<p class='c016'>Man hätte so viel zu erzählen, und man schweigt!</p> - -<p class='c016'>Man ist wieder in diesem Gefängnis »Großstadt«.</p> - -<p class='c016'>Man träumt von Licht und Luft und Wasser.</p> - -<p class='c016'>Man war ein anderer, besser, menschlicher.</p> - -<p class='c016'>Nun geht man seinen Trab wie eh und je.</p> - -<p class='c016'>Man fühlt sich altern, schwerfällig werden, klammert -sich an dieses unglückselige Wort: »Verpflichtungen«!</p> - -<p class='c016'>Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, und -die Dienstboten kündigen.</p> - -<p class='c016'>»Die gnädige Frau war am Land viel netter zu -uns — — —.«</p> - -<p class='c016'>Ja, das war sie.</p> - -<p class='c016'>Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste -wie Weltreisende, die vielfache Gefahren überstanden -haben — — —.</p> - -<p class='c016'>Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sicheren Port!</p> - -<p class='c016'>Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen -sich in die Menge der Zurückgekehrten, als ob nichts -vorgefallen wäre — — —.</p> - -<p class='c016'>Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu behaupten, -Wien wäre am angenehmsten, wenn alles -»auf den Ländern« weile — — —.</p> - -<p class='c016'>Damen, mit den veredelten gebräunten Antlitzen, -lasset euch nicht betrügen von dem Prunk -der Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer -Gemächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht -<span class='pageno' id='Page_40'>40</span>und Luft und Wasser und Freiheit modelliert haben, -und der nicht da war ehedem, und der verschwinden -wird im Wintertrubel!</p> - -<p class='c016'>Komödie hier, Komödie dort vielleicht — — —.</p> - -<p class='c016'>Doch unter freiem Himmel ist das <i>Theater</i> -schöner!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_41'>41</span> - <h2 class='c009'>KRANKENLAGER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich lag wieder einmal im Sterben. Einer sandte -mir daher Kalbsfußgelee in Glasdose, statt mir seine -junge, schöne Geliebte zu senden, die mich unbedingt -eher hätte erretten können als Kalbshaxen! Das -Kalbsfußgelee hatte einen geheimnisvollen, uneröffenbaren -Verschluß. Daher war es auch ganz -gleichgültig, daß es vor dem Eröffnen zwei Stunden -lang in Eis liegen sollte. Einer kam sehr teilnahmsvoll -und besprach es mit mir ziemlich eingehend, -ob er seiner Mitzi den Laufpaß geben solle oder -nicht, nachdem doch, wie ich wisse —. Wir berieten -hin und her, und er meinte schließlich, er sehe, ich -sei nicht ganz bei der Sache. Zum Schlusse sagte er: -»Hast du große Schmerzen?! Merkwürdig, daß diese -Anfälle in letzter Zeit so häufig wiederkommen. -Vielleicht sieht man dich übrigens morgen im Gasthaus. -Da können wir es weiter besprechen.« Eine -Dame kam, und ich teilte ihr mit, daß sie die schönsten -Ohren, Hände von der Welt habe. Sie meinte, -ich bliebe noch in der Sterbestunde ein Dichter, ein -wirklicher Künstler. Einer kam und legte seine -Zigarettenasche auf mein Nachtkästchen aus Bambus, -neben die große, tiefe Aschenschale. Einer trug -mir ein Buch weg, unter dem Vorwande, ich könne -in meinem jetzigen Zustande ohnedies nicht die -Sammlung finden, es zu lesen. Einer sagte mir, man -dürfe sich nicht so sehr nachgeben, sondern müsse -die Krankheit durch Energie überwinden. Gott, wo -käme er selbst hin, wenn er sich immer gleich ins -Bett legen wollte und sich pflegte!? Eine junge -<span class='pageno' id='Page_42'>42</span>Dame schrieb: »Verehrter Meister, ich höre, daß -Sie schwerkrank sind. Darf ich um ein Autogramm -bitten?!« Als ich wieder genesen war, sagte man -zu mir: »Nun, Peter, du ewig Unzufriedener, hast -du es nicht jetzt wieder einmal erlebt, von wieviel -Sympathie und echter Freundschaft du in schweren -Zeiten dennoch umgeben bist?!« Ich blickte gerührt -vor mich hin — das heißt, ich dachte: Verbrecher und -Schafsköpfe!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_43'>43</span> - <h2 class='c009'>HUNDE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich hasse die Frauen nicht nur wegen der falschen -Krawatten, die sie anhaben, wegen der falschen -Schirmgriffe, der falschen Hüte, der falschen Manschettenknöpfe -und so weiter — ich hasse sie in -neuerer Zeit wegen der »Pflanzhunde«, die sie sich -mit teuerm Gelde zulegen, um eine Art von verlogener -Tierromantik mit ihnen aufzuführen.</p> - -<p class='c016'>Meine wunderbar schöne Schwester fand in ihrem -fünfzehnten Lebensjahre ein schreckliches verhungertes -Tier auf der Bergstraße nach Kaiserbrunn, -direkt ein Scheusal. Aber sie betreute es -fanatisch; und als sie es eines Sommermorgens im -Bottich des kleinen duftenden Gemüsegartens ertränkt -fand, legte sie sich ins Bett und verweigerte -acht Tage lang die Nahrung.</p> - -<p class='c016'>Heutzutage aber kaufen sie sich für schwere -Tausende prämierte Russische Windhunde, Springer -erster Klasse, die zwar unerhört hohe Barrieren -überspringen, aber nicht einmal den Seelengeruch -aufbringen, die Wohnung ihrer scheinbar geliebten -Herrin allein wieder aufzufinden!</p> - -<p class='c016'>Herzlose Idioten von äußerlich schönen Tieren -favorisieren sie, schändliche Masken von Idealen, -einen Abglanz ihrer eigenen leeren Persönlichkeiten, -drapiert mit modernen Gewandungen! Wie sie selbst!</p> - -<p class='c016'>Seinerzeit war der getreueste Freund des Menschen -favorisiert, der aufopferungsfähige weiße oder -schwarze Pudel.</p> - -<p class='c016'>Heute aber liebt man den infam perfid treulosen -Dackel, den grotesken Clown Foxterrier, und den -<span class='pageno' id='Page_44'>44</span>stupiden herzlosen und gleichgültigen Russischen -Windhund.</p> - -<p class='c016'>Heute geht man auf Farbe und Form. Aber das -melancholisch-treuherzige Auge ist euch gleichgültig -geworden! Es wird sich natürlich an euch rächen! -Auch die »Ästhetik« kann nur aus den mysteriösen -Tiefen des Herzens kommen; sonst ist es eine Blüte, -die an ihrer eigenen schamlosen Kälte verkommt, -verdorrt! Nur das Herz hat ewig belebende tropische -Wärme. Schönheit allein mordet!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_45'>45</span> - <h2 class='c009'>H. N.</h2> -</div> - -<p class='c010'>In deinen Augen lese ich dein Leben — — — -mehr brauch ich nicht zu wissen, es ist alles. -Und deine Stimme ersetzt mir die Musik der Welt! -Deine Hände zu schauen, macht dankbar gegen das Schicksal — — -und sie berühren, macht mich tief erschauern! -Wie eine geknickte Blume prangst du in der Welt, -die trotzig starrt von harten Pflanzen! -Nur du erzeugst mir Sehnsucht, Gottes edle Qual! -Die anderen genießt man, wenn sie da sind, -und die Entfernung legt sie zu den Toten! -Von dir aus strömt des Dichters Leid und Not, -an diesem Stoffe brennen seine Flammen! -Wenn du von Lieblingsliedern sprichst, hör ich sie tönen; -Wenn du von Lieblingsbüchern sprichst, so hab ich sie gelesen! -Wenn du von schönen Frauen sprichst, so seh ich sie, -wenn du von Männern sprichst, so sterb ich vor Verzweiflung!</p> - -<p class='c016'>Und die Welt erdunkelt mir — — —. -Der Bann, der Bann, Bannsegen ohne Fluch! So bannst du mich! -Du bist verstört, von tausend geheimnisvollen Kräften hin und her getrieben, -die aber mir zu Tau und Sonne werden, -indem ich sie gerührt betrachte und begreife, -wie eine Mutter ihres geliebten Kindes Rätsel — — —. -Entfern dich nicht! Denn wenn du mich verläßt, -erlischt für Dich dein eigener Zauber — — -und eine Welt ersteht, die dich brutal genießen will!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_46'>46</span> - <h2 class='c009'>HELGA</h2> -</div> - -<p class='c010'>Helga, mein Leitstern, -bist du mir erloschen?!?</p> - -<p class='c016'>Leuchtest du mir nicht mehr in meinen Dunkelheiten?! -Willst du meinen Verdüsterungen nicht mehr Klärung bringen?! -Die Nebel zerstreuen, die sich über meiner Seele -lagern, wie die Sonnenkraft auf Bergesgipfeln beim Nebelreißen?!? -Wie ein Kindchen strecke ich die Arme -nach dir aus. Hilf mir! -Du gabst mir Kraft, du gabst mir Frieden! -Sei ewig bedankt — — —! -Nun kommen die Liebelosen und rauben mir alles! -Düstere Nebel umwölken mein ehemals klares Gehirn — — —. -Sei wieder die Sonne, die Klarheit bringt -und Licht und Wärme! -Hilf mir, Helga — — —! -Alle andern Frauen -nehmen und plündern, die Seele, den Leib, die -Kraft des Gehirnes — — —! -Du allein <i>spendest</i> und <i>spendest</i> und <i>spendest</i>! -Kaum bist du fort, <i>umdüstert</i> sich alles — — —. -Die bösen Geister nehmen mich in Besitz — — — -Guter Geist, Helga, ich entbehre dich, -wie ein krankes Kind seine Baba — — —. -<i>Gütige Kinderfrau</i>, Helga, -ich gebe dir <i>diesen</i> Ehrentitel, -Statt dieses schnöden, inhaltslosen Titels: Geliebte!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_47'>47</span> - <h2 class='c009'>DAS TELEPHON</h2> -</div> - -<p class='c010'>»Hier Peter Altenberg — — —.«</p> - -<p class='c016'>— »Oh, Peter, guten Abend. Denken Sie, ich -kann heute abend nicht an Ihren lieben Stammtisch -im ›Löwenbräu‹ kommen. Ich habe mir erst vor -einer Stunde die Haare gewaschen und sie brauchen -mindestens drei Stunden, um zu trocknen.«</p> - -<p class='c016'>»Schluß«, rief er und läutete rasend ab. —</p> - -<p class='c016'>Das war eine Art von Genugtuung. — Aber sehr -bald darauf überkam ihn eine trübe Stimmung und -er dachte: »Was, oh Fraue, was wirst du mir also -noch alles antun, nachdem du dir nicht einmal rechtzeitig -die Haare waschen konntest — — —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_48'>48</span> - <h2 class='c009'>DIE LÜGE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Eine der schrecklichsten Verlogenheiten des -kleinen Lebens ist es, daß so viele in liebenswürdig-korrekter -Art fragen: »Ist es gestattet, an Ihrem -Tische Platz zu nehmen? Stört man nicht!?«</p> - -<p class='c016'>Welche verlogene Gemeinheit, eine solche perfid-jesuitische -Frage zu stellen, nachdem man es doch -sicher weiß, daß niemand daraufhin den Mut hat, -zu antworten: »<i>Nein</i>!«</p> - -<p class='c016'>Möge doch jeder in seiner Vereinsamung bleiben, -bis man ihn »liebevoll« ruft! Wie viele Feindselige -drängen sich scheinbar freundschaftlichst heran, weil -man mit einer Dame sitzt, auf die sie »fliegen!« -Eine horrende feige Gemeinheit. Schändliche Wölfe -im Schafspelze. Wenn sie ihre Beute »gerissen« -haben, verschwinden sie! Niemand weiß, edle Distanz -zu halten, weder im Gespräch, noch in Handlungen. -Eine falsche, feige Gutmütigkeit beherrscht alles, -vom liebenswürdigen, scheinbar erfreuten Lächeln -der Begrüßung an, bis in die ernsteren Komplikationen -hinein, wo die Maske fällt! »Wie geht es -Ihnen?!« Jeder denkt dabei: Hoffentlich schlecht! -Das Herz traut sich nirgends hervor; es keucht, erstickt -unter Lügebergen! Niemand kann »er selbst -sein«, schaut sich daher ängstlich um, nach dem -Sukkurs der andern!</p> - -<p class='c016'>Heldentum: »Ist es erlaubt, an Ihrem Tische -Platz zu nehmen?!«</p> - -<p class='c016'>»Nein!«</p> - -<p class='c016'>Dann geht der feige, geprügelte Hund aber hin -und rächt sich!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_49'>49</span> - <h2 class='c009'>PLAUDEREI</h2> -</div> - -<p class='c010'>Früher hat es naturgemäß Religionsstifter gegeben -für die <i>Seelen</i>. Der Körper war <i>urkräftig</i>, -und die Seelen waren <i>schwächlich</i>. Da bedurfte -es der <i>Ärzte</i> für die <i>Seelen</i>. Nun aber ist es umgekehrt: -die Seelen sind <i>erstarkt</i>, und die Körper -sind <i>schwächlich geworden</i>. Da bedarf es der -Religionsstifter für die <i>Körper</i>!</p> - -<p class='c016'>Keuschheit zum Beispiel war früher eine »psychologische« -Forderung, heute wird es zu einer »physiologischen«! -Einfachheit der Lebensweise war früher -eine »psychologische Forderung«, heute ist es eine -»physiologische« geworden!</p> - -<p class='c016'>Früher beschenkte man Arme aus »psychologischen« -Gründen. Heute könnte man fast bereits -sagen: »Ich gab einem Armen 50 Heller, denn ich -fühlte es, daß mir mein Nachtmahl dann besser -munden würde und ich es leichter verdauen könnte —.«</p> - -<p class='c016'>»Seelische Angelegenheiten« beginnen zugleich -»physiologisch« aufgefaßt zu werden, also eine organische -Verbindung von <i>Selbstlosigkeit</i> und <i>Ichismus</i>. -Je mehr ich meinen <i>Körper</i> entwickle und -schone, desto mehr kann ich <i>seelisch für andere -leisten</i>! Ich bin <i>von mir</i> befreit! <i>Für</i> andere! -Liebenswürdigkeit, Menschenfreundlichkeit ist Sache -des Verdauungsapparats.</p> - -<p class='c016'>Mörder müssen <i>Blähungen</i> haben. Man kann -nämlich auch unscheinbar morden; es muß nicht -immer Messer und Kugel sein. Auch Worte können -morden und <i>jegliche</i> Ungezogenheit! Frauen müßten -daher besonders vorsichtig sein in bezug auf ihren -<span class='pageno' id='Page_50'>50</span>gesamten Verdauungsapparat. Sie können leicht -»seelisch morden«, wenn sie unverdauliches Zeug -essen, das sie belästigt und beschwert. Ich will -von einer der wichtigsten Sphären im »physiologischen -Organismus« gar nichts auch nur andeuten, -in der man entweder zum »<i>Übermenschen</i>« oder -zum »<i>Mandrill</i>« wird! Aber der kommende Religionsstifter -wird die Verbrechen, die »Höllen«, -<i>ausschließlich</i> in der »physiologischen« Sphäre -erkennen, wenn auch der »Alkoholgenuß« nur selbstverständlich -den <i>Prügelknaben</i> vorstellt, der -blöderweise für <i>alle anderen</i> Sünden herhalten soll! -»Falscher Ehrgeiz« zum Beispiel ist ein »<i>physiologischer</i>« -Mörder in uns, ein Krebs der Seele, -eigentlich aber des Leibes! Die Würmer werden mich -fressen, früher aber muß ich noch Baron werden! Sie -sollen einen Baron also annagen! Man verlästert immer -die Dekadenz. Aber wann werden die Menschen endlich -nicht <i>mehr</i> essen, als sie benötigen, nicht <i>mehr</i> -trinken, als sie <i>benötigen</i>?!? Bis sie es nicht -mehr <i>vertragen</i> vor Schwäche! Dadurch aber -werden sie dann allmählich wieder <i>ganz stark</i> -werden!</p> - -<p class='c016'>Das ist der <i>Werdegang</i>! Zuerst <i>völlern</i>, auf -seine <i>überschüssigen</i> Kräfte hin! Dann <i>sparsam -leben</i>, wegen <i>seiner unterschüssigen</i> -Lebenskräfte. Und dann <i>infolgedessen</i> gesunden, -reich werden und es <i>bleiben</i>! Dekadenz ist der -<i>organische Übergang</i> zur <i>Aszendenz</i>! Zuerst -<i>vergeuden</i> die Menschen ihre Kräfte, weil sie -<i>zu viel</i> davon haben. Dann <i>sparen</i> sie damit, -weil sie <i>zu wenig</i> haben. Und schließlich haben -<span class='pageno' id='Page_51'>51</span>sie wieder <i>angesammelt</i> und <i>sparen</i> wegen -schlimmer Erfahrungen! Es gibt keinen anderen -Weg!</p> - -<p class='c016'>Es wäre denn, daß ein »physiologischer« Religionsstifter -die <i>persönliche Macht</i> ausübte, daß die -<i>Verschwender</i> an Lebenskräften zu <i>sparen</i> begännen, -<i>ehe</i> es unbedingt notwendig wäre! Dann -könnte er »gottähnliche Menschen« züchten auf -Erden! »Erkenntnisse aus Not« sind eigentlich dennoch -lächerlich, sie haben keine »Verführungskraft«. -»Erkenntnisse« aus »Erkenntnis« allein haben Triebkraft. -Sie zeitigen Blüten und Früchte am Baume der -Erkenntnis! Der ganze mögliche Fortschritt also: <i>Erkenntnisse</i> -haben und sie <i>durchsetzen</i>, ohne -»physiologisch« dazu bereits <i>genötigt</i> zu sein! -Zum Beispiel also, Krankenkost essen, ohne es -<i>nötig</i> zu haben, keusch leben, ohne es <i>nötig</i> zu -haben, zehn Stunden schlafen, ohne es <i>nötig</i> zu -haben! Mit diesem gewonnenen Überschuß an -Lebenskräften es versuchen, ein »höherer, besserer -Mensch« zu werden!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_52'>52</span> - <h2 class='c009'>LEBENSBILD</h2> -</div> - -<p class='c010'>Die fünfjährige Marie Ch. mußte um 6 Uhr -morgens, bei 10 Grad Kälte, nur mit einem Hemd -bekleidet, den Fußboden des Vorhauses reiben. Ein -Adeliger, ein Geschäftsmann wollte ich sagen, der -zufällig in das Haus trat, machte die polizeiliche -Anzeige. Alle ärmlichen Bewohner des weiten alten -Hauses atmeten auf. Sie selbst hätten sich vor der -Furie von Mutter nicht getraut, es zu tun.</p> - -<p class='c016'>Der Richter zu der Mutter: »— — — und was ist -es mit den blutigen Striemen auf dem Leibe dieses -schwächlichen todbleichen Geschöpfes?!«</p> - -<p class='c016'>»Dös Menscherl hat eh zu viel Blut — — —.«</p> - -<p class='c016'>Der Richter war empört und verurteilte sie zu -8 Tagen. Nach diesen acht Tagen wird sie also -jedenfalls das »vollblütige Menscherl« nicht mehr -den Boden des Vorhauses reiben lassen, da dort -»Adelige« vorbeigehen und die Anzeige machen -könnten. Im trauten Gemache, einen Knebel im -Munde, gibt es verschwiegenere Martern für irgend -etwas. Nun hat aber höchstwahrscheinlich diese -»Mutter« eine Entschuldigung. Denn sie nahm das -Mäderl von Bauersleuten weg am Lande, die es zwar -sehr fürsorglich behandelten, aber immerhin 6 bis -10 Kronen monatlich erhielten. Grund genug, ein -Kind als »unerträgliche Last« zu empfinden für durch -Armut in einem ununterbrochenen Zustande von -»reizbarer Schwäche« befindliche Nervensysteme. -<i>Grauen befällt den Allweisen erst</i> in dem gar -nicht seltenen Falle, wo Pflegeeltern ein abgöttisch -geliebtes, edel gehegtes Kindchen ohne einen Kreuzer -<span class='pageno' id='Page_53'>53</span>Entschädigung à tout prix behalten wollen, und die -»Eltern« es nicht <i>gestatten</i>, sondern es nach -Hause nehmen, um es der gerechten Strafe, geboren -worden zu sein, unter unermeßlichen Qualen zu unterziehen, -bis der Frevel seiner Geburt mit dem Tode -gesühnt ist!</p> - -<p class='c016'>Richter: »Ihr Kind hat es doch dort so gut gehabt, -und Sie selbst haben in zwei engen Stuben acht -Kinder zu ernähren?!«</p> - -<p class='c016'>»Wo acht hungern, kann das neunte auch mithungern, -soll sie’s besser haben als mir, warum?!«</p> - -<p class='c016'>Richter: »Der Bauer, der Ziehvater, hat erklärt, -er setze es zur Erbin ein — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Nix, dös Kind g’hört zu seine Eltern, zu seine -Geschwister — — —.«</p> - -<p class='c016'>Das Kind wurde später zu Tode gemartert.</p> - -<p class='c016'>Ich stelle einen einfachen logischen Gesetzesantrag: -»Kinder, die nachweislich es bei Zieheltern, -die <i>keinerlei Entschädigung</i> dafür verlangen, -gut haben, dürfen den Eltern, falls sie in bedrängten -Verhältnissen leben, <i>unter keiner Bedingung -wieder ausgefolgt werden</i>!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_54'>54</span> - <h2 class='c009'>LEBENSBILDER AUS DER TIERWELT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich habe mit Begeisterung diese Hefte angesehen, -gelesen. Es ist endlich die Natur »aus erster Hand«, -unverfälscht durch den Künstler, der sich seit Jahrhunderten -<i>verbrecherischerweise</i> zwischen Gott -und die Urromantik des Seins drängt, ein zwar <i>notwendiger</i>, -aber für unsereinen <i>überflüssiger</i> Vermittler -und Erklärer der Schätze des Daseins! Wir -sind selbst »<i>Künstlermenschen</i>« geworden!</p> - -<p class='c016'>Dieser »<i>Hochzeitstag</i>« z. B. der Eber im dunklen -alten Forste; ja, weshalb hat bis heute keiner von -den protokollierten »Landschaftern« so etwas gemalt?!? -Diese schwarzen Ungetüme, in Liebe aufgelöst, -einer auf den anderen getürmt; die anderen -schauen dumm zu, und der Forst ist voll riesiger -schwarzer Stämme. Solche Dinge bringt heutzutage -die »Kamera« fertig und beschämt den Maler, der den -Eber »mit <i>seinem</i> Auge«, also <i>falsch</i> sieht! Der Japaner -allein bemühte sich, der Natur mit unsäglichem -Fleiße nahezukommen, beizukommen. Aber bei uns -steht immer der Größenwahn des »Menschen« der -einfachen schönen Wahrheit <i>heimtückisch hinderlich</i> -im Wege! Der Maler bringt überall »seine -Seele« hinein, für diejenigen, die nicht einmal »ihre -eigene dumme Seele« besitzen! Aber Gottes Seele, -die <i>aus jeglichem</i> ausstrahlt, muß endlich <i>ohne -Vermittlung</i> dieses Hofmeisters »Künstler« erfaßt -werden können! Wer eine Frau erst als wertvoll, als -mysteriös, als Verhängnis empfinden, sehen, erfassen -könnte, bis der geniale Maler ihre Werte gemalt, -der Dichter ihre Werte besungen hätte, dem, dem -<span class='pageno' id='Page_55'>55</span>wird sie ihr Leben lang nur ein »unenträtselbares -Sexualtierchen« bleiben! Der Künstler ist ein Lehrer -und Vermittler, und solange man seiner bedarf und -er als wertvoll erscheint, ist man nur ein »Schüler -des Lebens«, ein nicht schauen und hören Könnender, -in Gottes All hinein, ein Menschlein, fern dem Herzen -und Gehirne, das in der Natur überall geheimnisvoll -verborgen liegt, auf daß erst der zum wirklichen -Leben »Ausgereifte« es genießen dürfe auf seinem -Weg zum Heile, zur Gottähnlichkeit! Den anderen -ist es wohlweislich verschlossen, und man schickt diese -»Babies« in die »Lebensschule« zum Herrn Lehrer -»Künstler«, der ihnen <i>primitiverweise</i> die Anfangsgründe -beibringen soll, mit leichtfaßlichen Beispielen, -»Kunstwerke« genannt!</p> - -<p class='c016'>Wir aber entnehmen diesen mit der einfachen -»Kamera« aufgenommenen »<i>Lebensbildern aus -der Tierwelt</i>«, R. Voigtländers Verlag, Leipzig, -und diesen Texten, die nur klar und einfach berichten -von den Ereignissen des Tierlebens bei Tag und -Nacht und zu jeder Stunde, und von den »Homerischen -Kämpfen« unter Grashalmen und Gebüschen -verborgen, wir entnehmen ihnen alle Poesien, alle -Romantik, alle Tragödien, alle Rätsel, die es hienieden -gibt! Unsere Lehrer sind Gott und Natur!</p> - -<p class='c016'>Man müßte eigentlich einer geliebten Frau diese in -Lieferungen erscheinenden, »Lebensbilder aus der Tierwelt«, -R. Voigtländers Verlag, Leipzig, als Geschenk -senden. Denn es ist ein absoluter Prüfstein für ihre -»inneren Werte«; wie sie darauf nämlich reagierte!?</p> - -<p class='c016'>Nun, ich habe das mit einer unbeschreiblich verehrten -Dame getan.</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_56'>56</span>Sie schrieb mir zurück: »Lieber Freund, sein’s -mir nicht bös, aber dös interessiert mich leider gar -nicht ...«</p> - -<p class='c016'>Nun, hat es meine Anhänglichkeit an sie aber -zum Schwinden gebracht?!? Keine Spur!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_57'>57</span> - <h2 class='c009'>BRIEF AN MITZI VON DER »LAMINGSON-TRUPPE«, DÄNIN.</h2> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> -<div class='nf-center c001'> - <div>Liebes, liebes Fräulein, Mitzi von der »Lamingson-Truppe«!</div> - </div> -</div> - -<p class='c016'>Ich weiß es nicht, wie lange Sie noch in Wien -und hier im »Casino de Paris« bleiben werden, und -eines Tages können Sie fort sein, fort auf Nimmerwiedersehen, -irgendwohin in die lustige oder traurige -Welt der Künstler, der Artisten, tausend und tausend -merkwürdigen Schicksalen und Begebenheiten -ausgesetzt!</p> - -<p class='c016'>Mögen Sie es daher wissen, daß ein alter armer -glatzköpfiger uneleganter Dichter Ihnen nachweinen -wird und Ihre herrliche liebliche wundervolle Persönlichkeit -gleichsam im Innern seiner Augen aufbewahren -wird, lange lange lange Zeit — — —.</p> - -<p class='c016'>Man vergleicht oft junge Mädchen mit schlanken -Rehen im Walde; aber niemals, niemals hat ein -Vergleich so sehr gestimmt! Sie sind das schlanke -rührende edelbeinige Reh, nicht ahnend, woher der -Schuß eines grausamen Jägers kommen wird im -Waldesfrieden — — —.</p> - -<p class='c016'>Ihre lieben lieben, beim Lächeln zusammengezwickten -Augen, werde ich nie nie vergessen, nie -Ihre blondbraunen Haare, Ihre aristokratisch-noblen -Glieder, Ihre edelgebogene und dennoch rechtzeitig -abstumpfende Nase, Ihren süßen Mund!</p> - -<p class='c016'>Wenn Sie fort sind, Mitzi, Fräulein Mitzi, wird es -mir sein, wie wenn mir jemand ungeheuer Liebes -gestorben wäre, und ich werde Ihnen nachtrauern -und um Sie besorgt sein!</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_58'>58</span>Ihre außergewöhnliche Schönheit, Ihr Leib, der -wie das zarte Gedicht eines Dichters ist, haben mich -tief, tief gerührt; und ich möchte, daß junge, reiche -elegante Männer mit derselben Ehrfurcht vor Ihrer -lieblichen Herrlichkeit sich innerlich verneigen könnten -wie ich alter Mann.</p> - -<p class='c016'>Man müßte Sie betreuen und beschützen wie -einen kostbaren lebendigen Gegenstand, man müßte -für Sie sorgen bei Tag und bei Nacht. — — — Mit -liebevollster Fürsorge!</p> - -<p class='c010'>Lächeln Sie nicht, wenn Sie diese Zeilen lesen, -Ihre Härte könnte mich nicht verwunden, nicht -verletzen — — —.</p> - -<p class='c016'>Ich bete zu Gott, daß Sie glücklich werden, Sie -Allerlieblichste!!!</p> - -<div class='c012'>Peter Altenberg.</div> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_59'>59</span> - <h2 class='c009'>APHORISMEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich verstehe unter »<i>Kultur einer Frauenseele</i>«, -einen Mann, dem man sich einmal gewidmet -hat, nicht zu <i>kränken</i>, bevor man nicht aufrichtig-traurig -zu ihm gesprochen hat: »Es ist Schluß!«</p> - -<p class='c016'>Eine Frau kann ihr Schlachtopfer »Mannesseele« -grausam umbringen, wie Krebse in siedendem -Wasser, oder in milder Form, mit einem Schnitt wie -Kälber. Weshalb es ihnen also verzeihen, wenn sie -es grausam tun?!</p> - -<p class='c016'>Grausam bereits ist der »<i>kokette Blick</i>«!!!</p> - -<p class='c016'>Sage also, Kanaille, lieber vorher: »<i>Es ist -Schluß!</i>«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_60'>60</span> - <h2 class='c009'>TEXTE AUF ANSICHTSKARTEN</h2> -</div> -<h3 class='c018'><i>Rokoko</i></h3> - -<p class='c019'>In dieser Zeit lebten Menschen, die vom Leben -nicht wußten, wie es <i>wirklich</i> und <i>einfach</i> ist!</p> - -<p class='c016'>Sie lebten in einem »falschen Märchenlande« — —.</p> - -<p class='c016'>Denn das »echte Märchenland« ist die Romantik -des <i>Kartoffelfeldes</i> in einer <i>wirklichen</i> Mondnacht! -Solange die menschlich-kindischen Herzen -noch nicht reif sind für die ernste »Romantik der -Natur selbst«, schaffen sie sich »kindische Spielereien«! -Aber diese »Verirrten« waren wenigstens -»<i>Wege-Sucher</i>«, die sich nur kindisch <i>verirrten</i>! -Das wollen wir ihnen also <i>zugute</i> halten!</p> - -<h4 class='c020'><i>Frau E... R.....</i></h4> - -<div class='lg-container-l c021'> - <div class='linegroup'> - <div class='group'> - <div class='line'>Schaffst du denn Symphonien, weibliches Beethoven-Antlitz?!?</div> - <div class='line'>Du bist ein <i>Weib</i>, kannst dich nicht <i>austönen</i>!</div> - <div class='line'>Nicht dich <i>erlösen</i>!</div> - <div class='line'>Ein <i>Spiegelbild der Welt</i> kannst du nicht sein!</div> - <div class='line'>Zur <i>Tagestat</i> zu groß, zur <i>ewigen</i> zu <i>klein</i>!</div> - <div class='line'>So <i>bleibst</i> du Weib und kannst’s dennoch nicht sein!!</div> - </div> - </div> -</div> - -<h4 class='c022'><i>Fräulein Barbara von G.</i></h4> - -<p class='c019'>»<i>Nichts</i> ist gekommen, nichts <i>wird kommen</i> -für meine Seele — — —.</p> - -<p class='c016'>Ich habe <i>gewartet</i>, <i>gewartet</i>, oh, <i>gewartet</i> —.</p> - -<p class='c016'>Die Tage werden dahinschleichen —.</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_61'>61</span>Und <i>umsonst</i> wehen meine aschblonden seidenen -Haare um mein bleiches Antlitz — — —.«</p> - -<p class='c010'>Über die Grenzen des All blicktest du sinnend -hinaus;</p> - -<p class='c016'>Hattest nie Sorge um Hof und Haus!