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-The Project Gutenberg EBook of Wunderwelten, by Friedrich Wilhelm Mader
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-
-
-Title: Wunderwelten
- Wie Lord Flitmore eine seltsame Reise zu den Planeten
- unternimmt und durch einen Kometen in die Fixsternwelt
- entführt wird
-
-Author: Friedrich Wilhelm Mader
-
-Illustrator: Willi Egler
-
-Release Date: December 26, 2015 [EBook #50770]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WUNDERWELTEN ***
-
-
-
-
-Produced by Jens Sadowski
-
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- Wunderwelten
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-
- Wunderwelten
-
-
- Wie Lord Flitmore eine seltsame Reise zu den
- Planeten unternimmt und durch einen Kometen
- in die Fixsternwelt entführt wird.
-
- Erzählung
- für Deutschlands Söhne und Töchter
- von W. Mader
- Illustriert von W. Egler
-
- Verlag für Volkskunst / Rich. Keutel / Stuttgart
-
- Alle Rechte vorbehalten.
-
- Kunstdruckerei des Verlags für Volkskunst, Rich. Keutel, Stuttgart.
-
-
-
-
- Inhaltsverzeichnis.
-
-
- Seite
- Personenverzeichnis VI
- Vorwort VII
- 1. Ein kühnes Unternehmen 1
- 2. Sannah, das Weltschiff 5
- 3. Eine wunderbare Entdeckung 10
- 4. Die Fahrt ins Leere 13
- 5. Im Weltenraum 20
- 6. Am Mond vorbei 27
- 7. Eine ernste Gefahr 34
- 8. Die großen Astronomen 38
- 9. Der Mars 43
- 10. Eine Landung auf dem Mars 46
- 11. Die Schrecken des Mars 50
- 12. Eine Entdeckungsreise auf dem Mars 56
- 13. Die Marsbewohner 61
- 14. Eine Marskatastrophe 68
- 15. Im Meteorenschwarm 79
- 16. Ein Konzert in der Sannah 88
- 17. Die Asteroiden 93
- 18. Die Planetoideninsel 97
- 19. Der Komet 102
- 20. Die Seeschlange 110
- 21. Jupiter 115
- 22. Ein Besuch auf dem Saturn 120
- 23. Eine unfreiwillige Polarreise 126
- 24. Eine Nacht auf dem Ringplaneten 132
- 25. Eine seltsame Welt 139
- 26. Ein Kampf um die Sannah 146
- 27. Vom Kometen entführt 155
- 28. Die Geheimnisse der äußersten Planeten 162
- 29. Eine Reise ins Unendliche 164
- 30. Schimpansenstreiche 171
- 31. Verloren im Weltraum 176
- 32. Der Riesenkraken 184
- 33. Ohne Luft! 192
- 34. Ein verhängnisvoller Zusammenstoß 195
- 35. Ein Wunder 199
- 36. In der Fixsternwelt 204
- 37. Eine neue Erde 209
- 38. Die Wunder Edens 214
- 39. Sonderbare Naturgesetze 219
- 40. Eine neue Tierwelt 228
- 41. Eine paradiesische Nacht 237
- 42. Höhere Wesen 245
- 43. Im Hause des Gastfreunds 255
- 44. Neue Erkenntnisse 260
- 45. Heliastra 268
- 46. Überirdische Klänge 272
- 47. Im Reiche des Friedens 277
- 48. Eine Reise auf dem Planeten 282
- 49. Münchhausens Fabeln 286
- 50. Abschied 290
- 51. Der Planet des Fremdartigen 295
- 52. Eine Weltkatastrophe 299
- 53. Durch die Sonne 303
- 54. Der Planet Merkur 309
- 55. Zurück zur Erde! 314
- 56. Sannah 318
- Nachweise 329
-
-
-
-
- Personenverzeichnis.
-
-
- 1. Lord Charles Flitmore.
- 2. Mietje, Lady Flitmore, geborene Rijn, seine Gattin.
- 3. Professor Heinrich Schultze.
- 4. Kapitän Hugo von Münchhausen.
- 5. Heinz Friedung.
- 6. John (Johann) Rieger, Flitmores Diener.
- Zwei Schimpansen: Dick und Bobs.
-
- ----
-
- 7. Ein alter Marsbewohner.
- ----
- 8. Gabokol.
- 9. Bleodila, seine Gattin.
- 10. Fliorot, sein Sohn.
- 11. Glessiblora } seine Töchter.
- 12. Heliastra }
-
- Im Schlußkapitel:
-
- 13. Doktor Otto Leusohn.
- 14. Sannah, geborene Rijn, seine Gattin.
- 15. Hendrik Rijn.
- 16. Helene, seine Gattin, Doktor Leusohns Schwester.
- 17. Tipekitanga, die Zwergprinzessin.
- 18. Amina, ein Somalimädchen.
- 19. Piet Rijn, Hendriks, Mietjes und Sannahs Vater.
- 20. Frans }
- 21. Klaas } weitere Söhne Piet Rijns.
- 22. Danie }
-
-
-
-
- Vorwort.
-
-
-Den vollen Gewinn von dieser Erzählung wird nur die schon gereiftere
-Jugend haben, die mit Verständnis und gewiß auch mit lebhaftem Interesse
-die Wunder der Sternkunde kennen lernen wird. Das ganze Gebiet der
-Astronomie soll ihr im Laufe der Erzählung in der Hauptsache erschlossen
-werden.
-
-Nun werden aber auch wohl jüngere Leser, für welche die
-wissenschaftlichen Gespräche vielleicht noch zu hoch sind, die seltsamen
-Erlebnisse und Entdeckungen der Weltall-Reisenden lesen wollen. Diese
-mögen getrost die Stellen überschlagen, die ihnen noch nicht
-verständlich erscheinen, namentlich in Kapitel 8, 15, 18, 26, 32 und 48.
-
-Sollte einem oder dem andern Kritiker einiges über die Grenzen des
-Wahrscheinlichen (natürlich nicht des »Möglichen«) hinauszugehen
-scheinen, so möge er sich aus den Nachweisen überzeugen, ob nicht die
-Wissenschaft selber die Phantasie stützt.
-
-_Eschelbach_, im Juli 1911.
-
- Der Verfasser
-
-
-
-
- 1. Ein kühnes Unternehmen.
-
-
-Professor Dr. Heinrich Schultze lehnte sinnend in seinen Sessel zurück.
-Vor ihm auf dem mit Büchern und Papieren bedeckten Schreibtisch lag ein
-Brief, der seine Gedanken beschäftigte.
-
-Da läutete es an der Eingangstüre seiner Wohnung und kurz darauf pochte
-es gewaltig an die Studierzimmertüre.
-
-»Herein!« rief der Professor, sich erhebend.
-
-Die Türe öffnete sich und es erschien ein ältlicher, doch frisch und
-blühend aussehender Mann von stattlicher Leibesfülle.
-
-»Kapitän Münchhausen!« rief Schultze und eilte überrascht und erfreut,
-auf den Mann zu, ihm beide Hände entgegenstreckend. »Welcher günstige
-Monsun führt Sie von Australien nach Berlin und just in dieser Stunde?
-Ich bin starr! Denken Sie, soeben weilten meine Gedanken bei Ihnen in
-Adelaide und ich wünschte mir, Sie herzaubern zu können.«
-
-»Nun! Der Zauber ist gelungen!« lachte Münchhausen: »da bin ich. Und was
-mich herführt? Sie wissen, ich halte das untätige Herumsitzen auf dem
-Kulturboden nicht lange aus. Na! habe ich gedacht: schaust einmal nach,
-was der olle Schultze macht; vielleicht plant er wieder irgend ein
-famoses Unternehmen; da muß ich dabei sein! Und plant er keins, so will
-ich ihn aufrütteln und wir planen eines miteinander. He! Wie steht's
-damit, Professorchen?«
-
-»Ich sage Ihnen, Sie kommen wie gerufen. Da, setzen Sie sich her, altes
-Haus.«
-
-Unterdessen drückte der Professor auf den Knopf der elektrischen Klingel
-und beauftragte den hierauf erscheinenden Diener, eine Flasche Wein und
-zwei Gläser zu bringen und alsdann im Eßzimmer einen kalten Imbiß zu
-richten: »Das Feinste, was wir haben,« mahnte er: »Der Kapitän ist
-Feinschmecker.«
-
-»Oho!« lachte dieser: »Habe ich mir nicht Termiten, Raupen und
-Rohrratten schmecken lassen, wenn es darauf ankam? Ich nehme alles wie
-es kommt.«
-
-»Jetzt kommt aber etwas Besseres als afrikanische Hungerkost, alter
-Freund; und ich weiß, Sie nehmen das Bessere gerner an als das
-Schlechtere.«
-
-»Ein Narr, wer's nicht tut! Aber nun, Professor, was planen Sie?«
-
-»Ich habe eigentlich gar nichts geplant; aber ein andrer: Sie erinnern
-sich wohl noch Lord Flitmores?«
-
-Münchhausen lachte, daß es dröhnte: »Auf so eine Frage kann doch nur ein
-weltfremder Professor verfallen! »Erinnern« ist gut! Wenn man mit einem
-Manne, wie der Lord, solche Abenteuer erlebt, solche Kämpfe durchfochten
-und solche herrliche Stunden durchkostet hat, wie wir zwei beide, dann
-soll man ihn wohl vergessen können? Verzeihen Sie, Professor, aber Ihre
-Frage ist ... na, wie soll ich sagen?«
-
-»Dumm!« ergänzte Schultze, seinerseits lachend: »Sie haben recht, oller
-Seebär. Also! Hier habe ich einen Brief von Flitmore erhalten. Er
-schreibt, er habe eine kaum glaubliche Entdeckung gemacht.«
-
-»Kaum glaublich? Hören Sie, dem glaube ich alles, dem traue ich das
-Wunderbarste zu nach den Proben seines Erfindergenies, die er uns in
-Afrika gegeben.«
-
-»Das stimmt! Aber hören Sie: er schreibt, seine Entdeckung hebe die
-trennenden Räume des Weltalls auf und gestatte Reisen nach dem Mond,
-nach den Planeten, vielleicht gar in die Fixsternwelt. Und nun ladet er
-mich ein, ihn auf seiner ersten Fahrt zu begleiten. Was halten Sie
-davon? Sollte er nicht doch ein wenig übergeschnappt sein?«
-
-»O, daß Sie Männer der Wissenschaft keine neue, erstaunliche Entdeckung
-ohne Zweifel begrüßen können! Wenn die Professoren darüber zu
-entscheiden hätten, alle genialen Erfinder kämen ins Irrenhaus! Ich
-sagte Ihnen, dem Lord traue ich alles zu. Er ist ein Genie.
-Telegraphieren Sie ihm nur gleich, ob er mich mitnimmt? Ha! das gibt
-eine Reise! Das ist noch nie dagewesen, außer in der Phantasie kühner
-Schriftsteller: Da muß ich mit!«
-
-»Das ist es ja gerade: Lord Flitmore bittet mich, ihn zu begleiten, da
-er weiß, daß ich mich in den letzten Jahren ganz auf die Astronomie
-geworfen habe und er meine Veröffentlichungen auf diesem Gebiet mit
-Interesse und Beifall verfolgte, wie er schreibt. Dann aber fragt er
-nach Ihnen und nach Ihrer Adresse. Er ist voll Bewunderung für das
-Automobil, das Sie erfanden, und mit dem wir Australien durchforschten.«
-
-»Ja, ja, die Lore!« schmunzelte der Kapitän: »Sie war kein übler
-Gedanke. Aber nach dem Mond -- ne! Das hätte sie doch nicht geleistet«.
-
- [Illustration: Kapitän Münchhausen bei Professor Schultze.]
-
-»Also, bei Ihren technischen Kenntnissen und Ihrer Erfindungsgabe auf
-diesem Gebiet glaubt der Lord keinen besseren Ingenieur und Kapitän für
-sein Weltschiff finden zu können, als Sie, und wäre höchlichst erfreut,
-Sie für das Unternehmen gewinnen zu können.«
-
-»Topp!« rief Münchhausen begeistert: »Wann reisen wir?«
-
-»Holla!« lachte Schultze: »Nicht so eilig, alter Freund! Sie sind ein
-unüberlegter Jüngling. Bedenken Sie,« fuhr er ernst werdend fort: »Das
-Wagnis ist mehr als kühn: es geht auf Tod und Leben. Der Lord verfehlt
-nicht, dies ausdrücklich hervorzuheben: kein Mensch kann wissen, welche
-Gefahren und welch ungeahnte Katastrophen dem Erdenbürger drohen, der
-seinen heimischen Planeten verläßt und sich über die Atmosphäre in die
-Leere des Weltenraums erhebt.«
-
-»Ging es etwa in Afrika und Australien und wo wir sonst noch forschten,
-nicht auch auf Tod und Leben? Ahnten wir im voraus die Gefahren, denen
-wir entgegengingen?«
-
-»Wohl! Aber es waren irdische Gefahren.«
-
-Der Kapitän zuckte die Achseln: »Hören Sie, Sie tifteliger Professor:
-Todesgefahr ist Todesgefahr, ob sie nun auf der Erde oder über der Erde
-droht, ist meines Erachtens völlig einerlei: mehr als unser Leben können
-wir hier oder dort nicht verlieren. Aber wer soll noch sonst mit? Auf
-die Reisegesellschaft kommt bei so etwas viel an.«
-
-»Eine große Gesellschaft wird es nicht werden: zunächst wird die Gattin
-des Lords ihn begleiten.«
-
-»Schau, schau! Mietje! Allen Respekt! Ein beherztes Frauenzimmer ist sie
-stets gewesen, das hat sie uns damals in Ophir zur Genüge bewiesen.«
-
-Schultze aber fuhr fort: »Ferner Flitmores Diener, John Rieger.«
-
-»Freut mich, freut mich! Eine edle, treue Seele und ein gelungener
-Mensch. Er befindet sich also immer noch in des Lords Diensten?«
-
-»Allerdings, und er hat sich zum tüchtigen Mechaniker ausgebildet, wie
-ihn Flitmore als eifriger Automobilfahrer braucht. Endlich will noch
-mein junger Freund Heinz Friedung sich uns anschließen. Ich riet ihm
-vergebens ab: er ist Feuer und Flamme für die Weltreise.«
-
-»Hören Sie, Professor, den jungen Mann habe ich in mein Herz geschlossen
-seit wir unsre Reise nach den Unnahbaren Bergen mit ihm machten. Das
-gibt eine famose Reisegesellschaft! Was treibt denn unser Heinz seither
-und wo weilt er?«
-
-»Er hat sich auf die Sprachwissenschaften geworfen und lebt hier in
-Berlin als Privatdozent. Er beginnt, sich einen Namen zu machen und hat,
-wie er mir anvertraute, eine epochemachende Entdeckung auf seinem Gebiet
-gemacht, doch verrät er noch nichts Näheres davon.«
-
-Der Diener meldete, daß der Imbiß bereit stehe.
-
-Die Beiden tranken ihre Gläser leer und begaben sich nach dem
-Speisezimmer.
-
-
-
-
- 2. Sannah, das Weltschiff.
-
-
-Eine Woche später landeten Schultze, Münchhausen und Heinz Friedung in
-Brighton und fuhren dann mit der Bahn nach Lord Flitmores Besitzung, die
-sich in der Grafschaft Sussex befand.
-
-Ein prächtiges altes Schloß, von einem ausgedehnten Park umgeben, an den
-Felder, Wiesen und Waldungen stießen -- ein ganzes kleines Königreich --
-wurde den Ankömmlingen als des Lords Residenz bezeichnet.
-
-Von weitem schon konnte man über die Baumwipfel eine Riesenkugel
-emporragen sehen, die im Sonnenschein glitzerte.
-
-»Das ist des Lords Weltschiff!« rief Heinz Friedung.
-
-Schultze schüttelte den Kopf: »Dies Fahrzeug muß ein fabelhaftes Gewicht
-haben,« meinte er: »Wie sich Flitmore damit in die Luft erheben will
-oder gar über die Atmosphäre, ist mir rein unerfindlich.«
-
-Der Kapitän aber entgegnete: »Brauchen Sie auch nicht zu erfinden,
-Professor! Seien Sie getrost, das Genie unsres englischen Freundes hat
-zweifellos die Aufgabe gelöst, sonst hätte er uns nicht zur Fahrt
-eingeladen.«
-
-Lord Flitmore hatte die Gäste um diese Stunde erwartet und kam ihnen mit
-seiner jugendlichen Frau bis an das Parktor entgegen.
-
-Er war ein hochgewachsener Mann mit rötlichem Backenbart. Eine ernste
-Würde verlieh ihm etwas Steifes, echt Englisches; doch das war nur
-äußerlich: obgleich er nicht viel Worte machte und seine Begrüßung
-ziemlich trocken klang, merkte man doch die warme Herzlichkeit und die
-aufrichtige Freude heraus.
-
-Mietje, seine Gattin, eine geborene Burin aus Südafrika, gab sich
-keinerlei Mühe, ihre Gefühle hinter gemessener Würde zu verbergen: sie
-kam den Freunden mit strahlendem Lächeln entgegen und schüttelte allen
-kräftig die Hand.
-
-Schultze und Münchhausen waren alte Bekannte des Lords von Afrika her;
-an Heinz wandte sich der Engländer mit den Worten:
-
-»Sie, Herr Friedung, sind mir auch schon lange bekannt und wert, wenn
-ich Sie auch persönlich noch nie traf; haben Sie doch in den
-Schilderungen der australischen Reise meiner Freunde stets eine
-hervorragende und sympathische Rolle gespielt.«
-
-Für die Ankömmlinge war ein wahres Festmahl gerichtet und sie wurden
-fürstlich bewirtet; dann gab es noch gar vieles zu berichten über ihre
-Erlebnisse und Arbeiten in der Zeit, da sie den Lord nicht mehr gesehen.
-Punkt zehn Uhr jedoch hielt Flitmore seine häusliche Abendandacht,
-worauf sich alles zur Ruhe begab.
-
-Am andern Morgen nach dem Frühstück führte der Lord seine Gäste auf die
-weite Wiese, auf der die gewaltige Kugel ruhte, die schon bei ihrer
-Ankunft das Erstaunen unsrer Freunde geweckt hatte.
-
-»Das also ist Ihr Luftschiff?« bemerkte der Professor, als sie
-bewundernd an der mächtigen Sphäre hinaufblickten.
-
-»Weltschiff,« verbesserte Flitmore: »Ein Luftschiff ist an die
-Atmosphäre gefesselt, wir aber wollen mit diesem Fahrzeug den Luftraum
-verlassen, wenigstens die Lufthülle, die unsern Erdball umgibt; darum
-können wir füglich von einem >Luftschiff< nicht mehr reden: Die ganze
-Welt, der unendliche Raum steht diesem Vehikel offen.«
-
-»Sie haben recht,« gab Schultze zu. »Also >Weltschiff<.«
-
-Der Engländer aber fuhr fort:
-
-»Ich habe übrigens meiner Kugel einen eigenen Namen gegeben. Der schöne
-Gedanke, den Sie hatten, Herr Kapitän, als Sie Ihr Automobil Lore
-tauften, hat mir eingeleuchtet, und so gab ich meiner Erfindung den
-Namen >Sannah<.«
-
-»Zu Ehren Ihrer liebenswürdigen Schwägerin, der mutigen Gattin unsres
-Freundes Doktor Leusohn in Ostafrika?« fragte Schultze.
-
-»Gewiß!« fiel Mietje ein: »Wir kamen beide sofort auf den Gedanken, den
-Namen meiner fernen Schwester für das Gefährt zu wählen, das uns auf
-einer Reise voll unbekannter Gefahren zur Heimat werden soll.«
-
-»Freut mich!« rief Münchhausen: »Mit Sannah bin ich mit besonderer
-Vorliebe gereist, und ich bin überzeugt, diese neue Sannah wird ihrem
-Namen Ehre machen, uns Treue beweisen und die Reise so angenehm wie
-möglich gestalten.«
-
-»Aus was für einem Stoff besteht eigentlich Ihr Weltschiff?« fragte nun
-Heinz Friedung: »Es glitzert ja wie Glimmer.«
-
-»Diese schimmernde Hülle ist Flintglas,« erklärte Flitmore; »Wir müssen
-damit rechnen, daß wir auf unsrer Fahrt Temperaturen antreffen werden,
-die nicht nur unser Leben, sondern auch unser Fahrzeug vernichten
-könnten. Gegen die Kälte des Weltraums, die ich übrigens nicht für gar
-so schlimm halte, wie man meistens annimmt, schützt uns die elektrische
-Heizung.
-
-Wir können aber auch durch Weltnebel und kosmische Staubwolken mit einer
-solchen Geschwindigkeit sausen, daß Sannah in Weißglut geriete, wie die
-Meteore, die in unsre Atmosphäre stürzen; das Gleiche wird ihr drohen,
-wenn wir uns der Sonne oder einem andern glühenden Weltkörper nähern.
-Ich habe daher die Hülle meines Weltschiffes genau so herstellen lassen,
-wie die Wandungen der feuerfestesten Kassenschränke und auch diese Hülle
-noch mit dem unverbrennlichen Flintglas überkleidet, so daß wir hoffen
-dürfen, ohne Schaden auch längere Zeit hindurch uns den höchsten
-Temperaturen aussetzen zu dürfen.«
-
-»Aber die Fenster?« warf Schultze ein.
-
-»Ich habe allerdings sechs große Fenster, die aus sehr dickem Glas
-bestehen und einen Ausblick nach allen Seiten gestatten. Unter jeder
-dieser Scheiben befindet sich ein mächtiges Fernrohr, da wir mit bloßem
-Auge meist nicht viel zu sehen bekämen. Sobald wir jedoch einer Hitze
-ausgesetzt würden, die meinen Fenstern gefährlich werden könnte, genügt
-der Druck auf einen Knopf im Innern des Schiffes, um im Augenblick
-sämtliche Fenster mit einem Schutzdeckel völlig dicht zu schließen, wie
-mit einem Augenlid.«
-
-»Ungeheure Größenverhältnisse hat Ihr Weltschiff, das muß ich sagen!«
-bemerkte der Kapitän bewundernd.
-
-»Eigentlich sind sie gering«, erwiderte der Engländer: »Ein
-Zeppelinsches Luftschiff zum Beispiel hat noch ganz andre Maße. Meine
-Kugel hat 45 Meter im Durchmesser; um den Mittelpunkt befindet sich ein
-Raum von 15 Metern in der Länge, Breite und Höhe, der somit 3375
-Kubikmeter Rauminhalt hat. Hier sind die Reisevorräte verstaut in
-mehreren pyramidenförmigen Abteilungen mit der Spitze nach unten, das
-heißt nach dem Mittelpunkte zu.
-
-Dieser Mittelraum bildet die Grundlage für die einzelnen Zimmer, die von
-ihm nach sechs Seiten hin ausstrahlen bis an die Hülle hin. Jedes dieser
-Zimmer, 5 Meter breit und etwa 3 Meter hoch, so daß sich allemal 5
-solcher Säle übereinander befinden, deren äußerster als Wohn- und
-Beobachtungszimmer dient; leiterartige Treppen führen von einem
-Stockwerk zum andern. Die obersten Zimmer sind 15 Meter lang, die andern
-werden nach dem Zentrum zu etwas kürzer.
-
-Abgesehen von den äußersten Gemächern, die sich unmittelbar unter der
-Wölbung der Kugelhülle befinden, bietet jede dieser dreißig
-Aufenthaltsgelegenheiten einen Raum von 200 bis 225, im ganzen etwas
-über 6000 Kubikmetern. Außer den Wohn- und Schlafzimmern habe ich hier
-Werkstätten eingerichtet: eine Schreinerei, eine Schmiede, ein
-chemisches Laboratorium; die übrigen Räume dienen abwechselnd zum
-Aufenthalt, wenn die verbrauchte Luft in den andern erneuert werden muß.
-
-Die äußersten Kammern unter der Oberfläche sind durch besondere Gänge
-miteinander verbunden, die ich Meridiangänge benenne, weil sie gleichsam
-als innere Längen- und Breitengrade im Innern der Kugel verlaufen.«
-
-»Auch außen haben Sie, scheint es, Meridiane angebracht«, bemerkte
-Münchhausen.
-
-»Sie meinen die Rampen?« fragte der Lord: »Diese kleinen Geländer, die
-ich für bestimmte Zwecke für vorteilhaft hielt, strahlen allerdings auch
-von einem Punkte aus und kreuzen sich wieder im entgegengesetzten
-Punkte, stellen also füglich Längengrade dar.
-
-Den sechs Sälen, die sich unmittelbar unter der äußeren Umhüllung der
-Kugel befinden, gab ich aus praktischen Gründen besondere Namen: zu
-oberst befindet sich das Zenithzimmer, zu unterst das Antipodenzimmer;
-in der Mitte, dem Äquator, wenn Sie wollen, zeigt sich vor uns das
-Nordpolzimmer, dem hinten das Südpolzimmer entspricht; rechts das
-Ostzimmer, links das Westzimmer. Wie Sie sehen, verfuhr ich etwas
-unwissenschaftlich mit diesen Benennungen, da ich Nordpol und Südpol auf
-den Äquator verlegte. Aber das ist ja alles bloß Übereinkommen:
-betrachten Sie die Linie, die vom Zenithzimmer über das Ost- und
-Antipodenzimmer zum Westzimmer läuft als Äquator, so stimmt die Sache
-wieder und wir haben zwei einander senkrecht schneidende Äquatorlinien,
-aus dem einfachen Grunde, weil meine Kugel nicht in Grade eingeteilt
-ist, aus der wir eine andere Bezeichnung für den Längsäquator hernehmen
-könnten und weil ich meine Rampenmeridiane vom Zenith- statt von einem
-Polzimmer ausgehen ließ.«
-
-»Mit all den genannten Räumen aber«, warf Schultze ein, »ist der Raum
-Ihrer Kugel noch lange nicht ausgenützt.«
-
-»Gewiß nicht! Mein Weltschiff hat einen Umfang von 141,3 Metern, eine
-Oberfläche von 6358,5 Quadratmetern und einen Inhalt von 47688,75
-Kubikmetern. Rechnen wir den Raum der 30 Zimmer, der Vorratskammern und
-der Meridiangänge ab, auf die zusammen etwa 10000 Kubikmeter kommen, so
-verbleiben noch beinahe 38000 Kubikmeter; von diesen werden etwa 30000
-durch die Stahlkammern ausgefüllt, die gepreßten Sauerstoff enthalten
-und ungefähr 8000 sind mit Ozon angefüllt; denn was wir vor allem
-brauchen, ist Luft, gesunde, stets erneuerte Luft.«
-
-»Sie erwähnten vorhin die elektrische Heizung«, nahm der Kapitän wieder
-das Wort: »Ich darf wohl annehmen, daß auch Küche, Schmiedewerkstatt und
-chemisches Laboratorium nur auf elektrischem Wege geheizt werden, um
-jede Rauchentwicklung zu vermeiden.«
-
-»Ganz richtig«, bestätigte Flitmore.
-
-»Wie aber beschaffen Sie die elektrische Kraft?«
-
-Der Lord lachte: »Sie kennen ja meine mächtigen Batterien von Afrika
-her, Kapitän. Aber ich gestehe ehrlich, die Hauptsache für die
-elektrische Speisung meiner Sannah verdanke ich Ihnen. Sie haben ja kein
-Geheimnis aus Ihrer wunderbaren Erfindung gemacht, dem ausgezeichneten
-Akkumulator, der Ihre Lore trieb. Nun, solche Akkumulatoren, System
-Münchhausen, nehme ich mehrere mit und erzeuge, wie Sie, die nötige
-Reibungselektrizität durch eine Maschine hauptsächlich mit Handbetrieb,
-so weit meine Batterien nicht dazu ausreichen sollten.«
-
-
-
-
- 3. Eine wunderbare Entdeckung.
-
-
-Nach diesen Erklärungen lud Flitmore seine Gäste ein, die Innenräume zu
-besichtigen, was diese unter seiner Führung mit regstem Interesse taten.
-
-Sie fanden alles mit größter Zweckmäßigkeit und Behaglichkeit
-eingerichtet; was ihnen zunächst auffiel, war, daß sämtliche
-Einrichtungsgegenstände als Tische, Stühle, Bettstellen usw. aus
-Kautschuk hergestellt waren, wie auch Wände, Decken und Fußböden sich
-mit dicken Gummiplatten ausgelegt erwiesen; was aber aus Holz und Metall
-bestand: Hobelbank, Amboß, Herd usw. war am Fußboden festgeschraubt.
-
-»Diese Vorsicht glaubte ich nicht außer acht lassen zu dürfen«, erklärte
-der Lord, »da wir nicht wissen können, welchen Erschütterungen unsre
-Sannah ausgesetzt sein kann, wenn sie etwa mit einem Meteoriten
-zusammenstoßen sollte oder etwas unsanft auf irgend einem Weltkörper zum
-Landen käme.«
-
-Die Besichtigung nahm mehrere Stunden in Anspruch. Als nun alles
-eingehend betrachtet und bewundert worden war, nahm Heinz Friedung das
-Wort:
-
-»Verzeihen Sie, Lord Flitmore«, sagte er: »Sie sehen uns alle überzeugt,
-daß kein Fahrzeug umsichtiger und zweckmäßiger für eine kosmische Reise
-ausgerüstet sein könnte, als Ihre herrliche Sannah; aber welche
-Wunderkraft soll sie in den Weltraum schleudern? Das ist das Rätsel, das
-ich vergeblich zu lösen versuche. Dürfen wir etwas davon erfahren oder
-ist es ein Geheimnis?«
-
-»Sie haben recht«, erwiderte Flitmore: »Ich bin Ihnen eine Erklärung
-schuldig. Es handelt sich hier um eine Entdeckung, die ich zufällig
-machte, und die mir erst den Gedanken und die Möglichkeit eines solchen
-Unternehmens gab.
-
-Sie kennen die Schwerkraft und ihre Gesetze und wissen auch, daß die
-Wissenschaft keine Ahnung davon hat, was diese Schwerkraft ihrem Wesen
-nach eigentlich ist. Die Anziehungskraft der Weltkörper ist ja wohl eine
-Erklärung für die Schwerkraft, aber wir wissen eben geradesowenig, was
-die Anziehungskraft ist und worauf sie beruht. Würde sie auf der
-Umdrehung oder Rotation beruhen, so müßten wir zum Beispiel gegen die
-Erdachse angezogen werden, während tatsächlich die Anziehung gegen den
-Mittelpunkt der Erde sich richtet: es ist eine Zentripetalkraft.
-Möglicherweise hängt diese Kraft mit dem Magnetismus zusammen und dieser
-wieder mit der Elektrizität.
-
-Nun wissen Sie, daß es eine positive und eine negative Elektrizität
-gibt: was die eine anzieht, stößt die andre ab; so gibt es einen
-positiven und einen negativen Magnetpol, einen Nord- und einen Südpol,
-und der Zentripetalkraft entspricht eine Zentrifugalkraft. Mit andern
-Worten, außer der Anziehung gibt es auch eine Abstoßung, und letztere
-Kraft nenne ich »Fliehkraft«.
-
-Es ist klar, daß, wenn unsre Erde neben ihrer Anziehungskraft auch eine
-abstoßende Kraft besitzt, erstere bei weitem überwiegen muß in Bezug auf
-ihre Wirkung auf alle irdischen Körper; denn sämtliche Körper, auf
-welche die Abstoßungskraft überwiegend wirken würde, müßten sofort von
-der Erde abgestoßen werden, wären also nicht mehr da. Aus diesem
-einfachen Grunde bleibt uns diese zweite Kraft verborgen.
-
-Nun habe ich aber durch zufällige Kombinationen eine Elektrizität oder
-einen magnetischen Strom entdeckt, der diese Fliehkraft darstellt.
-
-Wird der Strom geschlossen, so werden die von ihm durchströmten Körper
-von der Erde abgestoßen und das mit um so größerer Kraft, je stärker der
-Strom ist. Bei unterbrochenem Strom tritt die Anziehungskraft der Erde
-wieder in ihre Rechte.
-
-Meine »Fliehkraft« ist sozusagen die umgekehrte Schwerkraft, ein
-Magnetismus, der vom Erdmagnetismus abgestoßen wird, und der seinerseits
-auf diesen abstoßend wirkt.
-
-Das ist das ganze Geheimnis. Alle Versuche, die ich anstellte, hatten
-den gleichen Erfolg; jeder Körper, den ich mit Fliehkraft lud, und wenn
-er sonst noch so schwer war, erhob sich in die Luft mit wachsender
-Geschwindigkeit und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Sie begreifen, daß
-mir diese Entdeckung den Gedanken nahelegen mußte, ein Fahrzeug
-herzustellen, das mittelst der Fliehkraft sich dem Bereich der
-Anziehungskraft unsres Erdballs entziehen könnte.«
-
-Mit großer Verwunderung lauschten unsre Freunde diesen überraschenden
-Ausführungen und Schultze meinte kopfschüttelnd: »Na, wir werden ja
-sehen!«
-
-
-
-
- 4. Die Fahrt ins Leere.
-
-
-Es war eine helle Nacht, wenngleich der Mond nur die Hälfte seines
-beleuchteten Angesichts zeigte, als die kühne Reisegesellschaft ihre
-abenteuerliche Fahrt antrat. Flitmore ließ noch einige letzte
-Vorratskisten und Gebrauchsgegenstände in der Sannah verstauen. Auch die
-von ihm erfundene und in Afrika erprobte Nährmaschine nahm er für alle
-Fälle mit. In Kolben und Metallgefäßen verwahrte er die chemischen
-Stoffe, aus denen er mittels der Maschine Tabletten von hohem Nährwert
-erzeugen konnte. Dies hatte den Vorzug, daß in kleinen Behältern, die
-nur sehr wenig Raum einnahmen, die Mittel zur Verköstigung auf viele
-Monate mitgenommen werden konnten. Überdies vermochte er mit seiner
-Maschine bei einer Landung aus jedem Erdreich, das die für den
-Pflanzenwuchs nötigen Bestandteile enthielt, diese Bestandteile
-auszusondern und zu verarbeiten, genau wie es die Pflanzen tun, die Mehl
-und genießbare Früchte erzeugen. Wozu aber die Halme, Gesträuche und
-Bäume Monate oder wenigstens Wochen benötigen, das brachte die
-Nährmaschine in wenigen Stunden zuwege. So schloß diese geniale
-Erfindung eine Hungersnot aus, auch wenn die reichen Lebensmittelvorräte
-erschöpft werden sollten, im Falle die Reise sich über alle Erwartungen
-hinaus verlängern würde.
-
-Besonders wichtig war dem Lord auch sein photographischer Apparat, mit
-dem er nach dem neuesten Verfahren Lichtbilder in natürlichen Farben
-herzustellen verstand.
-
-Heinz trug seine geliebte Violine in ihrem Kasten bei sich: er war ein
-Meister im Geigenspiel und die Zartheit und Gefühlsinnigkeit seines
-Strichs übertraf selbst das, was man von berühmten Virtuosen zu hören
-gewohnt ist. Überdies blies er gelegentlich auch Piston mit ebensolch
-vollendeter Meisterschaft.
-
-Flitmore selber war ein begeisterter Kenner und Freund der Musik. Er
-spielte nicht weniger als drei Instrumente mit gleicher Fertigkeit, das
-Klavier, das Cello und die Posaune.
-
-Da Lady Flitmore auf dem Klavier Vorzügliches leistete, John Rieger, der
-Diener, Flöte blies und selbst Kapitän Münchhausen nicht unmusikalisch
-war, konnte man hoffen, in der Sannah Konzerte aufzuführen, die sich
-überall hätten hören lassen dürfen.
-
-Der Lord hatte daher nicht versäumt, für solche willkommene
-Veranstaltungen in der Sannah ein eigenes, glänzend ausgestattetes
-Musikzimmer einzurichten, das sogar einen Flügel enthielt, dazu Blas-
-und Streichinstrumente aller Art, ein ganzes Orchester. Für die nötigen
-Noten und Partituren war selbstverständlich reichlich gesorgt: da sollte
-keine Langeweile aufkommen!
-
-Alle waren vor der Eingangspforte der Sannah versammelt, zum Einsteigen
-bereit, als Flitmores treuer Diener John noch als Letzter erschien, und
-zwar begleitet von zwei kräftigen Affen, die der Lord den erstaunten
-Gefährten folgendermaßen vorstellte:
-
-»Sie sehen hier zwei dienstbare Geister, die Schimpansen Dick und Bobs.
-Der erstere verdankt seinen Namen einem schlechten Wortspiel, da er in
-der Tat etwas fettleibig ist, also in deutscher Sprache als »Dick«
-bezeichnet werden kann; der zweite hat eine auffallende Ähnlichkeit mit
-Lord Roberts, dem Feldmarschall, den wir bekanntlich »Bobs« heißen.
-
-Die Tiere sind äußerst intelligent und gelehrig und sind vorzüglich
-eindressiert auf das Treiben der Maschine zur Speisung des elektrischen
-Akkumulators. Sie mögen uns ferner von Nutzen sein, wenn das Schicksal
-uns auf einen Weltkörper verschlagen sollte, der mit Pflanzenwuchs
-gesegnet wäre. Da wir in solchem Fall gewärtig sein müssen, lauter uns
-völlig unbekannte Früchte dort vorzufinden, werden uns die Schimpansen
-davor bewahren, irgend etwas Giftiges oder Schädliches zu genießen; denn
-darin ist ihr Instinkt untrüglich.«
-
-Mit vor Erwartung klopfenden Herzen betraten unsre Freunde die unterste
-Kammer der Sannah, die eher ein Saal zu nennen war, wie alle ihre Räume.
-Nun mußte es sich bald zeigen, ob eine Erhebung in den unendlichen Raum
-möglich sei. Und wenn es geschah, -- was würden ihrer für
-Überraschungen, für Gefahren dort warten?
-
-»Charles«, sagte Mietje zu ihrem Gatten: »Ich will mich in das oberste
-Stockwerk begeben und unsre Annäherung an den Mond beobachten.«
-
-»Vortrefflich«, stimmte Flitmore ihr zu: »Wollen Sie vielleicht so
-freundlich sein, meine Frau zu begleiten, Heinz? Wir wollen unterdessen
-betrachten, wie die Erde aussieht, während wir uns von ihr entfernen.
-Wenn da nichts mehr zu sehen ist, kommen wir auch nach oben, und das
-wird bald der Fall sein; denn nach meinen Berechnungen werden wir
-schnell die Geschwindigkeit des Lichts erreichen, 300000 Kilometer in
-der Sekunde.«
-
-»Na, na!« rief der Professor zweifelnd.
-
-»Steigen Sie die Treppe hinauf, Sie alter Zweifler«, sagte der Lord;
-»wie Sie sehen, befindet sich Okular und Spiegel des Teleskops dort oben
-in der Nähe der Decke. Es ist dies freilich etwas unbequem für den
-Beobachter, aber was wollte ich machen, wo es gilt nach unten Ausschau
-zu halten.«
-
-»Wissen Sie auch, was oben und unten ist?« rief Heinz, der eben durch
-die obere Luke in der Decke das Gemach verließ, dem Lord herab.
-
-Niemand begriff, was er damit meinte; aber der Gedanke, der dem jungen
-Gelehrten soeben aufgeblitzt war und ihn zu dieser merkwürdigen Frage
-gebracht hatte, hatte seine volle Berechtigung, wie die Zurückbleibenden
-binnen Kurzem erfahren sollten.
-
-Heinz hatte inzwischen die Luke hinter sich verschlossen und stieg mit
-Lady Flitmore weiter hinan von Stockwerk zu Stockwerk, bis die 14 drei
-Meter hohen Treppen überwunden waren und sie im obersten Saal anlangten.
-
-Flitmore verschloß während dieser Zeit den Eingang zum untersten Raume
-hermetisch und überzeugte sich, ob alles in Ordnung und nichts vergessen
-worden sei.
-
-Der Professor saß bereits auf dem obersten Absatz der Stiege am Okular
-des Fernrohrs.
-
-»Nun denn, in Gottes Namen und im Vertrauen auf des Allmächtigen
-Schutz!« rief der Lord feierlich: »Meine Herren, ich schließe den
-Strom.«
-
-Da geschah etwas völlig Unerwartetes.
-
-Mietje und Heinz vernahmen in diesem Augenblick ein dumpfes Geräusch,
-das sich durch das ganze Fahrzeug fortpflanzte.
-
-»Was bedeutet das?« fragte die Dame.
-
-»Es purzelt alles durcheinander«, sagte Heinz lachend: »die Herren
-lernen jetzt oben und unten aus praktischer Erfahrung unterscheiden, sie
-sind jedenfalls alle herabgestürzt.«
-
-»Wieso?« frug Mietje erschrocken: »Hat mein Mann den Eingang nicht
-rechtzeitig verschlossen? Unmöglich! Sie meinen doch nicht, daß sie
-herausgestürzt sind, während die Sannah sich erhob?«
-
-»Nein, nein! Überhaupt bei der guten Auspolsterung der Räume hat
-es keine Gefahr, und was wir vernommen haben, ist nur das
-Durcheinanderpoltern der Kisten und Ballen in den unteren
-Vorratskammern; denn aus den gummibelegten Sälen kann kein Ton bis zu
-uns dringen.«
-
-Die Lady schüttelte den Kopf; sie begriff nicht recht und dachte nur,
-die Abfahrt sei mit einem starken Ruck erfolgt, der dort unten einiges
-durcheinandergeworfen habe. Freilich, ganz unerklärlich blieb es dann
-immer noch, daß hier oben auch nicht die geringste Erschütterung zu
-spüren gewesen war.
-
-Was war geschehen?
-
-Die Männer dort unten waren sich selbst nicht klar darüber, während das
-Ereignis sich mit einer erschreckenden Plötzlichkeit abspielte.
-
-Dem Professor auf seinem Sitz am Plafond war es plötzlich, als habe er
-einen Purzelbaum gemacht und stehe nun auf dem Kopf; und doch hatte er
-sich nicht geregt.
-
-Im gleichen Augenblick kollerten Lord Flitmore und sein Diener die
-Treppe herauf oder vielmehr herunter, wie es nun aussah, und kamen auf
-Schultze zu liegen.
-
-Wie eine Bombe platzte gleichzeitig Münchhausen herab, glücklicherweise
-in einiger Entfernung, so daß seine Leibesfülle keinen der andern traf,
-sonst hätte es ein Unglück gegeben.
-
-Dank seinem Fettpolster und dem Guttaperchaüberzug der Decke nahm er bei
-dem Sturz aus drei Meter Höhe keinen Schaden.
-
-Sämtliche Möbel des Zimmers stürzten ebenfalls herab und kamen zum Teil
-auf die zappelnden Männer zu liegen und über alles hinweg turnten die
-erschreckten Schimpansen.
-
-»Da hört sich aber doch alle Wissenschaft auf!« grollte Schultze, als
-Flitmore und John die glücklicherweise so gummiweichen Sessel von sich
-abgewälzt hatten und den Professor von der Last ihrer eigenen Körper
-befreiten.
-
- [Illustration: Besichtigung des Weltschiffs.]
-
-Alle drei richteten sich auf und Schultze stellte mit Befriedigung fest,
-daß keiner verletzt war.
-
-Dann sah er sich um.
-
-»Weiß der Kuckuck!« rief er, »wir stehen auf dem Plafond. Wahrhaftig,
-die Decke ist zum Fußboden und der Fußboden zur Decke geworden. Schauen
-Sie doch: die Treppe hängt verkehrt herab und das Teleskop ist nach oben
-gerichtet. Da! Sehen Sie! Die Erde schwebt über uns, ah! herrlich!«
-
-In der Tat bot die mondbeschienene Erde einen prächtigen Anblick; sie
-entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit und schon sah man durch das
-große Fenster die Umrisse der britischen Inseln wie auf einer Landkarte
-sich aus dem weißglänzenden Meer erheben.
-
-»Na! So helfen Sie doch mir erst auf die Beine«, rief Münchhausen
-unwirsch, während er sich vergeblich bemühte, den großen Kautschuktisch
-von sich zu wälzen, der seinen Bauch beschwerte.
-
-Lachend befreiten ihn Schultze und John und richteten ihn dann mit
-großer Anstrengung auf.
-
-»Ich hab's!« rief in diesem Augenblick der Lord. »Nein! daß ich auch das
-nicht in Rechnung zog! Wahrhaftig, Heinz Friedung beschämt uns alle. Hat
-er uns nicht noch zugerufen: »Wissen Sie auch, was oben und unten ist?«
-Er allein hat die Folgen geahnt, die aus der Loslösung von der
-Anziehungskraft der Erde sich ergeben mußten.«
-
-»Schafskopf, der ich bin!« rief Schultze und glaubte im Augenblick
-selber an die Richtigkeit seiner Behauptung: »Das ist ja sonnenklar!
-Stößt die Erde uns ab, so ist auch die Richtung nach der Erde für uns
-nicht mehr unten, sondern oben! Lord, entweder müssen Sie die
-Einrichtung Ihrer sämtlichen Zimmer völlig umändern oder Sie müssen
-zusehen, ob Sie ihre ganze Sannah zu einer Umdrehung veranlassen können,
-sonst stehen Ihre sämtlichen Stiegen auf dem Kopf.«
-
-»Das ist meine geringste Sorge«, erwiderte Flitmore. »Die Treppen sind
-leiterartig und leicht gebaut, bestehen aus Aluminium und lassen sich
-aushaken. Wir können sie ohne große Mühe umdrehen; aber ich sorge, ob
-Mietje und Heinz keinen Schaden nahmen, und wie wird es in meinem
-chemischen Laboratium aussehen! Die Röhren und Gläser alle in Scherben.
-Schade! Ein Glück, daß die elektrischen Glühbirnen an den Wänden und
-nicht an den Plafonds angebracht waren, sonst ragten sie jetzt aus dem
-Fußboden empor und wären durch die stürzenden Möbel zertrümmert worden.«
-
-Es wurde beschlossen, zunächst nach der Lady und Heinz zu sehen.
-
-Die Deckenluken waren nun zu Falltüren im Fußboden geworden und die
-Treppen, die zu Aufstieg berechnet waren, galt es nun hinabzuklettern.
-Hiezu mußten sie erst ausgehängt und umgedreht werden, eine Arbeit, die
-zwar Mühe kostete, aber doch gelang.
-
-Bei dem Abstieg jedoch kamen neue Überraschungen: die Decken und
-Fußböden der Zimmer erschienen durchaus nicht eben noch wagrecht: sie
-zeigten bedenkliche Neigungen und Steigungen. Als die ersten fünfzehn
-Meter überwunden waren, hörte der Abstieg überhaupt auf: von da ab waren
-Decke und Fußboden der Zimmer nicht einfach vertauscht, sondern zu
-Seitenwänden geworden; die Decken- und Fußbodenluken waren hier einfache
-Türen und es bedurfte gar keiner Treppe mehr, um sie zu erreichen.
-Anfangs zeigten sich die neuen Fußböden, die bisher Zimmerwand gewesen
-waren, nach unten geneigt, im späteren Verlauf jedoch wurden sie mehr
-und mehr zu ansteigenden schiefen Ebenen und zuletzt schien auf einmal
-wieder alles in Ordnung, man konnte die folgenden Treppen belassen, wie
-sie waren, und statt des Abstiegs begann nun ein Aufstieg zu den letzten
-fünf Zimmern. -- Kapitän Münchhausen schüttelte den Kopf, während er
-keuchend seine Leibesfülle die Treppen emporschleppte: »Ihre Sannah ist
-rein verhext, Lord!« rief er: »Ich komme aus diesen Verhältnissen nicht
-mehr draus.«
-
-»Sonderbar, in der Tat, sonderbar«, gestand Flitmore.
-
-»Nein! Ganz natürlich,« belehrte der Professor überlegen; denn sein
-fleißiges Nachdenken hatte ihn des Rätsels Lösung finden lassen. »Unsre
-Sannah ist sozusagen selbständig geworden, ein von der Anziehungskraft
-der Erde emanzipiertes Frauenzimmer, ganz modern! Sie hat nun ihre
-eigene Zentripetalkraft und ihr Mittelpunkt ist für uns fortan jederzeit
-unten und ihre Oberfläche überall oben. Sie ist ein Planet für sich oder
-sagen wir ein Planetoid; sie ist in die Reihe der Weltkörper
-eingetreten, großartig, was?«
-
-»Sie haben recht, Professor!« stimmte Flitmore zu. »Und, sehen Sie, in
-diesen oberen Räumen ist alles in Ordnung geblieben, nur daß sich Decke
-und Fußboden gegen den Mittelpunkt neigen. Ein Glück, daß mein
-chemisches Laboratorium sich hier befindet. Da ist kein Stück
-beschädigt, nur etwas zusammengerutscht sind die Sachen, alles gegen die
-Mitte hin. Wir müssen zusehen, wie wir uns mit dieser Lage der Dinge
-zurechtfinden und uns so bequem als möglich einrichten. Es ist
-wahrhaftig fatal, daß ich diese Folgerungen in meine Berechnungen nicht
-einbezogen habe, sonst hätte ich Fußböden und Decken sämtlich als
-konzentrische Kugeln angeordnet und so allein wäre unter den obwaltenden
-Verhältnissen alles topfeben. Jetzt ist die Sache durch und durch
-verpfuscht.«
-
-»Na, schadet nichts, lieber Lord!« tröstete der Kapitän: »Große
-Unannehmlichkeiten entstehen uns daraus nicht, nur einige Arbeit, bis
-Sie in Ihrer Schreinerei die Hobelbank vom Plafond abgeschraubt haben
-und in der Schmiede den Amboß von der Wand, bis schließlich alles in die
-gebührende Lage zurückversetzt ist.«
-
-Oben angekommen, fanden sie Mietje und Heinz vergnügt beieinander. Heinz
-hatte der Lady inzwischen den Vorgang erklärt, wie er sich ihn ganz
-richtig bedacht hatte, und beide freuten sich, daß alles ohne Schaden
-für die andern abgelaufen war.
-
-
-
-
- 5. Im Weltenraum.
-
-
-Über den Erklärungen und dem Geplauder, das sich nun lebhaft erhoben
-hatte, war die Beobachtung der Weiterfahrt völlig vergessen worden, bis
-Mietje daran erinnerte.
-
-»Paßt auf!« sagte sie: »Wir nähern uns mit rasender Geschwindigkeit dem
-Mond.«
-
-Alle schauten nach oben.
-
-»Allerdings,« sagte Heinz, »er sieht schon ganz stattlich aus, aber
-merkwürdig düster.«
-
-»Hollah!« rief Schultze: »Das ist ja unsre Erde! Dunkel erscheint sie in
-der Tat; aber die Umrisse von Europa und Afrika lassen sich ganz
-deutlich unterscheiden.«
-
-Es war wirklich ein entzückender Anblick! Die Erde erschien als flache
-Scheibe, etwa zehnmal so groß als die scheinbare Größe des Vollmonds,
-und die mondbeleuchteten Kontinente zeigten sich wie auf einem
-Erdglobus: Europa, Afrika und ein Teil von Asien waren ganz zu übersehen
-und über Indien und Persien leuchtete schon die Morgensonne, so daß die
-Küsten deutlich dem staunenden Auge erschienen.
-
-»Was ist das wieder für ein Spuk!« polterte der Kapitän: »Ich meine
-doch, hier sollten wir den Ausblick direkt auf den Mond haben und die
-Erde ließen wir auf der andern Seite! Werter Lord, Sie haben mich
-sozusagen als Kapitän und Steuermann Ihrer Sannah angeheuert, aber mit
-solch einem vertrackten Fahrzeug weiß ich wahrhaftig nicht umzugehen.
-He, Professor! Sie Alleswisser, wie erklären Sie nun wieder diese
-Absonderlichkeit?«
-
-»Herrlich!« erwiderte Schultze begeistert: »Als echter Planet, der sich
-seiner Bedeutung im Weltall bewußt ist, dreht sich unsre Sannah um ihre
-eigene Achse und das in ungefähr zwei Erdenstunden. Passen Sie auf, in
-einer Stunde etwa sehen wir da oben wieder den Vollmond aufleuchten, und
-sobald wir außer dem Bereich des Erdschattens sind, wechseln bei uns Tag
-und Nacht stündlich; wir brauchen uns aber nur zu rechter Zeit in ein
-andres Zimmer unter der Oberfläche unsres Planeten zu begeben, um ewigen
-Tag zu genießen und unendliche Nacht, ganz nach Belieben!«
-
-»Ich muß gestehen,« sagte Flitmore, »das alles kommt mir ganz
-überraschend; meine astronomischen Kenntnisse sind nicht weit her und
-ich habe diese Umstände nicht in Rechnung gezogen.«
-
-»In der Tat,« lachte Schultze! »Auch über die
-Fortbewegungsgeschwindigkeit Ihrer Sannah täuschten Sie sich. Mit der
-Lichtgeschwindigkeit ist es einmal sicher nichts; sonst hätten wir den
-Mond schon längst hinter uns.«
-
-»Halt!« wandte der Lord ein: »Sie vergessen, daß wir uns noch in der
-Anfangsgeschwindigkeit befinden, die beständig wächst; überdies habe ich
-mit Absicht nur einen ganz schwachen Strom unsre Hülle durchkreisen
-lassen, damit wir unsern Nachbarn, den Mond, mit Muße betrachten
-können.«
-
-»Wissen Sie, was uns begegnen wird?« fragte der Professor »Wir werden
-als Bewohner eines regelrechten Planeten den Gesetzen der Gravitation
-unterworfen werden, das heißt unsere Sannah wird in elliptischer Bahn um
-die Sonne kreisen und dann sind wir hilflose Gefangene bis wir nach
-Verbrauch unseres Sauerstoffvorrats ein klägliches Ende nehmen.«
-
-»Sie sind ein unheimlicher Prophet, Herr Professor,« rief Mietje:
-»Hoffentlich wird Ihre Voraussage nicht in Erfüllung gehen.«
-
-Schultze zuckte die Achseln: »Die Gravitationsgesetze erleiden keine
-Ausnahme; jeder Weltkörper ist ihnen unterworfen; und da unser
-Weltschiff zu solch einem Weltkörper im unendlichen Raume geworden ist,
-muß er wohl samt uns allen ein Opfer dieser Gesetze werden.«
-
-»Was ist denn das, wenn ich mir zu fragen die Erlaubnis herausnehmen
-darf,« nahm nun John Rieger, der Diener, das Wort, »diese
-verhängnisreiche Kraft, woselbst Sie Gravisionskraft nennen?«
-
-»Das ist diejenige Kraft,« klärte der Professor den Wißbegierigen auf,
-»die alle Planeten, das heißt die Weltkörper, die sich um die Sonne
-drehen, in ihren Bahnen erhält. Der unsterbliche Isaak Newton hat als
-erster die Gesetze dieser Kraft festgestellt, die im Grunde nichts
-anderes ist, als die Schwerkraft: alle Weltkörper ziehen einander an und
-je größer ihre Masse ist, desto stärker ist ihre Anziehungskraft.«
-
-»Dann aber müßte doch sozusagen einer auf den andern fallen,« warf
-Rieger ein: »voraussichtlich die kleinen auf die größeren, wie zum
-Beispiel der Mond auf die Erde und die Erde auf die Sonnen.«
-
-»Sehr scharfsinnig bemerkt, mein Sohn!« lobte Schultze; »aber der Mond
-wird nicht bloß von der Erde, sondern auch von der Sonne angezogen und
-alle Weltkörper ziehen einander gegenseitig an. Dazu bewirkt die
-Anziehungskraft die elliptische Bewegung der Planeten um die Sonne und
-durch diese Eigenbewegung überwinden sie wieder bis zu einem bestimmten
-Grad die Anziehungskraft, so daß es eben diese Kraft ist, die in ihren
-Folgen das Weltall im Gleichgewicht erhält. Allerdings kommen auch
-Störungen in der regelmäßigen Umlaufbahn vor, wenn zwei Himmelskörper
-sich auf ihren Wegen nähern und dadurch eine verstärkte Anziehung
-aufeinander ausüben. Dadurch wird die Berechnung sehr verwickelt.
-
-So hat man berechnet, daß die Erde mindestens elf Bewegungen ausführt:
-1. dreht sie sich in 24 Stunden um sich selbst, das nennt man ihre
-Rotation; 2. bewegt sie sich um die Sonne mit einer Geschwindigkeit von
-29450 Metern, also beinahe 30 Kilometern, in der Sekunde; 3. eilt sie
-mit dem ganzen Sonnensystem dem Sternbild des Herkules oder der Leier
-zu; 4. schwingt die Erdachse; 5. verändert sich die Form der Erdbahn um
-die Sonne, indem sie sich bald der Kreisform nähert, bald wieder der
-Form einer langgestreckten Ellipse; 6. dreht sich diese Ellipse selber
-in ihrer eigenen Ebene in einer Periode von 21000 Jahren; 7. dreht sich
-die Erdachse in 25765 Jahren in einem Kreis; 8. die Anziehungskraft des
-Mondes, dem wir auch Ebbe und Flut verdanken, läßt den Pol des Äquators
-in 18 Jahren und 8 Monaten eine kleine Ellipse beschreiben, da der Mond
-eine Anschwellung der Erdmasse am Äquator hervorruft, die eine Art Ebbe
-und Flut auch des festen Landes darstellt; 9. die Lage des Schwerpunktes
-unseres Erdballs verändert sich allmonatlich ebenfalls infolge der
-Mondanziehung; 10. die Planeten, namentlich Jupiter und Venus,
-verursachen Störungen der Erdbahn; 11. der Mittelpunkt der jährlichen
-Umdrehung der Erde um die Sonne liegt nicht im Mittelpunkt der
-letzteren, sondern ist veränderlich. Es wäre übrigens leicht, noch mehr
-Bewegungen auszurechnen.«
-
-»Du siehst, John,« sagte Flitmore lachend, »wenn du in einem fahrenden
-Schnellzug auf und ab spazierst, die Hände schlenkernd und dabei die
-Finger bewegend, so machen deine Finger 15 Bewegungen mit und der
-Bazillus, der in deinem kreisenden Blute deiner Fingerspitze schwimmt,
-gar 17.«
-
-»Aber was sagen Sie, Lord, zu der Befürchtung unseres Professors, daß
-wir nun ewig um die Sonne kreisen werden?« fragte Heinz Friedung.
-
-»Damit hat es keine Gefahr,« erwiderte Flitmore. »Schultze ließ einen
-Hauptumstand außer acht. Ich habe überhaupt eine besondere Ansicht über
-die Gravitation; ich glaube, daß zwei Kräfte dabei tätig sind, eine
-Anziehungskraft und eine gegenseitige Abstoßungskraft, wie man ja auch
-annimmt, daß die Moleküle und Atome eines Körpers einander zwar anziehen
-aber doch nicht berühren, weil sie einander auch abstoßen. Der Ausgleich
-dieser beiden einander entgegenwirkenden Kräfte bestimmt meiner Ansicht
-nach den gegenseitigen Abstand, den die Himmelskörper einhalten; so
-erkläre ich mir auch, daß die flüchtigen Stoffe der Kometen bei der
-Annäherung an die Sonne bis zu einem gewissen Punkt angezogen, von da ab
-aber abgestoßen werden und so die Kometenschweife bilden.
-
-Für uns aber ist die Hauptsache, daß der Strom, der in der Sannah
-kreist, die Anziehungskraft überhaupt aufhebt und nur die Fliehkraft
-wirken läßt, so daß kein Weltkörper uns in seinen Bannkreis zwingen
-kann, so lange der Strom geschlossen bleibt.«
-
-»Das ist in der Tat richtig,« gab Schultze zu. »Aber hören Sie, noch
-eins erscheint mir rätselhaft: wir befinden uns jedenfalls schon längst
-im leeren Raum, außerhalb der irdischen Atmosphäre, deren Höhe auf etwa
-180 Kilometer geschätzt wird ...«
-
-»Erlauben Sie, daß ich Sie hier unterbreche,« bat Flitmore: »Wie stellen
-Sie sich unsere irdische Lufthülle überhaupt vor?«
-
-»Nun,« erwiderte der Professor: »Man ist der Ansicht, als ob es eine
-scharfe Abgrenzung der Atmosphäre gegen den Raum überhaupt nicht gebe,
-sondern bloß einen allmählichen Übergang durch stets zunehmende
-Verdünnung der Luft.«
-
-»Ganz richtig!« sagte der Lord: »Aber die Astronomen oder Astrophysiker,
-die diese schöne Theorie aufstellen, vergessen offenbar, daß die Erde
-bei ihrem Dahinsausen durch den Raum ihre Lufthülle mit sich nimmt. Wie
-wollen wir uns das erklären, wenn diese Hülle gar keine feste Grenze
-hat?«
-
-»Das stimmt!« meinte Heinz: »Es ist klar, daß die Anziehungskraft der
-Erde auf die obersten, dünnsten Luftschichten am schwächsten wirkt; in
-einer bestimmten Höhe muß die Attraktion nicht mehr genügen, um die in
-den leeren Raum übergehende unendlich verdünnte Luft festzuhalten und
-somit muß sie alles zurücklassen, was über diese Grenze hinausgeht; wäre
-also die Atmosphäre ursprünglich ohne bestimmte Grenze gewesen, so müßte
-sie doch alsbald durch die Fortbewegung der Erde zu einer scharfen
-Abgrenzung gelangt sein.«
-
-»Ganz meine Ansicht,« bestätigte Flitmore: »Ich gehe noch weiter; es
-wäre anzunehmen, daß die Erde immer mehr von ihrer Atmosphäre an den
-leeren Raum verlöre und die Masse derselben beständig abnehmen müßte.«
-
-»Das leuchtet mir ein,« meinte Schultze: »Jedenfalls muß die Lufthülle
-der Erde gegen den Raum scharf abgegrenzt sein, da sie mit der Erde
-durch die Leere saust.«
-
-»Doch nicht!« widersprach der Lord.
-
-»Oho!« rief Schultze verwundert: »Wie wollen Sie dann aus der Klemme
-kommen?«
-
-»Sehr einfach,« erklärte der Engländer: »Die Lufthülle der Erde ist nie
-und nirgends vom raumerfüllenden Stoff scharf unterschieden, weil eben
-dieser Stoff, der den Raum erfüllt, und den man Äther nennt, nichts
-anderes ist als Luft.«
-
-»Da hört sich aber doch alle Wissenschaft auf!« lachte der Professor.
-»Damit werden Sie in der wissenschaftlichen Welt schwerlich
-durchdringen.«
-
-»Möglich! Aber das ist meine Überzeugung. Ein ganz allmählicher Übergang
-der Atmosphäre in den umgebenden Raum ist nur dann möglich, wenn der
-Raum eben die gleichen Stoffe enthält, wie die Luft, freilich in äußerst
-dünner Verteilung. So mag die Erde einerseits beständig etwas von ihren
-obersten dünnsten Luftschichten an den Raum verlieren, sie wird aber
-andererseits auch beständig aus dem durcheilten Raum wieder Ersatz
-anziehen.«
-
-»Bravo!« rief Heinz: »Diese Theorie allein scheint mir genügend zu
-erklären, wieso die Erde ihre Lufthülle durch die Jahrtausende in
-gleicher Dichte und stets erneuerter Reinheit bewahren kann.«
-
-»So ist es,« bestätigte der Lord: »Und weiter folgt daraus, daß jeder
-Weltkörper entsprechend seiner Masse und Anziehungskraft, sowie seiner
-Rotations- und Umlaufgeschwindigkeit sich aus dem Raum eine Atmosphäre
-angezogen haben muß, die eben durch seine Attraktion verdichtet und an
-seiner Oberfläche am dichtesten geworden ist.«
-
-»Das hieße also: kein Weltkörper ohne Lufthülle?« fragte Schultze.
-
-»Das wäre allerdings die notwendige Folge meiner Annahme.«
-
-»Lassen wir das dahingestellt,« fuhr der Professor kopfschüttelnd fort:
-»Das Rätsel, von dem ich reden wollte, ist dies: da wir uns im leeren
-Raum, oder, wie Sie wollen, in äußerst verdünnter ätherischer Luft
-befinden, muß in unserer Umgebung eine Temperatur herrschen, die dem
-absoluten Nullpunkt nahe kommt, das heißt 273 Grad unter Null. Nun mag
-die Schutzhülle unserer Sannah noch so vorzüglich sein, ebenso Ihr
-Heizungssystem; wir müßten dennoch den Einfluß einer so ungeheuren Kälte
-spüren. Ich aber spüre nichts Derartiges, vielmehr ist es stets
-gleichmäßig behaglich warm.«
-
-»Über die Temperaturverhältnisse des Raumes sind wir völlig im
-unklaren,« entgegnete der Engländer: »Die beständige Abnahme der
-Temperatur ist schon innerhalb der Erdatmosphäre widerlegt, in welcher
-bekanntlich die große Inversion stattfindet: die unterste Luftschicht
-ist 3 bis 4 Kilometer hoch und befindet sich in steter Unruhe und
-Bewegung; über ihr befindet sich eine ruhigere, trockene, kalte
-Luftschicht, in der die Temperatur bis zu 85 Grad unter Null abnimmt. In
-einer Höhe von 10 Kilometern aber beginnt die dritte, sehr gleichmäßige,
-ruhige und trockene Schicht, die wieder wärmer ist und bei 14 Kilometer
-Höhe 52 bis 57 Grad unter Null aufweist. Die Theorie der >Strahlung< von
-Licht und Wärme halte ich für eine völlig verfehlte: sie müßte zu ganz
-unmöglichen Folgerungen führen. Bedenkt man, mit welcher Geschwindigkeit
-die Erde durch den Raum eilt, so daß in jedem Augenblick neue, zuvor im
-Raum verlorene Sonnenstrahlen sie treffen, so müßte man annehmen, daß
-sie überhaupt kein Licht und keine Wärme von der Sonne empfangen könnte,
-falls nicht der Raum, den sie durchwandert, erleuchtet und erwärmt wäre.
-Meiner Ansicht nach pflanzt sich Licht und Wärme in der Weise fort, daß
-die erleuchteten und erwärmten Stoffteile des Raumes sie einander durch
-Berührung weitergeben, meinetwegen als Schwingungen. Je dünner die
-Materie ist, desto rascher gibt sie die Schwingungen weiter und desto
-weniger speichert sie an Licht und Wärme auf; je dichter sie ist, desto
-mehr absorbiert oder verschluckt sie, speichert davon in sich auf oder
-wirft die Strahlen zurück, wobei es auf die Art des Stoffes ebenfalls
-ankommt, auf seine Leitungsfähigkeit, Färbung und so weiter.«
-
-»Sie haben recht, Lord,« mischte sich nun Kapitän Münchhausen in das
-Gespräch: »Auf den höchsten Berggipfeln, die infolge der mangelnden
-Erdwärme ewig in Eis und Schnee starren, brennt die Sonne viel heißer
-als unten in der dichten Atmosphäre. Warum? Die dünne Luft gibt ihre
-Wärme rascher ab, wobei sie sich selber weniger durch Aufspeicherung
-erwärmt; der Raum, durch den wir fliegen, ist jedenfalls weit kälter als
-die Bergluft, aber durchaus nicht so bodenlos kalt, wie man annimmt, und
-bei Tag werden wir es erfahren, daß die Sonnenstrahlen uns tüchtiger
-einheizen als irgendwo auf der Erde.«
-
-»Und da eine Hälfte unserer Sannah stets Sonnenlicht genießen wird,«
-fügte Heinz bei, »so denke ich, werden wir nie unter zu starker
-Abkühlung zu leiden haben.«
-
-»Damit rechne auch ich,« schloß Flitmore: »Ich glaube, wir werden,
-solange wir uns im Bereiche der Sonnenwärme befinden, überhaupt keiner
-Heizung mehr bedürfen; im Gegenteil, die Schutzhülle meines Weltschiffs
-wird uns vor unerträglicher Hitze bewahren müssen.«
-
-
-
-
- 6. Am Mond vorbei.
-
-
-Unsere Freunde richteten nun ihr Augenmerk wieder auf den Mond, der sein
-weißes Licht aufs neue durch das große Deckenfenster sandte; denn Sannah
-hatte inzwischen eine zweite Umdrehung vollendet.
-
-Er erschien nun als eine ungeheure Kugel, so nah, wie er durch das
-stärkste irdische Fernrohr nicht gesehen werden kann.
-
-»Wir stürzen geradewegs auf ihn zu!« rief Lady Flitmore nicht ohne
-Besorgnis.
-
-»Beruhige dich, Mietje,« tröstete ihr Gatte: »Die Fliehkraft gestattet
-nicht, daß wir an seiner Oberfläche zerschellen, er muß uns abstoßen,
-ehe wir ihm nahe kommen. Wenn wir übrigens wollten, könnten wir ihm
-einen Besuch abstatten: ich brauchte nur den Strom abzustellen.«
-
-»Ich stimme nicht dafür,« erklärte Münchhausen: »Er sieht durchaus nicht
-einladend aus, dieser Sehnsuchtstraum der Poeten.«
-
-»Und ob wir dort atmen könnten,« meinte Schultze: »Er soll ja keine
-Atmosphäre besitzen.«
-
-»Was das betrifft,« entgegnete der Lord, »so halte ich vorerst an meiner
-vorhin geäußerten Meinung fest, daß jeder Weltkörper seine Lufthülle
-besitzt.«
-
-»Doch hat man nie mit Sicherheit Dämmerungserscheinungen auf ihm
-beobachten können,« warf der Professor ein.
-
-»Das beweist gar nichts,« widersprach Flitmore hartnäckig: »Erstens
-wollen mehrere Astronomen Dämmerungserscheinungen auf dem Mond erkannt
-haben; zweitens gibt es in reiner Luft, wie Tyndall nachwies, überhaupt
-keine Dämmerungserscheinungen, diese rühren vielmehr von kleinen
-Partikelchen in der Atmosphäre her; so kennen zum Beispiel auch
-tropische Länder auf der Erde keine Dämmerung, und die Luft wollen Sie
-ihnen doch nicht absprechen? Daß der Mond keine Wolkenbildungen zeigt,
-beweist bloß den Wassermangel auf seiner Oberfläche. Andrerseits
-erscheint oft ein Stern vor der Mondscheibe, ehe er hinter derselben
-verschwindet, was sich am leichtesten durch die atmosphärische
-Lichtbrechung erklären läßt.«
-
-Einladend sah allerdings die Mondlandschaft nicht gerade aus, wie der
-Kapitän sehr richtig bemerkt hatte: alles erschien starr, öde und tot,
-ohne eine Spur von Pflanzenwuchs und Wasserläufen. Aber hochinteressant
-erschien der Anblick und fesselte denn auch die Augen der Beobachter.
-
-Die Gebirge erhoben sich zu ungeheurer Höhe über ihre Umgebung und
-überall zeigten sich die dem Monde eigentümlichen Ringkrater mit ihren
-himmelhohen steilen Rändern. Einzelne Erhebungen mochten eine absolute
-Höhe von 10000 Metern erreichen.
-
-Besondere Aufmerksamkeit wandten der Professor und der Lord dem Krater
-Linné zu, der von Lohrmann als ein Schacht von zehn Kilometer
-Durchmesser beschrieben und von Beer und Mädler als solcher mit
-besonderer Deutlichkeit beobachtet wurde, 1866 aber plötzlich
-verschwand. An seiner Stelle erschien später ein kleines Kraterchen, das
-auch die beiden Beobachter der Sannah erblickten.
-
-Gerne hätten sie auch den Doppelkrater Messier betrachtet, der sich
-ebenfalls in merkwürdiger Weise verändert haben soll: bei nicht weniger
-als 300 Beobachtungen von 1829 bis 1837 waren beide Krater rund und
-einander gleich; heutzutage zeigt der eine Krater eine elliptische Form
-und die Zwischenwand der beiden Schlünde ist durchbrochen.
-
-Man glaubt auch hie und da ein wogendes Nebelmeer in diesem Krater
-gesehen zu haben, vielleicht Rauchwolken. Für unsere Freunde war der
-Messier unsichtbar, weil das Mare foecunditatis, wo er sich befindet, in
-dunkle Nacht gehüllt war.
-
-Von mehreren Kratern sah man helle Strahlen ausgehen. Namentlich zeigte
-sich diese merkwürdige Erscheinung an dem großartigsten Ringgebirge des
-Mondes, dem Tycho, von welchem mehrere hundert getrennte Streifen bis zu
-1200 Kilometer Länge ausstrahlten.
-
-Schultze glaubte in diesen rätselhaften Gebilden erstarrte Lavaströme zu
-erkennen mit glatter glänzender Oberfläche. Dafür spricht der Umstand,
-daß sie nur bei voller Beleuchtung durch die Sonne sichtbar sind.
-
-Flitmore dagegen wies darauf hin, daß die Strahlen meist erst in einiger
-Entfernung von den Kraterwällen begannen und dann über Ebenen, Krater,
-Berge und Täler ununterbrochen hinwegliefen, um dann plötzlich am Fuße
-irgendeiner Erhebung zu enden oder sich allmählich in einer Ebene zu
-verlieren. Das stimmte doch nicht recht zu der Theorie der Lavaströme.
-
-Dagegen erkannten beide Forscher deutlich das Wesen der rätselhaften
-Rillen, die teils gerade, teils gekrümmt, bald vereinzelt, bald sich
-verzweigend oder einander schneidend, sich in den Ebenen und um die
-Berge herum zeigten, manchmal auch einen Berg durchbrechend. Sie
-erwiesen sich als mehr oder weniger breite klaffende Sprünge in der
-Mondoberfläche.
-
- [Illustration: Mondandschaft.]
-
-Mehr als einmal wurden auch Neubildungen auf dem Monde beobachtet, und
-unsere Freunde hatten das Glück, eine solche unter ihren Augen entstehen
-zu sehen: in der großen Ebene des Mare imbrium tat sich auf einmal der
-Boden auf, Rauch und Glut brach hervor und es bildete sich binnen
-weniger Minuten ein Krater, von dem aus ein Schlamm- oder Lavastrom sich
-in die Umgebung ergoß.
-
-»Schade, daß die Astronomen auf der Erde den neuen Vulkan nicht sehen
-können,« meinte Flitmore bedauernd: »Er ist zu klein für ihre
-Instrumente.«
-
-»Wir haben den Vorgang beobachtet, das genügt!« triumphierte Schultze.
-
-»Ja,« mischte sich Heinz darein; »Falls wir je wieder die Erde erreichen
-und Kunde von diesem Vorgang dorthin bringen können.«
-
-»Damit wäre ein alter Streit entschieden,« sagte der Professor, »wenn
-man uns nämlich Glauben schenkt, was immerhin sehr zweifelhaft bleibt.«
-
-»Was für merkwürdige Farben!« bemerkte nun Lady Flitmore und wies auf
-die Gegend des Oceanus procellarum hin.
-
-In der Tat zeigten sich dort ausgedehnte Flecken von hellgrüner und
-gelblicher Färbung.
-
-»Sollte da am Ende dennoch Pflanzenwuchs vorhanden sein?« wagte Heinz zu
-vermuten.
-
-»Achtung, meine Herren!« rief jetzt der Lord: »Wir werden nun einen
-Anblick bekommen, den kein irdisches Auge noch genossen hat. Bekanntlich
-kehrt der Mond der Erde stets nur ein und dieselbe Seite zu, weil er
-sich genau in der gleichen Zeit um seine Axe wie um die Erde dreht. Nur
-infolge seiner Libration, das heißt seiner geringen Axenschwankung,
-sehen wir bald auf der einen, bald auf der andern Seite einen kleinen
-Teil der von uns abgekehrten Hälfte.
-
-Nun ist der Moment gekommen, wo wir am Erdtrabanten vorbeifliegen und
-seine rätselhafte Rückseite zu Gesicht bekommen werden, und zwar aus
-verhältnismäßiger Nähe; denn wir sind ihm bis auf 10000 Kilometer
-nahegekommen, während er 400000 Kilometer von der Erde entfernt ist.«
-
-Alle waren aufs höchste gespannt auf den Anblick, den die geheimnisvolle
-Rückseite des Mondes ihnen gewähren würde, obgleich Schultze meinte, sie
-werde nicht viel verschieden sein von dem, was man bisher geschaut.
-
-Zur Beobachtung mußte ein andres Zimmer aufgesucht werden, da infolge
-der Umdrehung der Sannah der Mond für das Zimmer, in welchem sich die
-Gesellschaft befand, gerade unterging.
-
-Der Lord beschloß, sich dem Monde noch weiter zu nähern, damit alle
-Einzelheiten der zu erwartenden Erscheinungen mit voller Deutlichkeit
-beobachtet werden könnten. Er stellte daher den Zentrifugalstrom ab und
-mit rasender Geschwindigkeit stürzte die Sannah dem Monde zu.
-
-Das nächste, was entdeckt wurde, war die Fortsetzung der farbigen
-Flecke, die sich durch das Teleskop nun deutlich als grüne Matten und
-dürre Grassteppen erkennen ließen.
-
-»Was ist das?« rief Lady Flitmore auf einmal erschreckt aus.
-
-Durch das Fenster fiel ein leuchtender Schein.
-
-Der Lord sah auf und eilte dann mit einem Satz an die Stromschaltung, um
-die Fliehkraft wieder in Tätigkeit zu setzen.
-
-»Was war's?« fragte Heinz.
-
-»Wir sind in die Mondatmosphäre eingedrungen,« erklärte der Engländer,
-»und bei der Geschwindigkeit unsres Sturzes begannen die Metallränder
-der Fenstereinfassung trotz des Flintglasschutzes zu glühen; doch die
-Gefahr ist beseitigt; wir erheben uns bereits wieder über die
-Atmosphäre.«
-
-»Sie ist also vorhanden, diese vielbezweifelte Mondluft,« sagte
-Schultze.
-
-»Daran ist nicht mehr zu zweifeln; aber sehen Sie!« erwiderte Flitmore.
-
-Die Mondoberfläche war kaum noch hundert Kilometer entfernt; so hoch
-erhob sich der dichtere Teil ihrer atmosphärischen Hülle. Und nun
-zeigten sich Landschaftsbilder von entzückender Pracht.
-
-Auch hier herrschten die sonderbaren Ringgebirge vor; aber sie waren
-bewaldet.
-
-Die Entfernung gestattete nicht, mit bloßem Auge die Natur dieser Wälder
-zu erkennen, das Fernrohr jedoch offenbarte ganz eigentümliche
-Baumformen, wie sie auf der Erde kaum zu finden sind. Die meisten dieser
-Gewächse glichen ungeheuren Grasbüscheln auf hohen Stämmen, so daß sie
-palmenartig aussahen; doch hatten die Bäume nur selten eine eigentliche
-Krone; meist waren es wagrechte Äste, die ihr buschiges Ende nach allen
-Seiten hin ausstreckten.
-
-Riesenfarnen und Nadelbäume von demselben eigentümlichen Bau waren an
-andern Stellen zu sehen; die Wedel standen wagrecht von den Stämmen ab
-und neigten sich zum Teil nach unten, so daß unter dem Stamm kein
-Schatten zu finden sein konnte, abgesehen vom spärlichen Schatten des
-Stammes selber und seines Astholzes; in ziemlicher Entfernung erst umgab
-den Baum ein Kreis von schattigen Stellen.
-
-In den Ringkratern leuchteten häufig kleinere oder größere Seen;
-Wasserfälle und Bäche stürzten die steilen Bergwände herab, größere
-Flußläufe und Meere waren jedoch nicht zu sehen: die Bäche ergossen sich
-in kleine Binnenseen oder versandeten in der Ebene; vielfach schienen
-auch Sümpfe die Niederungen zu bedecken.
-
-Von lebenden Wesen war nichts zu entdecken und Schultze sprach die
-Vermutung aus, daß eine Tier- und Vogelwelt jedenfalls vorhanden sein
-dürfte, allein wahrscheinlich nur in einer geringen Anzahl von
-Exemplaren von bescheidenster Größe, so daß auf solche Entfernung nichts
-davon zu erkennen sei.
-
-Wolkenbildungen schienen auch auf dieser Seite des Mondes überhaupt
-nicht vorzukommen, was bei dem Mangel an bedeutenderen Wasserflächen
-nicht gerade verwunderlich war. Dagegen stiegen da und dort
-Nebelschleier auf, die dazu dienen mochten, das Land zu befeuchten und
-die Quellen zu speisen.
-
-Leider war der größte Teil der Mondscheibe auf dieser Seite in Nacht
-gehüllt, so daß es unbekannt blieb, ob nicht noch unbekannte Wunder,
-vielleicht gar Spuren menschenähnlicher Geschöpfe in den verborgenen
-Gegenden zu schauen gewesen wären.
-
-»Einen langen Tag und eine lange Nacht haben die etwaigen Mondbewohner,«
-sagte Schultze. »Sie währen 14¾ unsrer Erdentage; um so kürzer ist ihr
-Jahr, denn es dauert eben nur einen Tag und eine Nacht, im ganzen 29½
-Erdentage.
-
-Auf dieser Seite des Mondes wird die Erde niemals geschaut, während sie
-auf der andern, jedenfalls unbelebten und unbewohnbaren Seite des Mondes
-unbeweglich am Himmel steht, ohne jemals auf- oder unterzugehen oder
-ihre Lage zu verändern. Sie erscheint dreizehnmal größer als uns auf
-Erden der Mond erscheint und macht innerhalb 24 Stunden alle Mondphasen
-durch. Welch herrlichen Anblick und welch strahlendes Licht gewährt sie
-dort, wo wahrscheinlich niemand sie zu bewundern vermag!«
-
-Lord Flitmore beschloß, von nun ab die Fahrt in die Welträume aufs
-äußerste zu beschleunigen und stellte den vollen Zentrifugalstrom ein;
-dann wurde eine Mahlzeit eingenommen, die John als Allerweltskünstler
-inzwischen bereitet hatte.
-
-Da die Weltallreisenden dringendes Ruhebedürfnis verspürten, wurde
-beschlossen, daß sich nun jeder in sein eigenes Schlafgemach
-zurückziehen solle, um einige Stunden des Schlafes zu pflegen.
-
-Bei den zahlreichen Räumen, die Lord Flitmores Sannah enthielt, hatte
-nämlich jeder ein besonderes und sehr geräumiges Schlafzimmer zur
-Verfügung.
-
-Zuvor aber wurde der Wachdienst geregelt.
-
-Es wurde allgemein anerkannt, daß eine ständige Wache unerläßlich sei,
-einmal weil bei einer Fahrt von solch rasender Geschwindigkeit, wie sie
-jetzt ausgeführt wurde, unbekannte Gefahren jederzeit drohten; sodann
-weil besonders interessante Erscheinungen sich bieten konnten, die sich
-niemand gerne hätte entgehen lassen mögen.
-
-Die Schlafzeit wurde auf 8 Stunden festgesetzt, und da Mietje darauf
-bestand, ihren Wachdienst gleich den Männern zu versehen, wurde jede
-»Nacht«, wenn man die Zeit des Schlafes so nennen wollte, in drei Wachen
-eingeteilt, so daß auf jeden alle 48 Stunden eine Wache von etwa 2¾
-Stunden kam; gewiß keine übermäßige Leistung, da er hernach schlafen
-konnte, so lange es ihm behagte.
-
-Der jeweilige Wachhabende hatte die Runde durch alle Beobachtungszimmer
-zwei- oder dreimal zu machen, um alle Himmelsrichtungen zu beobachten.
-Sah er eine Gefahr oder etwas besonders Merkwürdiges, so war er
-verpflichtet, das elektrische Läutwerk erklingen zu lassen, das in allen
-Gemächern zugleich ertönte und von jedem Zimmer aus durch den Druck auf
-einen Knopf in Tätigkeit gesetzt werden konnte.
-
-
-
-
- 7. Eine ernste Gefahr.
-
-
-Lord Flitmore übernahm die erste Wache.
-
-Mit ungeheurer Geschwindigkeit stürzte die Sannah ins Leere.
-
-An der Abnahme der scheinbaren Größe des Mondes berechnete der Lord, daß
-sie etwa 100 Kilometer in der Sekunde zurücklegte.
-
-»Die Geschwindigkeit wird sich mit der Zeit noch verdoppeln, vielleicht
-verdreifachen,« murmelte er; »aber damit wird sie auch ihre höchste Eile
-erreicht haben. Im gegenwärtigen Tempo würden wir in neun Tagen die
-Marsbahn kreuzen, mit 300 Kilometern in der Sekunde in drei Tagen; dann
-würden wir drei Wochen benötigen, um die Jupiterbahn zu erreichen,
-weitere 25 Tage, um nach dem Saturn zu gelangen, dann 55 Tage bis zum
-Uranus und etwa 62 Tage bis zum Neptun, im ganzen fünfeinhalb Monate.
-Das würde elf Monate ausmachen, bis wir wieder zur Erde zurückgelangten,
-und so lange kann ich wohl hoffen, daß unsere Luftvorräte ausreichen,
-ganz abgesehen von der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, sie auf
-irgend einem Planeten erneuern zu können, wodurch wir in Stand gesetzt
-würden, noch unbestimmte Zeit auf die Besichtigung und Erforschung der
-Planeten zu verwenden, deren Natur unserer Konstitution einen Aufenthalt
-auf ihrer Oberfläche gestatten würde. So könnten wir also ohne
-besonderes Risiko bis an die Grenzen unseres Sonnensystems reisen.«
-
-»Prächtig!« rief eine Stimme.
-
-»Oho, Sie sind's, Professor?« sagte der Lord, sich umwendend. »Sie sind
-zu früh dran; erst in einer halben Stunde kommt die Wache an Sie.«
-
-»Na! Ich habe die zwei Stunden famos geschlafen und fühle mich ganz
-munter; so wollte ich Ihnen die letzte Zeit Ihrer Wache Gesellschaft
-leisten; aber Sie werden müde sein; legen Sie sich nur gleich, wenn Sie
-wollen, ich bin ja auf dem Posten.«
-
-»Ich fühle nichts von Müdigkeit; ich bin es gewohnt, lange zu wachen.«
-
-»Also bis zum Neptun können wir reisen, wenn ich Sie recht verstand? Das
-ist ja famos!«
-
-»Für mich bedeutet es vielmehr eine Enttäuschung: ich wünschte die
-Welträume jenseits unsres Sonnensystems zu erforschen; aber das scheint
-nun ausgeschlossen, denn wir würden bei einer Geschwindigkeit von nur
-300 Kilometern in der Sekunde so beiläufig 4500 Jahre brauchen, um den
-nächsten Fixstern Alpha Centauri zu erreichen.«
-
-»Na, wissen Sie, Lord, wenn wir uns hier in der Unendlichkeit bewegen,
-außerhalb des Bereichs irdischer Naturgesetze, so ist es ja wohl gar
-nicht ausgeschlossen, daß wir einige tausend Jahre alt werden,« scherzte
-Schultze.
-
-»Und auf leibliche Nahrung und Atmung in gesunder Luft dabei verzichten
-können,« ergänzte Flitmore. »Kann sein! Denn was ein Professor für
-möglich hält, muß sein können. Aber ich fürchte, wir würden an
-Langerweile zu Grunde gehen, wenn wir viereinhalb Tausend Jährlein durch
-den leeren Raum reisen wollten.«
-
-»Hören Sie, Lord,« sagte Schultze unvermittelt: »Die Sonne wird
-merkwürdig klein!«
-
-Er hatte einen Blick zum Fenster hinausgeworfen und zu seiner
-Verblüffung bemerkt, daß die Sonnenscheibe kaum noch halb so groß
-erschien, wie gewöhnlich und auch an Glanz in ähnlichem Verhältnis
-abgenommen hatte.
-
-Bei einer Geschwindigkeit von 360000 Kilometern in der Stunde war diese
-Erscheinung ein Rätsel: vier bis fünf Tage von 24 Stunden hätte
-normalerweise die Fahrt währen müssen, bis die Sonne in solcher
-Entfernung sich zeigte.
-
-Flitmore wunderte sich zunächst nicht weiter über des Professors
-Bemerkung: »Ja,« sagte er, »wir entfernen uns immer mehr von unserm
-Zentralgestirn.«
-
-Dabei blickte auch er zum Fenster empor.
-
-»Halloh!« rief er nun aber ganz verblüfft: »Was soll das bedeuten?«
-
-Er griff sich an die Stirn, als zweifle er, ob er wache oder träume.
-
-»Lord, die Sannah macht nicht 300, sondern 15000 Kilometer in der
-Sekunde,« rief Schultze aus: »Auf diese Weise erreichen wir Alpha
-Centauri bereits in 90 Jahren; wenn übrigens die Geschwindigkeit Ihres
-wunderbaren Weltschiffes im gleichen Tempo noch weiter zunimmt, wie
-anzunehmen ist, so können auch 90 Tage daraus werden.«
-
-»Ausgeschlossen, völlig ausgeschlossen!« sagte nun Flitmore ruhig und
-bestimmt, ging hin und unterbrach den Zentrifugalstrom.
-
-»Was machen Sie da?« frug der Professor.
-
-»Es war die höchste Zeit, daß wir die Sachlage entdeckten,« erklärte der
-Lord: »Wir müssen bereits über die Marsbahn hinausgekommen sein. Hätte
-ich mich zur Ruhe gelegt und Sie hätten die Bedeutung der auffallenden
-Erscheinung nicht erkannt, so wären wir rettungslos verloren gewesen.
-Ja, verloren im unendlichen Raum! Es handelt sich hier nicht um eine
-fabelhafte Geschwindigkeit unseres Fahrzeugs, sondern um die rasende
-Schnelligkeit, mit der unser Sonnensystem durch das Weltall saust. Da
-wir die Anziehungskraft für uns aufgehoben hatten, nahm uns das
-Sonnensystem auf seiner Fahrt nicht mit, sondern drohte, uns hinter sich
-zurück im Raum zu lassen.«,
-
-»Erlauben Sie, Lord! Die Sonne soll sich freilich mit ihren Trabanten
-auf das Sternbild des Herkules zu bewegen, aber nur mit 16 Kilometern in
-der Sekunde, so daß diese Bewegung gegen die 300 Sekundenkilometer der
-Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre rasche Entfernung
-von der Sonne erklärt.«
-
-»Sie haben recht, Professor; aber da ist eine Bewegung, die kein
-irdischer Astronom erkennen konnte, die aber geahnt und vermutet worden
-ist, und die sich in diesem Augenblick enthüllt hat: Die ganze
-Fixsternwelt, innerhalb deren sich die einzelnen Systeme bewegen, wie
-etwa unser Sonnensystem nach dem Herkules, bildet wiederum ein großes
-System, das offenbar mit 15000 oder noch mehr Sekundenkilometern wie ein
-Strom durch die Unendlichkeit des Raums dahinfährt und diese Strömung
-ist es, die drohte uns unser Sonnensystem in kurzer Zeit zu entführen,
-so daß wir im Leeren zurückgeblieben wären, fern von allen Weltkörpern,
-die uns hätten anziehen oder abstoßen können und uns so die Aussicht
-gewährt hätten, irgendwo zu landen.«
-
-»Nanu! So hätten wir eben zuwarten müssen, bis der große Weltenstrom
-neue Welten in unsre Nähe geführt hätte.«
-
-»Ein guter Gedanke; aber wer weiß, wie viele tausend Jahre wir darauf
-hätten warten müssen. Jedenfalls zog ich es vor, uns wieder dem Einfluß
-der Anziehungskraft zu überlassen, da es zunächst für unsre Sicherheit
-notwendig erscheint, unser Sonnensystem nicht zu verlassen. Jetzt werden
-wir voraussichtlich in die Attraktionssphäre des Mars geraten und müssen
-aufpassen, daß wir nicht unsanft auf ihn herabstürzen. Ich werde mich
-daher nicht zur Ruhe begeben, um meine Maßregeln rechtzeitig treffen zu
-können.«
-
-
-
-
- 8. Die großen Astronomen.
-
-
-Unsre Freunde hatten beschlossen, ihre Zeitrechnung nach irdischem
-Maßstab einzuteilen, um jeglicher Verwirrung der Begriffe zu entgehen,
-und so war es, wie die Uhren der Sannah anzeigten, 8 Uhr morgens, als
-sich alle um den Frühstückstisch im Nordpolzimmer versammelten.
-
-Die Schlafgemächer befanden sich sämtlich in den inneren Räumen, die auf
-künstliche Beleuchtung angewiesen waren; die vier Säle, die sich in der
-Äquatorlinie der Sannah befanden, hatten stets abwechselnd eine Stunde
-Tag und eine Stunde Nacht; im Südpolzimmer dagegen herrschte zur Zeit
-beständige Nacht, im Nordpolzimmer unaufhörlich Tag. Aus diesem Grunde
-wurde letzteres zum gewöhnlichen Aufenthaltsort gewählt.
-
-Schultze berichtete eingehend über die Vorkommnisse der vergangenen
-Nacht und schloß mit den Worten: »Die Tatsache, daß die Erde mit dem
-Mond so rasch aus unserem Gesichtskreis entschwand, sowie daß das ganze
-Sonnensystem uns zu entfliehen drohte, ist der erste praktische Beweis
-für die Richtigkeit des kopernikanischen Systems.«
-
-»Wieso?« fragte Heinz Friedung erstaunt: »Ich meinte, nichts von der
-Welt stehe so sicher wie dieses System und es sei längst schon als
-zweifellos richtig erwiesen!«
-
-»Da sieht man die Schulweisheit!« lachte der Professor: »Was einer
-glaubt, verkündigt er, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Einbildung,
-gewöhnlich als zweifellose Wahrheit. So werden den Schülern und selbst
-den Studenten die anerkannten wissenschaftlichen Vermutungen als
-felsenfest stehende Wahrheiten verkündigt. Meist lassen sie sich dadurch
-täuschen, und so kommt es, daß die große Menge sowie auch die von ihrer
-eigenen Unfehlbarkeit überzeugten Gelehrten glauben, jeden verhöhnen und
-als ungebildet und rückständig brandmarken zu dürfen, der ihren Glauben
-nicht teilt und an dem zweifeln zu dürfen glaubt, was als modernster
-Standpunkt der Wissenschaft gilt.
-
-Es ist wahr, das kopernikanische System ist überaus einleuchtend und
-erklärt am besten alle astronomischen Erscheinungen auf der
-Wissensstufe, auf der wir zur Zeit stehen; ja, unser ganzes
-Physikalisches Begriffssystem beruht auf der Voraussetzung seiner
-Richtigkeit. Aber zweifellos bewiesen ist diese Richtigkeit so wenig,
-wie irgend eine andre sogenannte »wissenschaftliche Wahrheit«. Es ist
-sehr unwahrscheinlich, aber durchaus nicht undenkbar, daß ein kommendes,
-fortgeschritteneres Gechlecht wieder zum ptolomäischen Weltsystem
-zurückkehrt. Dann müßte allerdings die gesamte astronomische
-Wissenschaft umgearbeitet und eine neue Physik erfunden werden, die sich
-auf der ptolomäischen Anschauung aufbauen würde. Wie gesagt, es ist
-unwahrscheinlich, daß dies geschehen wird, aber durchaus nicht
-unmöglich, denn unsre Wissenschaft baut sich lediglich auf Vermutungen
-auf, nicht auf Wissen: Tatsachen sind keine Wissenschaft, sondern erst
-die stets unsichern Schlüsse, die wir aus den Tatsachen folgern.«
-
-»Mit Verlaub, Herr Professor,« begann nun John Rieger, der stets
-bestrebt war, seine Bildung zu vermehren: »Was ist das eigentlich, das
-polemische und das koperganische Weltsystem, wenn ich mir solche Frage
-aus Unbescheidenheit zu stellen gestatten darf?«
-
-»Gewiß darfst du das, und ich will dich gerne aufklären: Claudius
-Ptolomäus war ein berühmter Sternkundiger im zweiten Jahrhundert vor
-Christus und lebte in der Stadt Alexandria in Ägypten. Er glaubte, die
-Erde bilde den Mittelpunkt der Welt und stehe unbeweglich fest, während
-Sonne, Mond und Sterne sich um sie bewegten, wie es ja für uns den
-Anschein hat. Diese Meinung nennt man das ptolomäische Weltsystem, an
-das man noch 1500 Jahre nach Christus allgemein glaubte.
-
-Nikolaus Kopernikus war ein polnischer Priester, der ein Buch schrieb,
-auf dem unsere jetzigen Anschauungen beruhen, und das im Jahre 1543
-erschien. Hier erklärt er nicht nur, daß die Erde sich um ihre Achse
-dreht, woraus Tag und Nacht entstehen, sondern daß sie auch in einem
-Jahre sich um die Sonne bewegt, die den stillstehenden Mittelpunkt
-unseres Sonnensystems bilde, um den sich auch die andern Planeten oder
-Wandelsterne drehen. Ja, er entdeckte auch eine dritte Bewegung der
-Erde, die Schwankung ihrer Achse, die er Deklination nannte, durch
-welche bewirkt wird, daß das Erdenjahr nicht völlig mit einer
-scheinbaren Umdrehung des Himmels zusammenfällt, so daß die Tag- und
-Nachtgleichen etwas zu früh eintreten. Die Ansicht des Kopernikus nennt
-man das kopernikanische Weltsystem.«
-
-»Na!« meinte John geringschätzig: »Der Ptolomäus muß ja ein ganz
-törichter und ungebildeter Mensch gewesen sein und was der Kopernikus
-behauptet hat, ist nichts besonderes: Das weiß ja jedes Kind, daß sich
-die Erde um die Sonne dreht!«
-
-»Weil man es ihm in der Schule sagt, mein Freund. Aber du mußt bedenken,
-dem Kopernikus hat es niemand gesagt, der hat es aus sich selbst heraus
-gefunden.«
-
-»Halt, Professor!« widersprach der Lord: »Es ist eine uralte Weisheit
-der Ägypter, die Kopernikus aufwärmte, wodurch jedoch sein Verdienst
-nicht geschmälert sein soll. Schon in den ältesten Zeiten gab es große
-Geister, die auffallend richtige Begriffe über die Erde und unser
-Sonnensystem besaßen. Sie scheinen dieselben von den ägyptischen
-Priestern überkommen zu haben und diese vielleicht von den Chaldäern.
-Aber das Verdienst dieser scharfen Denker ist es, daß sie diese damals
-so unglaublichen Wahrheiten als richtig erkannten und auf Grund
-derselben wissenschaftliche Großtaten vollbrachten.
-
-Denken Sie an die Cheopspyramide, die 3000 Jahre vor Christus erbaut
-wurde und deren Maße in überraschend genauem Verhältnis zum Umfang der
-Erde und zu einigen erst in neuester Zeit wieder entdeckten
-astronomischen Entfernungsmaßen stehen. Ihre Kanten sind nach den vier
-Himmelsrichtungen gerichtet, und in der königlichen Leichenkammer
-befindet sich ein Spiegel, der durch einen langen, geneigten Tunnel
-unaufhörlich nach dem Polarstern blickt. Wer solche Berechnungen
-auszuführen vermochte, besaß Fähigkeiten und wissenschaftliche
-Kenntnisse, eine Beobachtungsgabe und eine Denkkraft, die auch von den
-ersten Größen unserer modernen Astronomie Kopernikus, Keppler, Galilei
-und Isaak Newton nicht übertroffen wurde.«
-
-»Sie haben recht«, gab Schultze zu: »Die Alten hatten gewaltige Geister,
-die ohne unsre modernen Hilfsmittel, ohne Teleskop und Spektralanalyse,
-beinahe so viel erreichten, wie unsre modernsten wissenschaftlichen
-Größen mit all den Vorteilen der Riesenarbeit ihrer Vorgänger und der
-vollkommensten Instrumente.
-
-Schon der griechische Weltweise Bion lehrte 500 Jahre vor Christus die
-Kugelgestalt der Erde und behauptete, es müsse auf unsrer Erde Gegenden
-geben, auf denen es sechs Monate lang Tag und sechs Monate Nacht sei.
-Eratosthenes von Alexandria rechnete den Umfang der Erde mit
-verblüffendem Scharfsinn und erstaunlicher Genauigkeit aus, wobei er zu
-annähernd demselben Ergebnis kam, wie lange vor ihm die Chaldäer.
-
-Der Geograph Strabo ahnte Amerika, da er sagte, es könne noch zwei oder
-mehrere unbekannte Kontinente auf der Erdkugel geben. Aristarch wagte
-es, die Entfernung und Größe des Mondes und der Sonne zu berechnen,
-wobei er die Größe des Mondes und die Entfernung der Sonne fast genau so
-angab, wie wir sie heute erforscht haben: das waren Maßstäbe, die für
-jene Zeiten geradezu ungeheuerlich erscheinen mußten. Posidonius
-lieferte eine wahrhaft wunderbare Berechnung der Erdatmosphäre und der
-Lichtbrechung, und ebenso erstaunlich ist seine Berechnung der Größe der
-Sonne: wir ahnen nicht, mit welchen Mitteln er solche verblüffende
-Ergebnisse erreichte.
-
-Auch Apollonius von Pergä war ein solcher Geistesriese, der den Begriff
-der Parallaxe entdeckt haben soll, das heißt die Methode zur Berechnung
-der Entfernung der Gestirne. Hipparch berechnete den Schattenkegel des
-Mondes mit großer Genauigkeit und schloß daraus auf die Entfernung von
-Sonne und Mond.
-
-Pythagoras lehrte die Bewegung der Erde als Ursache der scheinbaren
-Bewegung der Gestirne; Aristarch erkannte, daß die Erde sich um die
-Sonne drehe und daß die Fixsterne sich in ungeheurer Entfernung von uns
-befinden. Dies alles scheint übrigens Demokrit schon 400 Jahre vor
-Christus erkannt zu haben.
-
-Archimedes hatte schon die ersten Ideen von der Gravitation. Aber all
-diese kühnen Fortschritte lagen hernach jahrhundertelang brach und
-vergessen, bis Kopernikus sein großes Werk schrieb, zu dessen Prophet
-sich der unglückliche Giordano Bruno aufwarf.
-
-Dann kam Tycho Brahe, der große Beobachter, dem Kepler so viel
-verdankte. Johann Kepler stellte die berühmten Gesetze der
-Planetenbewegung auf, ihre elliptische Bahn um die Sonne, das Gesetz
-ihrer Bewegungsgeschwindigkeit im Verhältnis zu ihrer Bahn und das
-Gesetz des Verhältnisses ihrer Umlaufzeit zu ihrer mittleren Entfernung
-zur Sonne.
-
-Galilei benutzte als erster das Fernrohr, entdeckte die Monde des
-Jupiter und die Mondphasen der Venus; Cassini berechnete die Entfernung
-der Sonne aus ihrer Parallaxe beim Durchgang des Mars; Römer und
-Leverrier maßen die Geschwindigkeit des Lichts, Newton stellte die
-Gesetze der Gravitation auf; Kant und Laplace brachten das Weltall mit
-seinen Bewegungsgesetzen in ein großartiges System und erklärten seine
-Entstehung, Entwicklung und seine Zukunft. Endlich entdeckte Herschel
-den Planeten Uranus, Piazzi, Gauß und Olbers die Planetoiden, wiederum
-Herschel die Eigenbewegung der Fixsterne und das Vorhandensein von
-Doppelsternen; er war es auch, der die Nebelflecke studierte.
-
-Als nun noch im Jahre 1838 die erste Fixsternparallaxe berechnet wurde,
-was uns in den Stand setzte die Entfernung und Größe der Himmelskörper
-außerhalb unsres Sonnensystems zu berechnen, waren die großen
-astronomischen Entdeckungen zu Ende, wenn wir absehen von den
-wunderbaren Enthüllungen durch die Spektralanalyse.«
-
-»Danke, weisester aller Professoren!« sagte Münchhausen lachend: »Sie
-haben uns da einen Vortrag gehalten, der wahrhaftig ein Abriß der
-Geschichte der Astronomie in den letzten 10000 Jahren genannt werden
-darf. Aber in einem Punkte irren Sie: Sie haben sozusagen die großen
-astronomischen Entdeckungen für abgeschlossen erklärt, und vergessen,
-daß sie eben jetzt erst recht anfangen, seit wir ausgezogen sind, das
-Weltall persönlich zu erforschen.«
-
-»Und jetzt haben wir die beste Gelegenheit zu solchen Entdeckungen,«
-sagte Mietje, die soeben eingetreten war. Sie hatte einen Rundgang durch
-die Beobachtungszimmer gemacht, wie er abwechselnd jede halbe Stunde
-ausgeführt wurde, um vor unliebsamen Überraschungen sicher zu sein.
-
-»Was gibt's?« fragte Flitmore.
-
-»Wir nähern uns dem Mars mit großer Geschwindigkeit«, erwiderte seine
-Gattin.
-
-Flitmore stand auf: »Lassen Sie uns sehen, meine Herren«, sagte er, und
-alle folgten ihm in eines der Äquatorialzimmer, von dem aus die Lady den
-Planeten beobachtet hatte.
-
-
-
-
- 9. Der Mars.
-
-
-Die Sannah, die seit der vergangenen Nacht, wenn man von einer Nacht
-reden konnte, nicht mehr von dem Strom der Fliehkraft durchkreist wurde,
-befand sich in der Anziehungssphäre des Planeten, der seit lange den
-Beobachtungseifer und die Phantasie der Astronomen am meisten angeregt
-hat.
-
-Man war ihm schon so nahe, daß man die größeren Gebilde seiner
-Oberfläche deutlich unterscheiden konnte, ohne das Fernrohr zu benutzen.
-
-»Da hört sich ja alle Wissenschaft auf!« war das erste, was Schultze
-überrascht und enttäuscht ausrief: »Soll das wirklich der Mars sein? Wo
-sind denn die Kanäle, meine geliebten Kanäle, die ich so fleißig
-beobachtet und mit solcher Zärtlichkeit studiert habe, das Wunder, das
-Rätsel des Mars?«
-
-Von Kanälen war in der Tat keine Spur zu sehen.
-
-Flitmore meinte, zum Professor gewendet: »Ich habe nie recht an jene
-merkwürdigen Kanalbildungen glauben können und vermutete, daß es sich um
-optische Täuschung handle. Der Mars ist bedeutend kleiner als unsre
-Erde, sein Halbmesser beträgt wenig mehr als die Hälfte des ihrigen;
-seine Polarregionen sind von ungeheurer Ausdehnung, namentlich im
-Winter. Und nun sollen die mutmaßlichen Bewohner des kleinen bewohnbaren
-Erdstrichs das Land mit einem gewaltigen Netz ungeheurer Kanäle
-durchzogen haben?«
-
-»Warum nicht?« fragte Schultze eigensinnig: »Wenn es die Bewässerung des
-Landes verlangte.«
-
-»Bei den ausgedehnten Eis- und Schneemassen der Pole, den ungeheuren
-Schneefällen im Winter und angesichts der meist äußerst raschen
-Schneeschmelze im Frühling kann ich an Wassermangel auf dem Mars nicht
-glauben.«
-
-»Na! Aber die Kanäle sollten doch den Wasserzufluß regeln, ihn über das
-ganze Land verteilen und Überschwemmungen verhüten.«
-
-»Ganz schön, wenn es Kanäle von vernünftigen Größenverhältnissen wären
-und von vernünftigem Verhalten. Aber diese angeblichen Kanäle zeigten
-eine Breite von 60 bis 300 Kilometern: ich bitte Sie, was soll das? Das
-sind ja unsinnige Maße für einen Kanal! Wenn sie nun aber wenigstens
-beständig so geblieben wären, aber da wurde ein und derselbe Kanal
-einmal breiter, dann wieder schmäler; mit Vorliebe verdoppelte er sich
-plötzlich, oft innerhalb 24 Stunden, ebenso rasch konnte die
-Verdoppelung wieder verschwinden und hie und da der ursprüngliche Kanal
-ebenfalls; dann wieder verschwand ein alter Kanal und zwei neue
-erschienen an seiner Stelle.«
-
-»Ja, ja! das waren eben die Rätsel dieser merkwürdigen Kanäle,« beharrte
-der Professor.
-
-»Und nun ist ihr Rätsel gelöst,« lachte Flitmore: »Sie sind einfach gar
-nicht vorhanden, diese famosen Kanäle.«
-
-»Das muß ich allerdings zugeben«, gestand der Gelehrte zu: »Aber die
-Sache ist nur umso rätselhafter.«
-
-Doch auch ohne diese geheimnisvollen Gebilde erschien die Landschaft
-merkwürdig genug: weiß leuchtete der Nordpol mit seinen Eis- und
-Schneefeldern; das schneefreie Land gegen den Äquator erschien
-rötlichgelb unterbrochen von dunkelgrün bewachsenen Streifen; einige
-kleine Meere oder große Seen trennten streckenweise die Kontinente und
-breite Flüsse zogen silbergraue Bänder durch die Ebenen.
-
-Überhaupt erschien fast alles eben. Größere Gebirge waren keinesfalls
-vorhanden und kleinere Erhebungen ließen sich aus der Höhe, in welcher
-sich die Sannah befand, nur an den Schatten erkennen, die sie warfen; wo
-jedoch die Sonne die Täler voll erleuchtete, konnte Berg und Tal
-überhaupt nicht unterschieden werden.
-
-Inzwischen stürzte das Weltschiff mit blitzartiger Schnelle gegen den
-Planeten und man sah alles von Sekunde zu Sekunde wachsen.
-
-Flitmore beeilte sich daher, den Zentrifugalstrom zu schließen; ehe die
-Sannah in die atmosphärische Hülle des Planeten gelangte, damit ihre
-Außenwandungen nicht etwa durch die ungeheure Reibung in Glut versetzt
-würden.
-
-Der Sturz verlangsamte sich nun zusehends, bis die abstoßende Kraft die
-Fallgeschwindigkeit überwand und das Weltschiff zunächst ganz langsam zu
-steigen begann.
-
-»Wollen wir eine Landung auf dem Mars unternehmen?« fragte nun der Lord.
-
-»Hurrah!« rief Schultze begeistert.
-
-»O ja, bitte!« schmeichelte Mietje.
-
-»Ich bin dabei!« sagte Münchhausen: »die Kerkerhaft behagt mir auf die
-Dauer nicht, wenn sie auch erst zwölf Stunden währt.«
-
-»Das wird herrlich!« rief Heinz seinerseits begeistert.
-
-»Und was sagst du, John?« wandte sich Flitmore an den Diener.
-
-»Sir, ich habe nichts dareinzureden, was Ihre unmaßgebliche
-Entschließungswillkür betrifft; aber was meine Spezialität in dieser
-Fragesache betreffen möchte, so wäre es mir besonders genehm, freie Luft
-zu schöpfen, obwohl sozusagen die Luft hier innen ausgezeichnet für die
-Atmungsorkane ist.«
-
-»Also, wir landen«, entschied der Lord, »da es einstimmig gewünscht
-wird; die Schimpansen können wir ja nicht um ihre Meinung befragen und
-so müssen Dick und Bobs sich der Mehrheit fügen.«
-
-Gleichzeitig unterbrach er wieder die Fliehkraft; sobald ihm jedoch die
-Sturzgeschwindigkeit in bedenklichem Maße zuzunehmen schien, schloß er
-wieder den Strom auf einige Sekunden.
-
-Durch dieses abwechselnde Öffnen und Schließen wurde ein langsames
-Fallen ermöglicht, das noch durch die Marsatmosphäre gemildert wurde,
-sobald man diese erreicht hatte.
-
-
-
-
- 10. Eine Landung auf dem Mars.
-
-
-Sobald die Anziehungskraft des Mars auf die Sannah wirkte, verlangsamte
-sich ihre Umdrehungsgeschwindigkeit und als sie sich zuletzt auf den
-Planeten herabsenkte, hörte ihre Eigenbewegung ganz auf und ihr
-Schwerpunkt wurde in den Mittelpunkt der Marskugel verlegt; diesmal
-hatte Flitmore diese Änderungen vorausgesehen und dafür gesorgt, daß die
-Gesellschaft nicht wieder durch einen Sturz gegen die Wände oder gegen
-die Decke überrascht wurde.
-
-Der Stoß, den die Landung verursachte, war im oberen Raume, wo sich alle
-zu dieser Zeit aufhielten, kaum spürbar.
-
-»Wir werden vom Nord- oder Südpolzimmer aus aussteigen müssen«, erklärte
-der Lord: »dort liegen die Ausgangspforten neben den Fenstern bei unsrer
-jetzigen Lage in wagrechter Linie, das heißt parallel zur
-Marsoberfläche, und mittels einer Strickleiter können wir hinabsteigen.«
-
-»Lassen Sie mich als Ersten die Sannah verlassen«, bat Heinz.
-
-»Nein, junger Freund!« widersprach Schultze: »Ich werde zuerst
-hinausgehen; wir kennen die Zusammensetzung der Marsatmosphäre nicht.
-Wer weiß, ob sie nicht auf unsre Lungen eine gefährliche, vielleicht
-tödliche Wirkung ausübt.«
-
-»Eben deswegen will ich ja die erste Probe machen«, sagte Heinz.
-
-»Nichts da!« polterte Kapitän Münchhausen: »Ich will zuerst hinaus;
-meine Lungen sind die verschiedensten Dünste gewöhnt und können am
-ehesten etwas aushalten.«
-
-»Sie?« lachte der Professor: »Seien Sie froh, wenn Sie in normaler Luft
-schnaufen können! Überhaupt könnten Sie in der Öffnung stecken bleiben
-oder uns durch Ihr Gewicht die Strickleiter ruinieren. Sie kommen
-jedenfalls zuletzt daran.«
-
-»Ich gehe voran!« entschied Flitmore: »Es ist dies sowohl mein Recht als
-meine Pflicht, da ich der Unternehmer der Weltfahrt bin.«
-
-»Unter keinen Umständen darfst du dich einer solchen Gefahr aussetzen,
-Charles«, wandte nun Mietje ein: »Ich bitte dich, laß mich den ersten
-Versuch machen; ich kann ja gleich wieder zurück, wenn ich spüre, daß da
-giftige Gase sind.«
-
-»Wenn die Herrschaften gütigst zu gestatten belieben wollten,« ließ sich
-der biedere John vernehmen, »so ist das alles nicht in der Richtigkeit,
-als daß vielmehr meine Person den Anfang zu machen hat, indem daß mein
-etwaiger Verlust auch am wenigsten wertvoll wäre.«
-
-Aber Heinz Friedung machte diesem edlen Wettstreit ein Ende durch
-folgende vernünftige Bemerkung:
-
-»Wir haben ja die beiden Affen, Dick und Bobs; schieben wir die vor: für
-sie ist auch am wenigsten Gefahr vorhanden, da ihr Instinkt sie davor
-bewahren wird, das Fahrzeug zu verlassen, wenn sie draußen keine gesunde
-Luft wittern.«
-
-»Das ist die beste Lösung,« stimmte der Lord zu: »daran hätten wir auch
-gleich denken können! Übrigens bin ich überzeugt, daß die Lufthülle des
-Mars sich höchstens in der Dichtigkeit von der irdischen unterscheidet.«
-
-Die luftdicht schließende Tür des Südpolzimmers, in das man sich begeben
-hatte, wurde geöffnet; ein angenehmer frischer Luftzug strich herein.
-Vergnügt schwangen sich Dick und Bobs durch die Öffnung und turnten an
-den Rampen, die an der äußeren Hülle der Sannah angebracht waren, hinab.
-
-»Es ist also keine Gefahr,« sagte Flitmore und befestigte mit Johns
-Hilfe die Strickleiter, um dann als erster, von seiner treuen Gattin
-gefolgt, den Abstieg zu wagen.
-
-Nach Mietje kam Heinz und dann der Professor.
-
-Schultze rief dem Kapitän zu: »Daß Sie sich nicht unterstehen, die
-Strickleiter zu betreten, ehe wir andern alle den sichern Erdboden
-erreicht haben, denn sonst könnte es uns schlimm ergehen, wenn die
-Stricke unter Ihrer Last reißen oder die Sprossen krachen und Ihre
-beträchtliche Masse auf uns herabstürzt.«
-
-Aber Flitmore hatte bei Ankauf der Strickleitern Münchhausens Gewicht in
-Betracht gezogen. Wohl ächzten die Seile und die Sprossen bogen sich
-knarrend, als der Kapitän sie hinter John betrat; aber sie hielten
-vorzüglich.
-
-»Na! Daß Sie nicht in der Türöffnung stecken blieben, nimmt mich
-Wunder,« lachte Schultze, als alle glücklich unten waren.
-
-Flitmore aber erklärte: »Da ich von vornherein auf die Begleitung unsres
-werten Kapitäns hoffte, habe ich sämtliche Türenmaße nach seinen
-leiblichen Verhältnissen berechnet.«
-
-»Das war vernünftig und edel von Ihnen, Lord,« erkannte Münchhausen in
-gutmütiger Heiterkeit an: »Freilich, unserm bösen Professor hätte es
-Spaß gemacht, mich hilflos und elend im Türrahmen stecken bleiben zu
-sehen.«
-
-Inzwischen sah sich die Gesellschaft neugierig auf ihrem neuen
-Aufenthaltsort um.
-
-Als erstes war ihnen aufgefallen, daß der Erdboden merkwürdig weich war:
-die Sannah hatte sich ziemlich tief in ihn eingegraben und bei jedem
-Schritt sank man ein.
-
-Die Landschaft erschien sanft gewellt und die Bodenwellen liefen meist
-parallel und geradlinig, wurden aber zuweilen von langen Hügelrücken
-gekreuzt, die in andrer Richtung verliefen.
-
-Zwischen den Erhöhungen befanden sich mehr oder weniger breite ebene
-Flächen, die versumpft zu sein schienen und mit einem Gewirr von dunkeln
-Pflanzen bedeckt waren. Die Hügelrücken waren zum Teil kahl, meist aber
-mit Buschwerk und Wäldern bedeckt, vielfach auch mit Präriegras;
-nirgends aber sah man frisches Grün: die Gräser, die Blätter der
-Pflanzen und Bäume waren durchweg gelb und rot oder rotbraun, so daß
-alles ein herbstliches Aussehen hatte, obgleich in diesen Marsbreiten
-zur Zeit erst der Frühsommer begann.
-
-Da sich übrigens der Abend bereits herabsenkte, wurde John beordert, aus
-dem Weltschiff Zelte und Eßwaren herbeizuschaffen; denn alle freuten
-sich darauf, im Freien zu kampieren.
-
-Brennholz war reichlich vorhanden; Feuer wurden entzündet zur Bereitung
-eines warmen Mahles und zur Abhaltung etwaiger wilder Tiere.
-
-Alle, auch Mietje, waren mit Gewehren und Dolchmessern bewaffnet und mit
-Explosionskugeln versehen.
-
-Flitmore wies auf die langgestreckten Sümpfe: »Sehen Sie, Professor,«
-sagte er: »Diese endlos erscheinenden dunkeln Streifen, die teils neben
-einander her laufen, teils einander kreuzen, können sehr wohl bei großer
-Entfernung den Eindruck von Kanälen machen.«
-
- [Illustration: Im Kampf mit den Würmern.]
-
-»Aber die Veränderlichkeit der beobachteten Gebilde erklären sie nicht,«
-wandte Schultze ein.
-
-»Vielleicht finden wir auch dafür noch eine Lösung,« meinte Heinz.
-
-»Die Marsluft ist übrigens ganz herrlich,« rühmte der Kapitän
-tiefatmend: »Ich schlage vor, daß wir hier einen Luftkurort und eine
-Sommerfrische gründen: ausgezeichnete Geschäfte werden wir damit
-machen.«
-
-Mietje erhub nun die Frage: »Wie lange wird die Nacht hier dauern.«
-
-»Nicht viel länger als eine gewöhnliche Erdennacht,« belehrte sie
-Schultze: »Der Mars dreht sich um seine Achse in 24 Stunden, 37 Minuten
-und 22½ Sekunden. Dagegen sind die Jahreszeiten dahier verhältnismäßig
-lang: ein Marsjahr hat 668 Marstage, was etwa 682 Erdentagen entspricht.
-Auf der nördlichen Halbkugel, auf der wir uns befinden, hat der Frühling
-191, der Sommer 181, der Herbst 149, der Winter 117 Marstage; auf der
-südlichen Halbkugel sind Frühling und Sommer viel kürzer, nämlich 149
-und 147 Tage, aber auch viel heißer, weil der Planet in dieser Zeit der
-Sonne am nächsten kommt; der Herbst und Winter mit 191 und 181 Tagen
-sind dagegen dort um so kälter, da sie mit der Sonnenferne des Mars
-zusammenfallen.«
-
-Nach eingenommenem Mahl wurden die Nachtwachen verteilt, und dann begab
-man sich zur Ruhe.
-
-
-
-
- 11. Die Schrecken des Mars.
-
-
-Heinz hatte die zweite Nachtwache.
-
-Ihm war etwas unheimlich zumut auf diesem fremden Weltkörper, der völlig
-neue und unbekannte Gefahren bergen mochte. Eigentliche Angst hatte der
-junge Mann zwar nicht, dazu besaß er zuviel persönlichen Mut, verbunden
-mit körperlicher und geistiger Gesundheit; aber eines eigentümlichen,
-beklemmenden Gefühls konnte er sich nicht erwehren.
-
-Das Lager befand sich auf einem breiten Hügelrücken, auf dem die Sannah
-gelandet war und der sich ins Unendliche zu erstrecken schien. Ebenso
-unendlich hatte bei Tageslicht der Sumpf ausgesehen, der die etwa 200
-Kilometer breite Vertiefung zwischen dieser und der nächsten Hügelkette
-ausfüllte.
-
-Und diese sumpfige Niederung schien bei Nacht in unheimliche
-Lebendigkeit zu geraten.
-
-Bestimmte Laute konnte der junge Wächter nicht vernehmen, wohl aber ein
-dumpfes Gemeng von Tönen, als ob da Tausende von Geschöpfen raschelten
-und plätscherten.
-
-Unwillkürlich kamen dem Aufhorchenden die unsterblichen Verse aus
-Schillers Taucher in den Sinn:
-
- »Da unten aber ist's fürchterlich,
- Und der Mensch versuche die Götter nicht
- Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
- Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.«
-
-Und weiter:
-
- »Das Auge mit Schaudern hinunter sah,
- Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen
- Sich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen.
- Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,
- Zu scheußlichen Klumpen geballt,
- Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,
- Des Hammers greuliche Ungestalt.
- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
- Und schaudernd dacht' ich's, -- da kroch's heran,
- Regte hundert Gelenke zugleich ...
-
-Soweit war Heinz in seinen Gedanken gekommen, da kroch wirklich etwas
-heran. Es schien eine Schlange zu sein, an und für sich kein besonders
-großes Tier, etwa armsdick und ungefähr drei Meter lang; aber als der
-Schein des Feuers den glatten, feuchten, rötlichen Leib erleuchtete, kam
-es dem Jüngling doch wie ein grauenerregendes Ungeheuer vor; denn es
-glich einem Regenwurm, und für einen solchen war seine Größe doch
-geradezu riesenhaft.
-
-Der spitz zulaufende Kopf zeigte zwei äußerst kleine, blasse Augen, die
-kaum als solche zu erkennen waren; der Mund glich nur einem runden Loch
-und schien zum Saugen und nicht zum Beißen bestimmt.
-
-Der widerliche Wurm kroch geradenwegs auf Heinz zu und kümmerte sich
-nicht um das Feuer. Hinter ihm tauchte ein zweiter auf und dann ein
-dritter, -- ja der ganze Abhang schien sich zu beleben: in Scharen
-rückte das Gewürm an, als habe der Sumpf seine Heere ausgesandt, die
-unberufenen Eindringlinge auf dem Mars zu vernichten.
-
-Zunächst sandte Heinz dem vordersten Wurm eine Explosionskugel in den
-Leib, die ihm jedoch nur eine kleine Wunde beibrachte, da sie in der
-weichen Masse auf keinen Widerstand traf und daher überhaupt nicht zum
-Platzen kam.
-
-Der Wurm krümmte und wand sich, schnellte dann aber plötzlich vor und
-ringelte sich um des Schützen Fuß, in raschen Windungen an ihm
-hinaufkriechend.
-
-Von Schauer und Ekel erfaßt, griff der junge Mann nach seinem
-Dolchmesser und bearbeitete das Tier mit Stichen und Schnitten; allein
-er sah sich auf einmal von allen Seiten angegriffen: da erhob sich ein
-schlüpfriges Haupt, dort ein zweites und drittes; und sie wanden sich an
-ihm empor, all diese unheimlichen Geschöpfe und so viel Köpfe er
-abschnitt, seine eigenen Kleider in der Eile der Abwehr zerfetzend, die
-Zahl war zu groß, er konnte nicht mit ihnen fertig werden!
-
-Ein stechender Schmerz im Nacken ließ ihn nach hinten greifen: er
-berührte den kalten schleimigen Leib eines der Würmer, der sich dort
-festgesogen hatte und ihm das Blut aussaugte; und schon hing ein andrer
-der gräßlichen Köpfe an seiner Wange.
-
-Heinz warf sich zu Boden und wälzte sich wie wahnsinnig umher; aber er
-kam nicht los: nur immer neue schlüpfrige Ringe spürte er sich um seine
-Glieder ziehen.
-
-Flitmore war durch den Schuß geweckt worden und trat aus seinem Zelt.
-Mit lautem Hallo weckte er die Genossen und stürzte sich selber mit dem
-Messer auf das überall sich ringelnde Gewürm; denn mit dem Gewehr war
-hier nichts anzufangen, das sah er gleich.
-
-Es gelang dem Lord, den jungen Freund frei zu machen; aber er selber war
-bereits von einigen der Würmer umschlungen und auch Heinz wurde alsbald
-wieder angefallen.
-
-Laut kreischend stürzte Mietje aus ihrem Zelt: die widerlichen
-Sumpftiere waren dort eingedrungen und eines davon hing an ihrem weißen
-Arm.
-
-Aber wie sah es hier draußen aus! Sie schauderte, denn überall trat ihr
-Fuß auf ähnliche ekelhafte Geschöpfe, die sich krümmten und an ihr
-emporwanden.
-
-Inzwischen war auch Schultze auf dem Plan aufgetaucht. Die wimmelnden
-und sich bäumenden Geschöpfe, die den Boden bedeckten, erregten zunächst
-sein wissenschaftliches Interesse.
-
-»Das sind ja Ringelwürmer von fabelhafter Größe«, rief er aus:
-»Lumbriciden oder Regenwürmer, nichts andres! Wirklich kolossale
-Geschöpfe! Aber eigentlich nichts Auffallendes: gab es Schalentiere,
-Schneckenarten von riesenhaften Formen, warum nicht auch Nacktschnecken
-und Würmer? Ich vermute sogar, daß ähnliche Geschöpfe zur Zeit der
-Ammoniten auch die Erde bevölkerten; Spuren ihres Daseins konnten sie
-natürlich nicht hinterlassen, da sie knochenlose Weichtiere sind.«
-
-»Helfen Sie uns lieber, Professor«, keuchte Heinz: »Später wollen wir
-dann meinetwegen eine wissenschaftliche Unterhaltung über diese
-Höllenbrut beginnen, falls wir mit heiler Haut davonkommen.«
-
-»Sie haben recht«, sagte Schultze: »das scheinen ja in der Tat ganz
-verflixte Kumpane zu sein: sie gehen ja geradewegs auf mich los! Aber
-meine Hochachtung, junger Freund! Sie kämpfen wahrhaftig nach
-Schwabenart. Bravo! Das war wieder ein Schwabenstreich!«
-
-»Der wackre Schwabe forcht sich nit!« zitierte Münchhausen, der nun
-ebenfalls, gleichzeitig mit John, auf der Bildfläche auftauchte: »Zur
-Rechten sieht man, wie zur Linken, einen halben Türken hinuntersinken.«
-
-Heinz hatte wirklich mit einem wohlgezielten Hieb den Leib eines
-Ringelwurms in der Mitte durchgetrennt, so daß das Zitat gut paßte.
-
-»Wenn nur die andern kalter Graus packte«, meinte der junge Held, der
-sich am Ende seiner Kräfte fühlte: »Aber da hat es gute Wege!«
-
-»Hu, hu! Mich packt der kalte Graus!« schrie Münchhausen, dem sich eines
-der Tiere um den Hals schlang. Er riß es los und schleuderte es zu
-Boden, um es mit der Wucht seiner breiten Füße zu Brei zu zertreten.
-
-Der Professor und der Diener waren bereits in den wütendsten Kampf
-verwickelt: sie hieben wie rasend mit den Messern um sich; allein der
-Sumpf mußte Tausende dieser Ungeheuer beherbergen und alle just auf den
-Lagerplatz der Unseligen loslassen; der Kampf schien aussichtslos.
-
-Was waren diese Geschöpfe? Weichtiere, die ein Fußtritt, ein Dolchhieb
-unschädlich machte! Sie besaßen keine Tatzen, keine Krallen, kein Gebiß;
-sie waren nicht gefährlicher als Blutegel: aber ihre unerschöpfliche
-Zahl machte sie unüberwindlich, und unsre Freunde sahen ein gräßliches
-Ende vor Augen. Viel lieber hätten sie mit den wildesten Raubtieren, mit
-Löwen, Tigern, mit einem Rudel Elefanten oder einer Büffelherde
-gekämpft.
-
-Die Schimpansen Dick und Bobs hausten mörderisch unter den Angreifern:
-sie schienen rasend vor Wut. Sie warfen sich auf den Boden und würgten,
-zerrissen mit vier Händen zugleich, während sie gleichzeitig mit ihrem
-scharfen Gebiß Dutzende der Lumbriciden unschädlich machten.
-
-Aber was half's? Immer neue Scharen rückten an!
-
-Münchhausen, der sich ohnehin nur schwerfällig bewegen und nicht leicht
-bücken konnte, hatte sofort erkannt, daß seine wirksamste Waffe in
-seinem kolossalen Körpergewicht bestand.
-
-Er führte einen wahren Indianertanz auf, sprang so hoch er nur immer
-konnte und zerquetschte unter seinen gewaltigen Fußsohlen alles zu Brei,
-was sich unter ihm regte.
-
-Es wäre ein Anblick zum Totlachen gewesen, wie der dicke Kapitän
-umherhopste, als wolle er sich zur Ballettänzerin ausbilden, wenn nicht
-das Gefährliche der Lage alle Lust zur Heiterkeit erstickt hätte.
-
-Münchhausen floß der Schweiß in Strömen herab, und doch war sein Gehüpfe
-umsonst: auch er fühlte sich umringelt und umwunden, und nun glitt er
-gar auf dem gar zu schlüpfrig gewordenen Boden aus, fiel hin und rollte
-mitten unter das blutdürstige Ungeziefer, nicht ohne eine ganze Anzahl
-davon plattzudrücken.
-
-Die Kämpfenden, die alle mehr oder weniger Blut lassen mußten, waren
-erschöpft, und noch immer kroch es in dichten Massen den Abhang herauf.
-Wenn sie sich nur zu der Strickleiter hätten flüchten und in dem
-Weltschiff bergen können! Aber sie hatten ihr Lager wohl hundert Meter
-weit davon aufgeschlagen und zwischen ihnen und der Sannah wimmelte es
-von dichten schwarzen Massen, die sich über einander zu türmen schienen.
-
-Da erschollen schrille, heißere Schreie in der Luft; dann dumpfe
-Flügelschläge, und gespenstisch rauschten mächtige schwarze Gestalten
-herab.
-
-Im Schein des immer noch hochaufflackernden Feuers ließen sich einige
-dieser neuen Geschöpfe, die sich in dessen Nähe niedergelassen hatten,
-erkennen.
-
-Sie boten keinen ermutigenden Anblick, vielmehr erschienen sie selber
-als schreckliche Ungeheuer: es waren Vögel, die nichts Vogelähnliches
-hatten als die ungeheuren Fledermausflügel. Am ehesten erinnerten sie an
-den Pterodaktylus der irdischen Urzeit; ein plumper Kopf mit
-tiefeingeschnittenem Rachen und scharfen Zähnen gab ihnen Ähnlichkeit
-mit diesem erstaunlichen Vogel. Ihre Größe übertraf die des Adlers um
-das Doppelte; das Merkwürdigste jedoch war, daß sie vier Füße besaßen,
-die mit gewaltigen Krallen bewehrt waren.
-
-So unheimlich und gefährlich diese Vögel aussahen, wenn man sie
-überhaupt als Vögel bezeichnen konnte, so erschienen sie doch als Retter
-in höchster Not; denn sie räumten mit fabelhafter Gewandtheit und
-Mordgier unter den Ringelwürmern auf und kamen in solchen Scharen, daß
-sie sich auch der wimmelnden Mengen gewachsen zeigten.
-
-Sie ließen sich namentlich am Rande des Hügels nieder und packten mit
-ihren Krallen und Zähnen alles, was da heraufkriechen wollte. Und nun,
-da keine neuen Nachschübe kamen, nahm die Zahl der Angreifer auf der
-Höhe sichtlich ab und mit neuem Mut ließen unsre Freunde wieder ihre
-Messer arbeiten.
-
-Endlich erhob kein Wurm mehr sein drohendes Haupt, wenn auch die
-verstümmelten Leiber am Boden sich ringelten und wanden, zuckten und
-schnellten, als ob sie überhaupt nicht völlig tot zu kriegen seien.
-
-Schultze eilte auf Münchhausen zu, der immer noch auf dem Boden
-umherrollte und nicht auf die Beine kommen konnte. Und jetzt, da die
-Gefahr beseitigt schien, lachte der Professor aus vollem Halse über den
-erheiternden Anblick: Da wälzte sich der runde Kapitän wie eine Tonne
-auf stürmischer See; an seinem Haupte hingen zwei Würmer gleich
-Schmachtlocken zu beiden Seiten herab und um seinen Hals wand sich ein
-allerdings geköpftes Tier wie ein dickes Halstuch.
-
-Trotz seiner Heiterkeit beeilte sich Schultze doch, den dicken Freund
-von seinen Peinigern zu befreien und ihm mit Unterstützung des
-inzwischen ebenfalls herbeigeeilten Heinz auf die Beine zu helfen.
-
-Dann ging es an das Verpflastern und Verbinden der Wunden, die
-merkwürdigerweise nur äußerst klein waren. Alle hatten mehr oder weniger
-Blut hergeben müssen, Münchhausen aber war entschieden am stärksten
-angezapft worden.
-
-»Tut nichts!« meinte er humorvoll: »Ich habe Vorrat und die Biester
-haben bei mir mehr Fett als Blut geholt, wie ich vermute; das kann mir
-bloß gut tun. Ich fühle mich geradezu erfrischt und erleichtert.«
-
-»Aber einen Tanz haben Sie aufgeführt, Kapitän«, lachte Schultze: »Ich
-sage Ihnen, eine ägyptische Bauchtänzerin ist nichts dagegen.«
-
-»Kunststück!« sagte Münchhausen: »Wo hat eine ägyptische Tänzerin auch
-solch stattlichen Bauch?«
-
-
-
-
- 12. Eine Entdeckungsreise auf dem Mars.
-
-
-John übernahm die Wache, während sich die andern wieder zur Ruhe
-niederlegten.
-
-Am Morgen wurden zunächst die Zelte wieder ins Weltschiff gebracht; denn
-ein zweitesmal auf dem Mars im Freien zu nächtigen, dazu verspürte
-niemand mehr Lust.
-
-Das Frühstück wurde in der Nähe der Sannah eingenommen fern von den
-immer noch zuckenden Leibern der erlegten Lumbriciden auf dem
-nächtlichen Schlachtfeld.
-
-»Ich schlage eine Entdeckungsreise auf dem Mars vor«, begann Schultze,
-als der Imbiß vertilgt war.
-
-Alle waren damit einverstanden.
-
-»John«, sagte Flitmore, »du bleibst als Wache zurück; man weiß ja nicht,
-was hier vorkommt. Am besten begibst du dich auf die oberste Plattform,
-wo du nach allen Seiten hin weite Ausschau halten kannst. Erblickst du
-etwas Verdächtiges, so läßt du die große Sirene ertönen.«
-
-Als Rieger sich mit der pneumatisch betriebenen Sirene auf der Höhe der
-Kugel befand, marschierte die kleine Gesellschaft ab; Bobs wurde
-mitgenommen, während Dick dem Wächter Gesellschaft leistete.
-
-Drunten im Sumpf sah man nichts von den widerlichen Geschöpfen, die er
-beherbergte; aber an den Bewegungen der Pflanzendecke konnte man
-deutlich erkennen, daß der Morast von gelenkigen Bewohnern wimmelte.
-
-Inzwischen ging man auf dem Höhenrücken einem nahen Walde zu, der aus
-niedrigen, rotbelaubten Bäumen bestand.
-
-Diese Bäume erweckten besonders Schultzes lebhaftes Interesse, denn sie
-zeigten ganz eigentümliche Formen. Die meisten hatten weder Äste noch
-Zweige; die großen Blätter entsproßten an langen, dicken Stielen direkt
-dem Stamm, der sich an der Spitze in ein Bündel solcher beblätterter
-Stiele auflöste.
-
-Die Blätter waren meist rund und tellergroß, andre kleeblattförmig, aus
-drei vereinigten Rundscheiben bestehend; wieder andre zeigten
-dreieckige, viereckige und mehreckige Bildung, boten also einen Anblick,
-der Erdbewohnern völlig neu und ungewohnt war.
-
- [Illustration: Ein dreibeiniges Tier.]
-
-Einzelne Baumarten, die reich verästelt waren, hatten Doppelblätter, die
-sich gleich Austernschalen auf- und zuklappten und offenbar den
-Insektenfang betrieben.
-
-Übrigens war von Insekten nur wenig zu sehen: einige merkwürdige Mücken,
-durchsichtig wie Glas, und Käfer ohne Beine, die fliegenden Raupen und
-fliegenden Würmern glichen und sich am Boden und an den Bäumen auch
-gleich solchen fortbewegten, ja geflügelte Schnecken, die einen
-bläulichen Schleim aussonderten, zweibeinige Ameisen und Spinnen, das
-waren die Wunder, die Schultze seinen Sammlungen einverleibte.
-
-Auch Vögel waren nur in wenigen Arten vertreten: sie hatten alle die
-Eigentümlichkeit, vierbeinig zu sein, ein Anblick, der den an irdische
-Geschöpfe gewöhnten Augen äußerst sonderbar vorkam. Dazu gesellte sich
-der Umstand, daß diese Vögel nicht gefiedert waren, sondern einen
-behaarten oder mit Schuppen bedeckten Leib hatten, der aber in
-wunderbaren bunten Farben von metallischem Glanze strahlte. Die Schnäbel
-wiesen meist ein gezahntes Gebiß auf und die Flügel bestanden vorwiegend
-aus fächerartig übereinandergreifenden langen und starken Schuppen oder
-dünnen Hornscheiben.
-
-Als die Wanderer eine Lichtung betraten, rauschte es im Gebüsch und das
-erste Wild, das sie auf dem Mars erblickten, zeigte sich ihren Augen.
-
-Es erschien ebenso seltsam wie die Insekten- und Vogelwelt. Groß war es
-nicht, kaum größer als ein Esel; aber es hatte ein schreckliches Gebiß,
-wie überhaupt der platte, lange Kopf an ein Krokodil erinnerte. Von der
-Mitte des Hauptes stieg ein äußerst scharfes Horn senkrecht empor und zu
-beiden Seiten über den Ohren ragten zwei kürzere Hörner wagrecht hervor,
-die Spitzen nach vorne gebogen. Das Seltsamste aber war: Dieses
-gefährlich aussehende Tier war dreibeinig! Es hatte zwei Vorderfüße,
-aber nur einen Hinterfuß am Ende des nach hinten sich birnenförmig
-zuspitzenden Leibes.
-
-Späterhin wurden noch verschiedene Tierarten getroffen, alle klein, aber
-scharf bewehrt, und alle dreibeinig wie das zuerst geschaute.
-
-»Da hört sich doch aber alle Wissenschaft auf!« rief der Professor ein
-über das anderemal: »Vierbeinige Vögel, dreibeinige Säugetiere und
-zweibeinige Insekten! Das glaubt mir ja drunten auf der Erde kein
-Mensch, selbst wenn ich die wohlpräparierten Beweisstücke auf den Tisch
-der Wissenschaft niederlege!«
-
-»So seid ihr Professoren!« tadelte Münchhausen: »Wenn ihr so ungefähr
-innehabt, wie die Naturprodukte auf eurer kleinen Erde aussehen, so
-glaubt ihr, das ganze unendliche Weltall erschöpft zu haben und bildet
-euch ein, die unerschöpfliche Natur sei nie und nirgends imstande, etwas
-zu schaffen, das nicht aufs Haar mit dem übereinstimmt, was sie euch auf
-eurem weltverlorenen kleinen Sandkörnchen vor die Nase zu führen
-beliebt.«
-
-Schultze bedauerte unendlich, daß er nicht den Vögeln und Insekten und
-Pflanzenproben, die er sich aneignete, auch ein Exemplar jeder
-Tiergattung beifügen konnte. Dafür gelangen dem Lord mehrere
-Momentaufnahmen, so daß die eigenartige Tierwelt wenigstens in getreuen
-photographischen Abbildungen mitgenommen werden konnte. Ein besonders
-merkwürdiges Säugetier, das zum Transport nicht zu schwer schien,
-erlegte Heinz auf des Professors Bitte mit einem wohlgezielten Schuß.
-
-Dieses Wild hatte die Größe eines Ebers, einen schlanken, beweglichen,
-doch starknackigen Hals, auf dem sich hoch oben ein rundlicher,
-possierlicher Kopf mit einer breiten Schnauze wiegte; es war dreibeinig
-wie alle anderen Marssäuger und aus seinem Schädel wuchsen starke
-spitzige Hörner wie die Stacheln eines Igels, im ganzen 15 Stück, wie
-nach der Erlegung festgestellt wurde.
-
-»Ich danke! Wenn solch ein Vieh mit gesenktem Kopf auf einen losstürmt!«
-sagte Münchhausen.
-
-»Ja, das würde Ihre geschätzte Leibeswölbung in ein Sieb verwandeln,«
-lachte der Professor.
-
-»Ich bin nur begierig, wie die Marsbewohner aussehen,« fuhr der Kapitän
-fort: »Sind die Insekten hier zweibeinig, so vermute ich, daß die
-Menschen zum mindesten sechsbeinig sind; denn daß die Natur hier
-besonders mit der Zahl der Beine verblüffende Experimente macht, dürfte
-nach all dem Gesehenen feststehen.«
-
-»An die Marsmenschen glaube ich nicht,« sagte Schultze.
-
-»Hören Sie, Professor, was _Sie_ glauben, ist völlig belanglos, indem
-Sie ein Mann der Wissenschaft sind. Haben Sie etwa an vierbeinige Vögel,
-dreibeinige Wildsäue und zweibeinige Spinnen geglaubt, ehe Sie solche
-hier sahen?«
-
-»Nee! Das freilich nicht; aber -- -- --«
-
-»Nichts >aber<! Wenn Sie also an keine sechsbeinigen Marsmenschen
-glauben, so spricht das sehr für deren Vorhandensein, und ich gedenke
-unter allen Umständen, wenn wir auf die Erde zurückkehren, sehr viel und
-sehr Unterhaltendes von diesen Marsmenschen zu erzählen, auch wenn wir
-keine zu sehen bekommen, und da hoffe ich, daß Sie mir nie widersprechen
-werden, da Sie doch nun deutlich gesehen haben, daß eben das, woran Sie
-nicht glauben, der Wirklichkeit entspricht.«
-
-Inzwischen war das Ende des Waldes erreicht, der nur etwa zwei Kilometer
-in der Breite maß.
-
-An dieser Stelle verband ein von der Seite her kommender Hügelwall die
-Anhöhen, auf denen die Wanderer marschierten, mit den parallel laufenden
-Hügelstreifen.
-
-Diese quer laufende Kette war besonders breit und konnte als Hochebene
-bezeichnet werden; sie war aber durchaus nicht völlig eben, sondern
-zeigte mehrere gebirgsartige Erhebungen, die allerdings nirgends viel
-mehr als zwei- bis dreihundert Meter Höhe erreichen mochten.
-
-Es wurde beschlossen, rechts abzubiegen und das nächstgelegene dieser
-kleinen Gebirge näher zu untersuchen.
-
-
-
-
- 13. Die Marsbewohner.
-
-
-Nach einer halbstündigen Wanderung war der Fuß der Berge erreicht. Nach
-einer weiteren halben Stunde die erste Anhöhe erklommen.
-
-Der Ausblick, der sich hier unseren Freunden bot, überzeugte sie sofort,
-daß die Sage von den Marsmenschen keine reine Phantasie der Astronomen
-sein konnte; denn vor ihren Blicken öffnete sich ein Hochtal, das von
-einer ganzen Anzahl von Bauten erfüllt war, die zweifellos
-vernunftbegabten Wesen ihren Ursprung verdankten.
-
-Auch diese Bauwerke hatten ihre auffallenden Eigentümlichkeiten: zum
-ersten waren sie schmal und hoch, turmartig aufgeführt; zum zweiten
-erschienen sie alle dreieckig, zum dritten sahen sie wie aus einem Guß
-gefertigt aus.
-
-Der Professor, der für alles eine Erklärung suchte und auch gleich bei
-der Hand hatte, ließ sich also vernehmen:
-
-»Die Marsbewohner bauen offenbar in die Höhe wie die Newyorker,
-jedenfalls auch aus demselben Grund: sie müssen an Platz sparen. In der
-Tat erreicht die gesamte Oberfläche des Mars noch keine drei Zehntel der
-Erdoberfläche; da überdies die schrecklichen breiten Sümpfe einen großen
-Teil des Festlandes einzunehmen scheinen, so müssen sie an Bauplatz
-sparen. Dreieckig sind die Häuser aufgeführt, um den Orkanen und den
-Wasserfluten bei der Schneeschmelze wirksamen Widerstand bieten zu
-können; daß sie so glatt und ungegliedert aussehen, weist auf eine
-besondere Masse hin, mit der die Baumeister die Gebäude von außen
-gleichmäßig bestreichen, auf einen Mörtel, der vielleicht dem Mars
-eigentümlich ist.«
-
-»Scharfsinnig, wie immer, Professor!« lachte der Kapitän. »Aber
-gestatten Sie _mir_ diesmal, den Zweifler zu spielen: wir haben auf
-unserer ganzen Wanderung weder Dörfer noch Städte, ja nicht einmal
-angebautes Land getroffen oder auch nur von ferne erblickt. Also haben
-die Marsbewohner noch keinen Mangel an Bauplätzen; zum andern dürfte in
-diesem geschützten Tale kaum je ein heftiger Orkan wehen, auch ist es so
-hoch gelegen, daß keine Wasserfluten es bedrohen. Abgesehen von diesen
-Kleinigkeiten mögen Sie ja immerhin recht haben.«
-
-»Na!« sagte Schultze: »Sie oller Zweifler! Lassen wir das einstweilen
-dahingestellt und untersuchen wir die Häuser. Verlassen oder
-ausgestorben scheint ja die Stadt zu sein.«
-
-Das, was Schultze eine »Stadt« nannte, waren etwa hundert zumeist gleich
-geformte Bauwerke von mäßigem Umfang. Sie leuchteten in allen
-Regenbogenfarben, eines blau, das andere rot, das dritte grün; einige
-schneeweiß, andere schwarz; daneben gelbe, braune, orangerote, violette
-Türme in allen Farbenabstufungen.
-
-Im Innern erwiesen sie sich sämtlich ganz ähnlich angelegt; statt einer
-Treppe führte ein gewundener Gang empor, von schmalen Seitenfenstern
-erhellt. Ganz oben befand sich ein dreieckiges Gemach, in welchem auf
-erhöhten Matten -- Leichen lagen.
-
-Ja, nur Leichen!
-
-»Eine Begräbnisstätte, ein Friedhof,« rief Heinz aus.
-
-»Wenigstens eine Totenstadt,« entgegnete Schultze, »da von Gräbern und
-Begräbnis hier nicht die Rede ist.«
-
-Die Leichen waren alle in lange Gewänder von einem eigentümlichen
-glatten und sehr schmiegsamen Stoffe gekleidet, der keine Fäden, kein
-Gewebe erkennen ließ. Entweder war dieser auf Erden unbekannte Stoff aus
-einer äußerst zähen Gummiart papierdünn gewalzt, wobei der Gummi
-jegliche Elastizität verloren hatte, oder er war aus einem nur den
-Marsbewohnern bekannten Material gegossen.
-
-Die Gewänder glänzten auch in den verschiedensten lebhaften Farben. Die
-Körper unterschieden sich nicht wesentlich von menschlichen Körpern; sie
-waren aber alle sehr klein, schlank und zierlich und jedenfalls wiesen
-sie eine Rasseneigentümlichkeit auf, die auf Erden nicht zu finden war.
-Diese Eigentümlichkeit bestand im Wesentlichen in einer auffallenden
-Schädelform: man hätte meinen können, jedes dieser Häupter trage eine
-Kappe; denn über der Stirne eingeschnürt, saß eine zweite mäßig gewölbte
-und dichtbehaarte Schädelkammer.
-
-»Zwei Stockwerke!« rief Münchhausen in ehrlichem Staunen: »Ein
-zweistöckiges Gehirn haben diese Marsiten besessen! Nein, müssen die
-gescheit gewesen sein!«
-
-Die rosige Haut des Gesichts und der Hände, so weich und zart sie
-aussah, erwies sich nichtsdestoweniger bei der Berührung als ungeheuer
-zäh, wie Leder oder wie die Haut eines Elefanten.
-
-Schultze machte, nicht aus sträflicher Neugier, sondern aus
-wissenschaftlichem Interesse, einen Versuch, die Haut einer Hand mit
-seinem Dolche zu ritzen; doch als er schließlich auch alle Gewalt
-anwendete, es gelang ihm nicht, das Gewebe zu verletzen; das Messer
-hinterließ nur eine vertiefte Spur, die bald wieder verschwand.
-
-»Die waren ausgerüstet für den Kampf ums Dasein!« sagte er: »die
-scharfen Hörner der wilden Tiere, die Klauen und Gebisse der Vögel und
-die blutsaugerischen Schnauzen des Gewürms konnten ihnen nichts anhaben.
-Um so mehr dürfen wir erwarten, bald auf lebende Marsbewohner zu stoßen:
-ein solches Geschlecht stirbt nicht aus!«
-
-Der Professor kannte die Schrecken des Mars noch allzuwenig!
-
-Flitmore photographierte das Innere der Leichenhalle, sowie einige
-besonders charakteristische Mumien. Nach Verlassen der Totenstadt nahm
-er auch diese von einer Anhöhe aus auf; dann verließen unsere Freunde
-den Ort durch ein gewundenes, bergabführendes Tal.
-
-Am Ausgange der Schlucht lehnte an der Bergwand ein niedriger,
-dreieckiger Bau aus »Gußstein«; denn so hatte Schultze das steinerne
-Material, das gleichmäßig glatt war und keine Lücken aufwies, benannt.
-Er vermutete, daß die Marsbewohner eine besondere Steinart wie Lava zu
-schmelzen verstünden, im flüssigen Zustand färbten und dann ihre Häuser
-in einem Block in Erdformen gossen.
-
-Dafür sprach der Umstand, daß die Bauten in der Totenstadt eine
-beschränkte Anzahl von Formen aufwiesen, die in genau den gleichen
-Abmessungen immer wiederkehrten. Der Bruch einzelner beschädigter Steine
-zeigte, daß die Färbung den ganzen Stein durchdrang und daß tatsächlich
-nirgends eine Fuge vorhanden war, sondern alles aus einem Block bestand.
-
-Vor dem neuentdeckten Hause nun saß ein steinaltes Männlein, dessen
-Doppelschädel den Eindruck machte, als trage er eine Mütze aus
-Eisbärenfell; denn schneeweis war sein dichtes Pelzhaar, das zottig
-herabhing, jedoch nicht länger als es bei einem Tierpelz zu wachsen
-pflegt.
-
-Ein ebenso zottiger kurzer Bart umrahmte sein Gesicht.
-
-Mit den großen, gescheiten Augen betrachtete er die Ankömmlinge,
-offenbar sehr interessiert, aber durchaus nicht mit der Verwunderung
-oder gar dem Entsetzen, welche diese sich geschmeichelt hatten, bei dem
-ersten Marsbewohner zu erregen, der ihre fremdartige Erscheinung
-gewahren würde.
-
-Als sie sich ihm nahten, erhob er sich langsam. Ein leuchtendes rotes
-Gewand umfloß seine schlanken Glieder.
-
-Und nun zeigte Schultze den unentwegten Professor: er redete den
-Marsgreis im elegantesten Latein an, das ihm zur Verfügung stand; denn
-er dachte, Latein sei eine Weltsprache, die von gebildeten Wesen überall
-verstanden werden müsse. Er bedachte nicht, daß die alten Römer, so
-unternehmungslustig sie waren, die Grenzen ihres Reichs doch nicht über
-den Erdball ausgedehnt hatten.
-
-Übrigens war der Marsite stocktaub, wie er durch ein beredtes Berühren
-seiner Ohren und sein trüblächelndes Kopfschütteln zu verstehen gab.
-
-Da er jedoch an Schultzes beweglichen Lippen erkannt hatte, daß dieser
-ihn anredete, mochte er meinen, die seltsamen Besucher sprächen die
-Marssprache; denn er ließ einige wohllautende Worte vernehmen, merkte
-aber bald an des Professors Kopfschütteln, daß man ihn nicht verstand.
-
-Da deutete er auf die Gruppe, die ihn anstaunte, und erhob den Blick gen
-Himmel. Gleichzeitig streckte er den Arm empor und wies auf einen
-blassen Stern.
-
-Das war die Erde!
-
-Da die Erde dem Mars weit näher steht als die Sonne, und diese ihm
-infolge ihrer Entfernung nicht so blendend leuchtet, wie uns, konnte man
-die Erde hier bei Tageslicht am Himmel stehen sehen.
-
-So sehr Lord Flitmore an Selbstbeherrschung gewohnt war, die Gebärde des
-Greises brachte ihn doch aus der Fassung.
-
-»Allmächtiger!« rief er aus: »Sollte man das für möglich halten? Dieser
-Marsmensch vermutet, daß wir von der Erde her kommen! Offenbar ist ihm
-das Vorhandensein von Menschen dort bekannt und man rechnete hier damit,
-eines Tages einen Besuch vom Nachbarsterne her zu erhalten.«
-
-»Nein! Welche Hilfsmittel müssen diese Marsmenschen besitzen!« meinte
-Schultze verwundert.
-
-»Ich glaube fast, ihre Augen ersetzen ihnen das beste Teleskop,«
-bemerkte Heinz: »Sehen Sie doch nur, wie der Mann seine Augen weit
-heraustreten läßt, wenn er nach der Erde schaut, und wie tief er sie in
-die Höhlen zurückzieht, wenn er uns betrachtet.«
-
-In der Tat bemerkten jetzt alle dieses seltsame Augenspiel, je nachdem
-der Marsite den Blick auf nähere oder entferntere Gegenstände richtete.
-
- [Illustration: Der Marsgreis.]
-
-»Fragen Sie doch den Alten, wo wir noch mehr Seinesgleichen treffen
-können,« wandte sich Münchhausen ironisch an Schultze, der mit seinem
-Latein zu Ende war nach dem ersten vergeblichen und etwas törichten
-Verständigungsversuch.
-
-Heinz Friedung aber bewies, daß er einer solchen Aufgabe gewachsen war:
-er unternahm es, die gewünschte Auskunft zu erhalten.
-
-Das griff der intelligente junge Mann folgendermaßen an:
-
-Er wies auf die eigene Brust und streckte den Daumen der geschlossenen
-linken Hand empor; dann deutete er der Reihe nach auf Flitmore, Mietje,
-Schultze und Münchhausen, jedesmal einen weiteren Finger der Linken
-ausstreckend.
-
-Der Marsite folgte aufmerksam diesem Gebärdenspiel, das besagen wollte:
-»Wir sind fünf.«
-
-Als Heinz dann seine Hand wieder schloß, zeigte der Alte, daß er
-begriffen habe und des Zählens mächtig sei; denn mit einer Handbewegung
-wies er auf die Gruppe und streckte dann fünf Finger aus, als wollte er
-sagen: »Das stimmt, ihr seid zu fünft.«
-
-Jetzt zeigte Hans auf den Marsiten und streckte wieder den Daumen allein
-vor. Das hieß: »Du bist nur einer.« Dann sah sich der junge Mann
-forschend und fragend nach allen Seiten um mit hilflosen Handbewegungen,
-aus denen der Marsbewohner sofort die Frage erriet: »Wo sind die andern
-Bewohner des Mars?«
-
-Da schüttelte er den Kopf und eine tiefe Traurigkeit überzog seine
-milden Züge: eindringlich streckte er den einen Daumen empor, berührte
-seine Brust, wies dann mit dem Arm im Kreise umher, immer kopfschüttelnd
-und zugleich die Hand verneinend schwenkend, als wollte er sagen: »Ich
-bin allein da! Sonst ist nirgends mehr jemand vorhanden.«
-
-Erstaunt glotzten unsere Freunde ihn an; da winkte er ihnen, ihm zu
-folgen.
-
-Er führte sie an den Rand des Hügels und deutete in den Sumpf hinab.
-
-Da sahen sie schaudernd die Spitzen von Gebäuden aus dem schwarzen
-Schlamme emporragen und die traurigen Gebärden des Greises sagten: »Alle
-sind verschlungen von den Wassern, alle modern im Sumpf oder dienen den
-Sumpfwürmern zum Fraß.«
-
-Dann raffte sich der Alte auf, deutete auf seine Gäste und dann hinauf
-zur Erde, ihnen mit heftigen Handbewegungen begreiflich machend:
-»Fliehet, fliehet! Sonst ereilt euch das gleiche Schicksal!«
-
-Dieses gräßliche Geschick verdeutlichte er noch dadurch, daß er wieder
-hinab in den Sumpf zeigte, dann die Handfläche wagrecht über den Boden
-hielt und sie ruckweise am eigenen Körper immer höher steigen ließ, bis
-er sie hoch über den Kopf hob.
-
-»Er will andeuten, daß die Gewässer plötzlich steigen und hoch über
-unsere Köpfe weggehen können,« erklärte der Lord.
-
-»Allerdings,« bestätigte Schultze: »Die Astronomen haben des öfteren
-derartige Katastrophen auf dem Mars beobachtet: Das Land wird
-urplötzlich vom Meere verschlungen, und die Verteilung von Kontinenten
-und Meeren nimmt eine ganz neue Gestaltung an.«
-
-»So werden wir hier nicht mehr viel zu entdecken haben,« meinte
-Münchhausen: »Der Mann kennt sich jedenfalls am besten aus auf dem Mars
-und wir werden gut tun, seine Warnung nicht in den Wind zu schlagen.«
-
-In diesem Augenblick dröhnte der Klang der Sirene von der Sannah durch
-die Lüfte.
-
-
-
-
- 14. Eine Marskatastrophe.
-
-
-»Halloh! Das ist ein bedenkliches Zeichen!« rief Flitmore.
-
-»Was mag da los sein?« fragte Mietje besorgt.
-
-»Jedenfalls gilt es, schleunigst umzukehren«, mahnte der Kapitän.
-
-Heinz faßte den Marsiten bei der Hand und wies ihm das in der Ferne hoch
-aufragende Weltschiff, ihm bedeutend, er möge mit ihnen flüchten.
-
-Der Mann aber schüttelte bloß traurig das Haupt und schwenkte die Hand
-gegen den Sumpf hinab. Da war nichts zu machen: dort lagen alle seine
-Lieben, bei ihnen wollte er sein Grab finden!
-
-Flitmore unterließ nicht, den letzten Zeugen einer ausgestorbenen
-Menschenwelt zu photographieren; dann schieden unsre Freunde bedauernd
-von dem Greise und beeilten sich, die Sannah wieder zu erreichen; denn
-der Ton der Sirene hatte ihnen verkündigt, daß dort etwas nicht in
-Richtigkeit sein mußte.
-
-Am Waldsaum machten sie Halt, um von den mitgenommenen Vorräten ein
-kurzes Mahl zu halten; denn der Hunger hatte sich mächtig eingestellt
-und Münchhausen hatte erklärt, mit leerem Magen komme er keinen Schritt
-weiter, nachdem er heute Nacht so gründlich angezapft worden sei.
-
-Bobs, der Schimpanse, pflückte sich die goldgelben pyramidenförmigen
-Früchte der Bäume am Waldrand und verzehrte sie mit so sichtlichem
-Behagen, daß der Kapitän sich nicht enthalten konnte, auch davon zu
-kosten. Er fand sie von solch köstlichem Wohlgeschmack, daß auch die
-Übrigen zugriffen und einen großen Vorrat davon mitnahmen.
-
-In zwanzig Minuten war das Wäldchen durchschritten, da man sich nicht
-wieder durch seine Merkwürdigkeiten aufhalten ließ.
-
-Als John die Heimkehrenden aus dem Walde heraustreten sah, kletterte er
-rasch an der Sannah hernieder und ging ihnen entgegen.
-
-»Was ist's? Was gibt's?« rief ihm Heinz von ferne zu. »Ist etwas
-passiert, sahst du eine Gefahr nahen, daß du das Notsignal gabst?«
-
-»O, meine Herren!« rief Rieger, der keuchend dahertrabte: »Die Sannah
-ist sozusagen heil und wohlbehalten, indem ihr nichts passiert ist; aber
-es ist ein schreckliches Wunder geschehen, was ich von weitem erblickt
-habe, und das ich befürchten mußte, wenn es in der Nähe sich ähnlich
-ereignen dürfte, es nicht zum wenigsten unser Weltende herbeizuführen
-vermöglich wäre.«
-
-»Was sahst du denn so Entsetzliches?« forschte der Lord seelenruhig.
-
-»Dort, weit dort drüben ist ein ganzer Bergzug sozusagen im Boden
-verschwunden und dann ist ein andrer aus der Tiefe heraufgestiegen und
-das Wasser und Gewürm floß an ihm herab.«
-
-»Das scheint ein Erdbeben gewesen zu sein!« meinte Schultze.
-
-»Merkwürdig, daß wir nichts davon spürten«, warf Münchhausen ein.
-
-»O, die Sannah hat nicht unbeträchtlich gewackelt«, erklärte der Diener.
-
-»Wenn die Wellenbewegung des Bebens sich senkrecht gegen diese
-parallelen Hügelzüge richtete, so ist es nicht auffallend, daß sie bald
-so abgeschwächt wurde, daß sie uns nicht mehr erreichte«, erläuterte der
-Professor. »Überhaupt zeigen Erdstöße oft eine auffallend scharfe
-Abgrenzung: ein Tal, ein Flußbett gebietet ihnen häufig Halt. Es kommt
-vor, daß eine Stadt auf der einen Seite eines Flusses einstürzt, während
-man im jenseitigen Stadtteil die Erschütterung kaum spürt.«
-
-»Mag sein! Aber ich stimme dafür, daß wir den Mars schleunigst
-verlassen, der bei Tag so unheimlich und gefährlich zu sein scheint, wie
-bei Nacht.«
-
-Dieser Meinung des Kapitäns wurde kein Widerspruch entgegengesetzt; aber
-mit der schleunigen Abreise hatte es noch gute oder besser »schlimme«
-Wege.
-
-So weit das Auge sah, schien plötzlich die ganze Marsoberfläche in
-Bewegung geraten zu sein. In der Luft dröhnte und donnerte es, der
-Erdboden krachte, eine rötliche Staubwolke erfüllte die Luft, so daß
-eine Zeitlang nichts mehr zu erkennen war; dann fegte ein plötzlich
-daherbrausender Orkan die Wolke hinweg; doch schien sie nur in die
-oberen Luftschichten getrieben worden zu sein; denn eine blutig-fahle
-Dämmerung lagerte über dem Grunde.
-
-Ein Schrei des Entsetzens entrang sich unwillkürlich aller Lippen; nur
-Flitmore blieb stumm und anscheinend ruhig.
-
-Dann standen die Erschreckten wie erstarrt.
-
-Bobs, der Affe, allein sprang in rasenden Sätzen der Sannah zu, die er
-erreichte und an der er zu seinem Kameraden Dick emporklomm.
-
-Unsre Freunde aber sahen gewaltige Wogen auf sich zukommen.
-
-Anfangs glaubten sie, es seien richtige Wasserwellen, das Meer sei
-seinem Bette entstiegen, sie zu verschlingen.
-
-Bald aber erkannten sie, daß das Land selber mit seinem leichten weichen
-Erdboden diese Wellen warf: Hügel verschwanden und neue Hügelketten
-tauchten auf, um wieder zu versinken und sich wieder zu erheben.
-
-Und mit unheimlicher Geschwindigkeit nahten diese Erdwogen. An ein
-Erreichen des Weltschiffs, das noch zweihundert Meter entfernt war, war
-nicht mehr zu denken.
-
-Der Boden wankte unter den Füßen der Schreckgelähmten.
-
-Jetzt ein heftiger Stoß, der alle durcheinander warf; die Erde versank
-zu ihren Füßen: sie lagen in der Tiefe; aber der Grund hob sich wieder
-und sie mit ihm. Nur Münchhausens rundliche Masse kollerte alsbald
-wieder von der Höhe hinab: sein kugelförmiger Körper fand nirgends Halt
-und blieb in beständiger rollender Bewegung.
-
-Noch mehrmals wurden die Daliegenden hilflos gehoben und gesenkt von der
-Wellenbewegung der Erde; dann wurde die Erschütterung schwächer und sie
-fanden sich in einer breiten Mulde liegend.
-
-»Hinauf, hinauf!« rief Flitmore, der sich zuerst emporraffte und Mietje
-beim Arm faßte, sie mit Hünenkraft den steilen Abhang emporschleifend.
-
-Es war die höchste Zeit! Brausend kam es die Mulde herauf: ein Strom von
-Schlamm, ein dichtes Pflanzengewirr und eine wimmelnde Masse von
-zappelnden Würmern mit sich führend.
-
-Wer von dieser Woge erreicht wurde, der war verloren: aus diesem Chaos
-hätte keiner mehr seine Glieder zu befreien vermocht.
-
-Mit knapper Not entkam der Professor der zähen Flut, die sich
-heranwälzte, als er kaum auf halber Höhe des Abhangs angelangt war. Von
-dem aufspritzenden Schlamm wurde er über und über bedeckt.
-
-Heinz und John, unmittelbar vor ihm, reichten ihm hilfreich die Hand.
-Der Lord und Mietje befanden sich schon oben in vorläufiger Sicherheit.
-
-»Wo ist der Kapitän?« rief Flitmore, das Brausen im Grunde
-überschreiend.
-
-»Da liegt er gottlob!« schallte Heinzens Stimme.
-
-Ja, da lag er zu oberst auf der Bodenwelle. Bei der letzten
-Wellenbewegung war es seinen verzweifelten Anstrengungen geglückt, sich
-an einem kleinen Erdhügel festzukrallen und so war er zuguterletzt
-emporgehoben worden, ohne wieder herabzurollen. Sonst wäre der Unselige
-unbedingt verloren gewesen; denn aus dem Grunde der Mulde hätte er sich
-nicht so rasch emporarbeiten können wie die andern und da entschieden
-Sekunden über Leben und Tod.
-
-Da lag er nun und bot wiederum einen Anblick, der unter minder
-grauenhaften Umständen die größte Heiterkeit entfesselt hätte; denn es
-sah zu gelungen aus, wie er noch krampfhaft, beinahe zärtlich das
-rettende Erdhügelchen umarmt hielt, als wolle er es nicht wieder von
-sich lassen.
-
-Endlich brachte ihn der Zuspruch und die tätliche Hilfe von Flitmore und
-Heinz wieder auf die Beine, wobei John ihn mit kräftigen Armen von
-hinten im Gleichgewicht hielt.
-
-Aber nun war guter Rat teuer für alle: dort drüben ragte die Sannah aus
-dem Sumpf, in den sie versenkt worden war. Gähnend öffnete sich die Türe
-hart über dem Sumpfspiegel, auf dem die Strickleiter von Morast
-überzogen schwamm.
-
-Ein Glück, daß die Öffnung nicht tiefer zu liegen gekommen war, sonst
-wäre der Schlamm ins Innere geflutet und keine Aussicht mehr gewesen,
-überhaupt in das Fahrzeug zu gelangen.
-
-Allerdings schien auch so keine Möglichkeit hiezu vorhanden, so
-einladend das Tor herübergähnte: ein Sumpfarm von dreißig Meter Breite
-trennte die Gesellschaft von der Sannah und das war ein unüberwindliches
-Hindernis.
-
-»Wenn wir nur die Strickleiter herüberziehen könnten!« meinte Flitmore
-nachdenklich; »sie ist fünfzig Meter lang, und wir brauchen sie nur
-straff anzuspannen, um hinüberturnen zu können.«
-
-Alle strengten nun ihre Gehirnkraft an, um ein Mittel zu ersinnen,
-dieses Ziel zu erreichen.
-
-»Wenn die Affen so gescheit wären«, seufzte Mietje nach langem
-Stillschweigen: »die könnten uns das Ende der Leiter wohl
-herüberschaffen: die Schlammasse ist dick genug und soviele Wurzeln und
-verwirrte Pflanzen ragen daraus hervor, daß die Schimpansen bei ihrem
-geringen Körpergewicht kaum darin versinken würden.«
-
-»Ja! Wenn ... wenn ...!« erwiderte der Lord: »Aber wie willst du ihnen
-das begreiflich machen? Marsmenschen sind sie noch lange nicht.«
-
-Immerhin pfiff er den Affen, ohne sich darüber klar zu sein, was es
-helfen könne, wenn sie herkamen.
-
-Die Schimpansen hatten stets mit Neugier herübergeblickt; es schien
-ihnen offenbar nicht in der Ordnung, daß sie von ihren Herren völlig
-getrennt waren.
-
-Als nun Flitmores wohlbekannter Pfiff erscholl, dem sie zu folgen
-gewohnt waren, kletterten sie an den Rampen herab bis zum Sumpfspiegel.
-Hier aber machten sie unschlüssig Halt: der Boden schien ihnen
-verdächtig.
-
-Nochmals pfiff der Lord.
-
-Nun wagte sich Bobs auf die trügerische Fläche. Er hielt sich mit einer
-Hand an der Strickleiter fest und versuchte die ragenden Wurzeln und
-Pflanzen als Brücke zu benutzen; dabei schleppte er die Strickleiter bis
-zum halben Weg mit sich; da er aber eine Mittelsprosse und nicht das
-Ende erfaßt hatte, war nun die Strickleiter straff gespannt und er
-konnte nicht weiter, ohne sie loszulassen.
-
-Ein dritter Pfiff Flitmores hatte nur zur Folge, daß er los ließ und nun
-vollends frei herüberturnte, was ihm bei seiner Gewandtheit auch gelang.
-
-Inzwischen nahte sich auch Dick, der nun an der Strickleiter eine Brücke
-bis zur Mitte des Sumpfes fand. Hier verließ auch er sie und kam
-vollends glücklich ans Ufer.
-
-»Nur fünfzehn Meter!« seufzte der Kapitän.
-
-»Wollen Sie's riskieren?« höhnte Schultze: »Untergehen werden Sie ja
-wohl kaum.«
-
-»Das nicht,« lachte Münchhausen gutmütig, »aber bis zur Mitte meiner
-Konstitution einsinken, das ist sicher. Was könnte es Ihnen helfen, wenn
-ich als lebendige Kugelboje im Morast schwämme?«
-
-»Ich muß hinüber, ich bin die Leichteste«, sagte Mietje in plötzlichem
-Entschluß.
-
-»Du?« rief ihr Gatte mit einem Ton der Besorgnis in der Stimme.
-
-»Ja, ich! Irgendwie müssen wir aus dieser Notlage herauskommen, und das
-ist nicht möglich, wenn nicht jemand das Wagnis unternimmt. Das
-geringste Körpergewicht gibt die beste Aussicht auf das Gelingen und
-somit bin ich die Geeignetste dazu; denn sinke ich unter, so würde das
-jedem von euch umso sicherer widerfahren.«
-
-»Nein, nein! Dieses heldenmütige Opfer können wir nie und nimmer
-annehmen«, widersprach der Kapitän.
-
-»Doch, doch! Bobs wird mich führen, und so gescheit und treu ist er
-schon, daß er mich hält, wenn er mich sinken sieht.«
-
-»Wir müssen dich anseilen«, sagte Flitmore, der einsah, daß etwas gewagt
-werden mußte und daß seine mutige Gattin allerdings am ehesten Aussicht
-hatte, den Sumpf ohne ernsten Unfall beschreiten zu können.
-
-»Gut«, sagte Mietje, »so bitte ich die Herren einen Augenblick
-wegzusehen.«
-
-Sie trug unter dem Kleide einen Unterrock aus starker Leinwand. Dieses
-entbehrlichen Kleidungsstückes entledigte sie sich rasch und schnitt es
-in Streifen mit der Scheere, die sie als praktische Hausfrau in einem
-handlichen Nähetui stets bei sich trug.
-
-Die aneinandergeknüpften Streifen gaben ein Seil, das stark genug war,
-sie im Notfall ans Ufer zurückzuziehen.
-
-Nun ergriff die junge Heldin Bobs Arm und schob den Schimpansen voran
-auf den Morast.
-
-Der Affe zeigte sich verständig und lenksam und schritt gewandt aus, die
-haltbarsten Unterlagen geschickt auswählend.
-
-Mietje, die sich des besseren Haltes wegen ihrer Schuhe und Strümpfe
-entledigt hatte, konnte sich nicht wie der Schimpanse mit den Füßen an
-den schwankenden Wurzeln und Ranken anklammern: um so fester klammerte
-sie sich am Arme ihres Beschützers fest, während die Männer am Ufer das
-Seil straff hielten, das ihr unter den Schultern festgebunden worden
-war.
-
-Es war übrigens ein kurioses Schauspiel, die zarte Lady am Arme des
-Affen dahinschreiten zu sehen; doch richtete sich die Aufmerksamkeit der
-am Ufer Stehenden lediglich auf ihre Tritte. Oft erbebten sie, wenn sie
-sahen, daß ihr Fuß einsank; aber die Dame war so behende, daß sie
-jedesmal schon den andern Fuß auf irgend einen festeren Punkt gesetzt
-hatte und ihr Körpergewicht rasch auf diesen verlegte, ehe der eine Fuß
-nur Zeit fand, tiefer einzusinken.
-
-Ein langsames, zögerndes Ausschreiten wäre ihr Verderben gewesen; durch
-dieses flinke Vorwärtshüpfen, das Bobs kaum gewandter zuwege brachte,
-gelang es ihr auch sehr zweifelhafte Stützpunkte im Fluge zu benutzen,
-sie nur als flüchtiges Sprungbrett für den nächsten Schritt verwertend.
-
-»Bei allen Feen und Elfen!« konnte der Kapitän sich nicht enthalten,
-bewundernd auszurufen: »Lord, ich glaube, ihre Gattin würde mit
-ebensolcher Eleganz über das Meer hinweghüpfen: bis ein Fuß einsinken
-will, ist er schon ganz wo anders.«
-
-»Nicht wahr, da staunen Sie, stattlicher Hugo«, spöttelte Schultze: »Sie
-möchte ich an Stelle der Lady sehen, wie leichtfüßig Sie durch den
-Morast stapfen würden. Daß Sie ja hüpfen können, trotz einem
-Ballettmädel, haben Sie uns heut Nacht bewiesen, edler Würmlizertreter.«
-
-Jetzt atmeten alle auf; Mietje hatte die Strickleiter erreicht und zog
-das in den Sumpf gesunkene Ende aus dem Schlamm; aber der hierdurch
-veranlaßte Aufenthalt auf dem unsicheren Boden sollte ihr verhängnisvoll
-werden.
-
-Sie stand auf einem dünnen Gewirr verflochtener Lianen und Wurzeln, das
-alsbald zu sinken begann, wie sie sich bückte und mühsam die
-Strickleiter aus dem Sumpf zog: eine schwere Arbeit, da Pflanzen und --
-o Graus! auch dicke Würmer an den Sprossen hingen.
-
-Die Männer am Ufer zogen sofort das Seil an, als sie Mietje sinken
-sahen; diese aber rief ihnen ein energisches: »Halt, halt!« zu.
-
-Es wäre eine schlimme Sache für die arme junge Frau gewesen, am Strick
-durch diesen Morast mit all seinem Wirrwarr geschleift zu werden, und
-sie wäre sicher in bös zerfetztem und zerschundenem Zustand drüben
-angekommen. Daran dachte sie jedoch nicht: es war ihr lediglich darum zu
-tun, so nahe am Ziel den Erfolg ihres gefährlichen Unternehmens nicht in
-Frage zu stellen.
-
-Bangend sahen ihr die Männer am Ufer zu, bereit, sofort das Seil
-anzuziehen, sobald Mietje in dringende Lebensgefahr geriete. Sie stak
-schon bis zu halbem Leibe im Schlamm, als sie endlich die Strickleiter
-so weit emporgezogen hatte, daß sie bis ans Ufer reichen konnte.
-
-Aber was war das? Sie band ja das Seil los, das ihr den letzten Halt
-geben sollte.
-
-»Mietje, was tust du? Was fällt dir ein?!« rief Flitmore mit
-unverkennbarem Schrecken.
-
-»Das Gescheiteste!« rief die Lady zurück.
-
-Sie band rasch das Ende des Stricks an einer Sprosse fest und schrie
-dann hinüber: »Jetzt, schnell! Ziehet kräftig an.«
-
-Mit fieberhafter Eile ließen die Männer das Seil durch ihre Hände
-gleiten, bis die Strickleiter sich straffte: sie reichte nun gerade bis
-ans Ufer.
-
-Inzwischen war Mietje bis an den Hals im Schlamm versunken, hielt sich
-aber mit emporgestreckten Armen an einer Sprosse fest.
-
-Als nun die Männer die Leiter zu fassen bekamen und aus allen Kräften
-anzogen, wurde die aufopfernde Heldin wieder soweit emporgezogen, daß
-sie nur noch bis zur Brust im Moraste stak.
-
-Dieses Straffen der Strickleiter war ein schweres Stück Arbeit gewesen!
-
-Nun wurde das Ende der Leiter so fest als möglich an einem starken Busch
-angebunden. Zu aller Vorsicht mußte Münchhausen es noch mit seinem
-ganzen Körpergewicht beschweren und der Professor sich bereithalten, im
-Notfall auch noch zuzugreifen; denn nun turnten der Lord und sein
-Diener, sowie Heinz gleichzeitig auf der unsicheren Brücke über den
-Sumpf, galt es doch, Mietje aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien.
-
-Schrecklich war ihre Lage in der Tat: sie konnte kaum noch festhalten;
-ihre ermüdeten Arme waren schmerzhaft gespannt und die sich krampfenden
-Finger wollten sich an einem fort loslösen. Ein Glück war es, daß sie
-nicht frei in der Luft hing, sonst hätten ihre Kräfte unbedingt versagt,
-ehe Hilfe kam. Der zähe Brei, in dem sie steckte, minderte doch
-einigermaßen das Körpergewicht, das an ihren Armen hing und ihr die
-Hände aus den Gelenken zu reißen drohte.
-
-Aber sie fühlte, wie trotz der äußersten Anspannung ihrer Willens- und
-Muskelkraft alle Energie sie verließ: tausend Arme schienen sie in den
-Sumpf zu ziehen, immer lockender wurde die Versuchung, loszulassen und
-sich nicht weiter der schrecklichen Marter auszusetzen, die alle
-Todesfurcht einschläferte, so daß Sinken, Ersticken, Einschlafen ihr als
-Erlösung erschien.
-
-Bei alledem gab sie keinen Laut von sich; aber das Blut hämmerte in
-ihren Schläfen, es wurde schwarz um sie her, ihre Finger lösten sich:
-das war das Ende!
-
-Dies war ihr letzter dunkler, aber gar nicht schreckhafter Gedanke; dann
-hatte sie das Bewußtsein verloren.
-
-Aber in dem Augenblick, da sie mit schwindendem Bewußtsein die Sprosse
-losließ, hatte Flitmore sie erreicht und ihre Handgelenke mit eiserner
-Gewalt umklammert.
-
-Hinter ihm krochen auch schon Heinz und John heran; denn nur kriechend
-konnte man sich auf der schwanken Brücke fortbewegen.
-
-»Ich halte sie«, keuchte der Lord; »jetzt sehet zu, wie wir sie
-heraufbringen.«
-
-Das war keine einfache noch leichte Aufgabe!
-
-Heinz, der ein äußerst gewandter Turner war, hakte seine Füße in der
-Strickleiter ein und ließ sich, den Kopf nach unten, hinab, während er
-in den Knieen hing.
-
-Dann faßte er die Lady mit beiden Händen um die Taille und hob sie mit
-unsäglicher Anstrengung aus dem Schlamm.
-
-»Ich habe sie!« stöhnte er endlich: »Sie können loslassen, Lord.«
-
-Flitmore ließ die Handgelenke los, die er zwischen zwei Sprossen durch
-ergriffen hatte; denn durch den engen Zwischenraum konnte er
-selbstverständlich seine Gattin nicht emporziehen.
-
-Schnell flocht er seine Beine zwischen Sprossen und Stricken fest und
-und wies John an, ein Gleiches zu tun.
-
-Jetzt beugten beide den Oberkörper auf der gleichen Seite hinab und
-faßten Mietjes leblosen Körper unter den Armen. Es war höchste Zeit;
-denn Heinz hätte ihn in seiner schwierigen Lage keine Minute mehr halten
-können.
-
-Flitmore und Rieger zogen nun die Ohnmächtige auf die Strickleiter, wo
-sie dieselbe zunächst ausstreckten, um frische Kräfte zu schöpfen.
-
-Inzwischen hatte auch Heinz sich wieder heraufgeschwungen.
-
-Jetzt konnte die Lady, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit, vollends zur
-Sannah verbracht werden, wo es Flitmores Bemühungen bald gelang, sie
-wieder zum Bewußtsein zu bringen.
-
-Nun durften auch Schultze und Münchhausen die Reise antreten.
-
-Der Kapitän bewegte sich voran, der Professor schob nach.
-
-Ersterer hatte es schwer; denn seine runde Wölbung machte ihm das
-Kriechen auf der schmalen Leiter beinahe unmöglich.
-
-Es war ein köstlicher Anblick, diese Körpermasse sich langsam und
-schwerfällig auf dem schwankenden Stege vorschieben zu sehen.
-
-Auf der Mitte angelangt, erklärte der Kapitän mit lauter, aber höchst
-kläglicher Stimme: »'s ist aus! Ich bin am Ende meiner Kräfte. Hier
-bleibe ich und wenn ich hier übernachten muß und in den Sumpf kollere.«
-
-»Machen Sie keine schlechten Witze, Kapitän«, mahnte Schultze von
-hinten: »Ich schiebe Sie ja aus allen Kräften.«
-
-»Ach, was richten Sie aus? Das ist, als ob eine Mücke einen Elefanten
-schieben wollte! Ich sage Ihnen, ich bin schachmatt.«
-
-»Sie freuen mich, Allerwertester! Was soll denn aus mir werden? Soll ich
-etwa über Sie hinwegturnen? Im Bergkraxeln bin ich ganz und gar nicht
-bewandert und zum mindesten müßte ich einen Alpenstock haben, wollte ich
-es wagen, diese gefährliche Kletterpartie zu unternehmen.«
-
-»Ha! Gefühlloser Schurke! Bin ich aus Granitquadern gebaut? Bin ich ein
-rauher Felsblock, daß Sie die Eisenspitze eines Gebirgsstockes in meine
-Flanken bohren wollen? Das lassen Sie sich beikommen und wie eine Lawine
-rolle ich mit Ihnen ins Verderben!«
-
-»Nee! ein rauher Felsbrocken sind Sie nicht«, lachte der Professor
-belustigt: »Rauh sind Sie nur innerlich, oller Seebär; außen sind Sie
-nur allzuglatt und wohlgerundet, das ist ja gerade das Fatale; ein
-Absturz wäre mir sicher, wollte ich die Kletterei unternehmen. Also,
-voran!«
-
-»Keinen Schritt mehr!«
-
-»Aber ich kann doch nicht hier übernachten.«
-
-»So kehren Sie um.«
-
-»Was? So nahe dem rettenden Hafen soll ich umkehren und mich in der
-Nacht mit den blutdürstigen Würmern herumbalgen? Vorwärts, vorwärts! Es
-dämmert schon.«
-
-Flitmore hatte inzwischen John gesandt, der nun den Kapitän erreichte
-und anseilte.
-
-So, gezogen und geschoben, gelangte er endlich in die Sannah zur großen
-Erleichterung des Professors, der sich nun auch geborgen sah.
-
-Alle Anstrengungen, die Strickleiter vom Busch loszureißen, um sie in
-das Weltschiff zu ziehen, waren vergeblich.
-
-»Lassen wir sie zurück«, erklärte der Lord, »ich habe ja noch andre.«
-
-»Nein!« widersprach Heinz: »Die Brücke, die uns das Leben rettete und um
-die Lady Flitmore ihr Leben wagte, an der sie so heldenmütig die
-gräßlichsten Folterqualen ertrug, darf nicht im Stiche gelassen werden:
-ich mache sie los!«
-
-Flitmore schüttelte den Kopf: »Und Sie? Sie werden es schwer haben auf
-der losen Leiter zurückzukehren.«
-
-»Lassen Sie mich machen, es wird alles gut gehen!«
-
-Wirklich kletterte Heinz zurück.
-
-Er schnitt ein Stück des leinenen Seiles ab, band es an den Teil des
-Seiles, der die Leiter mit dem Busch verband und glimmte es an. Dann
-kletterte er rasch zurück und erreichte auch wirklich die Sannah, ehe
-die weiterglostende Lunte das Seil angesteckt und durchgebrannt hatte.
-
-Sobald letzteres der Fall war, ließ sich die Strickleiter leicht
-einziehen.
-
-Nun waren alle im Weltschiff wieder beieinander; Bobs hatte sich schon
-dorthin gemacht, als Mietje ihn losließ, um die Strickleiter aus dem
-Moraste zu ziehen. Dick war über die Brücke als Erster geturnt, sobald
-sie hergestellt worden war.
-
-Inzwischen war es Nacht geworden; beide Marsmonde leuchteten am Himmel:
-Phobos, der bei einer Umlaufszeit von nur 7½ Stunden manchmal in einer
-Nacht zweimal erscheint, und Deimos, der dem Mars nicht jede Nacht
-aufglänzt, da er 30¼ Stunde Umlaufszeit hat. Beide sind dem Planeten
-sehr nahe, woraus sich ihre überaus kurze Umlaufszeit erklärt.
-
-Flitmore schloß die Türe und ließ den Zentrifugalstrom durch das
-Weltschiff strömen.
-
-Die Sannah erhob sich mit wachsender Geschwindigkeit, und, wie unsre
-Freunde sahen, gerade zu rechter Zeit; denn unter ihnen geriet das
-monderhellte Land auf einmal wieder in Bewegung. Ein besonders heftiger
-Erdstoß mußte es erschüttert haben; denn plötzlich kam von ferneher eine
-haushohe dunkle Woge: das Meer brauste heran und verschlang das
-schwankende Land, so weit man sehen konnte, und mit ihm auch zweifellos
-den letzten Bewohner des Mars.
-
-
-
-
- 15. Im Meteorschwarm.
-
-
-»Schade, daß wir uns so rasch vom Mars entfernen,« sagte Schultze
-bedauernd: »Es wäre äußerst interessant und lehrreich gewesen, bei
-Tageslicht aus nächster Nähe die Veränderungen zu beobachten, die das
-Erdbeben auf der Oberfläche des Planeten hervorgerufen hat.«
-
-»Wir haben keine Eile,« entgegnete Flitmore, »da wir ja nun in
-Sicherheit sind, und es ist uns ein Leichtes, über Nacht in der
-Marsatmosphäre zu verweilen. Ich übernehme die erste Nachtwache und
-werde den Strom alle zehn Minuten unterbrechen, so daß wir wieder
-sinken; Herr Friedung soll es in der zweiten Wache ebenso machen und
-Sie, Professor, übernehmen die Morgenwache und vollführen das gleiche
-Manöver; nur müssen Heinz und Sie wohl aufpassen, daß Sie den Strom
-nicht allzulange unterbrechen, damit uns nicht etwa eine unsanfte,
-vielleicht gefährliche Landung begegnet.«
-
-Die beiden versprachen alle Vorsicht und bewiesen sie hernach auch, so
-daß die Sannah beim Anbruch des Morgens sich nur wenige Kilometer über
-der Marsoberfläche befand.
-
-Es war ein überraschendes Bild, das sich nun unsern Freunden bot: der
-Meeresgrund hatte sich gehoben und das bisherige Festland, das sich
-gesenkt hatte, war vom Meer bedeckt, wenigstens zum größten Teile.
-
-Nun zeigte sich aber deutlich, daß ähnliche Katastrophen den unseligen
-Mars schon früher heimgesucht hatten, denn das neue, dem Meeresgrund
-entstiegene Festland war mit Städten und Dörfern aus buntem Gestein
-übersät, die aus dem Schlamm hervorleuchteten, der sich in ihren Gassen
-und um sie her abgesetzt hatte.
-
-»Nun begreife ich erst, wie die ganze Marsbevölkerung nach und nach
-zugrunde gehen konnte!« sagte Schultze. »Noch eine oder zwei so
-gewaltige Verheerungen, und auch das Tierleben wird auf dem Planeten
-erloschen sein bis auf das Seegetier und die gräßlichen Sumpfwürmer.
-Höchstens die Vögel mögen noch dem Verderben entgehen.«
-
-Nun wurde die Marsbahn endgültig verlassen und Flitmore schlug vor, nach
-dem Jupiter, dem Koloß unter den Planeten, zu fahren und dann dem Saturn
-einen Besuch abzustatten, ehe die Rückreise nach der Erde angetreten
-werde.
-
-Damit waren alle einverstanden.
-
-Zunächst wurde jetzt daran gegangen, die einzelnen Zimmer den
-Schwerpunktverhältnissen der Sannah anzupassen, denn ihre Rotation hatte
-wieder begonnen und es galt allerlei Möbel und Gerätschaften in den
-Zimmern, die auf einen andern Schwerpunkt eingerichtet waren, von den
-Wänden oder der Decke zu lösen und sie am Fußboden festzuschrauben.
-
-Kurz darauf geriet die Sannah in einen Meteorschwarm.
-
-Flitmore hatte behufs Verlangsamung der Fahrt den Fliehstrom abgestellt,
-als ein Gepolter losging; anfangs waren es nur einzelne kleine
-Meteoriten, die die Umhüllung des Schiffes trafen, bald aber prasselte
-es auf sie hernieder wie ein regelrechtes Hagelwetter. Beschädigt wurde
-die solide Hülle nicht, denn die Meteore waren wohl auch nicht größer
-als Hagelkörner; um aber jeglicher Gefahr aus dem Wege zu gehen, ließ
-der Lord rasch wieder den Strom durch die Sannah kreisen und alsbald
-bewährte sich die Wirkung der Fliehkraft, denn die Meteore wichen dem
-Weltschiff von ferne aus infolge der abstoßenden Wirkung, die sie auf
-alle der Schwerkraft unterworfenen Körper ausübte.
-
-Flitmore lud die Reisegesellschaft ein, sich in ein auf der Nachtseite
-gelegenes Zimmer zu begeben: »Ich denke, daß wir auf der Schattenseite
-ein herrliches Schauspiel von leuchtenden Sternschnuppen und Meteoren
-genießen werden,« meinte er.
-
-»Sie vergessen,« warf Schultze ein, »daß die Meteoriten nur beim
-Eintritt in die Atmosphäre aufleuchten, infolge der Reibung mit
-derselben.«
-
-Der Lord lächelte: »Ich vergesse nichts: schauen wir leuchtende Meteore,
-so ist dies ein neuer Beweis für meine Theorie, daß eben der ganze
-Weltraum mit verdünnter Luft erfüllt ist.«
-
-»Aber müßte dann nicht auch die Erde in Glut geraten?« fragte Heinz.
-
-»Sie ist geschützt durch ihre atmosphärische Hülle, die sie vor der
-Reibung mit den Stoffen des Raums bewahrt, und die Lufthülle selber
-bleibt deshalb vor zu starker Reibung bewahrt, weil sie einen Teil der
-Weltatmosphäre mit sich fortreißt und diese Bewegung mit der zunehmenden
-Höhe nur immer schwächer wird, so daß die Reibung der Erdatmosphäre mit
-der Weltatmosphäre an keinem Punkte stark auftreten kann, da jede neue
-Schicht nur um sehr wenig geringere Bewegung aufweist als die darunter
-liegende.«
-
- [Illustration: Sannah im Meteorenschwarm.]
-
-Mochte dem sein, wie ihm wollte, jedenfalls war es Tatsache, daß man
-ganze Schwärme von kleineren und größeren Meteoren zu sehen bekam: ein
-entzückendes Feuerwerk.
-
-»Sie haben ja recht behalten, Lord,« gestand Schultze nun ein: »Aber
-rätselhaft bleibt es mir, warum, wenn doch offenbar die Reibung an der
-dünnen Weltatmosphäre genügt, um die Meteore zu entzünden, die irdischen
-Sternschnuppen erst dann zum Leuchten kommen, wenn sie in die
-Erdatmosphäre eintreten?«
-
-»Die Sache ist sehr einfach: weil sie eben zuvor keiner oder doch nur
-einer geringen Reibung ausgesetzt sind. Sehen Sie, ich erkläre mir den
-Vorgang so: die Meteorschwärme haben ja wohl ihre Eigenbewegung, aber
-wahrscheinlich teilt die Weltatmosphäre in ihrer Bahn diese Bewegung,
-möglicherweise hat auch jedes noch so kleine Meteor seine eigene
-Lufthülle, die es aus der Raumatmosphäre an sich zieht; dadurch wird die
-Reibung aufgehoben oder auf ein geringes Maß beschränkt.
-
-Gerät aber die Erde in einen solchen Meteorschwarm, so läßt die
-Anziehungskraft der Erde die Meteore mit rasender Geschwindigkeit
-stürzen; beim Eintritt in die dichtere Erdatmosphäre werden sie ihrer
-Lufthülle plötzlich beraubt, der Widerstand der Luft streift sie ihnen
-gleichsam ab, und nun entsteht die Reibung, die sie in plötzliche Glut
-versetzt.
-
-Wenn wir nun hier leuchtende Meteore sehen, so ist der Fall allerdings
-insofern ein anderer, als keine dichtere Atmosphäre das Aufglühen
-veranlaßt, jedenfalls aber ein ungemein beschleunigter Sturz. Diese
-Meteore müssen in die Anziehungssphäre eines Planeten, vielleicht des
-Jupiter, geraten sein und stürzen nun mit solch rasender Geschwindigkeit
-durch den Raum ihm zu, daß der Widerstand der verhältnismäßig ruhenden
-Weltatmosphäre sie ihrer Lufthülle beraubt, falls wir eine solche
-annehmen wollen, jedenfalls aber ihre Reibung an der Weltatmosphäre
-stark genug wird, sie in Weißglut zu versetzen.«
-
-John Rieger lauschte mit offenem Munde diesen großartigen Ausführungen
-seines Herrn, die ihm um so mehr Ehrfurcht einflößten, als er nicht das
-mindeste davon begriff.
-
-Aber bildungsdurstig, wie er stets war, wandte er sich an Professor
-Schultze, der es besser verstand, sich seinem Verständnis anzupassen.
-
-»Mit untertänigst gnädigstem Verlaub, Herr Professor,« hub er an: »Sie
-reden da so viel äußerst Belehrendes von den Motoren oder Sternschuppen;
-aber wenn Sie einmal die gütigste Liebenswürdigkeit hätten, mich
-genauestens aufzuklären, was diese leuchtenden Motoren von Grund aus
-sind, so wäre ich Ihnen vorzugsweise verbunden.«
-
-»Sehr gern, mein Freund!« erwiderte der Professor bereitwilligst: »Wie
-du ganz richtig bemerkt hast, sind Meteore und Sternschnuppen im Grunde
-dasselbe. Es sind kleinere oder größere Körper, die im Weltraum sich
-befinden. Wenn nun die Erde in ihre Nähe kommt, werden sie von ihr
-angezogen und sie stürzen mit größerer oder kleinerer Geschwindigkeit in
-die Lufthülle der Erde. Je rascher sie hereinstürzen, desto mehr
-erhitzen sie sich, aber um so mehr verlieren sie auch an Fallkraft, so
-daß sie weiter unten nicht schneller stürzen als diejenigen, die von
-Anfang an langsamer fielen.
-
-Die Erhitzung mag mehrere tausend Grad betragen; dabei kommen sie zum
-Leuchten und schmilzen an der Oberfläche, wogegen sie im Innern ziemlich
-kalt bleiben. Wenn sie die Erde erreichen, sind sie durchaus nicht
-besonders heiß, was eben daher kommen mag, daß ihr Sturz je tiefer desto
-langsamer wird.