</p> - -<p class='c016'><i>Leben</i> und <i>Traum vom Leben</i> — — — — -plötzlich ist alles aus — — —.</p> - -<p class='c016'>Über die Grenzen des All blickst du noch sinnend -hinaus — — —!</p> - -<p class='c010'>Nach Jahren kommt eine <i>unaussprechliche -Dankbarkeit</i> in uns für die Frau, die wir »unglücklich -liebten« — — —. Aus <i>Bürgern des -strengen Tages</i> machte sie uns nämlich zu <i>weltentrückten -Poeten</i>, <i>erschloß</i> uns unseres eigenen -Herzens Tiefen, <i>erhöhte</i> uns zu »inneren tragischen -Helden«! <i>Unsere Tränen</i> gab sie uns, bannte das -<i>leere Lächeln</i>! Sie sei also bedankt und gepriesen!</p> - -<h3 class='c018'><i>Schneesturm</i></h3> - -<p class='c019'>Seele, wie bist du schöner, tiefer, nach <i>Schneestürmen</i> — — —.</p> - -<p class='c016'>Auch du hast sie, gleich der Natur — — —.</p> - -<p class='c016'>Und über beiden liegt noch ein <i>trüber Hauch</i>, -wenn das Gewölk sich schon <i>verzog</i>!</p> - -<div class='lg-container-l c023'> - <div class='linegroup'> - <div class='group'> - <div class='line'>Bloß ein Feld voll Zwiebeln — — —.</div> - <div class='line'>Stillt es die <i>Not</i> dessen, der es bebaut,</div> - <div class='line'>Stimmt es <i>andächtig</i> den, der es nur <i>als Künstler beschaut</i>!</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_62'>62</span>Gräber von berühmten Toten sollen uns streng -ermahnen, den Tag und die Stunde wertvoll zu gestalten, -da wir <i>noch</i> sind — — —!</p> - -<p class='c010'>Helle Wolken und schwarze Bäume!</p> - -<p class='c016'>Für Kinder zum Schrecken, Gespenster!</p> - -<p class='c016'>Für Dichter zum Weinen!</p> - -<p class='c016'>Und der gewöhnliche Mensch geht dran gelassen -vorüber, sagt: »Das wäre etwas für Kinder zum -Schrecken, und für Dichter zum Weinen!«</p> - -<h3 class='c018'><i>Wald im Winter</i></h3> - -<p class='c019'>Ein kleines Mäderl sagte: »Onkel, aber, nicht -wahr, hinten ist die böse Hexe, die die Kinder -stiehlt?!« — Ich sagte: »Natürlich«; und bat den -<i>friedevollen</i> Wald um Entschuldigung — — —. -Gewisse Menschen <i>wollen</i> eben keinen Frieden — — —. -Sie suchen selbst im Walde die böse Hexe, die die -Kinder stiehlt — — —. Sonst hat er für sie gar -keinen Reiz!</p> - -<h3 class='c018'><i>Weg im Winter</i></h3> - -<p class='c019'>Geliebter verträumter verschneiter Weg! Ging -ich hier mit Anita?!? Oder träumte ich nur, daß -ich hier mit ihr gehen möchte?! Fußspuren im -Schnee, ihr paßt nicht zu Anitas geliebten Schuhen —.</p> - -<p class='c010'>Hie und da rauschen Schneeklumpen zur Erde. -Wie wenn der Frühling es versuchte, den Winter -bereits abzuschütteln!</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_63'>63</span>»Das Betreten der Kulturen ist strengstens -untersagt« — — —; man wird es dennoch ewig tun! -Betreten, zertreten! —</p> - -<p class='c010'>Zaun, wie machst du die Landschaft melancholisch! -Im Grenzenlosen etwas Abgegrenztes!</p> - -<p class='c010'>Hier ist Friede — — —. Hier weine ich mich aus -über alles. Hier löst sich mein unermeßliches unfaßbares -Leid, das meine Seele verbrennt. Siehe, -hier sind keine Menschen, keine Ansiedlungen. Hier -tropft Schnee leise in Wasserlachen — — —.</p> - -<p class='c016'>Hier suchte sie die ersten Blüten, und fand nichts. -Und ich sagte zu ihr: »Diese gelbgrünen feuchten -Rasenflecke, die der zerrinnende Schnee bloßlegt, -sind schöner als Blumen — — —.« Da sah sie hin und -<i>erkannte</i>!</p> - -<p class='c016'>Hier bleibe stehen mit deiner geliebtesten Freundin, -und <i>belausche</i> ihr Antlitz — — —! Fühlt sie -<i>dasselbe</i> wie du, dann kannst du <i>beruhigt</i> mit -ihr weiterschreiten, in <i>die Gelände des Lebens</i>!</p> - -<p class='c016'>Ich suchte eine Frau, die den Schnee <i>wirklich</i> -liebte; und ich fand keine! Sie <i>benützten</i> nur -den Schnee, für ihre Sheerns! —</p> - -<p class='c010'>Junge Ochsen auf der Weide. Einst im Sonnenbrande, -ziehend am allzu schweren Gespanne, könnt -ihr euch nicht mehr der kühlen Weide erinnern. -Aber in eurem <i>traurig-dummen</i> Auge spiegelt -sich alles, und kein Gram geht verloren in der gramvollen -Welt — — —.</p> - -<p class='c010'><span class='pageno' id='Page_64'>64</span>Margeritten im hohen Grase. Alles blüht und -atmet Frieden! Auf dem Boden leben aber und -sterben lautlos hunderttausend Insekten. Nur der -Mensch erhebt seine Stimme und beklagt sein Schicksal. -Kann er es ändern?! Ja. Er kann wenigstens -weinen und schreien. Und falls er es nicht kann, tun -es <i>für ihn</i> liebevoll die <i>Dichter</i>!</p> - -<p class='c010'>Manche Frauen würden nicht elende »Treuebrecherinnen«, -»Ehebrecherinnen« werden, wenn sie -stets imstande wären, an den Schätzen der friedevollen -mysteriösen Natur ihre zerfahrenen Seelen -wieder und immer wieder aufzurichten!</p> - -<p class='c010'>Natur und Frau sollten in <i>gleicher Weise</i> -wirken, uns zu adeligen, <i>all</i>-verstehenden, sanftmütigen -<i>Weltgeschöpfen</i> zu transformieren! Einer -Frau diese <i>geniale Aufgabe</i> als <i>süße Pflicht</i> beibringen, -heißt: sie glücklich machen!</p> - -<p class='c010'>Sahst du nach dem Gewitterregen den Wald?!?</p> - -<p class='c016'>Alles rastet, blinkt und ist schöner als zuvor — —.</p> - -<p class='c016'>Siehe, Fraue, auch du <i>brauchst Gewitterregen</i>!</p> - -<h4 class='c020'><i>Portrait d’une jeune femme</i></h4> - -<p class='c019'>»Je suis venue pour <i>donner</i> — — — prenez, -prenez, <i>prenez</i>!!«</p> - -<h4 class='c020'><i>Cléo de Mérode</i></h4> - -<p class='c019'>Unzerstörbares Antlitz; Zeit und Erlebnis versuchen -<span class='pageno' id='Page_65'>65</span>es vergebens, in deinem edlen Erz sich einzugraben -— — —!</p> - -<h4 class='c020'><i>Prinzessin Ruprecht von Bayern</i></h4> - -<p class='c019'>»Und dein Antlitz ist die ›Materie gewordene‹ -Seele selbst!!«</p> - -<h4 class='c020'><i>Kronprinzessin</i></h4> - -<p class='c019'>Geboren, einem Kaiser Kinder zu gebären und -zu Fürstlichkeiten zu erziehen im Leben! Aber der -Dichter erschaut in dir dennoch nur die einfache -Vollkommenheit ohne Zweck und Ziel!</p> - -<h4 class='c020'><i>Kronprinzessin Maria von Rumänien Glockenblumen</i></h4> - -<p class='c019'>Umringt bist du von deinen Lieblingsblumen, -hehre Fraue! Aber du blickst und stehst nicht in -Frühlingsfroheit, sondern ermüdet und enttäuscht. -Vier allerherrlichsten Kindern gabst du das Leben, -<i>deine eigenen Kräfte</i>, behieltest dennoch deine -<i>heilige Mädchengestalt</i> bei! Das Altern hat -dich <i>nicht</i> verändern können; deshalb blickst du -<i>erstaunt</i> und <i>wehmütig</i>!!! Du gabst und gabst -und kannst noch immer geben und um Dich herum -altert die alltägliche Welt — — —!</p> - -<h4 class='c020'><i>Kaiserin Elisabeth von Österreich, Königin von Ungarn</i></h4> - -<p class='c019'>Wohin, träumerische Fraue, wandertest du, rastlos?!?</p> - -<div class='nf-center-c0'> - <div class='nf-center'> - <div>— »Weg <i>von der Lüge</i>!«</div> - </div> -</div> - -<div> - <span class='pageno' id='Page_66'>66</span> - <h4 class='c020'><i>Kaiserin Elisabeth</i></h4> -</div> - -<p class='c019'>Gott erschuf dich in Seiner tiefsten <i>künstlerischen -Liebe</i>: zuerst, in der Jugend, wie man sich -auszudrücken pflegt, ein <i>wildes Füllen</i> in Berg und -Tal, mit wirren Locken; und späterhin alle Leiden -tragend von enttäuschten Dichtern; das <i>innere -ewige Klagen</i>, und das Erschauen, daß Gottes -Reich noch nicht gekommen sei für <i>Seinesgleichen</i>.</p> - -<h4 class='c020'><i>Kaiserin-Elisabeth-Denkmal</i></h4> - -<p class='c019'>Ich hätte dich umringt mit dunklen Legföhren, -Rhododendronbüschen, Edelweiß, Speik, und allen -Blüten der Bergalmen!</p> - -<p class='c016'>Ich hätte die Tiere der freien Berglüfte in silbernen -Käfigen um dich herum gestellt — — —. -Bergdohle und Murmeltier.</p> - -<p class='c016'>Aber man stellte dich in einen Garten, gepflegt -und gehegt, und <i>wider die freie heilige Natur!!!</i></p> - -<h4 class='c020'><i>Manöver: Feld-Telephon und Fernrohr</i></h4> - -<p class='c019'>»Fern von der Schlacht, und dennoch mitten -drinnen! So wie die Dichter!«</p> - -<h4 class='c020'><i>Mein Lebensleitmotiv:</i></h4> - -<p class='c019'>»Nie über einen Graben springen, eine Hürde, -wenn man <i>nicht</i> ganz <i>gesichert</i> ist, hinüberzugelangen -mit <i>leichter</i> Anmut!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_67'>67</span> - <h2 class='c009'>HEILMITTEL</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich habe in einer Blumenhandlung in einer -Kristallglaswanne zwei goldene japanische Zwergfische -gesehen, mit riesigen durchsichtigen Flossen -und dunklen hervortretenden Augen, mit der Anmut -von modernen Tänzerinnen sich bewegend, und dabei -doch reserviert gelassen ihrem Wärter, Pfleger an -die Glaswand zuschwimmend. Ich begreife es absolut -nicht, wieso reiche Damen sich diesen Schatz der -Natur entgehen lassen können und sich nicht eine -kleine Herde dieser allerentzückendsten Tiere anschaffen. -Einer kostet allerdings 16 Kronen. Der -Boden muß aus kleinen Kieseln bestehen, die jeden -zweiten Tag herausgenommen und in warmem -Wasser gereinigt werden müssen. Die Nahrung ist -ausschließlich das Pulver »Piscidin«, das auf die -Wasseroberfläche hingestreut wird. Man kann stundenlang -vor dieser goldenen Anmutpracht verweilen. -Die Tiere lernen uns baldigst kennen und lieben. -Viele Frauen würden dadurch vor ihren bösen Gedanken, -bösen Instinkten, und vor allem vor ihrer -gefährlichen inneren Leere und vor Gelangweiltsein -gerettet werden können. Gehet hin, Damen, und -kaufet daher japanische Goldfische!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_68'>68</span> - <h2 class='c009'>DER NEBENMENSCH</h2> -</div> - -<p class='c010'>Neunzig Prozent unsrer Lebensenergien raubt uns -die Ungezogenheit, die Taktlosigkeit unseres Nebenmenschen. -Jedes falsch angebrachte Wort zerstört -unser zart empfindliches Nervensystem. Nicht Distanzhalten -von der Welt des andern, die man ja -doch nicht begreifen kann, mordet die Nerven. Die -unverständliche Welt des andern nicht achtungsvoll -und scheu behandeln, ist eine bodenlose Feigheit. -Es ist, wie wenn man jemandem, der unsäglich an -Migräne litte, sagte, er bilde sich diese Leiden nur -ein! Gläubig sein, ist aristokratisch; bezweifeln, -ironisieren, ist plebejisch! Durch Gläubigkeit erweitert -man seinen Horizont um den des andern, durch Skeptizismus -bleibt man ewig in seine eigenen engen -Grenzen eingebannt.</p> - -<p class='c016'>Niemandem wehe tun, falls es nicht unbedingt -notwendig wäre, ist die natürliche Wirkung geistiger -Kultur. Jedermann werde erfrischt, ja erlöst durch -deine Gesellschaft, ja, er suche sie auf, wie das bedrückte -Menschenkind den Beichtstuhl. — — —</p> - -<p class='c016'>Aber unsre Nebenmenschen sind noch Satan, -Jago, Mephistopheles, Franz Moor; selbst zu ewiger -innerer Unruhe verdammt, drängt es sie, auch in -uns nur böse Unruhe zu erzeugen, damit wir ja nicht -besser, nicht vornehmer werden als sie selbst es sein -können. Sie gönnen uns nicht höhere innere Entwicklungen, -wollen uns <i>absichtlich degradieren -auf ihr eigenes erreichbares Niveau</i>! Nur der -Dichter erlebt träumend künftige Entwicklungen -gläubigen Herzens, und die, die sich ihm anschließen, -<span class='pageno' id='Page_69'>69</span>tragen jedenfalls diese idealen Möglichkeiten kommender -besserer Welten schweigend-demütig bereits -in ihrem Herzen! Der Nebenmensch ist ein Gegenmensch. -Er will nicht helfen, sondern schädigen. -Wäre er selbst ein Zufriedener, wünschte er nur Zufriedenheit -zu verbreiten; als Unzufriedener wünscht -er uns ebenfalls nur Friedlosigkeit!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_70'>70</span> - <h2 class='c009'>SCHUTZ</h2> -</div> - -<p class='c010'>Unter Yellowstone-Park versteht man bei uns bereits -irgendeine wertvolle urwaldartige, mit allen ihren -geheimnisvollen Schätzen an Pflanzen, Tieren, Steinen -und Quellen erfüllte Gegend, die unter den Schutz des -Staates gestellt wird, gegen die zerstörende unnachsichtige -Barbarei der Menschheit. Eine Art von -idealer Menagerie der Natur selbst! Solch einen -Yellowstone-Park wird man nun in der Schweiz im -Scarltal und seinen Nebentälern errichten, um die -kostbaren Alpenpflanzen, um Bär, Luchs, Wildkatze -zu erhalten. Und alles, was da blüht, kreucht -und fleucht. Solche Yellowstone-Parke sollte man -nun auch endlich für Menschenerhaltung errichten, -für exzeptionell herrliche Frauen, für exzeptionell -herrliche Männergehirne, die sonst verloren gingen -in den zahlreichen Gefahren! Oasen für Denker und -Träumer, in der Wüste des Lebens, die versengt, und -verdorren macht. Oasen für wunderbar schöne Frauen, -zu denen man pilgern dürfte, ihre schmalen schneeweißen -langen Finger an die Lippen zu drücken und -daran zu genesen, mehr als an Guber-Quelle, Virchow-Quelle, -Hofbrunnen und Königsbrunnen, mehr -als an den Mysterien Gasteins, Kissingens, Franzensbads, -Karlsbads. Männergehirne, die man für die -Menschheit schützen müßte vor dem Zugrundegehen, -Frauenkörper, Frauenseelen, die man für die Menschheit -schützen müßte vor dem Vernichtetwerden in -zügellosen Orgien und Egoismen, in Treibjagden auf -Seele und Leib! Yellowstone-Parke müßten geschaffen -werden, Reviere, in denen wertvolle Gehirne, -<span class='pageno' id='Page_71'>71</span>wertvolle Seelen, wertvolle Leiber, geschützt -vor feigen Verfolgungen, die Ideale der Natur repräsentieren -könnten für die verkommende Milliarde der -Unzulänglichen!</p> - -<p class='c016'>Ein Mädchen zum Beispiel, zu dem man spräche: -Pflege die Pracht deiner zarten, gebrechlichen, -adeligen Glieder, deinen Milchteint und deine Beweglichkeiten! -Du sollst in einem Tempelchen hausen -und keinerlei Sorge haben! Auf daß die andern hinpilgerten -und, schamvoll in sich gekehrt, es versuchten, -dir nachzugeraten ein wenig!</p> - -<p class='c016'>Aber bisher schützt man nur Edelexemplare unter -den Pflanzen und Tieren, ja sogar heiße Springquellen -mit Marmorbecken. Aber Menschen, Menschen -schützt man noch nicht — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_72'>72</span> - <h2 class='c009'>BRANGÄNE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich kenne eine Sache im Leben, die mich am -tiefsten ergreift von allen, die ich erlebt habe. Es -ist in der Stille des nächtlichen Liebesgartens der -Gesang der edlen Wächterin Brangäne. Es ist die -tönend gewordene Selbstlosigkeit, inmitten der nächtlichen -Liebesgefahren. Es ist die Warnung an die -Allzuirdischen, die in der Melodie des Herzens zugleich -eigentlich von selbst ertönt; es ist die Klage der -tiefsten, echtesten Freundschaft, hineingesungen in -den dunklen Garten. In jedem Menschen sind solche -Gefühle aufgespeichert, besonders in den alten Kinderfrauen, -die man entläßt von ihren Lieblingen, wenn -man sie nicht mehr braucht. Aber sie weinen sich -im stillen aus, alle diese Herzvollen, während bei -Brangäne das Leid und die edle Sorge um einen -geliebten Menschen helltönend wird, und in die -dunkle, harte, grausame Welt hinaus stöhnt! -Auch unsre alte Bedienerin Luise sang uns ein -unvergeßliches Lied, als sie beim Abschiede mir -und meinem Bruder schrieb: »Die sieben Jahre -in Ihren Diensten, meine Herren, waren das Glück -und der Segen meines ganzen Lebens — — —.« Alle -diese versteckten, edel-tragischen Dinge der dienenden -Menschenherzen ertönen in Brangänens Gesang. -Alle in der Menschheit bisher leider vergeblich aufgestapelten -Selbstlosigkeiten und Ergebenheiten werden -da zu singender Klage; aber die Menschen der -leidenschaftlich irrigen Stunden vernehmen nichts -davon als ihre eigenen, zum Abgrund führenden -Sündhaftigkeiten, deren Brausen alles übertönt — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_73'>73</span> - <h2 class='c009'>DER AFFE PETER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Der große Affe Peter ist wirklich ein Wunder der -Natur. Denn ich bemerkte sogleich zu meinen Freunden -in meiner Loge, daß dieser Affe unmöglich zum -Radfahren abgerichtet sein könne, sondern daß es -eine Naturanlage sein müsse, und es dem Tiere ein -leidenschaftliches Vergnügen bereite, wie einem Kind -eine geliebte Spielerei, Hutschpferd oder Schaukel. -Direktor Brill bestätigte mir auch diese meine Ansicht. -Die Freudigkeit und Geschicklichkeit des -Tieres, ein junges wunderliebes Mädchen mit dem -Fahrrad zu verfolgen, erregt im Publikum Enthusiasmus. -Man wird jedenfalls viele brave Kinder -hinführen müssen. Dieser Affe könnte unbedingt -die allerschwierigsten Radfahrtricks spielend erlernen. -Nur sollte von seiten des vorführenden Herrn -eine menschlich-freundschaftlichere Beziehung vorhanden -sein, wie sie bisher stets zwischen den Besitzern -berühmter Schimpansen, Orangs stattgefunden -hat, ja direkt rührend zärtliche Anhänglichkeiten, -wie zu edlen Pferden, edlen Hunden. Man braucht -natürlich nicht die verlogene Komödie einer exaltierten -Freundschaft zu dem Tiere dem Publikum -vorzumachen, aber man muß Zuneigung spüren -beiderseits. Ein berühmter Affendresseur machte -sich seinerzeit durch seine harte Nervosität, den -Tieren gegenüber, fast unbeliebt, trotz der wunderbaren -Kunststücke. Nicht was er dem Tiere einlernt, -sondern was er sonst noch übrig hat an -Liebe und Verständnis, das macht einem den Tierdresseur -sympathisch. Wie war die Beziehung des -<span class='pageno' id='Page_74'>74</span>aristokratischen Severus Schäffer zu seinen Hunden! -Wie ein jagender Landedelmann mit seiner Lieblingsmeute! -Alle Dresseure müssen etwas von einem -dilettierenden Aristokraten an sich haben. So ritt -Direktor Schumann seine Pferde, nonchalant-vornehm-liebenswürdig. -Ich glaube, daß er seine Pferde -nie schlagen konnte. Oder wenigstens sah er danach -aus. Mit einem der Menschenaffen wie Peter aber -muß ein tiefes freundschaftliches echtes Verhältnis -entstehen. Er speist nach der Vorstellung im Restaurant -wie ein wohlerzogener Mensch. Er gab mir -die Hand, wollte sie sogar zart an seine Lippen -drücken. Bei solchen Tieren spürt man es, daß man -sie nur mit äußerster Zärtlichkeit und selten angewandter -gerechter Strenge zu ihren eigenen erreichbaren -Höhen bringen könne. Die wunderbare Schimpansin -Maja im Tiergarten, 1896, haßte jede Dame, -die in meiner Gesellschaft oder gar in mich eingehängt -ihr Zimmerchen betrat, und drängte sie weg, -umarmte mich absichtlich stürmisch und liebevoll. -Ich glaube, es war das einzige weibliche Wesen, das -an mir ernstlich Gefallen fand. Für edle Tiere gehört -vielleicht ein Philosoph mit einem tiefen Herzen! -Frauen geben es billiger und machen sich nichts -daraus. Und Die, die sich wirklich etwas daraus -machen, sind eben ganz so wie edle gutmütige Tiere, -siehe A. R.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_75'>75</span> - <h2 class='c009'>UNGEZIEFER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Alle hatten sie gern, sie amüsierte, und war anders -wie die meisten. Daher nützte man sie aus.</p> - -<p class='c016'>Von Tag zu Tag sah sie schlechter aus, wie eine -Besiegte in der Schlacht des Lebens, die sich verwundet -wegschleicht, hinter einem Busche zu krepieren — — —.</p> - -<p class='c016'>Da sagte der Dichter: »Nun, können Sie es mir -nicht klagen?!«</p> - -<p class='c016'>»Ich wohne, bitte, in einem Zimmer, wo Wanzen -sind. Man erträgt alles tagsüber von den Menschen, -und nachts benehmen sich die Wanzen ebenso schamlos-feig -und stören uns — — —. Da bricht man halt -zusammen.«</p> - -<p class='c016'>Der Dichter machte eine Kollekte, steuerte aber -selbst vorsichtig ein Paket Insektenpulver bei.</p> - -<p class='c016'>Er sagte: »Für <i>diese</i> Tiere gibt es Mittel; aber -für die <i>Menschenwanzen</i> gibt es keine. Ihre -Nachtruhe ist nunmehr gesichert, Fräulein; aber -<i>Tagesruhe</i> gibt es nicht. Da sind die <i>Menschenwanzen</i> -unausrottbar an der Arbeit!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_76'>76</span> - <h2 class='c009'>MUTTER UND TOCHTER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich sah eine Mutter tief verzweifelt, daß ihr geliebtes -Töchterchen keine »gute Partie« machen -wollte — — —.</p> - -<p class='c016'>Sie zankte mit ihr, aber in ihrem Innersten hatte -sie dennoch Rührung und Anerkennung.</p> - -<p class='c016'>Sie sagte zu ihr: »Das Leben ist nun einmal so, -ich habe es auch einst auf mich nehmen müssen, -meine Liebe, — — —.«</p> - -<p class='c016'>Die Tochter blickte die Mutter schief und bitterböse -an.</p> - -<p class='c016'>Dann heiratete sie aber doch endlich einen reichen -Mann, der sie betreute und beschützte.</p> - -<p class='c016'>Da sagte sie zu der Mutter: »Ich hatte einst -falsche Vorstellungen, Ideale. Ich bin nun ganz -glücklich und zufrieden — — —.«</p> - -<p class='c016'>Da blickte die Mutter ihre Tochter schief und -bitterböse an — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_77'>77</span> - <h2 class='c009'>DER DICHTER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Du sagst mir, ich hätte so viele ewige Quellen der -Begeisterung. Überall, auf allen Wegen blühe es -doch auf, für mich Gesalbten — — —!?!</p> - -<p class='c016'>Und gerade du sagst mir das kalt, die mir eben alle -diese Wege verstellt, verrammelt hat?!?</p> - -<p class='c016'>Gerade du, die sich fast heimtückisch an Stelle -setzte aller Weltenprächte?! Durch deine eigene -Pracht?!?</p> - -<p class='c016'>Du schlossest mir, Geliebteste, die Pforten; und nun -verlangst du, ich solle wieder hingehn in das weite -Land, woraus dein Zauber mich gerade verstoßen -und vertrieben hat?!? Die Welt besingen, die für -mich gestorben ist durch dich?! Auf <i>deiner</i> edlen -Stirne prangt nun die Weltenpracht,</p> - -<p class='c016'>von <i>deiner</i> Stimme tönen die Weltenmelodien,</p> - -<p class='c016'><i>du</i> selbst vertriebst mich aus dem Paradies der -Weltenschönheit durch deine <i>eigene</i>!</p> - -<p class='c016'>Um mich nun aufzufordern, dahin zurückzukehren, -woher ich stammte, fingst du mich also schnöde ein, -jetzt, da ich Pfad und Mut und Kraft verloren -hab’ zum Wandern — — —!? Teufeline!</p> - -<p class='c016'>So nehm’ ich Abschied denn von dem und jenem Wege,</p> - -<p class='c016'>da du die Flügel mir beschnitten hast zu dem und -jenem Pfad — — —.</p> - -<p class='c016'>Leb’ wohl, geliebte Frau,</p> - -<p class='c016'>du botest mir statt Weltenpracht die eigene — — —</p> - -<p class='c016'>ich zürn’ dir nicht, daß du mich nun entläßt in eine -Welt, die erst durch dich, und nur durch dich, mir -leer geworden ist — — —!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_78'>78</span> - <h2 class='c009'>HYSTERIE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Sie stand hoch über allen anderen Frauen, die -»<i>wie in düsteren Nebeln</i> dahintorkeln, <i>schicksalstrunken</i> -und irre!« Sie aber, die Neunzehnjährige, -ging dahin bereits im Lichte der Wahrhaftigkeiten -und hatte es gelernt, an ihren <i>bittersten -Tränen</i> mehr zu lernen, als an den <i>flachen Freudigkeiten</i>! -Ihr Arzt hatte ihr die »Eitelkeit« -<i>exstirpiert</i>, diesen »Krebs der Frauenseele«, der -alles, alles Bessere ihr <i>wegfrißt</i>. Bescheidenheit ist -Göttlichkeit. Er hatte sie gelehrt, ein getreuer edler -Hund zu sein! Sie hätte bei einer berühmten englischen -»Schau«, um den berühmten »cup«, unbedingt -den ersten Preis erhalten für »getreueste Hundeseele«! -Sie konnte blicken wie ein »Leonberger«, -abstammend vom ersten »Bary«, so ganz tieftraurig. -Ihre Intelligenz war licht, tief und einfach. -Sie war weder häßlich noch hübsch, aber manchesmal -sah sie verklärt aus, entrückt, und ein Dichter -würde in solchen Momenten über ihren rotgoldenen -Haaren einen Heiligenschein erblickt haben! Jedenfalls -fehlte wenig dazu.</p> - -<p class='c016'>Aber die Damen der Gesellschaft sagten über sie: -»Schade um das junge Geschöpf, sie hat gute Anlagen, -aber sie gehört in eine ›feste Hand‹, sie stellt -sich das Leben noch anders vor, als es ist; wir leben -nicht in ›Wolkenkuckucksheim‹, sondern, bitte, auf -der Erde!«</p> - -<p class='c016'>Über ihrem Bette, an einer wunderbaren japanischen -Matte hingen in schweren Mahagonirahmen -die Photographien von Beethoven, Wagner, Maeterlinck, -<span class='pageno' id='Page_79'>79</span>Bismarck, diesem Deutschland gründenden -<i>Realidealisten</i>. Da blickte sie denn oft vor dem -Einschlafen hinauf zu ihren Helden und dankte ihnen -herzinnigst für alles, was sie ihr mitgegeben hatten in -die strengen Tage des Lebens. Und daß sie gekämpft -und gelitten hatten eigentlich für sie!</p> - -<p class='c016'>Eines Tages erhielt sie Besuch von einer Dame. -»Sind das Ihre Götter?!?« sagte die Dame.</p> - -<p class='c016'>»Es sind meine Erzieher! Ich befinde mich hier -in ›fester Hand‹, man läßt mir nichts durchpassieren, -was nicht menschlich ist!«</p> - -<p class='c016'>Die Dame dachte beim Weggehen: »Es ist -schade um das junge Geschöpf, ich wollte für meinen -geliebten Sohn um ihre Hand anhalten, aber es gäbe -unter solchen Umständen nur ein Unglück — — —.«</p> - -<p class='c016'>So blieb sie denn allein! Allein?!? Mit allen Getreuen, -den Denkern und Idealisten, lebte sie in -»<i>Gemeinschaft</i>«, und niemals, niemals während -ihres ganzen <i>wahrheitsvollen</i> Lebens beneidete -sie die, die doch nur angeblich »glücklich und -zufrieden« waren — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_80'>80</span> - <h2 class='c009'>WEIHNACHTEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Er versenkte sich ganz in ihr Wunschleben, in -diese Träumereien von unerfüllten kleinen Realitäten. -Nie äußert man es, außer durch ein unaufhaltsames -Verweilen vor Schaufenstern oder in Geschäftsläden, -durch einen fast hysterisch-melancholischen -Blick auf den geliebten Gegenstand, oder durch die -schüchterne beklommene Frage, was er koste?! So -erstand er denn für sie eine japanische Bettwandmatte, -strohgelbes Geflecht mit braunen und rostroten -eingewebten Flecken. Ferner einen bosnischen -handgewebten Blusenstoff, kornblumenblau mit malachitgrünen -Fäden. Ferner einen großen französischen -Parfümzerstäuber aus Nickel, für Menthol-Franzbranntwein; -ein kaltes Bad, ohne zu baden, -wenn man den ganzen Leib damit anstäubt! Ferner -eine Zigarettenschachtel aus sibirischer Birke, viereckiges -Format, für fünfundzwanzig Zigaretten Inhalt. -Ferner eine Schachtel Schreibfedern und zehn -riesig dicke chinesische Rohrfederstiele dazu, federleichte. -Und viele andere erfüllbare Träume ihres -Daseins. Er schuf einen Einklang seiner eigenen -Welt und der ihren. Er schenkte ihr nur das, was -in gleicher Weise sie erfreute, es zu bekommen, ihn -erfreute, es zu geben! Es war also ein Akkord verdoppelten -Genießens! Und dann schrieb er: »In -Deinem Namen zwanzig Kronen gespendet der Kinderschutz- -und Rettungsgesellschaft für die mißhandelte -zwölfjährige Maria B.« Da fühlte sie: -»Siehe, wir haben einen vollständigen Familienweihnachtsabend —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_81'>81</span> - <h2 class='c009'>DER TAG DES REICHTUMS</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich wollte einmal einen halben Tag lang das -Leben eines Reichen erleben. Ich ließ mich von einer -reizenden Frau und ihrem Gatten in ihrem Mercédès -vom Hause aus abholen. Ich fuhr zu meinem Raseur, -Teinfaltstraße, mich verjüngen zu lassen, besonders -mit der Menthol-Franzbranntwein-Spritze auf den -Kopf. Ein Ersatz für jedes kalte Bad! Dann fuhren -wir nach Baden. Dort badeten wir in den Kurhauswannenbädern, -vierundzwanzig Grad Celsius. Dann -ließen wir uns kühle Hotelzimmer aufsperren und -schliefen eine halbe Stunde lang. Dann aßen wir -Solospargel, Hirn en fricassé. Dann fuhren wir -weiter, nach Heiligenkreuz. In kühler Halle tranken -wir duftenden Tee mit Zitrone. Abends zurück, in -eiliger Fahrt.</p> - -<p class='c016'>Die Wiesen dufteten, und die Wälder standen -schwarz und unbeweglich-melancholisch unter dem -Abendhimmel, der leise leuchtete.</p> - -<p class='c016'>In Wien verabschiedete ich mich.</p> - -<p class='c016'>Im Café Ritz fand ich jene junge Dame, die schon -lange meine Augen beglückte. Braunes Haar, blauer -Strohhut, Stumpfnase. Ich wollte den Tag feierlich -beschließen. Ich sandte ihr drei wunderbare ganz -dunkle Rosen und einen Eierpunsch, dieses Lieblingsgetränk -der meisten solchen Damen. Sie nahm es -huldvollst an, ausnahmsweise.</p> - -<p class='c016'>Sie kam an meinen Tisch und sagte:</p> - -<p class='c016'>»Macht es Ihnen wirklich eine so große Freude, -mir Aufmerksamkeiten zu erweisen?!?«</p> - -<p class='c016'>»Ja, gewiß, sonst täte ich es ja nicht!«</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_82'>82</span>»Also, dann brauche ich ja nicht dankbar dafür -zu sein — — —!?«</p> - -<p class='c016'>»Nein, keineswegs. Sondern ich Ihnen!«</p> - -<p class='c016'>Das war der Tag des Reichtums — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_83'>83</span> - <h2 class='c009'>SO SOLLTE ES IMMER SEIN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ein Herr trat auf mich zu im Café und sagte: -»Ich bin ein fanatischer Verehrer von Ihnen.«</p> - -<p class='c016'>»Bitte sehr«, sagte ich. »Da werden Sie vielleicht -gern einen edlen Champagner zahlen?!?«</p> - -<p class='c016'>»Mit allergrößter Freude.«</p> - -<p class='c016'>Wir tranken drei Flaschen G. und H. Mumm, -extra dry, süß.</p> - -<p class='c016'>Es wurde sieben Uhr morgens. Ich ging ins Zentralbad, -27 Grad, Porzellanwanne. In der Kassa -saß eine junge Dame mit edelzarten Händen. Ich -sagte ihr mit meinen Augen: »Süßeste Kassierin —« -Und: »Man sollte dich miterstehen dürfen — — —.«</p> - -<p class='c016'>Dann frühstückte ich in einer Charcüterie: kalten -geräucherten Stör aus der Wolga, das Deka 12 Heller. -Crevettes aus Ostende. Grüne große Oliven aus -Spanien, zehn Stück 60 Heller. Prager Schinken, -das Deka 6 Heller, 90 Heller. Zwei Bananen, goldgelb-schwarz -gefleckt, aus Afrika, das Stück 30 Heller, -60 Heller.</p> - -<p class='c016'>Dann kaufte ich mir eine blaue phototypierte Ansichtskarte: -»Weg, am See entlang.« In einer -Winterlandschaft.</p> - -<p class='c016'>Ich dachte sie mir eingerahmt in einem fünf -Zentimeter breiten Eschenholzrahmen.</p> - -<p class='c016'>Ich kam infolge dieser Träumereien um halb zehn -Uhr morgens nach Hause. Da sagte das junge Hausmeistermädchen, -die mich zum Aufzuge führte, zu -mir: »Herr Altenberg haben gewiß wieder heute -nacht umgeschmissen — — —.«</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_84'>84</span>»Jawohl,« sagte ich, »die Weltordnung der Philister!«</p> - -<p class='c016'>Sie dachte: »Nun, er hat 40 Heller bezahlt für -den Aufzug, obzwar es im Zins bereits schon miteingerechnet -ist — — —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_85'>85</span> - <h2 class='c009'>INSCHRIFT<br />auf der Photographie eines Mädchens<br />aus gutem Bürgerhause:</h2> -</div> - -<p class='c010'>Adelige schmale Hände hast du, adelige Füße -und Zehen, müde edle Anmut ist in deinem Gehen -und Sitzen und Kauern, und deines biegsamen Leibes -eidechsenschlanke Linien sind wunderbar, Yolanthe -Maria!</p> - -<p class='c016'>Aber zum Zu-Grunde-gehen, zum langsamen, -armseligen, bist du bestimmt! Zum Verfaulen bei -lebendigem Leibe!</p> - -<p class='c016'>Denn <i>sicher</i> willst du gehen, <i>Unsichere</i>!</p> - -<p class='c016'><i>Auf geebnetem Pfade willst</i> du <i>Gipfel erklimmen</i>?!?</p> - -<p class='c016'><i>Schamlose, Feige!</i> Willst du Lord Byrons -edlen Feueratem spüren, <i>mußt du bereit sein, -eventuell dich zu versengen</i>!</p> - -<p class='c016'>Willst du <i>finden</i> können, so mußt du <i>suchen</i> -können, gleiten und <i>stürzen</i> können!</p> - -<p class='c016'>Auf geebnetem Pfade kommt nur Herr Kohn -daher, reicht dir die Hand, daß du nicht »<i>fallest</i>«!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_86'>86</span> - <h2 class='c009'>TOPE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich dichte hie und da auch Toiletten. Immer nur -für eine einzige Dame. Sie ist natürlich lang und ganz -schlank, wie ein Marathonsieger, hat eine Stumpfnase, -Gott sei Dank großen Mund und starke Lippen, -hechtgraue Augen, rotbraune Haare und anliegende -papierdünne, edelgemuschelte Ohren. Hände und -Füße sind lang-schmal. Sie sieht aus wie eine junge -slowakische Bäuerin, an der der adelige Gutsherr -mitgearbeitet hat.</p> - -<p class='c016'>Ich entwarf die Toilette Tope (Der Maulwurf): -Ein seidendünner maulwurfgrauer Samt (Pan), die -Bluse ohne Naht, nur wie ein zusammengelegtes -Tuch, aber lang. Ein Gürtel, riesig breit, aus dunkelgrauen -und weißen Glasperlen, riesige Schließe aus -oxydiertem grauen Silber. Riesige kugelige graue -Perlmutterknöpfe. Der Rock vollkommen bis hinab -zum Zuknöpfen, mit denselben Riesenknöpfen. Grauer -Sombrero mit grauem breiten Lederband und weißer, -an der rechten Seite herabwallender Straußfeder. -Grauer Seidenschirm mit grauem dicken Perlmuttergriff. -Grauseidene Strümpfe, graue Antilopenhandschuhe, -graue Schuhe aus mattem dünnem Leder.</p> - -<p class='c016'>Ich sagte zu der Dame: »Machen wir zusammen -ein Gedicht —.«</p> - -<p class='c016'>»?!?«</p> - -<p class='c016'>»Ich komponiere eine Toilette, und Sie tragen sie. -Das ist das schönste Gedicht!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_87'>87</span> - <h2 class='c009'>BEKANNTSCHAFT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Er sah sie zum erstenmal. Sie sah aus wie eine -riesig hohe, schlanke, aschblonde russische Studentin, -nur sehr müde von ungekämpften Kämpfen. Ein -Königgrätz ohne Schlachtendonner. Tief verwundet -ohne Bleigeschoß. Das Sein an und für sich besiegte -sie. Das bloße Sein des Tages und der Stunde. Was -sich jeweilig ergab, ereignete, verletzte, kränkte sie. -Sahst du Fische aus dem Gebirgswasser in Wasserbottichen?! -In ihrem starren Gesichtsausdruck, wie -eh und je, sucht man ihr Leiden zu erspähen, und -findet nichts und findet dennoch alles! Er sagte: -»Gehen Sie nicht in wohlgepflegte Gärten, gehen -Sie in offene Felder, wo niemand etwas Besonderes -findet; fern dem Getriebe. Gehen Sie spazieren, -wo niemand spazieren geht, so zwischen brauner -Erd’ und blauem Himmel!«</p> - -<p class='c016'>Und sie sagte: »Man verwehrt es mir!«</p> - -<p class='c016'>»Kaufen Sie sich einen getreuen schwarzen Pudel, -dem Sie manches Opfer bringen können an Zeit und -Güte — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Man verwehrt es mir — — —.«</p> - -<p class='c016'>Er schwieg.</p> - -<p class='c016'>Und sie: »Weshalb raten Sie mir nicht, ich solle -mich an einen Menschen klammern, anklammern?!«</p> - -<p class='c016'>»An einen Menschen! Ja. Aber ich kenne keinen! -Die Tiefe der Natur, die Treue des Pudels, die kenne -ich! Aber einen Menschen für Sie, den kenn’ ich -nicht — — —.«</p> - -<p class='c016'>Und später sagte sie: »Sie haben sich geirrt! -Denn ich fand einen, der mich einsam meine Wege -<span class='pageno' id='Page_88'>88</span>wandern ließ, zwischen brauner Erd’ und blauem -Himmel, und der mir einen schwarzen Pudel kaufte -und getreulich stets beiseite stand — — —.«</p> - -<p class='c016'>Er blickte sie tief freundschaftlich an — — —.</p> - -<p class='c016'>Da sagte sie: »Vielleicht verdanke ich es Ihnen, -daß ich mir einen suchte, der so war — — —!?«</p> - -<p class='c016'>Dann neigte sie sich tief zu seiner Hand und -küßte sie — — —.</p> - -<p class='c016'>Und dann kam der edle Jüngling, den sie erwählt -hatte, und küßte sie auf ihre melancholische Stirn —.</p> - -<p class='c016'>Und er sagte zu dem Dichter:</p> - -<p class='c016'>»Ich folgte nur Ihrem Rate, Ihrer Weisung, -danke — — —. Es hat mir eine Seele gewonnen!«</p> - -<p class='c016'>Da wandte sich der Dichter entrüstet und tief -verzweifelt ab.</p> - -<p class='c016'>Denn <i>von Gott</i> müssen solche Erkenntnisse -<i>direkt</i> in unsere Herzen kommen, da die Wirkung -sonst nicht <i>von Dauer</i> ist und unheilig — — —!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_89'>89</span> - <h2 class='c009'>EIFERSUCHT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Sie war sehr, sehr krank. — Der Arzt verordnete -einen halben Liter heiße Zitronenlimonade, ein -wollenes Tuch um den Kopf und stundenlang -schwitzen.</p> - -<p class='c016'>Sie war aber arm, und die Quartiersfrau, bei der -sie wohnte, konnte ihr nur eine dünne Bettdecke -geben. Da sandte ihr der Dichter seine grünrote -Flanelldecke, die er selbst benötigte, und sein Freund, -der Baron, sandte eine Pelzdecke aus selbstgeschossenen -Wildkatzenfellen, die er gar nicht gebrauchte.</p> - -<p class='c016'>Als nun der Dichter sie besuchte, fand er die -Pelzdecke direkt auf ihrem heißen, glühenden Leibe -liegen, die Flanelldecke dagegen zuoberst. Er sagte -es ihr sogleich ziemlich brutal, daß er dieses für einen -»Treubruch« halte, wenn auch in den ersten Anfangsstadien.</p> - -<p class='c016'>Sie erwiderte: »Ich wollte deine Decke streicheln -können, immer und immer mit meinen zärtlichen -Fingern. Deshalb gab ich sie zuoberst.« »Du Falsche! -— — —« sagte der Dichter und ging zürnend weg.</p> - -<p class='c016'>Später kam der Arzt und sagte: »Ich würde -Ihnen vorschlagen, Fräulein, die schwere Pelzdecke -zuunterst zu legen, und die leichtere Flanelldecke -oben darauf; es ist zweckmäßiger!«</p> - -<p class='c016'>»Nein,« sagte sie, »das tue ich nicht.« Als sie -endlich gesund war, sagte der Arzt von ihr: »Die -Hysterie solcher Patientinnen erschwert den Heilungsprozeß -ganz besonders. Selbst in nichtigen -Kleinigkeiten müssen sie ihren lächerlichen eigensinnigen -Willen durchsetzen. —«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_90'>90</span> - <h2 class='c009'>GOETHE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ein ungeheuer wichtiger und daher ganz unbekannter -Ausspruch Goethes:</p> - -<div class='lg-container-l c024'> - <div class='linegroup'> - <div class='group'> - <div class='line'>»Man könnte erzogene Kinder gebären,</div> - <div class='line'>Wenn die Eltern erzogen wären!«</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class='c016'>Dieser Satz allein ersetzt in der Entwicklungslehre -ganze Bände und Studien. Deshalb erwünschen sich -auch die meisten ungezogenen, eigenwilligen, herzlosen, -dumm lebenslustigen Frauen unbewußt keine -Kinder. Sie haben wenigstens davor Achtung, diesen -unglückseligen Nachkommen nicht ihre eigenen Ungezogenheiten -und Lebenshärten mitvererben zu -wollen auf dem schon ohnedies genug schweren -Lebenswege —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_91'>91</span> - <h2 class='c009'>DIE PFLEGESCHWESTER ROSA SCHWEDA</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich habe viel erlebt und erlitten, natürlich, in -meinem Pflegerinnenberufe. Aber die Nacht des -5. März als Pflegerin des Peter Altenberg war die -schrecklichste und merkwürdigste. Am Tage vorher -hatte ich sein Buch »Bilderbogen des kleinen Lebens« -gekauft und gelesen.</p> - -<p class='c016'>Nun sah ich ihn da liegen, ganz verwahrlost, -von Leiden zerfressen. Ich fühlte es, daß er über -seinen eigenen Untergang tief verzweifelt sei. Sein -Idealismus war untergegangen, und es blieb die -Ruine übrig. — Ich bemitleidete ihn nicht, sondern -die <i>vielen</i>, <i>vielen</i>, denen so die Früchte seines -Geistes, seines großen Herzens <i>entgehen</i> sollten. —</p> - -<p class='c016'>Ich hatte die Empfindung: »Hund, du darfst -noch nicht verrecken, du hast uns Ärmsten noch -manches zu spenden, du hast uns noch aufzuklären, -hast uns sogar besser zu machen! Was schleichst du dich -fort, Sünder, ehe du alles für uns ausgesprochen hast?!«</p> - -<p class='c016'>So schändlich egoistisch dachte ich über diesen -sich windenden Wurm in diesen schrecklichen bangen -Nachtstunden. Ich richtete ihm die Polster, wischte -ihm den Angstschweiß ab, aber es geschah in einer -verbissenen Bitterkeit gegen ihn! Den Helfer!</p> - -<p class='c016'>Wer, wer hätte sich denn gesund und ewig lebendig -erhalten müssen als er? Und indem ich an die Werke -dachte, die er uns <i>vorenthielt</i>, pflegte ich mit -Widerwillen einen unglückseligen Kranken, der zum -vorzeitigen Sichfortschleichen aus der Welt gar nicht -das Recht hatte uns gegenüber — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_92'>92</span> - <h2 class='c009'>GESCHWISTER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Meine Schwester, Sektionsrätin M., besuchte mich, -und sagte an meinem Krankenlager: »Du, diese so -überaus wirksame Schlammbadkur in Bad X. wurde -vollkommen um den Effekt gebracht durch einen -merkwürdigen und schrecklichen Umstand, der meine -Nerven einfach ermordete. Denke dir, dort stopft -man noch die Gänse, diese allerunglücklichsten Geschöpfe -einer ohnedies schon genug furchtbaren und -unerbittlichen Welt! In dunklen Kellern, in den -glühheißen Augustnächten, hocken diese Unglückseligen -in absichtlich zu eng gemachten Holzkäfigen, -werden Tag und Nacht gewaltsam gefüttert, und -es wird ihnen durch all diese grausigen Wochen -hindurch das Trinken von Wasser verwehrt! Das -entsetzliche Schicksal dieser Unglückseligen in den -unterirdischen Folterzellen hat mich den Ort zu -fliehen gezwungen. Mein Töchterchen Hilde, die -die ganze Sache entdeckt hatte, ging täglich oftmals -insgeheim mit einer Kindergießkanne in die Folterkammer, -und goß den gemarterten Gefangenen -Wasser in die weit aufgesperrten Schnäbel. Die -wunderschöne junge Slowakin Viktora aber lachte -dazu aus vollem Halse, als sie das Samariterwerk sah, -und sagte: »Fräulein Hilde, wird sie auch eingesperrt -werden so, wenn Frau sie erwischt — — —?« Aber -unsere französische Gouvernante Hélène sagte: »Madame, -en Suisse cela ne se fait pas, on ne connait -pas ces martyrs infames —.«</p> - -<p class='c016'>Ich erwiderte meiner Schwester: »Ich bin ganz, -ganz erstaunt über deinen Bericht. Gerade von dir, -<span class='pageno' id='Page_93'>93</span>meiner Schwester, die ich jahrelang nicht sehe und -spreche! Welcher merkwürdige Zusammenhang der -Nerven! Gerade vor einem Jahre schrieb ich nämlich -folgende Skizze:</p> - -<p class='c016'>Man führte die edle Zwölfjährige nach Berlin, -um ihr alles zu zeigen, was es dort Herrliches gebe. -Automobilfahrten zu allen Seen, Variété, Theater; man -ließ ihr das Paradies »Berlin« erstehen, soweit es für -eine Zwölfjährige seine Tore überhaupt öffnen konnte. -Als sie wieder nach Wien zurückkehrte, fragte sie -eine Dame: Nun, Lilly, wo ist es besser zu leben, -in Deutschland oder in Österreich?! Und Lilly H. -erwiderte: Nur in Deutschland kann man existieren! -Da habe ich bemerkt, daß die armen Pferde an den -Lastwagen viel geschickter und rücksichtsvoller angebrachtes -Riemenzeug tragen als bei uns, das ihnen -die Arbeit erleichtert und Torturen erspart. Und -dann habe ich auch noch erfahren, daß es in ganz -Deutschland bei strengster Strafe verboten ist, Tiere -künstlich zu mästen, und daß geheime Agenten, in -der Verkleidung von reichen Viehkäufern, sämtliche -Bauerndörfer Jahr für Jahr daraufhin kontrollieren -und für jeden entdeckten Fall hohe Belohnungen -erhalten!«</p> - -<p class='c016'>Meine Schwester nahm meine Hand und sagte -ruhig: »Nun, was ist dabei, wir sind eben Geschwister -— — —!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_94'>94</span> - <h2 class='c009'>DER BESUCH</h2> -</div> - -<p class='c010'>Eine junge Frau, die ich seit lange als eine fast -Heilige an Demut und Sanftmütigkeiten verehre, -kam an mein Krankenbett, bleich und verstört.</p> - -<p class='c016'>Sie erzählte mir, daß ihr Mann, der sich für sie -aufopfere, Gesichtsneurose habe und sich, mit ihrer -Einwilligung, der Operation auf Tod und Leben -unterziehen wolle. Sie wisse nicht, ob sie es gestatten -solle. »Soll ich, soll ich nicht, soll ich?! Ich werde es -also an meinen Knöpfen abzählen —.«</p> - -<p class='c016'>Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen, und -sie stützte den Kopf in die Hand.</p> - -<p class='c016'>Da sagte sie: »Nicht, Peter, das Leben ist eigentlich -komisch —.«</p> - -<p class='c016'>Und ich sah eine Träne, vielleicht die heißeste, -verzweifeltste, die je geweint wurde.</p> - -<p class='c016'>Drei Tage später saß sie an meinem Krankenbette: -»Peter, ich habe es ihm gestattet, und er ist -daran gestorben. Peter, nicht wahr, die Welt ist -komisch —.«</p> - -<p class='c016'>Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen — — —.</p> - -<p class='c016'>Ich zählte es an den Knöpfen ab, was, weiß ich -nicht. Aber immerhin, an den Knöpfen —. Soll -man, soll man nicht, soll man?!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_95'>95</span> - <h2 class='c009'>SOMMERABEND IN GMUNDEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Wir, die nicht genug haben an den Taten -des Alltages, wir Ungenügsamen der Seele, wir -wollen unseren rastlosen, enttäuschten und irrenden -Blick richten auf die Wellensymphonien des Sees, -auf den Frieden überhängender Weidenbäume und -die aus düsterem Grunde steil stehenden Wasserpflanzen!</p> - -<p class='c016'>Auf die Menschen wollen wir unsern impassiblen -Blick richten, mit ihren winzigen Tragödien und -ihren riesigen Lächerlichkeiten; mit düsterer Verachtung -wollen wir nichts zu tun haben, und mildes -Lächeln soll der Panzer sein gegen ihre Armseligkeiten!</p> - -<p class='c016'>Dem Gehen edler anmutiger Menschen wollen -wir nachblicken, dem Spiele adeliger Gebärden und -der Noblesse ihrer Ruhe! Ein Arm auf einer Sessellehne, -eine Hand an einem Schirmgriff, das Halten -des Kleides bei Regenwetter, süßes kindliches Bacchantentum -bei einem Quadrillefinale, wortloses Erbleichen -und wortloses Erröten, stummer Haß und -stummes Lieben, und alles Auf und Ab der eingeschüchterten -und zagen Menschenseele — — das, -das alles wollen wir Stunde um Stunde in uns hineintrinken -und daran wachsen!</p> - -<p class='c016'>Rastlos aber, vom Satan Gejagten gleich, stürmen -die Anderen enttäuschungsschwangeren Zwecken entgegen, -und ihre Seele bleibt ungenützt, verdirbt, -schrumpft ein, stirbt ab!</p> - -<p class='c016'>Jeder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht -beim Toscana-Garten steht Schilf, und Weiden, und -<span class='pageno' id='Page_96'>96</span>Haselstauden hängen über, ein Vogel flüchtet, und -alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen. Nebel -zieht herüber, du lässest die Ruder sinken, und niemand, -niemand stört dich!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_97'>97</span> - <h2 class='c009'>ÄSTHETEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich habe zwei Ästheten erster Güte kennen gelernt, -einen jungen Mann und seine junge Gattin. -Sie schaut aus, wie man sich den siebzehnjährigen -Dante vorstellt. Sie trägt arabischen und indischen -Schmuck. Sie leben im Tessin, am Lago Maggiore, -in einem alten Steinhaus inmitten eines Edelkastanienurwäldchens. -Jeder Satz, den sie äußert, ist -ganz tief aus dem Geiste der Menschheit herausgeschöpft. -Was sind eigentlich Ästheten, die uns brutaleren, -zynischeren Naturen doch gänzlich ferne -liegen?! Es sind Organisationen, bei denen sich die -Urinstinkte völlig in Betrachtung und Genießen der -zahllosen wertvollen Dinge der Welt aufgelöst, ja -verflüchtigt haben. Alle Gemeinheiten, denen wir -noch wie böse Tiere hie und da unterworfen sind, -sind nicht mehr in ihnen. Der Friede ist in sie eingezogen, -durch den ewigen Anblick von Gottes Weltenschönheiten, -Weltenmerkwürdigkeiten. Solche Frauen -blicken verklärter als alle anderen, denn ihr Reich -ist, trotz allen Anscheins, nicht hienieden. Sie werden -erlöst von der Sünde in jeglicher Beziehung; deshalb -blicken sie mystisch, in kommende Welten hinein — — —. -Jeder Mensch kann sich aus eigener Macht zu -einem geistig-seelischen Organismus hinaufgestalten; -und er und seine Umgebung hätten den Vorteil -davon. Aber nur wenige unternehmen es. Ästheten -sind, für brutale Organisationen betrachtet, wie gebrechliche -Spielzeuge des Lebens, in linden Lüften -und linden Düften dahinschaukelnd, tödlich verwundet -von jedem rauhen Wort sogar. Es gibt -<span class='pageno' id='Page_98'>98</span>Dinge, die man in ihrer Gegenwart nie auszusprechen -wagte. Man muß durch sie von selbst ein feinfühligerer -Mensch werden im Augenblick, obzwar -man sich natürlich dadurch beengt fühlt. Aber mit -Jeanne d’Arc hätte man ja auch nicht ungezogen -oder sexuell sein können. Um gewisse Organisationen -lagert eben die Atmosphäre Gottes, und da -erlischt dann allmählich in den Augen des Lebenszynikers -sein satanisch-ironisches Lächeln! Heil -ihnen! Sie haben mehr gesegneten Frieden als wir -anderen, wir Barbarischen — — —. Sie sind »Naturmenschen« -einer erhöhteren, erst anbrechenden Kultur, -die dann nach langer Zeit zu einer zweiten Natur -werden wird! Ästheten sind übertriebene Vorläufer -einer gottgefälligeren Seelenentwicklung!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_99'>99</span> - <h2 class='c009'>ERINNERUNG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Der Rathauspark duftet nun von edlen Bäumen -und edlen Sträuchern. Es ist kühl und schattig. Aber -damals war es eine endlose graue Wiese mit eingetretenen -staubigen oder kotigen schmalen Fußwegen. -Eines Tages stand eine grüne Bretterbude da, das -erste Wandelpanorama in Wien, genannt »Der Rigi«. -Es roch nach Öllämpchen, und mein Hofmeister und -ich saßen in der ersten Reihe auf Strohsesselchen. -Der Rigi und alle Seen und Bergesketten zogen an -uns vorüber, zu den Klängen eines italienischen -Werkels. Dann wurde es allmählich finster, und die -Berghotelfenster beleuchteten sich, denn sie waren -ausgeschnitten und dahinter Licht. Das gefiel mir. -Später machten wir eines Tages die erste Pferdetramwayversuchsfahrt -mit, vom Schottenring bis -Dornbach. Es fiel mir auf, daß es fortwährend -klingelte, was bisher bei den Fuhrwerken nicht zu -beobachten war. Man hielt das Ganze für gefährlich -und unsicher und glaubte nicht recht daran, daß es -sich einbürgern werde.</p> - -<p class='c016'>Die Sonntage wurden in Hietzing bei »Domayer« -verbracht. Es fiel uns angenehm auf, daß unser -Vater dem Fiaker, der uns führte, <i>du</i> sagte und sich -in leutselige Gespräche mit ihm einließ. Er kam uns -vor wie ein milder Potentat. Die Trinkgelder waren -enorm, gleichsam die Entschädigung für das vertrauliche -<i>du</i>. Die Rückfahrten vom Lande abends sind -das Schönste; da schläft man wie ein Toter. Man -verflucht den Moment der Ankunft, der Wagen ist -das wunderbarste Bett gewesen. Aber jetzt kommt -<span class='pageno' id='Page_100'>100</span>Stiegensteigen, Ausziehen, eine unsäglich beschwerliche -Arbeit.</p> - -<p class='c016'>Gebratene Äpfel spielten bei uns eine große Rolle. -Alles duftete in den Zimmern danach. Das ist ganz -abgekommen. Auch gedünstete Kastanien, goldigglänzend, -auf schwarzgrünem Kohlpüree, waren eine -Festspeise, die jetzt im Absterben begriffen ist. -Die neue Generation macht sich nichts daraus.</p> - -<p class='c016'>Wir vergötterten unsere Hofmeister und Gouvernanten, -und sie uns. Die Eltern spielten nur eine -zweite diskretere Rolle, traten erst in Aktion bei -außergewöhnlichen Ereignissen. Sie waren einfach -der »Oberste Gerichtshof«. Wir lebten »romantische -Idyllen«, deshalb fiel es uns später so schwer, dem -realen Leben Genüge zu leisten — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_101'>101</span> - <h2 class='c009'>VÖSLAU</h2> -</div> - -<p class='c010'>Vöslau, eigentümlicher Ort, einzige wirkliche Sentimentalität, -die ich habe. Deine grünbefranste -Station ist geblieben wie eh und je. Nur meine wunderschöne -Mama, die mich im Damenbade sorgsam -auf ihren Armen wiegte, ist längst nicht mehr. Die -Lindenblüten rochen wunderbar, und das sonnengedörrte -Holz der Kabinen und die Wäsche der triefenden -Schwimmanzüge. Der Kies brannte die -zarten Kinder- und Frauensohlen. Vom Wald kam -Tannenharzduft, und von den Hausgärten kamen -Millefleursgerüche. Meine Mama hielt mich zärtlichst -mitten im Teiche, der für mich ein Ozean war! Sie verschwendete -ihre romantische Zärtlichkeit an ein egoistisches, -verständnisloses Kindchen, das ihren Hals in -Angst umklammerte. Wunderbar ist der eingedämmte -Bach, von der Station aus bis zum Bade. Links ungeheure -üppige Wiesen, die zu nichts zu dienen -scheinen und herrliches, dichtes Unkraut produzieren, -für nichts und wieder nichts. Der Wind -rauscht eigentümlich in den Tannen. Man hält es -für einen mysteriösen Aufenthalt für Rekonvaleszenten, -für kleine zarte Mäderln. Es ist so ein Sanatorium -für müde Menschen. Die graublaue Ursprungsquelle -von vierundzwanzig Grad Celsius ist -wie lebenspendend. Sie spricht nicht viel, sie murmelt -und gewährt! Viele Hausgärten sind voll von -Frieden und Pracht. Im Cafégarten hart beim Bade -ist es kühl vor Baumschatten wie in einem Keller. -Daneben ein unbekannter Park wie ein Urwald. -Niemand hat ihn vielleicht je betreten, ihn gestört -<span class='pageno' id='Page_102'>102</span>in seinen überschüssigen Kräftespendungen! Wozu -braucht man Brasilien und Lianenverstrickungen -und Blütendunst und Geranke?!? Dieser Park ist -Urwald. Vöslau, immer noch, seit fünfundvierzig -Jahren, ist deine Station grünbefranst, und in dem -Bache plätschern lustig die Enten, die unmittelbar -darauf abgestochen werden, denn der murmelnde -Bach ist nur ein letztes Reinigungsbad, gleichsam -eine Vorleichenwaschung. Beim Bade duftet es nach -Lindenblüten. Nichts hat sich verändert. Nur meine -Mama ist nicht mehr.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_103'>103</span> - <h2 class='c009'>EIN BRIEF</h2> -</div> - -<p class='c010'> Lieber Stefan Großmann,</p> - -<p class='c025'>in meinen entsetzlichen Qualen habe ich heute soeben -Ihren herrlichen Essay über und für <i>Frau</i> Tolstoi -gelesen. Es ist großartig. Nur eines: Das männliche -Genie geht eben in seinen langsamen Weltentwicklungen -<i>zuerst</i> vom <i>gewöhnlichen</i> allgemeinen -<i>irdischen</i> Leben aus, völlert, bekehrt sich -sodann, gründet Familiensegen, sucht Frieden wie -ein jeder gewöhnliche Sterbliche. Dann, im Alter -aber erschaut es die idealeren Welten, ist jedoch -von seinen vorherigen Entwicklungsstufen <i>gebunden</i>, -ja <i>geknebelt</i>, kann und darf sie nicht los -werden, und lebt doch <i>bereits zugleich</i> in Welten, -die das bisherige althergebrachte irdische Sein <i>überflügelt</i> -haben. — — — Wie wenn einem Heranwachsenden -noch immer die getreueste Mutterbrust -ihre Milch anböte, während er <i>längst</i> über diese -Periode seiner irdischen schwächlichen Kleinlichkeit -hinausgewachsen ist!?! Der Träumer, der Denker, -der Prophet, der Vorherseher, der Menschen-<i>Erhöher</i> -schwingt sich von selbst, <i>ohne es zu wissen</i>, -in Regionen einer <i>anderen</i> künftigen Konstellation, -während er historisch-atavistisch noch mit den -ehernen Klammern <i>alltäglicher</i> und <i>gewohnter -Notdurften</i> am bisherigen gebräuchlichen Dasein -festverankert ist! Das ist seine Tragik! Daher seine -<i>organische Undankbarkeit</i> gegen jene, die -einem Stoffe in ihm dienen, den zu <i>überwinden</i> -und <i>immaterieller</i> zu machen, er die ersten genialen -Versuche unternimmt. — — — Man degradiert -<span class='pageno' id='Page_104'>104</span>ihn also in allerbester Intention, zu einer bereits -geistig überwundenen Entwicklungsstufe seiner selbst. -Preisen wir seine adeligen Betreuerinnen, aber vergessen -wir dabei <i>zugleich nie</i>, daß es in genialen -Prophetengehirnen <i>Entwicklungsembryos</i> gibt, -denen Frauen und Freunde <i>ratlos</i>, ja <i>unbewußt -feindselig</i>, sich entgegenstemmen! Die Henne -brütet ein Entlein aus, betreut es, sucht es vor allem -vor der Gefahr »Bächlein« zu bewahren. Aber das -Entlein strebt nach dem fließenden klaren Wasser, -und die mütterliche Henne blickt <i>in Todesangst</i> -den Schwimmkünsten des Entleins in seinem ihm -organischen Elemente nach! Henne, bescheide dich, -Entlein, schwimme, tauche! Genie, du bist zwar -undankbar, aber es ist eine organische, von Gott -gesegnete Undankbarkeit, die den kommenden Menschen -<i>zugute</i> kommen muß. Die Frauen betreuen -die <i>Genies</i>, aber die Genies betreuen die <i>Menschheit</i>! -Beide gehen zugrunde in ihrem merkwürdigen -unentrinnbaren Lebenswerke, das in der Weltentwicklung -vorgesehen, vorbedacht und wohlerwogen -wurde vom göttlichen, meist noch gänzlich -unfaßbaren Willen!