-
-Die meisten aber kommen gar nicht bis zur Erde herab, weil sie hoch oben
-schon so heiß werden, daß sie sich in Gase auflösen: Das sind dann
-Sternschnuppen. Gelangen sie jedoch bis zur Erde, so sind es Meteore. So
-nennt man sie aber auch, wenn sie besonders groß und hell erscheinen;
-übertreffen sie an Glanz die hellsten Sterne, so heißt man sie Boliden;
-verbreiten sie einen ganz außerordentlichen, oft taghellen Glanz, so
-bezeichnet man sie als Feuerkugeln; solche treten aber nur sehr selten
-und immer vereinzelt auf, während Sternschnuppen und Meteore in ganzen
-Schwärmen vorkommen.
-
-Natürlich willst du nun wissen, woher diese Dinger eigentlich stammen.
-Manche behaupten, Meteoriten, d. h. kleine Meteore, kämen vom Mond.
-Sicher aber ist, daß die Sternschnuppen und Meteorschwärme von Kometen
-herrühren. Erstens einmal sind ihre Bahnen denen der Kometen durchaus
-ähnlich; zweitens aber hat man schon beobachtet, daß Kometen, die der
-Sonne oder dem Jupiter zu nahe kamen, sich in Meteorschwärme aufgelöst
-haben.
-
-Dafür ist besonders der berühmte Bielakomet ein lehrreiches Beispiel.
-Dieser kam 1846 dem Jupiter zu nahe und zersprang dadurch in zwei
-Stücke, die 1852 zu richtiger Zeit wiederkehrten, aber 1858, als sie
-wieder erscheinen sollten, nirgends zu finden waren. Seither hat man ihn
-nicht wieder gesehen; als jedoch die Erde 1872 und 1885 seine Bahn
-kreuzte, geriet sie in einen Meteorschwarm, der als prächtiger
-Sternschnuppenhagel das Auge entzückte. Das waren die Überreste des
-stolzen Kometen. Diesen Meteorschwarm nannte man die Leoniden, weil er
-aus dem Sternbild des Löwen zu kommen schien; zuletzt ist auch dieser
-Meteorschwarm verschwunden.«
-
-»Das leuchtet mir spezifisch ein,« sagte John befriedigt, »daß die
-Motore von den Kometen herkommen; denn man nennt doch die Kometen
-»Haarsterne«, weil sie sozusagen eine goldene Mähne haben. Aber aus
-solchen goldenen, leuchtenden Haarverhältnissen dürften vermutungsweise
-auch goldene, leuchtende Schuppen fallen, und das sind dann die so
-richtig benannten Sternschuppen.«
-
-Alle lächelten über diese gelungene, echt volkstümliche Wortableitung;
-der Professor aber sagte lachend:
-
-»Brav, mein Sohn! Bleibe nur bei dieser Erklärung, so behältst du alles
-am besten inne; denn Schuppen oder Schnuppen sind in Grunde Schnuppe und
-Schuppen können zwar lästig sein, aber so ein hartnäckiger Schnuppen ist
-doch noch weit unangenehmer. Aber noch weißt du nicht, aus was für
-Stoffen die Meteore eigentlich bestehen. Sie enthalten allerlei:
-Kieselsäure, Magnesia, Eisen, Nickel, Kupfer, Wasserstoff, Sauerstoff,
-auch Kohlenstoff und zweifellos organische Bestandteile, das heißt
-Spuren von Pflanzen oder lebenden Wesen, die uns Kunde geben, daß auch
-andere Welten solche besitzen, wie wir jetzt ja auf dem Mars mit eigenen
-Augen sehen; manchmal findet man sogar Diamanten im Innern eines
-Meteorsteins. Meistens sind es größere oder kleinere Eisenblöcke.«
-
-»Ja,« mischte sich der Lord in die Auseinandersetzung: »und drei solche
-hat der berühmte Nordpolforscher Peary gestohlen!«
-
-»Gestohlen?« fragte Heinz erstaunt.
-
-»Jawohl. Dieser Peary fand bei den Eskimos eiserne Werkzeuge. Überrascht
-hievon, erkundigte er sich, woher das Eisen stamme. Man antwortete ihm
-stets: »Vom Eisenberg!« Wo sich aber dieser rätselhafte Eisenberg
-befand, wußten nur die ältesten Männer des Stammes und diese verrieten
-ihr Geheimnis nicht.
-
-Auf späteren Reisen erwarb sich Peary nach und nach das Vertrauen der
-Eskimos in so hohem Grade, daß sie endlich seinem Drängen nachgaben und
-ihn zu dem rätselhaften Eisenberg führten, der aus drei gewaltigen
-Meteoren bestand. Die Eskimos hatten ihnen Namen gegeben: »Die Zehn«,
-»Das Weib« und »Den Hund« nannten sie diese Eisenklötze, die für sie ein
-ganz unschätzbares Kleinod waren, das einzige Eisen in den arktischen
-Regionen! Aufs gemeinste hat Peary das ihm entgegengebrachte Vertrauen
-mißbraucht. Unter großen Schwierigkeiten ließ er die drei Meteore, ja
-alle drei! heimlich an Bord schaffen und beraubte so die armen Eskimos,
-die wahrhaftig hart genug ums Dasein zu kämpfen haben, ihres kostbarsten
-Schatzes, den sie so lange unter strengstem Geheimnis gehütet hatten. In
-Newyork erhielt er 200000 Mark für seinen Raub. Ob er wohl das
-Sündengeld mit gutem Gewissen eingesackt hat?«
-
-»Das ist allerdings ein Schurkenstreich erster Güte!« eiferte Schultze
-empört: »In meinen Augen hat Peary seinen Ruhm damit aufs schmählichste
-befleckt.«
-
-»Und sehen Sie, so ist unsere europäische und amerikanische
-Christenmoral,« fuhr der Lord fort: »Jedermann weiß, was dieser Peary da
-verübt, und doch feiert man ihn, ja man bewundert noch die Kühnheit und
-List, mit der er die Eskimos hintergangen und bestohlen hat. Hätte er
-einem Amerikaner solche Wertgegenstände geraubt, so käme er dafür ins
-Zuchthaus.«
-
-»Ja ja! Aber so arme Eskimos bestehlen, das ist ja wohl etwas anderes,
-eine Heldentat!« fügte Schultze grimmig bei.
-
-Als der Professor seine Empörung über die Schuftigkeit eines berühmten
-Mannes einigermaßen überwunden hatte, fühlte er sich bewogen, John noch
-eine besonders interessante Mitteilung über die Meteoriten zu machen:
-
-»Du siehst,« sagte er, »es fallen zu Zeiten recht stattliche Eisenblöcke
-vom Himmel; manchmal geht ein ganzer Hagel von Meteoren nieder. Vom Jahr
-823 wird berichtet, daß in Sachsen durch einen solchen Meteorhagel
-Menschen und Vieh erschlagen und 35 Dörfer vom Feuer verzehrt worden
-sind. Der berühmte Arzt und Chemiker Avicenna beschreibt genau
-Meteoritenfälle, die um 1010 in Ägypten, Persien und anderwärts
-niedergingen. Am 1. Oktober 1304 fielen bei Friedeburg an der Saale
-feurige Steine wie Hagel und richteten großen Schaden an. Am 7. November
-1492 fiel bei Ensisheim ein 260 Pfund schweres Meteor, von dem ein Stück
-noch heute in der dortigen Kirche hängt. Am 4. September 1511 ereignete
-sich bei Crema ein ungeheurer Steinregen, der die Sonne verfinsterte. Es
-stürzten etwa 1200 Meteore herab, darunter solche von 260 und 120 Pfund;
-sie erschlugen Vögel, Vieh und Fische, auch einen Mönch.
-
-Und ähnliche Fälle kamen noch zu Dutzenden in Deutschland, Frankreich,
-Spanien und Italien vor, wobei mehrfach Menschen ums Leben kamen. Eine
-ganze Anzahl derselben wurde ausführlich beschrieben, oft von
-einwandfreien Gelehrten und Professoren; sogar wissenschaftliche
-Kommissionen untersuchten die Aerolithen, und trotzdem wollte die
-Wissenschaft nicht daran glauben; ja die französische Akademie der
-Wissenschaften erklärte es feierlich für einen Blödsinn, wenn man
-behaupte, es könnten Steine vom Himmel fallen. Allerdings wurde sie
-durch einen alsbald erfolgenden großartigen Steinregen in Frankreich
-gründlich blamiert; aber man sieht daraus, wie zäh die Zweifelsucht
-beschränkter Köpfe ist, die sich für Leuchten der Welt halten. Es ist
-heute nicht anders, es gibt jetzt noch genug Vertreter dieser
-wissenschaftlichen Beschränktheit, die vor den augenfälligsten Tatsachen
-wie der Vogel Strauß den weisheitgeschwollenen Kopf in den Sand stecken,
-sobald ihnen etwas über den Horizont geht: solche Kleingeister spötteln
-heute über die Wünschelrute, das Hellsehen, die Weissagungen der
-Propheten und wollen gar die Geschichtlichkeit eines Jesus leugnen,
-genau wie jene Akademiker an keine Meteoriten glauben wollten; es ist
-die Sorte, die nie ausstirbt und gegen welche Götter selbst vergebens
-kämpfen!«
-
-»Sachte, sachte, Professorchen,« lachte Münchhausen: »Sie sind auch
-nicht immer gläubig und haben sich schon manchmal mit Ihren Zweifeln
-verrannt.«
-
-»Gebe ich zu! Aber hernach sehe ich es ehrlich ein und hülle mich nicht
-in Eigensinn und überlegenes Lächeln.«
-
-»Am meisten,« nahm der Lord das Wort, »belustigen mich die Gelehrten,
-die aus erhabenem wissenschaftlichen Wirklichkeitssinn jede Möglichkeit
-leugnen, ein Mensch könne Zukünftiges vorhersagen. Aus dieser
-vorgefaßten Meinung heraus geben sie sich unendliche Mühe, mit einem
-fabelhaften Aufwand von Phantasie und Mangel an Logik die prophetischen
-Weissagungen der Bibel wegzuerklären, und dann erzittern sie, wenn sie
-zu dreizehnt am Tische sitzen, weil das ein kommendes Unglück bedeuten
-soll, oder wenn ihnen eine schwarze Katze über den Weg läuft: ja, eine
-Zahl und eine Katze halten sie für Propheten und den prophetischen
-_Geist_ begreifen sie nicht! Nirgends sieht man es so deutlich bewiesen:
-Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren worden!«
-
-»So ist es immer,« sagte der Kapitän mit ungewohntem Ernst: »Ich habe es
-mein ganzes Leben lang beobachtet: wer die ewigen Wahrheiten nicht
-glauben will, verliert die Fähigkeit des klaren Denkens, hält Phantasien
-für Beweise und glaubt den kläglichsten Blödsinn.«
-
-»Allerdings,« sagte Flitmore: »Dabei merkt aber der Ärmste gar nicht,
-daß auch seine vermeintliche Weisheit nur Glaube ist, wenn auch ein
-unvernünftiger; vielmehr glaubt und behauptet er, auf dem Boden
-unfehlbarer wissenschaftlicher Ergebnisse zu stehen.«
-
-»Wer an »unfehlbare wissenschaftliche Ergebnisse« überhaupt glauben
-kann,« schloß Schultze, »dem ist schon nicht zu helfen: er leidet an
-einem Verstandes- oder Willensfehler. Ein gebildeter Mensch, der zu
-klarem Denken fähig ist, muß einsehen, daß es wohl Ergebnisse der
-Beobachtung gibt, aber niemals zweifellose Ergebnisse der Wissenschaft.
-Wobei zu bemerken ist, daß auch die reinen Beobachtungsergebnisse,
-selbst wenn sie Jahrzehnte hindurch von den verschiedensten Beobachtern
-bestätigt werden, durchaus keine Gewähr der Richtigkeit bieten, wie
-schon die berühmten Marskanäle beweisen.«
-
-John Rieger konnte diesen Erörterungen nicht recht folgen; er hatte aber
-noch eine Frage betreffend der Meteore auf dem Herzen, die er jetzt
-anbrachte, als die Herren schwiegen: »Sie haben so viele Vorkommnisse
-von Steinregen benannt, Herr Professor, aber alle aus alter Zeit.
-Heutzutage dürfte wohl so etwas überhaupt nicht mehr vorkommen in unserm
-aufgeklärten Zeitalter?«
-
-»Da sehe einmal einer den Zweifler!« polterte Schultze lachend: »Also
-auch du bist noch nicht überzeugt, mein Sohn Brutus, daß die Meteorfälle
-auf Erden Tatsache sind? Höre: auch heutzutage kommen sie häufig vor. So
-ist zum Beispiel bei Mugello in der Nähe von Florenz am 3. Februar 1910
-ein Hagel von Meteoriten in glühendem Zustand niedergegangen, die
-Straßen, Felder und Weinberge bedeckten und die Kulturen vielfach
-zerstörten. Nach diesem Feuerregen zerriß plötzlich der Dunstschleier
-und es zeigte sich ein Komet von strahlendem Glanze.«
-
-»Und das ist wirklich und wahrhaftig geschehen?«
-
-»Wirklich und wahrhaftig: es stand in allen Zeitungen und ist so gut
-bezeugt, daß ein gebildeter Mensch es glauben muß.«
-
-»Ja, dann glaube ich es natürlich und selbstverständlich auch,« sagte
-Rieger selbstbewußt.
-
-
-
-
- 16. Ein Konzert in der Sannah.
-
-
-Die Reise war bisher so ergebnisreich verflossen, daß unsere Freunde
-noch nicht dazu gekommen waren, ein richtiges Konzert zu veranstalten,
-wenn auch hie und da ein halbes Stündchen durch vereinzelte musikalische
-Vorträge verklärt worden war. So war John einigemal aufgefordert worden,
-seine Flöte hören zu lassen oder hatte der Lord mit seiner Gattin
-vierhändig gespielt, -- lauter erhebende Genüsse. Ganz besonders aber
-entzückte alle Heinz' wunderbares Geigenspiel.
-
-Der junge Schwabe liebte es namentlich, im Dunkeln zu spielen, sei es,
-daß er aus dem Gedächtnis seine Lieblingsschöpfungen großer Meister
-wiedergab, sei es, daß er phantasierte.
-
-Wie überirdische Musik klang dieses wundersame Phantasieren durch den
-dunkeln Raum.
-
-»Woher haben Sie nur diese Töne?« fragte Lady Flitmore einmal: »Das ist
-ja die reinste Sphärenmusik!«
-
-»Mir ist's auch, als vernähme ich die Harmonie der Sphären,« erwiderte
-Heinz nachdenklich: »Hören Sie nichts? Fliegen wir nicht durch den Raum,
-der von der wunderbarsten aller Harmonien erfüllt ist? Und mir ist's,
-als riefe mir von einem fernen Stern eine melodische Stimme und locke
-mich durch ihren bezaubernden Gesang. Das sind Klänge aus höheren
-Wunderwelten, die ich vernehme, eine überirdische Musik, aber was ist
-dagegen mein schwaches, armseliges Spiel? Wohl ist es beseelt von den
-himmlischen Harmonien, doch nimmer ist es imstande, auch nur eine Ahnung
-von ihrem Zauber zu vermitteln.«
-
-»O, Sie geben uns mehr als eine Ahnung davon,« hatte dann der Lord
-gesagt; denn ihm, wie allen andern kamen die Töne wahrhaft überirdisch
-vor, die der junge Künstler seinem herrlichen Instrumente entlockte.
-
-Heute nun wurde zum erstenmale ein regelrechtes Konzert veranstaltet,
-bei dem alle mitwirken sollten, abgesehen von Schultze, dem jegliche
-musikalische Ausbildung mangelte: »Gleich meinen Vettern, den
-Schimpansen,« sagte er lachend.
-
-Wie wir wissen, verstand sich Heinz nicht bloß auf die Violine, sondern
-auch aufs Pistonblasen; der Lord betätigte sich außer auf dem Klavier
-noch auf dem Cello und der Posaune; Mietje war eine vorzügliche
-Pianistin und John ein nicht zu verachtender Flötenbläser: es ließ sich
-also je nach Wunsch und Bedarf ein abwechslungsreich gestaltetes
-Orchester zusammensetzen.
-
-Münchhausen behauptete, sehr musikalisch zu sein, erklärte aber: »Um die
-Klaviatur zu malträtieren oder die Saiten zu kratzen, fehlt es mir an
-der nötigen Beweglichkeit und Gelenkigkeit; Blasinstrumente kann ich
-wegen meiner fatalen Kurzatmigkeit nicht pusten, aber das Paukenschlagen
-verstehe ich vorzüglich und weiß ein Gefühl, eine Stimmung, eine Melodik
-hineinzulegen, daß ich mich anheischig machen wollte, in einem
-Paukensolo Ihnen die herrlichsten Schöpfungen unserer größten Meister in
-einer Weise vor Ohren zu führen, daß Sie gestehen müßten, kein
-Instrument reicht in seiner Wirkungsfähigkeit an die Pauke heran, und
-kein anderes ist so geeignet, den feinsten seelischen Stimmungsgehalt
-eines Musikwerks wiederzugeben, wie eben dieses Instrument der
-Instrumente.«
-
-»Oho!« lachte der Lord: »Das ist mir wirklich neu! Kapitän, Sie sind ein
-musikalisches Genie und eröffnen der Musik ganz neue Bahnen und
-Aussichten. Wahrhaftig! ein Paukenvirtuos, wer hat je von einem solchen
-gehört? So sei Ihnen denn die Pauke anvertraut, als dem Würdigsten unter
-uns.«
-
-»Münchhausen«, sagte Schultze: »Was wollen Sie überhaupt mit einer
-Pauke? Sie reichen ja doch nicht mit ihren kurzen Armen um Ihre
-Leibeswölbung herum und können das von Ihnen so gepriesene Instrument
-überhaupt nicht treffen: Sie treffen höchstens Ihren eigenen Bauch und
-das ist ja auch eine Pauke, die jede künstliche Pauke entbehrlich macht.
-Überdies wird es für Sie eine äußerst zuträgliche Massage sein, wenn sie
-diese größte und herrlichste aller Pauken schlagen, mit der die Natur
-und Ihr guter Appetit Sie begabt hat.«
-
-»Oho!« protestierte der Kapitän: »Schultze, Sie sind schief gewickelt!
-Sie treiben da Ihren Spott mit einem Titanen der Musik, Sie, der Sie von
-Musik überhaupt nichts verstehen und bei unserem Konzert einzig und
-allein das verständnislose Publikum abzugeben vermögen. Allerdings gebe
-ich zu, daß dies ein notwendiger Bestandteil jedes richtigen Konzertes
-ist.« --
-
-»Nun, nun,« eiferte der Professor: »Wenn ich auch nicht gerade
-Sachverständiger auf dem Gebiete des Kontrapunkts und der Harmonielehre
-bin, und nicht unterscheiden kann, ob Sie Beethoven oder Wagner pauken
-...«
-
-»Muß jeder feinhörige Mensch sofort an meinem Paukenschlag heraushören!«
-unterbrach Münchhausen.
-
-»Nanu! Wenn ich so fein auch nicht höre, so habe ich doch die größte
-Freude an der Musik und werde als verständnisloses Publikum doch ein
-dankbarer und begeisterter Hörer sein.«
-
-»Bravo!« rief Mietje, »als solchen kennen wir Sie, und für Sie wird denn
-auch das ganze Konzert gegeben.«
-
-Unter den Virtuosen, die hier versammelt waren, hatte jeder seine
-besondere Vorliebe für diesen oder jenen großen Komponisten.
-
-Lady Flitmore zog Schubert, Schumann, Mendelssohn und Chopin vor; ihr
-Gatte hielt Bach, Beethoven, Händel, Haydn und Weber für die
-Bedeutendsten; Heinz neigte mehr zu Wagner, Bruckner, Hugo Wolff und
-Grieg; Münchhausen begeisterte sich für Mozart, Brahms und Gluck,
-während John für Meyerbeer und Richard Strauß schwärmte.
-
-Doch waren alle vielseitig und unparteiisch genug, um auch der andern
-Größe anzuerkennen und ihnen gern zu huldigen.
-
-Am meisten bewies das Heinz, der trotz seiner Vorliebe für Wagner doch
-auch von Sebastian Bach so eingenommen war, daß er diesen
-weltumfassenden Geist durch mehrere kleine Gedichte gepriesen hatte, zu
-denen ihn die Töne des Meisters begeisterten.
-
-Die Choralphantasie über »Komm heil'ger Geist, Herre Gott!« hatte
-beispielsweise folgende Verse bei ihm ausgelöst:
-
- Töne von Bach!
- Wie sie rauschen und schwellen
- Gleich den Meereswellen!
-
- Ich denk' ihm nach,
- Ob ich's möge erfassen,
- Was sie ahnen lassen.
-
- Was reißt ihn fort
- Über irdische Sphären
- Zu den Himmelsheeren?
-
- Heilige Glut,
- Von Gott selber entzündet,
- Die da Liebe kündet;
-
- Liebe zu Gott,
- Die in seligen Schauern
- Sprengt die irdischen Mauern;
-
- Liebe zu Dir,
- O Du Heiland der Seelen,
- Die in Schulden sich quälen.
-
- Töne von Bach,
- Sprengt die Ohren der Tauben,
- Daß sie weinen und glauben;
-
- Öffnet und hellt
- Doch die Augen der Blinden,
- Ihren Heiland zu finden
- Und die selige Welt!
-
-Ein andermal ließ er sich also vernehmen:
-
- Sebastian Bach! Die Welt versinkt dem Geist,
- Der schauernd lauschet deinen mächt'gen Tönen;
- Und überwältigt ahnt er, was es heißt,
- Zu hören die Vollkommenheit des Schönen.
-
- O Bach, wie wird uns erst im Himmel sein,
- Wenn wir verzückt, von sel'gen Engelchören
- Getragen, deine Meisterwerke hören,
- So heilig ernst und so vollkommen rein!
-
-Und die unvergleichlichen Passionsoratorien gaben Heinz die
-nachfolgenden Verse ein:
-
- O heil'ge Wundertöne
- Zum heil'gen Gotteswort,
- Wie reißet eure Schöne
- Die Herzen mit sich fort!
-
- Der Erdenwelt entrücket,
- Knie ich erschauernd da:
- Es schaut mein Geist verzücket
- Das Kreuz auf Golgatha.
-
- Und was ich zitternd höre
- So herzergreifend schön,
- Das sind der Engel Chöre
- Aus lichten Himmelshöhn;
-
- Dazwischen Menschenstimmen
- Voll Leidenschaft und Wut,
- Die gegen _Den_ ergrimmen,
- Der sie erkauft mit Blut.
-
- Doch unaussprechlich milde
- Ertönt durch all den Hohn
- Die Stimme durchs Gefilde
- Vom ew'gen Gottessohn:
-
- Das sind nicht ird'sche Sänge!
- Wie alles bebt und rauscht!
- O Bach, du hast _die_ Klänge,
- Dem Himmel abgelauscht!
-
- Vom heil'gen Geist durchdrungen,
- Ins Paradies entrückt,
- Hast du uns nachgesungen,
- Was Engel dort entzückt!
-
-So verklärten sich diese Melodien in des jungen Künstlers Geist, wenn er
-ihnen als andächtiger Zuhörer lauschte. Wirkte er aber selber mit, wie
-heute, so legte er seine ganze Seele in den Ton, versenkt in die
-Gefühle, die des Meisters Geist beseelten, da er sein Werk schuf.
-
-Die Klänge rauschten in harmonischer Fülle durch den Saal und dann
-erstarben sie in einem Pianissimo von einer Zartheit, das geradezu
-wunderbar wirkte; alle standen unter dem Banne einer heiligen Andacht
-und Schultze fühlte sich tief ergriffen und lauschte mit aller
-Anspannung, um ja keinen der leisesten Töne sich entgehen zu lassen.
-
-»Bum!« ein dumpfer Paukenschlag erscholl dröhnend durch das entzückende
-Pianissimo; wie eine Bombe zerstörend platzte er herein und
-zerschmetterte die klassischen Harmonien.
-
-Was fiel dem Kapitän in seiner Ecke ein! War er ganz aus dem Konzept
-gekommen? Das war ja eine Roheit, ein Verbrechen an Beethovens
-unsterblichem Werke! So dachten alle, obgleich sie nicht aufsahen: Der
-Fehler war ja gewiß absichtslos, warf aber ein schlimmes Licht auf
-Münchhausens Musikverständnis.
-
-Aber was war das? Noch schwebte das Pianissimo nach der unzeitgemäßen
-Störung elfenhaft durch die Räume, als die Pauke plötzlich ein wahres
-Kanonenfeuer eröffnete: »Bum, bum, bum-bum-bum!« Mit schwerem Geschütz
-wurde das zarte Meisterwerk zusammengeschossen.
-
-Nun sahen alle empört nach der Ecke. Da lag der Kapitän, in seinen
-Sessel zurückgesunken, und rieb sich, aus tiefem Schlaf erwachend die
-Augen: auch seine klassische Ruhe war durch den Donner der Pauke
-zerstört worden.
-
-An seinem vielgerühmten Instrument aber stand Dick, ein äußerlich
-würdiger Stellvertreter des Entschlummerten, leider aber ein völlig
-unfähiger Paukenvirtuos. Dieser heillose Schimpanse hatte den Schlegel
-ergriffen, der dem Kapitän entsunken war und bearbeitete nun das
-Trommelfell mit wuchtigen, höchst temperamentvollen, aber durchaus
-unpassenden Schlägen.
-
-Der Zauber der Stimmung war rettungslos dahin: ein unwiderstehliches
-Gelächter erschütterte den Saal; Münchhausen aber rief, sich ermunternd:
-
-»Da sieht man's, da hört man's mit Ohren, daß die Pauke in der Tat das
-wichtigste Instrument in einem Konzerte ist: wer sie nicht zu handhaben
-versteht, ruiniert das erhabenste Meisterwerk mit tötlicher Sicherheit.«
-Und er entriß dem verblüfften Schimpansen den mißbrauchten Schlegel.
-
-
-
-
- 17. Die Asteroiden.
-
-
-Am folgenden Tag, den Tag zu 24 Stunden berechnet, kam die Sannah mitten
-unter die Planetoiden.
-
-»Die Entdeckung dieser Planetoiden oder kleinen Planeten, die man auch
-Asteroiden nennt,« belehrte Professor Schultze, »hat wieder einmal
-gezeigt, daß die von der Wissenschaft aufgestellten Naturgesetze niemals
-als etwas für alle Zeiten Gewisses und Feststehendes gelten können. In
-der Tat glaubte man bisher, die Planeten bewegten sich nahezu in der
-gleichen Ebene um die Sonne, und hielt dies für eines der großen
-Naturgesetze. Da entdeckte man diese Zwergplaneten, deren exzentrische
-Bahnen die Hinfälligkeit des angeblichen Gesetzes bewiesen.
-
-Andererseits war ihre Entdeckung die glänzendste Bestätigung eines
-andern Naturgesetzes, das 1772 von Titius aufgestellt und später von
-Bode und Wurm genauer bestimmt wurde: es sollte danach zwischen den
-Abständen der Planeten von der Sonne ein bestimmtes gesetzmäßiges
-Verhältnis bestehen; nun aber zeigte sich zwischen Mars und Jupiter eine
-Lücke: nach dem Titiusschen Gesetze hätte sich dort ein Planet finden
-sollen. Und wirklich entdeckte Piazzi in Palermo am 1. Januar 1801 den
-kleinen Planeten Ceres, der aber bald durch seine Annäherung an die
-Sonne den Blicken entschwand.
-
-Hätte nicht der große Mathematiker Gauß eine geniale Methode erfunden,
-durch die aus nur drei Beobachtungen eines Planeten seine Bahn berechnet
-werden kann, so hätte niemand gewußt, wo der neue Planet wieder
-aufgefunden werden könnte, und auch alle später entdeckten Planetoiden
-wären der astronomischen Beobachtung wieder entschlüpft. Allein nach der
-Gaußschen Berechnung konnte Olbers am 1. Januar 1802 die Ceres wieder
-auffinden und entdeckte im nächsten Jahre noch die Pallas, ebenfalls in
-der Lücke zwischen Mars und Jupiter. 1804 und 1805 wurden noch Juno und
-Vesta gefunden und 40 Jahre später entdeckte Hencke die Asträa; von da
-ab fand man noch mehrere Hundert solcher Wandelsternchen.
-
-Eine solch verblüffende Bestätigung der Titiusschen Gesetzes schien
-dessen unumstößliche Richtigkeit zu beweisen und die Astronomie gewann
-dadurch auch bei den Laien ein Ansehen als einer Wissenschaft von
-unbezweifelbarer Zuverlässigkeit: ihre mathematischen Gesetze ließen ja
-selbst das Unbekannte mit Sicherheit feststellen.
-
-Leider warf die Entdeckung des Planeten Neptun das ganze schöne Gesetz
-über den Haufen, denn die Entfernung dieses unbequemen Gesellen stimmte
-einfach nicht dazu. So mußte man einsehen, daß ein Naturgesetz, wenn es
-noch so glänzend sich bewährt, doch etwas zweifelhaftes bleibt.«
-
-»Es wurde doch aber bloß _ein_ Planet zwischen Mars und Jupiter
-vermutet,« warf Mietje ein: »wie kommt es, daß man sie zu Hunderten
-fand?«
-
-»Das ist auch so ein Rätsel,« erläuterte der Professor: »Anfangs war man
-geneigt, zu glauben, es handle sich um einen großen Planeten, der durch
-eine Explosion oder durch den Zusammenstoß mit einem Kometen in kleine
-Stücke zertrümmert worden sei. Gegenwärtig findet die Ansicht mehr
-Anerkennung, daß der Planet schon bei seiner Entstehung durch die Nähe
-des dicken Jupiter in der Entwicklung gehindert worden sei, und an
-seiner Stelle gleich eine Menge kleinerer Weltkörper entstanden seien,
-oder daß diese eine Art Spritzschaum bei Entstehung des Sonnensystems
-darstellen. Sie sind außerordentlich klein und man könnte zum Beispiel
-mit einem Eilzug innerhalb zwei Stunden um die ganze Atalanta
-herumfahren. Übrigens erschwert ihre Lichtschwäche die Beobachtung von
-der Erde aus ungeheuer und man kommt zu keiner sicheren Feststellung
-ihrer Massen und Maße.«
-
-»Umso wertvoller sind unsere Beobachtungen aus nächster Nähe,« sagte
-Flitmore: »Schauen Sie, Professor, da kommen wir wieder an einem dieser
-Zwerge vorbei.«
-
-»Ah!« rief Schultze, »das ist interessant: keine Spur von Kugelform! Ein
-durch den Raum sausendes Felsgebirge ist's. Es mag 300 Kilometer lang,
-50 Kilometer breit und höchstens 4 Kilometer dick sein, abgesehen von
-seinen Zacken und Spitzen.«
-
-»Merken Sie wohl, diese Planetoiden haben keine Rotation, sie drehen
-sich nicht um ihre Achse.«
-
-»Bei solchen formlosen Klumpen,« lachte Münchhausen, »ist eine Achse
-überhaupt nicht vorhanden.«
-
-Eine längere Beobachtung der merkwürdigen Weltkörper ergab tatsächlich,
-daß von einer Umdrehung nichts zu bemerken war. Wenn je eine solche
-stattfand, so mußte sie ganz außerordentlich langsam vor sich gehen.
-
-Heinz bemerkte noch: »Alles, was wir hier sehen, weist so regellose
-Formen auf, daß ich schon daraus schließen möchte, daß wir es trotz
-aller neuesten Ansichten dennoch mit den Splittern eines Planeten zu tun
-haben, und schon der Mangel an Kugelformen legt auch den Mangel einer
-Rotation nahe.«
-
-»Nun sehen Sie,« begann der Lord wieder: »Weil diese Planetoiden keine
-oder doch nur eine äußerst langsame Umdrehung ausführen, sind sie nicht
-imstande, sich mit einer atmosphärischen Hülle zu umgeben; dadurch
-entsteht bei ihrem Umlauf um die Sonne ihre starke Reibung an der
-Weltatmosphäre, und so kommt es, daß sie glühen und leuchten. Besäßen
-sie den Schutz einer Lufthülle, so müßten sie bei ihrem geringen
-Durchmesser längst zu Eis erstarrt sein.«
-
-Das leuchtete ein, um so mehr als späterhin eine ganze Anzahl dunkler
-Planetoiden entdeckt wurde, die eine sichtliche rasche Rotation
-aufwiesen und auch die Form von meist stark abgeplatteten Kugeln
-zeigten. Diese hatten sich offenbar infolge ihrer Umdrehung um die
-eigene Achse mit einer atmosphärischen Hülle umgeben, die sie vor der
-Reibung im Weltraum schützte, so daß sie erstarren konnten.
-
-Allein nicht ohne boshaften Triumph machte der Professor bald eine
-Entdeckung, die ihn zu dem Ausruf veranlaßte: »Und dennoch, weiser Lord,
-geht Ihre geniale Theorie in die Brüche, da sehen Sie hin! Hier ist ein
-Planetoid von sphärischer Form, der ganz lustig um seine Achse wirbelt,
-also nach Ihnen die Schutzhülle einer Atmosphäre genießt, und dennoch
-leuchtet er, wenn auch etwas matt.«
-
-Flitmore beobachtete den seltsamen Weltkörper. Sphärisch war er kaum zu
-nennen, denn er erschien so plattgedrückt, daß er eher einem
-Schweizerkäse glich, allerdings einem oben und unten rundlich
-aufgewölbten. Die Rotation war unverkennbar, denn man konnte Bergspitzen
-am Rande erkennen, die innerhalb einer Viertelstunde merklich ihre Lage
-veränderten. Es ließ sich daraus eine Umdrehungszeit von 5 Stunden
-ausrechnen. Daß der Planet eigenes Licht besaß, war unzweifelhaft.
-
-Der Lord schüttelte den Kopf: »Wenn sich dieser Asteroid in Glut
-befände, dann allerdings wäre meine Ansicht widerlegt, wenn er nicht
-etwa erst vor kurzer Zeit entstanden oder durch einen Zusammenstoß
-plötzlich erhitzt sein sollte. Es ist ja gar nicht unwahrscheinlich, daß
-mitunter die Anziehungskraft eines solchen rotierenden Körpers bewirkt,
-daß ein größerer Brocken, der in seine Nähe kommt, auf ihn stürzt und
-sich mit ihm vereinigt, wobei er durch die Heftigkeit des Anpralls
-vorübergehend zur Leuchtglut gelangen würde. Ich vermute jedoch eher,
-daß dieses Leuchten ein phosphoreszierendes ist oder von leuchtenden
-Substanzen, Radium und dergleichen herrührt. Ich meine, die Sache ist es
-wert, daß wir uns durch den Augenschein überzeugen und auf dem
-Streitobjekt landen.«
-
-»Lord«, mahnte Schultze: »Sie würden dabei riskieren, daß die Sannah in
-Glut gerät und wir alle elendiglich verbrennen.«
-
-»Sollte es uns zu heiß werden,« lachte Flitmore, »so machen wir uns
-einfach aus dem Staube.«
-
-Da eine rechtzeitige Flucht jede Gefahr ausschließen konnte,
-entschlossen sich alle, den Landungsversuch zu unternehmen und der Herr
-des Weltschiffs stellte den Zentrifugalstrom ab.
-
-
-
-
- 18. Die Planetoideninsel.
-
-
-Als die Sannah auf dem Planetoiden landete, begab sich der Lord mit
-Schultze in den untersten Raum, dessen Wände auf der Oberfläche des
-Weltkörpers aufruhten. Hier wollte er abwarten, ob eine merkliche
-Erhitzung der Wandungen stattfinde, ehe der Ausstieg gewagt wurde.
-
-Der Professor hielt immer wieder die Hand an den Boden; denn er glaubte,
-es _müsse_ eine gewaltige Steigerung der Temperatur erfolgen; aber er
-konnte nichts dergleichen wahrnehmen und auch das angelegte Thermometer
-stieg innerhalb einer halben Stunde um nur einen Grad.
-
-»Entweder ist die Schutzhülle der Sannah von ganz wunderbarer
-Vortrefflichkeit«, sagte Schultze erstaunt, »oder Sie behalten recht,
-Lord. Zu Eis erstarrt ist der Planetoid aber keinesfalls; Wärme strahlt
-er unter allen Umständen aus; denn die Temperatur steigt, wenn auch kaum
-merklich.«
-
-»Ich denke, wir können es wagen, uns ins Freie zu begeben«, meinte der
-Engländer: »Es fragt sich nur noch, wie die Luftverhältnisse sind.«
-
-Sie erstiegen nun das Nordpolzimmer, in dem die andern ihrer harrten.
-Die Lucke wurde vorsichtig geöffnet und Dick gegen den Spalt geschoben.
-Der Affe wich nicht zurück, im Gegenteil, er drängte den Kopf gegen die
-Öffnung, ein Zeichen, daß keinerlei giftige Gase einströmten.
-
-Nun öffnete der Lord die Türe weit und Dick und Bobs sprangen vergnügt
-hinaus, um alsbald an den Rampen hinabzuklettern.
-
-Flitmore trat unter die Türe und sah hinaus. Die Seite des Planetoiden,
-auf der die Sannah festlag, war von der Sonne abgewendet, das heißt es
-herrschte zur Zeit Nacht auf ihr; allein es war durchaus nicht dunkel
-dort unten!
-
-Große dunkle Flächen zeigten sich allerdings, aber sie schwammen wie
-Inseln in einem leuchtenden Meer. Taghelle herrschte freilich nicht;
-aber ein wunderbares, entzückendes sanftes Schimmern in allen
-Farbenabstufungen: hier glänzte alles in grünem Schein, dort glühte es
-rot, dort wieder blau und violett; an einzelnen Stellen brach ein
-milchweißes Licht hervor, das seine Strahlengarben hoch emporsandte,
-gleich einem elektrischen Scheinwerfer.
-
-Da und dort schwammen buntdurchleuchtete Nebelwolken über dem Boden. Ein
-leiser Luftzug trieb sie zuweilen weiter, und je nach der Färbung der
-Strahlen, die vom Grunde aufstiegen, über den sie schwebten, wechselte
-auch ihre Farbe in zauberschönem Spiel.
-
-Eine würzige, lauwarme Luft wehte dem Lord entgegen und als er sah, daß
-die Schimpansen den Erdboden erreicht hatten und sich ohne irgend ein
-Zeichen von Mißbehagen, vielmehr seelenvergnügt auf dem leuchtenden
-Boden tummelten, hakte er die Strickleiter ein und ließ sie hinabfallen.
-
-Dann stieg er als erster in die Tiefe.
-
-Ein lautes »Ah!« des Entzückens erscholl aus Mietjes Munde, als sie
-hinter ihm aus der Türe trat und auch die Nachfolgenden hielten
-überraschte Ausrufe der Bewunderung nicht zurück.
-
-»Alles in bengalischer Beleuchtung zur Feier unserer Ankunft!« rief
-Münchhausen, als er mühsam aber mit begierigem Eifer die schwanke
-Strickleiter hinabkletterte, die unter seiner Last knirschte und
-stöhnte.
-
-Bald waren alle unten versammelt. Es schien eine Wiese zu sein, die sie
-betreten hatten und das Gras leuchtete in grünem Schimmer von innen
-heraus; aber auch der Erdboden selber, wo er zwischen den Gräsern
-sichtbar wurde, phosphoreszierte in weißem und gelblichem Schimmer:
-alles schien durchleuchtet!
-
-Flitmore brach zuerst das Schweigen.
-
-»Laßt uns dieser Wunderwelt, dir wir entdeckten und die uns einen neuen
-Einblick in die schöpferische Allmacht gewährt, einen Namen geben!
-Mietje, nach dir möchte ich den lieblich und herrlich zugleich
-erschimmernden Stern benennen.«
-
-»Nein, mein Lieber!« verwahrte sich Mietje entschieden: »Weder fühle ich
-mich würdig einer solch außerordentlichen Pracht meinen Namen leihen zu
-lassen, noch ist der schlichte Klang dieses Namens geeignet, diese
-herrliche, strahlende Welt zu kennzeichnen: sie bedarf eines klangvollen
-Namens.«
-
-»Nun, so sollst du jedenfalls das Recht haben, den Namen zu wählen,«
-sagte ihr Gatte und fügte höflich hinzu: »Falls die Herren nichts
-dagegen haben.«
-
-»Das wäre noch schöner!« rief Schultze: »Wir haben weder ein Recht dazu,
-noch wüßten wir eine würdigere Wahl zu treffen.«
-
-»Nun denn!« ließ sich Mietje vernehmen: »Ich trage im Herzen das Bild
-einer stolzen und zugleich anmutigen Prinzessin, einer Heldin, der wir
-alle, außer Herrn Friedung, der nicht das Glück hat, sie zu kennen,
-unendlich viel verdanken, einer edlen Seele, die wir bewundern, eines
-goldnen Herzens, das wir lieben lernten. Wie seh ich ihr leuchtendes
-Auge im Geiste mich anblitzen und wie schmeichelt sich mir der Klang
-ihres Namens ins Ohr.«
-
-»Tipekitanga!« rief Münchhausen begeistert. »Brava, brava! Unsre
-Tipekitanga verdient wahrhaftig solche Ehre!«
-
-Wir müssen hier bemerken, daß der Kapitän der italienischen Sprache
-mächtig war und daher einer Dame gegenüber nicht das männliche »Bravo!«
-gebrauchte, wie es bei Unwissenden üblich ist, sondern das einzig
-richtige »Brava«, das einem weiblichen Wesen zukommt, dem man Beifall
-spendet.
-
-Auch der Professor und der Lord waren mit Mietjes Vorschlag
-einverstanden und ersterer bemerkte:
-
-»Es ist überhaupt ein besonders glücklicher Gedanke, diesem Planetoiden
-den Namen einer Zwergprinzessin beizulegen, sind doch diese Weltkörper
-die Zwerge unter den Planeten und der von uns betretene scheint mir in
-seinem leuchtenden Geschmeide eine Prinzessin unter den Asteroiden zu
-sein.«
-
-Nachdem nun diese Frage zu allgemeiner Genugtuung erledigt war, wurde
-eine Entdeckungsreise auf dem neugetauften Planeten unternommen.
-
-»Gehen wir nach Westen,« schlug der Lord vor: »Ich vermute, daß der
-Anblick dieser Lichtwelt bei Nacht am reizendsten ist und wir gehen in
-dieser Richtung der Sonne aus dem Wege.«
-
-Auch dieser Vorschlag fand keinen Widerspruch, und so wanderten unsre
-Freunde durch die leuchtenden Auen, von einem Entzücken ins andre
-geratend.
-
-Der grünen Wiese schloß sich eine blumige Au an: die roten, gelben und
-blauen Blumen strahlten jede ihr eigentümliches Licht aus; man glaubte,
-den leuchtenden Saft in den Stengeln emporsteigen und in dem feinen
-Geäder der Blütenblätter kreisen zu sehen.
-
-Das weiße Licht entstrahlte dem Boden an Stellen, die des
-Pflanzenwuchses bar waren und die aus leuchtender Kreide oder Kalkstein
-zu bestehen schienen.
-
-Dann kamen Gebüsche und Stauden mit zartviolettem Blattwerk, Bäume,
-zwischen deren mattlichten Blättern orangerote und goldgelbe, auch
-purpurne und silbergraue Früchte förmlich strahlten und gleich
-venezianischen Laternen die Umgegend erhellten.
-
-Wunderbar erschien vor allem das Silberleuchten der Bäche, die sich
-durch die Auen schlängelten und der weißaufblitzende Schaum der
-Wasserfälle, die sich von felsigen Hügeln herabstürzten. Diese massiven
-Felsen, die sich aus der Ebene erhoben, stellenweise auch als
-tafelartige Flächen in der Ebene selber lagen, bildeten die dunkeln
-Flecken, die unsern Freunden gleich zu Anfang aufgefallen waren. Sie
-erhöhten in ihrem Teil den Reiz des Ganzen und der zauberhafte Eindruck
-des farbenbunten Lichtes hätte sicher Einbuße erlitten, wenn nicht die
-Schatten es wirksam unterbrochen und gehoben hätten.
-
-Märchenschön erschienen die Teiche und Seen, deren Gewässer in
-verschiedenen Farben vom lichtesten Blau bis zum dunkelsten Violett, vom
-zartesten Rosa bis zum düstersten Purpur glühten. Über ihnen schwebten
-die beweglichen, durchleuchteten Nebelwolken, die sich, vom Nachthauch
-getrieben, in zerflatternden Streifen über Wiesen und Auen hinzogen.
-
-Die Berge, die stellenweise zu überklettern waren, zeigten sich stets
-von mäßiger Höhe und boten keine besonderen Schwierigkeiten. In der
-Regel war das Gestein dunkel; doch auch hier waren Schichten
-selbstleuchtender Mineralien eingesprengt und einen besonders feenhaften
-Anblick gewährte es, wenn man über Geröll dahinwanderte, das aus
-lichtsprühenden Steinchen aller Färbungen bestand: es war, als schritte
-man über Diamanten Rubine, Saphire und andre Edelsteine hinweg, die im
-eigenen Glanze funkelten und bei jedem Tritt bunt durcheinanderrollten
-mit melodischem Klingen und wunderbarem Geblitz und Geflimmer. Flitmore
-machte fleißig farbige photographische Aufnahmen, die sich späterhin als
-von wunderbarer Wirkung erwiesen und ein herrliches und dauerndes
-Andenken an die buntleuchtende Pracht der Tipekitanga bildeten.
-
-Nach fünfstündiger Wanderung, die nur durch eine halbstündige
-Frühstücksrast unterbrochen worden war, sahen unsre Freunde die Sonne
-hinter sich emporsteigen.
-
-Wie Flitmore richtig vermutet hatte, löschte ihr Glanz den Hauptreiz des
-Wunderplaneten aus.
-
-Zwar erschienen die leuchtenden Farben auch jetzt noch von einer Pracht,
-mit der nichts auf der Erde sich vergleichen ließ und man konnte das
-eigene Licht des Erdbodens, des Wassers und der Pflanzen ganz deutlich
-unterscheiden. Aber das feenhafte Schauspiel, das sie im nächtlichen
-Dunkel boten, war es nun doch nicht mehr.
-
-Wie in einem Märchentraum waren die Wandrer bisher dahingewandelt,
-schwelgend in nie geahnter Seligkeit des Schauens. Jetzt brachte das
-altgewohnte Licht des Tagesgestirns das Erwachen, doch konnte es nicht
-die Eindrücke verwischen, die sich ihnen unauslöschlich eingeprägt
-hatten.
-
-Aber was war das? Vor ihnen ragte die Sannah aus leuchtenden grünen
-Matten!
-
-Nicht mehr als eine Stunde brauchten sie, um wieder auf dem Platze zu
-stehen, von dem aus sie die herrliche Rundreise angetreten hatten.
-
-In fünf Stunden hatte die Tipekitanga ihre Umdrehung um ihre Achse
-vollendet, nicht viel mehr als sechs Stunden hatten die Wandernden
-gebraucht, um den Planetoiden im Äquator in seinem ganzen Umfang zu
-umschreiten: wahrhaftig eine Zwergprinzessin unter den Planeten!
-
-
-
-
- 19. Der Komet.
-
-
-Noch einige Stunden ergingen sich unsre Freunde im Tageslicht auf der
-paradisischen Tipekitanga. Sie kosteten nun auch die leuchtenden
-Früchte, nachdem das Beispiel der Affen, die ganze Massen davon mit Gier
-vertilgten, sie versichert hatte, daß keine Gefahr dabei sei.
-
-Diese Früchte erwiesen sich nicht bloß als erfrischend und saftig, von
-köstlichem und sehr verschiedenem Wohlgeschmack, sondern es schien eine
-eigentümliche, stärkende und belebende Kraft von ihnen auszugehen: nach
-ihrem Genuß fühlte man sich in äußerst gehobener Stimmung, eine
-niegekannte Lebensfreudigkeit beseligte die Gemüter und neue Kräfte
-schienen die Adern zu schwellen.
-
-Selbst Münchhausen rühmte: »Ich fühle mich so frisch und leicht, als sei
-meine ganze Körperlast geschwunden und ich könnte mich als ätherisches
-Wesen in die Lüfte erheben.«
-
-Alle mußten lachen, wenn sie die Masse des Kapitäns betrachteten und
-dabei hörten, daß er sich einem ätherischen Wesen verglich.
-
-»Na, einen Luftballon könnten Sie ja immerhin vorstellen,« meinte
-Schultze: »Tun Sie ihren Gefühlen keinen Zwang an und schweben Sie immer
-mal empor, wir alle freuen uns auf den köstlichen Anblick.«
-
-Mit dem Schweben des Dicken hatte es aber noch gute Wege. Von den
-herrlichen Früchten wurden reiche Vorräte in die Sannah geschafft,
-obgleich man nicht wissen konnte, wie lange sie sich halten würden.
-
-Inzwischen waren die kurzen Tagesstunden verflogen und die Wiesen und
-Fluren leuchteten wieder in ihrem vollen Zauber.
-
-Am Himmel aber stieg ein strahlender Komet auf, den zuvor niemand
-beobachtet hatte.
-
-»Er weist uns den Weg zur Weiterfahrt!« sagte Flitmore.
-
-Alle begaben sich wieder in das Weltschiff, der Strom wurde
-eingeschaltet und der bunte Glanz unter ihnen floß zusammen in einem
-milden Schimmer. Allmählich wurde die Tipekitanga wieder der still
-leuchtende Stern, wie sie ihn zuerst erblickt hatten und flog auf ihrer
-Bahn vor aller Augen davon in die dämmernden Fernen.
-
-Um so prächtiger strahlte der neue Komet, dem sich jetzt die allgemeine
-Aufmerksamkeit ungeteilt zuwendete.
-
-John Rieger, der gebildete Schwabensohn, wandte sich wieder einmal an
-den Professor in seinem unstillbaren Durst nach Aufklärung. Bei ihm hieß
-es auch: »Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich _alles_ wissen.« Und so
-begann er denn in seiner gewählten Sprechweise:
-
-»Hochwertester Herr Professor, falls es Ihnen nicht zu geringwertig
-erscheinen dürfte, möchte ich Sie mit Vergnügen ersuchen, ob Sie nicht
-geneigt sein wollten, mir einen wissenschaftlichen Vortrag zu halten,
-wie Sie es so vorzüglich verstehen, über einige Punkte der
-asternomischen Wissenschaft, in denen ich mich noch sozusagen in
-verhältnismäßiger Unwissenheit befinde.«
-
-»Wenn ich dir dienen kann, teuerster Sohn, so bin ich stets bereit,«
-erwiderte Schultze: »Laß hören, was für einen Gegenstand du erläutert
-haben möchtest.«
-
-»Nichts andres, als eben die Kometen, was nämlich eigentlich solch ein
-Haarstern von Natur ist und wo er her kommen tut und warum er überhaupt
-einen Schwanz hat?«
-
-»Ja, lieber Freund, das sind zum Teil verfängliche Fragen: so ganz
-Gewisses weiß man ja darüber überhaupt nicht und die Gelehrten sind noch
-lange nicht einig; doch will ich dir gerne kund tun, wie es mit all dem
-nach dem heutigen Stande der Wissenschaft steht.
-
-Wo die Kometen herkommen, ist verhältnismäßig am einfachsten zu
-beantworten: einige gehören unserem Sonnensystem an und kehren
-regelmäßig wieder, das sind etwa 6000 Stück, von denen allerdings die
-wenigsten mit bloßem Auge sichtbar sind. Sie haben eine elliptische
-Bahn; aber während die Ellipse, welche die Planeten um die Sonne
-beschreiben, beinahe ein Kreis ist, gleicht die Bahn der Kometen einer
-Parabel: sie verläuft fast geradlinig bis an ihr Ende, das heißt bis zur
-Stelle, wo der Komet sich wendet, um wieder an seinen Ausgangspunkt
-zurückzukehren. Die Umlaufzeit dieser Kometen ist zum Teil sehr kurz,
-sie können alle drei bis sechs Jahre wiederkehren; sie kann aber auch
-sehr lang sein wie beim donatischen Komet, wo sie 1900 oder beim großen
-Komet von 1881, wo sie gar 3000 Jahre beträgt.
-
-»Die Kometen mit kurzer Umlaufzeit sind meist nur mit dem Fernrohr zu
-sehen, was daher kommen mag, daß sie durch ihre häufige Annäherung an
-die Sonne immer mehr aufgelöst und somit immer lichtschwächer werden.
-
-»Nun gibt es aber auch Kometen, die aus unermeßlichen oder gar
-unendlichen Fernen kommen, gleichsam Boten aus der Fixsternwelt; das
-sind diejenigen, deren Bahn eine Parabel oder einen Hyperbelast
-beschreibt und sich daher ins Unendliche erstreckt. Die
-Parabelbahnkometen kehren in die Gegend zurück, aus der sie gekommen
-sind, die Hyperbelbahnkometen in andre Himmelsgegenden. Bei der
-Annäherung an die Sonne krümmen sie ihre Bahn sehr stark infolge der
-Sonnenanziehung, wenden sich um die Sonne herum und entschwinden dann
-wieder auf Nimmerwiedersehen aus unserm Sonnensystem.
-
-Doch eben die Anziehungskraft der Sonne oder auch eines Planeten,
-namentlich des gewaltigen Jupiter, kann einen derart störenden Einfluß
-auf die Bahn solcher Kometen ausüben, daß sie aus einer parabolischen
-oder hyperbolischen zu einer elliptischen wird. Dann hat unser
-Sonnensystem den Weltenbummler sozusagen eingefangen und er muß nun
-immer wiederkehren in regelmäßiger Umlaufszeit.
-
-Aber auch umgekehrt kann die elliptische Bahn eines Kometen in eine
-parabolische oder hyperbolische verwandelt werden und dann ist er für
-uns verloren. So ist zum Beispiel der Lexellsche Komet, der 1770 von
-Messier entdeckt wurde in eine schlimme Balgerei mit dem Jupiter
-geraten, dem er allzunahe kam. Lexell berechnete seine Umlaufszeit zu 5½
-Jahren; auch stellte es sich heraus, daß dieser Komet erst 1667 durch
-eben den Jupiter für unser Sonnensystem eingefangen worden war.
-
-Im Jahre 1779 näherte sich der Frechling wiederum dem Jupiter und
-entblödete sich nicht, sogar zwischen dessen Monden hindurchzugehen. Der
-mit Recht entrüstete Planet warf den Eindringling zum zweitenmal aus
-seiner Bahn, so daß er nun eine Umlaufzeit von 27 Jahren hatte.
-
-Im Frühjahr 1886 machte der Lexellkomet einen neuen Annäherungsversuch
-und hielt sich volle acht Monate in der Nähe des großen Planeten auf.
-Hiedurch wurde seine Bahn wiederum verändert und er erhielt eine
-Umlaufzeit von sieben Jahren. So wurde er 1889 wieder sichtbar: aber es
-läßt sich vorausberechnen, daß der unverschämte Geselle den Jupiter
-nicht in Ruhe läßt, bis diesem die Geduld reißt und er ihn endgültig
-aus unserm Sonnensystem hinausschmeißt wegen wiederholten
-Hausfriedensbruches.
-
-Über die Bahnen der Kometen ist noch zu sagen, daß sie nicht wie die der
-Planeten nur mäßig gegen die Erdbahn geneigt sind, sondern die
-verschiedensten Neigungswinkel aufweisen. Bei einem Neigungswinkel von 0
-bis 90 Grad zur Erdbahn ist der Komet rechtläufig, das heißt er bewegt
-sich in gleicher Richtung wie die Erde um die Sonne. Beträgt aber die
-Neigung 90 bis 180 Grad, so bewegt er sich in entgegengesetzter Richtung
-zur Erde und wird >rückläufig< genannt.«
-
-»Ja, aber wie ist es mit den Schweifverhältnissen?« fragte der
-wißbegierige John weiter.
-
-»Ja so! Von Hause aus haben die Kometen keinen Schweif und sind sehr
-lichtschwach, obgleich sie zweifellos eigenes Licht ausstrahlen. Erst
-wenn sie sich unsrer Sonne nähern, leuchten sie immer heller auf und
-senden eine oder mehrere, oft pendelartig schwingende Ausstrahlungen der
-Sonne zu, die sich unter starker Verbreiterung zurückbiegen und den
-Kometenkern mit einer strahligen Nebelmasse umhüllen, die man >Koma<
-nennt.
-
-Die umgebogenen Ausstrahlungen setzen sich fort in dem der Sonne stets
-abgewendeten Schweif, der allein dem bloßen Auge sichtbar ist und oft
-eine Länge von vielen Millionen Kilometern erreicht. Bei der Sonnennähe
-oder kurz darauf erreicht er seine größte Länge und Helligkeit. Je mehr
-sich der Komet von der Sonne entfernt, desto schwächer und kürzer wird
-sein Schweif, bis er samt Koma und Ausstrahlungen verschwindet und nur
-noch eine matte, runde Nebelmasse, ein leichtes Wölkchen übrig bleibt,
-wie vor der Annäherung an die Sonne.
-
-Kometen, die der Sonne nicht nahe kommen, bilden nur eine runde oder
-auch unförmliche Nebelmasse, matt und verwaschen, ohne Schweifbildung.
-
-Bis jetzt ist noch kein Komet beobachtet worden, dessen Perihel oder
-Sonnennähepunkt weiter als die Jupiterbahn von der Erde entfernt wäre;
-das beweist nicht, daß es nicht auch solche gibt, sondern nur, daß sie
-uns nicht sichtbar werden wegen allzu geringer Leuchtkraft.
-
-Manche Kometen entwickeln mehrere mehr oder wenig gekrümmte Schweife. So
-breitete der Komet von 1744 sechs fächerförmige Schweife aus; er war so
-hell, daß man ihn mit bloßem Auge zur Mittagszeit in der Nähe der Sonne
-sehen konnte.«
-
-John war noch nicht befriedigt und fragte weiter: »Wieso aber
-eigentlich, falls doch die Kometen von Natur aus schweiflos sind, wächst
-ihnen ein solcher, wenn sie zur Sonne gelangen?«
-
-»Das macht die anziehende Kraft der Sonne, mein Bester. Allerdings
-begreift man noch nicht zur Genüge, warum die Ausstrahlungen, die
-anfangs der Sonne zustreben, zurückgebogen werden und so den der Sonne
-abgewendeten Schweif bilden, dessen Krümmung abhängt von dem Verhältnis
-der abstoßenden Kraft zur Bahngeschwindigkeit des Kometen. Vielfach wird
-angenommen, das Sonnenlicht übe diese abstoßende Wirkung aus, andre
-denken an elektrische Erscheinungen. Es können da viele Kräfte wirksam
-sein, die wir noch nicht kennen. Wenn sich zum Beispiel der Schweif in
-mehrere auseinandergehende Büschel spaltet, scheinen schwächere,
-seitlich wirkende Kräfte wirksam zu sein. Man beobachtet zuweilen auch
-im Schweif eine wolkenähnliche Verdichtung, die selber wie ein kleiner
-Komet aussieht, der ebenfalls eine Mähne besitzt. Auch plötzliche
-Lichtausbrüche kommen vor, seltener eine plötzliche Lichtabnahme.«
-
-»Meine Fliehkraft erklärt alles,« warf der Lord ein: »Die vom Kometen
-ausgestoßenen Stoffe sind mit Zentrifugalkraft geladen und werden daher
-von der Sonne abgestoßen.«
-
-»Mag sein!« sagte Schultze achselzuckend und fuhr dann fort: »Was nun
-den Stoff betrifft, aus dem die Kometen bestehen, so scheint er von
-äußerst geringer Dichte zu sein; wenigstens der Schweif muß eine äußerst
-dünn verteilte Staub- oder Dampfwolke sein; denn die Sterne schimmern
-unverdunkelt und ohne Lichtbrechung hindurch.
-
-Die Spektralanalyse wies Natrium- und Eisenlinien nach, namentlich auch
-Kohlenwasserstoff und Kohlenoxyd; es ist also immerhin möglich, daß so
-ein Kometenschweif Petroleum enthält und andere Stoffe, auch giftige
-Gase, die gefährlich werden könnten, wenn sie in die Erdatmosphäre
-eindrängen. Andrerseits scheint ihre geringe Dichtigkeit jede Gefahr
-wieder auszuschließen. Jedenfalls hat die Erde im Jahre 1861 den Schweif
-des Halley-Kometen durchkreuzt ohne Schaden zu nehmen, ja ohne daß es
-nur irgendwer merkte; erst nachträglich wurde die Tatsache bekannt. In
-früheren Zeiten freilich glaubte man, die Kometen gingen von irdischen
-Dünsten aus und brächten Pest und Seuchen; auch als Kriegsruten, die
-großes Blutvergießen und andere schwere Katastrophen anzeigen sollten,
-wurden sie angesehen.«
-
-»Ganz ausgeschlossen ist es trotzdem nicht,« meinte der Lord, »daß unter
-ungünstigen Verhältnissen die Luft der Erde durch Kometengase vergiftet
-werden könnte, so daß alles Leben in einem Augenblicke zu Grunde ginge.
-Was uns vor diesem Schicksal bewahrt, ist meiner Ansicht eben der
-Umstand, daß die Fliehkraft die Erde veranlaßt, diese Stoffe von sich
-abzustoßen. Sternschnuppenregen und Meteorfälle aber belehren uns, daß
-diese abstoßende Kraft auch überwunden werden kann, und dies hängt
-wahrscheinlich mit der Geschwindigkeit des Zusammentreffens ab. Begegnet
-zum Beispiel die Erde dem Schweife eines sich mit außerordentlicher
-Geschwindigkeit bewegenden rückläufigen Kometen, so erfolgt der
-Zusammenstoß mit großer Plötzlichkeit, da beide einander entgegensausen
-und sich so die Geschwindigkeit der Erde zu der des Kometen addiert. In
-diesem Fall dürfte der abstoßenden Kraft die Zeit fehlen, in Wirksamkeit
-zu treten.«
-
-»Wie ist es aber,« fragte nun Mietje, »wenn ein Weltkörper, sagen wir
-die Erde, mit dem Kern oder Kopf des Kometen zusammenstößt?«
-
-»Das ist eine Frage für sich,« erwiderte der Professor. »Im allgemeinen
-ist ja die Sache für den Kometen selber am gefährlichsten. Wir sehen ja,
-wie die Annäherung an die Sonne einen Teil seines Kerns in flüchtige
-Bestandteile auflöst, die beispielsweise beim Kometen von 1843 einen
-Schweif von 320 Millionen Kilometern bildete. Ziehen nun die Kometen den
-Schweif auch wieder ein, so erleiden sie doch enorme Verluste an Materie
-und werden so immer geringer an Masse, bis sie sich schließlich ganz
-auflösen.
-
-Bekanntlich kam der Bielasche Komet 1845/1846 dem Jupiter so nahe, daß
-man einen Zusammenstoß erwartete; doch erlitt der große Planet keinen
-sichtlichen Schaden, während der Komet in zwei Teile gespalten wurde,
-die späterhin ganz verschwanden oder vielmehr einen Meteorschwarm
-bildeten, durch den die Erde des öfteren dahinging, bis auch er
-schließlich ausblieb.
-
-Der Septemberkomet von 1882, dessen Vorübergang vor der Sonne Finlay und
-Elkin am Kap der Guten Hoffnung am lichten Tage beobachten konnten, ging
-durch die Glutatmosphäre der Sonne. Wie erstaunt war man in Amerika,
-hernach zu entdecken, daß er nicht weniger als sieben Junge gekriegt
-hatte, die ihm folgten, wie die Küchlein der Gluckhenne.
-
-Andrerseits kann aber nicht geleugnet werden, daß der Zusammenstoß mit
-dem Kern eines Kometen auch ernste Gefahren in sich bergen kann. Manche
-Kometen bewegen sich mit solch ungeheurer Geschwindigkeit, daß ein
-Anprall ihrer festen Masse, wenn sie von irgendwie bedeutender
-Ausdehnung ist, den getroffenen Planeten in Glut versetzen müßte. Der
-Komet von 1843 vollzog seine Wendung um die Sonne mit solch fabelhafter
-Schnelligkeit, daß er binnen weniger Stunden von der einen Seite nach
-der andern gelangte. Dagegen ist die Geschwindigkeit unsrer Erde mit 30
-Kilometern in der Sekunde ein Schneckentempo. Welche Geschwindigkeit
-erst die Bestandteile seines 320 Millionen Kilometer langen Schweifes an
-dessen Ende hiebei entwickeln mußten, übersteigt unsre Fassungskraft.«
-
-»Ich meine aber,« wandte Heinz ein, »man hält neuerdings auch den Kern
-der Kometen für eine nebelartige, gasförmige Masse ohne Festigkeit.«
-
-»Das ist angesichts der Tatsachen eine ganz unhaltbare Ansicht,«
-widersprach Schultze: »Denken Sie doch, daß die Meteore, die auf die
-Erde fallen, zum Teil Eisenblöcke von ungeheurem Gewichte sind. Und
-diese Brocken scheinen nicht einmal dem Kern, sondern dem Schweif der
-Kometen zu entstammen, in dem man oft stark verdichtete Lichtknoten
-beobachtet.
-
-Allerdings glaubt man, daß die Erde 1872 und 1885 mit den beiden Köpfen
-des Biela-Kometen zusammenstieß, da der Schweif eine ganz andre
-Bewegungsrichtung hatte als die damals niedergehenden Sternschnuppen
-oder Meteorschwärme. Sollte das richtig sein, so ist immerhin zu
-berücksichtigen, daß es sich hier um einen durch Jupiter zertrümmerten
-und in Auflösung begriffenen Kometen handelte.
-
-Daß es aber überhaupt einem Kometen möglich ist, so nahe am Jupiter
-vorbeizukommen oder gar durch die glühende Korona der Sonne zu sausen,
-wie es auch vorkommt, ohne völlig in Dunst aufgelöst zu werden, beweist,
-daß er äußerst widerstandsfähige feste Bestandteile besitzen muß.«
-
-»Hiefür kann ich auch einen Beweis beibringen,« bestätigte Flitmore.
-»Ich besuchte vor Jahren die sogenannte Teufelsschlucht in Arizona. Das
-ist ein ovaler Kraterring, der sich 40 bis 50 Meter über die umgebende
-Hochfläche erhebt; sein Durchmesser beträgt 1300 Meter von Ost nach
-West, 1200 von Süd nach Nord. Der innere Schlund fällt 200 Meter tief
-schroff ab, der Kessel ist also um 150 Meter tiefer als die Ebene rings
-umher; früher muß er noch viel tiefer gewesen sein, aber Schutt und
-Geröll ist jahrhundertelang hinabgerollt, denn das Gefüge des Gesteins
-ist stark aufgelockert.
-
-Nun haben Bohrungen ergeben, daß unter den Schuttmassen das Gestein
-völlig zersprengt und in zelligen Bimsstein verwandelt ist. Der
-zerpulverte Sandstein ist mit feinverteiltem Nickeleisen vermengt und in
-einer Tiefe von 250 Metern unter der jetzigen Talsohle stieß man auf
-feste Eisenmassen, die sich als Meteoreisen herausstellten.
-
-Rings um den Krater findet man ganze Massen von Meteoreisensteinen,
-deren Gewicht von einem Gramm bis zu 460 Kilogramm schwankt und die
-außer dem vorwiegenden Nickeleisen Verbindungen von Phosphor, Schwefel,
-Kohlenstoff, auch Diamanten enthalten.
-
-Man ist nun in wissenschaftlichen Kreisen zu der Überzeugung gelangt,
-daß hier ein fester Brocken eines Kometen vor Zeiten auf die Erde
-niederstürzte und zwar von West-Nord-West in einem Winkel von 70 Grad.
-Der Block hatte wahrscheinlich 150 Meter Durchmesser. Er schlug ein 350
-Meter tiefes Loch in die Erde, wobei die entwickelte Hitze von etwa 2000
-Grad Celsius den Sandstein in Bimsstein umschmolz. Die emporspritzenden
-Gesteinstrümmer bildeten den Kraterwall um den Kessel.«
-
-»Da haben wir's!« sagte Schultze: »Ebensogut können Felsblöcke von
-mehreren Kilometern Durchmesser in solch einem Kometenkopf enthalten
-sein oder noch größere Massen. Der Zusammenprall würde unter Umständen
-nicht bloß alles Leben auf dem getroffenen Teil der Erde vernichten,
-sondern die Umdrehung unsres Planeten könnte eine Änderung erleiden,
-wodurch die Länge von Tag und Nacht eine völlig andre werden müßte;
-zudem könnte die Erdachse sich derart verschieben, daß die Meere sich
-gegen den neuen Äquator stürzen und das Festland verschlingen würden.«
-
-»Hoffen wir, daß dies Theorien bleiben,« ließ sich nun Münchhausen
-vernehmen. »Jedenfalls aber wollen wir uns inachtnehmen, daß nicht etwa
-unsre teure Sannah mit dem Kometen dort drüben in nähere Berührung
-kommt.«
-
-»Davor schützt uns die Fliehkraft,« versicherte Flitmore. Er ahnte nicht
-von ferne, daß gerade das Gegenteil der Fall sein sollte.
-
-
-
-
- 20. Die Seeschlange.
-
-
-Das Gespräch über die Kometen war während des Mittagsmahls geführt
-worden; deshalb hatte sich Münchhausen so wenig daran beteiligt, denn
-wenn er an der gewaltigen und doch so angenehmen Arbeit war, seinen
-Appetit zu stillen, ließ er die andern behaupten, was sie wollten, das
-war ihm alles Nebensache.
-
-John fühlte sich durch die neuen Lichter, die ihm über die Kometen
-aufgesteckt worden waren, so erleuchtet, daß er zum Schluß begeistert
-äußerte: »Die Asternomie ist doch sozusagen die hochwohllöblichste
-Wissenschaft, indem daß sie das höchste Lob verdient, sowohl von wegen
-ihres Verstandes der unbekanntesten und schwierigsten Probleme, sowie
-von wegen der besonderen Interessantheit und Wichtigkeit ihrer
-Entdeckungstatsachen.«
-
-»Lieber Freund,« widersprach der Kapitän, den letzten Bissen mit einem
-Schluck Wein begießend: »Es fehlt der Astronomie nur ein einziger
-Buchstabe, um das Lob zu verdienen, das du ihr spendest. Weil ihr aber
-dieser Buchstabe fehlt, kommt sie erst in zweiter Linie.«
-
-»Und was wäre dann, wenn Sie mir gütigst zu fragen gestatten,
-hochverehrtester Herr Kapitän, dieser Buchstaben?« fragte John
-verwundert.
-
-»Das G,« erwiderte Münchhausen überzeugt: »Über die Astronomie und alle
-andern Wissenschaften geht die Gastronomie.«
-
-»Die Gasternomie?« wiederholte John, hochaufhorchend. »Verzeihen Sie
-bescheidenst, wenn mir das leider vollständig unbekannt zu sein der Fall
-ist, daß es auch eine sobenannte Wissenschaft gibt, wo ich doch der
-schmeichelhaften Meinung war, alle Wissenschaften zu kennen, aus welchem
-Grunde ich Ihnen besonders zu Dankbarkeit verpflichtet wäre, wenn Sie
-mich auch diese Wissenschaft lernen wollten.«
-
-»Die lernt man nicht, die genießt man, mein Sohn; es ist eine
-Wissenschaft, die einem angeboren sein muß; sie beschäftigt sich mit dem
-Eßbaren und Trinkbaren und lehrt, was gut schmeckt und bekömmlich ist,
-sowie was man zu tun hat, um besonders schmackhafte Speisen und Getränke
-zu bereiten. Ihr Lehrbuch ist das Kochbuch, das aber ohne angeborenes
-Genie geringen Wert hat. Übrigens genügt es, die leiblichen Genüsse
-recht zu schätzen und zu genießen, um ein tüchtiger Gastronom zu sein,
-wenn man auch ihre Zubereitung nicht selber verstünde. Schau, ohne
-Astronomie und alle andern Wissenschaften kann der Mensch leben und
-glücklich sein, nicht aber ohne Essen und Trinken; ja, ohne diese
-notwendigste aller Beschäftigungen wäre er gar nicht imstande, irgend
-einer andern Wissenschaft sich hinzugeben; daher ist die Gastronomie die
-Grundlage und Seele aller andern Wissenschaften.«
-
-»Das dürfte ja wohl sozusagen stimmen,« meinte Rieger nachdenklich: »Und
-mit hungrigem Magen bin ich auch nicht für die Wissenschaften
-aufgelegt.«
-
-»Also!« triumphierte Münchhausen: »die wichtigste Frage ist nicht _die_,
-wie schnell sich ein Weltkörper bewegt, wie weit er von uns entfernt ist
-und was für Stoffe ihn zusammensetzen, sondern ob es auf ihm auch etwas
-Gutes zu essen gibt, und das kann uns die Astronomie nicht enthüllen.«
-
-»Viel wichtiger erscheint mir,« sagte Mietje lachend, »zu wissen, was
-für Geschöpfe auf einem Planeten hausen, dem wir einen Besuch abstatten
-wollen; denn solchen scheußlichen Ringelwürmern wie auf dem Mars möchte
-ich doch nicht wieder begegnen.«
-
-»Kleinigkeit!« brummte der Kapitän: »Geben Sie mir eine gute Mahlzeit
-und ich pfeife auf alle Lumbriciden und andere Ungeheuer.«
-
-»Na, na!« spöttelte Schultze: »Auf dem Mars ist Ihnen das Pfeifen doch
-vergangen; Sie schienen wenigstens bereits aus dem letzten Loch zu
-pfeifen, als Sie »unter Larven die einzige fühlende Brust« sich am Boden
-wälzten.«
-
-»Unsinn! Wer wie ich schon die Seeschlange bekämpft und besiegt hat,
-sollte sich vor solch harmlosem Gewürm fürchten?«
-
-»Die Seeschlange? Die echte, fabelhafte Seeschlange?« fragte Heinz
-neugierig.
-
-»Gewiß! Ein Ungeheuer, zwanzig Meter lang und dick wie eine
-Hochwaldtanne.«
-
-»Bitte, erzählen Sie uns doch dieses bemerkliche Abenteuer, wenn ich mir
-die Unbescheidenheit erlauben darf,« bat John.
-
-»Ja, das war eine schlimme Geschichte,« hub der Kapitän schmunzelnd an.
-»Also! Wir fuhren auf der Höhe von Kap Horn, als der zweite Steuermann,
-Petersen hieß er, auf mich zukommt und sagt: >Kapitän, dort taucht der
-Rücken eines Wals aus dem Wasser.<
-
-Ich schaue hin: >Nee,< sag ich, >das sind Delphine<, denn ich sah fünf
-Rücken in einer Reihe hintereinander über dem Meeresspiegel. >Vorhin war
-es bloß einer,< versicherte Petersen, >aber jetzt scheint es mir selber,
-es sind Delphine.<
-
-Die Geschöpfe bewegten sich, doch man sah weder Kopf noch Schwanz
-auftauchen und plötzlich rufe ich: >Kinder, das sind auch keine
-Delphine; das sind die Rückenwölbungen eines einzigen Ungeheuers: es ist
-die Seeschlange!<
-
-Das gab ein Hallo, ein Laufen und Schreien! Die Seeschlange aber, sobald
-sie sich erkannt sah, gab ihr Versteckspiel auf und hob den scheußlichen
-Kopf über das Wasser. Sie wuchs empor wie ein Riesenmast und bald wiegte
-sich ihr Haupt über dem Schiff. Die sonst nicht so furchtsamen Matrosen
-stürzten alsbald feige davon und verkrochen sich in den Lucken. Ich
-allein blieb auf dem Posten und das entsetzliche Reptil streckte den
-Hals nach mir aus, den gewaltigen Rachen aufsperrend.«
-
-»Natürlich! Ein so fetter Bissen mußte ihr willkommen sein!« lachte
-Schultze.
-
-»Bitte!« verwahrte sich der Kapitän: »Ich war damals noch jugendlich
-schlank und äußerst behende, wie Sie bald sehen werden. Sie wählte mich
-nur deshalb zum Opfer, weil ich eben der einzige war, der sich noch an
-Deck befand.
-
-Wohl war mir nicht zumute, das gestehe ich, wie dieser mörderische
-Rachen mir entgegengähnte. Hoch in den Lüften wölbte sich der dicke Hals
-zu einem Bogen, während das Haupt der Schlange sich zu mir herabsenkte.
-
-Ich springe beiseite; der Kopf fährt mir nach. Ich, in der Verzweiflung,
-setze mit gewaltigem Schwung über den Leib des Ungetüms weg, dort wo er
-am Bordrand auflag. Die Seeschlange fährt mit ihrem Haupte um ihren
-eigenen Leib herum, immer hinter mir her.
-
-Da, im Momente der äußersten Gefahr, kommt mir ein rettender Gedanke.
-Der Oberkörper des Reptils bildete nun einen Ring über dem Verdeck und
-mit der Kühnheit der Verzweiflung springe ich durch diesen gräßlichen
-Ring hindurch mit gleichen Füßen. Keine Zirkuskünstlerin hätte es besser
-machen können.
-
-Was ich gehofft hatte, trat ein. Die Schlange in ihrer gedankenlosen
-Verfolgungswut fährt mir auch diesmal mit dem Kopfe nach, der somit
-durch den Ring schlüpft, der durch ihren eigenen Oberleib gebildet
-wurde. Das gab eine regelrechte Schleife.
-
- [Illustration: Der Kapitän und die Seeschlange.]
-
-Nun renne ich aus Leibeskräften das Verdeck entlang. Das Scheusal will
-mich verfolgen; aber nun zieht sich die Schleife zu, es gibt einen
-Knoten, der sich eng um den Hals der Seeschlange zusammenzieht. Zu spät
-merkt sie diesen fatalen Umstand, es gelingt ihr nicht mehr, den dicken
-Kopf zurückzuziehen; ihre wütenden Bewegungen ziehen den Knoten bloß
-immer fester an, bis sie schließlich jämmerlich erstickt, von der
-Schleife des eigenen Körpers erdrosselt.
-
-Schlaff hing das widerliche Haupt mit hervorquellenden Augen herab und
-mit dumpfem Fall stürzte der Oberkörper des gigantischen Reptils auf das
-Schiffsdeck, während der Schweif noch eine Weile krampfhaft das Meer
-peitschte.
-
-Ich rief die zitternden Matrosen herauf und sagte ihnen: »Da, ziehet das
-Vieh vollends an Bord, wir wollen es dem ozeanographischen Museum auf
-den Falklandsinseln stiften. Wie ihr seht, habe ich die Schlange gut
-gefaßt und trotz ihres gewaltigen Sträubens einen Knoten in ihren Hals
-geschlungen, daß sie elendiglich ersticken mußte.«
-
-Ich sage Ihnen, die Matrosen, die den so einfachen und natürlichen
-Hergang nicht ahnten, bekamen nun vor mir einen wahrhaft abergläubischen
-Respekt, vertrauten und folgten mir blindlings. Das hatte ich meinem
-gewandten Sprung und der Unvorsichtigkeit der Seeschlange zu danken.«
-
-»Er lebe hoch!« rief Schultze lachend und alle stimmten mit ein und
-stießen an auf den gewaltigen Helden und Drachentöter, dessen fabelhafte
-Geistesgegenwart, wie der Lord schalkhaft bemerkte, die ganze
-Reisegesellschaft getrost allen kommenden Gefahren entgegensehen lassen
-könne.
-
-
-
-
- 21. Jupiter.
-
-
-Die Sannah näherte sich dem größten aller Planeten, dem Jupiter, und
-Flitmore begünstigte die Annäherung durch zeitweise Unterbrechung des
-Zentrifugalstroms.
-
-»Seien Sie vorsichtig!« warnte Münchhausen: »Ich habe großen Respekt vor
-dem obersten aller olympischen Götter und fürchte sehr, er könnte uns
-einen Streich spielen, wie dem unseligen Biela-Kometen, wenn wir uns ihm
-allzu naseweis nähern. Stellen Sie sich das Unglück vor, wenn sein
-gewaltiger Einfluß unsre Sannah in zwei Hälften teilen würde, vielleicht
-just während wir uns in unsern verschiedenen Schlafkojen eines sorglosen
-Schlummers erfreuen. Dann würde unsre schöne Gesellschaft getrennt und
-wir könnten uns vielleicht nie wieder zusammenfinden.«
-
-»Beruhigen Sie sich,« lachte der Lord: »Ich werde mich hüten, dem
-Jupiter Anlaß zu solch grausamer Maßregel zu geben. Wir wollen ihn uns
-nur etwas aus der Nähe betrachten.«
-
-»Wollen wir nicht auch auf ihm landen, wie auf dem Mars und der
-reizenden Tipekitanga?« fragte Lady Flitmore eifrig.
-
-»Das hängt ganz davon ab, wie die Verhältnisse des Planeten sich uns
-darstellen.«
-
-»Hat er überhaupt eine Atmosphäre?« erkundigte sich Heinz.
-
-»Vermutlich sogar eine sehr dichte,« belehrte Schultze, »denn er zeigt
-ein sehr starkes Albedo.«
-
-»Die Astronomen der Erde sind sogar im Zweifel, ob ihre Teleskope ihnen
-überhaupt die Oberfläche des Jupiter zeigen,« mischte sich der Lord ein:
-»Sie rechnen mit der Möglichkeit, daß das, was sie sehen, nur
-Kondensationsprodukte, das heißt Verdichtungserscheinungen seiner
-Lufthülle sind. Jedenfalls läßt sich von ihm keine Karte entwerfen, wie
-vom Mars; denn das, was man erblickt, ist äußerst veränderlich. Nur zwei
-dunkle Streifen bleiben dauernd sichtbar.«
-
-John aber hatte vorhin den Professor von einem »Albedo« reden hören, das
-war ihm ein völlig unbekanntes Wort, zumal es das Vorhandensein einer
-dichten Lufthülle beweisen sollte. Er konnte das nicht hingehen lassen,
-er mußte sich auch hierüber belehren und fragte daher:
-
-»Herr Professor, um keine langwierigen Umschweife zu machen, gestatten
-Sie mir wohl, infolge Ihrer unabsehbaren Liebenswürdigkeit, geradeheraus
-eine Frage an Sie zu richten, die mir für meine Bildungsvollkommenheit
-unabgängig zu sein scheint; weil Sie nämlich soeben sich äußerten, als
-habe der Jupiter ein starkes Torpedo, so ist mir das von den
-Kriegsschiffen her bekannt aber nicht begreifbar, wieso das mit den
-atmosphärischen Verhältnissen wesentlich zu tun habe; das muß wohl eine
-ganz andre Art von Torpedo sein.«
-
-»Ja, mein Sohn!« lachte der Professor: »Es ist eine durchaus andre Art
-von Torpedo und schreibt sich Albedo. Albedo ist nämlich das mittlere
-Verhältnis der ausgestrahlten Lichtmenge eines Körpers zur
-eingestrahlten.«
-
-»Ach so!« erwiderte John zögernd; offenbar war ihm die Sache sehr
-unklar. Er hatte ein sehr schwaches Albedo, denn das Licht, das
-Schultzes Weisheit in ihn einstrahlte, strahlte nur sehr unvollkommen
-aus seinen Zügen zurück.
-
-»Ich will dir das näher erläutern,« sagte der praktische Engländer.
-»Siehst du, wenn die Sonne auf einen schwarzen Stoff scheint, so saugt
-dieser das meiste Licht auf oder absorbiert es, wie die Gelehrten sagen,
-damit man sie nicht so leicht verstehen soll. Der schwarze Stoff wirft
-nur wenig von dem Licht zurück, das ihn bestrahlt; er hat also ein
-schwaches Albedo. Fällt dagegen der gleiche Sonnenstrahl auf einen
-Spiegel, so wirft dieser das Licht fast ungeschwächt zurück, er blitzt
-so hell, daß du nicht hineinsehen kannst; er hat also ein sehr starkes
-Albedo.
-
-Nun weiß man, wie viel Sonnenlicht den Jupiter oder sonst einen Planeten
-trifft und wie hell er uns demnach erscheinen müßte, wenn er das ganze
-Licht ungeschwächt auf uns zurückstrahlte. Je geringer nun sein Glanz im
-Verhältnis zu diesem eingestrahlten Licht ist, desto geringer ist sein
-Albedo und umgekehrt.
-
-Die Erde hat eine Lufthülle, die so dünn ist, daß sie das meiste Licht
-durchläßt und wenig davon zurückwirft; erst der Erdboden wirft das Licht
-zurück, das ihn trifft, aber nur einen Teil davon, das meiste
-verschluckt er. Darum hat die Erde ein schwaches Albedo. Wäre sie mit
-einer Schneedecke bedeckt, dann würde ihr Albedo weit stärker, da der
-Schnee das Licht reichlich zurückstrahlt.
-
-Eine recht dichte, dunstige und wolkige Lufthülle wirft das Licht
-ebenfalls stark zurück. Wenn daher ein Planet ein starkes Albedo hat,
-das heißt im Verhältnis zu seiner Bestrahlung durch die Sonne recht hell
-erscheint, nimmt man an, er habe eine besonders dichte Atmosphäre; dies
-ist vor allem bei Venus der Fall. Mars hat ziemlich das gleiche Albedo
-wie die Erde, und Merkur ist der einzige Planet, der ein geringeres
-Albedo aufweist, also eine dünnere Luft zu haben scheint.
-
-Allerdings muß man dabei nicht vergessen, daß eine spiegelnde
-Oberfläche, eine Schneedecke oder etwa eigenes Licht, das der Planet
-noch ausstrahlen könnte, ebensogut das starke Albedo erzeugen können wie
-eine dichte Atmosphäre; völlige Sicherheit mangelt also auch diesen
-Schlüssen.«
-
-»Hören Sie, Lord,« bruddelte Schultze, sich höchst ärgerlich stellend:
-»Sie haben mich als Astronomen der Expedition angeworben; wenn Sie aber
-selber in der Astronomie so gründlich bewandert sind, dann sehe ich
-nicht ein, was für einen Zweck ich hier habe!«
-
-»Beruhigen Sie sich,« lachte Flitmore: »Mit einigen astronomischen
-Kenntnissen habe ich mich freilich versehen, da ich in die Sternenwelt
-reisen wollte; aber ich bin durchaus nicht auf dem ganzen Gebiete so
-beschlagen, wie Sie. Übrigens schadet es bei solcher Fahrt gar nichts,
-wenn mehrere oder alle Teilnehmer etwas von dieser Wissenschaft los
-haben. He! Münchhausen, entscheiden Sie als Sachverständiger in ganz
-ähnlichem Fall. Braucht ein Schiffskapitän vom Steuern eines Schiffes
-nichts zu verstehen?«
-
-»Wo denken Sie hin!« rief der Kapitän: »Einem solchen könnte das
-Kommando über ein Schiff nicht anvertraut werden; gründlich muß er's
-verstehen und im Notfall selber das Steuerruder führen können.«
-
-»Ist dann nicht ein Steuermann überflüssig, da der Kapitän ja seine
-Arbeit versehen könnte?«
-
-»Unsinn! Einen ersten und einen zweiten Steuermann sogar braucht er
-höchst notwendig.«
-
-»Da haben Sie's, Professor,« lachte der Engländer: »Das ist hier ein
-ganz ähnlicher Fall.«
-
-Bald näherte man sich dem großen Planeten, der zwölfhundertundsiebzigmal
-größer als die Erde ist und fünfmal so weit von der Sonne entfernt als
-sie, nämlich 773 Millionen Kilometer.
-
-In 9 Stunden 55½ Minuten dreht sich dieser Koloß um sich selbst, seine
-Tage sind also nicht halb so lang wie die irdischen; dagegen beträgt
-seine Umlaufzeit um die Sonne beinahe 12 Erdenjahre, nämlich 11 Jahre,
-314 Tage, 20 Stunden und zwei Minuten.
-
-Seiner schnellen Rotation entspricht die kolossale Abplattung seiner
-Pole, die nicht weniger als ein Sechzehntel beträgt.
-
-Bei der Annäherung spürte man selbst in den geschützten Räumen der
-Sannah, daß Jupiter eine starke Wärme ausströmte, weshalb sich Flitmore
-nur vorsichtig seiner Anziehungskraft aussetzte und das Weltschiff sich
-abwechselnd senken und wieder entfernen ließ.
-
-Währenddessen konnte man den Planeten genau beobachten.
-
-Zunächst sah man leuchtendes Gewölk, das von einem rasenden Orkan
-dahingetrieben wurde, rascher als Jupiter selber sich um seine Achse
-dreht.
-
-Wo die zerrissenen Wolken Durchblicke gestatteten, zeigte sich ein
-wogendes Meer von Glut, zwischen dem sich wenige dunkle Streifen
-erstarrten Gesteins hinzogen.
-
-»Das stimmt,« sagte Schultze, »zu der Berechnung der Dichtigkeit des
-Planeten, die sich als ¼ der Erddichte ergab, also nur 1-1/3 die Dichte
-des Wassers beträgt, woraus zu schließen war, daß Jupiter sich in
-flüssigem Zustande befindet. Ebenso ließ sein helles Strahlen auf
-eigenes Licht schließen und der unscharfe, zum Teil durchsichtige Rand
-auf eine wechselnde Dunsthülle.«
-
-»An eine Landung ist hier also nicht zu denken, meine Liebe,« wandte
-sich der Lord an seine Gattin.
-
-»Nun denn auf dem Saturn!« meinte diese.
-
-»Dort dürfte es auch nicht besser aussehen, Mylady,« wendete der
-Professor ein: »Der beringte Planet hat die geringste Dichtigkeit von
-allen, nur 1/8 der Erddichte und ¾ der Dichtigkeit des Wassers.«
-
-»Na,« behauptete Münchhausen heiter, »noch flüssiger als das Wasser soll
-er sein? Dann besteht er am Ende aus steifem Grog! Da laßt uns hin!«
-
-Mit Interesse wurden noch die vier Jupitermonde betrachtet, die nach
-Schultzes Belehrung in einem Tag, 18 Stunden und 27 Minuten, 3 Tagen, 13
-Stunden und 13 Minuten, 7 Tagen, 3 Stunden und 42 Minuten und in 16
-Tagen, 16 Stunden und 32 Minuten um den Planeten sich drehen.
-
-Der erste, innerste, dem Jupiter nächste Mond war von einer starken
-Wolkenschicht umgeben; doch sah man an den leuchtend durchschimmernden
-Stellen und den dunkeln Flecken, die sich darin zeigten, daß er in der
-Erstarrung begriffen war und auf seiner glutflüssigen Oberfläche
-Schlackeninseln schwammen. Er ist etwas größer als der Erdenmond.
-
-Der zweite, bläulichweiß schimmernde Trabant, fast genau so groß wie
-unser Mond, zeigte ebenfalls glutflüssige und erstarrte Stellen.
-
-Der dritte, größte und hellste befand sich in gleichmäßiger Rotglut, die
-meist ins Gelbliche spielte. Er war außerordentlich stark abgeplattet
-und rotierte sehr schnell.
-
-Der vierte Jupitermond, der zuweilen als der lichtschwächste erscheint,
-zuweilen aber alle andern überstrahlt, war von einer leuchtenden,
-scharfbegrenzten Wasserdampfhülle umgeben.
-
-»Diese Monde,« bemerkte Schultze, »gewähren den kurzen Jupiternächten
-eine äußerst zweifelhafte Beleuchtung, da die drei innersten stets vom
-Schattenkegel verfinstert werden und auch sonst mit unsrem irdischen
-Mondlicht nicht konkurrieren können.«
-
-
-
-
- 22. Ein Besuch auf dem Saturn.
-
-
-Da die Hitze allmählich unerträglich wurde, mußte die Fliehkraft in
-voller Stärke eingeschaltet werden, damit die Sannah möglichst schnell
-aus dem Bereiche des ungastlichen Planeten gelangte.
-
-Als dies erreicht war, verlangsamte Flitmore wieder den Flug. Er wollte
-doch auch den Saturn näher in Augenschein nehmen, und da dieser Planet
-auf seiner Bahn just ziemlich weit entfernt war, galt es diesmal, das
-Sonnensystem sich ein wenig von der Sannah entfernen zu lassen, bis
-Saturn sich soweit genähert hatte, daß man sich im Bereich seiner
-Anziehungskraft befand.
-
-Das konnte ein paar Tage dauern, wenn mit Ein- und Ausschalten des
-Stroms zielbewußt abgewechselt wurde; und das war notwendig, denn bei
-stetig eingeschaltetem Strom wäre das Sonnensystem in kürzester Frist
-der Sannah entschwunden, diese wäre nicht bloß über die Saturnbahn,
-sondern über die Neptunbahn hinausgeflogen und hätte bald kein Mittel
-mehr gehabt, in das Sonnensystem zurückzukehren, weil sie über die
-Anziehungssphäre der Sonne und ihrer Planeten hinausgekommen sein würde.
-
-Wäre dagegen umgekehrt die Fliehkraft dauernd abgestellt worden, so
-hätte das Weltschiff der Anziehungskraft der Sonne oder eines Planeten
-erliegen müssen, vielleicht auch wäre es den Gravitationsgesetzen gemäß
-selber wie ein Planet um die Sonne gekreist.
-
-Diese Wartezeit wurde zu allerlei Arbeiten in den verschiedenen
-Werkstätten benutzt; photographische Aufnahmen wurden entwickelt und
-musikalische Unterhaltungen veranstaltet; auch versammelte man sich
-fleißig zu gemütlicher Unterhaltung oder las ein Buch aus der
-reichhaltigen Bibliothek vor, die der umsichtige Lord mitgenommen hatte.
-Vor allem aber mußte Schultze astronomische Vorträge halten, da Mietje,
-Münchhausen und Heinz Friedung das Bedürfnis empfanden, ihre Kenntnisse
-auf dem Gebiet, das bei dieser Weltfahrt das wichtigste war, zu
-ergänzen, ganz abgesehen natürlich von John Rieger, der den Vorträgen
-mit besonderer Andacht lauschte und am fleißigsten das von vornherein
-verkündigte Recht benutzte, den Redner jederzeit mit Fragen zu
-unterbrechen.
-
-In diesen Tagen wurde Münchhausens Geburtstag mit besonderem Glanze
-gefeiert und Küche und Keller mußten das Beste dazu liefern, was sie
-besaßen, beziehungsweise was Lady Flitmores und Johns Kochkunst
-hervorzuzaubern vermochten. Denn wenngleich der Kapitän auch zu
-entbehren, ja zu hungern vermochte, wenn es darauf ankam, so fühlte er
-sich doch am aufgeräumtesten bei einer vollbesetzten Tafel mit
-auserlesenen Genüssen und köstlichen Weinen.
-
-Die Krone des Festmahls bildeten aber immer noch die unvergleichlichen
-Früchte der Tipekitanga, die auch den Vorzug aufwiesen, sich völlig
-frisch zu erhalten. Sie büßten weder ihre Leuchtkraft noch ihre
-Nährkraft und ihren Wohlgeschmack ein.
-
-Endlich kam der Saturn in Sicht und die Sannah wurde seiner
-Anziehungskraft überlassen.
-
-Schultze benutzte die Gelegenheit zu einer kleinen Repetition über das,
-was er schon in seinen Vorträgen über den ringumkreisten Planeten gesagt
-hatte.
-
-»Wie gesagt,« führte er dabei aus, »ist Saturn nicht einmal so dicht wie
-das Wasser. Er hat zweifellos eine Atmosphäre und ist der zweitgrößte
-Planet, 780mal so groß wie die Erde. Seine Rotationsdauer beträgt nur
-10¼ Stunden, also hat er wenig mehr als 5 Stunden Tag und 5 Stunden
-Nacht bei Tag- und Nachtgleiche am Äquator. Um so länger dauert sein
-Jahr, nämlich nach irdischer Rechnung 29 Jahre, 166 Tage, 5 Stunden und
-16½ Minuten.«
-
-»Herrlich!« rief Münchhausen aus: »Da lassen wir uns nieder; bedenken
-Sie, wenn da einer hundert Jahre alt wird, so ist das gleich 2900 und
-etlichen Erdenjahren. Da kann Methusalah nicht daran hin!«
-
-»Nur wird es mit dem Niederlassen einige Schwierigkeiten haben,« meinte
-der Professor: »Sie könnten sich da in eine schöne Sauce hineinsetzen,
-vielleicht in steifen Grog, wie Sie vermuteten; darin würden Sie sich ja
-wohl ganz gut konservieren.«
-
-»Ganz famos!« bestätigte der Kapitän.
-
-»Nun, wir werden ja bald sehen, wie die Terrainverhältnisse dort sind,«
-fuhr Schultze fort: »Sollte die so undichte Masse glutflüssig sein wie
-auf dem Jupiter, so werden Sie ja wohl auf eine Niederlassung darin
-verzichten.«
-
-»Unbedingt!« gab Münchhausen zu: »Doch hoffe ich nicht, daß der alte
-Saturn mir solch eine Enttäuschung bereiten wird.«
-
-»Wie gesagt, wir werden das bald sehen«, wiederholte der Professor. »Das
-Interessanteste am Saturn sind jedenfalls seine Ringe; auch hat er
-bekanntlich nicht weniger als acht Monde; doch weil wir ja eben im
-Begriff sind, das alles selber zu schauen, will ich mich nicht weiter
-darüber verbreiten, da ich, wenn es je nicht stimmte, was ich darüber zu
-sagen weiß, doch nur der Blamierte wäre.«
-
-Die Sannah war über die Saturnbahn hinausgekommen, als der Planet in
-ihre Nähe kam und so senkte sie sich zunächst gegen seine Nachtseite.
-
-Flitmore hatte erwartet, daß die Saturnringe aus Nebelmasse beständen,
-obgleich er es nicht für unmöglich hielt, daß sie auch aus festen
-Stoffen gefügt sein könnten oder, wie auch angenommen wird, aus einer
-dichten Wolke sehr kleiner Trabanten.
-
-Er trachtete danach, den innersten der drei Saturnringe, der
-verhältnismäßig dunkel ist und verschwommene Umrisse aufweist, zu
-erreichen; dies gelang ihm auch.
-
-Dieser Ring ist trotz seiner Breite der schmälste der drei; er ist nicht
-ganz so breit wie der äußere helle Ring und weniger als halb so breit
-wie der mittlere.
-
-Die Sannah fand festen Grund und ruhte auf ihm auf.
-
-Es war gerade Zeit zur Nachtruhe und alle begaben sich schlafen bis auf
-die jeweiligen Wachhabenden.
-
-Als am andern Morgen alle beim Frühstück versammelt waren, nahm Kapitän
-Münchhausen folgendermaßen das Wort:
-
-»Professor, Sie haben behauptet, die Saturnnacht dauere durchschnittlich
-5 Stunden. Warum wird es denn gar nicht Tag? Oder sollten wir den kurzen
-Tag verschlafen haben?«
-
-»Das nicht«, erwiderte Schultze, »aber wir befinden uns auf dem Ring,
-auf dem die Verhältnisse wesentlich andre sind. Hier dauert nämlich Tag
-und Nacht je ein halbes Saturnjahr, das sind 14¾ Erdenjahre. Während
-dieser etwas dauerhaften Nacht ist der Ring auf das schwache Licht der
-acht Saturnmonde und auf dasjenige des Saturns selber angewiesen, der
-ihm, entsprechend seiner Rotation, periodisch leuchtet.«
-
-»Hollah!« wetterte der Kapitän: »Und da warten wir nun wohl hier ab, bis
-es Tag wird.«
-
-»Allerdings,« schaltete Flitmore ein: »Aber beruhigen Sie sich, Kapitän,
-die Sannah sitzt an einem Punkte des Rings, dem schon in zwei Stunden
-die Sonne aufgehen wird, nachdem er sie seit fast 15 Jahren nicht mehr
-gesehen.«
-
-Dies bestätigte sich: zwei Stunden darauf ward es Tag; freilich, die
-Sonne leuchtete weit nicht mit dem Glanze, mit dem sie die Erde
-bescheint, ist sie doch von Saturn neunmal weiter entfernt als von der
-Erde.
-
-Nun wurde ein Abstieg auf den Ring gewagt. Er zeigte sich aus sehr
-leichten schwammigen Stoffen gefügt und wies zahlreiche Löcher und Risse
-auf, die durch und durch gingen.
-
-Ganz entzückend und wahrhaft großartig war die Aussicht auf die
-ungeheure Saturnkugel, die mächtige Gebirgszüge aufwies.
-
-Auch der Ring war durchaus nicht eben, sondern zeigte mannigfaltige
-Erhebungen, zum Teil recht stattliche Berge; aber die Wanderung wurde
-jäh unterbrochen durch einen Riß, der den Ring in seiner ganzen Breite
-durchlief.
-
-Späterhin beobachteten unsre Freunde, daß alle drei Ringe durch
-zahlreiche mehr oder weniger breite Spalten in einzelne Stücke geteilt
-waren, die einander nicht berührten, daß aber diese Risse sich mehr und
-mehr schlossen unter dem ausdehnenden Einfluß der Sonnenhitze.
-
-Das ließ sich leicht feststellen, da die Teile des Rings, die schon
-längere Zeit Tag hatten, zunehmend schmälere und schließlich gar keine
-Lücken mehr aufwiesen, während auf der Nachtseite der Ringe die Klüfte
-sich fortschreitend verbreiterten.
-
-»Herrlich! Großartig! Wunderbar!« rief Schultze einmal über das andre:
-»Wie ganz anders vermögen wir doch nun die Dinge dahier zu erkennen, als
-die armen erdfernen Astronomen mit ihren besten Instrumenten. Wenn ich
-nur bedenke, wie lange es dauerte, bis überhaupt erkannt wurde, daß
-Saturn von einem Ring umgeben ist. Zwar hat ihn schon Galilei durch das
-erste von einen Astronomen benutzte Fernrohr gesehen, doch glaubte er,
-es handle sich um Auswüchse, die mit dem Planeten zusammenhingen. Erst
-Huygens, der auch den ersten Satelliten des Saturn entdeckte, nämlich
-den sechsten seiner acht Monde, erkannte, daß es ein Ring sei, der frei
-um den Planeten schwebe, und Herrschel konnte dann die Rotationsdauer
-des Ringes oder vielmehr der Ringe berechnen, die annähernd die gleiche
-ist, wie die ihres Zentralkörpers.«
-
-Da auch in der entgegengesetzten Richtung bald eine Spalte ein weiteres
-Vordringen unmöglich machte, auch die Erforschung der Ringe wenig
-Interessantes mehr zu bieten schien, wurde beschlossen, sich alsbald auf
-den Planeten selber zu begeben.
-
-Bald sank die Sannah unter die niedre Luftschicht, die um die Ringe
-lagerte und nach kurzem, aber ungeheuer raschem Sturz trat sie in die
-Saturnatmosphäre ein.
-
-Hier verlangsamte Flitmore sofort die Fallgeschwindigkeit, und das
-Weltschiff schwebte träge zur Oberfläche nieder.
-
-»Mylord,« fragte währenddessen John seinen Herrn, »warum gehen wir nie
-in die untern Zimmer, wenn wir einen Abstieg unternehmen? Da könnten wir
-so schön alles aus der Vogelprospektiefe beobachten, wie wir näher und
-näher kommen; hier oben aber sehen wir nichts als den Ring, der sich von
-uns entfernt.«
-
-Man sieht, daß John sich seinem Herrn gegenüber keiner so gewählten
-Sprache befleißigte, wie wenn er den gelehrten Professor anredete; das
-kam aber nicht etwa von einem Mangel an Respekt, sondern weil er aus
-langjähriger Erfahrung wußte, daß der Lord viele Redensarten nicht
-leiden mochte.
-
-Flitmore gab seiner treuen Dienerseele folgende Auskunft: »Siehst du,
-John, um den Fall der Sannah nicht zum verderblichen Sturz werden zu
-lassen, muß ich die Fliehkraft abwechselnd ein- und ausschalten. Dadurch
-wird aber jedesmal für die unteren Räume und die Seitenzimmer der
-Schwerpunkt verändert: schalte ich die Zentrifugalkraft ein, so werden
-wir gegen den Mittelpunkt unsres Fahrzeugs gezogen, schalte ich sie aus,
-so zieht uns der Saturn an. Du wirst dich erinnern, was dies zur Folge
-hatte, als wir die Erde verließen. Hier wäre es genau so: im untern
-Zimmer würden wir abwechselnd von der Decke auf den Fußboden stürzen und
-umgekehrt; in den Polzimmern würden wir zwischen der dem Saturn
-zugekehrten Seitenwand und dem Fußboden hin- und hergeschleudert. Hier
-oben aber liegt der Mittelpunkt der Sannah genau wie der Mittelpunkt des
-Planeten zu unsern Füßen und meine Manöver verändern den Schwerpunkt in
-keiner Weise. Das ist der Grund, weshalb wir hier wie bei unserm Abstieg
-auf den Mars und die Tipekitanga auf die Beobachtung des Geländes, dem
-wir uns nähern, verzichten müssen, so schade dies auch ist.
-
-Du weißt ja, daß ich diesen Umstand beim Bau des Schiffes nicht in
-Betracht gezogen habe und selber von der alles auf den Kopf stellenden
-Wirkung der Fliehkraft überrascht wurde; sonst hätte ich Vorsorge
-getroffen, daß wir wenigstens durch außen angebrachte Spiegel in den
-Stand gesetzt worden wären, von diesem unserm Zenithzimmer aus zu
-betrachten, was unter uns liegt.«
-
-Ein sanfter Ruck zeigte an, daß die Saturnoberfläche erreicht war. Die
-Sannah ruhte auf.
-
-Daß diese Oberfläche weder flüssig noch glühend war, hatte man schon vom
-Ring aus feststellen können, sonst wäre der Plan einer Landung
-selbstverständlich ausgeschlossen gewesen.
-
-Begierig zu schauen, welche neuen Wunder sich ihnen hier offenbaren
-würden, verließen unsere Freunde das Fahrzeug durch das Nordpolzimmer,
-nachdem die Lucke geöffnet und die Strickleiter hinabgelassen worden
-war.
-
-
-
-
- 23. Eine unfreiwillige Polarreise.
-
-
-Es war Nacht, als die Gesellschaft auf dem Saturn landete; aber da sich
-alle sehnten, ins Freie zu kommen, wurden die Zelte errichtet, diesmal
-aber in unmittelbarer Nähe der Sannah, damit ein sofortiger Rückzug
-angetreten werden konnte, falls je ein gefährliches Abenteuer drohen
-sollte; die schreckliche Nacht auf dem Mars war ja allen noch gar zu
-frisch in Erinnerung.
-
-Holz- und Reisigvorräte barg die Sannah zur Genüge, der Lord hatte sich
-für alle Fälle vorgesehen. So brauchte man nicht in der Dunkelheit nach
-Brennmaterial zu suchen.
-
-Ein Feuer wurde entfacht und nach gehaltener Mahlzeit suchten bald alle
-die Ruhe auf bis auf Heinz, der die erste Wache übernommen hatte.
-
-Nach zwei Stunden löste ihn John ab und diesen nach weiteren zwei
-Stunden Münchhausen.
-
-Der Kapitän freute sich kindlich auf den ersten Sonnenaufgang auf dem
-Saturn, und daß er der erste sein sollte, der diese neue Welt aus
-nächster Nähe bei Tageslicht schauen sollte.
-
-Aber merkwürdig, es wollte nicht tagen! Als seine zwei Dienststunden zu
-Ende waren, war es noch so finster wie zuvor. Er rechnete aus, daß die
-Nacht nun schon mehr als acht Stunden währte; da die Rotationsdauer des
-Saturn 10¾ Stunden beträgt, hätte es eigentlich schon wieder gegen Abend
-gehen sollen.
-
-Es war ausgemacht worden, daß Münchhausen gleich nach Tagesanbruch alle
-wecken sollte, aber der Tag brach nicht an und er wartete noch eine
-Stunde; er hatte sich so sehr darauf gefreut, allein als Erster die
-Sonne aufleuchten zu sehen.
-
-Endlich weckte er den Professor.
-
-»Hören Sie,« fuhr er den Schlaftrunkenen an: »Ich pfeife auf die ganze
-astronomische Wissenschaft und auf die Ihrige insbesondere. Es ist
-nichts mit den kurzen Saturnnächten. He! wissen Sie, wie lange diese
-Nacht schon währt? Neun volle Stunden!«
-
-Schultze hatte sich ermuntert und sah auf die Uhr.
-
-»Wahrhaftig!« brummte er, »das stimmt!« Dann schaute er hilflos zum
-Himmel, als könnte er doch irgendwo die Sonne entdecken, trotz der hier
-unten herrschenden Finsternis.
-
-»Da hört sich doch alle Wissenschaft auf!« fuhr es ihm heraus.
-
-»Jawohl, alle Wissenschaft hört auf und blamiert sich angesichts der
-Tatsachen,« grollte Münchhausen. »Wissen Sie gewiß, daß auf dem Saturn
-die Nacht nicht auch 15 Jahre dauert wie auf seinen Ringen?«
-
-»Unsinn!« rief der Gelehrte, obgleich er selber nicht mehr wußte, wo er
-dran war: »Das trifft ja wohl für die Polarzonen zu, nicht aber für
-diese Breiten.«
-
-Unterdessen hatten sich auch die andern erhoben und wunderten sich, daß
-es noch nicht Tag werden wollte.
-
-Schultze war nachdenklich, während man das Frühstück einnahm: er
-repetierte innerlich seine Kenntnisse des Saturn.
-
-Plötzlich rief er: »Ich habs! Es herrscht hier eine Sonnenfinsternis,
-verursacht durch den Ring des Planeten.«
-
-»Na! dann wird sie ja bald vorübergehen,« sagte Münchhausen aufatmend;
-denn die rätselhafte Dunkelheit hatte ihm wirkliche Beklommenheit
-verursacht. »Freilich,« fügte er bei, »für heute ist es nun schon nichts
-mehr mit dem Sonnenschein; es muß ja bald wieder Nacht werden; aber in
-sechs bis sieben Stunden werden wir das Tageslicht wieder schauen.«
-
-»Wo denken Sie hin!« widersprach Schultze. »Davon kann keine Rede sein:
-Diese saturnischen Finsternisse dauern mehrere Erdenjahre. Ich vermute,
-wir befinden uns hier etwa unter 23½ Grad Breite und haben dann mit
-einer Sonnenfinsternis von zehn Jahren zu rechnen.«
-
-»Sie freuen mich!« polterte der Kapitän: »Und da sollen wir wohl hier
-abwarten, bis der Ringschatten sich gefälligst entfernt oder die Sonne
-uns geschwind höhnisch durch eine seiner Lücken anlächelt, um dann
-wieder zu verschwinden? Oder sollen wir den vertrackten Weltkörper bei
-Fackelbeleuchtung untersuchen?«
-
-»Nein!« lachte Flitmore: »Wir steigen einfach wieder auf und landen auf
-einem günstigeren Breitengrade.«
-
-»Ein ungastlicher Planet scheint Saturn doch zu sein,« meinte Mietje:
-»In manchen Gegenden fast 15 Jahre Nacht, dann noch 10 Jahre
-Sonnenfinsternis, das gibt ja 25 Jahre Dunkelheit und nur 5 Jahre
-Tageshelle!«
-
-»Das stimmt allerdings je nach der Zone,« bestätigte Schultze: »Aber
-trösten Sie sich, es gibt ja lichtreichere Gegenden, und wir halten uns
-nicht gar zu lange hier auf.«
-
-Die Weiterreise wurde sofort angetreten.
-
-»Leider,« bemerkte der Lord, als man wieder im Zenithzimmer versammelt
-war, »ist die Sannah nicht als lenkbares Luftschiff gebaut. Das erkenne
-ich jetzt als verhängnisvollen Fehler an. Mit ein paar Motoren
-ausgerüstet, könnte sie ihren Weg in der Atmosphäre nach Belieben
-suchen, während wir es so dem Zufall überlassen müssen, wo wir landen.
-Sobald ich nämlich die Fliehkraft einschalte, nimmt unser Weltschiff
-weder an der Rotation noch an dem Umlauf des Saturn mehr teil. Das
-erstere ist ja belanglos, denn durch seine Umdrehung um die Axe kehrt
-uns der Planet nur abwechselnd eine andere Seite zu und es macht nichts
-aus, ob wir auf dieser oder jener niedergehen.
-
-Durch seinen Umlauf auf seiner Bahn um die Sonne aber saust der Saturn
-unter uns weg, sobald wir durch den Zentrifugalstrom von seiner
-Anziehungskraft gelöst sind; es fehlen uns die Mittel, diese Bewegung
-genau zu berechnen, und so können wir unsern Landungsort nicht nach
-Belieben bestimmen.«
-
-Das erwies sich denn auch als fatal, denn als sich der Lord nach einiger
-Zeit zum Niedergehen entschloß, befand sich die Sannah in der
-Nordpolarzone des Saturn.
-
-Als die Lucke geöffnet wurde, strömte eine so eisig kalte Luft herein,
-daß sich alle mit den wärmsten Pelzhüllen versahen, ehe sie ins Freie
-hinaustraten.
-
-Ein herrlicher Anblick blendete ihre Augen, als sie an der Strickleiter
-hinabstiegen: unabsehbar dehnte sich eine Eis- und Schneewüste,
-unterbrochen von phantastisch gezackten und wildzerklüfteten Eisbergen,
-die im Glanze der Sonne in allen Farben flimmerten, je nachdem sich das
-Licht im Kristall brach.
-
-In der Ferne ragte ein ganzes Gebirge empor, das lebhaft an die
-Gletscherketten der Alpen erinnerte; kurz, es war eine Landschaft voll
-Großartigkeit, die ein Gefühl der Andacht in aller Herzen erweckte.
-
-Doch hatte ein längerer Aufenthalt hier keinen Zweck: die Eiswüsten des
-Saturns gedachten unsere Freunde nicht zu erforschen, so lange sie
-hoffen konnten, interessantere Gebiete für ihre Entdeckungen zu finden.
-Immerhin mußte die entzückende Polarlandschaft auf einigen
-photographischen Platten ihre größten Reize festhalten lassen.
-
-Plötzlich rief Mietje aus, indem sie verwundert den Himmel betrachtete:
-»Wo ist denn der Ring? Er scheint verschwunden zu sein: von einem
-Horizont zum andern kann ich keine Spur mehr von ihm entdecken!«
-
-Alle schauten auf und Münchhausen erklärte: »Das ist ja ein schöner
-Reinfall! Da sind wir am Ende auf einen ganz andern Planeten geraten,
-wohl gar auf einen vergletscherten Saturnmond. So geht es, wenn man ins
-Blaue hineinfährt und nicht einmal Ausschau halten kann, wohin man sich
-bewegt und was sich unter einem befindet! Oder ist der Saturngürtel
-verhext und kann sich unsichtbar machen mittelst der berühmten
-radioelektrischen Strahlen Manfreds von Rothenfels? Heda, Professorchen,
-lassen Sie Ihre wissenschaftliche Bogenlampe strahlen, wenn angesichts
-dieses rätselhaften Verschwindens bei Ihnen nicht, wie gewöhnlich, alle
-Wissenschaft sich aufhört!«
-
-»I wo denn?« erwiderte Schultze kühl: »Da hört sich die Wissenschaft
-doch gar nicht auf, ganz im Gegenteil! Das weiß jeder angehende
-Astronom, daß die Saturnringe auf dem größten Teil der Polarzone
-überhaupt nicht zu sehen sind, aus dem einfachen Grunde, weil sie unter
-dem Horizont stehen. Weiter südlich würden wir nur den äußeren Ring
-erblicken und erst beim Überschreiten des Polarkreises würden allmählich
-auch die inneren Reifen auftauchen: es ist also alles in Ordnung und war
-gar nicht anders zu erwarten.«
-
-Eine merkwürdige Tatsache fiel Heinz hier noch auf, als er einen losen
-Eisblock zu heben versuchte: Der stattliche Brocken erwies sich als ganz
-unglaublich leicht im Verhältnis zu seiner Masse; da dies weder von
-einer geringeren Anziehungskraft des Planeten herrühren konnte, noch das
-Eis eine losere Struktur zeigte, als es beim irdischen Eise der Fall
-ist, mußte angenommen werden, daß das Eis auf dem Saturn und demnach
-wahrscheinlich auch das Wasser dort an und für sich weit weniger Gewicht
-oder Dichtigkeit habe als auf der Erde.
-
-Nachdem sich alle von der seltsamen Leichtigkeit des Blocks überzeugt
-und das gleiche auch an andern Eisstücken festgestellt hatten, begaben
-sie sich wieder ins Innere ihres Fahrzeugs.
-
-»Wir dürfen nicht mehr so planlos landen,« erklärte der Engländer: »Wir
-müssen ein Mittel ersinnen, das uns aus der Lage befreit, hiebei nur ein
-Spielball des Zufalls zu sein. He, Professor! Strengen Sie Ihren großen
-Geist an und setzen Sie uns in den Stand, unsere Landungsstelle nach
-eigenem Gutdünken auszuwählen!«
-
-Bevor Schultze recht begonnen hatte, sein Gehirn anzustrengen, trat
-Heinz Friedung mit folgendem Vorschlag hervor:
-
-»Spannen wir ein Netz unmittelbar unter dem Fenster unseres
-Antipodenzimmers aus. In dieses Netz kann sich ein Beobachter legen;
-wird die Fliehkraft ausgeschaltet, so liegt er eben auf dem Bauch über
-dem Fenster, ist der Strom geschlossen, so fällt er auf den Rücken weich
-in das Netz zurück. Jedenfalls kann er andauernd die Saturnoberfläche im
-Auge behalten und uns im Zenithzimmer durch elektrische Klingelzeichen
-verständigen, ob wir steigen, fallen oder uns endgültig niederlassen
-sollen. Drei verabredete Zeichen genügen hiefür. Da übrigens außer dem
-elektrischen Läutewerk auch ein Telephon in jedem Zimmer vorhanden ist,
-kann er, wenn etwas Besonderes zu melden sein sollte, auch telephonische
-Nachricht geben.«
-
-»Ausgezeichnet!« lobte Schultze: »Den Beobachtungsposten will ich
-einnehmen.«
-
-»Nichts da!« protestierte Münchhausen: »Ich freue mich schon lange
-darauf, als Erster zu schauen, wie der Saturn aus nächster Nähe
-aussieht. Die Sonnenfinsternis hat mich um diese Hoffnung betrogen,
-jetzt will ich wenigstens als Beobachter im Mastkorb mein Ziel
-erreichen, wozu ich mich als alter Seemann auch am besten eigne.«
-
-Der Professor schüttelte lachend den Kopf: »Ihr spezifisches Gewicht,
-edler Hugo, macht die Sache zu gefährlich; wie Spinnwebe würden die
-stärksten Netze reißen, wollten Sie sich ihnen anvertrauen.«
-
-»O,« sagte Flitmore, »ich habe eine Hängematte an Bord, die aus so
-starken Baststricken geflochten ist, daß selbst unseres Kapitäns paar
-Zentner sie nicht aus der Fassung bringen können; auch ist sie so groß,
-daß sie ihm Raum genug bietet, also gönnen wir ihm das Vergnügen.«
-
-Der Professor hätte zwar auch gern die ersten Entdeckungen gemacht, doch
-wollte er sie dem älteren Freunde nicht streitig machen, und so wurde
-denn Münchhausen mit einem Feldstecher bewaffnet im »Mastkorb«, wie er
-sich ausdrückte, untergebracht, sobald das Netz an Ort und Stelle
-befestigt war.
-
-Dann wurde die Fliehkraft eingeschaltet und der Kapitän schwebte, auf
-dem Rücken liegend, in der Hängematte unmittelbar unter dem Fenster, das
-sich von dem eisigen Grunde trennte, auf dem es bis jetzt aufgeruht
-hatte.
-
-So schaute er hinauf in die Eisgefilde, die über ihm zu schweben
-schienen und mit ihren Bergen und Schroffen drohend genug aussahen. Es
-war ein eigentümlicher, unheimlicher Anblick, diese blitzenden Massen so
-über sich herabhängen zu sehen, als müßten sie niederstürzen und alles
-zermalmen. Immerhin wußte Münchhausen ja zur Genüge, daß dies alles nur
-so schien, weil die Sannah nun ihren eigenen Schwerpunkt in ihrem
-Zentrum besaß, und daß der Saturn seine Oberfläche fest genug halten
-würde.
-
-
-
-
- 24. Eine Nacht auf dem Ringplaneten.
-
-
-Münchhausen war eifrig auf seinem Posten, stets die elektrische
-Kontaktbirne in der Hand. Gab er ein kurzes Klingelzeichen, so stellte
-Flitmore oben die Fliehkraft ab und der Kapitän fiel mit dem dicken
-Bauch auf die Fensterscheibe, die glücklicherweise so massiv war, daß
-sie noch heftigere Stöße unbeschädigt ausgehalten hätte.
-
-In solchem Falle machte es Münchhausen den Eindruck, als hätte sich die
-Welt mit Blitzgeschwindigkeit umgedreht: der Planet, zu dem er bisher
-aufgeschaut hatte, weil er über ihm schwebte, schien nun plötzlich unten
-zu sein und es galt, von der über ihm schwebenden Sannah auf ihn
-hinabzublicken.
-
-Gab Münchhausen dann wieder die zwei Klingelzeichen, die das Einschalten
-des Stromes bedeuteten, so plumpste er gleich darauf rücklings in die
-Hängematte zurück und sah das Fenster und den Saturn urplötzlich wieder
-über sich.
-
-Dieser fortwährende und ganz unvermittelte Wechsel, der jedesmal wieder
-verwirrend wirkte und für einen Augenblick alle Orientierung lahmlegte,
-hätte einen Unkundigen an aller Wirklichkeit und am eigenen Verstande
-verzweifeln lassen können.
-
-Man stelle sich's vor, was das für ein Gefühl sein muß, wenn die Decke,
-zu der man aufschaut, innerhalb einer Sekunde auf einmal zum Fußboden
-wird, auf dem man liegt, und dann wird sie eben so plötzlich wieder zur
-Decke über einem; und so wechselt es alle paar Minuten, ohne daß man
-selber seine Lage verändern würde oder daß der Raum, in dem man sich
-befindet, sich drehte: das Weltall scheint jedesmal völlig mit einem
-umzukippen, und dabei wird man nur mit einem kleinen Ruck wie ein Ball
-auf und ab geschleudert: man fällt jedesmal nach oben und liegt jedesmal
-unten!
-
-Dem Kapitän machte schließlich dieses Zauberspiel einen köstlichen Spaß;
-davon merkten die dort im Zenithzimmer rein gar nichts, für sie blieb
-der Fußboden unverrückt unten und die Zimmerdecke oben; kein Ruck zeigte
-ihnen die Änderung des Schwerpunkts an.
-
-»Ein Glück, daß ich und nicht der Professor oder sonst eine unerfahrene
-Landratte auf diesem Posten liegt«, dachte Münchhausen: »die bekämen die
-Seekrankheit im höchsten Grade; mir altem Seebär jedoch bekommt die
-Bewegung vorzüglich.«
-
-Und aus lauter Lust an der Sache gab er die Zeichen viel häufiger als
-notwendig gewesen wäre.
-
-Bald aber machte er eine fatale Entdeckung: Die Sannah blieb stets dem
-Nordpol des Planeten zugewendet und konnte unmöglich mehr südlichere
-Gegenden des Saturn erreichen. Er hatte das Weltschiff in seiner ganzen
-Länge passiert, und sobald der Fliehstrom eingeschaltet wurde, entfernte
-er sich auf seiner Bahn, während die Schließung des Stroms nur ein
-Stürzen gegen den Pol bewirkte.
-
-»Wir sollten uns am Südpol befinden,« brummte der Kapitän, »dann würde
-der Weltkörper unter uns durchpassieren und wir könnten uns
-niederlassen, sobald etwa der Äquatorialgürtel unter uns stünde. Nun
-aber ist er bereits völlig unter uns weg und kehrt nicht wieder um; da
-sehe ich nicht, was noch zu machen ist.«
-
-Er teilte diese Beobachtung durch das Telephon dem Lord mit.
-
-Nun wurde droben beraten und ihm dann das Ergebnis der Beratung
-mitgeteilt.
-
-»Glücklicherweise,« erklärte Schultze durchs Telephon, »ist der Saturn
-zur Zeit ganz nahe dem Ende seiner Bahn und muß binnen wenigen Stunden
-seine Wendung vollziehen. Da wir nun in der günstigen Lage sind, uns auf
-der Innenseite seiner Bahn zu befinden, das heißt zwischen ihm und der
-Sonne, so werden wir jetzt den Strom ununterbrochen wirken lassen. So
-wird die Sannah in einer Sehne den Bogen abschneiden, den der Planet in
-den nächsten Stunden beschreibt, und sich einem Punkte seiner
-rückläufigen Bahn nähern, den er bald darauf passieren muß. Dann müssen
-Sie scharf aufpassen, wenn der Planet sich uns wieder nähert, damit wir
-uns rechtzeitig seiner Anziehungskraft aussetzen und ihn in der Folge
-durch geeignetes Öffnen und Schließen des Stroms soweit an uns
-vorbeiziehen lassen, bis wir in seinen Äquatorialgegenden landen können.
-Kommen Sie jetzt herauf zum Abendessen; Sie können dann ruhig fünf
-Stunden schlafen, denn wir werden etwa sieben Stunden brauchen, um den
-Scheitel der Ellipse durch einen möglichst kurzen Bogen abzuschneiden.«
-
-Sechs Stunden später befand sich Münchhausen wieder auf seinem Auslug
-und sah nun in der Tat, wie Saturn von der andern Seite heransauste; die
-Sannah hatte ihn durch Abschneiden des Scheitelbogens seiner
-ellyptischen Bahn überholt.
-
-Nun galt es zunächst die Fliehkraft auszuschalten, um nicht wieder
-zurückgeworfen zu werden durch die abstoßende Kraft in Bezug auf den
-nahenden Planeten.
-
-Dann begann wieder das abwechselnde Schließen und Öffnen des Stromes
-entsprechend den Klingelzeichen des Kapitäns und damit das lustige
-Ballspiel, das die Sannah mit seinem rundlichen Körper betrieb, ihn
-zwischen dem Fenster und der Hängematte hin- und herschleudernd, je
-nachdem der Schwerpunkt des Weltschiffes nach innen in dessen
-Mittelpunkt, oder nach außen in den Mittelpunkt Saturns verlegt wurde.
-
-Diese wechselnden Manöver verhüteten einerseits den vorzeitigen Sturz
-auf die Oberfläche des Planeten, andrerseits die allzugroße Entfernung
-von ihm: man blieb, nachdem die Ringe überholt worden waren, von jetzt
-ab innerhalb der Saturnatmosphäre.
-
-Als die Südpolarzone vorübergeglitten war, erschienen dem beobachtenden
-Kapitän die Ringe als schmale Kreise; bei der Annäherung des Äquators
-war bald nicht mehr viel weiter als die Kante des innersten Ringes zu
-sehen.
-
-Vor allem aber wurden die Blicke des Kapitäns gefesselt durch die
-landschaftlichen Bilder, die vorüberflogen, teils erhabene großartige
-Szenerien, teils ungemein liebliche Idyllen: Hochgebirge und Meere,
-mächtige Ströme, Flüsse und Seen, sanftgeschwungene Hügelketten, grüne
-Ebenen, Wiesen und geschlängelte Bäche; dann wieder schroffe Felsen und
-gähnende, nachtschwarze Schluchten.
-
-Als die Sannah die Äquatorialzone erreichte, gab Münchhausen durch
-dreimaliges, langgezogenes Klingeln das Zeichen zur Landung.
-
-Eine reizende, hügeldurchzogene Ebene war es, in welcher das Weltschiff
-sich niederließ; aber wiederum sank die Nacht herein, als die
-Gesellschaft die Strickleiter herabließ und den festen Boden betrat.
-
-Von den acht Monden Saturns, deren Umlaufzzeit entsprechend ihrem
-Abstand vom Zentralkörper wächst, und beim innersten nur 22½ Stunden,
-beim äußersten aber nicht weniger als 79 Tage beträgt, standen die vier
-innersten gleichzeitig am Himmel; doch ihr schwacher Schein genügte
-nicht, um den Glanz einer irdischen Vollmondnacht hervorzuzaubern. Die
-schmale Kante des Ringes war dunkel; die innerste Kante wird überhaupt
-nie von der Sonne erhellt, und die beleuchtete Ringfläche zeigt sich nur
-bei Tag, nie aber des Nachts.
-
-Mietje übernahm diesmal die erste Wache und Münchhausen bestand auf der
-zweiten, gegen deren Ende der Anbruch des Morgens erfolgen mußte, da
-hier eine Sonnenfinsternis zur Zeit nicht herrschte, wie Schultze
-versicherte, und wie man vor der Landung hatte beobachten können, als
-noch die Sonne am Himmel stand.
-
-Man wollte sich diesmal mit einem dreistündigen Schlafe begnügen, um
-sich ja nichts von dem kurzen Tage entgehen zu lassen.
-
-Lady Flitmore, auf die nur noch eine Stunde Schlafes gekommen wäre nach
-ihrer zweistündigen Wache und die durchaus nicht gewillt war, den
-Saturnmorgen zu verschlafen, beschloß, sich überhaupt nicht zur Ruhe zu
-legen, sondern dem Kapitän bei dessen Wachzeit Gesellschaft zu leisten:
-sie hatte in Voraussicht dieses Falles vor dem Abstieg einige Stunden
-geschlafen und fühlte sich frisch und munter genug, um zehn, und, wenn
-es sein sollte, zwanzig Stunden zu wachen, ohne zu ermüden.
-
-Alles lag im Schlaf; nur Lady Flitmore saß als treue Wächterin in der
-Nähe des flackernden Feuers, von Zeit zu Zeit ein Scheit nachlegend.
-
-Eine kleine Erhöhung des Erdbodens diente ihr als Sitz. Der Grund
-bestand hier aus kahlem Felsgestein, das sich merkwürdig warm anfühlte,
-so daß Mietje es nicht für nötig gefunden hatte, eine Decke über ihren
-Sitz zu breiten, zumal der Fels gar nicht hart erschien: sie glaubte, es
-müsse eine Art Bimsstein sein und das bestätigte ihr die auffallende
-Leichtigkeit einzelner umherliegender Steine. Ein Block von der Größe
-eines Riesenkürbisses, den sie versuchsweise aufnahm, wollte ihr so
-leicht wie ein Gummiball erscheinen.
-
-Es fiel ihr dabei ein, wie merkwürdig leicht auch das Eis am Pol
-befunden wurde und sie mußte denken, daß dem ein dem Saturn
-eigentümliches Naturgesetz zu Grunde liegen müsse.
-
-Dann schweiften ihre Blicke umher. Die kahle Stelle war nur von geringer
-Ausdehnung; sie wurde von einem mannshohen Dickicht eingesäumt, das aus
-Schilf oder Röhricht zu bestehen schien und über welches in der Ferne
-ein Wald hochragender Bäume unheimlich finster herüberschaute.
-
-Sie sah zum Himmel empor: da grüßten sie die bekannten Sternbilder so
-traut, daß ihr auf einmal zumute wurde, als befinde sie sich auf der
-heimatlichen Erde und die ganze Weltallreise sei bloß ein Traum gewesen.
-War sie nicht auch so sonderbar, wie es sonst nur im Träumen vorkommt?
-
-Aber mitten unter diesen altbekannten Sternbildern teilte ein dunkler
-schmaler Bogen das ganze Himmelsgewölbe in zwei ungleiche Teile. Das war
-die Kante des Rings, der ihr zweifellos bewies, daß sie sich auf einem
-fremden Planeten befand, und das sagten ihr auch die vier Monde, die in
-ungleicher Größe und verschiedener Lichtstärke am Himmel hinwandelten,
-und deren einer soeben vom Schatten seines Zentralgestirns verdunkelt
-wurde.
-
-Dort strahlte auch der Komet, den sie von der Tipekitanga aus erstmals
-erschaut hatte, in beinahe unheimlich blendendem Goldglanz.
-
-Und siehe! Drunten am Horizont tauchte ein fünfter Mond auf! Ja, es war
-eine fremde Welt! Trotz der Sternbilder, die um kein Haar anders
-aussahen als am irdischen Himmel, war sie doch von der Erde entsetzlich
-weit entfernt! Wie hatte ihr Gatte gesagt? 1260 Millionen Kilometer,
-mehr als achtmal so weit als der Abstand der Erde von der Sonne beträgt!
-
-Sie schauderte, als sie sich diese ungeheure Zahl ins Gedächtnis
-zurückrief, und doch, was bedeutete sie gegenüber der Entfernung jener
-Fixsterne dort oben? So gut wie nichts! Die schienen weder näher noch
-ferner gerückt.
-
-Aus diesen Gedanken wurde sie durch einen Schatten emporgeschreckt, der
-den Schein des Feuers verdunkelte.
-
-Dort flatterte ein Vogel mit kaum hörbarem Flügelschlag. Er umkreiste
-die Flammen, näherte und entfernte sich, flog auf und schwebte wieder
-herab.
-
-»Ein Adler,« dachte die Lady, die ungeheure Spannweite seiner Flügel mit
-den Blicken messend.
-
-Aber merkwürdig genug erschienen diese Fittiche: Das war kein Gefieder,
-auch keine Fledermausflügel waren es, diese dünnen, buntgefleckten Segel
-mit dem breiten, scharfumrissenen Rand.
-
-Mietje schüttelte den Kopf: »Wäre nicht seine ungeheure Größe, man
-könnte diesen Vogel für eine Motte, einen Nachtfalter halten,« sprach
-sie halblaut vor sich hin.
-
-Da gesellten sich zu dem ersten ein zweiter und ein dritter. Lautlos
-umkreisten sie das Feuer, dessen Lohe von dem Luftzug ihres
-Flügelschlags gepeitscht, niederduckte, um gleich darauf um so lebhafter
-emporzuzüngeln.
-
-Jetzt kam einer dieser unheimlichen Vögel ganz nahe an der jungen Frau
-vorbei. Er hatte einen eigentümlichen dicken Kopf mit einem
-Elefantenrüssel von dem Umfang eines Spritzenschlauchs, zwei runde
-walnußgroße Glotzaugen, zwischen denen sich zwei Wedel bewegten, gleich
-riesigen Fühlern. Der Leib war zylinderförmig und stark behaart; starr
-wie Igelstacheln standen die Haare empor, das Merkwürdigste aber waren
-die sechs dünnen Beine, die das seltsame Geschöpf an den Leib gezogen
-hielt.
-
-Mietje faßte ein Grauen vor diesen Ungeheuern und sie riß ein brennendes
-Scheit aus dem Feuer, um sie abwehren zu können, wenn sie sich ihr
-nähern sollten.
-
-Sie sollte auch alsbald in die Lage kommen, sich gegen einen Angriff zu
-verteidigen; denn einer der Vögel flog geradewegs auf sie zu.
-
-Mit dem brennenden Ende des Prügels schlug sie aus allen Kräften auf den
-widerlichen Kopf. Dieser schien keinen Schädel zu besitzen, sondern aus
-weicher Masse zu bestehen, denn der Schlag erschütterte die Waffe nicht
-und erzeugte auch keinen weiteren Ton als ein dumpfes Aufklatschen. Aber
-betäubt sank der Vogel zu Boden und als Mietje ihr Scheit auf seinen
-Kopf preßte, wurde derselbe alsbald zu einer formlosen Masse
-zerquetscht.
-
-Jetzt erschien Münchhausen auf der Bildfläche. Es war eigentlich noch
-nicht ganz an der Zeit, daß er zur Ablösung kam; doch hatte er in
-Erwartung der Entdeckungen, die er als Erster zu machen hoffte, nur
-unruhig geschlafen und war frühzeitig erwacht.
-
-»Was haben Sie denn da für ein Scheusal erlegt, Sie kriegerische
-Heldin?« fragte, er erstaunt den zuckenden Leib am Boden betrachtend.
-»Fürwahr! da flattert ja noch so eines daher. Ha! das hat es auf meine
-Nase abgesehen. Nein, mein Freund, die leuchtet nicht für dich!« und
-gleichzeitig schmetterte er das zudringliche Ungetüm mit dem
-Flintenkolben zu Boden.
-
-Der dritte Vogel war inzwischen wieder verschwunden.
-
-Kopfschüttelnd untersuchte der Kapitän die erlegten Geschöpfe.
-
-»Eine Art Schmetterlingsflügel,« sagte er, »zwei Fühlhörner, ein Rüssel,
-sechs hornumpanzerte Beine und im ganzen Leibe kein Knochen, -- alles
-Brei! Lady Flitmore, das sind Nachtfalter; Sie lachen mich aus, aber mit
-vollstem Unrecht. Ich glaube ja selber nicht, was ich sage, aber es ist
-dennoch so und nicht anders. Motten sind diese Scheusale, ungeheure
-Schwärmer! Sie sehen wahrhaft erschrecklich aus und es war mir
-keineswegs behaglich zumut, als dieser zweigehörnte Vogel mir nach der
-Nase trachtete; aber ich glaube nicht, daß diese Nachtvögel imstande
-sind, unsereinem das Geringste anzuhaben. Sehen Sie, sie sind von
-Butter; ein schwacher Druck genügt, ihren Leib zu einer unförmlichen
-Masse zu zerquetschen.«
-
-Das war allerdings offensichtlich und Mietje war geneigt, sich ihrer
-Furcht zu schämen; aber das Unbekannte erregt stets ein gewisses Grauen,
-und der Kapitän selber hatte sich ja von den Riesenfaltern einen nicht
-geringen Schrecken einjagen lassen.
-
-»Sehen Sie,« erklärte er, »das ist ganz menschlich; das Niegesehene
-erschreckt zunächst jeden; denn wer kann wissen, was einem von ihm
-droht. Das, was man daheim schon kannte, heimelt einen an; was aber der
-Heimat fremd ist, erscheint unheimlich. So zeigt uns schon die
-Entwicklung des Sprachgebrauchs, daß wir einem allgemein und uralt
-menschlichen Gefühl erlagen, dessen wir uns nicht zu schämen brauchen,
-wenn wir nachträglich erkannten, daß der unheimliche Spuck im Grunde
-recht harmlos war und daß wir einen Heldenkampf auf Leben und Tod mit
-wehrlosen Nachtfaltern geführt haben.
-
-Aber nun begeben Sie sich zur Ruhe auf diesen Schrecken hin, meine Wache
-beginnt.«
-
-»Fällt mir nicht ein, mich jetzt zu legen,« lachte Mietje. »Ich leiste
-Ihnen Gesellschaft; ich bin begierig, den ersten Morgen auf diesem
-Planeten tagen zu sehen.«
-
-»Um so angenehmer für mich,« meinte Münchhausen; »aber wollen wir uns
-nicht setzen?« und damit ließ er sich auf seine Fettpolster plumpsen.
-
-
-
-
- 25. Eine seltsame Welt.
-
-
-Der Tag begann zu grauen. Rosige Wölkchen schwebten über dem Horizont
-und bald darauf leuchteten die fernen Berggipfel auf, vom flüssigen Gold
-der ersten Sonnenstrahlen umrandet.
-
-Münchhausen und Mietje schauten umher.
-
-Welch eine sonderbare Landschaft! Berg und Tal, Hügel und Ebenen,
-Wasserfälle und Bäche, -- nun, das mutete nicht besonders fremdartig an,
-obgleich ein kleiner Wasserfall, der im nahen Hintergrund über einen
-niedern Felsblock herabschäumte, bereits ein Rätsel aufgab.
-
-Das Wasser spritzte nämlich so hoch auf und dichte Schaumflocken
-schwammen gleichsam in der Luft, daß man dieses Schauspiel wohl
-begriffen hätte, wenn sich das Wasser aus hundert Meter Höhe
-herabgestürzt hätte, nicht aber, wo es sich um höchstens drei oder vier
-Meter handeln konnte.
-
-»Nanu!« sagte Münchhausen verblüfft: »Dieser Zwerg von einem Wasserfall
-gebärdet sich ja wahrhaftig, als wollte er mit dem Niagara oder
-Mosi-oa-tunia, den Viktoriafällen des Sambesi in unlautern Wettbewerb
-treten.«
-
-Weit befremdlicher aber noch erschien die Pflanzenwelt: was bei Nacht
-als mannshohes Schilf erschienen war, erwies sich nun bei Tageshelle als
-Gras. Da ragten grüne Büschel von zwei Meter Höhe, darüber wiegten sich
-Halme mit mächtigen Samenrispen; die Gräser waren mehr als handbreit,
-die Halme mehr als daumendick und der Hochwald dahinter schien aus
-krautartigen Gewächsen zu bestehen mit ungeheuren saftigen Stengeln und
-Blättern, deren geringste die Bananenblätter weit an Größe übertrafen.
-Dazwischen schossen Blumen empor, die sich wie Sonnenschirme
-ausbreiteten oder wie Kirchenglocken herabhingen.
-
-Nirgends aber war ein Gewächs zu sehen, das einem Baume glich; die
-höchsten Waldriesen, die bis zu sechzig Meter emporstreben mochten,
-waren knotige Rohre von oft mehreren Metern im Umfang, mit Wedeln und
-Kolben gekrönt, oder Schachtelhalme und Farnkräuter mit gigantischen
-Fiederblättern.
-
-Aber schön und überwältigend großartig erschienen diese Büsche von Gras
-und diese Wälder von Kraut mit ihrer farbenleuchtenden Blütenpracht.
-
-»Wir müssen die Schläfer wecken!« mahnte die Lady, nachdem sie von ihrer
-ersten staunenden Bewunderung zu sich zurückkam.
-
-»Ich hätte weit lieber zunächst eine Entdeckungsreise auf eigene Faust
-gemacht,« brummte Münchhausen; »aber erstens wäre dies ein
-heimtückischer Verrat an den Genossen, und zweitens, was das
-Ausschlaggebende ist, ohne ein ordentliches Frühstück im Leibe bin ich
-zu einer weltberühmten Forschungsexpedition leiblich unfähig.«
-
-So weckten sie denn die ganze Gesellschaft, die bald, sich die Augen
-reibend, vor den Zelten erschien.
-
-»Hurrah!« rief Schultze, als er sich umsah: »Das ist wieder etwas ganz
-Neues, ganz Überirdisches, diese wogenden Fluren, diese fabelhaften
-Wälder! Da müssen wir vor allem andern einen Spaziergang hinein machen.«
-
-»Nichts da!« protestierte der Kapitän: »Alles in der Ordnung! Zuerst ein
-kräftiges Frühstück, dann bin ich zu allem bereit.«
-
-»Sie haben recht,« stimmte Flitmore bei: »Es ist besser, wir erledigen
-zunächst die leiblichen Bedürfnisse; dann können wir den Tag, der ja
-kurz genug ist, ununterbrochen ausnützen. Das erste Bedürfnis wird
-übrigens eine erfrischende Waschung sein; dort plätschert ja ein
-prächtiges Bächlein ganz in unsrer Nähe.«
-
-Das leuchtete allen ein und sie eilten dem nahen Bache zu, um Gesicht
-und Oberkörper und Glieder darin abzuspülen.
-
-»Nein, wie merkwürdig weich doch dieses Wasser ist, beinahe wie Öl,«
-bemerkte Mietje zuerst.
-
-»Es ist wahr, es scheint viel flüssiger zu sein als irdisches Wasser,«
-bestätigte Heinz: »Es fließt einem durch die Finger wie Nebel und rinnt
-wie Spinnenfaden so dünn an der Haut hinab.«
-
-»Und es bildet gar keine rechten Tropfen,« fügte Schultze hinzu, »nur so
-feine Sprühstäubchen, wie der Sprühregen im Nebel.«
-
-John rannte die paar Schritte zum Lagerplatz zurück, ergriff ein dünnes
-Holzscheit, mit dem er wieder angesprungen kam und das er klatschend in
-den Bach warf.
-
-Wie ein Springbrunnen spritzte das Wasser in feinverteiltem Staub wohl
-drei Meter hoch empor. Alle staunten sprachlos dies neue Wunder an.
-Rieger aber rief:
-
-»Das ist ja gar kein Wasser!« und er wies auf das Holzstück, das wie ein
-Stück Blei auf den Grund des Baches gesunken war, wo es liegen blieb.
-
-»Da hört sich aber doch endgültig alle Wissenschaft auf!« rief Schultze:
-»Das ist frisches, klares Wasser, aber von einer Leichtigkeit, daß es
-auf unsern schwerfälligen irdischen Gewässern wie Öl oder Spiritus
-schwimmen würde; es scheint entsprechend flüchtig zu sein und sehr rasch
-zu verdunsten; das spüre ich schon an dem starken Prickeln, wenn es auf
-der Haut trocknet. Lady Flitmore, auf dem Saturn würde Ihre größte
-Wäsche in der halben Zeit trocknen, als auf unsrer mangelhaften Erde!«
-
-Zu Münchhausens Beruhigung schritt man jetzt zur Bereitung des
-Frühstücks.
-
-Es war überraschend, wie schnell das Wasser zum Sieden kam. Der
-Professor prüfte seine Wärme mit einem Thermometer: »Dachte ich's doch!«
-rief er aus: »Bloß 52 Grad! Das Saturnwasser kocht also schon bei dieser
-geringen Temperatur.«
-
-Hierauf machte er sich an die Untersuchung des Grund und Bodens und
-löste das Gestein mit einem Pickel, den John aus der Sannah
-herbeischaffen mußte. Die Steinbrocken, die aus dem Boden gehauen
-wurden, erinnerten in ihrem Bau an Knochen: sie waren voller
-Hohlräume, schwammig, in Zellen eingeteilt, mit dünnen, doch sehr
-widerstandsfähigen Wandungen. Die mehr oder minder großen Kammern waren
-mit Luft oder Gasen gefüllt, während sich überall durch die größeren
-zusammenhängenden Felsmassen Wasseradern zogen.
-
-Ein Versuch ergab, daß die Mehrzahl der Steine auf dem Wasser des Baches
-schwamm, obgleich das Wasser selber schon so leicht war.
-
-In der Folge fanden sich auch völlig dichte Gesteinsmassen, die im
-Wasser untersanken, aber immer noch fabelhaft leicht erschienen.
-
-»Nun ist das Rätsel der geringen Dichtigkeit dieses Planeten gelöst,«
-sagte Flitmore: »Die Dichtigkeit, oder was auf das gleiche herauskommt,
-das spezifische Gewicht des Saturn beträgt 1/8 von dem der Erde, ¾ des
-Wassers, nämlich des irdischen Wassers.
-
-Man vermutete daher, er müsse sich in glutflüssigem Zustand befinden,
-wodurch freilich so äußerst geringe Dichtigkeit nicht recht begreiflich
-wird. Deshalb stellte ja auch unser Kapitän die Theorie auf, der Stoff
-der Saturnmasse möchte heißer Grog sein.«
-
-»Schade, daß dies nicht zutrifft!« meinte Münchhausen lachend.
-
-»Nun, an Grog soll es Ihnen sobald nicht fehlen,« tröstete der Lord.
-»Wir haben nun hier einen festen, widerstandsfähigen Grund entdeckt,
-durchaus nicht so weich und elastisch wie die viel dichtere Marserde,
-und doch von solcher Leichtigkeit, daß diese alles erklärt. Das Wasser
-hat ein entsprechend geringeres Gewicht als auf Erden, und so scheint
-auch die Pflanzenwelt aus leichtem Stoff gebaut, der nicht durch seine
-starre Masse, sondern durch seine elastische Biegsamkeit und die
-Zähigkeit der Fasern den Stürmen trotzt.«
-
-»Gewiß ist auch die Tierwelt diesen Verhältnissen angepaßt,« vermutete
-Schultze. »Brechen wir auf! Ich brenne vor Begier, eine Entdeckungsreise
-zu unternehmen.«
-
-Als unsere Freunde kurz darauf den Graswald und hinter diesem den
-Hochwald der Riesenkräuter betraten, fanden sie des Professors Vermutung
-voll bestätigt: nirgends begegnete ihnen ein Wirbeltier, das einen
-festen Knochenbau aufgewiesen hätte; nur Insekten, Kerbtiere und
-Weichtiere waren zu schauen.
-
-Aber welch entsetzliche Ungeheuer waren dies!
-
-Obwohl sie in Einzelheiten ihres Baues und ihrer Formen wesentlich von
-allen irdischen Arten abwichen, zeigten sie doch im allgemeinen eine in
-die Augen springende Ähnlichkeit mit solchen, und nach dieser wurden sie
-denn auch bezeichnet.
-
-Münchhausen erklärte gleich anfangs, man könne dies Geziefer nicht
-anders unter einem Sammelnamen begreifen, als unter dem Namen »Drachen«;
-denn als solche müßten sie bei ihrer unnatürlichen Größe und ihrem
-entsetzenerregenden Anblick gelten.
-
-Da fanden sich denn Schneckendrachen und Raupendrachen und solche, die
-durch Füße am Vorderleib mit Käferlarven Ähnlichkeit hatten, lauter
-dicke, plumpe und doch behende Geschöpfe in der Größe von Wieseln,
-Katzen und Schafen. Dieser Größenvergleich konnte jedoch bei den beiden
-letzteren nur für die Höhe gelten; die Länge betrug das Doppelte und
-Dreifache.
-
-Weit grauenhaftere Kriechtiere waren die Asseln und Tausendfüßler mit
-ihren unzähligen Gliedern, wie Krokodile so groß krochen und wanden sie
-sich daher und wenn sie sich mit halbem Leibe emporhoben, schwebten ihre
-gräulichen Häupter und zappelnden Beine so bedrohlich über den Köpfen
-der Wanderer, daß diese durch wohlgezielte Kugeln sich der Ungeheuer
-erwehren mußten.
-
-Ameisen- und Wanzendrachen, unheimliche Spinnen, über mannshoch,
-erschienen noch gefährlicher; die wahren Riesen der Tierwelt des Saturns
-aber waren die gepanzerten Käfer, die wie Flußpferde, Elefanten und
-Nashörner daherstapften und mit ihren Zangen nach den fremden
-Eindringlingen griffen.
-
-Man mußte stets auf der Hut sein; denn diese Tiere kletterten an den
-mächtigen Stauden umher, die sich oft unter ihrer wenn auch noch so
-leichten Last beugten; doch Lord Flitmores fleißigen Momentaufnahmen
-entgingen sie nicht.
-
-Eine Art Hirschkäfer faßte einmal unversehens den Kapitän mit seinen
-fürchterlichen Kiefern mitten um den Leib. Der Lord war so eifrig beim
-Photographieren, daß er rasch auch dieses großartige Bild aufnahm, ehe
-er dem Bedrohten zu Hilfe kam. Heinz Friedung hatte inzwischen durch
-mehrere Schüsse dem Scheusal den Garaus gemacht; aber die Zangen des
-toten Tieres mußten erst förmlich abgesäbelt werden, ehe Münchhausen
-wieder befreit aufatmen konnte und seinen Humor wiedergewann.
-
-»Natürlich, gleich den fettesten Bissen mußte sich dieser Schlecker
-heraussuchen,« scherzte er, während ihm noch der Angstschweiß auf der
-Stirne perlte.
-
-Besonders in acht nehmen mußte man sich auch vor den Heuschrecken und
-Grashüpfern, die wie Känguruhs umherschnellten.
-
-Auch eine Art riesiger Ohrwürmer machte sich unangenehm.
-
-In den Lüften summten Mücken, Rüsselfliegen und Bremsen mit
-durchsichtigen Flügeln in Spatzen- bis Taubengröße. Weit gewaltiger
-waren die Wespen und Hummeln, die geflügelten Ameisen und die
-stahlglänzenden Libellenarten. Die Riesen der Vogelwelt aber, wenn hier
-von Vögeln geredet werden durfte, waren die Schmetterlinge, die ganz
-entzückende Färbungen aufwiesen.
-
-Jetzt aber kroch ein plattleibiges Ungetüm heran mit langen Armen, an
-deren Ende sich zwei gewaltige Zangen aufsperrten, gleichzeitig schwang
-es den hoch über seinen Rücken gebogenen vielgliedrigen Schwanz gegen
-Lady Flitmore. Am Ende dieses Schwanzes befand sich ein scharfer
-Stachel, der über der Spitze stark verdickt war, offenbar eine Giftdrüse
-enthaltend.
-
-»Ein Skorpiondrache!« schrie Münchhausen und legte sein Gewehr an.
-
-Doch wäre er zu spät gekommen, wenn nicht Mietje selber mit großer
-Kaltblütigkeit dem Angreifer eine Kugel direkt in die geblähte Giftdrüse
-gesandt hätte, so daß diese platzte, einen gelblichen Saft entleerend,
-und der Stachel schlaff herabfiel.
-
-Mit der einen Zange jedoch packte der Skorpion den Arm der jungen Frau.
-
-Jetzt kam John zu Hilfe: er war mit einer Axt bewaffnet, um, wo es not
-tat, die Wege zu bahnen. Mit einem wohlgezielten Hieb trennte er das
-Zangenglied vom Leibe des Riesenskorpions, der nun von weiteren
-Angriffen abstand.
-
-Mit großer Anstrengung gelang es dann dem Lord, die krampfhaft
-geschlossene Zange aufzubrechen und den Arm seiner Gattin aus der Klemme
-zu befreien. Aber eine schmerzhafte Quetschung trug die mutige Dame als
-Andenken von dieser Begegnung davon.
-
-Die meisten Waldriesen hatten weiche, biegsame, saftige, doch zähe,
-elastische Stämme von enormem Umfang, es waren einfach gigantische
-Kräuter.
-
-Es fanden sich aber auch Stauden, Büsche und Gesträuche mit rohrartigen
-Zweigen oder von äußerst leichtem Mark erfüllten Stengeln, und
-schließlich Riesenfarne und Schachtelhalme. Wirkliches Holz jedoch war
-nirgends vorhanden: alles entsprach in seiner leichten, losen Struktur
-der geringen Dichte des Planeten.
-
-Dementsprechend waren die köstlichen, saftigen Riesenfrüchte fast
-durchweg Beeren- und Schotenfrüchte, teils mit Steinen, gleich den
-Schlehen und Wacholderbeeren, teils den Himbeeren, Brombeeren und
-Maulbeeren ähnlich oder auch den Stachelbeeren; viele hingen in saftigen
-Trauben herab oder in Büscheln als enorme Bananen und Bohnen; endlich
-fanden sich noch haselnußartige Stauden mit hartschaligen,
-kokosnußgroßen Nüssen.
-
- [Illustration: Eine Nacht auf dem Saturn.]
-
-Selbstverständlich wurden all diesen Herrlichkeiten die Namen nur
-vergleichsweise gegeben nach den irdischen Gewächsen, mit denen sie eine
-besondere Ähnlichkeit aufwiesen; in Wirklichkeit unterschieden sie sich
-nicht nur in der Größe, sondern auch in Form und Geschmack wesentlich
-von allen Beeren der Erde, aber durchaus nicht zu ihrem Nachteil. Den
-ersten Preis in Bezug auf Aroma und Güte erhielt nach einstimmigem
-Urteil eine Art Kaktusfeige ohne Stacheln.
-
-Die beiden Schimpansen ließen sich's wohl sein und kletterten überall
-empor, wo eine Frucht lockte. Sie waren von Flitmore dazu dressiert, auf
-Kommando ihre Beute herabzuwerfen, und das kam nun allen zu statten;
-denn die meisten Früchte hingen so hoch, daß sie vom Boden aus nicht zu
-erreichen waren, und für gewichtige Menschen war das Erklettern der
-schwankenden, biegsamen und dabei meist sehr umfangreichen Stengel und
-Rohre mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft.
-
-Auch auf Kämpfe mit den verschiedenen Ungetümen des Urwalds ließen sich
-die Affen ein, wobei sie manchen Heuschrecken- und Raupendrachen
-erwürgten und Riesenspinnen und Tausendfüßler zerrissen oder totbissen.
-Im Handgemenge mit den gepanzerten Käfern aber zogen sie meist den
-Kürzeren und trugen allerlei Wunden davon; doch wurden sie jedesmal
-durch die Kugeln der Herren oder durch Johns Axt vor dem Erliegen
-gerettet.
-
-
-
-
- 26. Ein Kampf um die Sannah.
-
-
-Der Genuß der aromatischen Beeren, die übrigens mit den leuchtenden
-Früchten der Tipekitanga nicht wetteifern konnten, wurde durch die
-zahlreichen widerlichen und recht gefährlichen Geschöpfe beeinträchtigt,
-die den sonderbaren Wald bevölkerten.
-
-Aber noch etwas andres zwang unsre Freunde zu schleunigster Umkehr.
-
-Das war ein wütender Orkan, der sich ganz unvermittelt erhob und unter
-dessen Gewalt sich die Krautbäume und Stauden bis zu Boden neigten und
-so das Weiterkommen beinahe unmöglich machten, ja die Wandrer in Gefahr
-brachten, niedergeschmettert und erdrückt zu werden.
-
-Das Getier flüchtete sich zum Teil in Erdlöcher, die zahlreich vorhanden
-waren und der Tätigkeit der Rieseninsekten selber zuzuschreiben sein
-mochten, zum Teil rettete es sich auf die Wipfel, in denen es sich
-festkrallte, während der Sturm über sie wegsauste, daß alles wogte, wie
-ein Meer.
-
-Der Rückzug war schwierig und nicht ungefährlich, und obgleich man gar
-nicht weit in den Wald eingedrungen war, dauerte es doch lange, bis man
-ihm wieder entrann; denn mit größter Vorsicht und unter vielen Umwegen
-mußte denjenigen Pflanzen ausgewichen werden, die sich so tief neigten,
-daß sie buchstäblich den Boden peitschten.
-
-So furchtbar der Sturm wütete, so knickten doch nur ganz wenige Stengel
-ein, so elastisch paßte sich diese zyklopische Pflanzenwelt den
-Verhältnissen an.
-
-Endlich war der Saum des Graswäldchens erreicht, und aufatmend traten
-unsere Freunde auf die kleine Lichtung hinaus, auf welcher die Sannah
-vor ihren Blicken emporragte.
-
-Sie gedachten, sofort im Innern des Fahrzeugs Schutz vor dem Orkane zu
-suchen, der jetzt einen feinen, alle Kleider durchdringenden Sprühregen
-niederwehte. Dieser Sprühregen, so fein verteilt er war, erfüllte doch
-die Luft mit einem undurchdringlichen Nebel, so daß es noch vor
-Sonnenuntergang ziemlich düster wurde und man den Eingang ins
-Nordpolzimmer zu halber Höhe der Sannah, also 22½ Meter hoch, nicht mehr
-erblicken konnte.
-
-Der Schimpanse Bobs, als der gelenkigste und zugleich naseweiseste und
-rücksichtsloseste der ganzen Gesellschaft, turnte als erster an der
-Strickleiter empor und war schon im Nebel verschwunden, ehe die andern
-noch zur Stelle waren.
-
-Bald vernahm man aus den verschleierten Höhen ein wütendes Gekreisch.
-
-»Hollah! Dort oben scheint nicht alles in Ordnung zu sein,« rief
-Flitmore: »Es war auch ein unverantwortlicher Leichtsinn von mir, unsre
-Sannah ohne männlichen Schutz in der Einsamkeit eines fremden Planeten
-zurückzulassen.«
-
-Gleich darauf kollerte ein großer, doch offenbar nicht besonders
-schwerer Körper an der Strickleiter herab.
-
-»Aha! Da hat sich scheint's ein solch scheußlicher Saturnkäfer dort oben
-unnütz gemacht,« sagte der Kapitän: »Nun, Bobs hat ihm das Unverschämte
-seines Verhaltens gründlich klar gemacht und ihm den Kopf abgerissen,
-daß er nur noch lose mit dem widerlichen Leibe zusammenhängt.«
-
-»Nennen Sie diese Geschöpfe nicht scheußlich und widerlich,« schalt der
-Professor: »Sie sind hochinteressant!« und er betrachtete liebevoll mit
-wissenschaftlichen Augen den Mistkäfer, der zu seinen Füßen lag; denn
-einem solchen war das Tier von der Größe eines Kalbes am ehesten
-vergleichbar.
-
-Das Gekreisch des Affen hörte inzwischen nicht auf, und bald sah man
-Bobs mit kläglicher Miene und blutenden Armen in eiliger Flucht sich an
-der Strickleiter herabschwingen.
-
-»Oho! Da haben Sie's, Professor!« rief Münchhausen: »Von Ihren
-hochinteressanten Tieren haben sich scheint's noch mehrere in der Sannah
-eingenistet! Ich schlage vor, daß Sie sich sofort hinaufbegeben, da Sie
-den Geschöpfen so zärtliche Gefühle entgegenbringen. Da können Sie
-Studien machen, ganz ungestört; denn wir werden Ihnen erst folgen, wenn
-Sie damit zu Ende sind und die Einbrecher als unschädliche Präparate
-Ihrer Käfersammlung einverleibt haben.«
-
-Schultze machte ein langes Gesicht. Ne! Da traute er sich nicht hinauf,
-obgleich er nichts sehen konnte als Nebel, da er emporschaute. Aber wenn
-Bobs sich in die Flucht schlagen ließ, dann war die Sache nicht geheuer.
-
-»Richten wir die Zelte wieder auf, der Sturm läßt nach!« sagte Flitmore
-trocken. Der Orkan hatte sämtliche Zelte umgerissen.
-
-»Das heißt, wir sollen die Sannah zunächst ihrem Schicksal überlassen?«
-frug Heinz.
-
-»Es hat keinen Zweck, sich in diesem Nebel bei sinkender Nacht in eine
-unbekannte Gefahr einzulassen und den Kampf mit wütenden Ungeheuern
-aufzunehmen,« erwiderte der Lord achselzuckend.
-
-»Aber gegen diesen Sprühregen schützen keine Zeltwände noch Decken,« gab
-der Kapitän zu bedenken: »Wir sind schon bis auf die Haut durchnäßt und
-Lady Flitmore könnte sich bei dieser Gelegenheit eine gefährliche
-Bronchitis zuziehen.«
-
-»Wissen Sie denn überhaupt, ob es auf dem Saturn Krankheitsbazillen,
-speziell Schnupfenbazillen gibt?« warf Schultze ein.
-
-»Pah! Erkälten kann man sich überall«, behauptete Münchhausen, »und
-davor schützt einen ein trockenes Lager, nicht aber eine gelehrte
-Bazillentheorie. Ich meinesteils, als alter Seebär, kann Nässe und kalte
-Luft vertragen. Mir ist es nur um Sie und namentlich die zarte Lady.«
-
-»Zarte Lady!« lachte Mietje: »Haben Sie mich in Afrika als Wachspuppe
-kennen gelernt, daß Sie mich meinen in Watte wickeln zu müssen?«
-
-»Das nicht, aber damals waren Sie ein Burenmädchen, jetzt sind Sie eine
-englische Schloßherrin.«
-
-»Doch nicht verweichlichter als damals: mein Burenblut konnte England
-mir nicht rauben.«
-
-»Dieses Zeugnis kann ich meiner Gattin ausstellen,« bestätigte Flitmore:
-»Sorgen Sie sich nicht um sie.«
-
-»Allein,« beharrte Münchhausen, dem auch das nasse Lager trotz seiner
-Seebärennatur, mit der er sich brüstete, höchst unsympathisch erschien:
-»Allein, da der Professor doch einmal die Bazillenfrage aufwarf, wer
-kann wissen, ob der Saturn nicht viel gefährlichere Bazillen beherbergt
-als die Erde? Vielleicht auch ganz riesige!«
-
-»Beruhigen Sie sich,« sagte Heinz plötzlich, »ich werde das Abenteuer
-wagen und hoffe das Ungeziefer dort oben auszurotten.«
-
-»Seien Sie nicht tollkühn, junger Mann,« warnte der Lord: »Es hat keinen
-Zweck. Warten wir bis morgen, bis wir die Sachlage übersehen können;
-auch ist zu erwarten, daß die Käfer dann freiwillig den Rückzug
-antreten, schon um nach Nahrung zu suchen; denn im Nordpolzimmer finden
-sie nichts, und die Zwischentüren zu öffnen wird ihnen doch nicht
-gelingen.«
-
-»Ja, lassen Sie's bleiben, junger Freund,« mahnte nun auch Schultze:
-»Bobs wäre nicht geflohen, wenn die Übermacht nicht zu groß wäre.«
-
-»Ich habe meinen Plan, bei dem ich nichts riskiere,« entgegnete Heinz.
-»Tollkühnheit ist mir fremd; sehe ich, daß Gefahr für mich besteht, so
-kehre ich um.«
-
-»Na, na!« drohte Münchhausen: »In Australien haben Sie mehr als einmal
-gezeigt, daß Sie keine Todesgefahr scheuen: ich traue Ihrer Vorsicht
-nicht so ganz.«
-
-»Lassen Sie mich nur machen,« rief Heinz von der Strickleiter herab, an
-der er bereits gewandt wie eine Katze emporklomm, um weitere
-Erörterungen abzuschneiden.
-
-Ihm folgte der Schimpanse Dick, der eine besondere Freundschaft mit dem
-jungen Mann geschlossen hatte, welcher sich stets gerne und fürsorglich
-mit dem Affen abgab.
-
-Aber auch John kletterte empor, indem er Heinz nachrief: »Ich gestatte
-mir mit meiner Wenigkeit auch unbedingt Ihre Nachfolge anzutreten, indem
-daß wir zu dritt berechnungsweise mehr auszurichten imstande sein
-dürften, als wenn Sie mit Dick allein eine Schlacht inokulieren
-wollten.« Das sollte nämlich »inaugurieren« heißen, was John als einen
-vornehmeren Ausdruck für das schlichte deutsche Wort »beginnen« erkannt
-hatte.
-
-Heinz erreichte die schwarz gähnende Öffnung des Nordpolzimmers. Es war
-völlig Nacht geworden und man konnte nichts im Innern des Raumes
-erkennen, wohl aber hörte man ein Durcheinanderkrabbeln, Knarren und
-Zirpen, das bekundete, daß da drinnen eine ganze Anzahl ungebetener
-Gäste sich eingenistet hatte und es nicht geraten gewesen wäre, sich in
-Nacht und Finsternis in ihre Nähe zu wagen.
-
-Dies hatte er auch vorerst nicht im Sinn; vielmehr ergriff er nun eine
-der Rampen, die das Weltschiff gleich Meridianen in seinem ganzen Umfang
-umgaben und sich in seinen Scheitelpunkten kreuzten.
-
-Das Emporsteigen an der Rampe auf der glatten, gewölbten Oberfläche der
-Kugel war für einen Menschen nicht ungefährlich; allein die Dunkelheit,
-die jedes Gefühl des Schwindels ausschloß, begünstigte das Wagnis und
-Heinz war ein gewandter Turner. Auch John Rieger fand keine
-unüberwindliche Schwierigkeit in der Kletterei, Dick, der Affe, vollends
-nicht: dem war es ein Spaß.
-
-So langten denn alle drei wohlbehalten oben an, wo sie in einer Höhe von
-45 Metern über dem Saturnboden auf dem höchsten Punkte der Sannah
-standen, also über deren Zenithzimmer.
-
-Tastend fand Heinz den elektrischen Drücker zu seinen Füßen, der die
-Öffnung der Luke von außen ermöglichte und nun stiegen sie auf der hier
-mündenden Leitertreppe in den dunkeln Raum hinab, die Lucke hinter sich
-wieder schließend.
-
-Zunächst drehte Heinz das elektrische Licht auf und sagte zu John: »Vor
-allem nehmen wir jeder einen der Gummistühle mit, das sollen treffliche
-Schutzschilde gegen die Zangen und Kiefer der Unholde sein.«
-
-»Aber dann dürfte mit Verlaub das Schießen darunter notleidend werden,«
-gab der Diener zu bedenken. »Insofern zum wenigsten ich meinesteils das
-Schießen mit einem einzigen gebrauchsfähigen Arm fertigzubringen der
-unumgänglichen Fähigkeit entbehre.«
-
-»Wir schießen auch nur im äußersten Notfall, Freund. Es ist so eine
-Sache, mit einem weittragenden Gewehr in einem geschlossenen Raum zu
-schießen; wenn auch die Kugeln angesichts der dicken Kautschukpolster an
-den Wänden nicht zurückprallen dürften, so könnten wir doch
-Beschädigungen und Verwüstungen anrichten, die wir besser vermeiden.«
-
-»Aber da wären doch sozusagen Revolver im Waffenschrank, der sich dahier
-befindet.«
-
-»Ausgezeichnet! Mit denen können wir das Schießen eher wagen. Stecken
-wir uns jeder solch ein Ding in den Gürtel; aber zuvor laden! Und jetzt,
-unsre Hauptwaffe muß ein Hirschfänger sein; den nehmen wir in die rechte
-Hand.«
-
-»Ich würde mit Ihrer gütigsten Gestattung, sofern Sie nichts
-Wesentliches dagegen einzuwenden haben sollten, das Dolchmesser lieber
-auch in den Gürtel zu stecken vorziehen und diese Tomashacke, das
-indianische Beil, zur Hand nehmen, da allerlei praktische
-Waffengerätschaften aus aller Herren Ländern in diesem Kasten sich in
-Vereinigung befinden, indem daß ich mit dem Beilhieb besser umzugehen
-vermag als mit dem Dolchstoß.«
-
-»Wie du willst, John, und den Revolver gebrauchen wir nur im Notfall;
-mit dem wirst du wohl einhändig schießen können?«
-
-»Dieses zu bejahen werde ich mir wohl schmeicheln dürfen, indem daß ich
-andernfalls mich als einen ganz besonderen Tollpatsch ausweisen würde.«
-
-»Also! Jetzt in den Gang nach dem Nordpolzimmer! Ich gehe voran, Dick
-folgt mir und du schließt die Türe, nachdem du das Licht ausgedreht
-hast; inzwischen erleuchte ich den Korridor. Wenn wir in das
-Nordpolzimmer kommen, mache ich zuerst Licht dort: das wird die Biester
-zunächst so blenden und verblüffen, daß sie uns nicht gleich angreifen
-werden.«
-
-Ehe Heinz die Türe öffnete, die vom Gang in das Nordpolzimmer führte,
-löschte er das elektrische Licht im ersteren, so daß alles dunkel war,
-als er den Raum betrat. Dies tat er vorsichtig, sich hinter dem
-Gummisessel deckend und daran hatte er gut getan; denn hart an der Türe
-stand ein Tier, das er erst fortdrängen mußte. Hiezu galt es alle Kraft
-einsetzen, denn der Sechsfüßler sperrte sich gewaltig.
-
-Jetzt drehte der junge Held das elektrische Licht auf und zwar alle
-Lampen rasch nacheinander, so daß blendende Helligkeit den Raum
-überflutete.
-
-Rasch übersah er die Sachlage. Ein Dutzend Panzerkäfer von der Größe
-halbwüchsiger Kälber hatte sich in der Stube eingenistet; außer ihnen
-befanden sich aber auch vier mächtige Asseln im Zimmer, die Heinz wegen
-ihrer Gelenkigkeit und Behendigkeit mehr Sorge machten als die Käfer mit
-ihren Zangen und Kiefern.
-
-Dick gab das Zeichen zum Angriff: beherzt sprang er hervor und setzte
-auf den Rücken einer Assel die sich unter seinen würgenden Griffen und
-reißenden Nägeln und beißenden Zähnen krümmte und wand, ohne ihm jedoch
-beikommen zu können: der Schimpanse machte ihr rasch den Garaus.
-
-Die Käfer standen, wie Heinz richtig vermutet hatte, zunächst geblendet
-und regten sich nicht. Wie abwehrend stemmten sie die Vorderbeine und
-sperrten die Kiefer auf.
-
-»Jetzt drauf!« kommandierte der junge Mann und stürzte auf den nächsten
-Feind los, ihm den Hirschfänger zwischen die Halsplatten stoßend.
-
-John schwang indessen sein Tomahawk oder seine Tomashacke, wie er sich
-ausdrückte; er hatte den Schild, der ihn behinderte, weggeworfen und
-spaltete zunächst einer Assel den weichen Kopf, während Dick, der den
-Kampf mit den Asseln einem Angriff auf die panzergeschützten Käfer
-vorzuziehen schien, soeben die dritte zu zerfetzen begann.
-
-Es schien eine völlig gefahrlose Schlacht zu geben, denn schon waren
-acht der Ungeheuer kampfunfähig gemacht und ein neuntes war zur Lucke
-hinaus entwichen, ohne daß die Helden mehr als ein paar Quetschungen
-davongetragen hatten. Außerdem lagen drei Asseln tot und die vierte war
-nicht mehr zu sehen.
-
-»Nur noch drei Feinde!« jubelte Heinz: »Der Sieg ist unser!«
-
-Allein er frohlockte zu früh, gerade diese letzten Gegner sollten noch
-schwere Arbeit machen; ihre Augen hatten sich an das Licht gewöhnt und
-sie waren auf ihrer Hut.
-
-Mit dem einen befand sich Dick in verzweifeltem Kampf. Der Kerl war auf
-den Rücken gefallen, aber mit den kräftigen Zangen seiner sechs
-zappelnden Beine hielt er den Affen fest, kneipte und zwickte den laut
-kreischenden Vierhänder und schnappte mit den Kiefern nach ihm.
-Vergeblich suchte der Schimpanse, loszukommen; hätte er sich befreien
-können, er hätte nur noch an den Rückzug gedacht, wie zuvor Bobs. Er biß
-wütend um sich und zerbrach mit den Vorderhänden dem Scheusal zwei
-Beine, aber von hinten wurde er im Schraubstock festgehalten.
-
-Der zweite Käfer war zum Angriff auf Heinz übergegangen. Dieser hatte
-sich in seiner Siegesgewißheit dessen nicht versehen und alle Vorsicht
-außer acht gelassen; er hatte bisher so leichtes Spiel gehabt.
-
-Unglücklicherweise umfaßten die Kiefer des Angreifers gerade seinen
-Hals: sie waren wohl nicht imstande, ihn zu durchbeißen, wohl aber, ihn
-derart zusammenzupressen, daß der Ärmste erwürgt wurde. »John, John, zu
-Hilfe!« konnte er nur noch mit erstickter Stimme stöhnen, dann entfiel
-ihm der Hirschfänger, mit dem er seinem Gegner einen schwachen Stich
-versetzt hatte.
-
-Aber John war außerstande, Hilfe zu bringen: auch er befand sich in
-einer ekligen, wenn auch zunächst nicht lebensgefährlichen Klemme. Am
-rechten Arm gepackt, konnte er sein mörderisches Beil nicht mehr
-gebrauchen und tastete mir der Linken krampfhaft nach dem Revolver in
-seinem Gürtel.
-
-In diesem Augenblick höchster Not erschien Flitmore in der Lucke,
-gefolgt von Schultze. Die Sorge um Heinz und John hatte ihnen keine Ruhe
-gelassen. Im Emporklettern wäre es übrigens dem Lord beinahe schlimm
-ergangen, denn er stieß mit dem flüchtenden Käferriesen zusammen,
-der ihn fast zu Fall brachte; doch gelang es ihm, das Tier
-hinunterzustürzen.
-
-Ein Blick zeigte ihm nun, daß die Hauptarbeit getan war, daß aber auch
-Heinz in dringendster Lebensgefahr schwebte. Er eilte, den Mörder zu
-köpfen und dann die Zangen des abgetrennten Kopfes gewaltsam von seines
-jungen Freundes Hals zu lösen. Nun stellte er Wiederbelebungsversuche an
-dem Ohnmächtigen an.
-
-Indessen war es John gelungen, durch einige Revolverschüsse auch seinem
-Feinde das Lebenslicht auszublasen und dann mit Mühe seinen Arm aus der
-Klemme zu befreien.
-
-Der Professor war inzwischen dem Affen zu Hilfe gekommen, der
-schleunigst den unheimlichen Ort verließ, obgleich die Gefahr nun
-vorüber war.
-
-Und doch! sie war es noch nicht ganz: auf einmal erscholl ein Schrei des
-Entsetzens aus Schultzes Munde.
-
-Die vierte der Asseln, die verschwunden schien, war nur an der Wand
-hinauf gekrochen und stürzte plötzlich von der Decke herab auf den
-Professor; nicht aus böswilliger Absicht, -- sie hatte einfach den Halt
-verloren.
-
-Aber was tat dies zur Sache? Der unglückselige Gelehrte fühlte sich von
-einem dicken, ringelnden Leib umwunden, von zahllosen, kribbelnden Füßen
-umfaßt und wähnte sein letztes Stündlein gekommen.
-
-Nun aber kamen John und Flitmore gleichzeitig herbei und machten das
-letzte der Scheusale bald unschädlich, dessen zerstückelter Leib sich,
-mit den enggereihten Beinen zappelnd, am Boden krümmte.
-
-Heinz war wieder zur Besinnung gekommen und griff sich an den Hals; er
-hatte das Gefühl, als presse eine furchtbare Zange ihn immer noch
-zusammen. Da war aber nichts mehr vorhanden, nur die Nachwehen des
-Drucks hatten ihm dies vorgetäuscht. Bald atmete er auch wieder leichter
-und konnte sich allmählich erheben.
-
-Da trat Mietje mit gezücktem Dolch durch die Außentüre ein: sie fand zum
-Glück keine Arbeit mehr für ihre Waffe. Hinter ihr tauchte Münchhausen
-pustend und schweißtriefend auf, so hastig war er emporgeklettert, um
-den Freunden auch seinerseits Beistand zu leisten.
-
-»Nanu, da komme ich ja wohl zu spät,« keuchte er: »Schade, schade, daß
-sich niemand in Lebensgefahr befindet, es wäre mir ein Vergnügen und
-eine Ehre gewesen, ihn zu retten.«
-
-»Sie haben jetzt das Recht zu scherzen,« sagte der Lord, »aber unserm
-heldenmütigen Freund, Heinz Friedung, ging es diesmal buchstäblich an
-den Kragen und um ein Haar, so wäre es um ihn geschehen gewesen.«
-
-»Wahrhaftig! Sie sind ja ganz blau im Gesicht,« wandte sich der Kapitän
-mit lebhafter Teilnahme an den Geretteten, »und Ihr Hals zeigt
-Strangulationsspuren. Wir müssen Ihnen schleunigst einen Grog brauen!«
-
-Die Tierleichen wurden jetzt hinausgeworfen und möglichst alle die
-widerlichen Spuren des Kampfes entfernt; dann holte John die Zelte
-herein und auch die Affen trauten sich wieder in die Sannah und halfen
-beim Transport.
-
-Die Kämpfer aber wuschen sich und zogen sich um, worauf im Zenithzimmer,
-fern vom Schlachtfeld, das Nachtmahl eingenommen wurde.
-
-
-
-
- 27. Vom Kometen entführt.
-
-
-»Wir wollen eine andre Gegend des großen Planeten aufsuchen,« schlug
-Flitmore andern Tags vor.
-
-»Das ist ein guter Gedanke,« sagte Schultze beifällig: »Ich sehe selber
-ein, die Tierwelt hier in den Tropen ist eklig und unangenehm, so
-hochinteressant sie auch erscheint. Wohl möglich, daß andre Breiten neue
-Wunder und weniger Schrecken offenbaren.«
-
-Zunächst wurden noch reichlich Früchte, besonders Nüsse eingesammelt und
-in die Sannah verbracht, wußte man doch nicht, ob der nächste
-Landungsplatz ebenso fruchtbar sein würde.
-
-Dann wurden einige leere Behälter mit dem Wasser des Bächleins gefüllt,
-das sich als herrliches und bekömmliches Trinkwasser erwiesen hatte. In
-Eimern wurde es an einem Flaschenzug emporgewunden.
-
-Auch diese Vorsicht wurde geübt, weil man nicht voraussehen konnte, wie
-es mit den Trinkverhältnissen an anderm Orte bestellt sei.
-
-»Hoffentlich entdecken wir auch die Saturnmenschen, das heißt
-vernünftige Wesen gleich uns,« äußerte Mietje: »Ich kann mir doch nicht
-denken, daß ein so ungeheuer großer Weltkörper, der alle
-Lebensbedingungen für menschliche Wesen bietet, nicht auch von solchen
-bewohnt sein sollte!«
-
-»Wenn diese Menschen wie die Pflanzen- und Tierwelt der Dichtigkeit des
-Planeten angepaßt sind,« scherzte Münchhausen, »so müssen sie äußerst
-leichtfüßig sein, und dann besteht für uns die Gefahr, daß sie uns als
-»lästige Ausländer« ausweisen.«
-
-»Das würde wenigstens Ihnen drohen, Freund Hugo der Dicke,« meinte
-Schultze: »Der lästigste Ausländer sind zweifellos Sie und die
-Saturniten könnten es mit Recht als eine schwere Bedrohung ihres
-leichten Planeten ansehen, wenn er mit so lästigen Lasten belastet
-wird.«
-
-»Au!« rief Münchhausen: »Solche Kalauer bringt doch nur ein geborener
-Berliner fertig. Ganz der Schultze aus dem Kladderadatsch!«
-
-»Ernstlich geredet,« begann der Professor wieder, »glaube ich nicht an
-die Saturniten, da wir bisher auch nicht die Spur von Menschenwerken
-entdeckten, auch die langen Winter und Sonnenfinsternisse den Aufenthalt
-dahier nicht besonders menschlich gestalten.«
-
-»Ich neige zu Lady Flitmores Ansicht,« widersprach ihm Heinz: »Die
-Menschen könnten ja eben diesen Verhältnissen angepaßt sein, vielleicht
-sind auch die langen Winter gar nicht besonders streng. Und was die
-menschlichen Spuren anbelangt, so ist ja die Saturnwelt so ungeheuer
-groß im Vergleich zu der Erde, daß es rein nichts besagen will, daß
-einzelne Gegenden sich als unbewohnt, vielleicht von den Saturniten noch
-unerforscht erweisen.«
-
-»Es steht Ihnen natürlich frei, Ihre eigene Ansicht hierüber zu haben,«
-entgegnete Schultze: »Aber mit was wollen Sie dieselbe begründen? Eine
-unbegründete Theorie schwebt in der Luft.«
-
-»O, ich begründe sie genau wie unsre Lady. Darin sind wir ja doch alle
-einig, daß diese Wunderwelten mit ihren Pflanzen und lebenden Wesen nur
-durch den Willen eines persönlichen und vernünftigen Schöpfers
-hervorgerufen worden sein können?«
-
-»Natürlich! Darüber ist kein Wort zu verlieren,« ereiferte sich
-Schultze. »Daß unpersönliche Kräfte Persönlichkeiten hervorzauberten und
-die vernünftige Weltordnung das zufällige Erzeugnis der
-Vernunftlosigkeit ist, solchen Blödsinn zu glauben wollen wir dem
-Halbgebildeten und Denkschwachen überlassen.«
-
-»Also!« fuhr Heinz fort: »Ein persönlicher, vernünftiger Schöpfer wird
-nichts ohne Zweck und Bestimmung schaffen. Der Mars zum Beispiel war von
-menschenähnlichen Wesen bewohnt; er scheint seine Bestimmung vorerst
-erfüllt zu haben, um auszusterben, vielleicht nur, damit er in späteren
-Zeiten unter günstigeren Lebensbedingungen einem neuen Geschlecht eine
-Wohnstätte biete. Der Saturn, der fast 3000mal so groß ist wie der Mars
-und vernünftigen Wesen weit bessere Lebensbedingungen zu bieten scheint,
-kann doch unmöglich bloß als Aufenthalt der Rieseninsekten vom Schöpfer
-gedacht worden sein?«
-
-»Bravo! So meinte ich's,« spendete Mietje ihren Beifall.
-
-»Erlauben Sie mir, beiden Parteien recht zu geben,« mischte sich der
-Lord in den Streit: »Nordamerika war Jahrtausende lang sehr dünn
-bevölkert und wies ungeheure unbewohnte Länderstrecken auf, die den
-Menschen doch ausgezeichnete Lebensbedingungen boten; heute hat es eine
-sehr dichte Bevölkerung, und das war jedenfalls seine Bestimmung.
-Dieselbe Bestimmung dürfen wir für Kanada annehmen, das sich erst in
-unsern Tagen etwas mehr zu bevölkern beginnt; desgleichen weist
-Südamerika noch die herrlichsten Besiedelungsflächen auf, die zur Zeit
-völlig oder doch beinahe menschenleer sind.«
-
-»Daraus sehen wir nur,« fiel Mietje ein, »daß die Bestimmung der
-bewohnbaren Länder sich erst im Laufe der Zeiten erfüllt.«
-
-»Ganz richtig, meine Liebe! Wenn ihr also mit Recht sagt, Saturn ist für
-menschenähnliche Wesen bewohnbar und ist also offenbar für solche
-bestimmt, so könnt ihr daraus noch lange nicht folgern, daß er zur Zeit
-auch schon seine Bestimmung erfüllt, das heißt, daß jetzt solche Wesen
-auf ihm leben müssen. Er kann eine Welt sein, die für spätere
-Besiedelung vorbehalten ist. Vielleicht werden bald seine Ringe vollends
-in Trümmer gehen und auf seine Oberfläche herabstürzen, so daß einmal
-die leidigen Sonnenfinsternisse ein Ende haben. Vielleicht wird dadurch
-auch seine Umlaufszeit beschleunigt; dann hindert nichts, daß er von der
-Erde aus bevölkert wird, nachdem nun die Mittel gefunden sind, binnen
-weniger Tage ihn zu erreichen.«
-
-»Dagegen ist nichts einzuwenden,« meinte Schultze. »Aber, werter Lord,
-da wir nun zur Abfahrt bereit sind, um eine andre Gegend des Saturn zu
-besuchen, bitte ich, diesmal mir den Beobachtungsposten anzuweisen. Ich
-werde mich bemühen, den meistversprechenden Landungsplatz auszuwählen.«
-
-»Halt, halt, Professorchen!« warnte Münchhausen: »das halten Sie nicht
-aus. Ich sage Ihnen, da werden Sie zwischen Plafond und Hängematte hin-
-und hergeworfen, daß Ihnen alle Knochen mürbe werden, da Sie mit keinem
-so ausgepolsterten, federnden Leib gesegnet sind, wie ich. Sie sind eine
-Landratte und werden jämmerlich seekrank, das dürfen Sie mir glauben.«
-
-»Ach was, Landratte! Glauben Sie denn, ich könne keine schaukelnde
-Bewegung vertragen? Bin ich etwa zu Lande nach Amerika, Afrika, Asien
-und Australien gereist?«
-
-»Na! probieren Sie's; aber Sie werden noch an mich denken!«
-
-So begab sich der Professor in die Hängematte des Antipodenzimmers und
-gab das Zeichen zur Abfahrt, worauf er alsbald aus dem Netze flog und
-mit der Nase auf das Fenster zu liegen kam. Bei jedem Zeichen, das er
-gab, wechselte er seine Lage zwischen Matte und Zimmerdecke; aber
-mannhaft ertrug er das Ballspiel, das die Sannah mit seinem Körper
-aufführte, und fand die jedesmalige Veränderung der Perspektive
-hochinteressant.
-
-Aber, was war das? Plötzlich verschwand der Saturn wie ein Blitz unter
-ihm und war nirgends mehr zu sehen!
-
-Schultze rieb sich die Augen, er strengte seine ganze Sehkraft an:
-entzog ihm nur der plötzliche Einbruch der Nacht den Anblick des
-Planeten? Aber die Sannah hatte sich ja beim Aufstieg auf der
-Tagesseite, zwischen der Sonne und der Saturnbahn befunden: so lange die
-Fliehkraft eingeschaltet war, mußte der Planet dem Weltschiff stets die
-sonnbeschienene Seite zukehren, weil er sich unter ihm drehte, ohne daß
-es an seiner Rotation teilnahm.
-
-Bei ständig geschlossenem Strom hätte es immerhin einige Stunden dauern
-müssen, bis die Nacht eingetreten wäre.
-
-Das also konnte es nicht sein, und doch war weit und breit nichts zu
-sehen als der dunkle Weltraum; die Sonne leuchtete ja der Sannah auf der
-andern Seite, im Antipodenzimmer herrschte tiefste Nacht.
-
-So verblüfft war der Professor durch dieses völlig unerwartete und
-unerklärliche Ereignis, daß er lange Zeit nur seine Augen und sein
-Gehirn anstrengte, ohne weder etwas sehen zu können, noch des Rätsels
-Lösung zu finden.
-
-Endlich fiel ihm ein, daß das Vernünftigste wäre, rasch den Strom
-unterbrechen zu lassen, damit die Sannah durch die Wirkung der
-Anziehungskraft womöglich dem verschollenen Gestirn wieder nahe komme.
-
-Er gab das entsprechende Zeichen mehrmals: ganz umsonst! Ruhig blieb er
-im Netze liegen, der Schwerpunkt der Sannah blieb unverändert im
-Mittelpunkt des Fahrzeugs.
-
-Da mußte etwas nicht in Ordnung sein, vielleicht gelang es dem Lord
-nicht, die Fliehkraft abzustellen.
-
-»Was ist denn los dort unten?« fragte jetzt Flitmores Stimme durch das
-Telephon.
-
-»Ich möchte fragen, was dort oben los ist?« frug Schultze zurück: »Der
-Saturn ist verschwunden, völlig weg! Warum unterbrechen Sie den Strom
-nicht?«
-
-»Er ist unterbrochen! Ich stellte ihn ab, gleich bei Ihrem ersten
-Zeichen.«
-
-»Dann funktioniert Ihr Schaltungsapparat nicht mehr!«
-
-»Doch! Er ist völlig in Ordnung. Da muß etwas andres im Spiele sein;
-kommen Sie nur herauf.«
-
-Kopfschüttelnd stieg der Professor aus der Hängematte und begab sich,
-zuerst absteigend, dann vom Zentrum an aufsteigend, in das Zenithzimmer.
-
- [Illustration: Die Sannah im Kometenschweif.]
-
-Hier hatten die Reisenden gleich seit Beginn der Abfahrt ein ganz
-einzigartiges Schauspiel genossen: trotz des blendenden Sonnenscheins
-stand der Komet strahlend am Tageshimmel und bot als ein ungeheurer
-Schweifstern einen entzückenden Anblick.
-
-Flitmore hatte vorgeschlagen, dem Kometen einen Namen zu geben.
-
-»Die Astronomen auf Erden haben ihn ja zweifellos schon benannt,« sagte
-er, »aber wir wissen nicht wie und haben vorerst das Recht, ihm zu
-unserm Hausgebrauch einen Privatnamen zu geben.«
-
-Man kam überein, daß er »Amina« heißen solle, zu Ehren einer treuen
-Somalinegerin, mit der man in Afrika so mannigfache Abenteuer bestanden
-hatte.
-
-Merkwürdigerweise schien der Komet immer näher zu kommen und die Sonne
-immer ferner zu rücken. Einige leuchtende Körper, gleich Planetoiden,
-sausten an der Sannah vorbei.
-
-Inzwischen gab Schultze wieder einmal ein Zeichen; Flitmore stellte den
-Zentrifugalstrom ab. Bald darauf aber ertönte das gleiche Zeichen
-wiederholt.
-
-»Der Professor kennt sich nicht mehr aus mit den Zeichen,« lachte
-Münchhausen.
-
-Und nun kam es zu dem Telephongespräch, infolge dessen Schultze sich
-hinaufbegab.
-
-Als er eingetreten war, wurden seine auffallenden Beobachtungen lebhaft
-besprochen, ohne daß man jedoch eine Erklärung fand.
-
-»Nehmen wir unser Mittagsmahl ein!« schlug Münchhausen vor: »Ein
-ordentliches Essen schärft den Verstand.«
-
-Der Professor beobachtete vor und während der Mahlzeit den merkwürdigen
-Kometen; dann begab sich Heinz ins Antipodenzimmer und berichtete durchs
-Telephon, daß vom Saturn nichts zu sehen und alles in Dunkel gehüllt
-sei.
-
-»Ich hab's!« rief Schultze: »Wir stecken mitten im Kometenschweif und
-werden mit ihm fortgerissen, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die
-alle menschliche Fassungskraft übersteigt.«
-
-»Hollah!« rief Flitmore: »Sie mögen recht haben! Beeilen wir uns, die
-Fliehkraft wieder einzuschalten, daß wir nicht gar auf den Kern der
-Amina stürzen.«
-
-Und alsbald schloß er den Strom.
-
-Aber die Wirkung war eine völlig unerklärliche: Die Sannah schien sich
-dem Kopf des Kometen noch beträchtlich zu nähern; dann blieb sie
-scheinbar unbeweglich an einem Fleck.
-
-Dies konnte man daraus schließen, daß einige Meteorstücke, die sich nun
-ganz in ihrer Nähe befanden, stets die gleiche Entfernung von ihr
-beibehielten.
-
-»Dieser scheinbare Stillstand,« erklärte der Professor, »beweist
-lediglich, daß wir samt jenen Meteoriten, die einen Bestandteil des
-Kometenschweifes bilden, unaufhaltsam im Schweife der Amina mit
-fortgerissen werden.«
-
-Der Lord machte noch einige Versuche mit Ein- und Ausschalten des
-Stroms, aber diese hatten nur geringe Lageveränderungen der Sannah zur
-Folge: Der Komet schien sie an einem unsichtbaren Faden festzuhalten.
-
-Trotz der genauesten Untersuchung war nichts zu entdecken, das darauf
-hätte schließen lassen, daß die Fliehkraft irgendwie nicht mehr richtig
-in Tätigkeit war.
-
-Niemand wußte Rat, niemand fand eine Erklärung.
-
-Schließlich ließ Flitmore den Strom endgültig eingeschaltet, als
-sicherstes Mittel, einen Zusammenstoß zu vermeiden und vielleicht, nach
-Überwindung des rätselhaften Widerstands, vom Kometen loszukommen.
-
-»Die Sannah wird vom Kometen regelrecht entführt, daran ist nicht zu
-zweifeln!« sagte er. »Ergeben wir uns in unser Schicksal, bis vielleicht
-einem von uns eine Erleuchtung kommt oder ein ebenso unbekannter Umstand
-uns aus der fatalen Lage befreit.«
-
-Die Sannah vollendete ihre Rotation und im Zenithzimmer ward es Nacht.
-
-Nachdem die Wachen verteilt waren, begab man sich mit gemischten
-Gefühlen zur Ruhe.
-
-
-
-
- 28. Die Geheimnisse der äußersten Planeten.
-
-
-Andern Tags kreuzte der Komet Amina, mit der Sannah in seinem Gefolge,
-die Bahn des Planeten Uranus, der am 13. März 1781 von Herschel entdeckt
-wurde.
-
-»Uranus ist etwa doppelt so weit von der Sonne entfernt, wie Saturn,«
-belehrte Schultze, »nämlich zirka 2850 Millionen Kilometer. Er ist 90mal
-so groß wie unsere Erde und wird von der Sonne nur schwach erleuchtet
-und erwärmt, da er 400mal weniger Sonnenlicht empfängt als die Erde, was
-aber immerhin noch 1500 Vollmonden gleichkommt. Er erscheint
-gleichförmig und düster und ist wahrscheinlich heißflüssig und daher
-etwas selbstleuchtend. Seine Dichte ist nahezu die des Wassers und die
-Schwerkraft beträgt auf ihm ein Zehntel weniger als auf unserm irdischen
-Planeten.
-
-Er besitzt vier äußerst kleine, lichtschwache Monde mit rückläufiger
-Bewegung, das heißt, sie drehen sich um ihn von Westen nach Osten. Die
-Sonne erscheint ihm 360mal kleiner als der Erde.
-
-Sein Äquator scheint nahezu senkrecht zu seiner Bahnebene zu stehen, so
-daß die Pole in der Bahnebene selber liegen und jeder Punkt auf diesem
-Weltkörper das gleiche Klima besäße; allerdings ein Klima, das auch auf
-jedem Punkte den außerordentlichsten Schwankungen unterliegt, denn der
-längste Tag dauert bei 5 Grad Breite 2-1/3 Erdenjahre und bei 90 Grad
-gar 49 Erdenjahre!«
-
-Die Sannah kam dem Uranus ziemlich nahe, aber vergebens hoffte Flitmore,
-bei Abstellung der Zentrifugalkraft durch die Anziehungskraft des
-Planeten von der Amina losgerissen zu werden: der Kometenschweif riß das
-Weltschiff unentwegt mit sich fort.
-
-Doch konnte Schultze wenigstens einige neue Entdeckungen machen: er fand
-einen Mond des Uranus, und zwar den von Herschel 1787 entdeckten Oberon,
-mit einem Ring umgeben, ähnlich dem Saturn, eine völlige Neuheit auf
-astronomischem Gebiete; ferner entdeckte er zwei weitere, sehr kleine
-dunkle Monde, deren einer zwischen Oberon und Titania, der andre
-zwischen Ariel und Umbriel kreiste, den zwei innersten Monden, die
-Lassell 1846 entdeckt hatte.