</p> -<p class='c016'>Frau Tolstoi, du bist nicht minderwertig; Herr -Tolstoi, du bist nicht mehrwertig; in allen lebt und -webt die göttliche Seele, unerforschlich, und dennoch -geahnt und gespürt von einigen wenigen — — —.</p> -<div class='c012'>Ihr Peter Altenberg.</div> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_105'>105</span> - <h2 class='c009'>DER FORTSCHRITT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Es ist tragisch genug, daß die meisten Verbesserungen -in jeglicher Sphäre des Lebens wie von einer heimtückischen -bösen Macht, vor allem vom bösen Zauberer -»Gewohnheit« hintertrieben, aufgehalten, zerstört -werden. Bei vielen Dingen kann man Gründe -dafür finden, und sich daher wenigstens teilweise -historisch-philosophisch über das Beharrungsvermögen -des menschlichen Geistes beruhigen. Es gibt -jedoch eine ganze Anzahl herrlicher Neuerungen, -deren Nichtpopulärwerden man absolut nicht begreift. -Dazu gehört die amerikanische Schuhputzmaschine. -Ich kenne eine einzige in ganz Wien, im -Hausflur des Cafés am Mehlmarkt. Man wirft zehn -Heller in den Spalt, und dein Fuß wird dir sanft -hineingezogen in die Maschine, und der Schuh dabei -von Staub und Kot gereinigt. Dann wird er ebenso -sanft wieder herausgeschoben und dabei gewichst und -glänzend gebürstet! Man muß nur die Hose ein bißchen -hochheben, da diese weder gewichst noch auch -glänzend gemacht zu werden wünscht. Auch muß -dein Fuß der Maschine völlig nachgeben, denn sie -allein weiß, was für deinen Schuh zweckmäßig ist, -und sie entläßt ihn erst zur rechten Zeit. Weshalb -sind solche herrlichen und gutmütigen Maschinen nicht -schon längst in den Vestibülen von Hotels, Cafés, -Theatern aufgestellt?! Es ist fast eine Tragödie, -es zu erleben, wie selbst in den allereinfachsten -Dingen niemand das Herz und den Sinn dafür hat, -seinen Nebenmenschen das Leben ein bißchen zu -erleichtern. Dabei wäre es noch ein Geschäft, natürlich -<span class='pageno' id='Page_106'>106</span>für beide Teile. Wie muß man da im vorhinein -verzichten, in noch schwierigeren Lagen, unterstützt, -betreut zu werden!?</p> - -<p class='c016'>Jemand sagte zu mir: »Es paßt mir nicht, daß -diese Maschine mir meine zarten Chevreauschuhe -mit einer minderwertigen Creme putzt!« Ich erwiderte -ihm, daß die Maschine nur Staub und Kot -entferne und dann glänzend bürste, also eigentlich -mit jener Creme, die ein jeder Schuh schon von selbst -habe. »Ach so,« sagte er tief enttäuscht darüber, daß -er der neuen Schuhputzmaschine, die bescheiden -ihre Pflicht erfüllt, kein Klampfl anhängen konnte, -ihr kein Bein stellen konnte, über das sie schmählich -stürzen müßte!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_107'>107</span> - <h2 class='c009'>ÜBER LEBENSENERGIEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Die allerwenigsten Menschen haben auch nur die -geringste Ahnung von dem Inhalt des Wortes -»Lebensenergien«. Es ist ein mysteriöses und ganz -simples Wort zugleich: es bedeutet alle Kraft, die -unser Nervensystem enthält, zur Betätigung unsers -Lebens. Diese Kraft erhalten, vermehren, heißt -eigentlich: ein Kultivierter sein; sie schwächen, verringern, -heißt: ein Unkultivierter sein. Wir verlieren -täglich, stündlich Tausende wertvollster Lebensenergien -durch irrige Lebensführung jeglicher Art, -und dann noch durch den Mangel an Rücksicht -der Nebenmenschen auf unser Nervensystem. Tausend -Ungezogenheiten und Taktlosigkeiten der Menschen -zerstören unsre angesammelten Lebensenergien. -Ferner Sorge, Kummer, Eifersucht, Alkohol, schlechtes -Essen, ungezogene Kellner, ungezogene Friseure, -ungezogene Freunde, alles, alles das frißt uns täglich, -stündlich unsre angesammelten Lebensenergien -weg, und zwar auf eine merkwürdig schwächende, -lähmende, Zuckerkrankheit vorbereitende Art! Frauen -besonders sind genial geschickte Zerstörerinnen -unsrer aufgestapelten Lebensenergien, durch Erzeugung -von Eifersucht, diesem Krebsbazillus der -Seele! Man wird plötzlich grün und gelb, und die -Lebenselastizität läßt nach. Jeder Mensch ist eigentlich -ein feiger heimtückischer Mörder eines jeden, -den er in Unruhe setzt ohne zwingendsten Grund! -Einem Menschen seine Lebensenergien erhalten wollen, -sie schützen, ja, sie vermehren wollen, heißt -allein: ihn wirklich lieb haben! Alles andre ist Seelenmumpitz! -<span class='pageno' id='Page_108'>108</span>Wer mich in irgendeiner Sphäre meiner -Lebensbetätigungen schwächt, stört, lähmt, statt mich -zu fördern, ist mir feindselig gesinnt, wie er sich auch -sonst stellen möge! Die Erhaltung der Lebensenergien -meines Organismus sei die Sehnsucht einer -jeden ernstlich freundschaftlichen Seele. »In meiner -Gegenwart hatte sie einen unbeschreiblich elastischen -Gang, alles an ihr schien leichter und von -Erdenschwere befreiter zu werden — — —«; das wäre -das ehrendste Zeugnis für eine wirklich liebevolle -Mannesseele. Seine Verluste an Lebensenergien -rechtzeitig spüren, seine Gewinne freudig buchen im -Lebenskonto, würde viele der angenehmen Fähigkeit -näherbringen, das hundertste Jahr, das Pfeifchen -schmauchend, zu überschreiten. Ich bin einmal unerbittlich -gegen den göttlichen Leichtsinn, ich bin -für die erdenschwere Bedenklichkeit. Ich glaube, -wenn Franz Schubert mein Intimus gewesen wäre, -ich hätte ihm noch weitere zweitausend Lieder entlockt, -indem ich ihn beschworen hätte, sich der seiner -bedürfenden Menschheit zu erhalten durch allersorgfältigste -Schonung seiner Lebensenergien. »Ja, -pardon, aber ein Typhus raffte ihn hinweg — — —.« -Aufgestapelte Lebensenergien nehmen hie und da -sogar den erfolgreichen Kampf mit solchen Feinden -wie Typhus, mit einer solchen Hunneninvasion, auf! -»Ja, aber, mein Herr Schreiber dieser Zeilen, weshalb -nehmen Sie selbst so wenig Rücksicht auf diese -immerhin beherzigenswerten Lehren, in Ihrem eigenen -werten Dasein?!?« Weil ich dann vielleicht Lebensenergien -entwickelte, um noch einige solcher Bücher wie -bisher zu schreiben, und das muß unbedingt hintertrieben -werden durch ungeordnete Lebensführung.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_109'>109</span> - <h2 class='c009'>STRANDBAD</h2> -</div> - -<p class='c010'>Nun sah ich dich, Unbekannte, mit deiner bräunlichen -Haut und dem krebsroten nassen seidenen -Schwimmtrikot, am »Gänsehäufel«, und bin an dir -vor Sehnsucht erkrankt. Immer, immer seh ich dich -mit deinen unbeschreiblich edlen Gliedern an Wassers -Rand entlanggehen mit weiten Schritten —.</p> - -<p class='c016'>O, weshalb durft’ ich dir nicht sagen: »Kaiserin -des Strandbads!« Dir hätte es nichts geschadet, und -mich hätt’ es erlöst, wie es müde enttäuschte Menschen -erlöst, wenn sie in stillen Kirchen vor einer -heiligen Frau niederknien —. So aber wandle ich, -krank an meiner fanatischen Zärtlichkeit, dahin —. -Kaiserin des Strandbads — — —.</p> - -<p class='c016'>An Unzulänglichem werden wir vorzeitig alt und -müde, verlieren den Glauben an die Realisierbarkeit -von Gottes Träumen. Da seh ich dich, Edelstgegliederte, -und fange wieder an zu glauben —!</p> - -<p class='c016'>In Kleidern, geschützt durch Seide und Batist, -oder im Bett, wo des Mannes Leidenschaft sein Auge -trübt, wohlan! Da nehmen wir vorlieb, begnügen -uns!</p> - -<p class='c016'>Jedoch, aufrechten Ganges, in Licht und Luft -getaucht, in nassem Schwimmtrikot, da besteht keine -außer dir diese zärtliche Prüfung! Nun sah ich dich -und wurde krank an dir, weil ich nicht wenigstens -flüstern durfte: »Kaiserin!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_110'>110</span> - <h2 class='c009'>WESEN DER RELIGION</h2> -</div> - -<p class='c010'>Der Pastor zu einer armen Frau, die bis dahin -ziemlich ungläubig war, den Satzungen der Religion -gegenüber:</p> - -<p class='c016'>»Nun, liebe Frau, sind Sie durch meine Worte -jetzt endlich gläubigern Sinnes geworden?!?«</p> - -<p class='c016'>»Herr Pastor,« erwiderte die Frau, »seitdem ich -weiß, daß Gott alles sieht, wische ich in dem Hause, -in dem ich bedienstet bin, den Staub auch <i>unter -den Teppichen</i> auf — — —.«</p> - -<p class='c016'>Vielleicht ist auch dies gerade das tiefste Wesen -der Liebe, einer Art von Realreligion: die Frau hält -ihre Seele rein, sogar dort, wo niemand es mehr sieht -und bemerken kann!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_111'>111</span> - <h2 class='c009'>WIE SIE ES GLAUBEN WOLLEN, SO IST ES!</h2> -</div> - -<p class='c010'>P. A. erhob sich von seinem Schmerzenslager, -ging auf den Blumenmarkt, kaufte purpurrote -Buchenzweige, schneeweiße Tazetten, zitronengelbe -Nelken, dunkle Veilchen und riesig viele goldgelbe -Mimosen mit graugrünen gefiederten Blättchen.</p> - -<p class='c016'>Und das ihre Dame vergötternde Stubenmädchen -rief ihn an telephonisch: »Meine Gnädige schläft -noch. Sie wird sich freuen beim Erwachen. Sie -hat ein wunderschönes Bukett bekommen.«</p> - -<p class='c016'>Und er: »Von wem kann es denn sein?!?«</p> - -<p class='c016'>»Hoffentlich von Herrn L. Das würde sie am -meisten beglücken.«</p> - -<p class='c016'>»Ja, es ist richtig von Herrn L.! Aber bitte, -sagen Sie nicht, daß Sie es durch mich erfahren haben, -sondern nur als Ihre eigene Vermutung.«</p> - -<p class='c016'>Und am nächsten Tage sagte die Dame beglückt -zu Herrn L.: »Ich habe wunderbare Blumen erhalten -gestern ...«</p> - -<p class='c016'>Und Herr L. erfuhr durch das süße Stubenmädchen, -wie die Sache sich eigentlich wahrscheinlich verhalten -habe ...</p> - -<p class='c016'>Sie fühlte es als ihre Pflicht, es ihm zu sagen.</p> - -<p class='c016'>Da sandte er denn am nächsten Tage die herrlichsten -Blumen, unter dem Namen P. A.</p> - -<p class='c016'>Und die Dame sagte zu ihrem Stubenmädchen: -»Sieh, auch P. A. hat mir Blumen gesandt, sehr nett von -ihm, man hätte es ihm nicht zugetraut. Nun, aber -die von Herrn L. am Vortage waren schöner, so wirklich -mit Geschmack und Zärtlichkeit ausgesucht ...«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_112'>112</span> - <h2 class='c009'>»PRODROMOS«</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich habe den Menschen, die im Tagesgeschäfte -festgerannt waren, nie viel geben können, trotz -meiner sogenannten Freiheit, die mir Gelegenheit -gab, über die Dinge des Daseins <i>rücksichtslos -nachdenken zu dürfen</i> — — —. Aber es gibt -dennoch wertvolle und höchst wichtige Dinge; vor -allem:</p> - -<p class='c016'>Sorge Tag und Nacht für die Edelfunktion deines -Darmes! Das »Bauchherz« ist wichtiger wie das, -was wir verhältnismäßig unnötigerweise unter der -linken Brustwarze tragen. Von der Funktion des -Darmes hängt <i>unser ganzes Denken</i>, <i>Fühlen</i> und -<i>Sein</i> ab, unsere <i>Größe</i>, unsere <i>Güte</i>, unsere <i>Menschlichkeit</i> -und unsere <i>Weisheit</i>! Wehe dem, der 24 -Stunden lang, also als Sünder und Verbrecher, <i>unpurgiert</i> -dahinwandelt! Er wird millionenmal mehr -Schaden anrichten als ein Raubmörder und Kinderschänder! -Er wird in den kleinsten Dingen sein -Menschentum <i>verleugnen</i>, das ihm Gott in seiner -Gnade mitgegeben hat. Nur der äußerlich und -innerlich purgierte Mensch kann auch geistig <i>und</i> -seelisch purgiert sein! <i>Existieren</i> können, ohne -Darmfunktion wie die Taube, die es im Fluge von -sich läßt, ohne sich in ihren edlen Schwingungen -auch nur 1/100 Sekunde dadurch stören zu lassen, -ist ein schändliches Verbrechen an sich und vor -allem seinen Nebenmenschen, an denen man seinen -Unmut, den man sich selbst gezüchtet hat, in heimtückischer -Weise dann Tag und Nacht ausläßt.</p> - -<p class='c016'>Abführmittel sind <i>theosophische Geheimmittel</i>, -<span class='pageno' id='Page_113'>113</span>die imstande sind, den Menschen zu einer -höheren Art hinaufzuentwickeln! Im Moment, wo -das Genie seine heiligen Darmfunktionen geschwächt -fühlt, fühlt es sich degradiert zur »<i>Herde der Gewöhnlichen</i>«! -Seine Schwingen sind ihm — wenn -auch in anderer Weise — beschnitten und gelähmt.</p> - -<p class='c016'>Bauchherz, nervus sympathicus, plexus solaris, -unbekanntestes Phänomen unter den mysteriösen -Phänomenen dieser Welt, möge dir die Forschung -und die Arbeit der künftigen Genies geweiht sein! -Unten frei, oben frei! Unten gebunden, oben gebunden! -So ist es!</p> - -<p class='c016'>Es gibt fast keine Schädlichkeit, die wir unserem -Organismus antun, die nicht durch eine absolut -vollkommene Verdauungskraft besiegt werden könnte! -Unsere Darmnerven sind wichtiger wie unsere Gesamttätigkeiten -unseres Organismus, als alle andern -Organe zusammen! Mit einem absolut leichten -Stuhlgang müßte man sich theoretisch eine »ewige -Jugend« verschaffen können. Der obstipierte Mensch -ist <i>kein menschliches Wesen</i>! Seine Heiligkeit, -seine Gottähnlichkeit beginnt erst, wenn die Darmfunktionen -eine <i>fast ideale</i> Leistungsfähigkeit erreicht -haben. Die tiefste Genialität eines Organismus -ist, mehr Rücksicht auf seine Darmnerven zu nehmen, -als auf alle andern zusammen! Man schont damit -vor allem <i>Herz und Gehirn</i>.</p> -<h4 class='c022'>Der Philister</h4> - -<p class='c019'>Ewige Rache, die Gott, Schicksal und Natur am -Philister nehmen: Sie verhindern ihn, Tag und -Nacht <i>Tonika</i> zu suchen, Belebungs- und Erregungsmittel -<span class='pageno' id='Page_114'>114</span>dieser Stoffwechselmaschine »Mensch«! -Sie wollen immer glatt und beruhigt überall durchkommen; -daher verlieren sie die einzige Kraft, die -es für die menschliche Maschine gibt: den Stoff-<i>wechsel</i>!</p> -<h4 class='c022'>Genialität</h4> - -<p class='c019'>Das geniale Gehirn hat nie die <i>kleinliche</i> -Todesangst des Philisters, sondern die <i>absolute</i> -eines Bismarck, der <i>wußte</i>, daß bei einer verlorenen -Schlacht von Königgrätz ihm nur mehr die Revolverkugel -übrig bliebe. — Selbst <i>Goethe</i> hatte ein Jahr -lang den geladenen Revolver auf seinem Nachtkastel -liegen. Sich schützen?!? Vor dem Altwerden, -vor dem <i>Sterben</i>?!? <i>Wozu also?!</i> Das Genie -bringt sich <i>rechtzeitig</i> um, wenn es seine Mission -erfüllt hat, oder sie <i>nicht</i> erfüllen konnte! Aber -diese andern <i>paktieren</i> mit dem Leben, das -dann doch <i>keines ist</i> und keinen Pakt zuläßt!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_115'>115</span> - <h2 class='c009'>RESTAURANT PRODROMOS</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ein Restaurant ersten Ranges, von einem modernen -Architekten unerhört einfach-primitiv, aber zugleich -aristokratisch-apart eingerichtet. Es wirken -in der Küche in idealer Gemeinschaft ein französischer -Koch und ein junger Arzt, Diätetiker, Hygieniker, -und der Dichter. Jede Speise ein unerhört -leichtverdauliches Gedicht für den Verdauungsapparat! -Lauter Speisen, die in drei bis fünf Stunden -verdaut sind ohne Rückstände! Reiche Stoffwechselkranke, -Nervenkranke, Magenkranke, Darmkranke -würden hier ein absolut sicheres Asyl finden! Die -internationale Püreemaschine würde auf jedem Tische -stehen. Einige Umdrehungen, und jede Speise hat -die Konsistenz erhalten von Erdäpfelpüree, Erbsenpüree! -Schöne Zähne sind eine ästhetische Angelegenheit, -aber man soll sie nicht gebrauchen! Den -Speisen ihre Seele ausziehen, ihr Wertvollstes, und -das Unverdauliche den Hunden, den Schweinen! -Kein Essig, sondern Zitrone! Ganz, ganz neue Zusammenstellungen. -Zum Beispiel durchpassiertes -Kalbfleisch in Eiersauce. Pürees und Saucen in noch -nie dagewesenen neuen Verbindungen! Man kann sich -krank essen und bleibt dennoch gesund! Die Diätetik -eine reale Romantik geworden! Erfüllbare Ideale! -Die Zähne haben ihre miserable dilettantische Zerkleinerungstätigkeit -einzustellen, sobald die internationale -Püreemaschine ihre Dienste ideal ersetzt. -Man putze sie und halte sie als Kunstwerkchen in -Ehren! Der Edelmaschine darf man nicht Lasten -aufbürden, sondern muß sie ihr zu ersparen suchen! -<span class='pageno' id='Page_116'>116</span>Das Kindchen saugt an der Mutterbrust, und die -müde und nervös gewordene Menschheit will desgleichen! -Jeder komplizierten Maschine sucht man -die Widerstände so viel als möglich zu ersparen; -nur dieser unglückseligen und allerherrlichsten Maschine: -»menschlicher Verdauungsapparat« nicht! -Weshalb?! Gründet das Restaurant Prodromos! Es -soll eine Oase werden. Nach jeder Mahlzeit kann -man sich hinlegen auf ideale Ruhestühle, was riesig -wichtig ist! Es gibt Zimmerchen, in denen man, -wenn auch nur für zehn Minuten schlafen kann! -Eine Regenerationsanstalt, als Restaurant geführt. -Ein Gasthaussanatorium! Teuer, aber fast kostspielige -Kuren ersetzend! Weshalb warten mit der -Ausführung?! Gibt es denn keine Idealisten, die -dennoch verdienen möchten?! Sind denn das Gegensätze, -um Gotteswillen?! Was sollte denn reellerweise -eigentlich belohnt werden auf Erden als der -wohlverstandene Idealismus?!? Gründet das Restaurant -Prodromos! Und gedenket meiner, des Urhebers!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_117'>117</span> - <h2 class='c009'>DER BRAND</h2> -</div> - -<p class='c010'>Um zwei Uhr morgens kam die Nachricht in die -American Bar, daß ein Palais nächst dem Stadtpark -in Flammen stehe. Wir ließen unsre wunderbaren -Mischungen sofort stehen, fuhren im Fiaker rasend hin.</p> - -<p class='c016'>Auf dem Dache des fünfstöckigen Palastes leuchteten -die weißen Magnesiumfackeln der Feuerwehr, -und goldgelbe und rote Funken fielen zur Erde. -Unten im Finstern der Straßen leuchteten die Lampen -der Feuerwehrautomobile wie getreue Wächterhundeaugen! -So besorgt-gutmütig!</p> - -<p class='c016'>Der Stadtpark war schwarz und einsam. Auf -einer Bank saßen Zwei, Hand in Hand. Sie betrachteten -den Brand des Palais, hörten die Feuerwehrsignale: -»Wasser! Wasser! Wasser!«, und sie waren -und sie blieben versunken in ihrem eigenen unentrinnbaren -Schicksal, Hand in Hand.</p> - -<p class='c016'>Das Palais brannte, und man erließ für die obern -Parteien bereits die Nachricht, sie möchten delogieren -und herabkommen — — —.</p> - -<p class='c016'>Der Stadtpark war einsam und im Dunkeln — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_118'>118</span> - <h2 class='c009'>RÜCKSICHT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Sie trug ein wunderbares, stark dekolletiertes -schulterfreies Kleid. Ihre Freunde bewunderten -ihre herrlich modellierten Schultern. Da stand sie -auf, ging in ihre Garderobe zurück und zog ein viel -dezenteres Kleid an, das nur Hals und Arme frei ließ.</p> - -<p class='c016'>Einige Augenblicke später kam ihr Bräutigam.</p> - -<p class='c016'>»Natürlich,« sagte er, »man muß sich für die -fremden Männer dekolletieren!«</p> - -<p class='c016'>»Herr Bräutigam,« sagte ein Baron, »das ist -doch gerade das Schöne an Ihrer Freundin, daß sie -immer so einfach und dezent gekleidet ist und gar -nichts aus sich macht. Schließlich und endlich muß -es doch auch Ihnen schmeicheln, wenn andere Sie -darum beneiden und sie bewundern!«</p> - -<p class='c016'>»Anita,« sagte der Bräutigam, »gehe doch in -die Garderobe und ziehe dir mal das neue schulterfreie -Kleid an, das ich für dich entworfen habe. -Du bist ja nicht mehr im Sacré Coeur — — —.«</p> - -<p class='c016'>Die Dame stand auf und ging in die Garderobe, -das noch körperwarme schulterfreie Kleid wieder anzulegen -— — —.</p> - -<p class='c016'>Die Freunde sagten hypokrit: »Das ist wirklich -etwas gewagt und auffallend — — — Aber wenn es -Ihnen recht ist, Herr Bräutigam — — —?!?«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_119'>119</span> - <h2 class='c009'>MYOSA</h2> -</div> - -<p class='c010'>Mademoiselle Myosa, das Original mit dem tiefen -wunderbaren Blick, in dem direkt eine Art von fanatischer -Tanzmission glüht und fiebert, ist von unbeschreiblicher -Anmut. Die übrigen Tänzerinnen -tanzen, aber sie ist der Tanz selbst, sie versinkt, -ertrinkt im Tanzen. Sie existiert nicht mehr. Sie -kann sich, auch im Leben, in nichts anderm äußern. -Man hat die Empfindung: sie ißt nicht, sie trinkt -nicht, sie schläft nicht, sie will kein Geld und keine -sonstigen scheinbar unentrinnbaren Leidenschaften -— — — sie will tanzen, tanzen, tanzen! Der Fisch -will Wasser, nur Wasser; und sie will den Tanz, nur -den Tanz! Sie ist das erste Tanzgenie, das ich je -erblickt habe, wegen ihrer fast pathologischen Konzentration. -Sie rührt und macht erstaunen. Hat -Gott die Welt nur erschaffen, damit Myosa sich darin -austanze?! »Ja!« sagen ihre düstern Blicke. Sie -hat Bewegungen, die man noch nie bei einer Tänzerin -gesehen hat, wie wenn oft ihr wunderbarer kindlicher -Leib von einer inneren Macht gezwungen würde. -Dabei ist sie ununterbrochen verzweifelt, daß es in -diesem Vergnügungsetablissement nicht still und -feierlich ist während ihres heiligen Tanzens wie in -einer Kirche; sprechen, lachen, verletzt sie tödlich; -ein Zug unaussprechlichen ergreifenden Leidens ist -da mitten im Tanzen auf ihrem herrlichen Antlitz. -Da haßt sie die Menschen und die Welt! Sie ist eine -tragische Persönlichkeit, feindselig und abhold dem -leichten Dasein der Stunde. Sie ist ein Phänomen, -eine Einzige, eine in sich Gekehrte, starre Unerbittliche -<span class='pageno' id='Page_120'>120</span>des Tanzes! Und das alles dort, wo man sich -bei uns amüsieren, zerstreuen will!? Arme, arme -Myosa — — —!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_121'>121</span> - <h2 class='c009'>IM STADTPARK</h2> -</div> - -<p class='c010'>Als Kinder saßen wir Abend für Abend mit -unsern geliebten Eltern im Stadtpark, im Kursalon. -Wir bekamen Eis und Hohlhippen und hatten keinerlei -Sorgen. Der Vater geht nun seit Jahren nicht -aus seinem bequemen Zimmer mehr heraus, und die -Mutter nicht aus dem bequemen Totenschrein. Ich, -glatzköpfig und sorgenvoll, komme nun in den Stadtpark, -Kursalon, auf die Terrasse, an denselben Tisch, -an welchem wir einst sorgenlos mit den geliebten -Eltern saßen. Ich bestelle dasselbe Eis, Himbeerschokolade, -wie als Kind, mit recht vielen und -knisternden, also frischen Hohlhippen. Vor mir die -Gartenbeete wie einst, ein bißchen bunter, origineller. -Ich sehe Eltern mit ihren Kindern. Sie -zanken und schelten. Unsre Eltern zankten und -schalten nie, nie. Vielleicht war es schlecht, daß sie -es nie taten, aber sie hatten Achtung vor ihren -eigenen Erzeugnissen, und Zuversicht! Wir haben sie -enttäuscht; aber sie haben es hingenommen als -Schicksal und Verhängnis. Wir haben ihre Tränen, -die sie um uns weinten, nie gespürt — — —. Nun -sitze ich, Glatzköpfiger, Sorgenvoller, wieder im -Stadtpark, im Kursalon, auf der Terrasse, an demselben -Tisch wie einst mit den geliebten Eltern, -esse dieselbe Portion Himbeerschokolade wie einst, -mit vielen knisternden, also frischen Hohlhippen — — —. -Die Gartenbeete, auf die ich herabblicke, -sind ein wenig bunter, origineller. Aber sonst hat -sich nichts verändert, in den Zeiten vom dummen -Kind zum müden Mann! Ich sehe Eltern, die ihre -<span class='pageno' id='Page_122'>122</span>Kinder im Park schelten; unsre Eltern schalten uns -nie; sie erhofften es, daß wir sie einst belohnen würden -für ihre Güte; aber wir taten es nicht. Wir hatten -eine schöne Kinderzeit; so tauchen wir denn hinab -in Erinnerungen, da wir vom seienden Tage nicht -leben können. Wir hatten allzu sanftmütige, hoffnungsfreudige, -schicksalergebene Eltern. Es war ein -Fluch und ein Segen! Man kann nun an Zeiten zurückdenken, -die paradiesisch waren — —. Nicht -jeder, der vor sich das Dunkel sieht, kann liebevollen -Herzens der lichten Zeiten dankbar sich erinnern -— — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_123'>123</span> - <h2 class='c009'>EHEBRUCH</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich verzeihe dir! Vier Tage und vier Nächte habe -ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders -waren voll von Qual. Wenn du gewußt hättest, was -du mir angetan hast an Leid, du hättest es wahrscheinlich -nicht getan. Aber ihr wißt es eben nicht, wollt, -könnt es nicht wissen! Unser verstörtes Antlitz sagt -euch nichts. Prügel sind der Ausbruch für euch unserer -verletzten Eigenliebe. Und sogar Mord ist doch in -Eueren Augen nur Rachgier! Unsere Zärtlichkeit könnt -ihr nicht ahnen, die wir für euer Leben haben, wie jedes -Muttertier für seine Jungen, oder wie der Storch, -der sich auf dem brennenden Dache niederläßt, um -mit den Jungen, die er nicht mehr erretten kann vor -Qualm und Hitze, selbst zu verbrennen! So sind -wir mit euch! Mit euch verbrennen, wenns keine -Rettung gibt — — —. Das zarte Nest ist in Gefahr, -das wir euch errichtet mit allen Mühen unseres -armen Lebens; das Nest ist in Gefahr — — —. Ich -will dich retten, doch der Qualm betäubt mich. -Anita, oh Anita — — —! Vier Tage und vier Nächte -hab’ ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders -waren voll von Qual. Ich will dich retten vor dir -und vor den anderen! Ich liebe dich, es bleibt mir -keine Wahl — — —. In mir sind Gottes Zärtlichkeiten -für jedes Geschöpf, konzentriert auf dich! -Bis du es aber spürst, vergehen Jahre, Jahre. Mir -ist die Kraft verliehen, an deiner Bahre, in deinem -toten Antlitz noch verständnisvollen Dank mir endlich -zu erspähen! Vier Tage und vier Nächte hab ich mich -durchgerungen. Die Nächte besonders waren voll -<span class='pageno' id='Page_124'>124</span>von Qual. Ich liebe dich, es bleibt mir keine Wahl. -Wir wollen den Schmerz begraben, der uns begrub -— — —. Nimm also dein neues Kleid, wir wollen zu -fremden Menschen gehen, die fröhlich sind, Geliebte!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_125'>125</span> - <h2 class='c009'>HAMSUN-MENSCHEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich habe irgendwo einen geistreichen Essay gelesen -— leider geist-reich, aber wahrheits-arm — -über das Wesen der sogenannten Hamsun-Menschen, -das heißt: jener Menschen, die Hamsun in seinen -Romanen beschreibt.</p> - -<p class='c016'>Es sind nämlich ganz einfach Menschen, die die -Lächerlichkeit des menschlichen Geistes und der -menschlichen Seele durchschaut haben und dahinter -gekommen sind, daß alles öder Mumpitz ist! Ich bin -überzeugt, daß Shakespeare die Eifersucht des -Othello, den Ehrgeiz des Macbeth, die Liebe des -Romeo für ebenso lächerliche und wertlose Dinge, -für übertriebene Irrsinne, für groteske Stupiditäten -von Monomanen oder Paralytikern gehalten habe; -nur hatte er damals noch die sogenannte gesunde -Kraft, aus diesen Irrsinnen scheinbar menschliche -Dramen zu fabrizieren! Hamsun hingegen hält -Markensammler, Münzensammler und Liebesleute -für lächerliche Persönlichkeiten, und nichts in der -Welt kann ihm ein Interesse abgewinnen als die -schändliche und infame Lächerlichkeit, mit der alle -Menschen die ihnen wichtig erscheinenden Dinge auch -ernstlich für wichtig halten! Diejenigen Unglückseligen, -die in der Mitte schwanken zwischen der Bejahung -und Negierung des Daseins, machen sich ein -Geschäft daraus, Hamsun-Menschen fälschlich erklären -zu wollen, indem sie selbst weder den Mut -haben, bejahende Normalmenschen noch negierende -Perverse zu sein. Der sogenannte gesunde Mittelweg ist -die Straße des feigen Idioten. Er allein ist der ungerechte -<span class='pageno' id='Page_126'>126</span>und ewig mißtrauische Nichtsversteher! Sie -wollen in den Abgründen des Daseins sich ein Pfädchen -herausschinden, auf dem sie scheinbar noch sicher -dahin schreiten könnten! Aber vergeblich! Es handelt -sich nur um einige Jahre, und auch sie werden zur -Browningpistole innerlich greifen müssen. Hamsun -erkannte die Nichtigkeit, die Lächerlichkeit, die -Bösartigkeit, die Gemeinheit des Lebens in jeder -Minute, in jeder Stunde, an jedem Tage; aber die, -die noch nicht die Kraft haben, das ganz zu erfassen, -klammern sich an irgend einen Popanz fest, der sie -hoffentlich irgend einmal zugrunde richten wird.</p> - -<p class='c016'>Hamsun-Menschen haben ganz einfach einen -milliardenmal tiefem Einblick in die Lächerlichkeit -und Wesenlosigkeit des Daseins, als die andern -Menschen, und derjenige, der sich aus diesen unentrinnbaren -Wahrheiten herausretten will, beweist damit -nur die Feigheit, daß er mit einem wertlosen -Leben den wertlosen Kampf noch immer vergeblich -aufnimmt. Alle Menschen sind Münzen- und Markensammler, -und wer ihre absolut wertlosen Irrsinne -nicht erkennt, ist ein ebensolcher Idiot, wenn er -auch in seelischer und geistiger Beziehung andre, -aber ebenso wertlose Sammlungen anlegt! Sich über -die letzten Erkenntnisse eines Hamsun-Gehirns hinüberschwingen -zu wollen, ist die infamste Feigheit -eines Menschen, der nicht imstande ist, eine Stunde -lang ein wahrheitsvolles Leben zu führen.</p> - -<p class='c016'>Das Leben ist eine feige Lächerlichkeit, mit -frechen Ambitionen, und es gehören alle Verlogenheiten -der menschlichen Seele und des menschlichen -Geistes dazu, um es auch nur eine Minute lang ernst -<span class='pageno' id='Page_127'>127</span>zu nehmen! Strindberg wußte, was er von Frauen -zu halten hatte, die, statt ihn zu schützen und zu -schonen, ihm seine göttlichen Kräfte auf allen Wegen -und Stegen zu rauben suchten. Er hatte die Genialität, -an die Anständigkeiten der Frau zu glauben, fand -aber nur herzlose Tyranninnen, die die Schwächen -selbst der genialen Organisation auf perfideste und -heimtückischste Weise ausnutzten! Was August -Strindberg dichtete und dachte, war ihnen eine -nebensächliche Erscheinung, aber sein persönliches -Liebesleben kontrollierten sie mit ihren unfähigen -und niedrigen Sinnen! Alle Männer sollten wie -Strindberg es erhoffen, daß man ihre edelsten Kräfte -schonen und schützen werde, und sie nicht ausnutzen -werde zur gemeinen Bequemlichkeit des -Tages- und Nachtlebens. Eine Frau, die auch nur -eine Stunde lang einen August Strindberg quälte, -wäre wert, von der ganzen Menschheit boykottiert -und gefoltert zu werden, denn für ihre Glückseligkeit -würde der Kommis einer Seidenfirma bessere Dienste -leisten! Sie rächt sich in ihrem ewigen Vier-Wochen-Turnus -an den ewigen Entwicklungsfähigkeiten des -Mannes, und das Genie Strindbergs bäumte sich für -hunderttausend gequälte andre Genies auf gegen den -Mangel an Respekt einer geliebten Frau vor der -Geistigkeit des Mannes!</p> - -<p class='c016'>Hamsun nahm die Sache nicht so tragisch, sondern -mehr von der ironischen Seite, und selbst Shakespeare -war ein Strindberg und ein Hamsun im Grunde -seiner Seele, aber er hatte leider noch die gesunde -Kraft, es in fünfaktige Dramen umzusetzen, deren -eigentliche tiefe Ironie der Welt nie verständlich wurde!</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_128'>128</span>Der Ansichtskartensammler ist kein größerer Narr -als alle andern, die sich an angeblich wichtigere -Objekte Tag und Nacht anklammern, um ihr Leben -damit auszufüllen und in kümmerlicher, armseliger, -schamlos-feiger Weise zu fristen. Je weniger Spesen -sie dabei haben, desto normaler sind sie. Es gibt -Schriftsteller, die die Geschicklichkeit haben, einem -Hamsun und Strindberg sogar ihre Irrsinne nachzuweisen! -Ich selbst begnüge mich mit der Ansicht, -daß sich außerhalb des Lebens zu bewegen und mit -ihm keine anderen Zusammenhänge zu haben wie die -eines satanischen Lächelns, die einzige Sache und -Aufgabe eines genialen Menschen sei!</p> - -<p class='c016'>Wer die Kraft hat, dem Leben mit aufgezogenem -Visier ins Auge zu blicken, der wird das große Mauer-Oehling -und Steinhof der Menschheit in Ernst und -Ruhe erkennen, und seine Stunde, die ihn von dem -Stumpfsinn und der Stupidität endgiltig befreit, mit -Freude erwarten —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_129'>129</span> - <h2 class='c009'>MEMOIREN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich lese die Geschichte vom Grafen von Lavalette, -und sie interessiert mich gar nicht. Er war ein Getreuester -Napoleons des Ersten.</p> - -<p class='c016'>Aber ich habe bisher es nicht eingesehen, wodurch -dieser »geniale Feuergeist«, dieses »Ungetüm an -Lebensenergien«, der Gesamtmenschheit irgendwie -geholfen habe!?! Die Geschichte seiner »Getreuen« -interessiert mich daher um so weniger. Aber als -Lavalette, dieser »Tatendurstige« (ein schreckliches -Wort für den Lebenskundigen) eingesperrt und hingerichtet -werden sollte, gab ihm seine Frau ihre -Kleider, und er entfloh. Sie selbst wurde im Kerker -derart mißhandelt, daß sie irrsinnig wurde.</p> - -<p class='c016'>Da begann ich mich für die Gräfin von Lavalette -zu interessieren, die in den Memoiren gar nicht erwähnt -ist.</p> - -<p class='c016'>Ehre ihrer Seele!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_130'>130</span> - <h2 class='c009'>WIDMUNG AN ANNA KONRAD</h2> -</div> - -<p class='c010'>O Fraue,</p> - -<p class='c016'>Nicht was du <i>bist</i>, bist du!</p> - -<p class='c016'>Das, was <i>wir</i> von dir träumen, <i>das</i> bist du!</p> - -<p class='c016'>Was in der dunklen Wehmut unseres begeisterten -Blicks erschimmert, das bist du!</p> - -<p class='c016'>Der Duft deines Atems, der uns den Duft der ganzen -blühenden geheimnisvollen Welt bringt, <i>das</i> bist du!</p> - -<p class='c016'>Deine <i>nicht erfüllten</i> Sehnsuchten, die auf -deinem lieblichen Antlitz kauern, und die <i>wir</i> mehr -miterleben, <i>miterleiden</i> als du selber,</p> - -<p class='c016'><i>Das</i> bist du!</p> - -<p class='c016'>Die Träne, die aus unsern Augen langsam herabrieselt -(wir selber wissen nicht, aus welchem Leid -sie ihre Quellen hat) <i>das</i>, <i>das</i> bist du!</p> - -<p class='c016'>Und <i>unser Lächeln</i> bist du, wenn du -kommst — — —!</p> - -<p class='c016'>Und unsere <i>ernste Stille</i>, wenn du von uns -gehst — — —!</p> - -<p class='c016'>Wenn du <i>uns</i> kränkst und wenn du <i>uns</i> verwundest,</p> - -<p class='c016'>Nimmst du <i>dir selbst</i> die Pracht des eigenen -Lebens,</p> - -<p class='c016'>Denn was wir von dir fühlen, <i>das</i> bist <i>du</i>! -Bleib darum milde — — —.</p> - -<p class='c016'>Dreh’ nicht der Nachtigall den Hals um, wenn -sie in die lichte Mondnacht schmettert,</p> - -<p class='c016'>Denn <i>ihr Lied</i> macht erst die Mondnacht zu -dem, was sie <i>ist</i>!</p> - -<p class='c016'>O Fraue, laß uns singen, sagen, klagen — — —.</p> - -<p class='c016'>Was du <i>von uns</i> vernimmst, <i>das</i> erst bist <i>du</i>!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_131'>131</span> - <h2 class='c009'>DER TOD</h2> -</div> - -<p class='c010'>Wann soll ich sterben, mich umbringen?! Es -ist an der Zeit.</p> - -<p class='c016'>Es ist fünf Uhr morgens. Man sieht noch nicht -die großen braunroten Dächer der alten Wallnerstraßenpaläste. -Man hört die Uhren von fünf Kirchtürmen. -Sie folgen einander so merkwürdig, wie um -sich nicht gegenseitig zu stören, lauschendes Menschenohr -nicht zu verwirren, das Ohr von Kranken, -die dem heimlichern Tage bang entgegenlauschen -— — —.</p> - -<p class='c016'>Wann soll es sein?!</p> - -<p class='c016'>Sie darf nicht geweckt werden aus ihrem mir -heiligen Schlaf, durch eine Nachricht, die jedenfalls -erregt und schadet — — —. Wenns ihr auch schmeichelt, -daß es ihretwegen ist — — —.</p> - -<p class='c016'>Ich muß also warten, bis die völlig Ausgerastete -die merkwürdige Botschaft hört,</p> -<p class='c011'>daß ihr fanatisch getreuester Ritter sie dennoch -verlassen mußte, mitten im Seelendienste, der -ihn brach und sie nur störte, die einsam kranke Frau — — —.</p> - -<p class='c011'>Nach Hamburg wird die Kunde später dringen, -und H. M. ist gewappnet mit Ergebenheiten!</p> - -<p class='c011'>In ihrer Religion sind Kreuzigungen vorhergesehen, -und sie wird leben aus innern Kräften, -durch Leid erhöht, betaut, befruchtet!</p> - -<p class='c016'>Bessie wird in Leysin, im Paradies des Wintersports -am Genfersee, die Nachricht hören, und in -meinen Briefen vielleicht kramen, die sie besitzt.</p> - -<p class='c016'>Die Hauptsach’ ist, daß meine vergötterte Frau -<span class='pageno' id='Page_132'>132</span>in Wien nicht durch die Nachricht aus dem Schlafe -kommt, den sie so nötig hat.</p> - -<p class='c016'>Man muß sichs also einzuteilen wissen. Tag, -brich an!</p> - -<p class='c016'>Lebet wohl — — —!</p> - -<p class='c016'>Der grelle Tag macht freilich den Abschied -schwerer als des Wintermorgens düstre Dämmerungen!</p> - -<p class='c016'>Jedoch die Frau darf’s erst vernehmen, wenn sie -ausgerastet ist von langem Schlafe — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_133'>133</span> - <h2 class='c009'>EINE GANZ WAHRHAFTIGE BEZIEHUNG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Sie saß an einem riesigen Parterrefenster, das fast -den Boden der staubigen grauen elenden Dorfstraße -berührte, und nähte an einer schönen blinkenden -Nähmaschine. Blusen, von morgens bis abends. -Ihre Augen hatten einen Ausdruck von Verzweiflung. -Aber sie selbst wußte nichts davon. Sie nähte, nähte -und nähte. Sie war ganz mager, ungeeignet für den -Sturm des Daseins, der Seelen und Körper schüttelt -und hinwegfegt. Abends aß sie das kalte Gemüse -vom Mittagstisch. Das sah ich alles durch das -riesige Parterrefenster hindurch, und sie sah, daß ich -alles sah.</p> - -<p class='c016'>Eines Abends stand sie vor dem Haustor so angelehnt. -Da sagte sie: »Ich habe eine Stellung angenommen -in Mariahilf in einer Blusenfabrik, ich -werde nicht mehr privat arbeiten müssen in diesem -einsamen Zimmer.«</p> - -<p class='c016'>Da dachte ich: »Dorfstraße, Dorfstraße, du hast -deinen Glanz, du hast deinen Reichtum eingebüßt!«</p> - -<p class='c016'>»Man muß sich seine Lage verbessern, nicht -wahr!?« sagte sie, »ich habe Sie übrigens immer an -meinem Fenster vorübergehen sehen, dreimal des -Tages. Dreimal des Tages sind Sie freilich vorübergegangen. -Aber in Mariahilf werden vierzig Mädchen -sein, und man wird plaudern können, und arbeiten -wie in einem Ameisenhaufen — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Sie, Fräulein, ich werde auch dreimal noch täglich -an Ihrem Fenster vorübergehen, wenn Sie nicht -mehr dasitzen — — —.«</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_134'>134</span>»Ja, werden Sie das?!? Da werde ich also doch -auch zugleich zu Hause sein wie früher in meiner -Heimat — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Lassen Sie vielleicht Ihre blinkende kleine Nähmaschine -am Fenster stehen, und dabei eine ihrer -angefangenen Blusen — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Ja, bitte, das werde ich — — —.«</p> - -<p class='c016'>Das war die einzige wahrhaftige Beziehung mit -einer Frauenseele während meines ganzen ereignisreichen -Lebens — — —.</p> - -<p class='c016'>Dorfstraße, graue staubige Dorfstraße, du hast -nun deinen Glanz, du hast deinen Reichtum eingebüßt -— — —. Sie, sie geht nun in die Arbeit, in die -Welt — — —!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_135'>135</span> - <h2 class='c009'>IM VOLKSGARTEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Juli im Volksgarten. Die holde Frische der Gewächse -ist vorüber. Nur Rosa Crimson Rampler -blühen als dunkelrotes Gebüsch. Auf dem Teich vor -dem Elisabethdenkmal sind die Seerosen verblüht. -Nur die Blätter liegen papierflach auf grünschillerndem -Wasser. In den riesigen hellgrauen Tonkübeln -blühen hellrosa Hortensien. Die marmornen Kindergesichter -an den Brunnen strahlen Lieblichkeit aus -sondergleichen. Es sollen die Kinder des Bildhauers -selbst sein. Heil ihm! Ein Mäderl von neun Jahren -zeigt uns alle ihre herrlichen Künste. Sie hat nur -ein weißes Hemd an mit einer dicken roten seidenen -Schnur. Sie läuft Springschnur wie ein griechischer -Marathonläufer. Sie spielt Diabolo wie ein Champion. -Sie spielt zugleich mit zwei Raketts und -zwei roten Gummibällen. Ich rufe: »Bravo, bravo!« -als säße ich in einem Variété. Sie hat nackte -Gazellenbeine. Sie macht alles von nun an infolge -des Applauses für mich und meine edle Freundin. -Einmal heben wir ihr einen Ball auf. Sie weiß, sie -befindet sich in unsrer Gunst. Sie hat fremde Menschen -für sich gewonnen, sie hat die enge Sphäre -von Papa, Mama, Onkel, Tante überflogen, sie ist in -das Land eingedrungen objektiver Anerkennungen.</p> - -<p class='c016'>Und da sagte ihre Mama: »Spiele doch zu mir -zu, ich will dich auch sehen, nicht immer nur deinen -Rücken.«</p> - -<p class='c016'>Da wandte sich das Kind von uns ab und spielte -gegen die Mama zu. Nur hie und da blickte sie sich -um nach ihren fremden Verehrern.</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_136'>136</span>Später kam der Papa, ermüdet vom Geschäfte.</p> - -<p class='c016'>»Amüsierst du dich, Anna?!?« sagte er zu seinem -Töchterchen.</p> - -<p class='c016'>»Amüsieren, amüsieren —« dachte Anna, »man -bewundert mich, man staunt mich an —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_137'>137</span> - <h2 class='c009'>ANSPRÜCHE EINER ROMANTIKERIN</h2> -</div> -<p class='c010'>Wenn dir, Du angeblich Liebender, jeder Atemhauch meines Mundes ebenso berauschend wäre wie -meinem Peter,</p> - -<p class='c016'>wenn dich mein Gehen, Stehen, Sitzen, und jede -Linie meines Leibes ebenso entzücken könnte,</p> - -<p class='c016'>wenn der dunkle Klang meiner Stimme, wie -Peter sagt, aus dem Gaumen-Resonanzboden,</p> - -<p class='c016'>dir ebenso lieblich tönen könnte,</p> - -<p class='c016'>und ebenso berauschend das Rauschen meiner -seidenen Unterkleider wie ihm,</p> - -<p class='c016'>wenn du in das Waschwasser meines Lavoirs, in -dem ich badete, ebenso liebevoll deinen Kopf -untertauchen könntest wie er,</p> - -<p class='c016'>gleichsam um zu ertrinken in heiliger Flut;</p> - -<p class='c016'>wenn du mich ebenso nähmest als überirdisches -Wesen, das ich natürlich nicht bin und nicht sein -kann, bei Tag und Nacht,</p> - -<p class='c016'>wenn du also gleich ihm aus meinen Armseligkeiten -eine verklärte Dichtung machen könntest, -die dich beglückte und Leben spendete wie Tau und -Sonne den zarten Pflanzen — — —</p> - -<p class='c016'>wer weiß, ob ich mich dann nicht verführen ließe, -dir zu dienen gleich ihm — — —.</p> - -<p class='c016'>Aber du kannst, du wirst es nicht zusammenbringen!</p> - -<p class='c016'>Es sind Mysterien, aufbewahrt von Gott den -wirklich liebevollen Herzen!!!</p> - -<p class='c016'>Das zu erkennen, ist unser einziger, unser bester -Schutz!</p> - -<p class='c016'>Es gibt nur immer einen, dem wir ein Verhängnis -<span class='pageno' id='Page_138'>138</span>werden! Den anderen sind wir Zitronen, die man -auspreßt, und deren Schale man in die Latrine wirft!</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_139'>139</span> - <h2 class='c009'>LEBENSWEG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Der Ältere und der Jüngere waren anfänglich -kolossal eifersüchtig aufeinander. Bis der Ältere ihr -einen geläuterten Brief schrieb. Darin stand unter anderm: -»Der Jüngere ist der Jüngere. Daher hat er den -momentanen Sieg. Aber der Ältere ist der Ältere. Daher -hat er einen Vorsprung, welcher Art immer. Es -wird sich schon zeigen —.« Sie verstand kein Wort davon. -Infolgedessen versöhnten sich die beiden Rivalen.</p> - -<p class='c016'>Dem Jüngeren ward sie aber zu einfach, zu ruhig -mit der Zeit. Der Ältere ruhte bei ihr aus, von den -Strapazen seiner Seelenweltreisen. Der Jüngere hatte -sie lieb, solange sie nicht da war, der Ältere erst, wenn -sie neben ihm dahinging wie ein verlorenes Kindchen. -Er dachte dabei an die »Ludern«, denen er unnützerweise -sein Denken, sein Dichten, sein Träumen geweiht -hatte durch Jahre, und die doch nur sich-überhebende -freche Püppchen gewesen waren zeitlebens.</p> - -<p class='c016'>Aber auch er hatte bald genug von ihr, obzwar -er sie brüderlich zärtlich lieb hatte und sie ganz -verstand und achtete. Der Jüngere feierte hie und -da dennoch immer wieder Orgien mit ihr und behauptete -dann, sie sei doch die einzige von allen. -Der Ältere brachte sie zum Chor der Operette. Es -begann ihr sehr gut zu gehen. Aber immer wieder -kam sie zu dem Jüngeren zurück ohne Grund, und -zu dem Älteren sagte sie sanft: »Wissen Sie noch, -wie Sie mir die Pfirsiche geschenkt haben?!« Später -fuhr sie im eigenen Automobil. Sie vergaß ganz des -Jüngeren. Aber so oft sie den Älteren erblickte, sagte -sie sanft: »Servus, Pfirsich-Herr!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_140'>140</span> - <h2 class='c009'>DIENSTE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Man kann vielen Menschen riesige Dienste in den -geringsten Kleinigkeiten leisten. Aber niemand tut -es. Zum Beispiel einer Dame zu sagen: »Wenn Sie -sich abends mit einem trockenen englischen Reibhandschuh, -fleshglove, den ganzen Leib leicht rosig -reiben lassen werden, ganz, ganz zart, ohne Reibeisengefühl, -so werden sie gegen Zugluft vollständig -immun werden!«</p> - -<p class='c016'>Ich trat einst auf eine wunderbar schöne Frau zu -und sagte zu ihr: »Gnädige Frau, ich könnte Ihnen -einen wesentlichen Lebensdienst leisten, den Ihnen -wahrscheinlich sonst niemand leisten würde —.« -»Nun, worin besteht er?!« »Sie haben in Ihrem -wunderbar modellierten Ohr einen schwarzen Mitesser, -den ich auf die zarteste Weise mit einem geschickten -Druck meiner zwei Finger entfernen könnte. -Mancher Mann könnte daran enttäuscht werden, -und es könnte Ihren edlen Lebensweg erschweren —.«</p> - -<p class='c016'>Die Dame erbleichte, stand auf, ging mit mir -hinaus. Ich entfernte ihr den schwarzen Mitesser -aus dem rosigen Ohr.</p> - -<p class='c016'>Dann sagte sie: »Sie, Herr, wie kommen Sie -eigentlich zu solchen Unverschämtheiten?! Was -gehen Sie denn meine Ohren an?!«</p> - -<p class='c016'>»Nichts«, erwiderte ich und entfernte mich befriedigt.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_141'>141</span> - <h2 class='c009'>WIE ICH GESUNDET BIN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich bin nämlich gar nicht gesundet, sondern aus -dem Grabe, wie ein Gespenst meiner selbst auferstanden. -Aber ich habe in Inzersdorf bei Wien -einen schönen stillen Park gehabt mit Naturwiesen, -einen allerbesten Direktor Emil Fries, einen Gentleman -vom Kopf bis zu den Sohlen, seine edle -französische Frau zu meiner idealen Gesellschaft, -taktvoll und herzlich vom Kopf bis zu den Sohlen; -Fräulein Herta, die in sich Gekehrte ... Und die -Gouvernante der Kinder war eine edle Melancholikerin, -die die Bürde des Lebens tragisch auf sich -nahm. Der Park hatte eine Allee mit großen holzgeschnittenen -Löwen, die Wappen trugen, und in -den riesigen runden dunklen Gebüschen nisteten -Vögel.</p> - -<p class='c016'>In diesem Milieu, wo nichts mich marterte, lugte -ich noch einmal aus dem Grabe heraus, so ein letzter -Blick auf wahre Werte der arg verworrenen Menschheit.</p> - -<p class='c016'>In einem dunklen Gartenparterrezimmer sitzen -seit Jahren Graf C. und Herr von D. hart nebeneinander -in alten Lederfauteuils, wortlos, ohne sich zu -rühren, stunden- und stundenlang wie Wachsfiguren, -bis jemand kommt und sie zu Bette legt. Nie, nie, -nie sprechen sie einen Wunsch aus, rauchen nicht, -langweilen sich nie, warten auf die Tage, die Monate, -die Jahre, wie alte Bäume im Frieden der Natur.</p> - -<p class='c016'>Ich bin nicht gesundet; meine Qualen haben sich -ins Maßlose gesteigert, ich ringe um Tag und Stunde -und um irgendeinen Lichtblick, wie es die englische -<span class='pageno' id='Page_142'>142</span>Tänzerin Esther war, die am ersten Abend zu mir gesagt -hat: »I have been in the whole world, but I -have learned only one important thing: To hate the -man! Was will er ewig von uns, während unsere -Seelen noch kalt sind, und wir ihm doch schon unser -Bestes, ja unser Liebstes, unser Tanzen spenden?!?« -Esther, Esther, o Esther — Sie sagte: »Du, ich werde -dich besuchen, aber nur wenn du ganz krank bist, -ganz, und mit geschlossenen Augen daliegst, denn da -brauchst du nicht mit mir zu sprechen.«</p> - -<p class='c016'>Ich bin nicht gesundet und werde es nie, nie mehr -wieder. Ich ringe mir noch irgendeinen Lichtblick -ab, und dann adieu. —</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_143'>143</span> - <h2 class='c009'>GOTTESGNADENTUM</h2> -</div> - -<p class='c010'>Gott, der in der Natur <i>geheimnisvoll</i> thront, -um Ideale abzuwarten, die sich endlich <i>realisieren</i> -sollen, will für alle, alle, alle, leidenschaftlichst ihre -Entwicklung zu ihrer Vollkommenheit, zur Glückseligkeit, -zu ihrem eigenen inneren und äußeren -Frieden! Er überträgt daher vorerst den Herrschern -diese zarte und schwierige Mission, solange das Volk -noch <i>unmündig</i> ist. Aber später fühlt es leider -der Herrscher nicht, daß seine Milliarde von Schützlingen -<i>aus eigener Kraft</i> Gottes Wege zu wandeln -bereits erstarkt sind! Wie wenn ein Achtzigjähriger -noch immer von seinem fünfzigjährigen Sprößling -sagte: »Karlchen hat sich verkühlt — er muß einige -Tage das Bettchen hüten — — —«. So behandeln -die Monarchen ihr geliebtes Volk, haben keine -Ahnung, daß es <i>längst mündig</i> geworden ist, sie -selbst aber unterdessen <i>greisenhaft</i>.</p> - -<p class='c016'>Gottes Gnade kann einem einzelnen verliehen -sein, der für alle <i>zugleich</i> sorgt; sie kann aber -<i>später</i> allen verliehen sein, die <i>einzeln für sich -selbst sorgen</i>! Vom einzelnen und von der Gesamtheit -jedoch kann Gottes Gnadentum in gleicher -Weise mißbraucht werden! Es kann einer für alle -das Glück verschaffen oder verhindern; es können -alle es für sich selbst ebenso!</p> - -<p class='c016'>Gottes Gnade strömt aus Gottes Geist, aus Gottes -Herzen; und ein kleiner zarter Knabe kann sie ausüben, -wenn er tausend Erwachsene vor einer Gefahr -bewahrt, die sie selbst nicht ahnen in ihrer rastlosen -Geschäftigkeit. Wenn der Herrscher die <i>wirkliche -<span class='pageno' id='Page_144'>144</span>Gnade Gottes</i> repräsentiert in bezug auf ein -ganzes Volk, so hat er das Recht, von seinem <i>Gottesgnadentum</i> -zu sprechen!</p> - -<p class='c016'>In diesem Falle aber wird selbstverständlich das -ganze Volk diese Repräsentation auch unbedingt -bis in die innersten Nerven hinein spüren, und daher -<i>aufjubeln</i> und Dankgebete für ihn verrichten! -Wenn das aber nicht geschieht, sondern <i>Murren</i> -und <i>bange Verzweiflung</i> in den Landen losbrechen, -dann ist es an der Zeit, für die Weisen der -Nation, Einkehr zu halten, Ausschau, und dem -<i>Bedenken</i> ihre geistigen Tore weit zu öffnen!</p> - -<p class='c016'>Es gibt kein Zurück, nach Gottes Ratschluß! Es -gibt nur ein Vorwärts, Vorwärts, Vorwärts, in jeglicher -Sphäre menschlicher Betätigungen! Wer das -unternimmt, ein einzelner oder alle, steht unter -Gottes Gnadentum!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_145'>145</span> - <h2 class='c009'>AN EINEN UNMODERNEN ARZT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Werde gläubig! Gehe doch endlich von deinen -eingewurzelten Prinzipien ab, die für niemanden -passen als eventuell für dich selbst, und siehe, für -dich sogar <i>vielleicht auch nicht</i>! Denn du sogar -bist <i>besser</i> als dein eigenes Wissen!</p> - -<p class='c016'>Wolle neue, dir unbekannte, dir noch unverständliche -Welten kennen lernen, öffne deine Augen -und Ohren den neuen merkwürdigen Ereignissen!</p> - -<p class='c016'>Was du selbst weißt und erfahren hast, ist alt, -vermodernd und tot!</p> - -<p class='c016'>Was andere dir bringen aus anderen Welten, kann -dich erneuern!</p> - -<p class='c016'>Schaue mit <i>ihren</i> Augen, horche mit <i>ihren</i> Ohren, -fühle mit <i>ihren</i> Seelen, denke mit <i>ihrem</i> Geiste!</p> - -<p class='c016'>Wehe dir, wehe, wehe, der du deine eigene Welt -den anderen <i>aufoktroyieren</i> willst!</p> - -<p class='c016'>Solches durfte nur der Heiland — — —. Denn er -<i>wußte</i> es, <i>wofür</i> er sich kreuzigen ließ — — —.</p> - -<p class='c016'>Aber du hast dich ewig zu <i>bescheiden</i> und den -Welten der <i>anderen</i> zu lauschen, von denen du -Töne vernehmen kannst, die dir bisher leider fremd -waren!</p> - -<p class='c016'>Nicht was du <i>bisher</i> wußtest, kann dich bereichern, -sondern das, was du bisher <i>nicht</i> wußtest!</p> - -<p class='c016'>Aus der Weltenwurzel ewig neuartige Säfte, -Kräfte ziehen, heißt, ein feiner, nobler, kultivierter -Mensch sein!</p> - -<p class='c016'>Sein eigenes armseliges Weltchen den ungeheuren -Komplikationen des Weltenalls <i>entgegenstemmen</i> -wollen, ist eine <i>feige Gemeinheit</i>!</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_146'>146</span>Ergib dich den neuen, dir noch unverständlichen -Wundern, und erhoffe es dir, durch neue Erfahrungen -<i>dich selbst endlich desavouieren zu dürfen</i>!