-
-Nach weiteren zwanzig Stunden schnitt der Komet bereits die Neptunbahn.
-
-»Neptun,« erläuterte der unermüdliche Professor, »ist weiter von der
-Sonne entfernt als Saturn und Uranus zusammengenommen, nämlich an die
-4470 Millionen Kilometer.
-
-Galle in Berlin entdeckte diesen äußersten Planeten unsres Sonnensystems
-nach den Berechnungen, die sich aus den Störungen der Uranusbahn
-ergaben, und die Adams und Leverrier angestellt hatten. Die Entdeckung
-Neptuns machte dem Bodeschen Gesetz von dem Verhältnis der
-Planetenentfernungen entgültig ein Ende, obgleich es durch die
-Entdeckung der Planetoiden so schön bestätigt worden war. Es half nun
-alles nichts: es stimmte einfach nicht mit der Entfernung des neuen
-Planeten.
-
-Neptun scheint nur einen Mond zu besitzen, hat anderthalbfache
-Wasserdichte und ist von einer wolkigen Atmosphäre umgeben. Er empfängt
-tausendmal weniger Sonnenlicht als die Erde, dafür ist sein Mond, der
-sich rückläufig bewegt, größer und heller als die Uranusmonde; er
-umläuft den Neptun in 5 Tagen, 21 Stunden und 4 Minuten. Der Planet
-selber soll sich in heißflüssigem Zustande befinden.«
-
-Dem Neptun kam die Sannah nicht so nahe, wie dem Uranus; dennnoch
-konnten drei weitere kleine Monde entdeckt werden, von denen zwei sogar
-rechtläufig waren: eine neue Gesetzwidrigkeit!
-
-»Mit Neptun hört unser Sonnensystem auf und auch in 10000facher
-Entfernung ist nichts mehr vorhanden als der leere Weltraum, den nur
-Kometen und Meteoriten noch durchkreuzen.«
-
-So lautete Schultzes Schlußbehauptung; aber er hatte sich geirrt: in
-anderthalbfacher Neptunentfernung von der Sonne fand sich eine zehnte
-Planetenbahn und die Weltreisenden sichteten einen dunklen Planeten, der
-wenig größer als die Erde sein mochte und der eine starke Libration
-aufwies.
-
-Getreu der Sitte, die Planeten des Sonnensystems mit römischen
-Götternamen zu bezeichnen, nannte Flitmore das neue Gestirn »Vulkan«,
-und zwar »wegen seines hinkenden Gangs«, wie er sich ausdrückte.
-
-Leider konnte der Planet wegen seiner Entfernung und der rasenden
-Geschwindigkeit, mit welcher der Kometenschweif die Sannah mit sich
-fortriß, nicht näher untersucht werden.
-
-
-
-
- 29. Eine Reise ins Unendliche.
-
-
-Die Sannah kreiste in unendlicher Finsternis; die Sonne stand nur noch
-als kleiner Stern am Himmel, ihre Planeten waren mit dem bloßen Auge
-nicht mehr sichtbar.
-
-Der Komet allein verbreitete Licht und erhellte die ihm jeweils
-zugekehrte Seite des Weltschiffs. Seinen Schweif hatte er bald nach
-Verlassen des Sonnensystems mehr und mehr wieder an sich gezogen, und
-mit ihm die Sannah, die ihn nun als Trabant in geringer Entfernung
-umkreiste, und von seinem gewaltigen Kerne außer dem Licht auch mäßige
-Wärme empfing.
-
-»Je weiter sich ein Komet von der Sonne entfernt, desto geringer wird
-seine Geschwindigkeit,« begann Schultze eines Tages. »Das ist die Regel,
-die ich anfangs auch für die Amina bestätigt fand. Inzwischen ist aber
-die Geschwindigkeit unsres Kometen wieder so rasend gewachsen, daß sie
-alle Begriffe übersteigt und die des Lichts weit übertrifft.«
-
-»Bedenken wir, daß die Nägel an unsern Händen und Füßen nur ein
-Tausendmillionenstel Millimeter in der Sekunde wachsen, während in der
-gleichen Zeit eine Schnecke 15 Tausendstel Millimeter zurückzulegen
-pflegt, ein Fußgänger gar 1-1/10 Meter, so sehen wir, daß ein Mensch im
-Verhältnis zum Wachstum seiner Nägel viel rascher vorwärtskommt als
-unser Komet im Verhältnis zu einem gewöhnlichen Fußgänger,« bemerkte
-Flitmore lachend.
-
-»Überhaupt, was ist Geschwindigkeit?« fragte Münchhausen. »Alles ist nur
-verhältnismäßig; ein Floh übertrifft an Behendigkeit die Schnecke wie
-die Schwalbe den Kapitän Hugo von Münchhausen.«
-
-»Da haben Sie recht!« stimmte der Professor lachend zu. »Eins übertrifft
-das andre, so ist es auch in der geflügelten Welt: Der Geier legt in der
-Sekunde 15 Meter zurück, die Wachtel 17, die Brieftaube 27, der Adler
-31, die Fliege 53, die Schwalbe 67, die Seglerschwalbe gar 89 Meter. Die
-Elektrizität durchläuft den Kabeldraht mit einer Eile von 4000
-Kilometern pro Sekunde, der Voltastrom leistet das Dreifache und in
-einer oberirdischen Telegraphenleitung erreicht die Elektrizität gar die
-Geschwindigkeit von 36000 Sekundenkilometern. Das Licht pflanzt sich im
-Wasser mit 22500 Kilometern Sekundengeschwindigkeit fort, in der Luft
-mit 100000 und im Weltraum mit 300000 Kilometern. Und doch braucht es
-vom nächsten Fixstern bis zur Erde 4½ Jahre.
-
-Nun schätze ich jedoch, daß unser Komet etwa das 50fache der
-Lichtgeschwindigkeit erreicht, so daß er uns innerhalb fünf Wochen in
-die Fixsternwelt tragen würde! Was bedeutet dagegen der sogenannte
-Ausreißerstern mit seinen 300 und der große Stern im Arktur mit seinen
-4-500 Sekundenkilometern?«
-
-»Wenn uns nur die Luft solange vorhält,« meinte Mietje bedenklich.
-
-»Wenn es richtig ist, was der Professor ausrechnet, daß wir in fünf
-Wochen, oder sagen wir auch in zehn, zu den Fixsternen gelangen, so
-wird, wenn keine besonderen Umstände eintreten, unser Sauerstoffvorrat
-reichen,« beruhigte sie der Lord. »Wenn wir dann nur vom Kometen
-loskommen und auf einem wohnlichen Stern mit gesunder Luft zu landen
-vermögen.«
-
-»Hurrah! Es geht zu den Fixsternen!« rief Heinz begeistert. »Das hätte
-ich mir doch nie träumen lassen.«
-
-»Ja, wir reisen in Gottes Wunderwelt,« bemerkte Flitmore nachdenklich.
-»Nun denn! Hat uns nicht der Schöpfer seinen Boten aus der Unendlichkeit
-gesandt, uns in's Schlepptau zu nehmen? Vertrauen wir ihm, daß er uns
-behütet auf einer Fahrt, wie sie noch kein menschliches Wesen gemacht
-oder auch nur für denkbar gehalten hat.«
-
-Schultze entnahm dem Bücherschrank einen dicken Band und sagte:
-
-»Hier haben Sie ein Werk, edler Lord, das uns wenig Vertrauen zu unsrer
-Reise machen dürfte, falls sein Verfasser recht behielte.«
-
-Flitmore warf einen Blick auf das Buch und zuckte die Achseln: »Die
-Weltmaschine von Karl Snyder, ja, ja! Das ist so einer von den kleinen
-Geistern mit engbeschränktem Horizont, die da glauben, mit ihrem
-Gehirnchen das Weltall zu umfassen. Ich denke aber, wir wollen unser
-Vertrauen doch lieber auf Gott setzen und nicht auf Herrn Karl Snyder.«
-
-»Was behauptet denn dieser Mann der Wissenschaft?« fragte Münchhausen
-neugierig.
-
-»Einen Mann der Wissenschaft wollen wir ihn doch lieber nicht nennen,«
-meinte Schultze lachend: »Er schreibt zwar mit gewaltigem Pathos über
-die Wissenschaft und prahlt mit ihr, schwebt aber selber doch zu sehr im
-Nebel seiner Phantasien, als daß er einen festen wissenschaftlichen
-Boden für seine Füße gewänne. Mit einem Wort, er urteilt aus
-materialistischer Voreingenommenheit heraus; es steht ihm von vornherein
-fest, daß es keinen Schöpfer gibt und die göttliche Offenbarung Fabel
-sei, und so versetzt er dem Christenglauben ohne irgendwelchen Anlaß und
-vollends ohne irgendwelche stichhaltige Begründung Fußtritt auf
-Fußtritt, wie ein ungezogener Knabe.«
-
-»Erlauben Sie,« unterbrach der Lord den Sprechenden und nahm ihm das
-Buch aus der Hand. »Ich will Ihnen so eine bei den Haaren herbeigezogene
-Bemerkung vorlesen, die das von unserm Professor Gesagte gut
-illustriert.«
-
-Er blätterte ein wenig und las dann: »Einen Schritt weiter und die
-Entdeckungen Galileis, vielleicht auch Keplers und Newtons, konnten
-vollendet sein, bevor die römische Herrschaft ihr Pflaster auf
-hellenische Kultur gesetzt und bevor das Evangelium eines rächenden
-Jehova die Grenzen des kleinen Ländchens Palästina überschritten hat, um
-Gotteslästerung mit der Wahrheit zu treiben.«
-
-»Bemerken Sie«, sagte Schultze, »daß diese plumpe Bemerkung, wie unser
-Lord richtig sagte, bei den Haaren herbeigezogen ist: sie hat ja mit den
-Entdeckungen, von denen die Rede ist, rein nichts zu tun.«
-
-»Jedenfalls zeugt sie entweder von grober Unwissenheit oder von einer
-Böswilligkeit, die sich um Wahrhaftigkeit rein nicht kümmert«, äußerte
-Mietje in tiefster Entrüstung: »denn ein _Evangelium_ eines rächenden
-Jehova ist ja einfach Unsinn; das Evangelium verkündigt die Liebe und
-Barmherzigkeit eines himmlischen Vaters.«
-
-»Mit Logik und Wahrheit«, sagte Flitmore, »gibt sich der Materialismus
-nicht ab, da wird alles, was von Fanatikern wider den christlichen Geist
-der Liebe, wie ihn das Evangelium allein verkündigt, gesündigt wurde,
-ohne weiteres der christlichen Religion selber in die Schuhe geschoben.
-Da! Auf Seite 146 wird das Christentum ein >verächtlicher, grundloser
-Aberglaube< geheißen, der >an Stelle der Kultur der Schönheit und
-Aufklärung getreten< sei. Und gleich auf der nächsten Seite: >Nero und
-die Scheusale in Purpur gingen St. Augustin und den andern Kirchenvätern
-voran. Das kaiserliche Rom war der Halbschatten, das christliche der
-Kernschatten<.«
-
-»Folgerichtigkeit und Vernunft darf man von materialistischer
-Voreingenommenheit nicht erwarten,« hub Schultze wieder an. »Es ist ja
-schön, wie begeistert Snyder die Genies der astronomischen Wissenschaft
-lobt, namentlich Aristarch und Galilei. Etwas prahlerisch redet er
-davon, wie herrlich weit die Wissenschaft es gebracht habe und nennt den
-Menschengeist das wahre Weltwunder. Dem gegenüber klingt es dann
-geradezu lächerlich, wenn er plötzlich die Saiten umstimmt und der
-Menschheit mit komischer Salbung predigt, sie solle nicht im Wahne
-leben, als ob sie irgend etwas sei oder irgend eine Bedeutung habe!«
-
-»Hören Sie weiter,« sagte der Lord. »Vom mosaischen System der Schöpfung
-sagt Snyder: >Letzteres erhielt sich unter den Völkern Europas nach dem
-Niedergange der hellenischen Wissenschaft bis zu den letzten Jahren des
-17. Jahrhunderts. Nach dem Zeitalter Cassinis und Newtons vermochte es
-nicht länger mehr einen vernünftigen Geist zu befriedigen<.«
-
-»Das ist nicht mehr bloß Dummheit, das ist schon mehr freche Lüge,«
-polterte Münchhausen entrüstet.
-
-»Vergessen Sie nicht,« berichtigte Schultze, »daß ein Materialist nur
-solchen Geistern die Ehre antut, sie vernünftig zu heißen, die sich
-ebenso wie er vom mechanistischen Aberglauben blenden lassen.«
-
-»Nun,« meinte Heinz, »ich kann diese Stelle bei Snyder nicht gar so
-schroff ablehnen; überhaupt empfiehlt es sich wohl, sich in seinen
-Ausdrücken etwas zu mäßigen, um nicht auf die gleiche Bildungsstufe
-herabzusteigen, wie diese Menschenkinder. Aber ist es nicht richtig, daß
-der mosaische Schöpfungsbericht mit den Jahrmillionen nicht vereinbar
-ist, die von den Geologen für die Entwicklung unsrer Erde ausgerechnet
-werden?«
-
-»Sehen wir klar, junger Freund!« mahnte der Lord: »Zunächst berichtet
-das erste Kapitel der Bibel nicht über die Weltschöpfung. Himmel und
-Erde sind bereits vor Äonen erschaffen und die Erde war wüste und leer.
-Hier setzt der Bericht ein mit der Schöpfung von Licht und Leben
-lediglich in Bezug auf die Erde. Wir wollen nun nicht die Frage
-aufwerfen, ob die Erde ursprünglich ganz andre Rotationsverhältnisse
-hatte oder wie sonst die mosaischen Tage sich deuten lassen; auf den
-Buchstaben kommt es wohl keinem von uns an. Aber da hören Sie, was Dr.
-Klein in seinen >Kosmologischen Briefen< sagt.«
-
-Hiebei nahm er ein Büchlein aus dem Regal, aus dem er folgende Stelle
-vorlas: »Bekanntlich fehlt den Geologen bezüglich der von ihnen in der
-Erdentwicklung unterschiedenen Perioden so gut wie jeder chronologische
-Maßstab.«
-
-»Das stimmt,« fiel der Professor ein; »die Jahrmillionen sind bei Licht
-besehen ein Schwindel, das heißt alle diesbezüglichen Berechnungen
-beruhen auf völlig unsichern Voraussetzungen. Wenn man solche Zeiträume
-nicht zu brauchen glaubte, um die Entwicklungslehre einigermaßen
-annehmbar zu machen, so hätte man diese Zahlen nie erfunden. Es ist
-allerdings auch nur eine für den Denkenden durchsichtige Täuschung, wenn
-man meint, die Entwicklung des Menschen aus der Urzelle dadurch
-verständlicher zu machen, daß man sie auf viele Millionen Jahre
-verteilt. Die rasche Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling oder
-die ganz plötzliche Verwandlung eines Explosionstoffs in flüchtige Gase
-wären auch nicht verständlicher, wenn sie erst auf langsamem Wege durch
-Jahrmillionen erfolgten.«
-
-»Ganz richtig«, sagte Flitmore: »Dies sind nun zwar keine Verwandlungen
-in ganz andre Arten, aber ob eine Verwandlung sich in einer Sekunde oder
-im Laufe von Äonen vollzieht, ist für den klaren Verstand völlig
-einerlei; die scheinbare Beseitigung des Unerklärlichen durch die noch
-dazu unbewiesene Erfindung ungeheurer Zeiträume ist nur eine Eselsbrücke
-zur Befriedigung derer, die nicht weit denken können.«
-
-»Wie es aber mit den Jahrmillionen steht,« sagte Schultze wieder,
-»beweist Ihnen am besten, daß man für die Entstehung der Steinkohle
-frischweg etliche Millionen Jahre ansetzte, ebenso für die der
-Diamanten; nun hat man entdeckt, daß im Sumpf versinkende Wälder sich
-binnen weniger Monate in echte Steinkohle verwandeln und daß für die
-Erzeugung von Diamanten der Bruchteil einer Sekunde genügt: da haben wir
-die berühmten Jahrmillionen, sie sind eine Phantasie, die zufällig
-stimmen kann, wahrscheinlich aber durchaus nicht stimmt.«
-
-»Hören Sie nur weiter,« sagte der Lord, »es kommt noch schöner: >Der
-Begriff eines Schöpfers war einfach -- vielleicht im Dunkel der
-anfänglichen Unwissenheit denkbar. Das ist nicht mehr länger richtig.
-Unser modernes Wissen hat die Grenzen der Welt ins Unermeßliche gedehnt;
-es hat uns die unmeßbar lange Dauer der Zeit enthüllt<.«
-
-Nun mußten doch alle lachen: die Naivität dieser Behauptungen war ja gar
-zu köstlich!
-
-»Also die Begriffe von Ewigkeit und Unendlichkeit sollen wir erst dem
-modernen Wissen verdanken?« sagte Münchhausen: »Und sie sollen gar den
-Begriff eines Schöpfers undenkbar machen? O heilige Einfalt!«
-
-Mietje schüttelte den Kopf: »Solche Verirrungen des menschlichen Geistes
-begreife ich einfach nicht,« meinte sie. »Der Schöpferglaube war von
-jeher mit den Begriffen von Ewigkeit und Unendlichkeit verknüpft, und
-wenn die Wissenschaft Ewigkeit und Unendlichkeit zugeben muß, so stützt
-sie damit am allerbesten den Schöpferglauben. Muß man nicht den eigenen
-Verstand absichtlich totschlagen, um imstande zu sein, aus solchen
-Erkenntnissen gerade das Gegenteil von dem zu folgern, was sie einem
-vernünftigerweise nahelegen würden?«
-
-»Werte Lady,« lachte Schultze, »es gibt Ansichten, gegen welche Götter
-selbst vergebens kämpfen und die gerade der großen Menge derer, die
-nicht alle werden, am meisten imponieren.«
-
-Flitmore aber fuhr fort mit Vorlesung folgender Stelle: »Das Fernrohr
-hat uns die Planlosigkeit des Weltalls enthüllt; der Kosmos scheint kein
-Woher und kein Wohin zu kennen.«
-
-Jetzt fuhr aber der Professor auf: »Nein! Da hört sich doch aber alle
-Wissenschaft auf! Das ist starker Tabak! Der Plan, dessen unendliche
-Erhabenheit ein besonders schwächliches Menschenhirnlein nicht verstehen
-kann, wird in eitlem Hochmutswahn »Planlosigkeit« genannt? Na! Das ist
-doch gottlob nur ein Vereinzelter! Die gescheiten Geister, namentlich
-auch unter den Astronomen, hören nicht auf, die Großartigkeit der
-Weltordnung zu bewundern.«
-
-»Da haben Sie wieder recht,« bestätigte der Lord und schlug wieder Dr.
-Kleins Kosmologische Briefe auf. »Hier heißt es zum Beispiel: >Trotz
-dieser Einseitigkeit aber, (nämlich der Mittel des menschlichen
-Forschens), erkennen wir, daß die Anordnung der Welt so ist, als wenn
-sie von einer höchsten Intelligenz, die zugleich über ein unermeßliches
-Schaffensvermögen gebot, getroffen worden sei. Auch haben die größten
-Forscher aller Zeiten, die Begründer unsrer heutigen Naturwissenschaft,
-das Vorhandensein einer solchen Intelligenz angenommen. Die Existenz
-derselben folgt ebenso unzweifelhaft und notwendig aus dem ganzen
-Komplexe der Naturerscheinungen, wie das Vorhandensein einer anziehenden
-Kraft in der Sonne aus der Bewegung der Planeten um dieselbe in
-geschlossenen Bahnen<.«
-
-»Und Camille Flammarion,« fuhr Flitmore fort, ein anderes Büchlein
-aufschlagend, »sagt in seiner >Urania<: >Was ist das für eine sonderbare
-Eitelkeit, für eine einfältige Anmaßung, uns einzubilden, die
-Wissenschaft habe ihr letztes Wort gesprochen! ... Die Materie ist
-nicht, was sie scheint, und kein über die Fortschritte der positiven
-Wissenschaften unterrichteter Mensch könnte sich heute noch für einen
-Materialisten ausgeben<.«
-
-»Bravo!« rief Schultze: »Nur sind leider die Ununterrichteten und
-Halbgebildeten, die sich aber selber für hochgebildet halten, in der
-Mehrzahl, und darum macht der Aberglaube so große Fortschritte in
-unserer Zeit, wie die Monistenbünde beweisen.«
-
-»Pah!« sagte Heinz: »Der Wille ist alles: diese Leute _wollen_ der
-Vernunft nicht glauben, weil sie ihren Trieben unbequem ist, sie
-_wollen_ lieber den Widersinn glauben, und nur darum machen sie die
-Augen zu vor der Wahrheit und nennen den Wahn Vernunft.«
-
-»Das mag stimmen,« gab der Professor zu, »zweifellos aber wird die
-Gottesleugnung stets der sicherste Beweis einer geringen Intelligenz
-sein.«
-
-Nun nahm John das Wort, der bisher aufmerksam zugehört hatte: »Also
-meinen die Herrschaften sozusagen alle, es sei gebildet an die Bibel zu
-glauben? Ich dachte immer, es sei unter den heutzutägigen Verhältnissen
-gebildeter, an keinen Gott mehr zu glauben, wie man so oft hört; aber so
-ganz im Innersten war es mir immer doch so, als wenn dann etwas fehlen
-müßte, die Hauptsache um zu verstehen, daß etwas da ist und daß etwas
-sein und geschehen kann; und dann sah ich ja auch, daß meine gnädigste
-Herrschaft so fromm sind und doch gebildet und vernünftig.«
-
-»Ja, mein Sohn, die Sache ist so: wenn du an keinen Gott glaubst, so
-werden dir die meisten Leute sagen, du seist sehr vernünftig und
-hochgebildet; denn die Halbgebildeten sind, wie gesagt, stets in der
-großen Mehrzahl. Hältst du aber fest am Schöpferglauben, so wird dich
-diese Mehrzahl verhöhnen, aber die wirklich Gescheiten werden dich für
-vernünftig und gebildet halten und du wirst es auch sein.«
-
-»Dann will ich doch lieber glauben, wie Sie!« erklärte der gute Mann.
-
-Inzwischen sauste die Sannah weiter durch den Raum und es war kein Ende
-abzusehen.
-
-
-
-
- 30. Schimpansenstreiche.
-
-
-Um die elektrische Heizung und Beleuchtung zu ermöglichen, sowie zur
-Entwicklung der Fliehkraft, mußte der elektrische Akkumulator täglich
-zweimal frisch geladen werden.
-
-Dies besorgten die Affen so pünktlich und mit so viel Eifer, daß der
-Lord sie ohne jede Aufsicht die Arbeit ausführen lassen konnte, die den
-Tieren das reinste Vergnügen war.
-
-Allerdings hatte Flitmore die elektrische Krafterzeugungsanlage auch
-genial eingerichtet: er hatte zwei große zylinderförmige Käfige
-herstellen lassen, wie diejenigen, die man in kleinerer Ausführung
-gefangenen Eichhörnchen zur Verfügung zu stellen pflegt. Wenn dann die
-Eichhörnchen an den Stäben emporspringen, dreht sich die Käfigwalze um
-ihre Axe und die kleinen Tiere sind unermüdlich in ihrer Beweglichkeit,
-mit der sie das Gitter in rasche Drehbewegung versetzen.
-
-Genau so war es den Schimpansen offensichtlich der höchste Genuß, sich
-in ihren Drehkäfigen zu tummeln, ohne daß sie ahnten, daß sie damit eine
-verdienstvolle Arbeit verrichteten; denn die sinnreiche Konstruktion
-verwendete die rasche Rotation der Käfige zur Erzeugung elektrischer
-Energie, die im Akkumulator sich aufspeicherte.
-
-Eines Tages erschollen aus dem Musikzimmer wunderbare Töne, eigentlich
-gräßliche Mißakkorde, wie wenn ein unmündiges Kind auf einem Klavier
-herumhämmert, und doch entwickelte der Missetäter eine derartige
-Fingergewandtheit, daß man auf einen geübten Pianisten hätte schließen
-mögen, den eine tolle Laune oder plötzlich eingetretener Wahnsinn zu
-solchen Orgien veranlaßte.
-
-Unsre Freunde waren im Zenithzimmer versammelt bis auf den Diener, der
-einen Rundgang zu machen hatte; sie waren in Bücher vertieft oder
-beschäftigten sich mit ihren Gedanken. Bei dieser Katzenmusik aber
-horchten alle auf.
-
-»Sollte sich John auf dem Flügel üben wollen?« rief Mietje: »So hübsch
-er Flöte spielt, so fremd ist ihm die Klaviatur; aber wie er ohne alle
-Kenntnis solche Griffe unternehmen kann, wobei ihm doch die Mißklänge
-die eigenen musikalischen Ohren zerreißen müssen, ist mir ein Rätsel.«
-
-»Du irrst, meine Liebe,« sagte der Lord, »John ist niemals so keck, daß
-er das Instrument berühren würde; du weißt, er hat sich noch nie eine
-ungebührliche Freiheit herausgenommen; darin ist er äußerst bescheiden,
-beinahe zu ängstlich.«
-
-»Das ist Geisterspuck,« sagte Münchhausen dumpf, »denn im Musikzimmer
-ist es just Mitternacht.«
-
-»Horch! Da schrillt ja gar die Posaune dazwischen! Es ist ein Duett,«
-bemerkte Heinz.
-
-»Unbegreiflich!« murmelte der Lord.
-
-»Na! Sehen wir nach,« meinte Schultze, begierig auf die Lösung des
-Rätsels.
-
-»Ach! Wollten Sie nicht lieber zuvor einige scharfsinnige Hypothesen
-aufstellen, die geeignet wären, dieses Phänomen wissenschaftlich zu
-erklären, bestes Professorchen,« bat Münchhausen ironisch.
-
-»Damit Sie mich nachher wieder auslachen können mit meiner Wissenschaft,
-oller Spötter? Nee, das gibt's nicht! Ich selber stelle den Augenschein
-über alle theoretischen Erklärungsversuche.«
-
-»Na, denn man zu!« rief der Kapitän und ging voran, während alle ihm
-folgten.
-
-Jetzt erscholl ein wahrer Höllenlärm aus dem Musiksaal.
-
-»Da spielt einer mindestens sechshändig!« lachte Heinz.
-
-»Nein! Und die Posaune! Das sind ja unerhörte Töne!« rief die Lady und
-hielt sich die Ohren zu.
-
-Im Musikzimmer leuchtete eine elektrische Glühbirne, bei deren Schein
-man Bobs vom Flügel aufspringen sah, während es Dick just gelang, die
-mißhandelte Posaune vollends ganz auseinander zu reißen.
-
-Bobs war es diesmal in seinem Drehkäfig langweilig geworden, und dem
-Schlaukopf war es gelungen, die Türe von außen zu öffnen, indem er
-zwischen den Gitterstäben hindurch über die hölzerne Seitenwand
-hinabtastete, bis er den Riegel fand, den er zurückschob.
-
-Als er sich in Freiheit sah, öffnete er auch Dicks Gefängnis, und zu
-allen Schandtaten aufgelegt, begab er sich mit seinem gleichgesinnten
-Gefährten in das weiter unten gelegene Musikzimmer. Das Öffnen der
-Verbindungstüren war den intelligenten Affen längst kein Geheimnis mehr.
-
-Hier nun faßten die beiden Verschwörer den schwarzen Plan, einmal selber
-eine musikalische Unterhaltung zu veranstalten, statt immer bloß als
-untätige Hörer Professor Schultze Konkurrenz zu machen.
-
-Bobs öffnete den Flügel ohne Schwierigkeit; er versäumte auch nicht, ein
-Notenheft auf die Pultleiste zu stellen, freilich waren es Noten fürs
-Cello, doch das berührte ihn nicht, zumal er das Heft verkehrt
-aufstellte.
-
-Dann hockte er sich auf den Klavierstuhl nieder und begann die Tasten
-mit einer Virtuosität zu bearbeiten, die seiner ihm natürlich eigenen
-affenartigen Geschwindigkeit alle Ehre machte.
-
-Dick öffnete inzwischen bedächtig den Instrumentenkasten; das hatte er
-dem Lord trefflich abgeguckt. Er betrachtete sich die verschiedenen
-Musikerzeuger und griff dann nach der Posaune, deren Metallglanz ihm in
-die Augen stach.
-
-O, er wußte genau, wo man das Ding in den Mund nehmen mußte und daß der
-untere Teil möglichst geschwind auf- und abgeschoben werden mußte, und
-es gelang ihm richtig durch heftiges Prusten einige entsetzliche Töne
-hervorzuzaubern, wobei er das Mundstück zu schanden biß.
-
-Als nun aber die ganze Gesellschaft im Zimmer erschien, ahnten die Affen
-eine Art des Beifalls, die ihnen höchst unsympathisch war; sie nahmen
-daher schleunigst Reißaus und flüchteten in das anstoßende chemische
-Laboratorium, wo sie die Regale erkletterten, nicht ohne einige Kolben
-mit ätzenden Flüssigkeiten herabzustoßen.
-
-Münchhausen folgte ihnen auf dem Fuß und drohte mit einem Stock zu Bobs
-hinauf, der die Zähne fletschte und höhnisch grinste, als wollte er
-sagen: »Na, Dicker! Du drohst umsonst: bei deiner Leibesfülle wirst du's
-wohl bleiben lassen, mir nachklettern zu wollen.«
-
-Dieser sichtliche Hohn mußte natürlich den Kapitän ärgern.
-
-»Warte, du Spötter!« rief er und ergriff das Gestell eines
-Spiritusbrenners, daß er mit solcher Gewandtheit emporschleuderte, daß
-die drei Eisenfüße sich schmerzhaft in des Schimpansen schutzlosen Leib
-einbohrten. Es gab zwar keine Wunde, aber es tat weh!
-
-Bobs kreischte laut auf; er fand das rücksichtslos und anmaßend von
-einem Menschen, der gar nicht sein Herr war und weder Klavier noch
-Posaune spielte. Er sann auf Rache.
-
-Da stand ein großer Kolben neben ihm. Er hätte ihn auf den Attentäter
-werfen können; aber so plump handelte Bobs auch nicht in berechtigter
-Erregung. Er riß den Glasstöpsel heraus, erfaßte die dicke Flasche und
-goß ihren Inhalt auf den Untenstehenden herab, der sich eben
-niederbeugte, um ein neues Wurfgeschoß aufzulesen.
-
-»Zu Hilfe, zu Hilfe! Das Untier mordet mich! Bobs überschüttet mich mit
-Vitriol; er verbrennt mir meinen schutzlosen Schädel!« schrie der
-Begossene.
-
-Erschreckt eilte Heinz herbei: er glaubte schon den Kapitän in
-jämmerlich verbranntem Zustand zu finden, vielleicht des Augenlichts
-beraubt, denn es befanden sich tatsächlich mehrere Kolben mit
-Schwefelsäure auf den Regalen.
-
-Ein Blick auf Münchhausens triefenden Schädel jedoch beruhigte ihn
-sofort; auch sagte ihm seine für chemische Dünste geschärfte Nase
-alsbald, daß es sich lediglich um Weingeist handelte, der allerdings auf
-der Kopfhaut ordentlich brennen mochte, namentlich auch infolge seiner
-starken Verdunstung ein Kältegefühl erzeugend, das, zumal wenn noch
-Schreck und Einbildung dazu kamen, als fürchterliche Verbrennung
-empfunden werden konnte.
-
-»Beruhigen Sie sich, Kapitän,« rief Heinz dem Geängstigten zu: »es ist
-glücklicherweise bloß Spiritus.«
-
-»Ich pfeife auf Ihren Spiritus! Vitriol ist's oder irgend eine andre
-Säure, die mich meines kostbaren Haarschmucks vollends beraubt, falls
-sie mir nicht den ganzen Skalp vom Schädel wegätzt.«
-
-»Ich garantiere Ihnen, daß nichts dergleichen passiert; aber Sie triefen
-wie eine Wasserratte! Hier ist ein Handtuch, trocknen Sie sich ab und
-dann werden Sie sich wohl den Kopf waschen und die Kleider wechseln
-müssen.«
-
-Das war allerdings notwendig. Münchhausen entfernte sich wie ein
-begossener Pudel und Schultze rief ihm noch lachend den Trost nach:
-»Bobs meinte es gut mit Ihnen, Weingeist stärkt ja wohl die Kopfhaut und
-befördert einen üppigen Haarwuchs.«
-
-»Jetzt haben Sie gut lachen,« sagte Heinz zum Professor, als Münchhausen
-das Gemach verlassen hatte: »Aber ich sage Ihnen, mir ist der kalte
-Schrecken in die Glieder gefahren, als ich den Ärmsten so jammern hörte.
-Sehen Sie, da steht Schwefelsäure, Salzsäure, Karbolsäure und eine Menge
-andrer gefährlicher Flüssigkeiten. Künftig muß ich das Laboratorium
-stets abschließen und den Schlüssel zu mir nehmen; die Affen hätten da
-ein furchtbares Unglück anrichten können.«
-
-»Können sie immer noch,« meinte Schultze und sah zu den beiden
-Schimpansen empor, die zu oberst zwischen den Kolben kauerten.
-
-Nun aber rief Flitmore die beiden Missetäter und sie kamen alsbald ganz
-demütig und zahm herab, gewohnt, ihrem Herrn aufs Wort zu folgen.
-
-Strafe mußte sein, das erforderten des Lords Erziehungsgrundsätze; und
-so wurden die sichtlich zerknirschten Sünder auf zwölf Stunden in
-Einzelhaft gesteckt. Sie kannten die dunkeln, engen Kästen gar wohl und
-wußten, daß die Einsperrung wohlverdiente Strafe war; denn sie sprangen
-freiwillig hinein mit zerknirschten Mienen, duckten sich nieder und
-ließen sich ohne Widerstreben einschließen.
-
-Als man wieder im Wohnzimmer versammelt war, erschien bald auch
-Münchhausen in trockener Kleidung. Er blieb dabei, daß die Flüssigkeit,
-die so brannte, Vitriol gewesen sei: »Glücklicherweise hat sich meine
-Haut als säurefest erwiesen,« fügte er bei, »und auch meine Kleider
-haben weiter keinen Schaden erlitten; ein ganz vorzüglicher Stoff, sage
-ich Ihnen!«
-
-
-
-
- 31. Verloren im Weltraum.
-
-
-Tage- und wochenlang raste die Sannah mit dem Kometen dahin und diese
-Fahrt durch die anscheinende Leere begann immer mehr etwas Beklemmendes
-und Beängstigendes auf die Gemüter auszuüben.
-
-Wo war man? Wohin eilte man? Im Unendlichen! Ins Endlose!
-
-Niemand verhehlte sich die furchtbare Gefahr, in der alle schwebten, das
-schreckliche Schicksal, das ihnen drohte.
-
-Vorerst gelang es ja immer noch mittelst der reichen Vorräte an
-gepreßtem Sauerstoff und Ozon eine gesunde Luft in den Zimmern zu
-erhalten. Aber niemand konnte wissen, wie lange diese Fahrt noch dauern
-werde und ob sie überhaupt zu einem Ziele führe.
-
-Ja, nach menschlicher Voraussicht schien es höchst unwahrscheinlich, daß
-in absehbarer Zeit ein Weltkörper erreicht werden könne, der
-menschlichen Wesen die notwendigsten Lebensbedingungen gewähren würde.
-Wer wußte denn überhaupt, ob es solche in der Fixsternwelt gebe, der man
-zueilte?
-
-Nur das Vertrauen, daß sie unter höherem Schutze standen, und daß ein
-Gott sie lenke, der auch in der Unendlichkeit Wege weiß, hielt die
-Ärmsten noch aufrecht, die sich wie Gefangene in den Räumen ihres
-Fahrzeugs vorkamen.
-
-Wer konnte wissen, ob es nicht eine lebenslängliche Haft werden sollte,
-die allerdings nicht lange dauern konnte, da binnen weniger Wochen ihr
-Leben verlöschen mußte, wenn keine Erlösung kam.
-
-Dann sah wohl eins das andre sterben, ohne ihm helfen zu können, und
-zuletzt war alles still und tot! Eine kleine Kugel mit menschlichen
-Leichnamen irrte dann durch das Weltall, um schließlich vielleicht in
-eine ferne Sonne zu stürzen und in einem Augenblick in glühende Gase
-aufgelöst zu werden mit allem, was sie enthielt!
-
- [Illustration: Schimpansenstreiche.]
-
-John allein blieb im Innersten ganz ruhig und vergnügt, weil er nicht so
-klar sah und meinte, sein Herr wisse wohl, wo er hinfahre und wo er
-landen werde.
-
-Inzwischen sparte Flitmore die Sauerstoffvorräte so viel als möglich, um
-die Endkatastrophe so weit hinauszuschieben, als es nur immer anging.
-Die Folge davon bekamen alle zu spüren: es war eine schlechte,
-sauerstoffarme Luft, die ihre Lungen bedrückte und auch der Stimmung
-sehr wenig zuträglich war.
-
-Wahrhaftig! So mußte es den Unseligen zumute sein, die in einem
-Unterseeboot eingeschlossen waren, durch einen Unfall verhindert, an die
-Meeresoberfläche zurückzusteigen und dem langsamen Erstickungstod ins
-Auge sehend!
-
-Mit allerlei Arbeiten, mit Unterhaltung, Konzerten und Lesen guter
-Bücher wurde die Zeit verbracht; aber immer wieder schweiften die
-Gedanken ab, gefangen von der bangen Frage: was wird aus uns werden?
-
-Schultze beobachtete immer wieder den Sternhimmel und stellte
-Berechnungen an, eine Arbeit, die ihm, wenn auch wenig Trost, so doch
-einige Ablenkung gewährte.
-
-»Wir fahren auf das Sternbild des Centauren zu,« sagte er eines Tages
-nach Abschluß einiger Beobachtungen und Berechnungen, »und zwar direkt
-auf den Stern Alpha Centauri, der dem irdischen Sonnensystem, so viel
-man bis jetzt weiß, der nächste ist. Die Annäherung läßt sich schon mit
-bloßem Auge wahrnehmen: Alpha Centauri ist deutlich als Doppelstern
-erkennbar; mehrere Sternbilder sehen schon wesentlich anders aus, als
-sie sich von der Erde aus ausnehmen, und einige Sterne gewinnen an Größe
-und Lichtstärke ganz sichtlich.«
-
-»Es ist für uns von großem Interesse, wenigstens die Richtung unserer
-Fahrt kennen zu lernen,« meinte Flitmore: »Aber haben Sie auch die
-Aberration in Betracht gezogen?«
-
-»Ich habe daran gedacht, aber in diesem Falle kann eine Aberration gar
-nicht stattfinden, da die Sannah sich direkt nach dem Sterne Alpha
-bewegt.«
-
-»Was ist denn das, wenn ich mir zu fragen die Erlaubnis herausnehmen
-darf, die Aperition?« frug John.
-
-»Da die Erde sich mit ungeheurer Geschwindigkeit durch den Weltraum
-bewegt,« erklärte der Professor, »so ändert sich der Standpunkt des
-Beobachters mit der Erde fortwährend. Richtet man nun ein Fernrohr auf
-einen Stern, so braucht der Lichtstrahl, der das äußerste Ende des
-Teleskops, das Objektiv, trifft, einige Zeit, um bis zum untern Ende,
-dem Okular, zu gelangen.
-
-Diese Zeit ist zwar sehr kurz, aber doch ist die Erde inzwischen
-weitergeeilt und die Richtung des Fernrohrs hat sich verschoben. Um
-daher den Stern überhaupt durch das Fernrohr sehen zu können und ihn
-dauernd zu beobachten, muß man dem Rohr eine andere Richtung geben, als
-die Strahlen des Sternes eigentlich verfolgen: das Okular muß in der
-Richtung der Erdbewegung um so viel zurückliegen, als sich die Erde
-vorwärts bewegt in der Zeit, die das Licht braucht, um den Weg vom
-Objektiv bis zum Okular zurückzulegen. Dadurch tritt eine scheinbare
-Verschiebung des Sternes ein, das heißt, man sieht ihn nicht genau an
-der Stelle des Himmels, wo er sich eigentlich befindet, oder vielmehr
-befand, als das Licht von ihm ausging, das jetzt unser Auge trifft.
-
-Wenn sich nun der Beobachter geradewegs auf den Stern zu bewegt, so
-findet keine Aberration statt; am größten ist diese, wenn man sich in
-senkrechter Linie zu den von ihm ausgehenden Strahlen fortbewegt.«
-
-»Wir reisen also nun zu solch einem Stern?« fragte John weiter: »Können
-wir bald dort sein?«
-
-Schultze lächelte achselzuckend: »Was heißt bald? Weißt du, wie weit
-diese Fixsterne von der Erde entfernt sind? Alpha Centauri soll ihr am
-nächsten stehen, und doch berechnet man seine Entfernung auf 4½,
-mindestens aber 3½ Lichtjahre.«
-
-»Was ist das, wenn Sie gestatten, ein Lichtjahr?«
-
-»Das ist der Weg, den das Licht in einem Jahre zurücklegt, nämlich die
-Kleinigkeit von 9463 Milliarden Kilometern.«
-
-»Und das nennen Sie dann eine Kleinigkeit? Das tun Sie wohl sozusagen
-aus Spaßhaftigkeit?«
-
-»Ja, ja, mein Sohn; denn solche Zahlen sind so ungeheuerlich, daß man
-seinem Humor etwas aufhelfen muß, wenn man von ihnen redet, sonst steht
-einem der Verstand still. Oder willst du dir etwa eine Vorstellung davon
-machen, was das bedeutet: Alpha Centauri ist 30000 bis 40000 Milliarden
-Kilometer von der Erde entfernt?«
-
-John schüttelte hilflos den Kopf: »Und das sollte sozusagen unser
-nächster Fixstern sein?«
-
-»Jawohl! Es kann ja welche geben, die dem Sonnensystem näher stehen,
-doch man hat bis jetzt keinen entdeckt, das heißt keine geringere
-Entfernung durch Messungen festgestellt. Alpha Centauri ist 9000mal
-weiter von der Erde entfernt als Neptun, also 277000mal so weit wie die
-Sonne. Ein Expreßzug würde 1250000 Jahre brauchen, um ihn zu erreichen.«
-
-Rieger machte große Augen. »Eine Million Jahre?« stammelte er: »Und da
-sollen wir hin?«
-
-»Warum denn nicht? Nur daß wir einige Millionen mal schneller reisen als
-ein Expreßzug. Die Amina, unser Komet, ist ein flinkeres
-Beförderungsmittel, wie du siehst. Wenn ich übrigens vorhin von
-Kleinigkeiten redete, so ist das nicht bloß Spaß gewesen, denn Sirius,
-der helle Hundsstern, ist acht bis neun Lichtjahre von der Erde
-entfernt, 1300mal so hell und 40000 bis 50000mal so groß wie unsere
-Sonne; der Polarstern ist 40 Lichtjahre, Canopus, der hellste Stern am
-südlichen Himmel, gar 269 Lichtjahre entfernt, er leuchtet 10000 bis
-15000mal so hell als die Sonne und ist 1½ Millionen mal so groß; das ist
-das mindeste: er kann auch hundert-, tausend- oder millionenmal größer
-sein; das entzieht sich unserer Berechnung. Deneb im Schwan kann ebenso
-groß oder noch größer sein als Canopus, und das gilt auch von Rigel, dem
-hellsten Stern im Sternbild des Orion, an seiner untern Ecke rechter
-Hand.
-
-Dieser prachtvolle Stern von rein weißem Licht mag 500 Lichtjahre
-entfernt sein, also 30 Millionen mal so weit als die Sonne, die er
-20000mal an Lichtstärke übertrifft. Wenn wir auf einem Blatt Papier die
-Entfernung von der Erde zur Sonne mit 1 Millimeter bezeichneten, so
-brauchten wir einen Bogen von 30 Kilometer Länge, um den Abstand Rigels
-im gleichen Verhältnis einzuzeichnen. Begreifst du nun, daß die
-Entfernung von Alpha Centauri eine Kleinigkeit ist?«
-
-»Allerdings, sozusagen nach der Verhältnismäßigkeit betrachtet.«
-
-»Nun gibt es aber möglicherweise unter den Fixsternen riesige Sonnen,
-gegen die auch diese unausdenklichen Kolosse nur Sonnenstäubchen sind;
-denn von den 100 Millionen Fixsternen, die vorhanden sein mögen, sind
-uns nur etwa von 60 die Parallaxen bekannt.«
-
-John, der begierig jedes ihm unbekannte Wort aufschnappte und nach
-seiner Weise verketzerte, fragte wißbegierig: »Und was dürfte dann unter
-dieser benannten >Polaraxe< zu verstehen sein?«
-
-»Ja, wie soll ich dir das jetzt klar machen? Siehst du den Punkt hier
-mitten an der Decke? Also von einem Ende dieses Saales richte ich ein
-Fernrohr dorthin, du eines vom andern Ende aus. Diese Fernrohre sind
-gegen einander geneigt in einem Winkel, dessen Spitze der beobachtete
-Punkt ist. Nun, dieser Winkel, den die Linien bilden, die von dem Punkte
-durch unsere beiden Fernrohre gehen, im Verhältnis zu der Entfernung
-dieser von einander, ist die Parallaxe des Punktes. Wir können also
-ebenso sagen, seine Parallaxe ist der Neigungswinkel, den unsere beiden
-auf den Punkt gerichteten Teleskope zusammen bilden im Verhältnis zu
-ihrer Entfernung von einander.
-
-Wenn wir nun die Entfernung von einem Ende des Saales bis zum andern
-kennen und die Winkel, die unsere Fernrohre mit dem ebenen Fußboden
-bilden, messen, so können wir die Höhe des Dreiecks berechnen, das der
-Punkt an der Decke mit den beiden Punkten bildet, an denen die durch
-unsere Teleskope gehenden Strahlen des beobachteten Punktes den Fußboden
-treffen. Wir können also ausrechnen, wie weit der betreffende Punkt vom
-Fußboden entfernt ist.
-
-Nun siehst du wohl, mein Freund, daß wenn wir statt des Punktes an der
-Decke durch unsere Fernrohre einen Stern betrachten, der Tausende von
-Millionen Kilometer entfernt ist, die Neigung unserer Rohre gegen
-einander so unendlich klein wird, daß sie gleich Null erscheint. Wir
-können also für den Stern keine Parallaxe finden.
-
-Je weiter wir jedoch von einander entfernt sind, desto mehr werden sich
-die Teleskope gegen einander neigen, wenn wir sie auf denselben Punkt
-richten. Man könnte also hoffen, die Parallaxe eines Sterns zu finden,
-wenn man ihn in der gleichen Sekunde auf zwei weit von einander
-entfernten Punkten der Erde beobachtet, deren gegenseitiger Abstand
-bekannt ist, und wenn beide Beobachter den Winkel messen, den die
-Richtung ihrer Teleskope mit der Ebene bildet. Ebensogut kann man dies
-erreichen, wenn ein einzelner Beobachter von demselben Ort aus den Stern
-zu verschiedener Nachtzeit beobachtet, wenn die Umdrehung der Erde
-seinen Standpunkt um etliche tausend Kilometer verschoben hat.
-
-Aber solche Entfernungen erwiesen sich zu klein, es war keine meßbare
-Neigung der Beobachtungsrichtungen zu einander festzustellen; also die
-Fixsterne zeigten keine merkliche Parallaxe.
-
-Nun wählte man eine weit größere Grundlinie des Dreiecks: man
-beobachtete die Sterne in Zwischenräumen eines halben Jahres. Bei der
-ersten Beobachtung befand sich dann der Beobachter am einen Ende der
-Erdbahn, bei der zweiten am andern; das bedeutete einen Abstand von 300
-Millionen Kilometern der beiden Beobachtungspunkte von einander.
-
-Groß war die Verblüffung, als auch da keine meßbare Parallaxe der
-Fixsterne zu finden war! Erst mittelst äußerst verfeinerter Instrumente
-gelang es Struve 1836 und Bessel 1839 die erste Fixsternparallaxe zu
-messen. Man fand für den Stern 61 im Schwan auf diese Weise eine
-Entfernung von 9½ Lichtjahren. Bessel dankte seinen Erfolg dem von
-Fraunhofer hergestellten vorzüglichen Heliometer. Das ist derselbe
-Fraunhofer, dem wir vorzüglich auch die Fortschritte der Spektralanalyse
-verdanken.«
-
-John schnappte auch dieses Wort sofort auf und sagte bescheiden:
-
-»Wenn es Ihnen nicht zuviel sein dürfte, Herr Professor, meine Wenigkeit
-auch über diesen mir noch dunkeln Punkt aufzuklären, so wäre ich
-besonders dankbar, was ich schon lange wünschte, zu erfahren, was es mit
-dieser Speck-Strahl-Anna-Liese für eine Bewandernis hat.«
-
-»Auch das sollst du wissen,« lachte Schultze: »Schau, wenn man einen
-Lichtstrahl durch geschliffenes Glas gehen läßt, so löst er sich auf in
-farbige Bänder und Streifen. Das nennt man nun ein Spektrum. Je schmäler
-der Lichtstrahl ist, desto deutlicher ist sein Spektrum und da
-beobachtet man zwischen den farbigen Bändern mehr oder weniger breite
-dunkle Linien, die sogenannten »Fraunhoferschen Linien«, benannt nach
-ihrem Entdecker. Ferner unterbrechen auch helle und farbige Linien das
-Spektrum, und Kirchhoff und Bunsen wiesen nach, daß man aus diesen
-Streifen, Linien und Bändern genau die Stoffe erkennen kann, die sich
-als glühende Gase in einer Lichtquelle befinden; sogar nach Menge und
-Mischung können sie erkannt werden.
-
-Auf diese Weise weiß man die Stoffe, welche in der Sonne und den Sternen
-enthalten sind: Das Spektroskop verrät sie uns.
-
-Aber noch mehr hat es uns verraten. Wenn eine Lichtquelle sich rasch
-bewegt, so verschieben sich die Spektrallinien gegen das violette Ende
-des Farbenspektrums, wenn sich die Lichtquelle nähert, gegen das rote
-Ende, wenn sie sich entfernt. Daraus hat man bei den Fixsternen, die
-sich auf die Erde zu oder von ihr weg bewegen, sogar die Schnelligkeit
-der Bewegung berechnen können.«
-
-»Ich meinte aber, die Fixsterne bewegen sich nicht,« wandte John ein.
-
-»Das glaubte man wohl früher; jetzt aber weiß man, daß sie ihre
-Eigenbewegung haben. Diese läßt sich auch durch das Teleskop beobachten,
-wenn sie senkrecht zur Gesichtslinie gerichtet ist. Da gibt es Sterne,
-die schon in 200 Jahren um eine Vollmondsbreite am Himmel vorrücken, was
-in Wirklichkeit Millionen und aber Millionen Kilometer bedeutet,
-angesichts ihrer großen Entfernung. So scheint Arcturus zum Beispiel mit
-670 Kilometern in der Sekunde hinzurasen, was tausendmal schneller ist
-als das schnellste Geschoß; auch Alpha Centauri hat eine große
-Eigenbewegung.«
-
-»Aha!« rief John verklärt: »Jetzt verstehe ich, warum man sie Fixsterne
-heißt: weil sie wohl so fix dahinsausen.«
-
-Alle lachten über diese großartige Entdeckung. John aber ließ sich nicht
-drausbringen.
-
-»Wie sieht es denn aber wohl aus auf dem Alphasaurus, zu dem wir
-hinfliegen?« fragte er jetzt.
-
-»Dieser Stern ist der dritthellste am Firmament, aber nur von der
-südlichen Erdhalbkugel aus zu sehen. Er gleicht unserer Sonne an
-Helligkeit, Größe und Hitze.«
-
-»Dann müssen wir ja aber verbrennen,« rief John entsetzt.
-
-»Allerdings, wenn wir ihm zu nahe kämen,« mischte sich nun Flitmore in
-die Verhandlung; »allein wir wollen hoffen, daß dies nicht der Fall sein
-wird. Auf ein paar Millionen Kilometer kann ja der Professor unsere
-Richtung nicht so genau bemessen. Da ist es immerhin möglich, daß wir
-auf einem dunkeln Sterne landen.«
-
-»Wieso? Dunkle Sterne gibt es sozusagen auch?« rief John, aufs neue
-überrascht.
-
-»Gewiß!« bestätigte der Lord: »Unsere Erde ist ein solcher Stern, ebenso
-die Planeten, soweit sie kein eigenes Licht mehr ausstrahlen. Der Erde
-leuchten sie ja sehr hell, oft heller als die strahlendsten Fixsterne;
-aber das kommt nur daher, daß sie der Erde verhältnismäßig nahe sind und
-ihr im Glanze des Sonnenscheins erscheinen, der sie erhellt.
-
-Aus der Entfernung, in der wir uns jetzt befinden, sehen wir keinen
-einzigen der Planeten unseres Sonnensystems mehr; ebensowenig sehen wir
-von der Erde aus die dunkeln Weltkörper der Fixsternwelt, die kein
-eigenes Licht mehr haben.«
-
-»Ja, aber wie kann man in diesem vorausgesetzten Falle wissen, daß ihr
-Vorhandensein eine Existenz hat?«
-
-Flitmore wollte antworten, aber Münchhausen unterbrach ihn: »Nehmen Sie
-es nicht übel, Lord, aber das Mittagessen dampft auf dem Tisch und die
-Lady möchte es schmerzen, wenn wir ihr Kunstwerk erkalten ließen, ehe
-wir ihm die gebührende Ehre angetan haben.«
-
-»Ihnen wäre dies gewiß auch sehr schmerzlich!« lachte der Lord, »aber
-Sie haben recht; alles hat seine Zeit. Also, John, gedulde dich, nach
-dem Essen will ich dir auseinandersetzen, woher man weiß, daß es dunkle
-Sterne gibt, auch wenn man sie nicht sehen kann.«
-
-
-
-
- 32. Der Riesenkraken.
-
-
-Johns Wißbegier wurde aber diesmal nicht so pünktlich befriedigt, wie er
-es von seines Herrn Zuverlässigkeit hätte erwarten dürfen.
-
-Das war aber nur einem außerordentlichen Umstand, einem
-unvorhergesehenen Ereignis zuzuschreiben, das für die Sannah und ihre
-Insassen leicht hätte verhängnisvoll werden können.
-
-Gegen Ende der Mahlzeit nämlich ließ sich plötzlich ein heftiges
-Geprassel vernehmen, unterbrochen von donnernden Schlägen, die das
-Weltschiff in seinen Grundfesten erschütterten. Es war offenbar ein
-Hagel von Meteoriten, der auf die Sannah niederging.
-
-Glücklicherweise waren die ersten Steine, die auf die Umhüllung sausten,
-klein, und der Lord konnte durch einen Druck auf den entsprechenden
-elektrischen Knopf die metallenen Schutzplatten oder Augendeckel über
-sämtlichen Fensterlinsen schließen, so daß eine Zertrümmerung oder
-Beschädigung derselben verhütet wurde.
-
-Bald aber prallten so ansehnliche Brocken auf die Oberfläche des
-Fahrzeugs auf, daß man das Schlimmste befürchten mußte und selbst
-Münchhausen seine gastronomische Tätigkeit unterbrach.
-
-Als das Gepolter und Gedonner aufhörte, machte der Lord mit John, Heinz
-und dem Professor einen Rundgang durch die Sannah, um genau zu
-untersuchen, ob die Decke nirgends beschädigt und durchschlagen worden
-sei. Zu seiner großen Beruhigung und Befriedigung fand er, daß die
-treffliche Metallhülle dem wuchtigen Hagel durchweg standgehalten hatte
-und keinerlei Verletzung erkennen ließ. Außen hatte sie ja gewiß Beulen,
-Schrammen und Schrunden davongetragen, danach konnte man zur Zeit nicht
-sehen, denn dort draußen gähnte der leere Raum. Die Hauptsache aber
-blieb, daß der Mantel nirgends durchlöchert war und so die kostbare Luft
-nicht entweichen konnte.
-
-Als die Männer von ihrem Rundgang zurückkehrten, hatte Münchhausen auch
-seine Mahlzeit beendet, die er nach Überwindung des ersten Schreckens
-fortgesetzt hatte.
-
-»Ihre Ruhe ist beneidenswert,« sagte Schultze kopfschüttelnd: »Während
-wir, von der Sorge um unser Leben getrieben, nachsehen, ob die Sannah
-kein verhängnisvolles Loch davongetragen habe, lassen Sie sich's ruhig
-schmecken, als sei nichts geschehen und nichts zu befürchten.«
-
-»Sie halten das ja wohl für sträflichen Leichtsinn und tadelnswerte
-Gefräßigkeit,« erwiderte der Kapitän: »In Wahrheit jedoch ist es
-vernünftige Philosophie und Überlegung. Denn, sagen Sie selber: wenn Sie
-zu viert ausziehen, nach einem etwaigen Schaden zu sehen, wozu soll ich
-als fünftes Rad am Wagen mittrotteln? Und schließlich, entweder die
-Sannah hat eine gefährliche Verletzung davongetragen oder nicht. Ist sie
-unbeschädigt, so wäre die Unterbrechung meiner Mahlzeit zum mindesten
-überflüssig gewesen, wäre jedoch ein gefährliches Leck vorgefunden
-worden, so hätte sie auch da rein gar nichts helfen können; im
-Gegenteil, mit leerem Magen steht man einer Gefahr viel hilfloser und
-schwächlicher gegenüber als mit dem Gefühl der Sättigung, das einen zu
-ruhigerer Überlegung befähigt.«
-
-»Na! Allenfalls hätten Sie mit wohlgefülltem Wanst unter Umständen auch
-ein großes Loch mit Ihrer werten Persönlichkeit verstopfen können, bis
-wir es kalfatert hätten, um den Luftaustritt zu verhindern,« höhnte
-Schultze.
-
-»Spotten Sie nicht,« mahnte der Kapitän würdig, »zu solcher Aufopferung
-wäre ich stets bereit gewesen und auf ähnliche Art habe ich sogar schon
-einmal ein großes Schiff vor dem sichern Untergang gerettet.«
-
-»Oho! Erzählen Sie!« rief Flitmore, sich in einen Sessel werfend.
-
-»Gerne!« erklärte Münchhausen bereitwillig. »Es ist gar nicht so lange
-her: meine zunehmende Leibesfülle erschwerte mir bereits meinen Dienst
-als Schiffskapitän, als mein stattliches Schiff eines Tages auf ein
-unterseeisches Riff aufstieß, das auf keiner Seekarte verzeichnet war.
-Wir bekamen ein Leck von solcher Größe, daß trotz allen Pumpens der
-untere Schiffsraum sich fabelhaft rasch mit Wasser anfüllte. Unser
-Untergang schien unvermeidlich, denn eine Küste, wo wir hätten landen
-können, war nicht in Sicht. Die Felsspitze, die uns so verhängnisvoll
-geworden war, mußte einer einsamen unterseeischen Insel angehören.
-
-Ich begab mich mit dem Schiffszimmermann und zwei Matrosen hinunter, um
-zu sehen, ob dem Leck denn gar nicht beizukommen sei; doch es befand
-sich schon völlig unter Wasser. Auf einem schmalen Balken turnte ich
-über dem gurgelnden Naß gegen die Schiffswand, als ich plötzlich ein
-schlangenähnliches Wesen da unten herumplätschern zu sehen vermeinte.
-Bald tauchten drei, vier solcher Schlangen von etwa sechs Meter Länge
-auf. Kein Zweifel! Ein Riesenkraken, auch Polyp oder Tintenfisch
-genannt, streckte seine schrecklichen Fangarme durch das Leck ins
-Schiffsinnere; sein Leib, so weich und elastisch er war, konnte wegen
-seiner kolossalen Dicke nicht eindringen.
-
-Plötzlich schnellte so ein Riesenarm auf mich zu, und wie ich erschreckt
-ausweichen will, verliere ich das Gleichgewicht und stürze ins Wasser.
-
-Sofort umklammert mich das Seeungeheuer mit seinen sämtlichen Fangarmen
-und sucht mich zu sich hinauszuziehen. Glücklicherweise war nun wiederum
-ich zu dick. Mein Bauch wurde gegen das Loch gepreßt, das er völlig
-verstopfte, während ich den Kopf noch über Wasser halten konnte.
-
-Meine Begleiter sprangen alsbald ins Wasser mir zu Hilfe: sie wollten
-mit ihren Messern die Fangarme des Polypen durchschneiden und mich so
-aus der erstickenden Umarmung befreien. Ich aber hatte sofort erkannt,
-daß uns hier der einzige Weg zur Rettung des Schiffes gewiesen war, und
-ich bedachte mich keinen Augenblick, mein Leben zu opfern, wenn es sein
-sollte, um Fahrzeug und Mannschaft zu retten.
-
-Ich rief daher den Matrosen zu, sie sollten ihre Messer in Ruhe lassen,
-dagegen starke Taue an die einzelnen Glieder des Kraken binden. Sie
-wußten nicht recht, was das sollte, doch, gewohnt, mir blindlings zu
-folgen, führten sie die schwierige und nicht ungefährliche Arbeit aus.
-
-»Nun ziehet die Leinen straff an,« rief ich, als die Sache soweit war,
-»und knüpft sie an einem Längsbalken fest, daß die Fangarme gestreckt
-werden!« Mit Hilfe einiger weiterer herbeigeeilter Mannschaften wurde
-dies ausgeführt und der Tintenfisch mußte mich aus der Umklammerung frei
-geben, als seine Glieder mit aller Gewalt angezogen und gestrafft
-wurden.
-
-Halbtot fischte man mich aus dem Wasser und ich verlor das Bewußtsein,
-während man mich an Deck trug, wozu nicht weniger als sechs Mann
-erforderlich waren.
-
-Der Polyp aber saß fest und sein weicher, kolossaler Leib war durch die
-strammgezogenen Seile derart in das Leck gezwängt, daß es völlig
-verstopft wurde und kein Tropfen Wasser mehr eindringen konnte.
-
-Bis ich aus meiner Ohnmacht erwachte, war das Wasser schon soweit
-ausgepumpt, daß der Zimmermann an die beschädigte Stelle gelangen und
-sie kalfatern konnte, wobei gemäß dem Fortschreiten der Arbeit dem
-Kraken die Arme einzeln abgetrennt wurden, bis er mit Verlust seiner
-Glieder das Weite suchen konnte und die letzte Lücke hinter ihm
-vernagelt wurde. Nun war das Schiff gerettet, und meiner Leibesfülle war
-dies in letzter Linie zu danken; denn wäre ich so schlank gewesen, wie
-Sie, meine Herren, so hätte mich das widrige Scheusal mit Leichtigkeit
-durch das Loch hinausgezogen, ich wäre eines elenden Todes gestorben und
-mein Schiff mitsamt der Mannschaft wäre rettungslos zugrunde gegangen.«
-
-»Ein Hoch auf Ihren segensreichen Körperumfang!« rief Schultze, sein
-Glas füllend und erhebend.
-
-»Und auf Ihre edle Opferfreudigkeit,« fügte Flitmore hinzu, ebenfalls
-mit dem schmunzelnden Kapitän anstoßend und in die allgemeine Heiterkeit
-einstimmend.
-
-»Das war sozusagen ein großartig zu nennendes Abenteuer,« meinte John,
-»aber wenn ich mir nun erlauben darf, Mylord, Sie daran zu erinnern, so
-haben Sie mir versprochen, zu erklären, wie man wissen kann, daß außer
-den leuchtenden Sonnensternen auch noch dunkle Sterne vorhanden sein
-dürften, trotzdem man sie nicht sehen kann.«
-
-Flitmore gab bereitwilligst Auskunft, indem er begann: »Zunächst kann
-man es vermuten, denn die Fixsterne sind doch lauter leuchtende,
-glühende Sonnen, meist viel größer als unsre irdische Sonne. Wenn nun um
-diese mehrere dunkle Planeten kreisen, warum nicht auch um die Millionen
-andrer Sonnen im Weltraum?
-
-Sodann unterscheidet man drei Klassen von Fixsternen je nach ihrer
-Lichtstärke. Die erste Klasse umfaßt die weißleuchtenden Sterne, die
-sich noch in höchster Glut befinden, also wohl die jüngsten sind. Zu
-diesen gehören Regulus im Löwen, Sirius im großen Hund, Wega in der
-Leier. Auch die blauen Sterne gehören hierher.
-
-Die zweite Klasse umfaßt die gelben Sterne, ähnlich unsrer Sonne, die
-schon von niedererer Temperatur und Helligkeit sind. In die dritte
-Klasse rechnet man die rotglühenden Sterne und die orangeroten.
-
-Zwischen diesen Klassen und in denselben gibt es aber alle möglichen
-Zwischenstufen und Übergänge, und manche Astronomen unterscheiden noch
-eine vierte Klasse der blutroten Sterne von geringer Helligkeit und eine
-fünfte, die nur einige wenige Sterne umfaßt, die das Spektrum des
-Wasserstoffs geben.
-
-Die erste Klasse umfaßt die meisten Fixsterne, die zweite etwa die
-Hälfte der ersten, die dritte ungefähr den achten Teil. Daraus schließt
-man, daß ein Stern doppelt so lang im ersten als im zweiten Zustand
-bleibt und in diesem viermal so lang als im dritten. Diese Ansicht
-übersieht jedoch völlig, daß uns die hellsten Sterne aus einer
-Entfernung sichtbar sein können, aus der das Licht weniger heller
-Weltsonnen gar nicht mehr bis zu uns dringt, daß wir also auch so
-rechnen können: aus der entferntesten Region des sichtbaren Weltalls
-leuchten uns nur die Sterne erster Klasse, die andern sehen wir nicht;
-aus der mittleren Region werden uns auch die Sterne zweiter Klasse noch
-sichtbar und nur aus der uns nächsten Region auch noch schwächer
-leuchtende. Natürlich kommt dabei auch noch die Größe der Sterne in
-Betracht, da wir einen Stern zweiter Klasse vielleicht noch aus einer
-Entfernung erkennen können, aus der uns ein millionenmal kleinerer Stern
-erster Klasse nicht mehr zu Gesichte kommt.
-
-Das kommt daher, daß das Licht im Raum nicht ungeschwächt vordringt,
-sondern mit der Entfernung zunehmend an Glanz einbüßt: der im Raum
-enthaltene Stoff schluckt etwas von dem ihn durcheilenden Lichte an; das
-nennt man Absorption. Und gerade diese Lichtabsorption, für die man
-verschiedene Beweise hat, gibt uns die Gewißheit, daß der Raum nicht
-leer ist, sondern von einem Stoff erfüllt, der Licht aufzusaugen vermag.
-
-Es ist nun klar, daß auf eine bestimmte Entfernung hin das Licht eines
-Sternes schließlich völlig aufgesogen sein muß, und so nimmt man an, daß
-Sterne, die über 16000 Lichtjahre von uns entfernt sind, überhaupt kein
-Licht mehr so weit zu bringen vermögen und uns daher ewig unsichtbar
-bleiben.
-
-Was also über diese Lichtgrenze unsrer Welt hinausgeht, bleibt uns
-unbekannt; kein Fernrohr, und wäre es millionenmal stärker als wir sie
-bauen, vermöchte den Schleier zu lüften, keine photographische Platte
-wäre dazu imstande, und wenn sie millionenmal empfindlicher wäre als die
-Platten, die uns jetzt schon Sterne nachweisen, die man mit dem besten
-Teleskop nicht zu finden vermag.
-
-Nun aber zurück zu den dunkeln Welten: sehen wir, daß die Fixsterne sich
-in den verschiedensten Stufen der Glut befinden, manche schon im
-Erlöschen begriffen, was liegt näher, als daß auch Millionen schon
-längst erloschener Weltkörper im Raume sich bewegen, die uns das
-schwache Licht, das sie von ihren Sonnen empfangen, nicht zu Gesicht
-bringen können? Dazu kommt noch unser Glaube an des Schöpfers Weisheit
-und Güte: sollte er Millionen Sonnen erschaffen haben ohne einen Zweck?
-Oder sollten sie nicht vielmehr dienen, Welten zu erleuchten und zu
-erwärmen, die von den Wundern Gottes überfließen, und wo lebendige Wesen
-sich ihres Daseins freuen?
-
-Einige Astronomen nehmen an, daß das Weltall Tausende von Millionen
-Sonnen und Hunderttausende von Millionen dunkler Welten besitze und zwar
-solche von ungeheurer Größe. Sie glauben auch nicht, daß der Raum von
-drei- bis viereinhalb Lichtjahren, der unser Sonnensystem von der
-Fixsternwelt trennt, eine weltenleere Einöde sein könne, sondern daß
-einige Millionen dunkler Körper sich darin finden könnten, so große
-sogar, daß unser Sonnensystem sich um sie drehe. Denn nichts beweist
-uns, daß sich leuchtende und nichtleuchtende Weltkörper nicht auch um
-ein erloschenes dunkles Gestirn drehen können, sofern es groß genug ist.
-
-Dies alles sind ja zunächst nur Vermutungen, wenn auch solche, die die
-größte Wahrscheinlichkeit für sich haben. Aber wir haben auch Beweise
-für das Vorhandensein solcher dunkler Weltkörper.
-
-Wenn ein dunkler Trabant zwischen uns und seiner Sonne vorübergeht, so
-werden wir ja für gewöhnlich davon nichts merken können, weil bei der
-ungeheuren Entfernung die Verfinsterung allzu gering ist, sobald er
-wesentlich kleiner ist als seine Sonne, was wir ja gewiß als das
-Gewöhnliche annehmen müssen. Dennoch gibt es Fixsterne, die uns erkennen
-lassen, daß ein dunkler Trabant sie umkreist; das sind die sogenannten
-veränderlichen Sterne, aber das soll dir der Professor erklären, ich
-habe es nicht so im Kopf.«
-
-»Gerne!« erklärte Schultze bereitwillig. »Veränderliche Sterne heißt man
-diejenigen, deren Helligkeit zu Zeiten abnimmt, um dann aber wieder
-zuzunehmen. Man unterscheidet da den Miratypus, den Lyratypus und den
-Algoltypus.«
-
-»O, wie fein das klingt!« unterbrach John: »Miratyphus, Liratyphus und
-Alkoholtyphus.«
-
-Das herzliche Gelächter, das seine Repetition der melodischen Namen
-erweckte, nahm er gewohntermaßen nicht übel.
-
-Der Professor aber machte weiter: »Der Stern Mira, das heißt >Der
-Wunderbare<, im Walfisch strahlt gelegentlich als Stern erster oder
-zweiter Größe, aber nur wenige Wochen lang. 70 Tage später ist er schon
-so lichtschwach, daß er nur noch im Fernrohr sichtbar ist, noch weiter
-an Glanz abnehmend. Späterhin nimmt sein Licht wieder zu und zwar viel
-rascher, als es zuvor abgenommen. Nachdem er dem bloßen Auge wieder
-sichtbar geworden, erreicht er in 40 Tagen seinen höchsten Glanz. Diese
-Perioden dauern durchschnittlich 333 Tage von einem Höhepunkt zum
-andern, sind aber nicht ganz regelmäßig, auch der Glanz des Sterns
-erreicht nicht immer die gleiche Höhe.
-
-Man nimmt daher an, Mira sei eine erlöschende Sonne, die sich wie unsre
-Sonne periodisch mit vielen Flecken überzieht, nur noch mit viel mehr.
-Wenn unsre Sonne einmal so weit kommt, muß alles Leben auf Erden zu
-Grunde gehen. Auch die Spektralanalyse beweist die Ähnlichkeit dieses
-Wundersterns mit der Sonne.
-
-Heute kennt man hunderte von veränderlichen Sternen vom Miratypus, die
-meist in Perioden von 300 bis 400 Tagen ihr Licht wechseln. Manche aber
-sind völlig unregelmäßig, bleiben jahrelang unveränderlich oder leuchten
-binnen weniger Stunden mit großer Schnelligkeit hell auf. Das scheint
-auf gewaltige Umwälzungen hinzuweisen, die sich dort abspielen.
-
-Der Stern Beta in der Leier zeigt den sogenannten Lyratypus; der
-Lichtwechsel geht ziemlich pünktlich vor sich, seine Stärke aber nimmt
-nicht gleichmäßig zu, sondern geht zwischenhinein wieder herunter. Man
-nimmt an, daß wir es hier mit halberstarrten Sonnen zu tun haben, die
-uns abwechselnd ihre erkalteten und ihre unregelmäßig verteilten
-glutflüssigen Oberflächenteile zuwenden.
-
-Zwischen diesen beiden Typen gibt es noch allerlei merkwürdige
-Abweichungen, wie zum Beispiel der besonders wundersame Stern S im
-Schwan, der 2 Monate lang unverändert bleibt, dann rasch um das 12 bis
-14fache an Glanz zunimmt, einmal 5, das andremal 10 Tage lang so hell
-bleibt, um darauf nach einer Woche wieder so schwach zu leuchten wie
-zuvor. Aber das geschieht nicht regelmäßig, sondern öfters zeigt er
-wieder andre Perioden.
-
-Ein andrer Stern wechselt in der fabelhaft kurzen Periode von 4 Stunden
-und 13 Sekunden, was darauf hindeutet, daß er sich in dieser Zeit um
-seine Achse dreht oder von einem andern Stern mit solch ungeheurer
-Geschwindigkeit umkreist wird.
-
-Dies führt uns zur dritten Klasse der veränderlichen Sterne, derer vom
-Algoltypus. Diese zeigen ein rein weißes Licht, können also keine
-erlöschenden Sonnen sein, auch sind ihre Perioden von genauester
-Pünktlichkeit.
-
-Algol im Perseus bleibt 2½ Tage unverändert als Stern zweiter Größe
-gleich dem Polarstern; dann nimmt seine Leuchtkraft erst langsam, dann
-immer schneller ab; nach 4½ Stunden ist er nur noch ein Sternchen
-dritter bis vierter Größe, nimmt aber sofort wieder zu und ist nach
-weiteren 4½ Stunden so hell wie zuvor.
-
-Hiefür gibt es nur _eine_ Erklärung: Algol wird uns verfinstert durch
-einen dunklen Weltkörper, der ihn in 2 Tagen, 20 Stunden, 48 Minuten und
-55 Sekunden umläuft, denn so viel beträgt die Periode.
-
-Dieser dunkle Begleiter muß seiner Sonne sehr nahe sein und beinahe so
-groß wie sie, sonst könnte er uns, wie schon gesagt, seine Sonne auf
-solch ungeheure Entfernung hin nicht verfinstern; natürlich muß auch
-seine Bahn unsere Gesichtslinie kreuzen, daher ist es erklärlich, daß
-man nur etwa 20 veränderliche Sterne vom Algoltypus kennt. Bei allen
-sind die Perioden sehr kurz, zwischen 20 Stunden und 9½ Tagen.
-
-Störungen weisen darauf hin, daß Algol mehr als einen Trabanten hat, und
-wir dürfen hier ganze Sonnensysteme vermuten, aber auch dort, wo kein
-dunkler Begleiter sich uns durch seine Größe und geringe Entfernung von
-seiner Fixsternsonne verrät.
-
-Schließlich verrät uns auch das Spektroskop dunkle Trabanten der
-Fixsterne dadurch, daß die Linien ihres Spektrums genau innerhalb der
-Lichtwechselperiode sich verschieben.«
-
-»Aus alledem,« sagte Flitmore, »siehst du, daß dunkle und wohl auch
-bewohnbare Weltkörper zur Genüge vorhanden sein müssen. Gott gebe nur,
-daß wir zu rechter Zeit einen solchen auffinden und glücklich dort zu
-landen vermögen.«
-
-
-
-
- 33. Ohne Luft!
-
-
-Fünf Monate dauerte schon die unheimliche Reise der Sannah mit dem
-Kometen und noch war Alpha Centauri so weit entfernt, daß sich nicht
-sagen ließ, wann man in seine Nähe kommen werde. Nun wurde öfters des
-Lords Nährmaschine in Tätigkeit gesetzt, damit die zusammenschmelzenden
-Lebensmittelvorräte gespart werden konnten. Sie lieferte denn auch eine
-sehr nahrhafte, stärkende und auch schmackhafte Kost, die freilich auf
-die Dauer die natürlich entstandenen Nahrungsmittel nicht vollwertig
-hätte ersetzen können.
-
-»Leider erweist sich Ihre Vermutung über die Geschwindigkeit Aminas als
-unrichtig,« sagte Flitmore eines Tages zu Schultze.
-
-»In der Tat,« erwiderte der Professor, »ich habe sie bedeutend
-überschätzt. Wenn man keine sichern Unterlagen für eine Berechnung
-besitzt, kann man sich leicht um das zehn- und hundertfache verrechnen
-bei solch fabelhaften Zahlen.«
-
-»Ein schlechter Trost,« seufzte der Lord; »was aber noch bedenklicher
-ist, auch ich habe zu optimistisch gerechnet, wenn ich glaubte, meine
-Sauerstoffvorräte würden elf Monate ausreichen: wir sind nicht viel mehr
-als halb so lange unterwegs, und bis auf eine kleine Kammer sind schon
-alle geleert; Ozon haben wir überhaupt keines mehr.«
-
-»Wie lange kann uns die Luft noch reichen?« fragte Münchhausen.
-
-Der Lord zuckte die Achseln: »Bei äußerster Sparsamkeit, und zwar bei
-alleräußerster, drei Wochen; dann ist es aus mit uns.«
-
-»Sparen wir!« sagte der Kapitän trocken.
-
-»Das werden wir tun; aber es wird eine böse Zeit werden und wer weiß, ob
-es uns etwas hilft!«
-
-Von jetzt ab wurde der geringe Rest an Sauerstoff so ängstlich zu Rate
-gehalten, daß die Luft in der Sannah für die Lungen kaum noch brauchbar
-war.
-
-Die Folgen zeigten sich auch bald bei allen: an mehr als die
-notwendigste Tätigkeit war nicht mehr zu denken, da eine furchtbare
-Mattigkeit und Erschlaffung sich der Ärmsten bemächtigte. Röchelnd und
-nach Luft schnappend lagen sie umher und überließen sich so viel als
-möglich der bleiernen Schläfrigkeit, die sie gefangen hielt; denn im
-Schlaf verbrauchten sie am wenigsten von der kostbaren Luft.
-
-Je mehr sich der Hunger nach Luft steigerte, desto weniger wollte ihnen
-Essen und Trinken mehr schmecken. Bleich und eingefallen, Gespenstern
-gleich, schlichen sie durch die Räume, wenn sie sich vom Lager erhoben,
-suchend, ob nicht irgendwo bessere Luft zu finden sei; aber sie war
-überall verbraucht und vergiftet.
-
-Nicht mehr von Tag zu Tag, nein, von Stunde zu Stunde steigerten sich
-jetzt die Qualen, und die Wächter hatten die schwere Pflicht, mit
-äußerster Willensanspannung den Schlaf zu überwinden, um die
-erstickenden Genossen rechtzeitig wecken zu können: sonst wäre
-schließlich niemand mehr aufgewacht!
-
-»Erfinden Sie etwas, um künstlichen Sauerstoff herzustellen oder um die
-verbrauchte Luft wieder für die Atmung tauglich zu machen,« keuchte der
-Kapitän: »Mit mir geht's zu Ende, Lord!«
-
-Flitmore lächelte schwach und wehmütig und sah nach Mietje, die mit
-geschlossenen Augen krampfhaft zuckend im Sessel lehnte. »Ja, wenn ich
-das zu erfinden vermöchte! Hilft uns Gott nicht, so sind wir alle
-verloren. Aber _bald_ muß die Hilfe kommen: ich habe ja berechnet, daß
-uns der Sauerstoff bei dem gegenwärtigen Verbrauch noch vier Tage
-reichen kann; aber ich sehe ein, so geht es nicht weiter, wir brauchen
-unbedingt bessere Luft, es ist die höchste Zeit. Und so muß die
-Sparsamkeit ein Ende haben; ich bin entschlossen, den ganzen Rest unsres
-Vorrats auf die nächsten 24 Stunden zu verteilen. Dann leben wir noch
-einmal auf, ein letztesmal. Was dann weiter kommt, steht in des
-Allmächtigen Hand!«
-
-Mit diesen Worten schlich sich der Lord weg, um die Ventile zu öffnen,
-die den gepreßten Sauerstoff in das einzige noch bewohnte Zimmer strömen
-lassen sollten.
-
-Die Lady erhob sich wie im Traum und verließ mühsam das Gemach.
-
-Heinz, dem nichts Gutes ahnte, folgte ihr. Er fand sie in einer Stube,
-in der die beiden Schimpansen erstickend am Boden lagen: man hatte die
-Affen, so leid es einem tat, entfernen müssen, daß sie nicht auch noch
-halfen, ihren menschlichen Leidensgefährten das letzte bißchen Luft
-wegzuatmen.
-
-»Was haben Sie im Sinn?« fragte Heinz die Lady.
-
-Diese sah ihn müde an: »Was liegt an mir? Es kommt vor allem darauf an,
-die Männer am Leben zu erhalten, bis Gott ihnen Rettung sendet. Ich will
-ihnen nicht die letzten Aussichten nehmen.«
-
-»Sie wollen hier ersticken?« rief Heinz entsetzt.
-
-»Hier oder dort, das ist doch einerlei,« sagte die Lady lächelnd.
-
-»Aber hier ist es in einer Stunde aus mit Ihnen; dort können Sie noch 24
-Stunden aushalten, und zwar in verhältnismäßig guter Luft, da der Lord
-die Luft gründlich verbessern will.«
-
-»Gehen Sie, vielleicht wird dadurch Ihr Leben verlängert bis die Hilfe
-kommt, und die wird nicht ausbleiben, dessen bin ich sicher.«
-
-»Nein, Lady! Ein solches Opfer können wir nicht annehmen, auch ist es
-zwecklos.«
-
-»Wer weiß?«
-
-»Nun, so bleibe ich auch da; dann ....«
-
-Weiter kam er nicht, ein furchtbarer Stoß erschütterte die Sannah, ein
-Krachen und Knistern erscholl und pflanzte sich wie rollender Donner
-durch die Metallhülle weiter. Alle Räume erbebten. Dann wurde es still.
-
-
-
-
- 34. Ein verhängnisvoller Zusammenstoß.
-
-
-»Gott sei uns gnädig! Was war das?« schrie Lady Flitmore.
-
-»Wenn nur kein Unglück die andern betroffen hat!« rief Heinz.
-
-Und so schnell ihre schwachen Kräfte es ihnen erlaubten, eilten sie
-zurück in das Zenithzimmer.
-
-»Was ist geschehen?« rief ihnen hier Münchhausen entgegen.
-
-»Das wollten wir Sie fragen,« gab Heinz zurück.
-
-»Wo ist mein Gatte?« forschte Mietje besorgt.
-
-»Da kommt er!« sagte Schultze aufatmend.
-
-Der Lord trat ein. Todesblässe bedeckte sein Antlitz.
-
-»Gottlob! Dir ist nichts passiert!« rief die Lady, alles andre
-vergessend.
-
-»Wir wollen uns auf unser Ende vorbereiten,« erwiderte Flitmore dumpf:
-»Es ist keine Hoffnung mehr für uns, mit dem Leben davonzukommen, die
-nächsten Stunden bringen den Tod.«
-
-»Kein Sauerstoff mehr da?« fragte der Kapitän.
-
-»Ein großes Meteor hat die Sannah gestreift und ihre Umhüllung
-zertrümmert und zwar mußte es gerade unsre letzte Sauerstoffkammer sein,
-deren Decke durchlöchert wurde. Natürlich ist alles in den leeren Raum
-entwichen. Als ich die Ventile öffnen wollte, erfolgte gerade der Krach.
-Ich ahnte, was geschehen und blickte durch das Seitenwandfenster in den
-Raum, der durch das Licht des Kometen erhellt wurde, das durch die
-zertrümmerte Decke eindringt.«
-
-Eine tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich aller. Nur John
-entfernte sich stillschweigend. Er wußte eigentlich selber nicht, warum;
-doch gedachte er, sich den Schaden zu besehen und einen Rundgang durch
-das Weltschiff zu machen, um festzustellen, ob sonst alles in Ordnung
-sei.
-
-In Ordnung! Ja, wenn nur Luft dagewesen wäre! Es war eine mühsame
-Wanderung durch die sauerstoffleeren Räume und oft drohten dem Diener
-die Kräfte zu versagen; doch heldenmütig schleppte er sich weiter.
-
-Im Nordpolzimmer sah er die beiden Schimpansen sterbend am Boden liegen.
-Sie dauerten ihn.
-
-Er richtete die treuen Tiere auf, die sich krampfhaft an ihn
-festklammerten.
-
-»Ihr sollt nicht so lange leiden müssen,« sagte er: »Wir wollen alle
-drei hinaussteigen, wo gar keine Luft ist, dann sind wir gleich tot!«
-
-Gleichzeitig begab er sich zur Lucke, um sich mit den Affen in den
-leeren Raum zu stürzen, denn er war der Meinung, sie würden hinabfallen;
-die Anziehungskraft des Mittelpunktes der Sannah, die ihn an der
-Oberfläche der Umhüllung festhalten würde, hatte er nicht begriffen.
-
-Es waren durchaus keine Selbstmordgedanken, die John zu diesem
-anscheinend so verzweifelten Schritte trieben; klare Gedanken vermochte
-er überhaupt nicht mehr zu fassen, da das Blut dumpf in seinen Schläfen
-hämmerte, seine Lunge keuchte und röchelte, und seine Kiefer umsonst
-nach Luft schnappten. Ein dunkler Nebel umfing seine Sinne. Aber der
-gleiche Gedanke, der Mietje bewogen hatte, sich opfern zu wollen,
-dämmerte auch im Hintergrunde von Johns Seele, als er zur Lucke
-hinaufkletterte: er wollte von dem letzten Restchen Luft seinem Herrn
-nichts mehr wegatmen. Und dann war es noch das Mitleid mit Dick und
-Bobs, die ein rasches Ende finden sollten.
-
-Unterdessen sahen die andern im Zenithzimmer einem langsamen,
-schrecklichen Ende entgegen. Immerhin konnte es nicht lange mehr dauern,
-so würde eine wohltätige Bewußtlosigkeit eintreten und ihnen das Gefühl
-der letzten Qualen ersparen.
-
-Lord Flitmore war gefaßt und in den göttlichen Willen ergeben.
-
-Heinz und Mietje zeigten sich ebenfalls ruhig: schwer wurde ihnen nur,
-daß sie sich nicht für die andern opfern konnten, das hatte jetzt keinen
-Zweck mehr.
-
-Der Kapitän war der Unruhigste: ihm paßte das Ersticken durchaus nicht
-und er sehnte sich nach einer frischen Seebrise. So murmelte er denn hie
-und da etwas vor sich hin, das nicht danach klang, als habe er mit der
-schnöden Welt bereits abgeschlossen. Doch er war kein Hasenfuß und kein
-Zweifler; gewiß fand er sich auch noch in sein Schicksal, er mußte nur
-zuvor noch einiges überwinden.
-
-Im Stillen bewunderte er Professor Schultze: der schien auf einmal alles
-vergessen zu haben und so schwer auch er mit dem Luftmangel kämpfte,
-in den letzten Viertelstunden seines Lebens noch ganz von
-wissenschaftlichem Eifer beseelt zu sein.
-
-Der Zusammenstoß hatte seine Wißbegierde erregt und er forschte
-angestrengt nach dessen Gründen.
-
-»Es ist klar,« sagte er endlich mit schwacher Stimme: »Ein neuer Komet
-ist die Ursache des Verhängnisses, dieser neue Komet ist durch den
-Schweif der Amina gefahren und ein fester Bestandteil seines eignen
-Schweifes hat unsre Sannah getroffen.
-
-Auch sind wir vom Kopfe unsres Kometen viel weiter entfernt als bisher:
-es scheint zwischen den beiden Haarsternen ein heftiger Kampf um unsre
-Wenigkeit entbrannt zu sein: der neue Komet will uns mit sich
-fortreißen, die Amina will uns nicht freigeben! Es wäre wirklich
-interessant, zu erleben, welcher von beiden es gewinnt: kommt die Sannah
-los vom Kometen Amina, so führt sie der andre Komet wahrscheinlich
-zurück nach unserm irdischen Sonnensystem.«
-
-»Wirklich hochinteressant,« sagte der Kapitän spottend. »Nur schade, daß
-wir das Ende des Kampfes nicht erleben und daß die Rückfahrt in unser
-Sonnensystem uns ziemlich einerlei sein kann; denn was kümmert's uns, wo
-unser großer Sarg landet. Ja, wenn Sie uns verkünden könnten, daß irgend
-in der Nähe ein Hoffnungsstern uns leuchtet, daß wir innerhalb einer
-halben Stunde irgendwo landen können, das ließe ich mir gefallen, da
-hätten Ihre Beobachtungen doch einen vernünftigen Zweck.«
-
-In abgebrochenen Sätzen, oft unterbrochen durch das vergebliche Suchen
-nach mehr Luft, hatte Münchhausen diese Rede hervorgestoßen. Schultze
-aber erwiderte etwas kleinlaut:
-
-»In letzterer Beziehung allerdings sieht es schlimm aus: Alpha Centauri
-ist uns zwar verhältnismäßig sehr nahe gekommen, es lassen sich sogar
-schon leuchtende Trabanten seines Sonnensystems unterscheiden; doch
-einige Tage brauchten wir noch mindestens, um einen davon zu erreichen,
-selbst wenn wir nicht jetzt auch noch dadurch aufgehalten würden, daß
-zwei Kometen sich um uns balgen.«
-
-»Also aussichtslos!« brummte Münchhausen; und nun ward es wieder stille
-im Zimmer. Man hörte nur noch Stöhnen und Röcheln.
-
-Flitmore beugte sich über seine Gattin. Sie hatte das Bewußtsein
-verloren und würde es wohl auch nicht wieder erlangen. Es wäre zwecklos
-und grausam gewesen, sie wieder zur Besinnung zurückrufen zu wollen.
-
-Heinz schaute mit erlöschenden Blicken umher; er vermißte John: »Rieger
-fehlt!« hauchte er.
-
-Niemand erwiderte hierauf etwas.
-
-Schultze blickte immer noch zum Fenster hinaus.
-
-Plötzlich verdunkelte sich dieses; ein Schatten fiel darauf und nun
-wurde der Professor auf einmal lebendig, durch das höchste Erstaunen
-aufgeregt.
-
-»Da hört sich doch aber alle Wissenschaft auf!« keuchte er: »Da steht ja
-John Rieger, die treue Dienerseele! Mitten im luftleeren Raum! Ja, er
-lebt noch, er bewegt sich, er scheint ganz munter! Das ist ja die
-reinste Unmöglichkeit.«
-
-Inzwischen war John außen auf die dicke Scheibe niedergekniet, winkte
-und klopfte aus Leibeskräften.
-
-»Er tut ganz verzweifelt! Natürlich, er hält es keine Minute mehr aus
-ohne Luft. Wie er aber auch da hinauskommt und warum?« machte Schultze
-kopfschüttelnd weiter. »Soll ich ihn einlassen?«
-
-»Natürlich!« sagte Flitmore.
-
-»Meinetwegen!« stimmte der Kapitän bei: »Obgleich uns die letzte Luft
-entweichen wird, wenn wir die Lucke öffnen.«
-
-»Da ist ja auch Bobs! Nein, der tanzt ja ordentlich und schlägt
-Purzelbäume!« rief Heinz verwundert, während der Professor sich
-anschickte, eiligst die Lucke zu öffnen, um John einzulassen, den er im
-Todeskampfe wähnte.
-
-Doch noch ehe Schultze geöffnet, hatte Rieger sich besonnen, daß ja die
-Türen auch von außen aufgemacht werden konnten.
-
-Es eilte ihm offenbar ungeheuer und er konnte es nicht abwarten, bis die
-da drinnen ihm den Zugang frei legten; er drückte auf den Knopf und
-langsam drehte sich die dicke Metallplatte in ihren Scharnieren.
-
-Nun mußte die Luft vollends in den leeren Raum entweichen, aber was
-machte das schließlich aus, sie war ja Gift und ein rasches Ende konnte
-nur willkommener sein als ein langwieriger Todeskampf.
-
-Aber da geschah ein Wunder!
-
-
-
-
- 35. Ein Wunder.
-
-
-Schultze, der der Öffnung ganz nahe stand, spürte einen frischen Luftzug
-hereinwehen!
-
-Obgleich sich da selbstverständlich alle und jede Wissenschaft aufhörte,
-sprach er doch kein Wort, sondern sperrte Mund und Nase auf, um die
-köstliche, belebende Luft in seine Lungen aufzunehmen.
-
-»Nein! Herrscht bei Ihnen eine abscheuliche Stickluft,« rief John
-herein, indem er den Kopf in die Lucke steckte: »Kommen Sie doch schnell
-alle heraus.«
-
-»Kannst du denn schnaufen im luftleeren Raum?« rief der Kapitän von
-unten: er war empört, denn es schien ihm, als treibe der Diener einen
-höchst unangebrachten Scherz mit ihnen. Vielleicht hatte er den Verstand
-verloren, der arme John! Oder war er schon ein Verstorbener, ein Geist,
-der keiner Luft bedarf? Münchhausen jedenfalls brauchte noch Luft zum
-Leben, das spürte er nur zu sehr!
-
-John aber rief herab: »Es herrschen ja sozusagen die herrlichsten
-atemsphärischen Verhältnisse hier draußen! Wirklich, werter Herr
-Kapitän, eine köstliche Atemsphäre, und das Merkwürdigste ist, man fällt
-gar nicht herunter von der Sannah: ich bin vom Nordpolfenster bis hier
-heraufgestiegen, wie ich der Meinung nach gesagt haben würde, aber in
-Wirklichkeit konnte ich von einer Steigung nichts verspüren: überall war
-ich oben und wenn ich dann meinte, ich müsse mit größter Vorsichtigkeit
-an der Rampe hinunterklettern, weil es überall rund hinunter ging, so
-war das auch wieder gar nicht so und keinerlei Redensart von einem
-vorhandenen Abstieg, sondern immer nur oben. Die Affen springen um die
-ganze Sannah rings herum, daß man meint, jetzt fallen sie, jetzt stürzen
-sie ganz ins Weite; aber sie bleiben unentwegtermaßen in vollster
-Aufrichtigkeit ihrer leiblichen Haltung.«
-
-Den letzten Teil seiner sprudelnden Rede hielt John an Professor
-Schultze hin, der inzwischen hinausgeklettert war und nur atmete,
-atmete.
-
-Jetzt nahm er endlich das Wort: »Daß man um die ganze Sannahkugel
-herumlaufen kann, ohne in den Weltraum zu fallen, das hat seine
-Richtigkeit und selbstverständlich befinden wir uns an ihrer Oberfläche
-überall oben. Aber daß im luftleeren Weltraum eine so tadellose Luft
-vorhanden ist, das kann absolut nicht stimmen und geht nicht mit rechten
-Dingen zu: Da hört sich ja einfach alle Wissenschaft auf!«
-
-Nun war es heraus!
-
-Jetzt aber wandte er sich zurück und rief in die Stube hinab:
-
-»Was wollt Ihr denn dort unten noch länger mit der Atemnot kämpfen?
-Macht, daß ihr herauskommt: tatsächlich ist hier draußen eine Luft, die
-lebendig und gesund macht! Es ist zwar selbstverständlich ein
-unmöglicher Umstand und die reinste Torheit, es zu glauben, aber ich
-versichere euch, es ist doch so, tatsächlich so!«
-
-Unterdessen hatte der frische Luftzug von oben seinen Weg nach unten
-gemacht und war auch Flitmore, Heinz und Münchhausen in die Nasen
-gedrungen.
-
-Da raffte sich der Kapitän auf und bewegte seine Leibesmasse
-schwerfällig empor, um die köstliche Atmosphäre aus erster Hand zu
-genießen.
-
-Als er mit Kopf und Brust aus der Lucke emporgetaucht war, blieb er
-atemlos stehen und stützte sich mit den Armen auf den Türrahmen. Und
-jetzt atmete und pustete er wie eine Dampfmaschine.
-
-»He!« mahnte Schultze: »Machen Sie, daß Sie vollends herauskommen!«
-
-Münchhausen schüttelte den Kopf: »Muten Sie mir keine übermenschlichen
-Anstrengungen zu. Hier will ich verschnaufen. Ah, herrlich, köstlich!«
-
-»Aber Mensch! Wenn Sie mit Ihrem Bauch die ganze Lucke verstopfen,
-müssen ja die dort unten elendiglich umkommen! Haben Sie denn gar kein
-Mitleid mit Ihren Nebenmenschen?«
-
-»Ja so!« stammelte der Kapitän beschämt: »Da dachte ich ja gar nicht
-daran vor lauter Lebensluft, die mir zuströmt.« Und nun krabbelte er
-vollends heraus.
-
-Jetzt kamen der Lord und Heinz nach, die Mietje an die freie Luft
-emportrugen.
-
-Die Lady war noch immer ohnmächtig, als sie aber draußen in die
-sauerstoff- und ozonreiche Luft gebettet wurde, kam sie bald zu sich und
-fühlte sich nach kurzer Zeit so gekräftigt, daß sie sich zu erheben
-vermochte.
-
-Nun wurde ein Spaziergang rings um das Weltschiff gemacht, ein
-köstlicher Spaziergang! Dabei wurden sämtliche irgend vorhandenen Lucken
-geöffnet, um die verdorbene Luft entweichen und die frische Atmosphäre
-einströmen zu lassen.
-
-»Und sagen, daß wir um ein Haar allesamt elend erstickt wären, da uns
-die Lebensluft doch rings umgab!« sagte Münchhausen. »Gestorben wären
-wir, nur weil wir nicht wußten, daß es eigentlich gar keine Not hatte!
-Hätte John nicht zufällig, oder besser durch göttliche Fügung, den Gang
-ins Freie angetreten, unsre Unwissenheit hätte uns das Leben gekostet.«
-
-»Es ist aber auch rein unerklärlich, wie wir in einen mit Luft erfüllten
-Winkel des Weltraums geraten konnten,« meinte der Professor. »Es war
-gewiß niemand zuzumuten, daß er auf diesen himmelfern liegenden Gedanken
-käme.«
-
-»Doch!« widersprach Flitmore nachdenklich: »Eigentlich hätte ich daran
-denken, ja es bestimmt wissen sollen. Sie haben da wieder ein Beispiel
-dafür, Professor, wie wir Menschen, die wir uns so gar gescheit dünken,
-mit Blindheit geschlagen sind, und oft nicht einmal die nächstliegenden
-vernünftigen Folgerungen zu ziehen vermögen aus dem, was wir bereits
-erkannten.«
-
-»Wieso denn?«
-
-»Nun, ich setzte Ihnen doch auseinander, daß meiner Ansicht nach der
-Stoff, der den Weltraum erfüllt, nichts andres sein kann als verdünnte
-Luft und daß jeder Planet oder vielmehr jeder rotierende Körper durch
-eine Umdrehung und Anziehungskraft die Luft um sich her verdichtet und
-sich so mit einer Lufthülle umgeben muß.
-
-Welcher Schluß lag nun näher, als daß dies auch bei unsrer Sannah der
-Fall sein müsse? Warum sollte sie sich nicht auch mit einer Atmosphäre
-umgeben, die sie aus dem Weltraum an sich riß?«
-
-»Nein!« rief Schultze, sich an die Stirn schlagend: »Solch ein alter
-Esel, wie ich bin! Und solch einen Menschen tituliert man Professor! Die
-Sache ist ja sonnenklar! Bei unsern Landungen merkten wir natürlich
-nichts davon, weil wir die Sannah erst verließen, wenn sie sich in der
-Atmosphäre eines Weltkörpers befand. Aber hätten wir in der Zwischenzeit
-nur auch ein einzigesmal eine Lucke ein klein wenig geöffnet, so wäre
-uns frische Luft entgegengeströmt!«
-
-»Natürlich,« sagte der Lord wieder, »das wagten wir nicht, daran dachten
-wir überhaupt nicht, weil wir stets im Wahne befangen waren, dort außen
-gebe es keine Luft, die wir atmen könnten, vielmehr umlaure uns Tod und
-Verderben und lediglich der luftdichte Abschluß aller Lucken, der das
-Entweichen der Innenluft verhindre, schütze uns vor dem Erstickungstod.«
-
-»Ich konnte das ja natürlich nicht ahnen,« sagte Münchhausen, »aber daß
-unser Lord und vor allem Sie, allerweisester unter den Professoren,
-nicht so weit dachten, das ist eine Schmach für die ganze Menschheit.
-Was? Da halten Sie uns eingeschlossen wie in einem Bergwerk oder in
-einem Unterseeboot, bis wir beinahe erstickt sind, statt zu sagen: Na,
-Kinder! Machen wir die Pforten auf, spazieren wir hinaus, ein wenig
-frische Luft schöpfen? Heinrich Schultze, Sie reden immer vom Aufhören
-aller Wissenschaft, wenn Sie nur erst einmal des Wissens Anfänge inne
-hätten!«
-
-»Wenn ich mir erlauben darf, richtig verstanden zu haben«, mischte sich
-John jetzt in die Unterhaltung, »so schiene mir aus Ihren respekttiefen
-Reden ersichtlich zu sein, als ob diese Luft auch sonst früher vorhanden
-gewesen sein müßte.«
-
-»Gewiß,« sagte Flitmore, »seit unsrer Abfahrt von der Erde besitzt unsre
-Sannah eine regelrechte Atmosphäre, die sich unaufhörlich aus dem
-Raumstoff ergänzt und erneuert.«
-
-»Ah!« rief Lady Flitmore: »Da hätten wir ja schon öfters solche
-prächtige Spaziergänge im Freien machen können. Schade, daß wir's nicht
-wußten; aber jetzt wollen wir's nicht wieder versäumen.«
-
-»Nein, meine Liebe,« sagte der Lord. »Vor allem aber wollen wir Gott
-danken, daß er uns das, was uns zuvor nur als eine Annehmlichkeit
-erschienen wäre, im Augenblick der äußersten Not erkennen lehrte, da es
-unser aller Leben rettete!«
-
-Entzückend war der Wandel im Freien wahrhaftig zu nennen; nicht nur
-wegen der gesunden Luft, die begreiflicherweise anfangs allen das
-Wichtigste war, sondern auch wegen der wechselnden Aussicht, die man auf
-den Sternhimmel genoß.
-
-Die Oberfläche der Kugel mit ihren etwas mehr als 63½ Ar bot Raum genug,
-sich zu ergehen; der Umfang von 141,3 Metern gestattete, in zwei Minuten
-die ganze Sannah in beliebiger Richtung völlig zu umwandeln.
-
-So konnte man den gesamten Sternhimmel bewundern.
-
-Am nächsten standen der Sannah noch die beiden Kometen; doch schien es,
-als ob beide sich nach entgegengesetzten Richtungen hin von ihr
-entfernten: somit wäre das Weltschiff aus der gezwungenen Gefolgschaft
-der Amina befreit worden, offenbar dadurch, daß der neue Komet die
-Sannah ebenfalls angezogen hatte, ohne sie jedoch ganz mit sich
-fortreißen zu können, da die Anziehungskraft des ersten sie noch
-genügend zurückhielt.
-
-Die meisten Sternbilder am nördlichen und südlichen Himmel erschienen
-durchaus nicht viel anders, als von der Erde aus gesehen; die Entfernung
-dieser Gestirne war so groß, daß die 3½ Lichtjahre, die man ihnen näher,
-bezw. ferner gekommen war, gar nicht in Betracht kamen.
-
-Diejenigen Sternbilder jedoch, denen man sich wesentlich genähert hatte,
-(das heißt eigentlich nur einzelnen ihrer Sterne), erschienen ziemlich
-verändert oder stark verschoben.
-
-Man befand sich hier im Reiche der Fixsterne, und doch eigentlich wieder
-nur in der Nähe eines fremden Sonnensystems, von dem die Fixsternwelt
-ebenso fern schien wie von der Erde aus.
-
-Schultze gab dieser Beobachtung folgendermaßen Ausdruck:
-
-»Wir sind dem Sonnensystem Alpha Centauri ganz nahe und doch weit
-entfernt, etwa im Sternbild des Centauren uns zu befinden, wie es sich
-der Erde darstellt; denn die andern Sterne dieses Sternbildes sind uns
-meist himmelfern und scheinen von hier aus auch einer abgelegenen
-Fixsternwelt anzugehören.«
-
-»Von der Erde aus betrachtet, sind wir hier unter den Fixsternen; von
-hier aus betrachtet aber sind uns die Fixsterne ebenso entlegen wie der
-Erde, wogegen uns die irdische Sonne einen Bestandteil des
-Fixsternhimmels auszumachen scheint.«
-
-
-
-
- 36. In der Fixsternwelt.
-
-
-Die frische Luft regte den Appetit mächtig an und Münchhausen war der
-erste, der dies bemerkte.
-
-»Wie wäre es,« sagte er, »wenn wir für heute unsern Luftwandel
-einstellten und zunächst eine ausgiebige Stärkung zu uns nähmen? Mir
-ist, als hätte ich seit acht Tagen nichts gegessen.«
-
-»Unsre Mahlzeiten sind in letzter Zeit allerdings etwas zu kurz
-gekommen,« lachte Flitmore; »der Mangel an Lebensluft und Stoffwechsel
-ließ keinen rechten Hunger aufkommen.«
-
-»Nicht einmal bei mir,« bestätigte der Kapitän.
-
-»Was viel sagen will!« spottete Schultze.
-
-»Komm, John!« gebot Lady Flitmore: »Eilen wir in die Küche, ein Festmahl
-zu bereiten, so rasch wir eines zustande bringen; wir müssen heut unser
-aller Geburtstag feiern.«
-
-»Brava!« rief Münchhausen; »brava, Mylady, das ist ein genialer Gedanke.
-In der Tat sind wir heute alle zu neuem Leben wiedergeboren.«
-
-Mietje begab sich mit John hinab und die andern folgten.
-
-Während erstere sich in die Küche begaben, blieben letztere im
-Zenithzimmer.
-
-»Ich glaube,« sagte hier Flitmore, »ich habe nun auch eine Erklärung
-dafür gefunden, warum der Komet Amina uns entführt hat:
-
-Sie wissen, meine Herrn, daß nach meiner Ansicht alle Körper mit
-Anziehungskraft und Fliehkraft ausgestattet sind und sich demnach
-gleichzeitig anziehen und abstoßen, so daß sie sich einander bis zu der
-Entfernung nähern, wo Anziehung und Abstoßung sich ausgleichen und
-einander aufheben.
-
-Nun scheint mir in der Kometenmaterie die Fliehkraft zu überwiegen.
-Daher kommt es, daß die durch die Sonnennähe aufgelösten Massen dieses
-Stoffes mit solcher Wucht von der Sonne abgestoßen werden, daß sie einen
-Schweif von vielen Millionen Kilometern bilden.«
-
-»Das würde auch erklären,« fügte Schultze bei, »warum ein Komet, wenn
-er, durch die Geschwindigkeit seines Laufes die Zentrifugalkraft bis zu
-einem gewissen Grade unwirksam machend, dem Jupiter sehr nahe kommt oder
-gar die Korona der Sonne durchsaust, zwar zertrümmert und aufgelöst
-werden kann, niemals aber auf diese Weltkörper fällt.«
-
-»Auch das!« stimmte der Lord zu. »Nun aber zieht Fliehkraft die
-Fliehkraft an: nur so ist es begreiflich, daß ein Komet seinen
-ungeheuren Schweif mit sich führen und späterhin wieder einziehen kann,
-während die Weltkörper, die etwa diesen Schweif kreuzen, nichts davon
-mitnehmen, eben weil die Fliehkraft in ihm vorherrscht.«
-
-»Aber die Sternschnuppenregen und Meteorsteinfälle?« wandte Heinz ein.
-»Tatsächlich werden eben doch Teile eines Kometen oder seines Schweifes
-von der Erde angezogen.«
-
-»Gewiß!« gab Flitmore zu: »Wir müssen uns eben vorstellen, daß zwar die
-Fliehkraft in den Kometen überwiegt, einzelne Bestandteile aber doch
-positiv magnetisch sind: gerade das könnte die lockere Schweifbildung
-erklären, da sich dann Bestandteile darin finden würden, die einander
-bis zu einem gewissen Grade abstoßen müßten. Jedenfalls wäre klar, warum
-der Komet unsre mit Fliehkraft geladene Sannah anziehen und mit sich
-fortreißen mußte.«
-
-»Ich begreife,« sagte der Professor: »Und teils die rasende
-Geschwindigkeit der Fahrt, teils das Vorhandensein anziehender Elemente
-im Schweife verhinderte es, daß wir durch Ausschalten des Stroms
-freikommen konnten.«
-
-»So stelle ich es mir allerdings vor,« sagte der Lord. »Nun hat uns der
-andre Komet aus dem Anziehungsbereich der Amina fortgerissen, ohne uns
-jedoch festhalten zu können, weil die mit einander streitenden Kräfte
-unsre Sannah schließlich an die Grenze der Anziehungssphäre beider
-Kometen brachten. Und nun werde ich mich beeilen, den Zentrifugalstrom
-auszuschalten, damit wir von dem Sonnensystem Alpha Centauri angezogen
-werden und, wenn wir einen günstigen Planeten entdecken, dort landen
-können.«
-
-Da dies allgemein für das Beste gehalten wurde, stellte Flitmore alsbald
-die Fliehkraft ab.
-
-Dem Festmahl, das nun aufgetragen wurde, sprachen alle wacker zu und es
-entwickelte sich eine behagliche und heitere Stimmung, die nach den
-ausgestandenen Leiden und Todesängsten doppelt erquickte.
-
-Dann ergab man sich einem köstlichen Schlaf, wie man ihn schon lange
-nicht mehr genossen hatte.
-
-Als unsre Freunde am andern Morgen im Zenithzimmer zum Frühstück sich
-vereinigten, flutete heller Sonnenschein durchs Fenster, ein Wunder, das
-mit größter Überraschung und einem wahren Jubelausbruch begrüßt wurde;
-denn seit dem Verlassen des irdischen Sonnensystems war das blasse Licht
-des Kometen und der Schein der elektrischen Glühbirnen der Sannah das
-einzige Licht gewesen, das man gekannt.
-
-Sofort nach beendigtem Mahl eilten alle ins Freie, um das neue
-Schauspiel zu genießen.
-
-Die Oberfläche der Sannah strahlte im hellsten Sonnenglanz. Ihre
-Flintglasbekleidung verhinderte jedoch eine allzugroße Erhitzung. Es war
-wie der plötzliche Einzug warmen, sonnigen Frühlings nach langer,
-frostiger Winternacht!
-
-»Da sind ja sozusagen zwei Sonnen!« rief John aufs höchste überrascht,
-»wenn ich mir erlauben darf, mich nicht wesentlich zu täuschen, was
-nicht der Fall sein dürfte.«
-
-Alle sahen empor nach den blendenden Tagesgestirnen, die allerdings zu
-zweit, anscheinend dicht neben einander am Himmel leuchteten.
-
-So merkwürdig dies aussah, lange konnte man nicht hinblicken: die Augen
-hielten den Glanz nicht aus.
-
-»Das stimmt,« sagte Schultze: »Alpha Centauri ist ein Doppelstern.« Und
-alsbald hielt er einen Vortrag über Doppelsterne, der hier ganz am
-Platze war.
-
-»Das Vorhandensein solcher Doppelsterne,« sagte er, »ist erst seit
-einigen Jahrzehnten bekannt. Allerdings hatte das Fernrohr den
-Astronomen schon lange enthüllt, daß da, wo man mit bloßem Auge einen
-einzigen Stern zu sehen vermeint, in Wirklichkeit zwei oder gar mehrere
-sein können, und der neblige Schimmer der Milchstraße löste sich unter
-dem Teleskop in dichte Massen zahlloser Sterne auf, so daß Herschel
-anfangs vermutete, alle Sternnebel müßten sich in genügend starken
-Instrumenten als solche Sternenhäufungen erweisen. Aber alle diese
-Sterne erscheinen nur wegen ihrer perspektivischen Lage und unendlichen
-Entfernung einander so nahe zu sein, daß sie für das bloße Auge zu einem
-zusammenhängenden Gebilde werden. In Wirklichkeit sind sie durch
-Himmelweiten von einander getrennt und sind durchaus nicht das, was man
-Doppelsterne und mehrfache Systeme nennt.
-
-Die wirklichen Doppelsterne sind zwei Sonnen eines Sonnensystems, deren
-eine die andere umkreist. Bessel war der erste, der im Jahre 1847
-verkündigte, Sirius im großen Hunde, sowie Procyon im kleinen Hunde
-müßten dunkle Begleiter haben.
-
-Zwanzig Jahre später wurde der Begleiter des Sirius, den Bessel durch
-bloße Berechnung erraten hatte, von Alvon Clark entdeckt. Er schien halb
-so groß wie Sirius, also 12 bis 15 mal so groß wie unsere Sonne, aber
-10000mal lichtschwächer, immerhin noch selbstleuchtend, sonst wäre er
-unsichtbar geblieben. Seine Entfernung von Sirius ist gleich der des
-Uranus von unserer Sonne.
-
-Bessel hatte aus den ganz eigentümlichen Bewegungen des Sirius die
-Umlaufzeit seines Begleiters auf 50 Jahre berechnet; sie wurde denn auch
-neuerdings mit 50,38 Jahren bestimmt.
-
-Die Doppelsterne« umkreisen einander meist in sehr langgestreckten
-Ellipsen. Die Umlaufzeit der Doppelsterne, die durch die sichtbare
-Veränderung ihrer Lage bestimmt werden konnte, beträgt im Mindestmaß 5,7
-Jahre. Doppelsterne mit noch kürzerer Umlaufzeit stehen einander zu
-nahe, um auch mit den besten Teleskopen noch getrennt gesehen werden zu
-können.
-
-Hier hat uns denn das Spektroskop neue Enthüllungen gebracht; man sah in
-den Spektren einiger Sterne periodische Doppellinien auftreten, die mit
-Sicherheit offenbarten, daß uns hier zwei Körper Licht sandten, von
-denen sich einer auf uns zu, der andere von uns weg bewegte. Aus der
-Verschiebung dieser Linien konnte man die Umlaufszeit nach
-Sekundenkilometern berechnen, selbst ohne die Entfernung der
-betreffenden Himmelskörper zu kennen.
-
-Alle spektroskopisch entdeckten Doppelsterne haben sehr kurze
-Umlaufzeiten von einem Tag bis zu 3 Jahren.
-
-So wurde der Polarstern als Doppelstern mit viertägiger Periode und bloß
-3 Kilometer Sekundengeschwindigkeit erkannt, sein Begleiter muß ihm also
-äußerst nahe sein.
-
-Man hat Tausende solcher Doppelsterne entdeckt und kann getrost sagen,
-sie scheinen die Regel zu bilden und ein Sonnensystem, wie das irdische,
-mit einer einfachen Sonne, ist eine Ausnahme. Diese Sterne gehören
-sozusagen dem Algoltypus an, oder wie Freund John sagt, dem
-Alkoholtyphus, nur daß ihre Begleiter nicht dunkel sind, sondern
-selbstleuchtende Sonnen, manche allerdings schon im Erlöschen begriffen,
-wie bei Sirius.
-
-Es gibt aber nicht bloß Doppelsterne, sondern auch vielfache Systeme,
-wie auch schon die Nebelflecke ein bis vier Zentralkerne aufweisen. Man
-hat bis zu neunfachen Systemen entdeckt und wenn diese mehrfachen
-Systeme verhältnismäßig selten erscheinen, so können sie
-nichtsdestoweniger sehr zahlreich sein, da die kleineren Sonnen, so
-leuchtend sie sein mögen, uns in solcher Entfernung nicht mehr sichtbar
-werden können.
-
-Ein dreifacher Stern, Gamma in der Andromeda, ist ein funkelnder
-Edelstein, der zu den herrlichsten des Himmels gehört. Schon kleine
-Fernrohre offenbaren uns seine ganze Schönheit: sein Hauptstern leuchtet
-in goldgelbem Lichte wie ein Topas, sein Nebenstern, der wieder doppelt
-ist, strahlt in wundervollem blauem Glanz, ein blitzender Saphir.
-
-Auch das Spektroskop hat uns solche vielfache Systeme enthüllt: man
-findet, daß periodisch sich verdoppelnde Linien sich in weiteren
-Perioden nochmals spalten und so vierfache Systeme verraten.
-
-Was nun die Doppelsonne anbelangt, die wir hier vor Augen haben, so
-scheinen uns die beiden Gestirne von hier aus recht nahe bei einander;
-in Wirklichkeit sind sie 25mal weiter von einander entfernt als unsere
-Erde von ihrer Sonne, also beinahe so weit als unser äußerster Planet
-Neptun von der Erde entfernt ist, da er 29 Sonnenentfernungen von dieser
-hat.
-
-Während Neptun sich in 165 Jahren um die Sonne bewegt, braucht die
-Nebensonne unseres Alpha Centauri 81 Jahre, um ihr Zentralgestirn zu
-umkreisen, welches etwa die doppelte Größe der irdischen Sonne hat.«
-
-»Und nun,« sagte Flitmore, »möge dieses Doppelsonnensystem der
-Fixsternwelt uns seine Gotteswunder offenbaren!«
-
- [Illustration: Im Hochtale Edens.]
-
-
-
-
- 37. Eine neue Erde.
-
-
-Die Sannah stürzte auf Alpha Centauri zu. Je näher sie den beiden Sonnen
-kam, desto größer erschienen diese und desto weiter ihr Abstand von
-einander.
-
-Auf dem Wege zu ihnen aber befand sich ein weiß leuchtender Stern, den
-Schultze durch das Fernrohr als einen dunkeln Planeten erkannte, der im
-Lichte seiner beiden Zentralsonnen erstrahlte und Phasen zeigte wie der
-Mond. Der Professor berechnete seinen Umfang auf das Doppelte des
-Erdumfangs und seine Umdrehungszeit auf 50 Stunden.
-
-»Das soll unser nächstes Ziel sein,« erklärte Flitmore: »Wir haben nach
-dieser ungeheuerlichen Reise wohl alle das Bedürfnis, einen Ruhepunkt im
-Weltall zu suchen, und wenn wir finden, daß dieser verheißungsvolle
-Planet uns die notwendigsten Lebensbedingungen bietet, so soll er für
-die nächste Zeit unser Aufenthaltsort sein; dann sind wir vorerst
-geborgen.«
-
-»Ja,« ergänzte Münchhausen, »und können uns den Kopf zerbrechen, wie wir
-es anstellen sollen, den Weg zu unserer armseligen Erde zurückzufinden!
-Mich beschleicht wenigstens öfters ein stilles, wehmütiges Heimweh nach
-unserem fernen Planeten; aber Gott allein weiß, ob wir ihn jemals
-wiedersehen werden! Offen gestanden, mir täte es leid, wenn er uns ewig
-entrückt bleiben sollte.«
-
-»Schade wäre es,« gab Schultze zu, »schon deshalb, weil wir das Wissen
-der staunenden Menschheit dann nicht durch den Bericht unserer
-großartigen Entdeckungen bereichern könnten; auch könnte es dann
-Jahrhunderte dauern, bis wieder einer auf unseres Lords großartige
-Erfindung käme und der Verkehr zwischen der Erde und den Planeten ihres
-Sonnensystems angebahnt würde. Andererseits eilt es mir jedoch durchaus
-nicht mit der Heimkehr, denn ich ahne, daß uns noch die wunderbarsten
-Entdeckungen bevorstehen.«
-
-»Glauben Sie, daß der Planet, dem wir uns nähern, bewohnt sein könnte?«
-fragte Mietje, der es am meisten Freude gemacht hätte, wieder mit Wesen
-menschlicher Art zusammenzutreffen und die mit einem Gefühl des Grauens
-an den Saturn zurückdachte und nicht minder an den Mars, wo nur
-Ungeheuer und widerliche Scheusale eine sonst öde Welt bevölkerten.
-
-»Möglich ist alles,« entgegnete der Professor bestimmt. »Selbst Snyder,
-der nur an die allmächtige tote Natur und an die Allweisheit ihrer
-Unvernunft glaubt, kann nicht umhin, zu erklären: »Nur ein Tor könnte
-glauben, daß im unendlichen Raume die schrankenlos schaffenden Gewalten
-des Weltalls zur Bildung einer einzigen bewohnten, von einer Sonne
-erleuchteten Welt geführt hätten.« Der große Geometer Lambert ging noch
-weiter und sagte, da uns das Mikroskop offenbare, daß auf der Erde alles
-bewohnt sei, müsse auch im Weltall alles irgendwie Bewohnbare bewohnt
-sein.«
-
-»Ja, das Bewohnbare!« warf Heinz ein: »Das haben wir ja auf dem Mars und
-Saturn selber gesehen, obgleich auf ersterem die vernünftigen Wesen
-ausgestorben scheinen, auf letzterem noch nicht vorhanden sein dürften.
-Aber wir werden doch annehmen müssen, daß auch in den Verhältnissen der
-unzähligen Planeten unendliche Verschiedenheit herrscht: auf dem einen
-mag unerträgliche Hitze, auf dem andern unmenschliche Kälte das Leben
-unmöglich machen; einer kann allzuschroffe klimatische Unterschiede, ein
-anderer eine ungünstig beschaffene Atmosphäre haben und was dergleichen
-mehr ist.«
-
-»Gewiß! Das geben wir alles zu,« meinte Schultze: »Das alles schließt
-aber das Leben nicht aus, nicht einmal das Vorkommen vernünftiger Wesen.
-Denken Sie doch daran, wie es schon auf Erden Lebewesen gibt, die
-ungeheure Kälte- oder Hitzegrade unbeschädigt zu ertragen vermögen.
-Früher war man der Ansicht, das Vorkommen von Lebewesen in größeren
-Meerestiefen sei schon infolge des ungeheuren Wasserdrucks unbedingt
-ausgeschlossen. Heute weiß man, daß ein sehr mannigfaltiges Leben auf
-dem Meeresgrunde herrscht, und daß die Tiefseegeschöpfe eben in
-wunderbarer Weise den Bedingungen angepaßt sind, unter denen sich ihr
-Leben abspielt. So sagt denn auch der eben genannte Lambert, die
-lebenden Wesen auf den verschiedensten Weltkörpern werden eben auch den
-dort herrschenden Verhältnissen entsprechend gebaut und eingerichtet
-sein, und dagegen läßt sich einfach nichts einwenden.«
-
-»Immerhin hat Lambert eine kühne Phantasie entwickelt,« sagte Flitmore:
-»Ich will ja gewiß nichts dawider sagen, auch die kühnsten Phantasien
-können mit der Wirklichkeit zusammentreffen. Er scheint sich etwa
-gedacht zu haben, daß die Menschen nach dem Tode mit einem Leibe
-versehen würden, der ihnen das Fortleben auf andern Weltkörpern
-gestatte, und daß sie dann eben dahin kämen, wo der für sie geeignetste
-Ort sei. So meinte er zum Beispiel, die Kometen wären der geeignetste
-Aufenthaltsort für Astronomen und Jahrhunderte müßten ihnen dort sein
-wie uns kurze Stunden.«
-
-»Unrecht kann ich ihm nicht geben,« erwiderte der Professor: »Verdanken
-wir es nicht einem Kometen, daß wir bis in die Fixsternwelt vordringen
-konnten? Welch ein erhebender Gedanke für einen Sternkundigen, mit einem
-Kometen die unergründlichen Tiefen des Welltalls in nie endender Fahrt
-zu durchreisen und immer neue Entdeckungen machen zu können, oft aus
-nächster Nähe zu schauen, was er auf Erden kaum ahnen konnte!
-
-Gauß wies sogar den Gedanken nicht von der Hand, man könne sich mit den
-Mondbewohnern in Verkehr setzen, dadurch, daß man durch die Bodenkultur
-auf einer größeren Ebene der Erde die Figur des pythagoräischen
-Lehrsatzes darstelle, indem durch breite Streifen hellgelber Kornfelder
-schwarze Waldvierecke eingerahmt würden. Ja, man vermutete schon im
-Ernst, die Marsbewohner bemühten sich, uns ähnliche Zeichen zu geben.
-
-Nüchterner zeigt sich Klein, wenn er sagt, wahrscheinlich sei nur eine
-verhältnismäßig geringe Anzahl von Planeten mit vernünftigen Wesen
-bevölkert; da aber die Zahl der Planeten nach Hunderten von Millionen
-zählen dürfte, könne dies immerhin eine ganz bedeutende Zahl sein. Er
-sagt ferner: >Viele darunter mögen von Wesen bewohnt sein, die uns
-selbst in geistiger Beziehung weit überragen. Hier dürfen wir unserer
-Phantasie frei die Zügel schießen lassen und überzeugt sein, daß die
-Wissenschaft keinerlei Beweis weder für noch gegen die Richtigkeit eines
-ihrer Gebilde liefern werde<.«
-
-»Und dabei ist zu berücksichtigen,« schaltete Flitmore ein, »daß Klein
-lediglich solche Weltkörper in Betracht zieht, die menschlichen Wesen
-wie uns ohne besondere Anpassung die nötigen Lebensbedingungen gewähren
-würden.«
-
-»Für uns kommen zunächst auch nur solche in Betracht,« sagte Schultze:
-»Jedenfalls können wir zur Zeit keinem Planeten einen Besuch abstatten,
-auf dem wir nicht leben und atmen können, und mag er mit noch so
-wunderbar angepaßten Lebewesen bevölkert sein, für uns ist es
-ausgeschlossen, sie kennen zu lernen, so lange es uns an der notwendigen
-Anpassung fehlt.«
-
-»Höchstens von der Sannah aus könnten wir sie beobachten,« meinte Heinz.
-
-»Kein übler Gedanke,« war des Professors beifällige Erwiderung.
-»Jedenfalls glaubten viele große Astronomen an die Bewohntheit der
-Planeten sogar im irdischen Sonnensystem: Huyghens, Littrow und viele
-andere halten sie für sehr wahrscheinlich und heute noch kann nichts
-Entscheidendes dagegen vorgebracht werden.«
-
-Anderntags war man dem neuen Planeten so nahe gekommen, daß man schon an
-den Schattenflecken und an den Zacken seines Randes die Gebirge erkennen
-konnte, die sich teilweise zu ganz ungeheuren Höhen erhoben; weite
-blitzende Flächen verrieten die Meere, und gegen Abend nach irdischer
-Zeitrechnung entdeckte man die Färbung des bewachsenen Landes und
-erschaute spiegelnde Seen und silberglänzende Flußläufe.
-
-Flitmore erkannte die Notwendigkeit, durch zeitweise Unterbrechung des
-Zentrifugalstroms die Annäherung, die mit wachsender Geschwindigkeit
-erfolgte, zu verzögern.
-
-Er gönnte sich nur kurze Ruhe, während welcher Heinz das Weltschiff
-abwechselnd sinken und steigen ließ. Dann löste der Lord den jungen Mann
-in seinem Wächteramt ab und übernahm selber die letzten Maßregeln, um
-eine sanfte, gefahrlose Landung zu sichern.
-
-Als Flitmore annehmen konnte, daß die Sannah schon ziemlich tief in die
-Atmosphäre des Planeten gesunken sei, schaltete er den Fliehstrom ein
-und begab sich nach außen. Bei ausgeschaltetem Strom wäre das
-Hinausgehen gefährlich gewesen, weil nicht mehr der Mittelpunkt der
-Sannah, sondern derjenige des Planeten die Schwerkraft durch seine
-Anziehung beeinflußt hätte, und somit ein Absturz vom Weltschiff dem
-Unvorsichtigen hätte drohen können.
-
-Als der Lord hinaustrat, stieg die Sannah unter dem Einfluß der
-Zentrifugalkraft zunächst noch mit mäßiger Geschwindigkeit empor.
-
-Es war eine köstliche Luft, die da draußen wehte, ja sie schien Flitmore
-etwas ganz besonders Einschmeichelndes und Belebendes zu besitzen, wie
-keine Luft, die seine Lungen bisher geatmet hatten. Ein
-unbeschreibliches Wohlgefühl erfüllte ihn, als er diesen balsamischen
-Äther einsog, der von fremden, wunderbar wonnevollen Wohlgerüchen
-durchdrungen schien.
-
-Da war kein Zweifel, das war nicht mehr die gewöhnliche Lufthülle der
-Sannah, das war eine ganz neue, unbekannte Atmosphäre, der man sich
-jedoch ohne alle Bedenken anvertrauen durfte.
-
-Nachdem der Lord dies festgestellt, eilte er wieder zurück, so gerne er
-länger draußen geweilt hätte. Es galt jetzt, rasch und umsichtig die
-Landung zu vollziehen, dann konnte man ja diesen köstlichen Äther zur
-Genüge genießen.
-
-Flitmore weckte Schultze.
-
-»Ich möchte Sie bitten, Herr Professor,« sagte er, »nach den
-Klingelzeichen, die ich Ihnen geben werde, den Strom ein- und
-auszuschalten; ich will mich in das Antipodenzimmer ins Beobachtungsnetz
-begeben, von wo ich die Landschaft unter uns überschauen kann. So kann
-ich dafür sorgen, daß wir an einem günstigen Platze landen.«
-
-Als der Lord sich auf seinen Posten begeben hatte, sah er, daß das
-Weltschiff über einem Hochgebirge schwebte, dessen Kamm schon so nahe
-war, daß man über seine Ränder hinweg die umgebende Landschaft nicht
-mehr zu erschauen vermochte: nur in weiten Fernen erblickte man
-hügeldurchzogene Ebenen und ausgedehnte Meere, ohne weitere Einzelheiten
-erkennen zu können.
-
-Er besann sich, ob er nicht wieder aufsteigen wollte, bis die Rotation
-des Planeten ebenes Land unter die Sannah gebracht hätte; doch war es
-schließlich nicht einerlei, wo man landete? Und unter ihm lachte ein so
-himmlisch entzückender See, umgeben von märchenschönen Ufern in
-leuchtender Blütenpracht, daß er dachte, es könne wohl kaum einen
-schöneren Fleck geben als eben den, welchen der Schöpfer ihm hier vor
-Augen führte.
-
-So gab er denn die Zeichen zum Einschalten der Fliehkraft nur so weit es
-notwendig war, um den Absturz zu mildern, und nach wenigen Minuten sank
-die Sannah sanft nieder auf eine blumenreiche Aue am Ufer des Sees.
-
-Das Fenster des Antipodenzimmers berührte den Boden; Flitmore konnte
-nichts mehr sehen, eine kaum merkbare Erschütterung zeigte die
-glattvollzogene Landung an: das Weltschiff hatte festen Fuß gefaßt und
-ruhte sicher auf dem fremden Planeten.
-
-Nun begab sich Flitmore hinauf und fand die ganze Gesellschaft ermuntert
-und voll Begier, zu schauen, was sich ihr nun offenbaren würde.
-
-
-
-
- 38. Die Wunder Edens.
-
-
-»Ah! Herrlich! Köstlich! Wunderbar!« klang es in Verzückung von aller
-Lippen, als die Luft voll herber Frische und gleichzeitig erfüllt von
-beinahe betäubenden aromatischen Düften durch die geöffnete Türe
-hereinflutete.
-
-Die ganze Gesellschaft eilte hinaus, die Strickleiter hinabzuklimmen und
-die Landschaft, die sie von unten her anlachte, übte einen solchen
-Zauber auf sie aus, daß sie wirklich nicht wußten, ob das ein Traumbild
-sei oder Wirklichkeit seine könne.
-
-Übrigens überkam alle das seltsame Gefühl, als ob der Abstieg einen ganz
-außerordentlichen Kraftaufwand erfordere und wirklich eine Kletterpartie
-darstelle, die mühsam und ermüdend hätte sein müssen, wenn der
-ozonreiche Äther, den sie atmeten, sie nicht mit solcher morgenfrischer
-Jugendkraft und überschwellender Lust, die neuen Kräfte zu betätigen,
-erfüllt hätte, daß ihnen jede Anstrengung ein wahres Wonnegefühl
-verursachte und von Ermattung keine Rede sein konnte.
-
-Münchhausen, der letzte beim Abstieg, empfand diese fremdartigen,
-erhebenden Gefühle am deutlichsten, wie es bei seinen schwerfälligen
-Körperverhältnissen begreiflich war.
-
-»Ich schwebe!« rief er wonnetrunken aus: »Ich fühle mich leichter als
-eine Feder! In meiner zartesten Jugend fühlte ich mich nie so frisch.
-Ich bin mehr als verjüngt, wirklich neugeboren: so wenig Gewicht spüre
-ich mehr, daß ich kaum herabkomme; es ist mir, als könnte ich fliegen!«
-
-Man mußte lachen, wenn man seine wuchtige, massige Gestalt ansah und ihn
-so von Leichtigkeit und Flugfähigkeit reden hörte und Schultze rief ihm
-zu:
-
-»Na! Eine Kugel, wie Sie, Kapitän, sich schwebend vorzustellen, ist ein
-unbezahlbarer Gedanke! Verzeihen Sie mir meine unhöfliche Heiterkeit,
-aber ich kann nichts dawider. Nein! Wenn uns Lady Flitmore entschwebte,
-so wäre dies höchst bedauerlich und schmerzlich für uns, doch nicht so
-gar erstaunlich bei der Leichtigkeit, die wir hier, wie es scheint, alle
-verspüren; aber Ihr Entschweben macht uns noch keine grauen Haare.«
-
-»Na, na!« bruddelte Münchhausen in komischer Entrüstung, als er jetzt
-den Boden betrat: »Sie bleiben doch stets unvernünftig, einsichtslos und
-zweifelsüchtig, oller Professor! Warten Sie nur ab, ob Sie nicht noch zu
-Ihrer Beschämung oder zu Ihrem Entsetzen das Wunder erleben, daß Kapitän
-Hugo von Münchhausen Ihren Blicken entschwebt gleich einer luftigen
-Sylphide, so gerne Sie ihn zurückhalten möchten.«
-
-Der Kapitän als luftige Sylphide! Dieser Vergleich war gar zu köstlich,
-um nicht ein allgemeines schallendes Gelächter zu erwecken.
-
-Münchhausen stimmte zwar mit ein, protestierte aber doch weiter: »Wegen
-meiner etwas kugeligen Gestalt trauen Sie mir das Fliegen nicht zu? Da
-sieht man wieder, wie wenig Logik die Menschen haben! Was ist denn
-runder, voller, kugeliger als ein Luftballon? Kann der etwa deshalb
-nicht steigen und schweben, he?«
-
-»Ja, Kapitän,« entgegnete Heinz: »Aber Sie sind doch nicht durch
-Wasserstoff zu solcher Fülle gebläht?«
-
-»Viel mehr als luftiges Gas wird meine Leibeshülle zur Zeit nicht
-enthalten,« behauptete der Schalk: »Wenigstens fühle ich mich ganz leer
-und ausgehungert, obgleich es eine Schande ist, dies zu gestehen
-angesichts dieser paradiesischen Landschaft. Jedenfalls werde ich ihren
-ganzen Zauber erst dann voll zu würdigen verstehen, wenn ein
-ordentliches Frühstück mir den nötigen Halt gegeben haben wird. He,
-John! Du hast doch die Eßvorräte nicht vergessen.«
-
-»Nein, wertester Herr von Kapitän,« beeilte sich dieser zu versichern:
-»Wie könnte ich mir gestatten dürfen, solcher Pflichtvergessenheit mich
-schuldig machen zu können: schon habe ich allbereits den Semaphor
-angesteckt.«
-
-Dabei wies er auf den dickbauchigen Samowar, die russische
-Teekochmaschine.
-
-»Semaphor ist wieder gut!« lachte Schultze: »Du bist doch ein
-urgelungener Kerl, John. Ein Semaphor ist nämlich ein Zeichentelegraph
-und ein Samowar nicht ganz genau dasselbe.«
-
-»Ach, Herr Professor,« entschuldigte sich Rieger: »Diese chinesischen
-Ausdrücke kann ich sozusagen nicht genau behalten, weil die chinesische
-Sprache in meiner Schule nicht gelernt wurde und Sie verstehen ja schon,
-ob ich nun Semaphor oder Samopher sage, was ja ziemlich einerlei
-klingt.«
-
-Der gebildete Diener wußte nämlich, daß der Tee aus China stammt und
-glaubte daher, der fremdartige Name der Teemaschine müsse chinesisch
-sein.
-
-»Er hat gar nicht so unrecht mit dem Semaphor,« nahm ihn der Kapitän in
-Schutz: »Die aufsteigenden Dämpfe des biedern Kessels sind wahrhaftig
-telegraphische Zeichen, die von ferne einen köstlichen Labetrank
-ankündigen.«
-
-Bald saßen alle mit dampfenden Teetassen und kräftiger Zuspeise zur Hand
-da, obgleich sie außer dem Kapitän vor lauter Entzücken über die Wunder
-ihrer Umgebung kaum ein leibliches Bedürfnis verspürten.
-
-Das Auge mußte aber auch trunken sein von der Pracht und Lieblichkeit,
-die ihm hier in unendlicher Mannigfaltigkeit entgegenstrahlte.
-
-Da war zunächst die Flur, auf deren weichem Teppich man lagerte.
-
-»Ein weicher Teppich,« das war hier keine bloße Redensart: tatsächlich
-waren diese fein gefiederten Gräser in ihrem durchsichtig leuchtenden
-Grün so weich wie Flaum und Daunen.
-
-Und die Blumen dieser herrlichen Wiesen! In allen Farben leuchteten sie;
-doch was ihnen den ganz besondern Reiz gab, war ihre unendliche
-Zartheit, die selbst die Frühlingsblüten der Erde in Schatten stellte.
-Wie ein Lichthauch, wie ein körperloser Duft, so wiegten sich diese
-Sterne und Kelche in der balsamischen Luft, die von ihren tausend
-Wohlgerüchen erfüllt war.
-
-So durchsichtig zeigten sich die Blütenblätter, daß man tatsächlich wie
-durch feinstes buntes Glas den Hintergrund deutlich durchschimmern sehen
-konnte; je nachdem aber das Licht auffiel, wurde es in den zartesten
-Farben zurückgeworfen, so daß farbige Strahlenbündel von den Blüten
-auszugehen schienen, obgleich sie nichts von eigener Leuchtkraft besaßen
-und sich hiedurch von den Wunderblumen der Tipekitanga wesentlich
-unterschieden; dennoch erschienen sie, wenigstens bei Tag, unendlich
-reizvoller als diese.
-
-Diese fremdartige und doch so über die Maßen entzückende
-Durchsichtigkeit schien überhaupt der Pflanzenwelt des paradiesischen
-Planeten ihre besondere Eigenart zu verleihen. Dort erhoben sich Büsche
-mit großen, prächtigen Blumen, gleich Glocken herniederhängend, gleich
-Tellern und Schalen schwebend, gleich kleinen Ballons oder Seifenblasen
-in runden, ovalen, zylindrischen oder zusammengesetzten Formen
-emporstrebend; im Hintergrunde ragten Wälder von früchtebeladenen Bäumen
-empor, teils schlanke, teils knorrige Stämme mit Zweigen voll Anmut im
-Schwunge der Linien, mit Blättern gleich durchbrochenen Spitzen in allen
-erdenklichen Musterungen; und das alles blinkte und glitzerte, wo es das
-Licht zurückwarf, während es vollkommen durchsichtig erschien, wo die
-Strahlen hindurchdrangen.
-
-Dabei wirkten diese durchsichtigen Formen vielfach wie Kristalle und
-Prismen, brachen tausendfach die Lichter in allen Regenbogenfarben,
-wodurch je nach der eigenen Färbung des Gegenstands und der Farbe der
-durchscheinenden Strahlen die wundersamsten Tönungen und zartesten
-Mischungen zustande kamen, so daß selbst die tiefsten Schatten das Auge
-durch ihren Farbenreichtum erfreuten.
-
-Und nun erst der See, dieses lachende Himmelsauge! Ein Blau von einer
-auf Erden nie zu schauenden Tönung, ein Hauch, ein Duft von Saphir
-schien seine Grundfarbe auszumachen und hart am Ufer war er so
-durchsichtig, daß die bunten Sandkörner am Grunde einzeln zu sehen
-waren; wo sich aber die Farbenstrahlen, die sich rings in der Luft
-kreuzten und mischten, in seinen Wassern spiegelten, da entstanden
-Flächen von verschiedenster Färbung und das Auge irrte umher und wußte
-nicht, wo es am schönsten sei, und dann wurde es wieder gefesselt von
-dem Goldglanz, von dem Silberschimmer, von dem Rosenhauch da und dort,
-als ob es sich nicht mehr loszureißen vermöchte von dem märchenschönen
-Anblick.
-
-Aber es mußte wieder los: die Inseln und Inselchen, der wunderbare
-Linienschwung der Ufer, die Buchten und Landzungen, die fernen
-jenseitigen Küsten, die Hügelränder und die erhabenen Felsenmauern mit
-ihren zackigen Kämmen und seltsamen Formen, -- das alles heischte sein
-Recht und nötigte zu immer neuen Ausrufen des Staunens.
-
-In jedem Augenblick glaubte irgend wer in der Gesellschaft etwas Neues
-entdeckt zu haben, das alles bisher Geschaute in Schatten stellte, und
-man machte einander aufmerksam darauf und Augen und Seelen feierten
-einen ununterbrochenen Festtag beseligenden Genießens.
-
-»Eden, Eden!« rief Flitmore aus, der völlig aus seiner gewohnten
-kaltblütigen Ruhe gerissen war. »Welch andre Benennung könnten wir
-finden, um diesem Paradiese seinen gebührenden Namen zu geben? Und wäre
-der ganze Planet sonst eine trostlose, abschreckende Wüste, dieser eine
-Fleck rechtfertigt es, daß wir ihn mit dem Namen des Landes bezeichnen,
-das den Garten des Paradieses umschloß.«
-
-»Recht haben Sie,« rief der Professor seinerseits: »Eden soll dieser
-neue Planet heißen!«
-
-Stunden vergingen, ehe der Bann des Schauens und Bewunderns soweit
-gebrochen war, daß Heinz den Vorschlag machen konnte, nun endlich eine
-Entdeckungswanderung zu unternehmen, da man lange genug der Ruhe
-gepflogen habe.
-
-Alle waren damit einverstanden, denn eine jugendliche Unternehmungslust,
-gepaart mit neugierigem Forschungstrieb, beseelte selbst die älteren
-Herren. Nur der Kapitän erhob wieder Einspruch, indem er die Uhr zog.
-
-»Wir sitzen nun hier geschlagene vier Stunden,« sagte er: »Die Zeit ist
-uns freilich wie im Fluge vorbeigegangen, da wir genug zu schauen und zu
-genießen hatten. Nur an meinem Magen ging sie nicht spurlos vorüber. Es
-ist lange her seit dem Frühstück und ich stimme für ein Mittagsmahl.«
-
-»Sie unverbesserlicher Genießer!« schalt der Professor. Flitmore aber
-sagte: »Unser Freund hat recht, erledigen wir zuvor dieses leibliche
-Bedürfnis, dann können wir unsre Entdeckungsreise um so länger
-ausdehnen. Es wäre schade, wenn eintretender Hunger uns frühzeitig zu
-deren Unterbrechung oder gar zur Rückkehr nötigte.«
-
-So wurde denn zuvor das Mittagsmahl bereitet und getafelt unter steter
-Heiterkeit und in dauernd gehobener Stimmung, eine Wirkung, welche der
-wunderbaren Luft und der herrlichen Landschaft wohl mit Recht
-zugeschrieben werden konnte.
-
-
-
-
- 39. Sonderbare Naturgesetze.
-
-
-John war zuerst mit Stillung seines Appetits fertig, während der Kapitän
-noch mit vollen Backen kaute.
-
-»Es wäre mir doch eine interessant zu prüfende Frage,« hub der Diener
-des Lords an, »ob hier das Holz von unserer Erde im Wasser ebenso
-untersinkt, wie auf dem Saturn der Fall sich augenscheinlich ereignete.«
-
-Damit warf er ein Holzscheitchen weit hinaus in den Bach, der den Abfluß
-des Sees zu bilden schien, denn man befand sich hier am äußersten Ende
-des letzteren.
-
-Alle sahen dem Scheite nach. Aber höchstes Erstaunen spiegelte sich in
-ihren Mienen und Schultze sprang auf die Beine mit dem Rufe: »Da hört
-sich doch aber alle Wissenschaft auf!«
-
-Das Holz war nicht etwa untergesunken, aber es schwamm auf dem Bach
-zurück, geradewegs in den See hinein; das heißt es schwamm bergauf!
-
-»Sollte eine solche Sinnestäuschung möglich sein?« fragte Heinz: »Der
-Bach scheint doch ein ziemliches Gefäll zu besitzen und nun erweist er
-sich als ein Zufluß zum See und nicht als ein Abfluß: das Gelände muß
-also dorthinzu ansteigen und nicht abwärts gehen, wie es doch aussieht.«
-
-Der Professor war hart an den Bachrand getreten.
-
-»Von Sinnestäuschung kann keine Rede sein,« sagte er kopfschüttelnd.
-»Wir stehen hier vor einem Rätsel: Der Bach hat zweifellos Gefäll und
-zwar ziemlich starkes Gefäll nach dem Talausgang zu; aber sein Wasser
-fließt tatsächlich in den See, er bildet keinen Abfluß, sondern einen
-Zufluß zum See, und zwar einen Zufluß von unten her; mit andern Worten,
-er strömt bergan. Das ist einfach allen Naturgesetzen zuwider, aber
-Tatsache ist es doch!«
-
-Die andern traten näher und überzeugten sich von der Richtigkeit dessen,
-was Schultze behauptete: man sah, wie der Grund sich gegen den
-Talausgang bedeutend senkte und konnte doch deutlich die Strömung des
-Wassers erkennen, die in entgegengesetzter Richtung lief. Auch weitere
-Versuche mit Blättern und Zweigen, die in den Bach geworfen wurden,
-bestätigten dies.
-
-»Das ist um den Verstand zu verlieren!« grollte der Professor, der sich
-nicht beruhigen konnte: »Wie soll man so etwas erklären?«
-
-»Verzichten wir vorerst auf eine Erklärung,« meinte Flitmore: »Gewöhnen
-wir uns vielmehr gleich an den Gedanken, daß die Naturgesetze unserer
-kleinen Erdenwelt nicht auf allen Welten gleiche Gültigkeit haben.«
-
-Münchhausen allein war sitzen geblieben; er konnte die Reste seines
-Mahles nicht im Stiche lassen, weil zufällig einmal das Wasser aufwärts
-floß, was ja weiter nicht gefährlich sein konnte und ihn daher ziemlich
-kalt ließ.
-
-Schultze in seiner ratlosen Aufregung über das haarsträubende Wunder,
-das seiner Ansicht nach jedermann alles andere hätte vergessen lassen
-sollen, empörte sich heillos über Münchhausens bodenlose
-Gleichgültigkeit.
-
-Er schrie daher den Kapitän etwas unwirsch an: »Und Sie können dabei
-noch so ruhig sitzen bleiben und weiter essen, als ob es sich um die
-natürlichste Sache der Welt handle? Wenn Sie Ihren Leib mit solchen
-Massen anfüllen, können Sie zuletzt mit der Last Ihres vollen Magens
-keinen Schritt mehr gehen.«
-
-»O,« erwiderte Münchhausen seelenruhig und erhob sich; »nicht mehr
-gehen, meinen Sie? Hüpfen kann ich, tanzen, springen, wenn Sie wollen,
-das Essen hat mich rein gar nicht beschwert, wie es ja bei meiner
-Mäßigkeit auch nicht anders denkbar ist; im Gegenteil, ich fühle mich
-noch leichter als zuvor, seit ich wieder etwas im Magen habe. Da, sehen
-Sie!«
-
-Und, um zu beweisen, wie leicht er sich fühle, machte der Dicke einen
-für seine Körperverhältnisse sehr gewagten Luftsprung.
-
-Schultze blickte starr vor Entsetzen, Flitmore sah mit ernster Würde
-drein, aber Heinz, Mietje und John brachen in ein krampfhaftes Gelächter
-aus; denn solch ein Anblick überbot doch alles, was sie je Komisches
-gesehen.
-
-Münchhausen schnellte nämlich wohl drei Meter hoch in die Luft: Der
-Luftballon war fertig! Majestätisch schwebte sie in der Höhe, diese
-menschliche Kugel und langsam senkte sie sich wieder herab.
-
-Da gestattete sich Flitmore, ohne eine Miene zu verziehen, ein
-Scherzwort: »Sie sind die reinste Seifenblase geworden, Kapitän,« rief
-er, »wenn Sie uns nur nicht zerplatzen!«
-
-Münchhausen aber langte sprachlos wieder auf der Erde an; er sah sich
-nach allen Seiten um, rieb sich die Augen und war offenbar der Meinung,
-sich in einem Traumzustand zu befinden, da der Traum schon öfters sogar
-seine Körperschwere aufgehoben und ihm den holden Wahn vorgetäuscht
-hatte, er fliege frei und leicht durch die Lüfte.
-
-»Ich hab's!« rief Heinz: »Haben Sie nicht auch Jules Vernes Buch »Hektor
-Servadac« gelesen, Herr Professor? Da wird ja eine ganz ähnliche
-Erscheinung geschildert, die ganz einfach aus der geringeren
-Anziehungskraft zu erklären ist. Offenbar hat der Planet »Eden« eine
-sehr geringe Anziehungskraft, weshalb die Schwerkraft wesentlich
-verringert, beinahe aufgehoben wird. Daraus ließe sich dann auch das
-rätselhafte Verhalten des Baches einigermaßen erklären.«
-
-»Junger Freund,« sagte Schultze, »auf dieser Erklärung werden Sie selber
-nicht beharren, wenn Sie ein wenig überlegen: mag Anziehungskraft und
-Schwerkraft noch so gering sein, so wird das Wasser doch nimmermehr
-bergauf fließen. Übrigens kann die Anziehungskraft unseres Planeten
-überhaupt keine so geringe sein: seiner Masse nach zu urteilen, müßte
-sie sogar größer sein als die irdische, obgleich ich zugeben will, daß
-wir über das Wesen der Schwerkraft eigentlich so gut wie nichts wissen,
-also auf die Richtigkeit solcher Schlüsse trotz vieler Scheinbeweise
-nicht bauen können; dennoch will ich eher glauben, daß wir sämtlich
-durch unseren langen Aufenthalt in der Sannah so stark mit Fliehkraft
-geladen sind, daß unsere Schwere dadurch beinahe überwunden wird.«
-
-Natürlich glaubte der gute Professor selber nicht an eine solche
-Möglichkeit, die überdies das Verhalten des Baches um nichts
-verständlicher machte; aber irgend einen Erklärungsversuch mußte er als
-Mann der Wissenschaft doch beitragen, und wenn in solchem Falle kein
-gewichtiger zur Hand ist, so muß vorerst auch der schwächste genügen, um
-das wissenschaftliche Gewissen zu beschwichtigen, das, wenn irgend
-möglich, nichts Unerklärliches gelten lassen will.
-
-In diesem Augenblick erschienen Dick und Bobs, die bisher auf eigene
-Faust in der Umgegend Entdeckungen gemacht und sich an den herrlichen
-Früchten der Wälder Edens gelabt hatten.
-
-Und siehe da! Die Schimpansen kamen sozusagen durch die Luft geflogen,
-denn sie machten fünf bis sechs Meter hohe Sätze und mochten mit jedem
-dieser Sprünge ihre 25 Meter zurücklegen.
-
-»Hollah! das ist ja fidel!« rief Heinz übermütig: »Sind wir alle mit
-derselben Fliehkraft geladen wie die Schimpansen und der Kapitän, so
-können wir ja einen fabelhaften Indianertanz aufführen!« Und
-gleichzeitig machte er einen Satz, der ihn drei Meter hoch durch die
-Luft über die Köpfe der andern wegführte.
-
-Das war ungemein lustig anzusehen, so verblüffend und unglaublich es
-erschien; es war aber auch gar zu verführerisch, an sich selbst zu
-erproben, ob man mit der gleichen wunderbaren Flugfähigkeit begabt sei,
-und so machten auch John und Schultze den Versuch, und selbst Lady
-Flitmore konnte nicht widerstehen, raffte ihr Kleid zusammen und sprang.
-
-»Nein, wie herrlich!« rief sie.
-
-In der Tat konnte es ein wonnigeres Gefühl kaum geben, als dieses
-leichte, mühelose Emporsteigen in die balsamischen Lüfte und dann dieses
-sanfte Herabschweben. Alle körperliche Schwere schien abgestreift und
-wie ein freier, beseligter Geist kam man sich vor.
-
-Der Lord allein stand da und schaute, doch mit sichtlichem Vergnügen,
-den gelungenen Flugversuchen seiner Genossen und seiner Gattin zu;
-dazwischen setzte er den photographischen Apparat in Tätigkeit und
-machte eine Momentaufnahme um die andere.
-
-Auch Münchhausen beteiligte sich mit Eifer an dem heiteren Gehüpfe,
-nachdem er sich überzeugt hatte, daß es kein Traum war, sondern daß er
-wirklich gleich allen andern eine neue, reizvolle Fähigkeit besaß.
-Besonders ergötzlich erschien sie den Gefährten gerade an ihm, und oft
-blieben sie stehen, um den fidelen Anblick der fliegenden Tonne zu
-genießen, wobei ihnen der biedere Kapitän ihr herzliches aber nie
-spöttisches oder böse gemeintes Gelächter durchaus nicht übel nahm.
-
-Als nun alle eine Pause machten, rief Münchhausen:
-
-»He, würdiger Lord! Halten Sie allein es unter Ihrer Würde, an solchem
-großartigen Ballett sich zu beteiligen? Das gibt es nicht! Herunter von
-dem Piedestal Ihrer Erhabenheit und hinauf mit Ihnen ins paradiesische
-Luftrevier! Eine geschlagene Viertelstunde bieten wir Ihnen zum Ergötzen
-und zur Erheiterung das niegesehenste Schauspiel, jetzt wollen wir
-unsererseits uns an Ihren Sprüngen weiden.«
-
-»Ja, Lieber!« sagte Mietje: »Versuche es doch auch einmal, ich sage dir,
-ein herrlicheres Gefühl kann es nicht geben.«
-
-Flitmore war bei all seiner Würde nicht der Pedant oder Geck, sich nicht
-auch in belustigenden Darbietungen zeigen zu können. Er ließ sich nicht
-lange auffordern, sondern führte eine Reihe so wunderbarer Bockssprünge
-aus, daß begeisterter, wenn auch sehr heiterer Beifall der Zuschauer ihn
-belohnte.
-
-»Jetzt aber,« mahnte diesmal Münchhausen zuerst, »nach diesen für die
-Verdauung äußerst wohltätigen Übungen, wollen wir doch wohl die geplante
-Entdeckungsreise antreten.«
-
-John mußte zur Vorsicht, in Erinnerung an das fatale Vorkommnis auf dem
-Saturn, die Türe des Polzimmers schließen, durch das man die Sannah
-verlassen hatte. Einen Wächter zurückzulassen hielt man nicht für nötig:
-Keiner sollte von der vermutlich so interessanten Wanderung
-ausgeschlossen sein.
-
-Nun ging es zunächst dem engen Taleingang zu, durch den sich der Bach
-heraufwand.
-
-Jeder der Wanderer hatte eine Tasche umhängen, welche außer
-Lebensmitteln auch ein zusammengerolltes Zelttuch und die
-auseinandergenommenen Aluminiumzeltstangen enthielt.
-
-Als der Bach durchschritten war, dehnte sich vor den Augen der Wanderer
-eine entzückende Fernsicht aus.
-
-Zur Rechten setzte sich das Gebirge noch fort in langer Kette von kahlen
-Felsen und bewachsenen Hängen und Gipfeln, allmählich in weiter Ferne zu
-niedrigen Hügelketten herabsinkend, deren Ende in den Horizont verlief.
-
-Von dieser Seite her kam der Bach in sanfter Steigung herauf.
-
-Geradeaus fiel das Hochgebirge in steilen Stufen ab, die jedoch bei
-einiger Vorsicht den Abstieg gestatteten.
-
-Zur Linken stürzten die Felswände großenteils senkrecht in bodenlose
-Tiefe.
-
-Schultze schätzte die Höhe, auf der man sich befand, auf 6000 bis 7000
-Meter.
-
-»Ich bezweifle,« sagte er, »ob wir in drei Tagemärschen das Tiefland
-erreichen können.«
-
-»Wir haben durchaus keine Eile,« erwiderte Flitmore.
-
-»Gewiß nicht, wenn uns die Lebensmittel nicht ausgehen,« gab der
-Professor zu.
-
-»Solche haben wir allerdings bloß auf vier Tage mitgenommen,« sagte der
-Lord: »Doch zweifle ich nicht, daß die Wälder, die da und dort auf
-unserem Wege liegen, uns genießbare Speise in Hülle und Fülle bieten
-werden.«
-
-»Das ist allerdings anzunehmen, und wir werden uns ja bald genug davon
-überzeugen können, ob dem so ist,« gab Schultze zu: »Andrerseits
-befürchte ich, daß wir dort unten einer ganz unerträglichen Hitze
-ausgesetzt sein werden, da die Temperatur auf diesen Höhen so milde ist,
-während man sie unter ewigem Eis und Schnee begraben erwarten dürfte.«
-
-»Das werden wir ja auch sehen,« versetzte Mietje: »Vorerst werden solche
-Erwägungen uns nicht abhalten dürfen, den Abstieg zu unternehmen.«
-
-Inzwischen ließen die Wanderer ihre Blicke weithin schweifen; zunächst
-aber erregte eine Erscheinung in verhältnismäßiger Nähe Heinz'
-Aufmerksamkeit und Verwunderung.
-
-»Über die Felswände dort drüben,« sagte er und wies zur Linken, »stürzt
-sich ein mächtiger Wasserfall herab: ich meine doch, die Wasser Edens
-fließen bergauf?«
-
-»Wirklich!« rief Schultze: »Das Gewässer tobt und rast, schäumt und
-schießt in die Tiefe, ganz wie auf der Erde! Da hört sich doch alle
-Wissenschaft auf!«
-
-Münchhausen lachte herzlich: »Da haben wir's einmal wieder!« sagte er:
-»Vor kaum einer Stunde gebärdete sich der Professor wie rasend, weil
-einmal ein Bach bergauf fließt, und jetzt erscheint es ihm bereits
-unbegreiflich, wieso einer bergab fließen könne!«
-
-»Ja,« sagte Schultze gekränkt, »das gebietet doch die Vernunft: sind
-hier einmal die Naturgesetze auf den Kopf gestellt, so muß das doch auch
-für alle Fälle gelten, aber einmal so, einmal anders, das ist
-wissenschaftlich einfach unzulässig.«
-
-»Nanu! Hier soll eben Ihre Wissenschaft vollends gründlich zu Schanden
-werden,« lachte der Kapitän.
-
-In der fernen Ebene konnte man Hügel und Täler, Flüsse und Seen
-erkennen. Unter anderem auch einen sehr großen See mit mehreren Inseln.
-
-Zur Linken war die Meeresküste nicht sehr fern: mit teils steilen, teils
-sanft geneigten, stellenweise auch ganz flachen Ufern zog sie sich bis
-zum Horizont hin, durch Buchten und Fjorde, Landzungen und Vorgebirge,
-in wunderbarer Schönheit gezeichnet, gezackt und geschwungen und öfters
-scharf eingeschnitten.
-
-Auch mehrere Inseln tauchten aus den Fluten des Ozeans auf, darunter
-sehr ausgedehnte und manche mit Gebirgsmassen von erstaunlicher Höhe,
-die wie dunkle Riesen drohend emporragten.
-
-Schneegipfel waren nirgends zu erkennen.
-
-Die Hügelketten und Berge des Flachlandes schienen meist bewaldet oder
-mit saftiggrünen Matten bedeckt zu sein. Durch das Fernglas konnte man
-Waldungen und Wiesenflächen, oft weite Prärien auch in der Ebene
-unterscheiden. Große Strecken machten den Eindruck bebauten Landes; doch
-konnte dies auf so weite Entfernung nicht mit Sicherheit festgestellt
-werden.
-
-Spuren von menschlichen Ansiedelungen waren nicht zu entdecken; wohl
-aber merkwürdige Felsbildungen in den Tälern und Ebenen, wie auch auf
-einzelnen Höhen: Blöcke, Türme, Zacken und Schroffen, die vereinzelt
-aufstrebten, aber meist so dicht beieinander standen, daß sie den
-Eindruck von Dörfern und Städten dem unbewaffneten Auge leicht
-vortäuschten.
-
-Soweit orientiert, begannen unsere Freunde den Abstieg in gerader
-Richtung, da sich rechts die Höhenzüge unabsehbar hinzogen, links aber
-senkrecht standen.
-
-Hier, geradeaus, war es möglich hinunterzukommen; doch Vorsicht mußte
-geübt werden, da es an jähen Abstürzen nicht mangelte.
-
-Als sie mit dem Abwärtsklettern begannen, hatten sie wieder das gleiche
-Gefühl, wie am Morgen, als sie auf der Strickleiter die Sannah
-verließen: es schien ihnen, als koste jeder Schritt eine besondere
-Anstrengung, als gälte es ein unsichtbares Hindernis zu überwinden, ja,
-als gehe es nicht eigentlich bergab, sondern sehr steil aufwärts; aber
-die Anstrengungen ermüdeten nicht, sondern erregten vielmehr ein
-besonderes Vergnügen, als tue hier dem ausgeruhten Körper die Mühe so
-wohl, wie sonst die Ruhe dem erschöpften Leibe tut.
-
-»Kapitän, nehmen Sie sich in acht!« rief plötzlich Schultze besorgt:
-»Sie werden noch abstürzen mit Ihrer Tollkühnheit, Ihr Bauch kriegt das
-Übergewicht!«
-
-»Pah!« rief Münchhausen zurück, der hart am Rande einer Felswand stand,
-die beinahe überhängend an die 50 Meter abstürzte. »Ich spüre keinen
-Hauch von Schwindel, obgleich ich sonst durchaus nicht schwindelfrei
-bin, seit ich an Alter und Umfang zunehme. Schwindel ist ja eigentlich
-eine Schande für einen alten Seebär, und ich freue mich ordentlich, ihn
-hier los zu sein. Übrigens kriegt mein Bauch niemals das Übergewicht, er
-ist ja so leicht wie ein Luftballon, wie Sie jetzt wissen dürften.«
-
-Dabei machte der Unvorsichtige eine ungeschickte Bewegung, die an solch
-ausgesetzter Stelle lebensgefährlich war, und tatsächlich, er glitt aus
-und stürzte ins Leere.
-
-Ein Schrei des Entsetzens entfuhr aller Munde, nur der Lord blieb stumm;
-aber die Leichenblässe, die sein Antlitz überflog, verriet, daß er nicht
-minder erschrocken war als die andern.
-
-Der Sturz ins Leere war übrigens nur der unwillkürliche Gedanke, der den
-erschreckten Zuschauern hatte kommen müssen: in Wahrheit erfolgte gar
-kein Sturz, sondern Münchhausen, der selber erbleichte, als er den Boden
-unter den Füßen verlor, schwebte sanft hinab und landete nach etwa 10
-Sekunden am Fuße des Felsens, ohne auch nur mit den Füßen hart
-aufzustoßen.
-
-Flitmore fand zuerst seine Fassung wieder: »Wie schwer können wir uns
-doch von alt eingewurzelten Vorstellungen losmachen!« sagte er. »Haben
-wir es nicht selber erst vor Kurzem zur Genüge erprobt, wie leicht die
-Luft hier unsere Körper trägt, wie schnell wir emporkommen und wie
-gemächlich das Niedersinken erfolgt? Und doch konnten wir die
-Folgerungen daraus nicht ziehen.«
-
-»Ja, das ist doch etwas anderes,« meinte seine Gattin: »Vom ebenen Boden
-aufspringen erscheint gefahrlos, nicht aber von einer Anhöhe in einen
-Abgrund setzen.«
-
-»Und doch ist es nichts anderes, da wir ja so hoch sprangen, daß unter
-irdischen Bedingungen der Sturz auf den Erdboden zurück verhängnisvoll
-hätte werden müssen,« entgegnete der Lord.
-
-»Ja, Toren sind wir!« bestätigte Schultze: »Da plagen wir uns mit einem
-beschwerlichen Abstieg, der zwar nicht ermüdet, aber äußerst langwierig
-werden muß, und könnten doch wissen, wie leicht wir hier schwebend hinab
-können. Nun aber man los!«
-
-Aber der Professor mußte nun an sich selber erfahren, daß Lady Flitmore
-doch nicht so unrecht gehabt hatte mit ihrer Bemerkung; denn als er den
-weniger schroffen Seitenhang verließ und an den Rand der jähen Felsmauer
-trat, wagte er doch nicht den Sprung ins Leere: die neue Erkenntnis
-konnte nicht so schnell die Scheu vor solchem Wagnis überwinden.
-
-Da trat Flitmore vor und ohne zu zögern machte er den entscheidenden
-Schritt. Und siehe da! er schwebte so gelinde hinab wie der Kapitän.
-
-Natürlich! Das mußte doch so sein!
-
-Mietje folgte ihrem Gatten auf dem Fuße, wie sie es auch getan hätte,
-wenn es sich um eine weniger unbedenkliche Sache gehandelt hätte.
-
-Da schämte sich Schultze seiner Schwäche und hüpfte hinaus, noch ehe
-Heinz und John mit Dick und Bobs heran waren.
-
-Bald waren alle um Münchhausen versammelt und schüttelten ihm
-anerkennend die Hand, als ob es Absicht und Wagemut gewesen wäre, die
-ihn veranlaßt hätten, ihnen das dankenswerte Beispiel zu geben.
-
-
-
-
- 40. Eine neue Tierwelt.
-
-
-Nun ging der Abstieg rasch von statten, weil er nur noch in Luftsprüngen
-vollzogen wurde und bei steilen Absätzen in einem Hinabschweben, das dem
-Fluge gleich kam.
-
-Diese Art der Fortbewegung hatte überdies etwas so ungemein Reizendes
-und Wohliges, daß die Stimmung so angeregt und heiter war, wie kaum je
-die glänzendste Feststimmung auf der alten Erde.
-
-Man war schon ziemlich weit unten, als die erste Rast gemacht wurde,
-nicht etwa um auszuruhen, denn von Ermattung spürte niemand etwas,
-sondern weil der Kapitän erklärte, es sei wieder hohe Zeit zu einem
-Imbiß.
-
-Außerdem verlangte auch Schultze einen Aufenthalt, da man den ersten
-Wald erreicht hatte, dessen Pflanzen- und Tierwelt er näher in
-Augenschein nehmen wollte; denn der liebliche Vogelgesang und sonstige
-Laute, die aus dem Walde ertönten, bewiesen, daß hier Leben zu treffen
-sei, während das paradiesische Tal auf der Höhe trotz seiner wunderbaren
-Schönheit kein lebendes Wesen zu beherbergen schien, wenigstens hatte
-sich keines blicken lassen.
-
-Die Baumstämme, die der Professor beim Betreten des Waldes zunächst
-untersuchte, zeigten ein festes und zähes Gefüge; ob man aber den Stoff,
-aus dem sie sich aufbauten, Holz nennen sollte, erschien sehr
-zweifelhaft, denn es war ein durchsichtiger Stoff wie Harz oder
-Bernstein, das heißt eben nur seiner Durchsichtigkeit nach; sonst war er
-faserig wie Holz und ließ sogar Schichtungen gleich Jahresringen
-erkennen, die Rinde jedoch bestand nur aus einer dünnen, zähen Haut, die
-völlig transparent war.
-
-Die Färbung dieser Stämme ging vom Goldgelben bis zum Dunkelbraunen, vom
-Kristallklaren bis zum Silberweißen.
-
-Die Blätter waren meist grün in den verschiedensten Abstufungen, auch
-gelb oder rötlich und unterschieden sich in der Färbung nicht wesentlich
-von den irdischen; nur waren sie eben auch durchsichtig und dann von den
-verschiedensten anmutigen Formen, vielfach gehäkelten Spitzen ähnlich.
-
-An Schatten fehlte es nicht, trotz der Durchsichtigkeit des Laubes und
-der Stämme: Die Dichtigkeit der Kronen schwächte das Licht an vielen
-Stellen derart, daß nur ein schwacher Farbenschimmer auf dem Boden
-spielte, der im Vergleich zu den lichteren Stellen als tiefer aber
-bunter Schatten erschien.
-
-Auch Nadelbäume fanden sich, und diese waren von ganz besonderem Reiz,
-weil ihre feinen Nadeln, die wie von Glas aussahen, je nach der Art alle
-Regenbogenfarben aufwiesen. So konnte man von roten, gelben,
-rosafarbenen, orangeroten, violetten, goldenen, silbernen, himmelblauen
-und dunkelblauen Tannen und Fichten reden, wenn man diese irdischen
-Namen auf die Nadelhölzer Edens übertragen wollte.
-
-Kein Baum war ohne eßbare Früchte; auch diese waren alle durchsichtig
-und völlig genießbar, wie die Schimpansen bewiesen, die alle samt den
-Kernen verzehrten.
-
-Die Früchte waren von verschiedenster Größe und Färbung; vom Umfang
-eines Riesenkürbisses bis zu dem einer Pflaume waren alle Zwischenstufen
-vertreten. Bei den größten glich oft der Kern schon einer Kokosnuß.
-Diese Kerne waren meist mehlreich und sehr nahrhaft; sie konnten
-Zwieback und Brot vollständig ersetzen und schmeckten weit kräftiger und
-angenehmer als diese.
-
-Das Fruchtfleisch war meist sehr saftig und genügte, jedes Durstgefühl
-zugleich mit dem Hunger zu stillen; bei etlichen Arten war es zuckersüß,
-bei andern ohne Süßigkeit, stets aber aromatisch und von entzückendem
-Wohlgeschmack; die Nadelbäume trugen eßbare Zapfen von ziemlicher
-Trockenheit, die teilweise an Schokolade, teilweise zu ihrem unbedingten
-Vorteil an nichts Irdisches erinnerten.
-
-Schließlich entdeckten unsre Freunde noch, daß auch die Zweige und
-Blätter der Bäume und Büsche eßbar waren. Auch dies wurde ihnen durch
-das Behagen verraten, mit dem Dick und Bobs sie zerknabberten.
-
-Gewöhnlich entsprach ihr Geschmack so ziemlich dem der Frucht, doch eine
-angenehme Säure gab ihm eine willkommene Abwechslung.
-
-Ganz besonders begeistert war Münchhausen von der Entdeckung einer oder
-vielmehr einiger Arten von Früchten, die er alsbald »Grogfrüchte«
-benannte, und die er fortan mit wunderbarem botanischen Scharfblick
-sofort überall herauserkannte. Es waren dies eigentlich Beeren, aber
-Riesenbeeren von Orangengröße, die an niederen Stauden wuchsen. Schon
-Stengel und Blätter dieser Büsche fühlten sich warm, beinahe heiß an;
-die Beeren enthielten einen wirklich heißen, würzigen Saft von
-unterschiedlichem Aroma, der sehr stark roch und schmeckte, als sei es
-tatsächlich Grog oder Punschbowle; er stieg jedoch nicht zu Kopf, übte
-dagegen eine ungemein belebende und kraftschwellende Wirkung aus.
-
-Der Kapitän unterschied zwischen steifen und weniger steifen
-Grogfrüchten; den ersteren gab er bei weitem den Vorzug.
-
-Natürlich lernten unsre Freunde nicht alle diese Genüsse auf einmal
-kennen: die Menge und Mannigfaltigkeit war zu groß; aber es dauerte
-verhältnismäßig kurze Zeit, bis sie alles durchgekostet hatten und nun
-nach Lust und Belieben ihre Wahl treffen konnten; denn sie dachten nicht
-mehr daran, irgend welche andre Nahrung zu sich zu nehmen, als die,
-welche ihnen Edens Wälder und Gefilde boten und die durch nichts weder
-an Güte noch Bekömmlichkeit zu übertreffen schien.
-
-Giftpflanzen oder irgendwie schädliche Gewächse gab es auf diesem
-gesegneten Planeten anscheinend überhaupt nicht.
-
-Gleich beim Eintritt in den Wald machten sie auch Bekanntschaft mit
-dessen Insekten- und Vogelwelt.
-
-Erstere zeigte nichts Widerliches oder Schreckliches, es waren harmlose
-Käfer und Kriechtiere, Mücken und Schmetterlinge, die sich sowohl durch
-schöne Formen wie durch prächtige Farben auszeichneten und als besondere
-Merkwürdigkeit eine ähnliche Transparenz zeigten wie die Pflanzen und
-Blüten. Sie glitzerten, schimmerten und schillerten, blitzten,
-flimmerten und flirrten wie leuchtende Edelsteine.
-
-Die Vögel hatten kein Gefieder, sondern bloß ein buntes Flaumkleid, das
-aber lebhaft gefärbt und wunderbar schön gezeichnet war; auch ihre
-Flügel waren federlos und konnten im Bau am ehesten mit
-Schmetterlingsflügeln verglichen werden, nur daß sie ebenfalls mit Flaum
-behaart und im Ruhezustand nicht emporgerichtet, sondern an den Leib
-angelegt waren, auch die entsprechende Wölbung zeigten.
-
-Wo Menschen beinahe fliegen konnten, mußten sich diese Vögel auch mit so
-einfachen Flugwerkzeugen bis in die höchsten Höhen erheben können.
-
-Alles in allem, eigentümlich war auch die Vogel- und Insektenwelt Edens;
-aber so ganz fremdartig erschien sie den Erdenbewohnern doch nicht, und
-vor allem, sie hatte nichts Abstoßendes, Unheimliches oder Gefährliches,
-im Gegenteil hervorragende Reize, die Auge und Herz erfreuten.
-
-Ganz besonders galt das letztere, das Herzerfreuende, von dem ungemein
-lieblichen Gesang der Vögel, mit dem weder die Nachtigall noch sonst ein
-gefiederter Sänger der Erde wetteifern konnte. Das waren richtige
-Melodien, die da ertönten, und zwar erhebende und einschmeichelnde
-Weisen! Man hätte wohl kaum die Arten nach ihren melodischen Motiven
-unterscheiden können, höchstens an der Klangfarbe ihres Organs, denn
-keine Art war an besondere Tonfolgen gebunden: es war ein wirklich
-individuelles Konzert; jeder war Komponist und beherrschte die ganze
-Tonleiter und brachte immer neue, einfache, aber doch bezaubernde Weisen
-hervor, und nie tönten diese von verschiedenen Seiten störend
-durcheinander; es schien, als werde der jeweilige Einzelsänger
-respektiert und die andern begleiteten ihn nur mit harmonischen
-Untertönen.
-
- [Illustration: Löwe auf Mietjes Schoß.]
-
-Noch nicht lange hatten unsre Freunde diesen Zauberflöten gelauscht,
-sich gleichzeitig an den ersten köstlichen Früchten erlabend und die
-lebendigen Edelsteine bewundernd, die im durchsichtigen Moose
-umherkrochen und hüpften, oder von Blume zu Blume schwirrten, als
-plötzlich Mietje einen leisen Schrei ausstieß.
-
-Alle wandten sich nach ihr hin, denn bisher hatte jeder seine eigenen
-Beobachtungen angestellt.
-
-Aber was sahen sie nun!
-
-Ein großer Vierfüßler, am ehesten einem riesigen Löwen vergleichbar, war
-lautlos in die Lichtung getreten und hatte ohne weiteres sein mächtiges,
-mähnenumwalltes Haupt auf ihren Schoß gelegt!
-
-Und Lady Flitmore? Sie streichelte ihn!
-
-Der erste Schrecken, den das Erscheinen des gewaltigen Tieres natürlich
-in ihr erwecken mußte, hatte ihr den leichten Ausruf entlockt; sie hatte
-den Löwen, wie ihn später unsre Freunde der Ähnlichkeit halber nannten,
-aber erst bemerkt, als er unmittelbar von der Seite her an sie herantrat
-und ehe sie noch aufspringen oder sich irgend besinnen konnte, hatte das
-Tier sich schon niedergelegt, den Kopf in ihren Schoß schmiegend.
-
-Wie es nun mit den großen, klugen und so sanften, harmlosen Augen zu ihr
-aufblickte, war eine solche Ruhe über sie gekommen und zugleich ein
-solches Wohlgefallen an dem schönen, stolzen und anscheinend so
-gutmütigen Geschöpf, daß sie unwillkürlich begann, dies anschmiegende
-königliche Haupt zu streicheln und zu liebkosen.
-
-Flitmore, besonnen, wie er meist auch in den gefährlichsten Augenblicken
-war, erhob sich ganz langsam, um das Tier nicht zu erschrecken, dessen
-vermutlich wilde Natur ja immer noch zum Ausbruch kommen konnte.
-
-Er zog für alle Fälle den Revolver und ging sachte auf seine Gattin zu;
-der Löwe erhob das Haupt.
-
-»Laß ihn!« bat Mietje den Gatten.
-
-»Ich tue ihm nichts, wenn er nicht gefährlich wird,« beruhigte sie der
-Lord.
-
-Dabei legte er dem Löwen die Linke auf das Haupt.
-
-Das Tier sah ihn nur an.
-
-Jetzt griff ihm der Lord unter den Kiefer, stets bereit, ihm eine Kugel
-ins Auge zu jagen, sobald er böse Absichten zeigen würde.
-
-Das Tier aber zeigte sich verständig und lenksam. Ein leiser Druck
-genügte, es sich erheben zu lassen, und ein schwacher Schub von der
-Seite her veranlaßte es, ganz gemütlich umzukehren und wieder im Walde
-zu verschwinden.
-
-»Ach!« sagte Mietje. »Ich bin ganz froh!«
-
-»Das glaube ich, Lady,« fiel Schultze ein, »wahrhaftig, das glaube ich,
-daß Sie froh sind, dieses gefährliche Raubtier auf so gute Art los
-geworden zu sein; wir alle haben für Sie gezittert und gebebt.«
-
-»Nein!« sagte Mietje: »Sie mißverstehen mich, Herr Professor; dieses
-gutmütige Geschöpf flößte mir nur im ersten Augenblick einen kleinen
-Schrecken ein, ehe ich seine Harmlosigkeit aus seinen Augen erkannte.
-Nein, nein also! Ich wollte sagen, ich bin so froh, daß auch die
-Säugetiere auf diesem, Planeten denen auf der Erde gar nicht so
-unähnlich zu sein scheinen. Ich weiß nicht, aber auf dem Mars und dem
-Saturn kam mir die Welt ganz unheimlich vor, und das war doch noch in
-unserm Sonnensystem. Da war ich schon darauf gefaßt, wenngleich ohne
-mich darauf zu freuen, daß es in der entfernten Fixsternwelt noch weit
-seltsamer und grauenvoller aussehen werde.«
-
-»Ein Glück,« meinte Münchhausen, »daß, sofern wir aus dem Geschauten
-weitere Schlüsse ziehen dürfen, diese Tierwelt Edens wenigstens an
-Raubgier, Blutdurst und damit an Gefährlichkeit der irdischen
-Raubtierwelt bei weitem nachzustehen scheint.«
-
-»Lassen wir die Vorsicht nicht aus den Augen,« mahnte Flitmore. »Diesmal
-lief es gut ab; doch niemand kann uns gewährleisten, daß wir nicht
-bedenklichere Begegnungen erleben.«
-
-»Vor den Löwen Edens fürchte ich mich schon nicht mehr,« meinte die Lady
-zuversichtlich. »Das wäre ja schnöder Undank und verwerfliches
-Mißtrauen!«
-
-Beim Weiterwandern durch den Wald wurden noch zahlreiche Vertreter der
-Säugetierwelt angetroffen; doch zunächst lauter harmlos aussehende
-Geschöpfe, die sich alle durch auffallende Schönheit und Lieblichkeit
-auszeichneten. Das verstand sich aber nicht bloß von der Färbung und
-prächtigen Zeichnung der Felle und der Anmut und Eleganz der Glieder,
-sondern namentlich von den Gesichtszügen, deren kluger Ausdruck und
-ungemein freundlicher Blick sofort für sie einnahm. Da waren Tiere, die
-an den Hirsch, das Reh, das Zebra, die Antilope, die Giraffe, das Pferd,
-an Hunde, Katzen und Eber erinnerten oder an andere irdische Arten; aber
-alle übertrafen ihre Erdenvettern durch die Vollkommenheit ihrer Formen,
-den Reiz ihres Haarkleides und die Schönheit ihrer sanften Angesichter.
-Irgendwelche Scheu schien ihnen völlig unbekannt.
-
-Plötzlich blieb John starr und regungslos stehen.
-
-Vor ihm bäumte sich eine große Schlange mit wunderbar schillerndem
-bunten Leibe empor. Er war auf sie getreten und erwartete nun jeden
-Augenblick den Biß des Reptils, das sich krümmte und wand und den mit
-scharfen Zähnen bewehrten Rachen schmerzvoll aufsperrte:
-
-In der Betäubung des Schreckens dachte er gar nicht daran, wegzutreten,
-um das Tier von seiner Last zu befreien und vielleicht seiner Rache zu
-entgehen.
-
-Nun wand sich der leuchtend gestreifte Leib an seinen Beinen empor und
-wieder hinab; aber die Schlange biß nicht, sondern stöhnte nur.
-
-Ein Zuruf Flitmores brachte John endlich zur Besinnung; er sprang zur
-Seite, und das Reptil, vom Gewicht seines schweren Fußes befreit, glitt
-lautlos an ihm hinab und kroch langsam davon.
-
-»Wahrhaftig, hier scheint auch das giftigste Geschöpf seine Schrecken
-verloren zu haben,« rief Schultze: »So hättest du einer irdischen
-Schlange mal kommen sollen, Johann! Da wärest du nicht ohne Schaden
-davongekommen.«
-
-Nun trat die Gesellschaft hinaus in die glitzernde Savannah, aber
-erstaunt, erschrocken und zugleich entzückt hemmten sie den Fuß.
-
-Was für kolossale Tiere weideten da! Mammutähnliche Elefanten,
-Einhörner, den Fabelwesen alter Sagen gleich, Büffel und Giraffen,
-Kamele, Riesenbären, gefleckte und gestreifte Tigerkatzen, Panther und
-Leoparden, Löwen und Wölfe, Schafe und Ziegen wanderten da umher,
-miteinander und durcheinander, und weideten friedlich und gemütlich die
-durchsichtigen Halme ab oder langten sich Früchte von den hohen Stauden
-und den Bäumen am Waldsaume.
-
-Das war eine unabsehbare bunte Herde, die sich hier tummelte und labte,
-in der weiten Ebene zerstreut!
-
-Wohlgemerkt, diese Geschöpfe zeigten eine so in die Augen fallende
-Ähnlichkeit mit den genannten irdischen Arten, daß unsre Freunde nicht
-in Verlegenheit kamen, ihnen sofort die entsprechenden Namen
-beizulegen; andrerseits aber wiesen sie doch wieder wesentliche
-Unterscheidungsmerkmale auf, namentlich auch wieder dadurch, daß sie
-eine höhere, edlere Stufe darzustellen schienen, oder, wie Mietje sich
-ausdrückte, es war die Tierwelt der Erde, zum Teil mit ihren
-ausgestorbenen Arten, in idealisierter, vollkommenerer Form.
-
- [Illustration: John tritt auf eine Schlange.]
-
-»Wagen wir uns wohl da mitten durch?« fragte Münchhausen.
-
-»Voran!« kommandierte der Lord: »Von diesen Geschöpfen droht uns keine
-Gefahr.«
-
-Heinz aber bemerkte: »Immer mehr rechtfertigt dieser Planet den Namen,
-den wir ihm beim ersten Anblick beilegten. Ist das nicht das Paradies,
-wie die kühnste Phantasie es nur träumen kann und wie es der Prophet
-Jesaja so wunderlieblich beschreibt?«
-
-»Allerdings! Jesaja im elften Kapitel, im sechsten bis neunten Vers,
-sowie im letzten Verse des fünfundsechzigsten Kapitels wird uns das Bild
-beschrieben, das wir hier schauen,« bestätigte der bibelfeste Lord.
-
-»Und wie sagt der 114. Psalm?« fügte seine nicht minder beschlagene
-Gattin hinzu: »Die Berge hüpfeten wie die Lämmer, die Hügel wie die
-jungen Schafe. Mir machte diese Stelle stets den Eindruck des
-Allzuunwahrscheinlichen, aber meint man hier nicht wahrhaftig, Berge und
-Hügel hüpfen zu sehen?«
-
-Wenn man sah, welche meterhohen Sätze die Mammute und andre Riesentiere
-mit spielender Leichtigkeit ausführten, und mit welch offenbarer Lust
-sie sich von Zeit zu Zeit an diesen seltsamen Luftsprüngen ergötzten, so
-mußte man Mietje recht geben: das waren tanzende Berge und hüpfende
-Hügel! Und dieses sonderbare Schauspiel gab dem so herzerhebenden Bilde
-friedlicher Eintracht sein erheiterndes Gepräge. Aber der Humor wirkte
-hier durchaus nicht als Herabwürdigung des Erhabenen, sondern nur als
-Verklärung des beseligenden Gefühles, das die paradiesische Szene in den
-Herzen der Wanderer erweckte.
-
-
-
-
- 41. Eine paradiesische Nacht.
-
-
-Wie ein Märchentraum erschien die Wanderung durch diesen blütenreichen
-Edengarten unsern Freunden.
-
-Sie scheuten sich bald nicht im mindesten, selbst die gewaltigsten und
-raubtierähnlichsten der Tiere zu berühren und zu streicheln, was diese
-verständnisvoll und mit einer gewissen Zärtlichkeit erwiderten, sei es,
-daß sie die liebkosenden Hände sanft leckten, sei es, daß sie mit Haupt
-oder Rüssel sich herabneigend den fremden Freunden anschmiegend ihr
-Wohlwollen zu erkennen gaben; und dabei mäßigten sich auch die
-behendesten, muskelkräftigsten und massigsten dieser Geschöpfe so
-rücksichtsvoll in ihren Bewegungen, daß man daraus die bewußte Sorgfalt
-erkennen konnte, ja keinen Schaden zuzufügen.
-
-Hätte etwa so ein Mammut mit seinem Rüssel eine etwas temperamentvolle
-Liebesbezeugung ausführen wollen, wie er es seinen Kameraden oder
-Familiengliedern gegenüber tat, so wäre selbst Münchhausens solide Masse
-zu Boden geschleudert worden.
-
-Aber alle diese Tiere wußten das richtige Maß einzuhalten.
-
-Die zweite Sonne neigte sich ihrem Untergange zu, -- die erste war schon
-vor einer Stunde hinter dem Horizont verschwunden, -- als unsre Freunde
-endlich daran dachten, ihr Lager aufzuschlagen.
-
-Die Früchte des Waldes hatten Hunger und Durst so nachhaltig gestillt,
-daß selbst der Kapitän während der stundenlangen, meist sprungweise
-ausgeführten Wanderung, kein einzigesmal die Notwendigkeit einer
-Mahlzeit betont hatte. Und dabei war er einer der eifrigsten im Hüpfen,
-wobei es ihm ganz besonderen Spaß machte, über den hohen und breiten
-Rücken der größten Kolosse hinwegzusegeln.
-
-Auch während des Aufschlagens der Zelte zeigte er sich noch unermüdlich
-in Ausübung dieses erheiternden Sports; denn um den Lagerplatz herum
-weideten just einige riesige Pelzelefanten.
-
-John und Heinz pflöckten die Zelte ein, während die übrigen der
-Zirkusvorstellung zuschauten, die Münchhausen gab, mehr zu seinem
-eigenen Vergnügen, als um seine Gefährten zu belustigen.
-
-Lautes Bravo und stürmisches Beifallsklatschen belohnten seine
-gelungensten Sprünge.
-
-Die Glanznummer der Vorstellung aber bildete ein Kunststück, das er zum
-Schlusse noch vorführte, und zwar ganz gegen seine Absicht, es stand
-durchaus nicht in seinem Programm!
-
-Er hatte sich hinter einem gewaltigen Mammutbullen aufgestellt und
-schnellte empor, um den Riesen in seiner ganzen Länge zu überspringen.
-
-Nun fiel es aber im selben Augenblick dem Mammut ein, seinerseits einen
-Luftsprung zu machen, und so kam es, daß Münchhausen mitten in seiner
-Luftreise auf den Rücken des emporsegelnden Tieres zu stehen kam.
-
-Eine Sekunde lang ritt er so als echter Kunstreiter stehend durch die
-Luft; doch hatten seine Füße keinen festen Halt, er schwankte und wäre
-kopfüber hinabgestürzt, hätte er nicht die Geistesgegenwart gehabt, die
-kurzen Beine auszuspreizen, sodaß er alsbald rittlings auf dem seltenen
-Reittier saß.
-
-Es war ein großartiges Bild! Der Lord versäumte nicht, es auf einer
-photographischen Platte zu verewigen.
-
-»Ein Koloß auf dem andern!« jubelte Schultze.
-
-John und Heinz hielten in der Arbeit inne, um das unvergleichliche
-Schauspiel mitzugenießen.
-
-Stolz um sich blickend, als habe er einen Drachen gebändigt und mit
-kühner Absicht zu einer Luftfahrt bestiegen, so saß der Kapitän oben auf
-dem kolossalen Dickhäuter, einer Kugel gleich, die kurzen Beine wagrecht
-ausgestreckt, da er mit ihnen den breiten Rücken des Ungetüms nicht
-umklammern konnte.
-
-Jetzt landete Freund Mammut und mit einer Gewandtheit, die ihm niemand
-zugetraut hätte, sprang Münchhausen auf die Beine und setzte mit
-elegantem Schwunge von der Höhe herab auf den Erdboden. Jubel und Lachen
-und nicht endenwollendes Beifallklatschen empfingen ihn nach solchem
-Bravourstück, so daß das Mammut sich verwundert umsah und die Mähne
-schüttelte, es mochte denken: »Bei denen ist es auch nicht mehr ganz
-richtig im Oberstübchen!«
-
-Nun half Mietje John und Heinz Früchte einsammeln für das Nachtessen,
-denn an solchen fehlte es nicht in der Nähe, und die verschiedenen
-Grogfrüchte sollten den warmen Tee vorteilhaft ersetzen.
-
-Es dämmerte, als man sich zum Imbiß lagerte.
-
-»Nun,« sagte Münchhausen, »Sie meinten, wir würden drei Tage brauchen,
-um die Ebene zu erreichen, verehrtes Professorchen! Wir haben sie nicht
-nur erreicht, sondern schon ein gutes Stück durchwandert am ersten
-Marschtage.«
-
-»Kunststück!« meinte Schultze. »Ich dachte an eine irdische
-Fußwanderung, Schritt für Schritt; nachdem aber Sie, erfindungsreicher
-Seebär, uns als lebendiger Luftballon die geniale Kunst der Hüpf- und
-Schwebereise vorgemacht und beigebracht haben, hätten wir noch viel
-weiter kommen können, wenn wir uns nicht so viel unterwegs aufgehalten
-hätten. Auch ist die Länge des Tags in Betracht zu ziehen, der, wie ich
-hiemit feststelle, vom Aufgang der ersten bis zum Untergang der zweiten
-Sonne volle 27 Stunden gedauert hat!«
-
-»Merkwürdig, daß wir uns so gar nicht müde fühlen,« bemerkte Mietje,
-»nach einem so langen und ereignisreichen Tag. Ich wenigstens fühle
-keine Spur von Ruhe- oder Schlafbedürfnis.«
-
-»So scheint es uns allen zu gehen,« meinte der Lord. »Ich glaube, wir
-haben uns eben schon der Eigentümlichkeit des Planeten angepaßt; dazu
-mag uns die köstliche Luft und die erfrischende, belebende Kraft der
-Früchte geholfen haben; wir werden wohl hier dauernd weit
-leistungsfähiger sein als auf der Erde, entsprechend den doppelt so
-langen Tagen.«
-
-»Brauchen wir gar nicht,« warf der Kapitän ein, »wozu solch' kolossale
-Leistungsfähigkeit, da einen hier alles so gar nicht anstrengt noch
-ermüdet?«
-
-»Ich habe nur eine Sorge,« sagte Heinz. »Wie werden wir die lange Nacht
-herumbringen, die doch von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang 23 Stunden
-währt, wenn wir so gar nicht müde sind?«
-
-»Wir legen uns eben erst schlafen, wenn wir das Bedürfnis dazu fühlen,«
-schlug Mietje vor.
-
-»Einverstanden!« stimmte der Professor zu. »Wir pflegen der Unterhaltung
-und studieren die Wunder der Nächte Edens, bis es uns Zeit scheint zur
-Ruhe zu gehen.«
-
-»Wertester Herr Professor,« fragte nun John, »welche Jahreszeit dürften
-wir hier wohl haben? Nach den Blüten sieht es wie Frühling aus, sonst
-aber wie Sommer; andrerseits aber, falls ich mir diese nicht unhöfliche
-Bemerkung zu erlauben mir gestatten darf, ist es hier in der Ebene nicht
-so furchtbar heiß, wie Sie die Vermutung aussprachen, als wir noch oben
-waren.«
-
-»Offen gestanden, über die Jahreszeit vermag ich noch keinen sicheren
-Aufschluß zu geben,« entgegnete Schultze. »Ich vermute, wir stehen zu
-Beginn des Frühlings, jedenfalls aber haben wir nahezu Tag- und
-Nachtgleiche.«
-
-»Entschuldigen der Herr Professor, aber ich bitte, noch einmal nicht
-unhöflich sein zu dürfen, wenn ich verstanden zu haben glaubte, der Tag
-sei heute vier Stunden länger als die Nacht.«
-
-»Allerdings, mein Sohn; aber nur deshalb, weil wir hier zwei Sonnen
-haben, die gegenwärtig in Opposition zu einander stehen, das heißt am
-weitesten von einander entfernt sind auf ihrer Bahn, so daß stets mehr
-als die Hälfte des Planeten erleuchtet ist und die zweite Sonne noch
-fast zwei Stunden scheint, wenn die erste schon untergegangen ist.
-Stehen die Sonnen in Konjunktion, also einander am nächsten, wobei die
-eine vorübergehend die andere verdecken kann, so gehen sie uns
-gleichzeitig auf und unter; vielleicht wird es dann auch viel heißer.
-Über den Verlauf der Jahreszeiten Edens können wir aber noch nichts
-wissen, kennen wir ja nicht einmal die Länge des Jahrs, das vielleicht
-nur sechs, vielleicht bis zu tausend Erdenmonate dauert. Eines aber
-scheint mir gewiß, große Unterschiede in der Temperatur herrschen hier
-nirgends; denn wenn bei 6000 Meter Höhendifferenz so gut wie gar nichts
-davon zu merken ist, wenn in solcher Höhe dort oben eine so herrliche
-Pflanzenwelt vorkommt, dann kann auch Winterkälte und Sommerhitze kein
-Übermaß entwickeln, sonst hätten wir droben irgendwelche Gletscherspuren
-sehen müssen, hier unten aber fände sich keine so mannigfaltige Tierwelt
-in einer Gegend, die den Polen näher steht als dem Äquator.«
-
-Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt.
-
-»Ah!« rief Mietje plötzlich, »die Natur sorgt uns für
-Abendunterhaltung!«
-
-»Prächtig!« schmunzelte der Kapitän.
-
-»Hochinteressant!« rühmte der Professor. »In der Tat, nicht uneben!«
-
- [Illustration: Die Riesentiere.]
-
-Und als nun auch Heinz sein »Großartig!« beigesteuert hatte, fühlte sich
-John verpflichtet auch seinen Beifall zu äußern, indem er ausrief:
-»Wirklich important!«
-
-Imposant war allerdings das Feuerwerk, das sich in der Dämmerstunde
-entwickelte: kleinere und größere Feuerfliegen und Leuchtkäfer erhoben
-sich in die Luft; da sah man Funken, Sterne und Flammen teils aufblitzen
-und verschwinden, teils ununterbrochen flimmern.
-
-Das Neue und besonders Herrliche aber war das Farbenspiel dieser
-lebendigen Meteore und Sternschnuppen; denn gelbes, rotes, blaues und
-grünes Licht ging je nach ihrer Art von ihnen aus.
-
-Auch auf dem Boden wurde es lebendig und hell: da krochen die Funken und
-Laternchen der Glühwürmer und leuchtenden Schnecken und Ameisen
-durcheinander, als rollten und rieselten selbstleuchtende Edelsteine,
-Topase, Rubinen, Smaragde, Amethyste und Saphire dahin.