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_147'>147</span> - <h2 class='c009'>ZYNISMUS</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ein neunzehnjähriger Gymnasiast tötet eine Fünfzehnjährige -mit fünf Revolverschüssen. Er verteidigt -sich in keiner Weise. Was liegt also vor?!? Es liegt -vor das unbewußte Bewußtsein aller Höllenqualen, -die einem liebenden Manne noch Zeit seines verdammten -Daseins bevorstehen und die eine dumme, verwöhnt -werdende fünfzehnjährige Schöne den Männern -bis zu ihrem 35. Lebensjahre unbedingtest allmählich -noch bereiten wird! Rettung gibt es da nicht in -diesem Höllenpfuhle. Die mörderische Schlacht ist -vorzeitig, ist also rechtzeitig entbrannt, und muß zu -Ende gekämpft werden, von dem <i>unbewußt voraussichtigen</i> -Desperado, mit fünf heimtückischen -Todesschüssen, weil die 15jährige Geliebteste, Allergeliebteste, -von einem Nachbar in »kindlicher -Freude« fünf Rosen annahm, einen Don Juan von -Kellner daran liebenswürdig-holder Weise riechen -ließ, und dieselbe Gnade dem unglückselig Liebenden -dann ironisch versagte! Seine Voraussicht kommender -grauenvoller Leiden war seine <i>verbrecherische -Genialität</i>! Das Fräulein beginnt bereits, ganz -geheimnisvoll, sich zu fühlen als Beherrscherin und -Zerstörerin dieser unglückseligen zarten Welt »männliche -Zuneigung«, und der neunzehnjährige Rüpel weiß -nicht anders die schreckliche Gefahr zu bannen, als -indem er fünf tödliche Schüsse auf die Schuldig-Unschuldige -abgibt! Die Frau, die zartfühlende, -menschenfreundlich-adelige hat eine <i>Verpflichtung</i> -gegen an ihr erkrankte Männerseelen! Nicht -gerade die Verpflichtung, endgültige Erlösungen ihnen -<span class='pageno' id='Page_148'>148</span>zu spenden, jedesfalls aber nicht mutwillig in eiternden -Wunden herumzustochern — — —. Es ist keine große -Kunst und keine Lebensaufgabe, Männer irrsinnig -und seelenkrank zu machen; aber ihnen wenigstens -wie ein milder, menschenfreundlicher Arzt die äußersten -und unnötigen Qualen zu ersparen, das wäre -beginnendes, zartes, strahlendes, sich selbst vor allem -belohnendes Menschentum!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_149'>149</span> - <h2 class='c009'>NACHTCAFÉ</h2> -</div> - -<p class='c010'>Was ist ein Nachtcafé?! Etwas Unverlogenes. -Die Mädchen wollen leben und nicht Frondienste -leisten, nicht Schaffel reiben und Nachttöpfe fremder -Menschen reinigen, solange sie noch entzückende -Leiber haben. Sie wollen sich andererseits betrinken, -um zu vergessen, daß das alles nicht so weiter geht, -in infinitum. Sie stehen vor stündlichen Gefahren, -müssen sich berauschen an irgend etwas, um sich -Mut zu machen für die Schlacht des Lebens! Niemand -behandelt sie nach ihres jungen Herzens Wunsche! -Infolgedessen rächen sie sich, wie sie es können, bald -so, bald anders! Heimtückische, feige Marodeure -sind nur die Männer! Eine, der ich in Briefen meine -tiefste Sympathie, mein gerechtestes Verständnis bewiesen -hatte, sagte dennoch: »Du mußt mir die -zwanzig Kronen im vorhinein bezahlen — —! Wir -haben es leider gelernt, selbst romantisch veranlagten -Dichtern nicht mehr zu trauen — — —!«</p> - -<p class='c016'>Die Damenkapelle ist eine Oase. Sie sind verheiratet, -Bräute, oder sonst treu irgend jemandem. -Sie haben ein konsolidierteres Schicksal. Sie haben -irgend etwas gelernt, wodurch man sich weiterbringt. -Sie haben sich der Lebensordnung eingefügt. Ob -sie glücklicher sind, nicht andern Enttäuschungen, -Gefahren ausgeliefert?!? Zwei Welten, hart aneinander, -einander gleich in ihren schweren Kämpfen. -Keine Damenkapelle ohne diese Hetären, keine -Hetären ohne diese Damenkapelle! Nur die Männer -sind das perfide Element. Sie möchten alle zusammen -unglücklich machen, ihre ewig hungrigen Eitelkeiten -<span class='pageno' id='Page_150'>150</span>mästen mit den unglückseligen Blicken verliebter -Frauen! Damenkapelle oder Hetäre gilt ihnen gleich, -ihre innere rohe Leere mit einem liebevollen dummen -Frauenherzen auszufüllen — — —! Nachtcafé, du -kleine miserable Welt, du Abbild der großen, noch -viel miserableren!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_151'>151</span> - <h2 class='c009'>DIE NERVEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich hatte einen Freund, einen höchst intelligenten -Menschen. Aber seine Nerven, oh, die waren gar -nicht intelligent ...</p> - -<p class='c016'>Eines Abends im Café sagte er zu mir: »Du, -Peter, du könntest mir einen riesigen Freundschaftsdienst -erweisen! Ich fühle mich heute wieder so -greisenhaft, so ausgelöscht ... Bitte sage mir nach -fünf Minuten, daß ich heute besonders frisch und -jugendlich aussehe ...«</p> - -<p class='c016'>Ich nahm die Uhr, legte sie auf den Tisch, und -sagte nach fünf Minuten: »Du, sage mir, was ist -heute los mit dir? So jugendlich frisch hast du -wirklich schon lange nicht ausgesehen ...!«</p> - -<p class='c016'>Er wurde ganz rot vor Freude, ganz begeistert, -und erwiderte: »Wirklich? Das freut mich! Solche -angenehme Sachen sagt einem halt niemand auf der -Welt wie du!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_152'>152</span> - <h2 class='c009'>BRITISCHE TÄNZERINNEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Im Wiener Moulin Rouge ist jetzt eine Truppe -von acht jungen Engländerinnen, die angeblich nicht -viel tanzen können. Das ist aber grundfalsch und -eine echt dilettantische Auffassung. Die Art, wie -eine Frau ihre Persönlichkeit in Bewegung, in Tanz -wiedergibt, ist das Wertvolle an ihr und an ihrer -Darbietung! Das allein! Das Schreckliche an unsern -frühern Tänzerinnen war eben, daß die Schulung -und die Künstlichkeit ihre persönliche Grazie, ihre -individuelle Bewegungsart auslöschen, vernichten -mußten! In der modernen Welt wird aber die Persönlichkeit -frei, und man verzichtet gerne auf die -sogenannte hohe Schule! Diese jungen acht Engländerinnen, -die angeblich nicht viel können, wie -die Tanzmeister an den Tanzschulen behaupten, -diese jungen acht Engländerinnen repräsentieren in -Art und Gebärde dennoch die keusche, kindliche, -merkwürdige Anmut aller englischen Mädchen und -Frauen, die von Natur aus und ganz von selbst mit -unbeschreiblichem Geschmack und Takt begabt sind -und niemals mehr vorstellen wollen im Leben, als -ihnen von Natur und Schicksal beschieden ist! Sie -bleiben kindlich-herzig unter allen Umständen, in -jeder Situation, in jeder Lebenslage; sie akkomodieren -sich nicht feigerweise, wünschen lieber zu -langweilen, als mit übertriebener Lustigkeit aufzuwarten! -Sie tanzen, wie Kinder im Volksgarten, -im Stadtpark tanzen würden; oder im Hofe bei einem -Werkel, oder sonstwo für sich allein — — —. Sie -rühren, ergreifen, und ihre Tanznatürlichkeit besiegt -<span class='pageno' id='Page_153'>153</span>die entsetzliche Tanzkunst, die sich eine jede fast in -emsigem Bemühen erwerben kann! Möchten wir uns -doch endlich, in jeder Hinsicht, von der schrecklichen -historischen Überlieferung emanzipieren, dieser Arterienverkalkung -der menschlichen Seele! Es gibt -heutzutage bereits einige Tänzerinnen, die nur ihr -eigenes Wesen in Bewegung umsetzen, ihre persönliche -Grazie allein wirken lassen! Mögen sie bei den -Tanzmeistern durchfallen, bei den Meistern des -lebendigen Lebens werden sie reüssieren. Diese acht -jungen Engländerinnen tanzen wie die allerherzigsten -Kindchen, sie rühren und ergreifen, sie geben sogar -eine Idee von Englands Frauen überhaupt! Seien -wir ihnen vor allem dankbar, daß sie uns die manierierten, -affektierten, berechnenden Frauen noch unausstehlicher -machen durch den Kontrast!</p> - -<p class='c016'>»Ich hole mir eine arme englische Tänzerin zur -Frau«, sagte einmal ein genialer welterfahrener Mann -zu mir.</p> - -<p class='c016'>»Bravo,« erwiderte ich, »aber wissen Sie auch, -weshalb Sie das tun?!?«</p> - -<p class='c016'>»Es sind kindliche und dankbare Geschöpfe, -die es einem nie vergessen, daß man sie errettet -hat vor dem und jenem, was immerhin passieren -könnte. Außerdem ist ihnen der sichere Ehrentitel -»Missis so und so« wertvoller als die flüchtigen -Triumphe, denen Enttäuschung auf dem Fuße folgt!«</p> - -<p class='c016'>Ich glaube, die anständige, angeblich temperamentlose -Engländerin macht das bessere Geschäft -auf Erden, als die leichtsinnigen, lebensunkundigen -andern. Anständigkeit ist Willenssache. Aber -diesen Willen eben haben wollen, in allem und -<span class='pageno' id='Page_154'>154</span>jedem, ist Kultur und Adel. Die Engländerin will -eben anständig sein! Möge sie daher Frieden, -Achtung und Sorglosigkeit einheimsen! Man gönne -es ihr ...</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_155'>155</span> - <h2 class='c009'>DER TRATTNERHOF</h2> -</div> - -<p class='c010'>Also dieser aristokratisch-einfache, zweckmäßig -gegliederte alte Bau soll nun auch verschwinden!</p> - -<p class='c016'>Statt dessen werden schreckliche Unnötigkeiten -erstehen, Türmchen mit Kupferplatten versehen, -oder eiserne schwarze, oder vergoldete; riesige Emailplatten -in allen Farben; kleine Balkone, auf die -niemand hinaustreten kann, mit Geländern wie irrsinnig -gewordene Schlänglein! Ein Tohuwabohu von -Unzulänglichkeiten! Ein architektonischer Hexensabbat -alles Unnötigen, Unzweckmäßigen, blöd Verschwendeten -auf Erden! In unseren geliebten Spielereischachteln -einstens waren Häuser mit glatten -edlen Wänden, breiten Fenstern, hohen Dächern, -großen Haustoren. Da konnten wir uns weite, stille, -abgeschiedene Zimmer hineindenken, in denen man -ein Refugium fand vor den Stürmen des äußeren -Lebens! Aber heutzutage ist man ehrlich; an der -Schnickschnackfassade sollst du es nämlich sogleich -zu spüren bekommen, daß du auch in deinem eigenen, -von dir selbst bezahlten Zimmer, keinerlei klösterlichen -Frieden, Ruhe, Sicherheit, Vereinsamung, Abgeschlossenheit -mehr finden könntest — — —! Die -Menschen suchen Ornamente, Verschnörkelungen, -<i>Zieraten</i> (ein ekelerregendes Wort), weil sie zu ihren -eigenen, in sie von Gott gelegten <i>Paradieseseinfachheiten</i> -noch nicht vorgedrungen sind!</p> - -<p class='c016'>Der alte, einfache, edle Trattnerhof hat durch -Jahrzehnte niemanden gestört, belästigt. Ich sehe -nun schon alle Künsteleien ihre schändlichen Orgien -feiern. Häuser werden zum Bewohntwerden errichtet, -<span class='pageno' id='Page_156'>156</span>meine Herren Architekten; architektonische Knockabouts -gehören in den Wurstelprater!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_157'>157</span> - <h2 class='c009'>ARTISTISCHE RUNDSCHAU, WIEN</h2> -</div> - -<p class='c010'><i>Djellah</i>. Über diese Künstlerin wollen wir einem -berufenen Fachmann und zwar dem Altmeister -<i>Peter Altenberg</i> das Wort lassen, welcher folgendes -schreibt:</p> - -<p class='c016'>Es ist sehr schwer für mich, über den »Clou« des -Etablissements »Tabarin« zu schreiben. Denn es ist -geradeso, wie wenn man sein eigenes Kindchen zu -loben hätte öffentlich. Und stets betrachtete ich -diesen speziellen Typus von adeliger, schlankster -brauner Frauenschönheit als meine geliebten vergötterten -Kindchen. Ich meine in diesem Falle die -malayische Tänzerin Djellah. Nicht was sie kann, -was sie ist, ist ihr Besonderes! Ihr Sein, die Form -ihrer Glieder, der Ausdruck ihrer Augen, die Modellierung -von Stirn und Nase, die Farbe ihrer Haut, -die Zartheit ihres Wesens ist ihr Besonderes. Man -würde sie ebenso verehren, wenn sie langsam durch -Lianenwälder schritte, oder in einem kleinen Rindenboote -säße, oder in einem Dorfe vor einer niederen -Hütte kauerte — — — Sie repräsentiert eine <i>andere</i> -Welt, eine schlanke, biegsame braune Welt, erfüllt -mit natürlicher Anmut und sanfter Bewegungsfreudigkeit. -Die unbeschreibliche Schönheit ihrer -gelbbraunen Beine zu schildern, wäre geschmacklos. -Vor Idealen verstummt man, falls man nicht ein ganzes -Feuilleton darüber zu schreiben den ehrenden Auftrag -erhalten hätte. Da freilich muß man loslegen, -coute que coute. Djellah ist in der Richtung der -herrlichen Ruth St. Denis; nur leidenschaftsloser, -weniger prunkvoll, selbstverständlich, ohne Cobragiftdekoration. -<span class='pageno' id='Page_158'>158</span>Um so edler und wertvoller. Bei uns -kümmert man sich leider noch immer viel zu viel -um das »Können« von Menschen, als ausschließlich -um ihr »Sein«. Das Erlernbare ist »erlernbar«, aber -vor dem »Unerlernbaren«, in jeglicher Richtung, da -müssen wir »Habt Acht« stehen und ehrfurchtsvoll -salutieren. Heil Djellah — — —! Können, erlernen, -ist gar nichts; aber es von Schicksals Gnaden mitbekommen -haben, Glieder, Hände, Füße, Gelenke, -Teint usw. usw., das ist das wirklich Besondere auf -Erden — — —! Da beginnt nämlich die <i>physiologische -Aristokratie</i>!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_159'>159</span> - <h2 class='c009'>PARFÜM</h2> -</div> - -<p class='c010'>Als Kind fand ich in dem Schreibtisch meiner -geliebten wunderbar schönen Mama, der aus Mahagoni -war und geschliffenem Glase, in einer Lade -einen leeren Flacon, der aber noch immer intensiv -nach einem bestimmten, mir unbekannten Parfüm -duftete.</p> - -<p class='c016'>Oft schlich ich mich hin und roch dann.</p> - -<p class='c016'>Ich verband dieses Parfüm mit aller Liebe, -Zärtlichkeit, Freundschaft, Sehnsucht, Traurigkeit, -die es überhaupt gibt.</p> - -<p class='c016'>Aber alles bezog sich auf meine Mama. Später -überfiel uns das Schicksal wie eine unvorhergesehene -Hunnenhorde und bereitete uns allenthalben schwere -Niederlagen.</p> - -<p class='c016'>Und eines Tages zog ich denn von Parfümeriehandlung -zu Parfümeriehandlung, um in kleinen -Probefläschchen vielleicht das Parfüm zu entdecken -aus der Mahagonischreibtischlade meiner geliebten -verstorbenen Mama. Und endlich, endlich entdeckte -ich es: Peau d’Espagne, Pinaud, Paris.</p> - -<p class='c016'>Da gedachte ich der Zeiten, da Mama das einzige -weibliche Wesen war, das mir Freude und Schmerz, -Sehnsucht und Verzweiflung bereiten konnte, das -mir immer, immer wieder aber alles verzieh, und das -um mich sich sorgte, und vielleicht sogar insgeheim -abends vor dem Einschlafen für mein künftiges -Glück gebetet hatte ...</p> - -<p class='c016'>Viele junge Damen sandten mir in kindlich-süßen -Begeisterungen später ihre Lieblingsparfüme, -dankten mir herzlichst für ein von mir erfundenes -<span class='pageno' id='Page_160'>160</span>Rezept, jedes Parfüm nämlich unmittelbar nach -dem Bade direkt auf die nackte Haut des ganzen -Leibes einzureiben, so daß es wie echte eigene Hautausdünstung -wirke! Aber alle diese Parfüme waren -wie die Gerüche von wunderschönen, aber eher -giftigen exotischen Blumen. Nur Essence Peau -d’Espagne, Pinaud, Paris, brachte mir melancholischen -Frieden, obzwar meine Mama nicht mehr -vorhanden war und mir nichts mehr verzeihen -konnte von meinen Sünden!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_161'>161</span> - <h2 class='c009'>ÜBERS SCHREIBEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich bin durch einen Brief meines wirklichen -Freundes und freundschaftlichsten (er schreibt unerhört -flink auf einer allerbesten Schreibmaschine) -Fr. W. erst zur Erkenntnis gekommen, zur plötzlichen -einbrechenden einfachsten Erkenntnis, daß <i>gut</i> -Briefe schreiben nur bedeuten könne, <i>so</i> zu schreiben, -als <i>höre</i> der Briefempfänger während des Lesens -unmittelbar den neben ihm sitzenden Schreiber des -Briefes laut und eindringlich mit ihm <i>sprechen</i>! -Diesen Unterschied des <i>schweigend</i> Schreibenden -und des <i>tönend</i> Sprechenden ausgleichen können, -vollständig, in einem Briefe, heißt Brief <i>schreiben -können</i>! Alles andere ist literarischer Mumpitz -mit Lorbeeren gekrönt à la Schweinskopf. Temperament, -Ungezogenheiten, Eigenheiten, Frechheiten, -Dummheiten, alles muß <i>herausgellen</i>, gellen, gellen; -sonst ist es eine gemachte, verlogene und daher <i>ennuyante</i> -Sache! Briefmomentphotographie!</p> - -<p class='c016'>Zu mir kam einmal einer meiner Freunde, der -Uhrmacher Josef T. Er hatte seine wunderbare -23jährige Geliebte zu Grabe geleitet.</p> - -<p class='c016'>»Peter, Sie kennen mich, helfen S’ mir! Eine -Grabschrift von Ihnen für meinen marmornen Gedenkstein! -Wann darf ich hoffen, daß Ihnen was -Passendes einfallen dürfte?!?«</p> - -<p class='c016'>»<i>Sofort</i>,« erwiderte ich mitten auf der Straße, -»oder <i>nie</i>!«</p> - -<p class='c016'>Er riß sein Notizbuch heraus.</p> - -<p class='c016'>Ich schrieb:</p> -<div class='lg-container-l c026'> - <div class='linegroup'> - <div class='group'> - <div class='line'>»Ich war der Uhrmacher Josef T.,</div> - <div class='line'><span class='pageno' id='Page_162'>162</span>Und dann war ich im Paradiese durch Dich — — —.</div> - <div class='line'>Und jetzt bin ich wieder der Uhrmacher</div> - <div class='c012'>Josef T. — — —.«</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class='c016'>So rasch, so prompt muß man seine Menschlichkeiten -ausschütten; denn später wird es eine fade -Sauce! Daher die vielen faden Saucen — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_163'>163</span> - <h2 class='c009'>ANGSTSCHREI</h2> -</div> - -<p class='c010'>Es gibt nur einen einzigen, einen allereinzigsten -Beweis einer Frau, ihrer echten, menschlichen, aufrichtigen, -anständigen Beziehung zu uns: das ist, -uns mit Absicht und heiligem Willen jegliche Eifersuchtsqual -zu ersparen, ja sie in jedem Augenblick -einfach unmöglich zu machen! Dieser gütige Wille -allein beweist uns ihre wirkliche Zusammengehörigkeit -mit uns! Diesen gütigen Willen kann sie sich -zulegen! Sonst bekommt unser Edelgehirn den Verfolgungswahn, -gleich diesem adeligsten Gehirn Strindbergs!</p> - -<p class='c016'>Eine geliebte Frau muß uns schützen wollen zu -jeglicher Stunde, da wir einmal in bezug auf ihren -geliebten, vergötterten Leib in einer Art von mysteriöser -Hypnose uns befinden! Diese unsre schreckliche, -durch sie allein erzeugte Krankheit muß sie behandeln -wie ein Arzt einen unglückseligen schwer Erkrankten, -der seiner Obhut sich gläubig überläßt! Wehe, wenn -sie diesen ohnedies schwer Leidenden auch noch absichtlich -schwächen wollte, statt ihm Heilung zu -bringen, da es doch nur von ihrem edlen anständigen -Willen abhängt, es zu erreichen!</p> - -<p class='c016'>Diese Heimtücke, uns absichtlich unglückselig zu -machen, ist die Schlange in ihr. Denn jede anständige -Persönlichkeit hat den natürlichen Wunsch, ihren -armen Nebenmenschen zu helfen und zu dienen, -soweit es nämlich möglich ist! Die Zerstörungselemente -sind eine gottlose infame Gemeinheit, die -nur in teuflischen Organisationen liegt. Jede andre -sucht zu schützen und zu helfen, soweit es möglich ist!</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_164'>164</span>Eifersucht ist eine schwere Erkrankung des Gehirns, -die von jeder menschenfreundlich gesinnten -Frau gebannt, geheilt werden kann. Wenn sie es -absichtlich unterläßt, so ist sie eine Teufeline, eine, -die sich an der Zerstörung unsrer heiligen Lebenskräfte -weidet, weil sie nur Böses überhaupt leisten -kann und Zerstörendes, nicht aber Leben, Freudiges -und Gedeihendes!</p> - -<p class='c016'>Mögen die wertvollen, kultivierten Männer ein -wenig genauer zusehen, wodurch ihnen der größte -Teil ihrer wertvollsten Lebensenergien eigentlich vollkommen -grundlos täglich geraubt und vernichtet -wird, und mögen sie endlich anfangen, sich ernstlich -zu schützen vor dieser tiefsten Gefahr: Ungezogenes, -eitles, freches und sich überhebendes Weib! Teufeline -statt Schutzengel!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_165'>165</span> - <h2 class='c009'>JULI-SONNTAG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Fünf Uhr morgens. Alles ist gebadet in gelbem -Sonnenlicht. Noch ist es frisch und kühl. Viele -Touristen erheben sich aus dem Schlaf, unausgeschlafen, -der Sonne entgegen. Leicht wird es ihnen, -mit kaltem Wasser das Schlafbedürfnis zu bannen. -Noch ist es kühl, und man schreitet dem heißen Tag -entgegen, wie in die heiße Schlacht!</p> - -<p class='c016'>Viel zu wenig bieten der Tag und die Stunde -den meisten. Und auch das genügsamste Herz lechzt -nach Außergewöhnlichem. Da kommt der Juli-Sonntag -in grellem gelbem Licht! Juli-Sonntag, du -sollst es bringen!</p> - -<p class='c016'>Überallhin echappiert die unzufriedene Menschheit. -Müde gelaufen fällt sie dann zurück in die -Pflicht! Montag, wie wärest du sauer, wärest du -nicht die Quelle und Ursache sonntäglich kommenden -süßen Glücks! Sonntags siehst du die Müden in -Wiesen und Wäldern gelagert, rein gebadet vom -Schmutz der vergangenen Woche, kommender Woche -gefaßter entgegenharrend.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_166'>166</span> - <h2 class='c009'>DER JAGDHERR</h2> -</div> - -<p class='c010'>»Herr Baron, weshalb sehen Sie heute so gedrückt -und verstimmt aus?! Wenn <i>Sie</i> nicht froh und -sorglos aussehen sollten, wer könnte es dann noch -überhaupt?!?«</p> - -<p class='c016'>»Sie scheinen es nicht zu wissen, daß jetzt der -Herbst ist und die ›Hirschbrunft‹ anfängt. Nein, -wie mir mein Oberförster gemeldet hat, daß die -Hirsche bereits ›röhren‹, da begann meine Verzweiflung. -Ich hörte schon die stundenlangen, endlosen -Gespräche meiner geehrten Jagdgäste darüber, weshalb -und aus welchen komplizierten Gründen sie -den Vierzehnender nicht <i>getötet</i> haben. Ich sage -zu meinen Jagdgästen immer absichtlich ›getötet‹, -denn da giften sie sich am meisten; denn eigentlich -müßte man sagen —, aber das stupide technische -Wort kann ich mir, oder will ich mir vor allem, nicht -merken. Meine Gäste wären so nette Menschen, -wenn sie nicht jagen würden! Ich verstehe absolut -nicht, weshalb ein Hirsch, der vierzehn Enden hat, -interessanter sein sollte als einer, der überhaupt kein -Ende hat. Jedenfalls, so viel Enden kann kein Hirsch -haben, daß er für mich an Interesse gewänne! Ich -esse nicht einmal sein Fleisch, da es schwarz, -saftlos und meistens zäh ist. Einmal sagte mir ein -Weiser:</p> - -<p class='c016'>›Wissen Sie, Herr Baron, weshalb ich so gern -Hirschbraten esse?!?‹</p> - -<p class='c016'>›Nein,‹ erwiderte ich, ›das kann ich mir gar nicht -denken — — —.‹</p> - -<p class='c016'>›Wegen der Sauce Cumberland, die so gut -<span class='pageno' id='Page_167'>167</span>dazu paßt, aus Hetschepetschfrüchten, Rosenfrucht, -bereitet!‹</p> - -<p class='c016'>›Aber, lieber Freund, da essen Sie doch die Hetschepetschsauce -für sich alleine!?‹</p> - -<p class='c016'>›Ja, Herr Baron, wenn man <i>das</i> könnte; aber das -<i>kann</i> man nicht — — —! Sie gehört zum Hirschbraten‹.</p> - -<p class='c016'>Ein Jagdgut ist sehr angenehm natürlich, aber -nur wegen der Mühlen, Kalkbrennereien und so -weiter, die dazu gehören. Die vielen Hirsche stören -mich, sie lenken mich ab von einer anständigen, -fruchtbringenden und sinnvollen Tätigkeit. Besonders -die Vierzehnender hasse ich; über die wird nämlich -am meisten und wichtigsten Blödsinn geredet. Am -tragischsten aber ist es für mich, wenn dieses Tier -nicht getötet, sondern nur angeschossen wird. Da erreicht -die Aufregung meiner Jagdgäste den Höhepunkt. -Man glaubt jedesmal, sie hätten die Schlacht -von Sedan verloren oder wären plötzlich entthront -worden. ›Man wird es schon finden, das arme Tier,‹ -sage ich da jedesmal, um sie zu giften. ›Es wird in -einem Gebüsch <i>gestorben</i> sein, etsch!‹ Beim Wort -›gestorben‹ möchten sie mich alle ohrfeigen — — —.</p> - -<p class='c016'>Aber lieber ist es mir, das arme Vieh werde sogleich -ins Herz geschossen, damit es die Leiden erspare -und ich meine Ruhe haben könne beim Souper. -Nun werden Sie mich natürlich fragen, weshalb ich -überhaupt eine Jagd habe und Jagdgäste dazu einlade. -Da kann ich Ihnen nur mit dem <i>mysteriös-philosophischen</i> -Satze, den noch <i>kein Kultivierter</i> -je ergründet hat, antworten: ›Mein lieber Herr, -das verstehen Sie nicht, <i>es gehört einmal dazu</i>!‹«</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_168'>168</span>Der Baron schwieg; dann sagte er:</p> - -<p class='c016'>»Einer meiner geehrten Herren Hirschgeweihjagdgäste -lud mich aus Dankbarkeit wieder zu seiner -›Wildschweinjagd‹ ein. Ich war gezwungen, irgendwo -auf einem Balkon, der mit Reisig eingefriedet war, -auf das gutmütige und häßliche Vieh zu warten. -Endlich erschien es und knabberte schnauzend an -einem Hügelchen von Kukuruz, das als Lockspeise -eigens listig errichtet war. Da schoß ich es, pumps, -ins Herz, und bekam als Trophäe die Stoßzähne, die -ich in den Abort warf — — —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_169'>169</span> - <h2 class='c009'>EPISODE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Zwei elegante junge Leute stellen sich verlegen -vor:</p> - -<p class='c016'>»Wir sind seit langem begeisterte Verehrer Ihrer -Dichtungen und bitten Sie um die Ehre, an unserm -Tische mit uns Champagner zu trinken — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Meine Herren, ich bin sehr, sehr krank, und bitte -Sie daher, mir vorher alle Garantien zu bieten, daß -man sich in vollster Korrektheit benehmen werde!«</p> - -<p class='c016'>»Aber Herr Altenberg, würden wir sonst um die -Ehre Ihrer Gesellschaft zu bitten überhaupt wagen?!?«</p> - -<p class='c016'>Zwei Stunden später: »Sie, Peterl, mir san ganz -gewöhnliche naive Menschenkinder, aber Sie haben -doch das Raffinement, Sie verstehen doch diese -Sachen aus dem ff. Sie, bitt’ Sie, mir beide fliegen -so kolossal auf dös Menscherl dort am dritten Tisch. -Gehn’s, kobern’s es uns zu — spielen Sie den Vermittler!«</p> - -<p class='c016'>Ich stand auf, sagte: »Meine Herren, Sie vergessen -Ihre zugesagten Garantien! Ich muß Sie ernstlich -daran erinnern — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Was Garantien — wir wollen uns für unser Geld -amüsieren.«</p> - -<p class='c016'>Darauf stand ich brüsk auf, ging zu der Dame hin -und brachte sie an den Tisch. Eine Pause entstand -beklommener Verlegenheit. Dann sagte ich: »Sie -haben nun für Ihr Geld Ihr Vergnügen! Apropos, -es gebühren mir aber noch für die Vermittlung zwei -Flaschen Schampus! Also her damit! Ich werde -sie aber <i>allein</i> an einem anderen Tische trinken!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_170'>170</span> - <h2 class='c009'>JOSEF KAINZ</h2> -</div> - -<div class='lg-container-l c027'> - <div class='linegroup'> - <div class='group'> - <div class='line'>Habt ihr Wasser über Felsen donnern, krachen gehört?!</div> - <div class='line'>Hagel aufschlagen in taubeneigroßen Körnern?!</div> - <div class='line'>Wolkenbrüche auf Dächern niedersausen?!</div> - <div class='line'>Sturmwind durch Wälder fegen?!</div> - <div class='line'>Felder gemäht werden vom Winde?!</div> - <div class='line'>Seewellen an Land hingepeitscht werden?!</div> - <div class='line'>Und die Geräusche aller übrigen entfesselten Naturkräfte?!?</div> - <div class='line'>Seht, so, so war Josef Kainzens Stimme!!!</div> - <div class='line'>So ähnlich muß Gottes Stimme getönt haben,</div> - <div class='line'>Als er bei Erschaffung der Welt befahl:</div> - <div class='line'>»So und so will ich es!!!«</div> - </div> - </div> -</div> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_171'>171</span> - <h2 class='c009'>BETTLERFRECHHEIT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Es ist doch selbstverständlich, daß ein Bettler, -der in einem palastartigen Zinshause im ersten -Stocke schüchtern-bescheiden anklopft oder vielmehr -auf den elektrischen Knopf kurz drückt und in -äußerster Zerknirschung um ein Stückchen Brot -bittet, es erwartet, daß man ihm ein Beefsteak mit -Spiegelei und extra eine Krone bar hinausreiche.</p> - -<p class='c016'>Sollte aber jemand naiverweise den Wunsch nach -einem Stückchen Brot à la lettre erfüllen, so darf er -sich über die vollständig korrekte Antwort nicht -wundern: »Dös können’s selber fressen!«</p> - -<p class='c016'>Daher zeugt die Art, ohne demütig zerknirscht -anzuklopfen, sondern ernst und in gerader Haltung -1000 Kronen <i>geborgt</i> zu verlangen, von tieferer -Menschenkenntnis; denn hier klammert sich das -Opfer der »ungerecht verteilten Lebensgüter im -Dasein« wenigstens an diese letzte Hoffnung: »Er -wird zurückzahlen, falls er kann — — —.« Nein, -Esel, falls er will! Aber er will nie, nie, nie. Denn -wenn er die Kraft mitbekommen hätte von seines -Gehirnes Gnaden, zurückzuzahlen, so hätte er auch -vor allem die Kraft mitbekommen, so sparsam zu -leben, daß er nie in eine so verzwickte, also bereits -der <i>Unanständigkeit</i> und dem <i>Betruge</i> nahe -Lage gebracht worden wäre!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_172'>172</span> - <h2 class='c009'>VON MEINEM KRANKENLAGER AUS</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich lese so viel wertlose Bücher annonciert, besonders -die, deren Illustrationen ebenso unverständlich -blöd wie die »Sand in die Augen streuenden« -pathologisch-aufgeblasenen Texte dazu sind. Ich -gelte selbst als unverständlich und verworren. Das -ist aber ein großer Irrtum. Ich bin nämlich ganz -einfach zu verstehen für Leute, die eine <i>Seele</i> haben -und sogenannte »<i>Hyperästhesien</i>«, wie wir Griechen -uns auszudrücken belieben, damit das <i>Volk</i> -uns nicht sogleich verstehe. Auf Deutsch heißt es: -<i>Überempfindlichkeiten</i>. Und daran krankt -oder, wie tiefer Denkende es auffassen, daran <i>gesundet</i> -allmählich unser, bisher ein bißchen zu -brutales Zeitalter. Aber, um auf das Thema dieses -Aufsatzes zu kommen, dessen Einleitung bisher ziemlich -verschroben und unnötig gewesen ist — — —, -ich fühle mich eben in diesen verworrenen Zeitläuften, -wo schlecht von gut deshalb schwer zu unterscheiden -ist, weil so viele talentlose Idioten die Konjunktur -»Richard Wagner war auch einst verkannt -und mißverstanden« frecher- und tölpelhafterweise -ausnützen, ich fühle mich eben in diesen verworrenen -Zeitläuften verpflichtet, ein unbeschreiblich einfaches, -Kindern verständliches, herrliches, rührendes -Buch öffentlich zu erwähnen: Philippe Monnier: -Blaise, der Gymnasiast, übersetzt von Dr. Rudolf -Engl und Marie Döderlein, Verlag Albert Langen. -Ich glaube, viele unserer Literatursnobs werden sich -schämen, wenn sie die Wirkung dieses unerhört einfachen -Buches verspüren werden in ihren, zu gordischen -<span class='pageno' id='Page_173'>173</span>Knötchen verschlungenen Gehirnchen! Es -ist keine sonderliche Kunst, sich, indem man andere, -Contemporains, bewundert, den Erfolg eines adelig -denkenden Unabhängigen, Vorurteilslosen zu ergattern! -Aber solche <i>Manöver</i> wird man dem -todeskranken, bereits in lichteren Sphären befindlichen -Autor der ausgezeichneten Bücher »Wie ich -es sehe« und »Was der Tag mir zuträgt« keineswegs -zumuten können. Blaise, der Gymnasiast, versetzt -feinfühlige Menschen in alle poetisch-romantisch-alltäglichen -Vorkommnisse ihrer Jugend, deren Erlebnisse -niemand <i>vor</i> dem 40. Lebensjahr zu genießen -oder literarisch zu verwerten weiß! Jugendzeit, -du goldene Zeit — — —, aber mit welchen -<i>tiefen Niaiserien</i> ist sie in diesem Buche vorgeführt! -Man erholt sich von sogenannten talmimodernen -Malern, Dichtern, Bildhauern und Frauen. Wenn -ich einfach sein <i>will</i>, so muß ich es vor allem auch -wirklich sein <i>können</i>. Nicht ein jeder darf nämlich -als »<i>härener Pilger</i>« uns belästigen! Etsch!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_174'>174</span> - <h2 class='c009'>KRANKHEIT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Wenn sogenannte Freunde einen Schwerkranken -besuchen, haben sie ausschließlich die Absicht, alles -schön zu färben. Niemals hat er blühender ausgesehen, -ja direkt verjüngt. Man möchte es nicht -glauben, in dieser kurzen Zeit! Die Hoffnung, mit -dem billigsten, was es auf Erden gibt, dem schönen -liebenswürdigen Wort, sich aus der Affäre zu ziehen, -ist größer als der Zwang der Anständigkeit, den die -schlichte Wahrheit erfordert. Man findet sein Zimmer -ganz einfach süperb, viel gemütlicher als sein einstiges -Heim, obzwar man genau weiß, daß er mit -allen Fasern seines Herzens an jedem Winkel seines -geliebten Heimatzimmerchens hing. Man vermeidet -es geschickt, zu fragen, wer denn alles bezahle, und -fragt diskret an, ob die drei Kronen, die man einmal -rekommandiert geschickt habe, auch wirklich angekommen -seien. Bei bejahender Antwort verklärt -sich das Antlitz des Spenders, und er sagt: »No, -siehst du, Peter, wie man dich nicht verläßt in deinen -schweren Zeiten!?«</p> - -<p class='c016'>Der Kranke wird plötzlich zu einem Verfemten, -mit dem man geschickt lavieren muß. Den Gesunden -konnte man auf verschiedene und eigentümliche Art -ausnützen und verwerten: War er gescheiter, so -konnte man seine eigene Stupidität hinter ihm bequem -verbergen; war er liebenswürdiger, so konnte -man die eigene Roheit durch ihn geschickt kaschieren. -Aber der Kranke ist zu nichts Rechtem mehr zu -gebrauchen. Ihn den Würmern noch für längere Zeit -vorzuenthalten, ist scheinbar eine schlechte Spekulation; -<span class='pageno' id='Page_175'>175</span>aber ein gewisses Schamgefühl verhindert -sie dennoch, den Unterschied zwischen der Beziehung -zu dem Gesunden und zu dem Schwerkranken -allzu augenfällig zu machen. Außerdem -könnte es ja doch unter der Million von Idioten einen -geben, der die ganzen Manöver durchschaute.</p> - -<p class='c016'>Man liebte den Gesunden selbstverständlich ebensowenig -wie den Kranken, aber man hatte damals -wenigstens keine Gelegenheit, ihn als eine direkte -Last zu empfinden, und infolgedessen hielt man die -natürlichen Grausamkeiten ihm gegenüber in gewissen -Schranken der sogenannten Wohlerzogenheit. -Trotzdem gönnte ihm niemand Zeit seines Lebens -Freude und Glück, und wenn er es sich trotzdem -errang, so geschah es unter merkwürdig schwierigen, -belastenden Umständen, die aus dem Neid der sogenannten -besten Freunde entsprangen. Dem Gesunden -gönnte man nicht eine Stunde lang seine -Kraft, zu leben, begeistert zu sein, zu lieben und -aufwärts zu kommen, und erst der Schwerkranke -befreit die Freunde von der stündlichen Gefahr, -daß er ihnen über den Kopf wachse. Wenn die Erfahrungen, -die der Kranke macht, dem Gesunden -zugute gekommen wären, wäre er fast ein Genie -geworden an Lebenskunst; so aber wurde er das -selbstverständliche Opfer der heimtückischen Lüge -des Lebens.</p> - -<p class='c016'>Oscar Wilde starb, wie keiner von der Million -der Enterbten je dahingestorben ist; aber viele Jahre -nach seinem Tode setzte ihm eine Pariser Dame -einen Grabstein, der vierzigtausend Franken kostete. -Könnte der Tote seine geniale Hand emporrecken, -<span class='pageno' id='Page_176'>176</span>so würde er die wertlosen steinernen und bronzenen -Dekorationen zertrümmern, die eine Gans seinen -vermoderten wertlosen Gebeinen gesetzt hat. Gebt -dem Lebendigen die Kraft, alle Genialitäten seines -Hirns, seines Herzens für euch Stumpfsinnige, Keuchende, -Kriechende zu verwerten und ausleben zu -lassen, und überlasset die Sorge um die sechs Rappen, -die den Leichenwagen des zu Tode Gemarterten -ziehen werden, der Entreprise des pompes funèbres!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_177'>177</span> - <h2 class='c009'>AN EINE ELFJÄHRIGE (†)</h2> -</div> - -<p class='c010'>Hilde, Elfjährige, ich wußte nichts bis dahin über -dich — — —.</p> - -<p class='c016'>Nun aber habe ich deine Stimme vernommen, -deine wunderbar klare tönende Stimme,</p> - -<p class='c016'>wie Seelenglocken so hinaustönend in die dumpfe -stumpfe Welt!</p> - -<p class='c016'>Und diese Stimme wird alles viel deutlicher, viel -tiefer, viel erhabener, viel verzweifelter einst sprechen, -was das Leben des Tages und der Stunde uns -zu sagen zwingt!</p> - -<p class='c016'>Wie wird diese Stimme einst sagen: »Bleibe bei -mir!?«</p> - -<p class='c016'>Wie wird sie es sagen: »Du liebst mich nicht -mehr!?« Und: »Adieu, adieu — — —.«!?</p> - -<p class='c016'>Diese Stimme ist so klar und rein wie Gottes -Träume über das Leben der Menschen!</p> - -<p class='c016'>Aber das Leben der Menschen selbst ist unklar -und schmutzig-trübe! Diese Stimme wird hineintönen -wie eine Seelenglocke, ernst, erhaben, liebevoll, -feierlich, rührend, in das dumpfe Gebrause der Menschheit, -sie wird verklingen, übertönt werden und ausgelöscht -— — —. Sie wird ihren tönenden Glockenklang -verlieren und dumpf werden wie die Umwelt -— — —.</p> - -<p class='c016'>Aber ein alter Dichter auf dem Sterbebett hat -sie noch vernommen und nimmt den Klang mit aus -einer dumpfen stumpfen Welt, tief gerührt und ergriffen -— — —.</p> - -<p class='c016'>Stimme der elfjährigen Hilde, klare tönende -<span class='pageno' id='Page_178'>178</span>Seelenglocke, läute, töne, solange, solange es irgendwie -geht — — —.</p> - -<p class='c016'>Und wenn sie dumpf wird im Brausen des Lebensgetriebes, -dann gedenke, Hilde, des unglückseligen -Dichters, der noch die Seelenglocke deines edlen -elfjährigen Herzens im Ohre mit hinübernahm — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_179'>179</span> - <h2 class='c009'>KRANKENBESUCH</h2> -</div> - -<p class='c010'>Die Freunde wollten dem todkranken Dichter -eine nach ihrer Ansicht ganz exzeptionelle vollkommene -Schönheit, eine Künstlerin aus München, -vorführen. Sie nahmen daher ein Auto und fuhren -hinaus zu ihm in das Sanatorium.</p> - -<p class='c016'>Die Dame war ganz einfach angekleidet, ganz in -Schwarz. Sie hatte ungefähr die Gestalt der Kaiserin -Elisabeth, ein bleiches Gesicht, aschblonde, fast hellgraue -Haare.</p> - -<p class='c016'>Die freiwillige Pflegerin des Dichters begrüßte -vor der Zimmertür die Ankommenden und warf -einen flüchtigen, merkwürdigen Blick auf das unbeschreiblich -schöne Perlenkollier an dem nackten -Hals der fremden jungen Dame.</p> - -<p class='c016'>Darauf sagte einer der Freunde des Dichters: -»Sie, Fräulein, der Dichter befindet sich immer in -schweren ökonomischen Krisen. Wenn er dies herrliche -Kollier an Ihnen sieht, wird es ihn bei seinen -sowieso zerrütteten Nerven aufregen, daß es Künstler -gibt, die anders bezahlt werden als er.«</p> - -<p class='c016'>»Oh,« sagte sie, »glauben Sie wirklich, daß ihn -das aufregen wird? Dann will ich es ablegen.« Sie -nestelte an der Goldschließe, nahm das Kollier in -die hohle rechte Hand — — —.</p> - -<p class='c016'>»Sie sind eine liebe, feine Person!« sagte einer -der Freunde. »So etwas Takt- und Geschmackvolles, -diesen halb irrsinnigen Dichter so zu schonen! Ich -muß wirklich sagen, ich könnte Ihnen die Hand -dafür küssen.«</p> - -<p class='c016'>Die Dame trat als erste ruhig in das Krankenzimmer -<span class='pageno' id='Page_180'>180</span>an das Bett des Dichters, nannte ihren Namen, -gab ihm ihre wunderschöne rechte Hand und ließ -ihm das darin befindliche Perlenkollier in der seinen.</p> - -<p class='c016'>Beim Abschied sagten die Freunde: »Jetzt ist -keine Gefahr mehr. Jetzt können Sie Ihr herrliches -Perlenkollier schon wieder anlegen.«</p> - -<p class='c016'>»Ich will es lieber in der Tasche behalten«, erwiderte -ruhig die Dame — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_181'>181</span> - <h2 class='c009'>NOTIZ</h2> -</div> - -<p class='c010'>Die Polizei hat die Vorführung einer Reihe von -Filmen in den Kinematographentheatern, diesen -modernsten, theoretisch wenigstens <i>einzig möglichen</i> -Bildungsstätten für das Volk, verboten, weil -sie Tiermißhandlungen (Ausreißen der Straußenfedern -auf Farmen, Stopfen, Mästen der Gänse in -Pistyan usw. usw.) <i>selbstverständlich</i> in derselben -schamlos krassen Art zur Darstellung gebracht -haben, in der sie aber <i>tatsächlich</i> ausgeübt -werden. Die <i>Entrüstungsrufe</i> des Publikums -sollen zu dieser polizeilichen Verordnung den Anstoß -gegeben haben. Die Menschen sollen es also <i>nicht</i> -erfahren, welche <i>Schändlichkeiten</i> aus Erwerbszwecken -begangen werden. Das erinnert allzu sehr -an die alte Anekdote, in der ein Millionär seinen -Kammerdienern befahl: »Werft’s mir diesen alten -unglücklichen Hausierer hinaus, er zerbrecht mir das -Herz!«</p> - -<p class='c016'>Nur ein <i>unerbittlicher Einblick</i> in das Unglück, -das so viele Wesen schuldlos trifft, kann die -stumpfen, trägen Herzen der Menschen <i>aufrütteln</i>, -zu Verbesserungen und wahrhaftiger Menschlichkeit! -Ich füge ein Erlebnis hinzu, das zwar nicht -daher paßt, aber immerhin einen Einblick gewährt -in die in Vertiertheiten schlummernde Seele der -heutigen Menschen. Einer meiner Bekannten, ein -fanatisches Mitglied des Tierschutzvereines, stellte -einmal einen brutalen Kutscher zur Rede, und als -dies nur nachteilige Folgen für die armen Pferde -hatte, machte er die Anzeige gegen den Kutscher. -<span class='pageno' id='Page_182'>182</span>Vor der Verhandlung sagte der edle Rechtsanwalt -Dr. Kr. meines Bekannten zu ihm: »Sagen Sie nicht -allzu schroff ungünstig gegen den Kutscher aus, und -verlangen Sie besonders nicht seine Bestrafung, weil -er drohend gegen Sie den Peitschenstiel erhob. Es -geht nur <i>an den armen Pferden aus</i>! ›Wart’s, -Ludern, dös sollt’s mir büßen‹ — — —!«</p> - -<p class='c016'>In Deutschland ist das <i>künstliche</i> Stopfen, -Mästen von Geflügel strengstens <i>bei hoher Strafe</i> -verboten. »Friß, so lang’ du fressen kannst und -magst!« ist ein humaneres Prinzip als: »Friß, ob -du magst oder nicht — — —!«</p> - -<p class='c016'>Ein bisserl Anständigkeit, meine Herrschaften, -man verlangt ja eh nicht viel! Die Gansleber wird -auch schmackhaft nach sechs Monaten, laßt’s doch -dem armen Vieh Zeit, seine Leber dem niederträchtigen, -wollüstig-feigen Gaumen der Menschen -zuliebe maßlos zu vergrößern! Man muß ja nicht -mit den verbrecherischen Fingern und Federkielen -nachhelfen; Tiere wie Menschen <i>fressen sich ja -eh zu Tode</i>, wenn man sie nur laßt!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_183'>183</span> - <h2 class='c009'>RÜCKKEHR VOM LANDE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Nun ist es wieder Herbst geworden, und die -Graben-Kioske füllen sich zur Abendzeit mit wohlgepflegten -und gebräunten Damen.</p> - -<p class='c016'>Man hat sich so viel zu erzählen, und man -schweigt!</p> - -<p class='c016'>Man ist wieder in diesem Gefängnis »Großstadt«.</p> - -<p class='c016'>Man träumt von Licht und Luft und Wasser.</p> - -<p class='c016'>Man war ein anderer, besser, menschlicher, mit -einem Wort »beweglicher«.</p> - -<p class='c016'>Nun geht man seinen Trab wie eh und je.</p> - -<p class='c016'>Man fühlt sich altern, schwerfällig werden, klammert -sich an dieses unglückselige Wort: Verpflichtungen!</p> - -<p class='c016'>Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, -und die Dienstboten kündigen.</p> - -<p class='c016'>»Die gnädige Frau war am Lande viel netter zu -uns — — —.«</p> - -<p class='c016'>Ja, das war sie.</p> - -<p class='c016'>Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste -wie Weltreisende, die vielfache Gefahren überstanden -haben — — —.</p> - -<p class='c016'>Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sichern Port!</p> - -<p class='c016'>Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen -sich in die Menge der Zurückgekehrten, als ob nichts -vorgefallen wäre — — —.</p> - -<p class='c016'>Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu behaupten, -Wien wäre am angenehmsten, wenn alles -»auf den Ländern« weile — — —.</p> - -<p class='c016'>Damen, mit den veredelten gebräunten Antlitzen, -lasset euch nicht betrügen von dem Prunk der -<span class='pageno' id='Page_184'>184</span>Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer Gemächer -einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht und -Luft und Wasser und Freiheit modelliert haben, -und der nicht da war ehedem, und der verschwinden -wird im Wintertrubel!</p> - -<p class='c016'>Komödie hier, Komödie dort vielleicht — — —.</p> - -<p class='c016'>Doch unter freiem Himmel ist das Theater -schöner!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_185'>185</span> - <h2 class='c009'>NICHTS NEUES</h2> -</div> - -<p class='c010'>So viele Menschen, man könnte sie <i>Strindberg-Organisationen</i> -nennen, nach ihrer Art, physiologisch-psychologisch -zu reagieren, erwarten immer -und immer von der geliebten Frau <i>etwas ganz -Besonderes</i>, als ob sie die Verpflichtung hätte, -plötzlich die Seele eines indischen Theosophen zu -bekommen, der Gott um Milliarden Kilometer -näher steht als alle anderen <i>nur sogenannten</i> -Menschen!</p> - -<p class='c016'>Da erinnere ich mich immer und immer wieder -dieses Franz Schubert, Liederdichters, zu dem seine -vierzehnjährige Schülerin Komtesse Esterhazy einmal -bei der Klavierlektion gesagt hat: »Das ist -aber gar nicht schön, Herr Schubert, daß Sie mir -nie eines Ihrer Lieder widmen — — —!«</p> - -<p class='c016'>Da erwiderte der gottbegnadete Mann: »Aber -sie sind ja eh alle nur für Sie geschrieben — — —.«</p> - -<p class='c016'>Ja, ist das nicht das Höchste, einem Franz Schubert -mitgeholfen zu haben zu seinen Liedern, wie Sonne, -Tau und Regen mithelfen zum Wachsen von Pflanzen!?</p> - -<p class='c016'>Was braucht sie also an und für sich zu sein, -diese Vierzehnjährige, unter dem öden Mikroskop -herzloser verständnisarmer Menschen?!? Sie verhalf -ihm zu seinen Liedern, und ohne sie wären sie nicht -entstanden — — —!</p> - -<p class='c016'>Ich formulierte das später in die Verse:</p> - -<p class='c016'>»Oh Fraue, nicht was du <i>bist</i>, <i>bist</i> du!</p> - -<p class='c016'><i>Das</i> bist du, was <i>wir</i> von dir träumen!</p> - -<p class='c016'><i>Unsere</i> durchweinten Nächte um <i>deinet</i>willen, <i>das</i> bist du!</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_186'>186</span><i>Gelassen</i> nimmst du unsere Huldigung und unseren Schmerz entgegen — — —</p> - -<p class='c016'>Denn nimmer weißt du, wie es kam, weshalb, -woher, wozu, zu welchem Ende!?!«</p> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_187'>187</span> - <h2 class='c009'>DAS DORF</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich hatte eine unglückliche Liebe zu einer Dreizehnjährigen, -deren Blick allein aus den hechtgrauen -Augen mit den schwarzen Wimpern, allen Blicken -gleichkam der Heiligen in den Kirchen. Sie hatte -keine rechte Freude am Leben, als ob sie die Wirrnisse -des irdischen Jammertales vorausahnte, die -eigentlich allen so schwermütig Blickenden in Aussicht -stehen. — Ich machte ihre Tragödien mit, -die noch nicht vorhanden waren, und vor dem Leben -beschützen konnte ich sie dennoch nicht. Sie war die -Tochter eines Schuhmachers in dem kleinen, armseligen, -felderumrankten Orte J.. Er hatte 11 Kinder. -Die, die schon verdienten, verdienten. Aber -die Kleinen mußten von meiner Dreizehnjährigen betreut -werden. Wie liebevoll wurden sie betreut! Darüber -kann man gar nichts schreiben. Sie mußte die -15 Enten hüten, die Schweine füttern, und die kleinen -Kinder brauchten dies und jenes. Ich liebte Anna, -aber selten kam sie in meine Nähe, und auch dann -glitt mein Blick von freundschaftlichster Zärtlichkeit -an ihren Augen ab, wie Öl über Wasser.</p> - -<p class='c016'>Eines Abends saß ich allein auf der Bank, in der -alten verstaubten Lindenallee und wartete auf Anna -vergebens. Da kam ihre siebenjährige Schwester -Josefa, die für mich immer und immer einen Blick -von tiefer Menschenfreundlichkeit hatte, aus ihren -zwei verschieden blickenden Nachtfalteraugen, so -reell-gutmütig, so leichtverständlich, so wie das a-b-c -des Menschenherzens — — —. Sie hatte mich lieb!</p> - -<p class='c016'>Ich führte sie in die nahegelegene Meierei, ließ ihr -<span class='pageno' id='Page_188'>188</span>Schlagsahne geben und Biskuits. Immer lächelte sie -mich an, wie von edler Liebenswürdigkeit getrieben. -Da küßte ich sie auf Stirne, Haare, Augen. Sie -rührte sich nicht, empfand es als Pflicht der Dankbarkeit, -sich küssen zu lassen — — —.</p> - -<p class='c016'>Da vergaß ich meiner Leiden um Anna, die mein -gequältes Herz stets ruhig aus ihren geliebten hechtgrauen -schwarzbewimperten Augen betrachtet hatte. -Da sagte Josefa: »Schenkens mir noch zwei Biskuits, -ich trag’ sie nach Haus für die Annerl. Sie darf net -kommen mit Ihnen, weil sie schon zu groß ist. Was -kann sie dafür, daß sie schon zu groß ist?!?« Da -gab ich ihr 20 Biskuits mit für ihre Schwester, die -wirklich nichts dafür konnte, daß sie dem Blicke -eines unermeßlich liebevollen Menschenherzens mit -mißtrauischer Gleichgültigkeit bereits begegnen -mußte, wie im vorhinein gepanzert gegen die hinterlistige -Männerwelt — — —!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_189'>189</span> - <h2 class='c009'>GERICHTSVERHANDLUNG IN WIEN</h2> -</div> - -<p class='c010'>Fräulein Str., eine arme Klavierlehrerin, kannte -alle Schandtaten ihres Herrn Bruders. Aber sie -schickte Geld und Geld, wenn er darum schrieb. -Und Geld und wieder Geld. Immer galt es ihr, ein -wertvolles Leben noch zu retten, das aber wertlos -war. Und übrigens, wer könnte das entscheiden?!</p> - -<p class='c016'>Der Richter sagte: »Ihr Vorgehen, Fräulein, ist -strafbar, aber es macht Ihrem Herzen alle Ehre — —.«</p> - -<p class='c016'>Das Fräulein erwiderte: »Für irgend etwas muß -man sich doch abplagen. Nur seinen armseligen -Hunger stillen?!? Wenn er nicht wär’, no, so wärs halt -was anders, die Kirche oder eine Leidenschaft — — —. -Für irgend etwas muß man sich doch abplagen.«</p> - -<p class='c016'>Man verurteilte sie wegen Vorschubleistung.</p> - -<p class='c016'>Als die Blicke der beiden verurteilten Geschwister -sich begegneten, begannen einige Menschen im Auditorium -zu weinen — — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_190'>190</span> - <h2 class='c009'>SEMMERING, ENDE SEPTEMBER 1911</h2> -</div> - -<p class='c010'>Immer noch dieses Nachtgebrause im Göstritzwalde, -immer noch um 7 morgens diese silbergrauen -Nebelschleier. Aber meine Seele ist krank, weil Du -nicht da bist, Anna Konrad! Du gehst, unausgeschlafen, -müde, in die Schule, lernst mechanisch, -daß Hannibal den Giftbecher trinken mußte aus -irgendeinem Dir unverständlichen Grunde. Du -kannst nicht mehr abends beim Abschiede zu mir -sprechen: »Also schicken Sie mir bestimmt heute -noch ›halb und halb‹; das hieß: Für 20 Heller -Extrawurst, und für 20 Heller Zuckerln als Dessert!« -Ich kam mir da jedesmal vor wie Kaiser Josef in -den Volksstücken, der Leute beglückte, indem er -einfach sagte: »Was braucht Ihr zu Eurem Glücke?! -10000 Gulden? Da habt Ihr sie!« Nun bist Du -ferne, Anna Konrad! Immer noch dieses herrliche -Nachtgebrause im Göstritzwalde, immer noch um -7 morgens die dichten silbergrauen Nebelschleier um -Berg und Wald — — —.</p> - -<p class='c016'>Anna, Anna, Anna Konrad, ich liebe Dich!</p> - -<div class='c012'>Peter Altenberg.</div> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_191'>191</span> - <h2 class='c009'>PETER ALTENBERG ALS SAMMLER</h2> -</div> - -<p class='c010'>Die »Internationale Sammlerzeitung« veröffentlicht -in ihrer eben erschienenen Nr. 13 eine interessante -Rundfrage über den Wert des Sammelns. -Die Zeitschrift bringt unter anderem Beiträge vom -Unterrichtsminister Grafen Stürgkh, Alfred Lichtwark, -Alma Tadema, Harden, Paul Heyse, Max -Kalbeck, Eduard Pötzl, Felix Salten, Balduin -Groller, Ginzkey. Peter <i>Altenberg</i> gab auf die -Frage nach seiner Sammelliebhaberei die folgende -interessante Antwort: »Es ist ganz merkwürdig, -daß Sie sich gerade an mich wenden in dieser -Angelegenheit. Denn Sie können es absolut nicht -wissen, daß ich, ein ganz Armer, seit vielen Jahren -ein einfach fanatischer Sammler bin, und mir, gleich -den Milliardären, eine heißgeliebte, gehegte und mit -vielen Opfern zustande gebrachte herrlichste Bildergalerie -verschafft habe: 1500 Ansichtskarten, 20 Heller -das Stück, in zwei herrlichen japanischen Kästchen -mit je sechs Fächern. Es sind ausschließlich -<i>photographische</i> Aufnahmen von Landschaften, -Frauen, Kindern, Tieren. Ich fand vor einigen -Wochen, daß der wirklich Ausgebildete des Lebens -sich seiner Schätze <i>entäußern</i> müsse, um das -<i>tiefste einzige</i> Glück des »Gebens«, des »Spendens« -auch noch bei seinen Lebzeiten <i>miterleben</i> zu -können an seinen »Beschenkten«. Daher sandte ich -beide japanische Kästchen mit den seit 1897 gesammelten -1500 Ansichtskarten nach Hamburg an -die junge Dame, die allein von allen Frauen dieses -Geschenk zu werten weiß. Seitdem sammle ich desto -<span class='pageno' id='Page_192'>192</span>eifriger, desto leidenschaftlicher, um nun die Sammlung -meiner Freundin zu komplettieren. — — Hier -also sind gleich zwei heilsamste Ablenkungen von -dem gefährlichen Bleigewicht des eigenen Ich: erstens -das Glück des Sammelns selbst, zweitens das Glück, -es <i>für einen anderen</i>, ebenso Verständnisvollen -tun zu können! »Sammeln« heißt, sich auf etwas -außerhalb der eigenen Persönlichkeit Liegendes konzentrieren -können, das aber nicht so gefahrvoll und -undankbar ist wie eine geliebte Frau — — —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_193'>193</span> - <h2 class='c009'>YVETTE GUILBERT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Sie ist das Wunder des Chansons, das, an und -für sich nichtig, farblos, leblos, durch sie eine Fülle -von Tragik, grotesken Dingen, Lieblichkeit, Koketterie -erhält. Ihre Augen bereits drücken alles aus, -was es an seelischen Dingen überhaupt gibt, aber -auch ihre Arme und Hände sprechen überaus eindringlich. -Ihre Wirkungen grenzen an das Wunder. -Und diese nur andeutende Art, diese wechselnden -Nuancen, der clin d’œuil, der alles sagt, was zu sagen -ist. Sie allein von allen hat die Macht, ein Lied auszuschöpfen, -ja, es erst in seiner Fülle zu dichten! -Ganze Schicksale bringt sie in einen sinnlosen Refrain, -und man staunt über das Außerordentliche, -das sich da ereignet. Aus einem Nichts ein Alles -machen, darin könnten alle von ihr lernen, wenn es -erlernbar wäre. Le minimum d’effort et le maximum -d’effet ist auch ihre Devise. Den Höhepunkt ihrer -Chansons bildet unbedingt »Les cloches de Nantes«. -Wie ein düsteres Schicksal erdröhnen von allen Seiten -die großen Glocken in den alten Kirchentürmen. -Da gibt sie sich ganz aus, bricht los, bewirkt -Enthusiasmus! Die Guilbert gehört zu den wenigen -Erscheinungen, die einen als etwas nie wieder -in die Welt Kommendes ergreifen. Man darf es nie -versäumen, sie wieder und wieder zu sehen, zu -studieren, so oft sich die Gelegenheit bietet. Für -mich gehören zu solchen Erscheinungen Mitterwurzer, -Girardi, Hermann Winkelmann. Es sind -Menschen, die nicht ersetzt werden! Ihre Macht ist -nicht zu definieren, da sie irgend etwas Rätselhaftes -<span class='pageno' id='Page_194'>194</span>hat. Man befürchtet stets, daß sie einmal sterben -werden, und geschieht es, ist man untröstlich, hat -ein persönliches Leid erfahren. Man möchte in -Trauer gehen um sie. So eine Organisation ist auch -Yvette Guilbert. Diseusen, ach, lernet doch von ihr -das leider Unerlernbare!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_195'>195</span> - <h2 class='c009'>KRANKENPFLEGE</h2> -</div> - -<p class='c010'>Eine Frau, die, während ihr Geliebter im Sterben -liegt, sich ebenso pflegt, wäscht, mit hundert Salben -salbt, wie eh’ und je, und keinerlei Bedenken hat, sich -ebenso zu pflegen und zu hegen, wie sie es gewohnt -war, hat ihn nie, nie wirklich lieb gehabt! Sie müßte -plötzlich alles aufgeben, sich schmutzig werden -lassen, sich verkommen lassen, auf ihre adelige -Körperpflege vollkommen verzichten können, sich -Hände und Gesicht nicht mehr waschen wollen, ja -sogar die schönen Haare nicht mehr pflegen, sich -in einen Abgrund stürzen lassen, wo das reale Leben -zerschellt und aufhört — — —.</p> - -<p class='c016'>Es müßte alle ihre weibliche Eitelkeit plötzlich -ersterben, nicht mehr sein — — —. Sie müßte zu -einem Aschenbrödel werden, ganz in sich zurückgezogen -und unbeachtet, nur in der edlen Pflege -aufgehend und unscheinbar werdend vor Aufmerksamkeiten! -Sie müßte unwillkürlich aus einer Dame -zu einer »Pflegerin« werden, sich degradieren, um -sich zu erhöhen!