-
-»Es ist mir unbegreiflich,« bemerkte Münchhausen, dem höchst poetisch
-zumute wurde, »wie es Schriftsteller, ja solche, die Dichter sein wollen
-und zu sein glauben, heutzutage fertig bringen, >der Dämmer< zu sagen,
-statt >die Dämmerung<. Der Dämmer! Welch ein Wort! Ohr, Gemüt und
-Vernunft wird gleicherweise dadurch beleidigt und die traute Stimmung
-und Vorstellung der zarten Dämmerung geht dabei völlig verloren, wird
-sozusagen totgeschlagen mit einem groben Knüppel in der Faust eines
-Tölpels. Sehen Sie doch diese weichen Schleier, die von unsichtbaren
-Elfenhänden in der dunkelnden Luft ausgebreitet werden; wie dämpft
-dieses schleiernde Weben die farbigen Lichtstrahlen unsrer nächtlichen
-Feuerwerker! Und nun soll man sich dieses zartwebende, sachthändige,
-leisschwebende und schleierumwallte Wesen als eine männliche
-Persönlichkeit vorstellen? Nein! ich bitte Sie, was ist das für eine
-Geschmacklosigkeit, Stilwidrigkeit, ja für ein Blödsinn! He,
-Professorchen! Können Sie sich etwa die liebliche, einschmeichelnde
-Dämmerung durch einen Mann verkörpert denken, den Dämmer?«
-
-»Ne, Kapitän, wenn ich mir denken sollte, Hugo von Münchhausen, so
-elegant er zu schweben versteht, senke sich von Schleiern umwogt
-hernieder und wollte mich mit ruhespendenden Elfenhänden liebkosen als
-schmeichelnde Dämmerung, ich wäre aus allen Märchenträumen gerissen.«
-
-»Münchhausen als Fee der geheimnisvollen Dämmerung ist gut!
-Ausgezeichnet! Diese Vorstellung stimmt mich heiter!« sagte Flitmore
-lachend.
-
-Heinz aber meinte: »Wer es zuwege bringt, diesen neumodischen Ausdruck
->der Dämmer< zu gebrauchen, beweist damit ohne weiteres, daß ihm nicht
-nur jegliches Sprachgefühl, sondern auch aller Sinn für Poesie abgeht,
-was allerdings für die große Mehrzahl unsrer Versemacher zutrifft; denn
-zu keiner Zeit gab es so viele Dichter und so wenig Poeten wie
-heutzutage.«
-
-»Darum verhöhnen sie auch die Poesie als hohles Pathos, weil sie die
-Göttin nicht ehren dürfen, deren Gunst, Geist und hoher Flug ihnen
-versagt blieb, falls sie nicht ihre eigene Wertlosigkeit einsehen und
-eingestehen wollen!« fügte Münchhausen noch hinzu.
-
-»O, meine Herrschaften, ein Nordlicht!« rief plötzlich John und wies
-nicht nach Norden, wohl aber nach Osten.
-
-»Das ist ja ein Mond!« berichtigte der Professor. »Wahrhaftig, ein
-würdiger Mond für eine Nacht im Paradiese!«
-
-Der Mond, der über die Berge tauchte, hatte eine unbeschreiblich
-liebliche und duftige Rosafärbung. Nur die zartesten unter den wilden
-Rosenblüten oder der blühende Hauch, der ein luftiges Wölkchen vor
-Sonnenaufgang über dem Meere der italienischen Riviera in rosigen
-Schimmer taucht, hätte zum Vergleich herangezogen werden können.
-
-Bald schwebte der Mond, der etwa doppelt so groß erschien, wie der
-Trabant der Erde, frei am tiefdunkeln Himmel zwischen den blitzenden
-Sternen. Und nun ergoß er sein entzückendes Rosenlicht über die ganze
-Landschaft.
-
-Auf einmal schien ein neues Leben zu erwachen, nachdem es sich kaum ein
-Stündchen über die Zeit der Dämmerung zur Ruhe gelegt hatte: Vögel
-durchschwirrten die Luft und ließen wundervolle sanfte Weisen ertönen,
-Grillen zirpten in melodischen, einschmeichelnden Weisen; kleinere
-Tiere, den Hasen, Wieseln und Igeln ähnlich, letztere mit bunten
-durchsichtigen Stacheln, tummelten sich lustig umher, spielend und sich
-balgend, hüpfend und tanzend und seltsame Purzelbäume schießend.
-
-Kurz, es gab wieder genug zu sehen, zu hören und zu bewundern, wenn
-nicht schon der Zauber der magischen, bengalischen Mondbeleuchtung
-genügt hätte, um alle wach zu halten: wer hätte eine solche feenhafte,
-ja wahrhaft paradiesische Nacht stumpfsinnig verschlafen mögen.
-
-Aber auch neue Blumen erschlossen ihre Kelche, äußerst zarte,
-feingeformte Gebilde, meist leuchtend weiß mit goldgelben Staubfäden,
-doch vom Mondlicht rosig überhaucht; auch hellblaue und hellrote Winden,
-silberschimmernde Kapuzinerkresse und andere Blüten öffneten sich dem
-Rosenmond und hauchten Düfte aus, deren Süßigkeit alle Wohlgerüche des
-Tages weit zu überbieten schienen.
-
-Acht Stunden leuchtete der rosa Mond; kaum aber war er untergegangen, so
-stieg ein etwas kleinerer Mond von lichtblauer Farbe am
-entgegengesetzten Horizonte auf.
-
-Sein mildes Licht wirkte ungemein beruhigend. Es wurde überall still;
-die Tierwelt begann zu schlafen und auch die Kelche der Nachtblumen
-schlossen sich.
-
-Aber wieder sprangen neue Blüten auf, große Dolden, bunte Mohnhäupter,
-und ein einschläfernder Wohlgeruch gesellte sich zum einschläfernden
-Lichte.
-
-Auch unsere Freunde wurden still und fühlten schließlich das Verlangen
-nach Schlaf.
-
-Schultze leitete mit folgenden Worten den allgemeinen Rückzug in die
-Zelte ein: »Wenn die beiden Monde sich jede Nacht so pünktlich ablösen,
-wie heute, so hat dieses Paradies stets zwei Nächte, von denen die erste
-für das Vergnügen und die höchste Beseligung, die zweite erst für den
-Schlaf bestimmt zu sein scheint. Nun haben wir auch die blaue Nacht vier
-Stunden lang bewundert; legen wir uns zur Ruhe, wir haben noch zehn
-Stunden bis Sonnenaufgang.«
-
-»Danken wir dem allgütigen Gott,« sagte der Lord, »der uns diese neuen
-Wunder seiner Allmacht zu schauen würdigte; vor allem aber wollen wir
-ihn preisen, daß er uns auf einer so lieblichen Friedenswelt landen
-ließ, die keine Schrecken noch Gefahren zu bergen scheint. Trotzdem
-wollen wir bei allem Gottvertrauen nicht lässig und leichtfertig sein
-und nicht versäumen, die Wachen zu halten, wie die Vorsicht es uns
-gebietet; denn es ist eben doch ein unbekannter Planet, auf dem wir uns
-befinden und der außer dem Guten und Schönen, das wir kennen lernten,
-noch viel des Unbekannten bergen wird, von dem wir noch nicht wissen,
-wie es sich uns darstellen mag.«
-
-»Lassen Sie mich die erste Wache übernehmen,« bat Heinz, »ich fühle noch
-gar kein Schlafbedürfnis.«
-
-»Gut! Nach drei Stunden wecken Sie mich, die mittlere Wache will ich
-selber übernehmen,« sagte Flitmore.
-
-»Und die Morgenwache bitte ich mir aus,« erklärte der Professor, »schon
-der astronomischen Beobachtungen wegen, die für uns von Wert sein
-können.«
-
-Dabei blieb es, und alle, bis auf Heinz Friedung, zogen sich zurück.
-
-Nach anderthalb Stunden seiner Wache sollte der jugendliche Wächter
-entdecken, daß der Planet Eden nicht bloß zwei Nächte besaß, wie
-Schultze festgestellt hatte, sondern deren drei!
-
-Der blaue Mond neigte sich nämlich zur Rüste, als ein neuer Mond
-aufging, diesmal ein dunkelgrün gefärbter. Er war wesentlich kleiner als
-die beiden andern, etwa gerade so groß wie der Mond unserer Erde, der
-scheinbaren Größe nach.
-
-Eine halbe Stunde lang standen beide Monde gleichzeitig am Himmel; dann
-leuchtete nur noch der grüne Mond mit geheimnisvoll mattem Licht.
-Offenbar war diese dritte, die grüne Nacht, erst die rechte Nacht des
-tiefen Schlafes; die blaue Nacht war sozusagen der Spätabend, der den
-ersten Schlaf auf die Lider senkte.
-
-Alles blieb still, wie ausgestorben, kaum ein Lüftchen wehte den
-Dufthauch aus den zahllosen Blüten herüber.
-
-Heinz wurde ordentlich schläfrig und ließ sich nach drei Stunden, von
-denen nur eine ganz in die grüne Nacht gefallen war, gar nicht ungern
-durch Flitmore ablösen, dem während seiner Wache nur der dunkelgrüne
-Satellit Edens leuchtete.
-
-Drei Stunden später kam der Professor an die Reihe. Noch drei weitere
-Stunden stand der dritte Mond am Himmel; als er hinter dem Horizont
-verschwand, trat die Morgendämmerung ein.
-
-Schultze vermerkte also: Erster Sonnenaufgang (Alpha Centauri) als erste
-Stunde gesetzt; zweiter Sonnenaufgang nach zwei Stunden (Begleitsonne);
-erster Sonnenuntergang zu Ende der 25. Stunde (Alpha Centauri geht
-unter); mit Ende der 27. Stunde geht die Begleitsonne unter (25 Stunden
-nach ihrem Aufgang); folgt eine Stunde Dämmerung; zu Beginn der 29.
-Stunde geht der rosa Mond auf, der acht Stunden leuchtet, bis zum Ende
-der 36. Stunde, worauf sofort, zu Beginn der 37. Stunde, der blaue Mond
-erscheint, der sechs Stunden am Himmel steht; nach 41½ Stunden taucht
-der grüne Mond auf, eine halbe Stunde vor Untergang des blauen, und
-braucht 7½ Stunden, um das Firmament zu durchmessen. Zu Ende der 49.
-Stunde endlich geht auch er unter, worauf eine einstündige
-Morgendämmerung eintritt, bis nach Verfluß der 50. Stunde Alpha Centauri
-als erste Sonne wieder aufgeht.
-
-Dies war der Verlauf, wie er sich zu dieser Jahreszeit abspielte unter
-der Breite des Planeten Eden, wo sich unsre Freunde in der ersten,
-wundersamen Nacht ihres dortigen Aufenthalts befanden.
-
-
-
-
- 42. Höhere Wesen.
-
-
-In der Morgendämmerung fühlte sich Schultze schläfrig werden; ein Wunder
-war das nicht, hatte er doch gestern an die 40 Stunden gewacht und
-hernach nur 6 Stunden des Schlafs gepflogen.
-
-Da hatte er eine wunderliebliche Erscheinung, ein märchenschönes
-Traumbild, das ihn umgaukelte.
-
-Es war ihm, als sehe er durch die Wimpern seiner fast geschlossenen
-Augenlider eine Elfe heranschweben.
-
-Zuerst tauchte ein herziges Gesichtchen zwischen dem glitzernden
-Blattwerk des nahen Gebüsches auf, halb schelmisch, halb scheu
-vorlugend.
-
-Dann teilte sich das Blattwerk mit kaum hörbarem Rascheln und die ganze
-Gestalt schlüpfte heraus, sich über der Erde wiegend, ohne sie je zu
-berühren.
-
-Die Erscheinung glich nach Größe, Gestalt und jugendlichem Aussehen
-einem sechzehnjährigen Mädchen, aber von einer Zartheit der Formen und
-Durchsichtigkeit der Haut, die das vollkommenste irdische Geschöpf plump
-und grob erscheinen lassen mußten.
-
-Das Gesicht war von unbeschreiblicher Anmut und Vollkommenheit, und die
-großen Augen leuchteten in einem Blau, das auf Erden seinesgleichen
-nicht hatte.
-
-Der duftige Hauch des rosigen Mondes schien die weiße Blütenhaut zu
-durchschimmern, und die durchsichtigen Blättchen der Heidenrose
-erreichten diese lebensvolle Zartheit der Färbung nicht.
-
-Goldleuchtendes Haar, feiner als Seide, wallte von dem blühenden Haupte
-herab und rahmte das feine Oval des Gesichtchens ein.
-
-Ein luftiges, anschmiegendes Gewand, wie aus Nebel gewoben, floß von den
-Schultern hernieder und umwogte die zierliche Gestalt in wunderbar
-grünem Schimmer.
-
-Langsam näherte sich dieses Feenkind eines Märchentraumes, wich öfters
-wieder zurück, wie ein schüchternes Mägdlein wohl tut; zuletzt aber
-schwebte es ganz heran und beugte sich über den Professor herab, dem
-ganz wunderlich zumute wurde.
-
-Er riß die Augen plötzlich weit auf. Da erschrak das reizende Elfchen
-und flog ins Gebüsch zurück gleich einem Meteor so geschwind.
-
-Und die Zweige rauschten und klirrten und Vögel schwirrten auf.
-
-Schultze sprang auf und rieb sich die Augen; wie ein Nebelstreif vom
-Winde entführt verschwand die lichte Erscheinung; aber er wachte doch!
-War das wirklich ein Traumbild gewesen?
-
-»Na, mein Lieber, was starren Sie egal ins Gebüsch?« fragte der Kapitän,
-der sich bereits aufgetakelt hatte. »Sehen Sie eine Schlange oder ein
-Gespenst?«
-
-»Ich sehe nichts,« erwiderte der Professor, sich dem Freunde zuwendend,
-»wohl aber habe ich etwas gesehen; gespenstisch sah es nicht aus, eher
-eine kleine Schlange, aber eine ganz reizende, sage ich Ihnen!«
-
-»Was will das heißen unter den Wundern Edens,« lachte Münchhausen; »Sie
-tun gerade, als hätten wir noch nichts Wunderbares und Reizendes
-erblickt!«
-
-Schultze schwieg; er war doch zu unsicher, ob er nicht alles geträumt
-habe. Das würde sich ja wohl noch zeigen.
-
-Bald war alles munter. Rasch nahm man ein Frühstück ein von den
-köstlichen Früchten Edens; alle brannten vor Begierde, die
-Entdeckungsreise fortzusetzen und vielleicht noch größere Wunder, etwa
-gar menschliche Spuren zu entdecken, das heißt Zeugnisse für das
-Vorhandensein vernünftiger Wesen; denn wie sollte ein solches Paradies
-seine Bestimmung erfüllen, wenn es nicht von solchen bewohnt war?
-
-Jeder hängte seine Tasche um, die sein Zelt mit den zerlegbaren
-Aluminiumstäben und einige Vorräte und nützliche Gegenstände enthielt,
-und nun wurde das Gebüsch durchschritten, das den Lagerplatz umsäumte
-und in dem die liebliche Erscheinung verschwunden war, die den Professor
-beglückt hatte, von der er aber kein Wörtlein mehr verriet.
-
-Als das Gebüsch durchschritten war, sahen die Wanderer, daß sie sich auf
-einer Hochebene befanden, deren Rande sie sich näherten.
-
-Was aber ihre Schritte hemmte und ihre Blicke fesselte, war der Anblick
-zweier menschlicher Wesen, die sich in emsiger Tätigkeit befanden.
-
- [Illustration: Gabokol und Fliorot schmiedend.]
-
-Der eine war ein erwachsener Mann mit braunen Locken, die auf die
-Schultern herabfielen, und einem dunklen Vollbart. Ein weißes, faltiges
-Gewand umwallte seinen Leib gleich einer Toga bis zu den Knöcheln herab;
-sein Antlitz hatte etwas Durchgeistigtes, Verklärtes, Friedestrahlendes,
-so daß es ein Gefühl des Vertrauens, ja der unwillkürlichen Zuneigung
-erwecken mußte, selbst wenn die edelgeschnittenen Züge nicht von so
-außerordentlicher, echt männlicher Schönheit gewesen wären.
-
-Zarter, aber nicht minder schön und herzgewinnend erschien der Jüngling
-an seiner Seite: was waren gegen eine solch herrliche Gestalt die
-Antinous- oder Adonisideale menschlicher Kunst?
-
-Ein blaues Gewand umhüllte die prächtigen Glieder, sich ihren Formen
-anschmiegend.
-
-Die beiden wendeten alle ihre Aufmerksamkeit ihrer Arbeit zu, die eine
-Art Schmiedekunst zu sein schien: von einer Felsplatte stieg eine
-goldgelbe Flamme empor, deren Natur nicht zu erkennen war. Holz, Kohlen
-oder sonst ein Feuerungsmaterial war nirgends zu sehen; die Flamme
-schien aus dem Felsen selber hervorzubrechen.
-
-In diese Stichflamme hielt der Jüngling metallene Stäbe und Barren, bis
-sie weißglühend erschienen, was in sehr kurzer Zeit der Fall war. Dann
-übergab er sie dem Manne, der wohl sein Vater war, und der nun das
-weiche Metall teils freihändig, teils mit allerlei merkwürdigen
-Instrumenten, Zangen und Hämmern nach Belieben formte.
-
-»Diese Leute sind leichtsinnig, sie gehen höchst unvorsichtig mit dem
-Feuer um, das doch eine ungeheure Hitze entwickeln muß,« flüsterte der
-Professor, »man muß es ihnen sagen!«
-
-»So sagen Sie's ihnen,« entgegnete Münchhausen ironisch, »vielleicht in
-Ihrer Allerweltssprache, dem Lateinischen, wie seinerzeit auf dem Mars.«
-
-Schultze schwieg. Der Kapitän hatte recht; wie sollte er sich mit diesen
-Bewohnern einer fremden Welt verständigen?
-
-»Übrigens, sehen Sie!« bemerkte Mietje, »die beiden kommen jeden
-Augenblick mit dem Saum und den Falten ihrer strahlenden Gewänder in die
-Flammen hinein. Darauf scheinen sie gar nicht zu achten, und der Stoff
-fängt auch nicht Feuer, wird nicht einmal angesengt.«
-
-»Wenn ich mir eine Meinung gestatten darf,« warf nun John ein, »so ist
-dies sozusagen alles Hokus-pokus, ein Blendungswerk und gar kein
-brennbares Feuer; denn, wie Sie sehen, greift der Alte in das
-weißglühende Eisen mit den Händen, als sei es kalt anzufassen.«
-
-»Aber er biegt es und formt es,« entgegnete Heinz; »es muß also doch bis
-gegen den Schmelzpunkt erhitzt sein.«
-
-»Diese Edeniten,« erklärte Flitmore, »scheinen ein Schutzmittel zu
-kennen, das die Stoffe unverbrennlich und die Haut unempfindlich gegen
-die Hitze macht.«
-
-Bei einer Wendung, die er machte, gewahrte der Schmied die Ankömmlinge.
-Langsam ließ er das Eisen sinken, das er in der Hand hielt und legte es
-dann weg.
-
-Er schien überrascht, so seltsame, niegeschaute Wesen zu erblicken, die
-doch ihm und seinen Artgenossen nach Bau der Glieder und des Gesichtes
-glichen, dagegen aus weit gröberem Stoff geschaffen zu sein schienen und
-der Vollkommenheit ermangelten, die seine und seines Sohnes Schönheit
-erreicht hatte.
-
-Es war ja aber auch möglich, daß andere Edeniten auch weniger schön und
-zart gebaut waren als eben diese beiden; jedenfalls geriet der Mann in
-kein maßloses Erstaunen, wie man es hätte erwarten können, namentlich
-zeigte er keine Spur von Schrecken, vielmehr schien seine Überraschung
-eine freudige zu sein.
-
-»Fliorot!« rief er seinem Sohne zu, der nun ebenfalls aufblickte und
-ebenso angenehm erstaunt schien; ja der Jüngling klatschte vor Lust in
-die Hände.
-
-Wie der Anblick dieser Menschen etwas Überirdisches darbot, so übertraf
-ihre Stimme an Wohlklang alles, was die Erde an herrlichen Tönen kennt;
-Glocken- oder Orgelklang schien zu schallen, als der wundersame Mann das
-eine Wort »Fliorot« ausrief; und die helle Jubelstimme des Knaben mochte
-am ehesten mit der klingenden Orgelpfeife verglichen werden, die man
-^Voxhumana^, Menschenstimme, heißt, aber »Engelsstimme« nennen dürfte.
-
-»Jammerschade, daß wir uns mit diesen herrlichen Menschen, wie wir sie
-wohl nennen dürfen, nicht verständigen können!« bedauerte Schultze.
-
-»Wie hat sich denn Kolumbus mit den Indianern zurechtgeholfen?« fragte
-der Kapitän.
-
-»Das ist wahr,« sagte Flitmore. »Die Entdecker der verschiedenen Küsten
-Amerikas kamen nie in ernste Verlegenheit, wenn es galt, sich mit den
-Eingeborenen in Verkehr zu setzen, und sehr rasch lernten sie deren
-Sprachen; wenigstens fanden sich alsbald begabte Sprachgenies, die als
-Dolmetscher dienen konnten.«
-
-»Sollten wir nicht so viel zu Wege bringen, wie jene?« fragte Mietje.
-
-»Na, wie wär's Professorchen,« spöttelte Münchhausen, »wenn Sie's
-wiederum mit Ihrem alten Latein versuchten?«
-
-»Ne, ne!« wehrte dieser lachend ab, »wir haben ja einen jungen
-Sprachgelehrten unter uns; Heinz Friedung mag sein Heil probieren!«
-
-»Sehr gerne!« sagte Heinz ernst, ohne mit einer Wimper zu zucken.
-
-Schultze sah ihn groß an. »Na! Ich mache nur Spaß, natürlich! Sie
-glauben doch nicht im Ernst, mit einer irdischen Sprache hier
-anzukommen? Und wenn Sie alle Dialekte der Erde kennen würden und der
-Reihe nach probierten, 40 Billionen Kilometer von der Erde entfernt wird
-nicht ein einziger davon verstanden, dafür garantiere ich Ihnen.«
-
-»Herumprobieren wäre freilich zwecklos,« erwiderte Heinz, »aber es gibt
-Naturgesetze, die Ihnen nicht bekannt sind, Herr Professor.«
-
-»Um so mehr wohl Ihnen, junger Freund?« lachte Schultze etwas ironisch.
-Bildete sich der sonst so bescheidene Heinz gar ein, gelehrter zu sein
-als der vielgereiste und hochstudierte Professor Heinrich Schultze aus
-Berlin?
-
-Inzwischen waren die beiden Edeniten mit leichtschwebendem Gang, kaum
-die Erde mit den bloßen Füßen berührend, herangekommen.
-
-Heinz Friedung redete sie an.
-
-»We nom tu?« fragte er kühn.
-
-Schultze lächelte belustigt über diese offenbar von Heinz selber
-erfundene, improvisierte Sprache. Und das sollten die Bewohner der
-Fixsternwelt gar kapieren?
-
-Aber der Edenite sah Heinz überrascht, doch sichtlich unsicher an.
-
-Sein Sohn dagegen brach in einen Jubelruf aus; ihm schien ein
-plötzliches Verständnis aufzuleuchten und, wie um seinem Vater zu
-erklären, was Heinz hatte sagen wollen, rief er jenem zu: »Wai nuomi
-itu?«
-
-»Nuoma Gabokol,« sagte jetzt der Mann.
-
-»Ud itu?« wandte sich Heinz jetzt an den Jüngling. Der Vater aber
-verbesserte: »Onde itu.«
-
-»Fliorot!« erwiderte der Gefragte.
-
-»Pa?« frug Heinz den Alteren weiter.
-
-»Migu Pa,« sagte der, auf sich weisend: »Seit failo-mig.«
-
-Vollständig verblüfft lauschten die Erdenbewohner, wie dieser grüne
-junge Mann Heinz offenbar eine Unterhaltung mit Wesen angeknüpft hatte,
-deren Sprache kein Mensch verstehen konnte.
-
-Schultze rief wahrhaft entsetzt: »Da hört sich doch aber alle und jede
-Wissenschaft auf! Wenn einer auf Erden etliche Tausend Kilometer weit
-reist, so darf er darauf schwören, daß er auch nicht ein
-Sterbenswörtchen der Sprache versteht, die von den Eingeborenen des von
-ihm erreichten fremden Landes geredet wird, es sei denn, er habe die
-Sprache mühsam erlernt; und Sie wollen sich mir nichts dir nichts mit
-Leuten verständigen, die 40 Billionen Kilometer von unserem Planeten
-entfernt leben?«
-
-Münchhausen schüttelte sich vor Lachen: »Ein köstlicher Scherz!« rief
-er. »Merken Sie nicht, Professorchen, daß dieser Erzschalk von Friedung
-uns zu Narren hält und nur so tut, als ob er täte?«
-
-»Aber dann würden ihm diese Leute doch nicht ernsthaft Rede und Antwort
-stehen!« warf Mietje ein.
-
-»Die Sache ist ganz in Ordnung,« sagte Heinz. »Ich habe zwar
-selbstverständlich die Sprache dieser Edenbewohner nie gehört noch
-gelernt, daher kann ich sie auch nicht richtig treffen. Doch kann ich
-sie immerhin so annähernd reden, um mich verständlich zu machen. Ich
-sagte >we< und es heißt >wai<; ich sagte >nom< und es heißt >nuomi<, in
-der ersten Person >nuoma<; ich sagte >tu< und es heißt >itu<; ebenso muß
-es >onde< heißen statt >ud<, wie ich sagte. Doch traf ich in der Regel
-die Konsonanten richtig, so daß ein intelligenter Edenite mich verstehen
-muß, und bereits lernte ich außer den genannten berichtigten Formen
-einige neue Wörter: >migu< heißt >ich<, >seit< heißt >dieser<, >failo<
-aber >Sohn< und >mig< >mein<. Wenn ich mit drei Sätzen schon so weit
-kam, so darf ich hoffen, in wenigen Tagen schon ein wissenschaftliches
-Gespräch in der klangvollen Sprache Edens mit genügendem Verständnis
-führen zu können.«
-
-»Na! Was wollen Sie denn nun von diesen Herren erfahren haben?« fragte
-der Kapitän, noch stark zweifelnd.
-
-»O, nicht viel, aber immerhin das, was ich zunächst erfragte. Wir haben
-vor uns Vater und Sohn, >Pa onde failo<; der Vater heißt >Gabokol<, was
-so viel wie >offenes Auge< bedeuten dürfte; der Sohn heißt >Fliorot<,
-was ich mit >fliegendes oder flüchtiges Rad< erklären möchte. Dies ist
-vorerst alles!«
-
-»Aber wie zum Kuckuck wollen Sie uns dieses Wunder erklären?« rief
-Schultze. »Ich habe große Wunder erlebt, aber dies scheint mir doch das
-seltsamste von allen! Vierzig Billionen Kilometer, ich sage Ihnen,
-vierzig Billionen Kilometer trennen die Erde von Eden, und Sie kommen
-jung und grün von der Erde und reden ohne weiteres die Edeniten an, und
-Sie werden verstanden und Sie verstehen! Das übersteigt meine
-Fassungskraft!«
-
-»Na, so grün, wie Sie vermuten, bin ich eben doch nicht, Herr
-Professor,« lachte Heinz. »Sehen Sie, die ganze Sache ist die: ich habe
-das Geheimnis der Entstehung der menschlichen Sprache entdeckt, und nach
-und nach gelang es mir, alle Lautgesetze zu finden, auf denen die
-Wortbildungen beruhen. Da es sich um Naturgesetze handelt und nicht um
-willkürliche Wortbildungen, konnte ich mir sagen, daß überall, wo Wesen
-sich finden, die ähnlich gebaut sind wie wir Menschen, sie auch ihre
-Sprache ganz von selber nach den gleichen Gesetzen bilden mußten wie wir
-Menschen.
-
-Nun redete ich die Edeniten sozusagen in der Ursprache an; ich bildete
-die Worte aus den Lauten, die für den Begriff bezeichnend sind, den sie
-bedeuten sollen. Wenn nun die Sprache Edens sich nicht gar zu künstelnd
-von der Urform entfernte, so mußte ich verstanden werden, und letzteres
-war denn auch der Fall. Passen Sie auf! Wenn ich sage >We nom tu?< so
-begreifen Sie vielleicht nicht gleich, daß >nom< bedeuten soll >heißt<;
-denken Sie aber an das französische >^nommer^< oder an >Name<, so
-leuchtet es Ihnen wohl ein, daß >We nom tu?< besagen soll: >Wie heißt
-du?< Die Edeniten sagen nun: >Wai nuomi itu?< Aber, wie gesagt, die
-entscheidenden Laute sind ihnen bekannt, so daß sie auch meine
-mangelhafte Frage begriffen. >W< ist einmal der Fragelaut: wer, wie, wo,
-was, wann und so weiter; auf englisch ^where^, ^why^, ^who^ und so fort;
-im Lateinischen und Französischen tritt qu an die Stelle. D oder T,
-zuweilen S, ist der deutende Laut, also auch der Laut für >du, dich< und
-so weiter, er bezeichnet den, die oder das, auf die ich deute; und so
-könnte ich Ihnen für jeden beliebigen Begriff sagen, welcher Laut dem
-Menschen ganz unwillkürlich, mit Naturnotwendigkeit in den Mund kommen
-mußte, wenn er den betreffenden Begriff durch einen Laut ausdrücken
-wollte. Dies ergibt die Gesetze der Entstehung der Sprache, die ich
-entdeckte, und nach denen ich die Worte bildete, die von den fremdesten
-Wesen leicht begriffen werden müssen, falls sie eine menschenähnliche
-Sprache reden.«
-
-»Ein genialer Gedanke bleibt es immerhin, daß Sie gleich darauf kamen,
-diese irdischen Kenntnisse in dieser Weise hier auf die Probe zu
-stellen,« lobte Flitmore.
-
-Die Edeniten hatten aufmerksam gelauscht, doch sicher nichts oder nur
-gar wenige Worte verstanden; es gehören einfachere Sätze her, als sie
-dieses Gespräch enthielt, um eine wildfremde Sprache lediglich durchs
-Gehör kennen zu lernen.
-
-Nun nahm Gabokol das Wort, sich an Heinz wendend.
-
-»Er ladet uns ein, ihm zu folgen,« erklärte der junge Mann.
-
-»Angenommen!« sagte Flitmore, und die Gesellschaft vertraute sich der
-Führung der neuen Bekannten an.
-
-Diese atmeten tief ein und erhoben sich in die Luft, durch die sie nun
-schwebten, ohne wieder den Boden zu berühren.
-
-Unsre Freunde konnten wohl kolossale Luftsprünge machen, aber sich
-dauernd in der Schwebe zu erhalten, gelang ihnen nicht.
-
-Als die Edeniten dies merkten, ließen sie sich herab und Gabokol fragte
-in seiner Sprache Heinz: »Warum wollt ihr nicht fliegen?«
-
-»Wir können es nicht!«
-
-Der Mann schien höchlichst überrascht; aber fortan begnügten er und sein
-Sohn sich höflich damit, die Gäste springend zu begleiten.
-
-Fliorot interessierte sich sehr für die beiden Schimpansen und fragte,
-ob das die kleinen Söhne der Lady seien.
-
-Mietje stieß einen Schrei des Entsetzens aus, als ihr Heinz diese Frage
-übersetzte. Dieser aber klärte Fliorot auf, daß die Affen Tiere und
-keine Menschen seien, auch nicht reden könnten.
-
-Hierauf untersuchten die beiden Edeniten die Schimpansen mit größter
-Verwunderung.
-
-»Na!« meinte Münchhausen: »Diese Edenmenschen stammen offenbar von
-keinen Affen ab, da solche hier gar nicht bekannt sind. Professor Häckel
-darf froh sein, daß er nie auf den Lehrstuhl einer hiesigen Universität
-berufen wird; hier fielen seine Phantasien vollends in sich zusammen,
-auch fände er zu intelligente Zuhörer, um mit seiner Weisheit Anklang zu
-finden.«
-
-Man war an den Rand der Hochebene gelangt.
-
-Unten dehnte sich ein liebliches Flußtal, und zu beiden Seiten des
-Flusses ragten vereinzelte Felsblöcke von verschiedener Form, Größe und
-Höhe zu Hunderten empor.
-
-Unsre Freunde erkannten bald, daß sie es mit künstlichen Gebilden zu tun
-hatten, und zwar mit den Wohnhäusern der Edeniten. Die Felsen zeigten
-Fenster, Galerien und Balkone; oben hatten sie meist flache Dächer, die
-jedoch von Türmen, Säulen und Zacken überragt oder eingefaßt wurden.
-
-Breite Straßen und engere Gassen zogen sich zwischen den Häusergruppen
-hindurch.
-
-Heinz erkundigte sich nach dem Grund solcher Bauweise und zeichnete auf
-einen Marmorblock einige Wohnhäuser, wie sie auf Erden gebaut zu werden
-pflegten.
-
-Gabokol erklärte, das komme ihm sehr gekünstelt vor. Sie nähmen sich die
-Baukunst des Schöpfers in der Natur zum Vorbild.
-
-Alle mußten gestehen, daß diese rauhen, zackigen Bauten mit ihren
-Galerien, Bogen und Türmen ein ganz hervorragend schönes,
-abwechslungsreiches und großartiges Stadtbild ergaben.
-
-Die Stadt glich einem Bienenkorbe; über den Dächern, durch die Straßen,
-zu den Fenstern aus und ein flogen und schwebten Menschen in leuchtenden
-farbigen Gewändern, wie aus Duft gewoben, Männer und Frauen, Knaben und
-Mädchen, auch kleine Kinder.
-
-Man konnte sich nicht satt sehen an diesem farbenfrohen Bilde, an diesen
-anmutigen Bewegungen.
-
-Als unsre Freunde später diese Stadtbewohner aus der Nähe sahen,
-entdeckten sie, daß Gabokol und Fliorot durchaus nicht ausnahmsweis
-schöne Exemplare ihrer Rasse waren, sondern daß vollkommene Schönheit,
-Anmut und Grazie, dazu Adel der Gesinnung, der sich in den Zügen
-spiegelte, die allgemeinen Merkmale aller Edeniten waren.
-
-Dabei zeigten sie sich nicht etwa besonders ähnlich, sondern die
-persönliche Verschiedenheit der Gestalten und Gesichter schien eher noch
-mannigfaltiger als auf der Erde; und doch konnte man hier niemand in das
-liebliche Antlitz oder gar in die sonnigen Augen sehen, ohne ihn auf den
-ersten Blick liebgewinnen zu müssen.
-
-
-
-
- 43. Im Hause des Gastfreunds.
-
-
-Für heute wurde nicht in die Stadt hinabgestiegen oder vielmehr
-geschwebt; denn Gabokols Wohnung war gleichsam ein Landhaus, das auf
-einer Stufe des Bergrandes sich erhob, der sich ins Tal hinabsenkte.
-
-Das Haus stand in einem Garten von unerhörter Pracht und Lieblichkeit.
-Jetzt erst sahen unsre Freunde den ganzen Reichtum an Formen und Farben,
-den die Blumen, Gesträuche und Schlingpflanzen Edens aufwiesen.
-
-Auch die fremdartigen Gemüse hielten sie anfangs für Zierpflanzen, bis
-ihnen späterhin die Hausfrau alles erklärte.
-
-Ganz entzückend war der Geflügelhof; denn Fasanen, Pfauen und Perlhühner
-reichten mit ihren Farben und Zeichnungen weit nicht heran an die
-verschiedenen Arten eierlegender Haushühner, Enten und Gänse, die hier
-wimmelten. Auch die Eier dieser Vögel Edens übertrafen an Wohlgeschmack
-weit diejenigen ihrer irdischen Basen und erschienen überdies gefärbt
-wie leuchtende Ostereier oder gesprenkelt wie die schönsten Eier der
-Singvögel auf Erden.
-
-Heinz, der immer rascher und tiefer in die eigentümlichen Geheimnisse
-der Sprache Edens eindrang, machte stets den Dolmetscher; aber schon
-begannen auch die andern alle dies und jenes zu verstehen, nachdem sie
-einmal darauf aufmerksam gemacht worden waren, daß die natürliche
-Lautverwandtschaft den besten Schlüssel liefere. Merkwürdigerweise war
-es John, der bei weitem am raschesten auffaßte, jedenfalls weil er sich
-am unbefangensten dem angeborenen Sprachinstinkt überließ.
-
-Gabokol versicherte einmal über das andre, wie er sich freue und die
-Seinigen sich freuen würden, die lieben Gäste aus einer andern Welt
-beherbergen zu dürfen. Er werde jedem ein eigenes Zimmer anweisen; denn
-hier sei man so sehr gewohnt, Gäste zu beherbergen, je öfter und je mehr
-desto lieber, -- so daß jedes Haus zu drei Vierteilen aus Gastzimmern zu
-bestehen pflege.
-
-Eine Haustüre war nicht vorhanden; man stieg, wie bei allen Häusern
-Edens, durch das Dach ein; da die Villa einstöckig war, gelang allen der
-etwas hohe Sprung. Gabokol und Fliorot schwebten voran.
-
-»Ma!« rief Gabokol, als sie das Innere der Wohnung betraten.
-
-Alsbald erschien eine Lichtgestalt, ein Wesen von einem Zauber der
-Anmut, Jugendfrische und Schönheit, wie niemand bisher ähnliches
-geschaut, abgesehen von Schultze, der sich von seiner Morgenwache her
-einer noch weit lieblicheren Erscheinung erinnerte.
-
-Aber schon die Hausfrau, die unsern Freunden entgegenschwebte, bewies,
-daß auch auf Eden das weibliche Geschlecht das schönere war, so
-vollkommen sich auch die männliche Schönheit darstellen mochte.
-
-»Bleodila«, stellte Gabokol seine Gattin vor, mit Betonung des O des
-klangvollen Namens, den Heinz als »die Blühende« übersetzte, entschieden
-ein Name, der dieser Frauenblume angemessen war.
-
-Bleodila war sehr erfreut, fremde Gäste bei sich zu schauen, und führte
-sie in die Wohnstube, deren Wände aus Bergkristall bestanden und mit
-Edelsteinen in künstlerischen Blumenmustern verziert waren.
-
-Hier wurden unsre Freunde eingeladen, in bequemen Sesseln aus buntem,
-durchsichtigen Binsengeflecht sich niederzulassen.
-
-Für das Gewicht plumper Erdenmenschen waren diese zarten Geflechte zwar
-nicht berechnet; doch erwiesen sie sich als so zäh, daß sie sogar
-Münchhausens Last aushielten, ohne zusammenzubrechen.
-
-Der Kapitän benützte in der Folge immer den gleichen Sessel, den größten
-und stärksten natürlich. Die kugelige Form, die selbige Sitzgelegenheit
-infolgedessen annahm und die von ihrer ursprünglichen und allen auf Eden
-üblichen Formen seltsam abwich, machte den Lehnstuhl seinen Besitzern zu
-einem dauernden Andenken an den Besuch des dicken Kapitäns.
-
-Als die Gäste Platz genommen, rief die jugendfrische Hausmutter ihre
-älteste Tochter herein; es herrschte die Sitte in Eden, die Hausgenossen
-nicht schockweise, sondern einzeln, in angemessenen Pausen den Gästen
-vorzustellen.
-
-Die kleine Fee, die nun erschien und die zwanzig Jahre zählte, war von
-einem blaßrosa Kleide umflort und ihr braunes Haar ringelte sich in
-seidenen Wellen über den Rücken hinab.
-
- [Illustration: Elfenerscheinung.]
-
-Unsre Freunde fragten sich bei ihrem Anblick, ob es denn möglich sei,
-daß sich immer noch größere Schönheit und zartere Lieblichkeit
-offenbare, denn zuvor hatten sie gemeint, die Frau des Hauses stelle den
-Höhepunkt aller überhaupt möglichen Reize dar; nun aber fanden sie
-dieselbe durch ihre Tochter noch weit übertroffen.
-
-Nur Schultze wußte, daß es auf diesem Planeten noch entzückendere
-Lieblichkeit gab, als sogar Glessiblora sie offenbarte.
-
-Den Namen dieses taufrischen Mädchens, Glessiblora, mit dem Ton auf dem
-I der zweiten Silbe, dolmetschte Heinz mit »Glanzblume«.
-
-Erst eine Viertelstunde später wurde auch Heliastra, die Jüngste,
-gerufen.
-
-»Sie ist erst siebzehn und ein kleiner Schelm, ein lustiger Kobold,«
-erklärte der Vater, ehe sie erschien, und Heinz übersetzte ihren Namen
-mit »Flimmersternchen«, wörtlich »Hellstern«
-
-Von ferne vernahm man schon das silberne Lachen der Nahenden; denn mit
-nichts konnte der Wohllaut dieser hellen Stimme füglich verglichen
-werden, wenn nicht mit dem Klang silberner Glöckchen.
-
-Und nun erschien Heliastra in der Öffnung, welche die Tür vertrat; denn
-eigentliche, verschließbare Türen gab es in Eden nicht.
-
-Unter dem Eingang hemmte sie den schwebenden Schritt, und wie sie so
-dastand, umwallt von goldglänzendem Haar, im dunklen Türrahmen, da
-erschien sie wahrlich wie ein heller, flimmernder Stern.
-
-Unsre Freunde schauten alle nach der siebzehnjährigen Elfe hin: solch
-ein wunderliebliches Gesichtchen, solch ein Blau der lieben, lustigen
-Augen, solch durchsichtige Blütenweiße der Haut, von duftigem
-Rosenschimmer durchhaucht, kurz, einen solchen Schmelz der Schönheit,
-Anmut und Jugend hatten sie nicht nur niemals erschaut, sondern wären
-auch nie imstande gewesen, sich derart vollkommene Reize in der
-Phantasie auszumalen.
-
-Nur allein wieder Schultze hatte schon ähnliches gesehen, ja nicht nur
-ähnliches: er erkannte in Heliastra sofort die holdselige Erscheinung,
-die ihn bei seiner Morgenwache begrüßte, als er halb eingenickt war und
-nicht recht wußte, ob er schlief oder wachte.
-
-Die Kleine hatte ihn ebenfalls erkannt. Nachdem sie die fremden Gäste
-ohne Befangenheit gemustert und besonders Heinz Friedungs bewundernde
-Blicke durch ein bezauberndes Lächeln und freundliches Zunicken erwidert
-hatte, schwebte sie direkt auf den Professor zu und machte vor ihm eine
-tiefe Verbeugung, dann lachte sie ihm hell ins Gesicht.
-
-»Heliastra!« rief Bleodila mit sanfter Zurechtweisung ihrer Jüngsten zu.
-
-»O Ma,« erwiderte diese: »Wir kennen uns schon; als ich heute Morgen Pa
-und Fliorot zur Schmiede begleitete, flog ich ein wenig umher und fand
-das Lager der Fremden; dieser würdige Herr hielt Wache davor; ich
-glaubte aber, er schlafe und wollte mich nähern, da sah er mich so groß
-an, daß ich erschrak und forthuschte, allein ich glaube, er war noch
-viel mehr erschrocken.« Und sie lachte wieder ihr herzerquickendes
-Lachen.
-
-Als Heliastra merkte, daß Heinz ihre Sprache verstand, begann sie eine
-lebhafte Unterhaltung mit ihm und fragte ihn neugierig aus über die
-Welt, von der die Fremdlinge kamen. Wenn der junge Mann dann wieder ein
-Wort recht verketzerte, lachte sie mit einer Unwiderstehlichkeit, die
-auf die ganze Gesellschaft ansteckend wirkte.
-
-»Ich kann mir nicht helfen,« sagte sie, wie sich entschuldigend, zu
-Heinz. »Es macht mir gar zu großes Vergnügen, welch sonderbare Worte du
-oft gebrauchst oder wie seltsam du andere aussprichst und veränderst. Es
-ist ja erstaunlich, wie du unsere Sprache reden kannst, die du heute zum
-erstenmal hörst, so gescheite Männer gibt es bei uns gar nicht; aber ich
-bitte dich, lerne nur ja nicht ganz richtig sprechen, du würdest mich um
-ein gar zu großes Vergnügen bringen.«
-
-Heinz mußte nun auf Gabokols Bitte erklären, wie er überhaupt dazu
-gekommen war, sich mit den Edeniten verständigen zu können.
-
-Selbst die Mädchen folgten mit gespanntem Interesse und völligem
-Verständnis seinen Auseinandersetzungen über die Gesetze der Entstehung
-der menschlichen Sprache.
-
-Gabokol drückte ihm zum Schluß seine hohe Bewunderung aus und bat ihn,
-einen Vortrag über diesen Gegenstand in der Hauptstadt zu halten. »Du
-wirst dadurch bei uns ein berühmter Mann werden, denn unsre Gelehrten
-haben wohl herausgefunden, daß alle Sprachen unsres Planeten
-ursprünglich miteinander verwandt sind, aber über die Anfänge der
-Sprache überhaupt haben sie sich vergeblich den Kopf zerbrochen und sind
-zu der Ansicht gekommen, das sei ein für den menschlichen Verstand
-unlösbares Rätsel.
-
-Nun denke dir, welches Licht deine neue Erkenntnis verbreiten wird,
-welchen Dienst du unsrer Wissenschaft leistest und welchen neuen Anstoß
-du ihr gibst. Und einen großen Respekt wird man hier bekommen vor dem so
-viel größeren Scharfsinn der Erdenbewohner.«
-
-Heinz lächelte, versprach aber, den Vortrag zu halten, sobald er die
-Sprache des Landes genügend beherrsche.
-
-Nun trugen die Töchter des Hauses das Mittagsmahl auf, zur großen
-Befriedigung des Kapitäns.
-
-Unsre Freunde lernten hiebei neue, ungeahnte Genüsse kennen, nämlich die
-herrlichen Gemüse Edens und die ganz vorzüglichen Mehlspeisen und
-Backwaren, die verrieten, daß die Edeniten Getreidesorten besaßen, die
-verschiedenartige Mehle lieferten und zwar ungleich köstlichere als die
-Erde sie kennt.
-
-Fleischgenuß war hier unbekannt: niemals wäre jemand auch nur der
-Gedanke gekommen, ein Tier gewaltsam zu töten oder gar einen Tierleib zu
-verzehren. Allerdings, bei der unerschöpflichen Auswahl an auserlesenen
-Speisen wäre es Torheit gewesen, noch Fleischkost einzuführen, die
-wahrscheinlich den Edeniten gar nicht zuträglich gewesen wäre,
-keinesfalls aber zur Verbesserung des Speisezettels hätte beitragen
-können.
-
-Keiner unserer Freunde vermißte Fisch, Geflügel und Braten, so viel
-wohlschmeckender erschienen allen die Gerichte Edens in ihrer
-unendlichen Abwechslung.
-
-Eier, Milch, Butter, Käse und Honig waren die einzigen Speisen, die dem
-Tierreich entnommen wurden, und auch sie übertrafen alles Irdische;
-namentlich gab es die verschiedensten Arten von Eiern, von Honig und von
-Milch, und aus den verschiedenen köstlichen Milcharten wurden auch die
-verschiedensten Arten von Butter und Käsen hergestellt, von denen jede
-ihre besonderen unnachahmlichen Vorzüge aufwies.
-
-Die Getränke bestanden teils aus Wasser, das auch in verschiedenen
-Zusammensetzungen dem Erdboden entsprudelte, teils aus süßen und herben
-Fruchtsäften, die nichts Berauschendes an sich hatten und doch die
-Gemüter erhoben und die Stimmung verklärten, die Phantasie anregten und
-belebten, weit mehr als die alkoholischen Getränke der Erde.
-
-Die Folge auch des reichlichsten Genusses dieser Edenweine war niemals
-eine ungute, im Gegenteil, Kraft und Körperfrische sowie die geistige
-Regsamkeit wurden stets durch sie gehoben.
-
-
-
-
- 44. Neue Erkenntnisse.
-
-
-Heinz erlernte fabelhaft schnell die Sprache der Edeniten. Er konnte
-sich jetzt schon ganz fließend unterhalten. Schwierigkeiten machten nur
-die Begriffe, die entweder der irdischen oder der Welt Edens fremd
-waren. Aber durch Umschreibungen und Erläuterungen gelang es, auch
-solche mit der Zeit begreiflich zu machen.
-
-Gabokol und die Seinen zeigten dabei einen hervorragenden Scharfsinn und
-nahmen bald mit vollstem Verständnis eine ganze Reihe von »Fremdwörtern«
-auf, mit denen Heinz ihre Sprache bereicherte, weil es dieser an den
-entsprechenden Ausdrücken fehlte. Dabei handelte es sich lediglich um
-Dinge, die den Erdenmenschen geläufig, den Edeniten aber völlig
-unbekannt waren, nicht zum Schaden der letzteren.
-
-So hielt es zu Anfang schwer, den Gastfreunden verständlich zu machen,
-was unter Gift, Vergiftung, Verwundung, Krankheit, Schmerzen, Haß,
-Bosheit und anderen Leiden und Lastern zu verstehen sei.
-
-Und doch war es notwendig, solche Dinge zu berühren, wollte man sich
-über die Verhältnisse Edens belehren oder über diejenigen der Erde
-Auskunft geben. Es waren daher größtenteils Fremdwörter von recht übler
-Bedeutung, die von den Edeniten gelernt und schmerzlich staunend
-begriffen werden mußten, wenn sie sich mit der fremden Welt, aus der
-ihre Gäste kamen, vertraut machen wollten und ihnen andererseits klar
-machten, inwiefern sich Eden von jener unterschied.
-
-Auch die andern machten rasche Fortschritte in der Sprache Edens, und
-Flitmore sprach den Wunsch aus, einen Besuch in der Stadt so lange
-hinauszuschieben, bis sie so weit wären, das Notwendigste zu verstehen
-und sich selber verständlich zu machen.
-
-Es wurden daher in den nächsten Tagen nur Ausflüge auf die nahe
-Hochebene unternommen und auch einige Aussichtspunkte besucht, von denen
-aus man weit ins Land schauen konnte.
-
-Eine der ersten Fragen, die Schultze an Gabokol richtete, war die, wie
-es komme, daß das Wasser hier zum Teil bergauf, zum Teil aber bergab
-fließe.
-
-»Bei uns steigt immer das Leichtere nach oben,« erwiderte der Mann
-verwundert, »und das Schwere strebt hinab; ist das nicht so auf der
-Erde?«
-
-»Im allgemeinen wohl,« erwiderte der Professor. »So wird zum Beispiel
-Öl, auf den Grund eines Baches gebracht, an die Oberfläche des Wassers
-steigen; dann aber fließt es nicht den Bach hinauf, sondern hinab,
-ebenso fließt sowohl Öl als Wasser auf festem Grund, falls dieser
-geneigt ist, bergab.«
-
-»Auch wenn es leichter ist als der feste Grund?« fragte Fliorot
-erstaunt.
-
-»Ja! Es befindet sich eben dann in einem andern Mittel, in der Luft, und
-weil es schwerer ist als diese, drängt es zur Tiefe.«
-
-Gabokol schüttelte den Kopf. »Das ist merkwürdig und widerspricht den
-Naturgesetzen, wie wir sie kennen. Wir haben dichtes Wasser, das
-schwerer ist als Erd- und Felsboden: das sinkt hinab. Wird es aber durch
-Wärme und Verlust aufgelöster fester Bestandteile leichter als der feste
-Untergrund, so strebt es so hoch als nur möglich empor und fließt auch
-selbstverständlich bergauf. Die Meere haben schweres Salzwasser: die
-bleiben immer in der Tiefe.
-
-Unser Planet hat auch eine sehr schwere Luft und geringe magnetische
-Kraft; auf unsern Monden ist das ganz anders, da fühlt man sich schwer
-an den Boden gefesselt; möglich, daß dort auch das Wasser niemals
-bergauf fließen könnte, wenn es dort überhaupt Wasser gäbe.«
-
-»Könnt ihr bis zu euren Monden fliegen?« erkundigte sich Mietje.
-
-»Wir können es wohl, tun es aber nicht ohne Not; denn zu einem
-Aufenthalt für Lebende sind sie nicht geeignet. Es fehlt ihnen an
-Pflanzen und an Wasser, sie gleichen leuchtenden Edelsteinen, sind aber
-tot und nur ein Platz für die Toten. Auch macht ihre starke
-Anziehungskraft das Wandern und Fliegen dort sehr beschwerlich.«
-
-»Wie macht ihr es überhaupt, daß ihr fliegen könnt?« wandte sich
-Münchhausen an Fliorot.
-
-»Wir atmen die Luft in unsere Fluglunge ein,« erwiderte dieser.
-»Probiere es doch einmal: sobald sie mit Luft gefüllt ist, schwebt man
-von selber empor und sinkt erst wieder, wenn man die Klappe öffnet. Wir
-können das schon als kleine Kinder, warum macht ihr's nicht ebenso?«
-
-»Aus dem einfachen Grunde, weil wir eine so praktische zweite Lunge
-nicht besitzen,« entgegnete der Kapitän.
-
-»Das dachte ich mir,« fiel nun Bleodila, die Hausfrau, ein. »Bei uns ist
-diese innere Einrichtung ein Vorzug, den wir vor den Tieren haben, die
-nur springen können oder Flügel besitzen müssen um zu fliegen.«
-
-»Und durch die Anfüllung euerer Ballonlunge werdet ihr so leicht, daß
-ihr bis zu den Monden fliegen könnet?« fragte Mietje weiter.
-
-»Nein, das nicht!« antwortete ihr der Hausvater anstelle seiner Gattin:
-»Weiter oben wird die Luft so dünn und leicht, daß sie uns nicht mehr
-trägt; wollen wir höher gelangen, so müssen wir Fahrzeuge benutzen, die
-durch die abstoßende Kraft emporgetrieben werden, bis wir die Kraft
-abstellen und, von dem Monde angezogen, auf seine Oberfläche gelangen.«
-
-»Aha! Meine Fliehkraft!« rief Flitmore. »Und weiter als bis zu euren
-Monden reist ihr mit derselben nicht?«
-
-»Das können wir nicht: Die Zwischenluft bis zum grünen Mond, der uns der
-nächste ist, genügt kaum mehr zum atmen; den blauen haben nur wenige
-kühne und ausdauernde Fahrer erreicht; den rosa Mond aber, der doppelt
-so weit entfernt ist, konnte noch keiner erreichen: Die Luft wird zuvor
-so dünn, daß man umkehren muß, sonst müßte man sterben.«
-
-»Wenn ihr aber in einem verschlossenen Behälter voller Luft aufsteigen
-würdet?« meinte der Lord.
-
-Gabokol sann nach: »Das wäre ein Gedanke! Das hat noch niemand
-versucht,« sagte er: »Seid ihr so bis zu uns gekommen?«
-
-»Ja!« bestätigte Flitmore kurz.
-
-»Ein weiter Weg!« meinte Fliorot und sah zum Himmel empor.
-
-»Unsere Erde kannst du nicht sehen!« lachte Schultze, der der Richtung
-seiner Blicke folgte und nicht umhin konnte, sich höchlichst zu
-verwundern, daß der Knabe wenigstens genau zu wissen schien, wo er die
-Erde am Firmament zu suchen hätte, falls sie sichtbar gewesen wäre. Aber
-freilich, mit dem stärksten Teleskop hätte man diesen kleinen dunklen
-Planeten von hier aus niemals entdecken können.
-
-Fliorot aber erwiderte: »O doch, ich sehe sie ganz genau. Ich kenne die
-Lage eueres Sonnensystems gut. Ihr habt nur eine Sonne. Zuerst kommen
-zwei kleine Planeten ...«
-
-»Merkur und Venus,« sagte Heinz.
-
-»Dann kommt euere Erde, wie ihr sie nennt,« fuhr Fliorot fort, »ich sehe
-sogar ihren Mond.«
-
-»Ja, Fliorot hat scharfe Augen,« bestätigte Gabokol: »Ich selber kann
-bei Tageslicht den Mond eurer Erde nicht erkennen, nur bei Nacht.«
-
-»Da hört sich aber doch alle Wissenschaft auf!« rief Schultze, der
-staunend beobachtete, wie die Augen des Knaben ein wenig vorgetreten
-waren und sich in weite Ferne richteten. »Das ist ja eine Sehkraft, die
-unsere stärksten Fernrohre weit in den Schatten stellt und gegen die
-auch diejenige des letzten Marsbewohners nichts besagen will! Ist dieser
-Jüngling imstande, Erde und Mond als zwei getrennte Körper zu
-unterscheiden, so ist das eine Augenparallaxe, die über das Märchenhafte
-hinausgeht. Seine Augen müssen es vermögen, die Neigung zweier Linien zu
-einander zu unterscheiden, die auf einen Kilometer nur 9 Millimeter
-beträgt!«
-
-Gabokol führte nun unsere Freunde zu seiner Schmiede und erklärte ihnen,
-wie die Flamme aus der Vereinigung zweier Gase entstand, die er durch
-Mischung von Metallen und Säuren im Erdboden erzeugte.
-
-Er hatte ein Luftschiff in Arbeit, das aus äußerst leichten Metallen
-gebaut wurde und das allgemeine Verkehrsmittel auf dem Planeten bildete,
-wie er erklärte, wenn es sich darum handelte, rascher vorwärts zu
-kommen, als durch persönlichen Flug, oder auch Lasten zu befördern.
-
-Als Triebkraft diente ein Magnetismus, den er Parallelkraft nannte, weil
-er die damit geladenen Fahrzeuge in wagrechter Richtung über der
-Oberfläche des Planeten hintrieb.
-
-Fliorot interessierte sich sehr für Heinz' Revolver. Als der Freund ihn
-ernstlich mahnte, vorsichtig mit der gefährlichen Schußwaffe umzugehen,
-lachte er; und ehe es jemand hindern konnte, schoß er sich eine Kugel
-mitten durch den Arm.
-
-Den Schreckensruf unserer Freunde begriffen die Edeniten nicht. Der Arm
-war allerdings durchbohrt, auch der Knochen durchschlagen. Doch schloß
-sich die Wunde so augenblicklich ohne irgend welche Blutung, daß keine
-Spur mehr zu sehen war. Auch die Knochen waren offenbar so elastisch,
-daß sie ohne Schaden durchbohrt werden konnten. Ein Schmerzgefühl war
-den Edeniten unbekannt, und selbst völlig abgetrennte Glieder wuchsen,
-wie Bleodila versicherte, augenblicklich wieder fest, wenn man die
-Schnittflächen aneinander legte.
-
-Doch kamen solche Verwundungen bei den elastischen Gliedmaßen und der
-äußerst widerstandsfähigen, wenn auch noch so zart aussehenden Haut
-äußerst selten vor.
-
-»Krankheiten kennt ihr auch nicht?« wandte sich Mietje an Glessiblora:
-»Gifte gibt es hier keine, wie ihr sagt, und das stärkste Feuer vermag
-eure Haut nicht anzugreifen, gibt es denn da bei euch überhaupt einen
-Tod?«
-
-»Ja,« erwiderte das Mädchen, »sterben müssen wir alle. Ein Jahr dauert
-bei uns etwa zehn eurer Erdenjahre und 300 bis 500 unserer Jahre ist die
-gewöhnliche Lebensgrenze.«
-
-»Also 3000 bis 5000 Jahre!« rief Münchhausen.
-
-»Selten stirbt jemand in zarterem Alter,« bestätigte Heliastra. »Man ist
-dann alt und müde und sehnt sich nach dem höheren, vollkommeneren Leben,
-das Gott uns nach dem Tode verheißen hat.«
-
-»Fühlen wir unser Ende herannahen,« fügte Bleodila hinzu, »so treten wir
-gewöhnlich alsbald die Reise nach dem grünen Mond an, dem Reich der
-Toten. Dort schläft man nach wenigen Tagen ein, ohne wieder aufzuwachen.
-Entschlummert aber einer schon hier, ehe er an die letzte Reise dachte,
-was sehr selten vorkommt, so bringen wir seinen Leib hinauf, wo er dann
-bald austrocknet und zu Staub zerfällt.«
-
-»Ihr glaubt also, wie wir, an ein ewiges Leben?« fragte Flitmore.
-
-Gabokol sah ihn verwundert an: »Natürlich!« sagte er: »Was hätte es für
-einen Sinn, wenn das Leben mit dem Tode aus wäre?«
-
-»Nun, ihr habt doch sicher auch in diesem Leben eine Aufgabe zu
-erfüllen,« meinte Schultze.
-
-»Gewiß! Sehr viele! Arbeit gibt es genug an uns und andern, für uns und
-für andere; denn wir müssen doch immer besser werden und unsern Planeten
-immer besser machen. Wollten wir zum Beispiel an der Verbesserung
-unserer Weltkugel nicht ernstlich und fleißig arbeiten, so müßten unsere
-Nachkommen bald zum Teil verhungern: bis jetzt ist nämlich nur ein
-Streifen rings um den Planeten fruchtbar und bewohnt; alles andere ist
-Wüste, es fehlt an Pflanzen und Erde.
-
-Unsere Hauptarbeit besteht nun darin, das nackte Gestein zu zermahlen,
-es mit pflanzlichen Stoffen und chemischen Bestandteilen zu mengen und
-so eine gute Erde herzustellen, mit der wir kahle Flächen bedecken, die
-dann eingesät werden und Urwälder und Prärien bilden, welche zunächst
-von der Tierwelt in Beschlag genommen werden können, bis sich später die
-Bevölkerung ausdehnt.
-
-Nächst unseren häuslichen Arbeiten, der Herstellung von Verkehrsmitteln
-und dem Landbau, beteiligt sich jedermann auch an dieser Riesenarbeit,
-künftigen Geschlechtern ihre Wohnsitze zu schaffen.«
-
-»Nun also,« sagte der Professor: »So könntet ihr ja sagen, das ist der
-Zweck unseres Lebens, unsern Nachkommen den Boden zu bereiten, und in
-ihnen leben wir fort. Ähnlich sprechen so manche auf Erden, die an kein
-Fortleben nach dem Tode glauben wollen.«
-
-»Und diese Nachkommen?« fragte Bleodila: »Sie würden auch einige hundert
-Jahre sich des Errungenen erfreuen und ihrerseits für die Kommenden
-vorarbeiten, um dann ins ewige Nichts zu versinken, und so ginge es
-fort, bis der Planet tot wäre mit allen, die je auf ihm gestrebt und
-gewirkt? Und dann? Dann wäre es völlig einerlei, ob je hier vernünftige
-Wesen gelebt und gearbeitet haben oder nicht!«
-
-»Ja,« stimmte die kleine Heliastra der Mutter bei. »Wenn mit dem Tode
-alles aus wäre, so wäre zuletzt unser ganzes Leben zwecklos und sinnlos,
-wir wären das Puppenspiel eines unverständigen Schöpfers; aber gottlob,
-die Macht, die uns erschaffen hat und erhält, ist Weisheit und Liebe;
-darum allein können wir uns des Lebens freuen und auch dem Ende getrost
-und fröhlich entgegensehen.«
-
-»Und was erhofft ihr vom Ende?« fragte Heinz.
-
-Heliastras Augen leuchteten: »Das Leben ist schön bei uns, wunderschön!
-Aber welche Schranken sind uns überall gesteckt, wie viel möchten wir
-wohl ausführen und können es nicht! Wer treu gewesen ist im Wirken
-seines endlichen Lebens, dem werden höhere Aufgaben und Kräfte
-anvertraut, wie wir glauben: ja, ein neueres, höheres und schöneres
-Leben wird diesem mangelhaften Leben folgen, das glauben und hoffen
-wir!«
-
-»Unser Glaube ist der,« fügte Gabokol hinzu: »Wer sich bewährt hat, dem
-wird Gott eine seiner unzähligen Welten überweisen und ihm sagen: nun
-magst du nach eigenen Gedanken und nach eigener Lust schaffen. Ich gebe
-dir ein Maß von Schöpferkraft, wie es deinen Bedürfnissen entspricht;
-ich ordne dir andere Geister bei, denen noch keine so hohe Macht
-anvertraut werden kann, die dir aber treu und willig zu Diensten sein
-werden. Nun schaffe dir eine Welt nach deinen Gedanken, Pflanzen, Tiere,
-vernünftige Wesen, wie deine Phantasie solche erfindet, stelle
-Naturgesetze auf, wie du sie für zweckmäßig hältst und wenn du des Rats
-bedarfst, so darfst du ihn jederzeit bei mir holen. Ja, wir glauben, daß
-die Natur und Lebewelt auf unserem Planeten und wir selbst auf diese
-Weise geschaffen worden sind von einem großen, seligen Geist, dem Gott
-hier sein Schöpfungsgebiet angewiesen hat; denn vollkommene Geschöpfe,
-wie Gott selber sie erschaffen hätte, sind wir noch nicht. Aber im neuen
-Leben wird er selbst uns zur Vollkommenheit vollenden, wie der Meister
-des Schülers Arbeit verbessert und zur Vollendung bringt.«
-
-»Ihr glaubt also alle an einen Gott, von dem in letzter Linie die ganze
-sichtbare Schöpfung ausgeht?« fragte Mietje.
-
-Bleodila sah sie verständnislos an: »Ja, was sollten wir denn sonst
-glauben?« fragte sie. »Etwa, diese ganze Welt mit ihren wunderbaren
-Geschöpfen und uns selbst, sei von selber entstanden?« und sie brach in
-ein herzliches Gelächter aus, in das ihre beiden Töchter einstimmten, so
-daß es wie der Klang eines Glockenspiels durch die zitternden Lüfte
-schallte.
-
-»Ihr habt recht, daß ihr lacht,« sagte Mietje; »niemand macht sich so
-lächerlich, wie der Zweifler am Dasein Gottes.«
-
-»Nichts ist wahrer als dies,« stimmte der Lord bei: »Die Gottesleugnung
-wird stets der sicherste Beweis geringer Verstandesgaben sein und der
-Unfähigkeit, vernünftig zu denken. Allerdings entstammt der plumpe
-Aberglaube an die ewige, allmächtige Natur und ihren aus dem Nichts
-gezauberten Gesetzen dem unlautern Willen und nie der wissenschaftlichen
-Überlegung. Aber diese Leute, die das Opfer ihres Verstandes bringen,
-weil sie nicht glauben wollen, die Geist und Sinne absichtlich
-verschließen, um der allein vernünftigen Erkenntnis den Eingang zu
-verwehren, sind um so bejammernswertere Toren und tun sehr Unrecht
-daran, den Vogel Strauß zu belächeln, der den Kopf in den Sand steckt,
-meinend, nun sei auch das nicht da, was er nicht mehr sieht, nicht sehen
-will.«
-
-»Unsere Philosophen,« sagte Gabokol, »haben auch schon über das
-Welträtsel nachgedacht. So beschränkt war freilich keiner, am Dasein
-eines Schöpfers zu zweifeln. Aber die Frage nach der Ewigkeit des
-Sichtbaren warfen sie auf. Da kamen sie denn zu folgenden Erkenntnissen:
-entweder das Sichtbare war immer da, das heißt von jeher vom ewigen
-Schöpfer hervorgebracht; dann wird es auch immer sein, und die
-Vergänglichkeit ist nur etwas Scheinbares, als ein Übergang in andere,
-zweifellos, höhere Daseinsformen; das wäre eine beständige Entwicklung,
-ein ewiger Fortschritt.«
-
-»Wenn aber das Sichtbare einen zeitlichen Anfang hätte?« warf Schultze
-ein.
-
-»Dann könnte es ja wohl auch ein Ende haben,« erwiderte der Edenite;
-»allein es ist klar, daß wenn _einmal_ ein Anfang war, auch späterhin
-immer wieder ein neuer Anfang möglich ist; ja es wäre unsinnig zu
-glauben, daß es in der Ewigkeit der Zeiten nur einmal zu einem einzigen
-Anfang gekommen wäre und dann für alle Zeiten Ende und Tod. Wir
-schließen daraus, daß auch das Einzelne nie ein endgültiges Ende nehmen
-kann, sondern daß ihm ein neuer Anfang sicher ist. Der Anfang des
-Sichtbaren setzt also nicht sein Ende voraus, sondern vielmehr seine
-ewige Erneuerung.«
-
-
-
-
- 45. Heliastra.
-
-
-Es war wunderbar, wie die Lebensluft Edens Körper und Geist frisch
-erhielt, stärkte und belebte!
-
-Was ließ sich doch alles an _einem_ Tage ausführen, kam doch zum
-siebenundzwanzigstündigen Sonnentag nach einer Dämmerstunde die
-achtstündige Rosennacht, in der noch keine Müdigkeit oder Schläfrigkeit
-aufkam!
-
-Man ging zur Ruhe, wenn der blaue Mond bereits einige Stunden geleuchtet
-hatte; man erhob sich gestärkt und munter, ehe der grüne Mond sich zum
-Untergang neigte: acht bis neun Stunden Schlafs genügten allen
-Bedürfnissen, so daß der Tag, das heißt die Zeit des Wachens, mehr als
-40 Stunden währte.
-
-Was man bei der hier so gesteigerten Auffassungsfähigkeit in wenigen
-Tagen lernen konnte, merkten unsre Freunde besonders daran, daß sie bald
-die Sprache Edens verstanden und redeten, als sei sie ihnen von Kind auf
-bekannt gewesen. Freilich wäre dies nicht möglich gewesen, wenn nicht
-eben die Verwandtschaft mit der irdischen und namentlich mit der
-deutschen Sprache, die der menschlichen Ursprache so besonders nahe
-steht, gewesen wäre.
-
-Eines Abends, als der Rosenmond sein märchenschönes Licht über die
-Landschaft ergoß, saß die nun so vertraute Gesellschaft auf dem Dache
-des Hauses.
-
-Gabokol führte mit Schultze und Flitmore ein ernstes Gespräch, dem John
-andächtig lauschte, sich hier und da eine seiner wohlgesetzten Fragen
-gestattend.
-
-Mietje unterhielt sich mit Bleodila und der gesetzten Glessiblora über
-das Leben und Treiben der Frauenwelt Edens.
-
-Fliorot lauschte den fabelhaften Erzählungen des Kapitäns Münchhausen,
-der an dem Knaben einen eifrigen Zuhörer gefunden hatte.
-
-Etwas abseits saßen Heinz und Heliastra und betrachteten den leuchtenden
-Sternhimmel, der freilich den Augen der Jungfrau einer höheren Welt noch
-viel reichere Wunder offenbarte als dem Jüngling der irdischen Fernen.
-
-»Ich liebe die Sterne so sehr!« sagte die kleine Elfe: »Wie viel
-leuchtende Sonnen hat doch Gott erschaffen und wie unzählig mögen die
-Wesen sein, die ihres Glanzes sich freuen! Den helleren Sternen haben
-wir Namen gegeben und ebenso den Bildern, die durch verschiedene
-einander scheinbar nahestehende Sterne entstehen, wenn man sie vereint
-betrachtet.«
-
-»Genau so haben auch wir auf der Erde es gemacht,« erwiderte Heinz
-lächelnd.
-
-»Nein! wie merkwürdig!« rief Heliastra erfreut: »Sieh einmal, dort am
-Horizont stehen vier Sterne, die einen viereckigen Leib bilden, von dem
-ein langer Hals emporstrebt; wir nennen das Sternbild, das wohl das
-deutlichste am Himmel ist, Ligela, nach dem langhalsigen Tier, das ihr
-Giraffe nennt, wie heißet denn ihr's?«
-
-Heliastra hatte sich von Heinz fleißig in seiner Sprache unterweisen
-lassen und wußte schon alle Namen derjenigen irdischen Geschöpfe, die
-mit denen Edens einige Ähnlichkeit hatten.
-
-»Wir nennen dies Sternbild den Wagen oder den Großen Bären,« erklärte
-der Jüngling: »Es gehört auch bei uns zu den bekanntesten.«
-
-Heliastra schüttelte das Goldköpfchen: »Ligela klingt schöner,« meinte
-sie; »aber schau, dort drüben sind drei Sterne in einer Reihe und zwei
-darunter; dieses Bild nennen wir den Thron, Sissal, und den hellen Stern
-rechts unten Helor.«
-
-»Wir heißen den letzteren Rigel, nehmen aber zum Sternbild noch jene
-beiden oberen Sterne, links Beteigeuze, rechts Bellatrix, und heißen das
-ganze Gebilde Orion.«
-
-»Orion! Nein, welch schöner, klangvoller Name!« rief das Mädchen. »Aber
-paß auf: die beiden Sterne, die ihr Beteigeuze und Bellatrix benennt,
-wir aber Fluir und Saila, rechnen wir zum langgestreckten Bild der
-Schlange, Slipilil; ihr Kopf ist dort links das strahlende Gestirn
-Glorhel.«
-
-»Das ist Sirius im großen Hund,« erläuterte Heinz.
-
-»Und das Schwanzende,« fuhr Heliastra fort, »ist dort rechts der helle
-Stern, an den sich mehrere kleinere in schönem Schwung anschließen;
-ersteren heißen wir Glizil.«
-
-»Das ist Aldebaran im Stier und die kleine Gruppe die Hyaden.«
-
-Noch eine ganze Reihe von Stern- und Sternbildernamen erklärten sich die
-beiden gegenseitig, wobei es sich freilich erwies, daß die Astronomen
-Edens meist andre Gruppierungen festgestellt hatten, als die irdischen.
-Genau übereinstimmend erfanden sich außer dem großen Bären nur die
-besonders scharf begrenzten Bilder der Kassiopeia, die ein großes
-lateinisches W bildet und der Wage; diese beiden nannte Heliastra
-»Doppeldreieck« und »Amboß« oder Dutri und Kolgor.
-
-Immer wieder mußte Heinz dann von der Erde und den Menschen erzählen,
-und Heliastra lauschte seinen Berichten wie Wundermären aus einer fernen
-Märchenwelt.
-
-Und wenn er von den Leiden, Fehlern und Leidenschaften der irdischen
-Geschöpfe berichtete, von den Schrecken und Gefahren, von Unglück und
-Verbrechen, die den Frieden und das Glück der Erdenbewohner trübten, da
-offenbarte sich ihm das tiefe Gemüt, das sich hinter dieses Sonnenkindes
-schelmischem Wesen barg.
-
-Denn die Liebliche empfand ein so tiefes Mitleid mit ihren fernen
-Brüdern und Schwestern, daß ihre Himmelsaugen in Tränen schwammen; und
-die Sünde und Verworfenheit kam ihr noch als das allerbemitleidendste
-Elend vor, unter dem die armen Geschöpfe zu leiden hätten.
-
-»O,« rief sie aus: »Wie viel höhere und edlere Aufgaben, Arbeit und
-Tätigkeit ist doch euch zugewiesen, die ihr Schmerzen zu lindern, Übel
-zu bekämpfen und Schlechtes zu überwinden habt! Wir streben ja auch der
-Veredlung und Vollkommenheit zu, aber die Schwierigkeiten, mit denen ihr
-zu rechnen habt, sind uns unbekannt: bei euch muß das Leben ein wahres
-Heldentum sein. Nur einmal möchte ich auch hineinversetzt werden in all
-dies bejammernswerte Elend, um mit euch kämpfen und siegen zu können.«
-
-»O, wünsche das nicht!« sagte Heinz, das zarte Geschöpf in seiner
-verklärten Begeisterung wehmütig betrachtend: »Wie viel glücklicher seid
-doch ihr!«
-
-»Meinst du? Ich fühlte mich wohl wunschlos glücklich, so lange ich
-nichts ahnte von Leiden, wie du sie zu schildern weißt. Nun aber ist ein
-heißer Wunsch, ein brennendes Verlangen in meiner Seele erwacht: ist es
-nicht das höchste Glück, trösten, lindern, helfen zu dürfen, wo das
-Elend zum Himmel schreit?«
-
-»Und dann Undank ernten und von denen, mit denen man es so gut meinte,
-verhöhnt und gequält zu werden, wie es unserm Heiland ging?«
-
-»Glaubst du nicht, es sei das Schönste, auch Unrecht zu leiden, nach dem
-Vorbild des Gottessohns, von dem du so himmlisch Großes und Herrliches
-zu erzählen weißt? Und dann weiß ich doch, du und deine Freunde, ihr
-würdet nicht spotten und mir mit Undank vergelten; ihr wäret meine
-treuen Mithelfer und Mitdulder. O, Freund, es müßte wahrhaft schön
-sein!«
-
-Heinz betrachtete voll Bewunderung dieses ätherische Wesen, das sein
-beneidenswertes Glück mit Freuden geopfert hätte, um Lichtstrahlen zu
-spenden denen, die ihre Finsternis mehr liebten als das Licht!
-
-Ja, wer an der Seite solch einer Seele hätte arbeiten können an der
-Beglückung der Gequälten und Verirrten!
-
-Heinz hatte schon den Wunsch empfunden, für immer in dieser neuen Welt
-des Friedens zu weilen und nie wieder in das Elend der Erde
-zurückzukehren. Aber die hochherzige Gesinnung dieses Mädchens ließ ihn
-sich seiner eigennützigen Fluchtgedanken schämen: nein! er mußte
-zurückkehren auf die Erde als ein Kämpfer für Licht und Glück!
-
-
-
-
- 46. Überirdische Klänge.
-
-
-Es fand sich, daß die Photographie den Edeniten nicht unbekannt war.
-
-In Gabokols Wohnung waren die Wände vielfach mit Bildern geschmückt,
-teils Porträts, teils Landschaftsbilder oder belebte Szenen aus Welt und
-Leben. All diese Darstellungen erschienen so überaus lebendig und
-naturwahr, so zart und leuchtend in den feinsten Farbenabstufungen, daß
-unsre Freunde sich nicht genug wundern konnten über die hohe Stufe,
-welche die Kunst der Maler hier erreicht habe.
-
-Bald erfuhren sie jedoch, daß es sich nur zum geringsten Teil um Gemälde
-handelte, daß vielmehr die meisten dieser Kunstwerke nichts andres waren
-als Lichtbilder in natürlichen Farben.
-
-Gabokol selber besaß einen photographischen Apparat, den er Flitmore
-bereitwilligst erläuterte. Die Linse war durchaus dem menschlichen Auge
-nachgebildet und wurde auch wie dieses eingestellt, wobei sie Bilder von
-unnachahmlicher Schärfe lieferte. Die Platten bestanden aus
-durchsichtiger Baumrinde und waren mit einem licht- und
-farbenempfindlichen Stoffe überzogen, der ebenfalls genau dem
-entsprechenden Stoff im Auge des Menschen nachgeahmt war. So entstand
-schon auf der Platte ein farbiges Bild, das durch ein verblüffend
-einfaches Verfahren festgehalten wurde. Von dieser ersten Platte konnten
-dann beliebig viele Vervielfältigungen ausgeführt werden, wobei man
-stets dieselben dünnen Platten benutzte: ein besonderes Material für die
-Abzüge war durchaus entbehrlich.
-
-Gabokol schenkte dem Lord einen solchen Apparat und Flitmore war nun
-imstande, die Wunder Edens in einer Weise festzubannen, wie es keine
-irdische Kunst vermocht hätte.
-
-Heinz durfte die Wunderkamera benutzen so oft er wollte; während aber
-der Lord vorzugsweise Landschaften, Tier- und Pflanzenbilder aufnahm,
-bevorzugte der Jüngling Porträtaufnahmen. Namentlich wurde er nicht
-müde, Heliastra allein oder mit ihrer anmutigen Schwester in immer neuen
-Stellungen zu photographieren und die Mädchen kamen ihm hiebei mit
-freundlichster Geduld entgegen.
-
-Musik war den Edeniten ein Lebensbedürfnis; sie besaßen eigenartige
-Instrumente von unbeschreiblichem Wohlklang und einer Mannigfaltigkeit
-der Tonfarben, die ganz wunderbare Effekte ermöglichte. Das
-durchsichtige Holz der Bäume und Rohre, aus dem hauptsächlich die
-Instrumente gefertigt wurden, schien für diesen Zweck weit geeigneter
-als alle irdischen Holz- oder Metallarten; auch der stärkste metallische
-Klang, Orgel- und Glockentöne, war gewissen Holzarten eigen.
-
-John war außer sich vor Freude über eine Flöte, die ihm Fliorot
-verehrte, und aus welcher der musikalische Diener Weisen hervorzuzaubern
-vermochte, die ihm alles Irdische zu übertreffen schienen.
-
-Völlig in himmlische Sphären versetzt fühlten sich aber unsre Freunde,
-wenn Gabokol und Fliorot mit Bleodila, Glessiblora und Heliastra ihre
-herrlichen Gesänge erschallen ließen: das waren Stimmen, die den Traum
-einer Sphärenmusik tatsächlich verwirklichten; es war zu wenig gesagt,
-wenn man den Baß der Männer mit Orgelklängen vergleichen wollte und die
-Reinheit der Mädchenstimmen mit Silberglocken: jeder irdische Vergleich
-mußte hier verblassen und man konnte nur an die unbekannten Chöre der
-himmlischen Heerscharen denken. Und der Umfang dieser Stimmen war
-geradezu unglaublich: kein menschlicher Baß und kein irdischer Tenor
-konnte in solche Tiefen hinab, in solche Höhen hinaufsteigen; und die
-weiblichen Stimmen schienen in unendliche Räume entschweben zu können,
-wo sie zu ätherischen Klängen sich verflüchtigten.
-
-Und welch fremdartige Melodien! Seltsam und niegehört den Erdenbewohnern
-und doch so heimatlich vertraut, als ob die in Träume des Entzückens
-gewiegte Seele die Lieder eines verlorenen Paradieses vernehme, das
-einst ihre selige Heimat war.
-
-Merkwürdigerweise besaßen die Edeniten keinerlei Saiteninstrumente und
-so war ihnen Heinz' Geige etwas völlig Neues.
-
-Immer wieder wurde der Jüngling gebeten, ihnen irdische Weisen
-vorzuspielen. Anfangs sträubte er sich, denn ihm schien auch das
-Höchste, was Erdenkunst erreicht hat, kaum wert, sich hören zu lassen
-vor Ohren, die eine Sphärenmusik gewohnt waren; so glaubte er, sein
-Spiel müsse den Gastfreunden minderwertig erscheinen, und nur aus
-Höflichkeit bäten sie ihn, sein schwaches Talent ihnen vorzuführen.
-
-[Illustration: Heinz photographiert Heliastra und Glessiblora.]
-
-Bald aber merkte er, daß er sich darin irrte; höfliche Verstellung und
-Schmeichelei war diesen Menschen fremd und sie hielten mit ihrem Urteil
-nicht zurück, wenn ihnen ein Musikstück nicht gefiel.
-
-Aber das Violinspiel an und für sich und die wunderbare Vortragsweise
-des jungen Künstlers übte einen mächtigen Zauber auf sie aus, und Heinz
-mußte außerdem erkennen, daß die unsterblichen Tondichtungen irdischer
-Meister sich durchaus nicht zu scheuen brauchten, auch in höheren Welten
-zu Gehör gebracht zu werden, daß sie vielmehr hier ein noch höheres
-Verständnis fanden und entsprechenden Genuß vermittelten.
-
-Heliastra besonders konnte sich an diesen Klängen einer fernen Welt
-nicht satthören.
-
-»Unsre Musik ist schön,« sagte sie, »und wir haben große Tonmeister
-gehabt und besitzen deren noch solche. Ihre Schöpfungen heiligen unsre
-Andacht und geben unserm Jubel Flügel; aber unsrer Musik fehlt etwas:
-ja, ihr mangelt der Reiz, der mich an der euren so völlig gefangen
-nimmt, die Wehmut, der Schmerz, die himmlische Sehnsucht, die geben
-euren Tonschöpfungen eine Seele, eine Wärme und Tiefe des Gefühls und
-Ausdrucks, daß ich glaube, selbst die Engel und Verklärten im Himmel
-könnten sich ihrem Banne nicht entziehen, noch ihnen ohne Bewegung und
-innerste Erschütterung lauschen. O, was muß das für eine Welt sein, wo
-der Schmerz sich in solchen Tönen verklärt und die Sehnsucht so
-ergreifenden Ausdruck findet!«
-
-Gabokol begeisterte sich so sehr für die Violine, daß er beschloß, den
-Versuch zu machen, ein ähnliches Instrument herzustellen.
-
-Er wählte das Holz eines Baumes, dessen Klangfarbe ihm zu diesem Zweck
-am passendsten erschien, und als Saiten zog er Pflanzenfasern auf, die
-sich vorzüglich hiezu eigneten. Im Bau ahmte er die Geige seines jungen
-Freundes aufs genaueste nach.
-
-Er kam rasch mit der Arbeit zustande und nun erwies es sich, daß sowohl
-Holz als Saiten ungeahnte Vorzüge vor den irdischen Materialien
-aufwiesen.
-
-Heinz versuchte sich sofort auf dem neuen Instrument: es war eine
-richtige Violine, aber sie ermöglichte eine solche Zartheit und wiederum
-eine solche Kraft des Tones und war von einem Zauber der Klangfarbe und
-Reinheit, daß keine Stradivari, Guarneri oder Amati sich entfernt mit
-ihr hätte vergleichen können.
-
-Auch die Edeniten erkannten sofort, daß dies neue Instrument dem schon
-bisher so bewunderten Spiel ihres Freundes noch erhöhte Kraft und
-Schönheit, vertiefte Wärme und Innigkeit verlieh.
-
-Daher bot Gabokol sein so überraschend gelungenes Kunstwerk Heinz zum
-Geschenk an, eine Gunst, die mit Jubel und Dankbarkeit angenommen wurde.
-
-In der Folge baute Gabokol noch mehrere Violinen, die alle die gleichen
-trefflichen Eigenschaften besaßen, obgleich es sich auch hier zeigte,
-daß jedes neue Instrument seine besondere Eigenart in der Klangfärbung
-aufwies.
-
-Dieser Erfolg bewog unsre Freunde, ihren Gastgeber auch in die
-besonderen Geheimnisse andrer Saiteninstrumente einzuweihen und so
-entstanden Cellos, Gitarren, Mandolinen, Zithern, Harfen und sogar ein
-Saitenklavier.
-
-
-
-
- 47. Im Reiche des Friedens.
-
-
-»Heute ist der siebte Tag,« sagte Gabokol eines Morgens. »Wollt ihr
-nicht heute mit uns zum erstenmal die Stadt besuchen? Es ist bei uns von
-jeher eine Vorschrift, daß wir uns am siebten Tage versammeln, um Gott
-zu loben, ihn anzubeten und von seinem Willen und unsrer ewigen
-Bestimmung zu hören, was der Priester des Ewigen uns verkündigt. Wir
-lassen an diesem Tage alle Arbeit ruhen und sind fröhlich miteinander.«
-
-»Ja, es ist der schönste Tag,« fügte Bleodila hinzu.
-
-»Merkwürdig!« rief Mietje: »Auch wir pflegen den siebten Tag als Gottes
-heiligen Tag zu feiern.«
-
-»Das ist herrlich!« meinte Bleodila. »Und wir sehen daraus wieder, daß
-ihr unsern Gott als den euren erkennt.«
-
-So begaben sich alle einträchtig hinab in das Tal.
-
-Der Versammlungsraum befand sich am äußersten Ende der Stadt, das heißt,
-es war das nächste Gebäude und war vor allen andern durch seine Höhe,
-Ausdehnung und Herrlichkeit ausgezeichnet. Statt der rauhen Felswände,
-wie die meisten Wohngebäude sie aufwiesen, sah man hier glänzend
-polierten Marmor und Säulen von durchsichtigen Edelsteinen, die meist
-von den Monden Edens herabgeholt worden waren, wie Gabokol erklärte.
-
-Die ganze Einwohnerschaft der Stadt versammelte sich hier: würdige
-Greise mit edlen Zügen, trotz ihres oft vielhundertjährigen Alters
-runzellos und von vollendeter Schönheit, Männer, Frauen, Jünglinge,
-Jungfrauen, Knaben und Mädchen, ja ganz kleine Kinder schwebten herein
-und alle leuchteten in verklärter Freude.
-
-Das Erscheinen der Fremdlinge von einem entfernten Planeten erregte
-Aufsehen, namentlich bei der Jugend; doch selbst die kleinsten Kinder
-zeigten keine aufdringliche Neugier.
-
-Immerhin waren zu Anfang Tausende von Blicken auf die Ankömmlinge
-gerichtet; denn alle hatten zwar schon von den seltsamen Gästen gehört,
-aber nur ganz wenige hatten sie geschaut bei zufälligen Begegnungen auf
-deren einsamen Spaziergängen, und Besuche im Hause Gabokols hatte man
-aus zarter Rücksicht in den letzten Tagen absichtlich vermieden, um
-abzuwarten, bis die irdischen Besucher selber den Anfang machten, sich
-unter den Leuten zu zeigen.
-
-Sobald jedoch der Priester in den Altar trat, erfüllte ungeteilte
-Andacht alle Gemüter und nun erscholl tausendstimmiger Gesang von einer
-Reinheit und Musik, daß es unsren Freunden war, als hörten sie das Lob
-der himmlischen Heerscharen.
-
-Dann wurde ein gemeinsames Gebet gesprochen, worauf der Priester von der
-Herrlichkeit und Güte des Schöpfers redete und von dem Dank und den
-Pflichten seiner Geschöpfe.
-
-Noch mehrmals erscholl der Orgel- und Glockenton der überwältigenden
-Gesänge.
-
-Heinz konnte sich nicht versagen, ein Loblied, das ihm besonders gefiel,
-in deutschen Versen niederzuschreiben. Seine allerdings schwache
-Übersetzung, die in unserer viel ärmeren Sprache weder der Gedankenkraft
-noch der Klangfülle des Urtextes gerecht werden konnte, lautete
-folgendermaßen:
-
- Gott, Du Herr der Ewigkeiten,
- Wer mag Deinen Ruhm verbreiten?
- Wer mag preisen Deine Stärke,
- Wer kann fassen Deine Werke?
- Wunder schufst Du allerorten
- Mit des Geistes Lebensworten,
- Und vor Deiner Allmacht Zeugen
- Muß der kühnste Geist sich beugen.
-
- Was Du willst, das muß entstehen,
- Was Du schiltst, das muß vergehen;
- Aus dem Nichts riefst Du das Leben,
- Hast dem Staube Geist gegeben;
- Und Du hältest in den Gleisen
- Welten, die um Welten kreisen:
- Aus den unbegrenzten Fernen
- Leuchtet uns ein Meer von Sternen.
-
- Licht aus unerschöpftem Lichte
- Strahlt von Deinem Angesichte,
- Leuchtet aus der Sonnen Gluten,
- Fleußt aus ungehemmten Fluten
- Auf die Werke Deiner Liebe,
- Weckt des Lebens reiche Triebe:
- In dem All ist keine Stätte,
- Die nicht ihre Wunder hätte.
-
- O, daß ich in neuen Weisen
- Deine Größe könnte preisen!
- O, daß all mein Reden wäre
- Nur ein Lob zu Deiner Ehre!
- Meine Werke von Dir zeugten,
- Meine Sinne Dir sich beugten!
- Mach mich frei von eitlen Dingen,
- Nur von Dir allein zu singen!
-
-Als der erhebende Gottesdienst zu Ende war, trat der greise Priester
-geradewegs auf unsre Freunde zu und sprach:
-
-»Wir haben gehört, daß ihr Fremdlinge einer fernen Gotteswelt den ewigen
-Schöpfer kennt und anbetet gleich uns. Das ist uns eine hohe Freude! Nun
-wäre es dieser ganzen Gemeinde ein besonderes Fest und gewiß dem
-Allgütigen angenehm, wenn in diesem Heiligtum zum erstenmale in fremder
-Zunge von Gottesgeschöpfen eines weltfernen Planeten Gottes Lob
-erklänge; darum, wenn ihr uns erfreuen wollt, eines eurer frommen Lieder
-zu singen, so wären wir euch dankbar.«
-
-»Ein feste Burg!« sagte Flitmore kurz zu seinen Begleitern.
-
-Und ohne sich zu besinnen stimmten sie den Choral an. Es schien ihnen,
-als seien ihre Stimmen zu Strömen gewachsen, so brauste das Lied aus
-wenigen Kehlen durch die Hallen dahin, und der Gesang bewährte seinen
-heiligen Zauber auch in dieser höheren Welt, denn unter lautloser Stille
-lauschten ihm die Tausende mit Andacht und sichtlicher Ergriffenheit.
-
-Als nun die ganze Gemeinde das Gotteshaus verließ, machten unsre Freunde
-in Begleitung ihrer Wirte Besuche bei mehreren den letztern befreundeten
-Familien und folgten zuletzt der Einladung des Provinzfürsten zum
-Mittagsmahl.
-
-Hierauf machten sie einen Ausflug vor die Stadt und bewunderten die
-prächtigen Kulturen: die wogenden Getreidefelder mit ihren
-durchsichtigen Goldähren, die Gemüse- und Nutzpflanzungen, die
-Viehweiden.
-
-In Scharen schwebten die festlich gekleideten Edeniten in der Umgegend
-umher und es war ein himmlischer Anblick, sie so leicht dahingleiten zu
-sehen, umflossen von ihren spinnwebzarten Gewändern, die in allen
-Regenbogenfarben leuchteten. Noch höheren Genuß bereitete es, diese
-vollkommenen Gestalten und diese von Schönheit, Anmut und
-Herzensfreundlichkeit strahlenden Gesichter zu bewundern. Und doch mußte
-sich Heinz sagen, so reizende Mädchen und Jungfrauen sich darunter
-befanden, das heißt solche von besonders hervorragender Anmut und
-Schönheit, denn reizend waren eigentlich alle Edeniten zu nennen, so
-fand sich doch keine, die Heliastra an bezaubernder Lieblichkeit gleich
-gekommen wäre, sie blieb die Perle Edens.
-
-Da und dort spielte die Jugend unter Silberlachen und Scherzen; das war
-ein Wirbeln und Hüpfen, Fliehen und Haschen auf der Erde und in den
-Lüften, und die Spiele waren alle so sinnig und voll der spannendsten
-Zwischenfälle, daß man stundenlang mit dem lebhaftesten Interesse dem
-bunten Treiben zusehen konnte.
-
-Als dann abends der Rosenmond aufglänzte, wurde in einem großen,
-herrlichen Parke vor der Stadt ein Fest zu Ehren der fremden Gäste
-gehalten.
-
-Die ganze Stadt, jung und alt, beteiligte sich daran.
-
-Während des köstlichen Gastmahls hielt der Fürst eine Ansprache, in
-welcher er die Bedeutung des Ereignisses hervorhob, daß zum erstenmale
-ein Verkehr und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Bewohnern
-entfernter Planeten angebahnt worden seien. Er rühmte das Genie dieser
-Erdenbürger, die solches zustande gebracht, ihren Mut, der das Unerhörte
-gewagt habe, und die göttliche Güte, die sie beschützte und geleitete
-auf einer Fahrt durch unendliche Welträume.
-
-Heinz, als derjenige, der allein die Sprache Edens bereits vollkommen
-beherrschte, erwiderte in glänzender Rede, und Gabokol und die Seinen,
-vor allem Heliastra, bewunderten die Gewandtheit seiner Ausführungen und
-den Glanz seiner Bilder, sowie den edlen Flug seiner Phantasie und den
-Geist seiner Gedanken.
-
-Sie waren ordentlich stolz auf ihre Gäste, und als jubelnder Beifall den
-jungen Redner lohnte, erhob sich Heliastra begeistert und mit
-tränenschimmernden Augen und drückte einen Kuß ihrer Rosenlippen auf des
-Freundes Mund, das höchste Zeichen der Anerkennung, das ein Edenite zu
-spenden vermochte.
-
-Der erneute Beifall und Jubel, der dieser Tat folgte, zeigte deutlich,
-daß das ganze Volk sich dieser Huldigung anschloß.
-
-Heinz fühlte sich wie im Traum, umflossen von rosigem Mondlicht, geehrt
-und beglückt durch die Anerkennung von Wesen, die er mit Recht für hoch
-über sich stehend ansah, vor allem aber durch die verwirrende
-Gunstbezeugung des holdseligsten aller Geschöpfe, saß er da, wie
-verklärt.
-
-Heliastra las ihm die Gedanken aus den Augen und nahm ihn bei der Hand.
-
-»Komm!« sagte sie, »wir wollen eine Weile die Einsamkeit aufsuchen, ich
-sehe, deine Seele verlangt nach Stille.«
-
-Heinz ließ sich von ihr führen.
-
-Sie traten durch ein Gebüsch an die Ufer eines stillen Sees, der im
-rosigen Schein der Mondnacht magisch leuchtete.
-
-Bunte Schwäne, Enten und Wildgänse plätscherten in seinen friedlichen
-Fluten; Reiher, Flamingos, Ibisse, Pfauen und Pelikane belebten in ihrem
-strahlenden Flaumkleide die Ufer, lauter Vögel, die zwar den
-entsprechenden irdischen Arten ähnlich waren, doch in Formen und Farben
-weit vollkommener und entzückender erschienen als diese.
-
-Riesenechsen, eine Art Krokodile, mit perlmutterschimmernden Schuppen
-lagen am Strand oder lugten aus dem rosenschimmernden Spiegel.
-
-Heinz folgte dem Beispiel seiner Gefährtin, die diese prächtigen
-Eidechsen zärtlich streichelte; hier hatten auch diese gewaltigen
-Amphibien nichts Feindseliges noch Schreckhaftes; man sah es ihren
-sanften Augen schon an, wie fromm und friedlich sie waren.
-
-Der rosa Mond versank hinter dem Horizont und sein blauer Gefährte löste
-ihn ab.
-
-Da schlang Heliastra den zarten Arm um ihres Gefährten Hals und sagte:
-»Komm, laß uns nun wieder zu den Freunden zurückkehren; die Stunde der
-Heimkehr naht, und morgen wollen wir ja die große Reise nach der
-Hauptstadt des Landes antreten.«
-
-Sie kehrten in den Kreis der festlichen Menge zurück und bald darauf
-erfolgte der allgemeine Aufbruch unter herzlichen Abschiedszurufen.
-
-
-
-
- 48. Eine Reise auf dem Planeten.
-
-
-Am folgenden Tag wurde die geplante Reise unternommen, auf der unsere
-Freunde einen Teil des großen Planeten kennen lernen und Heinz in der
-Hauptstadt seinen Vortrag über die Entstehung der Sprache halten sollte.
-
-Der König des Landes und die Lehrer an der Universität waren durch
-ausgesandte Schallwellen von dem bevorstehenden Besuch verständigt
-worden.
-
-Als Fahrzeug diente das gewöhnliche Beförderungsmittel der Edeniten,
-eine Art großen Bootes mit verdeckten Schlafräumen und offenem Verdeck,
-das, durch die sogenannte Parallelkraft getrieben, in geringer Höhe über
-dem Erdboden durch die Luft flog.
-
-Die Fluggeschwindigkeit, die sich bis auf 500 Stundenkilometer steigern
-ließ, so daß der ganze Planet in 160 Stunden umkreist werden konnte,
-wurde auf 100 Kilometer ermäßigt, damit die Reisenden alles bequem zu
-schauen vermöchten.
-
-Die ganze Familie Gabokol gab ihnen das Geleite, ebenso der
-Provinzfürst, der es sich zur Pflicht und Ehre anrechnete, sie
-persönlich dem König vorzustellen.
-
-»Unser Land ist das größte und bedeutendste des Planeten,« erklärte der
-Fürst während der Fahrt. »Die Könige der andern Länder haben sich
-freiwillig unter die Oberhoheit unsres Königs gestellt, so daß dieser
-der oberste Herr über die zweihundert Millionen Einwohner unserer
-Weltkugel ist. Freilich gibt es da nicht viel zu regieren, da er den
-andern Herrschern volle Freiheit läßt und nie Grund hat, einzuschreiten;
-auch in den andern Ländern denkt nie ein Bürger daran, seine Pflichten
-zu vernachlässigen; so kommt die höchste Gewalt eigentlich nur für die
-einheitliche Leitung der gemeinsamen Arbeiten in Betracht, und da ist es
-freilich notwendig, zielbewußt und nach dem gleichen Plane zu wirken,
-damit die bewohnbare Zone unseres Planeten gleichmäßig verbreitert werde
-und die wachsende Bevölkerung stets Platz finde, sich auszudehnen.
-
-Abgesehen von den zahlreichen Dialekten, haben wir nur vier eigentliche
-Sprachen, die auffallend von einander verschieden sind. Die Hauptstadt
-unseres Landes liegt auf der nördlichen Halbkugel, jenseits des
-Äquators, etwa 20 Flüge von hier entfernt, was nach euren Maßen 6000
-Kilometer ausmachen dürfte.«
-
-Die Edeniten rechneten nach »Flügen«, das heißt nach der Strecke, welche
-sie gewöhnlich ohne Rast in einem Zuge zurücklegen konnten, und die 300
-Kilometer nach Erdenmaß betrug.
-
-Das Luftboot flog über Landschaften von wunderbarem Reize hinweg; Täler
-und Ebenen, Flüsse und Ströme, Hügel, Felsen und Hochgebirge, große
-Städte und idyllische Dörfer wurden überflogen, und als nach
-vierzigstündigem Flug der rosa Mond unterging, landete die
-Reisegesellschaft am Ufer eines brausenden, herrlichen Meeres.
-
-Dieses wurde am folgenden Tage in 20stündiger Fahrt überflogen und am
-jenseitigen Ufer ragte die Landeshauptstadt hart an der Küste empor,
-eine Großstadt von anderthalb Millionen Einwohnern.
-
-Der Rest des Tages, sowie die beiden folgenden Tage wurden der
-Besichtigung der hochinteressanten Ansiedelung gewidmet.
-
-Noch am Tage ihrer Ankunft wurden unsere Freunde dem Könige auf dessen
-Wunsch vorgestellt.
-
-Er empfing sie mit der gleichen Herzlichkeit und Einfachheit, wie es
-jeder Bürger des Landes tat.
-
-Besonders erfreut waren die Gelehrten der Hochschule, die Erdenbewohner
-kennen zu lernen, und unsere Freunde hatten tausend Fragen zu
-beantworten, wobei ihnen stets versichert wurde, welchen Dank man ihnen
-schulde, da sie die Wissenschaft der Edeniten in ungeahntem Maße
-bereicherten.
-
-Als Heinz seinen Vortrag hielt, konnte der größte Raum der Hauptstadt
-die Zuhörer nicht fassen, und er mußte seine Ausführungen noch dreimal
-wiederholen, um nach und nach die Mehrzahl der Wißbegierigen zu
-befriedigen.
-
-Die Gelehrten versicherten, daß ihnen ein neues Licht für ihre
-Sprachforschungen aufgegangen sei, und Schultze mußte bei sich denken,
-daß hier oben neue Wahrheiten offenbar nicht unter dem Hohn und
-leidenschaftlichen Widerspruch von Fachgelehrten zu leiden hatten, deren
-Eitelkeit nicht zugeben will, daß ihre bisherigen Forschungsergebnisse
-falsch waren.
-
-Besonders interessant war unsern Freunden ein Besuch der Sternwarte. Die
-Edeniten besaßen auch Fernrohre, die jedoch auf ganz anderen Prinzipien
-beruhten als die irdischen und ihnen eine ungleich bessere Kenntnis der
-Sternenwelt ermöglichten.
-
-Freilich verdankten sie letzteres hauptsächlich der wunderbaren
-Einrichtung ihrer Augen, konnten sie doch schon mit bloßem Auge Welten
-erkennen, die unsern Fernrohren und selbst der photographischen Platte
-ewig verborgen bleiben.
-
-Die Astronomen waren höchlichst erstaunt, zu vernehmen, daß die
-Erdenmenschen kaum 2000 Sterne mit unbewaffnetem Auge zu erkennen
-vermochten und daß der Sternkatalog, den Hipparch vor 2100 Jahren
-entwarf, nur 1080 Sterne enthielt, obgleich er alle einigermaßen hellen
-Sterne verzeichnete.
-
-Schultze berichtete ihnen weiter, daß Argelander mittels des Fernrohrs
-etwa 360000 Sterne bestimmte und in seinem Katalog verzeichnete, eine
-Arbeit, der er fast sein ganzes langes Leben widmete, und daß man
-gegenwärtig an der Arbeit sei, auf photographischem Wege eine Mappierung
-der Sterne vorzunehmen, die noch etwa hundert Erdenjahre in Anspruch
-nehmen dürfte und die über 20 Millionen Sterne enthalten werde, von
-denen drei Millionen ihrer Lage nach auf den Platten ausgemessen werden
-sollen.
-
-Die Gelehrten zeigten Schultze einen Sternkatalog mit genauen Karten,
-der über 500 Millionen Sterne enthielt, unter diesen auch das irdische
-Sonnensystem mit sämtlichen Planeten und ihren Monden.
-
-Ihre langen Nächte und ihr langes Leben gestatteten ihnen eben auch
-neben der Vorzüglichkeit ihrer Sehwerkzeuge, Aufgaben zu lösen, die den
-Menschen unmöglich wären.
-
-Während die irdischen Astronomen nur durch die Spektralanalyse mit
-Sicherheit festzustellen vermögen, ob ein Nebelfleck, der auch durch das
-stärkste Fernrohr als solcher erscheint, in Wirklichkeit ein Sternnebel
-sei, oder aber ein Sternhaufe, eine große Zahl Sterne, die durch ihre
-scheinbare Nähe infolge der großen Entfernung nicht mehr als einzelne
-Sterne von einander unterschieden werden, konnten die Sternkundigen
-Edens mittelst ihrer Fernrohre Nebel und Sternhaufen deutlich
-unterscheiden.
-
-Auch sie waren der Ansicht, daß die meist spiralförmigen Nebel die
-Werkstätte des Schöpfers seien, in der durch Verdichtung des
-weltenbildenden Stoffs neue Sterne, ja ganze Sonnensysteme gebildet
-würden, die sich aus dem häufig erkennbaren Zentralkern und den vielfach
-beobachteten anderweitigen Lichtknoten in der Nebelmasse herausbilden.
-
-Schultze hielt auf Wunsch den Astronomen einen öffentlichen Vortrag über
-den Stand und die Errungenschaften der irdischen Astronomie; dabei
-führte er auch an, was David Gill in seiner berühmten Rede über die
-Bewegung und Verteilung der Sterne im Raume sagt: »Wir haben die
-Milchstraße als zwei majestätische Sternströme erkennen gelernt, die
-nach entgegengesetzten Richtungen wandern; der eine dieser Ströme führt
-das irdische Sonnensystem mit sich in unendliche Weiten, der andere
-wandert der Erde entgegen. Die Milchstraße löst sich im Fernrohr in
-Haufen unzähliger Sterne auf, die zum Teil in dichten Schwärmen
-beieinander stehen und mit geballten Nebelflecken erfüllt sind, zum Teil
-von dunkeln, gewundenen Kanälen unterbrochen erscheinen.«
-
-»Eure Hauptsonne,« fuhr der Professor fort, »wandert im Sternenstrom mit
-einer Schnelligkeit von 184 Kilometern in der Sekunde; unsere Erde mit
-ihrem ganzen Sonnensystem bewegt sich auf das Sternbild des Herkules
-oder der Lyra zu mit einer Geschwindigkeit von wahrscheinlich ebensoviel
-als die Umdrehungsgeschwindigkeit unsrer Erdkugel um die Sonne beträgt,
-nämlich 29450 Meter in der Sekunde oder etwa 30 Kilometer, den zehnten
-Teil eines >Fluges< nach eurer Rechnung im Zeitraum >Zwei<, wie ihr
-unsere Sekunden benennt.
-
-Die Spektralanalyse, wie David Gill in seiner angeführten Rede sagt, hat
-uns die Sterne enthüllt als gewaltige Schmelztiegel des Schöpfers, in
-denen er den Stoff unter den Bedingungen des Drucks, der Hitze und
-Umgebung gestaltet in einer Mannigfaltigkeit und einem Größenmaßstabe,
-die alle Begriffe seiner Geschöpfe übersteigen.«
-
-Drei Wochen dauerte der Aufenthalt in der Hauptstadt, dann wurde die
-Rückreise auf einem andern Wege angetreten, wobei unsere Freunde auch
-die ungeheuren Felsenwüsten Edens zu Gesicht bekamen, die keine Erde und
-daher auch keinen Pflanzenwuchs hatten, und an deren Bedeckung mit Erde
-emsig gearbeitet wurde.
-
-
-
-
- 49. Münchhausens Fabeln.
-
-
-Immer inniger schlossen sich unsere Freunde an die Familie Gabokol an;
-die Zuneigung war eine gegenseitige und erstreckte sich auf alle
-Glieder; dennoch fühlten sich die einzelnen wieder zu einzelnen
-besonders hingezogen.
-
-So verkehrte Lord Flitmore am liebsten mit Gabokol. Die beiden bauten
-gemeinsam photographische Apparate und Musikinstrumente, machten
-Ausflüge, um die reizenden Landschaftsbilder und merkwürdigsten Tiere zu
-photographieren und unterhielten sich über die Kunst Edens und der Erde.
-
-Mietje war mit Bleodila ein Herz und eine Seele; sie steckten
-beieinander in Küche, Haus und Garten und tauschten vornehmlich ihre
-Hausfrauenerfahrungen aus.
-
-Professor Schultze hatte in Glessiblora die andächtigste Zuhörerin, die
-sich für die Fortschritte und Eigenart irdischer Wissenschaften am
-lebhaftesten interessierte.
-
-Heinz und Heliastra fühlten sich wiederum besonders zu einander
-hingezogen, hatten ihre kleinen Geheimnisse miteinander und gingen oft
-gemeinsam ihre eigenen Wege, sich für alles Reine, Hohe und Edle
-begeisternd, das ihre Gespräche verklärte.
-
-Kapitän Münchhausen aber hatte Fliorot zum gewöhnlichen Gesellschafter
-erwählt, denn der Knabe lauschte mit Andacht und Begierde auf die
-fabelhaften Berichte und Schilderungen, die der alte Seebär von seiner
-irdischen Heimat mitzuteilen verstand.
-
-Saß man beieinander, so ergaben sich die Gruppen von selber nach den
-eben enthüllten besonderen Zuneigungen. John allein pendelte zwischen
-zwei Extremen hin und her, einmal mit Glessiblora Bildung und Belehrung
-beim Professor suchend, das andremal neben Fliorot sich an des Kapitäns
-Abenteuern ergötzend.
-
-Verstummte einmal die Unterhaltung der andern, so horchte man allgemein
-auf den Kapitän, der unerschöpflich war und nie verstummte, abgesehen
-natürlich von den Mahlzeiten, wo er im Gegenteil unergründlich, das
-heißt unersättlich schien.
-
-Diese Bemerkung hatte Professor Schultze gemacht, indem er sagte:
-»Münchhausen, Sie sind beim Essen ein Danaidenfaß, welches bekanntlich
-bodenlos war und nie voll wurde, so viel man hineinschöpfte; beim
-Erzählen aber sind Sie die reine Charybdis, von der Schiller sagt: Und
-will sich nimmer erschöpfen noch leeren.«
-
-»Na, was sind denn Sie dann, Professor?« erwiderte Münchhausen. »Die
-Scylla! Denn wer meinem immerhin unterhaltenden Redeschwall entrinnen
-will, der wird kopfüber von Ihren langweiligen und ebenso endlosen
-wissenschaftlichen Strudeln verschlungen.«
-
-Hierauf fuhr der Kapitän in seinem Berichte fort, den er just dem
-wißbegierigen Fliorot erstattete.
-
-»Also, wie ich dir erzählte, ermöglichte ich unsere Reise zu euch
-dadurch, daß ich unser Weltschiff vom Kometen Amina ins Schlepptau
-nehmen ließ.
-
-Die Kometen sind eigentlich besonders zu diesem Zweck erschaffen und
-stellen sozusagen die Weltpostverbindungen zwischen den einzelnen
-Sonnensystemen dar; ich war früher Kapitän zur See, als ich aber das
-Umherreisen auf den beschränkten irdischen Meeren satt hatte, nahm ich
-eine Stelle als Weltkapitän an und habe öfters Reisen mit Kometen
-gemacht, so daß ich mich vorzüglich auf ihre Steuerung verstehe. Jeder
-Komet hat nämlich ein Steuer, in welchem seine sogenannte
-Gravitationskraft liegt. Man braucht diese nur zu verrücken, so nimmt
-der Komet eine andere Fahrtrichtung.
-
-Die Astronomen auf Erden haben sich oft gewundert, daß ein Komet
-plötzlich eine ganz andere Richtung einschlug, als sie berechnet hatten.
-Sie schrieben dies dann dem Einfluß des Jupiter zu. Dieser Jupiter war
-in Wirklichkeit ich, da ich dem Kometen durch eine Wendung des Steuers
-oder der Gravitationskraft eine neue Bahn anwies, um das Reiseziel zu
-erreichen, dem ich zustrebte.
-
-Die Fahrt mit einem solchen Kometen ist äußerst praktisch, wenn man in
-die weit entfernten Sonnensysteme reisen will, denn diese Weltenbummler
-entwickeln eine unerhörte Geschwindigkeit.
-
-Zusammenstöße und Unfälle sind dabei freilich nicht zu vermeiden und es
-ist auch mir vorgekommen, daß ein von mir kommandierter Komet bei
-solcher Gelegenheit in mehrere Stücke zerschellt wurde; dann blieb mir
-nichts übrig, als eben auf einem der Bruchteile weiterzureisen, denn ein
-Untergehen wie im Meer ist dabei ausgeschlossen; Stürme und Wogen und
-ersäufende Wassermassen gibt es ja im Raum nicht, so daß schließlich die
-Gefahren nicht so groß sind wie bei der Meeresschiffahrt, außer man
-würde in das Flammenmeer einer Sonne stürzen, was aber bei richtiger
-Steuerung leicht zu vermeiden ist, wenn man nur eine gute Sternkarte
-besitzt.
-
-Als mir nun Lord Flitmore das Kommando über sein Weltschiff
-Sannah anvertraute, beschloß ich sofort, es am Schweife eines
-geeigneten Kometen festzubinden, da ich vermöge meiner Kenntnisse
-der Weltraumverhältnisse einsah, daß wir bei der geringen
-Fortbewegungsgeschwindigkeit unseres Fahrzeugs Jahrhunderte gebraucht
-hätten, um euren Planeten zu erreichen, dem unser Besuch gelten sollte.
-
-Es gelang mir denn auch, mit dem Kometen Amina zusammenzutreffen und ihn
-zu entern. Mit einer langen Leine band ich die Sannah an seinem Schweife
-fest und bestieg dann den Kometen selber, um ihn hierherzusteuern. Erst
-als wir im Bereich eures Sonnensystems angelangt waren, kappte ich das
-Tau und ließ den Kometen führerlos weiterziehen, während wir hier
-landeten.«
-
-Fliorot lachte; er kannte ja Natur und Bahnen der Kometen zu gut, um
-nicht zu verstehen, daß Münchhausen scherzte; aber er hatte Gefallen an
-diesen abenteuerlichen Späßen, wenn sie auch nicht immer besonders
-geistreich waren.
-
-»Du versprachst mir aber von den wunderbaren Tieren eurer Erde zu
-erzählen,« mahnte er jetzt.
-
-»Ja so! Nun denn, so höre. Eure Tiere hier oben sind ja ganz behende
-Wesen, aber an die Tierwelt unsrer Erde reichen sie noch lange nicht
-heran.
-
-Schau, da haben wir Tiere mit langen Rüsseln wie eure Mammuts, sie haben
-sechs Beine und können an glatten, senkrechten Wänden hinaufklettern
-ohne je zu fallen, ja wenn sie an einer überhängenden Wand mit den
-Beinen nach oben und dem Kopf nach unten stehen, fallen sie nicht
-herunter. Sie haben auch durchsichtige Flügel wie eure Vögel und fliegen
-in ganzen Schaaren in der Luft herum.
-
-Auch flügellose Rüsseltiere besitzen wir, die noch ganz andere Sprünge
-machen als eure hüpfenden Kolosse; denn diese springen höchstens dreimal
-so hoch als sie selber sind, die unsrigen aber sechzig- bis hundertmal
-so hoch.«
-
- [Illustration: Heinz und Heliastra am See.]
-
-Fliorot riß die Augen weit auf. Hier, wo es sich um Geschöpfe handelte,
-die ihm unbekannt waren, konnte er nicht beurteilen, ob der Kapitän im
-Scherz oder im Ernst redete und glaubte deshalb von ihm erwarten zu
-dürfen, daß er die lautere Wahrheit sage; denn Späße, die jedermann als
-solche durchschaute, galten den Edeniten als harmlos und wurden oft zur
-Erheiterung erfunden, aber jemandes Unkenntnis oder Leichtgläubigkeit
-auszubeuten, um ihm einen Bären aufzubinden, wäre bei diesem
-wahrheitsliebenden Volke unerhört gewesen.
-
-Fliorot zweifelte daher diesesmal nicht an der Zuverlässigkeit von
-Münchhausens Berichten und rief aus:
-
-»Nein! Diese wunderbaren Geschöpfe möchte ich einmal sehen!«
-
-»Schämen Sie sich, Kapitän,« sagte Schultze. »Wenn Sie uns Ihre
-seltsamen Geschichten erzählen, so ist das ja ganz spaßhaft, da wir in
-der Lage sind, Wahrheit und Schwindel zu unterscheiden. Daß Sie aber
-diesen jungen Mann, dem die irdischen Dinge unbekannt sind, derart
-anschwindeln, halte ich weder für schön noch zweckmäßig. Sie werden ihn
-ebensogut in Erstaunen versetzen können, wenn Sie ihm unsere Tierwelt
-naturgetreu schildern.«
-
-»Oho!« rief Münchhausen. »Ich selber würde es für töricht und unschön
-halten, meinem jungen Freund unnötigerweise falsche Anschauungen
-beizubringen, wo es sich um Dinge handelt, die ihm fremd sind. Mit dem
-Kometen war ja das anders, da wußte er selber Bescheid, aber wenn ich
-ihm von der Erde erzähle, halte ich mich grundsätzlich streng an die
-Wahrheit.«
-
-»Fabelhafte Behauptung! Das also nennen Sie Wahrheit, wenn sie die
-hüpfenden Mammuts dieses Planeten dadurch überbieten wollen, daß sie von
-irdischen Rüsseltieren mit sechs Beinen und mit Flügeln erzählen,
-Tieren, die mit dem Kopf nach unten an einer überhängenden Felswand
-festzusitzen vermögen? Und von solchen, die sechzig- bis hundertmal so
-hoch springen als ihre Körperhöhe beträgt?«
-
-»Sie setzen mich wahrhaftig in Erstaunen, Professor,« erwiderte
-Münchhausen mit geheuchelter Verwunderung. »Ich meine, Sie sind Doktor
-der Naturwissenschaften und Professor der Zoologie? Ist es wirklich
-möglich, daß Sie trotzdem so unwissend auf diesen Gebieten sind, daß
-Ihnen nicht einmal die alltäglichsten Geschöpfe bekannt sind, die sonst
-jedes Kind auf Erden kennt, während sie hier auf Eden ihresgleichen
-nicht haben? Sollte man es glauben? Professor Schultze weiß nichts von
-Schnaken und Flöhen!«
-
-Jetzt hatte der Kapitän die Lacher auf seiner Seite und Schultze
-bekannte kleinlaut: »Na, oller Witzbold, mit Ihnen ist schlecht
-anbinden; diesmal haben Sie mich eklig hereingelegt.«
-
-
-
-
- 50. Abschied.
-
-
-Es war eine schöne, ja eine selige Zeit, die unsere Freunde auf Eden
-verbrachten.
-
-Immer besser lernten sie die verklärten Menschen dort oben kennen, immer
-höher sie schätzen, und im Umgang mit diesen durch und durch edlen Wesen
-schien es ihnen, als streiften sie selber alle irdischen Mängel mehr und
-mehr ab.
-
-Auch rein körperlich hatten sie dieses Gefühl; denn so gesund, wohl und
-frisch, so geistig angeregt und lebendig hatten sie sich in ihrem Leben
-nie gefühlt, wie in den Wochen und Monaten, die sie hier zubrachten.
-
-Noch mehrere Reisen unternahmen sie und wurden mit den schönsten
-landschaftlichen Reizen, mit der Tier- und Pflanzenwelt vertraut.
-
-Eines Tages aber erklärte Flitmore, es sei nun Zeit, an den Abschied zu
-denken, und, da man keinen Kometen zur Heimreise benützen könne, müsse
-man sich darauf gefaßt machen, daß diese mehrere Jahre dauern könne.
-
-Gabokol, Bleodila, Fliorot und Glessiblora suchten vergeblich unsere
-Freunde zu überreden, länger zu verweilen, oder, noch besser, ihren
-Aufenthalt dauernd nach Eden zu verlegen.
-
-»Wenn Gott will, ist dies nicht unser letzter Besuch hier,« sagte
-Flitmore: »das nächstemal bringen wir euch dann allerlei irdische Dinge
-mit, die euch zwar nicht bereichern aber doch interessieren können. Nun
-aber ruft uns die Pflicht: unsere Entdeckungen, namentlich die
-Möglichkeit eines Verkehrs mit fernen Welten, sind für unsere Brüder auf
-Erden von größter Wichtigkeit: wir dürfen ihnen das nicht verloren gehen
-lassen.«
-
-Alle, besonders aber Heinz, wunderten sich, daß Heliastra allein keinen
-Versuch machte, sie zum Dableiben zu bewegen; ja, den jungen Friedung
-berührte dieser Umstand besonders schmerzlich: er hatte doch so gute
-Freundschaft mit dem Mädchen geschlossen, so daß der Gedanke an die
-Trennung ihm beinahe das Herz brechen wollte.
-
-Als Gabokol nun sah, daß die Abreise seiner Gäste beschlossene Sache
-sei, sagte er:
-
-»Wie ihr erzähltet, hat ein Komet euch hierher geführt. Ich habe ja dein
-Weltschiff genau angesehen und kennen gelernt, Freund Flitmore, aber es
-hat einen bedenklichen Mangel: Durch die Fliehkraft wird es von den
-Weltkörpern abgestoßen, ihr besitzt aber kein Mittel, die Fahrt zu
-lenken und müßtet es daher dem Zufall überlassen, ob ihr in euer
-Sonnensystem zurückkehren werdet oder euch noch weiter von ihm entfernt.
-
-Ich will dein Fahrzeug mit der Parallelkraft ausrüsten; die Einrichtung
-nimmt höchstens acht Tage in Anspruch. Die Parallelkraft hat für euch
-ganz bedeutende Vorzüge: erstens könnt ihr im Raum die Geschwindigkeit
-eurer Fahrt mit ihrer Hilfe wesentlich steigern, zweitens widerstrebt
-sie weder der Fliehkraft noch der Anziehungskraft, sie kann also
-ausgenützt werden sowohl so lange dein Strom eingeschaltet, als auch
-wenn er abgestellt ist. Der dritte und wichtigste Vorteil aber ist, daß
-du deiner Sannah eine beliebige Fahrtrichtung geben, also geradewegs auf
-euer Sonnensystem zusteuern kannst. Gott kann euch ja selbstverständlich
-auch ohne diese Naturkraft so schnell und sicher heimführen, wie er euch
-hierherlenkte; aber er will, daß wir die Mittel benutzen, die seine Güte
-uns gab und erkennen lehrte.«
-
-»Du nimmst eine schwere Sorge von meinem Herzen,« erwiderte Flitmore;
-»ich verhehlte mir nicht, welche vielleicht unüberwindlichen
-Schwierigkeiten der Mangel an Lenkbarkeit meines Fahrzeuges uns auf der
-Rückfahrt bereiten werde. Nun lernte ich ja bei euch die wunderbaren
-Eigenschaften der Parallelkraft kennen und verstehe jetzt auch damit
-umzugehen. Wenn du als erfahrener Mann die Einrichtung übernehmen
-willst, so steigerst du noch die Dankbarkeit, die wir dir und euch allen
-schulden.
-
-Und dann habe ich noch eine Bitte: wie du weißt, enthält meine Sannah
-sehr große Räume. Auf der Hinfahrt dienten sie vor allem der
-Aufspeicherung großer Sauerstoffvorräte behufs Erneuerung der Luft.
-
-Nun haben wir ja die Erfahrung gemacht, daß das Weltschiff sich im Raum
-mit einer eigenen Lufthülle umgibt, die sich selbständig erneuert.
-Dagegen müssen wir für reichliche Speisevorräte sorgen, da unter
-Umständen die Rückfahrt mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann ....«
-
-»Seid ohne Sorge!« unterbrach ihn Bleodila: »Allen Frauen der Stadt wird
-es eine Freude sein, eure Vorratsräume mit Mehl, Gemüse- und
-Obstkonserven, sowie mit Milch, Butter, Käse und Eiern anzufüllen, daß
-ihr zehn Jahre daran zu zehren habt; ihr wißt, daß wir Verfahren kennen,
-durch welche selbst Eier und Milch sich jahrelang frisch erhalten.«
-
-»Auch Honig und Holz sollt ihr haben, da unser Baumholz ja so
-schmackhaft und nahrhaft ist, wie die Früchte und sich auch ohne
-besondere Behandlung hält und sein köstlicher Saft euch einen
-unerschöpflichen Trank bietet,« setzte Fliorot hinzu.
-
-»Nun, dann sind wir wohl geborgen, wenn Gottes Gnade uns begleitet, wie
-ich nicht zweifle,« sagte Mietje mit feurigem Dank.
-
-Jetzt trat Heliastra vor: »Auch ich habe eine Bitte auf dem Herzen,«
-sagte sie, während eine holde Röte ihr Antlitz durchleuchtete: »eine
-Bitte an euch, liebe Freunde: nehmt mich mit auf eure Erde!«
-
-Alle standen starr. Auch Gabokol und Bleodila, Fliorot und Glessiblora
-waren völlig aus der Fassung.
-
-Heinz aber durchflutete es wie ein unausdenkbares Glück; doch gleich
-darauf dachte er, es sei ja zu schön, um wahr zu werden, und weder
-dürften sie das liebliche Mädchen seinem glücklichen Planeten entführen,
-noch würden seine Eltern es je von ihren Herzen reißen können.
-
-Mietje war die erste, die es aussprach: »Kind, liebes Kind, wie dürften
-wir es wagen, dich ins Ungewisse mitzunehmen und aus deinem Paradies in
-das Elend unserer Erde zu entführen.«
-
-Heliastra lächelte: »Wißt ihr nicht, daß Gott überall ist? Wo ist da das
-Ungewisse? Und sehet, das ist meine Sehnsucht, der brennende Wunsch
-meines Herzens, euer Schicksal zu teilen und euch zu helfen, das Leid
-eurer Erde zu mildern.«
-
-»Es ist ein edles Ziel, das meine Tochter sich setzt,« sagte Gabokol
-nachdenklich: »Es muß Gott wohlgefällig sein.«
-
-»Nein, nein!« rief Heinz schmerzlich: »Gott weiß, wie mir das Herz
-blutet, wenn ich von dir scheiden soll; aber hier bist du glücklich und
-glücklich sollst du bleiben und nie in die Welt der Leiden kommen. Gerne
-will ich mich mein Leben lang in Sehnsucht nach Dir verzehren, wenn ich
-dich nur glücklich weiß!«
-
-»So sehr hast du mich lieb?« fragte Heliastra und ihre Himmelsaugen
-leuchteten ihn an.
-
-»Ja, über alles bist du mir wert: nie werde ich dich vergessen!«
-
-»Und meinst du, ich werde noch glücklich sein, wenn du nicht mehr bei
-mir bist? Mein Glück ist fortan auf eurer Erde, dort laßt es mich
-finden. Oder ist es unmöglich, daß ich deine Gattin werden könnte?«
-
-»Du! Meine Gattin? Du wolltest aus deinen Sternenhöhen herabsteigen,
-mich armseligen Erdensohn unaussprechlich glücklich zu machen? Aber
-nein! Es darf ja nicht sein!«
-
-»Ich sehe wohl, wie es steht,« sagte nun Gabokol wieder, »und ich sehe,
-was Gottes Wille ist. Ja, Gott fordert von uns ein Opfer, das er noch
-von keinem auf unserem Planeten gefordert hat. Heliastra, du willst uns
-den Schmerz fühlen lehren, der uns bisher unbekannt gewesen! Aber sollte
-Gott nicht alles von uns fordern dürfen, dem wir alles verdanken? Die
-sich lieben, sollen mit einander verbunden bleiben, das ist der höchste
-Gotteswille. Und wenn es uns auch schmerzt, wie wollten wir solch
-unerhörten Frevel begehen, wider Gottes Willen zu handeln?«
-
-»Gabokol hat recht,« sagte Bleodila mit Tränen in den Augen. »Eure
-Ankunft und euer Hiersein war uns Freude; euer Scheiden bringt uns
-Schmerz, größeren als wir je geahnt! Wußten wir denn, was Schmerz ist,
-denen auch das Scheiden im Tod nur ein Vorausgehen in die höhere
-Seligkeit bedeutet? Nun, so sei uns Heliastra, so jung sie ist, als eine
-in die Seligkeit Vorangegangene. Willst du sie haben zu deinem Weib,
-junger Freund, so dürfen wir sie nicht zurückhalten.«
-
-Heinz wußte nicht, wie ihm war, als er seine Arme ausbreitete und die
-leichte Elfengestalt sich an ihn schmiegte.
-
-»So willst du immer bei mir bleiben?« flüsterte er, sie zaghaft küssend.
-
-»Immer bei dir!« sagte sie mit heller Glockenstimme und strahlte ihn
-warm an.
-
-Während der nächsten Tage richtete Gabokol die Sannah, die Flitmore
-herabgelenkt hatte, für die Parallelkraft ein, flickte auch das Loch,
-das ihr der Meteorit beigebracht hatte. Die Bewohner der Stadt zogen
-inzwischen unaufhörlich in Scharen herbei, um die Innenräume mit
-unerschöpflichen Vorräten zu füllen, namentlich auch mit allerlei
-Sämereien für die Erde, obgleich Schultze stark bezweifelte, daß dort
-die Wunderpflanzen Edens gedeihen könnten.
-
-Dann wurde die feierliche Hochzeit von Heinz Friedung mit Heliastra
-gefeiert und der greise Priester der Stadt gab das Paar im Namen des
-allmächtigen Gottes zusammen und segnete es ein.
-
-Die ganze Stadt nahm Teil an dieser außerordentlichen Feier und zwar
-nicht nur äußerlich, sondern mit liebenden und fürbittenden Herzen. Alle
-bewunderten Heliastras Entschluß und wünschten ihr Gottes reichsten
-Segen dazu.
-
-Dann wurde ein Freudenfest gefeiert, wie es bei solchen Anlässen üblich
-war. Zum Schlusse, als der Rosenmond dem blauen Monde Platz machte, nahm
-die rosige Gattin Abschied von ihren Freundinnen und Bekannten.
-
-Am andern Morgen verabschiedete sie sich auch von den Ihrigen, deren
-Gottvertrauen und Fügsamkeit in den göttlichen Willen ihnen half, den
-Trennungsschmerz getrost zu überwinden.
-
-Auch unsere Freunde nahmen herzlichen, dankbaren und gerührten Abschied.
-
-Heliastra aber war voll strahlender Freudigkeit, als sie mit ihrem
-Gatten das Fahrzeug betrat, das sie führen sollte in die Welt ihrer
-Sehnsucht, die Welt, wo es Schmerzen zu lindern und Tränen zu trocknen
-gibt.
-
-»Gott sei mit euch und lasse euch wiederkehren!« riefen die
-Zurückbleibenden den Scheidenden nach, als die Sannah, von der
-Fliehkraft getrieben, emporschoß, und Heinz und Heliastra aus der
-offenen Lucke ein letztesmal herniederwinkten.
-
-
-
-
- 51. Der Planet des Fremdartigen.
-
-
-Es war Abend, als die Sannah emporstieg.
-
-Zum letztenmal grüßte das rosige Licht des schönsten der Monde unsere
-Freunde und die engelschöne Frau, die von Kind auf in seinem
-Rosenschimmer fröhlich gewesen war.
-
-Rasch, mit wachsender Geschwindigkeit entfernte sich das Weltschiff,
-getrieben durch die doppelte Kraft der Abstoßung und des
-Vorwärtstriebes.
-
-Bald entschwand das Sonnensystem Alpha Centauri den Blicken der
-Reisenden, das heißt, seine Planeten begannen nur noch als Sterne am
-Nachthimmel zu flimmern.
-
-Nur Heliastra mit ihren Sonnenaugen vermochte noch alles groß und
-deutlich zu sehen und sogar den blauen Mond zu erkennen, der nun dort
-unten, oder dort oben, wie es hier jetzt schien, aufgegangen war.
-
-Sie allein war es aber auch, die vom entgegengesetzten Zimmer aus genau
-angeben konnte, welcher winzige Stern die irdische Sonne sei, so daß
-Flitmore gleich von Anfang an der Sannah die rechte Fahrtrichtung geben
-konnte.
-
-Dann begaben sich alle zur Ruhe bis auf John, der die erste Wache hatte.
-
-Münchhausen übernahm nach drei Stunden die mittlere Wache und
-schließlich der Professor die dritte und letzte.
-
-Gegen Morgen sah er, wie die Sannah sich einem mächtigen dunklen
-Weltkörper näherte, wenn von einer Annäherung bei einer Entfernung von
-immerhin einigen Millionen Kilometern die Rede sein konnte.
-
-Auch »Morgen« und »Tag« waren bloße Zeitbegriffe geworden, seit die
-Doppelsonne Alpha Centauri wieder zu zwei Fixsternen geworden war, die
-nach und nach für das Auge zu einem einzigen verschmolzen. Da nicht, wie
-auf dem Hinweg, wenigstens ein schwachschimmernder Komet einiges Licht
-von außen gab, mußte das Weltschiff seine ganze, vielleicht Jahre
-dauernde Reise nach dem irdischen Sonnensystem in beständiger Nacht
-ausführen: Tageshelle oder gar Sonnenschein war ausgeschlossen.
-
-Das war keine angenehme Aussicht!
-
-Es war Zeit, die andern zu wecken, soweit diese überhaupt sich das
-Wecken ausgebeten hatten und nicht von selber zur bestimmten Zeit
-aufwachten.
-
-Der Professor drückte auf die verschiedenen Kontaktknöpfe, die in den
-entsprechenden Schlafräumen die elektrische Klingel ertönen ließen.
-
-Flitmore erschien zuerst.
-
-»Lord,« sagte Schultze: »es befindet sich hier in unserer Bahn ein
-dunkler Weltkörper, also ein Gestirn, das der Erde näher steht als Alpha
-Centauri. Wollen wir ihm nicht nahen, um zu schauen, wie es dort
-aussieht?«
-
-»Lang aufhalten unterwegs wollen wir uns nicht,« sagte Flitmore lachend:
-»Unsere Heimfahrt dürfte so wie so lang genug werden! Andererseits kommt
-es bei einer Fahrt, die voraussichtlich Jahre dauert, auf ein paar Tage
-mehr oder weniger nicht an.«
-
-Heinz war inzwischen mit Heliastra erschienen und fügte hinzu:
-
-»Da überdies unsere Reise, so viel wir wissen, durch eine trostlose Öde
-geht, auf der wir bis zum irdischen Planetensystem nicht darauf rechnen
-dürfen, irgend etwas anzutreffen, so sollten wir uns diese
-voraussichtlich letzte Gelegenheit, etwas Neues zu schauen, nicht
-entgehen lassen.«
-
-»Das ist wahr!« sagte der Lord: »Also stellen Sie die Fliehkraft ab,
-Herr Professor.«
-
-Auch die anderen waren nun eingetreten, und das Frühstück wurde
-eingenommen, während die Sannah, von dem dunkeln Weltkörper angezogen,
-auf ihn zustürzte.
-
-Als sie der Oberfläche des geheimnisvollen Gestirns nahe gekommen war,
-ließ Flitmore einen ganz schwachen Zentrifugalstrom durch ihre
-Metallhülle kreisen, welcher der Anziehungskraft der Kugel genau die
-Wage hielt, so daß die Sannah in der Schwebe gehalten wurde und sich
-stets im gleichen Abstand oder in der gleichen Höhe halten mußte.
-
-Hierauf wurde die Parallelkraft, ebenfalls in bescheidenem Maße, in
-Tätigkeit gesetzt, und das Weltschiff fuhr mit der geringen
-Geschwindigkeit von 50 Kilometern in der Stunde über der Oberfläche des
-neuen Planeten dahin.
-
-Alle begaben sich in das Antipodenzimmer, um von dort aus die Landschaft
-zu ihren Füßen beobachten zu können.
-
-Sie sah finster und düster aus: keine Sonne, kein Mond leuchtete diesem
-Weltkörper; nur ein blutiger, nordlichtartiger Schimmer drang aus seiner
-Atmosphäre herab, offenbar ausgehend von selbstleuchtenden Stoffen oder
-Bakterien, die sich in der Luft befanden.
-
-Bei dieser Beleuchtung war wenig zu erkennen; aber was zu sehen war,
-machte einen widerlichen, unheimlichen Eindruck.
-
-Das Land schien ziemlich eben zu sein und durchweg einen morastigen
-Charakter zu tragen.
-
-An einzelnen Stellen stiegen leuchtende Dämpfe oder Nebel aus dem Sumpfe
-auf, die einen leichenfahlen, schwefelgelben Schimmer verbreiteten;
-dazwischen schossen bläuliche und grünliche Stichflammen empor, durch
-welche die nächste Umgebung ebenfalls mit einem matten Schein erhellt
-wurde, der etwas Grausiges an sich hatte, als seien es höllische
-Fackeln, die eine Welt des Entsetzens beleuchteten.
-
-Ja, eine Welt des Entsetzens! Was waren das für Bäume und Pflanzen! Alle
-schienen lebendig und zugleich abscheuerregend: Gräser, die sich wie
-ekles Gewürm am Boden hinwanden, krümmten und schlängelten in
-krampfhaften Zuckungen, als strebten sie vergebens, sich von der
-moderigen Erde zu lösen, in der sie wurzelten! Vielverzweigte Bäume,
-deren kahle, blattlose Äste sich ringelten wie Riesenschlangen oder
-Polypenarme, in beständiger Bewegung, sich lang ausstreckend, sich
-zurückziehend, Wellen, Bogen, Ringe und Schleifen bildend, sich
-verwirrend und verschlingend, als befänden sich die lebendigen Zweige
-jedes Baumes in mörderischem Kampfe miteinander.
-
-Und unten im Sumpf wimmelte es von scheußlichem Getier: weißliche Maden,
-größer als Elefanten, sperrten zahnbewehrte Kiefer auf; Riesenspinnen,
-deren plumper, kugeliger Leib oben und unten und an den Seiten mit
-langen, dünnen, haarigen Beinen besetzt war, so daß sie sich beständig
-um sich selbst drehen konnten und stets mit einer Anzahl Füße krochen,
-die andern zappelnd empor oder rings von sich streckend; grünliche
-Kröten, groß wie Büffel, die ihre häßlichen Augen auf dünnen,
-wurmartigen Stielen weit hinausstreckten; dünnbeinige Stechmücken von
-Giraffenhöhe, die mit ihren langen, durchsichtigen Rüsselröhren den
-andern Tieren das Leben aussaugten oder von diesen geschnappt und
-zerquetscht wurden.
-
-Alles kroch durcheinander, alles kämpfte miteinander: nicht nur Tier mit
-Tier, sondern auch Pflanzen und Tiere befanden sich in unaufhörlichem
-mörderischem Kampfgemenge.
-
-Da biß ein Riesenwurm mit Krokodilsrachen einem Baume die Äste ab und
-diese Äste schnellten und zuckten und wanden sich in Krämpfen am Boden,
-während aus dem sich wie im gräßlichsten Schmerz verkrümmenden Stumpfe
-ein dicker, grünlichschwarzer Saft hervorquoll.
-
-Dort war eines der Riesentiere von den zahllosen Armen eines Baumes
-erfaßt worden und suchte vergebens, in verzweifeltem Ringen, sich aus
-der tödlichen Umarmung zu befreien: es wurde erdrückt, erstickt und zu
-einer unförmlichen Masse zerquetscht.
-
-Und dann schossen wieder dünne Würmer wie Pfeile aus dem Morast, fuhren
-durch die Luft und bohrten sich in den Leib eines nicht minder
-widerlichen Tieres, um schließlich ganz in seiner Masse zu verschwinden
-und in seinem Innern ihr gräßliches, mörderisches Zerstörungswerk zu
-beginnen.
-
-Schauerlich war es anzusehen, wenn so ein Riesentier, das selber
-grauenhaft aussah, in rasendem Schmerz emporsprang, wie wahnsinnig
-umherkreiselte und zuletzt im Todeskampf zusammenbrach, während
-plötzlich sein unförmlich angeschwellter Leib sich überall öffnete und
-ein Gewimmel schlangenartiger Würmer enthüllte, die es bei lebendigem
-Leibe von innen heraus verzehrten.
-
-Und dann schlängelten sich wieder fahle Flammen durch die drängenden
-Massen, versengten und verzehrten die Leiber, die vergebens suchten,
-sich zu flüchten: auch diese höllischen Feuerschlangen schienen lebendig
-zu sein und ihre Opfer mit Mordgier zu verfolgen.
-
-Heliastra war totenbleich und voller Entsetzen: »Sieht es so auf der
-Erde aus?« fragte sie beklommen.
-
-»Nein,« tröstete sie Heinz: »Solch ein gräßliches Schauspiel erfüllt
-auch uns Menschen mit Entsetzen.«
-
-»Ja!« bestätigte der Professor: »Selbst wissenschaftliche Forschung
-erlahmt dahier und wendet sich ab von diesen Greueln. Das ist ein Reich
-der Finsternis im vollsten Sinne des Wortes und ich schlage vor, ihm den
-Namen »Scheol« zu geben, wie die Hebräer ihr Höllenreich nannten.«
-
-»Es ist genug,« sagte Flitmore: »Lieber durch die ewige Nacht des öden
-Raums, als solch ein Schauspiel länger mit ansehen!« Und er schaltete
-die volle Fliehkraft ein.
-
-
-
-
- 52. Eine Weltkatastrophe.
-
-
-»Wenn ich mir erlauben darf, auch eine Beobachtung meinerseits gemacht
-zu haben,« begann John, als die Sannah sich vom Planeten des Grauens
-entfernte, »so sehe ich dort einen andern schwarzen Erdball daherkommen,
-sozusagen herabstürzen.«
-
-»Das könnte uns gefährlich werden,« rief Schultze, in der von John
-bezeichneten Richtung hinaussehend: »Es scheint in der Tat ein
-Zusammenstoß zweier gewaltiger Körper bevorzustehen. Ich schätze Scheol
-auf die zehnfache Größe der Erde, und der mit rasender Geschwindigkeit
-auf ihn herabstürzende Weltkörper scheint nahezu ebensogroß.«
-
-Der Lord sprach kein Wort, schaltete aber die Parallelkraft in vollster
-Stärke ein und die Sannah entfernte sich mit Lichtgeschwindigkeit von
-der bedrohlichen Stelle.
-
-Auf einmal wurde es hell; ein Licht, wie von zehn Sonnen auf einmal,
-erfüllte den Raum mit blendendem Glanze: Die beiden Weltkugeln waren auf
-einandergeprallt und in weniger als einer Sekunde hatten sie sich zu
-einer weißglühenden Masse vereinigt, von der flammende Stücke nach allen
-Richtungen hinausgeschleudert wurden und Stichflammen von Millionen
-Kilometer Höhe emporschlugen.
-
-Alles Leben mit seinem grausigen Kampf mußte auf dem Scheol in einem
-Augenblick vernichtet worden sein; aber den Insassen der Sannah drohte
-das gleiche Schicksal: das Weltschiff war in glühende Gase gehüllt, eine
-Stichflamme hatte es erreicht; gleichzeitig aber wurde es, wie von dem
-Druck einer ungeheuerlichen Explosion emporgeschleudert mit einer
-Geschwindigkeit, die alles übertraf, was sie bisher geleistet.
-
-Durch und durch wurde das Fahrzeug erschüttert und eine Zeitlang lagen
-alle, plötzlich zu Boden geschleudert, durcheinander. Nur Heliastra
-schwebte in ihrer Leichtigkeit über dem Boden und half nun den
-Gestürzten auf die Beine.
-
-Jetzt erst ließ sich ein fürchterliches Krachen, Rollen und Donnern
-vernehmen. Noch einmal erbebte die Sannah in allen Fugen, vom
-erschütterten Weltstoff geschüttelt. Eine furchtbare Hitze entwickelte
-sich in dem Antipodenzimmer und alle flüchteten auf Tod und Leben in die
-innersten Räume des Fahrzeugs.
-
-Hier war es noch auszuhalten, und die unausdenkbare Wucht, mit der das
-Weltschiff von den zusammengeprallten Planeten fortgeschleudert wurde,
-brachte es in kürzester Zeit aus dem Bereiche der Stichflamme, so daß es
-sich allmählich wieder abkühlte, ohne ernstlichen Schaden genommen zu
-haben.
-
-»Wir haben eine Weltkatastrophe erlebt,« sagte nun Flitmore, »wie sie
-gar nichts so Seltenes ist.«
-
-»Allerdings,« bestätigte der Professor: »Seit uns der Fixsternhimmel
-näher bekannt ist und man gelernt hat, auf derartige Erscheinungen zu
-achten, hat man das Aufleuchten neuer Sterne öfters beobachten können.
-
-Charakteristisch für diese Erscheinungen ist die Nova Persei, das heißt
-der neue Stern, der im Jahre 1901 im Sternbild des Perseus aufleuchtete.
-Er erschien zunächst als Stern 12. Größe, wurde innerhalb dreier Tage zu
-einem Stern erster Größe, dem hellsten am ganzen Firmament außer Sirius:
-sein Licht hatte um das 250000fache zugenommen, nahm aber dann ab, bis
-es wieder so schwach war, daß der Stern als zwölfter bis dreizehnter
-Größe erschien. Er muß mindestens 100 Lichtjahre von der Erde entfernt
-gewesen sein und umgab sich nach dem Ausbruch mit einer Nebelhülle, die
-wenigstens das 1400fache des Erdbahndurchmessers umfaßte und
-Verdichtungsstreifen und Lichtknoten aufwies, die sich, gering
-geschätzt, mit mehr als 3000 Sekundenkilometern Geschwindigkeit
-fortbewegten.«
-
-»Diese neuen Sterne entstehen also durch das Aufleuchten zweier dunkler
-Weltkörper, wenn sie sich durch einen Zusammenstoß erhitzen?« fragte
-Heinz.
-
-»Eigentlich glaubt man das weniger,« entgegnete Schultze, »da dann das
-rasche Erkalten und Erblassen innerhalb weniger Wochen oder Monate
-unerklärlich wäre.«
-
-»Wie erklärt man dann diese Vorfälle?« mischte sich nun Mietje in die
-Erörterung.
-
-»Sehr verschieden!« sagte Schultze. »Die einen meinen, es handle sich um
-erloschene Sonnen, die für uns unsichtbar wurden, nachdem sie sich mit
-einer Erstarrungskruste umgaben, plötzlich aber wieder aufleuchten, wenn
-die innere Glut die Kruste vorübergehend durchbricht. Auch das
-Einstürzen eines großen Meteors könnte das plötzliche Aufleuchten
-verursachen.
-
-Wilsing nimmt an, daß die sehr große Annäherung zweier ungefähr
-gleichgroßer Sterne eine Flutwelle in der Atmosphäre und dem
-feurigflüssigen Innern des einen hervorrufe. Dadurch würde ein Teil
-seiner Oberfläche fast von seiner ganzen Lufthülle entblößt, und die
-innern Glutmassen würden die dünne Erstarrungsdecke durchbrechen.
-
-Seeliger im Gegenteil glaubt, daß ein erkalteter Weltkörper, in eine
-Wolke kosmischen Staubes eindringend, durch die Reibung an seiner
-Oberfläche in Glut gerade. Diese Vermutung stimmt allerdings nicht zu
-unsern Erfahrungen, nach welchen jedes Gestirn seine Lufthülle besitzt,
-die es vor solcher Reibung schützt.
-
-Übrigens haben wir ja nun beobachten können, wie ein oder vielmehr zwei
-Weltkörper durch Zusammenstoß aufleuchten können; auf der Erde wird man
-am 12. Mai 1913 die Erscheinung des neuen Sterns gewahren, und dann
-wollen wir ja sehen, welche Erklärungen die irdischen Astronomen diesem
-Phänomen zu geben belieben.«
-
-»Gestatten mir gütigst der Herr Professor eine Fragestellung in aller
-Rücksicht der Bescheidenheit,« bat John.
-
-»Nur zu, mein Sohn! Was quält dich für ein Schmerz?«
-
-»Der Herr Professor haben sich doch zu äußern beliebt, wie ich schon
-mehrfach hören konnte, daß sich neue fixe Sterne in den komischen Nebeln
-bilden?«
-
-»Ganz richtig, guter Freund! Aber nicht in den komischen, sondern in den
-kosmischen Nebeln. Siehst du, man nennt auf griechisch die Welt
->Kosmos<, und da ein gebildeter Deutscher Griechisch, Lateinisch und
-Französisch redet, nur kein Deutsch, so spricht er von kosmischen
-Nebeln, wo er ebensogut Weltnebel sagen könnte. Wie du also ganz richtig
-bemerkt hast, aus diesen Weltnebeln bilden sich Fixsterne.«
-
-»Und die leuchten dann aber doch lange Zeit?«
-
-»Gewiß! Tausende, Hunderttausende, vielleicht Millionen von Jahren.«
-
-»Nun denn, Sie sagen, alle neuen Sterne verlieren sozusagen sehr schnell
-ihr starkes Licht; aber es sollten doch auch neue Sterne aus den Nebeln
-entstehen, die man vorher nicht gesehen hat, und die dann immer leuchten
-als Fixsterne?«
-
-»Ja, weißt du, diese Bildung neuer Sterne aus Nebeln braucht jedenfalls
-Hunderttausende von Jahren.«
-
-Hier fiel Flitmore ein: »Und doch hat John recht; warum soll gerade in
-unserer Zeit keine derartige Sternbildung zur Vollendung kommen? Niemals
-noch ist ein uns bekannter Fixstern erloschen, niemals noch ein neuer
-erschienen. Herrscht wirklich das beständige Werden und Vergehen im
-Weltall, wie man es annimmt, so ist diese Tatsache unerklärlich.
-Jedenfalls glaube ich, die Zeit der großen Sonnenschöpfungen ist
-vorüber.«
-
-»Das ist eine sehr anfechtbare Ansicht,« widersprach der Professor, »es
-vollzieht sich eben nur alles so langsam, daß für uns nichts davon zu
-merken ist.«
-
-
-
-
- 53. Durch die Sonne.
-
-
-Die furchtbare Explosion, welche der Zusammenstoß der beiden dunklen
-Weltkörper zur Folge hatte, schleuderte die Sannah, wie wir hörten, mit
-unheimlicher Gewalt in den Weltraum.
-
-Dies erwies sich als ein ungeahntes Glück; denn das Weltschiff behielt
-diese Geschwindigkeit tagelang bei mit nur langsamer Abnahme, und so
-legte es in wenigen Tagen einen Weg zurück, zu dem es sonst ebensoviel
-Jahre gebraucht hätte.
-
-Man konnte dies an der rasenden Geschwindigkeit beobachten, mit der man
-sich dem irdischen Sonnensystem näherte.
-
-Noch keine vier Wochen waren verflossen, seit unsre Freunde Eden
-verlassen hatten, als sie bereits die Neptunbahn kreuzten.
-
-Nun aber zeigte sich eine neue Gefahr.
-
-»Wir stürzen geradewegs auf die Sonne zu,« sagte Flitmore.
-
-»Und die Fliehkraft?« fragte Schultze.
-
-»Ich fürchte sehr, daß sie uns nichts hilft,« erwiderte der Lord. »Die
-Gewalt, mit der die Sannah in ihrer Bahn dahingeschleudert wird, ist
-stärker als die stärkste Zentrifugalkraft, die wir entwickeln können.«
-
-»Nun, dann wird sie auch stärker sein als die Anziehungskraft der
-Sonne,« meinte der Professor.
-
-»Das gebe Gott!« sagte Flitmore, »denn sonst sind wir verloren.«
-
-Die Sonne kam näher und näher; schon war die Uranus- und Saturnbahn
-durchschnitten, ohne daß man diese Planeten zu Gesichte bekam, da sie
-sich an entfernten Stellen ihrer Bahn befanden. Jupiter sah man nur von
-ferne, von den Planetoiden, Mars und der Erde, war nichts zu sehen, als
-man ihre Bahnen kreuzte; dagegen kam die Sannah der Venus sehr nahe, dem
-hellen Morgen- und Abendstern, der, wenn er sich von der Sonne entfernt,
-der Erde heller leuchtet als alle andern Gestirne und selbst bei Tage
-gesehen werden kann, wenn man seine Lage am Himmel genau kennt; der
-einzige Stern, der bemerkbare Schatten wirft, wenn der Mond nicht stört.
-
-Schultze konnte seine bisher unbekannte Umdrehungszeit feststellen.
-Bekanntlich herrscht hierüber eine solche Unklarheit unter den irdischen
-Astronomen, daß man sie teils zu 24 Stunden, teils zu ebensoviel Tagen,
-ja bis zu 225 Erdentagen annahm.
-
-Der Professor fand nun eine Rotationszeit der Venus von etwa 700 Stunden
-oder 30 Erdentagen.
-
-Ihr Jahresumlauf beträgt 224 Erdentage.
-
-Es erwies sich, daß ihre eine Hälfte ewigen Tag, die andere ewige Nacht
-hat, und die Nachtseite zeigte eine matte Erleuchtung. Ihre Atmosphäre
-war sehr dicht und vielfach stark bewölkt; ihre Oberfläche bildete eine
-vollkommene Wüste, eine trostlose Einöde von gleichmäßigem weißen Glanz.
-
-»An Größe und Masse,« sagte der Professor, »ist dieser Planet unsrer
-Erde sehr ähnlich, empfängt aber doppelt so viel Sonnenlicht als diese.
-Ihre Bahn ist nahezu kreisförmig; sie hat das stärkste Albedo, das
-heißt, von allen Planeten strahlt sie das meiste von all dem Licht
-zurück, das sie empfängt; vielleicht hat sie noch etwas eigenes Licht.
-Der Erde zeigt sie Phasen wie der Mond.«
-
-»Schmerzlich ist es, daß wir von hier aus die Erde nicht erreichen
-können,« seufzte Heinz. »Wir sind ihr doch so nah: 40 Millionen
-Kilometer! Was will das heißen?«
-
-»Ja, ja!« sagte Schultze: »Da hilft uns alles Bedauern nichts, wir
-werden fortgerissen ohne Erbarmen!«
-
-Die Sannah kreuzte die Merkurbahn.
-
-Die Sonne erschien wie ein ungeheurer Feuerball.
-
-Flitmore schützte die Fenster der Sannah durch geschwärzte Scheiben, so
-daß man mit dem bloßen Auge in die Gluten schauen konnte. So gelang es,
-die Sonnenflecken als ungeheure Schlackeninseln zu erkennen, die in
-einem Meer von Glut schwammen, das sie zeitenweise wieder auflöst.
-
-Hoch empor stiegen die glühenden Massen der sogenannten Sonnenfackeln
-und die flammenartigen Protuberanzen oder Sonnenflammen, die aus
-brennenden Gasen, meist glühendem Wasserstoff bestehen. Teilweise
-zeigten sie auch die Form von Feuersäulen und Glutwolken.
-
-Ein wogendes Meer von Gluten und Flammen, wie von Orkanen gepeitscht, so
-stellte sich die Sonne dar. Ungeheure Explosionen und Eruptionen oder
-Ausbrüche ereigneten sich von Zeit zu Zeit; dann wurden Feuergarben und
-Flammenstrahlen in wenigen Minuten bis zu einer Höhe von 75000
-Kilometern emporgeschleudert mit einer Geschwindigkeit von 173
-Kilometern in der Sekunde.
-
-Und auf dieses wildtobende Feuermeer stürzte die Sannah unaufhaltsam zu
-mit rasender Geschwindigkeit!
-
-Aber auch in diesen Augenblicken des Schreckens, da aller Gemüter von
-der Sorge eines drohenden Untergangs erfüllt waren, abgesehen von
-Heliastra, die mit kindlicher Neugier das schauerlich schöne Schauspiel
-bewunderte; auch in diesen bangen Augenblicken zeigte Schultze den
-kühlen Gelehrten, denn, wahrhaftig! er hielt einen wissenschaftlichen
-Vortrag über die Sonne.
-
-»Dieses Gestirn,« sagte er, »das unsrer Erde Licht, Leben und Wärme
-spendet, ist 300000mal heller als der Vollmond; doch kommt der Erde nur
-der 2735millionenste Teil ihres Lichts und ihrer Wärme zugute. Ihr
-Äquatorialdurchmesser beträgt 1390300 Kilometer gegen 12755 Kilometer
-des irdischen Durchmessers. In der Sonne hätten 1300000 Erdkugeln Platz,
-dennoch wiegt sie nur so viel wie 324400 Erden, denn sie ist nicht viel
-dichter als Wasser.
-
-In der Sonne kommen fast die gleichen Stoffe vor wie auf der Erde, das
-hat uns das Spektroskop geoffenbart.
-
-Die äußerste Umgebung des Sonnenballs oder vielmehr seiner Atmosphäre
-bildet die Korona, sie besteht, wie wir deutlich sehen können, aus
-breiten Strahlenbüscheln, die sich zum Teil mehr als einen
-Sonnendurchmesser weit in den Raum erstrecken und oft eigentümlich
-gekrümmt erscheinen.
-
-Diese Korona kann man von der Erde aus am besten bei Sonnenfinsternissen
-beobachten, sie bildet dann einen schmalen Lichtring von blendender
-Helligkeit rings um die verfinsternde Mondscheibe; diesen Ring umgibt
-ein zwölfmal so breites Band von perlmutterartigem Glanz, aus dem weit
-hinaus in den Weltraum jene Strahlen schießen, die übrigens auf den
-Photographien gar nicht oder kaum erscheinen; dieses Band wird von einer
-noch breiteren Lichtzone umschlossen, die sich mit schnell abnehmender
-Helligkeit ohne sichtbare Begrenzung im Himmelsraum verliert.
-
-Unter der Korona sehen wir die sogenannte Chromosphäre, einen
-rosafarbenen Ring, der aus den leichtesten uns bekannten Gasen, dem
-Wasserstoff und dem Helium gebildet wird.
-
-Die innerste atmosphärische Hülle der Sonne endlich ist die Photosphäre,
-die aus glühenden Metalldämpfen besteht und die eigentliche
-Lichtspenderin ist. Diese sehen wir überzogen mit einem Netzwerk, das
-aus einer Unzahl feiner Poren und Linien besteht, die sich fortwährend
-verändern. Sie scheinen eine Art Schäfchen- oder Cirruswölkchen, deren
-kleinstes freilich die Größe eines irdischen Weltteils besitzt; man
-nennt diese Erscheinung >die Granulation< der Sonnenoberfläche.«
-
-»Hören Sie, Professor!« sagte Münchhausen unwirsch: »Was soll uns jetzt
-diese hochinteressante Belehrung. Ich meine, es wird hier innen schon
-abscheulich heiß und wir werden in kurzem zu Staub verbrennen. Wissen
-Sie ein Mittel dagegen, das wäre besser als Ihre gesamte sonstige
-Weisheit.«
-
-»Die Hitze der Sonne ist nicht so groß als man sich gewöhnlich
-einbildet,« erwiderte Schultze kühl. »Sie dürfte etwa 7000 Centigrad
-betragen, also das Doppelte der Hitze der Kohlenspitzen einer
-elektrischen Bogenlampe.«
-
-»Heiß genug, um uns in Asche zu verwandeln!« brummte der Kapitän.
-
-Der Professor zuckte die Achseln. »Alles, was ich Ihnen zum Troste sagen
-kann, ist, daß der große Komet von 1843 die glühende Korona der Sonne
-durchraste, 5 Millionen Kilometer in drei Stunden, also 570 Kilometer in
-der Sekunde zurücklegend. Er kam dabei der Sonne bis auf den zehnten
-Teil ihres Durchmessers nahe.«
-
-»Und stürzte nicht hinein?« fragte Heinz.
-
-»Nein! Davor bewahrte ihn die Gewalt seines Schwungs. Ähnlich ging es
-mit den Kometen von 1882 und 1883. Sie entwickelten dabei alle eine
-enorme Helligkeit, ja man sah sie bei Tage dicht neben der Sonne, und
-der Komet von 1882 verschwand, als er vor die Sonne trat; er war also
-genau so hell wie sie. Dabei entwickelten jene Kometen Eisendämpfe, ein
-Beweis, daß auch ein Teil ihrer festen Bestandteile sich unter der
-Einwirkung der Hitze der Korona in glühende Gase auflöste. Endlich
-zersprang der Komet von 1882 beim Passieren der Korona in mehrere
-Stücke.«
-
-»Ein schöner Trost, den Sie uns da geben!« knurrte der Kapitän.
-
-»Sind der Herr Professor der unmaßgeblichen Ansicht, daß wir in diesen
-furchtbar anzusehenden Flammenofen trotz der geschwärzten Scheiben
-mitten hinein plumpsen dürften?« fragte Rieger ängstlich.
-
-»Nein!« erwiderte Schultze bestimmt. »Das glaube ich keinesfalls; denn
-unsre Geschwindigkeit übertrifft die des Kometen von 1843 um weit mehr
-als das Hundertfache.«
-
-»Aber daß die Sannah in Weißglut gerät oder sich in glühende Dämpfe
-auflöst, zum mindesten samt uns allen in Stücke zerspringt, das glauben
-Sie?« polterte Münchhausen.
-
-»Da unser Weltschiff keine feste, dichte Masse bildet,« entgegnete der
-Professor, »scheint es am wahrscheinlichsten, daß es sich in ein
-Dampfwölkchen auflöst. Offen gestanden, ich halte unsre letzte Stunde
-für gekommen; doch dürfen Sie mir glauben, wir werden nichts davon
-spüren, in weniger als einer Sekunde wird alles vorüber sein.«
-
-Flitmore drückte auf einen Knopf und augenblicklich schlossen sich
-sämtliche Augendeckel der Sannah, das heißt die dicken Schutzplatten
-legten sich von außen dicht über die Fenster. Gleichzeitig ließ der Lord
-die elektrische Beleuchtung aufstrahlen und sagte: »Begeben wir uns in
-den allerinnersten Raum, in den Mittelpunkt der Sannah, in zehn Minuten
-haben wir die Glutatmosphäre der Sonne erreicht und jagen durch Feuer
-und Flammen. Dann gnade uns Gott!«
-
-In Eile stürzten alle in den innersten Vorratsraum, den eine einzige
-elektrische Glühbirne erhellte. Alle Lucken wurden geschlossen, nachdem
-sie passiert waren.
-
-Hier sprach der Lord ein kurzes, markiges Gebet, eine Bitte um Rettung,
-zugleich aber auch den Ausdruck der Ergebung in den göttlichen Willen,
-falls ihr Ende beschlossen sein sollte; das Vertrauen auf die göttliche
-Barmherzigkeit und die Aufnahme aller in das himmlische Reich trug er
-mit solcher Einfachheit und Glaubensfreudigkeit vor, daß sich alle über
-die Schrecken des Todes erhoben fühlten und keinerlei Angst mehr
-empfanden vor dem, was ihnen drohte. Mietje stimmte die beiden letzten
-Verse des herrlichen Liedes »O Haupt, voll Blut und Wunden« an, und die
-andern sangen ergriffen mit. Dann trat Stille ein.
-
-John setzte sich zu Füßen seines Herrn nieder, als wollte er damit zum
-Ausdruck bringen, wie er als getreuer Diener ihm in den Tod folgen
-wolle. Mietje lehnte ihr Haupt an ihres Gatten Schulter, Münchhausen
-faßte kräftig Schultzes Rechte und hielt sie fest. Heliastra schmiegte
-sich in Heinz' Arme und fühlte sich geborgen, während ihr junger Gemahl
-bereit war, mit ihr die Reise in ein besseres Leben anzutreten.
-
-Die beiden Schimpansen Dick und Bobs kauerten in einer Ecke und wußten
-von nichts; doch verhielten sie sich, ganz gegen ihre Gewohnheit, so
-regungslos, als ahnten sie doch etwas Außerordentliches.
-
-Auf einmal wurde es furchtbar heiß; die Luft schien zu glühen und
-erstickend legte es sich auf aller Brust.
-
-Da stand Flitmore auf und sprach ein warmes Dankgebet für die Errettung
-aus furchtbarer Todesgefahr.
-
-
-
-
- 54. Der Planet Merkur.
-
-
-Die andern wußten es sich nicht zu erklären, wie der Lord dazu kam, ein
-Dankgebet zu sprechen, während sie sich mitten im Flammenofen der Sonne
-wähnten; denn erst jetzt begann die Hitze beinahe unerträglich zu
-werden.
-
-Nur Professor Schultze sah so klar wie Flitmore.
-
-»Wir sind unversehrt hindurchgekommen!« sagte er aufatmend; »aber wie
-mag die Sannah aussehen?«
-
-»Sind wir denn schon außer Gefahr?« fragte Mietje ungläubig.
-
-»Gewiß, meine Liebe,« sagte der Lord, »die Lebensgefahr bestand darin,
-daß sich unser Fahrzeug infolge der ungeheuren Hitze sofort in Dampf
-aufgelöst hätte. Die Wärme, die wir nun aber spüren und die allerdings
-sehr lästig ist und auf die Dauer nicht auszuhalten wäre, beweist uns,
-daß wir die Korona der Sonne bereits durchflogen und hinter uns haben.
-Wäre die Katastrophe eingetreten, so hätten wir gar nichts gespürt, so
-plötzlich wäre alles gekommen; diese allmählich sich steigernde Hitze
-jedoch weist darauf hin, daß die Sannah an ihrer Oberfläche sehr heiß
-wurde, ohne jedoch wesentlich Schaden gelitten zu haben. Durch die
-feuerfeste Umhüllung und die dicke Guttaperchaauspolsterung aller Räume,
-sowie die in diesen enthaltene Luft ist die Temperatur in diesen
-untersten Gelassen nur langsam und verhältnismäßig wenig gestiegen.«
-
-»Das glaube ich«, sagte Münchhausen: »Sind doch nach allen Seiten hin
-nicht weniger als 7 Zimmer oder Stockwerke von je drei Meter Höhe
-zwischen uns und der äußeren Umhüllung, 7 Säle mit gummibelegten
-Decken und Fußböden, so daß uns 14 Schichten von geringster
-Wärmedurchlässigkeit beschützen, getrennt durch 7 drei Meter hohe
-Lufträume, ganz abgesehen von der starken Außenhülle.«
-
-»Aber ist es nicht möglich, daß wir uns noch in den Flammen befinden?«
-fragte nun Heliastra: »Dann würde die Hitze ganz allmählich steigen,
-aber wir würden sie bald nicht mehr aushalten.«
-
-»Ganz ausgeschlossen!« sagte Schultze. »Bei der rasenden Eile unsrer
-Fahrt mußten wir schon längst wieder aus der Sonnenkorona ausgetreten
-sein, ehe die Temperaturerhöhung in ihrem allmählichen Fortschreiten
-sich hier unten bemerkbar machte.«
-
-»Dann aber möchte ich ganz ergebenst die bescheidene Bemerkung
-aussprechen,« sagte John, »daß wir nach oben gehen in die frische Luft,
-denn ich schwitze, wenn es zu sagen gestattet sein sollte, wie ein
-sogenannter Magister!«
-
-»Geduld, Geduld, mein Sohn!« lachte Schultze. »Das müssen wir nun schon
-eine Weile aushalten. Zum ersten sind wir der Sonne noch so nahe, daß
-ein Spaziergang ins Freie vorerst ganz ausgeschlossen ist, wenn wir
-nicht braten sollen; zum zweiten ist die Hitze in den oberen Gemächern
-zweifellos weit schlimmer als hier im untersten; sie müßte wachsen, je
-höher wir steigen. Wir müssen erst eine gründliche Abkühlung abwarten.«
-
-»Da werden wir wohl noch lange Geduld haben müssen,« meinte Heinz, »denn
-die Sonne dürfte bei ihrer Nähe derart auf die Sannah brennen, daß von
-einer Abkühlung vorerst überhaupt keine Rede sein wird.«
-
-»In zwei Stunden,« sagte der Lord, »können wir ohne Sorge den Aufstieg
-wagen. Erstens muß eine verhältnismäßige Abkühlung selbstverständlich
-eintreten, da der Temperaturunterschied doch ein ganz gewaltiger ist
-zwischen der Korona selber und ihrer bloßen Nähe; zweitens entfernen wir
-uns mehr als blitzschnell von der Sonne; drittens dreht sich ja unsre
-Sannah um sich selbst und kehrt stets nur eine Seite der Sonne zu; die
-von der Sonne abgekehrte Seite wird sich aber sehr rasch und stark
-abkühlen. Endlich übt die bloße Bestrahlung durch die Sonne, wenn diese
-auch noch sehr nahe ist, ihre Einwirkung nur in sehr geringem Maße bis
-in die Innenräume aus.«
-
-Es zeigte sich, daß der Lord recht hatte; die furchtbare Hitze nahm
-verhältnismäßig rasch ab und nach zwei Stunden konnten unsre Freunde
-bereits ins Zenithzimmer hinaufsteigen, das gerade von der Sonne
-abgewendet war und Nacht hatte.
-
-Allerdings herrschte dort noch eine gelinde Backofenhitze, aber dadurch,
-daß sämtliche Verbindungstüren der Innenräume geöffnet wurden, konnte
-ein starker kühlender Luftzug erzeugt werden; überdies konnte man auf
-der Nachtseite auch die Außenlucken öffnen und es strömte eine zwar mehr
-als laue, aber doch frische Luft ein, die nach der ausgestandenen Hitze
-den Eindruck wohltuender Kühle machte.
-
-Durch die Lucke des Zenithzimmers stieg Flitmore ins Freie hinaus, um zu
-sehen, was die Umhüllung der Sannah bei der Fahrt durch die
-Glutatmosphäre der Sonne gelitten habe.
-
-Er fand, daß der Flintglasbelag fast vollständig abgesprungen war; die
-äußerste Metallumhüllung war geschmolzen, aber fast beinahe überall noch
-dicht, da sie nach Verlassen der Sonnenkorona rasch wieder erstarrt war;
-an einzelnen Stellen freilich zeigten sich Löcher, da war die Umhüllung
-in ihrer ganzen Dicke durchgeschmolzen. Doch das wollte nun nicht viel
-besagen, denn einer ähnlichen Hitze würde man ja wohl nicht wieder
-standzuhalten haben.
-
-Als der Lord ins Zimmer zurückkehrte, sagte Mietje: »Mir ist es immer
-noch ein Rätsel, wie wir so unbeschädigt durch die flammende
-Sonnenatmosphäre kommen konnten.«
-
-»Ein Wunder göttlicher Bewahrung ist es gewiß!« sagte ihr Gatte. »Aber
-das natürliche Mittel, durch das er uns hindurchhalf, ist die ungeheure
-Geschwindigkeit, mit der er unser gebrechliches Fahrzeug seine Bahn
-durcheilen ließ. Du hast ja wohl selber schon probiert, meine Liebe, wie
-du deinen Finger unbeschädigt, ja ohne nur auch eine Wärmeempfindung zu
-verspüren, durch die Flamme eines Lichtes bringen kannst, wenn du es
-schnell genug ausführst. Ganz so kurz verweilten wir nun freilich nicht
-in den Sonnenflammen, aber doch auch gewiß nicht mehr als zwei Minuten,
-und für diese kurze Zeit genügte unsre Schutzhülle, um den Gluten stand
-zu halten, die schon einige Zeit brauchten, um nur die Flintglashülle zu
-sprengen. Daß die Hitze im Innern nicht unerträglich wurde, obgleich das
-Metall an der Außenfläche angeschmelzt wurde, darf uns nicht
-wundernehmen, wenn wir uns erinnern, daß dies auch bei Meteoren der Fall
-ist.«
-
-In blendendem Glanze strahlte der Planet Merkur durch das offene Fenster
-des Zenithzimmers. Die Sannah mußte ganz in seiner Nähe vorbei und er
-schien mit ungeheurer Schnelligkeit sich zu nahen.
-
-Dieser Planet, der zu 3/8 ewige Nacht und zu 3/8 ewigen Tag hat, während
-der vierte Teil seiner Oberfläche allein den Wechsel von Tag und Nacht
-kennt, die im Durchschnitt 44 Erdentage währen, kehrte beinahe seine
-volle erleuchtete Seite der Nachtseite der Sannah zu.
-
-Um ihn dauernd beobachten zu können, sowie um sich nicht der Sonnenhitze
-auszusetzen, begaben sich unsre Freunde, entsprechend der Umdrehung der
-Sannah, jedesmal in dasjenige Zimmer, das gerade Mitternacht hatte. Jede
-halbe Stunde mußte ein solcher Zimmerwechsel vorgenommen werden.
-
-Schultze fühlte sich veranlaßt, einige Belehrungen über den Merkur
-loszulassen:
-
-»Die große Sonnennähe dieses Planeten,« sagte er, »hat seiner
-Beobachtung von der Erde aus die größten Schwierigkeiten
-entgegengesetzt. Aus den Veränderungen, die Schröter an den Spitzen der
-Merkursichel, den sogenannten Hörnern, wahrzunehmen glaubte, berechnete
-Bessel seine Umdrehungsdauer zu 24 Stunden. Dagegen schloß Schiaparelli
-1883 aus Flecken und Streifen, die er wahrnahm, auf eine Rotationsdauer
-von 88 Tagen; das heißt, Merkur würde der Sonne stets dieselbe Seite
-zukehren, wie der Mond der Erde, und würde sich in der gleichen Zeit um
-sich selbst drehen, wie um die Sonne.
-
-Allein es wurde nachgewiesen, daß jede Kugel mit glatter, gleichmäßig
-gefärbter Oberfläche bei unvollständiger Beleuchtung dunkle Streifen
-zeigt, die auf einer notwendig eintretenden Sinnestäuschung beruhen, so
-daß Schiaparellis Berechnungen fragwürdig erscheinen, weil sie auf die
-Beobachtung eben dieser Streifen sich aufbauten.
-
-Merkur zeigt der Erde wechselnde Lichtgestalten oder Phasen wie der
-Mond, aber wie Venus zeigt er sich vollbeleuchtet, wenn er der Erde am
-entferntesten steht, und erscheint daher am hellsten, wenn er, nur halb
-beleuchtet, der Erde näher tritt. Aber auch dann ist er nur einem guten
-Auge sichtbar infolge seiner Kleinheit und Sonnennähe; doch wurde er im
-Altertum und im Mittelalter von unsern helläugigen Vorfahren gut
-beobachtet.
-
-Die Lichtgrenze seiner Oberfläche zeigt sich sehr verwaschen, was auf
-eine ziemlich dichte Atmosphäre hinweist. Seine Bahn ist die
-exzentrischste aller Planetenbahnen, das heißt, sie entfernt sich am
-meisten von der Kreisform und erscheint oval.
-
-Seine Dichtigkeit ist anderthalbmal so groß als die der Erde, so daß man
-ihn als eine Kugel von Gußeisen ansehen könnte. Seine Oberfläche beträgt
-etwa das Dreifache des gesamten russischen Kaiserreichs. Seine Masse ist
-nur 1/12 der Erdmasse, die Schwerkraft auf ihm beträgt nur 3/5
-derjenigen der Erde. Er empfängt siebenmal mehr Sonnenlicht als diese
-und dürfte wohl unter unerträglicher Hitze auf der Sonnenseite und
-grauenhafter Kälte auf der Nachtseite leiden. Venus leuchtet ihm bei
-ihrer größten Nähe 600mal schwächer als unser Vollmond.«
-
-So viel wußte Schultze in aller Kürze zu sagen. Was nun von der Sannah
-aus von der Oberfläche des Planeten gesehen wurde, war hochinteressant:
-er erschien als glatte Scheibe, durchaus nicht ohne Hügel und Berge,
-aber auch diese waren gleich glatten, wenig hervorragenden Halbkugeln,
-die keinen Schatten warfen, weil das Licht durch die spiegelnden Flächen
-tausendfach zurückgeworfen wurde und alles erleuchtete.
-
-Auch Pflanzenwuchs, ja Hochwälder waren zu sehen, aber Stämme, Zweige
-und Blätter glitzten und spiegelten dermaßen, daß sie auf größere
-Entfernung völlig in dem Meer von weißem Licht verschwanden.
-
-»Wenn da Tiere und Menschen leben,« meinte Schultze, »so sind sie
-jedenfalls ebensolche spiegelnde Wesen und diese Eigenschaft schützt sie
-dann wohl vor der schädlichen Einwirkung allzuhoher und allzuniedriger
-Temperaturen.«
-
-Rasch entfernte man sich von dem Planeten, der mit größerer
-Geschwindigkeit als alle andern seine Bahn um die Sonne durchläuft; die
-Sannah näherte sich wieder der Venusbahn, doch die Venus war fern: die
-Sonne stand zur Zeit zwischen ihr und dem Weltschiff.
-
-
-
-
- 55. Zurück zur Erde!
-
-
-Lord Flitmore stellte die Fliehkraft und Parallelkraft vollständig ab.
-
-Die Eigengeschwindigkeit der Sannah war noch so ungeheuer, daß die
-Anziehungskraft der nahen Sonne nicht genügte, um sie in ihrem Laufe
-aufzuhalten, noch weniger natürlich die Anziehungskraft Merkurs.
-
-Es war daher zu befürchten, daß das Weltschiff das irdische Sonnensystem
-wieder verlassen könnte; doch hoffte der Lord, dadurch, daß er alle
-Triebkräfte abstellte, so viel zu erreichen, daß die Anziehung durch die
-Sonne und das ganze Planetensystem die Fahrgeschwindigkeit derart hemme,
-daß sie bei Kreuzung der Erdbahn soweit verringert sein könnte, um ein
-Sinken der Sannah auf die Erde zu ermöglichen.
-
-Leider war dies jedoch nicht der Fall; auch war die Erde auf ihrer Bahn
-viel zu weit von der Stelle entfernt, wo unsre Freunde diese Bahn
-durchschnitten, um eine Einwirkung auf das Fahrzeug ausüben zu können.
-
-Erst die Nähe des Mars zeigte die gewünschte Wirkung: die Fahrt
-verlangsamte sich merklich.
-
-Dennoch ging es auch über die Marsbahn hinaus dem Jupiter zu.
-
-Als Flitmore merkte, daß nun die Eigengeschwindigkeit der Sannah so weit
-geschwächt war, daß dieser mächtigste der Planeten sie anzog, stellte er
-die Fliehkraft wieder ein mit dem Erfolg, daß das Weltschiff nun, von
-Jupiter abgestoßen, zurückgeschleudert wurde.
-
-Wieder ging es am Mars vorbei und auch hier wirkte die Fliehkraft in der
-Weise, daß die Sannah im Bogen an dem Planeten vorbeieilte und sich
-wieder der Erdbahn näherte. Diesmal trat auch der günstige Umstand ein,
-daß die Erde in Verfolgung ihrer Bahn auf die Stelle zueilte, an welcher
-unsre Freunde diese schneiden mußten.
-
-»Jetzt oder nie!« sagte Flitmore und unterbrach aufs neue den
-Zentrifugalstrom, damit die Erde womöglich das Weltschiff zu sich
-herabzwingen möchte.
-
-Heliastra betrachtete mit freudiger Neugier die im Sonnenglanze
-leuchtende Weltkugel, das Land ihrer Sehnsucht, ihrer erbarmenden Liebe.
-
-In schräger Richtung stürzte die Sannah abwärts, der heimatlichen Erde
-zu, und man konnte bereits mit bloßem Auge die Meere und Küsten, Gebirge
-und größeren Flüsse unterscheiden.
-
-Heinz begab sich mit seiner holden Gattin auf die Oberfläche des
-Fahrzeugs hinaus und sie sahen auf die Kugel hinab, die sich zu ihren
-Füßen ausdehnte. Um besser Ausschau halten zu können, stiegen sie, sich
-an der Rampe festhaltend, hinab und setzten sich in eine Art
-Beobachtungskorb, den Flitmore neuerdings für solche Zwecke neben dem
-Eingang zum Südpolzimmer angebracht hatte.
-
-»Was sind das für hohe Berge?« fragte Heliastra. »Und wie kommt es, daß
-ihre Gipfel so weiß erscheinen wie Milch und blitzen wie Diamanten?«
-
-»Das ist das Himalayagebirge, die höchste Bergkette unsrer Erde; seine
-Spitzen sind bedeckt mit ewigem Schnee und Eis, denn in solchen Höhen
-ist es bei uns sehr kalt, so daß das Wasser und die Niederschläge fest
-werden und diese dir unbekannten Kristalle bilden, die wir Eis und
-Schnee nennen.«
-
-»O, wie schön blau leuchten eure Meere!« rief Heliastra entzückt. »Ganz
-wie bei uns! Und wie wunderbar grün sind alle diese Länder. Habt ihr
-keine so schrecklichen Wüsten wie unser Planet?«
-
-»Wüsten haben wir auch; siehst du diese rötlichen und grauen Flecken
-rechts und links hinter den Gebirgszügen? Das sind die mongolische Wüste
-im großen Chinesischen Reich und die Steppen des Sirdarja im
-südwestlichen Sibirien. Und dort hinten in weiter Ferne könntest du die
-Eiswüsten der Nordpolarländer glitzern sehen, wenn wir uns auf der
-andern Seite befänden. Aber allerdings besteht euer Weltkörper, bis auf
-den paradiesischen mittleren Gürtel, aus einer einzigen öden, kahlen
-Felswüste, die ausgedehnter ist als die ganze Oberfläche unserer Erde.
-Darin haben wir doch etwas vor euch voraus, unsere Wüsten erstrecken
-sich auf verhältnismäßig kleine Gebiete.«
-
-»Da arbeitet ihr gewiß auch emsig an ihrer Fruchtbarmachung wie wir?«
-
-»Durch Erbohrung von Quellen wird allerdings einiges in dieser Richtung
-versucht, doch sind wir weit davon entfernt, so Gewaltiges zu leisten,
-wie deine Brüder dort oben.«
-
-Heliastra sah nach dem südlichen Himmel.
-
-»Ich sehe meine Heimat!« sagte sie. »Ein kleiner Stern. Ich sehe auch
-ihren Rosenmond, ein winziges Pünktchen! Wenn du meine Augen hättest,
-könntest du sie auch erblicken. Wie weit, wie weit sind wir von dort.
-Aber Gottes Welt umfaßt unsere Erde, die ihr Eden nanntet, wie die eure;
-es ist doch ein einziges großes Gottesreich und da reist man von einem
-Land zum andern.«
-
-»Hast du kein Heimweh?« fragte Heinz teilnahmvoll.
-
-»Heimweh bei dir?« frug das Elfenkind zurück, und lachend strahlten ihn
-die Blauaugen an. »Nein! Bei dir wird immer meine Heimat sein, und wie
-freue ich mich doch auf die Welt, wo ich soviel mehr tun kann in
-helfender und tröstender Liebe, als es in unserm schmerzlosen Lande
-möglich wäre.«
-
-»Du bist ein Engel!« rief Heinz und küßte die Anschmiegende beseligt.
-
-»Was ist dort für eine große Insel?« fragte die Holde nun wieder.
-
-»Das ist Australien,« erklärte ihr Gatte. »Siehst du, auch dort kannst
-du eine ausgedehnte Wüste erkennen; da wäre ich selbst einmal beinahe
-verdurstet und elend ums Leben gekommen, wenn mich nicht Gott im letzten
-Augenblick zum rettenden Wasser hätte gelangen lassen.«
-
-»Du Ärmster,« sagte Heliastra und ihre Augen leuchteten ihn an voll
-himmlischen Mitleids.
-
-»Und das große Land dort drüben ist Afrika,« fuhr Heinz fort. »Dort
-leben meine Brüder und meine Schwester Sannah. Aber schau, vor uns
-tauchen die Eisgebirge des Südpols auf! Wir kommen der Erde immer näher.
-Ich fürchte, wir landen im Eismeer!«
-
-Das war allerdings zu besorgen; denn dorthin führte ihr schräger Sturz
-die Sannah.
-
-»Herein!« rief Flitmore durch die Lucke den beiden zu. »Der Aufenthalt
-dort draußen wird gefährlich. Ich muß von jetzt ab abwechselnd meinen
-Fliehstrom ein- und ausschalten, auch mit der Parallelkraft arbeiten,
-damit wir uns einen günstigen Landungsplatz aussuchen können, und da
-könntet ihr einmal aus eurem Mastkorb geschleudert werden.«
-
-Gehorsam begab sich das junge Ehepaar hinein ins Südpolzimmer und die
-Lucke wurde geschlossen.
-
-Auf der Erde wurde es Abend. Die Heimkehrenden nahmen eine letzte
-Nachtmahlzeit in der Sannah zu sich, dann beorderte sie Flitmore zur
-Ruhe.
-
-Er selber wollte diese Nacht wachen und die Landung bei günstiger
-Gelegenheit bewerkstelligen. Er hatte dabei einen besonderen Plan, eine
-Überraschung für alle; wie er hoffte, eine freudige Überraschung auch
-für andere Erdenwesen, die ihm lieb waren.
-
-
-
-
- 56. Sannah.
-
-
-In der Stille der Nacht lenkte der Lord sein getreues Weltschiff in
-rascher Fahrt über Flüsse, Gebirge und Seen. Der Vollmond beleuchtete
-die Landschaft und Flitmore kannte sich darin aus.
-
-Endlich hatte er seinen Landungsplatz gefunden und die Sannah senkte
-sich auf eine grüne Wiese herab.
-
-Der Engländer sah auf die Uhr.
-
-»Noch vier Stunden bis Sonnenaufgang,« murmelte er. »So will ich denn
-auch noch einen Schlaf tun, um recht frisch zu sein, wenn uns ein
-schöner Morgen aufleuchtet.«
-
-Er weckte John. »Halte du diese Nacht vollends Wache. Wir befinden uns
-bereits auf festem Erdboden und es wird nichts vorkommen. Sobald die
-Sonne aufgeht, weckst du zuerst mich, dann die andern.« So sprechend
-legte er sich zur Ruhe.
-
-John öffnete die Lucke des Südpolzimmers und sah hinaus. Er war doch
-neugierig, wo man sich befand. Seinen Herrn hatte er nicht fragen mögen,
-da dieser von selber nichts gesagt hatte.
-
-Was war das für eine Landschaft? Merkwürdig bekannt kam sie Rieger vor.
-Aber England war das nicht, noch weniger Deutschland; es konnte nichts
-andres als Afrika sein!
-
-Da wiegten schlanke Palmen ihre Wedel in der Vollmondnacht, dort
-dämmerten dichte Bananenhaine und nicht ferne glitzerte der Spiegel
-eines Sees, an dessen linkem Ufer im Osten eine Hochgebirgslandschaft
-aufragte.
-
-»Das ist sozusagen nichts andres als der Albert-Edward-Njansa,« sprach
-John zu sich selbst, »und dieses Dach in der Nähe zwischen den
-Baumwipfeln dürfte die Farm des alten Herrn Piet Rijn sein. Nein! Das
-wäre sozusagen eine Überraschung für meine Lady Mietje und auch für den
-Herrn Professor und dann erst für die Familie des Herrn Rijn und
-Fräulein Helene -- ach nein! Frau Rijn muß man ja jetzt sagen, Frau
-Hendrik Rijn! Und für ihren Herrn Gemahl, den lieben Herrn Hendrik! Wenn
-das wäre! Und die tapfere Zwergprinzessin ist ja wohl auch bei ihnen.
-Nein! Wie ich mich freuen würde, die kleine schöne Tipekitanga wieder
-einmal zu sehen!«
-
-Er mußte sich überzeugen und begab sich in das nächste Gemach, das jetzt
-nordwärts schaute. Richtig! Da ragte die Gletscherkuppe des Ruwenzori
-gewaltig empor und glänzte im Mondlicht.
-
-Kein Zweifel! Man befand sich unmittelbar in der Besitzung des Buren
-Piet Rijn an den Ufern des Albert-Edward-Sees! John lächelte vor sich
-hin; das war ein feiner Gedanke seines Herrn, seinen Schwiegervater
-aufzusuchen.
-
-In der Farm Piet Rijns regte es sich zu derselben Zeit. Eine junge
-blühende Frau hatte sich von ihrem Lager erhoben und schaute zum Fenster
-hinaus.
-
-Sie rieb sich die Augen: was war das für eine ungeheure Kugel, die über
-die Baumwipfel im Osten emporragte? Wie glitzerte die gewölbte
-Oberfläche im Mondschein?
-
-Die junge Dame war Sannah, die Tochter des Farmers Piet Rijn, die zur
-Zeit mit ihrem Gemahl, Doktor Otto Leusohn, einem deutschen Arzt, der
-sich in Ostafrika niedergelassen hatte, zu Besuch auf der väterlichen
-Farm weilte.
-
-Sie huschte an das Bett ihres Gatten und weckte ihn mit einem Kuß.
-
-»Otto,« sagte sie, »ich hatte einen so merkwürdigen Traum, als ob eine
-große, große Kugel durch die Luft daherkäme, und, denke dir, wer
-herausstieg?«
-
-»Nun?«
-
-»Meine Schwester Mietje und unser Schwager Charles Flitmore!«
-
-»Ein schöner Traum in der Tat,« sagte Leusohn lachend, da er gleich
-völlig munter geworden war, wie es sich für einen Arzt ziemt. »Und nun
-glaubst du wohl, er werde sich noch diese Nacht erfüllen?«
-
-»Ich weiß nicht! Aber wie ich zum Fenster hinausschaue, sehe ich die
-Kugel meines Traumes über die Baumwipfel ragen.«
-
-»Das wäre!« rief Leusohn erstaunt und sprang aus dem Bett. Ein Blick
-durch das Fenster überzeugte ihn, daß da allerdings etwas Fremdes und
-Merkwürdiges ganz in der Nähe lagerte.
-
-»Wollen wir hingehen und sehen, was es ist?« fragte Sannah.
-
-»Ich bin dabei!« erwiderte ihr Mann.
-
-Während seine junge Frau sich eiligst ankleidete, klopfte er an die
-dünne Bretterwand, die das Schlafgemach vom Nachbarzimmer trennte.
-
-»Was ist los?« fragte dort eine schlaftrunkene Stimme.
-
-»Ich weiß nicht,« antwortete Leusohn; »aber jedenfalls hat sich etwas
-ganz Seltsames zugetragen. Sannah und ich wollen der Sache auf den Grund
-gehen, willst du uns nicht begleiten, Hendrik.«
-
-»Selbstverständlich!« rief dieser zurück. »Ich mache mich gleich
-fertig.«
-
-»Und ich gehe natürlich auch mit euch,« rief eine helle Frauenstimme aus
-dem Nebengemach. Das war Leusohns Schwester Helene, die Gemahlin Hendrik
-Rijns.
-
-Als Hendrik und Helene vollständig angekleidet waren und ihr
-Schlafzimmer verließen, kam ihnen im Vorgemach eine schlanke
-Mädchengestalt entgegen.
-
-Es war eine auffallend hübsche, wohlgewachsene kleine Negerin von
-lichter Hautfarbe und mit prächtigen blitzenden Augen. In Wahrheit war
-sie kein kleines Mädchen mehr, wie es auf den ersten Blick scheinen
-mochte, sondern eine ausgewachsene Dame, aber aus dem Geschlecht der
-Zwerge. Trotz ihrer vornehmen Geburt, denn sie war eine königliche
-Prinzessin, diente sie Helene als getreue Kammerzofe und Mädchen für
-alles, namentlich auch als Begleiterin auf Jagdausflügen; gab es doch
-keine so treffliche Jägerin mehr in ganz Afrika wie das liebliche
-Zwergfräulein.
-
-»Ihr wollt in die Nacht hinaus?« fragte die Kleine. »Tipekitanga wird
-mit euch gehen.«
-
-»Das ist recht, du treue Seele,« lobte Helene Rijn und streichelte ihr
-die zarte Wange.
-
-Jetzt erschien auch Doktor Leusohn mit seiner Gattin, die von ihrer
-Dienerin Amina, einer auffallend hübschen Somalinegerin, begleitet
-wurde.
-
-Sannah begrüßte ihren Bruder Hendrik und ihre Schwägerin Helene mit
-einem Kuß; auch Otto Leusohn küßte seine liebe Schwester und seinen
-Schwager herzlich, dann erzählte er den Traum seiner Frau und die
-wunderbare Erscheinung, die man vom Fenster aus beobachten konnte.
-
-Währenddessen hatten sie sich schon ins Freie begeben und eilten in der
-Richtung dahin, in der man zu der rätselhaften Kugel gelangen mußte.
-
-Als sie aus dem Ölpalmenwäldchen hinaustraten auf die freie Grassteppe,
-standen sie staunend still; vor ihnen ragte der dunkle Koloß, eine
-ungeheure schwarze Kugel. Der Mond war untergegangen und so sah die
-dunkle Masse finster und drohend aus, als könnte sie im nächsten
-Augenblick daherrollen und die Menschlein zu ihren Füßen zermalmen.
-
-»Die Kugel meines Traumes!« rief Sannah.
-
-»Deinem Traume nach müßte sich aber Mietje in ihrem Innern befinden,«
-sagte Leusohn.
-
-»Da oben schaut ja ein Mann heraus,« rief nun Helene.
-
-Die dunkle Gestalt, die sich aus einer Lucke der Sphäre herausbeugte,
-ließ nun auch ihre Stimme vernehmen:
-
-»Wenn ich mir gestatten darf, Sie an Ihrer mir immer noch wohlbekannter
-Weise in lieblichster Erinnerung befindlichen Stimme erkennen zu dürfen
-und Sie mir dieses nicht für übel aufzunehmen belieben, so wären ja
-dieses Sie, Fräulein Helene oder vielmehr, weil ich mich darin immer
-wieder verspreche, Frau Rijn und Herr Hendrik, sowie Fräulein Sannah
-oder sozusagen jetzt Frau Doktor Leusohn mit ihrem wertesten Herrn
-Gemahl?«
-
-Helene lachte hell auf. »Nein! Solche Redensarten führt kein Mensch auf
-der Welt,« sagte sie, »als einzig und allein Johann Rieger, Lord
-Flitmores edler Diener.«
-
-»Oho!« rief Leusohn. »Dann hast du doch wohl einen prophetischen Traum
-gehabt, liebe Sannah! Wenn John da Auslug hält, dann dürften Schwager
-Charles und Mietje auch nicht ferne sein.«
-
-»Nein, diese Freude!« jubelte John. »Aber entschuldigen Sie, wenn ich
-meine bescheidene Persönlichkeit für einen Augenblick zurückzuziehen in
-die Lage mich versetzt fühlen muß, indem daß die Sonne bereits ihren
-Aufgang hält, wo ich verpflichtet bin, meinen gnädigen Lord zu wecken.«
-
-John verschwand und drunten plauderten die jungen Menschen ganz
-aufgeregt und glücklich durcheinander: was war das für ein wunderbarer
-Bau, und wie konnte Flitmore mit ihm von England nach Afrika reisen?
-Aber die Hauptsache war: er war gekommen und Mietje mit ihm, ein
-unerwarteter und gar so lieber Besuch!
-
-Zehn Minuten später beleuchtete schon die aufgehende Sonne das
-Weltschiff, als Flitmore und Mietje in der Lucke erschienen.
-
-»Hurrah!« rief Leusohn: »Da sind sie ja!«
-
-»Hurrah!« antwortete der Lord: »Und ihr habt uns entdeckt? Willkommen,
-Schwager Otto, willkommen, Schwager Hendrik! Willkommen, meine lieben
-Schwägerinnen Helene und Sannah: die große Sannah kam, euch zu grüßen.«
-
-»Nein, daß ihr auch gerade hier seid, Sannah und Otto!« jubelte Mietje
-herab: »Das ist gar zu schön! Und da ist ja auch unsre Zwergprinzessin
-und die treue Amina!«
-
-»Jambo, jambo!« riefen die beiden Negermädchen frohlockend hinauf.
-
-Inzwischen hatte John die Strickleiter befestigt und der Lord und seine
-Gattin beeilten sich hinabzusteigen. Gleich hinter ihnen erschien
-Professor Schultze.