</p> - -<p class='c016'>Ihre Fingernägel müßten ihre Edelpolitur verlieren, -ihre Strümpfe müßten Löcher bekommen und -Knöpfe müßten ihr an der Bluse fehlen. Ihre werdende -Ungepflegtheit müßte ihre Ehre sein! Ihre Freundinnen -müßten zu ihr sprechen: »Du siehst gealtert -aus, meine Liebe, schließlich muß man doch auch -ein bißchen auf sich schauen, solange man jung und -hübsch ist — — —.«</p> - -<p class='c016'>»Dazu habe ich jetzt, Gott sei Dank, keine Zeit -mehr übrig — — —.«</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_196'>196</span>»Gott sei Dank?!« sagten die Freundinnen und -kicherten: »Sie muß immer apart sein — — —.«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_197'>197</span> - <h2 class='c009'>HERBST AM SEMMERING</h2> -</div> - -<p class='c010'>Müde schleichen die Stunden dahin. Noch einmal -ist es mir Zähestem vergönnt, die herbstliche Pracht -meines Kindheitsparadieses (damals gab es nur Gasthof -»Nedwall«) zu erschauen! Brennesselgebüsche -und dunkelbraune vertrocknete Sträucher. Ein -kleines Mäderl in Lederhöschen, mit dicken, rostbraunen -Zöpfen, in die grellrote Seidenbänder eingeflochten -sind, repräsentiert mir die »Schönheit -der ganzen Welt«. Die Eltern nennen sie, tief entzückt, -schlimm und übermütig. Wie wenn die -Saharet, Ruth St. Denis, Grete Wiesenthal, schlimm -und übermütig sein könnten! Der Schneeberg trieft -von zerrinnendem Schnee, und das Elisabethkirchlein -ragt in graue Wolken. Ein Direktor reitet, -kranke Frauen fahren langsam durch den Fichtenwald. -Lila Enzian, kurzstengelig, und Löwenzahn. -Aber meine »heilige Stunde« ist von 3 bis 4. Da spielt -nach dem Essen die Amerikanerin mit ihrem großen -schlanken Freunde im Café Karambol. Er belehrt -sie natürlich väterlich, die doch <i>alles</i> bereits mitbekommen -hat vom Schicksal, Anmut und Beweglichkeit -und Gazellenglieder und Feenhände. Jede -ihrer Bewegungen ist vollkommen. Das ist meine -»heilige Stunde«, da ich menschliche Vollkommenheit -erblicke. Da vergesse ich, daß Gottes Träume sich -noch nicht realisiert haben — —.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_198'>198</span> - <h2 class='c009'>HERBSTANFANG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Freitag nachts, Marien-Feiertag, 8. September. -Eine verzweifelte Stimmung ist in mir, ich fühle es, -ich spüre es, <i>alles geht zu Ende</i>. Die dunklen -Herbstabende kommen, Deine Schule, A. K., fängt an, -und böse, heimtückische, neidische, lieblose Menschen -<i>zerstören</i> mir mein Paradies, das ich in meiner -alten, kranken, dem <i>Untergange geweihten</i> -Dichterseele für Dich, einzig und fast irrsinnig <i>geliebtes -Geschöpf</i>, errichtet habe unter Tränen. -<i>Du</i>, <i>Du</i> allein bist auf dieser traurigen Erde in -meinem gefolterten Herzen, und Du weißt nichts -davon, kannst, wirst davon, willst davon nichts -wissen — — —. Nie wirst Du meine Anhänglichkeit -ahnen. Dein <i>Blick</i>, Deine <i>Stimme</i>, <i>alles</i>, <i>alles</i> -an Dir ist der Balsam meines todeswunden, todesmüden -Herzens. Ich habe Dich lieb, lieb, wie niemand -Dich je lieb haben wird — — —. Und nun spüre -ich das Ende heranschleichen, sonst könnte ich nicht -so traurig, so lebensmüde sein, und beim Erwachen -am Morgen so bitter weinen und weinen, obzwar -mir eigentlich nichts Böses geschehen ist — — —. -Ich verlange nichts von Deiner kindlichen dreizehnjährigen -Seele, Anna K., als daß Du es mir glaubst -in Deinem tiefsten Herzen, daß schon im <i>Anfang</i> -Deines ins <i>ungewisse gefahrvolle</i> Leben hinein -aufblühenden Lebens, ein Mann <i>in unbeschreiblicher -Zärtlichkeit</i> an Deiner geliebten, merkwürdigen, -kindlichen und dennoch bereits tief melancholischen -Persönlichkeit, mit <i>ergebenster liebevollster</i> -Seele gehangen ist, und viel, viel um Dich -<span class='pageno' id='Page_199'>199</span>getrauert hat, weil die anderen Menschen alles -<i>mißverstehen</i> und <i>böswillig</i>, <i>heimtückisch -deuten</i>!</p> - -<p class='c016'>Ich wollte Dir mit der kleinen Uhr eine besondere -Freude bereiten, Dir meine <i>vollkommen selbstlose -Anhänglichkeit</i> zu verstehen geben, aber -auch das haben die hartherzigen, mißtrauischen -Menschen nicht <i>Dir</i>, nicht <i>mir</i> gegönnt!</p> - -<p class='c016'>Bleibe mir <i>gütig gesinnt</i>, Anna, lasse Dich -<i>von niemandem</i> auf falsche Gedanken bringen! -Ein Atemzug Deines Mundes, ein Blick Deiner Augen, -ein Schritt Deines müden kranken Fußes bedeuten -mir <i>die Schönheit</i>, <i>die Traurigkeiten der -ganzen Welt</i>!</p> - -<div class='c012'>Dein Peter Altenberg.</div> - -<p class='c010'>»Annerl, hast du den Brief heute Samstag erhalten, -den ich noch gestern Freitag nachts an dich geschrieben -habe?!? Und hast du ihn verstanden?!«</p> - -<p class='c016'>»Selbstverständlich. Was soll ich daran nicht -verstehen?! Ich kenn’ Ihnen doch auswendig und -inwendig — — —.«</p> - -<p class='c016'>Pause.</p> - -<p class='c016'>»Sie, nächste Woche fangen die Schulen an. Da -brauch’ ich schöne Schulrequisiten. Also zwei solche -schöne dicke Tonking-Bambus-Federstiele, wie Sie -sie immer benützen, dann 20 von Ihnere Stahlfedern, -Kuhn 201, aber wirklich 20, oder wissen S’ -was, 25, daß es eine gerade Zahl gibt. Und dann ein -schönes Zeichenheft. Und dann einen Radiergummi. -Und dann, no, Sie werden doch wissen, was ich sonst -noch in der Schule brauche. Ja, richtig, einen Bleistiftspitzer, -<span class='pageno' id='Page_200'>200</span>wie Sie einen haben, in einem kleinen -Schachterl. Gott, die Schul’, na wenigstens is ma -in der Schul’. Was haben S’ denn, Sie, Herr Peter?!?«</p> - -<p class='c016'>»Nichts — — —«, erwiderte ich.</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_201'>201</span> - <h2 class='c009'>EINE BEGEBENHEIT</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich lernte eine junge, sehr, sehr empfindsame -Frau kennen, die Martyrien durchmachte wegen -der Ruhe und Gleichgültigkeit ihres entzückenden -Gatten. Sie sah Gespenster von fünfzehnjährigen, -sechzehnjährigen Mädchen, lebte in unglückseliger -innerer Hast dahin, verzehrte sich selbst. In dieser -schweren Krankheit ihrer süßen kindlichen Seele -entwickelte sich in ihr der Plan, für dieses endlose -Martyrium Strafe, eventuell Erlösung zu haben. Sie -begann daher, einem netten gutmütigen Manne -Avancen zu machen. Der Gatte rührte sich nicht. -Das machte sie noch kranker. Sie trieb sich kopfüber -hinein. Der Gatte rührte sich nicht. Als ich -diese gefährliche Situation überblickte, las ich eines -Abends nach dem Nachtmahle den beiden mein -Gedicht »Das Bangen« vor.</p> - -<p class='c016'>Das Gedicht lautet:</p> -<h4 class='c022'><i>Das Bangen</i></h4> - -<div class='lg-container-l c021'> - <div class='linegroup'> - <div class='group'> - <div class='line'>Mir bangt um dich, Anna — — —.</div> - <div class='line'>Weshalb mir bang ist, weiß ich nicht,</div> - <div class='line'>Ich weiß nur, daß mir bang ist.</div> - <div class='line'>Mir ist bang!</div> - <div class='line'>Wie einer Mutter bang ist ohne Grund,</div> - <div class='line'>Noch sind sie alle munter und gesund — — —!</div> - <div class='line'>Und wie dem Schiffer bang ist, bange, bange,</div> - <div class='line'>Während die anderen noch lange</div> - <div class='line'>Den wolkenlosen Himmel blöd betrachten,</div> - <div class='line'>Und den Warner ob seiner Weisheit nur verachten.</div> - <div class='line'>Mir bangt, wie einem bangt,</div> - <div class='line'><span class='pageno' id='Page_202'>202</span>Der Kinder auf dem Meer-Sand-Hügel spielen sieht,</div> - <div class='line'>Und weiß, daß nun die Flut vom Land sie abtrennt — flieht!</div> - <div class='line'>Mir bangt, wie einem bangt,</div> - <div class='line'>Der weiß, er wird gehenkt um sieben Uhr früh.</div> - <div class='line'>So, so bangt mir um dich — — —</div> - <div class='line'>Du bist <i>mein Leben</i>, es bangt mir um mich</div> - <div class='line'>Du aber, du gehst deinen Weg von mir,</div> - <div class='line'>Nicht bangt vor meinem bangen Bangen dir</div> - <div class='line'>Dem neuen Schicksal treibst du jach entgegen — — —</div> - <div class='line'>Und perlt mein Todesschweiß auf deinen Pfad hernieder,</div> - <div class='line'>Nimmst du’s als Tau auf neuen Morgenwegen!</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class='c016'>Ich las es langsam und eindringlich vor.</p> - -<p class='c016'>Pause.</p> - -<p class='c016'>Der Mann erhob sich, trat langsam auf mich zu, -nahm meine Hand in seine beiden Hände, sah mich -lange, lange, lange an — — —. Die Frau starrte hin, -starrte hin, schrie auf: »Er liebt mich, er leidet, oh, -er liebt mich! Ich Unglückliche — —!« und fiel hin.</p> - -<p class='c016'>Ich hatte das Gedicht um vierundzwanzig Stunden -zu spät vorgelesen.</p> - -<h4 class='c022'><i>In das Gedenkbüchlein einer Amerikanerin:</i></h4> - -<p class='c019'><span lang="en" xml:lang="en">»It’s inside in the human nature, to hate all -those, who are better speaking, better dancing, better -thinking, better feeling as we self!«</span></p> - -<h4 class='c022'><i>Wintersport am Semmering:</i></h4> - -<p class='c019'>»Schneeglöckchen, immer sangen die Dichter von -dir, du läutest den Frühling ein — — —.</p> - -<p class='c016'>Für mich <i>begräbst</i> du den herrlichen Winter!«</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_203'>203</span> - <h2 class='c009'>BESCHÄFTIGUNG</h2> -</div> - -<p class='c010'>Ich erfinde nichts, daher bin ich kein Schriftsteller -und kein Dichter. Das Leben trägt mir alles -zu, ich habe nichts dabei zu verrichten, als das Zugetragene -<i>nicht</i> zu verfälschen oder den anderen -absichtlich plausibler machen zu wollen, denn man -hilft ihnen ja doch nicht dadurch.</p> - -<p class='c016'>Ich kannte vor vielen Jahren die Frau eines -Literaturprofessors an der Universität W. Eines -Tages sagte sie zu ihm: »Ich liebe diesen jungen -Schauspieler, den wir vor vier Tagen (so lange -brauchen nämlich die Reizungen des Nervus sympaticus, -um dringend zu werden in der Seele) gemeinsam -im Theater genossen haben — —«</p> - -<p class='c016'>»Lade ihn aber vorerst zu uns zu einem Souper -ein, damit man sehen könne, ob er dieselbe Wirkung -auf dich ausübt außerhalb seines Idealterrains — —«</p> - -<p class='c016'>Nach dem Souper sagte sie zu ihrem Gatten:</p> - -<p class='c016'>»Es ist nichts mit diesem Manne. Oh, du, du, -du einziger — — —.«</p> - -<p class='c016'>Als ihr Mann in jungen Jahren gestorben war, -sprach sie einst einen fremden Herrn vormittags, -Ecke Kärntnerstraße und Graben an: »Ich ersuche -um Ihren Namen und Ihre Adresse — — —.«</p> - -<p class='c016'>Seitdem arbeitete sie tagelang an Dingen der -sogenannten Nadelmalerei, wobei man mit verschiedenfarbiger -Seide die zarten Nuancen von Gegenständen -nachzuahmen versucht. Alle diese Dinge -schickte sie dem fremden Manne und war glücklich -dabei und vor allem friedvoll, seelisch beschäftigt. -Später unterrichtete sie Dorfkinder umsonst im -<span class='pageno' id='Page_204'>204</span>Französischen, ihrer Muttersprache. Und dann hörte -ich nichts mehr über sie 35 Jahre lang. Aber stets -gedenke ich ihrer, besonders wenn ich an die modernen -Tennisspielerinnen denke! Die suchen sich auch »die -Zeit zu vertreiben«!?!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_205'>205</span> - <h2 class='c009'>BESUCH IM EINSAMEN PARK</h2> -</div> - -<p class='c010'>Wie wenn die müde Seele noch einmal auf längst -gesprungenen Saiten ihre begeisterten Klagen singen -dürfte, so ist es, wenn du zu mir kommst, Helene N.!</p> - -<p class='c016'>Der Alltag weicht da wie ein böser Zauber, der uns -gefangen hielt, in einem Leben, das nicht die Stunde -wert ist, die es bringt! Man lebte dem Tode entgegen!</p> - -<p class='c016'>Das alte Zauberreich von melancholischen Zärtlichkeiten -erblüht durch dich, und der fade Park -wird zum mysteriösen Urwald, wenn dein geliebter -Schritt die alten öden Wege wandelt — — —.</p> - -<p class='c016'>Dein Sprechen wird wieder zu Musik, der Hauch -des Atems wird wieder zum Wehen von Frühlings-Gebirgsalmen -mit Kohlröschen und Seidelbast und -Knieholz.</p> - -<p class='c016'>Dein Sitzen beglückt und dein Stehen und dein -Wandeln — — —.</p> - -<p class='c016'>Alles, was <i>dich</i> unglücklich macht, wird zugleich -<i>mein</i> Unglück, und deine Klage trifft ein exaltiertes -Bruderherz; indem ich leide und dir die Last abnehme -unverstandenen Kummers, <i>jauchzt</i> meine -Seele, daß sie <i>mit dir leiden darf</i>!</p> - -<p class='c016'>Ich möchte dich ins Zauberreich entführen,</p> - -<p class='c016'>wo du mein Kindchen wirst, gewiegt, getragen, -beschützt, in überzärtlichen Armen, an einem für -dich bebenden Herzen — — —,</p> - -<p class='c016'>weg von den Ungetümen »Menschen«, die dich -mit ihrem feigen Unverständnis morden!</p> - -<p class='c016'>Bist du denn ein Distelstrauch am Wege, ein -Unkraut oder Brennesselgebüsch?! Bist du dem -Tritt des schweren frechen Fußes ausgesetzt?!</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_206'>206</span>Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet -werden muß vor jedem rohen Hauche?!</p> - -<p class='c016'>Bist du nicht die, die unser totes Herz zum Leben -wieder zaubert?!?</p> - -<p class='c016'>und deren zarte, edle Gliederpracht aus unseren -glitzernden, stieren Fischaugen ein gerührtes Künstlerauge -wiederzaubert?!?</p> - -<p class='c016'>In welche Welt bin ich geraten, pfui!?! Wo alles -sich in schnöder Ordnung abhaspelt!? Du bist die -<i>andere</i>! Anders wie die andern! Wie Ambrosia -anders war als Rumpsteak mit Salat! Göttliche -Kräfte bringst du, ohne es zu wissen! Und pflichtlos -sinken wir zu deinen Füßen hin! Nur eine Pflicht -erkennend, vor dir hinzuknien!</p> - -<p class='c016'>Das zugeschnittene Maß, das alle <i>fördert</i>, ist -uns <i>verächtlich</i> und <i>vergiftet</i> uns! Der <i>ekle -Friede</i> sorgenlosen Daseins macht unsere Kräfte -<i>stocken</i> und <i>vertrocknen</i>. Wir müssen brennen, -glühen und vergehen!</p> - -<p class='c016'>Und unsere innere Träne, wenn du beim Scheiden -uns ruhig die Hand reichst,</p> - -<p class='c016'>macht uns erst wieder leben, leiden und verzweifeln, -und auf eine Stunde hoffen, da du, -Gebenedeite, wiederkehrst! Für diese Stunde leben -wir in Not!</p> - -<p class='c016'><i>Die da sind, morden uns</i>;</p> - -<p class='c016'>doch die da kommen, um <i>von uns zu scheiden</i>, -bringen uns das Glück des <i>abgrundtiefen Seelenschmerzes -wieder</i>!</p> - -<p class='c016'>Wir wollen rauschen, brausen und zerschäumen!</p> - -<p class='c016'>Des Lebens eingedämmte Ordnung ist unser -<span class='pageno' id='Page_207'>207</span>heimtückischer Feind, für dumpfes Erdenleben ganz -geeignet, das uns, unter der feigen Maske der Rettung, -nur lahmlegt und vernichtet und vorzeitigem Tod -entgegentreibt.</p> - -<p class='c016'>Helene N., komme, auf daß ich hundert Stunden -lang in Fieberzehrung dich erwarten könne — — —. -In Fieber mich <i>verzehren</i>, ist mein <i>Leben</i>!</p> - -<p class='c016'>Und scheide von mir, auf daß ich tausend Stunden -dir <i>nachtrauern</i> könne — — —.</p> - -<p class='c016'>Mein Geist lebt nicht vom <i>Sein</i>, das lahm macht -und gebrechlich — — —;</p> - -<p class='c016'>mein Geist lebt nur vom Hoffen und Verzweifeln!</p> - -<p class='c016'>Du kamst, Helene N., und alles ward belebt und -blühte auf — — — —.</p> - -<p class='c016'>Du gingst, und Trauerflore hingen über der -dunklen ausgestorbenen Welt — — —.</p> - -<p class='c016'>Die Welt der Pflichten ist vielleicht gesünder und -fordert manches Wertvolle in kleinerem Kreise — —.</p> - -<p class='c016'>Wir aber wollen lieber an unseren inneren Symphonien -elend scheitern; des Alltags Werkelton mordet -uns ebenso, nur langsamer und qualvoller — — —. -Wie stumpfe Messer gegen scharfe Klingen!</p> - -<p class='c016'>Der Folter wollen wir entgeh’n des leeren Lebens, -das unseren Organen ihre Kraft entzieht;</p> - -<p class='c016'>und in der Schlacht trifft rücksichtsvoller uns -der Tod, und herrlich plötzlicher,</p> - -<p class='c016'>als <i>vorbereitet</i> zu jeder Stunde eines Lebens, -das weniger als nichts für uns bedeutet!</p> - -<p class='c016'>Helene N., komm’ wieder in den Park,</p> - -<p class='c016'>wo Irre ihre irren Träume träumen — — —.</p> - -<p class='c016'><i>Du</i> wirst hier doch vielleicht <i>mehr</i> Menschlichkeiten -finden,</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_208'>208</span>als in der Welt, die sich <i>frech fälschlich</i> für -die <i>normale</i> hält!!!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_209'>209</span> - <h2 class='c009'>TANZ</h2> -</div> - -<p class='c010'>Elsa Wiesenthal, schlichte, rätselhafte Naturkraft, -wie Rittner, Mitterwurzer, Girardi, bringst du -uns nun wieder den Geist, der geheimnisvoll, diskret -verborgen in den Dingen lebt?! Bringst du uns -wieder Hoheit, Ruhe und Würde in deinem adeligen -Tanzen?! Oder hast du dich vom »Geist« verführen -lassen wie alle, die der geistvollen, geistleeren Herde -sich verständlich machen wollen?!? Gib uns nicht -mehr, als was <i>du</i> kannst und <i>deine</i> Kunst! Sei -eine schweigende Fürstin des Lebens, die lieber unverstanden -dahingleitet, als scheinbar verständlich -Leidenschaft markiert! Sei du mit deiner süßen -merkwürdigen Schwester Berta, wie einst ein edles -Beispiel, wie man aus einem Nichts ein Alles macht!</p> -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_211'>211</span> - <h2 class='c009'>PETER ALTENBERG<br /> <br /><span class='small'>Von Hans Franck (Hamburg)</span></h2> -</div> - -<p class='c010'>Es gibt viele, die seiner lachen.</p> - -<p class='c016'>Und wir, denen er mit wenigen inhaltsschweren -Worten die Märchen des Lebens gedeutet, die »Bilderbogen -des kleinen Lebens« koloriert, die er die -Erlebnisse des Tages anders sehen gelehrt hat, wir -können ihnen nichts dawider sagen. Müssen ihnen -Recht geben, müssen zugestehen: Was ihr in Händen -habt, was ihr seht, sind Lächerlichkeiten. Es ist, -wie ihr es seht! Ihr!</p> - -<p class='c016'>Es ist, wie die Spötter sagen. Aber es ist zugleich -anders. Die Kunst Altenbergs kann, wie das vielfarbige -Leben, wie die widerspruchsvolle Natur — -nach Fr. Th. Vischers Wort — an einem Ende gemein, -am andern seelisch fein, nicht mit einem so oder so -umgrenzt werden, sondern nur mit einem so und so.</p> - -<p class='c016'>Sie ist voller Lächerlichkeiten und Schönheiten, -voller Gequältheiten und Feinheiten, voller Leerheiten -und Vollheiten, voller nichtssagender Gewolltheiten -und vielsprechender Gekonntheiten.</p> - -<p class='c016'>Sie ist — um wieder Vischers Wort von der -Natur aufzunehmen — ein seltsam Ding.</p> - -<p class='c016'>Für die Formung der tausendfältigen kleinen -und kleinsten Gaben, die so ein Buch Peter Altenbergs -birgt, wurde der bewußte Gegensatz zu der -Kunst der vielen klingenden Worte maßgebend. -Die Wortkünstler sind dem Dichter Lügner und -Charlatane. Sind ihm gewöhnliche Menschen, die -ihre Geistesblöße mit dem wallenden Wortmantel -zuzudecken suchen, die ihre Empfindungsarmut -<span class='pageno' id='Page_212'>212</span>durch einen bloßen Wortreichtum auszugleichen -glauben. »Ich hasse und verachte sie — ruft Peter -Altenberg in seinen Märchen des Lebens — Wortreichtum -ist Seelen- und Geistesarmut! Man verkriecht -sich, versteckt sich dahinter, wie wenn man -verzweifelt wäre, daß man nichts Wichtiges mitzuteilen -hätte! Zwei und drei ist fünf kann nicht -wortreich gesagt werden! Und dennoch verläßt man -sich darauf, daß es eine Herde von Idioten gibt, -die an dem »Wortklang« sich berauschen. — — -Wehe, wehe denjenigen, die die Fähigkeiten dazu -hätten, und nur ihrem Geisteswahne, ihrer Eitelkeit -dienen! Auf einer Stradivariusgeige spielen sie, aber -keine einfachen Adagios, die zu Tränen rühren, -sondern verblüffende Passagen, die kalt lassen!«</p> - -<hr class='c028' /> - -<p class='c016'>Altenberg ist der Virtuose der Wortskizze. Ist -es, weil er dem Reichtum des Lebens dienen will. -Einem kleinen Ausschnitt sich willenlos hinzugeben -und in unendlichem geduldigem Mühen nach höchster -vollkommener Bildwirkung sich vor dem übrigen -zu verschließen, daran hindert ihn die drängende -Fülle, die ihm nicht Ruhe läßt. So springt er von -einem zum andern, immer auf der Spur des schnellfliehenden -Lebens. Zur Beschaulichkeit ist keine Zeit. -Nicht zum Schwelgen. Es gilt zu erjagen, zu erraffen, -gilt, flüchtiger als das fliehende Geschehen zu sein.</p> - -<p class='c016'>Daß diese Eigenart Altenbergs ihren Wert und -Unwert in Einem hat, daß ihre Stärke die Mutter -ihrer Schwäche ist, versteht sich. Es zu beweisen, -wird man mir erlassen.</p> - -<p class='c016'>Dem <i>Leben</i> gilt Altenbergs Kunst.</p> - -<p class='c016'><span class='pageno' id='Page_213'>213</span>Diesem Wunder aller Wunder, mit dem wir -täppisch, wie wir sind, auf Du und Du stehen. Das -wir hinnehmen mit großen, blöden, dummdreisten -Augen. Das wir zu kennen wähnen, und das doch -von tausend Schleiern bedeckt ist. Das Wunder, -das uns zum kahlen Alltag wurde, wird hier wieder -ein blühendes Märchen, dem wir mit gläubigen -Kinderaugen aus der Ferne zuschauen. Wunder des -Alltags. Um sie geht es. Oder wie es der schönste -unter allen Buchtiteln Altenbergs faßt, um die -»Märchen des Lebens«. Unermüdlich trachtet der -Dichter, die kleinen Dinge des Alltags besonders zu -sehen, die Perlen am flachen Strand zu finden. -Hundertmal mag er wertlose Kiesel auflesen und bei -den kalten Besserwissern höhnisches Lächeln dafür -ernten: plötzlich funkelt ein winziges Ding in seinen -Händen und läßt uns die Augen übergehen.</p> - -<p class='c016'>Mitten hinein in die zarten Wortskizzen drängt -sich plötzlich eine breite, schwerwiegende Untersuchung -mit einer Überzahl unterstrichener Worte. -Der Dichter wandelt sich in einen Propheten. Der -Mann der zarten Worte in einen glaubensstarken -Prediger, der lauthallende Straf- und Mahnreden -auf die sündige Menschheit herabschleudert. Der -eben noch ein ganz Besonderer, ein starker Einzelner, -ein Außenseiter war, wird plötzlich zum -Bruder Schultze-Naumburgs, des Kunstwartmannes, -des Vaters des Reformkleides und der Reformstiefel.</p> - -<p class='c016'>Mit eindringlichen, treffsicheren Worten predigt -er von seinem Ideale: der naturgemäßen Körperkultur. -Anbetend neigt er sein Haupt vor dem -großen Gotte Gesundheit. Worte fallen, die der Unnatur -<span class='pageno' id='Page_214'>214</span>die gleißnerischen Kleider vom Leibe reißen -und doch nichts bessern werden. Wann hätte diese -Dame und ihr lästerliches Töchterlein Mode, je die -Scham gekannt? Sie kann noch stärkeres ertragen -als Altenbergs fanatische Predigten und seine gutgemeinten -Insultierungen.</p> - -<p class='c016'>Darum ist es, schauen wir zurück auf die leidenschaftlichen -Bekenntnisse zur Göttin Gesundheit, -letzten Endes nicht das Gegenständliche, der Inhalt -der Rede, der uns in den Bann der Worte zwingt, -sondern die Persönlichkeit, die ungehinderter als in -den formgewordenen Dichtungen, innerstes Sein und -Meinen offenbart. Auch hier steht Altenberg im -Dienste des großen, göttlichen, uneingezwängten -Lebens. Auch hier will er jedem Pulsschlag freie -Bahn schaffen. Auch hier erlösen von dem Drucke, -den Steifheit und Gutmeinen, Enge und Schwerfälligkeit -dem Wunder aller Wunder zufügten und -bis in die Undenkbarkeit zufügen werden.</p> - -<p class='c016'>So geht auch diese Besonderheit mit dem Allgemeinen -zusammen. In das Werk des Schöpfers der -»Märchen des Lebens«, des Suchers im Alltag, des -eigenwilligen Sehers fügt sich das Prodromosbuch -ein, das Glied einer Kette. Der Unmittelbarkeit des -unverfälschten Lebens trachtet der Dichter so gut -wie der Prediger nach. Und die sprunghafte, das -Wortemachen hassende Form eint beides auch nach -außen hin.</p> - -<div class='c012'><span class='small'>(Königsberger Hartungsche Zeitung)</span></div> - -<div class='chapter'> - <span class='pageno' id='Page_215'>215</span> - <h2 class='c009'><span class='xlarge'><i>Werke von Peter Altenberg</i></span></h2> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> -<div class='nf-center c001'> - <div><span class='large'>Wie ich es sehe</span></div> - <div><span class='small'><i>Fünfzehnte vermehrte Auflage.</i> Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Was der Tag mir zuträgt</span></div> - <div><span class='small'><i>Achte vermehrte Auflage.</i> Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Prodromos</span></div> - <div><span class='small'><i>Sechste Auflage.</i> Geheftet 5 Mark, gebunden 7 Mark 50 Pf.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Märchen des Lebens</span></div> - <div><span class='small'><i>Sechste vermehrte Auflage.</i> Geh. 5 M. 50 Pf., geb. 8 M.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Neues Altes</span></div> - <div><span class='small'><i>Vierte und fünfte Auflage.</i> Geh. 5 Mark, geb. 7 Mark 50 Pf.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>»Semmering 1912«</span></div> - <div><span class='small'><i>Siebente vermehrte Auflage.</i> Geh. 6 M., geb. 8 M. 50 Pf.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Fechsung</span></div> - <div><span class='small'><i>Sechste Auflage.</i> Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Nachfechsung</span></div> - <div><span class='small'><i>Fünfte Auflage.</i> Geheftet 7 Mark, gebunden 9 Mark 50 Pf.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Vita ipsa</span></div> - <div><span class='small'><i>Zehnte Auflage.</i> Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf.</span></div> - <div class='c007'><span class='large'>Mein Lebensabend</span></div> - <div><span class='small'><i>Achte Auflage.</i> Geheftet 6 Mark 50 Pf., gebunden 9 Mark.</span></div> - </div> -</div> - -<div class='pbb'> - <hr class='pb c007' /> -</div> - -<div class='nf-center-c0'> -<div class='nf-center c029'> - <div><span class='pageno' id='Page_216'>216</span><em class='gesperrt'>Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig</em></div> - </div> -</div> - -<div class='pbb'> - <hr class='pb c005' /> -</div> - -<h3 class='c018'>Transcriber's Notes</h3> - -<p class='c030'>Im Original gesperrte Schrift wird kursiv wiedergegeben.</p> - -<p class='c025'>Offensichtliche Satzfehler wurden stillschweigend korrigiert.</p> - -<p class='c025'>S. 15: »Deshalb ist man o beglückt ...« wurde korrigiert zu »Deshalb ist man so beglückt ...«.</p> - -<p class='c025'>S. 177: Der Titel enthält das Symbol † für »verstorben«.</p> - -<p class='c031'>Type originally set in spaced text has been changed to italics.</p> - -<p class='c025'>Quotation marks have been modernized to » « and › ‹.</p> - -<p class='c025'>Obvious printer errors have been silently corrected.</p> - -<p class='c025'>On page 15, “Deshalb ist man o beglückt ...” has been corrected to “Deshalb ist man so beglückt ...”</p> - -<p class='c025'>On page 177 the title contains “(†)”. Its meaning is “deceased”.</p> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Neues Altes, by Peter Altenberg - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NEUES ALTES *** - -***** This file should be named 52463-h.htm or 52463-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/2/4/6/52463/ - -Produced by Elizabeth Oscanyan and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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