-
-Mietje und Sannah flogen einander in die Arme; Flitmore küßte herzlich
-seine Schwäger und Schwägerinnen und sogar die kleine Zwergprinzessin,
-die solcher Ehre wohl wert war. Ebenso innig begrüßte Lady Flitmore, als
-sie sich aus der Schwester Armen herausgefunden, ihren Bruder Hendrik
-und dessen Gattin, sowie den Doktor, ihren Schwager, und alsdann
-Tipekitanga und Amina.
-
-Inzwischen hatte auch der Professor sich der Gruppe genähert und wurde
-mit kräftigem Händeschütteln von den alten lieben Bekannten begrüßt, mit
-denen er einst auf afrikanischem Boden so manches Abenteuer erlebt
-hatte.
-
-Heinz und Heliastra waren mittlerweile ebenfalls der Sannah entstiegen.
-
-Sie waren hier noch unbekannt und blieben etwas abseits stehen; doch
-wurden sie bald bemerkt und hohes Staunen erfüllte Hendrik und Leusohn
-und deren Gattinnen, als sie die wunderliebliche Gestalt und das in
-überirdischer Schönheit strahlende Gesicht des fremden Mädchens
-erschauten.
-
-Sie verstummten und fühlten sich von einem seltsamen Zauber gefangen
-genommen, der von dem engelgleichen Wesen ausging, das von einem
-schneeweißen, zarten Gewebe umflossen vor ihnen stand. Sie bewunderten
-diese blendende Erscheinung mit wahrer Andacht und frommer Scheu: sie
-erschien wie ein Geschöpf aus einer andern vollkommeneren Welt, denn wie
-konnte die Erde solche himmlische Reize hervorbringen? Und sie hatten
-recht mit dieser Ahnung: Heliastra kam ja wirklich aus höheren Sphären.
-
-Aber neben diesem Gefühl ehrfürchtiger Bewunderung wallte zugleich in
-aller Herzen eine beseligende Liebe zu der Fremden auf: sie fühlten sich
-ganz wunderbar zu ihr hingezogen. Die Reinheit, Milde und herzgewinnende
-Freundlichkeit, die aus diesem lieblichen, rosenschimmernden Antlitz
-lachte, vor allem aber aus den großen Augen, deren zartes Blau auf Erden
-nicht seinesgleichen hatte, mußten ja alle Seelen gefangen nehmen.
-
-Heliastra ihrerseits schaute mit liebendem Wohlgefallen auf die Gruppe,
-ihr Herzchen klopfte vor freudiger Aufregung und wogte besonders ihren
-neuen irdischen Schwestern entgegen. Wie schön und wie lieb sahen sie
-aus, wenn sie auch nicht so ätherisch waren wie Glessiblora und die
-andern Mädchen Edens! Selbst ihre dunkelfarbigen Erdenschwestern, die
-feingliederige Tipekitanga und die rundliche Amina kamen ihr reizend
-vor.
-
-»Wer ist dies himmlische Geschöpf?« stammelte endlich Sannah mit
-fliegenden Pulsen.
-
-»In Wahrheit ein himmlisches Geschöpf!« sagte Mietje: »Denn wir haben
-sie aus der himmlischen Welt der Fixsterne geholt. Und wie lieb und edel
-sie ist, werdet ihr bald selber erfahren.«
-
-»Aus der himmlischen Welt der Fixsterne?« rief Helene ratlos. Was
-sollten diese rätselhaften Worte bedeuten? Und doch! sie fühlte, daß ein
-überirdisches Geheimnis allein der Wahrheit entsprechen konnte; denn daß
-auf ein irdisches Wesen eine solche Anmut ausgegossen sein könnte,
-schien ihr je länger je mehr völlig undenkbar.
-
-»Es ist so,« bestätigte der Lord: »Heliastra ist ein Gast aus den
-himmelweiten Fernen der Fixsternwelt. Wie das alles zusammenhängt,
-werden wir euch hernach erklären. Nun aber will sie unsre arme Erde als
-ihre Heimat betrachten: eine edle Sehnsucht zog sie zu uns herab und die
-Liebe ihres Herzens zu unserm edlen Freund Heinz Friedung, der ein Los
-gezogen hat, wie es noch keinem Sterblichen zuteil wurde, außer etwa
-mir, der ich eine Mietje Rijn zur Gattin gewann.«
-
-»Frevler!« rief Lady Flitmore und legte ihre kleine Hand auf des Lords
-Mund: »Wie kannst du es wagen, mich mit einer Heliastra zu vergleichen!«
-
-»Das ist Heinz Friedung, der mit Ihnen Australien bereiste?« wandte sich
-nun Doktor Leusohn an Schultze.
-
-»Gewiß! Eine Seele von einem Menschen und ein Held! Niemand hätte ich
-ein solch goldenes Glück so freudig gegönnt, wie gerade ihm.«
-
-»Herzlich willkommen!« rief Leusohn und umarmte den jungen Mann, der ihm
-aus des Professors Briefen längst bekannt und lieb war; ebenso stürmisch
-begrüßte Hendrik den neuen Freund, worauf auch Sannah und Helene ihm die
-Hand schüttelten.
-
-Dann eilten die jungen Frauen auf Heliastra zu; doch hielt sie immer
-noch eine andächtige Scheu zurück, der Holden eine Zärtlichkeit zu
-erweisen, zu der sie ihr Herz trieb. Sie fühlten sich unwürdig so hoher
-Gunst und streckten ihr zaghaft die Hand entgegen.
-
-Heliastra aber schlang lächelnd ihre Elfenarme nach einander um Sannahs
-und Helenes Hals und drückte warm ihre feinen Rosenlippen auf ihren
-Mund. »Seid ihr nicht meine lieben Schwestern?« fragte sie dann
-errötend.
-
-»Wenn wir es sein dürfen, mit Stolz und Freude!« erwiderte Helene und
-Sannah fügte hinzu: »Ich glaube, ich werde niemand so lieb haben können,
-wie dich, ausgenommen natürlich meinen lieben Mann.«
-
-»Ja, mein lieber Heinz geht auch bei mir allen andern vor,« sagte
-Heliastra mit einem zärtlichen Blick auf ihren Gatten: »Aber dann sollt
-gleich ihr kommen. O, ich habe so viel Liebe, es reicht für euch und die
-ganze Welt!«
-
-Das ganze Gespräch wurde auf deutsch geführt, das Heliastra bereits
-fließend sprach, und das aus ihrem Munde wie himmlische Musik und
-Glockengeläute klang.
-
-Dann ging sie leichtfüßig auf Tipekitanga und Amina zu, die scheu
-bewundernd beiseite standen, umarmte und küßte auch sie und sprach: »Ihr
-seid doch auch meine lieben Schwestern von der Erde?«
-
-Amina war ganz stumm vor Glück und großer Verlegenheit, zugleich aber
-hob sich ihr Herz in seligem Stolz.
-
-Tipekitanga aber sah die himmlische Schwester mit einem strahlenden
-Blicke an und flüsterte nur: »O, liebe, liebe Herrin!«
-
-Hierauf reichte Heliastra Hendrik und Leusohn das durchsichtige Händchen
-mit warmer Herzlichkeit; die Männer aber wagten nicht, fest zuzugreifen,
-so zart erschien ihnen diese Elfenhand, auf die sie einen ehrerbietigen
-Kuß drückten.
-
-Da aber plötzlich wurde es in der Höhe laut und der Zauberbann, den
-Heliastras Erscheinung ausübte, wurde für eine Weile gebrochen.
-
-»O, schnöde Erde! O, jämmerliche, erbärmliche Menschheit!« grollte es
-herab. »Also da sind wir wieder gelandet auf dem armseligsten aller
-Planeten? Und da unten begrüßen sie sich und kein Mensch denkt an mich,
-Kapitän Hugo von Münchhausen, den berühmten Abu Baten, Pascha seiner
-Königlichen Hoheit des Khedive von Ägypten! Mich, mich lassen sie die
-Begrüßungsszene verschlafen! Mich, die gewichtigste Persönlichkeit von
-allen, behandeln sie als eine zu vernachlässigende Größe? Komm,
-Heliastra, du Engelskind aus einer bessern Welt! Laß uns mit einander
-diesen undankbaren Erdboden wieder verlassen und zurückkehren in die
-seligen Sphären!«
-
-»Halloh! Münchhausen, unser herrlicher Kapitän, der schreckliche Abu
-Baten!« rief es unten durcheinander.
-
-Dieser stürmische Jubel versöhnte den zürnenden Koloß und er turnte mit
-erheiternder Gewandtheit die Strickleiter herab.
-
-Als er keuchend den Erdboden erreichte, umringten ihn die Freunde und
-Freundinnen und grüßten ihn mit solch herzlicher Freude, daß er
-erklärte: »Na Kinder! Wenn ihr mich denn doch so gern habt, so will ich
-mich, wenn auch schweren Herzens, entschließen, wieder diesen heillosen
-Planeten zu bevölkern!«
-
-Nun erst kam auch der bescheidene John herab, gefolgt von den
-Schimpansen Dick und Bobs, und auch er wurde aufs freundlichste
-willkommen geheißen.
-
-»Ah! Da steht ja auch unsre herrliche Zwergprinzessin!« rief
-Münchhausen: »Komm an mein Herz, liebes Mädchen, fliege in meine Arme,
-reizende Tipekitanga! Dein alter Onkel sehnt sich danach, dich an seine
-treue Brust zu drücken!«
-
-»Halt, halt!« lachte Leusohn, als der Kapitän wirklich Miene machte, die
-zarte Gestalt zu umarmen: »Sie würden ja unsre kleine Heldin erdrücken
-und erwürgen. Für solch zerbrechliche Wesen sind Ihre Liebkosungen denn
-doch zu gefährlich.«
-
-»Sie haben recht, wie immer, weiser Doktor,« sagte Münchhausen und ließ
-die Arme wieder sinken. »Na, dann gib mir dein Patschhändchen,
-vortrefflichstes aller Prinzeßchen!« Und er drückte ihr vorsichtig die
-kleine Hand.
-
-Nun erschien auf einmal Piet Rijn, der greise Bure, auf der Bildfläche,
-gefolgt von seinen übrigen Söhnen Frans, Klaas und Danie.
-
-Frans hatte von der Farm aus das Weltschiff in der Morgensonne strahlen
-sehen, und da bald bemerkt wurde, daß Hendrik und Leusohn mit ihren
-Frauen und deren Dienerinnen ausgeflogen waren, beschloß der würdige
-Alte, nachzusehen, was dort drüben los sei.
-
-Hocherfreut umarmte er seine Tochter Mietje und seinen Schwiegersohn,
-den Lord, begrüßte herzlich den Professor und ebenso Heinz und
-Münchhausen, die Flitmore ihm vorstellte. Von letzterem besonders hatte
-er ja durch seine Söhne, sowie Sannah, Helene und Leusohn des Rühmlichen
-genug erfahren. Ebenso freudig bewegt begrüßten die Brüder Mietje, den
-Lord und dessen Gefährten. Auch John wurde nicht vergessen.
-
-Mit hoher Bewunderung wurde auch die Perle der Gesellschaft, Heliastra,
-willkommen geheißen, dann begab man sich gemeinsam nach dem Wohnhause
-der Familie Rijn.
-
-Unterwegs schimpfte Münchhausen: »Nein, es ist doch ein wahres Elend auf
-dieser Erde! Wie leichtfüßig war ich doch auf dem Planeten Eden! Ach!
-Wenn ich an dieses Hüpfen und Schweben denke! Und jetzt? Eine Schinderei
-ist es, solch einen stattlichen Leib, wie ich ihn besitze, schwerfällig
-über den Erdboden zu schleppen!«
-
-Auch Heliastra hatte bemerkt, daß es sich auf Erden nicht so leicht
-wandelte, wie in ihrer heimischen Welt. Sie machte einen Versuch, sich
-wie dort in die Lüfte zu erheben, aber damit war es hier nichts! Mit
-einer leisen, bedauernden Enttäuschung in der Stimme sagte sie zu ihrem
-Gatten: »Heinz, hier kann ich nicht mehr fliegen!«
-
-»Wenn nur unsere Seelen fliegen!« erwiderte er tröstend.
-
-Doch Heliastras heiteres Gemüt überwand rasch die Enttäuschung. Zu was
-wollte sie fliegen, wenn es ihrem Heinz doch versagt war? Und sie
-schwebte so leichtfüßig über den Erdboden, dahin, wie kein Menschenkind
-es vermochte.
-
-»Wie eine Elfe!« dachte Sannah.
-
-Helene und Sannah eilten nun voraus in die Farm, um mit Aminas und
-Tipekitangas Hilfe einen tüchtigen Morgenimbiß zu bereiten, zu dem John
-noch Früchte und Konserven von Eden aus der Sannah holen mußte, die
-hohes Staunen erregten und den unkundigen Erdenkindern einen nie
-geahnten Genuß bereiteten.
-
-Inzwischen wurde lebhaft geplaudert und zunächst in aller Kürze von der
-wundersamen Weltfahrt berichtet.
-
-Wie ein Märchen klangen diese Berichte, und Leusohn meinte: »Wenn uns
-Kapitän Münchhausen das alles erzählte, so wüßte ich ja, wo ich daran
-bin; so aber kenne ich mich wahrhaftig nicht mehr aus! Und das alles
-soll wirkliche, selbsterlebte Wahrheit sein und kein wunderbarer Traum?«
-
-»Hast du schon solche Früchte und Baumzweige gesehen und gekostet?«
-fragte Helene ihren zweifelnden Bruder. »Gibt es Milch und Honig, Butter
-und Fruchtsäfte auf der weiten Erde, wie diese paradiesischen Genüsse,
-die uns aus einer fernen Welt gebracht und aufgetischt worden sind?«
-
-»Und vor allem,« fügte Sannah hinzu, als ihr Gatte seiner Schwester
-daraufhin nichts zu erwidern wußte, »ist dieses engelgleiche Wesen,
-Heliastra, nicht ein augenscheinlicher Beweis für die Wahrheit alles
-dessen, was unsere staunenden Ohren vernehmen?«
-
-»Ihr habt recht, meine Lieben,« gab nun der Doktor zu, »und wenn ich
-mich überzeugt habe, daß ich das alles nicht selber träume, dann muß ich
-es ja schließlich glauben. In der Tat zweifle ich lebhaft, ob nicht
-selbst unseres Kapitäns großartige Phantasie zu schwach wäre, solche
-Wunder auszudenken.«
-
-»Oho!« verwahrte sich Münchhausen. »Warten Sie ab, bis _ich_ zu erzählen
-beginne, etwa von den sechsbeinigen Marsmenschen und dergleichen!«
-
-»Und mir zu Ehren hast du dein märchenhaftes Fahrzeug »Sannah«
-geheißen?« fragte Leusohns Gattin ihren Schwager Flitmore.
-
-»Gewiß! Und sie hat dir Ehre gemacht; sie hat sich treu und zuverlässig
-erwiesen,« lautete die Antwort.
-
-Tipekitanga aber strahlte vor Stolz und Glück, als sie erfuhr, daß auch
-sie einer so außerordentlichen Ehrung gewürdigt worden war, und daß ein
-kleiner, aber an Wundern und zauberischen Reizen reicher Weltkörper
-ihren Namen erhalten hatte. Ebenso stolz war Amina, daß ein Komet nach
-ihr benannt worden war.
-
-Mehrere Wochen blieben unsere Freunde auf Piet Rijns Farm, glücklich
-inmitten ihrer Lieben, dann nahmen sie Abschied, doch nicht auf immer.
-
-Sie bestiegen noch einmal die Sannah; Münchhausen wurde in Adelaide
-abgesetzt; Professor Schultze, Heinz und Heliastra verließen endgültig
-das Weltschiff, als es Berlin erreichte.
-
-Kurz darauf landete Lord Flitmore mit Mietje und John nebst den treuen
-Schimpansen vor seinem Schloß in England, um zunächst hier zu verweilen,
-später aber die Sannah zu einer neuen Weltfahrt praktischer auszurüsten
-unter Benutzung aller Erfahrungen, die auf ihrer ersten Reise gemacht
-worden waren, die er nur als eine Probefahrt ansah.
-
-Ein nochmaliger Besuch des Planeten Eden war für den Lord und Mietje vor
-allem eine ausgemachte Sache; dies waren sie schon Heinz und Heliastra
-schuldig, denen sie versprochen hatten, sie in ein paar Jahren dorthin
-mitzunehmen, damit die Tochter Edens ihren Eltern und Geschwistern
-berichten könne von dem segensreichen Wirken ihrer erbarmenden Liebe auf
-der fernen Erdenwelt.
-
-Im übrigen war Lord Flitmore entschlossen, noch mehrere Weltschiffe nach
-dem Muster der Sannah zu bauen, um einen regen Verkehr der Erde mit den
-Planeten und der Fixsternwelt anzubahnen.
-
-Bei der nächsten Reise würde also vermutlich gleich eine wohlbemannte
-Flotte von der Erde in den Weltraum sich erheben, und das schönste und
-am vollkommensten ausgestattete dieser Weltschiffe sollte auch den
-schönsten und würdigsten Namen tragen, den Namen »_Heliastra_«.
-
-
-
-
- Nachweise.
-
-
-Als Quellen für die astronomischen Tatsachen, die in die Erzählung
-verflochten sind, dienten mir hauptsächlich:
-
-1. Einige Artikel aus Zeitungen und wissenschaftlichen Zeitschriften.
-
-2. Carl Snyder. »Die Weltmaschine«. Erster Teil: Der Mechanismus des
-Weltalls. Autoris. deutsche Übersetzung von Dr. Hans Kleinpeter. Leipzig
-1908. J. A. Barth. 451 S.
-
-3. Dr. Hermann J. Klein. Kosmologische Briefe über die Vergangenheit,
-Gegenwart und Zukunft des Weltbaues. Für Gebildete. 3. Aufl. 1891.
-Leipzig. Ed. H. Mayer. 308 S.
-
-4. Prof. Dr. Walter F. Wislicenus. Prof. an der Universität Straßburg.
-Astrophysik. 2. Aufl. Leipzig. G. J. Göschen. 1903. 152 S.
-
-5. A. F. Möbius. Astronomie. 8. Aufl. bearbeitet von Prof. H. Cranz.
-Stuttg. G. J. Göschen. 1894. 148 S.
-
-6. Prof. Dr. Zech. Himmel und Erde. Eine gemeinfaßliche Beschreibung des
-Weltalls. München. R. Oldenbourg. 1870. 293 S.
-
-7. Dr. M. Wilh. Meyer. Sonne und Sterne. Stuttgart. Kosmos, Franckh.
-1907. 106 S.
-
-8. Hermann J. Klein. Das Sonnensystem. 2. Aufl. Braunschweig. Vieweg.
-1871. Bd. I 351 S. Bd. II 371 S.
-
-9. J. J. von Littrow. Die Wunder des Himmels. 5. Aufl. Stuttg. Gustav
-Weise. 1866. 1024 S.
-
-10. Camille Flammarion. Urania. Übers. v. Karl Wenzel. Pforzheim. O.
-Riecker. 1894. 234 S.
-
- * * * * *
-
-In folgendem bezeichne ich der Kürze halber Quelle 2 mit Sn. (Snyder), 3
-mit K. B. (Kosmologische Briefe), 4 mit W. (Wislicenus), 5 mit M.
-(Möbius), 6 mit Z. (Zech), 7 mit Me. (Meyer), 8 mit K. (Klein), 9 mit L.
-(Littrow), 10 mit F. (Flammarion).
-
-Kapitel 4. Geschwindigkeit des Lichts Sn. 29. 273. 275-76. Me. 87. Z.
-46. M. 89-92 usw.
-
-Kapitel 5. Anziehungskraft, Schwerkraft, Gravitation M. 94-100. L.
-677-700. Z. 140-144. Sn. 243-251. Erdbewegungen Sn. 224, 277, 307-308.
-F. 191-195. Höhe der Atmosphäre M. 28. Absoluter Nullpunkt (-273°) K. B.
-225. Große Inversion: »Daheim« Nr. 9, Jahrg. 1909 (28. Nov. 1908)
-Sammlerdaheim. Kälte im Weltraum K. B. 224-225.[1] Theorie über die
-Gravitation aus Anziehung und Abstoßung, über die Erfüllung des
-Weltraums mit verdünnter Luft und über die Strahlung -- vom Verfasser
-aufgestellt.
-
-[Fußnote 1: »Zur Guten Stunde« 1909, Heft 21, S. 500-502. (Felix Linke:
-»Vom Luftmeer der Erde.«)]
-
-Kapitel 6. Lufthülle des Monds L. 464-465. W. 87-88.
-Dämmerungserscheinungen K. B. 214 (Tyndall), 213-219. Sterne vor der
-Mondscheibe L. 465. Wasserlosigkeit K. I 122-123. L. 464-465.
-Allgemeines über den Mond und seine Ringgebirge K. I. 100-134. W.
-63-105. L. 450-483. K. B. 197-235. Z. 167-183. M. 53-68. Gebirge bis zu
-10000 Meter Z. 171. Veränderungen (Krater Linné und Messier) K. I
-119-120. K. B. 204-206. 209-212. W. 94. Strahlenerscheinungen W. 81-82.
-Rillen W. 80-81. Neubildungen W. 96-97. Farben und Pflanzenwuchs K. B.
-216-223. 225. W. 97-98. Libration Z. 172. L. 468. Entfernung des Mondes
-von der Erde Sn. 29. 337 usw. Rückseite des Mondes L. 457-458.
-
-Kapitel 8. Richtige Begriffe über die Erde und die Planeten im Altertum
-Sn. 61. Aristarch Sn. 86-90. 107. Bion Sn. 66-69. Apollonius von Pergä
-Sn. 90-91. Hipparch Sn. 90-91. Pythagoras Sn. 99. Eratosthenes Sn.
-74-78. Archimedes Sn. 120-122. Strabo Sn. 78-79. Posidonius Sn. 92-94.
-Demokrit Sn. 126-138. Cheopspyramide Sn. 70. Kopernikus Sn. 163. L.
-164-168. Giordano Bruno Sn. 176. Möglichkeit der Unrichtigkeit des
-Kopernikanischen Systems Sn. 161 (Anmerkg. des Herausgebers). Keppler
-und seine Gesetze Sn. 180-184. L. 179-202. M. 79-80. Galilei Sn.
-190-202. Newton Sn. 245. 249 (243-251). M. 94-100. L. 677-700. Z.
-140-144. Cassini Sn. 221-223. Römer und Leverrier Sn. 223. Herschel Sn.
-307-311. 290-291. Laplace Sn. 283-288. Bessel Sn. 318-319.
-
-Kapitel 9. Nichtexistenz der Marskanäle entdeckt von Prof. Hale (amerik.
-Astronom). Sitzung der engl. Astron. Gesellsch. Staats-Anz. f. Württ.,
-Nr. 2, 4. Jan. 1910. Deutsche Reichspost, Nr. 3, 5. Jan. 1910. »Wie es
-auf dem Mars aussieht« (Bewohnbarkeit) nach Prof. Edward S. Morse im
-»World Magazine« (Das Neue Blatt, Berlin, 1906, Nr. 52, S. 822).
-Entfernung des Mars Sn. 337. Mars K. B. 249-263 (Atmosph., Umlaufzeit,
-Halbmesser, Dichtigkeit, Rotation, Jahreszeiten, Schneefälle, Bewölkung,
-rote Farbe, Kanäle und ihre Veränderungen). W. 119-127. Z. 154-155. M.
-108-110. K. I. 135-140. L. 150. 384-388.
-
-Kapitel 10. Tage und Jahreszeiten auf dem Mars K. B. 250-251.
-
-Kapitel 11. Riesige Regenwürmer der Vorwelt sind sehr wahrscheinlich.
-Heute noch finden sich auf der Insel Kwidscheri im Kiwusee Regenwürmer
-von mehr als 40 cm Länge und reichlich Daumendicke (^Benhamia spec.^).
-Siehe: Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg: »Ins innerste Afrika«, S.
-184-185.
-
-Kapitel 14. Marsmonde M. 93-94 usw.
-
-Kapitel 15. Sternschnuppen und Meteore K. B. 149-180. W. 139-140. Z.
-93-106. M. 125-130. K. I. 246-249. L. 706-709. Kometenähnliche Bahnen
-der Meteorschwärme Sn. 256. Auflösung des Bielakometen Sn. 266 (siehe
-auch Kapitel 18). Meteoriten innen kalt bei geschmolzener Oberfläche Sn.
-421. K. B. 149-151. Boliden und Feuerkugeln K. B. 154. Meteore scheinen
-aufgelöste Kometen K. B. 168. Meteoriten können vom Monde stammen,
-Sternschnuppen nur von Kometen K. B. 175-178. Stoffe der Meteore K. B.
-178-180. Geschichtliche Meteorfälle K. I. 263-344. Peary raubt den
-Eskimos ihre Meteoreisensteine. General-Anzeiger Pforzheim, 22. Febr.
-1910, Nr. 44. Unterhaltungsbeilage zur Deutschen Reichspost, 2. März
-1910, Nr. 50. Diamanten in Meteorsteinen. General-Anzeiger Pforzheim,
-22. Febr. 1910, Nr. 44. Meteoritenregen in Mugello. Deutsche Reichspost,
-7. Febr. 1910, Nr. 30.
-
-Kapitel 16. Asteroïden oder Planetoïden Z. 156-160. M. 82-87. K. I.
-141-154. L. 388-412. K. B. 264-266. W. 111-113. Sn. 292-295. Lufthülle
-und nichtrotierende Brocken, eigene Theorie des Verfassers. Atalanta. K.
-B. 265. Die Entdeckung der Planetoïden Z. 156-159. M. 82-83. Sn.
-292-293. K. I. 141-142. L. 390-405. Gauß L. 391-392. Sn. 292-293.
-
-Kapitel 18. Kometenbahnen K. B. 109-110. Schweif: »Kometen und der
-Halleysche Komet« von J. Franz, Breslau (Deutsche Revue, herausgegeben
-von Richard Fleischer. Stuttg., Leipzig. Deutsche Verlags-Anstalt.
-Januar 1910). Diesem Aufsatz sind auch über alle nachfolgenden Punkte
-Einzelheiten entnommen. Schweif, ferner: Gen.-Anz. Pforzh., 1. Beiblatt
-zu Nr. 27, 2. Febr. 1910 (auch Abstoßung). K. B. 122 (auch elektr.
-Abstoßung). M. 119. K. I. 239-242. L. 496-502. Masse: D. Revue und Pf.
-Gen.-Anz. wie oben. K. B. 114. 117. 124-125. M. 135-137. K. I.
-245-246. L. 303-305. Kern: D. Revue und Pf. Gen.-Anz. wie oben,
-Unterhaltungsbeil. z. D. Reichspost, 9. Febr. 1910, Nr. 32 usw.
-Zusammenstoß mit einem Kometen: D. Revue und D. Reichspost wie oben.
-Laplace. L. 532-534 usw. Frühere Kometenerscheinungen: Unterh.-Beil. z.
-D. Reichspost, Nr. 303, 28. Dez. 1909. Halley-Komet: D. Revue wie oben.
-M. 123. K. I. 257-259. L. 510-523. Bielakomet: M. 124. K. I. 252-255. L.
-525-532. Septemberkomet 1882: M. 123. K. B. 139-140. Balgerei mit dem
-Jupiter und Lexell-Komet: M. 123. Z. 88-89. K. B. 133-134.
-Geschwindigkeit der Kometen: Sn. 262 usw. Kometen ferner: Z. 87-92. M.
-116-118. K. I. 189-239. L. 493-570. W. 134-139. Leipziger Illustr.
-Zeitg., Nr. 3456, 23. Sept. 1909 (Halley-Komet). Sn. 257-268.
-Teufelsschlucht in Arizona: Unterh.-Beil. z. D. Reichspost, 12. Febr.
-1910, Nr. 35.
-
-Kapitel 19. Jupiter: Sn. 338. K. B. 266-288. W. 128-129. Z. 160-161. M.
-111. K. I. 155-160. L. 413-422. Jupitermonde: W. 130. M. 88-94. K. I.
-160-166. Albedo: W. 85. 110-111.
-
-Kapitel 20-22. Saturn: W. 131-133. K. B. 289-296. K. I. 167-179. L.
-422-438. Z. 162-164. M. 114-115. Dichtigkeit = spezif. Gewicht: W. 8.
-Saturnmonde und ihre Entdeckung: Sn. 235. M. 92-93. K. I. 175-179.
-
-Kapitel 26. Uranus: Sn. 289-290. K. B. 297-300. W. 134. Z. 164. M. 116.
-K. I. 180-182. L. 438-439. 4 Uranusmonde: W. 134. K. I. 182-184. M. 93.
-L. 439-440. Neptun: Sn. 291-294. 299-300. 28-29. K. B. 301-302. W. 134.
-Z. 164. M. 116. K. I. 185-187. L. 441-443. 752-772. Neptunmond: W. 134.
-M. 93. K. I. 187-188.
-
-Kapitel 27. Die wörtlich angeführten Stellen siehe: Sn. 146-147. 115.
-349. 350. 447. 381. 383. K. B. 182. 27-28. F. 77. 115. Verschiedene
-Geschwindigkeiten: Zeitungsnotiz. Sn. 325. Z. 46.
-
-Kapitel 28. Aberration: Z. 44-55. Sn. 277. Z. 48-50. L. 121-136. Zahl
-der Fixsterne: Me. 59-61 usw. Parallaxe: Sn. 317-319. Z. 36-44. Me.
-8-10. K. II. 146-158. L. 100-110. Entfernungen der Fixsterne und
-nächster Fixstern: Sn. 29. 319-320. 338. 353. M. 136. Sirius, Arktur,
-Canopus, Rigel, Deneb: Sn. 321-323. Rigel: Pforzh. Beobachter, Beiblatt
-zu Nr. 56, 7. März 1895. Spektralanalyse: Sn. 245. 330-331. W. 9-11.
-29-36. Z. 22-30. K. II. 322-371. L. 292-299. Me. 77-79. Einteilung der
-Fixsterne: Sn. 332. K. B. 9-16. W. 140-142. Me. 65. K. II. 18-36.
-339-354. Eigenbewegung der Fixsterne: Sn. 333-334. M. 145-148. K. II.
-111-145. L. 586-590. Me. 74-80. Dunkle Sterne: Sn. 177. 343-344. 352.
-364. 369. Me. 73. M. 141. Lichtabsorption: Me. 63. K. II. 319-321. L.
-583-584. K. B. 16. Veränderliche Sterne: Me. 66-68 (Miratypus). 68-69
-(Lyratypus). 70-72 (Algoltypus). M. 139-140. K. II. 74-99. 345
-(Miratypus). 352 (Algol). L. 573-574. 624-635. (Mira 627-628. Algol
-628-629.) Unendlichkeit jenseits unsrer Erkenntnis: Me. 103-106.
-
-Kapitel 32. Doppelsterne: Sn. 351. 352-354. 355-356. Me. 73-82. M.
-141-143. K. II. 47-51. 159-227. L. 590-623. Vielfache Systeme: Sn. 357.
-Me. 73-82. M. 143.
-
-Kapitel 33. Bewohnbarkeit der Planeten: Sn. 176-177. K. B. 112-113.
-207-209 (Korrespondenz mit den Mondbewohnern). 397. L. 443-449.
-
-Kapitel 35. Edison: »Wie unwissend sind wir! Wir wissen nicht, was
-Schwere ist; auch kennen wir nicht die Natur der Wärme, des Lichts und
-der Elektrizität .....« (Pforzh. Gen.-Anz., 14. Jan. 1910, Nr. 11.)
-
-Kapitel 38. Die Gesetze der Entstehung der menschl. Sprache hat der
-Verfasser entdeckt.
-
-Kapitel 43. David Gill: »Rede über die Bewegung und Verteilung der
-Sterne im Raum.« Jahrbuch der Naturkunde. 1909. (Leipzig, Karl
-Prochaska.) Mappierung der Sterne: Me. 61. Sternnebel: W. 149-152. Z.
-61-67. Me. 92-97. M. 144-145. K. II. 232-294. 354-361. L. 635-664. Zahl
-der Sterne: Me. 59-61 usw. Milchstraße: Me. 98-103. K. II. 295-302. L.
-581-582 usw.
-
-Kapitel 46. Neue Sterne: Sn. 362. K. B. 16-19. W. 146-149. Me. 84-91. M.
-140. K. II. 100-110.
-
-Kapitel 47. Venus: Württemberger Zeitung, 9. Sept. 1909, Nr. 211, S. 17,
-»Der Glanz der Venus«. Sn. 225. 337. K. B. 245-248. W. 111. 118-119. Z.
-152. 154. M. 106-107. K. I. 62-74. L. 150. 360-384. Die Sonne:
-Entfernung: Sn. 28. 29. 338. M. 46. Me. 10. Flecken: K. B. 60-80. W.
-15-20. 51-52. Me. 25-34. 48-49. K. I. 10-17. 19-27. L. 306-326. Fackeln:
-K. B. 80-82. W. 20-22. Me. 25-34. K. I. 17-18. L. 306. 326. Eruptionen:
-K. B. 95-96. Protuberanzen: K. B. 82-83. 90-91. W. 23-26. Me. 25-34. K.
-I. 36-39. L. 338-343. Photosphäre: Me. 24. K. I. 19-22. L. 306. 327-328.
-Chromosphäre: K. B. 85-90. W. 23-26. Me. 24. 38. Korona: W. 26-27. Me.
-25. 34-36. K. I. 31-36. L. 337-343. Helligkeit: W. 37. Wärme: Me. 15.
-Granulation: Me. 23. Stoffe der Sonne: Me. 37-38. Größe, Dichte, Gewicht
-usw.: Me. 22.
-
-Kapitel 48. Meteore innen kalt, wenn auch außen geschmolzen: Sn. 421. K.
-B. 149-151. Merkur: K. B. 240. M. 106-107. W. 117-118. Z. 152-153. K. I.
-56-61. L. 149. 351-360.
-
-Kapitel 50. Die hier neu auftretenden Personen sind den Lesern der
-Erzählungen »Im Lande der Zwerge«, »Nach den Mondbergen« und »Ophir«
-schon bekannt.
-
- * * * * *
-
-Zu dem Grundproblem meiner Erzählung finde ich nachträglich noch eine
-Rechtfertigung in »Hans Dominik: Die Technik des zwanzigsten
-Jahrhunderts«, wo wir auf Seite 74 lesen: »Kennen wir aber erst das
-Wesen der Schwerkraft, so werden wir sie auch bald zu beherrschen
-wissen. Und dann können wir den Blick von unserm Planeten fortwenden,
-können als Beherrscher der Schwerkraft und im Besitze neuer,
-unermeßlicher Energiequellen an die Eroberung unsers Sonnensystems, an
-die Besiedlung andrer Planeten denken. Was vor kurzem noch eine
-Ausgeburt der Phantasie erschien, kann über Nacht Realität gewinnen.«
-Dem füge ich bei, daß die Beherrschung und Überwindung der Schwerkraft
-gelingen kann, auch ohne daß wir zuvor ihr Wesen erkennen, beherrschen
-wir doch die elektrische Kraft usw., ohne über ihr Wesen sichere
-Kenntnis zu besitzen.
-
- * * * * *
-
-
-
-
-
-
- Im Lande der Zwerge
-
- Abenteuer und Kämpfe unter den Zwergvölkern des innersten
- Afrikas. -- Erzählung für Deutschlands Söhne und Töchter von
- Wilhelm Mader. Mit zahlreichen Illustrationen.
-
- Preis Mark 4.50.
-
- Auf Grund wissenschaftlicher Forschungsergebnisse führt uns der
- Verfasser die Pracht der afrikanischen Tropenwelt mit Wesen und
- Sitten der schwarzen und weißen Bewohner vor Augen, namentlich
- der hochinteressanten Zwergvölker Innerafrikas. Das alles
- erfahren wir in lebendigem Erleben, teilnehmend an den
- Jagdabenteuern und merkwürdigen Schicksalen einer Gesellschaft
- von Forschungsreisenden, deren männliche und weibliche Mitglieder
- der Leser liebgewinnen muß. Die erstaunlichen Rätsel, die uns auf
- Schritt und Tritt begegnen und die Spannung aufs höchste
- steigern, finden ihre zum Teil nicht minder erstaunlichen, stets
- aber einleuchtenden und wissenschaftlich wohl begründeten
- Lösungen. -- Obgleich das Buch eine abgeschlossene Erzählung
- bildet, wird gewiß jeder Leser begierig sein, die ferneren
- Schicksale der sympathischen Helden zu erfahren, wie sie in den
- anschließenden Büchern »Nach den Mondbergen« und »Ophir« in
- beständiger Steigerung geschildert werden, wo namentlich die
- edelmütige, heldenhafte kleine Zwergprinzessin Tipekitanga
- eine glänzende Rolle spielt.
-
- Verlag für Volkskunst, Richard Keutel, Stuttgart
-
-
- Nach den Mondbergen
-
- Eine abenteuerliche Reise nach den rätselhaften Quellen des Nils.
- -- Erzählung für Deutschlands Söhne und Töchter von Wilhelm
- Mader. Mit zahlreichen Illustrationen.
-
- Preis Mark 4.50.
-
- Nicht etwa um eine Fahrt nach dem Mond handelt es sich, sondern
- um eine Reise nach den rätselhaften Nilquellen, die den
- geheimnisvollen »Mondbergen« der Alten entspringen. Den
- Albert-Edward-See entlang, durch Ruanda, über die
- Virunga-Vulkane, den Kiwu und Tanganjika zieht sich die Reise bis
- zum Lokinga-Gebirge und macht den Leser mit Land und Leuten nach
- den neuesten Forschungen gründlich vertraut, aber stets in
- lebendig unterhaltender und anschaulicher Weise. Reich an
- fesselnden und spannenden Ereignissen, erreicht die Erzählung
- ihren Höhepunkt in den Schlußkapiteln, die dem Leser die
- Geheimnisse der Nilquellen enthüllen, ihre überwältigenden Wunder
- vor Augen führen und die Rätselfragen, die seine Erwartung spannten,
- in großartiger Weise zur Lösung bringen. Erheiternd wirkt
- zwischenhinein namentlich die mit köstlichem Humor gezeichnete
- Gestalt Kaschwallas, des schwarzen Falstaff.
-
- Die Erzählung ist in sich abgeschlossen, bildet aber die Fortsetzung
- zu »Im Lande der Zwerge« und wird selber fortgesetzt und
- abgeschlossen durch »Ophir«, das dem Leser die ferneren Abenteuer
- der ihm liebgewordenen Afrikaforscher schildert.
-
- Verlag für Volkskunst, Richard Keutel, Stuttgart
-
-
- »Ophir«
-
- Abenteuer und Kämpfe auf einer Reise in das Sambesigebiet und
- durch das fabelhafte Goldland Ophir. Erzählung für Deutschlands
- Söhne und Töchter von Wilhelm Mader. Mit zahlreichen
- Illustrationen.
-
- Preis Mark 4.50.
-
- Diese dritte und letzte der Erzählungen des Verfassers, die uns in
- gediegenster Weise mit den Wundern Zentralafrikas vertraut machen,
- ist, wie die andern, als selbständige, abgeschlossene Erzählung
- gegeben; doch bildet sie zugleich die Fortsetzung und den
- Abschluß der vorhergehenden (»Im Lande der Zwerge« und »Nach den
- Mondbergen«). -- Umfangreicher als die beiden andern, läßt auch
- sie den Leser vom ersten bis zum letzten Kapitel nicht los: all
- die Rätsel des alten biblischen Ophir, südlich vom Sambesi, die
- Irrfahrten, Abenteuer und wundersamen Erlebnisse der
- heldenmütigen Forscher fesseln und steigern die Erwartung von
- einer Episode zur andern. Das Buch enthält ganz großartige
- Schilderungen, wie beispielsweise: die Überlistung der
- Sklavenjäger, die Fahrt durch die Stromschnellen des Sambesi und
- namentlich die mit staunenswerter Phantasie geschilderten
- »springenden Wasser« mit den Geheimnissen, die sie beschützen:
- das sind Wirkungen von ganz einzigartiger Gewalt! Der schwarze
- Kaschwalla und der dicke Kapitän Hugo von Münchhausen sorgen
- dafür, daß der Leser über dem Staunen und Ergriffensein das
- Lachen nicht verlernt, während die Taten der Zwergprinzessin zur
- Bewunderung hinreißen. Wer die Stunden, die er dem Lesen von
- »Ophir« widmete, nicht zu den genußreichsten seines Lebens zählt,
- dem ist nicht mehr zu helfen! Dem Genuß aber hält der Gewinn, den
- der Leser daraus schöpft, die Wage.
-
- Verlag für Volkskunst, Richard Keutel, Stuttgart
-
- Preßstimmen über die Jugenderzählungen von W. Mader
-
- Ein vorzügliches Buch für die reifere Jugend, das in glücklichster
- Weise Phantasie und Wirklichkeit verbindet, belehrend,
- aufklärend, fesselnd von Anfang bis zu Ende. Der Bilderschmuck
- ist ausgezeichnet. Wir stellen es neben den Robinson und über den
- Lederstrumpf.
-
- (Christlicher Bücherschatz.)
-
- Der Verfasser führt in Gebiete, die noch in keiner Jugendschrift
- beschrieben worden und die auch dem Gebildeten nahezu unbekannt
- sind. Namentlich aber um seines sittlichen Gehalts willen ist das
- Buch christlichen Eltern für ihre Söhne warm zu empfehlen.
-
- (Quellwasser fürs deutsche Haus.)
-
- Mader vereinigt ein ganz erstaunlich ausgebreitetes und sicheres
- Wissen mit einer geradezu bewundernswerten Einbildungskraft ....
- Wie Mader beides zu befriedigen sucht, den Wissensdurst und den
- Hunger der Einbildungskraft der Jugend, das verdient sicher ernste
- Beachtung. Und wenn unsereiner im Alter auch noch gerne solche
- Bücher für Knaben liest, so braucht er sich darum nicht zu
- schämen.
-
- (Evangelisches Kirchenblatt für Württemberg.)
-
- -- -- So ergibt sich wieder ein durch und durch spannendes Buch, ein
- Buch, das der Naturwissenschaft gleichsam vorauseilt und sich
- doch von ihr nicht so berückt zeigt, um dadurch religiöse und
- sittliche Werte in den Schatten stellen zu lassen. Die Freunde des
- El Dorado werden das neue Buch Maders ihren Kindern gewiß wieder
- gerne auf den Weihnachtstisch legen; ja es wird wahrscheinlich
- noch eine größere Verbreitung finden.
-
- (Kirchlicher Anzeiger für Württemberg.)
-
- -- -- Das Ganze ist in packender, spannender Weise geschildert. Die
- Spannung wächst von Kapitel zu Kapitel und man legt das Buch
- nicht eher aus der Hand, bis das letzte Kapitel zu Ende ist. W.
- Mader besitzt die Gabe zu schildern, seine Feder zeichnet ein
- wunderbares Bild nach dem andern, ferne fremde Welten mit all dem
- geheimnisvollen Zauber, der sie umgibt, tun sich dem Lesenden auf
- und nehmen sein ganzes Interesse gefangen .... Für die Knabenwelt
- kann neben El Dorado kaum ein passenderer Lesestoff für den
- Weihnachtstisch empfohlen werden.
-
- (Generalanzeiger Reutlingen.)
-
- -- -- Auch wissenschaftlich ist das Buch von hohem Wert. Der
- Verfasser stellt darin ganz neue, einfach großartige technische
- Probleme auf, die er mit überzeugender Einfachheit löst. Durch
- eine Art Münchhausenscher Abenteuer, die mit köstlichem Humor
- dargestellt sind, werden die vielen Begebenheiten der Erzählung
- angenehm gewürzt ....
-
- (Deutschlands Jugend, Berlin.)
-
- -- -- Die mannigfaltigen und unerklärlichen Abenteuer und
- Erlebnisse, die das Leben der kleinen Gesellschaft täglich
- ausfüllen und die sie bekannt machen mit dem Leben im australischen
- Busch, sind ungemein spannend geschildert und dabei so lebendig, daß
- der Leser die Begebenheiten mitzuerleben vermeint.
-
- (Ulmer Tagblatt.)
-
-
-
-
-Anmerkungen zur Transkription
-
-Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Hervorhebungen, die im
-Original g e s p e r r t sind, wurden mit Unterstrichen wie _hier_
-gekennzeichnet. Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt sind,
-wurden ^so^ markiert.
-
-Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt
-(vorher/nachher):
-
- [S. 4]:
- ... nicht, dies ausdrücklich hervorzuheben: kein Mench kann
- wissen, welche ...
- ... nicht, dies ausdrücklich hervorzuheben: kein Mensch kann
- wissen, welche ...
-
- [S. 13]:
- ... Kolben und Metallgefässen verwahrte er die chemischen Stoffe,
- aus denen ...
- ... Kolben und Metallgefäßen verwahrte er die chemischen Stoffe,
- aus denen ...
-
- [S. 36]:
- ... der Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre
- rasche Entferung ...
- ... der Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre
- rasche Entfernung ...
-
- [S. 46]:
- ... weiß, ob sie nicht auf unsre Lungen eine gefährliche,
- vielleicht tötliche ...
- ... weiß, ob sie nicht auf unsre Lungen eine gefährliche,
- vielleicht tödliche ...
-
- [S. 81]:
- ... »Sie haben ja recht behalten, Lord,« gestand Schultzte nun
- ein: »Aber rätselhaft ...
- ... »Sie haben ja recht behalten, Lord,« gestand Schultze nun
- ein: »Aber rätselhaft ...
-
- [S. 82]:
- ... zu, daß der Widerstand der verhälnismäßig ruhenden
- Weltatmosphäre sie ihrer ...
- ... zu, daß der Widerstand der verhältnismäßig ruhenden
- Weltatmosphäre sie ihrer ...
-
- [S. 95]:
- ... athmospärischen Hülle umgeben, die sie vor der Reibung im
- Weltraum ...
- ... atmosphärischen Hülle umgeben, die sie vor der Reibung im
- Weltraum ...
-
- [S. 117]:
- ... nimmt man an, er habe eine besonders dichte Atmospöre; dies
- ist ...
- ... nimmt man an, er habe eine besonders dichte Atmosphäre; dies
- ist ...
-
- [S. 144]:
- ... das Zangenglied vom Leibe des Riesenskorpions, das nun von
- weiteren ...
- ... das Zangenglied vom Leibe des Riesenskorpions, der nun von
- weiteren ...
-
- [S. 153]:
- ... schleunigst den umheimlichen Ort verließ, obgleich die Gefahr
- nun vorüber ...
- ... schleunigst den unheimlichen Ort verließ, obgleich die Gefahr
- nun vorüber ...
-
- [S. 167]:
- ... wie begeistert Snyder die Genies der astronomischen
- Wissenschaft lobt, nament- ...
- ... wie begeistert Snyder die Genies der astronomischen
- Wissenschaft lobt, namentlich ...
-
- [S. 240]:
- ... wenn in solcher Höhe dort oben eine so herrliche Pflanzenwelt
- fortkommt, ...
- ... wenn in solcher Höhe dort oben eine so herrliche Pflanzenwelt
- vorkommt, ...
-
- [S. 243]:
- ... schloßen sich. ...
- ... schlossen sich. ...
-
- [S. 256]:
- ... Edens, durch das Dach ein; da die Villa einstockig war,
- gelang allen der ...
- ... Edens, durch das Dach ein; da die Villa einstöckig war,
- gelang allen der ...
-
- [S. 289]:
- ... erwarten zu dürfen, daß er die lautere Wahrheit sage; denn
- Spässe, die ...
- ... erwarten zu dürfen, daß er die lautere Wahrheit sage; denn
- Späße, die ...
-
- [S. 312]:
- ... Nacht kennt, die im Durchschniit 44 Erdentage währen, kehrte
- beinahe ...
- ... Nacht kennt, die im Durchschnitt 44 Erdentage währen, kehrte
- beinahe ...
-
- [S. 330]:
- ... Kapitel 6. Lufthülle des Monds L. 464-465. W. 87-88.
- Dämmerungserscheinuungen ...
- ... Kapitel 6. Lufthülle des Monds L. 464-465. W. 87-88.
- Dämmerungserscheinungen ...
-
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Wunderwelten, by Friedrich Wilhelm Mader
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WUNDERWELTEN ***
-
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-with the defective work may elect to provide a replacement copy in
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-LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
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-<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" />
-<title>The Project Gutenberg eBook of Wunderwelten, by Wilhelm Mader</title>
- <link rel="coverpage" href="images/cover-page.jpg" />
- <!-- TITLE="Wunderwelten" -->
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-<body>
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-
-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Wunderwelten, by Friedrich Wilhelm Mader
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
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-
-
-
-Title: Wunderwelten
- Wie Lord Flitmore eine seltsame Reise zu den Planeten
- unternimmt und durch einen Kometen in die Fixsternwelt
- entführt wird
-
-Author: Friedrich Wilhelm Mader
-
-Illustrator: Willi Egler
-
-Release Date: December 26, 2015 [EBook #50770]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WUNDERWELTEN ***
-
-
-
-
-Produced by Jens Sadowski
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="titlematter">
-<p class="half">
-Wunderwelten
-</p>
-
-</div>
-
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-<div class="centerpic" id="img-000iii">
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-
-<h1 class="title">
-Wunderwelten
-</h1>
-
-<p class="sbt">
-Wie Lord Flitmore eine seltsame Reise zu den
-Planeten unternimmt und durch einen Kometen
-in die Fixsternwelt entführt wird.
-</p>
-
-<p class="aut">
-<span class="line1">Erzählung</span><br />
-<span class="line2">für Deutschlands Söhne und Töchter</span><br />
-<span class="line3">von W. Mader</span><br />
-<span class="line4">Illustriert von W. Egler</span>
-</p>
-
-<p class="pub">
-<span class="line1">Verlag für Volkskunst / Rich. Keutel / Stuttgart</span>
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="titlematter">
-<p class="cop">
-Alle Rechte vorbehalten.
-</p>
-
-<p class="printer">
-Kunstdruckerei des Verlags für Volkskunst, Rich. Keutel, Stuttgart.
-</p>
-
-</div>
-
-<h2 class="toc chapter" id="chapter-0-1">
-<a id="page-V" class="pagenum" title="V"></a>
-<br />Inhaltsverzeichnis.
-</h2>
-
-<div class="table">
-<table class="toc" summary="TOC">
-<tbody>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">&nbsp;</td>
- <td class="col_page">Seite</td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Personenverzeichnis</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-VI">VI</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Vorwort</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-VII">VII</a></td>
- </tr>
- <tr class="vsb">
- <td class="col1">1.</td>
- <td class="col2">Ein kühnes Unternehmen</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-1">1</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">2.</td>
- <td class="col2">Sannah, das Weltschiff</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-5">5</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">3.</td>
- <td class="col2">Eine wunderbare Entdeckung</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-10">10</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">4.</td>
- <td class="col2">Die Fahrt ins Leere</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-13">13</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">5.</td>
- <td class="col2">Im Weltenraum</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-20">20</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">6.</td>
- <td class="col2">Am Mond vorbei</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-27">27</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">7.</td>
- <td class="col2">Eine ernste Gefahr</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-34">34</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">8.</td>
- <td class="col2">Die großen Astronomen</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-38">38</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">9.</td>
- <td class="col2">Der Mars</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-43">43</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">10.</td>
- <td class="col2">Eine Landung auf dem Mars</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-46">46</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">11.</td>
- <td class="col2">Die Schrecken des Mars</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-50">50</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">12.</td>
- <td class="col2">Eine Entdeckungsreise auf dem Mars</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-56">56</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">13.</td>
- <td class="col2">Die Marsbewohner</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-61">61</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">14.</td>
- <td class="col2">Eine Marskatastrophe</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-68">68</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">15.</td>
- <td class="col2">Im Meteorenschwarm</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-79">79</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">16.</td>
- <td class="col2">Ein Konzert in der Sannah</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-88">88</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">17.</td>
- <td class="col2">Die Asteroiden</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-93">93</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">18.</td>
- <td class="col2">Die Planetoideninsel</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-97">97</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">19.</td>
- <td class="col2">Der Komet</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-102">102</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">20.</td>
- <td class="col2">Die Seeschlange</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-110">110</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">21.</td>
- <td class="col2">Jupiter</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-115">115</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">22.</td>
- <td class="col2">Ein Besuch auf dem Saturn</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-120">120</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">23.</td>
- <td class="col2">Eine unfreiwillige Polarreise</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-126">126</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">24.</td>
- <td class="col2">Eine Nacht auf dem Ringplaneten</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-132">132</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">25.</td>
- <td class="col2">Eine seltsame Welt</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-139">139</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">26.</td>
- <td class="col2">Ein Kampf um die Sannah</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-146">146</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">27.</td>
- <td class="col2">Vom Kometen entführt</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-155">155</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">28.</td>
- <td class="col2">Die Geheimnisse der äußersten Planeten</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-162">162</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">29.</td>
- <td class="col2">Eine Reise ins Unendliche</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-164">164</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">30.</td>
- <td class="col2">Schimpansenstreiche</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-171">171</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">31.</td>
- <td class="col2">Verloren im Weltraum</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-176">176</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">32.</td>
- <td class="col2">Der Riesenkraken</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-184">184</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">33.</td>
- <td class="col2">Ohne Luft!</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-192">192</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">34.</td>
- <td class="col2">Ein verhängnisvoller Zusammenstoß</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-195">195</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">35.</td>
- <td class="col2">Ein Wunder</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-199">199</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">36.</td>
- <td class="col2">In der Fixsternwelt</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-204">204</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">37.</td>
- <td class="col2">Eine neue Erde</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-209">209</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">38.</td>
- <td class="col2">Die Wunder Edens</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-214">214</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">39.</td>
- <td class="col2">Sonderbare Naturgesetze</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-219">219</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">40.</td>
- <td class="col2">Eine neue Tierwelt</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-228">228</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">41.</td>
- <td class="col2">Eine paradiesische Nacht</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-237">237</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">42.</td>
- <td class="col2">Höhere Wesen</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-245">245</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">43.</td>
- <td class="col2">Im Hause des Gastfreunds</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-255">255</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">44.</td>
- <td class="col2">Neue Erkenntnisse</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-260">260</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">45.</td>
- <td class="col2">Heliastra</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-268">268</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">46.</td>
- <td class="col2">Überirdische Klänge</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-272">272</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">47.</td>
- <td class="col2">Im Reiche des Friedens</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-277">277</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">48.</td>
- <td class="col2">Eine Reise auf dem Planeten</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-282">282</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">49.</td>
- <td class="col2">Münchhausens Fabeln</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-286">286</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">50.</td>
- <td class="col2">Abschied</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-290">290</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">51.</td>
- <td class="col2">Der Planet des Fremdartigen</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-295">295</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">52.</td>
- <td class="col2">Eine Weltkatastrophe</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-299">299</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">53.</td>
- <td class="col2">Durch die Sonne</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-303">303</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">54.</td>
- <td class="col2">Der Planet Merkur</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-309">309</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">55.</td>
- <td class="col2">Zurück zur Erde!</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-314">314</a></td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="col1">56.</td>
- <td class="col2">Sannah</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-318">318</a></td>
- </tr>
- <tr class="vsb">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2">Nachweise</td>
- <td class="col_page"><a href="#page-329">329</a></td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-<h2 class="pers chapter" id="chapter-0-2">
-<a id="page-VI" class="pagenum" title="VI"></a>
-<br />Personenverzeichnis.
-</h2>
-
-
-<div class="table">
-<table class="pers" summary="Table-1">
-<tbody>
- <tr class="m">
- <td class="col1">1.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Lord Charles Flitmore.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">2.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Mietje, Lady Flitmore, geborene Rijn, seine Gattin.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">3.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Professor Heinrich Schultze.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">4.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Kapitän Hugo von Münchhausen.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">5.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Heinz Friedung.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">6.</td>
- <td class="col2" colspan="3">John (Johann) Rieger, Flitmores Diener.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">&nbsp;</td>
- <td class="col2" colspan="3">Zwei Schimpansen: Dick und Bobs.</td>
- </tr>
- <tr class="center">
- <td class="col1" colspan="4">&mdash;&mdash;</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">7.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Ein alter Marsbewohner.</td>
- </tr>
- <tr class="center">
- <td class="col1" colspan="4">&mdash;&mdash;</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">8.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Gabokol.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">9.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Bleodila, seine Gattin.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">10.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Fliorot, sein Sohn.</td>
- </tr>
- <tr class="b1">
- <td class="col1">11.</td>
- <td class="col2">Glessiblora</td>
- <td class="col3" rowspan="2">}</td>
- <td class="col4" rowspan="2">seine Töchter.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">12.</td>
- <td class="col2">Heliastra</td>
- </tr>
- <tr class="center">
- <td class="col1" colspan="4">Im Schlußkapitel:</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">13.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Doktor Otto Leusohn.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">14.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Sannah, geborene Rijn, seine Gattin.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">15.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Hendrik Rijn.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">16.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Helene, seine Gattin, Doktor Leusohns Schwester.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">17.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Tipekitanga, die Zwergprinzessin.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">18.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Amina, ein Somalimädchen.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">19.</td>
- <td class="col2" colspan="3">Piet Rijn, Hendriks, Mietjes und Sannahs Vater.</td>
- </tr>
- <tr class="b2">
- <td class="col1">20.</td>
- <td class="col2">Frans</td>
- <td class="col3" rowspan="3">}</td>
- <td class="col4" rowspan="3">weitere Söhne Piet Rijns.</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">21.</td>
- <td class="col2">Klaas</td>
- </tr>
- <tr class="m">
- <td class="col1">22.</td>
- <td class="col2">Danie</td>
- </tr>
-</tbody>
-</table>
-</div>
-
-
-<h2 class="intro chapter" id="chapter-0-3">
-<a id="page-VII" class="pagenum" title="VII"></a>
-<br />Vorwort.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Den vollen Gewinn von dieser Erzählung wird nur die
-schon gereiftere Jugend haben, die mit Verständnis und
-gewiß auch mit lebhaftem Interesse die Wunder der
-Sternkunde kennen lernen wird. Das ganze Gebiet der
-Astronomie soll ihr im Laufe der Erzählung in der
-Hauptsache erschlossen werden.
-</p>
-
-<p>
-Nun werden aber auch wohl jüngere Leser, für welche
-die wissenschaftlichen Gespräche vielleicht noch zu
-hoch sind, die seltsamen Erlebnisse und Entdeckungen
-der Weltall-Reisenden lesen wollen. Diese mögen getrost
-die Stellen überschlagen, die ihnen noch nicht verständlich
-erscheinen, namentlich in Kapitel 8, 15, 18, 26,
-32 und 48.
-</p>
-
-<p>
-Sollte einem oder dem andern Kritiker einiges über
-die Grenzen des Wahrscheinlichen (natürlich nicht des
-&bdquo;Möglichen&ldquo;) hinauszugehen scheinen, so möge er sich
-aus den Nachweisen überzeugen, ob nicht die Wissenschaft
-selber die Phantasie stützt.
-</p>
-
-<p class="date">
-<em>Eschelbach</em>, im Juli 1911.
-</p>
-
-<p class="sign">
-Der Verfasser
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-4">
-<a id="page-1" class="pagenum" title="1"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />1. Ein kühnes Unternehmen.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Professor Dr. Heinrich Schultze lehnte sinnend in seinen Sessel zurück.
-Vor ihm auf dem mit Büchern und Papieren bedeckten Schreibtisch lag ein
-Brief, der seine Gedanken beschäftigte.
-</p>
-
-<p>
-Da läutete es an der Eingangstüre seiner Wohnung und kurz darauf
-pochte es gewaltig an die Studierzimmertüre.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herein!&ldquo; rief der Professor, sich erhebend.
-</p>
-
-<p>
-Die Türe öffnete sich und es erschien ein ältlicher, doch frisch und blühend
-aussehender Mann von stattlicher Leibesfülle.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kapitän Münchhausen!&ldquo; rief Schultze und eilte überrascht und erfreut,
-auf den Mann zu, ihm beide Hände entgegenstreckend. &bdquo;Welcher günstige
-Monsun führt Sie von Australien nach Berlin und just in dieser Stunde?
-Ich bin starr! Denken Sie, soeben weilten meine Gedanken bei Ihnen
-in Adelaide und ich wünschte mir, Sie herzaubern zu können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun! Der Zauber ist gelungen!&ldquo; lachte Münchhausen: &bdquo;da bin ich.
-Und was mich herführt? Sie wissen, ich halte das untätige Herumsitzen
-auf dem Kulturboden nicht lange aus. Na! habe ich gedacht: schaust einmal
-nach, was der olle Schultze macht; vielleicht plant er wieder irgend ein
-famoses Unternehmen; da muß ich dabei sein! Und plant er keins, so
-will ich ihn aufrütteln und wir planen eines miteinander. He! Wie steht&rsquo;s
-damit, Professorchen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich sage Ihnen, Sie kommen wie gerufen. Da, setzen Sie sich her,
-altes Haus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Unterdessen drückte der Professor auf den Knopf der elektrischen Klingel
-und beauftragte den hierauf erscheinenden Diener, eine Flasche Wein und
-zwei Gläser zu bringen und alsdann im Eßzimmer einen kalten Imbiß
-<a id="page-2" class="pagenum" title="2"></a>
-zu richten: &bdquo;Das Feinste, was wir haben,&ldquo; mahnte er: &bdquo;Der Kapitän ist
-Feinschmecker.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho!&ldquo; lachte dieser: &bdquo;Habe ich mir nicht Termiten, Raupen und Rohrratten
-schmecken lassen, wenn es darauf ankam? Ich nehme alles wie es kommt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jetzt kommt aber etwas Besseres als afrikanische Hungerkost, alter
-Freund; und ich weiß, Sie nehmen das Bessere gerner an als das Schlechtere.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Narr, wer&rsquo;s nicht tut! Aber nun, Professor, was planen Sie?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich habe eigentlich gar nichts geplant; aber ein andrer: Sie erinnern
-sich wohl noch Lord Flitmores?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen lachte, daß es dröhnte: &bdquo;Auf so eine Frage kann doch
-nur ein weltfremder Professor verfallen! &bdquo;Erinnern&ldquo; ist gut! Wenn man
-mit einem Manne, wie der Lord, solche Abenteuer erlebt, solche Kämpfe
-durchfochten und solche herrliche Stunden durchkostet hat, wie wir zwei
-beide, dann soll man ihn wohl vergessen können? Verzeihen Sie, Professor,
-aber Ihre Frage ist ... na, wie soll ich sagen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dumm!&ldquo; ergänzte Schultze, seinerseits lachend: &bdquo;Sie haben recht, oller
-Seebär. Also! Hier habe ich einen Brief von Flitmore erhalten. Er
-schreibt, er habe eine kaum glaubliche Entdeckung gemacht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kaum glaublich? Hören Sie, dem glaube ich alles, dem traue ich
-das Wunderbarste zu nach den Proben seines Erfindergenies, die er uns
-in Afrika gegeben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das stimmt! Aber hören Sie: er schreibt, seine Entdeckung hebe die
-trennenden Räume des Weltalls auf und gestatte Reisen nach dem Mond,
-nach den Planeten, vielleicht gar in die Fixsternwelt. Und nun ladet er
-mich ein, ihn auf seiner ersten Fahrt zu begleiten. Was halten Sie davon?
-Sollte er nicht doch ein wenig übergeschnappt sein?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, daß Sie Männer der Wissenschaft keine neue, erstaunliche Entdeckung
-ohne Zweifel begrüßen können! Wenn die Professoren darüber zu entscheiden
-hätten, alle genialen Erfinder kämen ins Irrenhaus! Ich sagte
-Ihnen, dem Lord traue ich alles zu. Er ist ein Genie. Telegraphieren Sie ihm
-nur gleich, ob er mich mitnimmt? Ha! das gibt eine Reise! Das ist noch
-nie dagewesen, außer in der Phantasie kühner Schriftsteller: Da muß ich mit!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist es ja gerade: Lord Flitmore bittet mich, ihn zu begleiten,
-da er weiß, daß ich mich in den letzten Jahren ganz auf die Astronomie
-geworfen habe und er meine Veröffentlichungen auf diesem Gebiet mit
-Interesse und Beifall verfolgte, wie er schreibt. Dann aber fragt er nach
-<a id="page-3" class="pagenum" title="3"></a>
-Ihnen und nach Ihrer Adresse. Er ist voll Bewunderung für das Automobil,
-das Sie erfanden, und mit dem wir Australien durchforschten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, ja, die Lore!&ldquo; schmunzelte der Kapitän: &bdquo;Sie war kein übler
-Gedanke. Aber nach dem Mond &mdash; ne! Das hätte sie doch nicht geleistet&ldquo;.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-003">
-<img src="images/003.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Kapitän Münchhausen bei Professor Schultze.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-&bdquo;Also, bei Ihren technischen Kenntnissen und Ihrer Erfindungsgabe auf
-diesem Gebiet glaubt der Lord keinen besseren Ingenieur und Kapitän
-für sein Weltschiff finden zu können, als Sie, und wäre höchlichst erfreut,
-Sie für das Unternehmen gewinnen zu können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Topp!&ldquo; rief Münchhausen begeistert: &bdquo;Wann reisen wir?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Holla!&ldquo; lachte Schultze: &bdquo;Nicht so eilig, alter Freund! Sie sind ein
-unüberlegter Jüngling. Bedenken Sie,&ldquo; fuhr er ernst werdend fort: &bdquo;Das
-<a id="page-4" class="pagenum" title="4"></a>
-Wagnis ist mehr als kühn: es geht auf Tod und Leben. Der Lord verfehlt
-nicht, dies ausdrücklich hervorzuheben: kein <a id="corr-0"></a>Mensch kann wissen, welche
-Gefahren und welch ungeahnte Katastrophen dem Erdenbürger drohen, der
-seinen heimischen Planeten verläßt und sich über die Atmosphäre in die
-Leere des Weltenraums erhebt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ging es etwa in Afrika und Australien und wo wir sonst noch forschten,
-nicht auch auf Tod und Leben? Ahnten wir im voraus die Gefahren,
-denen wir entgegengingen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wohl! Aber es waren irdische Gefahren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän zuckte die Achseln: &bdquo;Hören Sie, Sie tifteliger Professor:
-Todesgefahr ist Todesgefahr, ob sie nun auf der Erde oder über der Erde
-droht, ist meines Erachtens völlig einerlei: mehr als unser Leben können
-wir hier oder dort nicht verlieren. Aber wer soll noch sonst mit? Auf
-die Reisegesellschaft kommt bei so etwas viel an.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eine große Gesellschaft wird es nicht werden: zunächst wird die Gattin
-des Lords ihn begleiten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Schau, schau! Mietje! Allen Respekt! Ein beherztes Frauenzimmer
-ist sie stets gewesen, das hat sie uns damals in Ophir zur Genüge bewiesen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Schultze aber fuhr fort: &bdquo;Ferner Flitmores Diener, John Rieger.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Freut mich, freut mich! Eine edle, treue Seele und ein gelungener
-Mensch. Er befindet sich also immer noch in des Lords Diensten?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings, und er hat sich zum tüchtigen Mechaniker ausgebildet, wie
-ihn Flitmore als eifriger Automobilfahrer braucht. Endlich will noch mein
-junger Freund Heinz Friedung sich uns anschließen. Ich riet ihm vergebens
-ab: er ist Feuer und Flamme für die Weltreise.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie, Professor, den jungen Mann habe ich in mein Herz geschlossen
-seit wir unsre Reise nach den Unnahbaren Bergen mit ihm machten.
-Das gibt eine famose Reisegesellschaft! Was treibt denn unser Heinz seither
-und wo weilt er?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Er hat sich auf die Sprachwissenschaften geworfen und lebt hier in
-Berlin als Privatdozent. Er beginnt, sich einen Namen zu machen und
-hat, wie er mir anvertraute, eine epochemachende Entdeckung auf seinem
-Gebiet gemacht, doch verrät er noch nichts Näheres davon.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Diener meldete, daß der Imbiß bereit stehe.
-</p>
-
-<p>
-Die Beiden tranken ihre Gläser leer und begaben sich nach dem Speisezimmer.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-5">
-<a id="page-5" class="pagenum" title="5"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />2. Sannah, das Weltschiff.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Eine Woche später landeten Schultze, Münchhausen
-und Heinz Friedung in Brighton und fuhren dann mit
-der Bahn nach Lord Flitmores Besitzung, die sich in der
-Grafschaft Sussex befand.
-</p>
-
-<p>
-Ein prächtiges altes Schloß, von einem ausgedehnten
-Park umgeben, an den Felder, Wiesen und Waldungen
-stießen &mdash; ein ganzes kleines Königreich &mdash; wurde den
-Ankömmlingen als des Lords Residenz bezeichnet.
-</p>
-
-<p>
-Von weitem schon konnte man über die Baumwipfel
-eine Riesenkugel emporragen sehen, die im Sonnenschein
-glitzerte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist des Lords Weltschiff!&ldquo; rief Heinz Friedung.
-</p>
-
-<p>
-Schultze schüttelte den Kopf: &bdquo;Dies Fahrzeug muß
-ein fabelhaftes Gewicht haben,&ldquo; meinte er: &bdquo;Wie sich
-Flitmore damit in die Luft erheben will oder gar über die
-Atmosphäre, ist mir rein unerfindlich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän aber entgegnete: &bdquo;Brauchen Sie auch
-nicht zu erfinden, Professor! Seien Sie getrost, das Genie
-unsres englischen Freundes hat zweifellos die Aufgabe
-gelöst, sonst hätte er uns nicht zur Fahrt eingeladen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Lord Flitmore hatte die Gäste um diese Stunde erwartet
-und kam ihnen mit seiner jugendlichen Frau bis an
-das Parktor entgegen.
-</p>
-
-<p>
-Er war ein hochgewachsener Mann mit rötlichem
-
-Backenbart. Eine ernste Würde verlieh ihm etwas Steifes,
-echt Englisches; doch das war nur äußerlich: obgleich
-er nicht viel Worte machte und seine Begrüßung
-ziemlich trocken klang, merkte man doch die warme
-Herzlichkeit und die aufrichtige Freude heraus.
-</p>
-
-<p>
-Mietje, seine Gattin, eine geborene Burin aus Südafrika,
-gab sich keinerlei Mühe, ihre Gefühle hinter gemessener
-Würde zu verbergen: sie kam den Freunden mit
-strahlendem Lächeln entgegen und schüttelte allen
-kräftig die Hand.
-</p>
-
-<p>
-Schultze und Münchhausen waren alte Bekannte des
-Lords von Afrika her; an Heinz wandte sich der Engländer
-mit den Worten:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie, Herr Friedung, sind mir auch schon lange bekannt
-und wert, wenn ich Sie auch persönlich noch nie
-traf; haben Sie doch in den Schilderungen der australischen
-Reise meiner Freunde stets eine hervorragende
-und sympathische Rolle gespielt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Für die Ankömmlinge war ein wahres Festmahl gerichtet
-und sie wurden fürstlich bewirtet; dann gab es
-noch gar vieles zu berichten über ihre Erlebnisse und
-Arbeiten in der Zeit, da sie den Lord nicht mehr gesehen.
-Punkt zehn Uhr jedoch hielt Flitmore seine häusliche
-Abendandacht, worauf sich alles zur Ruhe begab.
-</p>
-
-<p>
-Am andern Morgen nach dem Frühstück führte der
-Lord seine Gäste auf die weite Wiese, auf der die gewaltige
-Kugel ruhte, die schon bei ihrer Ankunft das Erstaunen
-unsrer Freunde geweckt hatte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das also ist Ihr Luftschiff?&ldquo; bemerkte der Professor,
-als sie bewundernd an der mächtigen Sphäre hinaufblickten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Weltschiff,&ldquo; verbesserte Flitmore: &bdquo;Ein Luftschiff ist
-an die Atmosphäre gefesselt, wir aber wollen mit diesem
-Fahrzeug den Luftraum verlassen, wenigstens die
-Lufthülle, die unsern Erdball umgibt; darum können
-
-wir füglich von einem &sbquo;Luftschiff&lsquo; nicht mehr reden:
-Die ganze Welt, der unendliche Raum steht diesem Vehikel
-offen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht,&ldquo; gab Schultze zu. &bdquo;Also &sbquo;Weltschiff&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Engländer aber fuhr fort:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich habe übrigens meiner Kugel einen eigenen Namen
-gegeben. Der schöne Gedanke, den Sie hatten,
-Herr Kapitän, als Sie Ihr Automobil Lore tauften, hat
-mir eingeleuchtet, und so gab ich meiner Erfindung den
-Namen &sbquo;Sannah&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Zu Ehren Ihrer liebenswürdigen Schwägerin, der
-mutigen Gattin unsres Freundes Doktor Leusohn in
-Ostafrika?&ldquo; fragte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß!&ldquo; fiel Mietje ein: &bdquo;Wir kamen beide sofort auf
-den Gedanken, den Namen meiner fernen Schwester
-für das Gefährt zu wählen, das uns auf einer Reise voll
-unbekannter Gefahren zur Heimat werden soll.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Freut mich!&ldquo; rief Münchhausen: &bdquo;Mit Sannah bin ich
-mit besonderer Vorliebe gereist, und ich bin überzeugt,
-diese neue Sannah wird ihrem Namen Ehre machen,
-uns Treue beweisen und die Reise so angenehm wie
-möglich gestalten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a>
-&bdquo;Aus was für einem Stoff besteht eigentlich Ihr Weltschiff?&ldquo; fragte
-nun Heinz Friedung: &bdquo;Es glitzert ja wie Glimmer.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Diese schimmernde Hülle ist Flintglas,&ldquo; erklärte Flitmore; &bdquo;Wir müssen
-damit rechnen, daß wir auf unsrer Fahrt Temperaturen antreffen werden,
-die nicht nur unser Leben, sondern auch unser Fahrzeug vernichten könnten.
-Gegen die Kälte des Weltraums, die ich übrigens nicht für gar so schlimm
-halte, wie man meistens annimmt, schützt uns die elektrische Heizung.
-</p>
-
-<p>
-Wir können aber auch durch Weltnebel und kosmische Staubwolken
-mit einer solchen Geschwindigkeit sausen, daß Sannah in Weißglut geriete,
-wie die Meteore, die in unsre Atmosphäre stürzen; das Gleiche wird ihr
-drohen, wenn wir uns der Sonne oder einem andern glühenden Weltkörper
-nähern. Ich habe daher die Hülle meines Weltschiffes genau so herstellen
-lassen, wie die Wandungen der feuerfestesten Kassenschränke und auch diese
-Hülle noch mit dem unverbrennlichen Flintglas überkleidet, so daß wir
-hoffen dürfen, ohne Schaden auch längere Zeit hindurch uns den höchsten
-Temperaturen aussetzen zu dürfen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber die Fenster?&ldquo; warf Schultze ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich habe allerdings sechs große Fenster, die aus sehr dickem Glas
-bestehen und einen Ausblick nach allen Seiten gestatten. Unter jeder dieser
-Scheiben befindet sich ein mächtiges Fernrohr, da wir mit bloßem Auge
-meist nicht viel zu sehen bekämen. Sobald wir jedoch einer Hitze ausgesetzt
-würden, die meinen Fenstern gefährlich werden könnte, genügt der
-Druck auf einen Knopf im Innern des Schiffes, um im Augenblick sämtliche
-Fenster mit einem Schutzdeckel völlig dicht zu schließen, wie mit einem
-Augenlid.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ungeheure Größenverhältnisse hat Ihr Weltschiff, das muß ich sagen!&ldquo;
-bemerkte der Kapitän bewundernd.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eigentlich sind sie gering&ldquo;, erwiderte der Engländer: &bdquo;Ein Zeppelinsches
-Luftschiff zum Beispiel hat noch ganz andre Maße. Meine Kugel
-hat 45 Meter im Durchmesser; um den Mittelpunkt befindet sich ein Raum
-von 15 Metern in der Länge, Breite und Höhe, der somit 3375 Kubikmeter
-Rauminhalt hat. Hier sind die Reisevorräte verstaut in mehreren
-pyramidenförmigen Abteilungen mit der Spitze nach unten, das heißt nach
-dem Mittelpunkte zu.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Mittelraum bildet die Grundlage für die einzelnen Zimmer, die
-von ihm nach sechs Seiten hin ausstrahlen bis an die Hülle hin. Jedes
-<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a>
-dieser Zimmer, 5 Meter breit und etwa 3 Meter hoch, so daß sich allemal
-5 solcher Säle übereinander befinden, deren äußerster als Wohn- und
-Beobachtungszimmer dient; leiterartige Treppen führen von einem Stockwerk
-zum andern. Die obersten Zimmer sind 15 Meter lang, die andern
-werden nach dem Zentrum zu etwas kürzer.
-</p>
-
-<p>
-Abgesehen von den äußersten Gemächern, die sich unmittelbar unter
-der Wölbung der Kugelhülle befinden, bietet jede dieser dreißig Aufenthaltsgelegenheiten
-einen Raum von 200 bis 225, im ganzen etwas über 6000
-Kubikmetern. Außer den Wohn- und Schlafzimmern habe ich hier Werkstätten
-eingerichtet: eine Schreinerei, eine Schmiede, ein chemisches Laboratorium;
-die übrigen Räume dienen abwechselnd zum Aufenthalt, wenn die
-verbrauchte Luft in den andern erneuert werden muß.
-</p>
-
-<p>
-Die äußersten Kammern unter der Oberfläche sind durch besondere
-Gänge miteinander verbunden, die ich Meridiangänge benenne, weil sie
-gleichsam als innere Längen- und Breitengrade im Innern der Kugel verlaufen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Auch außen haben Sie, scheint es, Meridiane angebracht&ldquo;, bemerkte
-Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie meinen die Rampen?&ldquo; fragte der Lord: &bdquo;Diese kleinen Geländer,
-die ich für bestimmte Zwecke für vorteilhaft hielt, strahlen allerdings auch
-von einem Punkte aus und kreuzen sich wieder im entgegengesetzten Punkte,
-stellen also füglich Längengrade dar.
-</p>
-
-<p>
-Den sechs Sälen, die sich unmittelbar unter der äußeren Umhüllung
-der Kugel befinden, gab ich aus praktischen Gründen besondere Namen:
-zu oberst befindet sich das Zenithzimmer, zu unterst das Antipodenzimmer;
-in der Mitte, dem Äquator, wenn Sie wollen, zeigt sich vor uns das Nordpolzimmer,
-dem hinten das Südpolzimmer entspricht; rechts das Ostzimmer,
-links das Westzimmer. Wie Sie sehen, verfuhr ich etwas unwissenschaftlich
-mit diesen Benennungen, da ich Nordpol und Südpol auf den Äquator
-verlegte. Aber das ist ja alles bloß Übereinkommen: betrachten Sie die
-Linie, die vom Zenithzimmer über das Ost- und Antipodenzimmer zum
-Westzimmer läuft als Äquator, so stimmt die Sache wieder und wir haben
-zwei einander senkrecht schneidende Äquatorlinien, aus dem einfachen Grunde,
-weil meine Kugel nicht in Grade eingeteilt ist, aus der wir eine andere
-Bezeichnung für den Längsäquator hernehmen könnten und weil ich meine
-Rampenmeridiane vom Zenith- statt von einem Polzimmer ausgehen ließ.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a>
-&bdquo;Mit all den genannten Räumen aber&ldquo;, warf Schultze ein, &bdquo;ist der
-Raum Ihrer Kugel noch lange nicht ausgenützt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß nicht! Mein Weltschiff hat einen Umfang von 141,3 Metern,
-eine Oberfläche von 6358,5 Quadratmetern und einen Inhalt von 47688,75
-Kubikmetern. Rechnen wir den Raum der 30 Zimmer, der Vorratskammern
-und der Meridiangänge ab, auf die zusammen etwa 10000 Kubikmeter
-kommen, so verbleiben noch beinahe 38000 Kubikmeter; von diesen
-werden etwa 30000 durch die Stahlkammern ausgefüllt, die gepreßten
-Sauerstoff enthalten und ungefähr 8000 sind mit Ozon angefüllt; denn
-was wir vor allem brauchen, ist Luft, gesunde, stets erneuerte Luft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie erwähnten vorhin die elektrische Heizung&ldquo;, nahm der Kapitän
-wieder das Wort: &bdquo;Ich darf wohl annehmen, daß auch Küche, Schmiedewerkstatt
-und chemisches Laboratorium nur auf elektrischem Wege geheizt
-werden, um jede Rauchentwicklung zu vermeiden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz richtig&ldquo;, bestätigte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie aber beschaffen Sie die elektrische Kraft?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Lord lachte: &bdquo;Sie kennen ja meine mächtigen Batterien von Afrika
-her, Kapitän. Aber ich gestehe ehrlich, die Hauptsache für die elektrische
-Speisung meiner Sannah verdanke ich Ihnen. Sie haben ja kein Geheimnis
-aus Ihrer wunderbaren Erfindung gemacht, dem ausgezeichneten Akkumulator,
-der Ihre Lore trieb. Nun, solche Akkumulatoren, System Münchhausen,
-nehme ich mehrere mit und erzeuge, wie Sie, die nötige Reibungselektrizität
-durch eine Maschine hauptsächlich mit Handbetrieb, so weit meine
-Batterien nicht dazu ausreichen sollten.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-6">
-<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />3. Eine wunderbare Entdeckung.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Nach diesen Erklärungen lud Flitmore seine Gäste ein, die Innenräume
-zu besichtigen, was diese unter seiner Führung mit regstem Interesse taten.
-</p>
-
-<p>
-Sie fanden alles mit größter Zweckmäßigkeit und Behaglichkeit eingerichtet;
-was ihnen zunächst auffiel, war, daß sämtliche Einrichtungsgegenstände
-als Tische, Stühle, Bettstellen usw. aus Kautschuk hergestellt waren,
-wie auch Wände, Decken und Fußböden sich mit dicken Gummiplatten ausgelegt
-erwiesen; was aber aus Holz und Metall bestand: Hobelbank, Amboß,
-Herd usw. war am Fußboden festgeschraubt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Diese Vorsicht glaubte ich nicht außer acht lassen zu dürfen&ldquo;, erklärte
-der Lord, &bdquo;da wir nicht wissen können, welchen Erschütterungen unsre
-Sannah ausgesetzt sein kann, wenn sie etwa mit einem Meteoriten zusammenstoßen
-sollte oder etwas unsanft auf irgend einem Weltkörper zum
-Landen käme.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Besichtigung nahm mehrere Stunden in Anspruch. Als nun alles
-eingehend betrachtet und bewundert worden war, nahm Heinz Friedung
-das Wort:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Verzeihen Sie, Lord Flitmore&ldquo;, sagte er: &bdquo;Sie sehen uns alle überzeugt,
-daß kein Fahrzeug umsichtiger und zweckmäßiger für eine kosmische
-Reise ausgerüstet sein könnte, als Ihre herrliche Sannah; aber welche
-Wunderkraft soll sie in den Weltraum schleudern? Das ist das Rätsel, das
-ich vergeblich zu lösen versuche. Dürfen wir etwas davon erfahren oder
-ist es ein Geheimnis?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht&ldquo;, erwiderte Flitmore: &bdquo;Ich bin Ihnen eine Erklärung
-schuldig. Es handelt sich hier um eine Entdeckung, die ich zufällig machte,
-<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a>
-und die mir erst den Gedanken und die Möglichkeit eines solchen Unternehmens
-gab.
-</p>
-
-<p>
-Sie kennen die Schwerkraft und ihre Gesetze und wissen auch, daß die
-Wissenschaft keine Ahnung davon hat, was diese Schwerkraft ihrem Wesen
-nach eigentlich ist. Die Anziehungskraft der Weltkörper ist ja wohl eine
-Erklärung für die Schwerkraft, aber wir wissen eben geradesowenig, was
-die Anziehungskraft ist und worauf sie beruht. Würde sie auf der Umdrehung
-oder Rotation beruhen, so müßten wir zum Beispiel gegen die
-Erdachse angezogen werden, während tatsächlich die Anziehung gegen den
-Mittelpunkt der Erde sich richtet: es ist eine Zentripetalkraft. Möglicherweise
-hängt diese Kraft mit dem Magnetismus zusammen und dieser wieder
-mit der Elektrizität.
-</p>
-
-<p>
-Nun wissen Sie, daß es eine positive und eine negative Elektrizität
-gibt: was die eine anzieht, stößt die andre ab; so gibt es einen positiven
-und einen negativen Magnetpol, einen Nord- und einen Südpol, und der
-Zentripetalkraft entspricht eine Zentrifugalkraft. Mit andern Worten,
-außer der Anziehung gibt es auch eine Abstoßung, und letztere Kraft nenne
-ich &bdquo;Fliehkraft&ldquo;.
-</p>
-
-<p>
-Es ist klar, daß, wenn unsre Erde neben ihrer Anziehungskraft auch
-eine abstoßende Kraft besitzt, erstere bei weitem überwiegen muß in Bezug
-auf ihre Wirkung auf alle irdischen Körper; denn sämtliche Körper, auf
-welche die Abstoßungskraft überwiegend wirken würde, müßten sofort von
-der Erde abgestoßen werden, wären also nicht mehr da. Aus diesem einfachen
-Grunde bleibt uns diese zweite Kraft verborgen.
-</p>
-
-<p>
-Nun habe ich aber durch zufällige Kombinationen eine Elektrizität oder
-einen magnetischen Strom entdeckt, der diese Fliehkraft darstellt.
-</p>
-
-<p>
-Wird der Strom geschlossen, so werden die von ihm durchströmten
-Körper von der Erde abgestoßen und das mit um so größerer Kraft, je
-stärker der Strom ist. Bei unterbrochenem Strom tritt die Anziehungskraft
-der Erde wieder in ihre Rechte.
-</p>
-
-<p>
-Meine &bdquo;Fliehkraft&ldquo; ist sozusagen die umgekehrte Schwerkraft, ein Magnetismus,
-der vom Erdmagnetismus abgestoßen wird, und der seinerseits
-auf diesen abstoßend wirkt.
-</p>
-
-<p>
-Das ist das ganze Geheimnis. Alle Versuche, die ich anstellte, hatten
-den gleichen Erfolg; jeder Körper, den ich mit Fliehkraft lud, und wenn
-<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a>
-er sonst noch so schwer war, erhob sich in die Luft mit wachsender Geschwindigkeit
-und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Sie begreifen, daß
-mir diese Entdeckung den Gedanken nahelegen mußte, ein Fahrzeug herzustellen,
-das mittelst der Fliehkraft sich dem Bereich der Anziehungskraft
-unsres Erdballs entziehen könnte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mit großer Verwunderung lauschten unsre Freunde diesen überraschenden
-Ausführungen und Schultze meinte kopfschüttelnd: &bdquo;Na, wir werden ja
-sehen!&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-7">
-<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />4. Die Fahrt ins Leere.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Es war eine helle Nacht, wenngleich der Mond nur die Hälfte seines
-beleuchteten Angesichts zeigte, als die kühne Reisegesellschaft ihre abenteuerliche
-Fahrt antrat. Flitmore ließ noch einige letzte Vorratskisten und Gebrauchsgegenstände
-in der Sannah verstauen. Auch die von ihm erfundene
-und in Afrika erprobte Nährmaschine nahm er für alle Fälle mit. In
-Kolben und Metall<a id="corr-1"></a>gefäßen verwahrte er die chemischen Stoffe, aus denen
-er mittels der Maschine Tabletten von hohem Nährwert erzeugen konnte.
-Dies hatte den Vorzug, daß in kleinen Behältern, die nur sehr wenig Raum
-einnahmen, die Mittel zur Verköstigung auf viele Monate mitgenommen
-werden konnten. Überdies vermochte er mit seiner Maschine bei einer
-Landung aus jedem Erdreich, das die für den Pflanzenwuchs nötigen Bestandteile
-enthielt, diese Bestandteile auszusondern und zu verarbeiten, genau
-wie es die Pflanzen tun, die Mehl und genießbare Früchte erzeugen. Wozu
-aber die Halme, Gesträuche und Bäume Monate oder wenigstens Wochen
-benötigen, das brachte die Nährmaschine in wenigen Stunden zuwege. So
-schloß diese geniale Erfindung eine Hungersnot aus, auch wenn die reichen
-Lebensmittelvorräte erschöpft werden sollten, im Falle die Reise sich über
-alle Erwartungen hinaus verlängern würde.
-</p>
-
-<p>
-Besonders wichtig war dem Lord auch sein photographischer Apparat,
-mit dem er nach dem neuesten Verfahren Lichtbilder in natürlichen Farben
-herzustellen verstand.
-</p>
-
-<p>
-Heinz trug seine geliebte Violine in ihrem Kasten bei sich: er war ein
-Meister im Geigenspiel und die Zartheit und Gefühlsinnigkeit seines Strichs
-übertraf selbst das, was man von berühmten Virtuosen zu hören gewohnt
-ist. Überdies blies er gelegentlich auch Piston mit ebensolch vollendeter
-Meisterschaft.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a>
-Flitmore selber war ein begeisterter Kenner und Freund der Musik.
-Er spielte nicht weniger als drei Instrumente mit gleicher Fertigkeit, das
-Klavier, das Cello und die Posaune.
-</p>
-
-<p>
-Da Lady Flitmore auf dem Klavier Vorzügliches leistete, John Rieger,
-der Diener, Flöte blies und selbst Kapitän Münchhausen nicht unmusikalisch
-war, konnte man hoffen, in der Sannah Konzerte aufzuführen, die sich
-überall hätten hören lassen dürfen.
-</p>
-
-<p>
-Der Lord hatte daher nicht versäumt, für solche willkommene Veranstaltungen
-in der Sannah ein eigenes, glänzend ausgestattetes Musikzimmer
-einzurichten, das sogar einen Flügel enthielt, dazu Blas- und Streichinstrumente
-aller Art, ein ganzes Orchester. Für die nötigen Noten und
-Partituren war selbstverständlich reichlich gesorgt: da sollte keine Langeweile
-aufkommen!
-</p>
-
-<p>
-Alle waren vor der Eingangspforte der Sannah versammelt, zum Einsteigen
-bereit, als Flitmores treuer Diener John noch als Letzter erschien,
-und zwar begleitet von zwei kräftigen Affen, die der Lord den erstaunten
-Gefährten folgendermaßen vorstellte:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie sehen hier zwei dienstbare Geister, die Schimpansen Dick und
-Bobs. Der erstere verdankt seinen Namen einem schlechten Wortspiel, da
-er in der Tat etwas fettleibig ist, also in deutscher Sprache als &bdquo;Dick&ldquo;
-bezeichnet werden kann; der zweite hat eine auffallende Ähnlichkeit mit
-Lord Roberts, dem Feldmarschall, den wir bekanntlich &bdquo;Bobs&ldquo; heißen.
-</p>
-
-<p>
-Die Tiere sind äußerst intelligent und gelehrig und sind vorzüglich eindressiert
-auf das Treiben der Maschine zur Speisung des elektrischen Akkumulators.
-Sie mögen uns ferner von Nutzen sein, wenn das Schicksal uns
-auf einen Weltkörper verschlagen sollte, der mit Pflanzenwuchs gesegnet
-wäre. Da wir in solchem Fall gewärtig sein müssen, lauter uns völlig
-unbekannte Früchte dort vorzufinden, werden uns die Schimpansen davor
-bewahren, irgend etwas Giftiges oder Schädliches zu genießen; denn darin
-ist ihr Instinkt untrüglich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mit vor Erwartung klopfenden Herzen betraten unsre Freunde die
-unterste Kammer der Sannah, die eher ein Saal zu nennen war, wie alle
-ihre Räume. Nun mußte es sich bald zeigen, ob eine Erhebung in den
-unendlichen Raum möglich sei. Und wenn es geschah, &mdash; was würden
-ihrer für Überraschungen, für Gefahren dort warten?
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a>
-&bdquo;Charles&ldquo;, sagte Mietje zu ihrem Gatten: &bdquo;Ich will mich in das oberste
-Stockwerk begeben und unsre Annäherung an den Mond beobachten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Vortrefflich&ldquo;, stimmte Flitmore ihr zu: &bdquo;Wollen Sie vielleicht so freundlich
-sein, meine Frau zu begleiten, Heinz? Wir wollen unterdessen betrachten,
-wie die Erde aussieht, während wir uns von ihr entfernen.
-Wenn da nichts mehr zu sehen ist, kommen wir auch nach oben, und das
-wird bald der Fall sein; denn nach meinen Berechnungen werden wir schnell
-die Geschwindigkeit des Lichts erreichen, 300000 Kilometer in der Sekunde.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, na!&ldquo; rief der Professor zweifelnd.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Steigen Sie die Treppe hinauf, Sie alter Zweifler&ldquo;, sagte der Lord;
-&bdquo;wie Sie sehen, befindet sich Okular und Spiegel des Teleskops dort oben
-in der Nähe der Decke. Es ist dies freilich etwas unbequem für den Beobachter,
-aber was wollte ich machen, wo es gilt nach unten Ausschau zu
-halten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wissen Sie auch, was oben und unten ist?&ldquo; rief Heinz, der eben
-durch die obere Luke in der Decke das Gemach verließ, dem Lord herab.
-</p>
-
-<p>
-Niemand begriff, was er damit meinte; aber der Gedanke, der dem
-jungen Gelehrten soeben aufgeblitzt war und ihn zu dieser merkwürdigen
-Frage gebracht hatte, hatte seine volle Berechtigung, wie die Zurückbleibenden
-binnen Kurzem erfahren sollten.
-</p>
-
-<p>
-Heinz hatte inzwischen die Luke hinter sich verschlossen und stieg mit
-Lady Flitmore weiter hinan von Stockwerk zu Stockwerk, bis die 14 drei
-Meter hohen Treppen überwunden waren und sie im obersten Saal anlangten.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore verschloß während dieser Zeit den Eingang zum untersten
-Raume hermetisch und überzeugte sich, ob alles in Ordnung und nichts
-vergessen worden sei.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor saß bereits auf dem obersten Absatz der Stiege am Okular
-des Fernrohrs.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun denn, in Gottes Namen und im Vertrauen auf des Allmächtigen
-Schutz!&ldquo; rief der Lord feierlich: &bdquo;Meine Herren, ich schließe den Strom.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Da geschah etwas völlig Unerwartetes.
-</p>
-
-<p>
-Mietje und Heinz vernahmen in diesem Augenblick ein dumpfes Geräusch,
-das sich durch das ganze Fahrzeug fortpflanzte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was bedeutet das?&ldquo; fragte die Dame.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a>
-&bdquo;Es purzelt alles durcheinander&ldquo;, sagte Heinz lachend: &bdquo;die Herren
-lernen jetzt oben und unten aus praktischer Erfahrung unterscheiden, sie
-sind jedenfalls alle herabgestürzt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wieso?&ldquo; frug Mietje erschrocken: &bdquo;Hat mein Mann den Eingang nicht
-rechtzeitig verschlossen? Unmöglich! Sie meinen doch nicht, daß sie herausgestürzt
-sind, während die Sannah sich erhob?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, nein! Überhaupt bei der guten Auspolsterung der Räume hat
-es keine Gefahr, und was wir vernommen haben, ist nur das Durcheinanderpoltern
-der Kisten und Ballen in den unteren Vorratskammern; denn aus
-den gummibelegten Sälen kann kein Ton bis zu uns dringen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Lady schüttelte den Kopf; sie begriff nicht recht und dachte nur,
-die Abfahrt sei mit einem starken Ruck erfolgt, der dort unten einiges
-durcheinandergeworfen habe. Freilich, ganz unerklärlich blieb es dann
-immer noch, daß hier oben auch nicht die geringste Erschütterung zu spüren
-gewesen war.
-</p>
-
-<p>
-Was war geschehen?
-</p>
-
-<p>
-Die Männer dort unten waren sich selbst nicht klar darüber, während
-das Ereignis sich mit einer erschreckenden Plötzlichkeit abspielte.
-</p>
-
-<p>
-Dem Professor auf seinem Sitz am Plafond war es plötzlich, als habe
-er einen Purzelbaum gemacht und stehe nun auf dem Kopf; und doch hatte
-er sich nicht geregt.
-</p>
-
-<p>
-Im gleichen Augenblick kollerten Lord Flitmore und sein Diener die
-Treppe herauf oder vielmehr herunter, wie es nun aussah, und kamen
-auf Schultze zu liegen.
-</p>
-
-<p>
-Wie eine Bombe platzte gleichzeitig Münchhausen herab, glücklicherweise
-in einiger Entfernung, so daß seine Leibesfülle keinen der andern traf,
-sonst hätte es ein Unglück gegeben.
-</p>
-
-<p>
-Dank seinem Fettpolster und dem Guttaperchaüberzug der Decke nahm
-er bei dem Sturz aus drei Meter Höhe keinen Schaden.
-</p>
-
-<p>
-Sämtliche Möbel des Zimmers stürzten ebenfalls herab und kamen zum
-Teil auf die zappelnden Männer zu liegen und über alles hinweg turnten
-die erschreckten Schimpansen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich aber doch alle Wissenschaft auf!&ldquo; grollte Schultze, als
-Flitmore und John die glücklicherweise so gummiweichen Sessel von sich
-abgewälzt hatten und den Professor von der Last ihrer eigenen Körper
-befreiten.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_016">
-<img src="images/plate_016.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Besichtigung des Weltschiffs.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a>
-Alle drei richteten sich auf und Schultze stellte mit Befriedigung fest,
-daß keiner verletzt war.
-</p>
-
-<p>
-Dann sah er sich um.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Weiß der Kuckuck!&ldquo; rief er, &bdquo;wir stehen auf dem Plafond. Wahrhaftig,
-die Decke ist zum Fußboden und der Fußboden zur Decke geworden.
-Schauen Sie doch: die Treppe hängt verkehrt herab und das Teleskop ist
-nach oben gerichtet. Da! Sehen Sie! Die Erde schwebt über uns, ah!
-herrlich!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-In der Tat bot die mondbeschienene Erde einen prächtigen Anblick;
-sie entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit und schon sah man durch
-das große Fenster die Umrisse der britischen Inseln wie auf einer Landkarte
-sich aus dem weißglänzenden Meer erheben.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na! So helfen Sie doch mir erst auf die Beine&ldquo;, rief Münchhausen
-unwirsch, während er sich vergeblich bemühte, den großen Kautschuktisch
-von sich zu wälzen, der seinen Bauch beschwerte.
-</p>
-
-<p>
-Lachend befreiten ihn Schultze und John und richteten ihn dann mit
-großer Anstrengung auf.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich hab&rsquo;s!&ldquo; rief in diesem Augenblick der Lord. &bdquo;Nein! daß ich
-auch das nicht in Rechnung zog! Wahrhaftig, Heinz Friedung beschämt
-uns alle. Hat er uns nicht noch zugerufen: &bdquo;Wissen Sie auch, was oben
-und unten ist?&ldquo; Er allein hat die Folgen geahnt, die aus der Loslösung
-von der Anziehungskraft der Erde sich ergeben mußten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Schafskopf, der ich bin!&ldquo; rief Schultze und glaubte im Augenblick
-selber an die Richtigkeit seiner Behauptung: &bdquo;Das ist ja sonnenklar! Stößt
-die Erde uns ab, so ist auch die Richtung nach der Erde für uns nicht
-mehr unten, sondern oben! Lord, entweder müssen Sie die Einrichtung
-Ihrer sämtlichen Zimmer völlig umändern oder Sie müssen zusehen, ob Sie
-ihre ganze Sannah zu einer Umdrehung veranlassen können, sonst stehen
-Ihre sämtlichen Stiegen auf dem Kopf.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist meine geringste Sorge&ldquo;, erwiderte Flitmore. &bdquo;Die Treppen
-sind leiterartig und leicht gebaut, bestehen aus Aluminium und lassen sich
-aushaken. Wir können sie ohne große Mühe umdrehen; aber ich sorge,
-ob Mietje und Heinz keinen Schaden nahmen, und wie wird es in meinem
-chemischen Laboratium aussehen! Die Röhren und Gläser alle in Scherben.
-Schade! Ein Glück, daß die elektrischen Glühbirnen an den Wänden und
-nicht an den Plafonds angebracht waren, sonst ragten sie jetzt aus dem
-<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a>
-Fußboden empor und wären durch die stürzenden Möbel zertrümmert
-worden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Es wurde beschlossen, zunächst nach der Lady und Heinz zu sehen.
-</p>
-
-<p>
-Die Deckenluken waren nun zu Falltüren im Fußboden geworden und
-die Treppen, die zu Aufstieg berechnet waren, galt es nun hinabzuklettern.
-Hiezu mußten sie erst ausgehängt und umgedreht werden, eine Arbeit, die
-zwar Mühe kostete, aber doch gelang.
-</p>
-
-<p>
-Bei dem Abstieg jedoch kamen neue Überraschungen: die Decken und
-Fußböden der Zimmer erschienen durchaus nicht eben noch wagrecht: sie
-zeigten bedenkliche Neigungen und Steigungen. Als die ersten fünfzehn
-Meter überwunden waren, hörte der Abstieg überhaupt auf: von da ab
-waren Decke und Fußboden der Zimmer nicht einfach vertauscht, sondern
-zu Seitenwänden geworden; die Decken- und Fußbodenluken waren hier
-einfache Türen und es bedurfte gar keiner Treppe mehr, um sie zu erreichen.
-Anfangs zeigten sich die neuen Fußböden, die bisher Zimmerwand
-gewesen waren, nach unten geneigt, im späteren Verlauf jedoch wurden
-sie mehr und mehr zu ansteigenden schiefen Ebenen und zuletzt schien auf
-einmal wieder alles in Ordnung, man konnte die folgenden Treppen belassen,
-wie sie waren, und statt des Abstiegs begann nun ein Aufstieg zu
-den letzten fünf Zimmern.
-&mdash; Kapitän Münchhausen schüttelte den Kopf, während er keuchend seine
-Leibesfülle die Treppen emporschleppte: &bdquo;Ihre Sannah ist rein verhext,
-Lord!&ldquo; rief er: &bdquo;Ich komme aus diesen Verhältnissen nicht mehr draus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sonderbar, in der Tat, sonderbar&ldquo;, gestand Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein! Ganz natürlich,&ldquo; belehrte der Professor überlegen; denn sein
-fleißiges Nachdenken hatte ihn des Rätsels Lösung finden lassen. &bdquo;Unsre
-Sannah ist sozusagen selbständig geworden, ein von der Anziehungskraft
-der Erde emanzipiertes Frauenzimmer, ganz modern! Sie hat nun ihre
-eigene Zentripetalkraft und ihr Mittelpunkt ist für uns fortan jederzeit
-unten und ihre Oberfläche überall oben. Sie ist ein Planet für sich oder
-sagen wir ein Planetoid; sie ist in die Reihe der Weltkörper eingetreten,
-großartig, was?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht, Professor!&ldquo; stimmte Flitmore zu. &bdquo;Und, sehen Sie,
-in diesen oberen Räumen ist alles in Ordnung geblieben, nur daß sich
-Decke und Fußboden gegen den Mittelpunkt neigen. Ein Glück, daß mein
-chemisches Laboratorium sich hier befindet. Da ist kein Stück beschädigt,
-<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a>
-nur etwas zusammengerutscht sind
-die Sachen, alles gegen die Mitte hin. Wir müssen zusehen,
-wie wir uns mit dieser Lage der Dinge zurechtfinden
-und uns so bequem als möglich einrichten. Es ist
-wahrhaftig fatal, daß ich diese Folgerungen in meine
-
-Berechnungen nicht einbezogen habe, sonst hätte ich
-Fußböden und Decken sämtlich als konzentrische Kugeln
-angeordnet und so allein wäre unter den obwaltenden
-Verhältnissen alles topfeben. Jetzt ist die Sache durch
-und durch verpfuscht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, schadet nichts, lieber Lord!&ldquo; tröstete der Kapitän:
-&bdquo;Große Unannehmlichkeiten entstehen uns daraus
-nicht, nur einige Arbeit, bis Sie in Ihrer Schreinerei die
-Hobelbank vom Plafond abgeschraubt haben und in der
-Schmiede den Amboß von der Wand, bis schließlich alles
-in die gebührende Lage zurückversetzt ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Oben angekommen, fanden sie Mietje und Heinz
-vergnügt beieinander. Heinz hatte der Lady inzwischen
-den Vorgang erklärt, wie er sich ihn ganz richtig bedacht
-hatte, und beide freuten sich, daß alles ohne
-Schaden für die andern abgelaufen war.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-8">
-<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />5. Im Weltenraum.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Über den Erklärungen und dem Geplauder, das sich
-nun lebhaft erhoben hatte, war die Beobachtung der
-Weiterfahrt völlig vergessen worden, bis Mietje daran
-erinnerte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Paßt auf!&ldquo; sagte sie: &bdquo;Wir nähern uns mit rasender
-Geschwindigkeit dem Mond.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle schauten nach oben.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings,&ldquo; sagte Heinz, &bdquo;er sieht schon ganz stattlich
-aus, aber merkwürdig düster.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hollah!&ldquo; rief Schultze: &bdquo;Das ist ja unsre Erde! Dunkel
-erscheint sie in der Tat; aber die Umrisse von Europa
-und Afrika lassen sich ganz deutlich unterscheiden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Es war wirklich ein entzückender Anblick! Die Erde
-erschien als flache Scheibe, etwa zehnmal so groß als die
-scheinbare Größe des Vollmonds, und die mondbeleuchteten
-Kontinente zeigten sich wie auf einem Erdglobus:
-Europa, Afrika und ein Teil von Asien waren
-ganz zu übersehen und über Indien und Persien leuchtete
-schon die Morgensonne, so daß die Küsten deutlich
-dem staunenden Auge erschienen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist das wieder für ein Spuk!&ldquo; polterte der Kapitän:
-&bdquo;Ich meine doch, hier sollten wir den Ausblick direkt
-auf den Mond haben und die Erde ließen wir auf
-der andern Seite! Werter Lord, Sie haben mich sozusagen
-
-als Kapitän und Steuermann Ihrer Sannah angeheuert,
-aber mit solch einem vertrackten Fahrzeug weiß
-ich wahrhaftig nicht umzugehen. He, Professor! Sie Alleswisser,
-wie erklären Sie nun wieder diese Absonderlichkeit?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herrlich!&ldquo; erwiderte Schultze begeistert: &bdquo;Als echter
-Planet, der sich seiner Bedeutung im Weltall bewußt ist,
-dreht sich unsre Sannah um ihre eigene Achse und das
-in ungefähr zwei Erdenstunden. Passen Sie auf, in einer
-Stunde etwa sehen wir da oben wieder den Vollmond
-aufleuchten, und sobald wir außer dem Bereich des Erdschattens
-sind, wechseln bei uns Tag und Nacht stündlich;
-wir brauchen uns aber nur zu rechter Zeit in ein
-andres Zimmer unter der Oberfläche unsres Planeten zu
-begeben, um ewigen Tag zu genießen und unendliche
-Nacht, ganz nach Belieben!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich muß gestehen,&ldquo; sagte Flitmore, &bdquo;das alles kommt
-mir ganz überraschend; meine astronomischen Kenntnisse
-sind nicht weit her und ich habe diese Umstände
-nicht in Rechnung gezogen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;In der Tat,&ldquo; lachte Schultze! &bdquo;Auch über die Fortbewegungsgeschwindigkeit
-Ihrer Sannah täuschten Sie
-sich. Mit der Lichtgeschwindigkeit ist es einmal sicher
-nichts; sonst hätten wir den Mond schon längst hinter
-uns.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Halt!&ldquo; wandte der Lord ein: &bdquo;Sie vergessen, daß wir
-uns noch in der Anfangsgeschwindigkeit befinden, die
-beständig wächst; überdies habe ich mit Absicht nur einen
-ganz schwachen Strom unsre Hülle durchkreisen
-lassen, damit wir unsern Nachbarn, den Mond, mit
-Muße betrachten können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wissen Sie, was uns begegnen wird?&ldquo; fragte der Professor
-&bdquo;Wir werden als Bewohner eines regelrechten
-Planeten den Gesetzen der Gravitation unterworfen
-werden, das heißt unsere Sannah wird in elliptischer
-
-Bahn um die Sonne kreisen und dann sind wir hilflose
-Gefangene bis wir nach Verbrauch unseres Sauerstoffvorrats
-ein klägliches Ende nehmen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie sind ein unheimlicher Prophet, Herr Professor,&ldquo;
-rief Mietje: &bdquo;Hoffentlich wird Ihre Voraussage nicht in
-Erfüllung gehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Schultze zuckte die Achseln: &bdquo;Die Gravitationsgesetze
-erleiden keine Ausnahme; jeder Weltkörper ist ihnen
-unterworfen; und da unser Weltschiff zu solch einem
-Weltkörper im unendlichen Raume geworden ist,
-muß er wohl samt uns allen ein Opfer dieser Gesetze
-werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist denn das, wenn ich mir zu fragen die Erlaubnis
-herausnehmen darf,&ldquo; nahm nun John Rieger,
-der Diener, das Wort, &bdquo;diese verhängnisreiche Kraft,
-woselbst Sie Gravisionskraft nennen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist diejenige Kraft,&ldquo; klärte der Professor den
-Wißbegierigen auf, &bdquo;die alle Planeten, das heißt die
-Weltkörper, die sich um die Sonne drehen, in ihren
-Bahnen erhält. Der unsterbliche Isaak Newton hat als
-erster die Gesetze dieser Kraft festgestellt, die im
-Grunde nichts anderes ist, als die Schwerkraft: alle
-Weltkörper ziehen einander an und je größer ihre Masse
-ist, desto stärker ist ihre Anziehungskraft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dann aber müßte doch sozusagen einer auf den andern
-fallen,&ldquo; warf Rieger ein: &bdquo;voraussichtlich die kleinen
-auf die größeren, wie zum Beispiel der Mond auf
-die Erde und die Erde auf die Sonnen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sehr scharfsinnig bemerkt, mein Sohn!&ldquo; lobte
-Schultze; &bdquo;aber der Mond wird nicht bloß von der Erde,
-sondern auch von der Sonne angezogen und alle Weltkörper
-ziehen einander gegenseitig an. Dazu bewirkt
-die Anziehungskraft die elliptische Bewegung der Planeten
-um die Sonne und durch diese Eigenbewegung
-überwinden sie wieder bis zu einem bestimmten Grad
-
-die Anziehungskraft, so daß es eben diese Kraft ist, die
-in ihren Folgen das Weltall im Gleichgewicht erhält. Allerdings
-kommen auch Störungen in der regelmäßigen
-Umlaufbahn vor, wenn zwei Himmelskörper sich auf
-ihren Wegen nähern und dadurch eine verstärkte Anziehung
-aufeinander ausüben. Dadurch wird die Berechnung
-sehr verwickelt.
-</p>
-
-<p>
-So hat man berechnet, daß die Erde mindestens elf
-Bewegungen ausführt: 1. dreht sie sich in 24 Stunden
-um sich selbst, das nennt man ihre Rotation; 2. bewegt
-sie sich um die Sonne mit einer Geschwindigkeit von
-29450 Metern, also beinahe 30 Kilometern, in der Sekunde;
-3. eilt sie mit dem ganzen Sonnensystem dem
-Sternbild des Herkules oder der Leier zu; 4. schwingt
-die Erdachse; 5. verändert sich die Form der Erdbahn
-um die Sonne, indem sie sich bald der Kreisform nähert,
-bald wieder der Form einer langgestreckten Ellipse; 6.
-dreht sich diese Ellipse selber in ihrer eigenen Ebene in
-einer Periode von 21000 Jahren; 7. dreht sich die Erdachse
-in 25765 Jahren in einem Kreis; 8. die Anziehungskraft
-des Mondes, dem wir auch Ebbe und Flut
-verdanken, läßt den Pol des Äquators in 18 Jahren und 8
-Monaten eine kleine Ellipse beschreiben, da der Mond
-eine Anschwellung der Erdmasse am Äquator hervorruft,
-die eine Art Ebbe und Flut auch des festen Landes
-darstellt; 9. die Lage des Schwerpunktes unseres Erdballs
-verändert sich allmonatlich ebenfalls infolge der
-Mondanziehung; 10. die Planeten, namentlich Jupiter
-und Venus, verursachen Störungen der Erdbahn; 11.
-der Mittelpunkt der jährlichen Umdrehung der Erde um
-die Sonne liegt nicht im Mittelpunkt der letzteren, sondern
-ist veränderlich. Es wäre übrigens leicht, noch
-mehr Bewegungen auszurechnen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du siehst, John,&ldquo; sagte Flitmore lachend, &bdquo;wenn du
-in einem fahrenden Schnellzug auf und ab spazierst,
-
-die Hände schlenkernd und dabei die Finger bewegend,
-so machen deine Finger 15 Bewegungen mit und der
-Bazillus, der in deinem kreisenden Blute deiner Fingerspitze
-schwimmt, gar 17.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber was sagen Sie, Lord, zu der Befürchtung unseres
-Professors, daß wir nun ewig um die Sonne kreisen
-werden?&ldquo; fragte Heinz Friedung.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Damit hat es keine Gefahr,&ldquo; erwiderte Flitmore.
-&bdquo;Schultze ließ einen Hauptumstand außer acht. Ich
-habe überhaupt eine besondere Ansicht über die Gravitation;
-ich glaube, daß zwei Kräfte dabei tätig sind, eine
-Anziehungskraft und eine gegenseitige Abstoßungskraft,
-wie man ja auch annimmt, daß die Moleküle und
-Atome eines Körpers einander zwar anziehen aber doch
-nicht berühren, weil sie einander auch abstoßen. Der
-Ausgleich dieser beiden einander entgegenwirkenden
-Kräfte bestimmt meiner Ansicht nach den gegenseitigen
-Abstand, den die Himmelskörper einhalten; so erkläre
-ich mir auch, daß die flüchtigen Stoffe der Kometen bei
-der Annäherung an die Sonne bis zu einem gewissen
-Punkt angezogen, von da ab aber abgestoßen werden
-und so die Kometenschweife bilden.
-</p>
-
-<p>
-Für uns aber ist die Hauptsache, daß der Strom, der in
-der Sannah kreist, die Anziehungskraft überhaupt aufhebt
-und nur die Fliehkraft wirken läßt, so daß kein
-Weltkörper uns in seinen Bannkreis zwingen kann, so
-lange der Strom geschlossen bleibt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist in der Tat richtig,&ldquo; gab Schultze zu. &bdquo;Aber
-hören Sie, noch eins erscheint mir rätselhaft: wir befinden
-uns jedenfalls schon längst im leeren Raum, außerhalb
-der irdischen Atmosphäre, deren Höhe auf etwa
-180 Kilometer geschätzt wird ...&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Erlauben Sie, daß ich Sie hier unterbreche,&ldquo; bat Flitmore:
-&bdquo;Wie stellen Sie sich unsere irdische Lufthülle
-überhaupt vor?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-
-&bdquo;Nun,&ldquo; erwiderte der Professor: &bdquo;Man ist der Ansicht,
-als ob es eine scharfe Abgrenzung der Atmosphäre gegen
-den Raum überhaupt nicht gebe, sondern bloß einen
-allmählichen Übergang durch stets zunehmende
-Verdünnung der Luft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz richtig!&ldquo; sagte der Lord: &bdquo;Aber die Astronomen
-oder Astrophysiker, die diese schöne Theorie aufstellen,
-vergessen offenbar, daß die Erde bei ihrem Dahinsausen
-durch den Raum ihre Lufthülle mit sich
-nimmt. Wie wollen wir uns das erklären, wenn diese
-Hülle gar keine feste Grenze hat?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das stimmt!&ldquo; meinte Heinz: &bdquo;Es ist klar, daß die Anziehungskraft
-der Erde auf die obersten, dünnsten Luftschichten
-am schwächsten wirkt; in einer bestimmten
-Höhe muß die Attraktion nicht mehr genügen, um die
-in den leeren Raum übergehende unendlich verdünnte
-Luft festzuhalten und somit muß sie alles zurücklassen,
-was über diese Grenze hinausgeht; wäre also die Atmosphäre
-ursprünglich ohne bestimmte Grenze gewesen,
-so müßte sie doch alsbald durch die Fortbewegung der
-Erde zu einer scharfen Abgrenzung gelangt sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz meine Ansicht,&ldquo; bestätigte Flitmore: &bdquo;Ich gehe
-noch weiter; es wäre anzunehmen, daß die Erde immer
-mehr von ihrer Atmosphäre an den leeren Raum verlöre
-und die Masse derselben beständig abnehmen müßte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das leuchtet mir ein,&ldquo; meinte Schultze: &bdquo;Jedenfalls
-muß die Lufthülle der Erde gegen den Raum scharf abgegrenzt
-sein, da sie mit der Erde durch die Leere
-saust.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Doch nicht!&ldquo; widersprach der Lord.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho!&ldquo; rief Schultze verwundert: &bdquo;Wie wollen Sie
-dann aus der Klemme kommen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sehr einfach,&ldquo; erklärte der Engländer: &bdquo;Die Lufthülle
-der Erde ist nie und nirgends vom raumerfüllenden
-Stoff scharf unterschieden, weil eben dieser Stoff, der
-
-den Raum erfüllt, und den man Äther nennt, nichts anderes
-ist als Luft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich aber doch alle Wissenschaft auf!&ldquo; lachte
-der Professor. &bdquo;Damit werden Sie in der wissenschaftlichen
-Welt schwerlich durchdringen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Möglich! Aber das ist meine Überzeugung. Ein ganz
-allmählicher Übergang der Atmosphäre in den umgebenden
-Raum ist nur dann möglich, wenn der Raum
-eben die gleichen Stoffe enthält, wie die Luft, freilich in
-äußerst dünner Verteilung. So mag die Erde einerseits
-beständig etwas von ihren obersten dünnsten Luftschichten
-an den Raum verlieren, sie wird aber andererseits
-auch beständig aus dem durcheilten Raum wieder
-Ersatz anziehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bravo!&ldquo; rief Heinz: &bdquo;Diese Theorie allein scheint mir
-genügend zu erklären, wieso die Erde ihre Lufthülle
-durch die Jahrtausende in gleicher Dichte und stets erneuerter
-Reinheit bewahren kann.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So ist es,&ldquo; bestätigte der Lord: &bdquo;Und weiter folgt daraus,
-daß jeder Weltkörper entsprechend seiner Masse
-und Anziehungskraft, sowie seiner Rotations- und Umlaufgeschwindigkeit
-sich aus dem Raum eine Atmosphäre
-angezogen haben muß, die eben durch seine
-Attraktion verdichtet und an seiner Oberfläche am dichtesten
-geworden ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das hieße also: kein Weltkörper ohne Lufthülle?&ldquo;
-fragte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das wäre allerdings die notwendige Folge meiner
-Annahme.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lassen wir das dahingestellt,&ldquo; fuhr der Professor
-kopfschüttelnd fort: &bdquo;Das Rätsel, von dem ich reden
-wollte, ist dies: da wir uns im leeren Raum, oder, wie Sie
-wollen, in äußerst verdünnter ätherischer Luft befinden,
-muß in unserer Umgebung eine Temperatur herrschen,
-die dem absoluten Nullpunkt nahe kommt, das heißt
-
-273 Grad unter Null. Nun mag die Schutzhülle unserer
-Sannah noch so vorzüglich sein, ebenso Ihr Heizungssystem;
-wir müßten dennoch den Einfluß einer so ungeheuren
-Kälte spüren. Ich aber spüre nichts Derartiges,
-vielmehr ist es stets gleichmäßig behaglich warm.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Über die Temperaturverhältnisse des Raumes sind
-wir völlig im unklaren,&ldquo; entgegnete der Engländer: &bdquo;Die
-beständige Abnahme der Temperatur ist schon innerhalb
-der Erdatmosphäre widerlegt, in welcher bekanntlich
-die große Inversion stattfindet: die unterste Luftschicht
-ist 3 bis 4 Kilometer hoch und befindet sich in
-steter Unruhe und Bewegung; über ihr befindet sich
-eine ruhigere, trockene, kalte Luftschicht, in der die
-Temperatur bis zu 85 Grad unter Null abnimmt. In einer
-Höhe von 10 Kilometern aber beginnt die dritte, sehr
-gleichmäßige, ruhige und trockene Schicht, die wieder
-wärmer ist und bei 14 Kilometer Höhe 52 bis 57 Grad
-unter Null aufweist. Die Theorie der &sbquo;Strahlung&lsquo; von
-Licht und Wärme halte ich für eine völlig verfehlte: sie
-müßte zu ganz unmöglichen Folgerungen führen. Bedenkt
-man, mit welcher Geschwindigkeit die Erde
-durch den Raum eilt, so daß in jedem Augenblick neue,
-zuvor im Raum verlorene Sonnenstrahlen sie treffen, so
-müßte man annehmen, daß sie überhaupt kein Licht
-und keine Wärme von der Sonne empfangen könnte,
-falls nicht der Raum, den sie durchwandert, erleuchtet
-und erwärmt wäre. Meiner Ansicht nach pflanzt sich
-Licht und Wärme in der Weise fort, daß die erleuchteten
-und erwärmten Stoffteile des Raumes sie einander
-durch Berührung weitergeben, meinetwegen als
-Schwingungen. Je dünner die Materie ist, desto rascher
-gibt sie die Schwingungen weiter und desto weniger
-speichert sie an Licht und Wärme auf; je dichter sie ist,
-desto mehr absorbiert oder verschluckt sie, speichert
-davon in sich auf oder wirft die Strahlen zurück, wobei
-
-es auf die Art des Stoffes ebenfalls ankommt, auf seine
-Leitungsfähigkeit, Färbung und so weiter.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht, Lord,&ldquo; mischte sich nun Kapitän
-Münchhausen in das Gespräch: &bdquo;Auf den höchsten
-Berggipfeln, die infolge der mangelnden Erdwärme
-ewig in Eis und Schnee starren, brennt die Sonne viel
-heißer als unten in der dichten Atmosphäre. Warum?
-Die dünne Luft gibt ihre Wärme rascher ab, wobei sie
-sich selber weniger durch Aufspeicherung erwärmt; der
-Raum, durch den wir fliegen, ist jedenfalls weit kälter
-als die Bergluft, aber durchaus nicht so bodenlos kalt,
-wie man annimmt, und bei Tag werden wir es erfahren,
-daß die Sonnenstrahlen uns tüchtiger einheizen als irgendwo
-auf der Erde.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und da eine Hälfte unserer Sannah stets Sonnenlicht
-genießen wird,&ldquo; fügte Heinz bei, &bdquo;so denke ich,
-werden wir nie unter zu starker Abkühlung zu leiden
-haben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Damit rechne auch ich,&ldquo; schloß Flitmore: &bdquo;Ich glaube,
-wir werden, solange wir uns im Bereiche der Sonnenwärme
-befinden, überhaupt keiner Heizung mehr
-bedürfen; im Gegenteil, die Schutzhülle meines Weltschiffs
-wird uns vor unerträglicher Hitze bewahren
-müssen.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-9">
-<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />6. Am Mond vorbei.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Unsere Freunde richteten nun ihr Augenmerk wieder
-auf den Mond, der sein weißes Licht aufs neue durch
-das große Deckenfenster sandte; denn Sannah hatte inzwischen
-eine zweite Umdrehung vollendet.
-</p>
-
-<p>
-Er erschien nun als eine ungeheure Kugel, so nah, wie
-er durch das stärkste irdische Fernrohr nicht gesehen
-werden kann.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir stürzen geradewegs auf ihn zu!&ldquo; rief Lady Flitmore
-nicht ohne Besorgnis.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Beruhige dich, Mietje,&ldquo; tröstete ihr Gatte: &bdquo;Die
-Fliehkraft gestattet nicht, daß wir an seiner Oberfläche
-zerschellen, er muß uns abstoßen, ehe wir ihm nahe
-kommen. Wenn wir übrigens wollten, könnten wir ihm
-einen Besuch abstatten: ich brauchte nur den Strom abzustellen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich stimme nicht dafür,&ldquo; erklärte Münchhausen: &bdquo;Er
-sieht durchaus nicht einladend aus, dieser Sehnsuchtstraum
-der Poeten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und ob wir dort atmen könnten,&ldquo; meinte Schultze:
-&bdquo;Er soll ja keine Atmosphäre besitzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was das betrifft,&ldquo; entgegnete der Lord, &bdquo;so halte ich
-vorerst an meiner vorhin geäußerten Meinung fest, daß
-jeder Weltkörper seine Lufthülle besitzt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Doch hat man nie mit Sicherheit Dämmerungserscheinungen
-
-auf ihm beobachten können,&ldquo; warf der
-Professor ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das beweist gar nichts,&ldquo; widersprach Flitmore hartnäckig:
-&bdquo;Erstens wollen mehrere Astronomen Dämmerungserscheinungen
-auf dem Mond erkannt haben;
-zweitens gibt es in reiner Luft, wie Tyndall nachwies,
-überhaupt keine Dämmerungserscheinungen, diese
-rühren vielmehr von kleinen Partikelchen in der Atmosphäre
-her; so kennen zum Beispiel auch tropische Länder
-auf der Erde keine Dämmerung, und die Luft wollen
-Sie ihnen doch nicht absprechen? Daß der Mond keine
-Wolkenbildungen zeigt, beweist bloß den Wassermangel
-auf seiner Oberfläche. Andrerseits erscheint oft ein
-Stern vor der Mondscheibe, ehe er hinter derselben verschwindet,
-was sich am leichtesten durch die atmosphärische
-Lichtbrechung erklären läßt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Einladend sah allerdings die Mondlandschaft nicht
-gerade aus, wie der Kapitän sehr richtig bemerkt hatte:
-alles erschien starr, öde und tot, ohne eine Spur von
-Pflanzenwuchs und Wasserläufen. Aber hochinteressant
-erschien der Anblick und fesselte denn auch die
-Augen der Beobachter.
-</p>
-
-<p>
-Die Gebirge erhoben sich zu ungeheurer Höhe über
-ihre Umgebung und überall zeigten sich die dem
-Monde eigentümlichen Ringkrater mit ihren himmelhohen
-steilen Rändern. Einzelne Erhebungen mochten
-eine absolute Höhe von 10000 Metern erreichen.
-</p>
-
-<p>
-Besondere Aufmerksamkeit wandten der Professor
-und der Lord dem Krater Linné zu, der von Lohrmann
-als ein Schacht von zehn Kilometer Durchmesser beschrieben
-und von Beer und Mädler als solcher mit besonderer
-Deutlichkeit beobachtet wurde, 1866 aber
-plötzlich verschwand. An seiner Stelle erschien später
-ein kleines Kraterchen, das auch die beiden Beobachter
-der Sannah erblickten.
-</p>
-
-<p>
-
-Gerne hätten sie auch den Doppelkrater Messier betrachtet,
-der sich ebenfalls in merkwürdiger Weise verändert
-haben soll: bei nicht weniger als 300 Beobachtungen
-von 1829 bis 1837 waren beide Krater rund und
-einander gleich; heutzutage zeigt der eine Krater eine
-elliptische Form und die Zwischenwand der beiden
-Schlünde ist durchbrochen.
-</p>
-
-<p>
-Man glaubt auch hie und da ein wogendes Nebelmeer
-in diesem Krater gesehen zu haben, vielleicht Rauchwolken.
-Für unsere Freunde war der Messier unsichtbar,
-weil das Mare foecunditatis, wo er sich befindet, in
-dunkle Nacht gehüllt war.
-</p>
-
-<p>
-Von mehreren Kratern sah man helle Strahlen ausgehen.
-Namentlich zeigte sich diese merkwürdige Erscheinung
-an dem großartigsten Ringgebirge des Mondes,
-dem Tycho, von welchem mehrere hundert getrennte
-Streifen bis zu 1200 Kilometer Länge ausstrahlten.
-</p>
-
-<p>
-Schultze glaubte in diesen rätselhaften Gebilden erstarrte
-Lavaströme zu erkennen mit glatter glänzender
-Oberfläche. Dafür spricht der Umstand, daß sie nur bei
-voller Beleuchtung durch die Sonne sichtbar sind.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore dagegen wies darauf hin, daß die Strahlen
-meist erst in einiger Entfernung von den Kraterwällen
-begannen und dann über Ebenen, Krater, Berge und Täler
-ununterbrochen hinwegliefen, um dann plötzlich am
-Fuße irgendeiner Erhebung zu enden oder sich allmählich
-in einer Ebene zu verlieren. Das stimmte doch nicht
-recht zu der Theorie der Lavaströme.
-</p>
-
-<p>
-Dagegen erkannten beide Forscher deutlich das Wesen
-der rätselhaften Rillen, die teils gerade, teils gekrümmt,
-bald vereinzelt, bald sich verzweigend oder
-einander schneidend, sich in den Ebenen und um die
-Berge herum zeigten, manchmal auch einen Berg
-durchbrechend. Sie erwiesen sich als mehr oder weniger
-breite klaffende Sprünge in der Mondoberfläche.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-019_h046">
-<img src="images/019_h046.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Mondandschaft.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Mehr als einmal wurden auch Neubildungen auf dem
-Monde beobachtet, und unsere Freunde hatten das
-Glück, eine solche unter ihren Augen entstehen zu sehen:
-in der großen Ebene des Mare imbrium tat sich auf
-einmal der Boden auf, Rauch und Glut brach hervor
-und es bildete sich binnen weniger Minuten ein Krater,
-von dem aus ein Schlamm- oder Lavastrom sich in die
-Umgebung ergoß.
-</p>
-
-<p>
-
-&bdquo;Schade, daß die Astronomen auf der Erde den neuen
-Vulkan nicht sehen können,&ldquo; meinte Flitmore bedauernd:
-&bdquo;Er ist zu klein für ihre Instrumente.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir haben den Vorgang beobachtet, das genügt!&ldquo;
-triumphierte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja,&ldquo; mischte sich Heinz darein; &bdquo;Falls wir je wieder
-die Erde erreichen und Kunde von diesem Vorgang
-dorthin bringen können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Damit wäre ein alter Streit entschieden,&ldquo; sagte der
-Professor, &bdquo;wenn man uns nämlich Glauben schenkt,
-was immerhin sehr zweifelhaft bleibt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was für merkwürdige Farben!&ldquo; bemerkte nun Lady
-Flitmore und wies auf die Gegend des Oceanus procellarum
-hin.
-</p>
-
-<p>
-In der Tat zeigten sich dort ausgedehnte Flecken von
-hellgrüner und gelblicher Färbung.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sollte da am Ende dennoch Pflanzenwuchs vorhanden
-sein?&ldquo; wagte Heinz zu vermuten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Achtung, meine Herren!&ldquo; rief jetzt der Lord: &bdquo;Wir
-werden nun einen Anblick bekommen, den kein irdisches
-Auge noch genossen hat. Bekanntlich kehrt der
-Mond der Erde stets nur ein und dieselbe Seite zu, weil
-er sich genau in der gleichen Zeit um seine Axe wie um
-die Erde dreht. Nur infolge seiner Libration, das heißt
-seiner geringen Axenschwankung, sehen wir bald auf
-der einen, bald auf der andern Seite einen kleinen Teil
-der von uns abgekehrten Hälfte.
-</p>
-
-<p>
-Nun ist der Moment gekommen, wo wir am Erdtrabanten
-vorbeifliegen und seine rätselhafte Rückseite zu
-Gesicht bekommen werden, und zwar aus verhältnismäßiger
-Nähe; denn wir sind ihm bis auf 10000 Kilometer
-nahegekommen, während er 400000 Kilometer von
-der Erde entfernt ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle waren aufs höchste gespannt auf den Anblick,
-den die geheimnisvolle Rückseite des Mondes ihnen
-
-gewähren würde, obgleich Schultze meinte, sie werde
-nicht viel verschieden sein von dem, was man bisher
-geschaut.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a>
-Zur Beobachtung mußte ein andres Zimmer aufgesucht werden, da infolge
-der Umdrehung der Sannah der Mond für das Zimmer, in welchem
-sich die Gesellschaft befand, gerade unterging.
-</p>
-
-<p>
-Der Lord beschloß, sich dem Monde noch weiter zu nähern, damit alle
-Einzelheiten der zu erwartenden Erscheinungen mit voller Deutlichkeit beobachtet
-werden könnten. Er stellte daher den Zentrifugalstrom ab und
-mit rasender Geschwindigkeit stürzte die Sannah dem Monde zu.
-</p>
-
-<p>
-Das nächste, was entdeckt wurde, war die Fortsetzung der farbigen
-Flecke, die sich durch das Teleskop nun deutlich als grüne Matten und
-dürre Grassteppen erkennen ließen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist das?&ldquo; rief Lady Flitmore auf einmal erschreckt aus.
-</p>
-
-<p>
-Durch das Fenster fiel ein leuchtender Schein.
-</p>
-
-<p>
-Der Lord sah auf und eilte dann mit einem Satz an die Stromschaltung,
-um die Fliehkraft wieder in Tätigkeit zu setzen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was war&rsquo;s?&ldquo; fragte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir sind in die Mondatmosphäre eingedrungen,&ldquo; erklärte der Engländer,
-&bdquo;und bei der Geschwindigkeit unsres Sturzes begannen die Metallränder
-der Fenstereinfassung trotz des Flintglasschutzes zu glühen; doch die
-Gefahr ist beseitigt; wir erheben uns bereits wieder über die Atmosphäre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie ist also vorhanden, diese vielbezweifelte Mondluft,&ldquo; sagte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Daran ist nicht mehr zu zweifeln; aber sehen Sie!&ldquo; erwiderte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-Die Mondoberfläche war kaum noch hundert Kilometer entfernt; so
-hoch erhob sich der dichtere Teil ihrer atmosphärischen Hülle. Und nun
-zeigten sich Landschaftsbilder von entzückender Pracht.
-</p>
-
-<p>
-Auch hier herrschten die sonderbaren Ringgebirge vor; aber sie waren
-bewaldet.
-</p>
-
-<p>
-Die Entfernung gestattete nicht, mit bloßem Auge die Natur dieser
-Wälder zu erkennen, das Fernrohr jedoch offenbarte ganz eigentümliche
-Baumformen, wie sie auf der Erde kaum zu finden sind. Die meisten
-dieser Gewächse glichen ungeheuren Grasbüscheln auf hohen Stämmen, so
-daß sie palmenartig aussahen; doch hatten die Bäume nur selten eine
-eigentliche Krone; meist waren es wagrechte Äste, die ihr buschiges Ende
-nach allen Seiten hin ausstreckten.
-</p>
-
-<p>
-Riesenfarnen und Nadelbäume von demselben eigentümlichen Bau waren
-an andern Stellen zu sehen; die Wedel standen wagrecht von den Stämmen
-ab und neigten sich zum Teil nach unten, so daß unter dem Stamm kein
-<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a>
-Schatten zu finden sein konnte, abgesehen vom spärlichen Schatten des
-Stammes selber und seines Astholzes; in ziemlicher Entfernung erst umgab
-den Baum ein Kreis von schattigen Stellen.
-</p>
-
-<p>
-In den Ringkratern leuchteten häufig kleinere oder größere Seen;
-Wasserfälle und Bäche stürzten die steilen Bergwände herab, größere Flußläufe
-und Meere waren jedoch nicht zu sehen: die Bäche ergossen sich in
-kleine Binnenseen oder versandeten in der Ebene; vielfach schienen auch
-Sümpfe die Niederungen zu bedecken.
-</p>
-
-<p>
-Von lebenden Wesen war nichts zu entdecken und Schultze sprach die
-Vermutung aus, daß eine Tier- und Vogelwelt jedenfalls vorhanden sein
-dürfte, allein wahrscheinlich nur in einer geringen Anzahl von Exemplaren
-von bescheidenster Größe, so daß auf solche Entfernung nichts davon zu
-erkennen sei.
-</p>
-
-<p>
-Wolkenbildungen schienen auch auf dieser Seite des Mondes überhaupt
-nicht vorzukommen, was bei dem Mangel an bedeutenderen Wasserflächen
-nicht gerade verwunderlich war. Dagegen stiegen da und dort Nebelschleier auf,
-die dazu dienen mochten, das Land zu befeuchten und die Quellen zu speisen.
-</p>
-
-<p>
-Leider war der größte Teil der Mondscheibe auf dieser Seite in Nacht
-gehüllt, so daß es unbekannt blieb, ob nicht noch unbekannte Wunder,
-vielleicht gar Spuren menschenähnlicher Geschöpfe in den verborgenen Gegenden
-zu schauen gewesen wären.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Einen langen Tag und eine lange Nacht haben die etwaigen Mondbewohner,&ldquo;
-sagte Schultze. &bdquo;Sie währen 14¾ unsrer Erdentage; um so
-kürzer ist ihr Jahr, denn es dauert eben nur einen Tag und eine Nacht,
-im ganzen 29½ Erdentage.
-</p>
-
-<p>
-Auf dieser Seite des Mondes wird die Erde niemals geschaut, während
-sie auf der andern, jedenfalls unbelebten und unbewohnbaren Seite des
-Mondes unbeweglich am Himmel steht, ohne jemals auf- oder unterzugehen
-oder ihre Lage zu verändern. Sie erscheint dreizehnmal größer als uns
-auf Erden der Mond erscheint und macht innerhalb 24 Stunden alle Mondphasen
-durch. Welch herrlichen Anblick und welch strahlendes Licht gewährt
-sie dort, wo wahrscheinlich niemand sie zu bewundern vermag!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Lord Flitmore beschloß, von nun ab die Fahrt in die Welträume aufs
-äußerste zu beschleunigen und stellte den vollen Zentrifugalstrom ein; dann
-wurde eine Mahlzeit eingenommen, die John als Allerweltskünstler inzwischen
-bereitet hatte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a>
-Da die Weltallreisenden dringendes Ruhebedürfnis verspürten, wurde
-beschlossen, daß sich nun jeder in sein eigenes Schlafgemach zurückziehen
-solle, um einige Stunden des Schlafes zu pflegen.
-</p>
-
-<p>
-Bei den zahlreichen Räumen, die Lord Flitmores Sannah enthielt, hatte
-nämlich jeder ein besonderes und sehr geräumiges Schlafzimmer zur Verfügung.
-</p>
-
-<p>
-Zuvor aber wurde der Wachdienst geregelt.
-</p>
-
-<p>
-Es wurde allgemein anerkannt, daß eine ständige Wache unerläßlich
-sei, einmal weil bei einer Fahrt von solch rasender Geschwindigkeit, wie
-sie jetzt ausgeführt wurde, unbekannte Gefahren jederzeit drohten; sodann
-weil besonders interessante Erscheinungen sich bieten konnten, die sich niemand
-gerne hätte entgehen lassen mögen.
-</p>
-
-<p>
-Die Schlafzeit wurde auf 8 Stunden festgesetzt, und da Mietje darauf
-bestand, ihren Wachdienst gleich den Männern zu versehen, wurde jede
-&bdquo;Nacht&ldquo;, wenn man die Zeit des Schlafes so nennen wollte, in drei Wachen
-eingeteilt, so daß auf jeden alle 48 Stunden eine Wache von etwa 2¾ Stunden
-kam; gewiß keine übermäßige Leistung, da er hernach schlafen konnte, so
-lange es ihm behagte.
-</p>
-
-<p>
-Der jeweilige Wachhabende hatte die Runde durch alle Beobachtungszimmer
-zwei- oder dreimal zu machen, um alle Himmelsrichtungen zu beobachten.
-Sah er eine Gefahr oder etwas besonders Merkwürdiges, so
-war er verpflichtet, das elektrische Läutwerk erklingen zu lassen, das in
-allen Gemächern zugleich ertönte und von jedem Zimmer aus durch den
-Druck auf einen Knopf in Tätigkeit gesetzt werden konnte.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-10">
-<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />7. Eine ernste Gefahr.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Lord Flitmore übernahm die erste Wache.
-</p>
-
-<p>
-Mit ungeheurer Geschwindigkeit stürzte die Sannah ins Leere.
-</p>
-
-<p>
-An der Abnahme der scheinbaren Größe des Mondes berechnete der
-Lord, daß sie etwa 100 Kilometer in der Sekunde zurücklegte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Geschwindigkeit wird sich mit der Zeit noch verdoppeln, vielleicht
-verdreifachen,&ldquo; murmelte er; &bdquo;aber damit wird sie auch ihre höchste Eile
-erreicht haben. Im gegenwärtigen Tempo würden wir in neun Tagen
-die Marsbahn kreuzen, mit 300 Kilometern in der Sekunde in drei Tagen;
-dann würden wir drei Wochen benötigen, um die Jupiterbahn zu erreichen,
-weitere 25 Tage, um nach dem Saturn zu gelangen, dann 55 Tage bis
-zum Uranus und etwa 62 Tage bis zum Neptun, im ganzen fünfeinhalb
-Monate. Das würde elf Monate ausmachen, bis wir wieder zur Erde
-zurückgelangten, und so lange kann ich wohl hoffen, daß unsere Luftvorräte
-ausreichen, ganz abgesehen von der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, sie
-auf irgend einem Planeten erneuern zu können, wodurch wir in Stand
-gesetzt würden, noch unbestimmte Zeit auf die Besichtigung und Erforschung
-der Planeten zu verwenden, deren Natur unserer Konstitution einen Aufenthalt
-auf ihrer Oberfläche gestatten würde. So könnten wir also ohne
-besonderes Risiko bis an die Grenzen unseres Sonnensystems reisen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Prächtig!&ldquo; rief eine Stimme.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho, Sie sind&rsquo;s, Professor?&ldquo; sagte der Lord, sich umwendend. &bdquo;Sie
-sind zu früh dran; erst in einer halben Stunde kommt die Wache an Sie.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na! Ich habe die zwei Stunden famos geschlafen und fühle mich ganz
-munter; so wollte ich Ihnen die letzte Zeit Ihrer Wache Gesellschaft leisten;
-<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a>
-aber Sie werden müde sein; legen Sie sich nur gleich, wenn Sie wollen,
-ich bin ja auf dem Posten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich fühle nichts von Müdigkeit; ich bin es gewohnt, lange zu wachen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Also bis zum Neptun können wir reisen, wenn ich Sie recht verstand?
-Das ist ja famos!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Für mich bedeutet es vielmehr eine Enttäuschung: ich wünschte die
-Welträume jenseits unsres Sonnensystems zu erforschen; aber das scheint
-nun ausgeschlossen, denn wir würden bei einer Geschwindigkeit von nur
-300 Kilometern in der Sekunde so beiläufig 4500 Jahre brauchen, um
-den nächsten Fixstern Alpha Centauri zu erreichen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, wissen Sie, Lord, wenn wir uns hier in der Unendlichkeit bewegen,
-außerhalb des Bereichs irdischer Naturgesetze, so ist es ja wohl gar
-nicht ausgeschlossen, daß wir einige tausend Jahre alt werden,&ldquo; scherzte
-Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und auf leibliche Nahrung und Atmung in gesunder Luft dabei verzichten
-können,&ldquo; ergänzte Flitmore. &bdquo;Kann sein! Denn was ein Professor
-für möglich hält, muß sein können. Aber ich fürchte, wir würden an
-Langerweile zu Grunde gehen, wenn wir viereinhalb Tausend Jährlein
-durch den leeren Raum reisen wollten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie, Lord,&ldquo; sagte Schultze unvermittelt: &bdquo;Die Sonne wird merkwürdig
-klein!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Er hatte einen Blick zum Fenster hinausgeworfen und zu seiner Verblüffung
-bemerkt, daß die Sonnenscheibe kaum noch halb so groß erschien,
-wie gewöhnlich und auch an Glanz in ähnlichem Verhältnis abgenommen
-hatte.
-</p>
-
-<p>
-Bei einer Geschwindigkeit von 360000 Kilometern in der Stunde war
-diese Erscheinung ein Rätsel: vier bis fünf Tage von 24 Stunden hätte
-normalerweise die Fahrt währen müssen, bis die Sonne in solcher Entfernung
-sich zeigte.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore wunderte sich zunächst nicht weiter über des Professors Bemerkung:
-&bdquo;Ja,&ldquo; sagte er, &bdquo;wir entfernen uns immer mehr von unserm
-Zentralgestirn.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dabei blickte auch er zum Fenster empor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Halloh!&ldquo; rief er nun aber ganz verblüfft: &bdquo;Was soll das bedeuten?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Er griff sich an die Stirn, als zweifle er, ob er wache oder träume.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a>
-&bdquo;Lord, die Sannah macht nicht 300, sondern 15000 Kilometer in der
-Sekunde,&ldquo; rief Schultze aus: &bdquo;Auf diese Weise erreichen wir Alpha Centauri
-bereits in 90 Jahren; wenn übrigens die Geschwindigkeit Ihres wunderbaren
-Weltschiffes im gleichen Tempo noch weiter zunimmt, wie anzunehmen
-ist, so können auch 90 Tage daraus werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ausgeschlossen, völlig ausgeschlossen!&ldquo; sagte nun Flitmore ruhig und
-bestimmt, ging hin und unterbrach den Zentrifugalstrom.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was machen Sie da?&ldquo; frug der Professor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es war die höchste Zeit, daß wir die Sachlage entdeckten,&ldquo; erklärte
-der Lord: &bdquo;Wir müssen bereits über die Marsbahn hinausgekommen sein.
-Hätte ich mich zur Ruhe gelegt und Sie hätten die Bedeutung der auffallenden
-Erscheinung nicht erkannt, so wären wir rettungslos verloren
-gewesen. Ja, verloren im unendlichen Raum! Es handelt sich hier nicht
-um eine fabelhafte Geschwindigkeit unseres Fahrzeugs, sondern um die
-rasende Schnelligkeit, mit der unser Sonnensystem durch das Weltall saust.
-Da wir die Anziehungskraft für uns aufgehoben hatten, nahm uns das
-Sonnensystem auf seiner Fahrt nicht mit, sondern drohte, uns hinter sich
-zurück im Raum zu lassen.&ldquo;,
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Erlauben Sie, Lord! Die Sonne soll sich freilich mit ihren Trabanten
-auf das Sternbild des Herkules zu bewegen, aber nur mit 16 Kilometern
-in der Sekunde, so daß diese Bewegung gegen die 300 Sekundenkilometer
-der Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre rasche <a id="corr-2"></a>Entfernung
-von der Sonne erklärt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht, Professor; aber da ist eine Bewegung, die kein
-irdischer Astronom erkennen konnte, die aber geahnt und vermutet worden
-ist, und die sich in diesem Augenblick enthüllt hat: Die ganze Fixsternwelt,
-innerhalb deren sich die einzelnen Systeme bewegen, wie etwa unser Sonnensystem
-nach dem Herkules, bildet wiederum ein großes System, das offenbar
-mit 15000 oder noch mehr Sekundenkilometern wie ein Strom durch
-die Unendlichkeit des Raums dahinfährt und diese Strömung ist es, die
-drohte uns unser Sonnensystem in kurzer Zeit zu entführen, so daß wir
-im Leeren zurückgeblieben wären, fern von allen Weltkörpern, die uns
-hätten anziehen oder abstoßen können und uns so die Aussicht gewährt
-hätten, irgendwo zu landen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nanu! So hätten wir eben zuwarten müssen, bis der große Weltenstrom
-neue Welten in unsre Nähe geführt hätte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a>
-&bdquo;Ein guter Gedanke; aber wer weiß, wie viele tausend Jahre wir
-darauf hätten warten müssen. Jedenfalls zog ich es vor, uns wieder dem
-Einfluß der Anziehungskraft zu überlassen, da es zunächst für unsre Sicherheit
-notwendig erscheint, unser Sonnensystem nicht zu verlassen. Jetzt werden
-wir voraussichtlich in die Attraktionssphäre des Mars geraten und müssen
-aufpassen, daß wir nicht unsanft auf ihn herabstürzen. Ich werde mich
-daher nicht zur Ruhe begeben, um meine Maßregeln rechtzeitig treffen zu
-können.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-11">
-<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />8. Die großen Astronomen.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Unsre Freunde hatten beschlossen, ihre Zeitrechnung nach irdischem Maßstab
-einzuteilen, um jeglicher Verwirrung der Begriffe zu entgehen, und so
-war es, wie die Uhren der Sannah anzeigten, 8 Uhr morgens, als sich
-alle um den Frühstückstisch im Nordpolzimmer versammelten.
-</p>
-
-<p>
-Die Schlafgemächer befanden sich sämtlich in den inneren Räumen, die
-auf künstliche Beleuchtung angewiesen waren; die vier Säle, die sich in
-der Äquatorlinie der Sannah befanden, hatten stets abwechselnd eine Stunde
-Tag und eine Stunde Nacht; im Südpolzimmer dagegen herrschte zur Zeit
-beständige Nacht, im Nordpolzimmer unaufhörlich Tag. Aus diesem Grunde
-wurde letzteres zum gewöhnlichen Aufenthaltsort gewählt.
-</p>
-
-<p>
-Schultze berichtete eingehend über die Vorkommnisse der vergangenen
-Nacht und schloß mit den Worten: &bdquo;Die Tatsache, daß die Erde mit dem
-Mond so rasch aus unserem Gesichtskreis entschwand, sowie daß das ganze
-Sonnensystem uns zu entfliehen drohte, ist der erste praktische Beweis für
-die Richtigkeit des kopernikanischen Systems.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wieso?&ldquo; fragte Heinz Friedung erstaunt: &bdquo;Ich meinte, nichts von der
-Welt stehe so sicher wie dieses System und es sei längst schon als zweifellos
-richtig erwiesen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da sieht man die Schulweisheit!&ldquo; lachte der Professor: &bdquo;Was einer
-glaubt, verkündigt er, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Einbildung, gewöhnlich
-als zweifellose Wahrheit. So werden den Schülern und selbst den
-Studenten die anerkannten wissenschaftlichen Vermutungen als felsenfest
-stehende Wahrheiten verkündigt. Meist lassen sie sich dadurch täuschen,
-und so kommt es, daß die große Menge sowie auch die von ihrer eigenen
-Unfehlbarkeit überzeugten Gelehrten glauben, jeden verhöhnen und als
-<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a>
-ungebildet und rückständig brandmarken zu dürfen, der ihren Glauben
-nicht teilt und an dem zweifeln zu dürfen glaubt, was als modernster
-Standpunkt der Wissenschaft gilt.
-</p>
-
-<p>
-Es ist wahr, das kopernikanische System ist überaus einleuchtend und
-erklärt am besten alle astronomischen Erscheinungen auf der Wissensstufe,
-auf der wir zur Zeit stehen; ja, unser ganzes Physikalisches Begriffssystem
-beruht auf der Voraussetzung seiner Richtigkeit. Aber zweifellos bewiesen
-ist diese Richtigkeit so wenig, wie irgend eine andre sogenannte &bdquo;wissenschaftliche
-Wahrheit&ldquo;. Es ist sehr unwahrscheinlich, aber durchaus nicht
-undenkbar, daß ein kommendes, fortgeschritteneres Gechlecht wieder zum
-ptolomäischen Weltsystem zurückkehrt. Dann müßte allerdings die gesamte
-astronomische Wissenschaft umgearbeitet und eine neue Physik erfunden
-werden, die sich auf der ptolomäischen Anschauung aufbauen würde. Wie
-gesagt, es ist unwahrscheinlich, daß dies geschehen wird, aber durchaus nicht
-unmöglich, denn unsre Wissenschaft baut sich lediglich auf Vermutungen
-auf, nicht auf Wissen: Tatsachen sind keine Wissenschaft, sondern erst die
-stets unsichern Schlüsse, die wir aus den Tatsachen folgern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mit Verlaub, Herr Professor,&ldquo; begann nun John Rieger, der stets
-bestrebt war, seine Bildung zu vermehren: &bdquo;Was ist das eigentlich, das
-polemische und das koperganische Weltsystem, wenn ich mir solche Frage
-aus Unbescheidenheit zu stellen gestatten darf?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß darfst du das, und ich will dich gerne aufklären: Claudius
-Ptolomäus war ein berühmter Sternkundiger im zweiten Jahrhundert vor
-Christus und lebte in der Stadt Alexandria in Ägypten. Er glaubte, die
-Erde bilde den Mittelpunkt der Welt und stehe unbeweglich fest, während
-Sonne, Mond und Sterne sich um sie bewegten, wie es ja für uns den
-Anschein hat. Diese Meinung nennt man das ptolomäische Weltsystem, an das
-man noch 1500 Jahre nach Christus allgemein glaubte.
-</p>
-
-<p>
-Nikolaus Kopernikus war ein polnischer Priester, der ein Buch schrieb,
-auf dem unsere jetzigen Anschauungen beruhen, und das im Jahre 1543
-erschien. Hier erklärt er nicht nur, daß die Erde sich um ihre Achse dreht,
-woraus Tag und Nacht entstehen, sondern daß sie auch in einem Jahre
-sich um die Sonne bewegt, die den stillstehenden Mittelpunkt unseres Sonnensystems
-bilde, um den sich auch die andern Planeten oder Wandelsterne
-drehen. Ja, er entdeckte auch eine dritte Bewegung der Erde, die
-Schwankung ihrer Achse, die er Deklination nannte, durch welche bewirkt
-<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a>
-wird, daß das Erdenjahr nicht völlig mit einer scheinbaren Umdrehung des
-Himmels zusammenfällt, so daß die Tag- und Nachtgleichen etwas zu früh
-eintreten. Die Ansicht des Kopernikus nennt man das kopernikanische
-Weltsystem.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na!&ldquo; meinte John geringschätzig: &bdquo;Der Ptolomäus muß ja ein ganz
-törichter und ungebildeter Mensch gewesen sein und was der Kopernikus
-behauptet hat, ist nichts besonderes: Das weiß ja jedes Kind, daß sich
-die Erde um die Sonne dreht!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Weil man es ihm in der Schule sagt, mein Freund. Aber du mußt
-bedenken, dem Kopernikus hat es niemand gesagt, der hat es aus sich
-selbst heraus gefunden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Halt, Professor!&ldquo; widersprach der Lord: &bdquo;Es ist eine uralte Weisheit
-der Ägypter, die Kopernikus aufwärmte, wodurch jedoch sein Verdienst
-nicht geschmälert sein soll. Schon in den ältesten Zeiten gab es große
-Geister, die auffallend richtige Begriffe über die Erde und unser Sonnensystem
-besaßen. Sie scheinen dieselben von den ägyptischen Priestern überkommen
-zu haben und diese vielleicht von den Chaldäern. Aber das Verdienst
-dieser scharfen Denker ist es, daß sie diese damals so unglaublichen
-Wahrheiten als richtig erkannten und auf Grund derselben wissenschaftliche
-Großtaten vollbrachten.
-</p>
-
-<p>
-Denken Sie an die Cheopspyramide, die 3000 Jahre vor Christus
-erbaut wurde und deren Maße in überraschend genauem Verhältnis zum
-Umfang der Erde und zu einigen erst in neuester Zeit wieder entdeckten
-astronomischen Entfernungsmaßen stehen. Ihre Kanten sind nach den vier
-Himmelsrichtungen gerichtet, und in der königlichen Leichenkammer befindet
-sich ein Spiegel, der durch einen langen, geneigten Tunnel unaufhörlich
-nach dem Polarstern blickt. Wer solche Berechnungen auszuführen vermochte,
-besaß Fähigkeiten und wissenschaftliche Kenntnisse, eine Beobachtungsgabe
-und eine Denkkraft, die auch von den ersten Größen unserer
-modernen Astronomie Kopernikus, Keppler, Galilei und Isaak Newton
-nicht übertroffen wurde.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht&ldquo;, gab Schultze zu: &bdquo;Die Alten hatten gewaltige Geister,
-die ohne unsre modernen Hilfsmittel, ohne Teleskop und Spektralanalyse,
-beinahe so viel erreichten, wie unsre modernsten wissenschaftlichen Größen
-mit all den Vorteilen der Riesenarbeit ihrer Vorgänger und der vollkommensten
-Instrumente.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a>
-Schon der griechische Weltweise Bion lehrte 500 Jahre vor Christus
-die Kugelgestalt der Erde und behauptete, es müsse auf unsrer Erde Gegenden
-geben, auf denen es sechs Monate lang Tag und sechs Monate Nacht sei.
-Eratosthenes von Alexandria rechnete den Umfang der Erde mit verblüffendem
-Scharfsinn und erstaunlicher Genauigkeit aus, wobei er zu annähernd
-demselben Ergebnis kam, wie lange vor ihm die Chaldäer.
-</p>
-
-<p>
-Der Geograph Strabo ahnte Amerika, da er sagte, es könne noch
-zwei oder mehrere unbekannte Kontinente auf der Erdkugel geben. Aristarch
-wagte es, die Entfernung und Größe des Mondes und der Sonne zu berechnen,
-wobei er die Größe des Mondes und die Entfernung der Sonne
-fast genau so angab, wie wir sie heute erforscht haben: das waren Maßstäbe,
-die für jene Zeiten geradezu ungeheuerlich erscheinen mußten. Posidonius
-lieferte eine wahrhaft wunderbare Berechnung der Erdatmosphäre
-und der Lichtbrechung, und ebenso erstaunlich ist seine Berechnung der Größe
-der Sonne: wir ahnen nicht, mit welchen Mitteln er solche verblüffende
-Ergebnisse erreichte.
-</p>
-
-<p>
-Auch Apollonius von Pergä war ein solcher Geistesriese, der den Begriff
-der Parallaxe entdeckt haben soll, das heißt die Methode zur Berechnung
-der Entfernung der Gestirne. Hipparch berechnete den Schattenkegel
-des Mondes mit großer Genauigkeit und schloß daraus auf die Entfernung
-von Sonne und Mond.
-</p>
-
-<p>
-Pythagoras lehrte die Bewegung der Erde als Ursache der scheinbaren
-Bewegung der Gestirne; Aristarch erkannte, daß die Erde sich um
-die Sonne drehe und daß die Fixsterne sich in ungeheurer Entfernung von
-uns befinden. Dies alles scheint übrigens Demokrit schon 400 Jahre vor
-Christus erkannt zu haben.
-</p>
-
-<p>
-Archimedes hatte schon die ersten Ideen von der Gravitation. Aber
-all diese kühnen Fortschritte lagen hernach jahrhundertelang brach und vergessen,
-bis Kopernikus sein großes Werk schrieb, zu dessen Prophet sich
-der unglückliche Giordano Bruno aufwarf.
-</p>
-
-<p>
-Dann kam Tycho Brahe, der große Beobachter, dem Kepler so viel
-verdankte. Johann Kepler stellte die berühmten Gesetze der Planetenbewegung
-auf, ihre elliptische Bahn um die Sonne, das Gesetz ihrer
-Bewegungsgeschwindigkeit im Verhältnis zu ihrer Bahn und das Gesetz
-des Verhältnisses ihrer Umlaufzeit zu ihrer mittleren Entfernung zur
-Sonne.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a>
-Galilei benutzte als erster das Fernrohr, entdeckte die Monde des
-Jupiter und die Mondphasen der Venus; Cassini berechnete die Entfernung
-der Sonne aus ihrer Parallaxe beim Durchgang des Mars; Römer und
-Leverrier maßen die Geschwindigkeit des Lichts, Newton stellte die Gesetze
-der Gravitation auf; Kant und Laplace brachten das Weltall mit seinen
-Bewegungsgesetzen in ein großartiges System und erklärten seine Entstehung,
-Entwicklung und seine Zukunft. Endlich entdeckte Herschel den Planeten
-Uranus, Piazzi, Gauß und Olbers die Planetoiden, wiederum Herschel die
-Eigenbewegung der Fixsterne und das Vorhandensein von Doppelsternen;
-er war es auch, der die Nebelflecke studierte.
-</p>
-
-<p>
-Als nun noch im Jahre 1838 die erste Fixsternparallaxe berechnet
-wurde, was uns in den Stand setzte die Entfernung und Größe der Himmelskörper
-außerhalb unsres Sonnensystems zu berechnen, waren die großen
-astronomischen Entdeckungen zu Ende, wenn wir absehen von den wunderbaren
-Enthüllungen durch die Spektralanalyse.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Danke, weisester aller Professoren!&ldquo; sagte Münchhausen lachend: &bdquo;Sie
-haben uns da einen Vortrag gehalten, der wahrhaftig ein Abriß der Geschichte
-der Astronomie in den letzten 10000 Jahren genannt werden darf.
-Aber in einem Punkte irren Sie: Sie haben sozusagen die großen astronomischen
-Entdeckungen für abgeschlossen erklärt, und vergessen, daß sie
-eben jetzt erst recht anfangen, seit wir ausgezogen sind, das Weltall persönlich
-zu erforschen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und jetzt haben wir die beste Gelegenheit zu solchen Entdeckungen,&ldquo;
-sagte Mietje, die soeben eingetreten war. Sie hatte einen Rundgang durch
-die Beobachtungszimmer gemacht, wie er abwechselnd jede halbe Stunde
-ausgeführt wurde, um vor unliebsamen Überraschungen sicher zu sein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was gibt&rsquo;s?&ldquo; fragte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir nähern uns dem Mars mit großer Geschwindigkeit&ldquo;, erwiderte
-seine Gattin.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore stand auf: &bdquo;Lassen Sie uns sehen, meine Herren&ldquo;, sagte er,
-und alle folgten ihm in eines der Äquatorialzimmer, von dem aus die
-Lady den Planeten beobachtet hatte.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-12">
-<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />9. Der Mars.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die Sannah, die seit der vergangenen Nacht, wenn man von einer
-Nacht reden konnte, nicht mehr von dem Strom der Fliehkraft durchkreist
-wurde, befand sich in der Anziehungssphäre des Planeten, der seit lange
-den Beobachtungseifer und die Phantasie der Astronomen am meisten angeregt
-hat.
-</p>
-
-<p>
-Man war ihm schon so nahe, daß man die größeren Gebilde seiner
-Oberfläche deutlich unterscheiden konnte, ohne das Fernrohr zu benutzen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich ja alle Wissenschaft auf!&ldquo; war das erste, was Schultze
-überrascht und enttäuscht ausrief: &bdquo;Soll das wirklich der Mars sein? Wo
-sind denn die Kanäle, meine geliebten Kanäle, die ich so fleißig beobachtet
-und mit solcher Zärtlichkeit studiert habe, das Wunder, das Rätsel des
-Mars?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Von Kanälen war in der Tat keine Spur zu sehen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore meinte, zum Professor gewendet: &bdquo;Ich habe nie recht an jene
-merkwürdigen Kanalbildungen glauben können und vermutete, daß es sich
-um optische Täuschung handle. Der Mars ist bedeutend kleiner als unsre
-Erde, sein Halbmesser beträgt wenig mehr als die Hälfte des ihrigen; seine
-Polarregionen sind von ungeheurer Ausdehnung, namentlich im Winter.
-Und nun sollen die mutmaßlichen Bewohner des kleinen bewohnbaren Erdstrichs
-das Land mit einem gewaltigen Netz ungeheurer Kanäle durchzogen
-haben?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Warum nicht?&ldquo; fragte Schultze eigensinnig: &bdquo;Wenn es die Bewässerung
-des Landes verlangte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bei den ausgedehnten Eis- und Schneemassen der Pole, den ungeheuren
-Schneefällen im Winter und angesichts der meist äußerst raschen Schneeschmelze
-im Frühling kann ich an Wassermangel auf dem Mars nicht glauben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a>
-&bdquo;Na! Aber die Kanäle sollten doch den Wasserzufluß regeln, ihn über
-das ganze Land verteilen und Überschwemmungen verhüten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz schön, wenn es Kanäle von vernünftigen Größenverhältnissen
-wären und von vernünftigem Verhalten. Aber diese angeblichen Kanäle
-zeigten eine Breite von 60 bis 300 Kilometern: ich bitte Sie, was soll
-das? Das sind ja unsinnige Maße für einen Kanal! Wenn sie nun aber
-wenigstens beständig so geblieben wären, aber da wurde ein und derselbe
-Kanal einmal breiter, dann wieder schmäler; mit Vorliebe verdoppelte er
-sich plötzlich, oft innerhalb 24 Stunden, ebenso rasch konnte die Verdoppelung
-wieder verschwinden und hie und da der ursprüngliche Kanal ebenfalls;
-dann wieder verschwand ein alter Kanal und zwei neue erschienen
-an seiner Stelle.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, ja! das waren eben die Rätsel dieser merkwürdigen Kanäle,&ldquo;
-beharrte der Professor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und nun ist ihr Rätsel gelöst,&ldquo; lachte Flitmore: &bdquo;Sie sind einfach gar
-nicht vorhanden, diese famosen Kanäle.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das muß ich allerdings zugeben&ldquo;, gestand der Gelehrte zu: &bdquo;Aber
-die Sache ist nur umso rätselhafter.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Doch auch ohne diese geheimnisvollen Gebilde erschien die Landschaft
-merkwürdig genug: weiß leuchtete der Nordpol mit seinen Eis- und Schneefeldern;
-das schneefreie Land gegen den Äquator erschien rötlichgelb unterbrochen
-von dunkelgrün bewachsenen Streifen; einige kleine Meere oder
-große Seen trennten streckenweise die Kontinente und breite Flüsse zogen
-silbergraue Bänder durch die Ebenen.
-</p>
-
-<p>
-Überhaupt erschien fast alles eben. Größere Gebirge waren keinesfalls
-vorhanden und kleinere Erhebungen ließen sich aus der Höhe, in welcher
-sich die Sannah befand, nur an den Schatten erkennen, die sie warfen;
-wo jedoch die Sonne die Täler voll erleuchtete, konnte Berg und Tal überhaupt
-nicht unterschieden werden.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen stürzte das Weltschiff mit blitzartiger Schnelle gegen den
-Planeten und man sah alles von Sekunde zu Sekunde wachsen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore beeilte sich daher, den Zentrifugalstrom zu schließen; ehe die
-Sannah in die atmosphärische Hülle des Planeten gelangte, damit ihre
-Außenwandungen nicht etwa durch die ungeheure Reibung in Glut versetzt
-würden.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a>
-Der Sturz verlangsamte sich nun zusehends, bis die abstoßende Kraft
-die Fallgeschwindigkeit überwand und das Weltschiff zunächst ganz langsam
-zu steigen begann.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wollen wir eine Landung auf dem Mars unternehmen?&ldquo; fragte nun
-der Lord.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hurrah!&ldquo; rief Schultze begeistert.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O ja, bitte!&ldquo; schmeichelte Mietje.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich bin dabei!&ldquo; sagte Münchhausen: &bdquo;die Kerkerhaft behagt mir auf
-die Dauer nicht, wenn sie auch erst zwölf Stunden währt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das wird herrlich!&ldquo; rief Heinz seinerseits begeistert.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und was sagst du, John?&ldquo; wandte sich Flitmore an den Diener.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sir, ich habe nichts dareinzureden, was Ihre unmaßgebliche Entschließungswillkür
-betrifft; aber was meine Spezialität in dieser Fragesache
-betreffen möchte, so wäre es mir besonders genehm, freie Luft zu schöpfen,
-obwohl sozusagen die Luft hier innen ausgezeichnet für die Atmungsorkane ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Also, wir landen&ldquo;, entschied der Lord, &bdquo;da es einstimmig gewünscht
-wird; die Schimpansen können wir ja nicht um ihre Meinung befragen
-und so müssen Dick und Bobs sich der Mehrheit fügen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Gleichzeitig unterbrach er wieder die Fliehkraft; sobald ihm jedoch
-die Sturzgeschwindigkeit in bedenklichem Maße zuzunehmen schien, schloß
-er wieder den Strom auf einige Sekunden.
-</p>
-
-<p>
-Durch dieses abwechselnde Öffnen und Schließen wurde ein langsames
-Fallen ermöglicht, das noch durch die Marsatmosphäre gemildert wurde,
-sobald man diese erreicht hatte.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-13">
-<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />10. Eine Landung auf dem Mars.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Sobald die Anziehungskraft des Mars auf die Sannah wirkte, verlangsamte
-sich ihre Umdrehungsgeschwindigkeit und als sie sich zuletzt auf
-den Planeten herabsenkte, hörte ihre Eigenbewegung ganz auf und ihr
-Schwerpunkt wurde in den Mittelpunkt der Marskugel verlegt; diesmal
-hatte Flitmore diese Änderungen vorausgesehen und dafür gesorgt, daß die
-Gesellschaft nicht wieder durch einen Sturz gegen die Wände oder gegen
-die Decke überrascht wurde.
-</p>
-
-<p>
-Der Stoß, den die Landung verursachte, war im oberen Raume, wo
-sich alle zu dieser Zeit aufhielten, kaum spürbar.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir werden vom Nord- oder Südpolzimmer aus aussteigen müssen&ldquo;,
-erklärte der Lord: &bdquo;dort liegen die Ausgangspforten neben den Fenstern
-bei unsrer jetzigen Lage in wagrechter Linie, das heißt parallel zur Marsoberfläche,
-und mittels einer Strickleiter können wir hinabsteigen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lassen Sie mich als Ersten die Sannah verlassen&ldquo;, bat Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, junger Freund!&ldquo; widersprach Schultze: &bdquo;Ich werde zuerst hinausgehen;
-wir kennen die Zusammensetzung der Marsatmosphäre nicht. Wer
-weiß, ob sie nicht auf unsre Lungen eine gefährliche, vielleicht <a id="corr-3"></a>tödliche
-Wirkung ausübt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eben deswegen will ich ja die erste Probe machen&ldquo;, sagte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nichts da!&ldquo; polterte Kapitän Münchhausen: &bdquo;Ich will zuerst hinaus;
-meine Lungen sind die verschiedensten Dünste gewöhnt und können am
-ehesten etwas aushalten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie?&ldquo; lachte der Professor: &bdquo;Seien Sie froh, wenn Sie in normaler
-Luft schnaufen können! Überhaupt könnten Sie in der Öffnung stecken
-bleiben oder uns durch Ihr Gewicht die Strickleiter ruinieren. Sie kommen
-jedenfalls zuletzt daran.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a>
-&bdquo;Ich gehe voran!&ldquo; entschied Flitmore: &bdquo;Es ist dies sowohl mein Recht
-als meine Pflicht, da ich der Unternehmer der Weltfahrt bin.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unter keinen Umständen darfst du dich einer solchen Gefahr aussetzen,
-Charles&ldquo;, wandte nun Mietje ein: &bdquo;Ich bitte dich, laß mich den
-ersten Versuch machen; ich kann ja gleich wieder zurück, wenn ich spüre,
-daß da giftige Gase sind.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn die Herrschaften gütigst zu gestatten belieben wollten,&ldquo; ließ sich
-der biedere John vernehmen, &bdquo;so ist das alles nicht in der Richtigkeit,
-als daß vielmehr meine Person den Anfang zu machen hat, indem daß
-mein etwaiger Verlust auch am wenigsten wertvoll wäre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Aber Heinz Friedung machte diesem edlen Wettstreit ein Ende durch
-folgende vernünftige Bemerkung:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir haben ja die beiden Affen, Dick und Bobs; schieben wir die vor:
-für sie ist auch am wenigsten Gefahr vorhanden, da ihr Instinkt sie davor
-bewahren wird, das Fahrzeug zu verlassen, wenn sie draußen keine gesunde
-Luft wittern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist die beste Lösung,&ldquo; stimmte der Lord zu: &bdquo;daran hätten wir
-auch gleich denken können! Übrigens bin ich überzeugt, daß die Lufthülle
-des Mars sich höchstens in der Dichtigkeit von der irdischen unterscheidet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die luftdicht schließende Tür des Südpolzimmers, in das man sich begeben
-hatte, wurde geöffnet; ein angenehmer frischer Luftzug strich herein.
-Vergnügt schwangen sich Dick und Bobs durch die Öffnung und turnten an
-den Rampen, die an der äußeren Hülle der Sannah angebracht waren, hinab.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist also keine Gefahr,&ldquo; sagte Flitmore und befestigte mit Johns
-Hilfe die Strickleiter, um dann als erster, von seiner treuen Gattin gefolgt,
-den Abstieg zu wagen.
-</p>
-
-<p>
-Nach Mietje kam Heinz und dann der Professor.
-</p>
-
-<p>
-Schultze rief dem Kapitän zu: &bdquo;Daß Sie sich nicht unterstehen, die Strickleiter
-zu betreten, ehe wir andern alle den sichern Erdboden erreicht haben,
-denn sonst könnte es uns schlimm ergehen, wenn die Stricke unter Ihrer
-Last reißen oder die Sprossen krachen und Ihre beträchtliche Masse auf
-uns herabstürzt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Aber Flitmore hatte bei Ankauf der Strickleitern Münchhausens Gewicht
-in Betracht gezogen. Wohl ächzten die Seile und die Sprossen bogen
-sich knarrend, als der Kapitän sie hinter John betrat; aber sie hielten vorzüglich.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a>
-&bdquo;Na! Daß Sie nicht in der Türöffnung stecken blieben, nimmt mich
-Wunder,&ldquo; lachte Schultze, als alle glücklich unten waren.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore aber erklärte: &bdquo;Da ich von vornherein auf die Begleitung unsres
-werten Kapitäns hoffte, habe ich sämtliche Türenmaße nach seinen leiblichen
-Verhältnissen berechnet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das war vernünftig und edel von Ihnen, Lord,&ldquo; erkannte Münchhausen
-in gutmütiger Heiterkeit an: &bdquo;Freilich, unserm bösen Professor hätte
-es Spaß gemacht, mich hilflos und elend im Türrahmen stecken bleiben
-zu sehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen sah sich die Gesellschaft neugierig auf ihrem neuen Aufenthaltsort
-um.
-</p>
-
-<p>
-Als erstes war ihnen aufgefallen, daß der Erdboden merkwürdig weich
-war: die Sannah hatte sich ziemlich tief in ihn eingegraben und bei jedem
-Schritt sank man ein.
-</p>
-
-<p>
-Die Landschaft erschien sanft gewellt und die Bodenwellen liefen meist
-parallel und geradlinig, wurden aber zuweilen von langen Hügelrücken gekreuzt,
-die in andrer Richtung verliefen.
-</p>
-
-<p>
-Zwischen den Erhöhungen befanden sich mehr oder weniger breite ebene
-Flächen, die versumpft zu sein schienen und mit einem Gewirr von dunkeln
-Pflanzen bedeckt waren. Die Hügelrücken waren zum Teil kahl, meist aber
-mit Buschwerk und Wäldern bedeckt, vielfach auch mit Präriegras; nirgends
-aber sah man frisches Grün: die Gräser, die Blätter der Pflanzen und
-Bäume waren durchweg gelb und rot oder rotbraun, so daß alles ein
-herbstliches Aussehen hatte, obgleich in diesen Marsbreiten zur Zeit erst der
-Frühsommer begann.
-</p>
-
-<p>
-Da sich übrigens der Abend bereits herabsenkte, wurde John beordert,
-aus dem Weltschiff Zelte und Eßwaren herbeizuschaffen; denn alle freuten
-sich darauf, im Freien zu kampieren.
-</p>
-
-<p>
-Brennholz war reichlich vorhanden; Feuer wurden entzündet zur Bereitung
-eines warmen Mahles und zur Abhaltung etwaiger wilder Tiere.
-</p>
-
-<p>
-Alle, auch Mietje, waren mit Gewehren und Dolchmessern bewaffnet
-und mit Explosionskugeln versehen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore wies auf die langgestreckten Sümpfe: &bdquo;Sehen Sie, Professor,&ldquo;
-sagte er: &bdquo;Diese endlos erscheinenden dunkeln Streifen, die teils neben
-einander her laufen, teils einander kreuzen, können sehr wohl bei großer
-Entfernung den Eindruck von Kanälen machen.&ldquo;
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_048">
-<img src="images/plate_048.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Im Kampf mit den Würmern.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a>
-&bdquo;Aber die Veränderlichkeit der beobachteten Gebilde erklären sie nicht,&ldquo;
-wandte Schultze ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Vielleicht finden wir auch dafür noch eine Lösung,&ldquo; meinte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Marsluft ist übrigens ganz herrlich,&ldquo; rühmte der Kapitän tiefatmend:
-&bdquo;Ich schlage vor, daß wir hier einen Luftkurort und eine Sommerfrische
-gründen: ausgezeichnete Geschäfte werden wir damit machen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mietje erhub nun die Frage: &bdquo;Wie lange wird die Nacht hier dauern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nicht viel länger als eine gewöhnliche Erdennacht,&ldquo; belehrte sie Schultze:
-&bdquo;Der Mars dreht sich um seine Achse in 24 Stunden, 37 Minuten und
-22½ Sekunden. Dagegen sind die Jahreszeiten dahier verhältnismäßig
-lang: ein Marsjahr hat 668 Marstage, was etwa 682 Erdentagen entspricht.
-Auf der nördlichen Halbkugel, auf der wir uns befinden, hat der
-Frühling 191, der Sommer 181, der Herbst 149, der Winter 117 Marstage;
-auf der südlichen Halbkugel sind Frühling und Sommer viel kürzer,
-nämlich 149 und 147 Tage, aber auch viel heißer, weil der Planet in
-dieser Zeit der Sonne am nächsten kommt; der Herbst und Winter mit
-191 und 181 Tagen sind dagegen dort um so kälter, da sie mit der
-Sonnenferne des Mars zusammenfallen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nach eingenommenem Mahl wurden die Nachtwachen verteilt, und dann
-begab man sich zur Ruhe.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-14">
-<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />11. Die Schrecken des Mars.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Heinz hatte die zweite Nachtwache.
-</p>
-
-<p>
-Ihm war etwas unheimlich zumut auf diesem fremden Weltkörper, der
-völlig neue und unbekannte Gefahren bergen mochte. Eigentliche Angst
-hatte der junge Mann zwar nicht, dazu besaß er zuviel persönlichen Mut,
-verbunden mit körperlicher und geistiger Gesundheit; aber eines eigentümlichen,
-beklemmenden Gefühls konnte er sich nicht erwehren.
-</p>
-
-<p>
-Das Lager befand sich auf einem breiten Hügelrücken, auf dem die
-Sannah gelandet war und der sich ins Unendliche zu erstrecken schien.
-Ebenso unendlich hatte bei Tageslicht der Sumpf ausgesehen, der die etwa
-200 Kilometer breite Vertiefung zwischen dieser und der nächsten Hügelkette
-ausfüllte.
-</p>
-
-<p>
-Und diese sumpfige Niederung schien bei Nacht in unheimliche Lebendigkeit
-zu geraten.
-</p>
-
-<p>
-Bestimmte Laute konnte der junge Wächter nicht vernehmen, wohl aber
-ein dumpfes Gemeng von Tönen, als ob da Tausende von Geschöpfen
-raschelten und plätscherten.
-</p>
-
-<p>
-Unwillkürlich kamen dem Aufhorchenden die unsterblichen Verse aus
-Schillers Taucher in den Sinn:
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">&bdquo;Da unten aber ist&rsquo;s fürchterlich,</p>
- <p class="verse">Und der Mensch versuche die Götter nicht</p>
- <p class="verse">Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,</p>
- <p class="verse">Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.&ldquo;</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a>
-Und weiter:
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">&bdquo;Das Auge mit Schaudern hinunter sah,</p>
- <p class="verse">Wie&rsquo;s von Salamandern und Molchen und Drachen</p>
- <p class="verse">Sich regt&rsquo; in dem furchtbaren Höllenrachen.</p>
- <p class="verse">Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,</p>
- <p class="verse">Zu scheußlichen Klumpen geballt,</p>
- <p class="verse">Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,</p>
- <p class="verse">Des Hammers greuliche Ungestalt.</p>
- <p class="verse">&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; &mdash;</p>
- <p class="verse">Und schaudernd dacht&rsquo; ich&rsquo;s, &mdash; da kroch&rsquo;s heran,</p>
- <p class="verse">Regte hundert Gelenke zugleich ...</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Soweit war Heinz in seinen Gedanken gekommen, da kroch wirklich
-etwas heran. Es schien eine Schlange zu sein, an und für sich kein besonders
-großes Tier, etwa armsdick und ungefähr drei Meter lang; aber
-als der Schein des Feuers den glatten, feuchten, rötlichen Leib erleuchtete,
-kam es dem Jüngling doch wie ein grauenerregendes Ungeheuer vor; denn
-es glich einem Regenwurm, und für einen solchen war seine Größe doch
-geradezu riesenhaft.
-</p>
-
-<p>
-Der spitz zulaufende Kopf zeigte zwei äußerst kleine, blasse Augen, die
-kaum als solche zu erkennen waren; der Mund glich nur einem runden
-Loch und schien zum Saugen und nicht zum Beißen bestimmt.
-</p>
-
-<p>
-Der widerliche Wurm kroch geradenwegs auf Heinz zu und kümmerte
-sich nicht um das Feuer. Hinter ihm tauchte ein zweiter auf und dann
-ein dritter, &mdash; ja der ganze Abhang schien sich zu beleben: in Scharen
-rückte das Gewürm an, als habe der Sumpf seine Heere ausgesandt, die
-unberufenen Eindringlinge auf dem Mars zu vernichten.
-</p>
-
-<p>
-Zunächst sandte Heinz dem vordersten Wurm eine Explosionskugel in
-den Leib, die ihm jedoch nur eine kleine Wunde beibrachte, da sie in der
-weichen Masse auf keinen Widerstand traf und daher überhaupt nicht
-zum Platzen kam.
-</p>
-
-<p>
-Der Wurm krümmte und wand sich, schnellte dann aber plötzlich vor
-und ringelte sich um des Schützen Fuß, in raschen Windungen an ihm
-hinaufkriechend.
-</p>
-
-<p>
-Von Schauer und Ekel erfaßt, griff der junge Mann nach seinem Dolchmesser
-und bearbeitete das Tier mit Stichen und Schnitten; allein er sah
-sich auf einmal von allen Seiten angegriffen: da erhob sich ein schlüpfriges
-Haupt, dort ein zweites und drittes; und sie wanden sich an ihm empor,
-<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a>
-all diese unheimlichen Geschöpfe und so viel Köpfe er abschnitt, seine eigenen
-Kleider in der Eile der Abwehr zerfetzend, die Zahl war zu groß, er
-konnte nicht mit ihnen fertig werden!
-</p>
-
-<p>
-Ein stechender Schmerz im Nacken ließ ihn nach hinten greifen: er berührte
-den kalten schleimigen Leib eines der Würmer, der sich dort festgesogen
-hatte und ihm das Blut aussaugte; und schon hing ein andrer
-der gräßlichen Köpfe an seiner Wange.
-</p>
-
-<p>
-Heinz warf sich zu Boden und wälzte sich wie wahnsinnig umher; aber
-er kam nicht los: nur immer neue schlüpfrige Ringe spürte er sich um
-seine Glieder ziehen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore war durch den Schuß geweckt worden und trat aus seinem
-Zelt. Mit lautem Hallo weckte er die Genossen und stürzte sich selber mit
-dem Messer auf das überall sich ringelnde Gewürm; denn mit dem Gewehr
-war hier nichts anzufangen, das sah er gleich.
-</p>
-
-<p>
-Es gelang dem Lord, den jungen Freund frei zu machen; aber er
-selber war bereits von einigen der Würmer umschlungen und auch Heinz
-wurde alsbald wieder angefallen.
-</p>
-
-<p>
-Laut kreischend stürzte Mietje aus ihrem Zelt: die widerlichen Sumpftiere
-waren dort eingedrungen und eines davon hing an ihrem weißen
-Arm.
-</p>
-
-<p>
-Aber wie sah es hier draußen aus! Sie schauderte, denn überall trat
-ihr Fuß auf ähnliche ekelhafte Geschöpfe, die sich krümmten und an ihr
-emporwanden.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen war auch Schultze auf dem Plan aufgetaucht. Die wimmelnden
-und sich bäumenden Geschöpfe, die den Boden bedeckten, erregten zunächst
-sein wissenschaftliches Interesse.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das sind ja Ringelwürmer von fabelhafter Größe&ldquo;, rief er aus:
-&bdquo;Lumbriciden oder Regenwürmer, nichts andres! Wirklich kolossale Geschöpfe!
-Aber eigentlich nichts Auffallendes: gab es Schalentiere, Schneckenarten
-von riesenhaften Formen, warum nicht auch Nacktschnecken und
-Würmer? Ich vermute sogar, daß ähnliche Geschöpfe zur Zeit der Ammoniten
-auch die Erde bevölkerten; Spuren ihres Daseins konnten sie natürlich
-nicht hinterlassen, da sie knochenlose Weichtiere sind.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Helfen Sie uns lieber, Professor&ldquo;, keuchte Heinz: &bdquo;Später wollen wir
-dann meinetwegen eine wissenschaftliche Unterhaltung über diese Höllenbrut
-beginnen, falls wir mit heiler Haut davonkommen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a>
-&bdquo;Sie haben recht&ldquo;, sagte Schultze: &bdquo;das scheinen ja in der Tat ganz
-verflixte Kumpane zu sein: sie gehen ja geradewegs auf mich los! Aber
-meine Hochachtung, junger Freund! Sie kämpfen wahrhaftig nach Schwabenart.
-Bravo! Das war wieder ein Schwabenstreich!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Der wackre Schwabe forcht sich nit!&ldquo; zitierte Münchhausen, der nun
-ebenfalls, gleichzeitig mit John, auf der Bildfläche auftauchte: &bdquo;Zur Rechten
-sieht man, wie zur Linken, einen halben Türken hinuntersinken.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heinz hatte wirklich mit einem wohlgezielten Hieb den Leib eines Ringelwurms
-in der Mitte durchgetrennt, so daß das Zitat gut paßte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn nur die andern kalter Graus packte&ldquo;, meinte der junge Held,
-der sich am Ende seiner Kräfte fühlte: &bdquo;Aber da hat es gute Wege!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hu, hu! Mich packt der kalte Graus!&ldquo; schrie Münchhausen, dem
-sich eines der Tiere um den Hals schlang. Er riß es los und schleuderte
-es zu Boden, um es mit der Wucht seiner breiten Füße zu Brei zu zertreten.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor und der Diener waren bereits in den wütendsten Kampf
-verwickelt: sie hieben wie rasend mit den Messern um sich; allein der
-Sumpf mußte Tausende dieser Ungeheuer beherbergen und alle just auf
-den Lagerplatz der Unseligen loslassen; der Kampf schien aussichtslos.
-</p>
-
-<p>
-Was waren diese Geschöpfe? Weichtiere, die ein Fußtritt, ein Dolchhieb
-unschädlich machte! Sie besaßen keine Tatzen, keine Krallen, kein
-Gebiß; sie waren nicht gefährlicher als Blutegel: aber ihre unerschöpfliche
-Zahl machte sie unüberwindlich, und unsre Freunde sahen ein gräßliches
-Ende vor Augen. Viel lieber hätten sie mit den wildesten Raubtieren, mit
-Löwen, Tigern, mit einem Rudel Elefanten oder einer Büffelherde gekämpft.
-</p>
-
-<p>
-Die Schimpansen Dick und Bobs hausten mörderisch unter den Angreifern:
-sie schienen rasend vor Wut. Sie warfen sich auf den Boden und
-würgten, zerrissen mit vier Händen zugleich, während sie gleichzeitig mit
-ihrem scharfen Gebiß Dutzende der Lumbriciden unschädlich machten.
-</p>
-
-<p>
-Aber was half&rsquo;s? Immer neue Scharen rückten an!
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen, der sich ohnehin nur schwerfällig bewegen und nicht leicht
-bücken konnte, hatte sofort erkannt, daß seine wirksamste Waffe in seinem
-kolossalen Körpergewicht bestand.
-</p>
-
-<p>
-Er führte einen wahren Indianertanz auf, sprang so hoch er nur immer
-konnte und zerquetschte unter seinen gewaltigen Fußsohlen alles zu Brei,
-was sich unter ihm regte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a>
-Es wäre ein Anblick zum Totlachen gewesen, wie der dicke Kapitän
-umherhopste, als wolle er sich zur Ballettänzerin ausbilden, wenn nicht
-das Gefährliche der Lage alle Lust zur Heiterkeit erstickt hätte.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen floß der Schweiß in Strömen herab, und doch war sein
-Gehüpfe umsonst: auch er fühlte sich umringelt und umwunden, und nun
-glitt er gar auf dem gar zu schlüpfrig gewordenen Boden aus, fiel hin
-und rollte mitten unter das blutdürstige Ungeziefer, nicht ohne eine ganze
-Anzahl davon plattzudrücken.
-</p>
-
-<p>
-Die Kämpfenden, die alle mehr oder weniger Blut lassen mußten, waren
-erschöpft, und noch immer kroch es in dichten Massen den Abhang herauf.
-Wenn sie sich nur zu der Strickleiter hätten flüchten und in dem Weltschiff
-bergen können! Aber sie hatten ihr Lager wohl hundert Meter weit
-davon aufgeschlagen und zwischen ihnen und der Sannah wimmelte es von
-dichten schwarzen Massen, die sich über einander zu türmen schienen.
-</p>
-
-<p>
-Da erschollen schrille, heißere Schreie in der Luft; dann dumpfe Flügelschläge,
-und gespenstisch rauschten mächtige schwarze Gestalten herab.
-</p>
-
-<p>
-Im Schein des immer noch hochaufflackernden Feuers ließen sich einige dieser
-neuen Geschöpfe, die sich in dessen Nähe niedergelassen hatten, erkennen.
-</p>
-
-<p>
-Sie boten keinen ermutigenden Anblick, vielmehr erschienen sie selber
-als schreckliche Ungeheuer: es waren Vögel, die nichts Vogelähnliches hatten
-als die ungeheuren Fledermausflügel. Am ehesten erinnerten sie an den
-Pterodaktylus der irdischen Urzeit; ein plumper Kopf mit tiefeingeschnittenem
-Rachen und scharfen Zähnen gab ihnen Ähnlichkeit mit diesem erstaunlichen
-Vogel. Ihre Größe übertraf die des Adlers um das Doppelte; das Merkwürdigste
-jedoch war, daß sie vier Füße besaßen, die mit gewaltigen Krallen
-bewehrt waren.
-</p>
-
-<p>
-So unheimlich und gefährlich diese Vögel aussahen, wenn man sie überhaupt
-als Vögel bezeichnen konnte, so erschienen sie doch als Retter in
-höchster Not; denn sie räumten mit fabelhafter Gewandtheit und Mordgier
-unter den Ringelwürmern auf und kamen in solchen Scharen, daß sie sich
-auch der wimmelnden Mengen gewachsen zeigten.
-</p>
-
-<p>
-Sie ließen sich namentlich am Rande des Hügels nieder und packten
-mit ihren Krallen und Zähnen alles, was da heraufkriechen wollte. Und
-nun, da keine neuen Nachschübe kamen, nahm die Zahl der Angreifer
-auf der Höhe sichtlich ab und mit neuem Mut ließen unsre Freunde wieder
-ihre Messer arbeiten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a>
-Endlich erhob kein Wurm mehr sein drohendes Haupt, wenn auch die
-verstümmelten Leiber am Boden sich ringelten und wanden, zuckten und
-schnellten, als ob sie überhaupt nicht völlig tot zu kriegen seien.
-</p>
-
-<p>
-Schultze eilte auf Münchhausen zu, der immer noch auf dem Boden
-umherrollte und nicht auf die Beine kommen konnte. Und jetzt, da die
-Gefahr beseitigt schien, lachte der Professor aus vollem Halse über den
-erheiternden Anblick: Da wälzte sich der runde Kapitän wie eine Tonne
-auf stürmischer See; an seinem Haupte hingen zwei Würmer gleich Schmachtlocken
-zu beiden Seiten herab und um seinen Hals wand sich ein allerdings
-geköpftes Tier wie ein dickes Halstuch.
-</p>
-
-<p>
-Trotz seiner Heiterkeit beeilte sich Schultze doch, den dicken Freund von
-seinen Peinigern zu befreien und ihm mit Unterstützung des inzwischen
-ebenfalls herbeigeeilten Heinz auf die Beine zu helfen.
-</p>
-
-<p>
-Dann ging es an das Verpflastern und Verbinden der Wunden, die
-merkwürdigerweise nur äußerst klein waren. Alle hatten mehr oder weniger
-Blut hergeben müssen, Münchhausen aber war entschieden am stärksten angezapft
-worden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Tut nichts!&ldquo; meinte er humorvoll: &bdquo;Ich habe Vorrat und die Biester
-haben bei mir mehr Fett als Blut geholt, wie ich vermute; das kann mir
-bloß gut tun. Ich fühle mich geradezu erfrischt und erleichtert.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber einen Tanz haben Sie aufgeführt, Kapitän&ldquo;, lachte Schultze:
-&bdquo;Ich sage Ihnen, eine ägyptische Bauchtänzerin ist nichts dagegen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kunststück!&ldquo; sagte Münchhausen: &bdquo;Wo hat eine ägyptische Tänzerin
-auch solch stattlichen Bauch?&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-15">
-<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />12. Eine Entdeckungsreise auf dem Mars.
-</h2>
-
-<p class="first">
-John übernahm die Wache, während sich die andern wieder zur Ruhe
-niederlegten.
-</p>
-
-<p>
-Am Morgen wurden zunächst die Zelte wieder ins Weltschiff gebracht;
-denn ein zweitesmal auf dem Mars im Freien zu nächtigen, dazu verspürte
-niemand mehr Lust.
-</p>
-
-<p>
-Das Frühstück wurde in der Nähe der Sannah eingenommen fern von
-den immer noch zuckenden Leibern der erlegten Lumbriciden auf dem nächtlichen
-Schlachtfeld.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich schlage eine Entdeckungsreise auf dem Mars vor&ldquo;, begann Schultze,
-als der Imbiß vertilgt war.
-</p>
-
-<p>
-Alle waren damit einverstanden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;John&ldquo;, sagte Flitmore, &bdquo;du bleibst als Wache zurück; man weiß ja
-nicht, was hier vorkommt. Am besten begibst du dich auf die oberste
-Plattform, wo du nach allen Seiten hin weite Ausschau halten kannst.
-Erblickst du etwas Verdächtiges, so läßt du die große Sirene ertönen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Als Rieger sich mit der pneumatisch betriebenen Sirene auf der Höhe
-der Kugel befand, marschierte die kleine Gesellschaft ab; Bobs wurde mitgenommen,
-während Dick dem Wächter Gesellschaft leistete.
-</p>
-
-<p>
-Drunten im Sumpf sah man nichts von den widerlichen Geschöpfen,
-die er beherbergte; aber an den Bewegungen der Pflanzendecke konnte
-man deutlich erkennen, daß der Morast von gelenkigen Bewohnern
-wimmelte.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen ging man auf dem Höhenrücken einem nahen Walde zu,
-der aus niedrigen, rotbelaubten Bäumen bestand.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a>
-Diese Bäume erweckten besonders Schultzes lebhaftes Interesse, denn
-sie zeigten ganz eigentümliche Formen. Die meisten hatten weder Äste
-noch Zweige; die großen Blätter entsproßten an langen, dicken Stielen
-direkt dem Stamm, der sich an der Spitze in ein Bündel solcher beblätterter
-Stiele auflöste.
-</p>
-
-<p>
-Die Blätter waren meist rund und tellergroß, andre kleeblattförmig,
-aus drei vereinigten Rundscheiben bestehend; wieder andre zeigten dreieckige,
-viereckige und mehreckige Bildung, boten also einen Anblick, der
-Erdbewohnern völlig neu und ungewohnt war.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-057">
-<img src="images/057.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Ein dreibeiniges Tier.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Einzelne Baumarten, die reich verästelt waren, hatten Doppelblätter,
-die sich gleich Austernschalen auf- und zuklappten und offenbar den Insektenfang
-betrieben.
-</p>
-
-<p>
-Übrigens war von Insekten nur wenig zu sehen: einige merkwürdige
-Mücken, durchsichtig wie Glas, und Käfer ohne Beine, die fliegenden Raupen
-und fliegenden Würmern glichen und sich am Boden und an den Bäumen
-<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a>
-auch gleich solchen fortbewegten, ja geflügelte Schnecken, die einen bläulichen
-Schleim aussonderten, zweibeinige Ameisen und Spinnen, das waren die
-Wunder, die Schultze seinen Sammlungen einverleibte.
-</p>
-
-<p>
-Auch Vögel waren nur in wenigen Arten vertreten: sie hatten alle die
-Eigentümlichkeit, vierbeinig zu sein, ein Anblick, der den an irdische Geschöpfe
-gewöhnten Augen äußerst sonderbar vorkam. Dazu gesellte sich
-der Umstand, daß diese Vögel nicht gefiedert waren, sondern einen behaarten
-oder mit Schuppen bedeckten Leib hatten, der aber in wunderbaren bunten
-Farben von metallischem Glanze strahlte. Die Schnäbel wiesen meist ein
-gezahntes Gebiß auf und die Flügel bestanden vorwiegend aus fächerartig
-übereinandergreifenden langen und starken Schuppen oder dünnen Hornscheiben.
-</p>
-
-<p>
-Als die Wanderer eine Lichtung betraten, rauschte es im Gebüsch und
-das erste Wild, das sie auf dem Mars erblickten, zeigte sich ihren Augen.
-</p>
-
-<p>
-Es erschien ebenso seltsam wie die Insekten- und Vogelwelt. Groß war
-es nicht, kaum größer als ein Esel; aber es hatte ein schreckliches Gebiß,
-wie überhaupt der platte, lange Kopf an ein Krokodil erinnerte. Von
-der Mitte des Hauptes stieg ein äußerst scharfes Horn senkrecht empor und
-zu beiden Seiten über den Ohren ragten zwei kürzere Hörner wagrecht
-hervor, die Spitzen nach vorne gebogen. Das Seltsamste aber war: Dieses
-gefährlich aussehende Tier war dreibeinig! Es hatte zwei Vorderfüße, aber
-nur einen Hinterfuß am Ende des nach hinten sich birnenförmig zuspitzenden
-Leibes.
-</p>
-
-<p>
-Späterhin wurden noch verschiedene Tierarten getroffen, alle klein, aber
-scharf bewehrt, und alle dreibeinig wie das zuerst geschaute.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich doch aber alle Wissenschaft auf!&ldquo; rief der Professor ein
-über das anderemal: &bdquo;Vierbeinige Vögel, dreibeinige Säugetiere und zweibeinige
-Insekten! Das glaubt mir ja drunten auf der Erde kein Mensch,
-selbst wenn ich die wohlpräparierten Beweisstücke auf den Tisch der Wissenschaft
-niederlege!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So seid ihr Professoren!&ldquo; tadelte Münchhausen: &bdquo;Wenn ihr so ungefähr
-innehabt, wie die Naturprodukte auf eurer kleinen Erde aussehen, so glaubt
-ihr, das ganze unendliche Weltall erschöpft zu haben und bildet euch ein,
-die unerschöpfliche Natur sei nie und nirgends imstande, etwas zu schaffen,
-das nicht aufs Haar mit dem übereinstimmt, was sie euch auf eurem weltverlorenen
-kleinen Sandkörnchen vor die Nase zu führen beliebt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a>
-Schultze bedauerte unendlich, daß er nicht den Vögeln und Insekten
-und Pflanzenproben, die er sich aneignete, auch ein Exemplar jeder Tiergattung
-beifügen konnte. Dafür gelangen dem Lord mehrere Momentaufnahmen,
-so daß die eigenartige Tierwelt wenigstens in getreuen photographischen
-Abbildungen mitgenommen werden konnte. Ein besonders merkwürdiges
-Säugetier, das zum Transport nicht zu schwer schien, erlegte Heinz
-auf des Professors Bitte mit einem wohlgezielten Schuß.
-</p>
-
-<p>
-Dieses Wild hatte die Größe eines Ebers, einen schlanken, beweglichen,
-doch starknackigen Hals, auf dem sich hoch oben ein rundlicher, possierlicher
-Kopf mit einer breiten Schnauze wiegte; es war dreibeinig wie alle anderen
-Marssäuger und aus seinem Schädel wuchsen starke spitzige Hörner wie
-die Stacheln eines Igels, im ganzen 15 Stück, wie nach der Erlegung
-festgestellt wurde.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich danke! Wenn solch ein Vieh mit gesenktem Kopf auf einen losstürmt!&ldquo;
-sagte Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, das würde Ihre geschätzte Leibeswölbung in ein Sieb verwandeln,&ldquo;
-lachte der Professor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich bin nur begierig, wie die Marsbewohner aussehen,&ldquo; fuhr der
-Kapitän fort: &bdquo;Sind die Insekten hier zweibeinig, so vermute ich, daß die
-Menschen zum mindesten sechsbeinig sind; denn daß die Natur hier besonders
-mit der Zahl der Beine verblüffende Experimente macht, dürfte nach all
-dem Gesehenen feststehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;An die Marsmenschen glaube ich nicht,&ldquo; sagte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie, Professor, was <em>Sie</em> glauben, ist völlig belanglos, indem
-Sie ein Mann der Wissenschaft sind. Haben Sie etwa an vierbeinige Vögel,
-dreibeinige Wildsäue und zweibeinige Spinnen geglaubt, ehe Sie solche
-hier sahen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nee! Das freilich nicht; aber &mdash; &mdash; &mdash;&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nichts &sbquo;aber&lsquo;! Wenn Sie also an keine sechsbeinigen Marsmenschen
-glauben, so spricht das sehr für deren Vorhandensein, und ich gedenke unter
-allen Umständen, wenn wir auf die Erde zurückkehren, sehr viel und sehr
-Unterhaltendes von diesen Marsmenschen zu erzählen, auch wenn wir keine
-zu sehen bekommen, und da hoffe ich, daß Sie mir nie widersprechen werden,
-da Sie doch nun deutlich gesehen haben, daß eben das, woran Sie nicht
-glauben, der Wirklichkeit entspricht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a>
-Inzwischen war das Ende des Waldes erreicht, der nur etwa zwei
-Kilometer in der Breite maß.
-</p>
-
-<p>
-An dieser Stelle verband ein von der Seite her kommender Hügelwall
-die Anhöhen, auf denen die Wanderer marschierten, mit den parallel laufenden
-Hügelstreifen.
-</p>
-
-<p>
-Diese quer laufende Kette war besonders breit und konnte als Hochebene
-bezeichnet werden; sie war aber durchaus nicht völlig eben, sondern
-zeigte mehrere gebirgsartige Erhebungen, die allerdings nirgends viel mehr
-als zwei- bis dreihundert Meter Höhe erreichen mochten.
-</p>
-
-<p>
-Es wurde beschlossen, rechts abzubiegen und das nächstgelegene dieser
-kleinen Gebirge näher zu untersuchen.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-16">
-<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />13. Die Marsbewohner.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Nach einer halbstündigen Wanderung war der Fuß der Berge erreicht.
-Nach einer weiteren halben Stunde die erste Anhöhe erklommen.
-</p>
-
-<p>
-Der Ausblick, der sich hier unseren Freunden bot, überzeugte sie sofort,
-daß die Sage von den Marsmenschen keine reine Phantasie der Astronomen
-sein konnte; denn vor ihren Blicken öffnete sich ein Hochtal, das von einer
-ganzen Anzahl von Bauten erfüllt war, die zweifellos vernunftbegabten
-Wesen ihren Ursprung verdankten.
-</p>
-
-<p>
-Auch diese Bauwerke hatten ihre auffallenden Eigentümlichkeiten: zum
-ersten waren sie schmal und hoch, turmartig aufgeführt; zum zweiten erschienen
-sie alle dreieckig, zum dritten sahen sie wie aus einem Guß gefertigt aus.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor, der für alles eine Erklärung suchte und auch gleich bei
-der Hand hatte, ließ sich also vernehmen:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Marsbewohner bauen offenbar in die Höhe wie die Newyorker,
-jedenfalls auch aus demselben Grund: sie müssen an Platz sparen. In der
-Tat erreicht die gesamte Oberfläche des Mars noch keine drei Zehntel der
-Erdoberfläche; da überdies die schrecklichen breiten Sümpfe einen großen
-Teil des Festlandes einzunehmen scheinen, so müssen sie an Bauplatz sparen.
-Dreieckig sind die Häuser aufgeführt, um den Orkanen und den Wasserfluten
-bei der Schneeschmelze wirksamen Widerstand bieten zu können; daß sie so
-glatt und ungegliedert aussehen, weist auf eine besondere Masse hin, mit
-der die Baumeister die Gebäude von außen gleichmäßig bestreichen, auf
-einen Mörtel, der vielleicht dem Mars eigentümlich ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Scharfsinnig, wie immer, Professor!&ldquo; lachte der Kapitän. &bdquo;Aber gestatten
-Sie <em>mir</em> diesmal, den Zweifler zu spielen: wir haben auf unserer
-<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a>
-ganzen Wanderung weder Dörfer noch Städte, ja nicht einmal angebautes
-Land getroffen oder auch nur von ferne erblickt. Also haben die Marsbewohner
-noch keinen Mangel an Bauplätzen; zum andern dürfte in diesem
-geschützten Tale kaum je ein heftiger Orkan wehen, auch ist es so hoch
-gelegen, daß keine Wasserfluten es bedrohen. Abgesehen von diesen Kleinigkeiten
-mögen Sie ja immerhin recht haben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na!&ldquo; sagte Schultze: &bdquo;Sie oller Zweifler! Lassen wir das einstweilen
-dahingestellt und untersuchen wir die Häuser. Verlassen oder ausgestorben
-scheint ja die Stadt zu sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das, was Schultze eine &bdquo;Stadt&ldquo; nannte, waren etwa hundert zumeist
-gleich geformte Bauwerke von mäßigem Umfang. Sie leuchteten in allen
-Regenbogenfarben, eines blau, das andere rot, das dritte grün; einige
-schneeweiß, andere schwarz; daneben gelbe, braune, orangerote, violette
-Türme in allen Farbenabstufungen.
-</p>
-
-<p>
-Im Innern erwiesen sie sich sämtlich ganz ähnlich angelegt; statt einer
-Treppe führte ein gewundener Gang empor, von schmalen Seitenfenstern
-erhellt. Ganz oben befand sich ein dreieckiges Gemach, in welchem auf
-erhöhten Matten &mdash; Leichen lagen.
-</p>
-
-<p>
-Ja, nur Leichen!
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eine Begräbnisstätte, ein Friedhof,&ldquo; rief Heinz aus.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenigstens eine Totenstadt,&ldquo; entgegnete Schultze, &bdquo;da von Gräbern
-und Begräbnis hier nicht die Rede ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Leichen waren alle in lange Gewänder von einem eigentümlichen
-glatten und sehr schmiegsamen Stoffe gekleidet, der keine Fäden, kein
-Gewebe erkennen ließ. Entweder war dieser auf Erden unbekannte Stoff
-aus einer äußerst zähen Gummiart papierdünn gewalzt, wobei der Gummi
-jegliche Elastizität verloren hatte, oder er war aus einem nur den Marsbewohnern
-bekannten Material gegossen.
-</p>
-
-<p>
-Die Gewänder glänzten auch in den verschiedensten lebhaften Farben.
-Die Körper unterschieden sich nicht wesentlich von menschlichen Körpern; sie
-waren aber alle sehr klein, schlank und zierlich und jedenfalls wiesen sie
-eine Rasseneigentümlichkeit auf, die auf Erden nicht zu finden war. Diese
-Eigentümlichkeit bestand im Wesentlichen in einer auffallenden Schädelform:
-man hätte meinen können, jedes dieser Häupter trage eine Kappe; denn
-über der Stirne eingeschnürt, saß eine zweite mäßig gewölbte und dichtbehaarte
-Schädelkammer.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a>
-&bdquo;Zwei Stockwerke!&ldquo; rief Münchhausen in ehrlichem Staunen: &bdquo;Ein zweistöckiges
-Gehirn haben diese Marsiten besessen! Nein, müssen die gescheit
-gewesen sein!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die rosige Haut des Gesichts und der Hände, so weich und zart sie
-aussah, erwies sich nichtsdestoweniger bei der Berührung als ungeheuer
-zäh, wie Leder oder wie die Haut eines Elefanten.
-</p>
-
-<p>
-Schultze machte, nicht aus sträflicher Neugier, sondern aus wissenschaftlichem
-Interesse, einen Versuch, die Haut einer Hand mit seinem Dolche zu
-ritzen; doch als er schließlich auch alle Gewalt anwendete, es gelang ihm
-nicht, das Gewebe zu verletzen; das Messer hinterließ nur eine vertiefte
-Spur, die bald wieder verschwand.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die waren ausgerüstet für den Kampf ums Dasein!&ldquo; sagte er: &bdquo;die
-scharfen Hörner der wilden Tiere, die Klauen und Gebisse der Vögel und
-die blutsaugerischen Schnauzen des Gewürms konnten ihnen nichts anhaben.
-Um so mehr dürfen wir erwarten, bald auf lebende Marsbewohner zu
-stoßen: ein solches Geschlecht stirbt nicht aus!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Professor kannte die Schrecken des Mars noch allzuwenig!
-</p>
-
-<p>
-Flitmore photographierte das Innere der Leichenhalle, sowie einige
-besonders charakteristische Mumien. Nach Verlassen der Totenstadt nahm
-er auch diese von einer Anhöhe aus auf; dann verließen unsere Freunde
-den Ort durch ein gewundenes, bergabführendes Tal.
-</p>
-
-<p>
-Am Ausgange der Schlucht lehnte an der Bergwand ein niedriger, dreieckiger
-Bau aus &bdquo;Gußstein&ldquo;; denn so hatte Schultze das steinerne Material,
-das gleichmäßig glatt war und keine Lücken aufwies, benannt. Er vermutete,
-daß die Marsbewohner eine besondere Steinart wie Lava zu schmelzen
-verstünden, im flüssigen Zustand färbten und dann ihre Häuser in einem
-Block in Erdformen gossen.
-</p>
-
-<p>
-Dafür sprach der Umstand, daß die Bauten in der Totenstadt eine beschränkte
-Anzahl von Formen aufwiesen, die in genau den gleichen Abmessungen
-immer wiederkehrten. Der Bruch einzelner beschädigter Steine
-zeigte, daß die Färbung den ganzen Stein durchdrang und daß tatsächlich
-nirgends eine Fuge vorhanden war, sondern alles aus einem Block bestand.
-</p>
-
-<p>
-Vor dem neuentdeckten Hause nun saß ein steinaltes Männlein, dessen
-Doppelschädel den Eindruck machte, als trage er eine Mütze aus Eisbärenfell;
-denn schneeweis war sein dichtes Pelzhaar, das zottig herabhing, jedoch
-nicht länger als es bei einem Tierpelz zu wachsen pflegt.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a>
-Ein ebenso zottiger kurzer Bart umrahmte sein Gesicht.
-</p>
-
-<p>
-Mit den großen, gescheiten Augen betrachtete er die Ankömmlinge,
-offenbar sehr interessiert, aber durchaus nicht mit der Verwunderung oder
-gar dem Entsetzen, welche diese sich geschmeichelt hatten, bei dem ersten
-Marsbewohner zu erregen, der ihre fremdartige Erscheinung gewahren würde.
-</p>
-
-<p>
-Als sie sich ihm nahten, erhob er sich langsam. Ein leuchtendes rotes
-Gewand umfloß seine schlanken Glieder.
-</p>
-
-<p>
-Und nun zeigte Schultze den unentwegten Professor: er redete den Marsgreis
-im elegantesten Latein an, das ihm zur Verfügung stand; denn er
-dachte, Latein sei eine Weltsprache, die von gebildeten Wesen überall verstanden
-werden müsse. Er bedachte nicht, daß die alten Römer, so unternehmungslustig
-sie waren, die Grenzen ihres Reichs doch nicht über den
-Erdball ausgedehnt hatten.
-</p>
-
-<p>
-Übrigens war der Marsite stocktaub, wie er durch ein beredtes Berühren
-seiner Ohren und sein trüblächelndes Kopfschütteln zu verstehen gab.
-</p>
-
-<p>
-Da er jedoch an Schultzes beweglichen Lippen erkannt hatte, daß dieser
-ihn anredete, mochte er meinen, die seltsamen Besucher sprächen die Marssprache;
-denn er ließ einige wohllautende Worte vernehmen, merkte aber
-bald an des Professors Kopfschütteln, daß man ihn nicht verstand.
-</p>
-
-<p>
-Da deutete er auf die Gruppe, die ihn anstaunte, und erhob den Blick
-gen Himmel. Gleichzeitig streckte er den Arm empor und wies auf einen
-blassen Stern.
-</p>
-
-<p>
-Das war die Erde!
-</p>
-
-<p>
-Da die Erde dem Mars weit näher steht als die Sonne, und diese
-ihm infolge ihrer Entfernung nicht so blendend leuchtet, wie uns, konnte
-man die Erde hier bei Tageslicht am Himmel stehen sehen.
-</p>
-
-<p>
-So sehr Lord Flitmore an Selbstbeherrschung gewohnt war, die Gebärde
-des Greises brachte ihn doch aus der Fassung.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allmächtiger!&ldquo; rief er aus: &bdquo;Sollte man das für möglich halten?
-Dieser Marsmensch vermutet, daß wir von der Erde her kommen! Offenbar
-ist ihm das Vorhandensein von Menschen dort bekannt und man rechnete
-hier damit, eines Tages einen Besuch vom Nachbarsterne her zu erhalten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein! Welche Hilfsmittel müssen diese Marsmenschen besitzen!&ldquo; meinte
-Schultze verwundert.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich glaube fast, ihre Augen ersetzen ihnen das beste Teleskop,&ldquo; bemerkte
-Heinz: &bdquo;Sehen Sie doch nur, wie der Mann seine Augen weit
-<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a>
-heraustreten läßt, wenn er nach der Erde schaut, und wie tief er sie in
-die Höhlen zurückzieht, wenn er uns betrachtet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-In der Tat bemerkten jetzt alle dieses seltsame Augenspiel, je nachdem
-der Marsite den Blick auf nähere oder entferntere Gegenstände
-richtete.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-065">
-<img src="images/065.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Der Marsgreis.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-&bdquo;Fragen Sie doch den Alten, wo wir noch mehr Seinesgleichen treffen
-können,&ldquo; wandte sich Münchhausen ironisch an Schultze, der mit seinem
-Latein zu Ende war nach dem ersten vergeblichen und etwas törichten
-Verständigungsversuch.
-</p>
-
-<p>
-Heinz Friedung aber bewies, daß er einer solchen Aufgabe gewachsen
-war: er unternahm es, die gewünschte Auskunft zu erhalten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a>
-Das griff der intelligente junge Mann folgendermaßen an:
-</p>
-
-<p>
-Er wies auf die eigene Brust und streckte den Daumen der geschlossenen
-linken Hand empor; dann deutete er der Reihe nach auf Flitmore, Mietje,
-Schultze und Münchhausen, jedesmal einen weiteren Finger der Linken
-ausstreckend.
-</p>
-
-<p>
-Der Marsite folgte aufmerksam diesem Gebärdenspiel, das besagen wollte:
-&bdquo;Wir sind fünf.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Als Heinz dann seine Hand wieder schloß, zeigte der Alte, daß er begriffen
-habe und des Zählens mächtig sei; denn mit einer Handbewegung
-wies er auf die Gruppe und streckte dann fünf Finger aus, als wollte er
-sagen: &bdquo;Das stimmt, ihr seid zu fünft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Jetzt zeigte Hans auf den Marsiten und streckte wieder den Daumen
-allein vor. Das hieß: &bdquo;Du bist nur einer.&ldquo; Dann sah sich der junge
-Mann forschend und fragend nach allen Seiten um mit hilflosen Handbewegungen,
-aus denen der Marsbewohner sofort die Frage erriet: &bdquo;Wo
-sind die andern Bewohner des Mars?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Da schüttelte er den Kopf und eine tiefe Traurigkeit überzog seine
-milden Züge: eindringlich streckte er den einen Daumen empor, berührte
-seine Brust, wies dann mit dem Arm im Kreise umher, immer kopfschüttelnd
-und zugleich die Hand verneinend schwenkend, als wollte er sagen: &bdquo;Ich
-bin allein da! Sonst ist nirgends mehr jemand vorhanden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Erstaunt glotzten unsere Freunde ihn an; da winkte er ihnen, ihm
-zu folgen.
-</p>
-
-<p>
-Er führte sie an den Rand des Hügels und deutete in den Sumpf hinab.
-</p>
-
-<p>
-Da sahen sie schaudernd die Spitzen von Gebäuden aus dem schwarzen
-Schlamme emporragen und die traurigen Gebärden des Greises sagten:
-&bdquo;Alle sind verschlungen von den Wassern, alle modern im Sumpf oder
-dienen den Sumpfwürmern zum Fraß.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dann raffte sich der Alte auf, deutete auf seine Gäste und dann hinauf
-zur Erde, ihnen mit heftigen Handbewegungen begreiflich machend: &bdquo;Fliehet,
-fliehet! Sonst ereilt euch das gleiche Schicksal!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dieses gräßliche Geschick verdeutlichte er noch dadurch, daß er wieder
-hinab in den Sumpf zeigte, dann die Handfläche wagrecht über den Boden
-hielt und sie ruckweise am eigenen Körper immer höher steigen ließ, bis
-er sie hoch über den Kopf hob.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a>
-&bdquo;Er will andeuten, daß die Gewässer plötzlich steigen und hoch über
-unsere Köpfe weggehen können,&ldquo; erklärte der Lord.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings,&ldquo; bestätigte Schultze: &bdquo;Die Astronomen haben des öfteren
-derartige Katastrophen auf dem Mars beobachtet: Das Land wird urplötzlich
-vom Meere verschlungen, und die Verteilung von Kontinenten und Meeren
-nimmt eine ganz neue Gestaltung an.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So werden wir hier nicht mehr viel zu entdecken haben,&ldquo; meinte
-Münchhausen: &bdquo;Der Mann kennt sich jedenfalls am besten aus auf dem
-Mars und wir werden gut tun, seine Warnung nicht in den Wind zu schlagen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-In diesem Augenblick dröhnte der Klang der Sirene von der Sannah
-durch die Lüfte.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-17">
-<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />14. Eine Marskatastrophe.
-</h2>
-
-<p class="first">
-&bdquo;Halloh! Das ist ein bedenkliches Zeichen!&ldquo; rief Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was mag da los sein?&ldquo; fragte Mietje besorgt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jedenfalls gilt es, schleunigst umzukehren&ldquo;, mahnte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-Heinz faßte den Marsiten bei der Hand und wies ihm das in der
-Ferne hoch aufragende Weltschiff, ihm bedeutend, er möge mit ihnen flüchten.
-</p>
-
-<p>
-Der Mann aber schüttelte bloß traurig das Haupt und schwenkte die
-Hand gegen den Sumpf hinab. Da war nichts zu machen: dort lagen
-alle seine Lieben, bei ihnen wollte er sein Grab finden!
-</p>
-
-<p>
-Flitmore unterließ nicht, den letzten Zeugen einer ausgestorbenen Menschenwelt
-zu photographieren; dann schieden unsre Freunde bedauernd von dem
-Greise und beeilten sich, die Sannah wieder zu erreichen; denn der Ton
-der Sirene hatte ihnen verkündigt, daß dort etwas nicht in Richtigkeit
-sein mußte.
-</p>
-
-<p>
-Am Waldsaum machten sie Halt, um von den mitgenommenen Vorräten
-ein kurzes Mahl zu halten; denn der Hunger hatte sich mächtig eingestellt
-und Münchhausen hatte erklärt, mit leerem Magen komme er keinen
-Schritt weiter, nachdem er heute Nacht so gründlich angezapft worden sei.
-</p>
-
-<p>
-Bobs, der Schimpanse, pflückte sich die goldgelben pyramidenförmigen
-Früchte der Bäume am Waldrand und verzehrte sie mit so sichtlichem Behagen,
-daß der Kapitän sich nicht enthalten konnte, auch davon zu kosten.
-Er fand sie von solch köstlichem Wohlgeschmack, daß auch die Übrigen zugriffen
-und einen großen Vorrat davon mitnahmen.
-</p>
-
-<p>
-In zwanzig Minuten war das Wäldchen durchschritten, da man sich
-nicht wieder durch seine Merkwürdigkeiten aufhalten ließ.
-</p>
-
-<p>
-Als John die Heimkehrenden aus dem Walde heraustreten sah, kletterte
-er rasch an der Sannah hernieder und ging ihnen entgegen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a>
-&bdquo;Was ist&rsquo;s? Was gibt&rsquo;s?&ldquo; rief ihm Heinz von ferne zu. &bdquo;Ist etwas
-passiert, sahst du eine Gefahr nahen, daß du das Notsignal gabst?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, meine Herren!&ldquo; rief Rieger, der keuchend dahertrabte: &bdquo;Die Sannah
-ist sozusagen heil und wohlbehalten, indem ihr nichts passiert ist; aber es
-ist ein schreckliches Wunder geschehen, was ich von weitem erblickt habe,
-und das ich befürchten mußte, wenn es in der Nähe sich ähnlich ereignen
-dürfte, es nicht zum wenigsten unser Weltende herbeizuführen vermöglich
-wäre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was sahst du denn so Entsetzliches?&ldquo; forschte der Lord seelenruhig.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dort, weit dort drüben ist ein ganzer Bergzug sozusagen im Boden
-verschwunden und dann ist ein andrer aus der Tiefe heraufgestiegen und
-das Wasser und Gewürm floß an ihm herab.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das scheint ein Erdbeben gewesen zu sein!&ldquo; meinte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Merkwürdig, daß wir nichts davon spürten&ldquo;, warf Münchhausen ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, die Sannah hat nicht unbeträchtlich gewackelt&ldquo;, erklärte der Diener.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn die Wellenbewegung des Bebens sich senkrecht gegen diese
-parallelen Hügelzüge richtete, so ist es nicht auffallend, daß sie bald so
-abgeschwächt wurde, daß sie uns nicht mehr erreichte&ldquo;, erläuterte der Professor.
-&bdquo;Überhaupt zeigen Erdstöße oft eine auffallend scharfe Abgrenzung:
-ein Tal, ein Flußbett gebietet ihnen häufig Halt. Es kommt vor, daß
-eine Stadt auf der einen Seite eines Flusses einstürzt, während man im
-jenseitigen Stadtteil die Erschütterung kaum spürt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mag sein! Aber ich stimme dafür, daß wir den Mars schleunigst verlassen,
-der bei Tag so unheimlich und gefährlich zu sein scheint, wie bei Nacht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dieser Meinung des Kapitäns wurde kein Widerspruch entgegengesetzt;
-aber mit der schleunigen Abreise hatte es noch gute oder besser &bdquo;schlimme&ldquo;
-Wege.
-</p>
-
-<p>
-So weit das Auge sah, schien plötzlich die ganze Marsoberfläche in
-Bewegung geraten zu sein. In der Luft dröhnte und donnerte es, der
-Erdboden krachte, eine rötliche Staubwolke erfüllte die Luft, so daß eine
-Zeitlang nichts mehr zu erkennen war; dann fegte ein plötzlich daherbrausender
-Orkan die Wolke hinweg; doch schien sie nur in die oberen
-Luftschichten getrieben worden zu sein; denn eine blutig-fahle Dämmerung
-lagerte über dem Grunde.
-</p>
-
-<p>
-Ein Schrei des Entsetzens entrang sich unwillkürlich aller Lippen; nur
-Flitmore blieb stumm und anscheinend ruhig.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a>
-Dann standen die Erschreckten wie erstarrt.
-</p>
-
-<p>
-Bobs, der Affe, allein sprang in rasenden Sätzen der Sannah zu, die
-er erreichte und an der er zu seinem Kameraden Dick emporklomm.
-</p>
-
-<p>
-Unsre Freunde aber sahen gewaltige Wogen auf sich zukommen.
-</p>
-
-<p>
-Anfangs glaubten sie, es seien richtige Wasserwellen, das Meer sei
-seinem Bette entstiegen, sie zu verschlingen.
-</p>
-
-<p>
-Bald aber erkannten sie, daß das Land selber mit seinem leichten
-weichen Erdboden diese Wellen warf: Hügel verschwanden und neue Hügelketten
-tauchten auf, um wieder zu versinken und sich wieder zu erheben.
-</p>
-
-<p>
-Und mit unheimlicher Geschwindigkeit nahten diese Erdwogen. An ein
-Erreichen des Weltschiffs, das noch zweihundert Meter entfernt war, war
-nicht mehr zu denken.
-</p>
-
-<p>
-Der Boden wankte unter den Füßen der Schreckgelähmten.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt ein heftiger Stoß, der alle durcheinander warf; die Erde versank
-zu ihren Füßen: sie lagen in der Tiefe; aber der Grund hob sich wieder
-und sie mit ihm. Nur Münchhausens rundliche Masse kollerte alsbald
-wieder von der Höhe hinab: sein kugelförmiger Körper fand nirgends Halt
-und blieb in beständiger rollender Bewegung.
-</p>
-
-<p>
-Noch mehrmals wurden die Daliegenden hilflos gehoben und gesenkt
-von der Wellenbewegung der Erde; dann wurde die Erschütterung schwächer
-und sie fanden sich in einer breiten Mulde liegend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hinauf, hinauf!&ldquo; rief Flitmore, der sich zuerst emporraffte und Mietje
-beim Arm faßte, sie mit Hünenkraft den steilen Abhang emporschleifend.
-</p>
-
-<p>
-Es war die höchste Zeit! Brausend kam es die Mulde herauf: ein
-Strom von Schlamm, ein dichtes Pflanzengewirr und eine wimmelnde Masse
-von zappelnden Würmern mit sich führend.
-</p>
-
-<p>
-Wer von dieser Woge erreicht wurde, der war verloren: aus diesem
-Chaos hätte keiner mehr seine Glieder zu befreien vermocht.
-</p>
-
-<p>
-Mit knapper Not entkam der Professor der zähen Flut, die sich heranwälzte,
-als er kaum auf halber Höhe des Abhangs angelangt war. Von
-dem aufspritzenden Schlamm wurde er über und über bedeckt.
-</p>
-
-<p>
-Heinz und John, unmittelbar vor ihm, reichten ihm hilfreich die Hand.
-Der Lord und Mietje befanden sich schon oben in vorläufiger Sicherheit.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wo ist der Kapitän?&ldquo; rief Flitmore, das Brausen im Grunde überschreiend.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a>
-&bdquo;Da liegt er gottlob!&ldquo; schallte Heinzens Stimme.
-</p>
-
-<p>
-Ja, da lag er zu oberst auf der Bodenwelle. Bei der letzten Wellenbewegung
-war es seinen verzweifelten Anstrengungen geglückt, sich an
-einem kleinen Erdhügel festzukrallen und so war er zuguterletzt emporgehoben
-worden, ohne wieder herabzurollen. Sonst wäre der Unselige unbedingt
-verloren gewesen; denn aus dem Grunde der Mulde hätte er sich
-nicht so rasch emporarbeiten können wie die andern und da entschieden
-Sekunden über Leben und Tod.
-</p>
-
-<p>
-Da lag er nun und bot wiederum einen Anblick, der unter minder
-grauenhaften Umständen die größte Heiterkeit entfesselt hätte; denn es sah
-zu gelungen aus, wie er noch krampfhaft, beinahe zärtlich das rettende
-Erdhügelchen umarmt hielt, als wolle er es nicht wieder von sich lassen.
-</p>
-
-<p>
-Endlich brachte ihn der Zuspruch und die tätliche Hilfe von Flitmore
-und Heinz wieder auf die Beine, wobei John ihn mit kräftigen Armen
-von hinten im Gleichgewicht hielt.
-</p>
-
-<p>
-Aber nun war guter Rat teuer für alle: dort drüben ragte die Sannah
-aus dem Sumpf, in den sie versenkt worden war. Gähnend öffnete sich
-die Türe hart über dem Sumpfspiegel, auf dem die Strickleiter von Morast
-überzogen schwamm.
-</p>
-
-<p>
-Ein Glück, daß die Öffnung nicht tiefer zu liegen gekommen war,
-sonst wäre der Schlamm ins Innere geflutet und keine Aussicht mehr gewesen,
-überhaupt in das Fahrzeug zu gelangen.
-</p>
-
-<p>
-Allerdings schien auch so keine Möglichkeit hiezu vorhanden, so einladend
-das Tor herübergähnte: ein Sumpfarm von dreißig Meter Breite
-trennte die Gesellschaft von der Sannah und das war ein unüberwindliches
-Hindernis.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn wir nur die Strickleiter herüberziehen könnten!&ldquo; meinte Flitmore
-nachdenklich; &bdquo;sie ist fünfzig Meter lang, und wir brauchen sie nur
-straff anzuspannen, um hinüberturnen zu können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle strengten nun ihre Gehirnkraft an, um ein Mittel zu ersinnen,
-dieses Ziel zu erreichen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn die Affen so gescheit wären&ldquo;, seufzte Mietje nach langem Stillschweigen:
-&bdquo;die könnten uns das Ende der Leiter wohl herüberschaffen:
-die Schlammasse ist dick genug und soviele Wurzeln und verwirrte Pflanzen
-ragen daraus hervor, daß die Schimpansen bei ihrem geringen Körpergewicht
-kaum darin versinken würden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a>
-&bdquo;Ja! Wenn ... wenn ...!&ldquo; erwiderte der Lord: &bdquo;Aber wie
-willst du ihnen das begreiflich machen? Marsmenschen sind sie noch lange
-nicht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Immerhin pfiff er den Affen, ohne sich darüber klar zu sein, was es
-helfen könne, wenn sie herkamen.
-</p>
-
-<p>
-Die Schimpansen hatten stets mit Neugier herübergeblickt; es schien
-ihnen offenbar nicht in der Ordnung, daß sie von ihren Herren völlig getrennt
-waren.
-</p>
-
-<p>
-Als nun Flitmores wohlbekannter Pfiff erscholl, dem sie zu folgen gewohnt
-waren, kletterten sie an den Rampen herab bis zum Sumpfspiegel.
-Hier aber machten sie unschlüssig Halt: der Boden schien ihnen verdächtig.
-</p>
-
-<p>
-Nochmals pfiff der Lord.
-</p>
-
-<p>
-Nun wagte sich Bobs auf die trügerische Fläche. Er hielt sich mit einer
-Hand an der Strickleiter fest und versuchte die ragenden Wurzeln und
-Pflanzen als Brücke zu benutzen; dabei schleppte er die Strickleiter bis
-zum halben Weg mit sich; da er aber eine Mittelsprosse und nicht das
-Ende erfaßt hatte, war nun die Strickleiter straff gespannt und er konnte
-nicht weiter, ohne sie loszulassen.
-</p>
-
-<p>
-Ein dritter Pfiff Flitmores hatte nur zur Folge, daß er los ließ und
-nun vollends frei herüberturnte, was ihm bei seiner Gewandtheit auch
-gelang.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen nahte sich auch Dick, der nun an der Strickleiter eine
-Brücke bis zur Mitte des Sumpfes fand. Hier verließ auch er sie und
-kam vollends glücklich ans Ufer.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nur fünfzehn Meter!&ldquo; seufzte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wollen Sie&rsquo;s riskieren?&ldquo; höhnte Schultze: &bdquo;Untergehen werden Sie
-ja wohl kaum.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das nicht,&ldquo; lachte Münchhausen gutmütig, &bdquo;aber bis zur Mitte meiner
-Konstitution einsinken, das ist sicher. Was könnte es Ihnen helfen, wenn
-ich als lebendige Kugelboje im Morast schwämme?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich muß hinüber, ich bin die Leichteste&ldquo;, sagte Mietje in plötzlichem
-Entschluß.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du?&ldquo; rief ihr Gatte mit einem Ton der Besorgnis in der Stimme.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, ich! Irgendwie müssen wir aus dieser Notlage herauskommen,
-und das ist nicht möglich, wenn nicht jemand das Wagnis unternimmt.
-<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a>
-Das geringste Körpergewicht gibt die beste Aussicht auf das Gelingen und
-somit bin ich die Geeignetste dazu; denn sinke ich unter, so würde das
-jedem von euch umso sicherer widerfahren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, nein! Dieses heldenmütige Opfer können wir nie und nimmer
-annehmen&ldquo;, widersprach der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Doch, doch! Bobs wird mich führen, und so gescheit und treu ist er
-schon, daß er mich hält, wenn er mich sinken sieht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir müssen dich anseilen&ldquo;, sagte Flitmore, der einsah, daß etwas
-gewagt werden mußte und daß seine mutige Gattin allerdings am ehesten
-Aussicht hatte, den Sumpf ohne ernsten Unfall beschreiten zu können.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gut&ldquo;, sagte Mietje, &bdquo;so bitte ich die Herren einen Augenblick wegzusehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Sie trug unter dem Kleide einen Unterrock aus starker Leinwand.
-Dieses entbehrlichen Kleidungsstückes entledigte sie sich rasch und schnitt es
-in Streifen mit der Scheere, die sie als praktische Hausfrau in einem handlichen
-Nähetui stets bei sich trug.
-</p>
-
-<p>
-Die aneinandergeknüpften Streifen gaben ein Seil, das stark genug
-war, sie im Notfall ans Ufer zurückzuziehen.
-</p>
-
-<p>
-Nun ergriff die junge Heldin Bobs Arm und schob den Schimpansen
-voran auf den Morast.
-</p>
-
-<p>
-Der Affe zeigte sich verständig und lenksam und schritt gewandt aus,
-die haltbarsten Unterlagen geschickt auswählend.
-</p>
-
-<p>
-Mietje, die sich des besseren Haltes wegen ihrer Schuhe und Strümpfe
-entledigt hatte, konnte sich nicht wie der Schimpanse mit den Füßen an
-den schwankenden Wurzeln und Ranken anklammern: um so fester klammerte
-sie sich am Arme ihres Beschützers fest, während die Männer am Ufer das
-Seil straff hielten, das ihr unter den Schultern festgebunden worden war.
-</p>
-
-<p>
-Es war übrigens ein kurioses Schauspiel, die zarte Lady am Arme des
-Affen dahinschreiten zu sehen; doch richtete sich die Aufmerksamkeit der am
-Ufer Stehenden lediglich auf ihre Tritte. Oft erbebten sie, wenn sie sahen,
-daß ihr Fuß einsank; aber die Dame war so behende, daß sie jedesmal
-schon den andern Fuß auf irgend einen festeren Punkt gesetzt hatte und
-ihr Körpergewicht rasch auf diesen verlegte, ehe der eine Fuß nur Zeit
-fand, tiefer einzusinken.
-</p>
-
-<p>
-Ein langsames, zögerndes Ausschreiten wäre ihr Verderben gewesen;
-durch dieses flinke Vorwärtshüpfen, das Bobs kaum gewandter zuwege
-<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a>
-brachte, gelang es ihr auch sehr zweifelhafte Stützpunkte im Fluge zu benutzen,
-sie nur als flüchtiges Sprungbrett für den nächsten Schritt verwertend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bei allen Feen und Elfen!&ldquo; konnte der Kapitän sich nicht enthalten,
-bewundernd auszurufen: &bdquo;Lord, ich glaube, ihre Gattin würde mit ebensolcher
-Eleganz über das Meer hinweghüpfen: bis ein Fuß einsinken will,
-ist er schon ganz wo anders.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nicht wahr, da staunen Sie, stattlicher Hugo&ldquo;, spöttelte Schultze: &bdquo;Sie
-möchte ich an Stelle der Lady sehen, wie leichtfüßig Sie durch den Morast
-stapfen würden. Daß Sie ja hüpfen können, trotz einem Ballettmädel,
-haben Sie uns heut Nacht bewiesen, edler Würmlizertreter.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Jetzt atmeten alle auf; Mietje hatte die Strickleiter erreicht und zog das
-in den Sumpf gesunkene Ende aus dem Schlamm; aber der hierdurch veranlaßte
-Aufenthalt auf dem unsicheren Boden sollte ihr verhängnisvoll werden.
-</p>
-
-<p>
-Sie stand auf einem dünnen Gewirr verflochtener Lianen und Wurzeln,
-das alsbald zu sinken begann, wie sie sich bückte und mühsam die Strickleiter
-aus dem Sumpf zog: eine schwere Arbeit, da Pflanzen und &mdash; o
-Graus! auch dicke Würmer an den Sprossen hingen.
-</p>
-
-<p>
-Die Männer am Ufer zogen sofort das Seil an, als sie Mietje sinken
-sahen; diese aber rief ihnen ein energisches: &bdquo;Halt, halt!&ldquo; zu.
-</p>
-
-<p>
-Es wäre eine schlimme Sache für die arme junge Frau gewesen, am
-Strick durch diesen Morast mit all seinem Wirrwarr geschleift zu werden,
-und sie wäre sicher in bös zerfetztem und zerschundenem Zustand drüben
-angekommen. Daran dachte sie jedoch nicht: es war ihr lediglich darum
-zu tun, so nahe am Ziel den Erfolg ihres gefährlichen Unternehmens nicht
-in Frage zu stellen.
-</p>
-
-<p>
-Bangend sahen ihr die Männer am Ufer zu, bereit, sofort das Seil
-anzuziehen, sobald Mietje in dringende Lebensgefahr geriete. Sie stak
-schon bis zu halbem Leibe im Schlamm, als sie endlich die Strickleiter so
-weit emporgezogen hatte, daß sie bis ans Ufer reichen konnte.
-</p>
-
-<p>
-Aber was war das? Sie band ja das Seil los, das ihr den letzten
-Halt geben sollte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mietje, was tust du? Was fällt dir ein?!&ldquo; rief Flitmore mit unverkennbarem
-Schrecken.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das Gescheiteste!&ldquo; rief die Lady zurück.
-</p>
-
-<p>
-Sie band rasch das Ende des Stricks an einer Sprosse fest und schrie
-dann hinüber: &bdquo;Jetzt, schnell! Ziehet kräftig an.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a>
-Mit fieberhafter Eile ließen die Männer das Seil durch ihre Hände
-gleiten, bis die Strickleiter sich straffte: sie reichte nun gerade bis ans Ufer.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen war Mietje bis an den Hals im Schlamm versunken, hielt
-sich aber mit emporgestreckten Armen an einer Sprosse fest.
-</p>
-
-<p>
-Als nun die Männer die Leiter zu fassen bekamen und aus allen Kräften
-anzogen, wurde die aufopfernde Heldin wieder soweit emporgezogen, daß
-sie nur noch bis zur Brust im Moraste stak.
-</p>
-
-<p>
-Dieses Straffen der Strickleiter war ein schweres Stück Arbeit gewesen!
-</p>
-
-<p>
-Nun wurde das Ende der Leiter so fest als möglich an einem starken
-Busch angebunden. Zu aller Vorsicht mußte Münchhausen es noch mit seinem
-ganzen Körpergewicht beschweren und der Professor sich bereithalten, im
-Notfall auch noch zuzugreifen; denn nun turnten der Lord und sein Diener,
-sowie Heinz gleichzeitig auf der unsicheren Brücke über den Sumpf, galt
-es doch, Mietje aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien.
-</p>
-
-<p>
-Schrecklich war ihre Lage in der Tat: sie konnte kaum noch festhalten;
-ihre ermüdeten Arme waren schmerzhaft gespannt und die sich krampfenden
-Finger wollten sich an einem fort loslösen. Ein Glück war es, daß sie
-nicht frei in der Luft hing, sonst hätten ihre Kräfte unbedingt versagt,
-ehe Hilfe kam. Der zähe Brei, in dem sie steckte, minderte doch einigermaßen
-das Körpergewicht, das an ihren Armen hing und ihr die Hände
-aus den Gelenken zu reißen drohte.
-</p>
-
-<p>
-Aber sie fühlte, wie trotz der äußersten Anspannung ihrer Willens- und
-Muskelkraft alle Energie sie verließ: tausend Arme schienen sie in den
-Sumpf zu ziehen, immer lockender wurde die Versuchung, loszulassen und
-sich nicht weiter der schrecklichen Marter auszusetzen, die alle Todesfurcht
-einschläferte, so daß Sinken, Ersticken, Einschlafen ihr als Erlösung erschien.
-</p>
-
-<p>
-Bei alledem gab sie keinen Laut von sich; aber das Blut hämmerte
-in ihren Schläfen, es wurde schwarz um sie her, ihre Finger lösten sich:
-das war das Ende!
-</p>
-
-<p>
-Dies war ihr letzter dunkler, aber gar nicht schreckhafter Gedanke;
-dann hatte sie das Bewußtsein verloren.
-</p>
-
-<p>
-Aber in dem Augenblick, da sie mit schwindendem Bewußtsein die
-Sprosse losließ, hatte Flitmore sie erreicht und ihre Handgelenke mit eiserner
-Gewalt umklammert.
-</p>
-
-<p>
-Hinter ihm krochen auch schon Heinz und John heran; denn nur kriechend
-konnte man sich auf der schwanken Brücke fortbewegen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-76" class="pagenum" title="76"></a>
-&bdquo;Ich halte sie&ldquo;, keuchte der Lord; &bdquo;jetzt sehet zu, wie wir sie heraufbringen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das war keine einfache noch leichte Aufgabe!
-</p>
-
-<p>
-Heinz, der ein äußerst gewandter Turner war, hakte seine Füße in der
-Strickleiter ein und ließ sich, den Kopf nach unten, hinab, während er in
-den Knieen hing.
-</p>
-
-<p>
-Dann faßte er die Lady mit beiden Händen um die Taille und hob
-sie mit unsäglicher Anstrengung aus dem Schlamm.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich habe sie!&ldquo; stöhnte er endlich: &bdquo;Sie können loslassen, Lord.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore ließ die Handgelenke los, die er zwischen zwei Sprossen durch
-ergriffen hatte; denn durch den engen Zwischenraum konnte er selbstverständlich
-seine Gattin nicht emporziehen.
-</p>
-
-<p>
-Schnell flocht er seine Beine zwischen Sprossen und Stricken fest und
-und wies John an, ein Gleiches zu tun.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt beugten beide den Oberkörper auf der gleichen Seite hinab und
-faßten Mietjes leblosen Körper unter den Armen. Es war höchste Zeit; denn
-Heinz hätte ihn in seiner schwierigen Lage keine Minute mehr halten können.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore und Rieger zogen nun die Ohnmächtige auf die Strickleiter,
-wo sie dieselbe zunächst ausstreckten, um frische Kräfte zu schöpfen.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen hatte auch Heinz sich wieder heraufgeschwungen.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt konnte die Lady, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit, vollends
-zur Sannah verbracht werden, wo es Flitmores Bemühungen bald gelang,
-sie wieder zum Bewußtsein zu bringen.
-</p>
-
-<p>
-Nun durften auch Schultze und Münchhausen die Reise antreten.
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän bewegte sich voran, der Professor schob nach.
-</p>
-
-<p>
-Ersterer hatte es schwer; denn seine runde Wölbung machte ihm das
-Kriechen auf der schmalen Leiter beinahe unmöglich.
-</p>
-
-<p>
-Es war ein köstlicher Anblick, diese Körpermasse sich langsam und schwerfällig
-auf dem schwankenden Stege vorschieben zu sehen.
-</p>
-
-<p>
-Auf der Mitte angelangt, erklärte der Kapitän mit lauter, aber höchst
-kläglicher Stimme: &bdquo;&rsquo;s ist aus! Ich bin am Ende meiner Kräfte. Hier
-bleibe ich und wenn ich hier übernachten muß und in den Sumpf kollere.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Machen Sie keine schlechten Witze, Kapitän&ldquo;, mahnte Schultze von
-hinten: &bdquo;Ich schiebe Sie ja aus allen Kräften.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ach, was richten Sie aus? Das ist, als ob eine Mücke einen Elefanten
-schieben wollte! Ich sage Ihnen, ich bin schachmatt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a>
-&bdquo;Sie freuen mich, Allerwertester! Was soll denn aus mir werden?
-Soll ich etwa über Sie hinwegturnen? Im Bergkraxeln bin ich ganz und
-gar nicht bewandert und zum mindesten müßte ich einen Alpenstock haben,
-wollte ich es wagen, diese gefährliche Kletterpartie zu unternehmen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ha! Gefühlloser Schurke! Bin ich aus Granitquadern gebaut? Bin
-ich ein rauher Felsblock, daß Sie die Eisenspitze eines Gebirgsstockes in
-meine Flanken bohren wollen? Das lassen Sie sich beikommen und wie
-eine Lawine rolle ich mit Ihnen ins Verderben!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nee! ein rauher Felsbrocken sind Sie nicht&ldquo;, lachte der Professor belustigt:
-&bdquo;Rauh sind Sie nur innerlich, oller Seebär; außen sind Sie nur
-allzuglatt und wohlgerundet, das ist ja gerade das Fatale; ein Absturz
-wäre mir sicher, wollte ich die Kletterei unternehmen. Also, voran!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Keinen Schritt mehr!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber ich kann doch nicht hier übernachten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So kehren Sie um.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was? So nahe dem rettenden Hafen soll ich umkehren und mich in
-der Nacht mit den blutdürstigen Würmern herumbalgen? Vorwärts, vorwärts!
-Es dämmert schon.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore hatte inzwischen John gesandt, der nun den Kapitän erreichte
-und anseilte.
-</p>
-
-<p>
-So, gezogen und geschoben, gelangte er endlich in die Sannah zur
-großen Erleichterung des Professors, der sich nun auch geborgen sah.
-</p>
-
-<p>
-Alle Anstrengungen, die Strickleiter vom Busch loszureißen, um sie in
-das Weltschiff zu ziehen, waren vergeblich.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lassen wir sie zurück&ldquo;, erklärte der Lord, &bdquo;ich habe ja noch andre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein!&ldquo; widersprach Heinz: &bdquo;Die Brücke, die uns das Leben rettete und
-um die Lady Flitmore ihr Leben wagte, an der sie so heldenmütig die
-gräßlichsten Folterqualen ertrug, darf nicht im Stiche gelassen werden: ich
-mache sie los!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore schüttelte den Kopf: &bdquo;Und Sie? Sie werden es schwer haben
-auf der losen Leiter zurückzukehren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lassen Sie mich machen, es wird alles gut gehen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Wirklich kletterte Heinz zurück.
-</p>
-
-<p>
-Er schnitt ein Stück des leinenen Seiles ab, band es an den Teil des
-Seiles, der die Leiter mit dem Busch verband und glimmte es an. Dann
-<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a>
-kletterte er rasch zurück und erreichte auch wirklich die Sannah, ehe die
-weiterglostende Lunte das Seil angesteckt und durchgebrannt hatte.
-</p>
-
-<p>
-Sobald letzteres der Fall war, ließ sich die Strickleiter leicht einziehen.
-</p>
-
-<p>
-Nun waren alle im Weltschiff wieder beieinander; Bobs hatte sich schon
-dorthin gemacht, als Mietje ihn losließ, um die Strickleiter aus dem
-Moraste zu ziehen. Dick war über die Brücke als Erster geturnt, sobald
-sie hergestellt worden war.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen war es Nacht geworden; beide Marsmonde leuchteten am
-Himmel: Phobos, der bei einer Umlaufszeit von nur 7½ Stunden manchmal
-in einer Nacht zweimal erscheint, und Deimos, der dem Mars nicht
-jede Nacht aufglänzt, da er 30¼ Stunde Umlaufszeit hat. Beide sind
-dem Planeten sehr nahe, woraus sich ihre überaus kurze Umlaufszeit
-erklärt.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore schloß die Türe und ließ den Zentrifugalstrom durch das Weltschiff
-strömen.
-</p>
-
-<p>
-Die Sannah erhob sich mit wachsender Geschwindigkeit, und, wie unsre
-Freunde sahen, gerade zu rechter Zeit; denn unter ihnen geriet das monderhellte
-Land auf einmal wieder in Bewegung. Ein besonders heftiger
-Erdstoß mußte es erschüttert haben; denn plötzlich kam von ferneher eine
-haushohe dunkle Woge: das Meer brauste heran und verschlang das
-schwankende Land, so weit man sehen konnte, und mit ihm auch zweifellos
-den letzten Bewohner des Mars.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-18">
-<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />15. Im Meteorschwarm.
-</h2>
-
-<p class="first">
-&bdquo;Schade, daß wir uns so rasch vom Mars entfernen,&ldquo; sagte Schultze
-bedauernd: &bdquo;Es wäre äußerst interessant und lehrreich gewesen, bei Tageslicht
-aus nächster Nähe die Veränderungen zu beobachten, die das Erdbeben
-auf der Oberfläche des Planeten hervorgerufen hat.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir haben keine Eile,&ldquo; entgegnete Flitmore, &bdquo;da wir ja nun in
-Sicherheit sind, und es ist uns ein Leichtes, über Nacht in der Marsatmosphäre
-zu verweilen. Ich übernehme die erste Nachtwache und werde den
-Strom alle zehn Minuten unterbrechen, so daß wir wieder sinken; Herr
-Friedung soll es in der zweiten Wache ebenso machen und Sie, Professor,
-übernehmen die Morgenwache und vollführen das gleiche Manöver; nur
-müssen Heinz und Sie wohl aufpassen, daß Sie den Strom nicht allzulange
-unterbrechen, damit uns nicht etwa eine unsanfte, vielleicht gefährliche
-Landung begegnet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die beiden versprachen alle Vorsicht und bewiesen sie hernach auch, so
-daß die Sannah beim Anbruch des Morgens sich nur wenige Kilometer
-über der Marsoberfläche befand.
-</p>
-
-<p>
-Es war ein überraschendes Bild, das sich nun unsern Freunden bot:
-der Meeresgrund hatte sich gehoben und das bisherige Festland, das sich
-gesenkt hatte, war vom Meer bedeckt, wenigstens zum größten Teile.
-</p>
-
-<p>
-Nun zeigte sich aber deutlich, daß ähnliche Katastrophen den unseligen
-Mars schon früher heimgesucht hatten, denn das neue, dem Meeresgrund
-entstiegene Festland war mit Städten und Dörfern aus buntem Gestein
-übersät, die aus dem Schlamm hervorleuchteten, der sich in ihren Gassen
-und um sie her abgesetzt hatte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun begreife ich erst, wie die ganze Marsbevölkerung nach und nach
-zugrunde gehen konnte!&ldquo; sagte Schultze. &bdquo;Noch eine oder zwei so gewaltige
-<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a>
-Verheerungen, und auch das Tierleben wird auf dem Planeten erloschen
-sein bis auf das Seegetier und die gräßlichen Sumpfwürmer. Höchstens
-die Vögel mögen noch dem Verderben entgehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun wurde die Marsbahn endgültig verlassen und Flitmore schlug vor,
-nach dem Jupiter, dem Koloß unter den Planeten, zu fahren und dann
-dem Saturn einen Besuch abzustatten, ehe die Rückreise nach der Erde angetreten
-werde.
-</p>
-
-<p>
-Damit waren alle einverstanden.
-</p>
-
-<p>
-Zunächst wurde jetzt daran gegangen, die einzelnen Zimmer den Schwerpunktverhältnissen
-der Sannah anzupassen, denn ihre Rotation hatte wieder
-begonnen und es galt allerlei Möbel und Gerätschaften in den Zimmern,
-die auf einen andern Schwerpunkt eingerichtet waren, von den Wänden
-oder der Decke zu lösen und sie am Fußboden festzuschrauben.
-</p>
-
-<p>
-Kurz darauf geriet die Sannah in einen Meteorschwarm.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore hatte behufs Verlangsamung der Fahrt den Fliehstrom abgestellt,
-als ein Gepolter losging; anfangs waren es nur einzelne kleine
-Meteoriten, die die Umhüllung des Schiffes trafen, bald aber prasselte es
-auf sie hernieder wie ein regelrechtes Hagelwetter. Beschädigt wurde die
-solide Hülle nicht, denn die Meteore waren wohl auch nicht größer als
-Hagelkörner; um aber jeglicher Gefahr aus dem Wege zu gehen, ließ der
-Lord rasch wieder den Strom durch die Sannah kreisen und alsbald bewährte
-sich die Wirkung der Fliehkraft, denn die Meteore wichen dem
-Weltschiff von ferne aus infolge der abstoßenden Wirkung, die sie auf alle
-der Schwerkraft unterworfenen Körper ausübte.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore lud die Reisegesellschaft ein, sich in ein auf der Nachtseite gelegenes
-Zimmer zu begeben: &bdquo;Ich denke, daß wir auf der Schattenseite
-ein herrliches Schauspiel von leuchtenden Sternschnuppen und Meteoren genießen
-werden,&ldquo; meinte er.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie vergessen,&ldquo; warf Schultze ein, &bdquo;daß die Meteoriten nur beim Eintritt
-in die Atmosphäre aufleuchten, infolge der Reibung mit derselben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Lord lächelte: &bdquo;Ich vergesse nichts: schauen wir leuchtende Meteore,
-so ist dies ein neuer Beweis für meine Theorie, daß eben der ganze Weltraum
-mit verdünnter Luft erfüllt ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber müßte dann nicht auch die Erde in Glut geraten?&ldquo; fragte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie ist geschützt durch ihre atmosphärische Hülle, die sie vor der Reibung
-mit den Stoffen des Raums bewahrt, und die Lufthülle selber bleibt deshalb
-<a id="page-81" class="pagenum" title="81"></a>
-vor zu starker Reibung bewahrt, weil sie einen Teil der Weltatmosphäre
-mit sich fortreißt und diese Bewegung mit der zunehmenden Höhe nur immer
-schwächer wird, so daß die Reibung der Erdatmosphäre mit der Weltatmosphäre
-an keinem Punkte stark auftreten kann, da jede neue Schicht nur um sehr
-wenig geringere Bewegung aufweist als die darunter liegende.&ldquo;
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-081">
-<img src="images/081.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Sannah im Meteorenschwarm.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Mochte dem sein, wie ihm wollte, jedenfalls war es Tatsache, daß man
-ganze Schwärme von kleineren und größeren Meteoren zu sehen bekam:
-ein entzückendes Feuerwerk.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben ja recht behalten, Lord,&ldquo; gestand <a id="corr-6"></a>Schultze nun ein: &bdquo;Aber rätselhaft
-bleibt es mir, warum, wenn doch offenbar die Reibung an der dünnen Weltatmosphäre
-genügt, um die Meteore zu entzünden, die irdischen Sternschnuppen
-erst dann zum Leuchten kommen, wenn sie in die Erdatmosphäre eintreten?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-82" class="pagenum" title="82"></a>
-&bdquo;Die Sache ist sehr einfach: weil sie eben zuvor keiner oder doch nur
-einer geringen Reibung ausgesetzt sind. Sehen Sie, ich erkläre mir den
-Vorgang so: die Meteorschwärme haben ja wohl ihre Eigenbewegung,
-aber wahrscheinlich teilt die Weltatmosphäre in ihrer Bahn diese Bewegung,
-möglicherweise hat auch jedes noch so kleine Meteor seine eigene Lufthülle,
-die es aus der Raumatmosphäre an sich zieht; dadurch wird die Reibung
-aufgehoben oder auf ein geringes Maß beschränkt.
-</p>
-
-<p>
-Gerät aber die Erde in einen solchen Meteorschwarm, so läßt die Anziehungskraft
-der Erde die Meteore mit rasender Geschwindigkeit stürzen;
-beim Eintritt in die dichtere Erdatmosphäre werden sie ihrer Lufthülle
-plötzlich beraubt, der Widerstand der Luft streift sie ihnen gleichsam ab,
-und nun entsteht die Reibung, die sie in plötzliche Glut versetzt.
-</p>
-
-<p>
-Wenn wir nun hier leuchtende Meteore sehen, so ist der Fall allerdings
-insofern ein anderer, als keine dichtere Atmosphäre das Aufglühen
-veranlaßt, jedenfalls aber ein ungemein beschleunigter Sturz. Diese Meteore
-müssen in die Anziehungssphäre eines Planeten, vielleicht des Jupiter, geraten
-sein und stürzen nun mit solch rasender Geschwindigkeit durch den Raum ihm
-zu, daß der Widerstand der <a id="corr-7"></a>verhältnismäßig ruhenden Weltatmosphäre sie ihrer
-Lufthülle beraubt, falls wir eine solche annehmen wollen, jedenfalls aber ihre
-Reibung an der Weltatmosphäre stark genug wird, sie in Weißglut zu versetzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John Rieger lauschte mit offenem Munde diesen großartigen Ausführungen
-seines Herrn, die ihm um so mehr Ehrfurcht einflößten, als er nicht das
-mindeste davon begriff.
-</p>
-
-<p>
-Aber bildungsdurstig, wie er stets war, wandte er sich an Professor
-Schultze, der es besser verstand, sich seinem Verständnis anzupassen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mit untertänigst gnädigstem Verlaub, Herr Professor,&ldquo; hub er an:
-&bdquo;Sie reden da so viel äußerst Belehrendes von den Motoren oder Sternschuppen;
-aber wenn Sie einmal die gütigste Liebenswürdigkeit hätten,
-mich genauestens aufzuklären, was diese leuchtenden Motoren von Grund aus
-sind, so wäre ich Ihnen vorzugsweise verbunden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sehr gern, mein Freund!&ldquo; erwiderte der Professor bereitwilligst: &bdquo;Wie
-du ganz richtig bemerkt hast, sind Meteore und Sternschnuppen im Grunde
-dasselbe. Es sind kleinere oder größere Körper, die im Weltraum sich befinden.
-Wenn nun die Erde in ihre Nähe kommt, werden sie von ihr angezogen
-und sie stürzen mit größerer oder kleinerer Geschwindigkeit in die
-Lufthülle der Erde. Je rascher sie hereinstürzen, desto mehr erhitzen sie sich,
-<a id="page-83" class="pagenum" title="83"></a>
-aber um so mehr verlieren sie auch an Fallkraft, so daß sie weiter unten
-nicht schneller stürzen als diejenigen, die von Anfang an langsamer fielen.
-</p>
-
-<p>
-Die Erhitzung mag mehrere tausend Grad betragen; dabei kommen sie
-zum Leuchten und schmilzen an der Oberfläche, wogegen sie im Innern
-ziemlich kalt bleiben. Wenn sie die Erde erreichen, sind sie durchaus nicht
-besonders heiß, was eben daher kommen mag, daß ihr Sturz je tiefer
-desto langsamer wird.
-</p>
-
-<p>
-Die meisten aber kommen gar nicht bis zur Erde herab, weil sie hoch
-oben schon so heiß werden, daß sie sich in Gase auflösen: Das sind dann
-Sternschnuppen. Gelangen sie jedoch bis zur Erde, so sind es Meteore.
-So nennt man sie aber auch, wenn sie besonders groß und hell erscheinen;
-übertreffen sie an Glanz die hellsten Sterne, so heißt man sie Boliden;
-verbreiten sie einen ganz außerordentlichen, oft taghellen Glanz, so bezeichnet
-man sie als Feuerkugeln; solche treten aber nur sehr selten und immer vereinzelt
-auf, während Sternschnuppen und Meteore in ganzen Schwärmen
-vorkommen.
-</p>
-
-<p>
-Natürlich willst du nun wissen, woher diese Dinger eigentlich stammen.
-Manche behaupten, Meteoriten, d. h. kleine Meteore, kämen vom Mond.
-Sicher aber ist, daß die Sternschnuppen und Meteorschwärme von Kometen
-herrühren. Erstens einmal sind ihre Bahnen denen der Kometen durchaus
-ähnlich; zweitens aber hat man schon beobachtet, daß Kometen, die
-der Sonne oder dem Jupiter zu nahe kamen, sich in Meteorschwärme aufgelöst
-haben.
-</p>
-
-<p>
-Dafür ist besonders der berühmte Bielakomet ein lehrreiches Beispiel.
-Dieser kam 1846 dem Jupiter zu nahe und zersprang dadurch in zwei Stücke,
-die 1852 zu richtiger Zeit wiederkehrten, aber 1858, als sie wieder erscheinen
-sollten, nirgends zu finden waren. Seither hat man ihn nicht wieder gesehen;
-als jedoch die Erde 1872 und 1885 seine Bahn kreuzte, geriet sie
-in einen Meteorschwarm, der als prächtiger Sternschnuppenhagel das Auge
-entzückte. Das waren die Überreste des stolzen Kometen. Diesen Meteorschwarm
-nannte man die Leoniden, weil er aus dem Sternbild des Löwen
-zu kommen schien; zuletzt ist auch dieser Meteorschwarm verschwunden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das leuchtet mir spezifisch ein,&ldquo; sagte John befriedigt, &bdquo;daß die Motore
-von den Kometen herkommen; denn man nennt doch die Kometen &bdquo;Haarsterne&ldquo;,
-weil sie sozusagen eine goldene Mähne haben. Aber aus solchen
-goldenen, leuchtenden Haarverhältnissen dürften vermutungsweise auch goldene,
-<a id="page-84" class="pagenum" title="84"></a>
-leuchtende Schuppen fallen, und das sind dann die so richtig benannten
-Sternschuppen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle lächelten über diese gelungene, echt volkstümliche Wortableitung;
-der Professor aber sagte lachend:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Brav, mein Sohn! Bleibe nur bei dieser Erklärung, so behältst du
-alles am besten inne; denn Schuppen oder Schnuppen sind in Grunde
-Schnuppe und Schuppen können zwar lästig sein, aber so ein hartnäckiger
-Schnuppen ist doch noch weit unangenehmer. Aber noch weißt du nicht,
-aus was für Stoffen die Meteore eigentlich bestehen. Sie enthalten allerlei:
-Kieselsäure, Magnesia, Eisen, Nickel, Kupfer, Wasserstoff, Sauerstoff, auch
-Kohlenstoff und zweifellos organische Bestandteile, das heißt Spuren von
-Pflanzen oder lebenden Wesen, die uns Kunde geben, daß auch andere
-Welten solche besitzen, wie wir jetzt ja auf dem Mars mit eigenen Augen
-sehen; manchmal findet man sogar Diamanten im Innern eines Meteorsteins.
-Meistens sind es größere oder kleinere Eisenblöcke.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja,&ldquo; mischte sich der Lord in die Auseinandersetzung: &bdquo;und drei solche
-hat der berühmte Nordpolforscher Peary gestohlen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gestohlen?&ldquo; fragte Heinz erstaunt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jawohl. Dieser Peary fand bei den Eskimos eiserne Werkzeuge.
-Überrascht hievon, erkundigte er sich, woher das Eisen stamme. Man antwortete
-ihm stets: &bdquo;Vom Eisenberg!&ldquo; Wo sich aber dieser rätselhafte Eisenberg
-befand, wußten nur die ältesten Männer des Stammes und diese
-verrieten ihr Geheimnis nicht.
-</p>
-
-<p>
-Auf späteren Reisen erwarb sich Peary nach und nach das Vertrauen
-der Eskimos in so hohem Grade, daß sie endlich seinem Drängen nachgaben
-und ihn zu dem rätselhaften Eisenberg führten, der aus drei gewaltigen
-Meteoren bestand. Die Eskimos hatten ihnen Namen gegeben: &bdquo;Die Zehn&ldquo;,
-&bdquo;Das Weib&ldquo; und &bdquo;Den Hund&ldquo; nannten sie diese Eisenklötze, die für sie
-ein ganz unschätzbares Kleinod waren, das einzige Eisen in den arktischen
-Regionen! Aufs gemeinste hat Peary das ihm entgegengebrachte Vertrauen
-mißbraucht. Unter großen Schwierigkeiten ließ er die drei Meteore, ja
-alle drei! heimlich an Bord schaffen und beraubte so die armen Eskimos,
-die wahrhaftig hart genug ums Dasein zu kämpfen haben, ihres kostbarsten
-Schatzes, den sie so lange unter strengstem Geheimnis gehütet hatten. In
-Newyork erhielt er 200000 Mark für seinen Raub. Ob er wohl das
-Sündengeld mit gutem Gewissen eingesackt hat?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-85" class="pagenum" title="85"></a>
-&bdquo;Das ist allerdings ein Schurkenstreich erster Güte!&ldquo; eiferte Schultze
-empört: &bdquo;In meinen Augen hat Peary seinen Ruhm damit aufs schmählichste
-befleckt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und sehen Sie, so ist unsere europäische und amerikanische Christenmoral,&ldquo;
-fuhr der Lord fort: &bdquo;Jedermann weiß, was dieser Peary da verübt,
-und doch feiert man ihn, ja man bewundert noch die Kühnheit und List,
-mit der er die Eskimos hintergangen und bestohlen hat. Hätte er einem
-Amerikaner solche Wertgegenstände geraubt, so käme er dafür ins Zuchthaus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja ja! Aber so arme Eskimos bestehlen, das ist ja wohl etwas anderes,
-eine Heldentat!&ldquo; fügte Schultze grimmig bei.
-</p>
-
-<p>
-Als der Professor seine Empörung über die Schuftigkeit eines berühmten
-Mannes einigermaßen überwunden hatte, fühlte er sich bewogen, John noch
-eine besonders interessante Mitteilung über die Meteoriten zu machen:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du siehst,&ldquo; sagte er, &bdquo;es fallen zu Zeiten recht stattliche Eisenblöcke
-vom Himmel; manchmal geht ein ganzer Hagel von Meteoren nieder. Vom
-Jahr 823 wird berichtet, daß in Sachsen durch einen solchen Meteorhagel
-Menschen und Vieh erschlagen und 35 Dörfer vom Feuer verzehrt worden
-sind. Der berühmte Arzt und Chemiker Avicenna beschreibt genau Meteoritenfälle,
-die um 1010 in Ägypten, Persien und anderwärts niedergingen. Am
-1. Oktober 1304 fielen bei Friedeburg an der Saale feurige Steine wie
-Hagel und richteten großen Schaden an. Am 7. November 1492 fiel bei
-Ensisheim ein 260 Pfund schweres Meteor, von dem ein Stück noch heute
-in der dortigen Kirche hängt. Am 4. September 1511 ereignete sich bei
-Crema ein ungeheurer Steinregen, der die Sonne verfinsterte. Es stürzten
-etwa 1200 Meteore herab, darunter solche von 260 und 120 Pfund; sie
-erschlugen Vögel, Vieh und Fische, auch einen Mönch.
-</p>
-
-<p>
-Und ähnliche Fälle kamen noch zu Dutzenden in Deutschland, Frankreich,
-Spanien und Italien vor, wobei mehrfach Menschen ums Leben kamen.
-Eine ganze Anzahl derselben wurde ausführlich beschrieben, oft von einwandfreien
-Gelehrten und Professoren; sogar wissenschaftliche Kommissionen untersuchten
-die Aerolithen, und trotzdem wollte die Wissenschaft nicht daran
-glauben; ja die französische Akademie der Wissenschaften erklärte es feierlich
-für einen Blödsinn, wenn man behaupte, es könnten Steine vom Himmel
-fallen. Allerdings wurde sie durch einen alsbald erfolgenden großartigen
-Steinregen in Frankreich gründlich blamiert; aber man sieht daraus, wie
-zäh die Zweifelsucht beschränkter Köpfe ist, die sich für Leuchten der Welt
-<a id="page-86" class="pagenum" title="86"></a>
-halten. Es ist heute nicht anders, es gibt jetzt noch genug Vertreter dieser
-wissenschaftlichen Beschränktheit, die vor den augenfälligsten Tatsachen wie
-der Vogel Strauß den weisheitgeschwollenen Kopf in den Sand stecken,
-sobald ihnen etwas über den Horizont geht: solche Kleingeister spötteln
-heute über die Wünschelrute, das Hellsehen, die Weissagungen der Propheten
-und wollen gar die Geschichtlichkeit eines Jesus leugnen, genau wie jene
-Akademiker an keine Meteoriten glauben wollten; es ist die Sorte, die
-nie ausstirbt und gegen welche Götter selbst vergebens kämpfen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sachte, sachte, Professorchen,&ldquo; lachte Münchhausen: &bdquo;Sie sind auch nicht
-immer gläubig und haben sich schon manchmal mit Ihren Zweifeln verrannt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gebe ich zu! Aber hernach sehe ich es ehrlich ein und hülle mich nicht
-in Eigensinn und überlegenes Lächeln.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Am meisten,&ldquo; nahm der Lord das Wort, &bdquo;belustigen mich die Gelehrten,
-die aus erhabenem wissenschaftlichen Wirklichkeitssinn jede Möglichkeit leugnen,
-ein Mensch könne Zukünftiges vorhersagen. Aus dieser vorgefaßten Meinung
-heraus geben sie sich unendliche Mühe, mit einem fabelhaften Aufwand von
-Phantasie und Mangel an Logik die prophetischen Weissagungen der Bibel
-wegzuerklären, und dann erzittern sie, wenn sie zu dreizehnt am Tische
-sitzen, weil das ein kommendes Unglück bedeuten soll, oder wenn ihnen
-eine schwarze Katze über den Weg läuft: ja, eine Zahl und eine Katze
-halten sie für Propheten und den prophetischen <em>Geist</em> begreifen sie nicht!
-Nirgends sieht man es so deutlich bewiesen: Da sie sich für weise hielten,
-sind sie zu Narren worden!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So ist es immer,&ldquo; sagte der Kapitän mit ungewohntem Ernst: &bdquo;Ich
-habe es mein ganzes Leben lang beobachtet: wer die ewigen Wahrheiten
-nicht glauben will, verliert die Fähigkeit des klaren Denkens, hält Phantasien
-für Beweise und glaubt den kläglichsten Blödsinn.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings,&ldquo; sagte Flitmore: &bdquo;Dabei merkt aber der Ärmste gar nicht,
-daß auch seine vermeintliche Weisheit nur Glaube ist, wenn auch ein unvernünftiger;
-vielmehr glaubt und behauptet er, auf dem Boden unfehlbarer
-wissenschaftlicher Ergebnisse zu stehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wer an &bdquo;unfehlbare wissenschaftliche Ergebnisse&ldquo; überhaupt glauben
-kann,&ldquo; schloß Schultze, &bdquo;dem ist schon nicht zu helfen: er leidet an einem
-Verstandes- oder Willensfehler. Ein gebildeter Mensch, der zu klarem Denken
-fähig ist, muß einsehen, daß es wohl Ergebnisse der Beobachtung gibt, aber
-niemals zweifellose Ergebnisse der Wissenschaft. Wobei zu bemerken ist,
-<a id="page-87" class="pagenum" title="87"></a>
-daß auch die reinen Beobachtungsergebnisse, selbst wenn sie Jahrzehnte hindurch
-von den verschiedensten Beobachtern bestätigt werden, durchaus keine
-Gewähr der Richtigkeit bieten, wie schon die berühmten Marskanäle beweisen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John Rieger konnte diesen Erörterungen nicht recht folgen; er hatte
-aber noch eine Frage betreffend der Meteore auf dem Herzen, die er jetzt
-anbrachte, als die Herren schwiegen: &bdquo;Sie haben so viele Vorkommnisse
-von Steinregen benannt, Herr Professor, aber alle aus alter Zeit. Heutzutage
-dürfte wohl so etwas überhaupt nicht mehr vorkommen in unserm
-aufgeklärten Zeitalter?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da sehe einmal einer den Zweifler!&ldquo; polterte Schultze lachend: &bdquo;Also
-auch du bist noch nicht überzeugt, mein Sohn Brutus, daß die Meteorfälle
-auf Erden Tatsache sind? Höre: auch heutzutage kommen sie häufig vor.
-So ist zum Beispiel bei Mugello in der Nähe von Florenz am 3. Februar
-1910 ein Hagel von Meteoriten in glühendem Zustand niedergegangen, die
-Straßen, Felder und Weinberge bedeckten und die Kulturen vielfach zerstörten.
-Nach diesem Feuerregen zerriß plötzlich der Dunstschleier und es
-zeigte sich ein Komet von strahlendem Glanze.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und das ist wirklich und wahrhaftig geschehen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wirklich und wahrhaftig: es stand in allen Zeitungen und ist so gut
-bezeugt, daß ein gebildeter Mensch es glauben muß.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, dann glaube ich es natürlich und selbstverständlich auch,&ldquo; sagte
-Rieger selbstbewußt.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-19">
-<a id="page-88" class="pagenum" title="88"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />16. Ein Konzert in der Sannah.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die Reise war bisher so ergebnisreich verflossen, daß unsere Freunde
-noch nicht dazu gekommen waren, ein richtiges Konzert zu veranstalten,
-wenn auch hie und da ein halbes Stündchen durch vereinzelte musikalische
-Vorträge verklärt worden war. So war John einigemal aufgefordert
-worden, seine Flöte hören zu lassen oder hatte der Lord mit seiner Gattin
-vierhändig gespielt, &mdash; lauter erhebende Genüsse. Ganz besonders aber
-entzückte alle Heinz&rsquo; wunderbares Geigenspiel.
-</p>
-
-<p>
-Der junge Schwabe liebte es namentlich, im Dunkeln zu spielen, sei es,
-daß er aus dem Gedächtnis seine Lieblingsschöpfungen großer Meister wiedergab,
-sei es, daß er phantasierte.
-</p>
-
-<p>
-Wie überirdische Musik klang dieses wundersame Phantasieren durch
-den dunkeln Raum.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Woher haben Sie nur diese Töne?&ldquo; fragte Lady Flitmore einmal: &bdquo;Das
-ist ja die reinste Sphärenmusik!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mir ist&rsquo;s auch, als vernähme ich die Harmonie der Sphären,&ldquo; erwiderte
-Heinz nachdenklich: &bdquo;Hören Sie nichts? Fliegen wir nicht durch den Raum,
-der von der wunderbarsten aller Harmonien erfüllt ist? Und mir ist&rsquo;s, als
-riefe mir von einem fernen Stern eine melodische Stimme und locke mich
-durch ihren bezaubernden Gesang. Das sind Klänge aus höheren Wunderwelten,
-die ich vernehme, eine überirdische Musik, aber was ist dagegen
-mein schwaches, armseliges Spiel? Wohl ist es beseelt von den himmlischen
-Harmonien, doch nimmer ist es imstande, auch nur eine Ahnung von ihrem
-Zauber zu vermitteln.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-89" class="pagenum" title="89"></a>
-&bdquo;O, Sie geben uns mehr als eine Ahnung davon,&ldquo; hatte dann der
-Lord gesagt; denn ihm, wie allen andern kamen die Töne wahrhaft
-überirdisch vor, die der junge Künstler seinem herrlichen Instrumente
-entlockte.
-</p>
-
-<p>
-Heute nun wurde zum erstenmale ein regelrechtes Konzert veranstaltet,
-bei dem alle mitwirken sollten, abgesehen von Schultze, dem jegliche musikalische
-Ausbildung mangelte: &bdquo;Gleich meinen Vettern, den Schimpansen,&ldquo;
-sagte er lachend.
-</p>
-
-<p>
-Wie wir wissen, verstand sich Heinz nicht bloß auf die Violine, sondern
-auch aufs Pistonblasen; der Lord betätigte sich außer auf dem Klavier noch
-auf dem Cello und der Posaune; Mietje war eine vorzügliche Pianistin
-und John ein nicht zu verachtender Flötenbläser: es ließ sich also je nach
-Wunsch und Bedarf ein abwechslungsreich gestaltetes Orchester zusammensetzen.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen behauptete, sehr musikalisch zu sein, erklärte aber: &bdquo;Um
-die Klaviatur zu malträtieren oder die Saiten zu kratzen, fehlt es mir an
-der nötigen Beweglichkeit und Gelenkigkeit; Blasinstrumente kann ich wegen
-meiner fatalen Kurzatmigkeit nicht pusten, aber das Paukenschlagen verstehe
-ich vorzüglich und weiß ein Gefühl, eine Stimmung, eine Melodik hineinzulegen,
-daß ich mich anheischig machen wollte, in einem Paukensolo Ihnen
-die herrlichsten Schöpfungen unserer größten Meister in einer Weise vor
-Ohren zu führen, daß Sie gestehen müßten, kein Instrument reicht in seiner
-Wirkungsfähigkeit an die Pauke heran, und kein anderes ist so geeignet,
-den feinsten seelischen Stimmungsgehalt eines Musikwerks wiederzugeben,
-wie eben dieses Instrument der Instrumente.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho!&ldquo; lachte der Lord: &bdquo;Das ist mir wirklich neu! Kapitän, Sie sind
-ein musikalisches Genie und eröffnen der Musik ganz neue Bahnen und
-Aussichten. Wahrhaftig! ein Paukenvirtuos, wer hat je von einem solchen
-gehört? So sei Ihnen denn die Pauke anvertraut, als dem Würdigsten
-unter uns.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Münchhausen&ldquo;, sagte Schultze: &bdquo;Was wollen Sie überhaupt mit einer
-Pauke? Sie reichen ja doch nicht mit ihren kurzen Armen um Ihre Leibeswölbung
-herum und können das von Ihnen so gepriesene Instrument überhaupt
-nicht treffen: Sie treffen höchstens Ihren eigenen Bauch und das ist
-ja auch eine Pauke, die jede künstliche Pauke entbehrlich macht. Überdies
-<a id="page-90" class="pagenum" title="90"></a>
-wird es für Sie eine äußerst zuträgliche Massage sein, wenn sie diese größte
-und herrlichste aller Pauken schlagen, mit der die Natur und Ihr guter
-Appetit Sie begabt hat.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho!&ldquo; protestierte der Kapitän: &bdquo;Schultze, Sie sind schief gewickelt!
-Sie treiben da Ihren Spott mit einem Titanen der Musik, Sie, der Sie
-von Musik überhaupt nichts verstehen und bei unserem Konzert einzig
-und allein das verständnislose Publikum abzugeben vermögen. Allerdings
-gebe ich zu, daß dies ein notwendiger Bestandteil jedes richtigen Konzertes
-ist.&ldquo; &mdash;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, nun,&ldquo; eiferte der Professor: &bdquo;Wenn ich auch nicht gerade Sachverständiger
-auf dem Gebiete des Kontrapunkts und der Harmonielehre
-bin, und nicht unterscheiden kann, ob Sie Beethoven oder Wagner pauken ...&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Muß jeder feinhörige Mensch sofort an meinem Paukenschlag heraushören!&ldquo;
-unterbrach Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nanu! Wenn ich so fein auch nicht höre, so habe ich doch die größte
-Freude an der Musik und werde als verständnisloses Publikum doch ein
-dankbarer und begeisterter Hörer sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bravo!&ldquo; rief Mietje, &bdquo;als solchen kennen wir Sie, und für Sie wird
-denn auch das ganze Konzert gegeben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Unter den Virtuosen, die hier versammelt waren, hatte jeder seine besondere
-Vorliebe für diesen oder jenen großen Komponisten.
-</p>
-
-<p>
-Lady Flitmore zog Schubert, Schumann, Mendelssohn und Chopin vor;
-ihr Gatte hielt Bach, Beethoven, Händel, Haydn und Weber für die Bedeutendsten;
-Heinz neigte mehr zu Wagner, Bruckner, Hugo Wolff und
-Grieg; Münchhausen begeisterte sich für Mozart, Brahms und Gluck, während
-John für Meyerbeer und Richard Strauß schwärmte.
-</p>
-
-<p>
-Doch waren alle vielseitig und unparteiisch genug, um auch der andern
-Größe anzuerkennen und ihnen gern zu huldigen.
-</p>
-
-<p>
-Am meisten bewies das Heinz, der trotz seiner Vorliebe für Wagner
-doch auch von Sebastian Bach so eingenommen war, daß er diesen weltumfassenden
-Geist durch mehrere kleine Gedichte gepriesen hatte, zu denen
-ihn die Töne des Meisters begeisterten.
-</p>
-
-<p>
-Die Choralphantasie über &bdquo;Komm heil&rsquo;ger Geist, Herre Gott!&ldquo; hatte
-beispielsweise folgende Verse bei ihm ausgelöst:
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
-<a id="page-91" class="pagenum" title="91"></a>
- <p class="verse">Töne von Bach!</p>
- <p class="verse">Wie sie rauschen und schwellen</p>
- <p class="verse">Gleich den Meereswellen!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Ich denk&rsquo; ihm nach,</p>
- <p class="verse">Ob ich&rsquo;s möge erfassen,</p>
- <p class="verse">Was sie ahnen lassen.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Was reißt ihn fort</p>
- <p class="verse">Über irdische Sphären</p>
- <p class="verse">Zu den Himmelsheeren?</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Heilige Glut,</p>
- <p class="verse">Von Gott selber entzündet,</p>
- <p class="verse">Die da Liebe kündet;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Liebe zu Gott,</p>
- <p class="verse">Die in seligen Schauern</p>
- <p class="verse">Sprengt die irdischen Mauern;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Liebe zu Dir,</p>
- <p class="verse">O Du Heiland der Seelen,</p>
- <p class="verse">Die in Schulden sich quälen.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Töne von Bach,</p>
- <p class="verse">Sprengt die Ohren der Tauben,</p>
- <p class="verse">Daß sie weinen und glauben;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Öffnet und hellt</p>
- <p class="verse">Doch die Augen der Blinden,</p>
- <p class="verse">Ihren Heiland zu finden</p>
- <p class="verse">Und die selige Welt!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Ein andermal ließ er sich also vernehmen:
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Sebastian Bach! Die Welt versinkt dem Geist,</p>
- <p class="verse">Der schauernd lauschet deinen mächt&rsquo;gen Tönen;</p>
- <p class="verse">Und überwältigt ahnt er, was es heißt,</p>
- <p class="verse">Zu hören die Vollkommenheit des Schönen.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">O Bach, wie wird uns erst im Himmel sein,</p>
- <p class="verse">Wenn wir verzückt, von sel&rsquo;gen Engelchören</p>
- <p class="verse">Getragen, deine Meisterwerke hören,</p>
- <p class="verse">So heilig ernst und so vollkommen rein!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Und die unvergleichlichen Passionsoratorien gaben Heinz die nachfolgenden
-Verse ein:
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">O heil&rsquo;ge Wundertöne</p>
- <p class="verse">Zum heil&rsquo;gen Gotteswort,</p>
- <p class="verse">Wie reißet eure Schöne</p>
- <p class="verse">Die Herzen mit sich fort!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Der Erdenwelt entrücket,</p>
- <p class="verse">Knie ich erschauernd da:</p>
- <p class="verse">Es schaut mein Geist verzücket</p>
- <p class="verse">Das Kreuz auf Golgatha.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Und was ich zitternd höre</p>
- <p class="verse">So herzergreifend schön,</p>
- <p class="verse">Das sind der Engel Chöre</p>
- <p class="verse">Aus lichten Himmelshöhn;</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Dazwischen Menschenstimmen</p>
- <p class="verse">Voll Leidenschaft und Wut,</p>
- <p class="verse">Die gegen <em>Den</em> ergrimmen,</p>
- <p class="verse">Der sie erkauft mit Blut.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Doch unaussprechlich milde</p>
- <p class="verse">Ertönt durch all den Hohn</p>
- <p class="verse">Die Stimme durchs Gefilde</p>
- <p class="verse">Vom ew&rsquo;gen Gottessohn:</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Das sind nicht ird&rsquo;sche Sänge!</p>
- <p class="verse">Wie alles bebt und rauscht!</p>
- <p class="verse">O Bach, du hast <em>die</em> Klänge,</p>
- <p class="verse">Dem Himmel abgelauscht!</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Vom heil&rsquo;gen Geist durchdrungen,</p>
- <p class="verse">Ins Paradies entrückt,</p>
- <p class="verse">Hast du uns nachgesungen,</p>
- <p class="verse">Was Engel dort entzückt!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-92" class="pagenum" title="92"></a>
-So verklärten sich diese Melodien in des jungen Künstlers Geist, wenn
-er ihnen als andächtiger Zuhörer lauschte. Wirkte er aber selber mit, wie
-heute, so legte er seine ganze Seele in den Ton, versenkt in die Gefühle,
-die des Meisters Geist beseelten, da er sein Werk schuf.
-</p>
-
-<p>
-Die Klänge rauschten in harmonischer Fülle durch den Saal und dann
-erstarben sie in einem Pianissimo von einer Zartheit, das geradezu wunderbar
-wirkte; alle standen unter dem Banne einer heiligen Andacht und Schultze
-fühlte sich tief ergriffen und lauschte mit aller Anspannung, um ja keinen
-der leisesten Töne sich entgehen zu lassen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bum!&ldquo; ein dumpfer Paukenschlag erscholl dröhnend durch das entzückende
-Pianissimo; wie eine Bombe zerstörend platzte er herein und zerschmetterte
-die klassischen Harmonien.
-</p>
-
-<p>
-Was fiel dem Kapitän in seiner Ecke ein! War er ganz aus dem
-Konzept gekommen? Das war ja eine Roheit, ein Verbrechen an Beethovens
-unsterblichem Werke! So dachten alle, obgleich sie nicht aufsahen:
-Der Fehler war ja gewiß absichtslos, warf aber ein schlimmes Licht auf
-Münchhausens Musikverständnis.
-</p>
-
-<p>
-Aber was war das? Noch schwebte das Pianissimo nach der unzeitgemäßen
-Störung elfenhaft durch die Räume, als die Pauke plötzlich ein
-wahres Kanonenfeuer eröffnete: &bdquo;Bum, bum, bum-bum-bum!&ldquo; Mit schwerem
-Geschütz wurde das zarte Meisterwerk zusammengeschossen.
-</p>
-
-<p>
-Nun sahen alle empört nach der Ecke. Da lag der Kapitän, in seinen
-Sessel zurückgesunken, und rieb sich, aus tiefem Schlaf erwachend die Augen:
-auch seine klassische Ruhe war durch den Donner der Pauke zerstört worden.
-</p>
-
-<p>
-An seinem vielgerühmten Instrument aber stand Dick, ein äußerlich
-würdiger Stellvertreter des Entschlummerten, leider aber ein völlig unfähiger
-Paukenvirtuos. Dieser heillose Schimpanse hatte den Schlegel ergriffen,
-der dem Kapitän entsunken war und bearbeitete nun das Trommelfell mit
-wuchtigen, höchst temperamentvollen, aber durchaus unpassenden Schlägen.
-</p>
-
-<p>
-Der Zauber der Stimmung war rettungslos dahin: ein unwiderstehliches
-Gelächter erschütterte den Saal; Münchhausen aber rief, sich ermunternd:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da sieht man&rsquo;s, da hört man&rsquo;s mit Ohren, daß die Pauke in der
-Tat das wichtigste Instrument in einem Konzerte ist: wer sie nicht zu handhaben
-versteht, ruiniert das erhabenste Meisterwerk mit tötlicher Sicherheit.&ldquo;
-Und er entriß dem verblüfften Schimpansen den mißbrauchten Schlegel.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-20">
-<a id="page-93" class="pagenum" title="93"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />17. Die Asteroiden.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Am folgenden Tag, den Tag zu 24 Stunden berechnet, kam die Sannah
-mitten unter die Planetoiden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Entdeckung dieser Planetoiden oder kleinen Planeten, die man
-auch Asteroiden nennt,&ldquo; belehrte Professor Schultze, &bdquo;hat wieder einmal
-gezeigt, daß die von der Wissenschaft aufgestellten Naturgesetze niemals als
-etwas für alle Zeiten Gewisses und Feststehendes gelten können. In der
-Tat glaubte man bisher, die Planeten bewegten sich nahezu in der gleichen
-Ebene um die Sonne, und hielt dies für eines der großen Naturgesetze.
-Da entdeckte man diese Zwergplaneten, deren exzentrische Bahnen die Hinfälligkeit
-des angeblichen Gesetzes bewiesen.
-</p>
-
-<p>
-Andererseits war ihre Entdeckung die glänzendste Bestätigung eines
-andern Naturgesetzes, das 1772 von Titius aufgestellt und später von Bode
-und Wurm genauer bestimmt wurde: es sollte danach zwischen den Abständen
-der Planeten von der Sonne ein bestimmtes gesetzmäßiges Verhältnis bestehen;
-nun aber zeigte sich zwischen Mars und Jupiter eine Lücke: nach
-dem Titiusschen Gesetze hätte sich dort ein Planet finden sollen. Und wirklich
-entdeckte Piazzi in Palermo am 1. Januar 1801 den kleinen Planeten
-Ceres, der aber bald durch seine Annäherung an die Sonne den Blicken
-entschwand.
-</p>
-
-<p>
-Hätte nicht der große Mathematiker Gauß eine geniale Methode erfunden,
-durch die aus nur drei Beobachtungen eines Planeten seine Bahn
-berechnet werden kann, so hätte niemand gewußt, wo der neue Planet
-wieder aufgefunden werden könnte, und auch alle später entdeckten Planetoiden
-wären der astronomischen Beobachtung wieder entschlüpft. Allein
-nach der Gaußschen Berechnung konnte Olbers am 1. Januar 1802 die
-Ceres wieder auffinden und entdeckte im nächsten Jahre noch die Pallas,
-<a id="page-94" class="pagenum" title="94"></a>
-ebenfalls in der Lücke zwischen Mars und Jupiter. 1804 und 1805
-wurden noch Juno und Vesta gefunden und 40 Jahre später entdeckte
-Hencke die Asträa; von da ab fand man noch mehrere Hundert solcher
-Wandelsternchen.
-</p>
-
-<p>
-Eine solch verblüffende Bestätigung der Titiusschen Gesetzes schien dessen
-unumstößliche Richtigkeit zu beweisen und die Astronomie gewann dadurch
-auch bei den Laien ein Ansehen als einer Wissenschaft von unbezweifelbarer
-Zuverlässigkeit: ihre mathematischen Gesetze ließen ja selbst das Unbekannte
-mit Sicherheit feststellen.
-</p>
-
-<p>
-Leider warf die Entdeckung des Planeten Neptun das ganze schöne
-Gesetz über den Haufen, denn die Entfernung dieses unbequemen Gesellen
-stimmte einfach nicht dazu. So mußte man einsehen, daß ein Naturgesetz,
-wenn es noch so glänzend sich bewährt, doch etwas zweifelhaftes bleibt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es wurde doch aber bloß <em>ein</em> Planet zwischen Mars und Jupiter
-vermutet,&ldquo; warf Mietje ein: &bdquo;wie kommt es, daß man sie zu Hunderten fand?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist auch so ein Rätsel,&ldquo; erläuterte der Professor: &bdquo;Anfangs war
-man geneigt, zu glauben, es handle sich um einen großen Planeten, der
-durch eine Explosion oder durch den Zusammenstoß mit einem Kometen in
-kleine Stücke zertrümmert worden sei. Gegenwärtig findet die Ansicht mehr
-Anerkennung, daß der Planet schon bei seiner Entstehung durch die Nähe
-des dicken Jupiter in der Entwicklung gehindert worden sei, und an seiner
-Stelle gleich eine Menge kleinerer Weltkörper entstanden seien, oder daß
-diese eine Art Spritzschaum bei Entstehung des Sonnensystems darstellen.
-Sie sind außerordentlich klein und man könnte zum Beispiel mit einem
-Eilzug innerhalb zwei Stunden um die ganze Atalanta herumfahren. Übrigens
-erschwert ihre Lichtschwäche die Beobachtung von der Erde aus ungeheuer
-und man kommt zu keiner sicheren Feststellung ihrer Massen und Maße.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Umso wertvoller sind unsere Beobachtungen aus nächster Nähe,&ldquo; sagte
-Flitmore: &bdquo;Schauen Sie, Professor, da kommen wir wieder an einem dieser
-Zwerge vorbei.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ah!&ldquo; rief Schultze, &bdquo;das ist interessant: keine Spur von Kugelform!
-Ein durch den Raum sausendes Felsgebirge ist&rsquo;s. Es mag 300 Kilometer
-lang, 50 Kilometer breit und höchstens 4 Kilometer dick sein, abgesehen
-von seinen Zacken und Spitzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Merken Sie wohl, diese Planetoiden haben keine Rotation, sie drehen
-sich nicht um ihre Achse.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-95" class="pagenum" title="95"></a>
-&bdquo;Bei solchen formlosen Klumpen,&ldquo; lachte Münchhausen, &bdquo;ist eine Achse
-überhaupt nicht vorhanden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Eine längere Beobachtung der merkwürdigen Weltkörper ergab tatsächlich,
-daß von einer Umdrehung nichts zu bemerken war. Wenn je eine solche
-stattfand, so mußte sie ganz außerordentlich langsam vor sich gehen.
-</p>
-
-<p>
-Heinz bemerkte noch: &bdquo;Alles, was wir hier sehen, weist so regellose
-Formen auf, daß ich schon daraus schließen möchte, daß wir es trotz aller
-neuesten Ansichten dennoch mit den Splittern eines Planeten zu tun haben,
-und schon der Mangel an Kugelformen legt auch den Mangel einer Rotation
-nahe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun sehen Sie,&ldquo; begann der Lord wieder: &bdquo;Weil diese Planetoiden
-keine oder doch nur eine äußerst langsame Umdrehung ausführen, sind sie nicht
-imstande, sich mit einer atmosphärischen Hülle zu umgeben; dadurch entsteht
-bei ihrem Umlauf um die Sonne ihre starke Reibung an der Weltatmosphäre,
-und so kommt es, daß sie glühen und leuchten. Besäßen sie den Schutz
-einer Lufthülle, so müßten sie bei ihrem geringen Durchmesser längst zu
-Eis erstarrt sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das leuchtete ein, um so mehr als späterhin eine ganze Anzahl dunkler
-Planetoiden entdeckt wurde, die eine sichtliche rasche Rotation aufwiesen
-und auch die Form von meist stark abgeplatteten Kugeln zeigten. Diese
-hatten sich offenbar infolge ihrer Umdrehung um die eigene Achse mit einer
-<a id="corr-9"></a>atmosphärischen Hülle umgeben, die sie vor der Reibung im Weltraum
-schützte, so daß sie erstarren konnten.
-</p>
-
-<p>
-Allein nicht ohne boshaften Triumph machte der Professor bald eine
-Entdeckung, die ihn zu dem Ausruf veranlaßte: &bdquo;Und dennoch, weiser Lord,
-geht Ihre geniale Theorie in die Brüche, da sehen Sie hin! Hier ist ein
-Planetoid von sphärischer Form, der ganz lustig um seine Achse wirbelt,
-also nach Ihnen die Schutzhülle einer Atmosphäre genießt, und dennoch
-leuchtet er, wenn auch etwas matt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore beobachtete den seltsamen Weltkörper. Sphärisch war er kaum
-zu nennen, denn er erschien so plattgedrückt, daß er eher einem Schweizerkäse
-glich, allerdings einem oben und unten rundlich aufgewölbten. Die
-Rotation war unverkennbar, denn man konnte Bergspitzen am Rande erkennen,
-die innerhalb einer Viertelstunde merklich ihre Lage veränderten.
-Es ließ sich daraus eine Umdrehungszeit von 5 Stunden ausrechnen. Daß
-der Planet eigenes Licht besaß, war unzweifelhaft.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-96" class="pagenum" title="96"></a>
-Der Lord schüttelte den Kopf: &bdquo;Wenn sich dieser Asteroid in Glut befände,
-dann allerdings wäre meine Ansicht widerlegt, wenn er nicht etwa
-erst vor kurzer Zeit entstanden oder durch einen Zusammenstoß plötzlich
-erhitzt sein sollte. Es ist ja gar nicht unwahrscheinlich, daß mitunter die
-Anziehungskraft eines solchen rotierenden Körpers bewirkt, daß ein größerer
-Brocken, der in seine Nähe kommt, auf ihn stürzt und sich mit ihm vereinigt,
-wobei er durch die Heftigkeit des Anpralls vorübergehend zur Leuchtglut
-gelangen würde. Ich vermute jedoch eher, daß dieses Leuchten ein phosphoreszierendes
-ist oder von leuchtenden Substanzen, Radium und dergleichen
-herrührt. Ich meine, die Sache ist es wert, daß wir uns durch den Augenschein
-überzeugen und auf dem Streitobjekt landen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lord&ldquo;, mahnte Schultze: &bdquo;Sie würden dabei riskieren, daß die Sannah
-in Glut gerät und wir alle elendiglich verbrennen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sollte es uns zu heiß werden,&ldquo; lachte Flitmore, &bdquo;so machen wir uns
-einfach aus dem Staube.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Da eine rechtzeitige Flucht jede Gefahr ausschließen konnte, entschlossen
-sich alle, den Landungsversuch zu unternehmen und der Herr des Weltschiffs
-stellte den Zentrifugalstrom ab.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-21">
-<a id="page-97" class="pagenum" title="97"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />18. Die Planetoideninsel.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Als die Sannah auf dem Planetoiden landete, begab sich der Lord mit
-Schultze in den untersten Raum, dessen Wände auf der Oberfläche des Weltkörpers
-aufruhten. Hier wollte er abwarten, ob eine merkliche Erhitzung
-der Wandungen stattfinde, ehe der Ausstieg gewagt wurde.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor hielt immer wieder die Hand an den Boden; denn er
-glaubte, es <em>müsse</em> eine gewaltige Steigerung der Temperatur erfolgen;
-aber er konnte nichts dergleichen wahrnehmen und auch das angelegte Thermometer
-stieg innerhalb einer halben Stunde um nur einen Grad.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Entweder ist die Schutzhülle der Sannah von ganz wunderbarer Vortrefflichkeit&ldquo;,
-sagte Schultze erstaunt, &bdquo;oder Sie behalten recht, Lord. Zu
-Eis erstarrt ist der Planetoid aber keinesfalls; Wärme strahlt er unter
-allen Umständen aus; denn die Temperatur steigt, wenn auch kaum merklich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich denke, wir können es wagen, uns ins Freie zu begeben&ldquo;, meinte
-der Engländer: &bdquo;Es fragt sich nur noch, wie die Luftverhältnisse sind.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Sie erstiegen nun das Nordpolzimmer, in dem die andern ihrer harrten.
-Die Lucke wurde vorsichtig geöffnet und Dick gegen den Spalt geschoben.
-Der Affe wich nicht zurück, im Gegenteil, er drängte den Kopf gegen die
-Öffnung, ein Zeichen, daß keinerlei giftige Gase einströmten.
-</p>
-
-<p>
-Nun öffnete der Lord die Türe weit und Dick und Bobs sprangen vergnügt
-hinaus, um alsbald an den Rampen hinabzuklettern.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore trat unter die Türe und sah hinaus. Die Seite des Planetoiden,
-auf der die Sannah festlag, war von der Sonne abgewendet, das heißt
-es herrschte zur Zeit Nacht auf ihr; allein es war durchaus nicht dunkel
-dort unten!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-98" class="pagenum" title="98"></a>
-Große dunkle Flächen zeigten sich allerdings, aber sie schwammen wie
-Inseln in einem leuchtenden Meer. Taghelle herrschte freilich nicht; aber
-ein wunderbares, entzückendes sanftes Schimmern in allen Farbenabstufungen:
-hier glänzte alles in grünem Schein, dort glühte es rot, dort wieder blau
-und violett; an einzelnen Stellen brach ein milchweißes Licht hervor, das
-seine Strahlengarben hoch emporsandte, gleich einem elektrischen Scheinwerfer.
-</p>
-
-<p>
-Da und dort schwammen buntdurchleuchtete Nebelwolken über dem
-Boden. Ein leiser Luftzug trieb sie zuweilen weiter, und je nach der
-Färbung der Strahlen, die vom Grunde aufstiegen, über den sie schwebten,
-wechselte auch ihre Farbe in zauberschönem Spiel.
-</p>
-
-<p>
-Eine würzige, lauwarme Luft wehte dem Lord entgegen und als er
-sah, daß die Schimpansen den Erdboden erreicht hatten und sich ohne irgend
-ein Zeichen von Mißbehagen, vielmehr seelenvergnügt auf dem leuchtenden
-Boden tummelten, hakte er die Strickleiter ein und ließ sie hinabfallen.
-</p>
-
-<p>
-Dann stieg er als erster in die Tiefe.
-</p>
-
-<p>
-Ein lautes &bdquo;Ah!&ldquo; des Entzückens erscholl aus Mietjes Munde, als sie
-hinter ihm aus der Türe trat und auch die Nachfolgenden hielten überraschte
-Ausrufe der Bewunderung nicht zurück.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Alles in bengalischer Beleuchtung zur Feier unserer Ankunft!&ldquo; rief
-Münchhausen, als er mühsam aber mit begierigem Eifer die schwanke
-Strickleiter hinabkletterte, die unter seiner Last knirschte und stöhnte.
-</p>
-
-<p>
-Bald waren alle unten versammelt. Es schien eine Wiese zu sein, die
-sie betreten hatten und das Gras leuchtete in grünem Schimmer von innen
-heraus; aber auch der Erdboden selber, wo er zwischen den Gräsern sichtbar
-wurde, phosphoreszierte in weißem und gelblichem Schimmer: alles
-schien durchleuchtet!
-</p>
-
-<p>
-Flitmore brach zuerst das Schweigen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Laßt uns dieser Wunderwelt, dir wir entdeckten und die uns einen
-neuen Einblick in die schöpferische Allmacht gewährt, einen Namen geben!
-Mietje, nach dir möchte ich den lieblich und herrlich zugleich erschimmernden
-Stern benennen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, mein Lieber!&ldquo; verwahrte sich Mietje entschieden: &bdquo;Weder fühle
-ich mich würdig einer solch außerordentlichen Pracht meinen Namen leihen
-zu lassen, noch ist der schlichte Klang dieses Namens geeignet, diese herrliche,
-strahlende Welt zu kennzeichnen: sie bedarf eines klangvollen Namens.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-99" class="pagenum" title="99"></a>
-&bdquo;Nun, so sollst du jedenfalls das Recht haben, den Namen zu wählen,&ldquo;
-sagte ihr Gatte und fügte höflich hinzu: &bdquo;Falls die Herren nichts dagegen
-haben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das wäre noch schöner!&ldquo; rief Schultze: &bdquo;Wir haben weder ein Recht
-dazu, noch wüßten wir eine würdigere Wahl zu treffen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun denn!&ldquo; ließ sich Mietje vernehmen: &bdquo;Ich trage im Herzen das
-Bild einer stolzen und zugleich anmutigen Prinzessin, einer Heldin, der wir
-alle, außer Herrn Friedung, der nicht das Glück hat, sie zu kennen, unendlich
-viel verdanken, einer edlen Seele, die wir bewundern, eines goldnen
-Herzens, das wir lieben lernten. Wie seh ich ihr leuchtendes Auge im
-Geiste mich anblitzen und wie schmeichelt sich mir der Klang ihres Namens
-ins Ohr.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Tipekitanga!&ldquo; rief Münchhausen begeistert. &bdquo;Brava, brava! Unsre
-Tipekitanga verdient wahrhaftig solche Ehre!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Wir müssen hier bemerken, daß der Kapitän der italienischen Sprache
-mächtig war und daher einer Dame gegenüber nicht das männliche &bdquo;Bravo!&ldquo;
-gebrauchte, wie es bei Unwissenden üblich ist, sondern das einzig richtige
-&bdquo;Brava&ldquo;, das einem weiblichen Wesen zukommt, dem man Beifall spendet.
-</p>
-
-<p>
-Auch der Professor und der Lord waren mit Mietjes Vorschlag einverstanden
-und ersterer bemerkte:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist überhaupt ein besonders glücklicher Gedanke, diesem Planetoiden
-den Namen einer Zwergprinzessin beizulegen, sind doch diese Weltkörper
-die Zwerge unter den Planeten und der von uns betretene scheint mir in
-seinem leuchtenden Geschmeide eine Prinzessin unter den Asteroiden zu sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nachdem nun diese Frage zu allgemeiner Genugtuung erledigt war,
-wurde eine Entdeckungsreise auf dem neugetauften Planeten unternommen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gehen wir nach Westen,&ldquo; schlug der Lord vor: &bdquo;Ich vermute, daß
-der Anblick dieser Lichtwelt bei Nacht am reizendsten ist und wir gehen in
-dieser Richtung der Sonne aus dem Wege.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Auch dieser Vorschlag fand keinen Widerspruch, und so wanderten unsre
-Freunde durch die leuchtenden Auen, von einem Entzücken ins andre geratend.
-</p>
-
-<p>
-Der grünen Wiese schloß sich eine blumige Au an: die roten, gelben
-und blauen Blumen strahlten jede ihr eigentümliches Licht aus; man glaubte,
-den leuchtenden Saft in den Stengeln emporsteigen und in dem feinen Geäder
-der Blütenblätter kreisen zu sehen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-100" class="pagenum" title="100"></a>
-Das weiße Licht entstrahlte dem Boden an Stellen, die des Pflanzenwuchses
-bar waren und die aus leuchtender Kreide oder Kalkstein zu bestehen
-schienen.
-</p>
-
-<p>
-Dann kamen Gebüsche und Stauden mit zartviolettem Blattwerk, Bäume,
-zwischen deren mattlichten Blättern orangerote und goldgelbe, auch purpurne
-und silbergraue Früchte förmlich strahlten und gleich venezianischen Laternen
-die Umgegend erhellten.
-</p>
-
-<p>
-Wunderbar erschien vor allem das Silberleuchten der Bäche, die sich
-durch die Auen schlängelten und der weißaufblitzende Schaum der Wasserfälle,
-die sich von felsigen Hügeln herabstürzten. Diese massiven Felsen,
-die sich aus der Ebene erhoben, stellenweise auch als tafelartige Flächen
-in der Ebene selber lagen, bildeten die dunkeln Flecken, die unsern Freunden
-gleich zu Anfang aufgefallen waren. Sie erhöhten in ihrem Teil den Reiz
-des Ganzen und der zauberhafte Eindruck des farbenbunten Lichtes hätte
-sicher Einbuße erlitten, wenn nicht die Schatten es wirksam unterbrochen
-und gehoben hätten.
-</p>
-
-<p>
-Märchenschön erschienen die Teiche und Seen, deren Gewässer in verschiedenen
-Farben vom lichtesten Blau bis zum dunkelsten Violett, vom
-zartesten Rosa bis zum düstersten Purpur glühten. Über ihnen schwebten
-die beweglichen, durchleuchteten Nebelwolken, die sich, vom Nachthauch getrieben,
-in zerflatternden Streifen über Wiesen und Auen hinzogen.
-</p>
-
-<p>
-Die Berge, die stellenweise zu überklettern waren, zeigten sich stets von
-mäßiger Höhe und boten keine besonderen Schwierigkeiten. In der Regel
-war das Gestein dunkel; doch auch hier waren Schichten selbstleuchtender
-Mineralien eingesprengt und einen besonders feenhaften Anblick gewährte
-es, wenn man über Geröll dahinwanderte, das aus lichtsprühenden Steinchen
-aller Färbungen bestand: es war, als schritte man über Diamanten
-Rubine, Saphire und andre Edelsteine hinweg, die im eigenen Glanze
-funkelten und bei jedem Tritt bunt durcheinanderrollten mit melodischem
-Klingen und wunderbarem Geblitz und Geflimmer. Flitmore machte fleißig
-farbige photographische Aufnahmen, die sich späterhin als von wunderbarer
-Wirkung erwiesen und ein herrliches und dauerndes Andenken an die buntleuchtende
-Pracht der Tipekitanga bildeten.
-</p>
-
-<p>
-Nach fünfstündiger Wanderung, die nur durch eine halbstündige Frühstücksrast
-unterbrochen worden war, sahen unsre Freunde die Sonne hinter
-sich emporsteigen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-101" class="pagenum" title="101"></a>
-Wie Flitmore richtig vermutet hatte, löschte ihr Glanz den Hauptreiz
-des Wunderplaneten aus.
-</p>
-
-<p>
-Zwar erschienen die leuchtenden Farben auch jetzt noch von einer Pracht,
-mit der nichts auf der Erde sich vergleichen ließ und man konnte das
-eigene Licht des Erdbodens, des Wassers und der Pflanzen ganz deutlich
-unterscheiden. Aber das feenhafte Schauspiel, das sie im nächtlichen Dunkel
-boten, war es nun doch nicht mehr.
-</p>
-
-<p>
-Wie in einem Märchentraum waren die Wandrer bisher dahingewandelt,
-schwelgend in nie geahnter Seligkeit des Schauens. Jetzt brachte
-das altgewohnte Licht des Tagesgestirns das Erwachen, doch konnte es
-nicht die Eindrücke verwischen, die sich ihnen unauslöschlich eingeprägt
-hatten.
-</p>
-
-<p>
-Aber was war das? Vor ihnen ragte die Sannah aus leuchtenden
-grünen Matten!
-</p>
-
-<p>
-Nicht mehr als eine Stunde brauchten sie, um wieder auf dem Platze
-zu stehen, von dem aus sie die herrliche Rundreise angetreten hatten.
-</p>
-
-<p>
-In fünf Stunden hatte die Tipekitanga ihre Umdrehung um ihre Achse
-vollendet, nicht viel mehr als sechs Stunden hatten die Wandernden gebraucht,
-um den Planetoiden im Äquator in seinem ganzen Umfang zu
-umschreiten: wahrhaftig eine Zwergprinzessin unter den Planeten!
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-22">
-<a id="page-102" class="pagenum" title="102"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />19. Der Komet.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Noch einige Stunden ergingen sich unsre Freunde im Tageslicht auf der
-paradisischen Tipekitanga. Sie kosteten nun auch die leuchtenden Früchte,
-nachdem das Beispiel der Affen, die ganze Massen davon mit Gier vertilgten,
-sie versichert hatte, daß keine Gefahr dabei sei.
-</p>
-
-<p>
-Diese Früchte erwiesen sich nicht bloß als erfrischend und saftig, von
-köstlichem und sehr verschiedenem Wohlgeschmack, sondern es schien eine
-eigentümliche, stärkende und belebende Kraft von ihnen auszugehen: nach
-ihrem Genuß fühlte man sich in äußerst gehobener Stimmung, eine niegekannte
-Lebensfreudigkeit beseligte die Gemüter und neue Kräfte schienen
-die Adern zu schwellen.
-</p>
-
-<p>
-Selbst Münchhausen rühmte: &bdquo;Ich fühle mich so frisch und leicht, als
-sei meine ganze Körperlast geschwunden und ich könnte mich als ätherisches
-Wesen in die Lüfte erheben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle mußten lachen, wenn sie die Masse des Kapitäns betrachteten und
-dabei hörten, daß er sich einem ätherischen Wesen verglich.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, einen Luftballon könnten Sie ja immerhin vorstellen,&ldquo; meinte
-Schultze: &bdquo;Tun Sie ihren Gefühlen keinen Zwang an und schweben Sie
-immer mal empor, wir alle freuen uns auf den köstlichen Anblick.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mit dem Schweben des Dicken hatte es aber noch gute Wege. Von
-den herrlichen Früchten wurden reiche Vorräte in die Sannah geschafft,
-obgleich man nicht wissen konnte, wie lange sie sich halten würden.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen waren die kurzen Tagesstunden verflogen und die Wiesen
-und Fluren leuchteten wieder in ihrem vollen Zauber.
-</p>
-
-<p>
-Am Himmel aber stieg ein strahlender Komet auf, den zuvor niemand
-beobachtet hatte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-103" class="pagenum" title="103"></a>
-&bdquo;Er weist uns den Weg zur Weiterfahrt!&ldquo; sagte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-Alle begaben sich wieder in das Weltschiff, der Strom wurde eingeschaltet
-und der bunte Glanz unter ihnen floß zusammen in einem milden
-Schimmer. Allmählich wurde die Tipekitanga wieder der still leuchtende
-Stern, wie sie ihn zuerst erblickt hatten und flog auf ihrer Bahn vor aller
-Augen davon in die dämmernden Fernen.
-</p>
-
-<p>
-Um so prächtiger strahlte der neue Komet, dem sich jetzt die allgemeine
-Aufmerksamkeit ungeteilt zuwendete.
-</p>
-
-<p>
-John Rieger, der gebildete Schwabensohn, wandte sich wieder einmal
-an den Professor in seinem unstillbaren Durst nach Aufklärung. Bei ihm
-hieß es auch: &bdquo;Zwar weiß ich viel, doch möcht&rsquo; ich <em>alles</em> wissen.&ldquo; Und
-so begann er denn in seiner gewählten Sprechweise:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hochwertester Herr Professor, falls es Ihnen nicht zu geringwertig erscheinen
-dürfte, möchte ich Sie mit Vergnügen ersuchen, ob Sie nicht geneigt
-sein wollten, mir einen wissenschaftlichen Vortrag zu halten, wie Sie
-es so vorzüglich verstehen, über einige Punkte der asternomischen Wissenschaft,
-in denen ich mich noch sozusagen in verhältnismäßiger Unwissenheit
-befinde.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn ich dir dienen kann, teuerster Sohn, so bin ich stets bereit,&ldquo;
-erwiderte Schultze: &bdquo;Laß hören, was für einen Gegenstand du erläutert
-haben möchtest.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nichts andres, als eben die Kometen, was nämlich eigentlich solch ein
-Haarstern von Natur ist und wo er her kommen tut und warum er überhaupt
-einen Schwanz hat?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, lieber Freund, das sind zum Teil verfängliche Fragen: so ganz
-Gewisses weiß man ja darüber überhaupt nicht und die Gelehrten sind
-noch lange nicht einig; doch will ich dir gerne kund tun, wie es mit all
-dem nach dem heutigen Stande der Wissenschaft steht.
-</p>
-
-<p>
-Wo die Kometen herkommen, ist verhältnismäßig am einfachsten zu
-beantworten: einige gehören unserem Sonnensystem an und kehren regelmäßig
-wieder, das sind etwa 6000 Stück, von denen allerdings die wenigsten
-mit bloßem Auge sichtbar sind. Sie haben eine elliptische Bahn; aber
-während die Ellipse, welche die Planeten um die Sonne beschreiben, beinahe
-ein Kreis ist, gleicht die Bahn der Kometen einer Parabel: sie verläuft
-fast geradlinig bis an ihr Ende, das heißt bis zur Stelle, wo der Komet
-sich wendet, um wieder an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren. Die
-<a id="page-104" class="pagenum" title="104"></a>
-Umlaufzeit dieser Kometen ist zum Teil sehr kurz, sie können alle drei bis
-sechs Jahre wiederkehren; sie kann aber auch sehr lang sein wie beim
-donatischen Komet, wo sie 1900 oder beim großen Komet von 1881, wo
-sie gar 3000 Jahre beträgt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Kometen mit kurzer Umlaufzeit sind meist nur mit dem Fernrohr
-zu sehen, was daher kommen mag, daß sie durch ihre häufige Annäherung
-an die Sonne immer mehr aufgelöst und somit immer lichtschwächer werden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun gibt es aber auch Kometen, die aus unermeßlichen oder gar unendlichen
-Fernen kommen, gleichsam Boten aus der Fixsternwelt; das sind
-diejenigen, deren Bahn eine Parabel oder einen Hyperbelast beschreibt und
-sich daher ins Unendliche erstreckt. Die Parabelbahnkometen kehren in die
-Gegend zurück, aus der sie gekommen sind, die Hyperbelbahnkometen in
-andre Himmelsgegenden. Bei der Annäherung an die Sonne krümmen sie
-ihre Bahn sehr stark infolge der Sonnenanziehung, wenden sich um die
-Sonne herum und entschwinden dann wieder auf Nimmerwiedersehen aus
-unserm Sonnensystem.
-</p>
-
-<p>
-Doch eben die Anziehungskraft der Sonne oder auch eines Planeten,
-namentlich des gewaltigen Jupiter, kann einen derart störenden Einfluß auf
-die Bahn solcher Kometen ausüben, daß sie aus einer parabolischen oder
-hyperbolischen zu einer elliptischen wird. Dann hat unser Sonnensystem den
-Weltenbummler sozusagen eingefangen und er muß nun immer wiederkehren
-in regelmäßiger Umlaufszeit.
-</p>
-
-<p>
-Aber auch umgekehrt kann die elliptische Bahn eines Kometen in eine
-parabolische oder hyperbolische verwandelt werden und dann ist er für uns
-verloren. So ist zum Beispiel der Lexellsche Komet, der 1770 von Messier
-entdeckt wurde in eine schlimme Balgerei mit dem Jupiter geraten, dem er
-allzunahe kam. Lexell berechnete seine Umlaufszeit zu 5½ Jahren; auch
-stellte es sich heraus, daß dieser Komet erst 1667 durch eben den Jupiter für
-unser Sonnensystem eingefangen worden war.
-</p>
-
-<p>
-Im Jahre 1779 näherte sich der Frechling wiederum dem Jupiter und
-entblödete sich nicht, sogar zwischen dessen Monden hindurchzugehen. Der
-mit Recht entrüstete Planet warf den Eindringling zum zweitenmal aus seiner
-Bahn, so daß er nun eine Umlaufzeit von 27 Jahren hatte.
-</p>
-
-<p>
-Im Frühjahr 1886 machte der Lexellkomet einen neuen Annäherungsversuch
-und hielt sich volle acht Monate in der Nähe des großen Planeten
-auf. Hiedurch wurde seine Bahn wiederum verändert und er erhielt eine
-<a id="page-105" class="pagenum" title="105"></a>
-Umlaufzeit von sieben Jahren. So wurde er 1889 wieder sichtbar: aber
-es läßt sich vorausberechnen, daß der unverschämte Geselle den Jupiter
-nicht in Ruhe läßt, bis diesem die Geduld reißt und er ihn endgültig aus
-unserm Sonnensystem hinausschmeißt wegen wiederholten Hausfriedensbruches.
-</p>
-
-<p>
-Über die Bahnen der Kometen ist noch zu sagen, daß sie nicht wie die
-der Planeten nur mäßig gegen die Erdbahn geneigt sind, sondern die verschiedensten
-Neigungswinkel aufweisen. Bei einem Neigungswinkel von
-0 bis 90 Grad zur Erdbahn ist der Komet rechtläufig, das heißt er bewegt
-sich in gleicher Richtung wie die Erde um die Sonne. Beträgt aber die
-Neigung 90 bis 180 Grad, so bewegt er sich in entgegengesetzter Richtung
-zur Erde und wird &sbquo;rückläufig&lsquo; genannt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, aber wie ist es mit den Schweifverhältnissen?&ldquo; fragte der wißbegierige
-John weiter.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja so! Von Hause aus haben die Kometen keinen Schweif und sind
-sehr lichtschwach, obgleich sie zweifellos eigenes Licht ausstrahlen. Erst wenn
-sie sich unsrer Sonne nähern, leuchten sie immer heller auf und senden eine
-oder mehrere, oft pendelartig schwingende Ausstrahlungen der Sonne zu, die
-sich unter starker Verbreiterung zurückbiegen und den Kometenkern mit
-einer strahligen Nebelmasse umhüllen, die man &sbquo;Koma&lsquo; nennt.
-</p>
-
-<p>
-Die umgebogenen Ausstrahlungen setzen sich fort in dem der Sonne stets
-abgewendeten Schweif, der allein dem bloßen Auge sichtbar ist und oft eine
-Länge von vielen Millionen Kilometern erreicht. Bei der Sonnennähe oder
-kurz darauf erreicht er seine größte Länge und Helligkeit. Je mehr sich der
-Komet von der Sonne entfernt, desto schwächer und kürzer wird sein Schweif,
-bis er samt Koma und Ausstrahlungen verschwindet und nur noch eine matte,
-runde Nebelmasse, ein leichtes Wölkchen übrig bleibt, wie vor der Annäherung
-an die Sonne.
-</p>
-
-<p>
-Kometen, die der Sonne nicht nahe kommen, bilden nur eine runde oder
-auch unförmliche Nebelmasse, matt und verwaschen, ohne Schweifbildung.
-</p>
-
-<p>
-Bis jetzt ist noch kein Komet beobachtet worden, dessen Perihel oder
-Sonnennähepunkt weiter als die Jupiterbahn von der Erde entfernt wäre;
-das beweist nicht, daß es nicht auch solche gibt, sondern nur, daß sie uns
-nicht sichtbar werden wegen allzu geringer Leuchtkraft.
-</p>
-
-<p>
-Manche Kometen entwickeln mehrere mehr oder wenig gekrümmte
-Schweife. So breitete der Komet von 1744 sechs fächerförmige Schweife
-<a id="page-106" class="pagenum" title="106"></a>
-aus; er war so hell, daß man ihn mit bloßem Auge zur Mittagszeit in der
-Nähe der Sonne sehen konnte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John war noch nicht befriedigt und fragte weiter: &bdquo;Wieso aber eigentlich,
-falls doch die Kometen von Natur aus schweiflos sind, wächst ihnen ein
-solcher, wenn sie zur Sonne gelangen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das macht die anziehende Kraft der Sonne, mein Bester. Allerdings
-begreift man noch nicht zur Genüge, warum die Ausstrahlungen, die anfangs
-der Sonne zustreben, zurückgebogen werden und so den der Sonne
-abgewendeten Schweif bilden, dessen Krümmung abhängt von dem Verhältnis
-der abstoßenden Kraft zur Bahngeschwindigkeit des Kometen. Vielfach wird
-angenommen, das Sonnenlicht übe diese abstoßende Wirkung aus, andre
-denken an elektrische Erscheinungen. Es können da viele Kräfte wirksam
-sein, die wir noch nicht kennen. Wenn sich zum Beispiel der Schweif in
-mehrere auseinandergehende Büschel spaltet, scheinen schwächere, seitlich
-wirkende Kräfte wirksam zu sein. Man beobachtet zuweilen auch im Schweif
-eine wolkenähnliche Verdichtung, die selber wie ein kleiner Komet aussieht,
-der ebenfalls eine Mähne besitzt. Auch plötzliche Lichtausbrüche kommen
-vor, seltener eine plötzliche Lichtabnahme.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Meine Fliehkraft erklärt alles,&ldquo; warf der Lord ein: &bdquo;Die vom Kometen
-ausgestoßenen Stoffe sind mit Zentrifugalkraft geladen und werden daher
-von der Sonne abgestoßen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mag sein!&ldquo; sagte Schultze achselzuckend und fuhr dann fort: &bdquo;Was
-nun den Stoff betrifft, aus dem die Kometen bestehen, so scheint er von
-äußerst geringer Dichte zu sein; wenigstens der Schweif muß eine äußerst
-dünn verteilte Staub- oder Dampfwolke sein; denn die Sterne schimmern
-unverdunkelt und ohne Lichtbrechung hindurch.
-</p>
-
-<p>
-Die Spektralanalyse wies Natrium- und Eisenlinien nach, namentlich
-auch Kohlenwasserstoff und Kohlenoxyd; es ist also immerhin möglich, daß
-so ein Kometenschweif Petroleum enthält und andere Stoffe, auch giftige
-Gase, die gefährlich werden könnten, wenn sie in die Erdatmosphäre eindrängen.
-Andrerseits scheint ihre geringe Dichtigkeit jede Gefahr wieder
-auszuschließen. Jedenfalls hat die Erde im Jahre 1861 den Schweif des
-Halley-Kometen durchkreuzt ohne Schaden zu nehmen, ja ohne daß es nur
-irgendwer merkte; erst nachträglich wurde die Tatsache bekannt. In früheren
-Zeiten freilich glaubte man, die Kometen gingen von irdischen Dünsten aus
-und brächten Pest und Seuchen; auch als Kriegsruten, die großes Blutvergießen
-<a id="page-107" class="pagenum" title="107"></a>
-und andere schwere Katastrophen anzeigen sollten, wurden sie
-angesehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz ausgeschlossen ist es trotzdem nicht,&ldquo; meinte der Lord, &bdquo;daß unter
-ungünstigen Verhältnissen die Luft der Erde durch Kometengase vergiftet
-werden könnte, so daß alles Leben in einem Augenblicke zu Grunde ginge.
-Was uns vor diesem Schicksal bewahrt, ist meiner Ansicht eben der Umstand,
-daß die Fliehkraft die Erde veranlaßt, diese Stoffe von sich abzustoßen.
-Sternschnuppenregen und Meteorfälle aber belehren uns, daß diese abstoßende
-Kraft auch überwunden werden kann, und dies hängt wahrscheinlich mit
-der Geschwindigkeit des Zusammentreffens ab. Begegnet zum Beispiel die
-Erde dem Schweife eines sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit bewegenden
-rückläufigen Kometen, so erfolgt der Zusammenstoß mit großer Plötzlichkeit,
-da beide einander entgegensausen und sich so die Geschwindigkeit
-der Erde zu der des Kometen addiert. In diesem Fall dürfte der abstoßenden
-Kraft die Zeit fehlen, in Wirksamkeit zu treten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie ist es aber,&ldquo; fragte nun Mietje, &bdquo;wenn ein Weltkörper, sagen
-wir die Erde, mit dem Kern oder Kopf des Kometen zusammenstößt?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist eine Frage für sich,&ldquo; erwiderte der Professor. &bdquo;Im allgemeinen
-ist ja die Sache für den Kometen selber am gefährlichsten. Wir
-sehen ja, wie die Annäherung an die Sonne einen Teil seines Kerns in
-flüchtige Bestandteile auflöst, die beispielsweise beim Kometen von 1843
-einen Schweif von 320 Millionen Kilometern bildete. Ziehen nun die
-Kometen den Schweif auch wieder ein, so erleiden sie doch enorme Verluste
-an Materie und werden so immer geringer an Masse, bis sie sich schließlich
-ganz auflösen.
-</p>
-
-<p>
-Bekanntlich kam der Bielasche Komet 1845/1846 dem Jupiter so nahe,
-daß man einen Zusammenstoß erwartete; doch erlitt der große Planet keinen
-sichtlichen Schaden, während der Komet in zwei Teile gespalten wurde, die
-späterhin ganz verschwanden oder vielmehr einen Meteorschwarm bildeten,
-durch den die Erde des öfteren dahinging, bis auch er schließlich ausblieb.
-</p>
-
-<p>
-Der Septemberkomet von 1882, dessen Vorübergang vor der Sonne
-Finlay und Elkin am Kap der Guten Hoffnung am lichten Tage beobachten
-konnten, ging durch die Glutatmosphäre der Sonne. Wie erstaunt war
-man in Amerika, hernach zu entdecken, daß er nicht weniger als sieben
-Junge gekriegt hatte, die ihm folgten, wie die Küchlein der Gluckhenne.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-108" class="pagenum" title="108"></a>
-Andrerseits kann aber nicht geleugnet werden, daß der Zusammenstoß
-mit dem Kern eines Kometen auch ernste Gefahren in sich bergen kann.
-Manche Kometen bewegen sich mit solch ungeheurer Geschwindigkeit, daß
-ein Anprall ihrer festen Masse, wenn sie von irgendwie bedeutender Ausdehnung
-ist, den getroffenen Planeten in Glut versetzen müßte. Der Komet
-von 1843 vollzog seine Wendung um die Sonne mit solch fabelhafter
-Schnelligkeit, daß er binnen weniger Stunden von der einen Seite nach
-der andern gelangte. Dagegen ist die Geschwindigkeit unsrer Erde mit
-30 Kilometern in der Sekunde ein Schneckentempo. Welche Geschwindigkeit
-erst die Bestandteile seines 320 Millionen Kilometer langen Schweifes an
-dessen Ende hiebei entwickeln mußten, übersteigt unsre Fassungskraft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich meine aber,&ldquo; wandte Heinz ein, &bdquo;man hält neuerdings auch den
-Kern der Kometen für eine nebelartige, gasförmige Masse ohne Festigkeit.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist angesichts der Tatsachen eine ganz unhaltbare Ansicht,&ldquo; widersprach
-Schultze: &bdquo;Denken Sie doch, daß die Meteore, die auf die Erde
-fallen, zum Teil Eisenblöcke von ungeheurem Gewichte sind. Und diese
-Brocken scheinen nicht einmal dem Kern, sondern dem Schweif der Kometen
-zu entstammen, in dem man oft stark verdichtete Lichtknoten beobachtet.
-</p>
-
-<p>
-Allerdings glaubt man, daß die Erde 1872 und 1885 mit den beiden
-Köpfen des Biela-Kometen zusammenstieß, da der Schweif eine ganz andre
-Bewegungsrichtung hatte als die damals niedergehenden Sternschnuppen
-oder Meteorschwärme. Sollte das richtig sein, so ist immerhin zu berücksichtigen,
-daß es sich hier um einen durch Jupiter zertrümmerten und in
-Auflösung begriffenen Kometen handelte.
-</p>
-
-<p>
-Daß es aber überhaupt einem Kometen möglich ist, so nahe am Jupiter
-vorbeizukommen oder gar durch die glühende Korona der Sonne zu sausen,
-wie es auch vorkommt, ohne völlig in Dunst aufgelöst zu werden, beweist,
-daß er äußerst widerstandsfähige feste Bestandteile besitzen muß.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hiefür kann ich auch einen Beweis beibringen,&ldquo; bestätigte Flitmore.
-&bdquo;Ich besuchte vor Jahren die sogenannte Teufelsschlucht in Arizona. Das
-ist ein ovaler Kraterring, der sich 40 bis 50 Meter über die umgebende
-Hochfläche erhebt; sein Durchmesser beträgt 1300 Meter von Ost nach West,
-1200 von Süd nach Nord. Der innere Schlund fällt 200 Meter tief
-schroff ab, der Kessel ist also um 150 Meter tiefer als die Ebene rings umher;
-früher muß er noch viel tiefer gewesen sein, aber Schutt und Geröll ist jahrhundertelang
-hinabgerollt, denn das Gefüge des Gesteins ist stark aufgelockert.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-109" class="pagenum" title="109"></a>
-Nun haben Bohrungen ergeben, daß unter den Schuttmassen das Gestein
-völlig zersprengt und in zelligen Bimsstein verwandelt ist. Der zerpulverte
-Sandstein ist mit feinverteiltem Nickeleisen vermengt und in einer Tiefe von
-250 Metern unter der jetzigen Talsohle stieß man auf feste Eisenmassen,
-die sich als Meteoreisen herausstellten.
-</p>
-
-<p>
-Rings um den Krater findet man ganze Massen von Meteoreisensteinen,
-deren Gewicht von einem Gramm bis zu 460 Kilogramm schwankt und
-die außer dem vorwiegenden Nickeleisen Verbindungen von Phosphor,
-Schwefel, Kohlenstoff, auch Diamanten enthalten.
-</p>
-
-<p>
-Man ist nun in wissenschaftlichen Kreisen zu der Überzeugung gelangt,
-daß hier ein fester Brocken eines Kometen vor Zeiten auf die Erde niederstürzte
-und zwar von West-Nord-West in einem Winkel von 70 Grad. Der
-Block hatte wahrscheinlich 150 Meter Durchmesser. Er schlug ein 350 Meter
-tiefes Loch in die Erde, wobei die entwickelte Hitze von etwa 2000 Grad
-Celsius den Sandstein in Bimsstein umschmolz. Die emporspritzenden Gesteinstrümmer
-bildeten den Kraterwall um den Kessel.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da haben wir&rsquo;s!&ldquo; sagte Schultze: &bdquo;Ebensogut können Felsblöcke von
-mehreren Kilometern Durchmesser in solch einem Kometenkopf enthalten
-sein oder noch größere Massen. Der Zusammenprall würde unter Umständen
-nicht bloß alles Leben auf dem getroffenen Teil der Erde vernichten, sondern
-die Umdrehung unsres Planeten könnte eine Änderung erleiden, wodurch
-die Länge von Tag und Nacht eine völlig andre werden müßte; zudem
-könnte die Erdachse sich derart verschieben, daß die Meere sich gegen den
-neuen Äquator stürzen und das Festland verschlingen würden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hoffen wir, daß dies Theorien bleiben,&ldquo; ließ sich nun Münchhausen
-vernehmen. &bdquo;Jedenfalls aber wollen wir uns inachtnehmen, daß nicht
-etwa unsre teure Sannah mit dem Kometen dort drüben in nähere Berührung
-kommt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Davor schützt uns die Fliehkraft,&ldquo; versicherte Flitmore. Er ahnte
-nicht von ferne, daß gerade das Gegenteil der Fall sein sollte.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-23">
-<a id="page-110" class="pagenum" title="110"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />20. Die Seeschlange.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Das Gespräch über die Kometen war während des Mittagsmahls geführt
-worden; deshalb hatte sich Münchhausen so wenig daran beteiligt, denn
-wenn er an der gewaltigen und doch so angenehmen Arbeit war, seinen
-Appetit zu stillen, ließ er die andern behaupten, was sie wollten, das war
-ihm alles Nebensache.
-</p>
-
-<p>
-John fühlte sich durch die neuen Lichter, die ihm über die Kometen
-aufgesteckt worden waren, so erleuchtet, daß er zum Schluß begeistert äußerte:
-&bdquo;Die Asternomie ist doch sozusagen die hochwohllöblichste Wissenschaft, indem
-daß sie das höchste Lob verdient, sowohl von wegen ihres Verstandes der
-unbekanntesten und schwierigsten Probleme, sowie von wegen der besonderen
-Interessantheit und Wichtigkeit ihrer Entdeckungstatsachen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lieber Freund,&ldquo; widersprach der Kapitän, den letzten Bissen mit einem
-Schluck Wein begießend: &bdquo;Es fehlt der Astronomie nur ein einziger Buchstabe,
-um das Lob zu verdienen, das du ihr spendest. Weil ihr aber dieser
-Buchstabe fehlt, kommt sie erst in zweiter Linie.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und was wäre dann, wenn Sie mir gütigst zu fragen gestatten, hochverehrtester
-Herr Kapitän, dieser Buchstaben?&ldquo; fragte John verwundert.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das G,&ldquo; erwiderte Münchhausen überzeugt: &bdquo;Über die Astronomie und
-alle andern Wissenschaften geht die Gastronomie.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Gasternomie?&ldquo; wiederholte John, hochaufhorchend. &bdquo;Verzeihen
-Sie bescheidenst, wenn mir das leider vollständig unbekannt zu sein der Fall
-ist, daß es auch eine sobenannte Wissenschaft gibt, wo ich doch der schmeichelhaften
-Meinung war, alle Wissenschaften zu kennen, aus welchem Grunde
-ich Ihnen besonders zu Dankbarkeit verpflichtet wäre, wenn Sie mich auch
-diese Wissenschaft lernen wollten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-111" class="pagenum" title="111"></a>
-&bdquo;Die lernt man nicht, die genießt man, mein Sohn; es ist eine Wissenschaft,
-die einem angeboren sein muß; sie beschäftigt sich mit dem Eßbaren
-und Trinkbaren und lehrt, was gut schmeckt und bekömmlich ist, sowie
-was man zu tun hat, um besonders schmackhafte Speisen und Getränke zu
-bereiten. Ihr Lehrbuch ist das Kochbuch, das aber ohne angeborenes Genie
-geringen Wert hat. Übrigens genügt es, die leiblichen Genüsse recht zu
-schätzen und zu genießen, um ein tüchtiger Gastronom zu sein, wenn man
-auch ihre Zubereitung nicht selber verstünde. Schau, ohne Astronomie und
-alle andern Wissenschaften kann der Mensch leben und glücklich sein, nicht
-aber ohne Essen und Trinken; ja, ohne diese notwendigste aller Beschäftigungen
-wäre er gar nicht imstande, irgend einer andern Wissenschaft sich hinzugeben;
-daher ist die Gastronomie die Grundlage und Seele aller andern Wissenschaften.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das dürfte ja wohl sozusagen stimmen,&ldquo; meinte Rieger nachdenklich:
-&bdquo;Und mit hungrigem Magen bin ich auch nicht für die Wissenschaften aufgelegt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Also!&ldquo; triumphierte Münchhausen: &bdquo;die wichtigste Frage ist nicht <em>die</em>,
-wie schnell sich ein Weltkörper bewegt, wie weit er von uns entfernt ist
-und was für Stoffe ihn zusammensetzen, sondern ob es auf ihm auch etwas
-Gutes zu essen gibt, und das kann uns die Astronomie nicht enthüllen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Viel wichtiger erscheint mir,&ldquo; sagte Mietje lachend, &bdquo;zu wissen, was
-für Geschöpfe auf einem Planeten hausen, dem wir einen Besuch abstatten
-wollen; denn solchen scheußlichen Ringelwürmern wie auf dem Mars möchte
-ich doch nicht wieder begegnen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kleinigkeit!&ldquo; brummte der Kapitän: &bdquo;Geben Sie mir eine gute Mahlzeit
-und ich pfeife auf alle Lumbriciden und andere Ungeheuer.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, na!&ldquo; spöttelte Schultze: &bdquo;Auf dem Mars ist Ihnen das Pfeifen
-doch vergangen; Sie schienen wenigstens bereits aus dem letzten Loch zu
-pfeifen, als Sie &bdquo;unter Larven die einzige fühlende Brust&ldquo; sich am Boden
-wälzten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unsinn! Wer wie ich schon die Seeschlange bekämpft und besiegt hat,
-sollte sich vor solch harmlosem Gewürm fürchten?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Seeschlange? Die echte, fabelhafte Seeschlange?&ldquo; fragte Heinz
-neugierig.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß! Ein Ungeheuer, zwanzig Meter lang und dick wie eine Hochwaldtanne.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-112" class="pagenum" title="112"></a>
-&bdquo;Bitte, erzählen Sie uns doch dieses bemerkliche Abenteuer, wenn ich
-mir die Unbescheidenheit erlauben darf,&ldquo; bat John.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, das war eine schlimme Geschichte,&ldquo; hub der Kapitän schmunzelnd
-an. &bdquo;Also! Wir fuhren auf der Höhe von Kap Horn, als der zweite
-Steuermann, Petersen hieß er, auf mich zukommt und sagt: &sbquo;Kapitän, dort
-taucht der Rücken eines Wals aus dem Wasser.&lsquo;
-</p>
-
-<p>
-Ich schaue hin: &sbquo;Nee,&lsquo; sag ich, &sbquo;das sind Delphine&lsquo;, denn ich sah fünf
-Rücken in einer Reihe hintereinander über dem Meeresspiegel. &sbquo;Vorhin
-war es bloß einer,&lsquo; versicherte Petersen, &sbquo;aber jetzt scheint es mir selber,
-es sind Delphine.&lsquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Geschöpfe bewegten sich, doch man sah weder Kopf noch Schwanz
-auftauchen und plötzlich rufe ich: &sbquo;Kinder, das sind auch keine Delphine;
-das sind die Rückenwölbungen eines einzigen Ungeheuers: es ist die Seeschlange!&lsquo;
-</p>
-
-<p>
-Das gab ein Hallo, ein Laufen und Schreien! Die Seeschlange aber,
-sobald sie sich erkannt sah, gab ihr Versteckspiel auf und hob den scheußlichen
-Kopf über das Wasser. Sie wuchs empor wie ein Riesenmast und bald
-wiegte sich ihr Haupt über dem Schiff. Die sonst nicht so furchtsamen Matrosen
-stürzten alsbald feige davon und verkrochen sich in den Lucken. Ich allein
-blieb auf dem Posten und das entsetzliche Reptil streckte den Hals nach mir
-aus, den gewaltigen Rachen aufsperrend.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Natürlich! Ein so fetter Bissen mußte ihr willkommen sein!&ldquo; lachte
-Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bitte!&ldquo; verwahrte sich der Kapitän: &bdquo;Ich war damals noch jugendlich
-schlank und äußerst behende, wie Sie bald sehen werden. Sie wählte mich
-nur deshalb zum Opfer, weil ich eben der einzige war, der sich noch an
-Deck befand.
-</p>
-
-<p>
-Wohl war mir nicht zumute, das gestehe ich, wie dieser mörderische
-Rachen mir entgegengähnte. Hoch in den Lüften wölbte sich der dicke Hals
-zu einem Bogen, während das Haupt der Schlange sich zu mir herabsenkte.
-</p>
-
-<p>
-Ich springe beiseite; der Kopf fährt mir nach. Ich, in der Verzweiflung,
-setze mit gewaltigem Schwung über den Leib des Ungetüms weg, dort wo
-er am Bordrand auflag. Die Seeschlange fährt mit ihrem Haupte um ihren
-eigenen Leib herum, immer hinter mir her.
-</p>
-
-<p>
-Da, im Momente der äußersten Gefahr, kommt mir ein rettender Gedanke.
-Der Oberkörper des Reptils bildete nun einen Ring über dem Verdeck und
-<a id="page-113" class="pagenum" title="113"></a>
-mit der Kühnheit der Verzweiflung springe ich durch diesen gräßlichen Ring
-hindurch mit gleichen Füßen. Keine Zirkuskünstlerin hätte es besser machen
-können.
-</p>
-
-<p>
-Was ich gehofft hatte, trat ein. Die Schlange in ihrer gedankenlosen
-Verfolgungswut fährt mir auch diesmal mit dem Kopfe nach, der somit durch
-den Ring schlüpft, der durch ihren eigenen Oberleib gebildet wurde. Das
-gab eine regelrechte Schleife.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-113">
-<img src="images/113.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Der Kapitän und die Seeschlange.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Nun renne ich aus Leibeskräften das Verdeck entlang. Das Scheusal
-will mich verfolgen; aber nun zieht sich die Schleife zu, es gibt einen Knoten,
-der sich eng um den Hals der Seeschlange zusammenzieht. Zu spät merkt
-sie diesen fatalen Umstand, es gelingt ihr nicht mehr, den dicken Kopf zurückzuziehen;
-ihre wütenden Bewegungen ziehen den Knoten bloß immer fester
-an, bis sie schließlich jämmerlich erstickt, von der Schleife des eigenen Körpers
-erdrosselt.
-</p>
-
-<p>
-Schlaff hing das widerliche Haupt mit hervorquellenden Augen herab
-und mit dumpfem Fall stürzte der Oberkörper des gigantischen Reptils auf
-<a id="page-114" class="pagenum" title="114"></a>
-das Schiffsdeck, während der Schweif noch eine Weile krampfhaft das Meer
-peitschte.
-</p>
-
-<p>
-Ich rief die zitternden Matrosen herauf und sagte ihnen: &bdquo;Da, ziehet
-das Vieh vollends an Bord, wir wollen es dem ozeanographischen Museum
-auf den Falklandsinseln stiften. Wie ihr seht, habe ich die Schlange gut
-gefaßt und trotz ihres gewaltigen Sträubens einen Knoten in ihren Hals
-geschlungen, daß sie elendiglich ersticken mußte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Ich sage Ihnen, die Matrosen, die den so einfachen und natürlichen
-Hergang nicht ahnten, bekamen nun vor mir einen wahrhaft abergläubischen
-Respekt, vertrauten und folgten mir blindlings. Das hatte ich meinem gewandten
-Sprung und der Unvorsichtigkeit der Seeschlange zu danken.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Er lebe hoch!&ldquo; rief Schultze lachend und alle stimmten mit ein und
-stießen an auf den gewaltigen Helden und Drachentöter, dessen fabelhafte
-Geistesgegenwart, wie der Lord schalkhaft bemerkte, die ganze Reisegesellschaft
-getrost allen kommenden Gefahren entgegensehen lassen könne.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-24">
-<a id="page-115" class="pagenum" title="115"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />21. Jupiter.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die Sannah näherte sich dem größten aller Planeten, dem Jupiter, und
-Flitmore begünstigte die Annäherung durch zeitweise Unterbrechung des
-Zentrifugalstroms.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Seien Sie vorsichtig!&ldquo; warnte Münchhausen: &bdquo;Ich habe großen Respekt
-vor dem obersten aller olympischen Götter und fürchte sehr, er könnte uns
-einen Streich spielen, wie dem unseligen Biela-Kometen, wenn wir uns ihm
-allzu naseweis nähern. Stellen Sie sich das Unglück vor, wenn sein gewaltiger
-Einfluß unsre Sannah in zwei Hälften teilen würde, vielleicht just
-während wir uns in unsern verschiedenen Schlafkojen eines sorglosen
-Schlummers erfreuen. Dann würde unsre schöne Gesellschaft getrennt und
-wir könnten uns vielleicht nie wieder zusammenfinden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Beruhigen Sie sich,&ldquo; lachte der Lord: &bdquo;Ich werde mich hüten, dem
-Jupiter Anlaß zu solch grausamer Maßregel zu geben. Wir wollen ihn
-uns nur etwas aus der Nähe betrachten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wollen wir nicht auch auf ihm landen, wie auf dem Mars und der
-reizenden Tipekitanga?&ldquo; fragte Lady Flitmore eifrig.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das hängt ganz davon ab, wie die Verhältnisse des Planeten sich
-uns darstellen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hat er überhaupt eine Atmosphäre?&ldquo; erkundigte sich Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Vermutlich sogar eine sehr dichte,&ldquo; belehrte Schultze, &bdquo;denn er zeigt
-ein sehr starkes Albedo.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Astronomen der Erde sind sogar im Zweifel, ob ihre Teleskope
-ihnen überhaupt die Oberfläche des Jupiter zeigen,&ldquo; mischte sich der Lord
-ein: &bdquo;Sie rechnen mit der Möglichkeit, daß das, was sie sehen, nur Kondensationsprodukte,
-das heißt Verdichtungserscheinungen seiner Lufthülle sind.
-Jedenfalls läßt sich von ihm keine Karte entwerfen, wie vom Mars; denn
-<a id="page-116" class="pagenum" title="116"></a>
-das, was man erblickt, ist äußerst veränderlich. Nur zwei dunkle Streifen
-bleiben dauernd sichtbar.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John aber hatte vorhin den Professor von einem &bdquo;Albedo&ldquo; reden hören,
-das war ihm ein völlig unbekanntes Wort, zumal es das Vorhandensein
-einer dichten Lufthülle beweisen sollte. Er konnte das nicht hingehen lassen,
-er mußte sich auch hierüber belehren und fragte daher:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herr Professor, um keine langwierigen Umschweife zu machen, gestatten
-Sie mir wohl, infolge Ihrer unabsehbaren Liebenswürdigkeit, geradeheraus
-eine Frage an Sie zu richten, die mir für meine Bildungsvollkommenheit
-unabgängig zu sein scheint; weil Sie nämlich soeben sich äußerten, als habe
-der Jupiter ein starkes Torpedo, so ist mir das von den Kriegsschiffen her
-bekannt aber nicht begreifbar, wieso das mit den atmosphärischen Verhältnissen
-wesentlich zu tun habe; das muß wohl eine ganz andre Art von
-Torpedo sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, mein Sohn!&ldquo; lachte der Professor: &bdquo;Es ist eine durchaus andre
-Art von Torpedo und schreibt sich Albedo. Albedo ist nämlich das mittlere
-Verhältnis der ausgestrahlten Lichtmenge eines Körpers zur eingestrahlten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ach so!&ldquo; erwiderte John zögernd; offenbar war ihm die Sache sehr
-unklar. Er hatte ein sehr schwaches Albedo, denn das Licht, das Schultzes
-Weisheit in ihn einstrahlte, strahlte nur sehr unvollkommen aus seinen Zügen
-zurück.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich will dir das näher erläutern,&ldquo; sagte der praktische Engländer.
-&bdquo;Siehst du, wenn die Sonne auf einen schwarzen Stoff scheint, so saugt
-dieser das meiste Licht auf oder absorbiert es, wie die Gelehrten sagen,
-damit man sie nicht so leicht verstehen soll. Der schwarze Stoff wirft nur
-wenig von dem Licht zurück, das ihn bestrahlt; er hat also ein schwaches
-Albedo. Fällt dagegen der gleiche Sonnenstrahl auf einen Spiegel, so wirft
-dieser das Licht fast ungeschwächt zurück, er blitzt so hell, daß du nicht
-hineinsehen kannst; er hat also ein sehr starkes Albedo.
-</p>
-
-<p>
-Nun weiß man, wie viel Sonnenlicht den Jupiter oder sonst einen
-Planeten trifft und wie hell er uns demnach erscheinen müßte, wenn er
-das ganze Licht ungeschwächt auf uns zurückstrahlte. Je geringer nun sein
-Glanz im Verhältnis zu diesem eingestrahlten Licht ist, desto geringer ist sein
-Albedo und umgekehrt.
-</p>
-
-<p>
-Die Erde hat eine Lufthülle, die so dünn ist, daß sie das meiste Licht
-durchläßt und wenig davon zurückwirft; erst der Erdboden wirft das Licht
-<a id="page-117" class="pagenum" title="117"></a>
-zurück, das ihn trifft, aber nur einen Teil davon, das meiste verschluckt er.
-Darum hat die Erde ein schwaches Albedo. Wäre sie mit einer Schneedecke
-bedeckt, dann würde ihr Albedo weit stärker, da der Schnee das Licht
-reichlich zurückstrahlt.
-</p>
-
-<p>
-Eine recht dichte, dunstige und wolkige Lufthülle wirft das Licht ebenfalls
-stark zurück. Wenn daher ein Planet ein starkes Albedo hat, das
-heißt im Verhältnis zu seiner Bestrahlung durch die Sonne recht hell erscheint,
-nimmt man an, er habe eine besonders dichte <a id="corr-10"></a>Atmosphäre; dies ist
-vor allem bei Venus der Fall. Mars hat ziemlich das gleiche Albedo wie
-die Erde, und Merkur ist der einzige Planet, der ein geringeres Albedo
-aufweist, also eine dünnere Luft zu haben scheint.
-</p>
-
-<p>
-Allerdings muß man dabei nicht vergessen, daß eine spiegelnde Oberfläche,
-eine Schneedecke oder etwa eigenes Licht, das der Planet noch ausstrahlen
-könnte, ebensogut das starke Albedo erzeugen können wie eine dichte Atmosphäre;
-völlige Sicherheit mangelt also auch diesen Schlüssen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie, Lord,&ldquo; bruddelte Schultze, sich höchst ärgerlich stellend:
-&bdquo;Sie haben mich als Astronomen der Expedition angeworben; wenn Sie
-aber selber in der Astronomie so gründlich bewandert sind, dann sehe ich
-nicht ein, was für einen Zweck ich hier habe!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Beruhigen Sie sich,&ldquo; lachte Flitmore: &bdquo;Mit einigen astronomischen
-Kenntnissen habe ich mich freilich versehen, da ich in die Sternenwelt reisen
-wollte; aber ich bin durchaus nicht auf dem ganzen Gebiete so beschlagen,
-wie Sie. Übrigens schadet es bei solcher Fahrt gar nichts, wenn mehrere
-oder alle Teilnehmer etwas von dieser Wissenschaft los haben. He! Münchhausen,
-entscheiden Sie als Sachverständiger in ganz ähnlichem Fall. Braucht
-ein Schiffskapitän vom Steuern eines Schiffes nichts zu verstehen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wo denken Sie hin!&ldquo; rief der Kapitän: &bdquo;Einem solchen könnte das
-Kommando über ein Schiff nicht anvertraut werden; gründlich muß er&rsquo;s
-verstehen und im Notfall selber das Steuerruder führen können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ist dann nicht ein Steuermann überflüssig, da der Kapitän ja seine
-Arbeit versehen könnte?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unsinn! Einen ersten und einen zweiten Steuermann sogar braucht
-er höchst notwendig.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da haben Sie&rsquo;s, Professor,&ldquo; lachte der Engländer: &bdquo;Das ist hier ein
-ganz ähnlicher Fall.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-118" class="pagenum" title="118"></a>
-Bald näherte man sich dem großen Planeten, der zwölfhundertundsiebzigmal
-größer als die Erde ist und fünfmal so weit von der Sonne entfernt
-als sie, nämlich 773 Millionen Kilometer.
-</p>
-
-<p>
-In 9 Stunden 55½ Minuten dreht sich dieser Koloß um sich selbst, seine
-Tage sind also nicht halb so lang wie die irdischen; dagegen beträgt seine
-Umlaufzeit um die Sonne beinahe 12 Erdenjahre, nämlich 11 Jahre,
-314 Tage, 20 Stunden und zwei Minuten.
-</p>
-
-<p>
-Seiner schnellen Rotation entspricht die kolossale Abplattung seiner Pole,
-die nicht weniger als ein Sechzehntel beträgt.
-</p>
-
-<p>
-Bei der Annäherung spürte man selbst in den geschützten Räumen der
-Sannah, daß Jupiter eine starke Wärme ausströmte, weshalb sich Flitmore
-nur vorsichtig seiner Anziehungskraft aussetzte und das Weltschiff sich
-abwechselnd senken und wieder entfernen ließ.
-</p>
-
-<p>
-Währenddessen konnte man den Planeten genau beobachten.
-</p>
-
-<p>
-Zunächst sah man leuchtendes Gewölk, das von einem rasenden Orkan
-dahingetrieben wurde, rascher als Jupiter selber sich um seine Achse dreht.
-</p>
-
-<p>
-Wo die zerrissenen Wolken Durchblicke gestatteten, zeigte sich ein
-wogendes Meer von Glut, zwischen dem sich wenige dunkle Streifen erstarrten
-Gesteins hinzogen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das stimmt,&ldquo; sagte Schultze, &bdquo;zu der Berechnung der Dichtigkeit des
-Planeten, die sich als ¼ der Erddichte ergab, also nur 1<span class="nom">1</span>/<span class="denom">3</span> die Dichte
-des Wassers beträgt, woraus zu schließen war, daß Jupiter sich in flüssigem
-Zustande befindet. Ebenso ließ sein helles Strahlen auf eigenes Licht
-schließen und der unscharfe, zum Teil durchsichtige Rand auf eine wechselnde
-Dunsthülle.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;An eine Landung ist hier also nicht zu denken, meine Liebe,&ldquo; wandte
-sich der Lord an seine Gattin.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun denn auf dem Saturn!&ldquo; meinte diese.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dort dürfte es auch nicht besser aussehen, Mylady,&ldquo; wendete der
-Professor ein: &bdquo;Der beringte Planet hat die geringste Dichtigkeit von allen,
-nur <span class="nom">1</span>/<span class="denom">8</span> der Erddichte und ¾ der Dichtigkeit des Wassers.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na,&ldquo; behauptete Münchhausen heiter, &bdquo;noch flüssiger als das Wasser
-soll er sein? Dann besteht er am Ende aus steifem Grog! Da laßt
-uns hin!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mit Interesse wurden noch die vier Jupitermonde betrachtet, die nach
-Schultzes Belehrung in einem Tag, 18 Stunden und 27 Minuten, 3 Tagen,
-<a id="page-119" class="pagenum" title="119"></a>
-13 Stunden und 13 Minuten, 7 Tagen, 3 Stunden und 42 Minuten und
-in 16 Tagen, 16 Stunden und 32 Minuten um den Planeten sich drehen.
-</p>
-
-<p>
-Der erste, innerste, dem Jupiter nächste Mond war von einer starken
-Wolkenschicht umgeben; doch sah man an den leuchtend durchschimmernden
-Stellen und den dunkeln Flecken, die sich darin zeigten, daß er in der
-Erstarrung begriffen war und auf seiner glutflüssigen Oberfläche Schlackeninseln
-schwammen. Er ist etwas größer als der Erdenmond.
-</p>
-
-<p>
-Der zweite, bläulichweiß schimmernde Trabant, fast genau so groß wie
-unser Mond, zeigte ebenfalls glutflüssige und erstarrte Stellen.
-</p>
-
-<p>
-Der dritte, größte und hellste befand sich in gleichmäßiger Rotglut, die
-meist ins Gelbliche spielte. Er war außerordentlich stark abgeplattet und
-rotierte sehr schnell.
-</p>
-
-<p>
-Der vierte Jupitermond, der zuweilen als der lichtschwächste erscheint,
-zuweilen aber alle andern überstrahlt, war von einer leuchtenden, scharfbegrenzten
-Wasserdampfhülle umgeben.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Diese Monde,&ldquo; bemerkte Schultze, &bdquo;gewähren den kurzen Jupiternächten
-eine äußerst zweifelhafte Beleuchtung, da die drei innersten stets
-vom Schattenkegel verfinstert werden und auch sonst mit unsrem irdischen
-Mondlicht nicht konkurrieren können.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-25">
-<a id="page-120" class="pagenum" title="120"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />22. Ein Besuch auf dem Saturn.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Da die Hitze allmählich unerträglich wurde, mußte die Fliehkraft in
-voller Stärke eingeschaltet werden, damit die Sannah möglichst schnell aus
-dem Bereiche des ungastlichen Planeten gelangte.
-</p>
-
-<p>
-Als dies erreicht war, verlangsamte Flitmore wieder den Flug. Er
-wollte doch auch den Saturn näher in Augenschein nehmen, und da dieser
-Planet auf seiner Bahn just ziemlich weit entfernt war, galt es diesmal,
-das Sonnensystem sich ein wenig von der Sannah entfernen zu lassen, bis
-Saturn sich soweit genähert hatte, daß man sich im Bereich seiner Anziehungskraft
-befand.
-</p>
-
-<p>
-Das konnte ein paar Tage dauern, wenn mit Ein- und Ausschalten
-des Stroms zielbewußt abgewechselt wurde; und das war notwendig, denn
-bei stetig eingeschaltetem Strom wäre das Sonnensystem in kürzester Frist
-der Sannah entschwunden, diese wäre nicht bloß über die Saturnbahn,
-sondern über die Neptunbahn hinausgeflogen und hätte bald kein Mittel
-mehr gehabt, in das Sonnensystem zurückzukehren, weil sie über die Anziehungssphäre
-der Sonne und ihrer Planeten hinausgekommen sein würde.
-</p>
-
-<p>
-Wäre dagegen umgekehrt die Fliehkraft dauernd abgestellt worden, so
-hätte das Weltschiff der Anziehungskraft der Sonne oder eines Planeten
-erliegen müssen, vielleicht auch wäre es den Gravitationsgesetzen gemäß
-selber wie ein Planet um die Sonne gekreist.
-</p>
-
-<p>
-Diese Wartezeit wurde zu allerlei Arbeiten in den verschiedenen Werkstätten
-benutzt; photographische Aufnahmen wurden entwickelt und musikalische
-Unterhaltungen veranstaltet; auch versammelte man sich fleißig zu
-gemütlicher Unterhaltung oder las ein Buch aus der reichhaltigen Bibliothek
-vor, die der umsichtige Lord mitgenommen hatte. Vor allem aber
-<a id="page-121" class="pagenum" title="121"></a>
-mußte Schultze astronomische Vorträge halten, da Mietje, Münchhausen und
-Heinz Friedung das Bedürfnis empfanden, ihre Kenntnisse auf dem Gebiet,
-das bei dieser Weltfahrt das wichtigste war, zu ergänzen, ganz abgesehen
-natürlich von John Rieger, der den Vorträgen mit besonderer Andacht
-lauschte und am fleißigsten das von vornherein verkündigte Recht benutzte,
-den Redner jederzeit mit Fragen zu unterbrechen.
-</p>
-
-<p>
-In diesen Tagen wurde Münchhausens Geburtstag mit besonderem
-Glanze gefeiert und Küche und Keller mußten das Beste dazu liefern, was
-sie besaßen, beziehungsweise was Lady Flitmores und Johns Kochkunst
-hervorzuzaubern vermochten. Denn wenngleich der Kapitän auch zu entbehren,
-ja zu hungern vermochte, wenn es darauf ankam, so fühlte er sich
-doch am aufgeräumtesten bei einer vollbesetzten Tafel mit auserlesenen
-Genüssen und köstlichen Weinen.
-</p>
-
-<p>
-Die Krone des Festmahls bildeten aber immer noch die unvergleichlichen
-Früchte der Tipekitanga, die auch den Vorzug aufwiesen, sich völlig frisch
-zu erhalten. Sie büßten weder ihre Leuchtkraft noch ihre Nährkraft und
-ihren Wohlgeschmack ein.
-</p>
-
-<p>
-Endlich kam der Saturn in Sicht und die Sannah wurde seiner Anziehungskraft
-überlassen.
-</p>
-
-<p>
-Schultze benutzte die Gelegenheit zu einer kleinen Repetition über das,
-was er schon in seinen Vorträgen über den ringumkreisten Planeten gesagt
-hatte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie gesagt,&ldquo; führte er dabei aus, &bdquo;ist Saturn nicht einmal so dicht
-wie das Wasser. Er hat zweifellos eine Atmosphäre und ist der zweitgrößte
-Planet, 780mal so groß wie die Erde. Seine Rotationsdauer beträgt
-nur 10¼ Stunden, also hat er wenig mehr als 5 Stunden Tag
-und 5 Stunden Nacht bei Tag- und Nachtgleiche am Äquator. Um so
-länger dauert sein Jahr, nämlich nach irdischer Rechnung 29 Jahre, 166
-Tage, 5 Stunden und 16½ Minuten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herrlich!&ldquo; rief Münchhausen aus: &bdquo;Da lassen wir uns nieder; bedenken
-Sie, wenn da einer hundert Jahre alt wird, so ist das gleich 2900
-und etlichen Erdenjahren. Da kann Methusalah nicht daran hin!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nur wird es mit dem Niederlassen einige Schwierigkeiten haben,&ldquo;
-meinte der Professor: &bdquo;Sie könnten sich da in eine schöne Sauce hineinsetzen,
-vielleicht in steifen Grog, wie Sie vermuteten; darin würden Sie sich ja
-wohl ganz gut konservieren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-122" class="pagenum" title="122"></a>
-&bdquo;Ganz famos!&ldquo; bestätigte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, wir werden ja bald sehen, wie die Terrainverhältnisse dort sind,&ldquo;
-fuhr Schultze fort: &bdquo;Sollte die so undichte Masse glutflüssig sein wie auf
-dem Jupiter, so werden Sie ja wohl auf eine Niederlassung darin verzichten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unbedingt!&ldquo; gab Münchhausen zu: &bdquo;Doch hoffe ich nicht, daß der
-alte Saturn mir solch eine Enttäuschung bereiten wird.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie gesagt, wir werden das bald sehen&ldquo;, wiederholte der Professor.
-&bdquo;Das Interessanteste am Saturn sind jedenfalls seine Ringe; auch hat er
-bekanntlich nicht weniger als acht Monde; doch weil wir ja eben im Begriff
-sind, das alles selber zu schauen, will ich mich nicht weiter darüber
-verbreiten, da ich, wenn es je nicht stimmte, was ich darüber zu sagen
-weiß, doch nur der Blamierte wäre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Sannah war über die Saturnbahn hinausgekommen, als der Planet
-in ihre Nähe kam und so senkte sie sich zunächst gegen seine Nachtseite.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore hatte erwartet, daß die Saturnringe aus Nebelmasse beständen,
-obgleich er es nicht für unmöglich hielt, daß sie auch aus festen Stoffen
-gefügt sein könnten oder, wie auch angenommen wird, aus einer dichten
-Wolke sehr kleiner Trabanten.
-</p>
-
-<p>
-Er trachtete danach, den innersten der drei Saturnringe, der verhältnismäßig
-dunkel ist und verschwommene Umrisse aufweist, zu erreichen; dies
-gelang ihm auch.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Ring ist trotz seiner Breite der schmälste der drei; er ist nicht
-ganz so breit wie der äußere helle Ring und weniger als halb so breit
-wie der mittlere.
-</p>
-
-<p>
-Die Sannah fand festen Grund und ruhte auf ihm auf.
-</p>
-
-<p>
-Es war gerade Zeit zur Nachtruhe und alle begaben sich schlafen bis
-auf die jeweiligen Wachhabenden.
-</p>
-
-<p>
-Als am andern Morgen alle beim Frühstück versammelt waren, nahm
-Kapitän Münchhausen folgendermaßen das Wort:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Professor, Sie haben behauptet, die Saturnnacht dauere durchschnittlich
-5 Stunden. Warum wird es denn gar nicht Tag? Oder sollten wir den
-kurzen Tag verschlafen haben?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das nicht&ldquo;, erwiderte Schultze, &bdquo;aber wir befinden uns auf dem Ring,
-auf dem die Verhältnisse wesentlich andre sind. Hier dauert nämlich Tag
-und Nacht je ein halbes Saturnjahr, das sind 14¾ Erdenjahre. Während
-<a id="page-123" class="pagenum" title="123"></a>
-dieser etwas dauerhaften Nacht ist der Ring auf das schwache Licht der
-acht Saturnmonde und auf dasjenige des Saturns selber angewiesen, der
-ihm, entsprechend seiner Rotation, periodisch leuchtet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hollah!&ldquo; wetterte der Kapitän: &bdquo;Und da warten wir nun wohl hier
-ab, bis es Tag wird.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings,&ldquo; schaltete Flitmore ein: &bdquo;Aber beruhigen Sie sich, Kapitän,
-die Sannah sitzt an einem Punkte des Rings, dem schon in zwei Stunden
-die Sonne aufgehen wird, nachdem er sie seit fast 15 Jahren nicht mehr
-gesehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dies bestätigte sich: zwei Stunden darauf ward es Tag; freilich, die
-Sonne leuchtete weit nicht mit dem Glanze, mit dem sie die Erde bescheint,
-ist sie doch von Saturn neunmal weiter entfernt als von der Erde.
-</p>
-
-<p>
-Nun wurde ein Abstieg auf den Ring gewagt. Er zeigte sich aus sehr
-leichten schwammigen Stoffen gefügt und wies zahlreiche Löcher und Risse
-auf, die durch und durch gingen.
-</p>
-
-<p>
-Ganz entzückend und wahrhaft großartig war die Aussicht auf die ungeheure
-Saturnkugel, die mächtige Gebirgszüge aufwies.
-</p>
-
-<p>
-Auch der Ring war durchaus nicht eben, sondern zeigte mannigfaltige
-Erhebungen, zum Teil recht stattliche Berge; aber die Wanderung wurde
-jäh unterbrochen durch einen Riß, der den Ring in seiner ganzen Breite
-durchlief.
-</p>
-
-<p>
-Späterhin beobachteten unsre Freunde, daß alle drei Ringe durch zahlreiche
-mehr oder weniger breite Spalten in einzelne Stücke geteilt waren,
-die einander nicht berührten, daß aber diese Risse sich mehr und mehr
-schlossen unter dem ausdehnenden Einfluß der Sonnenhitze.
-</p>
-
-<p>
-Das ließ sich leicht feststellen, da die Teile des Rings, die schon längere
-Zeit Tag hatten, zunehmend schmälere und schließlich gar keine Lücken mehr
-aufwiesen, während auf der Nachtseite der Ringe die Klüfte sich fortschreitend
-verbreiterten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herrlich! Großartig! Wunderbar!&ldquo; rief Schultze einmal über das
-andre: &bdquo;Wie ganz anders vermögen wir doch nun die Dinge dahier zu
-erkennen, als die armen erdfernen Astronomen mit ihren besten Instrumenten.
-Wenn ich nur bedenke, wie lange es dauerte, bis überhaupt erkannt wurde,
-daß Saturn von einem Ring umgeben ist. Zwar hat ihn schon Galilei
-durch das erste von einen Astronomen benutzte Fernrohr gesehen, doch glaubte
-er, es handle sich um Auswüchse, die mit dem Planeten zusammenhingen.
-<a id="page-124" class="pagenum" title="124"></a>
-Erst Huygens, der auch den ersten Satelliten des Saturn entdeckte, nämlich
-den sechsten seiner acht Monde, erkannte, daß es ein Ring sei, der frei um
-den Planeten schwebe, und Herrschel konnte dann die Rotationsdauer des
-Ringes oder vielmehr der Ringe berechnen, die annähernd die gleiche ist,
-wie die ihres Zentralkörpers.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Da auch in der entgegengesetzten Richtung bald eine Spalte ein weiteres Vordringen
-unmöglich machte, auch die Erforschung der Ringe wenig Interessantes
-mehr zu bieten schien, wurde beschlossen, sich alsbald auf den Planeten selber
-zu begeben.
-</p>
-
-<p>
-Bald sank die Sannah unter die niedre Luftschicht, die um die Ringe
-lagerte und nach kurzem, aber ungeheuer raschem Sturz trat sie in die Saturnatmosphäre
-ein.
-</p>
-
-<p>
-Hier verlangsamte Flitmore sofort die Fallgeschwindigkeit, und das
-Weltschiff schwebte träge zur Oberfläche nieder.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mylord,&ldquo; fragte währenddessen John seinen Herrn, &bdquo;warum gehen
-wir nie in die untern Zimmer, wenn wir einen Abstieg unternehmen? Da
-könnten wir so schön alles aus der Vogelprospektiefe beobachten, wie wir
-näher und näher kommen; hier oben aber sehen wir nichts als den Ring,
-der sich von uns entfernt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Man sieht, daß John sich seinem Herrn gegenüber keiner so gewählten
-Sprache befleißigte, wie wenn er den gelehrten Professor anredete; das
-kam aber nicht etwa von einem Mangel an Respekt, sondern weil er aus
-langjähriger Erfahrung wußte, daß der Lord viele Redensarten nicht leiden
-mochte.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore gab seiner treuen Dienerseele folgende Auskunft: &bdquo;Siehst du,
-John, um den Fall der Sannah nicht zum verderblichen Sturz werden zu
-lassen, muß ich die Fliehkraft abwechselnd ein- und ausschalten. Dadurch
-wird aber jedesmal für die unteren Räume und die Seitenzimmer der
-Schwerpunkt verändert: schalte ich die Zentrifugalkraft ein, so werden wir
-gegen den Mittelpunkt unsres Fahrzeugs gezogen, schalte ich sie aus, so
-zieht uns der Saturn an. Du wirst dich erinnern, was dies zur Folge
-hatte, als wir die Erde verließen. Hier wäre es genau so: im untern
-Zimmer würden wir abwechselnd von der Decke auf den Fußboden stürzen
-und umgekehrt; in den Polzimmern würden wir zwischen der dem Saturn
-zugekehrten Seitenwand und dem Fußboden hin- und hergeschleudert. Hier
-oben aber liegt der Mittelpunkt der Sannah genau wie der Mittelpunkt
-<a id="page-125" class="pagenum" title="125"></a>
-des Planeten zu unsern Füßen und meine Manöver verändern den Schwerpunkt
-in keiner Weise. Das ist der Grund, weshalb wir hier wie bei
-unserm Abstieg auf den Mars und die Tipekitanga auf die Beobachtung
-des Geländes, dem wir uns nähern, verzichten müssen, so schade dies auch ist.
-</p>
-
-<p>
-Du weißt ja, daß ich diesen Umstand beim Bau des Schiffes nicht in
-Betracht gezogen habe und selber von der alles auf den Kopf stellenden
-Wirkung der Fliehkraft überrascht wurde; sonst hätte ich Vorsorge getroffen,
-daß wir wenigstens durch außen angebrachte Spiegel in den Stand gesetzt
-worden wären, von diesem unserm Zenithzimmer aus zu betrachten, was
-unter uns liegt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Ein sanfter Ruck zeigte an, daß die Saturnoberfläche erreicht war. Die
-Sannah ruhte auf.
-</p>
-
-<p>
-Daß diese Oberfläche weder flüssig noch glühend war, hatte man schon
-vom Ring aus feststellen können, sonst wäre der Plan einer Landung selbstverständlich
-ausgeschlossen gewesen.
-</p>
-
-<p>
-Begierig zu schauen, welche neuen Wunder sich ihnen hier offenbaren
-würden, verließen unsere Freunde das Fahrzeug durch das Nordpolzimmer,
-nachdem die Lucke geöffnet und die Strickleiter hinabgelassen worden war.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-26">
-<a id="page-126" class="pagenum" title="126"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />23. Eine unfreiwillige Polarreise.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Es war Nacht, als die Gesellschaft auf dem Saturn landete; aber da
-sich alle sehnten, ins Freie zu kommen, wurden die Zelte errichtet, diesmal
-aber in unmittelbarer Nähe der Sannah, damit ein sofortiger Rückzug angetreten
-werden konnte, falls je ein gefährliches Abenteuer drohen sollte;
-die schreckliche Nacht auf dem Mars war ja allen noch gar zu frisch in
-Erinnerung.
-</p>
-
-<p>
-Holz- und Reisigvorräte barg die Sannah zur Genüge, der Lord hatte
-sich für alle Fälle vorgesehen. So brauchte man nicht in der Dunkelheit
-nach Brennmaterial zu suchen.
-</p>
-
-<p>
-Ein Feuer wurde entfacht und nach gehaltener Mahlzeit suchten bald
-alle die Ruhe auf bis auf Heinz, der die erste Wache übernommen hatte.
-</p>
-
-<p>
-Nach zwei Stunden löste ihn John ab und diesen nach weiteren zwei
-Stunden Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän freute sich kindlich auf den ersten Sonnenaufgang auf dem
-Saturn, und daß er der erste sein sollte, der diese neue Welt aus nächster
-Nähe bei Tageslicht schauen sollte.
-</p>
-
-<p>
-Aber merkwürdig, es wollte nicht tagen! Als seine zwei Dienststunden
-zu Ende waren, war es noch so finster wie zuvor. Er rechnete aus, daß
-die Nacht nun schon mehr als acht Stunden währte; da die Rotationsdauer
-des Saturn 10¾ Stunden beträgt, hätte es eigentlich schon wieder
-gegen Abend gehen sollen.
-</p>
-
-<p>
-Es war ausgemacht worden, daß Münchhausen gleich nach Tagesanbruch
-alle wecken sollte, aber der Tag brach nicht an und er wartete noch eine
-Stunde; er hatte sich so sehr darauf gefreut, allein als Erster die Sonne
-aufleuchten zu sehen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-127" class="pagenum" title="127"></a>
-Endlich weckte er den Professor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie,&ldquo; fuhr er den Schlaftrunkenen an: &bdquo;Ich pfeife auf die
-ganze astronomische Wissenschaft und auf die Ihrige insbesondere. Es ist
-nichts mit den kurzen Saturnnächten. He! wissen Sie, wie lange diese
-Nacht schon währt? Neun volle Stunden!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Schultze hatte sich ermuntert und sah auf die Uhr.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wahrhaftig!&ldquo; brummte er, &bdquo;das stimmt!&ldquo; Dann schaute er hilflos
-zum Himmel, als könnte er doch irgendwo die Sonne entdecken, trotz der
-hier unten herrschenden Finsternis.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich doch alle Wissenschaft auf!&ldquo; fuhr es ihm heraus.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jawohl, alle Wissenschaft hört auf und blamiert sich angesichts der
-Tatsachen,&ldquo; grollte Münchhausen. &bdquo;Wissen Sie gewiß, daß auf dem Saturn
-die Nacht nicht auch 15 Jahre dauert wie auf seinen Ringen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unsinn!&ldquo; rief der Gelehrte, obgleich er selber nicht mehr wußte, wo
-er dran war: &bdquo;Das trifft ja wohl für die Polarzonen zu, nicht aber für
-diese Breiten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Unterdessen hatten sich auch die andern erhoben und wunderten sich,
-daß es noch nicht Tag werden wollte.
-</p>
-
-<p>
-Schultze war nachdenklich, während man das Frühstück einnahm: er
-repetierte innerlich seine Kenntnisse des Saturn.
-</p>
-
-<p>
-Plötzlich rief er: &bdquo;Ich habs! Es herrscht hier eine Sonnenfinsternis,
-verursacht durch den Ring des Planeten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na! dann wird sie ja bald vorübergehen,&ldquo; sagte Münchhausen aufatmend;
-denn die rätselhafte Dunkelheit hatte ihm wirkliche Beklommenheit
-verursacht. &bdquo;Freilich,&ldquo; fügte er bei, &bdquo;für heute ist es nun schon nichts
-mehr mit dem Sonnenschein; es muß ja bald wieder Nacht werden; aber
-in sechs bis sieben Stunden werden wir das Tageslicht wieder schauen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wo denken Sie hin!&ldquo; widersprach Schultze. &bdquo;Davon kann keine Rede
-sein: Diese saturnischen Finsternisse dauern mehrere Erdenjahre. Ich vermute,
-wir befinden uns hier etwa unter 23½ Grad Breite und haben dann
-mit einer Sonnenfinsternis von zehn Jahren zu rechnen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie freuen mich!&ldquo; polterte der Kapitän: &bdquo;Und da sollen wir wohl
-hier abwarten, bis der Ringschatten sich gefälligst entfernt oder die Sonne
-uns geschwind höhnisch durch eine seiner Lücken anlächelt, um dann wieder
-zu verschwinden? Oder sollen wir den vertrackten Weltkörper bei Fackelbeleuchtung
-untersuchen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-128" class="pagenum" title="128"></a>
-&bdquo;Nein!&ldquo; lachte Flitmore: &bdquo;Wir steigen einfach wieder auf und landen
-auf einem günstigeren Breitengrade.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein ungastlicher Planet scheint Saturn doch zu sein,&ldquo; meinte Mietje:
-&bdquo;In manchen Gegenden fast 15 Jahre Nacht, dann noch 10 Jahre Sonnenfinsternis,
-das gibt ja 25 Jahre Dunkelheit und nur 5 Jahre Tageshelle!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das stimmt allerdings je nach der Zone,&ldquo; bestätigte Schultze: &bdquo;Aber
-trösten Sie sich, es gibt ja lichtreichere Gegenden, und wir halten uns nicht
-gar zu lange hier auf.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Weiterreise wurde sofort angetreten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Leider,&ldquo; bemerkte der Lord, als man wieder im Zenithzimmer versammelt
-war, &bdquo;ist die Sannah nicht als lenkbares Luftschiff gebaut. Das
-erkenne ich jetzt als verhängnisvollen Fehler an. Mit ein paar Motoren
-ausgerüstet, könnte sie ihren Weg in der Atmosphäre nach Belieben suchen,
-während wir es so dem Zufall überlassen müssen, wo wir landen. Sobald
-ich nämlich die Fliehkraft einschalte, nimmt unser Weltschiff weder an der
-Rotation noch an dem Umlauf des Saturn mehr teil. Das erstere ist ja
-belanglos, denn durch seine Umdrehung um die Axe kehrt uns der Planet
-nur abwechselnd eine andere Seite zu und es macht nichts aus, ob wir
-auf dieser oder jener niedergehen.
-</p>
-
-<p>
-Durch seinen Umlauf auf seiner Bahn um die Sonne aber saust der
-Saturn unter uns weg, sobald wir durch den Zentrifugalstrom von seiner
-Anziehungskraft gelöst sind; es fehlen uns die Mittel, diese Bewegung genau
-zu berechnen, und so können wir unsern Landungsort nicht nach Belieben
-bestimmen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das erwies sich denn auch als fatal, denn als sich der Lord nach einiger
-Zeit zum Niedergehen entschloß, befand sich die Sannah in der Nordpolarzone
-des Saturn.
-</p>
-
-<p>
-Als die Lucke geöffnet wurde, strömte eine so eisig kalte Luft herein,
-daß sich alle mit den wärmsten Pelzhüllen versahen, ehe sie ins Freie
-hinaustraten.
-</p>
-
-<p>
-Ein herrlicher Anblick blendete ihre Augen, als sie an der Strickleiter
-hinabstiegen: unabsehbar dehnte sich eine Eis- und Schneewüste, unterbrochen
-von phantastisch gezackten und wildzerklüfteten Eisbergen, die im
-Glanze der Sonne in allen Farben flimmerten, je nachdem sich das Licht
-im Kristall brach.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-129" class="pagenum" title="129"></a>
-In der Ferne ragte ein ganzes Gebirge empor, das lebhaft an die
-Gletscherketten der Alpen erinnerte; kurz, es war eine Landschaft voll
-Großartigkeit, die ein Gefühl der Andacht in aller Herzen erweckte.
-</p>
-
-<p>
-Doch hatte ein längerer Aufenthalt hier keinen Zweck: die Eiswüsten
-des Saturns gedachten unsere Freunde nicht zu erforschen, so lange sie
-hoffen konnten, interessantere Gebiete für ihre Entdeckungen zu finden.
-Immerhin mußte die entzückende Polarlandschaft auf einigen photographischen
-Platten ihre größten Reize festhalten lassen.
-</p>
-
-<p>
-Plötzlich rief Mietje aus, indem sie verwundert den Himmel betrachtete:
-&bdquo;Wo ist denn der Ring? Er scheint verschwunden zu sein: von einem
-Horizont zum andern kann ich keine Spur mehr von ihm entdecken!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle schauten auf und Münchhausen erklärte: &bdquo;Das ist ja ein schöner
-Reinfall! Da sind wir am Ende auf einen ganz andern Planeten geraten,
-wohl gar auf einen vergletscherten Saturnmond. So geht es, wenn man
-ins Blaue hineinfährt und nicht einmal Ausschau halten kann, wohin man
-sich bewegt und was sich unter einem befindet! Oder ist der Saturngürtel
-verhext und kann sich unsichtbar machen mittelst der berühmten radioelektrischen
-Strahlen Manfreds von Rothenfels? Heda, Professorchen, lassen Sie
-Ihre wissenschaftliche Bogenlampe strahlen, wenn angesichts dieses rätselhaften
-Verschwindens bei Ihnen nicht, wie gewöhnlich, alle Wissenschaft
-sich aufhört!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;I wo denn?&ldquo; erwiderte Schultze kühl: &bdquo;Da hört sich die Wissenschaft
-doch gar nicht auf, ganz im Gegenteil! Das weiß jeder angehende Astronom,
-daß die Saturnringe auf dem größten Teil der Polarzone überhaupt nicht
-zu sehen sind, aus dem einfachen Grunde, weil sie unter dem Horizont
-stehen. Weiter südlich würden wir nur den äußeren Ring erblicken und
-erst beim Überschreiten des Polarkreises würden allmählich auch die inneren
-Reifen auftauchen: es ist also alles in Ordnung und war gar nicht anders
-zu erwarten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Eine merkwürdige Tatsache fiel Heinz hier noch auf, als er einen losen
-Eisblock zu heben versuchte: Der stattliche Brocken erwies sich als ganz
-unglaublich leicht im Verhältnis zu seiner Masse; da dies weder von einer
-geringeren Anziehungskraft des Planeten herrühren konnte, noch das Eis
-eine losere Struktur zeigte, als es beim irdischen Eise der Fall ist, mußte
-angenommen werden, daß das Eis auf dem Saturn und demnach wahrscheinlich
-<a id="page-130" class="pagenum" title="130"></a>
-auch das Wasser dort an und für sich weit weniger Gewicht oder
-Dichtigkeit habe als auf der Erde.
-</p>
-
-<p>
-Nachdem sich alle von der seltsamen Leichtigkeit des Blocks überzeugt
-und das gleiche auch an andern Eisstücken festgestellt hatten, begaben sie
-sich wieder ins Innere ihres Fahrzeugs.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir dürfen nicht mehr so planlos landen,&ldquo; erklärte der Engländer:
-&bdquo;Wir müssen ein Mittel ersinnen, das uns aus der Lage befreit, hiebei
-nur ein Spielball des Zufalls zu sein. He, Professor! Strengen Sie Ihren
-großen Geist an und setzen Sie uns in den Stand, unsere Landungsstelle
-nach eigenem Gutdünken auszuwählen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Bevor Schultze recht begonnen hatte, sein Gehirn anzustrengen, trat
-Heinz Friedung mit folgendem Vorschlag hervor:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Spannen wir ein Netz unmittelbar unter dem Fenster unseres Antipodenzimmers
-aus. In dieses Netz kann sich ein Beobachter legen; wird
-die Fliehkraft ausgeschaltet, so liegt er eben auf dem Bauch über dem
-Fenster, ist der Strom geschlossen, so fällt er auf den Rücken weich in das
-Netz zurück. Jedenfalls kann er andauernd die Saturnoberfläche im Auge
-behalten und uns im Zenithzimmer durch elektrische Klingelzeichen verständigen,
-ob wir steigen, fallen oder uns endgültig niederlassen sollen. Drei
-verabredete Zeichen genügen hiefür. Da übrigens außer dem elektrischen
-Läutewerk auch ein Telephon in jedem Zimmer vorhanden ist, kann er,
-wenn etwas Besonderes zu melden sein sollte, auch telephonische Nachricht geben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ausgezeichnet!&ldquo; lobte Schultze: &bdquo;Den Beobachtungsposten will ich einnehmen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nichts da!&ldquo; protestierte Münchhausen: &bdquo;Ich freue mich schon lange
-darauf, als Erster zu schauen, wie der Saturn aus nächster Nähe aussieht.
-Die Sonnenfinsternis hat mich um diese Hoffnung betrogen, jetzt will ich
-wenigstens als Beobachter im Mastkorb mein Ziel erreichen, wozu ich mich
-als alter Seemann auch am besten eigne.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Professor schüttelte lachend den Kopf: &bdquo;Ihr spezifisches Gewicht,
-edler Hugo, macht die Sache zu gefährlich; wie Spinnwebe würden die
-stärksten Netze reißen, wollten Sie sich ihnen anvertrauen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O,&ldquo; sagte Flitmore, &bdquo;ich habe eine Hängematte an Bord, die aus
-so starken Baststricken geflochten ist, daß selbst unseres Kapitäns paar
-Zentner sie nicht aus der Fassung bringen können; auch ist sie so groß,
-daß sie ihm Raum genug bietet, also gönnen wir ihm das Vergnügen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-131" class="pagenum" title="131"></a>
-Der Professor hätte zwar auch gern die ersten Entdeckungen gemacht,
-doch wollte er sie dem älteren Freunde nicht streitig machen, und so wurde
-denn Münchhausen mit einem Feldstecher bewaffnet im &bdquo;Mastkorb&ldquo;, wie
-er sich ausdrückte, untergebracht, sobald das Netz an Ort und Stelle befestigt
-war.
-</p>
-
-<p>
-Dann wurde die Fliehkraft eingeschaltet und der Kapitän schwebte, auf
-dem Rücken liegend, in der Hängematte unmittelbar unter dem Fenster, das
-sich von dem eisigen Grunde trennte, auf dem es bis jetzt aufgeruht hatte.
-</p>
-
-<p>
-So schaute er hinauf in die Eisgefilde, die über ihm zu schweben
-schienen und mit ihren Bergen und Schroffen drohend genug aussahen.
-Es war ein eigentümlicher, unheimlicher Anblick, diese blitzenden Massen
-so über sich herabhängen zu sehen, als müßten sie niederstürzen und alles
-zermalmen. Immerhin wußte Münchhausen ja zur Genüge, daß dies alles
-nur so schien, weil die Sannah nun ihren eigenen Schwerpunkt in ihrem
-Zentrum besaß, und daß der Saturn seine Oberfläche fest genug halten würde.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-27">
-<a id="page-132" class="pagenum" title="132"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />24. Eine Nacht auf dem Ringplaneten.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Münchhausen war eifrig auf seinem Posten, stets die elektrische Kontaktbirne
-in der Hand. Gab er ein kurzes Klingelzeichen, so stellte Flitmore
-oben die Fliehkraft ab und der Kapitän fiel mit dem dicken Bauch auf
-die Fensterscheibe, die glücklicherweise so massiv war, daß sie noch heftigere
-Stöße unbeschädigt ausgehalten hätte.
-</p>
-
-<p>
-In solchem Falle machte es Münchhausen den Eindruck, als hätte sich
-die Welt mit Blitzgeschwindigkeit umgedreht: der Planet, zu dem er bisher
-aufgeschaut hatte, weil er über ihm schwebte, schien nun plötzlich unten zu
-sein und es galt, von der über ihm schwebenden Sannah auf ihn hinabzublicken.
-</p>
-
-<p>
-Gab Münchhausen dann wieder die zwei Klingelzeichen, die das Einschalten
-des Stromes bedeuteten, so plumpste er gleich darauf rücklings in
-die Hängematte zurück und sah das Fenster und den Saturn urplötzlich
-wieder über sich.
-</p>
-
-<p>
-Dieser fortwährende und ganz unvermittelte Wechsel, der jedesmal wieder
-verwirrend wirkte und für einen Augenblick alle Orientierung lahmlegte,
-hätte einen Unkundigen an aller Wirklichkeit und am eigenen Verstande
-verzweifeln lassen können.
-</p>
-
-<p>
-Man stelle sich&rsquo;s vor, was das für ein Gefühl sein muß, wenn die
-Decke, zu der man aufschaut, innerhalb einer Sekunde auf einmal zum
-Fußboden wird, auf dem man liegt, und dann wird sie eben so plötzlich
-wieder zur Decke über einem; und so wechselt es alle paar Minuten, ohne
-daß man selber seine Lage verändern würde oder daß der Raum, in dem
-man sich befindet, sich drehte: das Weltall scheint jedesmal völlig mit einem
-umzukippen, und dabei wird man nur mit einem kleinen Ruck wie ein
-<a id="page-133" class="pagenum" title="133"></a>
-Ball auf und ab geschleudert: man fällt jedesmal nach oben und liegt
-jedesmal unten!
-</p>
-
-<p>
-Dem Kapitän machte schließlich dieses Zauberspiel einen köstlichen Spaß;
-davon merkten die dort im Zenithzimmer rein gar nichts, für sie blieb
-der Fußboden unverrückt unten und die Zimmerdecke oben; kein Ruck zeigte
-ihnen die Änderung des Schwerpunkts an.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Glück, daß ich und nicht der Professor oder sonst eine unerfahrene
-Landratte auf diesem Posten liegt&ldquo;, dachte Münchhausen: &bdquo;die bekämen
-die Seekrankheit im höchsten Grade; mir altem Seebär jedoch bekommt die
-Bewegung vorzüglich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Und aus lauter Lust an der Sache gab er die Zeichen viel häufiger
-als notwendig gewesen wäre.
-</p>
-
-<p>
-Bald aber machte er eine fatale Entdeckung: Die Sannah blieb stets
-dem Nordpol des Planeten zugewendet und konnte unmöglich mehr südlichere
-Gegenden des Saturn erreichen. Er hatte das Weltschiff in seiner
-ganzen Länge passiert, und sobald der Fliehstrom eingeschaltet wurde, entfernte
-er sich auf seiner Bahn, während die Schließung des Stroms nur
-ein Stürzen gegen den Pol bewirkte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir sollten uns am Südpol befinden,&ldquo; brummte der Kapitän, &bdquo;dann
-würde der Weltkörper unter uns durchpassieren und wir könnten uns
-niederlassen, sobald etwa der Äquatorialgürtel unter uns stünde. Nun aber
-ist er bereits völlig unter uns weg und kehrt nicht wieder um; da sehe
-ich nicht, was noch zu machen ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Er teilte diese Beobachtung durch das Telephon dem Lord mit.
-</p>
-
-<p>
-Nun wurde droben beraten und ihm dann das Ergebnis der Beratung
-mitgeteilt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Glücklicherweise,&ldquo; erklärte Schultze durchs Telephon, &bdquo;ist der Saturn
-zur Zeit ganz nahe dem Ende seiner Bahn und muß binnen wenigen
-Stunden seine Wendung vollziehen. Da wir nun in der günstigen Lage
-sind, uns auf der Innenseite seiner Bahn zu befinden, das heißt zwischen
-ihm und der Sonne, so werden wir jetzt den Strom ununterbrochen wirken
-lassen. So wird die Sannah in einer Sehne den Bogen abschneiden, den
-der Planet in den nächsten Stunden beschreibt, und sich einem Punkte seiner
-rückläufigen Bahn nähern, den er bald darauf passieren muß. Dann müssen
-Sie scharf aufpassen, wenn der Planet sich uns wieder nähert, damit wir
-uns rechtzeitig seiner Anziehungskraft aussetzen und ihn in der Folge durch
-<a id="page-134" class="pagenum" title="134"></a>
-geeignetes Öffnen und Schließen des Stroms soweit an uns vorbeiziehen
-lassen, bis wir in seinen Äquatorialgegenden landen können. Kommen Sie
-jetzt herauf zum Abendessen; Sie können dann ruhig fünf Stunden schlafen,
-denn wir werden etwa sieben Stunden brauchen, um den Scheitel der Ellipse
-durch einen möglichst kurzen Bogen abzuschneiden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Sechs Stunden später befand sich Münchhausen wieder auf seinem Auslug
-und sah nun in der Tat, wie Saturn von der andern Seite heransauste;
-die Sannah hatte ihn durch Abschneiden des Scheitelbogens seiner ellyptischen
-Bahn überholt.
-</p>
-
-<p>
-Nun galt es zunächst die Fliehkraft auszuschalten, um nicht wieder
-zurückgeworfen zu werden durch die abstoßende Kraft in Bezug auf den
-nahenden Planeten.
-</p>
-
-<p>
-Dann begann wieder das abwechselnde Schließen und Öffnen des Stromes
-entsprechend den Klingelzeichen des Kapitäns und damit das lustige Ballspiel,
-das die Sannah mit seinem rundlichen Körper betrieb, ihn zwischen dem
-Fenster und der Hängematte hin- und herschleudernd, je nachdem der
-Schwerpunkt des Weltschiffes nach innen in dessen Mittelpunkt, oder nach
-außen in den Mittelpunkt Saturns verlegt wurde.
-</p>
-
-<p>
-Diese wechselnden Manöver verhüteten einerseits den vorzeitigen Sturz
-auf die Oberfläche des Planeten, andrerseits die allzugroße Entfernung
-von ihm: man blieb, nachdem die Ringe überholt worden waren, von jetzt
-ab innerhalb der Saturnatmosphäre.
-</p>
-
-<p>
-Als die Südpolarzone vorübergeglitten war, erschienen dem beobachtenden
-Kapitän die Ringe als schmale Kreise; bei der Annäherung des Äquators war
-bald nicht mehr viel weiter als die Kante des innersten Ringes zu sehen.
-</p>
-
-<p>
-Vor allem aber wurden die Blicke des Kapitäns gefesselt durch die
-landschaftlichen Bilder, die vorüberflogen, teils erhabene großartige Szenerien,
-teils ungemein liebliche Idyllen: Hochgebirge und Meere, mächtige Ströme,
-Flüsse und Seen, sanftgeschwungene Hügelketten, grüne Ebenen, Wiesen und
-geschlängelte Bäche; dann wieder schroffe Felsen und gähnende, nachtschwarze
-Schluchten.
-</p>
-
-<p>
-Als die Sannah die Äquatorialzone erreichte, gab Münchhausen durch
-dreimaliges, langgezogenes Klingeln das Zeichen zur Landung.
-</p>
-
-<p>
-Eine reizende, hügeldurchzogene Ebene war es, in welcher das Weltschiff
-sich niederließ; aber wiederum sank die Nacht herein, als die Gesellschaft
-die Strickleiter herabließ und den festen Boden betrat.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-135" class="pagenum" title="135"></a>
-Von den acht Monden Saturns, deren Umlaufzzeit entsprechend ihrem
-Abstand vom Zentralkörper wächst, und beim innersten nur 22½ Stunden,
-beim äußersten aber nicht weniger als 79 Tage beträgt, standen die vier
-innersten gleichzeitig am Himmel; doch ihr schwacher Schein genügte nicht,
-um den Glanz einer irdischen Vollmondnacht hervorzuzaubern. Die schmale
-Kante des Ringes war dunkel; die innerste Kante wird überhaupt nie von
-der Sonne erhellt, und die beleuchtete Ringfläche zeigt sich nur bei Tag,
-nie aber des Nachts.
-</p>
-
-<p>
-Mietje übernahm diesmal die erste Wache und Münchhausen bestand
-auf der zweiten, gegen deren Ende der Anbruch des Morgens erfolgen
-mußte, da hier eine Sonnenfinsternis zur Zeit nicht herrschte, wie Schultze
-versicherte, und wie man vor der Landung hatte beobachten können, als
-noch die Sonne am Himmel stand.
-</p>
-
-<p>
-Man wollte sich diesmal mit einem dreistündigen Schlafe begnügen, um
-sich ja nichts von dem kurzen Tage entgehen zu lassen.
-</p>
-
-<p>
-Lady Flitmore, auf die nur noch eine Stunde Schlafes gekommen wäre
-nach ihrer zweistündigen Wache und die durchaus nicht gewillt war, den
-Saturnmorgen zu verschlafen, beschloß, sich überhaupt nicht zur Ruhe zu
-legen, sondern dem Kapitän bei dessen Wachzeit Gesellschaft zu leisten: sie
-hatte in Voraussicht dieses Falles vor dem Abstieg einige Stunden geschlafen
-und fühlte sich frisch und munter genug, um zehn, und, wenn es sein sollte,
-zwanzig Stunden zu wachen, ohne zu ermüden.
-</p>
-
-<p>
-Alles lag im Schlaf; nur Lady Flitmore saß als treue Wächterin in
-der Nähe des flackernden Feuers, von Zeit zu Zeit ein Scheit nachlegend.
-</p>
-
-<p>
-Eine kleine Erhöhung des Erdbodens diente ihr als Sitz. Der Grund
-bestand hier aus kahlem Felsgestein, das sich merkwürdig warm anfühlte,
-so daß Mietje es nicht für nötig gefunden hatte, eine Decke über ihren
-Sitz zu breiten, zumal der Fels gar nicht hart erschien: sie glaubte, es
-müsse eine Art Bimsstein sein und das bestätigte ihr die auffallende Leichtigkeit
-einzelner umherliegender Steine. Ein Block von der Größe eines
-Riesenkürbisses, den sie versuchsweise aufnahm, wollte ihr so leicht wie ein
-Gummiball erscheinen.
-</p>
-
-<p>
-Es fiel ihr dabei ein, wie merkwürdig leicht auch das Eis am Pol
-befunden wurde und sie mußte denken, daß dem ein dem Saturn eigentümliches
-Naturgesetz zu Grunde liegen müsse.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-136" class="pagenum" title="136"></a>
-Dann schweiften ihre Blicke umher. Die kahle Stelle war nur von
-geringer Ausdehnung; sie wurde von einem mannshohen Dickicht eingesäumt,
-das aus Schilf oder Röhricht zu bestehen schien und über welches in der
-Ferne ein Wald hochragender Bäume unheimlich finster herüberschaute.
-</p>
-
-<p>
-Sie sah zum Himmel empor: da grüßten sie die bekannten Sternbilder
-so traut, daß ihr auf einmal zumute wurde, als befinde sie sich auf der
-heimatlichen Erde und die ganze Weltallreise sei bloß ein Traum gewesen.
-War sie nicht auch so sonderbar, wie es sonst nur im Träumen vorkommt?
-</p>
-
-<p>
-Aber mitten unter diesen altbekannten Sternbildern teilte ein dunkler
-schmaler Bogen das ganze Himmelsgewölbe in zwei ungleiche Teile. Das
-war die Kante des Rings, der ihr zweifellos bewies, daß sie sich auf einem
-fremden Planeten befand, und das sagten ihr auch die vier Monde, die
-in ungleicher Größe und verschiedener Lichtstärke am Himmel hinwandelten,
-und deren einer soeben vom Schatten seines Zentralgestirns verdunkelt wurde.
-</p>
-
-<p>
-Dort strahlte auch der Komet, den sie von der Tipekitanga aus erstmals
-erschaut hatte, in beinahe unheimlich blendendem Goldglanz.
-</p>
-
-<p>
-Und siehe! Drunten am Horizont tauchte ein fünfter Mond auf! Ja,
-es war eine fremde Welt! Trotz der Sternbilder, die um kein Haar anders
-aussahen als am irdischen Himmel, war sie doch von der Erde entsetzlich
-weit entfernt! Wie hatte ihr Gatte gesagt? 1260 Millionen Kilometer,
-mehr als achtmal so weit als der Abstand der Erde von der Sonne beträgt!
-</p>
-
-<p>
-Sie schauderte, als sie sich diese ungeheure Zahl ins Gedächtnis zurückrief,
-und doch, was bedeutete sie gegenüber der Entfernung jener Fixsterne
-dort oben? So gut wie nichts! Die schienen weder näher noch ferner gerückt.
-</p>
-
-<p>
-Aus diesen Gedanken wurde sie durch einen Schatten emporgeschreckt,
-der den Schein des Feuers verdunkelte.
-</p>
-
-<p>
-Dort flatterte ein Vogel mit kaum hörbarem Flügelschlag. Er umkreiste
-die Flammen, näherte und entfernte sich, flog auf und schwebte wieder herab.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Adler,&ldquo; dachte die Lady, die ungeheure Spannweite seiner Flügel
-mit den Blicken messend.
-</p>
-
-<p>
-Aber merkwürdig genug erschienen diese Fittiche: Das war kein Gefieder,
-auch keine Fledermausflügel waren es, diese dünnen, buntgefleckten Segel
-mit dem breiten, scharfumrissenen Rand.
-</p>
-
-<p>
-Mietje schüttelte den Kopf: &bdquo;Wäre nicht seine ungeheure Größe, man
-könnte diesen Vogel für eine Motte, einen Nachtfalter halten,&ldquo; sprach sie
-halblaut vor sich hin.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-137" class="pagenum" title="137"></a>
-Da gesellten sich zu dem ersten ein zweiter und ein dritter. Lautlos
-umkreisten sie das Feuer, dessen Lohe von dem Luftzug ihres Flügelschlags
-gepeitscht, niederduckte, um gleich darauf um so lebhafter emporzuzüngeln.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt kam einer dieser unheimlichen Vögel ganz nahe an der jungen
-Frau vorbei. Er hatte einen eigentümlichen dicken Kopf mit einem Elefantenrüssel
-von dem Umfang eines Spritzenschlauchs, zwei runde walnußgroße
-Glotzaugen, zwischen denen sich zwei Wedel bewegten, gleich riesigen Fühlern.
-Der Leib war zylinderförmig und stark behaart; starr wie Igelstacheln
-standen die Haare empor, das Merkwürdigste aber waren die sechs dünnen
-Beine, die das seltsame Geschöpf an den Leib gezogen hielt.
-</p>
-
-<p>
-Mietje faßte ein Grauen vor diesen Ungeheuern und sie riß ein brennendes
-Scheit aus dem Feuer, um sie abwehren zu können, wenn sie sich ihr
-nähern sollten.
-</p>
-
-<p>
-Sie sollte auch alsbald in die Lage kommen, sich gegen einen Angriff
-zu verteidigen; denn einer der Vögel flog geradewegs auf sie zu.
-</p>
-
-<p>
-Mit dem brennenden Ende des Prügels schlug sie aus allen Kräften
-auf den widerlichen Kopf. Dieser schien keinen Schädel zu besitzen, sondern
-aus weicher Masse zu bestehen, denn der Schlag erschütterte die Waffe nicht
-und erzeugte auch keinen weiteren Ton als ein dumpfes Aufklatschen. Aber
-betäubt sank der Vogel zu Boden und als Mietje ihr Scheit auf seinen
-Kopf preßte, wurde derselbe alsbald zu einer formlosen Masse zerquetscht.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt erschien Münchhausen auf der Bildfläche. Es war eigentlich noch
-nicht ganz an der Zeit, daß er zur Ablösung kam; doch hatte er in Erwartung
-der Entdeckungen, die er als Erster zu machen hoffte, nur unruhig
-geschlafen und war frühzeitig erwacht.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was haben Sie denn da für ein Scheusal erlegt, Sie kriegerische
-Heldin?&ldquo; fragte, er erstaunt den zuckenden Leib am Boden betrachtend.
-&bdquo;Fürwahr! da flattert ja noch so eines daher. Ha! das hat es auf meine
-Nase abgesehen. Nein, mein Freund, die leuchtet nicht für dich!&ldquo; und
-gleichzeitig schmetterte er das zudringliche Ungetüm mit dem Flintenkolben
-zu Boden.
-</p>
-
-<p>
-Der dritte Vogel war inzwischen wieder verschwunden.
-</p>
-
-<p>
-Kopfschüttelnd untersuchte der Kapitän die erlegten Geschöpfe.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eine Art Schmetterlingsflügel,&ldquo; sagte er, &bdquo;zwei Fühlhörner, ein Rüssel,
-sechs hornumpanzerte Beine und im ganzen Leibe kein Knochen, &mdash; alles
-Brei! Lady Flitmore, das sind Nachtfalter; Sie lachen mich aus, aber mit
-<a id="page-138" class="pagenum" title="138"></a>
-vollstem Unrecht. Ich glaube ja selber nicht, was ich sage, aber es ist
-dennoch so und nicht anders. Motten sind diese Scheusale, ungeheure
-Schwärmer! Sie sehen wahrhaft erschrecklich aus und es war mir keineswegs
-behaglich zumut, als dieser zweigehörnte Vogel mir nach der Nase
-trachtete; aber ich glaube nicht, daß diese Nachtvögel imstande sind, unsereinem
-das Geringste anzuhaben. Sehen Sie, sie sind von Butter; ein
-schwacher Druck genügt, ihren Leib zu einer unförmlichen Masse zu zerquetschen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das war allerdings offensichtlich und Mietje war geneigt, sich ihrer
-Furcht zu schämen; aber das Unbekannte erregt stets ein gewisses Grauen,
-und der Kapitän selber hatte sich ja von den Riesenfaltern einen nicht
-geringen Schrecken einjagen lassen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sehen Sie,&ldquo; erklärte er, &bdquo;das ist ganz menschlich; das Niegesehene erschreckt
-zunächst jeden; denn wer kann wissen, was einem von ihm droht.
-Das, was man daheim schon kannte, heimelt einen an; was aber der Heimat
-fremd ist, erscheint unheimlich. So zeigt uns schon die Entwicklung des
-Sprachgebrauchs, daß wir einem allgemein und uralt menschlichen Gefühl
-erlagen, dessen wir uns nicht zu schämen brauchen, wenn wir nachträglich
-erkannten, daß der unheimliche Spuck im Grunde recht harmlos war und
-daß wir einen Heldenkampf auf Leben und Tod mit wehrlosen Nachtfaltern
-geführt haben.
-</p>
-
-<p>
-Aber nun begeben Sie sich zur Ruhe auf diesen Schrecken hin, meine
-Wache beginnt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Fällt mir nicht ein, mich jetzt zu legen,&ldquo; lachte Mietje. &bdquo;Ich leiste
-Ihnen Gesellschaft; ich bin begierig, den ersten Morgen auf diesem Planeten
-tagen zu sehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Um so angenehmer für mich,&ldquo; meinte Münchhausen; &bdquo;aber wollen wir
-uns nicht setzen?&ldquo; und damit ließ er sich auf seine Fettpolster plumpsen.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-28">
-<a id="page-139" class="pagenum" title="139"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />25. Eine seltsame Welt.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Der Tag begann zu grauen. Rosige Wölkchen schwebten über dem
-Horizont und bald darauf leuchteten die fernen Berggipfel auf, vom flüssigen
-Gold der ersten Sonnenstrahlen umrandet.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen und Mietje schauten umher.
-</p>
-
-<p>
-Welch eine sonderbare Landschaft! Berg und Tal, Hügel und Ebenen,
-Wasserfälle und Bäche, &mdash; nun, das mutete nicht besonders fremdartig an,
-obgleich ein kleiner Wasserfall, der im nahen Hintergrund über einen niedern
-Felsblock herabschäumte, bereits ein Rätsel aufgab.
-</p>
-
-<p>
-Das Wasser spritzte nämlich so hoch auf und dichte Schaumflocken
-schwammen gleichsam in der Luft, daß man dieses Schauspiel wohl begriffen
-hätte, wenn sich das Wasser aus hundert Meter Höhe herabgestürzt hätte,
-nicht aber, wo es sich um höchstens drei oder vier Meter handeln konnte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nanu!&ldquo; sagte Münchhausen verblüfft: &bdquo;Dieser Zwerg von einem Wasserfall
-gebärdet sich ja wahrhaftig, als wollte er mit dem Niagara oder Mosi-oa-tunia,
-den Viktoriafällen des Sambesi in unlautern Wettbewerb treten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Weit befremdlicher aber noch erschien die Pflanzenwelt: was bei Nacht
-als mannshohes Schilf erschienen war, erwies sich nun bei Tageshelle als
-Gras. Da ragten grüne Büschel von zwei Meter Höhe, darüber wiegten
-sich Halme mit mächtigen Samenrispen; die Gräser waren mehr als handbreit,
-die Halme mehr als daumendick und der Hochwald dahinter schien
-aus krautartigen Gewächsen zu bestehen mit ungeheuren saftigen Stengeln
-und Blättern, deren geringste die Bananenblätter weit an Größe übertrafen.
-Dazwischen schossen Blumen empor, die sich wie Sonnenschirme ausbreiteten
-oder wie Kirchenglocken herabhingen.
-</p>
-
-<p>
-Nirgends aber war ein Gewächs zu sehen, das einem Baume glich; die
-höchsten Waldriesen, die bis zu sechzig Meter emporstreben mochten, waren
-<a id="page-140" class="pagenum" title="140"></a>
-knotige Rohre von oft mehreren Metern im Umfang, mit Wedeln und
-Kolben gekrönt, oder Schachtelhalme und Farnkräuter mit gigantischen
-Fiederblättern.
-</p>
-
-<p>
-Aber schön und überwältigend großartig erschienen diese Büsche von
-Gras und diese Wälder von Kraut mit ihrer farbenleuchtenden Blütenpracht.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir müssen die Schläfer wecken!&ldquo; mahnte die Lady, nachdem sie von
-ihrer ersten staunenden Bewunderung zu sich zurückkam.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich hätte weit lieber zunächst eine Entdeckungsreise auf eigene Faust
-gemacht,&ldquo; brummte Münchhausen; &bdquo;aber erstens wäre dies ein heimtückischer
-Verrat an den Genossen, und zweitens, was das Ausschlaggebende ist, ohne
-ein ordentliches Frühstück im Leibe bin ich zu einer weltberühmten Forschungsexpedition
-leiblich unfähig.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-So weckten sie denn die ganze Gesellschaft, die bald, sich die Augen
-reibend, vor den Zelten erschien.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hurrah!&ldquo; rief Schultze, als er sich umsah: &bdquo;Das ist wieder etwas ganz
-Neues, ganz Überirdisches, diese wogenden Fluren, diese fabelhaften Wälder!
-Da müssen wir vor allem andern einen Spaziergang hinein machen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nichts da!&ldquo; protestierte der Kapitän: &bdquo;Alles in der Ordnung! Zuerst
-ein kräftiges Frühstück, dann bin ich zu allem bereit.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht,&ldquo; stimmte Flitmore bei: &bdquo;Es ist besser, wir erledigen
-zunächst die leiblichen Bedürfnisse; dann können wir den Tag, der ja kurz
-genug ist, ununterbrochen ausnützen. Das erste Bedürfnis wird übrigens
-eine erfrischende Waschung sein; dort plätschert ja ein prächtiges Bächlein
-ganz in unsrer Nähe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das leuchtete allen ein und sie eilten dem nahen Bache zu, um Gesicht
-und Oberkörper und Glieder darin abzuspülen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, wie merkwürdig weich doch dieses Wasser ist, beinahe wie Öl,&ldquo;
-bemerkte Mietje zuerst.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist wahr, es scheint viel flüssiger zu sein als irdisches Wasser,&ldquo; bestätigte
-Heinz: &bdquo;Es fließt einem durch die Finger wie Nebel und rinnt wie
-Spinnenfaden so dünn an der Haut hinab.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und es bildet gar keine rechten Tropfen,&ldquo; fügte Schultze hinzu, &bdquo;nur
-so feine Sprühstäubchen, wie der Sprühregen im Nebel.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John rannte die paar Schritte zum Lagerplatz zurück, ergriff ein dünnes
-Holzscheit, mit dem er wieder angesprungen kam und das er klatschend in
-den Bach warf.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-141" class="pagenum" title="141"></a>
-Wie ein Springbrunnen spritzte das Wasser in feinverteiltem Staub wohl
-drei Meter hoch empor. Alle staunten sprachlos dies neue Wunder an.
-Rieger aber rief:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist ja gar kein Wasser!&ldquo; und er wies auf das Holzstück, das
-wie ein Stück Blei auf den Grund des Baches gesunken war, wo es
-liegen blieb.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich aber doch endgültig alle Wissenschaft auf!&ldquo; rief Schultze:
-&bdquo;Das ist frisches, klares Wasser, aber von einer Leichtigkeit, daß es auf
-unsern schwerfälligen irdischen Gewässern wie Öl oder Spiritus schwimmen
-würde; es scheint entsprechend flüchtig zu sein und sehr rasch zu verdunsten;
-das spüre ich schon an dem starken Prickeln, wenn es auf der Haut trocknet.
-Lady Flitmore, auf dem Saturn würde Ihre größte Wäsche in der halben
-Zeit trocknen, als auf unsrer mangelhaften Erde!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Zu Münchhausens Beruhigung schritt man jetzt zur Bereitung des Frühstücks.
-</p>
-
-<p>
-Es war überraschend, wie schnell das Wasser zum Sieden kam. Der
-Professor prüfte seine Wärme mit einem Thermometer: &bdquo;Dachte ich&rsquo;s doch!&ldquo;
-rief er aus: &bdquo;Bloß 52 Grad! Das Saturnwasser kocht also schon bei dieser
-geringen Temperatur.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Hierauf machte er sich an die Untersuchung des Grund und Bodens
-und löste das Gestein mit einem Pickel, den John aus der Sannah herbeischaffen
-mußte. Die Steinbrocken, die aus dem Boden gehauen wurden,
-erinnerten in ihrem Bau an Knochen: sie waren voller Hohlräume, schwammig,
-in Zellen eingeteilt, mit dünnen, doch sehr widerstandsfähigen Wandungen.
-Die mehr oder minder großen Kammern waren mit Luft oder Gasen gefüllt,
-während sich überall durch die größeren zusammenhängenden Felsmassen
-Wasseradern zogen.
-</p>
-
-<p>
-Ein Versuch ergab, daß die Mehrzahl der Steine auf dem Wasser des
-Baches schwamm, obgleich das Wasser selber schon so leicht war.
-</p>
-
-<p>
-In der Folge fanden sich auch völlig dichte Gesteinsmassen, die im Wasser
-untersanken, aber immer noch fabelhaft leicht erschienen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun ist das Rätsel der geringen Dichtigkeit dieses Planeten gelöst,&ldquo;
-sagte Flitmore: &bdquo;Die Dichtigkeit, oder was auf das gleiche herauskommt,
-das spezifische Gewicht des Saturn beträgt <span class="nom">1</span>/<span class="denom">8</span> von dem der Erde, ¾ des
-Wassers, nämlich des irdischen Wassers.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-142" class="pagenum" title="142"></a>
-Man vermutete daher, er müsse sich in glutflüssigem Zustand befinden,
-wodurch freilich so äußerst geringe Dichtigkeit nicht recht begreiflich wird.
-Deshalb stellte ja auch unser Kapitän die Theorie auf, der Stoff der Saturnmasse
-möchte heißer Grog sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Schade, daß dies nicht zutrifft!&ldquo; meinte Münchhausen lachend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, an Grog soll es Ihnen sobald nicht fehlen,&ldquo; tröstete der Lord.
-&bdquo;Wir haben nun hier einen festen, widerstandsfähigen Grund entdeckt, durchaus
-nicht so weich und elastisch wie die viel dichtere Marserde, und doch
-von solcher Leichtigkeit, daß diese alles erklärt. Das Wasser hat ein entsprechend
-geringeres Gewicht als auf Erden, und so scheint auch die Pflanzenwelt
-aus leichtem Stoff gebaut, der nicht durch seine starre Masse, sondern
-durch seine elastische Biegsamkeit und die Zähigkeit der Fasern den Stürmen
-trotzt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß ist auch die Tierwelt diesen Verhältnissen angepaßt,&ldquo; vermutete
-Schultze. &bdquo;Brechen wir auf! Ich brenne vor Begier, eine Entdeckungsreise
-zu unternehmen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Als unsere Freunde kurz darauf den Graswald und hinter diesem den
-Hochwald der Riesenkräuter betraten, fanden sie des Professors Vermutung
-voll bestätigt: nirgends begegnete ihnen ein Wirbeltier, das einen festen
-Knochenbau aufgewiesen hätte; nur Insekten, Kerbtiere und Weichtiere waren
-zu schauen.
-</p>
-
-<p>
-Aber welch entsetzliche Ungeheuer waren dies!
-</p>
-
-<p>
-Obwohl sie in Einzelheiten ihres Baues und ihrer Formen wesentlich
-von allen irdischen Arten abwichen, zeigten sie doch im allgemeinen eine
-in die Augen springende Ähnlichkeit mit solchen, und nach dieser wurden
-sie denn auch bezeichnet.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen erklärte gleich anfangs, man könne dies Geziefer nicht
-anders unter einem Sammelnamen begreifen, als unter dem Namen &bdquo;Drachen&ldquo;;
-denn als solche müßten sie bei ihrer unnatürlichen Größe und ihrem entsetzenerregenden
-Anblick gelten.
-</p>
-
-<p>
-Da fanden sich denn Schneckendrachen und Raupendrachen und solche,
-die durch Füße am Vorderleib mit Käferlarven Ähnlichkeit hatten, lauter
-dicke, plumpe und doch behende Geschöpfe in der Größe von Wieseln,
-Katzen und Schafen. Dieser Größenvergleich konnte jedoch bei den beiden
-letzteren nur für die Höhe gelten; die Länge betrug das Doppelte und
-Dreifache.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-143" class="pagenum" title="143"></a>
-Weit grauenhaftere Kriechtiere waren die Asseln und Tausendfüßler
-mit ihren unzähligen Gliedern, wie Krokodile so groß krochen und wanden
-sie sich daher und wenn sie sich mit halbem Leibe emporhoben, schwebten
-ihre gräulichen Häupter und zappelnden Beine so bedrohlich über den Köpfen
-der Wanderer, daß diese durch wohlgezielte Kugeln sich der Ungeheuer erwehren
-mußten.
-</p>
-
-<p>
-Ameisen- und Wanzendrachen, unheimliche Spinnen, über mannshoch,
-erschienen noch gefährlicher; die wahren Riesen der Tierwelt des Saturns
-aber waren die gepanzerten Käfer, die wie Flußpferde, Elefanten und
-Nashörner daherstapften und mit ihren Zangen nach den fremden Eindringlingen
-griffen.
-</p>
-
-<p>
-Man mußte stets auf der Hut sein; denn diese Tiere kletterten an den
-mächtigen Stauden umher, die sich oft unter ihrer wenn auch noch so leichten
-Last beugten; doch Lord Flitmores fleißigen Momentaufnahmen entgingen
-sie nicht.
-</p>
-
-<p>
-Eine Art Hirschkäfer faßte einmal unversehens den Kapitän mit seinen
-fürchterlichen Kiefern mitten um den Leib. Der Lord war so eifrig beim
-Photographieren, daß er rasch auch dieses großartige Bild aufnahm, ehe
-er dem Bedrohten zu Hilfe kam. Heinz Friedung hatte inzwischen durch
-mehrere Schüsse dem Scheusal den Garaus gemacht; aber die Zangen des
-toten Tieres mußten erst förmlich abgesäbelt werden, ehe Münchhausen
-wieder befreit aufatmen konnte und seinen Humor wiedergewann.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Natürlich, gleich den fettesten Bissen mußte sich dieser Schlecker heraussuchen,&ldquo;
-scherzte er, während ihm noch der Angstschweiß auf der Stirne perlte.
-</p>
-
-<p>
-Besonders in acht nehmen mußte man sich auch vor den Heuschrecken
-und Grashüpfern, die wie Känguruhs umherschnellten.
-</p>
-
-<p>
-Auch eine Art riesiger Ohrwürmer machte sich unangenehm.
-</p>
-
-<p>
-In den Lüften summten Mücken, Rüsselfliegen und Bremsen mit durchsichtigen
-Flügeln in Spatzen- bis Taubengröße. Weit gewaltiger waren die
-Wespen und Hummeln, die geflügelten Ameisen und die stahlglänzenden
-Libellenarten. Die Riesen der Vogelwelt aber, wenn hier von Vögeln
-geredet werden durfte, waren die Schmetterlinge, die ganz entzückende
-Färbungen aufwiesen.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt aber kroch ein plattleibiges Ungetüm heran mit langen Armen,
-an deren Ende sich zwei gewaltige Zangen aufsperrten, gleichzeitig schwang
-es den hoch über seinen Rücken gebogenen vielgliedrigen Schwanz gegen
-<a id="page-144" class="pagenum" title="144"></a>
-Lady Flitmore. Am Ende dieses Schwanzes befand sich ein scharfer Stachel,
-der über der Spitze stark verdickt war, offenbar eine Giftdrüse enthaltend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Skorpiondrache!&ldquo; schrie Münchhausen und legte sein Gewehr an.
-</p>
-
-<p>
-Doch wäre er zu spät gekommen, wenn nicht Mietje selber mit großer
-Kaltblütigkeit dem Angreifer eine Kugel direkt in die geblähte Giftdrüse
-gesandt hätte, so daß diese platzte, einen gelblichen Saft entleerend, und
-der Stachel schlaff herabfiel.
-</p>
-
-<p>
-Mit der einen Zange jedoch packte der Skorpion den Arm der jungen
-Frau.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt kam John zu Hilfe: er war mit einer Axt bewaffnet, um, wo es
-not tat, die Wege zu bahnen. Mit einem wohlgezielten Hieb trennte er
-das Zangenglied vom Leibe des Riesenskorpions, <a id="corr-11"></a>der nun von weiteren
-Angriffen abstand.
-</p>
-
-<p>
-Mit großer Anstrengung gelang es dann dem Lord, die krampfhaft
-geschlossene Zange aufzubrechen und den Arm seiner Gattin aus der Klemme
-zu befreien. Aber eine schmerzhafte Quetschung trug die mutige Dame als
-Andenken von dieser Begegnung davon.
-</p>
-
-<p>
-Die meisten Waldriesen hatten weiche, biegsame, saftige, doch zähe,
-elastische Stämme von enormem Umfang, es waren einfach gigantische Kräuter.
-</p>
-
-<p>
-Es fanden sich aber auch Stauden, Büsche und Gesträuche mit rohrartigen
-Zweigen oder von äußerst leichtem Mark erfüllten Stengeln, und
-schließlich Riesenfarne und Schachtelhalme. Wirkliches Holz jedoch war nirgends
-vorhanden: alles entsprach in seiner leichten, losen Struktur der geringen
-Dichte des Planeten.
-</p>
-
-<p>
-Dementsprechend waren die köstlichen, saftigen Riesenfrüchte fast durchweg
-Beeren- und Schotenfrüchte, teils mit Steinen, gleich den Schlehen und
-Wacholderbeeren, teils den Himbeeren, Brombeeren und Maulbeeren ähnlich
-oder auch den Stachelbeeren; viele hingen in saftigen Trauben herab oder
-in Büscheln als enorme Bananen und Bohnen; endlich fanden sich noch
-haselnußartige Stauden mit hartschaligen, kokosnußgroßen Nüssen.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_144">
-<img src="images/plate_144.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Eine Nacht auf dem Saturn.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Selbstverständlich wurden all diesen Herrlichkeiten die Namen nur vergleichsweise
-gegeben nach den irdischen Gewächsen, mit denen sie eine besondere
-Ähnlichkeit aufwiesen; in Wirklichkeit unterschieden sie sich nicht
-nur in der Größe, sondern auch in Form und Geschmack wesentlich von
-allen Beeren der Erde, aber durchaus nicht zu ihrem Nachteil. Den ersten
-<a id="page-145" class="pagenum" title="145"></a>
-Preis in Bezug auf Aroma und Güte erhielt nach einstimmigem Urteil
-eine Art Kaktusfeige ohne Stacheln.
-</p>
-
-<p>
-Die beiden Schimpansen ließen sich&rsquo;s wohl sein und kletterten überall
-empor, wo eine Frucht lockte. Sie waren von Flitmore dazu dressiert, auf
-Kommando ihre Beute herabzuwerfen, und das kam nun allen zu statten;
-denn die meisten Früchte hingen so hoch, daß sie vom Boden aus nicht zu
-erreichen waren, und für gewichtige Menschen war das Erklettern der
-schwankenden, biegsamen und dabei meist sehr umfangreichen Stengel und
-Rohre mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft.
-</p>
-
-<p>
-Auch auf Kämpfe mit den verschiedenen Ungetümen des Urwalds ließen
-sich die Affen ein, wobei sie manchen Heuschrecken- und Raupendrachen erwürgten
-und Riesenspinnen und Tausendfüßler zerrissen oder totbissen. Im
-Handgemenge mit den gepanzerten Käfern aber zogen sie meist den Kürzeren
-und trugen allerlei Wunden davon; doch wurden sie jedesmal durch die
-Kugeln der Herren oder durch Johns Axt vor dem Erliegen gerettet.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-29">
-<a id="page-146" class="pagenum" title="146"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />26. Ein Kampf um die Sannah.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Der Genuß der aromatischen Beeren, die übrigens mit den leuchtenden
-Früchten der Tipekitanga nicht wetteifern konnten, wurde durch die zahlreichen
-widerlichen und recht gefährlichen Geschöpfe beeinträchtigt, die den
-sonderbaren Wald bevölkerten.
-</p>
-
-<p>
-Aber noch etwas andres zwang unsre Freunde zu schleunigster Umkehr.
-</p>
-
-<p>
-Das war ein wütender Orkan, der sich ganz unvermittelt erhob und
-unter dessen Gewalt sich die Krautbäume und Stauden bis zu Boden neigten
-und so das Weiterkommen beinahe unmöglich machten, ja die Wandrer in
-Gefahr brachten, niedergeschmettert und erdrückt zu werden.
-</p>
-
-<p>
-Das Getier flüchtete sich zum Teil in Erdlöcher, die zahlreich vorhanden
-waren und der Tätigkeit der Rieseninsekten selber zuzuschreiben sein mochten,
-zum Teil rettete es sich auf die Wipfel, in denen es sich festkrallte, während
-der Sturm über sie wegsauste, daß alles wogte, wie ein Meer.
-</p>
-
-<p>
-Der Rückzug war schwierig und nicht ungefährlich, und obgleich man
-gar nicht weit in den Wald eingedrungen war, dauerte es doch lange,
-bis man ihm wieder entrann; denn mit größter Vorsicht und unter vielen
-Umwegen mußte denjenigen Pflanzen ausgewichen werden, die sich so tief
-neigten, daß sie buchstäblich den Boden peitschten.
-</p>
-
-<p>
-So furchtbar der Sturm wütete, so knickten doch nur ganz wenige
-Stengel ein, so elastisch paßte sich diese zyklopische Pflanzenwelt den Verhältnissen
-an.
-</p>
-
-<p>
-Endlich war der Saum des Graswäldchens erreicht, und aufatmend
-traten unsere Freunde auf die kleine Lichtung hinaus, auf welcher die
-Sannah vor ihren Blicken emporragte.
-</p>
-
-<p>
-Sie gedachten, sofort im Innern des Fahrzeugs Schutz vor dem Orkane
-zu suchen, der jetzt einen feinen, alle Kleider durchdringenden Sprühregen
-<a id="page-147" class="pagenum" title="147"></a>
-niederwehte. Dieser Sprühregen, so fein verteilt er war, erfüllte doch die
-Luft mit einem undurchdringlichen Nebel, so daß es noch vor Sonnenuntergang
-ziemlich düster wurde und man den Eingang ins Nordpolzimmer zu
-halber Höhe der Sannah, also 22½ Meter hoch, nicht mehr erblicken
-konnte.
-</p>
-
-<p>
-Der Schimpanse Bobs, als der gelenkigste und zugleich naseweiseste und
-rücksichtsloseste der ganzen Gesellschaft, turnte als erster an der Strickleiter
-empor und war schon im Nebel verschwunden, ehe die andern noch zur
-Stelle waren.
-</p>
-
-<p>
-Bald vernahm man aus den verschleierten Höhen ein wütendes Gekreisch.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hollah! Dort oben scheint nicht alles in Ordnung zu sein,&ldquo; rief
-Flitmore: &bdquo;Es war auch ein unverantwortlicher Leichtsinn von mir, unsre
-Sannah ohne männlichen Schutz in der Einsamkeit eines fremden Planeten
-zurückzulassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Gleich darauf kollerte ein großer, doch offenbar nicht besonders schwerer
-Körper an der Strickleiter herab.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aha! Da hat sich scheint&rsquo;s ein solch scheußlicher Saturnkäfer dort
-oben unnütz gemacht,&ldquo; sagte der Kapitän: &bdquo;Nun, Bobs hat ihm das Unverschämte
-seines Verhaltens gründlich klar gemacht und ihm den Kopf
-abgerissen, daß er nur noch lose mit dem widerlichen Leibe zusammenhängt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nennen Sie diese Geschöpfe nicht scheußlich und widerlich,&ldquo; schalt der
-Professor: &bdquo;Sie sind hochinteressant!&ldquo; und er betrachtete liebevoll mit wissenschaftlichen
-Augen den Mistkäfer, der zu seinen Füßen lag; denn einem
-solchen war das Tier von der Größe eines Kalbes am ehesten vergleichbar.
-</p>
-
-<p>
-Das Gekreisch des Affen hörte inzwischen nicht auf, und bald sah man
-Bobs mit kläglicher Miene und blutenden Armen in eiliger Flucht sich an
-der Strickleiter herabschwingen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho! Da haben Sie&rsquo;s, Professor!&ldquo; rief Münchhausen: &bdquo;Von Ihren
-hochinteressanten Tieren haben sich scheint&rsquo;s noch mehrere in der Sannah
-eingenistet! Ich schlage vor, daß Sie sich sofort hinaufbegeben, da Sie den
-Geschöpfen so zärtliche Gefühle entgegenbringen. Da können Sie Studien
-machen, ganz ungestört; denn wir werden Ihnen erst folgen, wenn Sie
-damit zu Ende sind und die Einbrecher als unschädliche Präparate Ihrer
-Käfersammlung einverleibt haben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-148" class="pagenum" title="148"></a>
-Schultze machte ein langes Gesicht. Ne! Da traute er sich nicht hinauf,
-obgleich er nichts sehen konnte als Nebel, da er emporschaute. Aber
-wenn Bobs sich in die Flucht schlagen ließ, dann war die Sache nicht geheuer.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Richten wir die Zelte wieder auf, der Sturm läßt nach!&ldquo; sagte Flitmore
-trocken. Der Orkan hatte sämtliche Zelte umgerissen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das heißt, wir sollen die Sannah zunächst ihrem Schicksal überlassen?&ldquo;
-frug Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es hat keinen Zweck, sich in diesem Nebel bei sinkender Nacht in
-eine unbekannte Gefahr einzulassen und den Kampf mit wütenden Ungeheuern
-aufzunehmen,&ldquo; erwiderte der Lord achselzuckend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber gegen diesen Sprühregen schützen keine Zeltwände noch Decken,&ldquo;
-gab der Kapitän zu bedenken: &bdquo;Wir sind schon bis auf die Haut durchnäßt
-und Lady Flitmore könnte sich bei dieser Gelegenheit eine gefährliche
-Bronchitis zuziehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wissen Sie denn überhaupt, ob es auf dem Saturn Krankheitsbazillen,
-speziell Schnupfenbazillen gibt?&ldquo; warf Schultze ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Pah! Erkälten kann man sich überall&ldquo;, behauptete Münchhausen,
-&bdquo;und davor schützt einen ein trockenes Lager, nicht aber eine gelehrte
-Bazillentheorie. Ich meinesteils, als alter Seebär, kann Nässe und kalte
-Luft vertragen. Mir ist es nur um Sie und namentlich die zarte Lady.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Zarte Lady!&ldquo; lachte Mietje: &bdquo;Haben Sie mich in Afrika als Wachspuppe
-kennen gelernt, daß Sie mich meinen in Watte wickeln zu müssen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das nicht, aber damals waren Sie ein Burenmädchen, jetzt sind Sie
-eine englische Schloßherrin.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Doch nicht verweichlichter als damals: mein Burenblut konnte England
-mir nicht rauben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dieses Zeugnis kann ich meiner Gattin ausstellen,&ldquo; bestätigte Flitmore:
-&bdquo;Sorgen Sie sich nicht um sie.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allein,&ldquo; beharrte Münchhausen, dem auch das nasse Lager trotz seiner
-Seebärennatur, mit der er sich brüstete, höchst unsympathisch erschien:
-&bdquo;Allein, da der Professor doch einmal die Bazillenfrage aufwarf, wer kann
-wissen, ob der Saturn nicht viel gefährlichere Bazillen beherbergt als die
-Erde? Vielleicht auch ganz riesige!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Beruhigen Sie sich,&ldquo; sagte Heinz plötzlich, &bdquo;ich werde das Abenteuer
-wagen und hoffe das Ungeziefer dort oben auszurotten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-149" class="pagenum" title="149"></a>
-&bdquo;Seien Sie nicht tollkühn, junger Mann,&ldquo; warnte der Lord: &bdquo;Es hat
-keinen Zweck. Warten wir bis morgen, bis wir die Sachlage übersehen
-können; auch ist zu erwarten, daß die Käfer dann freiwillig den Rückzug
-antreten, schon um nach Nahrung zu suchen; denn im Nordpolzimmer finden
-sie nichts, und die Zwischentüren zu öffnen wird ihnen doch nicht gelingen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, lassen Sie&rsquo;s bleiben, junger Freund,&ldquo; mahnte nun auch Schultze:
-&bdquo;Bobs wäre nicht geflohen, wenn die Übermacht nicht zu groß wäre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich habe meinen Plan, bei dem ich nichts riskiere,&ldquo; entgegnete Heinz.
-&bdquo;Tollkühnheit ist mir fremd; sehe ich, daß Gefahr für mich besteht, so
-kehre ich um.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, na!&ldquo; drohte Münchhausen: &bdquo;In Australien haben Sie mehr als
-einmal gezeigt, daß Sie keine Todesgefahr scheuen: ich traue Ihrer Vorsicht
-nicht so ganz.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lassen Sie mich nur machen,&ldquo; rief Heinz von der Strickleiter herab,
-an der er bereits gewandt wie eine Katze emporklomm, um weitere Erörterungen
-abzuschneiden.
-</p>
-
-<p>
-Ihm folgte der Schimpanse Dick, der eine besondere Freundschaft mit
-dem jungen Mann geschlossen hatte, welcher sich stets gerne und fürsorglich
-mit dem Affen abgab.
-</p>
-
-<p>
-Aber auch John kletterte empor, indem er Heinz nachrief: &bdquo;Ich gestatte
-mir mit meiner Wenigkeit auch unbedingt Ihre Nachfolge anzutreten,
-indem daß wir zu dritt berechnungsweise mehr auszurichten imstande
-sein dürften, als wenn Sie mit Dick allein eine Schlacht inokulieren wollten.&ldquo;
-Das sollte nämlich &bdquo;inaugurieren&ldquo; heißen, was John als einen vornehmeren
-Ausdruck für das schlichte deutsche Wort &bdquo;beginnen&ldquo; erkannt hatte.
-</p>
-
-<p>
-Heinz erreichte die schwarz gähnende Öffnung des Nordpolzimmers. Es
-war völlig Nacht geworden und man konnte nichts im Innern des Raumes
-erkennen, wohl aber hörte man ein Durcheinanderkrabbeln, Knarren und
-Zirpen, das bekundete, daß da drinnen eine ganze Anzahl ungebetener
-Gäste sich eingenistet hatte und es nicht geraten gewesen wäre, sich in
-Nacht und Finsternis in ihre Nähe zu wagen.
-</p>
-
-<p>
-Dies hatte er auch vorerst nicht im Sinn; vielmehr ergriff er nun eine
-der Rampen, die das Weltschiff gleich Meridianen in seinem ganzen Umfang
-umgaben und sich in seinen Scheitelpunkten kreuzten.
-</p>
-
-<p>
-Das Emporsteigen an der Rampe auf der glatten, gewölbten Oberfläche
-der Kugel war für einen Menschen nicht ungefährlich; allein die
-<a id="page-150" class="pagenum" title="150"></a>
-Dunkelheit, die jedes Gefühl des Schwindels ausschloß, begünstigte das
-Wagnis und Heinz war ein gewandter Turner. Auch John Rieger fand
-keine unüberwindliche Schwierigkeit in der Kletterei, Dick, der Affe,
-vollends nicht: dem war es ein Spaß.
-</p>
-
-<p>
-So langten denn alle drei wohlbehalten oben an, wo sie in einer Höhe
-von 45 Metern über dem Saturnboden auf dem höchsten Punkte der
-Sannah standen, also über deren Zenithzimmer.
-</p>
-
-<p>
-Tastend fand Heinz den elektrischen Drücker zu seinen Füßen, der die
-Öffnung der Luke von außen ermöglichte und nun stiegen sie auf der hier
-mündenden Leitertreppe in den dunkeln Raum hinab, die Lucke hinter sich
-wieder schließend.
-</p>
-
-<p>
-Zunächst drehte Heinz das elektrische Licht auf und sagte zu John:
-&bdquo;Vor allem nehmen wir jeder einen der Gummistühle mit, das sollen treffliche
-Schutzschilde gegen die Zangen und Kiefer der Unholde sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber dann dürfte mit Verlaub das Schießen darunter notleidend
-werden,&ldquo; gab der Diener zu bedenken. &bdquo;Insofern zum wenigsten ich
-meinesteils das Schießen mit einem einzigen gebrauchsfähigen Arm fertigzubringen
-der unumgänglichen Fähigkeit entbehre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir schießen auch nur im äußersten Notfall, Freund. Es ist so eine
-Sache, mit einem weittragenden Gewehr in einem geschlossenen Raum zu
-schießen; wenn auch die Kugeln angesichts der dicken Kautschukpolster an
-den Wänden nicht zurückprallen dürften, so könnten wir doch Beschädigungen
-und Verwüstungen anrichten, die wir besser vermeiden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber da wären doch sozusagen Revolver im Waffenschrank, der sich
-dahier befindet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ausgezeichnet! Mit denen können wir das Schießen eher wagen.
-Stecken wir uns jeder solch ein Ding in den Gürtel; aber zuvor laden!
-Und jetzt, unsre Hauptwaffe muß ein Hirschfänger sein; den nehmen wir
-in die rechte Hand.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich würde mit Ihrer gütigsten Gestattung, sofern Sie nichts Wesentliches
-dagegen einzuwenden haben sollten, das Dolchmesser lieber auch in
-den Gürtel zu stecken vorziehen und diese Tomashacke, das indianische Beil,
-zur Hand nehmen, da allerlei praktische Waffengerätschaften aus aller
-Herren Ländern in diesem Kasten sich in Vereinigung befinden, indem daß
-ich mit dem Beilhieb besser umzugehen vermag als mit dem Dolchstoß.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-151" class="pagenum" title="151"></a>
-&bdquo;Wie du willst, John, und den Revolver gebrauchen wir nur im Notfall;
-mit dem wirst du wohl einhändig schießen können?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dieses zu bejahen werde ich mir wohl schmeicheln dürfen, indem daß
-ich andernfalls mich als einen ganz besonderen Tollpatsch ausweisen würde.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Also! Jetzt in den Gang nach dem Nordpolzimmer! Ich gehe voran,
-Dick folgt mir und du schließt die Türe, nachdem du das Licht ausgedreht
-hast; inzwischen erleuchte ich den Korridor. Wenn wir in das Nordpolzimmer
-kommen, mache ich zuerst Licht dort: das wird die Biester zunächst
-so blenden und verblüffen, daß sie uns nicht gleich angreifen werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Ehe Heinz die Türe öffnete, die vom Gang in das Nordpolzimmer
-führte, löschte er das elektrische Licht im ersteren, so daß alles dunkel war,
-als er den Raum betrat. Dies tat er vorsichtig, sich hinter dem Gummisessel
-deckend und daran hatte er gut getan; denn hart an der Türe stand
-ein Tier, das er erst fortdrängen mußte. Hiezu galt es alle Kraft einsetzen,
-denn der Sechsfüßler sperrte sich gewaltig.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt drehte der junge Held das elektrische Licht auf und zwar alle
-Lampen rasch nacheinander, so daß blendende Helligkeit den Raum überflutete.
-</p>
-
-<p>
-Rasch übersah er die Sachlage. Ein Dutzend Panzerkäfer von der
-Größe halbwüchsiger Kälber hatte sich in der Stube eingenistet; außer
-ihnen befanden sich aber auch vier mächtige Asseln im Zimmer, die Heinz
-wegen ihrer Gelenkigkeit und Behendigkeit mehr Sorge machten als die
-Käfer mit ihren Zangen und Kiefern.
-</p>
-
-<p>
-Dick gab das Zeichen zum Angriff: beherzt sprang er hervor und setzte
-auf den Rücken einer Assel die sich unter seinen würgenden Griffen und
-reißenden Nägeln und beißenden Zähnen krümmte und wand, ohne ihm
-jedoch beikommen zu können: der Schimpanse machte ihr rasch den Garaus.
-</p>
-
-<p>
-Die Käfer standen, wie Heinz richtig vermutet hatte, zunächst geblendet
-und regten sich nicht. Wie abwehrend stemmten sie die Vorderbeine und
-sperrten die Kiefer auf.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jetzt drauf!&ldquo; kommandierte der junge Mann und stürzte auf den
-nächsten Feind los, ihm den Hirschfänger zwischen die Halsplatten stoßend.
-</p>
-
-<p>
-John schwang indessen sein Tomahawk oder seine Tomashacke, wie er
-sich ausdrückte; er hatte den Schild, der ihn behinderte, weggeworfen und
-spaltete zunächst einer Assel den weichen Kopf, während Dick, der den
-Kampf mit den Asseln einem Angriff auf die panzergeschützten Käfer vorzuziehen
-schien, soeben die dritte zu zerfetzen begann.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-152" class="pagenum" title="152"></a>
-Es schien eine völlig gefahrlose Schlacht zu geben, denn schon waren
-acht der Ungeheuer kampfunfähig gemacht und ein neuntes war zur Lucke
-hinaus entwichen, ohne daß die Helden mehr als ein paar Quetschungen
-davongetragen hatten. Außerdem lagen drei Asseln tot und die vierte war
-nicht mehr zu sehen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nur noch drei Feinde!&ldquo; jubelte Heinz: &bdquo;Der Sieg ist unser!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Allein er frohlockte zu früh, gerade diese letzten Gegner sollten noch
-schwere Arbeit machen; ihre Augen hatten sich an das Licht gewöhnt und
-sie waren auf ihrer Hut.
-</p>
-
-<p>
-Mit dem einen befand sich Dick in verzweifeltem Kampf. Der Kerl
-war auf den Rücken gefallen, aber mit den kräftigen Zangen seiner sechs
-zappelnden Beine hielt er den Affen fest, kneipte und zwickte den laut
-kreischenden Vierhänder und schnappte mit den Kiefern nach ihm. Vergeblich
-suchte der Schimpanse, loszukommen; hätte er sich befreien können,
-er hätte nur noch an den Rückzug gedacht, wie zuvor Bobs. Er biß
-wütend um sich und zerbrach mit den Vorderhänden dem Scheusal zwei
-Beine, aber von hinten wurde er im Schraubstock festgehalten.
-</p>
-
-<p>
-Der zweite Käfer war zum Angriff auf Heinz übergegangen. Dieser
-hatte sich in seiner Siegesgewißheit dessen nicht versehen und alle Vorsicht
-außer acht gelassen; er hatte bisher so leichtes Spiel gehabt.
-</p>
-
-<p>
-Unglücklicherweise umfaßten die Kiefer des Angreifers gerade seinen
-Hals: sie waren wohl nicht imstande, ihn zu durchbeißen, wohl aber, ihn
-derart zusammenzupressen, daß der Ärmste erwürgt wurde. &bdquo;John, John,
-zu Hilfe!&ldquo; konnte er nur noch mit erstickter Stimme stöhnen, dann entfiel
-ihm der Hirschfänger, mit dem er seinem Gegner einen schwachen Stich versetzt
-hatte.
-</p>
-
-<p>
-Aber John war außerstande, Hilfe zu bringen: auch er befand sich in
-einer ekligen, wenn auch zunächst nicht lebensgefährlichen Klemme. Am
-rechten Arm gepackt, konnte er sein mörderisches Beil nicht mehr gebrauchen
-und tastete mir der Linken krampfhaft nach dem Revolver in seinem Gürtel.
-</p>
-
-<p>
-In diesem Augenblick höchster Not erschien Flitmore in der Lucke, gefolgt
-von Schultze. Die Sorge um Heinz und John hatte ihnen keine
-Ruhe gelassen. Im Emporklettern wäre es übrigens dem Lord beinahe
-schlimm ergangen, denn er stieß mit dem flüchtenden Käferriesen zusammen,
-der ihn fast zu Fall brachte; doch gelang es ihm, das Tier hinunterzustürzen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-153" class="pagenum" title="153"></a>
-Ein Blick zeigte ihm nun, daß die Hauptarbeit getan war, daß aber
-auch Heinz in dringendster Lebensgefahr schwebte. Er eilte, den Mörder
-zu köpfen und dann die Zangen des abgetrennten Kopfes gewaltsam von
-seines jungen Freundes Hals zu lösen. Nun stellte er Wiederbelebungsversuche
-an dem Ohnmächtigen an.
-</p>
-
-<p>
-Indessen war es John gelungen, durch einige Revolverschüsse auch
-seinem Feinde das Lebenslicht auszublasen und dann mit Mühe seinen Arm
-aus der Klemme zu befreien.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor war inzwischen dem Affen zu Hilfe gekommen, der
-schleunigst den <a id="corr-12"></a>unheimlichen Ort verließ, obgleich die Gefahr nun vorüber
-war.
-</p>
-
-<p>
-Und doch! sie war es noch nicht ganz: auf einmal erscholl ein Schrei
-des Entsetzens aus Schultzes Munde.
-</p>
-
-<p>
-Die vierte der Asseln, die verschwunden schien, war nur an der Wand
-hinauf gekrochen und stürzte plötzlich von der Decke herab auf den Professor;
-nicht aus böswilliger Absicht, &mdash; sie hatte einfach den Halt verloren.
-</p>
-
-<p>
-Aber was tat dies zur Sache? Der unglückselige Gelehrte fühlte sich
-von einem dicken, ringelnden Leib umwunden, von zahllosen, kribbelnden
-Füßen umfaßt und wähnte sein letztes Stündlein gekommen.
-</p>
-
-<p>
-Nun aber kamen John und Flitmore gleichzeitig herbei und machten
-das letzte der Scheusale bald unschädlich, dessen zerstückelter Leib sich, mit
-den enggereihten Beinen zappelnd, am Boden krümmte.
-</p>
-
-<p>
-Heinz war wieder zur Besinnung gekommen und griff sich an den
-Hals; er hatte das Gefühl, als presse eine furchtbare Zange ihn immer
-noch zusammen. Da war aber nichts mehr vorhanden, nur die Nachwehen
-des Drucks hatten ihm dies vorgetäuscht. Bald atmete er auch
-wieder leichter und konnte sich allmählich erheben.
-</p>
-
-<p>
-Da trat Mietje mit gezücktem Dolch durch die Außentüre ein: sie fand
-zum Glück keine Arbeit mehr für ihre Waffe. Hinter ihr tauchte Münchhausen
-pustend und schweißtriefend auf, so hastig war er emporgeklettert,
-um den Freunden auch seinerseits Beistand zu leisten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nanu, da komme ich ja wohl zu spät,&ldquo; keuchte er: &bdquo;Schade, schade,
-daß sich niemand in Lebensgefahr befindet, es wäre mir ein Vergnügen
-und eine Ehre gewesen, ihn zu retten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-154" class="pagenum" title="154"></a>
-&bdquo;Sie haben jetzt das Recht zu scherzen,&ldquo; sagte der Lord, &bdquo;aber unserm
-heldenmütigen Freund, Heinz Friedung, ging es diesmal buchstäblich an
-den Kragen und um ein Haar, so wäre es um ihn geschehen gewesen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wahrhaftig! Sie sind ja ganz blau im Gesicht,&ldquo; wandte sich der
-Kapitän mit lebhafter Teilnahme an den Geretteten, &bdquo;und Ihr Hals zeigt
-Strangulationsspuren. Wir müssen Ihnen schleunigst einen Grog brauen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Tierleichen wurden jetzt hinausgeworfen und möglichst alle die
-widerlichen Spuren des Kampfes entfernt; dann holte John die Zelte herein
-und auch die Affen trauten sich wieder in die Sannah und halfen beim
-Transport.
-</p>
-
-<p>
-Die Kämpfer aber wuschen sich und zogen sich um, worauf im Zenithzimmer,
-fern vom Schlachtfeld, das Nachtmahl eingenommen wurde.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-30">
-<a id="page-155" class="pagenum" title="155"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />27. Vom Kometen entführt.
-</h2>
-
-<p class="first">
-&bdquo;Wir wollen eine andre Gegend des großen Planeten aufsuchen,&ldquo;
-schlug Flitmore andern Tags vor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist ein guter Gedanke,&ldquo; sagte Schultze beifällig: &bdquo;Ich sehe selber
-ein, die Tierwelt hier in den Tropen ist eklig und unangenehm, so hochinteressant
-sie auch erscheint. Wohl möglich, daß andre Breiten neue
-Wunder und weniger Schrecken offenbaren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Zunächst wurden noch reichlich Früchte, besonders Nüsse eingesammelt
-und in die Sannah verbracht, wußte man doch nicht, ob der nächste
-Landungsplatz ebenso fruchtbar sein würde.
-</p>
-
-<p>
-Dann wurden einige leere Behälter mit dem Wasser des Bächleins gefüllt,
-das sich als herrliches und bekömmliches Trinkwasser erwiesen hatte.
-In Eimern wurde es an einem Flaschenzug emporgewunden.
-</p>
-
-<p>
-Auch diese Vorsicht wurde geübt, weil man nicht voraussehen konnte,
-wie es mit den Trinkverhältnissen an anderm Orte bestellt sei.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hoffentlich entdecken wir auch die Saturnmenschen, das heißt vernünftige
-Wesen gleich uns,&ldquo; äußerte Mietje: &bdquo;Ich kann mir doch nicht
-denken, daß ein so ungeheuer großer Weltkörper, der alle Lebensbedingungen
-für menschliche Wesen bietet, nicht auch von solchen bewohnt sein sollte!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn diese Menschen wie die Pflanzen- und Tierwelt der Dichtigkeit
-des Planeten angepaßt sind,&ldquo; scherzte Münchhausen, &bdquo;so müssen sie
-äußerst leichtfüßig sein, und dann besteht für uns die Gefahr, daß sie uns
-als &bdquo;lästige Ausländer&ldquo; ausweisen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das würde wenigstens Ihnen drohen, Freund Hugo der Dicke,&ldquo; meinte
-Schultze: &bdquo;Der lästigste Ausländer sind zweifellos Sie und die Saturniten
-könnten es mit Recht als eine schwere Bedrohung ihres leichten Planeten
-ansehen, wenn er mit so lästigen Lasten belastet wird.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-156" class="pagenum" title="156"></a>
-&bdquo;Au!&ldquo; rief Münchhausen: &bdquo;Solche Kalauer bringt doch nur ein geborener
-Berliner fertig. Ganz der Schultze aus dem Kladderadatsch!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ernstlich geredet,&ldquo; begann der Professor wieder, &bdquo;glaube ich nicht an
-die Saturniten, da wir bisher auch nicht die Spur von Menschenwerken
-entdeckten, auch die langen Winter und Sonnenfinsternisse den Aufenthalt
-dahier nicht besonders menschlich gestalten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich neige zu Lady Flitmores Ansicht,&ldquo; widersprach ihm Heinz: &bdquo;Die
-Menschen könnten ja eben diesen Verhältnissen angepaßt sein, vielleicht sind
-auch die langen Winter gar nicht besonders streng. Und was die menschlichen
-Spuren anbelangt, so ist ja die Saturnwelt so ungeheuer groß im
-Vergleich zu der Erde, daß es rein nichts besagen will, daß einzelne Gegenden
-sich als unbewohnt, vielleicht von den Saturniten noch unerforscht erweisen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es steht Ihnen natürlich frei, Ihre eigene Ansicht hierüber zu haben,&ldquo;
-entgegnete Schultze: &bdquo;Aber mit was wollen Sie dieselbe begründen? Eine
-unbegründete Theorie schwebt in der Luft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, ich begründe sie genau wie unsre Lady. Darin sind wir ja doch
-alle einig, daß diese Wunderwelten mit ihren Pflanzen und lebenden Wesen
-nur durch den Willen eines persönlichen und vernünftigen Schöpfers hervorgerufen
-worden sein können?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Natürlich! Darüber ist kein Wort zu verlieren,&ldquo; ereiferte sich Schultze.
-&bdquo;Daß unpersönliche Kräfte Persönlichkeiten hervorzauberten und die vernünftige
-Weltordnung das zufällige Erzeugnis der Vernunftlosigkeit ist,
-solchen Blödsinn zu glauben wollen wir dem Halbgebildeten und Denkschwachen
-überlassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Also!&ldquo; fuhr Heinz fort: &bdquo;Ein persönlicher, vernünftiger Schöpfer wird
-nichts ohne Zweck und Bestimmung schaffen. Der Mars zum Beispiel war
-von menschenähnlichen Wesen bewohnt; er scheint seine Bestimmung vorerst
-erfüllt zu haben, um auszusterben, vielleicht nur, damit er in späteren
-Zeiten unter günstigeren Lebensbedingungen einem neuen Geschlecht eine
-Wohnstätte biete. Der Saturn, der fast 3000mal so groß ist wie der
-Mars und vernünftigen Wesen weit bessere Lebensbedingungen zu bieten
-scheint, kann doch unmöglich bloß als Aufenthalt der Rieseninsekten vom
-Schöpfer gedacht worden sein?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bravo! So meinte ich&rsquo;s,&ldquo; spendete Mietje ihren Beifall.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Erlauben Sie mir, beiden Parteien recht zu geben,&ldquo; mischte sich der
-Lord in den Streit: &bdquo;Nordamerika war Jahrtausende lang sehr dünn bevölkert
-<a id="page-157" class="pagenum" title="157"></a>
-und wies ungeheure unbewohnte Länderstrecken auf, die den
-Menschen doch ausgezeichnete Lebensbedingungen boten; heute hat es eine
-sehr dichte Bevölkerung, und das war jedenfalls seine Bestimmung. Dieselbe
-Bestimmung dürfen wir für Kanada annehmen, das sich erst in unsern
-Tagen etwas mehr zu bevölkern beginnt; desgleichen weist Südamerika
-noch die herrlichsten Besiedelungsflächen auf, die zur Zeit völlig oder doch
-beinahe menschenleer sind.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Daraus sehen wir nur,&ldquo; fiel Mietje ein, &bdquo;daß die Bestimmung der
-bewohnbaren Länder sich erst im Laufe der Zeiten erfüllt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz richtig, meine Liebe! Wenn ihr also mit Recht sagt, Saturn
-ist für menschenähnliche Wesen bewohnbar und ist also offenbar für solche
-bestimmt, so könnt ihr daraus noch lange nicht folgern, daß er zur Zeit
-auch schon seine Bestimmung erfüllt, das heißt, daß jetzt solche Wesen auf
-ihm leben müssen. Er kann eine Welt sein, die für spätere Besiedelung
-vorbehalten ist. Vielleicht werden bald seine Ringe vollends in Trümmer
-gehen und auf seine Oberfläche herabstürzen, so daß einmal die leidigen
-Sonnenfinsternisse ein Ende haben. Vielleicht wird dadurch auch seine Umlaufszeit
-beschleunigt; dann hindert nichts, daß er von der Erde aus bevölkert
-wird, nachdem nun die Mittel gefunden sind, binnen weniger Tage
-ihn zu erreichen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dagegen ist nichts einzuwenden,&ldquo; meinte Schultze. &bdquo;Aber, werter
-Lord, da wir nun zur Abfahrt bereit sind, um eine andre Gegend des
-Saturn zu besuchen, bitte ich, diesmal mir den Beobachtungsposten anzuweisen.
-Ich werde mich bemühen, den meistversprechenden Landungsplatz auszuwählen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Halt, halt, Professorchen!&ldquo; warnte Münchhausen: &bdquo;das halten Sie
-nicht aus. Ich sage Ihnen, da werden Sie zwischen Plafond und Hängematte
-hin- und hergeworfen, daß Ihnen alle Knochen mürbe werden, da
-Sie mit keinem so ausgepolsterten, federnden Leib gesegnet sind, wie ich.
-Sie sind eine Landratte und werden jämmerlich seekrank, das dürfen Sie
-mir glauben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ach was, Landratte! Glauben Sie denn, ich könne keine schaukelnde
-Bewegung vertragen? Bin ich etwa zu Lande nach Amerika, Afrika,
-Asien und Australien gereist?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na! probieren Sie&rsquo;s; aber Sie werden noch an mich denken!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-So begab sich der Professor in die Hängematte des Antipodenzimmers
-und gab das Zeichen zur Abfahrt, worauf er alsbald aus dem Netze flog
-<a id="page-158" class="pagenum" title="158"></a>
-und mit der Nase auf das Fenster zu liegen kam. Bei jedem Zeichen,
-das er gab, wechselte er seine Lage zwischen Matte und Zimmerdecke;
-aber mannhaft ertrug er das Ballspiel, das die Sannah mit seinem Körper
-aufführte, und fand die jedesmalige Veränderung der Perspektive hochinteressant.
-</p>
-
-<p>
-Aber, was war das? Plötzlich verschwand der Saturn wie ein Blitz
-unter ihm und war nirgends mehr zu sehen!
-</p>
-
-<p>
-Schultze rieb sich die Augen, er strengte seine ganze Sehkraft an: entzog
-ihm nur der plötzliche Einbruch der Nacht den Anblick des Planeten?
-Aber die Sannah hatte sich ja beim Aufstieg auf der Tagesseite, zwischen
-der Sonne und der Saturnbahn befunden: so lange die Fliehkraft eingeschaltet
-war, mußte der Planet dem Weltschiff stets die sonnbeschienene Seite
-zukehren, weil er sich unter ihm drehte, ohne daß es an seiner Rotation
-teilnahm.
-</p>
-
-<p>
-Bei ständig geschlossenem Strom hätte es immerhin einige Stunden
-dauern müssen, bis die Nacht eingetreten wäre.
-</p>
-
-<p>
-Das also konnte es nicht sein, und doch war weit und breit nichts
-zu sehen als der dunkle Weltraum; die Sonne leuchtete ja der Sannah auf
-der andern Seite, im Antipodenzimmer herrschte tiefste Nacht.
-</p>
-
-<p>
-So verblüfft war der Professor durch dieses völlig unerwartete und
-unerklärliche Ereignis, daß er lange Zeit nur seine Augen und sein Gehirn
-anstrengte, ohne weder etwas sehen zu können, noch des Rätsels
-Lösung zu finden.
-</p>
-
-<p>
-Endlich fiel ihm ein, daß das Vernünftigste wäre, rasch den Strom
-unterbrechen zu lassen, damit die Sannah durch die Wirkung der Anziehungskraft
-womöglich dem verschollenen Gestirn wieder nahe komme.
-</p>
-
-<p>
-Er gab das entsprechende Zeichen mehrmals: ganz umsonst! Ruhig
-blieb er im Netze liegen, der Schwerpunkt der Sannah blieb unverändert
-im Mittelpunkt des Fahrzeugs.
-</p>
-
-<p>
-Da mußte etwas nicht in Ordnung sein, vielleicht gelang es dem Lord
-nicht, die Fliehkraft abzustellen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist denn los dort unten?&ldquo; fragte jetzt Flitmores Stimme durch
-das Telephon.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich möchte fragen, was dort oben los ist?&ldquo; frug Schultze zurück:
-&bdquo;Der Saturn ist verschwunden, völlig weg! Warum unterbrechen Sie den
-Strom nicht?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-159" class="pagenum" title="159"></a>
-&bdquo;Er ist unterbrochen! Ich stellte ihn ab, gleich bei Ihrem ersten Zeichen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dann funktioniert Ihr Schaltungsapparat nicht mehr!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Doch! Er ist völlig in Ordnung. Da muß etwas andres im Spiele
-sein; kommen Sie nur herauf.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Kopfschüttelnd stieg der Professor aus der Hängematte und begab sich,
-zuerst absteigend, dann vom Zentrum an aufsteigend, in das Zenithzimmer.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-159">
-<img src="images/159.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Die Sannah im Kometenschweif.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Hier hatten die Reisenden gleich seit Beginn der Abfahrt ein ganz einzigartiges
-Schauspiel genossen: trotz des blendenden Sonnenscheins stand der
-Komet strahlend am Tageshimmel und bot als ein ungeheurer Schweifstern
-einen entzückenden Anblick.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore hatte vorgeschlagen, dem Kometen einen Namen zu geben.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Astronomen auf Erden haben ihn ja zweifellos schon benannt,&ldquo;
-sagte er, &bdquo;aber wir wissen nicht wie und haben vorerst das Recht, ihm
-zu unserm Hausgebrauch einen Privatnamen zu geben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-160" class="pagenum" title="160"></a>
-Man kam überein, daß er &bdquo;Amina&ldquo; heißen solle, zu Ehren einer treuen
-Somalinegerin, mit der man in Afrika so mannigfache Abenteuer bestanden
-hatte.
-</p>
-
-<p>
-Merkwürdigerweise schien der Komet immer näher zu kommen und die
-Sonne immer ferner zu rücken. Einige leuchtende Körper, gleich Planetoiden,
-sausten an der Sannah vorbei.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen gab Schultze wieder einmal ein Zeichen; Flitmore stellte den
-Zentrifugalstrom ab. Bald darauf aber ertönte das gleiche Zeichen wiederholt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Der Professor kennt sich nicht mehr aus mit den Zeichen,&ldquo; lachte
-Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-Und nun kam es zu dem Telephongespräch, infolge dessen Schultze sich
-hinaufbegab.
-</p>
-
-<p>
-Als er eingetreten war, wurden seine auffallenden Beobachtungen lebhaft
-besprochen, ohne daß man jedoch eine Erklärung fand.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nehmen wir unser Mittagsmahl ein!&ldquo; schlug Münchhausen vor: &bdquo;Ein
-ordentliches Essen schärft den Verstand.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Professor beobachtete vor und während der Mahlzeit den merkwürdigen
-Kometen; dann begab sich Heinz ins Antipodenzimmer und berichtete
-durchs Telephon, daß vom Saturn nichts zu sehen und alles in Dunkel
-gehüllt sei.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich hab&rsquo;s!&ldquo; rief Schultze: &bdquo;Wir stecken mitten im Kometenschweif und
-werden mit ihm fortgerissen, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die alle
-menschliche Fassungskraft übersteigt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hollah!&ldquo; rief Flitmore: &bdquo;Sie mögen recht haben! Beeilen wir uns,
-die Fliehkraft wieder einzuschalten, daß wir nicht gar auf den Kern der
-Amina stürzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Und alsbald schloß er den Strom.
-</p>
-
-<p>
-Aber die Wirkung war eine völlig unerklärliche: Die Sannah schien
-sich dem Kopf des Kometen noch beträchtlich zu nähern; dann blieb sie
-scheinbar unbeweglich an einem Fleck.
-</p>
-
-<p>
-Dies konnte man daraus schließen, daß einige Meteorstücke, die sich
-nun ganz in ihrer Nähe befanden, stets die gleiche Entfernung von ihr
-beibehielten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dieser scheinbare Stillstand,&ldquo; erklärte der Professor, &bdquo;beweist lediglich,
-daß wir samt jenen Meteoriten, die einen Bestandteil des Kometenschweifes
-bilden, unaufhaltsam im Schweife der Amina mit fortgerissen werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-161" class="pagenum" title="161"></a>
-Der Lord machte noch einige Versuche mit Ein- und Ausschalten des
-Stroms, aber diese hatten nur geringe Lageveränderungen der Sannah zur
-Folge: Der Komet schien sie an einem unsichtbaren Faden festzuhalten.
-</p>
-
-<p>
-Trotz der genauesten Untersuchung war nichts zu entdecken, das darauf
-hätte schließen lassen, daß die Fliehkraft irgendwie nicht mehr richtig in
-Tätigkeit war.
-</p>
-
-<p>
-Niemand wußte Rat, niemand fand eine Erklärung.
-</p>
-
-<p>
-Schließlich ließ Flitmore den Strom endgültig eingeschaltet, als sicherstes
-Mittel, einen Zusammenstoß zu vermeiden und vielleicht, nach Überwindung
-des rätselhaften Widerstands, vom Kometen loszukommen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Sannah wird vom Kometen regelrecht entführt, daran ist nicht
-zu zweifeln!&ldquo; sagte er. &bdquo;Ergeben wir uns in unser Schicksal, bis vielleicht
-einem von uns eine Erleuchtung kommt oder ein ebenso unbekannter Umstand
-uns aus der fatalen Lage befreit.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Sannah vollendete ihre Rotation und im Zenithzimmer ward es Nacht.
-</p>
-
-<p>
-Nachdem die Wachen verteilt waren, begab man sich mit gemischten
-Gefühlen zur Ruhe.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-31">
-<a id="page-162" class="pagenum" title="162"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />28. Die Geheimnisse der äußersten Planeten.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Andern Tags kreuzte der Komet Amina, mit der Sannah in seinem Gefolge,
-die Bahn des Planeten Uranus, der am 13. März 1781 von Herschel entdeckt
-wurde.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Uranus ist etwa doppelt so weit von der Sonne entfernt, wie Saturn,&ldquo;
-belehrte Schultze, &bdquo;nämlich zirka 2850 Millionen Kilometer. Er ist 90mal
-so groß wie unsere Erde und wird von der Sonne nur schwach erleuchtet
-und erwärmt, da er 400mal weniger Sonnenlicht empfängt als die Erde,
-was aber immerhin noch 1500 Vollmonden gleichkommt. Er erscheint
-gleichförmig und düster und ist wahrscheinlich heißflüssig und daher etwas
-selbstleuchtend. Seine Dichte ist nahezu die des Wassers und die Schwerkraft
-beträgt auf ihm ein Zehntel weniger als auf unserm irdischen Planeten.
-</p>
-
-<p>
-Er besitzt vier äußerst kleine, lichtschwache Monde mit rückläufiger
-Bewegung, das heißt, sie drehen sich um ihn von Westen nach Osten. Die
-Sonne erscheint ihm 360mal kleiner als der Erde.
-</p>
-
-<p>
-Sein Äquator scheint nahezu senkrecht zu seiner Bahnebene zu stehen,
-so daß die Pole in der Bahnebene selber liegen und jeder Punkt auf diesem
-Weltkörper das gleiche Klima besäße; allerdings ein Klima, das auch auf
-jedem Punkte den außerordentlichsten Schwankungen unterliegt, denn der
-längste Tag dauert bei 5 Grad Breite 2<span class="nom">1</span>/<span class="denom">3</span> Erdenjahre und bei 90 Grad
-gar 49 Erdenjahre!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Sannah kam dem Uranus ziemlich nahe, aber vergebens hoffte
-Flitmore, bei Abstellung der Zentrifugalkraft durch die Anziehungskraft
-des Planeten von der Amina losgerissen zu werden: der Kometenschweif
-riß das Weltschiff unentwegt mit sich fort.
-</p>
-
-<p>
-Doch konnte Schultze wenigstens einige neue Entdeckungen machen: er
-fand einen Mond des Uranus, und zwar den von Herschel 1787 entdeckten
-Oberon, mit einem Ring umgeben, ähnlich dem Saturn, eine völlige Neuheit
-<a id="page-163" class="pagenum" title="163"></a>
-auf astronomischem Gebiete; ferner entdeckte er zwei weitere, sehr kleine dunkle
-Monde, deren einer zwischen Oberon und Titania, der andre zwischen Ariel und
-Umbriel kreiste, den zwei innersten Monden, die Lassell 1846 entdeckt hatte.
-</p>
-
-<p>
-Nach weiteren zwanzig Stunden schnitt der Komet bereits die Neptunbahn.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Neptun,&ldquo; erläuterte der unermüdliche Professor, &bdquo;ist weiter von der
-Sonne entfernt als Saturn und Uranus zusammengenommen, nämlich an
-die 4470 Millionen Kilometer.
-</p>
-
-<p>
-Galle in Berlin entdeckte diesen äußersten Planeten unsres Sonnensystems
-nach den Berechnungen, die sich aus den Störungen der Uranusbahn ergaben,
-und die Adams und Leverrier angestellt hatten. Die Entdeckung
-Neptuns machte dem Bodeschen Gesetz von dem Verhältnis der Planetenentfernungen
-entgültig ein Ende, obgleich es durch die Entdeckung der
-Planetoiden so schön bestätigt worden war. Es half nun alles nichts: es
-stimmte einfach nicht mit der Entfernung des neuen Planeten.
-</p>
-
-<p>
-Neptun scheint nur einen Mond zu besitzen, hat anderthalbfache Wasserdichte
-und ist von einer wolkigen Atmosphäre umgeben. Er empfängt
-tausendmal weniger Sonnenlicht als die Erde, dafür ist sein Mond, der sich
-rückläufig bewegt, größer und heller als die Uranusmonde; er umläuft
-den Neptun in 5 Tagen, 21 Stunden und 4 Minuten. Der Planet selber
-soll sich in heißflüssigem Zustande befinden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dem Neptun kam die Sannah nicht so nahe, wie dem Uranus; dennnoch
-konnten drei weitere kleine Monde entdeckt werden, von denen zwei
-sogar rechtläufig waren: eine neue Gesetzwidrigkeit!
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mit Neptun hört unser Sonnensystem auf und auch in 10000facher
-Entfernung ist nichts mehr vorhanden als der leere Weltraum, den nur
-Kometen und Meteoriten noch durchkreuzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-So lautete Schultzes Schlußbehauptung; aber er hatte sich geirrt: in
-anderthalbfacher Neptunentfernung von der Sonne fand sich eine zehnte
-Planetenbahn und die Weltreisenden sichteten einen dunklen Planeten, der
-wenig größer als die Erde sein mochte und der eine starke Libration aufwies.
-</p>
-
-<p>
-Getreu der Sitte, die Planeten des Sonnensystems mit römischen Götternamen
-zu bezeichnen, nannte Flitmore das neue Gestirn &bdquo;Vulkan&ldquo;, und
-zwar &bdquo;wegen seines hinkenden Gangs&ldquo;, wie er sich ausdrückte.
-</p>
-
-<p>
-Leider konnte der Planet wegen seiner Entfernung und der rasenden
-Geschwindigkeit, mit welcher der Kometenschweif die Sannah mit sich fortriß,
-nicht näher untersucht werden.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-32">
-<a id="page-164" class="pagenum" title="164"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />29. Eine Reise ins Unendliche.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die Sannah kreiste in unendlicher Finsternis; die Sonne stand nur noch
-als kleiner Stern am Himmel, ihre Planeten waren mit dem bloßen Auge
-nicht mehr sichtbar.
-</p>
-
-<p>
-Der Komet allein verbreitete Licht und erhellte die ihm jeweils zugekehrte
-Seite des Weltschiffs. Seinen Schweif hatte er bald nach Verlassen
-des Sonnensystems mehr und mehr wieder an sich gezogen, und mit ihm
-die Sannah, die ihn nun als Trabant in geringer Entfernung umkreiste,
-und von seinem gewaltigen Kerne außer dem Licht auch mäßige Wärme
-empfing.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Je weiter sich ein Komet von der Sonne entfernt, desto geringer wird
-seine Geschwindigkeit,&ldquo; begann Schultze eines Tages. &bdquo;Das ist die Regel,
-die ich anfangs auch für die Amina bestätigt fand. Inzwischen ist aber
-die Geschwindigkeit unsres Kometen wieder so rasend gewachsen, daß sie
-alle Begriffe übersteigt und die des Lichts weit übertrifft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bedenken wir, daß die Nägel an unsern Händen und Füßen nur ein
-Tausendmillionenstel Millimeter in der Sekunde wachsen, während in der
-gleichen Zeit eine Schnecke 15 Tausendstel Millimeter zurückzulegen pflegt,
-ein Fußgänger gar 1<span class="nom">1</span>/<span class="denom">10</span> Meter, so sehen wir, daß ein Mensch im Verhältnis
-zum Wachstum seiner Nägel viel rascher vorwärtskommt als unser Komet
-im Verhältnis zu einem gewöhnlichen Fußgänger,&ldquo; bemerkte Flitmore lachend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Überhaupt, was ist Geschwindigkeit?&ldquo; fragte Münchhausen. &bdquo;Alles ist
-nur verhältnismäßig; ein Floh übertrifft an Behendigkeit die Schnecke wie
-die Schwalbe den Kapitän Hugo von Münchhausen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da haben Sie recht!&ldquo; stimmte der Professor lachend zu. &bdquo;Eins übertrifft
-das andre, so ist es auch in der geflügelten Welt: Der Geier legt
-in der Sekunde 15 Meter zurück, die Wachtel 17, die Brieftaube 27, der
-<a id="page-165" class="pagenum" title="165"></a>
-Adler 31, die Fliege 53, die Schwalbe 67, die Seglerschwalbe gar 89 Meter.
-Die Elektrizität durchläuft den Kabeldraht mit einer Eile von 4000 Kilometern
-pro Sekunde, der Voltastrom leistet das Dreifache und in einer oberirdischen
-Telegraphenleitung erreicht die Elektrizität gar die Geschwindigkeit
-von 36000 Sekundenkilometern. Das Licht pflanzt sich im Wasser mit
-22500 Kilometern Sekundengeschwindigkeit fort, in der Luft mit 100000
-und im Weltraum mit 300000 Kilometern. Und doch braucht es vom
-nächsten Fixstern bis zur Erde 4½ Jahre.
-</p>
-
-<p>
-Nun schätze ich jedoch, daß unser Komet etwa das 50fache der Lichtgeschwindigkeit
-erreicht, so daß er uns innerhalb fünf Wochen in die Fixsternwelt
-tragen würde! Was bedeutet dagegen der sogenannte Ausreißerstern
-mit seinen 300 und der große Stern im Arktur mit seinen 4-500
-Sekundenkilometern?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn uns nur die Luft solange vorhält,&ldquo; meinte Mietje bedenklich.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn es richtig ist, was der Professor ausrechnet, daß wir in fünf
-Wochen, oder sagen wir auch in zehn, zu den Fixsternen gelangen, so wird,
-wenn keine besonderen Umstände eintreten, unser Sauerstoffvorrat reichen,&ldquo;
-beruhigte sie der Lord. &bdquo;Wenn wir dann nur vom Kometen loskommen
-und auf einem wohnlichen Stern mit gesunder Luft zu landen vermögen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hurrah! Es geht zu den Fixsternen!&ldquo; rief Heinz begeistert. &bdquo;Das
-hätte ich mir doch nie träumen lassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, wir reisen in Gottes Wunderwelt,&ldquo; bemerkte Flitmore nachdenklich.
-&bdquo;Nun denn! Hat uns nicht der Schöpfer seinen Boten aus der Unendlichkeit
-gesandt, uns in&rsquo;s Schlepptau zu nehmen? Vertrauen wir ihm, daß er uns
-behütet auf einer Fahrt, wie sie noch kein menschliches Wesen gemacht oder
-auch nur für denkbar gehalten hat.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Schultze entnahm dem Bücherschrank einen dicken Band und sagte:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hier haben Sie ein Werk, edler Lord, das uns wenig Vertrauen zu
-unsrer Reise machen dürfte, falls sein Verfasser recht behielte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore warf einen Blick auf das Buch und zuckte die Achseln: &bdquo;Die
-Weltmaschine von Karl Snyder, ja, ja! Das ist so einer von den kleinen
-Geistern mit engbeschränktem Horizont, die da glauben, mit ihrem Gehirnchen
-das Weltall zu umfassen. Ich denke aber, wir wollen unser Vertrauen
-doch lieber auf Gott setzen und nicht auf Herrn Karl Snyder.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was behauptet denn dieser Mann der Wissenschaft?&ldquo; fragte Münchhausen
-neugierig.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-166" class="pagenum" title="166"></a>
-&bdquo;Einen Mann der Wissenschaft wollen wir ihn doch lieber nicht nennen,&ldquo;
-meinte Schultze lachend: &bdquo;Er schreibt zwar mit gewaltigem Pathos über
-die Wissenschaft und prahlt mit ihr, schwebt aber selber doch zu sehr im
-Nebel seiner Phantasien, als daß er einen festen wissenschaftlichen Boden
-für seine Füße gewänne. Mit einem Wort, er urteilt aus materialistischer
-Voreingenommenheit heraus; es steht ihm von vornherein fest, daß es
-keinen Schöpfer gibt und die göttliche Offenbarung Fabel sei, und so versetzt
-er dem Christenglauben ohne irgendwelchen Anlaß und vollends ohne
-irgendwelche stichhaltige Begründung Fußtritt auf Fußtritt, wie ein ungezogener
-Knabe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Erlauben Sie,&ldquo; unterbrach der Lord den Sprechenden und nahm ihm
-das Buch aus der Hand. &bdquo;Ich will Ihnen so eine bei den Haaren herbeigezogene
-Bemerkung vorlesen, die das von unserm Professor Gesagte gut
-illustriert.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Er blätterte ein wenig und las dann: &bdquo;Einen Schritt weiter und die
-Entdeckungen Galileis, vielleicht auch Keplers und Newtons, konnten vollendet
-sein, bevor die römische Herrschaft ihr Pflaster auf hellenische Kultur
-gesetzt und bevor das Evangelium eines rächenden Jehova die Grenzen
-des kleinen Ländchens Palästina überschritten hat, um Gotteslästerung mit
-der Wahrheit zu treiben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bemerken Sie&ldquo;, sagte Schultze, &bdquo;daß diese plumpe Bemerkung, wie
-unser Lord richtig sagte, bei den Haaren herbeigezogen ist: sie hat ja mit
-den Entdeckungen, von denen die Rede ist, rein nichts zu tun.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jedenfalls zeugt sie entweder von grober Unwissenheit oder von einer
-Böswilligkeit, die sich um Wahrhaftigkeit rein nicht kümmert&ldquo;, äußerte
-Mietje in tiefster Entrüstung: &bdquo;denn ein <em>Evangelium</em> eines rächenden
-Jehova ist ja einfach Unsinn; das Evangelium verkündigt die Liebe und
-Barmherzigkeit eines himmlischen Vaters.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Mit Logik und Wahrheit&ldquo;, sagte Flitmore, &bdquo;gibt sich der Materialismus
-nicht ab, da wird alles, was von Fanatikern wider den christlichen
-Geist der Liebe, wie ihn das Evangelium allein verkündigt, gesündigt
-wurde, ohne weiteres der christlichen Religion selber in die Schuhe geschoben.
-Da! Auf Seite 146 wird das Christentum ein &sbquo;verächtlicher,
-grundloser Aberglaube&lsquo; geheißen, der &sbquo;an Stelle der Kultur der Schönheit
-und Aufklärung getreten&lsquo; sei. Und gleich auf der nächsten Seite:
-&sbquo;Nero und die Scheusale in Purpur gingen St. Augustin und den andern
-<a id="page-167" class="pagenum" title="167"></a>
-Kirchenvätern voran. Das kaiserliche Rom war der Halbschatten, das
-christliche der Kernschatten&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Folgerichtigkeit und Vernunft darf man von materialistischer Voreingenommenheit
-nicht erwarten,&ldquo; hub Schultze wieder an. &bdquo;Es ist ja schön,
-wie begeistert Snyder die Genies der astronomischen Wissenschaft lobt, <a id="corr-14"></a>namentlich
-Aristarch und Galilei. Etwas prahlerisch redet er davon, wie herrlich weit
-die Wissenschaft es gebracht habe und nennt den Menschengeist das wahre
-Weltwunder. Dem gegenüber klingt es dann geradezu lächerlich, wenn er
-plötzlich die Saiten umstimmt und der Menschheit mit komischer Salbung
-predigt, sie solle nicht im Wahne leben, als ob sie irgend etwas sei oder
-irgend eine Bedeutung habe!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie weiter,&ldquo; sagte der Lord. &bdquo;Vom mosaischen System der
-Schöpfung sagt Snyder: &sbquo;Letzteres erhielt sich unter den Völkern Europas
-nach dem Niedergange der hellenischen Wissenschaft bis zu den letzten Jahren
-des 17. Jahrhunderts. Nach dem Zeitalter Cassinis und Newtons vermochte
-es nicht länger mehr einen vernünftigen Geist zu befriedigen&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist nicht mehr bloß Dummheit, das ist schon mehr freche Lüge,&ldquo;
-polterte Münchhausen entrüstet.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Vergessen Sie nicht,&ldquo; berichtigte Schultze, &bdquo;daß ein Materialist nur
-solchen Geistern die Ehre antut, sie vernünftig zu heißen, die sich ebenso
-wie er vom mechanistischen Aberglauben blenden lassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun,&ldquo; meinte Heinz, &bdquo;ich kann diese Stelle bei Snyder nicht gar
-so schroff ablehnen; überhaupt empfiehlt es sich wohl, sich in seinen Ausdrücken
-etwas zu mäßigen, um nicht auf die gleiche Bildungsstufe herabzusteigen,
-wie diese Menschenkinder. Aber ist es nicht richtig, daß der
-mosaische Schöpfungsbericht mit den Jahrmillionen nicht vereinbar ist, die
-von den Geologen für die Entwicklung unsrer Erde ausgerechnet werden?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sehen wir klar, junger Freund!&ldquo; mahnte der Lord: &bdquo;Zunächst berichtet
-das erste Kapitel der Bibel nicht über die Weltschöpfung. Himmel
-und Erde sind bereits vor Äonen erschaffen und die Erde war wüste und
-leer. Hier setzt der Bericht ein mit der Schöpfung von Licht und Leben
-lediglich in Bezug auf die Erde. Wir wollen nun nicht die Frage aufwerfen,
-ob die Erde ursprünglich ganz andre Rotationsverhältnisse hatte
-oder wie sonst die mosaischen Tage sich deuten lassen; auf den Buchstaben
-kommt es wohl keinem von uns an. Aber da hören Sie, was Dr. Klein
-in seinen &sbquo;Kosmologischen Briefen&lsquo; sagt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-168" class="pagenum" title="168"></a>
-Hiebei nahm er ein Büchlein aus dem Regal, aus dem er folgende
-Stelle vorlas: &bdquo;Bekanntlich fehlt den Geologen bezüglich der von ihnen
-in der Erdentwicklung unterschiedenen Perioden so gut wie jeder chronologische
-Maßstab.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das stimmt,&ldquo; fiel der Professor ein; &bdquo;die Jahrmillionen sind bei Licht
-besehen ein Schwindel, das heißt alle diesbezüglichen Berechnungen beruhen
-auf völlig unsichern Voraussetzungen. Wenn man solche Zeiträume
-nicht zu brauchen glaubte, um die Entwicklungslehre einigermaßen annehmbar
-zu machen, so hätte man diese Zahlen nie erfunden. Es ist allerdings
-auch nur eine für den Denkenden durchsichtige Täuschung, wenn man meint,
-die Entwicklung des Menschen aus der Urzelle dadurch verständlicher zu
-machen, daß man sie auf viele Millionen Jahre verteilt. Die rasche Verwandlung
-einer Raupe in einen Schmetterling oder die ganz plötzliche Verwandlung
-eines Explosionstoffs in flüchtige Gase wären auch nicht verständlicher,
-wenn sie erst auf langsamem Wege durch Jahrmillionen erfolgten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz richtig&ldquo;, sagte Flitmore: &bdquo;Dies sind nun zwar keine Verwandlungen
-in ganz andre Arten, aber ob eine Verwandlung sich in einer
-Sekunde oder im Laufe von Äonen vollzieht, ist für den klaren Verstand
-völlig einerlei; die scheinbare Beseitigung des Unerklärlichen durch die noch
-dazu unbewiesene Erfindung ungeheurer Zeiträume ist nur eine Eselsbrücke
-zur Befriedigung derer, die nicht weit denken können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie es aber mit den Jahrmillionen steht,&ldquo; sagte Schultze wieder,
-&bdquo;beweist Ihnen am besten, daß man für die Entstehung der Steinkohle
-frischweg etliche Millionen Jahre ansetzte, ebenso für die der Diamanten;
-nun hat man entdeckt, daß im Sumpf versinkende Wälder sich binnen
-weniger Monate in echte Steinkohle verwandeln und daß für die Erzeugung
-von Diamanten der Bruchteil einer Sekunde genügt: da haben
-wir die berühmten Jahrmillionen, sie sind eine Phantasie, die zufällig
-stimmen kann, wahrscheinlich aber durchaus nicht stimmt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie nur weiter,&ldquo; sagte der Lord, &bdquo;es kommt noch schöner:
-&sbquo;Der Begriff eines Schöpfers war einfach &mdash; vielleicht im Dunkel der anfänglichen
-Unwissenheit denkbar. Das ist nicht mehr länger richtig. Unser
-modernes Wissen hat die Grenzen der Welt ins Unermeßliche gedehnt; es
-hat uns die unmeßbar lange Dauer der Zeit enthüllt&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun mußten doch alle lachen: die Naivität dieser Behauptungen war
-ja gar zu köstlich!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-169" class="pagenum" title="169"></a>
-&bdquo;Also die Begriffe von Ewigkeit und Unendlichkeit sollen wir erst dem
-modernen Wissen verdanken?&ldquo; sagte Münchhausen: &bdquo;Und sie sollen gar
-den Begriff eines Schöpfers undenkbar machen? O heilige Einfalt!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mietje schüttelte den Kopf: &bdquo;Solche Verirrungen des menschlichen Geistes
-begreife ich einfach nicht,&ldquo; meinte sie. &bdquo;Der Schöpferglaube war von jeher
-mit den Begriffen von Ewigkeit und Unendlichkeit verknüpft, und wenn
-die Wissenschaft Ewigkeit und Unendlichkeit zugeben muß, so stützt sie damit
-am allerbesten den Schöpferglauben. Muß man nicht den eigenen
-Verstand absichtlich totschlagen, um imstande zu sein, aus solchen Erkenntnissen
-gerade das Gegenteil von dem zu folgern, was sie einem vernünftigerweise
-nahelegen würden?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Werte Lady,&ldquo; lachte Schultze, &bdquo;es gibt Ansichten, gegen welche Götter
-selbst vergebens kämpfen und die gerade der großen Menge derer, die nicht
-alle werden, am meisten imponieren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore aber fuhr fort mit Vorlesung folgender Stelle: &bdquo;Das Fernrohr
-hat uns die Planlosigkeit des Weltalls enthüllt; der Kosmos scheint
-kein Woher und kein Wohin zu kennen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Jetzt fuhr aber der Professor auf: &bdquo;Nein! Da hört sich doch aber
-alle Wissenschaft auf! Das ist starker Tabak! Der Plan, dessen unendliche
-Erhabenheit ein besonders schwächliches Menschenhirnlein nicht verstehen
-kann, wird in eitlem Hochmutswahn &bdquo;Planlosigkeit&ldquo; genannt? Na! Das
-ist doch gottlob nur ein Vereinzelter! Die gescheiten Geister, namentlich
-auch unter den Astronomen, hören nicht auf, die Großartigkeit der Weltordnung
-zu bewundern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da haben Sie wieder recht,&ldquo; bestätigte der Lord und schlug wieder
-Dr. Kleins Kosmologische Briefe auf. &bdquo;Hier heißt es zum Beispiel: &sbquo;Trotz
-dieser Einseitigkeit aber, (nämlich der Mittel des menschlichen Forschens),
-erkennen wir, daß die Anordnung der Welt so ist, als wenn sie von einer
-höchsten Intelligenz, die zugleich über ein unermeßliches Schaffensvermögen
-gebot, getroffen worden sei. Auch haben die größten Forscher aller Zeiten,
-die Begründer unsrer heutigen Naturwissenschaft, das Vorhandensein einer
-solchen Intelligenz angenommen. Die Existenz derselben folgt ebenso unzweifelhaft
-und notwendig aus dem ganzen Komplexe der Naturerscheinungen,
-wie das Vorhandensein einer anziehenden Kraft in der Sonne aus der
-Bewegung der Planeten um dieselbe in geschlossenen Bahnen&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-170" class="pagenum" title="170"></a>
-&bdquo;Und Camille Flammarion,&ldquo; fuhr Flitmore fort, ein anderes Büchlein
-aufschlagend, &bdquo;sagt in seiner &sbquo;Urania&lsquo;: &sbquo;Was ist das für eine sonderbare
-Eitelkeit, für eine einfältige Anmaßung, uns einzubilden, die Wissenschaft
-habe ihr letztes Wort gesprochen! ... Die Materie ist nicht, was sie
-scheint, und kein über die Fortschritte der positiven Wissenschaften unterrichteter
-Mensch könnte sich heute noch für einen Materialisten ausgeben&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bravo!&ldquo; rief Schultze: &bdquo;Nur sind leider die Ununterrichteten und
-Halbgebildeten, die sich aber selber für hochgebildet halten, in der Mehrzahl,
-und darum macht der Aberglaube so große Fortschritte in unserer
-Zeit, wie die Monistenbünde beweisen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Pah!&ldquo; sagte Heinz: &bdquo;Der Wille ist alles: diese Leute <em>wollen</em> der
-Vernunft nicht glauben, weil sie ihren Trieben unbequem ist, sie <em>wollen</em>
-lieber den Widersinn glauben, und nur darum machen sie die Augen zu
-vor der Wahrheit und nennen den Wahn Vernunft.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das mag stimmen,&ldquo; gab der Professor zu, &bdquo;zweifellos aber wird
-die Gottesleugnung stets der sicherste Beweis einer geringen Intelligenz
-sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun nahm John das Wort, der bisher aufmerksam zugehört hatte:
-&bdquo;Also meinen die Herrschaften sozusagen alle, es sei gebildet an die Bibel
-zu glauben? Ich dachte immer, es sei unter den heutzutägigen Verhältnissen
-gebildeter, an keinen Gott mehr zu glauben, wie man so oft hört;
-aber so ganz im Innersten war es mir immer doch so, als wenn dann
-etwas fehlen müßte, die Hauptsache um zu verstehen, daß etwas da ist
-und daß etwas sein und geschehen kann; und dann sah ich ja auch, daß
-meine gnädigste Herrschaft so fromm sind und doch gebildet und vernünftig.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, mein Sohn, die Sache ist so: wenn du an keinen Gott glaubst,
-so werden dir die meisten Leute sagen, du seist sehr vernünftig und hochgebildet;
-denn die Halbgebildeten sind, wie gesagt, stets in der großen Mehrzahl.
-Hältst du aber fest am Schöpferglauben, so wird dich diese Mehrzahl
-verhöhnen, aber die wirklich Gescheiten werden dich für vernünftig
-und gebildet halten und du wirst es auch sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dann will ich doch lieber glauben, wie Sie!&ldquo; erklärte der gute
-Mann.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen sauste die Sannah weiter durch den Raum und es war kein
-Ende abzusehen.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-33">
-<a id="page-171" class="pagenum" title="171"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />30. Schimpansenstreiche.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Um die elektrische Heizung und Beleuchtung zu ermöglichen, sowie zur
-Entwicklung der Fliehkraft, mußte der elektrische Akkumulator täglich zweimal
-frisch geladen werden.
-</p>
-
-<p>
-Dies besorgten die Affen so pünktlich und mit so viel Eifer, daß der
-Lord sie ohne jede Aufsicht die Arbeit ausführen lassen konnte, die den
-Tieren das reinste Vergnügen war.
-</p>
-
-<p>
-Allerdings hatte Flitmore die elektrische Krafterzeugungsanlage auch
-genial eingerichtet: er hatte zwei große zylinderförmige Käfige herstellen
-lassen, wie diejenigen, die man in kleinerer Ausführung gefangenen Eichhörnchen
-zur Verfügung zu stellen pflegt. Wenn dann die Eichhörnchen
-an den Stäben emporspringen, dreht sich die Käfigwalze um ihre Axe und
-die kleinen Tiere sind unermüdlich in ihrer Beweglichkeit, mit der sie das
-Gitter in rasche Drehbewegung versetzen.
-</p>
-
-<p>
-Genau so war es den Schimpansen offensichtlich der höchste Genuß, sich
-in ihren Drehkäfigen zu tummeln, ohne daß sie ahnten, daß sie damit eine
-verdienstvolle Arbeit verrichteten; denn die sinnreiche Konstruktion verwendete
-die rasche Rotation der Käfige zur Erzeugung elektrischer Energie,
-die im Akkumulator sich aufspeicherte.
-</p>
-
-<p>
-Eines Tages erschollen aus dem Musikzimmer wunderbare Töne, eigentlich
-gräßliche Mißakkorde, wie wenn ein unmündiges Kind auf einem
-Klavier herumhämmert, und doch entwickelte der Missetäter eine derartige
-Fingergewandtheit, daß man auf einen geübten Pianisten hätte schließen
-mögen, den eine tolle Laune oder plötzlich eingetretener Wahnsinn zu
-solchen Orgien veranlaßte.
-</p>
-
-<p>
-Unsre Freunde waren im Zenithzimmer versammelt bis auf den Diener,
-der einen Rundgang zu machen hatte; sie waren in Bücher vertieft oder
-<a id="page-172" class="pagenum" title="172"></a>
-beschäftigten sich mit ihren Gedanken. Bei dieser Katzenmusik aber horchten
-alle auf.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sollte sich John auf dem Flügel üben wollen?&ldquo; rief Mietje: &bdquo;So
-hübsch er Flöte spielt, so fremd ist ihm die Klaviatur; aber wie er ohne
-alle Kenntnis solche Griffe unternehmen kann, wobei ihm doch die Mißklänge
-die eigenen musikalischen Ohren zerreißen müssen, ist mir ein Rätsel.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du irrst, meine Liebe,&ldquo; sagte der Lord, &bdquo;John ist niemals so keck,
-daß er das Instrument berühren würde; du weißt, er hat sich noch nie
-eine ungebührliche Freiheit herausgenommen; darin ist er äußerst bescheiden,
-beinahe zu ängstlich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist Geisterspuck,&ldquo; sagte Münchhausen dumpf, &bdquo;denn im Musikzimmer
-ist es just Mitternacht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Horch! Da schrillt ja gar die Posaune dazwischen! Es ist ein Duett,&ldquo;
-bemerkte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unbegreiflich!&ldquo; murmelte der Lord.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na! Sehen wir nach,&ldquo; meinte Schultze, begierig auf die Lösung des
-Rätsels.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ach! Wollten Sie nicht lieber zuvor einige scharfsinnige Hypothesen
-aufstellen, die geeignet wären, dieses Phänomen wissenschaftlich zu erklären,
-bestes Professorchen,&ldquo; bat Münchhausen ironisch.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Damit Sie mich nachher wieder auslachen können mit meiner Wissenschaft,
-oller Spötter? Nee, das gibt&rsquo;s nicht! Ich selber stelle den Augenschein
-über alle theoretischen Erklärungsversuche.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, denn man zu!&ldquo; rief der Kapitän und ging voran, während alle
-ihm folgten.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt erscholl ein wahrer Höllenlärm aus dem Musiksaal.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da spielt einer mindestens sechshändig!&ldquo; lachte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein! Und die Posaune! Das sind ja unerhörte Töne!&ldquo; rief die
-Lady und hielt sich die Ohren zu.
-</p>
-
-<p>
-Im Musikzimmer leuchtete eine elektrische Glühbirne, bei deren Schein
-man Bobs vom Flügel aufspringen sah, während es Dick just gelang, die
-mißhandelte Posaune vollends ganz auseinander zu reißen.
-</p>
-
-<p>
-Bobs war es diesmal in seinem Drehkäfig langweilig geworden, und
-dem Schlaukopf war es gelungen, die Türe von außen zu öffnen, indem
-er zwischen den Gitterstäben hindurch über die hölzerne Seitenwand hinabtastete,
-bis er den Riegel fand, den er zurückschob.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-173" class="pagenum" title="173"></a>
-Als er sich in Freiheit sah, öffnete er auch Dicks Gefängnis, und zu
-allen Schandtaten aufgelegt, begab er sich mit seinem gleichgesinnten Gefährten
-in das weiter unten gelegene Musikzimmer. Das Öffnen der Verbindungstüren
-war den intelligenten Affen längst kein Geheimnis mehr.
-</p>
-
-<p>
-Hier nun faßten die beiden Verschwörer den schwarzen Plan, einmal
-selber eine musikalische Unterhaltung zu veranstalten, statt immer bloß als
-untätige Hörer Professor Schultze Konkurrenz zu machen.
-</p>
-
-<p>
-Bobs öffnete den Flügel ohne Schwierigkeit; er versäumte auch nicht,
-ein Notenheft auf die Pultleiste zu stellen, freilich waren es Noten fürs
-Cello, doch das berührte ihn nicht, zumal er das Heft verkehrt aufstellte.
-</p>
-
-<p>
-Dann hockte er sich auf den Klavierstuhl nieder und begann die Tasten
-mit einer Virtuosität zu bearbeiten, die seiner ihm natürlich eigenen affenartigen
-Geschwindigkeit alle Ehre machte.
-</p>
-
-<p>
-Dick öffnete inzwischen bedächtig den Instrumentenkasten; das hatte er
-dem Lord trefflich abgeguckt. Er betrachtete sich die verschiedenen Musikerzeuger
-und griff dann nach der Posaune, deren Metallglanz ihm in
-die Augen stach.
-</p>
-
-<p>
-O, er wußte genau, wo man das Ding in den Mund nehmen mußte
-und daß der untere Teil möglichst geschwind auf- und abgeschoben werden
-mußte, und es gelang ihm richtig durch heftiges Prusten einige entsetzliche
-Töne hervorzuzaubern, wobei er das Mundstück zu schanden biß.
-</p>
-
-<p>
-Als nun aber die ganze Gesellschaft im Zimmer erschien, ahnten die
-Affen eine Art des Beifalls, die ihnen höchst unsympathisch war; sie nahmen
-daher schleunigst Reißaus und flüchteten in das anstoßende chemische Laboratorium,
-wo sie die Regale erkletterten, nicht ohne einige Kolben mit
-ätzenden Flüssigkeiten herabzustoßen.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen folgte ihnen auf dem Fuß und drohte mit einem Stock
-zu Bobs hinauf, der die Zähne fletschte und höhnisch grinste, als wollte
-er sagen: &bdquo;Na, Dicker! Du drohst umsonst: bei deiner Leibesfülle wirst
-du&rsquo;s wohl bleiben lassen, mir nachklettern zu wollen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dieser sichtliche Hohn mußte natürlich den Kapitän ärgern.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Warte, du Spötter!&ldquo; rief er und ergriff das Gestell eines Spiritusbrenners,
-daß er mit solcher Gewandtheit emporschleuderte, daß die drei
-Eisenfüße sich schmerzhaft in des Schimpansen schutzlosen Leib einbohrten.
-Es gab zwar keine Wunde, aber es tat weh!
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-174" class="pagenum" title="174"></a>
-Bobs kreischte laut auf; er fand das rücksichtslos und anmaßend von
-einem Menschen, der gar nicht sein Herr war und weder Klavier noch
-Posaune spielte. Er sann auf Rache.
-</p>
-
-<p>
-Da stand ein großer Kolben neben ihm. Er hätte ihn auf den Attentäter
-werfen können; aber so plump handelte Bobs auch nicht in berechtigter
-Erregung. Er riß den Glasstöpsel heraus, erfaßte die dicke Flasche
-und goß ihren Inhalt auf den Untenstehenden herab, der sich eben niederbeugte,
-um ein neues Wurfgeschoß aufzulesen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Zu Hilfe, zu Hilfe! Das Untier mordet mich! Bobs überschüttet
-mich mit Vitriol; er verbrennt mir meinen schutzlosen Schädel!&ldquo; schrie der
-Begossene.
-</p>
-
-<p>
-Erschreckt eilte Heinz herbei: er glaubte schon den Kapitän in jämmerlich
-verbranntem Zustand zu finden, vielleicht des Augenlichts beraubt,
-denn es befanden sich tatsächlich mehrere Kolben mit Schwefelsäure auf
-den Regalen.
-</p>
-
-<p>
-Ein Blick auf Münchhausens triefenden Schädel jedoch beruhigte ihn
-sofort; auch sagte ihm seine für chemische Dünste geschärfte Nase alsbald,
-daß es sich lediglich um Weingeist handelte, der allerdings auf der Kopfhaut
-ordentlich brennen mochte, namentlich auch infolge seiner starken Verdunstung
-ein Kältegefühl erzeugend, das, zumal wenn noch Schreck und
-Einbildung dazu kamen, als fürchterliche Verbrennung empfunden werden
-konnte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Beruhigen Sie sich, Kapitän,&ldquo; rief Heinz dem Geängstigten zu: &bdquo;es
-ist glücklicherweise bloß Spiritus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich pfeife auf Ihren Spiritus! Vitriol ist&rsquo;s oder irgend eine andre
-Säure, die mich meines kostbaren Haarschmucks vollends beraubt, falls sie
-mir nicht den ganzen Skalp vom Schädel wegätzt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich garantiere Ihnen, daß nichts dergleichen passiert; aber Sie triefen
-wie eine Wasserratte! Hier ist ein Handtuch, trocknen Sie sich ab und dann
-werden Sie sich wohl den Kopf waschen und die Kleider wechseln müssen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das war allerdings notwendig. Münchhausen entfernte sich wie ein
-begossener Pudel und Schultze rief ihm noch lachend den Trost nach: &bdquo;Bobs
-meinte es gut mit Ihnen, Weingeist stärkt ja wohl die Kopfhaut und befördert
-einen üppigen Haarwuchs.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jetzt haben Sie gut lachen,&ldquo; sagte Heinz zum Professor, als Münchhausen
-das Gemach verlassen hatte: &bdquo;Aber ich sage Ihnen, mir ist der
-<a id="page-175" class="pagenum" title="175"></a>
-kalte Schrecken in die Glieder gefahren, als ich den Ärmsten so jammern
-hörte. Sehen Sie, da steht Schwefelsäure, Salzsäure, Karbolsäure und eine
-Menge andrer gefährlicher Flüssigkeiten. Künftig muß ich das Laboratorium
-stets abschließen und den Schlüssel zu mir nehmen; die Affen hätten
-da ein furchtbares Unglück anrichten können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Können sie immer noch,&ldquo; meinte Schultze und sah zu den beiden
-Schimpansen empor, die zu oberst zwischen den Kolben kauerten.
-</p>
-
-<p>
-Nun aber rief Flitmore die beiden Missetäter und sie kamen alsbald
-ganz demütig und zahm herab, gewohnt, ihrem Herrn aufs Wort zu folgen.
-</p>
-
-<p>
-Strafe mußte sein, das erforderten des Lords Erziehungsgrundsätze;
-und so wurden die sichtlich zerknirschten Sünder auf zwölf Stunden in
-Einzelhaft gesteckt. Sie kannten die dunkeln, engen Kästen gar wohl und
-wußten, daß die Einsperrung wohlverdiente Strafe war; denn sie sprangen
-freiwillig hinein mit zerknirschten Mienen, duckten sich nieder und ließen
-sich ohne Widerstreben einschließen.
-</p>
-
-<p>
-Als man wieder im Wohnzimmer versammelt war, erschien bald auch
-Münchhausen in trockener Kleidung. Er blieb dabei, daß die Flüssigkeit,
-die so brannte, Vitriol gewesen sei: &bdquo;Glücklicherweise hat sich meine Haut
-als säurefest erwiesen,&ldquo; fügte er bei, &bdquo;und auch meine Kleider haben
-weiter keinen Schaden erlitten; ein ganz vorzüglicher Stoff, sage ich Ihnen!&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-34">
-<a id="page-176" class="pagenum" title="176"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />31. Verloren im Weltraum.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Tage- und wochenlang raste die Sannah mit dem Kometen dahin und
-diese Fahrt durch die anscheinende Leere begann immer mehr etwas Beklemmendes
-und Beängstigendes auf die Gemüter auszuüben.
-</p>
-
-<p>
-Wo war man? Wohin eilte man? Im Unendlichen! Ins Endlose!
-</p>
-
-<p>
-Niemand verhehlte sich die furchtbare Gefahr, in der alle schwebten,
-das schreckliche Schicksal, das ihnen drohte.
-</p>
-
-<p>
-Vorerst gelang es ja immer noch mittelst der reichen Vorräte an gepreßtem
-Sauerstoff und Ozon eine gesunde Luft in den Zimmern zu erhalten.
-Aber niemand konnte wissen, wie lange diese Fahrt noch dauern
-werde und ob sie überhaupt zu einem Ziele führe.
-</p>
-
-<p>
-Ja, nach menschlicher Voraussicht schien es höchst unwahrscheinlich, daß
-in absehbarer Zeit ein Weltkörper erreicht werden könne, der menschlichen
-Wesen die notwendigsten Lebensbedingungen gewähren würde. Wer wußte
-denn überhaupt, ob es solche in der Fixsternwelt gebe, der man zueilte?
-</p>
-
-<p>
-Nur das Vertrauen, daß sie unter höherem Schutze standen, und daß
-ein Gott sie lenke, der auch in der Unendlichkeit Wege weiß, hielt die
-Ärmsten noch aufrecht, die sich wie Gefangene in den Räumen ihres Fahrzeugs
-vorkamen.
-</p>
-
-<p>
-Wer konnte wissen, ob es nicht eine lebenslängliche Haft werden sollte,
-die allerdings nicht lange dauern konnte, da binnen weniger Wochen ihr
-Leben verlöschen mußte, wenn keine Erlösung kam.
-</p>
-
-<p>
-Dann sah wohl eins das andre sterben, ohne ihm helfen zu können,
-und zuletzt war alles still und tot! Eine kleine Kugel mit menschlichen
-Leichnamen irrte dann durch das Weltall, um schließlich vielleicht in eine
-ferne Sonne zu stürzen und in einem Augenblick in glühende Gase aufgelöst
-zu werden mit allem, was sie enthielt!
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_176">
-<img src="images/plate_176.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Schimpansenstreiche.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-177" class="pagenum" title="177"></a>
-John allein blieb im Innersten ganz ruhig und vergnügt, weil er nicht
-so klar sah und meinte, sein Herr wisse wohl, wo er hinfahre und wo er
-landen werde.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen sparte Flitmore die Sauerstoffvorräte so viel als möglich,
-um die Endkatastrophe so weit hinauszuschieben, als es nur immer anging.
-Die Folge davon bekamen alle zu spüren: es war eine schlechte,
-sauerstoffarme Luft, die ihre Lungen bedrückte und auch der Stimmung
-sehr wenig zuträglich war.
-</p>
-
-<p>
-Wahrhaftig! So mußte es den Unseligen zumute sein, die in einem
-Unterseeboot eingeschlossen waren, durch einen Unfall verhindert, an die
-Meeresoberfläche zurückzusteigen und dem langsamen Erstickungstod ins
-Auge sehend!
-</p>
-
-<p>
-Mit allerlei Arbeiten, mit Unterhaltung, Konzerten und Lesen guter
-Bücher wurde die Zeit verbracht; aber immer wieder schweiften die Gedanken
-ab, gefangen von der bangen Frage: was wird aus uns werden?
-</p>
-
-<p>
-Schultze beobachtete immer wieder den Sternhimmel und stellte Berechnungen
-an, eine Arbeit, die ihm, wenn auch wenig Trost, so doch einige
-Ablenkung gewährte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir fahren auf das Sternbild des Centauren zu,&ldquo; sagte er eines
-Tages nach Abschluß einiger Beobachtungen und Berechnungen, &bdquo;und zwar
-direkt auf den Stern Alpha Centauri, der dem irdischen Sonnensystem, so
-viel man bis jetzt weiß, der nächste ist. Die Annäherung läßt sich schon
-mit bloßem Auge wahrnehmen: Alpha Centauri ist deutlich als Doppelstern
-erkennbar; mehrere Sternbilder sehen schon wesentlich anders aus, als sie
-sich von der Erde aus ausnehmen, und einige Sterne gewinnen an Größe
-und Lichtstärke ganz sichtlich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist für uns von großem Interesse, wenigstens die Richtung unserer
-Fahrt kennen zu lernen,&ldquo; meinte Flitmore: &bdquo;Aber haben Sie auch die
-Aberration in Betracht gezogen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich habe daran gedacht, aber in diesem Falle kann eine Aberration
-gar nicht stattfinden, da die Sannah sich direkt nach dem Sterne Alpha
-bewegt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist denn das, wenn ich mir zu fragen die Erlaubnis herausnehmen
-darf, die Aperition?&ldquo; frug John.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da die Erde sich mit ungeheurer Geschwindigkeit durch den Weltraum
-bewegt,&ldquo; erklärte der Professor, &bdquo;so ändert sich der Standpunkt des Beobachters
-<a id="page-178" class="pagenum" title="178"></a>
-mit der Erde fortwährend. Richtet man nun ein Fernrohr auf
-einen Stern, so braucht der Lichtstrahl, der das äußerste Ende des Teleskops,
-das Objektiv, trifft, einige Zeit, um bis zum untern Ende, dem Okular,
-zu gelangen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Zeit ist zwar sehr kurz, aber doch ist die Erde inzwischen weitergeeilt
-und die Richtung des Fernrohrs hat sich verschoben. Um daher den
-Stern überhaupt durch das Fernrohr sehen zu können und ihn dauernd
-zu beobachten, muß man dem Rohr eine andere Richtung geben, als die
-Strahlen des Sternes eigentlich verfolgen: das Okular muß in der Richtung
-der Erdbewegung um so viel zurückliegen, als sich die Erde vorwärts
-bewegt in der Zeit, die das Licht braucht, um den Weg vom Objektiv
-bis zum Okular zurückzulegen. Dadurch tritt eine scheinbare Verschiebung
-des Sternes ein, das heißt, man sieht ihn nicht genau an der Stelle des
-Himmels, wo er sich eigentlich befindet, oder vielmehr befand, als das
-Licht von ihm ausging, das jetzt unser Auge trifft.
-</p>
-
-<p>
-Wenn sich nun der Beobachter geradewegs auf den Stern zu bewegt,
-so findet keine Aberration statt; am größten ist diese, wenn man sich in
-senkrechter Linie zu den von ihm ausgehenden Strahlen fortbewegt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir reisen also nun zu solch einem Stern?&ldquo; fragte John weiter:
-&bdquo;Können wir bald dort sein?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Schultze lächelte achselzuckend: &bdquo;Was heißt bald? Weißt du, wie weit
-diese Fixsterne von der Erde entfernt sind? Alpha Centauri soll ihr am
-nächsten stehen, und doch berechnet man seine Entfernung auf 4½, mindestens
-aber 3½ Lichtjahre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist das, wenn Sie gestatten, ein Lichtjahr?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist der Weg, den das Licht in einem Jahre zurücklegt, nämlich
-die Kleinigkeit von 9463 Milliarden Kilometern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und das nennen Sie dann eine Kleinigkeit? Das tun Sie wohl sozusagen
-aus Spaßhaftigkeit?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, ja, mein Sohn; denn solche Zahlen sind so ungeheuerlich, daß
-man seinem Humor etwas aufhelfen muß, wenn man von ihnen redet,
-sonst steht einem der Verstand still. Oder willst du dir etwa eine Vorstellung
-davon machen, was das bedeutet: Alpha Centauri ist 30000 bis
-40000 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John schüttelte hilflos den Kopf: &bdquo;Und das sollte sozusagen unser
-nächster Fixstern sein?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-179" class="pagenum" title="179"></a>
-&bdquo;Jawohl! Es kann ja welche geben, die dem Sonnensystem näher
-stehen, doch man hat bis jetzt keinen entdeckt, das heißt keine geringere
-Entfernung durch Messungen festgestellt. Alpha Centauri ist 9000mal
-weiter von der Erde entfernt als Neptun, also 277000mal so weit wie
-die Sonne. Ein Expreßzug würde 1250000 Jahre brauchen, um ihn zu
-erreichen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Rieger machte große Augen. &bdquo;Eine Million Jahre?&ldquo; stammelte er:
-&bdquo;Und da sollen wir hin?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Warum denn nicht? Nur daß wir einige Millionen mal schneller reisen
-als ein Expreßzug. Die Amina, unser Komet, ist ein flinkeres Beförderungsmittel,
-wie du siehst. Wenn ich übrigens vorhin von Kleinigkeiten redete,
-so ist das nicht bloß Spaß gewesen, denn Sirius, der helle Hundsstern,
-ist acht bis neun Lichtjahre von der Erde entfernt, 1300mal so hell und
-40000 bis 50000mal so groß wie unsere Sonne; der Polarstern ist
-40 Lichtjahre, Canopus, der hellste Stern am südlichen Himmel, gar 269
-Lichtjahre entfernt, er leuchtet 10000 bis 15000mal so hell als die Sonne
-und ist 1½ Millionen mal so groß; das ist das mindeste: er kann auch
-hundert-, tausend- oder millionenmal größer sein; das entzieht sich unserer
-Berechnung. Deneb im Schwan kann ebenso groß oder noch größer sein
-als Canopus, und das gilt auch von Rigel, dem hellsten Stern im Sternbild
-des Orion, an seiner untern Ecke rechter Hand.
-</p>
-
-<p>
-Dieser prachtvolle Stern von rein weißem Licht mag 500 Lichtjahre entfernt
-sein, also 30 Millionen mal so weit als die Sonne, die er 20000mal
-an Lichtstärke übertrifft. Wenn wir auf einem Blatt Papier die Entfernung
-von der Erde zur Sonne mit 1 Millimeter bezeichneten, so brauchten wir
-einen Bogen von 30 Kilometer Länge, um den Abstand Rigels im gleichen
-Verhältnis einzuzeichnen. Begreifst du nun, daß die Entfernung von
-Alpha Centauri eine Kleinigkeit ist?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings, sozusagen nach der Verhältnismäßigkeit betrachtet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun gibt es aber möglicherweise unter den Fixsternen riesige Sonnen,
-gegen die auch diese unausdenklichen Kolosse nur Sonnenstäubchen sind;
-denn von den 100 Millionen Fixsternen, die vorhanden sein mögen, sind
-uns nur etwa von 60 die Parallaxen bekannt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John, der begierig jedes ihm unbekannte Wort aufschnappte und nach
-seiner Weise verketzerte, fragte wißbegierig: &bdquo;Und was dürfte dann unter
-dieser benannten &sbquo;Polaraxe&lsquo; zu verstehen sein?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-180" class="pagenum" title="180"></a>
-&bdquo;Ja, wie soll ich dir das jetzt klar machen? Siehst du den Punkt
-hier mitten an der Decke? Also von einem Ende dieses Saales richte ich
-ein Fernrohr dorthin, du eines vom andern Ende aus. Diese Fernrohre
-sind gegen einander geneigt in einem Winkel, dessen Spitze der beobachtete
-Punkt ist. Nun, dieser Winkel, den die Linien bilden, die von dem Punkte
-durch unsere beiden Fernrohre gehen, im Verhältnis zu der Entfernung
-dieser von einander, ist die Parallaxe des Punktes. Wir können also
-ebenso sagen, seine Parallaxe ist der Neigungswinkel, den unsere beiden
-auf den Punkt gerichteten Teleskope zusammen bilden im Verhältnis zu
-ihrer Entfernung von einander.
-</p>
-
-<p>
-Wenn wir nun die Entfernung von einem Ende des Saales bis zum
-andern kennen und die Winkel, die unsere Fernrohre mit dem ebenen
-Fußboden bilden, messen, so können wir die Höhe des Dreiecks berechnen,
-das der Punkt an der Decke mit den beiden Punkten bildet, an denen
-die durch unsere Teleskope gehenden Strahlen des beobachteten Punktes
-den Fußboden treffen. Wir können also ausrechnen, wie weit der betreffende
-Punkt vom Fußboden entfernt ist.
-</p>
-
-<p>
-Nun siehst du wohl, mein Freund, daß wenn wir statt des Punktes
-an der Decke durch unsere Fernrohre einen Stern betrachten, der Tausende
-von Millionen Kilometer entfernt ist, die Neigung unserer Rohre gegen
-einander so unendlich klein wird, daß sie gleich Null erscheint. Wir können
-also für den Stern keine Parallaxe finden.
-</p>
-
-<p>
-Je weiter wir jedoch von einander entfernt sind, desto mehr werden
-sich die Teleskope gegen einander neigen, wenn wir sie auf denselben Punkt
-richten. Man könnte also hoffen, die Parallaxe eines Sterns zu finden,
-wenn man ihn in der gleichen Sekunde auf zwei weit von einander entfernten
-Punkten der Erde beobachtet, deren gegenseitiger Abstand bekannt
-ist, und wenn beide Beobachter den Winkel messen, den die Richtung ihrer
-Teleskope mit der Ebene bildet. Ebensogut kann man dies erreichen, wenn
-ein einzelner Beobachter von demselben Ort aus den Stern zu verschiedener
-Nachtzeit beobachtet, wenn die Umdrehung der Erde seinen Standpunkt
-um etliche tausend Kilometer verschoben hat.
-</p>
-
-<p>
-Aber solche Entfernungen erwiesen sich zu klein, es war keine meßbare
-Neigung der Beobachtungsrichtungen zu einander festzustellen; also die Fixsterne
-zeigten keine merkliche Parallaxe.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-181" class="pagenum" title="181"></a>
-Nun wählte man eine weit größere Grundlinie des Dreiecks: man
-beobachtete die Sterne in Zwischenräumen eines halben Jahres. Bei der
-ersten Beobachtung befand sich dann der Beobachter am einen Ende der
-Erdbahn, bei der zweiten am andern; das bedeutete einen Abstand von
-300 Millionen Kilometern der beiden Beobachtungspunkte von einander.
-</p>
-
-<p>
-Groß war die Verblüffung, als auch da keine meßbare Parallaxe der
-Fixsterne zu finden war! Erst mittelst äußerst verfeinerter Instrumente gelang
-es Struve 1836 und Bessel 1839 die erste Fixsternparallaxe zu messen.
-Man fand für den Stern 61 im Schwan auf diese Weise eine Entfernung
-von 9½ Lichtjahren. Bessel dankte seinen Erfolg dem von Fraunhofer
-hergestellten vorzüglichen Heliometer. Das ist derselbe Fraunhofer, dem
-wir vorzüglich auch die Fortschritte der Spektralanalyse verdanken.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John schnappte auch dieses Wort sofort auf und sagte bescheiden:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn es Ihnen nicht zuviel sein dürfte, Herr Professor, meine Wenigkeit
-auch über diesen mir noch dunkeln Punkt aufzuklären, so wäre ich
-besonders dankbar, was ich schon lange wünschte, zu erfahren, was es
-mit dieser Speck-Strahl-Anna-Liese für eine Bewandernis hat.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Auch das sollst du wissen,&ldquo; lachte Schultze: &bdquo;Schau, wenn man einen
-Lichtstrahl durch geschliffenes Glas gehen läßt, so löst er sich auf in farbige
-Bänder und Streifen. Das nennt man nun ein Spektrum. Je schmäler
-der Lichtstrahl ist, desto deutlicher ist sein Spektrum und da beobachtet man
-zwischen den farbigen Bändern mehr oder weniger breite dunkle Linien,
-die sogenannten &bdquo;Fraunhoferschen Linien&ldquo;, benannt nach ihrem Entdecker.
-Ferner unterbrechen auch helle und farbige Linien das Spektrum, und
-Kirchhoff und Bunsen wiesen nach, daß man aus diesen Streifen, Linien
-und Bändern genau die Stoffe erkennen kann, die sich als glühende Gase
-in einer Lichtquelle befinden; sogar nach Menge und Mischung können
-sie erkannt werden.
-</p>
-
-<p>
-Auf diese Weise weiß man die Stoffe, welche in der Sonne und den
-Sternen enthalten sind: Das Spektroskop verrät sie uns.
-</p>
-
-<p>
-Aber noch mehr hat es uns verraten. Wenn eine Lichtquelle sich rasch
-bewegt, so verschieben sich die Spektrallinien gegen das violette Ende des
-Farbenspektrums, wenn sich die Lichtquelle nähert, gegen das rote Ende,
-wenn sie sich entfernt. Daraus hat man bei den Fixsternen, die sich auf
-die Erde zu oder von ihr weg bewegen, sogar die Schnelligkeit der Bewegung
-berechnen können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-182" class="pagenum" title="182"></a>
-&bdquo;Ich meinte aber, die Fixsterne bewegen sich nicht,&ldquo; wandte John ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das glaubte man wohl früher; jetzt aber weiß man, daß sie ihre
-Eigenbewegung haben. Diese läßt sich auch durch das Teleskop beobachten,
-wenn sie senkrecht zur Gesichtslinie gerichtet ist. Da gibt es Sterne, die
-schon in 200 Jahren um eine Vollmondsbreite am Himmel vorrücken, was
-in Wirklichkeit Millionen und aber Millionen Kilometer bedeutet, angesichts
-ihrer großen Entfernung. So scheint Arcturus zum Beispiel mit 670 Kilometern
-in der Sekunde hinzurasen, was tausendmal schneller ist als das
-schnellste Geschoß; auch Alpha Centauri hat eine große Eigenbewegung.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aha!&ldquo; rief John verklärt: &bdquo;Jetzt verstehe ich, warum man sie Fixsterne
-heißt: weil sie wohl so fix dahinsausen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle lachten über diese großartige Entdeckung. John aber ließ sich
-nicht drausbringen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie sieht es denn aber wohl aus auf dem Alphasaurus, zu dem wir
-hinfliegen?&ldquo; fragte er jetzt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dieser Stern ist der dritthellste am Firmament, aber nur von der südlichen
-Erdhalbkugel aus zu sehen. Er gleicht unserer Sonne an Helligkeit,
-Größe und Hitze.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dann müssen wir ja aber verbrennen,&ldquo; rief John entsetzt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings, wenn wir ihm zu nahe kämen,&ldquo; mischte sich nun Flitmore
-in die Verhandlung; &bdquo;allein wir wollen hoffen, daß dies nicht der Fall
-sein wird. Auf ein paar Millionen Kilometer kann ja der Professor unsere
-Richtung nicht so genau bemessen. Da ist es immerhin möglich, daß wir
-auf einem dunkeln Sterne landen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wieso? Dunkle Sterne gibt es sozusagen auch?&ldquo; rief John, aufs
-neue überrascht.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß!&ldquo; bestätigte der Lord: &bdquo;Unsere Erde ist ein solcher Stern,
-ebenso die Planeten, soweit sie kein eigenes Licht mehr ausstrahlen. Der
-Erde leuchten sie ja sehr hell, oft heller als die strahlendsten Fixsterne;
-aber das kommt nur daher, daß sie der Erde verhältnismäßig nahe sind
-und ihr im Glanze des Sonnenscheins erscheinen, der sie erhellt.
-</p>
-
-<p>
-Aus der Entfernung, in der wir uns jetzt befinden, sehen wir keinen
-einzigen der Planeten unseres Sonnensystems mehr; ebensowenig sehen wir
-von der Erde aus die dunkeln Weltkörper der Fixsternwelt, die kein
-eigenes Licht mehr haben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-183" class="pagenum" title="183"></a>
-&bdquo;Ja, aber wie kann man in diesem vorausgesetzten Falle wissen, daß
-ihr Vorhandensein eine Existenz hat?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore wollte antworten, aber Münchhausen unterbrach ihn: &bdquo;Nehmen
-Sie es nicht übel, Lord, aber das Mittagessen dampft auf dem Tisch und
-die Lady möchte es schmerzen, wenn wir ihr Kunstwerk erkalten ließen,
-ehe wir ihm die gebührende Ehre angetan haben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihnen wäre dies gewiß auch sehr schmerzlich!&ldquo; lachte der Lord, &bdquo;aber
-Sie haben recht; alles hat seine Zeit. Also, John, gedulde dich, nach dem
-Essen will ich dir auseinandersetzen, woher man weiß, daß es dunkle
-Sterne gibt, auch wenn man sie nicht sehen kann.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-35">
-<a id="page-184" class="pagenum" title="184"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />32. Der Riesenkraken.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Johns Wißbegier wurde aber diesmal nicht so pünktlich befriedigt, wie
-er es von seines Herrn Zuverlässigkeit hätte erwarten dürfen.
-</p>
-
-<p>
-Das war aber nur einem außerordentlichen Umstand, einem unvorhergesehenen
-Ereignis zuzuschreiben, das für die Sannah und ihre Insassen leicht
-hätte verhängnisvoll werden können.
-</p>
-
-<p>
-Gegen Ende der Mahlzeit nämlich ließ sich plötzlich ein heftiges Geprassel
-vernehmen, unterbrochen von donnernden Schlägen, die das Weltschiff
-in seinen Grundfesten erschütterten. Es war offenbar ein Hagel von
-Meteoriten, der auf die Sannah niederging.
-</p>
-
-<p>
-Glücklicherweise waren die ersten Steine, die auf die Umhüllung sausten,
-klein, und der Lord konnte durch einen Druck auf den entsprechenden
-elektrischen Knopf die metallenen Schutzplatten oder Augendeckel über sämtlichen
-Fensterlinsen schließen, so daß eine Zertrümmerung oder Beschädigung
-derselben verhütet wurde.
-</p>
-
-<p>
-Bald aber prallten so ansehnliche Brocken auf die Oberfläche des Fahrzeugs
-auf, daß man das Schlimmste befürchten mußte und selbst Münchhausen
-seine gastronomische Tätigkeit unterbrach.
-</p>
-
-<p>
-Als das Gepolter und Gedonner aufhörte, machte der Lord mit John,
-Heinz und dem Professor einen Rundgang durch die Sannah, um genau
-zu untersuchen, ob die Decke nirgends beschädigt und durchschlagen worden
-sei. Zu seiner großen Beruhigung und Befriedigung fand er, daß die
-treffliche Metallhülle dem wuchtigen Hagel durchweg standgehalten hatte
-und keinerlei Verletzung erkennen ließ. Außen hatte sie ja gewiß Beulen,
-Schrammen und Schrunden davongetragen, danach konnte man zur Zeit
-nicht sehen, denn dort draußen gähnte der leere Raum. Die Hauptsache
-<a id="page-185" class="pagenum" title="185"></a>
-aber blieb, daß der Mantel nirgends durchlöchert war und so die kostbare
-Luft nicht entweichen konnte.
-</p>
-
-<p>
-Als die Männer von ihrem Rundgang zurückkehrten, hatte Münchhausen
-auch seine Mahlzeit beendet, die er nach Überwindung des ersten Schreckens
-fortgesetzt hatte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihre Ruhe ist beneidenswert,&ldquo; sagte Schultze kopfschüttelnd: &bdquo;Während
-wir, von der Sorge um unser Leben getrieben, nachsehen, ob die Sannah
-kein verhängnisvolles Loch davongetragen habe, lassen Sie sich&rsquo;s ruhig
-schmecken, als sei nichts geschehen und nichts zu befürchten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie halten das ja wohl für sträflichen Leichtsinn und tadelnswerte
-Gefräßigkeit,&ldquo; erwiderte der Kapitän: &bdquo;In Wahrheit jedoch ist es vernünftige
-Philosophie und Überlegung. Denn, sagen Sie selber: wenn Sie
-zu viert ausziehen, nach einem etwaigen Schaden zu sehen, wozu soll ich
-als fünftes Rad am Wagen mittrotteln? Und schließlich, entweder die
-Sannah hat eine gefährliche Verletzung davongetragen oder nicht. Ist sie
-unbeschädigt, so wäre die Unterbrechung meiner Mahlzeit zum mindesten
-überflüssig gewesen, wäre jedoch ein gefährliches Leck vorgefunden worden,
-so hätte sie auch da rein gar nichts helfen können; im Gegenteil, mit
-leerem Magen steht man einer Gefahr viel hilfloser und schwächlicher
-gegenüber als mit dem Gefühl der Sättigung, das einen zu ruhigerer
-Überlegung befähigt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na! Allenfalls hätten Sie mit wohlgefülltem Wanst unter Umständen
-auch ein großes Loch mit Ihrer werten Persönlichkeit verstopfen können,
-bis wir es kalfatert hätten, um den Luftaustritt zu verhindern,&ldquo; höhnte
-Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Spotten Sie nicht,&ldquo; mahnte der Kapitän würdig, &bdquo;zu solcher Aufopferung
-wäre ich stets bereit gewesen und auf ähnliche Art habe ich sogar
-schon einmal ein großes Schiff vor dem sichern Untergang gerettet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho! Erzählen Sie!&ldquo; rief Flitmore, sich in einen Sessel werfend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gerne!&ldquo; erklärte Münchhausen bereitwillig. &bdquo;Es ist gar nicht so lange
-her: meine zunehmende Leibesfülle erschwerte mir bereits meinen Dienst
-als Schiffskapitän, als mein stattliches Schiff eines Tages auf ein unterseeisches
-Riff aufstieß, das auf keiner Seekarte verzeichnet war. Wir bekamen
-ein Leck von solcher Größe, daß trotz allen Pumpens der untere
-Schiffsraum sich fabelhaft rasch mit Wasser anfüllte. Unser Untergang
-schien unvermeidlich, denn eine Küste, wo wir hätten landen können, war
-<a id="page-186" class="pagenum" title="186"></a>
-nicht in Sicht. Die Felsspitze, die uns so verhängnisvoll geworden war,
-mußte einer einsamen unterseeischen Insel angehören.
-</p>
-
-<p>
-Ich begab mich mit dem Schiffszimmermann und zwei Matrosen
-hinunter, um zu sehen, ob dem Leck denn gar nicht beizukommen sei;
-doch es befand sich schon völlig unter Wasser. Auf einem schmalen Balken
-turnte ich über dem gurgelnden Naß gegen die Schiffswand, als ich plötzlich
-ein schlangenähnliches Wesen da unten herumplätschern zu sehen vermeinte.
-Bald tauchten drei, vier solcher Schlangen von etwa sechs Meter Länge
-auf. Kein Zweifel! Ein Riesenkraken, auch Polyp oder Tintenfisch genannt,
-streckte seine schrecklichen Fangarme durch das Leck ins Schiffsinnere; sein
-Leib, so weich und elastisch er war, konnte wegen seiner kolossalen Dicke
-nicht eindringen.
-</p>
-
-<p>
-Plötzlich schnellte so ein Riesenarm auf mich zu, und wie ich erschreckt
-ausweichen will, verliere ich das Gleichgewicht und stürze ins Wasser.
-</p>
-
-<p>
-Sofort umklammert mich das Seeungeheuer mit seinen sämtlichen Fangarmen
-und sucht mich zu sich hinauszuziehen. Glücklicherweise war nun
-wiederum ich zu dick. Mein Bauch wurde gegen das Loch gepreßt, das
-er völlig verstopfte, während ich den Kopf noch über Wasser halten konnte.
-</p>
-
-<p>
-Meine Begleiter sprangen alsbald ins Wasser mir zu Hilfe: sie wollten
-mit ihren Messern die Fangarme des Polypen durchschneiden und mich so
-aus der erstickenden Umarmung befreien. Ich aber hatte sofort erkannt,
-daß uns hier der einzige Weg zur Rettung des Schiffes gewiesen war,
-und ich bedachte mich keinen Augenblick, mein Leben zu opfern, wenn es
-sein sollte, um Fahrzeug und Mannschaft zu retten.
-</p>
-
-<p>
-Ich rief daher den Matrosen zu, sie sollten ihre Messer in Ruhe lassen,
-dagegen starke Taue an die einzelnen Glieder des Kraken binden. Sie
-wußten nicht recht, was das sollte, doch, gewohnt, mir blindlings zu folgen,
-führten sie die schwierige und nicht ungefährliche Arbeit aus.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun ziehet die Leinen straff an,&ldquo; rief ich, als die Sache soweit war,
-&bdquo;und knüpft sie an einem Längsbalken fest, daß die Fangarme gestreckt
-werden!&ldquo; Mit Hilfe einiger weiterer herbeigeeilter Mannschaften wurde
-dies ausgeführt und der Tintenfisch mußte mich aus der Umklammerung frei
-geben, als seine Glieder mit aller Gewalt angezogen und gestrafft wurden.
-</p>
-
-<p>
-Halbtot fischte man mich aus dem Wasser und ich verlor das Bewußtsein,
-während man mich an Deck trug, wozu nicht weniger als sechs Mann
-erforderlich waren.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-187" class="pagenum" title="187"></a>
-Der Polyp aber saß fest und sein weicher, kolossaler Leib war durch
-die strammgezogenen Seile derart in das Leck gezwängt, daß es völlig
-verstopft wurde und kein Tropfen Wasser mehr eindringen konnte.
-</p>
-
-<p>
-Bis ich aus meiner Ohnmacht erwachte, war das Wasser schon soweit
-ausgepumpt, daß der Zimmermann an die beschädigte Stelle gelangen und
-sie kalfatern konnte, wobei gemäß dem Fortschreiten der Arbeit dem Kraken
-die Arme einzeln abgetrennt wurden, bis er mit Verlust seiner Glieder das
-Weite suchen konnte und die letzte Lücke hinter ihm vernagelt wurde. Nun
-war das Schiff gerettet, und meiner Leibesfülle war dies in letzter Linie
-zu danken; denn wäre ich so schlank gewesen, wie Sie, meine Herren, so
-hätte mich das widrige Scheusal mit Leichtigkeit durch das Loch hinausgezogen,
-ich wäre eines elenden Todes gestorben und mein Schiff mitsamt
-der Mannschaft wäre rettungslos zugrunde gegangen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Hoch auf Ihren segensreichen Körperumfang!&ldquo; rief Schultze, sein
-Glas füllend und erhebend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und auf Ihre edle Opferfreudigkeit,&ldquo; fügte Flitmore hinzu, ebenfalls
-mit dem schmunzelnden Kapitän anstoßend und in die allgemeine Heiterkeit
-einstimmend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das war sozusagen ein großartig zu nennendes Abenteuer,&ldquo; meinte
-John, &bdquo;aber wenn ich mir nun erlauben darf, Mylord, Sie daran zu
-erinnern, so haben Sie mir versprochen, zu erklären, wie man wissen kann,
-daß außer den leuchtenden Sonnensternen auch noch dunkle Sterne vorhanden
-sein dürften, trotzdem man sie nicht sehen kann.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore gab bereitwilligst Auskunft, indem er begann: &bdquo;Zunächst kann
-man es vermuten, denn die Fixsterne sind doch lauter leuchtende, glühende
-Sonnen, meist viel größer als unsre irdische Sonne. Wenn nun um diese
-mehrere dunkle Planeten kreisen, warum nicht auch um die Millionen andrer
-Sonnen im Weltraum?
-</p>
-
-<p>
-Sodann unterscheidet man drei Klassen von Fixsternen je nach ihrer Lichtstärke.
-Die erste Klasse umfaßt die weißleuchtenden Sterne, die sich noch
-in höchster Glut befinden, also wohl die jüngsten sind. Zu diesen gehören
-Regulus im Löwen, Sirius im großen Hund, Wega in der Leier. Auch
-die blauen Sterne gehören hierher.
-</p>
-
-<p>
-Die zweite Klasse umfaßt die gelben Sterne, ähnlich unsrer Sonne, die
-schon von niedererer Temperatur und Helligkeit sind. In die dritte Klasse
-rechnet man die rotglühenden Sterne und die orangeroten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-188" class="pagenum" title="188"></a>
-Zwischen diesen Klassen und in denselben gibt es aber alle möglichen
-Zwischenstufen und Übergänge, und manche Astronomen unterscheiden noch
-eine vierte Klasse der blutroten Sterne von geringer Helligkeit und eine
-fünfte, die nur einige wenige Sterne umfaßt, die das Spektrum des Wasserstoffs
-geben.
-</p>
-
-<p>
-Die erste Klasse umfaßt die meisten Fixsterne, die zweite etwa die Hälfte
-der ersten, die dritte ungefähr den achten Teil. Daraus schließt man, daß
-ein Stern doppelt so lang im ersten als im zweiten Zustand bleibt und in
-diesem viermal so lang als im dritten. Diese Ansicht übersieht jedoch völlig,
-daß uns die hellsten Sterne aus einer Entfernung sichtbar sein können, aus
-der das Licht weniger heller Weltsonnen gar nicht mehr bis zu uns dringt,
-daß wir also auch so rechnen können: aus der entferntesten Region des
-sichtbaren Weltalls leuchten uns nur die Sterne erster Klasse, die andern
-sehen wir nicht; aus der mittleren Region werden uns auch die Sterne
-zweiter Klasse noch sichtbar und nur aus der uns nächsten Region auch
-noch schwächer leuchtende. Natürlich kommt dabei auch noch die Größe
-der Sterne in Betracht, da wir einen Stern zweiter Klasse vielleicht noch
-aus einer Entfernung erkennen können, aus der uns ein millionenmal
-kleinerer Stern erster Klasse nicht mehr zu Gesichte kommt.
-</p>
-
-<p>
-Das kommt daher, daß das Licht im Raum nicht ungeschwächt vordringt,
-sondern mit der Entfernung zunehmend an Glanz einbüßt: der im
-Raum enthaltene Stoff schluckt etwas von dem ihn durcheilenden Lichte an;
-das nennt man Absorption. Und gerade diese Lichtabsorption, für die man
-verschiedene Beweise hat, gibt uns die Gewißheit, daß der Raum nicht leer
-ist, sondern von einem Stoff erfüllt, der Licht aufzusaugen vermag.
-</p>
-
-<p>
-Es ist nun klar, daß auf eine bestimmte Entfernung hin das Licht eines
-Sternes schließlich völlig aufgesogen sein muß, und so nimmt man an, daß
-Sterne, die über 16000 Lichtjahre von uns entfernt sind, überhaupt kein
-Licht mehr so weit zu bringen vermögen und uns daher ewig unsichtbar
-bleiben.
-</p>
-
-<p>
-Was also über diese Lichtgrenze unsrer Welt hinausgeht, bleibt uns unbekannt;
-kein Fernrohr, und wäre es millionenmal stärker als wir sie
-bauen, vermöchte den Schleier zu lüften, keine photographische Platte wäre
-dazu imstande, und wenn sie millionenmal empfindlicher wäre als die
-Platten, die uns jetzt schon Sterne nachweisen, die man mit dem besten
-Teleskop nicht zu finden vermag.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-189" class="pagenum" title="189"></a>
-Nun aber zurück zu den dunkeln Welten: sehen wir, daß die Fixsterne
-sich in den verschiedensten Stufen der Glut befinden, manche schon im Erlöschen
-begriffen, was liegt näher, als daß auch Millionen schon längst erloschener
-Weltkörper im Raume sich bewegen, die uns das schwache Licht,
-das sie von ihren Sonnen empfangen, nicht zu Gesicht bringen können?
-Dazu kommt noch unser Glaube an des Schöpfers Weisheit und Güte: sollte
-er Millionen Sonnen erschaffen haben ohne einen Zweck? Oder sollten
-sie nicht vielmehr dienen, Welten zu erleuchten und zu erwärmen, die von
-den Wundern Gottes überfließen, und wo lebendige Wesen sich ihres Daseins
-freuen?
-</p>
-
-<p>
-Einige Astronomen nehmen an, daß das Weltall Tausende von Millionen
-Sonnen und Hunderttausende von Millionen dunkler Welten besitze und
-zwar solche von ungeheurer Größe. Sie glauben auch nicht, daß der Raum
-von drei- bis viereinhalb Lichtjahren, der unser Sonnensystem von der Fixsternwelt
-trennt, eine weltenleere Einöde sein könne, sondern daß einige
-Millionen dunkler Körper sich darin finden könnten, so große sogar, daß
-unser Sonnensystem sich um sie drehe. Denn nichts beweist uns, daß sich
-leuchtende und nichtleuchtende Weltkörper nicht auch um ein erloschenes
-dunkles Gestirn drehen können, sofern es groß genug ist.
-</p>
-
-<p>
-Dies alles sind ja zunächst nur Vermutungen, wenn auch solche, die die
-größte Wahrscheinlichkeit für sich haben. Aber wir haben auch Beweise
-für das Vorhandensein solcher dunkler Weltkörper.
-</p>
-
-<p>
-Wenn ein dunkler Trabant zwischen uns und seiner Sonne vorübergeht,
-so werden wir ja für gewöhnlich davon nichts merken können, weil bei
-der ungeheuren Entfernung die Verfinsterung allzu gering ist, sobald er
-wesentlich kleiner ist als seine Sonne, was wir ja gewiß als das Gewöhnliche
-annehmen müssen. Dennoch gibt es Fixsterne, die uns erkennen lassen,
-daß ein dunkler Trabant sie umkreist; das sind die sogenannten veränderlichen
-Sterne, aber das soll dir der Professor erklären, ich habe es nicht
-so im Kopf.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gerne!&ldquo; erklärte Schultze bereitwillig. &bdquo;Veränderliche Sterne heißt
-man diejenigen, deren Helligkeit zu Zeiten abnimmt, um dann aber wieder
-zuzunehmen. Man unterscheidet da den Miratypus, den Lyratypus und
-den Algoltypus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, wie fein das klingt!&ldquo; unterbrach John: &bdquo;Miratyphus, Liratyphus
-und Alkoholtyphus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-190" class="pagenum" title="190"></a>
-Das herzliche Gelächter, das seine Repetition der melodischen Namen
-erweckte, nahm er gewohntermaßen nicht übel.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor aber machte weiter: &bdquo;Der Stern Mira, das heißt &sbquo;Der
-Wunderbare&lsquo;, im Walfisch strahlt gelegentlich als Stern erster oder zweiter
-Größe, aber nur wenige Wochen lang. 70 Tage später ist er schon so
-lichtschwach, daß er nur noch im Fernrohr sichtbar ist, noch weiter an
-Glanz abnehmend. Späterhin nimmt sein Licht wieder zu und zwar viel
-rascher, als es zuvor abgenommen. Nachdem er dem bloßen Auge wieder
-sichtbar geworden, erreicht er in 40 Tagen seinen höchsten Glanz. Diese
-Perioden dauern durchschnittlich 333 Tage von einem Höhepunkt zum
-andern, sind aber nicht ganz regelmäßig, auch der Glanz des Sterns erreicht
-nicht immer die gleiche Höhe.
-</p>
-
-<p>
-Man nimmt daher an, Mira sei eine erlöschende Sonne, die sich wie
-unsre Sonne periodisch mit vielen Flecken überzieht, nur noch mit viel mehr.
-Wenn unsre Sonne einmal so weit kommt, muß alles Leben auf Erden zu
-Grunde gehen. Auch die Spektralanalyse beweist die Ähnlichkeit dieses
-Wundersterns mit der Sonne.
-</p>
-
-<p>
-Heute kennt man hunderte von veränderlichen Sternen vom Miratypus,
-die meist in Perioden von 300 bis 400 Tagen ihr Licht wechseln. Manche
-aber sind völlig unregelmäßig, bleiben jahrelang unveränderlich oder leuchten
-binnen weniger Stunden mit großer Schnelligkeit hell auf. Das scheint
-auf gewaltige Umwälzungen hinzuweisen, die sich dort abspielen.
-</p>
-
-<p>
-Der Stern Beta in der Leier zeigt den sogenannten Lyratypus; der
-Lichtwechsel geht ziemlich pünktlich vor sich, seine Stärke aber nimmt nicht
-gleichmäßig zu, sondern geht zwischenhinein wieder herunter. Man nimmt
-an, daß wir es hier mit halberstarrten Sonnen zu tun haben, die uns
-abwechselnd ihre erkalteten und ihre unregelmäßig verteilten glutflüssigen
-Oberflächenteile zuwenden.
-</p>
-
-<p>
-Zwischen diesen beiden Typen gibt es noch allerlei merkwürdige Abweichungen,
-wie zum Beispiel der besonders wundersame Stern S im Schwan,
-der 2 Monate lang unverändert bleibt, dann rasch um das 12 bis 14fache
-an Glanz zunimmt, einmal 5, das andremal 10 Tage lang so hell bleibt,
-um darauf nach einer Woche wieder so schwach zu leuchten wie zuvor.
-Aber das geschieht nicht regelmäßig, sondern öfters zeigt er wieder andre
-Perioden.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-191" class="pagenum" title="191"></a>
-Ein andrer Stern wechselt in der fabelhaft kurzen Periode von 4 Stunden
-und 13 Sekunden, was darauf hindeutet, daß er sich in dieser Zeit um
-seine Achse dreht oder von einem andern Stern mit solch ungeheurer Geschwindigkeit
-umkreist wird.
-</p>
-
-<p>
-Dies führt uns zur dritten Klasse der veränderlichen Sterne, derer vom
-Algoltypus. Diese zeigen ein rein weißes Licht, können also keine erlöschenden
-Sonnen sein, auch sind ihre Perioden von genauester Pünktlichkeit.
-</p>
-
-<p>
-Algol im Perseus bleibt 2½ Tage unverändert als Stern zweiter Größe
-gleich dem Polarstern; dann nimmt seine Leuchtkraft erst langsam, dann
-immer schneller ab; nach 4½ Stunden ist er nur noch ein Sternchen dritter
-bis vierter Größe, nimmt aber sofort wieder zu und ist nach weiteren
-4½ Stunden so hell wie zuvor.
-</p>
-
-<p>
-Hiefür gibt es nur <em>eine</em> Erklärung: Algol wird uns verfinstert durch
-einen dunklen Weltkörper, der ihn in 2 Tagen, 20 Stunden, 48 Minuten
-und 55 Sekunden umläuft, denn so viel beträgt die Periode.
-</p>
-
-<p>
-Dieser dunkle Begleiter muß seiner Sonne sehr nahe sein und beinahe
-so groß wie sie, sonst könnte er uns, wie schon gesagt, seine Sonne auf
-solch ungeheure Entfernung hin nicht verfinstern; natürlich muß auch seine
-Bahn unsere Gesichtslinie kreuzen, daher ist es erklärlich, daß man nur
-etwa 20 veränderliche Sterne vom Algoltypus kennt. Bei allen sind die
-Perioden sehr kurz, zwischen 20 Stunden und 9½ Tagen.
-</p>
-
-<p>
-Störungen weisen darauf hin, daß Algol mehr als einen Trabanten
-hat, und wir dürfen hier ganze Sonnensysteme vermuten, aber auch dort,
-wo kein dunkler Begleiter sich uns durch seine Größe und geringe Entfernung
-von seiner Fixsternsonne verrät.
-</p>
-
-<p>
-Schließlich verrät uns auch das Spektroskop dunkle Trabanten der Fixsterne
-dadurch, daß die Linien ihres Spektrums genau innerhalb der Lichtwechselperiode
-sich verschieben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aus alledem,&ldquo; sagte Flitmore, &bdquo;siehst du, daß dunkle und wohl auch
-bewohnbare Weltkörper zur Genüge vorhanden sein müssen. Gott gebe
-nur, daß wir zu rechter Zeit einen solchen auffinden und glücklich dort zu
-landen vermögen.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-36">
-<a id="page-192" class="pagenum" title="192"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />33. Ohne Luft!
-</h2>
-
-<p class="first">
-Fünf Monate dauerte schon die unheimliche Reise der Sannah mit dem
-Kometen und noch war Alpha Centauri so weit entfernt, daß sich nicht
-sagen ließ, wann man in seine Nähe kommen werde. Nun wurde öfters
-des Lords Nährmaschine in Tätigkeit gesetzt, damit die zusammenschmelzenden
-Lebensmittelvorräte gespart werden konnten. Sie lieferte denn auch eine
-sehr nahrhafte, stärkende und auch schmackhafte Kost, die freilich auf die
-Dauer die natürlich entstandenen Nahrungsmittel nicht vollwertig hätte ersetzen
-können.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Leider erweist sich Ihre Vermutung über die Geschwindigkeit Aminas
-als unrichtig,&ldquo; sagte Flitmore eines Tages zu Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;In der Tat,&ldquo; erwiderte der Professor, &bdquo;ich habe sie bedeutend überschätzt.
-Wenn man keine sichern Unterlagen für eine Berechnung besitzt,
-kann man sich leicht um das zehn- und hundertfache verrechnen bei solch
-fabelhaften Zahlen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein schlechter Trost,&ldquo; seufzte der Lord; &bdquo;was aber noch bedenklicher
-ist, auch ich habe zu optimistisch gerechnet, wenn ich glaubte, meine Sauerstoffvorräte
-würden elf Monate ausreichen: wir sind nicht viel mehr als
-halb so lange unterwegs, und bis auf eine kleine Kammer sind schon alle
-geleert; Ozon haben wir überhaupt keines mehr.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie lange kann uns die Luft noch reichen?&ldquo; fragte Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-Der Lord zuckte die Achseln: &bdquo;Bei äußerster Sparsamkeit, und zwar
-bei alleräußerster, drei Wochen; dann ist es aus mit uns.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sparen wir!&ldquo; sagte der Kapitän trocken.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das werden wir tun; aber es wird eine böse Zeit werden und wer
-weiß, ob es uns etwas hilft!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-193" class="pagenum" title="193"></a>
-Von jetzt ab wurde der geringe Rest an Sauerstoff so ängstlich zu Rate
-gehalten, daß die Luft in der Sannah für die Lungen kaum noch brauchbar
-war.
-</p>
-
-<p>
-Die Folgen zeigten sich auch bald bei allen: an mehr als die notwendigste
-Tätigkeit war nicht mehr zu denken, da eine furchtbare Mattigkeit und
-Erschlaffung sich der Ärmsten bemächtigte. Röchelnd und nach Luft schnappend
-lagen sie umher und überließen sich so viel als möglich der bleiernen
-Schläfrigkeit, die sie gefangen hielt; denn im Schlaf verbrauchten sie am
-wenigsten von der kostbaren Luft.
-</p>
-
-<p>
-Je mehr sich der Hunger nach Luft steigerte, desto weniger wollte ihnen
-Essen und Trinken mehr schmecken. Bleich und eingefallen, Gespenstern
-gleich, schlichen sie durch die Räume, wenn sie sich vom Lager erhoben,
-suchend, ob nicht irgendwo bessere Luft zu finden sei; aber sie war überall
-verbraucht und vergiftet.
-</p>
-
-<p>
-Nicht mehr von Tag zu Tag, nein, von Stunde zu Stunde steigerten sich
-jetzt die Qualen, und die Wächter hatten die schwere Pflicht, mit äußerster
-Willensanspannung den Schlaf zu überwinden, um die erstickenden Genossen
-rechtzeitig wecken zu können: sonst wäre schließlich niemand mehr aufgewacht!
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Erfinden Sie etwas, um künstlichen Sauerstoff herzustellen oder um
-die verbrauchte Luft wieder für die Atmung tauglich zu machen,&ldquo; keuchte
-der Kapitän: &bdquo;Mit mir geht&rsquo;s zu Ende, Lord!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore lächelte schwach und wehmütig und sah nach Mietje, die mit
-geschlossenen Augen krampfhaft zuckend im Sessel lehnte. &bdquo;Ja, wenn ich
-das zu erfinden vermöchte! Hilft uns Gott nicht, so sind wir alle verloren.
-Aber <em>bald</em> muß die Hilfe kommen: ich habe ja berechnet, daß uns der
-Sauerstoff bei dem gegenwärtigen Verbrauch noch vier Tage reichen kann;
-aber ich sehe ein, so geht es nicht weiter, wir brauchen unbedingt bessere
-Luft, es ist die höchste Zeit. Und so muß die Sparsamkeit ein Ende haben;
-ich bin entschlossen, den ganzen Rest unsres Vorrats auf die nächsten
-24 Stunden zu verteilen. Dann leben wir noch einmal auf, ein letztesmal.
-Was dann weiter kommt, steht in des Allmächtigen Hand!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mit diesen Worten schlich sich der Lord weg, um die Ventile zu öffnen,
-die den gepreßten Sauerstoff in das einzige noch bewohnte Zimmer strömen
-lassen sollten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-194" class="pagenum" title="194"></a>
-Die Lady erhob sich wie im Traum und verließ mühsam das Gemach.
-</p>
-
-<p>
-Heinz, dem nichts Gutes ahnte, folgte ihr. Er fand sie in einer Stube,
-in der die beiden Schimpansen erstickend am Boden lagen: man hatte die
-Affen, so leid es einem tat, entfernen müssen, daß sie nicht auch noch halfen,
-ihren menschlichen Leidensgefährten das letzte bißchen Luft wegzuatmen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was haben Sie im Sinn?&ldquo; fragte Heinz die Lady.
-</p>
-
-<p>
-Diese sah ihn müde an: &bdquo;Was liegt an mir? Es kommt vor allem
-darauf an, die Männer am Leben zu erhalten, bis Gott ihnen Rettung
-sendet. Ich will ihnen nicht die letzten Aussichten nehmen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie wollen hier ersticken?&ldquo; rief Heinz entsetzt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hier oder dort, das ist doch einerlei,&ldquo; sagte die Lady lächelnd.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber hier ist es in einer Stunde aus mit Ihnen; dort können Sie
-noch 24 Stunden aushalten, und zwar in verhältnismäßig guter Luft, da
-der Lord die Luft gründlich verbessern will.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gehen Sie, vielleicht wird dadurch Ihr Leben verlängert bis die Hilfe
-kommt, und die wird nicht ausbleiben, dessen bin ich sicher.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, Lady! Ein solches Opfer können wir nicht annehmen, auch ist
-es zwecklos.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wer weiß?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, so bleibe ich auch da; dann ....&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Weiter kam er nicht, ein furchtbarer Stoß erschütterte die Sannah, ein
-Krachen und Knistern erscholl und pflanzte sich wie rollender Donner durch
-die Metallhülle weiter. Alle Räume erbebten. Dann wurde es still.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-37">
-<a id="page-195" class="pagenum" title="195"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />34. Ein verhängnisvoller Zusammenstoß.
-</h2>
-
-<p class="first">
-&bdquo;Gott sei uns gnädig! Was war das?&ldquo; schrie Lady Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn nur kein Unglück die andern betroffen hat!&ldquo; rief Heinz.
-</p>
-
-<p>
-Und so schnell ihre schwachen Kräfte es ihnen erlaubten, eilten sie zurück
-in das Zenithzimmer.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist geschehen?&ldquo; rief ihnen hier Münchhausen entgegen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das wollten wir Sie fragen,&ldquo; gab Heinz zurück.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wo ist mein Gatte?&ldquo; forschte Mietje besorgt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da kommt er!&ldquo; sagte Schultze aufatmend.
-</p>
-
-<p>
-Der Lord trat ein. Todesblässe bedeckte sein Antlitz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gottlob! Dir ist nichts passiert!&ldquo; rief die Lady, alles andre vergessend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir wollen uns auf unser Ende vorbereiten,&ldquo; erwiderte Flitmore
-dumpf: &bdquo;Es ist keine Hoffnung mehr für uns, mit dem Leben davonzukommen,
-die nächsten Stunden bringen den Tod.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kein Sauerstoff mehr da?&ldquo; fragte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein großes Meteor hat die Sannah gestreift und ihre Umhüllung
-zertrümmert und zwar mußte es gerade unsre letzte Sauerstoffkammer
-sein, deren Decke durchlöchert wurde. Natürlich ist alles in den leeren
-Raum entwichen. Als ich die Ventile öffnen wollte, erfolgte gerade der
-Krach. Ich ahnte, was geschehen und blickte durch das Seitenwandfenster
-in den Raum, der durch das Licht des Kometen erhellt wurde, das durch
-die zertrümmerte Decke eindringt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Eine tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich aller. Nur John entfernte
-sich stillschweigend. Er wußte eigentlich selber nicht, warum; doch
-gedachte er, sich den Schaden zu besehen und einen Rundgang durch das
-Weltschiff zu machen, um festzustellen, ob sonst alles in Ordnung sei.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-196" class="pagenum" title="196"></a>
-In Ordnung! Ja, wenn nur Luft dagewesen wäre! Es war eine
-mühsame Wanderung durch die sauerstoffleeren Räume und oft drohten
-dem Diener die Kräfte zu versagen; doch heldenmütig schleppte er sich
-weiter.
-</p>
-
-<p>
-Im Nordpolzimmer sah er die beiden Schimpansen sterbend am Boden
-liegen. Sie dauerten ihn.
-</p>
-
-<p>
-Er richtete die treuen Tiere auf, die sich krampfhaft an ihn festklammerten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr sollt nicht so lange leiden müssen,&ldquo; sagte er: &bdquo;Wir wollen alle
-drei hinaussteigen, wo gar keine Luft ist, dann sind wir gleich tot!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Gleichzeitig begab er sich zur Lucke, um sich mit den Affen in den
-leeren Raum zu stürzen, denn er war der Meinung, sie würden hinabfallen;
-die Anziehungskraft des Mittelpunktes der Sannah, die ihn an der
-Oberfläche der Umhüllung festhalten würde, hatte er nicht begriffen.
-</p>
-
-<p>
-Es waren durchaus keine Selbstmordgedanken, die John zu diesem anscheinend
-so verzweifelten Schritte trieben; klare Gedanken vermochte er
-überhaupt nicht mehr zu fassen, da das Blut dumpf in seinen Schläfen
-hämmerte, seine Lunge keuchte und röchelte, und seine Kiefer umsonst nach
-Luft schnappten. Ein dunkler Nebel umfing seine Sinne. Aber der gleiche
-Gedanke, der Mietje bewogen hatte, sich opfern zu wollen, dämmerte auch
-im Hintergrunde von Johns Seele, als er zur Lucke hinaufkletterte: er
-wollte von dem letzten Restchen Luft seinem Herrn nichts mehr wegatmen.
-Und dann war es noch das Mitleid mit Dick und Bobs, die ein rasches
-Ende finden sollten.
-</p>
-
-<p>
-Unterdessen sahen die andern im Zenithzimmer einem langsamen, schrecklichen
-Ende entgegen. Immerhin konnte es nicht lange mehr dauern, so
-würde eine wohltätige Bewußtlosigkeit eintreten und ihnen das Gefühl
-der letzten Qualen ersparen.
-</p>
-
-<p>
-Lord Flitmore war gefaßt und in den göttlichen Willen ergeben.
-</p>
-
-<p>
-Heinz und Mietje zeigten sich ebenfalls ruhig: schwer wurde ihnen nur,
-daß sie sich nicht für die andern opfern konnten, das hatte jetzt keinen
-Zweck mehr.
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän war der Unruhigste: ihm paßte das Ersticken durchaus
-nicht und er sehnte sich nach einer frischen Seebrise. So murmelte er denn
-hie und da etwas vor sich hin, das nicht danach klang, als habe er mit
-der schnöden Welt bereits abgeschlossen. Doch er war kein Hasenfuß und
-<a id="page-197" class="pagenum" title="197"></a>
-kein Zweifler; gewiß fand er sich auch noch in sein Schicksal, er mußte
-nur zuvor noch einiges überwinden.
-</p>
-
-<p>
-Im Stillen bewunderte er Professor Schultze: der schien auf einmal
-alles vergessen zu haben und so schwer auch er mit dem Luftmangel kämpfte,
-in den letzten Viertelstunden seines Lebens noch ganz von wissenschaftlichem
-Eifer beseelt zu sein.
-</p>
-
-<p>
-Der Zusammenstoß hatte seine Wißbegierde erregt und er forschte angestrengt
-nach dessen Gründen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist klar,&ldquo; sagte er endlich mit schwacher Stimme: &bdquo;Ein neuer
-Komet ist die Ursache des Verhängnisses, dieser neue Komet ist durch den
-Schweif der Amina gefahren und ein fester Bestandteil seines eignen Schweifes
-hat unsre Sannah getroffen.
-</p>
-
-<p>
-Auch sind wir vom Kopfe unsres Kometen viel weiter entfernt als
-bisher: es scheint zwischen den beiden Haarsternen ein heftiger Kampf um
-unsre Wenigkeit entbrannt zu sein: der neue Komet will uns mit sich fortreißen,
-die Amina will uns nicht freigeben! Es wäre wirklich interessant,
-zu erleben, welcher von beiden es gewinnt: kommt die Sannah los vom
-Kometen Amina, so führt sie der andre Komet wahrscheinlich zurück nach
-unserm irdischen Sonnensystem.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wirklich hochinteressant,&ldquo; sagte der Kapitän spottend. &bdquo;Nur schade,
-daß wir das Ende des Kampfes nicht erleben und daß die Rückfahrt in
-unser Sonnensystem uns ziemlich einerlei sein kann; denn was kümmert&rsquo;s
-uns, wo unser großer Sarg landet. Ja, wenn Sie uns verkünden könnten,
-daß irgend in der Nähe ein Hoffnungsstern uns leuchtet, daß wir innerhalb
-einer halben Stunde irgendwo landen können, das ließe ich mir gefallen,
-da hätten Ihre Beobachtungen doch einen vernünftigen Zweck.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-In abgebrochenen Sätzen, oft unterbrochen durch das vergebliche Suchen
-nach mehr Luft, hatte Münchhausen diese Rede hervorgestoßen. Schultze
-aber erwiderte etwas kleinlaut:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;In letzterer Beziehung allerdings sieht es schlimm aus: Alpha Centauri
-ist uns zwar verhältnismäßig sehr nahe gekommen, es lassen sich
-sogar schon leuchtende Trabanten seines Sonnensystems unterscheiden; doch
-einige Tage brauchten wir noch mindestens, um einen davon zu erreichen,
-selbst wenn wir nicht jetzt auch noch dadurch aufgehalten würden, daß zwei
-Kometen sich um uns balgen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-198" class="pagenum" title="198"></a>
-&bdquo;Also aussichtslos!&ldquo; brummte Münchhausen; und nun ward es wieder
-stille im Zimmer. Man hörte nur noch Stöhnen und Röcheln.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore beugte sich über seine Gattin. Sie hatte das Bewußtsein verloren
-und würde es wohl auch nicht wieder erlangen. Es wäre zwecklos
-und grausam gewesen, sie wieder zur Besinnung zurückrufen zu wollen.
-</p>
-
-<p>
-Heinz schaute mit erlöschenden Blicken umher; er vermißte John:
-&bdquo;Rieger fehlt!&ldquo; hauchte er.
-</p>
-
-<p>
-Niemand erwiderte hierauf etwas.
-</p>
-
-<p>
-Schultze blickte immer noch zum Fenster hinaus.
-</p>
-
-<p>
-Plötzlich verdunkelte sich dieses; ein Schatten fiel darauf und nun wurde
-der Professor auf einmal lebendig, durch das höchste Erstaunen aufgeregt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich doch aber alle Wissenschaft auf!&ldquo; keuchte er: &bdquo;Da steht
-ja John Rieger, die treue Dienerseele! Mitten im luftleeren Raum! Ja,
-er lebt noch, er bewegt sich, er scheint ganz munter! Das ist ja die reinste
-Unmöglichkeit.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen war John außen auf die dicke Scheibe niedergekniet, winkte
-und klopfte aus Leibeskräften.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Er tut ganz verzweifelt! Natürlich, er hält es keine Minute mehr
-aus ohne Luft. Wie er aber auch da hinauskommt und warum?&ldquo; machte
-Schultze kopfschüttelnd weiter. &bdquo;Soll ich ihn einlassen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Natürlich!&ldquo; sagte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Meinetwegen!&ldquo; stimmte der Kapitän bei: &bdquo;Obgleich uns die letzte
-Luft entweichen wird, wenn wir die Lucke öffnen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da ist ja auch Bobs! Nein, der tanzt ja ordentlich und schlägt
-Purzelbäume!&ldquo; rief Heinz verwundert, während der Professor sich anschickte,
-eiligst die Lucke zu öffnen, um John einzulassen, den er im Todeskampfe
-wähnte.
-</p>
-
-<p>
-Doch noch ehe Schultze geöffnet, hatte Rieger sich besonnen, daß ja die
-Türen auch von außen aufgemacht werden konnten.
-</p>
-
-<p>
-Es eilte ihm offenbar ungeheuer und er konnte es nicht abwarten,
-bis die da drinnen ihm den Zugang frei legten; er drückte auf den Knopf
-und langsam drehte sich die dicke Metallplatte in ihren Scharnieren.
-</p>
-
-<p>
-Nun mußte die Luft vollends in den leeren Raum entweichen, aber
-was machte das schließlich aus, sie war ja Gift und ein rasches Ende
-konnte nur willkommener sein als ein langwieriger Todeskampf.
-</p>
-
-<p>
-Aber da geschah ein Wunder!
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-38">
-<a id="page-199" class="pagenum" title="199"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />35. Ein Wunder.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Schultze, der der Öffnung ganz nahe stand, spürte einen frischen Luftzug
-hereinwehen!
-</p>
-
-<p>
-Obgleich sich da selbstverständlich alle und jede Wissenschaft aufhörte,
-sprach er doch kein Wort, sondern sperrte Mund und Nase auf, um die
-köstliche, belebende Luft in seine Lungen aufzunehmen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein! Herrscht bei Ihnen eine abscheuliche Stickluft,&ldquo; rief John
-herein, indem er den Kopf in die Lucke steckte: &bdquo;Kommen Sie doch schnell
-alle heraus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kannst du denn schnaufen im luftleeren Raum?&ldquo; rief der Kapitän
-von unten: er war empört, denn es schien ihm, als treibe der Diener
-einen höchst unangebrachten Scherz mit ihnen. Vielleicht hatte er den
-Verstand verloren, der arme John! Oder war er schon ein Verstorbener,
-ein Geist, der keiner Luft bedarf? Münchhausen jedenfalls brauchte noch
-Luft zum Leben, das spürte er nur zu sehr!
-</p>
-
-<p>
-John aber rief herab: &bdquo;Es herrschen ja sozusagen die herrlichsten
-atemsphärischen Verhältnisse hier draußen! Wirklich, werter Herr Kapitän,
-eine köstliche Atemsphäre, und das Merkwürdigste ist, man fällt gar nicht
-herunter von der Sannah: ich bin vom Nordpolfenster bis hier heraufgestiegen,
-wie ich der Meinung nach gesagt haben würde, aber in Wirklichkeit
-konnte ich von einer Steigung nichts verspüren: überall war ich
-oben und wenn ich dann meinte, ich müsse mit größter Vorsichtigkeit an
-der Rampe hinunterklettern, weil es überall rund hinunter ging, so war
-das auch wieder gar nicht so und keinerlei Redensart von einem vorhandenen
-Abstieg, sondern immer nur oben. Die Affen springen um die
-ganze Sannah rings herum, daß man meint, jetzt fallen sie, jetzt stürzen
-<a id="page-200" class="pagenum" title="200"></a>
-sie ganz ins Weite; aber sie bleiben unentwegtermaßen in vollster Aufrichtigkeit
-ihrer leiblichen Haltung.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Den letzten Teil seiner sprudelnden Rede hielt John an Professor Schultze
-hin, der inzwischen hinausgeklettert war und nur atmete, atmete.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt nahm er endlich das Wort: &bdquo;Daß man um die ganze Sannahkugel
-herumlaufen kann, ohne in den Weltraum zu fallen, das hat seine
-Richtigkeit und selbstverständlich befinden wir uns an ihrer Oberfläche überall
-oben. Aber daß im luftleeren Weltraum eine so tadellose Luft vorhanden
-ist, das kann absolut nicht stimmen und geht nicht mit rechten
-Dingen zu: Da hört sich ja einfach alle Wissenschaft auf!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun war es heraus!
-</p>
-
-<p>
-Jetzt aber wandte er sich zurück und rief in die Stube hinab:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was wollt Ihr denn dort unten noch länger mit der Atemnot
-kämpfen? Macht, daß ihr herauskommt: tatsächlich ist hier draußen eine
-Luft, die lebendig und gesund macht! Es ist zwar selbstverständlich ein
-unmöglicher Umstand und die reinste Torheit, es zu glauben, aber ich versichere
-euch, es ist doch so, tatsächlich so!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Unterdessen hatte der frische Luftzug von oben seinen Weg nach unten
-gemacht und war auch Flitmore, Heinz und Münchhausen in die Nasen
-gedrungen.
-</p>
-
-<p>
-Da raffte sich der Kapitän auf und bewegte seine Leibesmasse schwerfällig
-empor, um die köstliche Atmosphäre aus erster Hand zu genießen.
-</p>
-
-<p>
-Als er mit Kopf und Brust aus der Lucke emporgetaucht war, blieb
-er atemlos stehen und stützte sich mit den Armen auf den Türrahmen.
-Und jetzt atmete und pustete er wie eine Dampfmaschine.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;He!&ldquo; mahnte Schultze: &bdquo;Machen Sie, daß Sie vollends herauskommen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen schüttelte den Kopf: &bdquo;Muten Sie mir keine übermenschlichen
-Anstrengungen zu. Hier will ich verschnaufen. Ah, herrlich, köstlich!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber Mensch! Wenn Sie mit Ihrem Bauch die ganze Lucke verstopfen,
-müssen ja die dort unten elendiglich umkommen! Haben Sie denn gar
-kein Mitleid mit Ihren Nebenmenschen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja so!&ldquo; stammelte der Kapitän beschämt: &bdquo;Da dachte ich ja gar nicht
-daran vor lauter Lebensluft, die mir zuströmt.&ldquo; Und nun krabbelte er
-vollends heraus.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-201" class="pagenum" title="201"></a>
-Jetzt kamen der Lord und Heinz nach, die Mietje an die freie Luft
-emportrugen.
-</p>
-
-<p>
-Die Lady war noch immer ohnmächtig, als sie aber draußen in die
-sauerstoff- und ozonreiche Luft gebettet wurde, kam sie bald zu sich und
-fühlte sich nach kurzer Zeit so gekräftigt, daß sie sich zu erheben vermochte.
-</p>
-
-<p>
-Nun wurde ein Spaziergang rings um das Weltschiff gemacht, ein köstlicher
-Spaziergang! Dabei wurden sämtliche irgend vorhandenen Lucken
-geöffnet, um die verdorbene Luft entweichen und die frische Atmosphäre
-einströmen zu lassen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und sagen, daß wir um ein Haar allesamt elend erstickt wären, da
-uns die Lebensluft doch rings umgab!&ldquo; sagte Münchhausen. &bdquo;Gestorben
-wären wir, nur weil wir nicht wußten, daß es eigentlich gar keine Not
-hatte! Hätte John nicht zufällig, oder besser durch göttliche Fügung, den
-Gang ins Freie angetreten, unsre Unwissenheit hätte uns das Leben gekostet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist aber auch rein unerklärlich, wie wir in einen mit Luft erfüllten
-Winkel des Weltraums geraten konnten,&ldquo; meinte der Professor.
-&bdquo;Es war gewiß niemand zuzumuten, daß er auf diesen himmelfern liegenden
-Gedanken käme.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Doch!&ldquo; widersprach Flitmore nachdenklich: &bdquo;Eigentlich hätte ich daran
-denken, ja es bestimmt wissen sollen. Sie haben da wieder ein Beispiel
-dafür, Professor, wie wir Menschen, die wir uns so gar gescheit dünken,
-mit Blindheit geschlagen sind, und oft nicht einmal die nächstliegenden vernünftigen
-Folgerungen zu ziehen vermögen aus dem, was wir bereits erkannten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wieso denn?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, ich setzte Ihnen doch auseinander, daß meiner Ansicht nach der
-Stoff, der den Weltraum erfüllt, nichts andres sein kann als verdünnte
-Luft und daß jeder Planet oder vielmehr jeder rotierende Körper durch
-eine Umdrehung und Anziehungskraft die Luft um sich her verdichtet und
-sich so mit einer Lufthülle umgeben muß.
-</p>
-
-<p>
-Welcher Schluß lag nun näher, als daß dies auch bei unsrer Sannah
-der Fall sein müsse? Warum sollte sie sich nicht auch mit einer Atmosphäre
-umgeben, die sie aus dem Weltraum an sich riß?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein!&ldquo; rief Schultze, sich an die Stirn schlagend: &bdquo;Solch ein alter Esel,
-wie ich bin! Und solch einen Menschen tituliert man Professor! Die
-Sache ist ja sonnenklar! Bei unsern Landungen merkten wir natürlich
-<a id="page-202" class="pagenum" title="202"></a>
-nichts davon, weil wir die Sannah erst verließen, wenn sie sich in der
-Atmosphäre eines Weltkörpers befand. Aber hätten wir in der Zwischenzeit
-nur auch ein einzigesmal eine Lucke ein klein wenig geöffnet, so wäre
-uns frische Luft entgegengeströmt!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Natürlich,&ldquo; sagte der Lord wieder, &bdquo;das wagten wir nicht, daran
-dachten wir überhaupt nicht, weil wir stets im Wahne befangen waren,
-dort außen gebe es keine Luft, die wir atmen könnten, vielmehr umlaure
-uns Tod und Verderben und lediglich der luftdichte Abschluß aller Lucken,
-der das Entweichen der Innenluft verhindre, schütze uns vor dem Erstickungstod.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich konnte das ja natürlich nicht ahnen,&ldquo; sagte Münchhausen, &bdquo;aber
-daß unser Lord und vor allem Sie, allerweisester unter den Professoren,
-nicht so weit dachten, das ist eine Schmach für die ganze Menschheit. Was?
-Da halten Sie uns eingeschlossen wie in einem Bergwerk oder in einem
-Unterseeboot, bis wir beinahe erstickt sind, statt zu sagen: Na, Kinder!
-Machen wir die Pforten auf, spazieren wir hinaus, ein wenig frische Luft
-schöpfen? Heinrich Schultze, Sie reden immer vom Aufhören aller Wissenschaft,
-wenn Sie nur erst einmal des Wissens Anfänge inne hätten!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn ich mir erlauben darf, richtig verstanden zu haben&ldquo;, mischte
-sich John jetzt in die Unterhaltung, &bdquo;so schiene mir aus Ihren respekttiefen
-Reden ersichtlich zu sein, als ob diese Luft auch sonst früher vorhanden
-gewesen sein müßte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß,&ldquo; sagte Flitmore, &bdquo;seit unsrer Abfahrt von der Erde besitzt
-unsre Sannah eine regelrechte Atmosphäre, die sich unaufhörlich aus dem
-Raumstoff ergänzt und erneuert.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ah!&ldquo; rief Lady Flitmore: &bdquo;Da hätten wir ja schon öfters solche
-prächtige Spaziergänge im Freien machen können. Schade, daß wir&rsquo;s nicht
-wußten; aber jetzt wollen wir&rsquo;s nicht wieder versäumen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, meine Liebe,&ldquo; sagte der Lord. &bdquo;Vor allem aber wollen wir
-Gott danken, daß er uns das, was uns zuvor nur als eine Annehmlichkeit
-erschienen wäre, im Augenblick der äußersten Not erkennen lehrte, da es
-unser aller Leben rettete!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Entzückend war der Wandel im Freien wahrhaftig zu nennen; nicht
-nur wegen der gesunden Luft, die begreiflicherweise anfangs allen das
-Wichtigste war, sondern auch wegen der wechselnden Aussicht, die man auf
-den Sternhimmel genoß.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-203" class="pagenum" title="203"></a>
-Die Oberfläche der Kugel mit ihren etwas mehr als 63½ Ar bot
-Raum genug, sich zu ergehen; der Umfang von 141,3 Metern gestattete,
-in zwei Minuten die ganze Sannah in beliebiger Richtung völlig zu umwandeln.
-</p>
-
-<p>
-So konnte man den gesamten Sternhimmel bewundern.
-</p>
-
-<p>
-Am nächsten standen der Sannah noch die beiden Kometen; doch schien
-es, als ob beide sich nach entgegengesetzten Richtungen hin von ihr entfernten:
-somit wäre das Weltschiff aus der gezwungenen Gefolgschaft der
-Amina befreit worden, offenbar dadurch, daß der neue Komet die Sannah
-ebenfalls angezogen hatte, ohne sie jedoch ganz mit sich fortreißen zu
-können, da die Anziehungskraft des ersten sie noch genügend zurückhielt.
-</p>
-
-<p>
-Die meisten Sternbilder am nördlichen und südlichen Himmel erschienen
-durchaus nicht viel anders, als von der Erde aus gesehen; die Entfernung
-dieser Gestirne war so groß, daß die 3½ Lichtjahre, die man ihnen näher,
-bezw. ferner gekommen war, gar nicht in Betracht kamen.
-</p>
-
-<p>
-Diejenigen Sternbilder jedoch, denen man sich wesentlich genähert hatte,
-(das heißt eigentlich nur einzelnen ihrer Sterne), erschienen ziemlich verändert
-oder stark verschoben.
-</p>
-
-<p>
-Man befand sich hier im Reiche der Fixsterne, und doch eigentlich wieder
-nur in der Nähe eines fremden Sonnensystems, von dem die Fixsternwelt
-ebenso fern schien wie von der Erde aus.
-</p>
-
-<p>
-Schultze gab dieser Beobachtung folgendermaßen Ausdruck:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir sind dem Sonnensystem Alpha Centauri ganz nahe und doch
-weit entfernt, etwa im Sternbild des Centauren uns zu befinden, wie es
-sich der Erde darstellt; denn die andern Sterne dieses Sternbildes sind uns
-meist himmelfern und scheinen von hier aus auch einer abgelegenen Fixsternwelt
-anzugehören.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Von der Erde aus betrachtet, sind wir hier unter den Fixsternen;
-von hier aus betrachtet aber sind uns die Fixsterne ebenso entlegen wie
-der Erde, wogegen uns die irdische Sonne einen Bestandteil des Fixsternhimmels
-auszumachen scheint.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-39">
-<a id="page-204" class="pagenum" title="204"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />36. In der Fixsternwelt.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die frische Luft regte den Appetit mächtig an und Münchhausen war
-der erste, der dies bemerkte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie wäre es,&ldquo; sagte er, &bdquo;wenn wir für heute unsern Luftwandel
-einstellten und zunächst eine ausgiebige Stärkung zu uns nähmen? Mir
-ist, als hätte ich seit acht Tagen nichts gegessen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unsre Mahlzeiten sind in letzter Zeit allerdings etwas zu kurz gekommen,&ldquo;
-lachte Flitmore; &bdquo;der Mangel an Lebensluft und Stoffwechsel
-ließ keinen rechten Hunger aufkommen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nicht einmal bei mir,&ldquo; bestätigte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was viel sagen will!&ldquo; spottete Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Komm, John!&ldquo; gebot Lady Flitmore: &bdquo;Eilen wir in die Küche, ein
-Festmahl zu bereiten, so rasch wir eines zustande bringen; wir müssen heut
-unser aller Geburtstag feiern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Brava!&ldquo; rief Münchhausen; &bdquo;brava, Mylady, das ist ein genialer
-Gedanke. In der Tat sind wir heute alle zu neuem Leben wiedergeboren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Mietje begab sich mit John hinab und die andern folgten.
-</p>
-
-<p>
-Während erstere sich in die Küche begaben, blieben letztere im Zenithzimmer.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich glaube,&ldquo; sagte hier Flitmore, &bdquo;ich habe nun auch eine Erklärung
-dafür gefunden, warum der Komet Amina uns entführt hat:
-</p>
-
-<p>
-Sie wissen, meine Herrn, daß nach meiner Ansicht alle Körper mit Anziehungskraft
-und Fliehkraft ausgestattet sind und sich demnach gleichzeitig
-anziehen und abstoßen, so daß sie sich einander bis zu der Entfernung
-nähern, wo Anziehung und Abstoßung sich ausgleichen und einander
-aufheben.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-205" class="pagenum" title="205"></a>
-Nun scheint mir in der Kometenmaterie die Fliehkraft zu überwiegen.
-Daher kommt es, daß die durch die Sonnennähe aufgelösten Massen dieses
-Stoffes mit solcher Wucht von der Sonne abgestoßen werden, daß sie einen
-Schweif von vielen Millionen Kilometern bilden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das würde auch erklären,&ldquo; fügte Schultze bei, &bdquo;warum ein Komet,
-wenn er, durch die Geschwindigkeit seines Laufes die Zentrifugalkraft bis
-zu einem gewissen Grade unwirksam machend, dem Jupiter sehr nahe kommt
-oder gar die Korona der Sonne durchsaust, zwar zertrümmert und aufgelöst
-werden kann, niemals aber auf diese Weltkörper fällt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Auch das!&ldquo; stimmte der Lord zu. &bdquo;Nun aber zieht Fliehkraft die
-Fliehkraft an: nur so ist es begreiflich, daß ein Komet seinen ungeheuren
-Schweif mit sich führen und späterhin wieder einziehen kann, während die
-Weltkörper, die etwa diesen Schweif kreuzen, nichts davon mitnehmen, eben
-weil die Fliehkraft in ihm vorherrscht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber die Sternschnuppenregen und Meteorsteinfälle?&ldquo; wandte Heinz
-ein. &bdquo;Tatsächlich werden eben doch Teile eines Kometen oder seines Schweifes
-von der Erde angezogen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß!&ldquo; gab Flitmore zu: &bdquo;Wir müssen uns eben vorstellen, daß
-zwar die Fliehkraft in den Kometen überwiegt, einzelne Bestandteile aber
-doch positiv magnetisch sind: gerade das könnte die lockere Schweifbildung
-erklären, da sich dann Bestandteile darin finden würden, die einander bis
-zu einem gewissen Grade abstoßen müßten. Jedenfalls wäre klar, warum
-der Komet unsre mit Fliehkraft geladene Sannah anziehen und mit sich
-fortreißen mußte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich begreife,&ldquo; sagte der Professor: &bdquo;Und teils die rasende Geschwindigkeit
-der Fahrt, teils das Vorhandensein anziehender Elemente im Schweife
-verhinderte es, daß wir durch Ausschalten des Stroms freikommen konnten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So stelle ich es mir allerdings vor,&ldquo; sagte der Lord. &bdquo;Nun hat uns
-der andre Komet aus dem Anziehungsbereich der Amina fortgerissen, ohne
-uns jedoch festhalten zu können, weil die mit einander streitenden Kräfte
-unsre Sannah schließlich an die Grenze der Anziehungssphäre beider Kometen
-brachten. Und nun werde ich mich beeilen, den Zentrifugalstrom auszuschalten,
-damit wir von dem Sonnensystem Alpha Centauri angezogen
-werden und, wenn wir einen günstigen Planeten entdecken, dort landen
-können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-206" class="pagenum" title="206"></a>
-Da dies allgemein für das Beste gehalten wurde, stellte Flitmore alsbald
-die Fliehkraft ab.
-</p>
-
-<p>
-Dem Festmahl, das nun aufgetragen wurde, sprachen alle wacker zu
-und es entwickelte sich eine behagliche und heitere Stimmung, die nach den
-ausgestandenen Leiden und Todesängsten doppelt erquickte.
-</p>
-
-<p>
-Dann ergab man sich einem köstlichen Schlaf, wie man ihn schon lange
-nicht mehr genossen hatte.
-</p>
-
-<p>
-Als unsre Freunde am andern Morgen im Zenithzimmer zum Frühstück
-sich vereinigten, flutete heller Sonnenschein durchs Fenster, ein Wunder,
-das mit größter Überraschung und einem wahren Jubelausbruch begrüßt
-wurde; denn seit dem Verlassen des irdischen Sonnensystems war das blasse
-Licht des Kometen und der Schein der elektrischen Glühbirnen der Sannah
-das einzige Licht gewesen, das man gekannt.
-</p>
-
-<p>
-Sofort nach beendigtem Mahl eilten alle ins Freie, um das neue Schauspiel
-zu genießen.
-</p>
-
-<p>
-Die Oberfläche der Sannah strahlte im hellsten Sonnenglanz. Ihre
-Flintglasbekleidung verhinderte jedoch eine allzugroße Erhitzung. Es war
-wie der plötzliche Einzug warmen, sonnigen Frühlings nach langer, frostiger
-Winternacht!
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da sind ja sozusagen zwei Sonnen!&ldquo; rief John aufs höchste überrascht,
-&bdquo;wenn ich mir erlauben darf, mich nicht wesentlich zu täuschen,
-was nicht der Fall sein dürfte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle sahen empor nach den blendenden Tagesgestirnen, die allerdings
-zu zweit, anscheinend dicht neben einander am Himmel leuchteten.
-</p>
-
-<p>
-So merkwürdig dies aussah, lange konnte man nicht hinblicken: die
-Augen hielten den Glanz nicht aus.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das stimmt,&ldquo; sagte Schultze: &bdquo;Alpha Centauri ist ein Doppelstern.&ldquo;
-Und alsbald hielt er einen Vortrag über Doppelsterne, der hier ganz am
-Platze war.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das Vorhandensein solcher Doppelsterne,&ldquo; sagte er, &bdquo;ist erst seit einigen
-Jahrzehnten bekannt. Allerdings hatte das Fernrohr den Astronomen schon
-lange enthüllt, daß da, wo man mit bloßem Auge einen einzigen Stern
-zu sehen vermeint, in Wirklichkeit zwei oder gar mehrere sein können,
-und der neblige Schimmer der Milchstraße löste sich unter dem Teleskop
-in dichte Massen zahlloser Sterne auf, so daß Herschel anfangs vermutete,
-alle Sternnebel müßten sich in genügend starken Instrumenten als solche
-<a id="page-207" class="pagenum" title="207"></a>
-Sternenhäufungen erweisen. Aber alle diese Sterne erscheinen nur wegen
-ihrer perspektivischen Lage und unendlichen Entfernung einander so nahe
-zu sein, daß sie für das bloße Auge zu einem zusammenhängenden Gebilde
-werden. In Wirklichkeit sind sie durch Himmelweiten von einander getrennt
-und sind durchaus nicht das, was man Doppelsterne und mehrfache
-Systeme nennt.
-</p>
-
-<p>
-Die wirklichen Doppelsterne sind zwei Sonnen eines Sonnensystems,
-deren eine die andere umkreist. Bessel war der erste, der im Jahre 1847
-verkündigte, Sirius im großen Hunde, sowie Procyon im kleinen Hunde
-müßten dunkle Begleiter haben.
-</p>
-
-<p>
-Zwanzig Jahre später wurde der Begleiter des Sirius, den Bessel
-durch bloße Berechnung erraten hatte, von Alvon Clark entdeckt. Er schien
-halb so groß wie Sirius, also 12 bis 15 mal so groß wie unsere Sonne,
-aber 10000mal lichtschwächer, immerhin noch selbstleuchtend, sonst wäre
-er unsichtbar geblieben. Seine Entfernung von Sirius ist gleich der des
-Uranus von unserer Sonne.
-</p>
-
-<p>
-Bessel hatte aus den ganz eigentümlichen Bewegungen des Sirius die
-Umlaufzeit seines Begleiters auf 50 Jahre berechnet; sie wurde denn auch
-neuerdings mit 50,38 Jahren bestimmt.
-</p>
-
-<p>
-Die Doppelsterne&ldquo; umkreisen einander meist in sehr langgestreckten
-Ellipsen. Die Umlaufzeit der Doppelsterne, die durch die sichtbare Veränderung
-ihrer Lage bestimmt werden konnte, beträgt im Mindestmaß 5,7 Jahre.
-Doppelsterne mit noch kürzerer Umlaufzeit stehen einander zu nahe, um
-auch mit den besten Teleskopen noch getrennt gesehen werden zu können.
-</p>
-
-<p>
-Hier hat uns denn das Spektroskop neue Enthüllungen gebracht; man
-sah in den Spektren einiger Sterne periodische Doppellinien auftreten, die
-mit Sicherheit offenbarten, daß uns hier zwei Körper Licht sandten, von
-denen sich einer auf uns zu, der andere von uns weg bewegte. Aus der
-Verschiebung dieser Linien konnte man die Umlaufszeit nach Sekundenkilometern
-berechnen, selbst ohne die Entfernung der betreffenden Himmelskörper
-zu kennen.
-</p>
-
-<p>
-Alle spektroskopisch entdeckten Doppelsterne haben sehr kurze Umlaufzeiten
-von einem Tag bis zu 3 Jahren.
-</p>
-
-<p>
-So wurde der Polarstern als Doppelstern mit viertägiger Periode und
-bloß 3 Kilometer Sekundengeschwindigkeit erkannt, sein Begleiter muß ihm
-also äußerst nahe sein.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-208" class="pagenum" title="208"></a>
-Man hat Tausende solcher Doppelsterne entdeckt und kann getrost sagen,
-sie scheinen die Regel zu bilden und ein Sonnensystem, wie das irdische,
-mit einer einfachen Sonne, ist eine Ausnahme. Diese Sterne gehören sozusagen
-dem Algoltypus an, oder wie Freund John sagt, dem Alkoholtyphus,
-nur daß ihre Begleiter nicht dunkel sind, sondern selbstleuchtende Sonnen,
-manche allerdings schon im Erlöschen begriffen, wie bei Sirius.
-</p>
-
-<p>
-Es gibt aber nicht bloß Doppelsterne, sondern auch vielfache Systeme,
-wie auch schon die Nebelflecke ein bis vier Zentralkerne aufweisen. Man
-hat bis zu neunfachen Systemen entdeckt und wenn diese mehrfachen Systeme
-verhältnismäßig selten erscheinen, so können sie nichtsdestoweniger sehr
-zahlreich sein, da die kleineren Sonnen, so leuchtend sie sein mögen, uns
-in solcher Entfernung nicht mehr sichtbar werden können.
-</p>
-
-<p>
-Ein dreifacher Stern, Gamma in der Andromeda, ist ein funkelnder
-Edelstein, der zu den herrlichsten des Himmels gehört. Schon kleine Fernrohre
-offenbaren uns seine ganze Schönheit: sein Hauptstern leuchtet in
-goldgelbem Lichte wie ein Topas, sein Nebenstern, der wieder doppelt ist,
-strahlt in wundervollem blauem Glanz, ein blitzender Saphir.
-</p>
-
-<p>
-Auch das Spektroskop hat uns solche vielfache Systeme enthüllt: man
-findet, daß periodisch sich verdoppelnde Linien sich in weiteren Perioden
-nochmals spalten und so vierfache Systeme verraten.
-</p>
-
-<p>
-Was nun die Doppelsonne anbelangt, die wir hier vor Augen haben,
-so scheinen uns die beiden Gestirne von hier aus recht nahe bei einander;
-in Wirklichkeit sind sie 25mal weiter von einander entfernt als unsere
-Erde von ihrer Sonne, also beinahe so weit als unser äußerster Planet
-Neptun von der Erde entfernt ist, da er 29 Sonnenentfernungen von
-dieser hat.
-</p>
-
-<p>
-Während Neptun sich in 165 Jahren um die Sonne bewegt, braucht
-die Nebensonne unseres Alpha Centauri 81 Jahre, um ihr Zentralgestirn
-zu umkreisen, welches etwa die doppelte Größe der irdischen Sonne hat.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und nun,&ldquo; sagte Flitmore, &bdquo;möge dieses Doppelsonnensystem der Fixsternwelt
-uns seine Gotteswunder offenbaren!&ldquo;
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_208">
-<img src="images/plate_208.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Im Hochtale Edens.
-</p>
-
-</div>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-40">
-<a id="page-209" class="pagenum" title="209"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />37. Eine neue Erde.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die Sannah stürzte auf Alpha Centauri zu. Je näher sie den beiden
-Sonnen kam, desto größer erschienen diese und desto weiter ihr Abstand
-von einander.
-</p>
-
-<p>
-Auf dem Wege zu ihnen aber befand sich ein weiß leuchtender Stern,
-den Schultze durch das Fernrohr als einen dunkeln Planeten erkannte, der
-im Lichte seiner beiden Zentralsonnen erstrahlte und Phasen zeigte wie der
-Mond. Der Professor berechnete seinen Umfang auf das Doppelte des
-Erdumfangs und seine Umdrehungszeit auf 50 Stunden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das soll unser nächstes Ziel sein,&ldquo; erklärte Flitmore: &bdquo;Wir haben
-nach dieser ungeheuerlichen Reise wohl alle das Bedürfnis, einen Ruhepunkt
-im Weltall zu suchen, und wenn wir finden, daß dieser verheißungsvolle
-Planet uns die notwendigsten Lebensbedingungen bietet, so soll er für die
-nächste Zeit unser Aufenthaltsort sein; dann sind wir vorerst geborgen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja,&ldquo; ergänzte Münchhausen, &bdquo;und können uns den Kopf zerbrechen,
-wie wir es anstellen sollen, den Weg zu unserer armseligen Erde zurückzufinden!
-Mich beschleicht wenigstens öfters ein stilles, wehmütiges Heimweh
-nach unserem fernen Planeten; aber Gott allein weiß, ob wir ihn jemals
-wiedersehen werden! Offen gestanden, mir täte es leid, wenn er uns ewig
-entrückt bleiben sollte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Schade wäre es,&ldquo; gab Schultze zu, &bdquo;schon deshalb, weil wir das
-Wissen der staunenden Menschheit dann nicht durch den Bericht unserer
-großartigen Entdeckungen bereichern könnten; auch könnte es dann Jahrhunderte
-dauern, bis wieder einer auf unseres Lords großartige Erfindung
-käme und der Verkehr zwischen der Erde und den Planeten ihres Sonnensystems
-angebahnt würde. Andererseits eilt es mir jedoch durchaus nicht
-<a id="page-210" class="pagenum" title="210"></a>
-mit der Heimkehr, denn ich ahne, daß uns noch die wunderbarsten Entdeckungen
-bevorstehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Glauben Sie, daß der Planet, dem wir uns nähern, bewohnt sein
-könnte?&ldquo; fragte Mietje, der es am meisten Freude gemacht hätte, wieder
-mit Wesen menschlicher Art zusammenzutreffen und die mit einem Gefühl
-des Grauens an den Saturn zurückdachte und nicht minder an den Mars,
-wo nur Ungeheuer und widerliche Scheusale eine sonst öde Welt bevölkerten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Möglich ist alles,&ldquo; entgegnete der Professor bestimmt. &bdquo;Selbst Snyder,
-der nur an die allmächtige tote Natur und an die Allweisheit ihrer Unvernunft
-glaubt, kann nicht umhin, zu erklären: &bdquo;Nur ein Tor könnte
-glauben, daß im unendlichen Raume die schrankenlos schaffenden Gewalten
-des Weltalls zur Bildung einer einzigen bewohnten, von einer Sonne erleuchteten
-Welt geführt hätten.&ldquo; Der große Geometer Lambert ging noch
-weiter und sagte, da uns das Mikroskop offenbare, daß auf der Erde
-alles bewohnt sei, müsse auch im Weltall alles irgendwie Bewohnbare
-bewohnt sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, das Bewohnbare!&ldquo; warf Heinz ein: &bdquo;Das haben wir ja auf dem
-Mars und Saturn selber gesehen, obgleich auf ersterem die vernünftigen
-Wesen ausgestorben scheinen, auf letzterem noch nicht vorhanden sein dürften.
-Aber wir werden doch annehmen müssen, daß auch in den Verhältnissen
-der unzähligen Planeten unendliche Verschiedenheit herrscht: auf dem einen
-mag unerträgliche Hitze, auf dem andern unmenschliche Kälte das Leben
-unmöglich machen; einer kann allzuschroffe klimatische Unterschiede, ein
-anderer eine ungünstig beschaffene Atmosphäre haben und was dergleichen
-mehr ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß! Das geben wir alles zu,&ldquo; meinte Schultze: &bdquo;Das alles schließt
-aber das Leben nicht aus, nicht einmal das Vorkommen vernünftiger
-Wesen. Denken Sie doch daran, wie es schon auf Erden Lebewesen gibt,
-die ungeheure Kälte- oder Hitzegrade unbeschädigt zu ertragen vermögen.
-Früher war man der Ansicht, das Vorkommen von Lebewesen in größeren
-Meerestiefen sei schon infolge des ungeheuren Wasserdrucks unbedingt ausgeschlossen.
-Heute weiß man, daß ein sehr mannigfaltiges Leben auf dem
-Meeresgrunde herrscht, und daß die Tiefseegeschöpfe eben in wunderbarer
-Weise den Bedingungen angepaßt sind, unter denen sich ihr Leben abspielt.
-So sagt denn auch der eben genannte Lambert, die lebenden Wesen auf
-den verschiedensten Weltkörpern werden eben auch den dort herrschenden
-<a id="page-211" class="pagenum" title="211"></a>
-Verhältnissen entsprechend gebaut und eingerichtet sein, und dagegen läßt
-sich einfach nichts einwenden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Immerhin hat Lambert eine kühne Phantasie entwickelt,&ldquo; sagte
-Flitmore: &bdquo;Ich will ja gewiß nichts dawider sagen, auch die kühnsten
-Phantasien können mit der Wirklichkeit zusammentreffen. Er scheint sich
-etwa gedacht zu haben, daß die Menschen nach dem Tode mit einem Leibe
-versehen würden, der ihnen das Fortleben auf andern Weltkörpern gestatte,
-und daß sie dann eben dahin kämen, wo der für sie geeignetste Ort sei.
-So meinte er zum Beispiel, die Kometen wären der geeignetste Aufenthaltsort
-für Astronomen und Jahrhunderte müßten ihnen dort sein wie uns kurze
-Stunden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unrecht kann ich ihm nicht geben,&ldquo; erwiderte der Professor: &bdquo;Verdanken
-wir es nicht einem Kometen, daß wir bis in die Fixsternwelt
-vordringen konnten? Welch ein erhebender Gedanke für einen Sternkundigen,
-mit einem Kometen die unergründlichen Tiefen des Welltalls in
-nie endender Fahrt zu durchreisen und immer neue Entdeckungen machen
-zu können, oft aus nächster Nähe zu schauen, was er auf Erden kaum
-ahnen konnte!
-</p>
-
-<p>
-Gauß wies sogar den Gedanken nicht von der Hand, man könne sich
-mit den Mondbewohnern in Verkehr setzen, dadurch, daß man durch die
-Bodenkultur auf einer größeren Ebene der Erde die Figur des pythagoräischen
-Lehrsatzes darstelle, indem durch breite Streifen hellgelber Kornfelder
-schwarze Waldvierecke eingerahmt würden. Ja, man vermutete schon
-im Ernst, die Marsbewohner bemühten sich, uns ähnliche Zeichen zu geben.
-</p>
-
-<p>
-Nüchterner zeigt sich Klein, wenn er sagt, wahrscheinlich sei nur eine
-verhältnismäßig geringe Anzahl von Planeten mit vernünftigen Wesen
-bevölkert; da aber die Zahl der Planeten nach Hunderten von Millionen
-zählen dürfte, könne dies immerhin eine ganz bedeutende Zahl sein. Er
-sagt ferner: &sbquo;Viele darunter mögen von Wesen bewohnt sein, die uns
-selbst in geistiger Beziehung weit überragen. Hier dürfen wir unserer
-Phantasie frei die Zügel schießen lassen und überzeugt sein, daß die Wissenschaft
-keinerlei Beweis weder für noch gegen die Richtigkeit eines ihrer
-Gebilde liefern werde&lsquo;.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und dabei ist zu berücksichtigen,&ldquo; schaltete Flitmore ein, &bdquo;daß Klein
-lediglich solche Weltkörper in Betracht zieht, die menschlichen Wesen wie uns
-ohne besondere Anpassung die nötigen Lebensbedingungen gewähren würden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-212" class="pagenum" title="212"></a>
-&bdquo;Für uns kommen zunächst auch nur solche in Betracht,&ldquo; sagte Schultze:
-&bdquo;Jedenfalls können wir zur Zeit keinem Planeten einen Besuch abstatten,
-auf dem wir nicht leben und atmen können, und mag er mit noch so
-wunderbar angepaßten Lebewesen bevölkert sein, für uns ist es ausgeschlossen,
-sie kennen zu lernen, so lange es uns an der notwendigen Anpassung
-fehlt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Höchstens von der Sannah aus könnten wir sie beobachten,&ldquo; meinte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kein übler Gedanke,&ldquo; war des Professors beifällige Erwiderung.
-&bdquo;Jedenfalls glaubten viele große Astronomen an die Bewohntheit der
-Planeten sogar im irdischen Sonnensystem: Huyghens, Littrow und viele
-andere halten sie für sehr wahrscheinlich und heute noch kann nichts Entscheidendes
-dagegen vorgebracht werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Anderntags war man dem neuen Planeten so nahe gekommen, daß
-man schon an den Schattenflecken und an den Zacken seines Randes die
-Gebirge erkennen konnte, die sich teilweise zu ganz ungeheuren Höhen
-erhoben; weite blitzende Flächen verrieten die Meere, und gegen Abend
-nach irdischer Zeitrechnung entdeckte man die Färbung des bewachsenen
-Landes und erschaute spiegelnde Seen und silberglänzende Flußläufe.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore erkannte die Notwendigkeit, durch zeitweise Unterbrechung
-des Zentrifugalstroms die Annäherung, die mit wachsender Geschwindigkeit
-erfolgte, zu verzögern.
-</p>
-
-<p>
-Er gönnte sich nur kurze Ruhe, während welcher Heinz das Weltschiff
-abwechselnd sinken und steigen ließ. Dann löste der Lord den jungen
-Mann in seinem Wächteramt ab und übernahm selber die letzten Maßregeln,
-um eine sanfte, gefahrlose Landung zu sichern.
-</p>
-
-<p>
-Als Flitmore annehmen konnte, daß die Sannah schon ziemlich tief in
-die Atmosphäre des Planeten gesunken sei, schaltete er den Fliehstrom ein
-und begab sich nach außen. Bei ausgeschaltetem Strom wäre das Hinausgehen
-gefährlich gewesen, weil nicht mehr der Mittelpunkt der Sannah,
-sondern derjenige des Planeten die Schwerkraft durch seine Anziehung
-beeinflußt hätte, und somit ein Absturz vom Weltschiff dem Unvorsichtigen
-hätte drohen können.
-</p>
-
-<p>
-Als der Lord hinaustrat, stieg die Sannah unter dem Einfluß der
-Zentrifugalkraft zunächst noch mit mäßiger Geschwindigkeit empor.
-</p>
-
-<p>
-Es war eine köstliche Luft, die da draußen wehte, ja sie schien Flitmore
-etwas ganz besonders Einschmeichelndes und Belebendes zu besitzen, wie
-<a id="page-213" class="pagenum" title="213"></a>
-keine Luft, die seine Lungen bisher geatmet hatten. Ein unbeschreibliches
-Wohlgefühl erfüllte ihn, als er diesen balsamischen Äther einsog, der von
-fremden, wunderbar wonnevollen Wohlgerüchen durchdrungen schien.
-</p>
-
-<p>
-Da war kein Zweifel, das war nicht mehr die gewöhnliche Lufthülle
-der Sannah, das war eine ganz neue, unbekannte Atmosphäre, der man
-sich jedoch ohne alle Bedenken anvertrauen durfte.
-</p>
-
-<p>
-Nachdem der Lord dies festgestellt, eilte er wieder zurück, so gerne er länger
-draußen geweilt hätte. Es galt jetzt, rasch und umsichtig die Landung zu
-vollziehen, dann konnte man ja diesen köstlichen Äther zur Genüge genießen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore weckte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich möchte Sie bitten, Herr Professor,&ldquo; sagte er, &bdquo;nach den Klingelzeichen,
-die ich Ihnen geben werde, den Strom ein- und auszuschalten; ich
-will mich in das Antipodenzimmer ins Beobachtungsnetz begeben, von wo
-ich die Landschaft unter uns überschauen kann. So kann ich dafür sorgen,
-daß wir an einem günstigen Platze landen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Als der Lord sich auf seinen Posten begeben hatte, sah er, daß das
-Weltschiff über einem Hochgebirge schwebte, dessen Kamm schon so nahe
-war, daß man über seine Ränder hinweg die umgebende Landschaft nicht
-mehr zu erschauen vermochte: nur in weiten Fernen erblickte man hügeldurchzogene
-Ebenen und ausgedehnte Meere, ohne weitere Einzelheiten
-erkennen zu können.
-</p>
-
-<p>
-Er besann sich, ob er nicht wieder aufsteigen wollte, bis die Rotation
-des Planeten ebenes Land unter die Sannah gebracht hätte; doch war es
-schließlich nicht einerlei, wo man landete? Und unter ihm lachte ein so himmlisch
-entzückender See, umgeben von märchenschönen Ufern in leuchtender Blütenpracht,
-daß er dachte, es könne wohl kaum einen schöneren Fleck geben
-als eben den, welchen der Schöpfer ihm hier vor Augen führte.
-</p>
-
-<p>
-So gab er denn die Zeichen zum Einschalten der Fliehkraft nur so weit
-es notwendig war, um den Absturz zu mildern, und nach wenigen Minuten
-sank die Sannah sanft nieder auf eine blumenreiche Aue am Ufer des Sees.
-</p>
-
-<p>
-Das Fenster des Antipodenzimmers berührte den Boden; Flitmore konnte
-nichts mehr sehen, eine kaum merkbare Erschütterung zeigte die glattvollzogene
-Landung an: das Weltschiff hatte festen Fuß gefaßt und ruhte sicher auf
-dem fremden Planeten.
-</p>
-
-<p>
-Nun begab sich Flitmore hinauf und fand die ganze Gesellschaft ermuntert
-und voll Begier, zu schauen, was sich ihr nun offenbaren würde.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-41">
-<a id="page-214" class="pagenum" title="214"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />38. Die Wunder Edens.
-</h2>
-
-<p class="first">
-&bdquo;Ah! Herrlich! Köstlich! Wunderbar!&ldquo; klang es in Verzückung von
-aller Lippen, als die Luft voll herber Frische und gleichzeitig erfüllt von
-beinahe betäubenden aromatischen Düften durch die geöffnete Türe hereinflutete.
-</p>
-
-<p>
-Die ganze Gesellschaft eilte hinaus, die Strickleiter hinabzuklimmen und
-die Landschaft, die sie von unten her anlachte, übte einen solchen Zauber
-auf sie aus, daß sie wirklich nicht wußten, ob das ein Traumbild sei oder
-Wirklichkeit seine könne.
-</p>
-
-<p>
-Übrigens überkam alle das seltsame Gefühl, als ob der Abstieg einen
-ganz außerordentlichen Kraftaufwand erfordere und wirklich eine Kletterpartie
-darstelle, die mühsam und ermüdend hätte sein müssen, wenn der
-ozonreiche Äther, den sie atmeten, sie nicht mit solcher morgenfrischer
-Jugendkraft und überschwellender Lust, die neuen Kräfte zu betätigen,
-erfüllt hätte, daß ihnen jede Anstrengung ein wahres Wonnegefühl verursachte
-und von Ermattung keine Rede sein konnte.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen, der letzte beim Abstieg, empfand diese fremdartigen, erhebenden
-Gefühle am deutlichsten, wie es bei seinen schwerfälligen Körperverhältnissen
-begreiflich war.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich schwebe!&ldquo; rief er wonnetrunken aus: &bdquo;Ich fühle mich leichter
-als eine Feder! In meiner zartesten Jugend fühlte ich mich nie so frisch.
-Ich bin mehr als verjüngt, wirklich neugeboren: so wenig Gewicht spüre
-ich mehr, daß ich kaum herabkomme; es ist mir, als könnte ich fliegen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Man mußte lachen, wenn man seine wuchtige, massige Gestalt ansah
-und ihn so von Leichtigkeit und Flugfähigkeit reden hörte und Schultze
-rief ihm zu:
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-215" class="pagenum" title="215"></a>
-&bdquo;Na! Eine Kugel, wie Sie, Kapitän, sich schwebend vorzustellen, ist
-ein unbezahlbarer Gedanke! Verzeihen Sie mir meine unhöfliche Heiterkeit,
-aber ich kann nichts dawider. Nein! Wenn uns Lady Flitmore
-entschwebte, so wäre dies höchst bedauerlich und schmerzlich für uns, doch
-nicht so gar erstaunlich bei der Leichtigkeit, die wir hier, wie es scheint,
-alle verspüren; aber Ihr Entschweben macht uns noch keine grauen Haare.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, na!&ldquo; bruddelte Münchhausen in komischer Entrüstung, als er jetzt
-den Boden betrat: &bdquo;Sie bleiben doch stets unvernünftig, einsichtslos und
-zweifelsüchtig, oller Professor! Warten Sie nur ab, ob Sie nicht noch
-zu Ihrer Beschämung oder zu Ihrem Entsetzen das Wunder erleben, daß
-Kapitän Hugo von Münchhausen Ihren Blicken entschwebt gleich einer
-luftigen Sylphide, so gerne Sie ihn zurückhalten möchten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän als luftige Sylphide! Dieser Vergleich war gar zu köstlich,
-um nicht ein allgemeines schallendes Gelächter zu erwecken.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen stimmte zwar mit ein, protestierte aber doch weiter:
-&bdquo;Wegen meiner etwas kugeligen Gestalt trauen Sie mir das Fliegen nicht
-zu? Da sieht man wieder, wie wenig Logik die Menschen haben! Was
-ist denn runder, voller, kugeliger als ein Luftballon? Kann der etwa deshalb
-nicht steigen und schweben, he?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, Kapitän,&ldquo; entgegnete Heinz: &bdquo;Aber Sie sind doch nicht durch
-Wasserstoff zu solcher Fülle gebläht?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Viel mehr als luftiges Gas wird meine Leibeshülle zur Zeit nicht enthalten,&ldquo;
-behauptete der Schalk: &bdquo;Wenigstens fühle ich mich ganz leer und
-ausgehungert, obgleich es eine Schande ist, dies zu gestehen angesichts
-dieser paradiesischen Landschaft. Jedenfalls werde ich ihren ganzen Zauber
-erst dann voll zu würdigen verstehen, wenn ein ordentliches Frühstück mir
-den nötigen Halt gegeben haben wird. He, John! Du hast doch die Eßvorräte
-nicht vergessen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, wertester Herr von Kapitän,&ldquo; beeilte sich dieser zu versichern:
-&bdquo;Wie könnte ich mir gestatten dürfen, solcher Pflichtvergessenheit mich schuldig
-machen zu können: schon habe ich allbereits den Semaphor angesteckt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dabei wies er auf den dickbauchigen Samowar, die russische Teekochmaschine.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Semaphor ist wieder gut!&ldquo; lachte Schultze: &bdquo;Du bist doch ein urgelungener
-Kerl, John. Ein Semaphor ist nämlich ein Zeichentelegraph und
-ein Samowar nicht ganz genau dasselbe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-216" class="pagenum" title="216"></a>
-&bdquo;Ach, Herr Professor,&ldquo; entschuldigte sich Rieger: &bdquo;Diese chinesischen Ausdrücke
-kann ich sozusagen nicht genau behalten, weil die chinesische Sprache
-in meiner Schule nicht gelernt wurde und Sie verstehen ja schon, ob ich
-nun Semaphor oder Samopher sage, was ja ziemlich einerlei klingt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der gebildete Diener wußte nämlich, daß der Tee aus China stammt
-und glaubte daher, der fremdartige Name der Teemaschine müsse chinesisch sein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Er hat gar nicht so unrecht mit dem Semaphor,&ldquo; nahm ihn der
-Kapitän in Schutz: &bdquo;Die aufsteigenden Dämpfe des biedern Kessels sind
-wahrhaftig telegraphische Zeichen, die von ferne einen köstlichen Labetrank
-ankündigen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Bald saßen alle mit dampfenden Teetassen und kräftiger Zuspeise zur
-Hand da, obgleich sie außer dem Kapitän vor lauter Entzücken über die
-Wunder ihrer Umgebung kaum ein leibliches Bedürfnis verspürten.
-</p>
-
-<p>
-Das Auge mußte aber auch trunken sein von der Pracht und Lieblichkeit,
-die ihm hier in unendlicher Mannigfaltigkeit entgegenstrahlte.
-</p>
-
-<p>
-Da war zunächst die Flur, auf deren weichem Teppich man lagerte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein weicher Teppich,&ldquo; das war hier keine bloße Redensart: tatsächlich
-waren diese fein gefiederten Gräser in ihrem durchsichtig leuchtenden Grün
-so weich wie Flaum und Daunen.
-</p>
-
-<p>
-Und die Blumen dieser herrlichen Wiesen! In allen Farben leuchteten
-sie; doch was ihnen den ganz besondern Reiz gab, war ihre unendliche
-Zartheit, die selbst die Frühlingsblüten der Erde in Schatten stellte. Wie
-ein Lichthauch, wie ein körperloser Duft, so wiegten sich diese Sterne und
-Kelche in der balsamischen Luft, die von ihren tausend Wohlgerüchen erfüllt
-war.
-</p>
-
-<p>
-So durchsichtig zeigten sich die Blütenblätter, daß man tatsächlich wie
-durch feinstes buntes Glas den Hintergrund deutlich durchschimmern sehen
-konnte; je nachdem aber das Licht auffiel, wurde es in den zartesten
-Farben zurückgeworfen, so daß farbige Strahlenbündel von den Blüten
-auszugehen schienen, obgleich sie nichts von eigener Leuchtkraft besaßen
-und sich hiedurch von den Wunderblumen der Tipekitanga wesentlich unterschieden;
-dennoch erschienen sie, wenigstens bei Tag, unendlich reizvoller
-als diese.
-</p>
-
-<p>
-Diese fremdartige und doch so über die Maßen entzückende Durchsichtigkeit
-schien überhaupt der Pflanzenwelt des paradiesischen Planeten
-ihre besondere Eigenart zu verleihen. Dort erhoben sich Büsche mit großen,
-<a id="page-217" class="pagenum" title="217"></a>
-prächtigen Blumen, gleich Glocken herniederhängend, gleich Tellern und
-Schalen schwebend, gleich kleinen Ballons oder Seifenblasen in runden, ovalen,
-zylindrischen oder zusammengesetzten Formen emporstrebend; im Hintergrunde
-ragten Wälder von früchtebeladenen Bäumen empor, teils schlanke, teils
-knorrige Stämme mit Zweigen voll Anmut im Schwunge der Linien, mit
-Blättern gleich durchbrochenen Spitzen in allen erdenklichen Musterungen;
-und das alles blinkte und glitzerte, wo es das Licht zurückwarf, während
-es vollkommen durchsichtig erschien, wo die Strahlen hindurchdrangen.
-</p>
-
-<p>
-Dabei wirkten diese durchsichtigen Formen vielfach wie Kristalle und
-Prismen, brachen tausendfach die Lichter in allen Regenbogenfarben, wodurch
-je nach der eigenen Färbung des Gegenstands und der Farbe der durchscheinenden
-Strahlen die wundersamsten Tönungen und zartesten Mischungen
-zustande kamen, so daß selbst die tiefsten Schatten das Auge durch ihren
-Farbenreichtum erfreuten.
-</p>
-
-<p>
-Und nun erst der See, dieses lachende Himmelsauge! Ein Blau von
-einer auf Erden nie zu schauenden Tönung, ein Hauch, ein Duft von Saphir
-schien seine Grundfarbe auszumachen und hart am Ufer war er so durchsichtig,
-daß die bunten Sandkörner am Grunde einzeln zu sehen waren;
-wo sich aber die Farbenstrahlen, die sich rings in der Luft kreuzten und
-mischten, in seinen Wassern spiegelten, da entstanden Flächen von verschiedenster
-Färbung und das Auge irrte umher und wußte nicht, wo es am schönsten
-sei, und dann wurde es wieder gefesselt von dem Goldglanz, von dem
-Silberschimmer, von dem Rosenhauch da und dort, als ob es sich nicht
-mehr loszureißen vermöchte von dem märchenschönen Anblick.
-</p>
-
-<p>
-Aber es mußte wieder los: die Inseln und Inselchen, der wunderbare
-Linienschwung der Ufer, die Buchten und Landzungen, die fernen jenseitigen
-Küsten, die Hügelränder und die erhabenen Felsenmauern mit ihren zackigen
-Kämmen und seltsamen Formen, &mdash; das alles heischte sein Recht und nötigte
-zu immer neuen Ausrufen des Staunens.
-</p>
-
-<p>
-In jedem Augenblick glaubte irgend wer in der Gesellschaft etwas Neues
-entdeckt zu haben, das alles bisher Geschaute in Schatten stellte, und man
-machte einander aufmerksam darauf und Augen und Seelen feierten einen
-ununterbrochenen Festtag beseligenden Genießens.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eden, Eden!&ldquo; rief Flitmore aus, der völlig aus seiner gewohnten
-kaltblütigen Ruhe gerissen war. &bdquo;Welch andre Benennung könnten wir
-finden, um diesem Paradiese seinen gebührenden Namen zu geben? Und
-<a id="page-218" class="pagenum" title="218"></a>
-wäre der ganze Planet sonst eine trostlose, abschreckende Wüste, dieser eine
-Fleck rechtfertigt es, daß wir ihn mit dem Namen des Landes bezeichnen,
-das den Garten des Paradieses umschloß.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Recht haben Sie,&ldquo; rief der Professor seinerseits: &bdquo;Eden soll dieser
-neue Planet heißen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Stunden vergingen, ehe der Bann des Schauens und Bewunderns soweit
-gebrochen war, daß Heinz den Vorschlag machen konnte, nun endlich
-eine Entdeckungswanderung zu unternehmen, da man lange genug der Ruhe
-gepflogen habe.
-</p>
-
-<p>
-Alle waren damit einverstanden, denn eine jugendliche Unternehmungslust,
-gepaart mit neugierigem Forschungstrieb, beseelte selbst die älteren Herren.
-Nur der Kapitän erhob wieder Einspruch, indem er die Uhr zog.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir sitzen nun hier geschlagene vier Stunden,&ldquo; sagte er: &bdquo;Die Zeit ist
-uns freilich wie im Fluge vorbeigegangen, da wir genug zu schauen und
-zu genießen hatten. Nur an meinem Magen ging sie nicht spurlos vorüber.
-Es ist lange her seit dem Frühstück und ich stimme für ein Mittagsmahl.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie unverbesserlicher Genießer!&ldquo; schalt der Professor. Flitmore aber
-sagte: &bdquo;Unser Freund hat recht, erledigen wir zuvor dieses leibliche Bedürfnis,
-dann können wir unsre Entdeckungsreise um so länger ausdehnen.
-Es wäre schade, wenn eintretender Hunger uns frühzeitig zu deren Unterbrechung
-oder gar zur Rückkehr nötigte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-So wurde denn zuvor das Mittagsmahl bereitet und getafelt unter
-steter Heiterkeit und in dauernd gehobener Stimmung, eine Wirkung, welche
-der wunderbaren Luft und der herrlichen Landschaft wohl mit Recht zugeschrieben
-werden konnte.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-42">
-<a id="page-219" class="pagenum" title="219"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />39. Sonderbare Naturgesetze.
-</h2>
-
-<p class="first">
-John war zuerst mit Stillung seines Appetits fertig, während der Kapitän
-noch mit vollen Backen kaute.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es wäre mir doch eine interessant zu prüfende Frage,&ldquo; hub der Diener
-des Lords an, &bdquo;ob hier das Holz von unserer Erde im Wasser ebenso
-untersinkt, wie auf dem Saturn der Fall sich augenscheinlich ereignete.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Damit warf er ein Holzscheitchen weit hinaus in den Bach, der den
-Abfluß des Sees zu bilden schien, denn man befand sich hier am äußersten
-Ende des letzteren.
-</p>
-
-<p>
-Alle sahen dem Scheite nach. Aber höchstes Erstaunen spiegelte sich in
-ihren Mienen und Schultze sprang auf die Beine mit dem Rufe: &bdquo;Da hört
-sich doch aber alle Wissenschaft auf!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das Holz war nicht etwa untergesunken, aber es schwamm auf dem
-Bach zurück, geradewegs in den See hinein; das heißt es schwamm bergauf!
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sollte eine solche Sinnestäuschung möglich sein?&ldquo; fragte Heinz: &bdquo;Der
-Bach scheint doch ein ziemliches Gefäll zu besitzen und nun erweist er sich
-als ein Zufluß zum See und nicht als ein Abfluß: das Gelände muß also
-dorthinzu ansteigen und nicht abwärts gehen, wie es doch aussieht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Professor war hart an den Bachrand getreten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Von Sinnestäuschung kann keine Rede sein,&ldquo; sagte er kopfschüttelnd.
-&bdquo;Wir stehen hier vor einem Rätsel: Der Bach hat zweifellos Gefäll und zwar
-ziemlich starkes Gefäll nach dem Talausgang zu; aber sein Wasser fließt
-tatsächlich in den See, er bildet keinen Abfluß, sondern einen Zufluß zum
-See, und zwar einen Zufluß von unten her; mit andern Worten, er strömt
-bergan. Das ist einfach allen Naturgesetzen zuwider, aber Tatsache ist
-es doch!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-220" class="pagenum" title="220"></a>
-Die andern traten näher und überzeugten sich von der Richtigkeit
-dessen, was Schultze behauptete: man sah, wie der Grund sich gegen den
-Talausgang bedeutend senkte und konnte doch deutlich die Strömung des
-Wassers erkennen, die in entgegengesetzter Richtung lief. Auch weitere
-Versuche mit Blättern und Zweigen, die in den Bach geworfen wurden,
-bestätigten dies.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist um den Verstand zu verlieren!&ldquo; grollte der Professor, der
-sich nicht beruhigen konnte: &bdquo;Wie soll man so etwas erklären?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Verzichten wir vorerst auf eine Erklärung,&ldquo; meinte Flitmore: &bdquo;Gewöhnen
-wir uns vielmehr gleich an den Gedanken, daß die Naturgesetze
-unserer kleinen Erdenwelt nicht auf allen Welten gleiche Gültigkeit haben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen allein war sitzen geblieben; er konnte die Reste seines
-Mahles nicht im Stiche lassen, weil zufällig einmal das Wasser aufwärts
-floß, was ja weiter nicht gefährlich sein konnte und ihn daher ziemlich
-kalt ließ.
-</p>
-
-<p>
-Schultze in seiner ratlosen Aufregung über das haarsträubende Wunder,
-das seiner Ansicht nach jedermann alles andere hätte vergessen lassen sollen,
-empörte sich heillos über Münchhausens bodenlose Gleichgültigkeit.
-</p>
-
-<p>
-Er schrie daher den Kapitän etwas unwirsch an: &bdquo;Und Sie können
-dabei noch so ruhig sitzen bleiben und weiter essen, als ob es sich um die
-natürlichste Sache der Welt handle? Wenn Sie Ihren Leib mit solchen
-Massen anfüllen, können Sie zuletzt mit der Last Ihres vollen Magens
-keinen Schritt mehr gehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O,&ldquo; erwiderte Münchhausen seelenruhig und erhob sich; &bdquo;nicht mehr
-gehen, meinen Sie? Hüpfen kann ich, tanzen, springen, wenn Sie wollen,
-das Essen hat mich rein gar nicht beschwert, wie es ja bei meiner Mäßigkeit
-auch nicht anders denkbar ist; im Gegenteil, ich fühle mich noch leichter
-als zuvor, seit ich wieder etwas im Magen habe. Da, sehen Sie!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Und, um zu beweisen, wie leicht er sich fühle, machte der Dicke einen
-für seine Körperverhältnisse sehr gewagten Luftsprung.
-</p>
-
-<p>
-Schultze blickte starr vor Entsetzen, Flitmore sah mit ernster Würde
-drein, aber Heinz, Mietje und John brachen in ein krampfhaftes Gelächter
-aus; denn solch ein Anblick überbot doch alles, was sie je Komisches gesehen.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen schnellte nämlich wohl drei Meter hoch in die Luft: Der
-Luftballon war fertig! Majestätisch schwebte sie in der Höhe, diese menschliche
-Kugel und langsam senkte sie sich wieder herab.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-221" class="pagenum" title="221"></a>
-Da gestattete sich Flitmore, ohne eine Miene zu verziehen, ein Scherzwort:
-&bdquo;Sie sind die reinste Seifenblase geworden, Kapitän,&ldquo; rief er, &bdquo;wenn
-Sie uns nur nicht zerplatzen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen aber langte sprachlos wieder auf der Erde an; er sah
-sich nach allen Seiten um, rieb sich die Augen und war offenbar der
-Meinung, sich in einem Traumzustand zu befinden, da der Traum schon
-öfters sogar seine Körperschwere aufgehoben und ihm den holden Wahn
-vorgetäuscht hatte, er fliege frei und leicht durch die Lüfte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich hab&rsquo;s!&ldquo; rief Heinz: &bdquo;Haben Sie nicht auch Jules Vernes Buch
-&bdquo;Hektor Servadac&ldquo; gelesen, Herr Professor? Da wird ja eine ganz ähnliche
-Erscheinung geschildert, die ganz einfach aus der geringeren Anziehungskraft
-zu erklären ist. Offenbar hat der Planet &bdquo;Eden&ldquo; eine sehr geringe Anziehungskraft,
-weshalb die Schwerkraft wesentlich verringert, beinahe aufgehoben
-wird. Daraus ließe sich dann auch das rätselhafte Verhalten des
-Baches einigermaßen erklären.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Junger Freund,&ldquo; sagte Schultze, &bdquo;auf dieser Erklärung werden Sie
-selber nicht beharren, wenn Sie ein wenig überlegen: mag Anziehungskraft
-und Schwerkraft noch so gering sein, so wird das Wasser doch nimmermehr
-bergauf fließen. Übrigens kann die Anziehungskraft unseres Planeten
-überhaupt keine so geringe sein: seiner Masse nach zu urteilen, müßte sie
-sogar größer sein als die irdische, obgleich ich zugeben will, daß wir über
-das Wesen der Schwerkraft eigentlich so gut wie nichts wissen, also auf
-die Richtigkeit solcher Schlüsse trotz vieler Scheinbeweise nicht bauen können;
-dennoch will ich eher glauben, daß wir sämtlich durch unseren langen
-Aufenthalt in der Sannah so stark mit Fliehkraft geladen sind, daß unsere
-Schwere dadurch beinahe überwunden wird.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Natürlich glaubte der gute Professor selber nicht an eine solche Möglichkeit,
-die überdies das Verhalten des Baches um nichts verständlicher machte;
-aber irgend einen Erklärungsversuch mußte er als Mann der Wissenschaft
-doch beitragen, und wenn in solchem Falle kein gewichtiger zur
-Hand ist, so muß vorerst auch der schwächste genügen, um das wissenschaftliche
-Gewissen zu beschwichtigen, das, wenn irgend möglich, nichts
-Unerklärliches gelten lassen will.
-</p>
-
-<p>
-In diesem Augenblick erschienen Dick und Bobs, die bisher auf eigene
-Faust in der Umgegend Entdeckungen gemacht und sich an den herrlichen
-Früchten der Wälder Edens gelabt hatten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-222" class="pagenum" title="222"></a>
-Und siehe da! Die Schimpansen kamen sozusagen durch die Luft geflogen,
-denn sie machten fünf bis sechs Meter hohe Sätze und mochten mit jedem
-dieser Sprünge ihre 25 Meter zurücklegen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hollah! das ist ja fidel!&ldquo; rief Heinz übermütig: &bdquo;Sind wir alle mit
-derselben Fliehkraft geladen wie die Schimpansen und der Kapitän, so
-können wir ja einen fabelhaften Indianertanz aufführen!&ldquo; Und gleichzeitig
-machte er einen Satz, der ihn drei Meter hoch durch die Luft über die
-Köpfe der andern wegführte.
-</p>
-
-<p>
-Das war ungemein lustig anzusehen, so verblüffend und unglaublich
-es erschien; es war aber auch gar zu verführerisch, an sich selbst zu erproben,
-ob man mit der gleichen wunderbaren Flugfähigkeit begabt sei,
-und so machten auch John und Schultze den Versuch, und selbst Lady
-Flitmore konnte nicht widerstehen, raffte ihr Kleid zusammen und sprang.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, wie herrlich!&ldquo; rief sie.
-</p>
-
-<p>
-In der Tat konnte es ein wonnigeres Gefühl kaum geben, als dieses
-leichte, mühelose Emporsteigen in die balsamischen Lüfte und dann dieses
-sanfte Herabschweben. Alle körperliche Schwere schien abgestreift und wie
-ein freier, beseligter Geist kam man sich vor.
-</p>
-
-<p>
-Der Lord allein stand da und schaute, doch mit sichtlichem Vergnügen,
-den gelungenen Flugversuchen seiner Genossen und seiner Gattin zu; dazwischen
-setzte er den photographischen Apparat in Tätigkeit und machte
-eine Momentaufnahme um die andere.
-</p>
-
-<p>
-Auch Münchhausen beteiligte sich mit Eifer an dem heiteren Gehüpfe,
-nachdem er sich überzeugt hatte, daß es kein Traum war, sondern daß er
-wirklich gleich allen andern eine neue, reizvolle Fähigkeit besaß. Besonders
-ergötzlich erschien sie den Gefährten gerade an ihm, und oft blieben sie
-stehen, um den fidelen Anblick der fliegenden Tonne zu genießen, wobei
-ihnen der biedere Kapitän ihr herzliches aber nie spöttisches oder böse
-gemeintes Gelächter durchaus nicht übel nahm.
-</p>
-
-<p>
-Als nun alle eine Pause machten, rief Münchhausen:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;He, würdiger Lord! Halten Sie allein es unter Ihrer Würde, an
-solchem großartigen Ballett sich zu beteiligen? Das gibt es nicht! Herunter
-von dem Piedestal Ihrer Erhabenheit und hinauf mit Ihnen ins paradiesische
-Luftrevier! Eine geschlagene Viertelstunde bieten wir Ihnen zum
-Ergötzen und zur Erheiterung das niegesehenste Schauspiel, jetzt wollen
-wir unsererseits uns an Ihren Sprüngen weiden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-223" class="pagenum" title="223"></a>
-&bdquo;Ja, Lieber!&ldquo; sagte Mietje: &bdquo;Versuche es doch auch einmal, ich sage
-dir, ein herrlicheres Gefühl kann es nicht geben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore war bei all seiner Würde nicht der Pedant oder Geck, sich
-nicht auch in belustigenden Darbietungen zeigen zu können. Er ließ sich
-nicht lange auffordern, sondern führte eine Reihe so wunderbarer Bockssprünge
-aus, daß begeisterter, wenn auch sehr heiterer Beifall der Zuschauer
-ihn belohnte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jetzt aber,&ldquo; mahnte diesmal Münchhausen zuerst, &bdquo;nach diesen für
-die Verdauung äußerst wohltätigen Übungen, wollen wir doch wohl die
-geplante Entdeckungsreise antreten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John mußte zur Vorsicht, in Erinnerung an das fatale Vorkommnis
-auf dem Saturn, die Türe des Polzimmers schließen, durch das man die
-Sannah verlassen hatte. Einen Wächter zurückzulassen hielt man nicht für
-nötig: Keiner sollte von der vermutlich so interessanten Wanderung ausgeschlossen
-sein.
-</p>
-
-<p>
-Nun ging es zunächst dem engen Taleingang zu, durch den sich der
-Bach heraufwand.
-</p>
-
-<p>
-Jeder der Wanderer hatte eine Tasche umhängen, welche außer Lebensmitteln
-auch ein zusammengerolltes Zelttuch und die auseinandergenommenen
-Aluminiumzeltstangen enthielt.
-</p>
-
-<p>
-Als der Bach durchschritten war, dehnte sich vor den Augen der Wanderer
-eine entzückende Fernsicht aus.
-</p>
-
-<p>
-Zur Rechten setzte sich das Gebirge noch fort in langer Kette von
-kahlen Felsen und bewachsenen Hängen und Gipfeln, allmählich in weiter
-Ferne zu niedrigen Hügelketten herabsinkend, deren Ende in den Horizont
-verlief.
-</p>
-
-<p>
-Von dieser Seite her kam der Bach in sanfter Steigung herauf.
-</p>
-
-<p>
-Geradeaus fiel das Hochgebirge in steilen Stufen ab, die jedoch bei
-einiger Vorsicht den Abstieg gestatteten.
-</p>
-
-<p>
-Zur Linken stürzten die Felswände großenteils senkrecht in bodenlose
-Tiefe.
-</p>
-
-<p>
-Schultze schätzte die Höhe, auf der man sich befand, auf 6000 bis
-7000 Meter.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich bezweifle,&ldquo; sagte er, &bdquo;ob wir in drei Tagemärschen das Tiefland
-erreichen können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-224" class="pagenum" title="224"></a>
-&bdquo;Wir haben durchaus keine Eile,&ldquo; erwiderte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß nicht, wenn uns die Lebensmittel nicht ausgehen,&ldquo; gab der
-Professor zu.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Solche haben wir allerdings bloß auf vier Tage mitgenommen,&ldquo; sagte
-der Lord: &bdquo;Doch zweifle ich nicht, daß die Wälder, die da und dort auf
-unserem Wege liegen, uns genießbare Speise in Hülle und Fülle bieten
-werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist allerdings anzunehmen, und wir werden uns ja bald genug
-davon überzeugen können, ob dem so ist,&ldquo; gab Schultze zu: &bdquo;Andrerseits
-befürchte ich, daß wir dort unten einer ganz unerträglichen Hitze ausgesetzt
-sein werden, da die Temperatur auf diesen Höhen so milde ist, während
-man sie unter ewigem Eis und Schnee begraben erwarten dürfte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das werden wir ja auch sehen,&ldquo; versetzte Mietje: &bdquo;Vorerst werden
-solche Erwägungen uns nicht abhalten dürfen, den Abstieg zu unternehmen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen ließen die Wanderer ihre Blicke weithin schweifen; zunächst
-aber erregte eine Erscheinung in verhältnismäßiger Nähe Heinz&rsquo; Aufmerksamkeit
-und Verwunderung.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Über die Felswände dort drüben,&ldquo; sagte er und wies zur Linken,
-&bdquo;stürzt sich ein mächtiger Wasserfall herab: ich meine doch, die Wasser Edens
-fließen bergauf?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wirklich!&ldquo; rief Schultze: &bdquo;Das Gewässer tobt und rast, schäumt und
-schießt in die Tiefe, ganz wie auf der Erde! Da hört sich doch alle Wissenschaft
-auf!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen lachte herzlich: &bdquo;Da haben wir&rsquo;s einmal wieder!&ldquo; sagte
-er: &bdquo;Vor kaum einer Stunde gebärdete sich der Professor wie rasend, weil
-einmal ein Bach bergauf fließt, und jetzt erscheint es ihm bereits unbegreiflich,
-wieso einer bergab fließen könne!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja,&ldquo; sagte Schultze gekränkt, &bdquo;das gebietet doch die Vernunft: sind
-hier einmal die Naturgesetze auf den Kopf gestellt, so muß das doch auch
-für alle Fälle gelten, aber einmal so, einmal anders, das ist wissenschaftlich
-einfach unzulässig.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nanu! Hier soll eben Ihre Wissenschaft vollends gründlich zu Schanden
-werden,&ldquo; lachte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-In der fernen Ebene konnte man Hügel und Täler, Flüsse und Seen
-erkennen. Unter anderem auch einen sehr großen See mit mehreren
-Inseln.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-225" class="pagenum" title="225"></a>
-Zur Linken war die Meeresküste nicht sehr fern: mit teils steilen, teils
-sanft geneigten, stellenweise auch ganz flachen Ufern zog sie sich bis zum
-Horizont hin, durch Buchten und Fjorde, Landzungen und Vorgebirge, in
-wunderbarer Schönheit gezeichnet, gezackt und geschwungen und öfters
-scharf eingeschnitten.
-</p>
-
-<p>
-Auch mehrere Inseln tauchten aus den Fluten des Ozeans auf, darunter
-sehr ausgedehnte und manche mit Gebirgsmassen von erstaunlicher Höhe,
-die wie dunkle Riesen drohend emporragten.
-</p>
-
-<p>
-Schneegipfel waren nirgends zu erkennen.
-</p>
-
-<p>
-Die Hügelketten und Berge des Flachlandes schienen meist bewaldet
-oder mit saftiggrünen Matten bedeckt zu sein. Durch das Fernglas konnte
-man Waldungen und Wiesenflächen, oft weite Prärien auch in der Ebene
-unterscheiden. Große Strecken machten den Eindruck bebauten Landes;
-doch konnte dies auf so weite Entfernung nicht mit Sicherheit festgestellt
-werden.
-</p>
-
-<p>
-Spuren von menschlichen Ansiedelungen waren nicht zu entdecken; wohl
-aber merkwürdige Felsbildungen in den Tälern und Ebenen, wie auch auf
-einzelnen Höhen: Blöcke, Türme, Zacken und Schroffen, die vereinzelt aufstrebten,
-aber meist so dicht beieinander standen, daß sie den Eindruck von
-Dörfern und Städten dem unbewaffneten Auge leicht vortäuschten.
-</p>
-
-<p>
-Soweit orientiert, begannen unsere Freunde den Abstieg in gerader
-Richtung, da sich rechts die Höhenzüge unabsehbar hinzogen, links aber
-senkrecht standen.
-</p>
-
-<p>
-Hier, geradeaus, war es möglich hinunterzukommen; doch Vorsicht
-mußte geübt werden, da es an jähen Abstürzen nicht mangelte.
-</p>
-
-<p>
-Als sie mit dem Abwärtsklettern begannen, hatten sie wieder das
-gleiche Gefühl, wie am Morgen, als sie auf der Strickleiter die Sannah
-verließen: es schien ihnen, als koste jeder Schritt eine besondere Anstrengung,
-als gälte es ein unsichtbares Hindernis zu überwinden, ja, als gehe es
-nicht eigentlich bergab, sondern sehr steil aufwärts; aber die Anstrengungen
-ermüdeten nicht, sondern erregten vielmehr ein besonderes Vergnügen, als
-tue hier dem ausgeruhten Körper die Mühe so wohl, wie sonst die Ruhe
-dem erschöpften Leibe tut.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kapitän, nehmen Sie sich in acht!&ldquo; rief plötzlich Schultze besorgt: &bdquo;Sie
-werden noch abstürzen mit Ihrer Tollkühnheit, Ihr Bauch kriegt das
-Übergewicht!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-226" class="pagenum" title="226"></a>
-&bdquo;Pah!&ldquo; rief Münchhausen zurück, der hart am Rande einer Felswand
-stand, die beinahe überhängend an die 50 Meter abstürzte. &bdquo;Ich spüre
-keinen Hauch von Schwindel, obgleich ich sonst durchaus nicht schwindelfrei
-bin, seit ich an Alter und Umfang zunehme. Schwindel ist ja eigentlich
-eine Schande für einen alten Seebär, und ich freue mich ordentlich, ihn
-hier los zu sein. Übrigens kriegt mein Bauch niemals das Übergewicht,
-er ist ja so leicht wie ein Luftballon, wie Sie jetzt wissen dürften.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Dabei machte der Unvorsichtige eine ungeschickte Bewegung, die an
-solch ausgesetzter Stelle lebensgefährlich war, und tatsächlich, er glitt aus
-und stürzte ins Leere.
-</p>
-
-<p>
-Ein Schrei des Entsetzens entfuhr aller Munde, nur der Lord blieb
-stumm; aber die Leichenblässe, die sein Antlitz überflog, verriet, daß er
-nicht minder erschrocken war als die andern.
-</p>
-
-<p>
-Der Sturz ins Leere war übrigens nur der unwillkürliche Gedanke, der
-den erschreckten Zuschauern hatte kommen müssen: in Wahrheit erfolgte
-gar kein Sturz, sondern Münchhausen, der selber erbleichte, als er den
-Boden unter den Füßen verlor, schwebte sanft hinab und landete nach etwa
-10 Sekunden am Fuße des Felsens, ohne auch nur mit den Füßen hart
-aufzustoßen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore fand zuerst seine Fassung wieder: &bdquo;Wie schwer können wir
-uns doch von alt eingewurzelten Vorstellungen losmachen!&ldquo; sagte er. &bdquo;Haben
-wir es nicht selber erst vor Kurzem zur Genüge erprobt, wie leicht die
-Luft hier unsere Körper trägt, wie schnell wir emporkommen und wie gemächlich
-das Niedersinken erfolgt? Und doch konnten wir die Folgerungen
-daraus nicht ziehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, das ist doch etwas anderes,&ldquo; meinte seine Gattin: &bdquo;Vom ebenen
-Boden aufspringen erscheint gefahrlos, nicht aber von einer Anhöhe in
-einen Abgrund setzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und doch ist es nichts anderes, da wir ja so hoch sprangen, daß
-unter irdischen Bedingungen der Sturz auf den Erdboden zurück verhängnisvoll
-hätte werden müssen,&ldquo; entgegnete der Lord.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, Toren sind wir!&ldquo; bestätigte Schultze: &bdquo;Da plagen wir uns mit
-einem beschwerlichen Abstieg, der zwar nicht ermüdet, aber äußerst langwierig
-werden muß, und könnten doch wissen, wie leicht wir hier schwebend
-hinab können. Nun aber man los!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-227" class="pagenum" title="227"></a>
-Aber der Professor mußte nun an sich selber erfahren, daß Lady Flitmore
-doch nicht so unrecht gehabt hatte mit ihrer Bemerkung; denn als er den
-weniger schroffen Seitenhang verließ und an den Rand der jähen Felsmauer
-trat, wagte er doch nicht den Sprung ins Leere: die neue Erkenntnis
-konnte nicht so schnell die Scheu vor solchem Wagnis überwinden.
-</p>
-
-<p>
-Da trat Flitmore vor und ohne zu zögern machte er den entscheidenden
-Schritt. Und siehe da! er schwebte so gelinde hinab wie der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-Natürlich! Das mußte doch so sein!
-</p>
-
-<p>
-Mietje folgte ihrem Gatten auf dem Fuße, wie sie es auch getan hätte,
-wenn es sich um eine weniger unbedenkliche Sache gehandelt hätte.
-</p>
-
-<p>
-Da schämte sich Schultze seiner Schwäche und hüpfte hinaus, noch ehe
-Heinz und John mit Dick und Bobs heran waren.
-</p>
-
-<p>
-Bald waren alle um Münchhausen versammelt und schüttelten ihm anerkennend
-die Hand, als ob es Absicht und Wagemut gewesen wäre, die ihn
-veranlaßt hätten, ihnen das dankenswerte Beispiel zu geben.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-43">
-<a id="page-228" class="pagenum" title="228"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />40. Eine neue Tierwelt.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Nun ging der Abstieg rasch von statten, weil er nur noch in Luftsprüngen
-vollzogen wurde und bei steilen Absätzen in einem Hinabschweben, das dem
-Fluge gleich kam.
-</p>
-
-<p>
-Diese Art der Fortbewegung hatte überdies etwas so ungemein Reizendes
-und Wohliges, daß die Stimmung so angeregt und heiter war, wie kaum
-je die glänzendste Feststimmung auf der alten Erde.
-</p>
-
-<p>
-Man war schon ziemlich weit unten, als die erste Rast gemacht wurde,
-nicht etwa um auszuruhen, denn von Ermattung spürte niemand etwas,
-sondern weil der Kapitän erklärte, es sei wieder hohe Zeit zu einem Imbiß.
-</p>
-
-<p>
-Außerdem verlangte auch Schultze einen Aufenthalt, da man den ersten
-Wald erreicht hatte, dessen Pflanzen- und Tierwelt er näher in Augenschein
-nehmen wollte; denn der liebliche Vogelgesang und sonstige Laute, die aus
-dem Walde ertönten, bewiesen, daß hier Leben zu treffen sei, während das
-paradiesische Tal auf der Höhe trotz seiner wunderbaren Schönheit kein
-lebendes Wesen zu beherbergen schien, wenigstens hatte sich keines blicken
-lassen.
-</p>
-
-<p>
-Die Baumstämme, die der Professor beim Betreten des Waldes zunächst
-untersuchte, zeigten ein festes und zähes Gefüge; ob man aber den Stoff,
-aus dem sie sich aufbauten, Holz nennen sollte, erschien sehr zweifelhaft,
-denn es war ein durchsichtiger Stoff wie Harz oder Bernstein, das heißt
-eben nur seiner Durchsichtigkeit nach; sonst war er faserig wie Holz und
-ließ sogar Schichtungen gleich Jahresringen erkennen, die Rinde jedoch
-bestand nur aus einer dünnen, zähen Haut, die völlig transparent war.
-</p>
-
-<p>
-Die Färbung dieser Stämme ging vom Goldgelben bis zum Dunkelbraunen,
-vom Kristallklaren bis zum Silberweißen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-229" class="pagenum" title="229"></a>
-Die Blätter waren meist grün in den verschiedensten Abstufungen, auch
-gelb oder rötlich und unterschieden sich in der Färbung nicht wesentlich von
-den irdischen; nur waren sie eben auch durchsichtig und dann von den verschiedensten
-anmutigen Formen, vielfach gehäkelten Spitzen ähnlich.
-</p>
-
-<p>
-An Schatten fehlte es nicht, trotz der Durchsichtigkeit des Laubes und
-der Stämme: Die Dichtigkeit der Kronen schwächte das Licht an vielen
-Stellen derart, daß nur ein schwacher Farbenschimmer auf dem Boden spielte,
-der im Vergleich zu den lichteren Stellen als tiefer aber bunter Schatten
-erschien.
-</p>
-
-<p>
-Auch Nadelbäume fanden sich, und diese waren von ganz besonderem
-Reiz, weil ihre feinen Nadeln, die wie von Glas aussahen, je nach der
-Art alle Regenbogenfarben aufwiesen. So konnte man von roten, gelben,
-rosafarbenen, orangeroten, violetten, goldenen, silbernen, himmelblauen und
-dunkelblauen Tannen und Fichten reden, wenn man diese irdischen Namen
-auf die Nadelhölzer Edens übertragen wollte.
-</p>
-
-<p>
-Kein Baum war ohne eßbare Früchte; auch diese waren alle durchsichtig
-und völlig genießbar, wie die Schimpansen bewiesen, die alle samt
-den Kernen verzehrten.
-</p>
-
-<p>
-Die Früchte waren von verschiedenster Größe und Färbung; vom Umfang
-eines Riesenkürbisses bis zu dem einer Pflaume waren alle Zwischenstufen
-vertreten. Bei den größten glich oft der Kern schon einer Kokosnuß.
-Diese Kerne waren meist mehlreich und sehr nahrhaft; sie konnten
-Zwieback und Brot vollständig ersetzen und schmeckten weit kräftiger und
-angenehmer als diese.
-</p>
-
-<p>
-Das Fruchtfleisch war meist sehr saftig und genügte, jedes Durstgefühl
-zugleich mit dem Hunger zu stillen; bei etlichen Arten war es zuckersüß,
-bei andern ohne Süßigkeit, stets aber aromatisch und von entzückendem
-Wohlgeschmack; die Nadelbäume trugen eßbare Zapfen von ziemlicher Trockenheit,
-die teilweise an Schokolade, teilweise zu ihrem unbedingten Vorteil
-an nichts Irdisches erinnerten.
-</p>
-
-<p>
-Schließlich entdeckten unsre Freunde noch, daß auch die Zweige und
-Blätter der Bäume und Büsche eßbar waren. Auch dies wurde ihnen
-durch das Behagen verraten, mit dem Dick und Bobs sie zerknabberten.
-</p>
-
-<p>
-Gewöhnlich entsprach ihr Geschmack so ziemlich dem der Frucht, doch
-eine angenehme Säure gab ihm eine willkommene Abwechslung.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-230" class="pagenum" title="230"></a>
-Ganz besonders begeistert war Münchhausen von der Entdeckung einer
-oder vielmehr einiger Arten von Früchten, die er alsbald &bdquo;Grogfrüchte&ldquo;
-benannte, und die er fortan mit wunderbarem botanischen Scharfblick sofort
-überall herauserkannte. Es waren dies eigentlich Beeren, aber Riesenbeeren
-von Orangengröße, die an niederen Stauden wuchsen. Schon Stengel und
-Blätter dieser Büsche fühlten sich warm, beinahe heiß an; die Beeren enthielten
-einen wirklich heißen, würzigen Saft von unterschiedlichem Aroma,
-der sehr stark roch und schmeckte, als sei es tatsächlich Grog oder Punschbowle;
-er stieg jedoch nicht zu Kopf, übte dagegen eine ungemein belebende
-und kraftschwellende Wirkung aus.
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän unterschied zwischen steifen und weniger steifen Grogfrüchten;
-den ersteren gab er bei weitem den Vorzug.
-</p>
-
-<p>
-Natürlich lernten unsre Freunde nicht alle diese Genüsse auf einmal
-kennen: die Menge und Mannigfaltigkeit war zu groß; aber es dauerte
-verhältnismäßig kurze Zeit, bis sie alles durchgekostet hatten und nun nach
-Lust und Belieben ihre Wahl treffen konnten; denn sie dachten nicht mehr
-daran, irgend welche andre Nahrung zu sich zu nehmen, als die, welche
-ihnen Edens Wälder und Gefilde boten und die durch nichts weder an
-Güte noch Bekömmlichkeit zu übertreffen schien.
-</p>
-
-<p>
-Giftpflanzen oder irgendwie schädliche Gewächse gab es auf diesem
-gesegneten Planeten anscheinend überhaupt nicht.
-</p>
-
-<p>
-Gleich beim Eintritt in den Wald machten sie auch Bekanntschaft mit
-dessen Insekten- und Vogelwelt.
-</p>
-
-<p>
-Erstere zeigte nichts Widerliches oder Schreckliches, es waren harmlose
-Käfer und Kriechtiere, Mücken und Schmetterlinge, die sich sowohl durch
-schöne Formen wie durch prächtige Farben auszeichneten und als besondere
-Merkwürdigkeit eine ähnliche Transparenz zeigten wie die Pflanzen und
-Blüten. Sie glitzerten, schimmerten und schillerten, blitzten, flimmerten und
-flirrten wie leuchtende Edelsteine.
-</p>
-
-<p>
-Die Vögel hatten kein Gefieder, sondern bloß ein buntes Flaumkleid,
-das aber lebhaft gefärbt und wunderbar schön gezeichnet war; auch ihre
-Flügel waren federlos und konnten im Bau am ehesten mit Schmetterlingsflügeln
-verglichen werden, nur daß sie ebenfalls mit Flaum behaart und
-im Ruhezustand nicht emporgerichtet, sondern an den Leib angelegt waren,
-auch die entsprechende Wölbung zeigten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-231" class="pagenum" title="231"></a>
-Wo Menschen beinahe fliegen konnten, mußten sich diese Vögel auch
-mit so einfachen Flugwerkzeugen bis in die höchsten Höhen erheben können.
-</p>
-
-<p>
-Alles in allem, eigentümlich war auch die Vogel- und Insektenwelt
-Edens; aber so ganz fremdartig erschien sie den Erdenbewohnern doch nicht,
-und vor allem, sie hatte nichts Abstoßendes, Unheimliches oder Gefährliches,
-im Gegenteil hervorragende Reize, die Auge und Herz erfreuten.
-</p>
-
-<p>
-Ganz besonders galt das letztere, das Herzerfreuende, von dem ungemein
-lieblichen Gesang der Vögel, mit dem weder die Nachtigall noch sonst
-ein gefiederter Sänger der Erde wetteifern konnte. Das waren richtige
-Melodien, die da ertönten, und zwar erhebende und einschmeichelnde Weisen!
-Man hätte wohl kaum die Arten nach ihren melodischen Motiven unterscheiden
-können, höchstens an der Klangfarbe ihres Organs, denn keine
-Art war an besondere Tonfolgen gebunden: es war ein wirklich individuelles
-Konzert; jeder war Komponist und beherrschte die ganze Tonleiter und
-brachte immer neue, einfache, aber doch bezaubernde Weisen hervor, und
-nie tönten diese von verschiedenen Seiten störend durcheinander; es schien,
-als werde der jeweilige Einzelsänger respektiert und die andern begleiteten
-ihn nur mit harmonischen Untertönen.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-231">
-<a id="page-232" class="pagenum" title="232"></a><img src="images/231.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Löwe auf Mietjes Schoß.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Noch nicht lange hatten unsre Freunde diesen Zauberflöten gelauscht,
-sich gleichzeitig an den ersten köstlichen Früchten erlabend und die lebendigen
-Edelsteine bewundernd, die im durchsichtigen Moose umherkrochen und hüpften,
-oder von Blume zu Blume schwirrten, als plötzlich Mietje einen leisen
-Schrei ausstieß.
-</p>
-
-<p>
-Alle wandten sich nach ihr hin, denn bisher hatte jeder seine eigenen
-Beobachtungen angestellt.
-</p>
-
-<p>
-Aber was sahen sie nun!
-</p>
-
-<p>
-Ein großer Vierfüßler, am ehesten einem riesigen Löwen vergleichbar,
-war lautlos in die Lichtung getreten und hatte ohne weiteres sein mächtiges,
-mähnenumwalltes Haupt auf ihren Schoß gelegt!
-</p>
-
-<p>
-Und Lady Flitmore? Sie streichelte ihn!
-</p>
-
-<p>
-Der erste Schrecken, den das Erscheinen des gewaltigen Tieres natürlich
-in ihr erwecken mußte, hatte ihr den leichten Ausruf entlockt; sie hatte
-den Löwen, wie ihn später unsre Freunde der Ähnlichkeit halber nannten,
-aber erst bemerkt, als er unmittelbar von der Seite her an sie herantrat
-und ehe sie noch aufspringen oder sich irgend besinnen konnte, hatte das
-Tier sich schon niedergelegt, den Kopf in ihren Schoß schmiegend.
-</p>
-
-<p>
-Wie es nun mit den großen, klugen und so sanften, harmlosen Augen
-zu ihr aufblickte, war eine solche Ruhe über sie gekommen und zugleich
-ein solches Wohlgefallen an dem schönen, stolzen und anscheinend so gutmütigen
-Geschöpf, daß sie unwillkürlich begann, dies anschmiegende königliche
-Haupt zu streicheln und zu liebkosen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore, besonnen, wie er meist auch in den gefährlichsten Augenblicken
-war, erhob sich ganz langsam, um das Tier nicht zu erschrecken, dessen
-vermutlich wilde Natur ja immer noch zum Ausbruch kommen konnte.
-</p>
-
-<p>
-Er zog für alle Fälle den Revolver und ging sachte auf seine Gattin
-zu; der Löwe erhob das Haupt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Laß ihn!&ldquo; bat Mietje den Gatten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich tue ihm nichts, wenn er nicht gefährlich wird,&ldquo; beruhigte sie
-der Lord.
-</p>
-
-<p>
-Dabei legte er dem Löwen die Linke auf das Haupt.
-</p>
-
-<p>
-Das Tier sah ihn nur an.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt griff ihm der Lord unter den Kiefer, stets bereit, ihm eine Kugel
-ins Auge zu jagen, sobald er böse Absichten zeigen würde.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-233" class="pagenum" title="233"></a>
-Das Tier aber zeigte sich verständig und lenksam. Ein leiser Druck
-genügte, es sich erheben zu lassen, und ein schwacher Schub von der Seite
-her veranlaßte es, ganz gemütlich umzukehren und wieder im Walde zu
-verschwinden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ach!&ldquo; sagte Mietje. &bdquo;Ich bin ganz froh!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das glaube ich, Lady,&ldquo; fiel Schultze ein, &bdquo;wahrhaftig, das glaube
-ich, daß Sie froh sind, dieses gefährliche Raubtier auf so gute Art los
-geworden zu sein; wir alle haben für Sie gezittert und gebebt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein!&ldquo; sagte Mietje: &bdquo;Sie mißverstehen mich, Herr Professor; dieses
-gutmütige Geschöpf flößte mir nur im ersten Augenblick einen kleinen
-Schrecken ein, ehe ich seine Harmlosigkeit aus seinen Augen erkannte. Nein,
-nein also! Ich wollte sagen, ich bin so froh, daß auch die Säugetiere auf
-diesem, Planeten denen auf der Erde gar nicht so unähnlich zu sein scheinen.
-Ich weiß nicht, aber auf dem Mars und dem Saturn kam mir die Welt
-ganz unheimlich vor, und das war doch noch in unserm Sonnensystem. Da
-war ich schon darauf gefaßt, wenngleich ohne mich darauf zu freuen, daß
-es in der entfernten Fixsternwelt noch weit seltsamer und grauenvoller
-aussehen werde.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Glück,&ldquo; meinte Münchhausen, &bdquo;daß, sofern wir aus dem Geschauten
-weitere Schlüsse ziehen dürfen, diese Tierwelt Edens wenigstens an Raubgier,
-Blutdurst und damit an Gefährlichkeit der irdischen Raubtierwelt bei
-weitem nachzustehen scheint.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lassen wir die Vorsicht nicht aus den Augen,&ldquo; mahnte Flitmore.
-&bdquo;Diesmal lief es gut ab; doch niemand kann uns gewährleisten, daß wir
-nicht bedenklichere Begegnungen erleben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Vor den Löwen Edens fürchte ich mich schon nicht mehr,&ldquo; meinte die
-Lady zuversichtlich. &bdquo;Das wäre ja schnöder Undank und verwerfliches
-Mißtrauen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Beim Weiterwandern durch den Wald wurden noch zahlreiche Vertreter
-der Säugetierwelt angetroffen; doch zunächst lauter harmlos aussehende
-Geschöpfe, die sich alle durch auffallende Schönheit und Lieblichkeit auszeichneten.
-Das verstand sich aber nicht bloß von der Färbung und prächtigen
-Zeichnung der Felle und der Anmut und Eleganz der Glieder, sondern
-namentlich von den Gesichtszügen, deren kluger Ausdruck und ungemein
-freundlicher Blick sofort für sie einnahm. Da waren Tiere, die an den
-Hirsch, das Reh, das Zebra, die Antilope, die Giraffe, das Pferd, an Hunde,
-<a id="page-234" class="pagenum" title="234"></a>
-Katzen und Eber erinnerten oder an andere irdische Arten; aber alle übertrafen
-ihre Erdenvettern durch die Vollkommenheit ihrer Formen, den Reiz
-ihres Haarkleides und die Schönheit ihrer sanften Angesichter. Irgendwelche
-Scheu schien ihnen völlig unbekannt.
-</p>
-
-<p>
-Plötzlich blieb John starr und regungslos stehen.
-</p>
-
-<p>
-Vor ihm bäumte sich eine große Schlange mit wunderbar schillerndem
-bunten Leibe empor. Er war auf sie getreten und erwartete nun jeden
-Augenblick den Biß des Reptils, das sich krümmte und wand und den mit
-scharfen Zähnen bewehrten Rachen schmerzvoll aufsperrte:
-</p>
-
-<p>
-In der Betäubung des Schreckens dachte er gar nicht daran, wegzutreten,
-um das Tier von seiner Last zu befreien und vielleicht seiner Rache
-zu entgehen.
-</p>
-
-<p>
-Nun wand sich der leuchtend gestreifte Leib an seinen Beinen empor
-und wieder hinab; aber die Schlange biß nicht, sondern stöhnte nur.
-</p>
-
-<p>
-Ein Zuruf Flitmores brachte John endlich zur Besinnung; er sprang
-zur Seite, und das Reptil, vom Gewicht seines schweren Fußes befreit,
-glitt lautlos an ihm hinab und kroch langsam davon.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wahrhaftig, hier scheint auch das giftigste Geschöpf seine Schrecken
-verloren zu haben,&ldquo; rief Schultze: &bdquo;So hättest du einer irdischen Schlange
-mal kommen sollen, Johann! Da wärest du nicht ohne Schaden davongekommen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun trat die Gesellschaft hinaus in die glitzernde Savannah, aber erstaunt,
-erschrocken und zugleich entzückt hemmten sie den Fuß.
-</p>
-
-<p>
-Was für kolossale Tiere weideten da! Mammutähnliche Elefanten,
-Einhörner, den Fabelwesen alter Sagen gleich, Büffel und Giraffen, Kamele,
-Riesenbären, gefleckte und gestreifte Tigerkatzen, Panther und Leoparden,
-Löwen und Wölfe, Schafe und Ziegen wanderten da umher, miteinander
-und durcheinander, und weideten friedlich und gemütlich die durchsichtigen
-Halme ab oder langten sich Früchte von den hohen Stauden und den
-Bäumen am Waldsaume.
-</p>
-
-<p>
-Das war eine unabsehbare bunte Herde, die sich hier tummelte und
-labte, in der weiten Ebene zerstreut!
-</p>
-
-<p>
-Wohlgemerkt, diese Geschöpfe zeigten eine so in die Augen fallende
-Ähnlichkeit mit den genannten irdischen Arten, daß unsre Freunde nicht in
-Verlegenheit kamen, ihnen sofort die entsprechenden Namen beizulegen;
-andrerseits aber wiesen sie doch wieder wesentliche Unterscheidungsmerkmale
-<a id="page-235" class="pagenum" title="235"></a>
-auf, namentlich auch wieder dadurch, daß sie eine höhere, edlere Stufe darzustellen
-schienen, oder, wie Mietje sich ausdrückte, es war die Tierwelt
-der Erde, zum Teil mit ihren ausgestorbenen Arten, in idealisierter, vollkommenerer
-Form.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-235">
-<img src="images/235.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-John tritt auf eine Schlange.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-&bdquo;Wagen wir uns wohl da mitten durch?&ldquo; fragte Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Voran!&ldquo; kommandierte der Lord: &bdquo;Von diesen Geschöpfen droht uns
-keine Gefahr.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-236" class="pagenum" title="236"></a>
-Heinz aber bemerkte: &bdquo;Immer mehr rechtfertigt dieser Planet den
-Namen, den wir ihm beim ersten Anblick beilegten. Ist das nicht das
-Paradies, wie die kühnste Phantasie es nur träumen kann und wie es der
-Prophet Jesaja so wunderlieblich beschreibt?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings! Jesaja im elften Kapitel, im sechsten bis neunten Vers,
-sowie im letzten Verse des fünfundsechzigsten Kapitels wird uns das Bild
-beschrieben, das wir hier schauen,&ldquo; bestätigte der bibelfeste Lord.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und wie sagt der 114. Psalm?&ldquo; fügte seine nicht minder beschlagene
-Gattin hinzu: &bdquo;Die Berge hüpfeten wie die Lämmer, die Hügel wie die
-jungen Schafe. Mir machte diese Stelle stets den Eindruck des Allzuunwahrscheinlichen,
-aber meint man hier nicht wahrhaftig, Berge und Hügel hüpfen
-zu sehen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Wenn man sah, welche meterhohen Sätze die Mammute und andre
-Riesentiere mit spielender Leichtigkeit ausführten, und mit welch offenbarer
-Lust sie sich von Zeit zu Zeit an diesen seltsamen Luftsprüngen ergötzten,
-so mußte man Mietje recht geben: das waren tanzende Berge und hüpfende
-Hügel! Und dieses sonderbare Schauspiel gab dem so herzerhebenden Bilde
-friedlicher Eintracht sein erheiterndes Gepräge. Aber der Humor wirkte
-hier durchaus nicht als Herabwürdigung des Erhabenen, sondern nur als
-Verklärung des beseligenden Gefühles, das die paradiesische Szene in den
-Herzen der Wanderer erweckte.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-44">
-<a id="page-237" class="pagenum" title="237"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />41. Eine paradiesische Nacht.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Wie ein Märchentraum erschien die Wanderung durch diesen blütenreichen
-Edengarten unsern Freunden.
-</p>
-
-<p>
-Sie scheuten sich bald nicht im mindesten, selbst die gewaltigsten und
-raubtierähnlichsten der Tiere zu berühren und zu streicheln, was diese verständnisvoll
-und mit einer gewissen Zärtlichkeit erwiderten, sei es, daß sie
-die liebkosenden Hände sanft leckten, sei es, daß sie mit Haupt oder Rüssel sich
-herabneigend den fremden Freunden anschmiegend ihr Wohlwollen zu erkennen
-gaben; und dabei mäßigten sich auch die behendesten, muskelkräftigsten und
-massigsten dieser Geschöpfe so rücksichtsvoll in ihren Bewegungen, daß man
-daraus die bewußte Sorgfalt erkennen konnte, ja keinen Schaden zuzufügen.
-</p>
-
-<p>
-Hätte etwa so ein Mammut mit seinem Rüssel eine etwas temperamentvolle
-Liebesbezeugung ausführen wollen, wie er es seinen Kameraden oder
-Familiengliedern gegenüber tat, so wäre selbst Münchhausens solide Masse
-zu Boden geschleudert worden.
-</p>
-
-<p>
-Aber alle diese Tiere wußten das richtige Maß einzuhalten.
-</p>
-
-<p>
-Die zweite Sonne neigte sich ihrem Untergange zu, &mdash; die erste war schon
-vor einer Stunde hinter dem Horizont verschwunden, &mdash; als unsre Freunde
-endlich daran dachten, ihr Lager aufzuschlagen.
-</p>
-
-<p>
-Die Früchte des Waldes hatten Hunger und Durst so nachhaltig gestillt,
-daß selbst der Kapitän während der stundenlangen, meist sprungweise ausgeführten
-Wanderung, kein einzigesmal die Notwendigkeit einer Mahlzeit
-betont hatte. Und dabei war er einer der eifrigsten im Hüpfen, wobei es
-ihm ganz besonderen Spaß machte, über den hohen und breiten Rücken der
-größten Kolosse hinwegzusegeln.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-238" class="pagenum" title="238"></a>
-Auch während des Aufschlagens der Zelte zeigte er sich noch unermüdlich
-in Ausübung dieses erheiternden Sports; denn um den Lagerplatz herum
-weideten just einige riesige Pelzelefanten.
-</p>
-
-<p>
-John und Heinz pflöckten die Zelte ein, während die übrigen der Zirkusvorstellung
-zuschauten, die Münchhausen gab, mehr zu seinem eigenen Vergnügen,
-als um seine Gefährten zu belustigen.
-</p>
-
-<p>
-Lautes Bravo und stürmisches Beifallsklatschen belohnten seine gelungensten
-Sprünge.
-</p>
-
-<p>
-Die Glanznummer der Vorstellung aber bildete ein Kunststück, das er
-zum Schlusse noch vorführte, und zwar ganz gegen seine Absicht, es stand
-durchaus nicht in seinem Programm!
-</p>
-
-<p>
-Er hatte sich hinter einem gewaltigen Mammutbullen aufgestellt und
-schnellte empor, um den Riesen in seiner ganzen Länge zu überspringen.
-</p>
-
-<p>
-Nun fiel es aber im selben Augenblick dem Mammut ein, seinerseits
-einen Luftsprung zu machen, und so kam es, daß Münchhausen mitten in
-seiner Luftreise auf den Rücken des emporsegelnden Tieres zu stehen kam.
-</p>
-
-<p>
-Eine Sekunde lang ritt er so als echter Kunstreiter stehend durch die
-Luft; doch hatten seine Füße keinen festen Halt, er schwankte und wäre
-kopfüber hinabgestürzt, hätte er nicht die Geistesgegenwart gehabt, die
-kurzen Beine auszuspreizen, sodaß er alsbald rittlings auf dem seltenen
-Reittier saß.
-</p>
-
-<p>
-Es war ein großartiges Bild! Der Lord versäumte nicht, es auf einer
-photographischen Platte zu verewigen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Koloß auf dem andern!&ldquo; jubelte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-John und Heinz hielten in der Arbeit inne, um das unvergleichliche
-Schauspiel mitzugenießen.
-</p>
-
-<p>
-Stolz um sich blickend, als habe er einen Drachen gebändigt und mit
-kühner Absicht zu einer Luftfahrt bestiegen, so saß der Kapitän oben auf
-dem kolossalen Dickhäuter, einer Kugel gleich, die kurzen Beine wagrecht
-ausgestreckt, da er mit ihnen den breiten Rücken des Ungetüms nicht umklammern
-konnte.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt landete Freund Mammut und mit einer Gewandtheit, die ihm
-niemand zugetraut hätte, sprang Münchhausen auf die Beine und setzte mit
-elegantem Schwunge von der Höhe herab auf den Erdboden. Jubel und
-Lachen und nicht endenwollendes Beifallklatschen empfingen ihn nach solchem
-Bravourstück, so daß das Mammut sich verwundert umsah und die Mähne
-<a id="page-239" class="pagenum" title="239"></a>
-schüttelte, es mochte denken: &bdquo;Bei denen ist es auch nicht mehr ganz richtig
-im Oberstübchen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun half Mietje John und Heinz Früchte einsammeln für das Nachtessen,
-denn an solchen fehlte es nicht in der Nähe, und die verschiedenen
-Grogfrüchte sollten den warmen Tee vorteilhaft ersetzen.
-</p>
-
-<p>
-Es dämmerte, als man sich zum Imbiß lagerte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun,&ldquo; sagte Münchhausen, &bdquo;Sie meinten, wir würden drei Tage
-brauchen, um die Ebene zu erreichen, verehrtes Professorchen! Wir haben
-sie nicht nur erreicht, sondern schon ein gutes Stück durchwandert am
-ersten Marschtage.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Kunststück!&ldquo; meinte Schultze. &bdquo;Ich dachte an eine irdische Fußwanderung,
-Schritt für Schritt; nachdem aber Sie, erfindungsreicher Seebär, uns als
-lebendiger Luftballon die geniale Kunst der Hüpf- und Schwebereise vorgemacht
-und beigebracht haben, hätten wir noch viel weiter kommen können,
-wenn wir uns nicht so viel unterwegs aufgehalten hätten. Auch ist die
-Länge des Tags in Betracht zu ziehen, der, wie ich hiemit feststelle, vom
-Aufgang der ersten bis zum Untergang der zweiten Sonne volle 27 Stunden
-gedauert hat!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Merkwürdig, daß wir uns so gar nicht müde fühlen,&ldquo; bemerkte
-Mietje, &bdquo;nach einem so langen und ereignisreichen Tag. Ich wenigstens
-fühle keine Spur von Ruhe- oder Schlafbedürfnis.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So scheint es uns allen zu gehen,&ldquo; meinte der Lord. &bdquo;Ich glaube,
-wir haben uns eben schon der Eigentümlichkeit des Planeten angepaßt;
-dazu mag uns die köstliche Luft und die erfrischende, belebende Kraft der
-Früchte geholfen haben; wir werden wohl hier dauernd weit leistungsfähiger
-sein als auf der Erde, entsprechend den doppelt so langen Tagen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Brauchen wir gar nicht,&ldquo; warf der Kapitän ein, &bdquo;wozu solch&rsquo; kolossale
-Leistungsfähigkeit, da einen hier alles so gar nicht anstrengt noch ermüdet?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich habe nur eine Sorge,&ldquo; sagte Heinz. &bdquo;Wie werden wir die lange
-Nacht herumbringen, die doch von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang
-23 Stunden währt, wenn wir so gar nicht müde sind?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir legen uns eben erst schlafen, wenn wir das Bedürfnis dazu
-fühlen,&ldquo; schlug Mietje vor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Einverstanden!&ldquo; stimmte der Professor zu. &bdquo;Wir pflegen der Unterhaltung
-und studieren die Wunder der Nächte Edens, bis es uns Zeit
-scheint zur Ruhe zu gehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-240" class="pagenum" title="240"></a>
-&bdquo;Wertester Herr Professor,&ldquo; fragte nun John, &bdquo;welche Jahreszeit dürften
-wir hier wohl haben? Nach den Blüten sieht es wie Frühling aus, sonst
-aber wie Sommer; andrerseits aber, falls ich mir diese nicht unhöfliche
-Bemerkung zu erlauben mir gestatten darf, ist es hier in der Ebene nicht so
-furchtbar heiß, wie Sie die Vermutung aussprachen, als wir noch oben waren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Offen gestanden, über die Jahreszeit vermag ich noch keinen sicheren
-Aufschluß zu geben,&ldquo; entgegnete Schultze. &bdquo;Ich vermute, wir stehen zu
-Beginn des Frühlings, jedenfalls aber haben wir nahezu Tag- und
-Nachtgleiche.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Entschuldigen der Herr Professor, aber ich bitte, noch einmal nicht
-unhöflich sein zu dürfen, wenn ich verstanden zu haben glaubte, der Tag
-sei heute vier Stunden länger als die Nacht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings, mein Sohn; aber nur deshalb, weil wir hier zwei Sonnen
-haben, die gegenwärtig in Opposition zu einander stehen, das heißt am
-weitesten von einander entfernt sind auf ihrer Bahn, so daß stets mehr
-als die Hälfte des Planeten erleuchtet ist und die zweite Sonne noch fast
-zwei Stunden scheint, wenn die erste schon untergegangen ist. Stehen die
-Sonnen in Konjunktion, also einander am nächsten, wobei die eine vorübergehend
-die andere verdecken kann, so gehen sie uns gleichzeitig auf und
-unter; vielleicht wird es dann auch viel heißer. Über den Verlauf der
-Jahreszeiten Edens können wir aber noch nichts wissen, kennen wir ja
-nicht einmal die Länge des Jahrs, das vielleicht nur sechs, vielleicht bis
-zu tausend Erdenmonate dauert. Eines aber scheint mir gewiß, große
-Unterschiede in der Temperatur herrschen hier nirgends; denn wenn bei
-6000 Meter Höhendifferenz so gut wie gar nichts davon zu merken ist,
-wenn in solcher Höhe dort oben eine so herrliche Pflanzenwelt <a id="corr-20"></a>vorkommt,
-dann kann auch Winterkälte und Sommerhitze kein Übermaß entwickeln,
-sonst hätten wir droben irgendwelche Gletscherspuren sehen müssen, hier
-unten aber fände sich keine so mannigfaltige Tierwelt in einer Gegend,
-die den Polen näher steht als dem Äquator.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ah!&ldquo; rief Mietje plötzlich, &bdquo;die Natur sorgt uns für Abendunterhaltung!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Prächtig!&ldquo; schmunzelte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hochinteressant!&ldquo; rühmte der Professor. &bdquo;In der Tat, nicht uneben!&ldquo;
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_240">
-<img src="images/plate_240.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Die Riesentiere.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-241" class="pagenum" title="241"></a>
-Und als nun auch Heinz sein &bdquo;Großartig!&ldquo; beigesteuert hatte, fühlte
-sich John verpflichtet auch seinen Beifall zu äußern, indem er ausrief:
-&bdquo;Wirklich important!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Imposant war allerdings das Feuerwerk, das sich in der Dämmerstunde
-entwickelte: kleinere und größere Feuerfliegen und Leuchtkäfer erhoben
-sich in die Luft; da sah man Funken, Sterne und Flammen teils
-aufblitzen und verschwinden, teils ununterbrochen flimmern.
-</p>
-
-<p>
-Das Neue und besonders Herrliche aber war das Farbenspiel dieser
-lebendigen Meteore und Sternschnuppen; denn gelbes, rotes, blaues und
-grünes Licht ging je nach ihrer Art von ihnen aus.
-</p>
-
-<p>
-Auch auf dem Boden wurde es lebendig und hell: da krochen die
-Funken und Laternchen der Glühwürmer und leuchtenden Schnecken und
-Ameisen durcheinander, als rollten und rieselten selbstleuchtende Edelsteine,
-Topase, Rubinen, Smaragde, Amethyste und Saphire dahin.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist mir unbegreiflich,&ldquo; bemerkte Münchhausen, dem höchst poetisch
-zumute wurde, &bdquo;wie es Schriftsteller, ja solche, die Dichter sein wollen
-und zu sein glauben, heutzutage fertig bringen, &sbquo;der Dämmer&lsquo; zu sagen,
-statt &sbquo;die Dämmerung&lsquo;. Der Dämmer! Welch ein Wort! Ohr, Gemüt
-und Vernunft wird gleicherweise dadurch beleidigt und die traute Stimmung
-und Vorstellung der zarten Dämmerung geht dabei völlig verloren, wird
-sozusagen totgeschlagen mit einem groben Knüppel in der Faust eines Tölpels.
-Sehen Sie doch diese weichen Schleier, die von unsichtbaren Elfenhänden
-in der dunkelnden Luft ausgebreitet werden; wie dämpft dieses schleiernde
-Weben die farbigen Lichtstrahlen unsrer nächtlichen Feuerwerker! Und nun
-soll man sich dieses zartwebende, sachthändige, leisschwebende und schleierumwallte
-Wesen als eine männliche Persönlichkeit vorstellen? Nein! ich bitte
-Sie, was ist das für eine Geschmacklosigkeit, Stilwidrigkeit, ja für ein
-Blödsinn! He, Professorchen! Können Sie sich etwa die liebliche, einschmeichelnde
-Dämmerung durch einen Mann verkörpert denken, den
-Dämmer?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ne, Kapitän, wenn ich mir denken sollte, Hugo von Münchhausen,
-so elegant er zu schweben versteht, senke sich von Schleiern umwogt hernieder
-und wollte mich mit ruhespendenden Elfenhänden liebkosen als schmeichelnde
-Dämmerung, ich wäre aus allen Märchenträumen gerissen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Münchhausen als Fee der geheimnisvollen Dämmerung ist gut! Ausgezeichnet!
-Diese Vorstellung stimmt mich heiter!&ldquo; sagte Flitmore lachend.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-242" class="pagenum" title="242"></a>
-Heinz aber meinte: &bdquo;Wer es zuwege bringt, diesen neumodischen Ausdruck
-&sbquo;der Dämmer&lsquo; zu gebrauchen, beweist damit ohne weiteres, daß ihm
-nicht nur jegliches Sprachgefühl, sondern auch aller Sinn für Poesie abgeht,
-was allerdings für die große Mehrzahl unsrer Versemacher zutrifft; denn
-zu keiner Zeit gab es so viele Dichter und so wenig Poeten wie heutzutage.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Darum verhöhnen sie auch die Poesie als hohles Pathos, weil sie die
-Göttin nicht ehren dürfen, deren Gunst, Geist und hoher Flug ihnen versagt
-blieb, falls sie nicht ihre eigene Wertlosigkeit einsehen und eingestehen
-wollen!&ldquo; fügte Münchhausen noch hinzu.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, meine Herrschaften, ein Nordlicht!&ldquo; rief plötzlich John und wies
-nicht nach Norden, wohl aber nach Osten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist ja ein Mond!&ldquo; berichtigte der Professor. &bdquo;Wahrhaftig, ein
-würdiger Mond für eine Nacht im Paradiese!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Mond, der über die Berge tauchte, hatte eine unbeschreiblich
-liebliche und duftige Rosafärbung. Nur die zartesten unter den wilden
-Rosenblüten oder der blühende Hauch, der ein luftiges Wölkchen vor Sonnenaufgang
-über dem Meere der italienischen Riviera in rosigen Schimmer taucht,
-hätte zum Vergleich herangezogen werden können.
-</p>
-
-<p>
-Bald schwebte der Mond, der etwa doppelt so groß erschien, wie der
-Trabant der Erde, frei am tiefdunkeln Himmel zwischen den blitzenden
-Sternen. Und nun ergoß er sein entzückendes Rosenlicht über die ganze
-Landschaft.
-</p>
-
-<p>
-Auf einmal schien ein neues Leben zu erwachen, nachdem es sich kaum
-ein Stündchen über die Zeit der Dämmerung zur Ruhe gelegt hatte: Vögel
-durchschwirrten die Luft und ließen wundervolle sanfte Weisen ertönen,
-Grillen zirpten in melodischen, einschmeichelnden Weisen; kleinere Tiere, den
-Hasen, Wieseln und Igeln ähnlich, letztere mit bunten durchsichtigen Stacheln,
-tummelten sich lustig umher, spielend und sich balgend, hüpfend und tanzend
-und seltsame Purzelbäume schießend.
-</p>
-
-<p>
-Kurz, es gab wieder genug zu sehen, zu hören und zu bewundern,
-wenn nicht schon der Zauber der magischen, bengalischen Mondbeleuchtung
-genügt hätte, um alle wach zu halten: wer hätte eine solche feenhafte, ja
-wahrhaft paradiesische Nacht stumpfsinnig verschlafen mögen.
-</p>
-
-<p>
-Aber auch neue Blumen erschlossen ihre Kelche, äußerst zarte, feingeformte
-Gebilde, meist leuchtend weiß mit goldgelben Staubfäden, doch
-vom Mondlicht rosig überhaucht; auch hellblaue und hellrote Winden, silberschimmernde
-<a id="page-243" class="pagenum" title="243"></a>
-Kapuzinerkresse und andere Blüten öffneten sich dem Rosenmond
-und hauchten Düfte aus, deren Süßigkeit alle Wohlgerüche des Tages
-weit zu überbieten schienen.
-</p>
-
-<p>
-Acht Stunden leuchtete der rosa Mond; kaum aber war er untergegangen,
-so stieg ein etwas kleinerer Mond von lichtblauer Farbe am entgegengesetzten
-Horizonte auf.
-</p>
-
-<p>
-Sein mildes Licht wirkte ungemein beruhigend. Es wurde überall still;
-die Tierwelt begann zu schlafen und auch die Kelche der Nachtblumen
-<a id="corr-21"></a>schlossen sich.
-</p>
-
-<p>
-Aber wieder sprangen neue Blüten auf, große Dolden, bunte Mohnhäupter,
-und ein einschläfernder Wohlgeruch gesellte sich zum einschläfernden Lichte.
-</p>
-
-<p>
-Auch unsere Freunde wurden still und fühlten schließlich das Verlangen
-nach Schlaf.
-</p>
-
-<p>
-Schultze leitete mit folgenden Worten den allgemeinen Rückzug in die
-Zelte ein: &bdquo;Wenn die beiden Monde sich jede Nacht so pünktlich ablösen,
-wie heute, so hat dieses Paradies stets zwei Nächte, von denen die erste
-für das Vergnügen und die höchste Beseligung, die zweite erst für den Schlaf
-bestimmt zu sein scheint. Nun haben wir auch die blaue Nacht vier Stunden
-lang bewundert; legen wir uns zur Ruhe, wir haben noch zehn Stunden
-bis Sonnenaufgang.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Danken wir dem allgütigen Gott,&ldquo; sagte der Lord, &bdquo;der uns diese
-neuen Wunder seiner Allmacht zu schauen würdigte; vor allem aber wollen
-wir ihn preisen, daß er uns auf einer so lieblichen Friedenswelt landen ließ,
-die keine Schrecken noch Gefahren zu bergen scheint. Trotzdem wollen wir
-bei allem Gottvertrauen nicht lässig und leichtfertig sein und nicht versäumen,
-die Wachen zu halten, wie die Vorsicht es uns gebietet; denn es ist eben
-doch ein unbekannter Planet, auf dem wir uns befinden und der außer
-dem Guten und Schönen, das wir kennen lernten, noch viel des Unbekannten
-bergen wird, von dem wir noch nicht wissen, wie es sich uns darstellen mag.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lassen Sie mich die erste Wache übernehmen,&ldquo; bat Heinz, &bdquo;ich fühle
-noch gar kein Schlafbedürfnis.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gut! Nach drei Stunden wecken Sie mich, die mittlere Wache will
-ich selber übernehmen,&ldquo; sagte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und die Morgenwache bitte ich mir aus,&ldquo; erklärte der Professor,
-&bdquo;schon der astronomischen Beobachtungen wegen, die für uns von Wert
-sein können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-244" class="pagenum" title="244"></a>
-Dabei blieb es, und alle, bis auf Heinz Friedung, zogen sich zurück.
-</p>
-
-<p>
-Nach anderthalb Stunden seiner Wache sollte der jugendliche Wächter
-entdecken, daß der Planet Eden nicht bloß zwei Nächte besaß, wie Schultze
-festgestellt hatte, sondern deren drei!
-</p>
-
-<p>
-Der blaue Mond neigte sich nämlich zur Rüste, als ein neuer Mond
-aufging, diesmal ein dunkelgrün gefärbter. Er war wesentlich kleiner als
-die beiden andern, etwa gerade so groß wie der Mond unserer Erde, der
-scheinbaren Größe nach.
-</p>
-
-<p>
-Eine halbe Stunde lang standen beide Monde gleichzeitig am Himmel;
-dann leuchtete nur noch der grüne Mond mit geheimnisvoll mattem Licht.
-Offenbar war diese dritte, die grüne Nacht, erst die rechte Nacht des tiefen
-Schlafes; die blaue Nacht war sozusagen der Spätabend, der den ersten
-Schlaf auf die Lider senkte.
-</p>
-
-<p>
-Alles blieb still, wie ausgestorben, kaum ein Lüftchen wehte den Dufthauch
-aus den zahllosen Blüten herüber.
-</p>
-
-<p>
-Heinz wurde ordentlich schläfrig und ließ sich nach drei Stunden, von denen
-nur eine ganz in die grüne Nacht gefallen war, gar nicht ungern durch Flitmore
-ablösen, dem während seiner Wache nur der dunkelgrüne Satellit Edens leuchtete.
-</p>
-
-<p>
-Drei Stunden später kam der Professor an die Reihe. Noch drei weitere
-Stunden stand der dritte Mond am Himmel; als er hinter dem Horizont
-verschwand, trat die Morgendämmerung ein.
-</p>
-
-<p>
-Schultze vermerkte also: Erster Sonnenaufgang (Alpha Centauri) als
-erste Stunde gesetzt; zweiter Sonnenaufgang nach zwei Stunden (Begleitsonne);
-erster Sonnenuntergang zu Ende der 25. Stunde (Alpha Centauri geht unter);
-mit Ende der 27. Stunde geht die Begleitsonne unter (25 Stunden nach
-ihrem Aufgang); folgt eine Stunde Dämmerung; zu Beginn der 29. Stunde
-geht der rosa Mond auf, der acht Stunden leuchtet, bis zum Ende der
-36. Stunde, worauf sofort, zu Beginn der 37. Stunde, der blaue Mond
-erscheint, der sechs Stunden am Himmel steht; nach 41½ Stunden taucht der
-grüne Mond auf, eine halbe Stunde vor Untergang des blauen, und braucht
-7½ Stunden, um das Firmament zu durchmessen. Zu Ende der 49. Stunde
-endlich geht auch er unter, worauf eine einstündige Morgendämmerung eintritt,
-bis nach Verfluß der 50. Stunde Alpha Centauri als erste Sonne wieder aufgeht.
-</p>
-
-<p>
-Dies war der Verlauf, wie er sich zu dieser Jahreszeit abspielte unter
-der Breite des Planeten Eden, wo sich unsre Freunde in der ersten, wundersamen
-Nacht ihres dortigen Aufenthalts befanden.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-45">
-<a id="page-245" class="pagenum" title="245"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />42. Höhere Wesen.
-</h2>
-
-<p class="first">
-In der Morgendämmerung fühlte sich Schultze schläfrig werden; ein
-Wunder war das nicht, hatte er doch gestern an die 40 Stunden gewacht
-und hernach nur 6 Stunden des Schlafs gepflogen.
-</p>
-
-<p>
-Da hatte er eine wunderliebliche Erscheinung, ein märchenschönes Traumbild,
-das ihn umgaukelte.
-</p>
-
-<p>
-Es war ihm, als sehe er durch die Wimpern seiner fast geschlossenen
-Augenlider eine Elfe heranschweben.
-</p>
-
-<p>
-Zuerst tauchte ein herziges Gesichtchen zwischen dem glitzernden Blattwerk
-des nahen Gebüsches auf, halb schelmisch, halb scheu vorlugend.
-</p>
-
-<p>
-Dann teilte sich das Blattwerk mit kaum hörbarem Rascheln und die
-ganze Gestalt schlüpfte heraus, sich über der Erde wiegend, ohne sie je zu
-berühren.
-</p>
-
-<p>
-Die Erscheinung glich nach Größe, Gestalt und jugendlichem Aussehen
-einem sechzehnjährigen Mädchen, aber von einer Zartheit der Formen
-und Durchsichtigkeit der Haut, die das vollkommenste irdische Geschöpf plump
-und grob erscheinen lassen mußten.
-</p>
-
-<p>
-Das Gesicht war von unbeschreiblicher Anmut und Vollkommenheit, und
-die großen Augen leuchteten in einem Blau, das auf Erden seinesgleichen
-nicht hatte.
-</p>
-
-<p>
-Der duftige Hauch des rosigen Mondes schien die weiße Blütenhaut
-zu durchschimmern, und die durchsichtigen Blättchen der Heidenrose erreichten
-diese lebensvolle Zartheit der Färbung nicht.
-</p>
-
-<p>
-Goldleuchtendes Haar, feiner als Seide, wallte von dem blühenden
-Haupte herab und rahmte das feine Oval des Gesichtchens ein.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-246" class="pagenum" title="246"></a>
-Ein luftiges, anschmiegendes Gewand, wie aus Nebel gewoben, floß
-von den Schultern hernieder und umwogte die zierliche Gestalt in wunderbar
-grünem Schimmer.
-</p>
-
-<p>
-Langsam näherte sich dieses Feenkind eines Märchentraumes, wich öfters
-wieder zurück, wie ein schüchternes Mägdlein wohl tut; zuletzt aber schwebte
-es ganz heran und beugte sich über den Professor herab, dem ganz wunderlich
-zumute wurde.
-</p>
-
-<p>
-Er riß die Augen plötzlich weit auf. Da erschrak das reizende Elfchen
-und flog ins Gebüsch zurück gleich einem Meteor so geschwind.
-</p>
-
-<p>
-Und die Zweige rauschten und klirrten und Vögel schwirrten auf.
-</p>
-
-<p>
-Schultze sprang auf und rieb sich die Augen; wie ein Nebelstreif vom
-Winde entführt verschwand die lichte Erscheinung; aber er wachte doch!
-War das wirklich ein Traumbild gewesen?
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, mein Lieber, was starren Sie egal ins Gebüsch?&ldquo; fragte der
-Kapitän, der sich bereits aufgetakelt hatte. &bdquo;Sehen Sie eine Schlange oder
-ein Gespenst?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich sehe nichts,&ldquo; erwiderte der Professor, sich dem Freunde zuwendend,
-&bdquo;wohl aber habe ich etwas gesehen; gespenstisch sah es nicht aus, eher
-eine kleine Schlange, aber eine ganz reizende, sage ich Ihnen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was will das heißen unter den Wundern Edens,&ldquo; lachte Münchhausen;
-&bdquo;Sie tun gerade, als hätten wir noch nichts Wunderbares und Reizendes
-erblickt!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Schultze schwieg; er war doch zu unsicher, ob er nicht alles geträumt
-habe. Das würde sich ja wohl noch zeigen.
-</p>
-
-<p>
-Bald war alles munter. Rasch nahm man ein Frühstück ein von den
-köstlichen Früchten Edens; alle brannten vor Begierde, die Entdeckungsreise
-fortzusetzen und vielleicht noch größere Wunder, etwa gar menschliche
-Spuren zu entdecken, das heißt Zeugnisse für das Vorhandensein vernünftiger
-Wesen; denn wie sollte ein solches Paradies seine Bestimmung erfüllen,
-wenn es nicht von solchen bewohnt war?
-</p>
-
-<p>
-Jeder hängte seine Tasche um, die sein Zelt mit den zerlegbaren
-Aluminiumstäben und einige Vorräte und nützliche Gegenstände enthielt,
-und nun wurde das Gebüsch durchschritten, das den Lagerplatz umsäumte und
-in dem die liebliche Erscheinung verschwunden war, die den Professor beglückt
-hatte, von der er aber kein Wörtlein mehr verriet.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-247" class="pagenum" title="247"></a>
-Als das Gebüsch durchschritten war, sahen die Wanderer, daß sie sich
-auf einer Hochebene befanden, deren Rande sie sich näherten.
-</p>
-
-<p>
-Was aber ihre Schritte hemmte und ihre Blicke fesselte, war der Anblick
-zweier menschlicher Wesen, die sich in emsiger Tätigkeit befanden.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-247">
-<img src="images/247.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Gabokol und Fliorot schmiedend.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Der eine war ein erwachsener Mann mit braunen Locken, die auf die
-Schultern herabfielen, und einem dunklen Vollbart. Ein weißes, faltiges
-Gewand umwallte seinen Leib gleich einer Toga bis zu den Knöcheln herab;
-sein Antlitz hatte etwas Durchgeistigtes, Verklärtes, Friedestrahlendes, so daß
-es ein Gefühl des Vertrauens, ja der unwillkürlichen Zuneigung erwecken
-mußte, selbst wenn die edelgeschnittenen Züge nicht von so außerordentlicher,
-echt männlicher Schönheit gewesen wären.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-248" class="pagenum" title="248"></a>
-Zarter, aber nicht minder schön und herzgewinnend erschien der Jüngling
-an seiner Seite: was waren gegen eine solch herrliche Gestalt die Antinous- oder
-Adonisideale menschlicher Kunst?
-</p>
-
-<p>
-Ein blaues Gewand umhüllte die prächtigen Glieder, sich ihren Formen
-anschmiegend.
-</p>
-
-<p>
-Die beiden wendeten alle ihre Aufmerksamkeit ihrer Arbeit zu, die
-eine Art Schmiedekunst zu sein schien: von einer Felsplatte stieg eine goldgelbe
-Flamme empor, deren Natur nicht zu erkennen war. Holz, Kohlen
-oder sonst ein Feuerungsmaterial war nirgends zu sehen; die Flamme
-schien aus dem Felsen selber hervorzubrechen.
-</p>
-
-<p>
-In diese Stichflamme hielt der Jüngling metallene Stäbe und Barren,
-bis sie weißglühend erschienen, was in sehr kurzer Zeit der Fall war.
-Dann übergab er sie dem Manne, der wohl sein Vater war, und der nun
-das weiche Metall teils freihändig, teils mit allerlei merkwürdigen Instrumenten,
-Zangen und Hämmern nach Belieben formte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Diese Leute sind leichtsinnig, sie gehen höchst unvorsichtig mit dem
-Feuer um, das doch eine ungeheure Hitze entwickeln muß,&ldquo; flüsterte der
-Professor, &bdquo;man muß es ihnen sagen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So sagen Sie&rsquo;s ihnen,&ldquo; entgegnete Münchhausen ironisch, &bdquo;vielleicht in
-Ihrer Allerweltssprache, dem Lateinischen, wie seinerzeit auf dem Mars.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Schultze schwieg. Der Kapitän hatte recht; wie sollte er sich mit diesen
-Bewohnern einer fremden Welt verständigen?
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Übrigens, sehen Sie!&ldquo; bemerkte Mietje, &bdquo;die beiden kommen jeden
-Augenblick mit dem Saum und den Falten ihrer strahlenden Gewänder in
-die Flammen hinein. Darauf scheinen sie gar nicht zu achten, und der
-Stoff fängt auch nicht Feuer, wird nicht einmal angesengt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn ich mir eine Meinung gestatten darf,&ldquo; warf nun John ein,
-&bdquo;so ist dies sozusagen alles Hokus-pokus, ein Blendungswerk und gar kein
-brennbares Feuer; denn, wie Sie sehen, greift der Alte in das weißglühende
-Eisen mit den Händen, als sei es kalt anzufassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber er biegt es und formt es,&ldquo; entgegnete Heinz; &bdquo;es muß also
-doch bis gegen den Schmelzpunkt erhitzt sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Diese Edeniten,&ldquo; erklärte Flitmore, &bdquo;scheinen ein Schutzmittel zu kennen,
-das die Stoffe unverbrennlich und die Haut unempfindlich gegen die Hitze
-macht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-249" class="pagenum" title="249"></a>
-Bei einer Wendung, die er machte, gewahrte der Schmied die Ankömmlinge.
-Langsam ließ er das Eisen sinken, das er in der Hand hielt und
-legte es dann weg.
-</p>
-
-<p>
-Er schien überrascht, so seltsame, niegeschaute Wesen zu erblicken, die
-doch ihm und seinen Artgenossen nach Bau der Glieder und des Gesichtes
-glichen, dagegen aus weit gröberem Stoff geschaffen zu sein schienen und
-der Vollkommenheit ermangelten, die seine und seines Sohnes Schönheit
-erreicht hatte.
-</p>
-
-<p>
-Es war ja aber auch möglich, daß andere Edeniten auch weniger schön
-und zart gebaut waren als eben diese beiden; jedenfalls geriet der Mann
-in kein maßloses Erstaunen, wie man es hätte erwarten können, namentlich
-zeigte er keine Spur von Schrecken, vielmehr schien seine Überraschung
-eine freudige zu sein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Fliorot!&ldquo; rief er seinem Sohne zu, der nun ebenfalls aufblickte und
-ebenso angenehm erstaunt schien; ja der Jüngling klatschte vor Lust in
-die Hände.
-</p>
-
-<p>
-Wie der Anblick dieser Menschen etwas Überirdisches darbot, so übertraf
-ihre Stimme an Wohlklang alles, was die Erde an herrlichen Tönen kennt;
-Glocken- oder Orgelklang schien zu schallen, als der wundersame Mann das
-eine Wort &bdquo;Fliorot&ldquo; ausrief; und die helle Jubelstimme des Knaben mochte
-am ehesten mit der klingenden Orgelpfeife verglichen werden, die man
-<span class="antiqua">Voxhumana</span>, Menschenstimme, heißt, aber &bdquo;Engelsstimme&ldquo; nennen dürfte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jammerschade, daß wir uns mit diesen herrlichen Menschen, wie wir
-sie wohl nennen dürfen, nicht verständigen können!&ldquo; bedauerte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie hat sich denn Kolumbus mit den Indianern zurechtgeholfen?&ldquo;
-fragte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist wahr,&ldquo; sagte Flitmore. &bdquo;Die Entdecker der verschiedenen
-Küsten Amerikas kamen nie in ernste Verlegenheit, wenn es galt, sich mit
-den Eingeborenen in Verkehr zu setzen, und sehr rasch lernten sie deren
-Sprachen; wenigstens fanden sich alsbald begabte Sprachgenies, die als
-Dolmetscher dienen konnten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sollten wir nicht so viel zu Wege bringen, wie jene?&ldquo; fragte Mietje.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, wie wär&rsquo;s Professorchen,&ldquo; spöttelte Münchhausen, &bdquo;wenn Sie&rsquo;s
-wiederum mit Ihrem alten Latein versuchten?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ne, ne!&ldquo; wehrte dieser lachend ab, &bdquo;wir haben ja einen jungen Sprachgelehrten
-unter uns; Heinz Friedung mag sein Heil probieren!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-250" class="pagenum" title="250"></a>
-&bdquo;Sehr gerne!&ldquo; sagte Heinz ernst, ohne mit einer Wimper zu zucken.
-</p>
-
-<p>
-Schultze sah ihn groß an. &bdquo;Na! Ich mache nur Spaß, natürlich! Sie
-glauben doch nicht im Ernst, mit einer irdischen Sprache hier anzukommen?
-Und wenn Sie alle Dialekte der Erde kennen würden und der Reihe nach
-probierten, 40 Billionen Kilometer von der Erde entfernt wird nicht ein
-einziger davon verstanden, dafür garantiere ich Ihnen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herumprobieren wäre freilich zwecklos,&ldquo; erwiderte Heinz, &bdquo;aber es
-gibt Naturgesetze, die Ihnen nicht bekannt sind, Herr Professor.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Um so mehr wohl Ihnen, junger Freund?&ldquo; lachte Schultze etwas
-ironisch. Bildete sich der sonst so bescheidene Heinz gar ein, gelehrter zu
-sein als der vielgereiste und hochstudierte Professor Heinrich Schultze aus Berlin?
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen waren die beiden Edeniten mit leichtschwebendem Gang,
-kaum die Erde mit den bloßen Füßen berührend, herangekommen.
-</p>
-
-<p>
-Heinz Friedung redete sie an.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;We nom tu?&ldquo; fragte er kühn.
-</p>
-
-<p>
-Schultze lächelte belustigt über diese offenbar von Heinz selber erfundene,
-improvisierte Sprache. Und das sollten die Bewohner der Fixsternwelt
-gar kapieren?
-</p>
-
-<p>
-Aber der Edenite sah Heinz überrascht, doch sichtlich unsicher an.
-</p>
-
-<p>
-Sein Sohn dagegen brach in einen Jubelruf aus; ihm schien ein plötzliches
-Verständnis aufzuleuchten und, wie um seinem Vater zu erklären, was
-Heinz hatte sagen wollen, rief er jenem zu: &bdquo;Wai nuomi itu?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nuoma Gabokol,&ldquo; sagte jetzt der Mann.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ud itu?&ldquo; wandte sich Heinz jetzt an den Jüngling. Der Vater aber
-verbesserte: &bdquo;Onde itu.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Fliorot!&ldquo; erwiderte der Gefragte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Pa?&ldquo; frug Heinz den Alteren weiter.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Migu Pa,&ldquo; sagte der, auf sich weisend: &bdquo;Seit failo-mig.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Vollständig verblüfft lauschten die Erdenbewohner, wie dieser grüne
-junge Mann Heinz offenbar eine Unterhaltung mit Wesen angeknüpft hatte,
-deren Sprache kein Mensch verstehen konnte.
-</p>
-
-<p>
-Schultze rief wahrhaft entsetzt: &bdquo;Da hört sich doch aber alle und jede
-Wissenschaft auf! Wenn einer auf Erden etliche Tausend Kilometer weit
-reist, so darf er darauf schwören, daß er auch nicht ein Sterbenswörtchen
-der Sprache versteht, die von den Eingeborenen des von ihm erreichten
-<a id="page-251" class="pagenum" title="251"></a>
-fremden Landes geredet wird, es sei denn, er habe die Sprache mühsam
-erlernt; und Sie wollen sich mir nichts dir nichts mit Leuten verständigen,
-die 40 Billionen Kilometer von unserem Planeten entfernt leben?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen schüttelte sich vor Lachen: &bdquo;Ein köstlicher Scherz!&ldquo; rief er.
-&bdquo;Merken Sie nicht, Professorchen, daß dieser Erzschalk von Friedung uns
-zu Narren hält und nur so tut, als ob er täte?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber dann würden ihm diese Leute doch nicht ernsthaft Rede und Antwort
-stehen!&ldquo; warf Mietje ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Sache ist ganz in Ordnung,&ldquo; sagte Heinz. &bdquo;Ich habe zwar selbstverständlich
-die Sprache dieser Edenbewohner nie gehört noch gelernt, daher
-kann ich sie auch nicht richtig treffen. Doch kann ich sie immerhin so
-annähernd reden, um mich verständlich zu machen. Ich sagte &sbquo;we&lsquo; und
-es heißt &sbquo;wai&lsquo;; ich sagte &sbquo;nom&lsquo; und es heißt &sbquo;nuomi&lsquo;, in der ersten Person
-&sbquo;nuoma&lsquo;; ich sagte &sbquo;tu&lsquo; und es heißt &sbquo;itu&lsquo;; ebenso muß es &sbquo;onde&lsquo; heißen
-statt &sbquo;ud&lsquo;, wie ich sagte. Doch traf ich in der Regel die Konsonanten
-richtig, so daß ein intelligenter Edenite mich verstehen muß, und bereits
-lernte ich außer den genannten berichtigten Formen einige neue Wörter:
-&sbquo;migu&lsquo; heißt &sbquo;ich&lsquo;, &sbquo;seit&lsquo; heißt &sbquo;dieser&lsquo;, &sbquo;failo&lsquo; aber &sbquo;Sohn&lsquo; und &sbquo;mig&lsquo; &sbquo;mein&lsquo;.
-Wenn ich mit drei Sätzen schon so weit kam, so darf ich hoffen, in wenigen
-Tagen schon ein wissenschaftliches Gespräch in der klangvollen Sprache Edens
-mit genügendem Verständnis führen zu können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na! Was wollen Sie denn nun von diesen Herren erfahren haben?&ldquo;
-fragte der Kapitän, noch stark zweifelnd.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, nicht viel, aber immerhin das, was ich zunächst erfragte. Wir
-haben vor uns Vater und Sohn, &sbquo;Pa onde failo&lsquo;; der Vater heißt &sbquo;Gabokol&lsquo;,
-was so viel wie &sbquo;offenes Auge&lsquo; bedeuten dürfte; der Sohn heißt &sbquo;Fliorot&lsquo;,
-was ich mit &sbquo;fliegendes oder flüchtiges Rad&lsquo; erklären möchte. Dies ist
-vorerst alles!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber wie zum Kuckuck wollen Sie uns dieses Wunder erklären?&ldquo; rief
-Schultze. &bdquo;Ich habe große Wunder erlebt, aber dies scheint mir doch das
-seltsamste von allen! Vierzig Billionen Kilometer, ich sage Ihnen, vierzig
-Billionen Kilometer trennen die Erde von Eden, und Sie kommen jung
-und grün von der Erde und reden ohne weiteres die Edeniten an, und
-Sie werden verstanden und Sie verstehen! Das übersteigt meine Fassungskraft!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-252" class="pagenum" title="252"></a>
-&bdquo;Na, so grün, wie Sie vermuten, bin ich eben doch nicht, Herr Professor,&ldquo;
-lachte Heinz. &bdquo;Sehen Sie, die ganze Sache ist die: ich habe das Geheimnis
-der Entstehung der menschlichen Sprache entdeckt, und nach und nach
-gelang es mir, alle Lautgesetze zu finden, auf denen die Wortbildungen
-beruhen. Da es sich um Naturgesetze handelt und nicht um willkürliche
-Wortbildungen, konnte ich mir sagen, daß überall, wo Wesen sich finden,
-die ähnlich gebaut sind wie wir Menschen, sie auch ihre Sprache ganz
-von selber nach den gleichen Gesetzen bilden mußten wie wir Menschen.
-</p>
-
-<p>
-Nun redete ich die Edeniten sozusagen in der Ursprache an; ich bildete
-die Worte aus den Lauten, die für den Begriff bezeichnend sind, den sie
-bedeuten sollen. Wenn nun die Sprache Edens sich nicht gar zu künstelnd
-von der Urform entfernte, so mußte ich verstanden werden, und letzteres
-war denn auch der Fall. Passen Sie auf! Wenn ich sage &sbquo;We nom tu?&lsquo;
-so begreifen Sie vielleicht nicht gleich, daß &sbquo;nom&lsquo; bedeuten soll &sbquo;heißt&lsquo;;
-denken Sie aber an das französische &sbquo;<span class="antiqua">nommer</span>&lsquo; oder an &sbquo;Name&lsquo;, so leuchtet
-es Ihnen wohl ein, daß &sbquo;We nom tu?&lsquo; besagen soll: &sbquo;Wie heißt du?&lsquo; Die
-Edeniten sagen nun: &sbquo;Wai nuomi itu?&lsquo; Aber, wie gesagt, die entscheidenden
-Laute sind ihnen bekannt, so daß sie auch meine mangelhafte Frage begriffen.
-&sbquo;W&lsquo; ist einmal der Fragelaut: wer, wie, wo, was, wann und so
-weiter; auf englisch <span class="antiqua">where</span>, <span class="antiqua">why</span>, <span class="antiqua">who</span> und so fort; im Lateinischen und
-Französischen tritt qu an die Stelle. D oder T, zuweilen S, ist der deutende
-Laut, also auch der Laut für &sbquo;du, dich&lsquo; und so weiter, er bezeichnet den,
-die oder das, auf die ich deute; und so könnte ich Ihnen für jeden beliebigen
-Begriff sagen, welcher Laut dem Menschen ganz unwillkürlich, mit
-Naturnotwendigkeit in den Mund kommen mußte, wenn er den betreffenden
-Begriff durch einen Laut ausdrücken wollte. Dies ergibt die Gesetze der
-Entstehung der Sprache, die ich entdeckte, und nach denen ich die Worte
-bildete, die von den fremdesten Wesen leicht begriffen werden müssen, falls
-sie eine menschenähnliche Sprache reden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein genialer Gedanke bleibt es immerhin, daß Sie gleich darauf
-kamen, diese irdischen Kenntnisse in dieser Weise hier auf die Probe zu
-stellen,&ldquo; lobte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-Die Edeniten hatten aufmerksam gelauscht, doch sicher nichts oder nur
-gar wenige Worte verstanden; es gehören einfachere Sätze her, als sie
-dieses Gespräch enthielt, um eine wildfremde Sprache lediglich durchs Gehör
-kennen zu lernen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-253" class="pagenum" title="253"></a>
-Nun nahm Gabokol das Wort, sich an Heinz wendend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Er ladet uns ein, ihm zu folgen,&ldquo; erklärte der junge Mann.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Angenommen!&ldquo; sagte Flitmore, und die Gesellschaft vertraute sich der
-Führung der neuen Bekannten an.
-</p>
-
-<p>
-Diese atmeten tief ein und erhoben sich in die Luft, durch die sie nun
-schwebten, ohne wieder den Boden zu berühren.
-</p>
-
-<p>
-Unsre Freunde konnten wohl kolossale Luftsprünge machen, aber sich
-dauernd in der Schwebe zu erhalten, gelang ihnen nicht.
-</p>
-
-<p>
-Als die Edeniten dies merkten, ließen sie sich herab und Gabokol
-fragte in seiner Sprache Heinz: &bdquo;Warum wollt ihr nicht fliegen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir können es nicht!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Mann schien höchlichst überrascht; aber fortan begnügten er und
-sein Sohn sich höflich damit, die Gäste springend zu begleiten.
-</p>
-
-<p>
-Fliorot interessierte sich sehr für die beiden Schimpansen und fragte, ob
-das die kleinen Söhne der Lady seien.
-</p>
-
-<p>
-Mietje stieß einen Schrei des Entsetzens aus, als ihr Heinz diese Frage
-übersetzte. Dieser aber klärte Fliorot auf, daß die Affen Tiere und keine
-Menschen seien, auch nicht reden könnten.
-</p>
-
-<p>
-Hierauf untersuchten die beiden Edeniten die Schimpansen mit größter
-Verwunderung.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na!&ldquo; meinte Münchhausen: &bdquo;Diese Edenmenschen stammen offenbar
-von keinen Affen ab, da solche hier gar nicht bekannt sind. Professor
-Häckel darf froh sein, daß er nie auf den Lehrstuhl einer hiesigen Universität
-berufen wird; hier fielen seine Phantasien vollends in sich zusammen, auch
-fände er zu intelligente Zuhörer, um mit seiner Weisheit Anklang zu finden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Man war an den Rand der Hochebene gelangt.
-</p>
-
-<p>
-Unten dehnte sich ein liebliches Flußtal, und zu beiden Seiten des
-Flusses ragten vereinzelte Felsblöcke von verschiedener Form, Größe und Höhe
-zu Hunderten empor.
-</p>
-
-<p>
-Unsre Freunde erkannten bald, daß sie es mit künstlichen Gebilden zu
-tun hatten, und zwar mit den Wohnhäusern der Edeniten. Die Felsen
-zeigten Fenster, Galerien und Balkone; oben hatten sie meist flache Dächer,
-die jedoch von Türmen, Säulen und Zacken überragt oder eingefaßt
-wurden.
-</p>
-
-<p>
-Breite Straßen und engere Gassen zogen sich zwischen den Häusergruppen
-hindurch.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-254" class="pagenum" title="254"></a>
-Heinz erkundigte sich nach dem Grund solcher Bauweise und zeichnete
-auf einen Marmorblock einige Wohnhäuser, wie sie auf Erden gebaut
-zu werden pflegten.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol erklärte, das komme ihm sehr gekünstelt vor. Sie nähmen
-sich die Baukunst des Schöpfers in der Natur zum Vorbild.
-</p>
-
-<p>
-Alle mußten gestehen, daß diese rauhen, zackigen Bauten mit ihren
-Galerien, Bogen und Türmen ein ganz hervorragend schönes, abwechslungsreiches
-und großartiges Stadtbild ergaben.
-</p>
-
-<p>
-Die Stadt glich einem Bienenkorbe; über den Dächern, durch die Straßen,
-zu den Fenstern aus und ein flogen und schwebten Menschen in leuchtenden
-farbigen Gewändern, wie aus Duft gewoben, Männer und Frauen, Knaben
-und Mädchen, auch kleine Kinder.
-</p>
-
-<p>
-Man konnte sich nicht satt sehen an diesem farbenfrohen Bilde, an
-diesen anmutigen Bewegungen.
-</p>
-
-<p>
-Als unsre Freunde später diese Stadtbewohner aus der Nähe sahen,
-entdeckten sie, daß Gabokol und Fliorot durchaus nicht ausnahmsweis
-schöne Exemplare ihrer Rasse waren, sondern daß vollkommene Schönheit,
-Anmut und Grazie, dazu Adel der Gesinnung, der sich in den Zügen
-spiegelte, die allgemeinen Merkmale aller Edeniten waren.
-</p>
-
-<p>
-Dabei zeigten sie sich nicht etwa besonders ähnlich, sondern die persönliche
-Verschiedenheit der Gestalten und Gesichter schien eher noch mannigfaltiger
-als auf der Erde; und doch konnte man hier niemand in das liebliche
-Antlitz oder gar in die sonnigen Augen sehen, ohne ihn auf den ersten
-Blick liebgewinnen zu müssen.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-46">
-<a id="page-255" class="pagenum" title="255"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />43. Im Hause des Gastfreunds.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Für heute wurde nicht in die Stadt hinabgestiegen oder vielmehr geschwebt;
-denn Gabokols Wohnung war gleichsam ein Landhaus, das auf
-einer Stufe des Bergrandes sich erhob, der sich ins Tal hinabsenkte.
-</p>
-
-<p>
-Das Haus stand in einem Garten von unerhörter Pracht und Lieblichkeit.
-Jetzt erst sahen unsre Freunde den ganzen Reichtum an Formen und Farben,
-den die Blumen, Gesträuche und Schlingpflanzen Edens aufwiesen.
-</p>
-
-<p>
-Auch die fremdartigen Gemüse hielten sie anfangs für Zierpflanzen, bis
-ihnen späterhin die Hausfrau alles erklärte.
-</p>
-
-<p>
-Ganz entzückend war der Geflügelhof; denn Fasanen, Pfauen und Perlhühner
-reichten mit ihren Farben und Zeichnungen weit nicht heran an die
-verschiedenen Arten eierlegender Haushühner, Enten und Gänse, die hier
-wimmelten. Auch die Eier dieser Vögel Edens übertrafen an Wohlgeschmack
-weit diejenigen ihrer irdischen Basen und erschienen überdies gefärbt wie
-leuchtende Ostereier oder gesprenkelt wie die schönsten Eier der Singvögel
-auf Erden.
-</p>
-
-<p>
-Heinz, der immer rascher und tiefer in die eigentümlichen Geheimnisse
-der Sprache Edens eindrang, machte stets den Dolmetscher; aber schon begannen
-auch die andern alle dies und jenes zu verstehen, nachdem sie einmal
-darauf aufmerksam gemacht worden waren, daß die natürliche Lautverwandtschaft
-den besten Schlüssel liefere. Merkwürdigerweise war es John,
-der bei weitem am raschesten auffaßte, jedenfalls weil er sich am unbefangensten
-dem angeborenen Sprachinstinkt überließ.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol versicherte einmal über das andre, wie er sich freue und die
-Seinigen sich freuen würden, die lieben Gäste aus einer andern Welt beherbergen
-zu dürfen. Er werde jedem ein eigenes Zimmer anweisen; denn
-<a id="page-256" class="pagenum" title="256"></a>
-hier sei man so sehr gewohnt, Gäste zu beherbergen, je öfter und je mehr
-desto lieber, &mdash; so daß jedes Haus zu drei Vierteilen aus Gastzimmern zu
-bestehen pflege.
-</p>
-
-<p>
-Eine Haustüre war nicht vorhanden; man stieg, wie bei allen Häusern
-Edens, durch das Dach ein; da die Villa <a id="corr-22"></a>einstöckig war, gelang allen der
-etwas hohe Sprung. Gabokol und Fliorot schwebten voran.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ma!&ldquo; rief Gabokol, als sie das Innere der Wohnung betraten.
-</p>
-
-<p>
-Alsbald erschien eine Lichtgestalt, ein Wesen von einem Zauber der Anmut,
-Jugendfrische und Schönheit, wie niemand bisher ähnliches geschaut, abgesehen
-von Schultze, der sich von seiner Morgenwache her einer noch weit lieblicheren
-Erscheinung erinnerte.
-</p>
-
-<p>
-Aber schon die Hausfrau, die unsern Freunden entgegenschwebte, bewies,
-daß auch auf Eden das weibliche Geschlecht das schönere war, so vollkommen
-sich auch die männliche Schönheit darstellen mochte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bleodila&ldquo;, stellte Gabokol seine Gattin vor, mit Betonung des O des
-klangvollen Namens, den Heinz als &bdquo;die Blühende&ldquo; übersetzte, entschieden
-ein Name, der dieser Frauenblume angemessen war.
-</p>
-
-<p>
-Bleodila war sehr erfreut, fremde Gäste bei sich zu schauen, und führte
-sie in die Wohnstube, deren Wände aus Bergkristall bestanden und mit Edelsteinen
-in künstlerischen Blumenmustern verziert waren.
-</p>
-
-<p>
-Hier wurden unsre Freunde eingeladen, in bequemen Sesseln aus buntem,
-durchsichtigen Binsengeflecht sich niederzulassen.
-</p>
-
-<p>
-Für das Gewicht plumper Erdenmenschen waren diese zarten Geflechte
-zwar nicht berechnet; doch erwiesen sie sich als so zäh, daß sie sogar Münchhausens
-Last aushielten, ohne zusammenzubrechen.
-</p>
-
-<p>
-Der Kapitän benützte in der Folge immer den gleichen Sessel, den größten
-und stärksten natürlich. Die kugelige Form, die selbige Sitzgelegenheit infolgedessen
-annahm und die von ihrer ursprünglichen und allen auf Eden
-üblichen Formen seltsam abwich, machte den Lehnstuhl seinen Besitzern zu
-einem dauernden Andenken an den Besuch des dicken Kapitäns.
-</p>
-
-<p>
-Als die Gäste Platz genommen, rief die jugendfrische Hausmutter ihre
-älteste Tochter herein; es herrschte die Sitte in Eden, die Hausgenossen nicht
-schockweise, sondern einzeln, in angemessenen Pausen den Gästen vorzustellen.
-</p>
-
-<p>
-Die kleine Fee, die nun erschien und die zwanzig Jahre zählte, war
-von einem blaßrosa Kleide umflort und ihr braunes Haar ringelte sich in
-seidenen Wellen über den Rücken hinab.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_256">
-<img src="images/plate_256.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Elfenerscheinung.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-<a id="page-257" class="pagenum" title="257"></a>
-Unsre Freunde fragten sich bei ihrem Anblick, ob es denn möglich sei,
-daß sich immer noch größere Schönheit und zartere Lieblichkeit offenbare,
-denn zuvor hatten sie gemeint, die Frau des Hauses stelle den Höhepunkt
-aller überhaupt möglichen Reize dar; nun aber fanden sie dieselbe durch
-ihre Tochter noch weit übertroffen.
-</p>
-
-<p>
-Nur Schultze wußte, daß es auf diesem Planeten noch entzückendere
-Lieblichkeit gab, als sogar Glessiblora sie offenbarte.
-</p>
-
-<p>
-Den Namen dieses taufrischen Mädchens, Glessiblora, mit dem Ton auf
-dem I der zweiten Silbe, dolmetschte Heinz mit &bdquo;Glanzblume&ldquo;.
-</p>
-
-<p>
-Erst eine Viertelstunde später wurde auch Heliastra, die Jüngste, gerufen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie ist erst siebzehn und ein kleiner Schelm, ein lustiger Kobold,&ldquo; erklärte
-der Vater, ehe sie erschien, und Heinz übersetzte ihren Namen mit
-&bdquo;Flimmersternchen&ldquo;, wörtlich &bdquo;Hellstern&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Von ferne vernahm man schon das silberne Lachen der Nahenden; denn
-mit nichts konnte der Wohllaut dieser hellen Stimme füglich verglichen
-werden, wenn nicht mit dem Klang silberner Glöckchen.
-</p>
-
-<p>
-Und nun erschien Heliastra in der Öffnung, welche die Tür vertrat;
-denn eigentliche, verschließbare Türen gab es in Eden nicht.
-</p>
-
-<p>
-Unter dem Eingang hemmte sie den schwebenden Schritt, und wie sie
-so dastand, umwallt von goldglänzendem Haar, im dunklen Türrahmen,
-da erschien sie wahrlich wie ein heller, flimmernder Stern.
-</p>
-
-<p>
-Unsre Freunde schauten alle nach der siebzehnjährigen Elfe hin: solch
-ein wunderliebliches Gesichtchen, solch ein Blau der lieben, lustigen Augen,
-solch durchsichtige Blütenweiße der Haut, von duftigem Rosenschimmer durchhaucht,
-kurz, einen solchen Schmelz der Schönheit, Anmut und Jugend hatten
-sie nicht nur niemals erschaut, sondern wären auch nie imstande gewesen,
-sich derart vollkommene Reize in der Phantasie auszumalen.
-</p>
-
-<p>
-Nur allein wieder Schultze hatte schon ähnliches gesehen, ja nicht nur
-ähnliches: er erkannte in Heliastra sofort die holdselige Erscheinung, die
-ihn bei seiner Morgenwache begrüßte, als er halb eingenickt war und nicht
-recht wußte, ob er schlief oder wachte.
-</p>
-
-<p>
-Die Kleine hatte ihn ebenfalls erkannt. Nachdem sie die fremden Gäste
-ohne Befangenheit gemustert und besonders Heinz Friedungs bewundernde
-Blicke durch ein bezauberndes Lächeln und freundliches Zunicken erwidert
-hatte, schwebte sie direkt auf den Professor zu und machte vor ihm eine
-tiefe Verbeugung, dann lachte sie ihm hell ins Gesicht.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-258" class="pagenum" title="258"></a>
-&bdquo;Heliastra!&ldquo; rief Bleodila mit sanfter Zurechtweisung ihrer Jüngsten zu.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O Ma,&ldquo; erwiderte diese: &bdquo;Wir kennen uns schon; als ich heute Morgen
-Pa und Fliorot zur Schmiede begleitete, flog ich ein wenig umher und fand
-das Lager der Fremden; dieser würdige Herr hielt Wache davor; ich glaubte
-aber, er schlafe und wollte mich nähern, da sah er mich so groß an, daß
-ich erschrak und forthuschte, allein ich glaube, er war noch viel mehr erschrocken.&ldquo;
-Und sie lachte wieder ihr herzerquickendes Lachen.
-</p>
-
-<p>
-Als Heliastra merkte, daß Heinz ihre Sprache verstand, begann sie eine
-lebhafte Unterhaltung mit ihm und fragte ihn neugierig aus über die Welt,
-von der die Fremdlinge kamen. Wenn der junge Mann dann wieder ein
-Wort recht verketzerte, lachte sie mit einer Unwiderstehlichkeit, die auf die
-ganze Gesellschaft ansteckend wirkte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich kann mir nicht helfen,&ldquo; sagte sie, wie sich entschuldigend, zu Heinz.
-&bdquo;Es macht mir gar zu großes Vergnügen, welch sonderbare Worte du oft
-gebrauchst oder wie seltsam du andere aussprichst und veränderst. Es ist ja
-erstaunlich, wie du unsere Sprache reden kannst, die du heute zum erstenmal
-hörst, so gescheite Männer gibt es bei uns gar nicht; aber ich bitte dich,
-lerne nur ja nicht ganz richtig sprechen, du würdest mich um ein gar zu
-großes Vergnügen bringen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heinz mußte nun auf Gabokols Bitte erklären, wie er überhaupt dazu
-gekommen war, sich mit den Edeniten verständigen zu können.
-</p>
-
-<p>
-Selbst die Mädchen folgten mit gespanntem Interesse und völligem Verständnis
-seinen Auseinandersetzungen über die Gesetze der Entstehung der
-menschlichen Sprache.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol drückte ihm zum Schluß seine hohe Bewunderung aus und bat
-ihn, einen Vortrag über diesen Gegenstand in der Hauptstadt zu halten.
-&bdquo;Du wirst dadurch bei uns ein berühmter Mann werden, denn unsre Gelehrten
-haben wohl herausgefunden, daß alle Sprachen unsres Planeten
-ursprünglich miteinander verwandt sind, aber über die Anfänge der Sprache
-überhaupt haben sie sich vergeblich den Kopf zerbrochen und sind zu der
-Ansicht gekommen, das sei ein für den menschlichen Verstand unlösbares
-Rätsel.
-</p>
-
-<p>
-Nun denke dir, welches Licht deine neue Erkenntnis verbreiten wird,
-welchen Dienst du unsrer Wissenschaft leistest und welchen neuen Anstoß du
-ihr gibst. Und einen großen Respekt wird man hier bekommen vor dem
-so viel größeren Scharfsinn der Erdenbewohner.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-259" class="pagenum" title="259"></a>
-Heinz lächelte, versprach aber, den Vortrag zu halten, sobald er die
-Sprache des Landes genügend beherrsche.
-</p>
-
-<p>
-Nun trugen die Töchter des Hauses das Mittagsmahl auf, zur großen
-Befriedigung des Kapitäns.
-</p>
-
-<p>
-Unsre Freunde lernten hiebei neue, ungeahnte Genüsse kennen, nämlich
-die herrlichen Gemüse Edens und die ganz vorzüglichen Mehlspeisen und
-Backwaren, die verrieten, daß die Edeniten Getreidesorten besaßen, die
-verschiedenartige Mehle lieferten und zwar ungleich köstlichere als die
-Erde sie kennt.
-</p>
-
-<p>
-Fleischgenuß war hier unbekannt: niemals wäre jemand auch nur der
-Gedanke gekommen, ein Tier gewaltsam zu töten oder gar einen Tierleib
-zu verzehren. Allerdings, bei der unerschöpflichen Auswahl an auserlesenen
-Speisen wäre es Torheit gewesen, noch Fleischkost einzuführen, die wahrscheinlich
-den Edeniten gar nicht zuträglich gewesen wäre, keinesfalls aber
-zur Verbesserung des Speisezettels hätte beitragen können.
-</p>
-
-<p>
-Keiner unserer Freunde vermißte Fisch, Geflügel und Braten, so viel
-wohlschmeckender erschienen allen die Gerichte Edens in ihrer unendlichen
-Abwechslung.
-</p>
-
-<p>
-Eier, Milch, Butter, Käse und Honig waren die einzigen Speisen, die
-dem Tierreich entnommen wurden, und auch sie übertrafen alles Irdische;
-namentlich gab es die verschiedensten Arten von Eiern, von Honig und von
-Milch, und aus den verschiedenen köstlichen Milcharten wurden auch die
-verschiedensten Arten von Butter und Käsen hergestellt, von denen jede ihre
-besonderen unnachahmlichen Vorzüge aufwies.
-</p>
-
-<p>
-Die Getränke bestanden teils aus Wasser, das auch in verschiedenen
-Zusammensetzungen dem Erdboden entsprudelte, teils aus süßen und herben
-Fruchtsäften, die nichts Berauschendes an sich hatten und doch die Gemüter
-erhoben und die Stimmung verklärten, die Phantasie anregten und belebten,
-weit mehr als die alkoholischen Getränke der Erde.
-</p>
-
-<p>
-Die Folge auch des reichlichsten Genusses dieser Edenweine war niemals
-eine ungute, im Gegenteil, Kraft und Körperfrische sowie die geistige Regsamkeit
-wurden stets durch sie gehoben.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-47">
-<a id="page-260" class="pagenum" title="260"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />44. Neue Erkenntnisse.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Heinz erlernte fabelhaft schnell die Sprache der Edeniten. Er konnte
-sich jetzt schon ganz fließend unterhalten. Schwierigkeiten machten nur die
-Begriffe, die entweder der irdischen oder der Welt Edens fremd waren.
-Aber durch Umschreibungen und Erläuterungen gelang es, auch solche mit
-der Zeit begreiflich zu machen.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol und die Seinen zeigten dabei einen hervorragenden Scharfsinn
-und nahmen bald mit vollstem Verständnis eine ganze Reihe von &bdquo;Fremdwörtern&ldquo;
-auf, mit denen Heinz ihre Sprache bereicherte, weil es dieser an
-den entsprechenden Ausdrücken fehlte. Dabei handelte es sich lediglich um
-Dinge, die den Erdenmenschen geläufig, den Edeniten aber völlig unbekannt
-waren, nicht zum Schaden der letzteren.
-</p>
-
-<p>
-So hielt es zu Anfang schwer, den Gastfreunden verständlich zu machen,
-was unter Gift, Vergiftung, Verwundung, Krankheit, Schmerzen, Haß,
-Bosheit und anderen Leiden und Lastern zu verstehen sei.
-</p>
-
-<p>
-Und doch war es notwendig, solche Dinge zu berühren, wollte man
-sich über die Verhältnisse Edens belehren oder über diejenigen der Erde
-Auskunft geben. Es waren daher größtenteils Fremdwörter von recht
-übler Bedeutung, die von den Edeniten gelernt und schmerzlich staunend
-begriffen werden mußten, wenn sie sich mit der fremden Welt, aus der ihre
-Gäste kamen, vertraut machen wollten und ihnen andererseits klar machten,
-inwiefern sich Eden von jener unterschied.
-</p>
-
-<p>
-Auch die andern machten rasche Fortschritte in der Sprache Edens, und
-Flitmore sprach den Wunsch aus, einen Besuch in der Stadt so lange hinauszuschieben,
-bis sie so weit wären, das Notwendigste zu verstehen und sich
-selber verständlich zu machen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-261" class="pagenum" title="261"></a>
-Es wurden daher in den nächsten Tagen nur Ausflüge auf die nahe
-Hochebene unternommen und auch einige Aussichtspunkte besucht, von denen
-aus man weit ins Land schauen konnte.
-</p>
-
-<p>
-Eine der ersten Fragen, die Schultze an Gabokol richtete, war die, wie
-es komme, daß das Wasser hier zum Teil bergauf, zum Teil aber bergab
-fließe.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Bei uns steigt immer das Leichtere nach oben,&ldquo; erwiderte der Mann
-verwundert, &bdquo;und das Schwere strebt hinab; ist das nicht so auf der Erde?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Im allgemeinen wohl,&ldquo; erwiderte der Professor. &bdquo;So wird zum Beispiel
-Öl, auf den Grund eines Baches gebracht, an die Oberfläche des Wassers
-steigen; dann aber fließt es nicht den Bach hinauf, sondern hinab, ebenso
-fließt sowohl Öl als Wasser auf festem Grund, falls dieser geneigt ist, bergab.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Auch wenn es leichter ist als der feste Grund?&ldquo; fragte Fliorot erstaunt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja! Es befindet sich eben dann in einem andern Mittel, in der Luft,
-und weil es schwerer ist als diese, drängt es zur Tiefe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Gabokol schüttelte den Kopf. &bdquo;Das ist merkwürdig und widerspricht
-den Naturgesetzen, wie wir sie kennen. Wir haben dichtes Wasser, das
-schwerer ist als Erd- und Felsboden: das sinkt hinab. Wird es aber durch
-Wärme und Verlust aufgelöster fester Bestandteile leichter als der feste
-Untergrund, so strebt es so hoch als nur möglich empor und fließt auch
-selbstverständlich bergauf. Die Meere haben schweres Salzwasser: die bleiben
-immer in der Tiefe.
-</p>
-
-<p>
-Unser Planet hat auch eine sehr schwere Luft und geringe magnetische
-Kraft; auf unsern Monden ist das ganz anders, da fühlt man sich schwer
-an den Boden gefesselt; möglich, daß dort auch das Wasser niemals bergauf
-fließen könnte, wenn es dort überhaupt Wasser gäbe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Könnt ihr bis zu euren Monden fliegen?&ldquo; erkundigte sich Mietje.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir können es wohl, tun es aber nicht ohne Not; denn zu einem
-Aufenthalt für Lebende sind sie nicht geeignet. Es fehlt ihnen an Pflanzen
-und an Wasser, sie gleichen leuchtenden Edelsteinen, sind aber tot und nur
-ein Platz für die Toten. Auch macht ihre starke Anziehungskraft das
-Wandern und Fliegen dort sehr beschwerlich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie macht ihr es überhaupt, daß ihr fliegen könnt?&ldquo; wandte sich
-Münchhausen an Fliorot.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir atmen die Luft in unsere Fluglunge ein,&ldquo; erwiderte dieser. &bdquo;Probiere
-es doch einmal: sobald sie mit Luft gefüllt ist, schwebt man von selber
-<a id="page-262" class="pagenum" title="262"></a>
-empor und sinkt erst wieder, wenn man die Klappe öffnet. Wir können
-das schon als kleine Kinder, warum macht ihr&rsquo;s nicht ebenso?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aus dem einfachen Grunde, weil wir eine so praktische zweite Lunge
-nicht besitzen,&ldquo; entgegnete der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das dachte ich mir,&ldquo; fiel nun Bleodila, die Hausfrau, ein. &bdquo;Bei uns
-ist diese innere Einrichtung ein Vorzug, den wir vor den Tieren haben,
-die nur springen können oder Flügel besitzen müssen um zu fliegen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und durch die Anfüllung euerer Ballonlunge werdet ihr so leicht, daß
-ihr bis zu den Monden fliegen könnet?&ldquo; fragte Mietje weiter.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, das nicht!&ldquo; antwortete ihr der Hausvater anstelle seiner Gattin:
-&bdquo;Weiter oben wird die Luft so dünn und leicht, daß sie uns nicht mehr
-trägt; wollen wir höher gelangen, so müssen wir Fahrzeuge benutzen, die
-durch die abstoßende Kraft emporgetrieben werden, bis wir die Kraft abstellen
-und, von dem Monde angezogen, auf seine Oberfläche gelangen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aha! Meine Fliehkraft!&ldquo; rief Flitmore. &bdquo;Und weiter als bis zu
-euren Monden reist ihr mit derselben nicht?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das können wir nicht: Die Zwischenluft bis zum grünen Mond, der
-uns der nächste ist, genügt kaum mehr zum atmen; den blauen haben nur
-wenige kühne und ausdauernde Fahrer erreicht; den rosa Mond aber, der
-doppelt so weit entfernt ist, konnte noch keiner erreichen: Die Luft wird
-zuvor so dünn, daß man umkehren muß, sonst müßte man sterben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn ihr aber in einem verschlossenen Behälter voller Luft aufsteigen
-würdet?&ldquo; meinte der Lord.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol sann nach: &bdquo;Das wäre ein Gedanke! Das hat noch niemand
-versucht,&ldquo; sagte er: &bdquo;Seid ihr so bis zu uns gekommen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja!&ldquo; bestätigte Flitmore kurz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein weiter Weg!&ldquo; meinte Fliorot und sah zum Himmel empor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unsere Erde kannst du nicht sehen!&ldquo; lachte Schultze, der der Richtung
-seiner Blicke folgte und nicht umhin konnte, sich höchlichst zu verwundern,
-daß der Knabe wenigstens genau zu wissen schien, wo er die Erde am
-Firmament zu suchen hätte, falls sie sichtbar gewesen wäre. Aber freilich,
-mit dem stärksten Teleskop hätte man diesen kleinen dunklen Planeten von
-hier aus niemals entdecken können.
-</p>
-
-<p>
-Fliorot aber erwiderte: &bdquo;O doch, ich sehe sie ganz genau. Ich kenne
-die Lage eueres Sonnensystems gut. Ihr habt nur eine Sonne. Zuerst
-kommen zwei kleine Planeten ...&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-263" class="pagenum" title="263"></a>
-&bdquo;Merkur und Venus,&ldquo; sagte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dann kommt euere Erde, wie ihr sie nennt,&ldquo; fuhr Fliorot fort, &bdquo;ich
-sehe sogar ihren Mond.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, Fliorot hat scharfe Augen,&ldquo; bestätigte Gabokol: &bdquo;Ich selber kann
-bei Tageslicht den Mond eurer Erde nicht erkennen, nur bei Nacht.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da hört sich aber doch alle Wissenschaft auf!&ldquo; rief Schultze, der staunend
-beobachtete, wie die Augen des Knaben ein wenig vorgetreten waren und sich
-in weite Ferne richteten. &bdquo;Das ist ja eine Sehkraft, die unsere stärksten Fernrohre
-weit in den Schatten stellt und gegen die auch diejenige des letzten Marsbewohners
-nichts besagen will! Ist dieser Jüngling imstande, Erde und Mond
-als zwei getrennte Körper zu unterscheiden, so ist das eine Augenparallaxe,
-die über das Märchenhafte hinausgeht. Seine Augen müssen es vermögen,
-die Neigung zweier Linien zu einander zu unterscheiden, die auf einen
-Kilometer nur 9 Millimeter beträgt!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Gabokol führte nun unsere Freunde zu seiner Schmiede und erklärte
-ihnen, wie die Flamme aus der Vereinigung zweier Gase entstand, die er
-durch Mischung von Metallen und Säuren im Erdboden erzeugte.
-</p>
-
-<p>
-Er hatte ein Luftschiff in Arbeit, das aus äußerst leichten Metallen
-gebaut wurde und das allgemeine Verkehrsmittel auf dem Planeten bildete,
-wie er erklärte, wenn es sich darum handelte, rascher vorwärts zu kommen,
-als durch persönlichen Flug, oder auch Lasten zu befördern.
-</p>
-
-<p>
-Als Triebkraft diente ein Magnetismus, den er Parallelkraft nannte,
-weil er die damit geladenen Fahrzeuge in wagrechter Richtung über der
-Oberfläche des Planeten hintrieb.
-</p>
-
-<p>
-Fliorot interessierte sich sehr für Heinz&rsquo; Revolver. Als der Freund ihn
-ernstlich mahnte, vorsichtig mit der gefährlichen Schußwaffe umzugehen,
-lachte er; und ehe es jemand hindern konnte, schoß er sich eine Kugel
-mitten durch den Arm.
-</p>
-
-<p>
-Den Schreckensruf unserer Freunde begriffen die Edeniten nicht. Der
-Arm war allerdings durchbohrt, auch der Knochen durchschlagen. Doch
-schloß sich die Wunde so augenblicklich ohne irgend welche Blutung, daß
-keine Spur mehr zu sehen war. Auch die Knochen waren offenbar so
-elastisch, daß sie ohne Schaden durchbohrt werden konnten. Ein Schmerzgefühl
-war den Edeniten unbekannt, und selbst völlig abgetrennte Glieder
-wuchsen, wie Bleodila versicherte, augenblicklich wieder fest, wenn man die
-Schnittflächen aneinander legte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-264" class="pagenum" title="264"></a>
-Doch kamen solche Verwundungen bei den elastischen Gliedmaßen und
-der äußerst widerstandsfähigen, wenn auch noch so zart aussehenden Haut
-äußerst selten vor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Krankheiten kennt ihr auch nicht?&ldquo; wandte sich Mietje an Glessiblora:
-&bdquo;Gifte gibt es hier keine, wie ihr sagt, und das stärkste Feuer vermag
-eure Haut nicht anzugreifen, gibt es denn da bei euch überhaupt einen Tod?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja,&ldquo; erwiderte das Mädchen, &bdquo;sterben müssen wir alle. Ein Jahr
-dauert bei uns etwa zehn eurer Erdenjahre und 300 bis 500 unserer
-Jahre ist die gewöhnliche Lebensgrenze.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Also 3000 bis 5000 Jahre!&ldquo; rief Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Selten stirbt jemand in zarterem Alter,&ldquo; bestätigte Heliastra. &bdquo;Man
-ist dann alt und müde und sehnt sich nach dem höheren, vollkommeneren
-Leben, das Gott uns nach dem Tode verheißen hat.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Fühlen wir unser Ende herannahen,&ldquo; fügte Bleodila hinzu, &bdquo;so treten
-wir gewöhnlich alsbald die Reise nach dem grünen Mond an, dem Reich
-der Toten. Dort schläft man nach wenigen Tagen ein, ohne wieder aufzuwachen.
-Entschlummert aber einer schon hier, ehe er an die letzte Reise
-dachte, was sehr selten vorkommt, so bringen wir seinen Leib hinauf, wo
-er dann bald austrocknet und zu Staub zerfällt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr glaubt also, wie wir, an ein ewiges Leben?&ldquo; fragte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol sah ihn verwundert an: &bdquo;Natürlich!&ldquo; sagte er: &bdquo;Was hätte
-es für einen Sinn, wenn das Leben mit dem Tode aus wäre?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, ihr habt doch sicher auch in diesem Leben eine Aufgabe zu erfüllen,&ldquo;
-meinte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß! Sehr viele! Arbeit gibt es genug an uns und andern, für
-uns und für andere; denn wir müssen doch immer besser werden und
-unsern Planeten immer besser machen. Wollten wir zum Beispiel an der
-Verbesserung unserer Weltkugel nicht ernstlich und fleißig arbeiten, so müßten
-unsere Nachkommen bald zum Teil verhungern: bis jetzt ist nämlich nur
-ein Streifen rings um den Planeten fruchtbar und bewohnt; alles andere
-ist Wüste, es fehlt an Pflanzen und Erde.
-</p>
-
-<p>
-Unsere Hauptarbeit besteht nun darin, das nackte Gestein zu zermahlen,
-es mit pflanzlichen Stoffen und chemischen Bestandteilen zu mengen und so
-eine gute Erde herzustellen, mit der wir kahle Flächen bedecken, die dann
-eingesät werden und Urwälder und Prärien bilden, welche zunächst von
-<a id="page-265" class="pagenum" title="265"></a>
-der Tierwelt in Beschlag genommen werden können, bis sich später die
-Bevölkerung ausdehnt.
-</p>
-
-<p>
-Nächst unseren häuslichen Arbeiten, der Herstellung von Verkehrsmitteln
-und dem Landbau, beteiligt sich jedermann auch an dieser Riesenarbeit,
-künftigen Geschlechtern ihre Wohnsitze zu schaffen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun also,&ldquo; sagte der Professor: &bdquo;So könntet ihr ja sagen, das ist der
-Zweck unseres Lebens, unsern Nachkommen den Boden zu bereiten, und
-in ihnen leben wir fort. Ähnlich sprechen so manche auf Erden, die an
-kein Fortleben nach dem Tode glauben wollen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und diese Nachkommen?&ldquo; fragte Bleodila: &bdquo;Sie würden auch einige
-hundert Jahre sich des Errungenen erfreuen und ihrerseits für die Kommenden
-vorarbeiten, um dann ins ewige Nichts zu versinken, und so ginge es fort,
-bis der Planet tot wäre mit allen, die je auf ihm gestrebt und gewirkt?
-Und dann? Dann wäre es völlig einerlei, ob je hier vernünftige Wesen
-gelebt und gearbeitet haben oder nicht!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja,&ldquo; stimmte die kleine Heliastra der Mutter bei. &bdquo;Wenn mit dem
-Tode alles aus wäre, so wäre zuletzt unser ganzes Leben zwecklos und
-sinnlos, wir wären das Puppenspiel eines unverständigen Schöpfers; aber
-gottlob, die Macht, die uns erschaffen hat und erhält, ist Weisheit und
-Liebe; darum allein können wir uns des Lebens freuen und auch dem
-Ende getrost und fröhlich entgegensehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und was erhofft ihr vom Ende?&ldquo; fragte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-Heliastras Augen leuchteten: &bdquo;Das Leben ist schön bei uns, wunderschön!
-Aber welche Schranken sind uns überall gesteckt, wie viel möchten wir
-wohl ausführen und können es nicht! Wer treu gewesen ist im Wirken
-seines endlichen Lebens, dem werden höhere Aufgaben und Kräfte anvertraut,
-wie wir glauben: ja, ein neueres, höheres und schöneres Leben wird diesem
-mangelhaften Leben folgen, das glauben und hoffen wir!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unser Glaube ist der,&ldquo; fügte Gabokol hinzu: &bdquo;Wer sich bewährt hat,
-dem wird Gott eine seiner unzähligen Welten überweisen und ihm sagen:
-nun magst du nach eigenen Gedanken und nach eigener Lust schaffen. Ich
-gebe dir ein Maß von Schöpferkraft, wie es deinen Bedürfnissen entspricht;
-ich ordne dir andere Geister bei, denen noch keine so hohe Macht anvertraut
-werden kann, die dir aber treu und willig zu Diensten sein werden.
-Nun schaffe dir eine Welt nach deinen Gedanken, Pflanzen, Tiere, vernünftige
-Wesen, wie deine Phantasie solche erfindet, stelle Naturgesetze auf, wie du
-<a id="page-266" class="pagenum" title="266"></a>
-sie für zweckmäßig hältst und wenn du des Rats bedarfst, so darfst du ihn
-jederzeit bei mir holen. Ja, wir glauben, daß die Natur und Lebewelt
-auf unserem Planeten und wir selbst auf diese Weise geschaffen worden sind
-von einem großen, seligen Geist, dem Gott hier sein Schöpfungsgebiet angewiesen
-hat; denn vollkommene Geschöpfe, wie Gott selber sie erschaffen
-hätte, sind wir noch nicht. Aber im neuen Leben wird er selbst uns zur
-Vollkommenheit vollenden, wie der Meister des Schülers Arbeit verbessert
-und zur Vollendung bringt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr glaubt also alle an einen Gott, von dem in letzter Linie die ganze
-sichtbare Schöpfung ausgeht?&ldquo; fragte Mietje.
-</p>
-
-<p>
-Bleodila sah sie verständnislos an: &bdquo;Ja, was sollten wir denn sonst
-glauben?&ldquo; fragte sie. &bdquo;Etwa, diese ganze Welt mit ihren wunderbaren
-Geschöpfen und uns selbst, sei von selber entstanden?&ldquo; und sie brach in ein
-herzliches Gelächter aus, in das ihre beiden Töchter einstimmten, so daß
-es wie der Klang eines Glockenspiels durch die zitternden Lüfte schallte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr habt recht, daß ihr lacht,&ldquo; sagte Mietje; &bdquo;niemand macht sich so
-lächerlich, wie der Zweifler am Dasein Gottes.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nichts ist wahrer als dies,&ldquo; stimmte der Lord bei: &bdquo;Die Gottesleugnung
-wird stets der sicherste Beweis geringer Verstandesgaben sein und der Unfähigkeit,
-vernünftig zu denken. Allerdings entstammt der plumpe Aberglaube
-an die ewige, allmächtige Natur und ihren aus dem Nichts gezauberten
-Gesetzen dem unlautern Willen und nie der wissenschaftlichen Überlegung.
-Aber diese Leute, die das Opfer ihres Verstandes bringen, weil sie nicht
-glauben wollen, die Geist und Sinne absichtlich verschließen, um der allein
-vernünftigen Erkenntnis den Eingang zu verwehren, sind um so bejammernswertere
-Toren und tun sehr Unrecht daran, den Vogel Strauß zu belächeln,
-der den Kopf in den Sand steckt, meinend, nun sei auch das nicht da, was
-er nicht mehr sieht, nicht sehen will.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unsere Philosophen,&ldquo; sagte Gabokol, &bdquo;haben auch schon über das
-Welträtsel nachgedacht. So beschränkt war freilich keiner, am Dasein eines
-Schöpfers zu zweifeln. Aber die Frage nach der Ewigkeit des Sichtbaren
-warfen sie auf. Da kamen sie denn zu folgenden Erkenntnissen: entweder
-das Sichtbare war immer da, das heißt von jeher vom ewigen Schöpfer
-hervorgebracht; dann wird es auch immer sein, und die Vergänglichkeit ist
-nur etwas Scheinbares, als ein Übergang in andere, zweifellos, höhere
-Daseinsformen; das wäre eine beständige Entwicklung, ein ewiger Fortschritt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-267" class="pagenum" title="267"></a>
-&bdquo;Wenn aber das Sichtbare einen zeitlichen Anfang hätte?&ldquo; warf
-Schultze ein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dann könnte es ja wohl auch ein Ende haben,&ldquo; erwiderte der Edenite;
-&bdquo;allein es ist klar, daß wenn <em>einmal</em> ein Anfang war, auch späterhin
-immer wieder ein neuer Anfang möglich ist; ja es wäre unsinnig zu glauben,
-daß es in der Ewigkeit der Zeiten nur einmal zu einem einzigen Anfang
-gekommen wäre und dann für alle Zeiten Ende und Tod. Wir schließen
-daraus, daß auch das Einzelne nie ein endgültiges Ende nehmen kann,
-sondern daß ihm ein neuer Anfang sicher ist. Der Anfang des Sichtbaren
-setzt also nicht sein Ende voraus, sondern vielmehr seine ewige Erneuerung.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-48">
-<a id="page-268" class="pagenum" title="268"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />45. Heliastra.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Es war wunderbar, wie die Lebensluft Edens Körper und Geist frisch
-erhielt, stärkte und belebte!
-</p>
-
-<p>
-Was ließ sich doch alles an <em>einem</em> Tage ausführen, kam doch zum
-siebenundzwanzigstündigen Sonnentag nach einer Dämmerstunde die achtstündige
-Rosennacht, in der noch keine Müdigkeit oder Schläfrigkeit aufkam!
-</p>
-
-<p>
-Man ging zur Ruhe, wenn der blaue Mond bereits einige Stunden
-geleuchtet hatte; man erhob sich gestärkt und munter, ehe der grüne Mond
-sich zum Untergang neigte: acht bis neun Stunden Schlafs genügten allen
-Bedürfnissen, so daß der Tag, das heißt die Zeit des Wachens, mehr als
-40 Stunden währte.
-</p>
-
-<p>
-Was man bei der hier so gesteigerten Auffassungsfähigkeit in wenigen
-Tagen lernen konnte, merkten unsre Freunde besonders daran, daß sie bald
-die Sprache Edens verstanden und redeten, als sei sie ihnen von Kind auf
-bekannt gewesen. Freilich wäre dies nicht möglich gewesen, wenn nicht
-eben die Verwandtschaft mit der irdischen und namentlich mit der deutschen
-Sprache, die der menschlichen Ursprache so besonders nahe steht, gewesen wäre.
-</p>
-
-<p>
-Eines Abends, als der Rosenmond sein märchenschönes Licht über die
-Landschaft ergoß, saß die nun so vertraute Gesellschaft auf dem Dache des
-Hauses.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol führte mit Schultze und Flitmore ein ernstes Gespräch, dem
-John andächtig lauschte, sich hier und da eine seiner wohlgesetzten Fragen
-gestattend.
-</p>
-
-<p>
-Mietje unterhielt sich mit Bleodila und der gesetzten Glessiblora über
-das Leben und Treiben der Frauenwelt Edens.
-</p>
-
-<p>
-Fliorot lauschte den fabelhaften Erzählungen des Kapitäns Münchhausen,
-der an dem Knaben einen eifrigen Zuhörer gefunden hatte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-269" class="pagenum" title="269"></a>
-Etwas abseits saßen Heinz und Heliastra und betrachteten den leuchtenden
-Sternhimmel, der freilich den Augen der Jungfrau einer höheren Welt
-noch viel reichere Wunder offenbarte als dem Jüngling der irdischen Fernen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich liebe die Sterne so sehr!&ldquo; sagte die kleine Elfe: &bdquo;Wie viel leuchtende
-Sonnen hat doch Gott erschaffen und wie unzählig mögen die Wesen sein,
-die ihres Glanzes sich freuen! Den helleren Sternen haben wir Namen
-gegeben und ebenso den Bildern, die durch verschiedene einander scheinbar
-nahestehende Sterne entstehen, wenn man sie vereint betrachtet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Genau so haben auch wir auf der Erde es gemacht,&ldquo; erwiderte
-Heinz lächelnd.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein! wie merkwürdig!&ldquo; rief Heliastra erfreut: &bdquo;Sieh einmal, dort
-am Horizont stehen vier Sterne, die einen viereckigen Leib bilden, von
-dem ein langer Hals emporstrebt; wir nennen das Sternbild, das wohl
-das deutlichste am Himmel ist, Ligela, nach dem langhalsigen Tier, das
-ihr Giraffe nennt, wie heißet denn ihr&rsquo;s?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heliastra hatte sich von Heinz fleißig in seiner Sprache unterweisen
-lassen und wußte schon alle Namen derjenigen irdischen Geschöpfe, die mit
-denen Edens einige Ähnlichkeit hatten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir nennen dies Sternbild den Wagen oder den Großen Bären,&ldquo; erklärte
-der Jüngling: &bdquo;Es gehört auch bei uns zu den bekanntesten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heliastra schüttelte das Goldköpfchen: &bdquo;Ligela klingt schöner,&ldquo; meinte
-sie; &bdquo;aber schau, dort drüben sind drei Sterne in einer Reihe und zwei
-darunter; dieses Bild nennen wir den Thron, Sissal, und den hellen Stern
-rechts unten Helor.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir heißen den letzteren Rigel, nehmen aber zum Sternbild noch jene
-beiden oberen Sterne, links Beteigeuze, rechts Bellatrix, und heißen das
-ganze Gebilde Orion.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Orion! Nein, welch schöner, klangvoller Name!&ldquo; rief das Mädchen.
-&bdquo;Aber paß auf: die beiden Sterne, die ihr Beteigeuze und Bellatrix benennt,
-wir aber Fluir und Saila, rechnen wir zum langgestreckten Bild der
-Schlange, Slipilil; ihr Kopf ist dort links das strahlende Gestirn Glorhel.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist Sirius im großen Hund,&ldquo; erläuterte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und das Schwanzende,&ldquo; fuhr Heliastra fort, &bdquo;ist dort rechts der helle
-Stern, an den sich mehrere kleinere in schönem Schwung anschließen; ersteren
-heißen wir Glizil.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-270" class="pagenum" title="270"></a>
-&bdquo;Das ist Aldebaran im Stier und die kleine Gruppe die Hyaden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Noch eine ganze Reihe von Stern- und Sternbildernamen erklärten sich
-die beiden gegenseitig, wobei es sich freilich erwies, daß die Astronomen
-Edens meist andre Gruppierungen festgestellt hatten, als die irdischen. Genau
-übereinstimmend erfanden sich außer dem großen Bären nur die besonders
-scharf begrenzten Bilder der Kassiopeia, die ein großes lateinisches W bildet
-und der Wage; diese beiden nannte Heliastra &bdquo;Doppeldreieck&ldquo; und &bdquo;Amboß&ldquo;
-oder Dutri und Kolgor.
-</p>
-
-<p>
-Immer wieder mußte Heinz dann von der Erde und den Menschen erzählen,
-und Heliastra lauschte seinen Berichten wie Wundermären aus einer
-fernen Märchenwelt.
-</p>
-
-<p>
-Und wenn er von den Leiden, Fehlern und Leidenschaften der irdischen
-Geschöpfe berichtete, von den Schrecken und Gefahren, von Unglück und
-Verbrechen, die den Frieden und das Glück der Erdenbewohner trübten,
-da offenbarte sich ihm das tiefe Gemüt, das sich hinter dieses Sonnenkindes
-schelmischem Wesen barg.
-</p>
-
-<p>
-Denn die Liebliche empfand ein so tiefes Mitleid mit ihren fernen
-Brüdern und Schwestern, daß ihre Himmelsaugen in Tränen schwammen;
-und die Sünde und Verworfenheit kam ihr noch als das allerbemitleidendste
-Elend vor, unter dem die armen Geschöpfe zu leiden hätten.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O,&ldquo; rief sie aus: &bdquo;Wie viel höhere und edlere Aufgaben, Arbeit und
-Tätigkeit ist doch euch zugewiesen, die ihr Schmerzen zu lindern, Übel zu
-bekämpfen und Schlechtes zu überwinden habt! Wir streben ja auch der
-Veredlung und Vollkommenheit zu, aber die Schwierigkeiten, mit denen
-ihr zu rechnen habt, sind uns unbekannt: bei euch muß das Leben ein
-wahres Heldentum sein. Nur einmal möchte ich auch hineinversetzt werden
-in all dies bejammernswerte Elend, um mit euch kämpfen und siegen zu
-können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, wünsche das nicht!&ldquo; sagte Heinz, das zarte Geschöpf in seiner verklärten
-Begeisterung wehmütig betrachtend: &bdquo;Wie viel glücklicher seid
-doch ihr!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Meinst du? Ich fühlte mich wohl wunschlos glücklich, so lange ich
-nichts ahnte von Leiden, wie du sie zu schildern weißt. Nun aber ist ein
-heißer Wunsch, ein brennendes Verlangen in meiner Seele erwacht: ist es
-nicht das höchste Glück, trösten, lindern, helfen zu dürfen, wo das Elend
-zum Himmel schreit?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-271" class="pagenum" title="271"></a>
-&bdquo;Und dann Undank ernten und von denen, mit denen man es so gut
-meinte, verhöhnt und gequält zu werden, wie es unserm Heiland ging?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Glaubst du nicht, es sei das Schönste, auch Unrecht zu leiden, nach
-dem Vorbild des Gottessohns, von dem du so himmlisch Großes und Herrliches
-zu erzählen weißt? Und dann weiß ich doch, du und deine Freunde,
-ihr würdet nicht spotten und mir mit Undank vergelten; ihr wäret meine
-treuen Mithelfer und Mitdulder. O, Freund, es müßte wahrhaft schön
-sein!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heinz betrachtete voll Bewunderung dieses ätherische Wesen, das sein
-beneidenswertes Glück mit Freuden geopfert hätte, um Lichtstrahlen zu
-spenden denen, die ihre Finsternis mehr liebten als das Licht!
-</p>
-
-<p>
-Ja, wer an der Seite solch einer Seele hätte arbeiten können an der
-Beglückung der Gequälten und Verirrten!
-</p>
-
-<p>
-Heinz hatte schon den Wunsch empfunden, für immer in dieser neuen
-Welt des Friedens zu weilen und nie wieder in das Elend der Erde zurückzukehren.
-Aber die hochherzige Gesinnung dieses Mädchens ließ ihn
-sich seiner eigennützigen Fluchtgedanken schämen: nein! er mußte zurückkehren
-auf die Erde als ein Kämpfer für Licht und Glück!
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-49">
-<a id="page-272" class="pagenum" title="272"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />46. Überirdische Klänge.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Es fand sich, daß die Photographie den Edeniten nicht unbekannt war.
-</p>
-
-<p>
-In Gabokols Wohnung waren die Wände vielfach mit Bildern geschmückt,
-teils Porträts, teils Landschaftsbilder oder belebte Szenen aus
-Welt und Leben. All diese Darstellungen erschienen so überaus lebendig
-und naturwahr, so zart und leuchtend in den feinsten Farbenabstufungen,
-daß unsre Freunde sich nicht genug wundern konnten über die hohe Stufe,
-welche die Kunst der Maler hier erreicht habe.
-</p>
-
-<p>
-Bald erfuhren sie jedoch, daß es sich nur zum geringsten Teil um Gemälde
-handelte, daß vielmehr die meisten dieser Kunstwerke nichts andres
-waren als Lichtbilder in natürlichen Farben.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol selber besaß einen photographischen Apparat, den er Flitmore
-bereitwilligst erläuterte. Die Linse war durchaus dem menschlichen Auge
-nachgebildet und wurde auch wie dieses eingestellt, wobei sie Bilder von
-unnachahmlicher Schärfe lieferte. Die Platten bestanden aus durchsichtiger
-Baumrinde und waren mit einem licht- und farbenempfindlichen Stoffe
-überzogen, der ebenfalls genau dem entsprechenden Stoff im Auge des
-Menschen nachgeahmt war. So entstand schon auf der Platte ein farbiges
-Bild, das durch ein verblüffend einfaches Verfahren festgehalten wurde.
-Von dieser ersten Platte konnten dann beliebig viele Vervielfältigungen
-ausgeführt werden, wobei man stets dieselben dünnen Platten benutzte:
-ein besonderes Material für die Abzüge war durchaus entbehrlich.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol schenkte dem Lord einen solchen Apparat und Flitmore war
-nun imstande, die Wunder Edens in einer Weise festzubannen, wie es keine
-irdische Kunst vermocht hätte.
-</p>
-
-<p>
-Heinz durfte die Wunderkamera benutzen so oft er wollte; während
-aber der Lord vorzugsweise Landschaften, Tier- und Pflanzenbilder aufnahm,
-<a id="page-273" class="pagenum" title="273"></a>
-bevorzugte der Jüngling Porträtaufnahmen. Namentlich wurde er
-nicht müde, Heliastra allein oder mit ihrer anmutigen Schwester in immer
-neuen Stellungen zu photographieren und die Mädchen kamen ihm hiebei
-mit freundlichster Geduld entgegen.
-</p>
-
-<p>
-Musik war den Edeniten ein Lebensbedürfnis; sie besaßen eigenartige
-Instrumente von unbeschreiblichem Wohlklang und einer Mannigfaltigkeit
-der Tonfarben, die ganz wunderbare Effekte ermöglichte. Das durchsichtige
-Holz der Bäume und Rohre, aus dem hauptsächlich die Instrumente gefertigt
-wurden, schien für diesen Zweck weit geeigneter als alle irdischen
-Holz- oder Metallarten; auch der stärkste metallische Klang, Orgel- und
-Glockentöne, war gewissen Holzarten eigen.
-</p>
-
-<p>
-John war außer sich vor Freude über eine Flöte, die ihm Fliorot
-verehrte, und aus welcher der musikalische Diener Weisen hervorzuzaubern
-vermochte, die ihm alles Irdische zu übertreffen schienen.
-</p>
-
-<p>
-Völlig in himmlische Sphären versetzt fühlten sich aber unsre Freunde,
-wenn Gabokol und Fliorot mit Bleodila, Glessiblora und Heliastra ihre
-herrlichen Gesänge erschallen ließen: das waren Stimmen, die den Traum
-einer Sphärenmusik tatsächlich verwirklichten; es war zu wenig gesagt,
-wenn man den Baß der Männer mit Orgelklängen vergleichen wollte und
-die Reinheit der Mädchenstimmen mit Silberglocken: jeder irdische Vergleich
-mußte hier verblassen und man konnte nur an die unbekannten
-Chöre der himmlischen Heerscharen denken. Und der Umfang dieser
-Stimmen war geradezu unglaublich: kein menschlicher Baß und kein irdischer
-Tenor konnte in solche Tiefen hinab, in solche Höhen hinaufsteigen; und
-die weiblichen Stimmen schienen in unendliche Räume entschweben zu können,
-wo sie zu ätherischen Klängen sich verflüchtigten.
-</p>
-
-<p>
-Und welch fremdartige Melodien! Seltsam und niegehört den Erdenbewohnern
-und doch so heimatlich vertraut, als ob die in Träume des
-Entzückens gewiegte Seele die Lieder eines verlorenen Paradieses vernehme,
-das einst ihre selige Heimat war.
-</p>
-
-<p>
-Merkwürdigerweise besaßen die Edeniten keinerlei Saiteninstrumente
-und so war ihnen Heinz&rsquo; Geige etwas völlig Neues.
-</p>
-
-<p>
-Immer wieder wurde der Jüngling gebeten, ihnen irdische Weisen vorzuspielen.
-Anfangs sträubte er sich, denn ihm schien auch das Höchste,
-was Erdenkunst erreicht hat, kaum wert, sich hören zu lassen vor Ohren,
-die eine Sphärenmusik gewohnt waren; so glaubte er, sein Spiel müsse
-<a id="page-275" class="pagenum" title="275"></a>
-den Gastfreunden minderwertig erscheinen, und nur aus Höflichkeit bäten sie
-ihn, sein schwaches Talent ihnen vorzuführen.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-274">
-<img src="images/274.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Heinz photographiert Heliastra und Glessiblora.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Bald aber merkte er, daß er sich darin irrte; höfliche Verstellung und
-Schmeichelei war diesen Menschen fremd und sie hielten mit ihrem Urteil nicht
-zurück, wenn ihnen ein Musikstück nicht gefiel.
-</p>
-
-<p>
-Aber das Violinspiel an und für sich und die wunderbare Vortragsweise
-des jungen Künstlers übte einen mächtigen Zauber auf sie aus, und Heinz
-mußte außerdem erkennen, daß die unsterblichen Tondichtungen irdischer
-Meister sich durchaus nicht zu scheuen brauchten, auch in höheren Welten zu
-Gehör gebracht zu werden, daß sie vielmehr hier ein noch höheres Verständnis
-fanden und entsprechenden Genuß vermittelten.
-</p>
-
-<p>
-Heliastra besonders konnte sich an diesen Klängen einer fernen Welt nicht
-satthören.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unsre Musik ist schön,&ldquo; sagte sie, &bdquo;und wir haben große Tonmeister
-gehabt und besitzen deren noch solche. Ihre Schöpfungen heiligen unsre Andacht
-und geben unserm Jubel Flügel; aber unsrer Musik fehlt etwas: ja, ihr
-mangelt der Reiz, der mich an der euren so völlig gefangen nimmt, die Wehmut,
-der Schmerz, die himmlische Sehnsucht, die geben euren Tonschöpfungen
-eine Seele, eine Wärme und Tiefe des Gefühls und Ausdrucks, daß ich glaube,
-selbst die Engel und Verklärten im Himmel könnten sich ihrem Banne nicht
-entziehen, noch ihnen ohne Bewegung und innerste Erschütterung lauschen.
-O, was muß das für eine Welt sein, wo der Schmerz sich in solchen Tönen
-verklärt und die Sehnsucht so ergreifenden Ausdruck findet!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Gabokol begeisterte sich so sehr für die Violine, daß er beschloß, den Versuch
-zu machen, ein ähnliches Instrument herzustellen.
-</p>
-
-<p>
-Er wählte das Holz eines Baumes, dessen Klangfarbe ihm zu diesem
-Zweck am passendsten erschien, und als Saiten zog er Pflanzenfasern auf, die
-sich vorzüglich hiezu eigneten. Im Bau ahmte er die Geige seines jungen
-Freundes aufs genaueste nach.
-</p>
-
-<p>
-Er kam rasch mit der Arbeit zustande und nun erwies es sich, daß sowohl
-Holz als Saiten ungeahnte Vorzüge vor den irdischen Materialien aufwiesen.
-</p>
-
-<p>
-Heinz versuchte sich sofort auf dem neuen Instrument: es war eine richtige
-Violine, aber sie ermöglichte eine solche Zartheit und wiederum eine solche
-Kraft des Tones und war von einem Zauber der Klangfarbe und Reinheit,
-daß keine Stradivari, Guarneri oder Amati sich entfernt mit ihr hätte vergleichen
-können.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-276" class="pagenum" title="276"></a>
-Auch die Edeniten erkannten sofort, daß dies neue Instrument dem schon
-bisher so bewunderten Spiel ihres Freundes noch erhöhte Kraft und Schönheit,
-vertiefte Wärme und Innigkeit verlieh.
-</p>
-
-<p>
-Daher bot Gabokol sein so überraschend gelungenes Kunstwerk Heinz zum
-Geschenk an, eine Gunst, die mit Jubel und Dankbarkeit angenommen wurde.
-</p>
-
-<p>
-In der Folge baute Gabokol noch mehrere Violinen, die alle die gleichen
-trefflichen Eigenschaften besaßen, obgleich es sich auch hier zeigte, daß jedes
-neue Instrument seine besondere Eigenart in der Klangfärbung aufwies.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Erfolg bewog unsre Freunde, ihren Gastgeber auch in die besonderen
-Geheimnisse andrer Saiteninstrumente einzuweihen und so entstanden
-Cellos, Gitarren, Mandolinen, Zithern, Harfen und sogar ein Saitenklavier.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-50">
-<a id="page-277" class="pagenum" title="277"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />47. Im Reiche des Friedens.
-</h2>
-
-<p class="first">
-&bdquo;Heute ist der siebte Tag,&ldquo; sagte Gabokol eines Morgens. &bdquo;Wollt ihr
-nicht heute mit uns zum erstenmal die Stadt besuchen? Es ist bei uns von
-jeher eine Vorschrift, daß wir uns am siebten Tage versammeln, um Gott zu
-loben, ihn anzubeten und von seinem Willen und unsrer ewigen Bestimmung
-zu hören, was der Priester des Ewigen uns verkündigt. Wir lassen an diesem
-Tage alle Arbeit ruhen und sind fröhlich miteinander.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, es ist der schönste Tag,&ldquo; fügte Bleodila hinzu.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Merkwürdig!&ldquo; rief Mietje: &bdquo;Auch wir pflegen den siebten Tag als
-Gottes heiligen Tag zu feiern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist herrlich!&ldquo; meinte Bleodila. &bdquo;Und wir sehen daraus wieder,
-daß ihr unsern Gott als den euren erkennt.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-So begaben sich alle einträchtig hinab in das Tal.
-</p>
-
-<p>
-Der Versammlungsraum befand sich am äußersten Ende der Stadt, das
-heißt, es war das nächste Gebäude und war vor allen andern durch seine
-Höhe, Ausdehnung und Herrlichkeit ausgezeichnet. Statt der rauhen Felswände,
-wie die meisten Wohngebäude sie aufwiesen, sah man hier glänzend
-polierten Marmor und Säulen von durchsichtigen Edelsteinen, die meist von
-den Monden Edens herabgeholt worden waren, wie Gabokol erklärte.
-</p>
-
-<p>
-Die ganze Einwohnerschaft der Stadt versammelte sich hier: würdige
-Greise mit edlen Zügen, trotz ihres oft vielhundertjährigen Alters runzellos
-und von vollendeter Schönheit, Männer, Frauen, Jünglinge, Jungfrauen,
-Knaben und Mädchen, ja ganz kleine Kinder schwebten herein und alle
-leuchteten in verklärter Freude.
-</p>
-
-<p>
-Das Erscheinen der Fremdlinge von einem entfernten Planeten erregte
-Aufsehen, namentlich bei der Jugend; doch selbst die kleinsten Kinder zeigten
-keine aufdringliche Neugier.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-278" class="pagenum" title="278"></a>
-Immerhin waren zu Anfang Tausende von Blicken auf die Ankömmlinge
-gerichtet; denn alle hatten zwar schon von den seltsamen Gästen gehört, aber
-nur ganz wenige hatten sie geschaut bei zufälligen Begegnungen auf deren
-einsamen Spaziergängen, und Besuche im Hause Gabokols hatte man aus
-zarter Rücksicht in den letzten Tagen absichtlich vermieden, um abzuwarten,
-bis die irdischen Besucher selber den Anfang machten, sich unter den Leuten zu
-zeigen.
-</p>
-
-<p>
-Sobald jedoch der Priester in den Altar trat, erfüllte ungeteilte Andacht
-alle Gemüter und nun erscholl tausendstimmiger Gesang von einer Reinheit
-und Musik, daß es unsren Freunden war, als hörten sie das Lob der himmlischen
-Heerscharen.
-</p>
-
-<p>
-Dann wurde ein gemeinsames Gebet gesprochen, worauf der Priester von
-der Herrlichkeit und Güte des Schöpfers redete und von dem Dank und den
-Pflichten seiner Geschöpfe.
-</p>
-
-<p>
-Noch mehrmals erscholl der Orgel- und Glockenton der überwältigenden
-Gesänge.
-</p>
-
-<p>
-Heinz konnte sich nicht versagen, ein Loblied, das ihm besonders gefiel,
-in deutschen Versen niederzuschreiben. Seine allerdings schwache Übersetzung,
-die in unserer viel ärmeren Sprache weder der Gedankenkraft noch der Klangfülle
-des Urtextes gerecht werden konnte, lautete folgendermaßen:
-</p>
-
-<div class="poem-container">
- <div class="poem">
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Gott, Du Herr der Ewigkeiten,</p>
- <p class="verse">Wer mag Deinen Ruhm verbreiten?</p>
- <p class="verse">Wer mag preisen Deine Stärke,</p>
- <p class="verse">Wer kann fassen Deine Werke?</p>
- <p class="verse">Wunder schufst Du allerorten</p>
- <p class="verse">Mit des Geistes Lebensworten,</p>
- <p class="verse">Und vor Deiner Allmacht Zeugen</p>
- <p class="verse">Muß der kühnste Geist sich beugen.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">Was Du willst, das muß entstehen,</p>
- <p class="verse">Was Du schiltst, das muß vergehen;</p>
- <p class="verse">Aus dem Nichts riefst Du das Leben,</p>
- <p class="verse">Hast dem Staube Geist gegeben;</p>
- <p class="verse">Und Du hältest in den Gleisen</p>
- <p class="verse">Welten, die um Welten kreisen:</p>
- <p class="verse">Aus den unbegrenzten Fernen</p>
- <p class="verse">Leuchtet uns ein Meer von Sternen.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
-<a id="page-279" class="pagenum" title="279"></a>
- <p class="verse">Licht aus unerschöpftem Lichte</p>
- <p class="verse">Strahlt von Deinem Angesichte,</p>
- <p class="verse">Leuchtet aus der Sonnen Gluten,</p>
- <p class="verse">Fleußt aus ungehemmten Fluten</p>
- <p class="verse">Auf die Werke Deiner Liebe,</p>
- <p class="verse">Weckt des Lebens reiche Triebe:</p>
- <p class="verse">In dem All ist keine Stätte,</p>
- <p class="verse">Die nicht ihre Wunder hätte.</p>
- </div>
- <div class="stanza">
- <p class="verse">O, daß ich in neuen Weisen</p>
- <p class="verse">Deine Größe könnte preisen!</p>
- <p class="verse">O, daß all mein Reden wäre</p>
- <p class="verse">Nur ein Lob zu Deiner Ehre!</p>
- <p class="verse">Meine Werke von Dir zeugten,</p>
- <p class="verse">Meine Sinne Dir sich beugten!</p>
- <p class="verse">Mach mich frei von eitlen Dingen,</p>
- <p class="verse">Nur von Dir allein zu singen!</p>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Als der erhebende Gottesdienst zu Ende war, trat der greise Priester
-geradewegs auf unsre Freunde zu und sprach:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir haben gehört, daß ihr Fremdlinge einer fernen Gotteswelt den
-ewigen Schöpfer kennt und anbetet gleich uns. Das ist uns eine hohe Freude!
-Nun wäre es dieser ganzen Gemeinde ein besonderes Fest und gewiß dem
-Allgütigen angenehm, wenn in diesem Heiligtum zum erstenmale in fremder
-Zunge von Gottesgeschöpfen eines weltfernen Planeten Gottes Lob erklänge;
-darum, wenn ihr uns erfreuen wollt, eines eurer frommen Lieder zu singen,
-so wären wir euch dankbar.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein feste Burg!&ldquo; sagte Flitmore kurz zu seinen Begleitern.
-</p>
-
-<p>
-Und ohne sich zu besinnen stimmten sie den Choral an. Es schien
-ihnen, als seien ihre Stimmen zu Strömen gewachsen, so brauste das Lied
-aus wenigen Kehlen durch die Hallen dahin, und der Gesang bewährte
-seinen heiligen Zauber auch in dieser höheren Welt, denn unter lautloser
-Stille lauschten ihm die Tausende mit Andacht und sichtlicher Ergriffenheit.
-</p>
-
-<p>
-Als nun die ganze Gemeinde das Gotteshaus verließ, machten unsre
-Freunde in Begleitung ihrer Wirte Besuche bei mehreren den letztern
-befreundeten Familien und folgten zuletzt der Einladung des Provinzfürsten
-zum Mittagsmahl.
-</p>
-
-<p>
-Hierauf machten sie einen Ausflug vor die Stadt und bewunderten die
-prächtigen Kulturen: die wogenden Getreidefelder mit ihren durchsichtigen
-Goldähren, die Gemüse- und Nutzpflanzungen, die Viehweiden.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-280" class="pagenum" title="280"></a>
-In Scharen schwebten die festlich gekleideten Edeniten in der Umgegend
-umher und es war ein himmlischer Anblick, sie so leicht dahingleiten zu
-sehen, umflossen von ihren spinnwebzarten Gewändern, die in allen Regenbogenfarben
-leuchteten. Noch höheren Genuß bereitete es, diese vollkommenen
-Gestalten und diese von Schönheit, Anmut und Herzensfreundlichkeit strahlenden
-Gesichter zu bewundern. Und doch mußte sich Heinz sagen, so reizende
-Mädchen und Jungfrauen sich darunter befanden, das heißt solche von
-besonders hervorragender Anmut und Schönheit, denn reizend waren eigentlich
-alle Edeniten zu nennen, so fand sich doch keine, die Heliastra an bezaubernder
-Lieblichkeit gleich gekommen wäre, sie blieb die Perle Edens.
-</p>
-
-<p>
-Da und dort spielte die Jugend unter Silberlachen und Scherzen; das
-war ein Wirbeln und Hüpfen, Fliehen und Haschen auf der Erde und in
-den Lüften, und die Spiele waren alle so sinnig und voll der spannendsten
-Zwischenfälle, daß man stundenlang mit dem lebhaftesten Interesse dem
-bunten Treiben zusehen konnte.
-</p>
-
-<p>
-Als dann abends der Rosenmond aufglänzte, wurde in einem großen,
-herrlichen Parke vor der Stadt ein Fest zu Ehren der fremden Gäste gehalten.
-</p>
-
-<p>
-Die ganze Stadt, jung und alt, beteiligte sich daran.
-</p>
-
-<p>
-Während des köstlichen Gastmahls hielt der Fürst eine Ansprache, in
-welcher er die Bedeutung des Ereignisses hervorhob, daß zum erstenmale
-ein Verkehr und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Bewohnern
-entfernter Planeten angebahnt worden seien. Er rühmte das Genie dieser
-Erdenbürger, die solches zustande gebracht, ihren Mut, der das Unerhörte
-gewagt habe, und die göttliche Güte, die sie beschützte und geleitete auf
-einer Fahrt durch unendliche Welträume.
-</p>
-
-<p>
-Heinz, als derjenige, der allein die Sprache Edens bereits vollkommen
-beherrschte, erwiderte in glänzender Rede, und Gabokol und die Seinen,
-vor allem Heliastra, bewunderten die Gewandtheit seiner Ausführungen und
-den Glanz seiner Bilder, sowie den edlen Flug seiner Phantasie und den
-Geist seiner Gedanken.
-</p>
-
-<p>
-Sie waren ordentlich stolz auf ihre Gäste, und als jubelnder Beifall
-den jungen Redner lohnte, erhob sich Heliastra begeistert und mit tränenschimmernden
-Augen und drückte einen Kuß ihrer Rosenlippen auf des
-Freundes Mund, das höchste Zeichen der Anerkennung, das ein Edenite
-zu spenden vermochte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-281" class="pagenum" title="281"></a>
-Der erneute Beifall und Jubel, der dieser Tat folgte, zeigte deutlich,
-daß das ganze Volk sich dieser Huldigung anschloß.
-</p>
-
-<p>
-Heinz fühlte sich wie im Traum, umflossen von rosigem Mondlicht,
-geehrt und beglückt durch die Anerkennung von Wesen, die er mit Recht
-für hoch über sich stehend ansah, vor allem aber durch die verwirrende
-Gunstbezeugung des holdseligsten aller Geschöpfe, saß er da, wie verklärt.
-</p>
-
-<p>
-Heliastra las ihm die Gedanken aus den Augen und nahm ihn bei der Hand.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Komm!&ldquo; sagte sie, &bdquo;wir wollen eine Weile die Einsamkeit aufsuchen,
-ich sehe, deine Seele verlangt nach Stille.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heinz ließ sich von ihr führen.
-</p>
-
-<p>
-Sie traten durch ein Gebüsch an die Ufer eines stillen Sees, der im
-rosigen Schein der Mondnacht magisch leuchtete.
-</p>
-
-<p>
-Bunte Schwäne, Enten und Wildgänse plätscherten in seinen friedlichen
-Fluten; Reiher, Flamingos, Ibisse, Pfauen und Pelikane belebten in ihrem
-strahlenden Flaumkleide die Ufer, lauter Vögel, die zwar den entsprechenden
-irdischen Arten ähnlich waren, doch in Formen und Farben weit vollkommener
-und entzückender erschienen als diese.
-</p>
-
-<p>
-Riesenechsen, eine Art Krokodile, mit perlmutterschimmernden Schuppen
-lagen am Strand oder lugten aus dem rosenschimmernden Spiegel.
-</p>
-
-<p>
-Heinz folgte dem Beispiel seiner Gefährtin, die diese prächtigen Eidechsen
-zärtlich streichelte; hier hatten auch diese gewaltigen Amphibien nichts
-Feindseliges noch Schreckhaftes; man sah es ihren sanften Augen schon an,
-wie fromm und friedlich sie waren.
-</p>
-
-<p>
-Der rosa Mond versank hinter dem Horizont und sein blauer Gefährte
-löste ihn ab.
-</p>
-
-<p>
-Da schlang Heliastra den zarten Arm um ihres Gefährten Hals und
-sagte: &bdquo;Komm, laß uns nun wieder zu den Freunden zurückkehren; die
-Stunde der Heimkehr naht, und morgen wollen wir ja die große Reise
-nach der Hauptstadt des Landes antreten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Sie kehrten in den Kreis der festlichen Menge zurück und bald darauf
-erfolgte der allgemeine Aufbruch unter herzlichen Abschiedszurufen.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-51">
-<a id="page-282" class="pagenum" title="282"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />48. Eine Reise auf dem Planeten.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Am folgenden Tag wurde die geplante Reise unternommen, auf der
-unsere Freunde einen Teil des großen Planeten kennen lernen und Heinz
-in der Hauptstadt seinen Vortrag über die Entstehung der Sprache halten sollte.
-</p>
-
-<p>
-Der König des Landes und die Lehrer an der Universität waren durch
-ausgesandte Schallwellen von dem bevorstehenden Besuch verständigt worden.
-</p>
-
-<p>
-Als Fahrzeug diente das gewöhnliche Beförderungsmittel der Edeniten,
-eine Art großen Bootes mit verdeckten Schlafräumen und offenem Verdeck,
-das, durch die sogenannte Parallelkraft getrieben, in geringer Höhe über
-dem Erdboden durch die Luft flog.
-</p>
-
-<p>
-Die Fluggeschwindigkeit, die sich bis auf 500 Stundenkilometer steigern
-ließ, so daß der ganze Planet in 160 Stunden umkreist werden konnte,
-wurde auf 100 Kilometer ermäßigt, damit die Reisenden alles bequem
-zu schauen vermöchten.
-</p>
-
-<p>
-Die ganze Familie Gabokol gab ihnen das Geleite, ebenso der Provinzfürst,
-der es sich zur Pflicht und Ehre anrechnete, sie persönlich dem König
-vorzustellen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Unser Land ist das größte und bedeutendste des Planeten,&ldquo; erklärte
-der Fürst während der Fahrt. &bdquo;Die Könige der andern Länder haben
-sich freiwillig unter die Oberhoheit unsres Königs gestellt, so daß dieser der
-oberste Herr über die zweihundert Millionen Einwohner unserer Weltkugel
-ist. Freilich gibt es da nicht viel zu regieren, da er den andern Herrschern
-volle Freiheit läßt und nie Grund hat, einzuschreiten; auch in den andern
-Ländern denkt nie ein Bürger daran, seine Pflichten zu vernachlässigen;
-so kommt die höchste Gewalt eigentlich nur für die einheitliche Leitung
-der gemeinsamen Arbeiten in Betracht, und da ist es freilich notwendig,
-zielbewußt und nach dem gleichen Plane zu wirken, damit die bewohnbare
-<a id="page-283" class="pagenum" title="283"></a>
-Zone unseres Planeten gleichmäßig verbreitert werde und die wachsende
-Bevölkerung stets Platz finde, sich auszudehnen.
-</p>
-
-<p>
-Abgesehen von den zahlreichen Dialekten, haben wir nur vier eigentliche
-Sprachen, die auffallend von einander verschieden sind. Die Hauptstadt
-unseres Landes liegt auf der nördlichen Halbkugel, jenseits des Äquators,
-etwa 20 Flüge von hier entfernt, was nach euren Maßen 6000 Kilometer
-ausmachen dürfte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Edeniten rechneten nach &bdquo;Flügen&ldquo;, das heißt nach der Strecke,
-welche sie gewöhnlich ohne Rast in einem Zuge zurücklegen konnten, und
-die 300 Kilometer nach Erdenmaß betrug.
-</p>
-
-<p>
-Das Luftboot flog über Landschaften von wunderbarem Reize hinweg;
-Täler und Ebenen, Flüsse und Ströme, Hügel, Felsen und Hochgebirge,
-große Städte und idyllische Dörfer wurden überflogen, und als nach vierzigstündigem
-Flug der rosa Mond unterging, landete die Reisegesellschaft am
-Ufer eines brausenden, herrlichen Meeres.
-</p>
-
-<p>
-Dieses wurde am folgenden Tage in 20stündiger Fahrt überflogen
-und am jenseitigen Ufer ragte die Landeshauptstadt hart an der Küste
-empor, eine Großstadt von anderthalb Millionen Einwohnern.
-</p>
-
-<p>
-Der Rest des Tages, sowie die beiden folgenden Tage wurden der
-Besichtigung der hochinteressanten Ansiedelung gewidmet.
-</p>
-
-<p>
-Noch am Tage ihrer Ankunft wurden unsere Freunde dem Könige
-auf dessen Wunsch vorgestellt.
-</p>
-
-<p>
-Er empfing sie mit der gleichen Herzlichkeit und Einfachheit, wie es
-jeder Bürger des Landes tat.
-</p>
-
-<p>
-Besonders erfreut waren die Gelehrten der Hochschule, die Erdenbewohner
-kennen zu lernen, und unsere Freunde hatten tausend Fragen zu beantworten,
-wobei ihnen stets versichert wurde, welchen Dank man ihnen
-schulde, da sie die Wissenschaft der Edeniten in ungeahntem Maße bereicherten.
-</p>
-
-<p>
-Als Heinz seinen Vortrag hielt, konnte der größte Raum der Hauptstadt
-die Zuhörer nicht fassen, und er mußte seine Ausführungen noch dreimal
-wiederholen, um nach und nach die Mehrzahl der Wißbegierigen zu befriedigen.
-</p>
-
-<p>
-Die Gelehrten versicherten, daß ihnen ein neues Licht für ihre Sprachforschungen
-aufgegangen sei, und Schultze mußte bei sich denken, daß hier
-oben neue Wahrheiten offenbar nicht unter dem Hohn und leidenschaftlichen
-Widerspruch von Fachgelehrten zu leiden hatten, deren Eitelkeit nicht zugeben
-will, daß ihre bisherigen Forschungsergebnisse falsch waren.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-284" class="pagenum" title="284"></a>
-Besonders interessant war unsern Freunden ein Besuch der Sternwarte.
-Die Edeniten besaßen auch Fernrohre, die jedoch auf ganz anderen Prinzipien
-beruhten als die irdischen und ihnen eine ungleich bessere Kenntnis der
-Sternenwelt ermöglichten.
-</p>
-
-<p>
-Freilich verdankten sie letzteres hauptsächlich der wunderbaren Einrichtung
-ihrer Augen, konnten sie doch schon mit bloßem Auge Welten
-erkennen, die unsern Fernrohren und selbst der photographischen Platte
-ewig verborgen bleiben.
-</p>
-
-<p>
-Die Astronomen waren höchlichst erstaunt, zu vernehmen, daß die Erdenmenschen
-kaum 2000 Sterne mit unbewaffnetem Auge zu erkennen vermochten
-und daß der Sternkatalog, den Hipparch vor 2100 Jahren entwarf,
-nur 1080 Sterne enthielt, obgleich er alle einigermaßen hellen Sterne verzeichnete.
-</p>
-
-<p>
-Schultze berichtete ihnen weiter, daß Argelander mittels des Fernrohrs
-etwa 360000 Sterne bestimmte und in seinem Katalog verzeichnete, eine
-Arbeit, der er fast sein ganzes langes Leben widmete, und daß man gegenwärtig
-an der Arbeit sei, auf photographischem Wege eine Mappierung
-der Sterne vorzunehmen, die noch etwa hundert Erdenjahre in Anspruch
-nehmen dürfte und die über 20 Millionen Sterne enthalten werde, von denen
-drei Millionen ihrer Lage nach auf den Platten ausgemessen werden sollen.
-</p>
-
-<p>
-Die Gelehrten zeigten Schultze einen Sternkatalog mit genauen Karten,
-der über 500 Millionen Sterne enthielt, unter diesen auch das irdische
-Sonnensystem mit sämtlichen Planeten und ihren Monden.
-</p>
-
-<p>
-Ihre langen Nächte und ihr langes Leben gestatteten ihnen eben auch
-neben der Vorzüglichkeit ihrer Sehwerkzeuge, Aufgaben zu lösen, die den
-Menschen unmöglich wären.
-</p>
-
-<p>
-Während die irdischen Astronomen nur durch die Spektralanalyse mit
-Sicherheit festzustellen vermögen, ob ein Nebelfleck, der auch durch das
-stärkste Fernrohr als solcher erscheint, in Wirklichkeit ein Sternnebel sei,
-oder aber ein Sternhaufe, eine große Zahl Sterne, die durch ihre scheinbare
-Nähe infolge der großen Entfernung nicht mehr als einzelne Sterne von
-einander unterschieden werden, konnten die Sternkundigen Edens mittelst
-ihrer Fernrohre Nebel und Sternhaufen deutlich unterscheiden.
-</p>
-
-<p>
-Auch sie waren der Ansicht, daß die meist spiralförmigen Nebel die
-Werkstätte des Schöpfers seien, in der durch Verdichtung des weltenbildenden
-Stoffs neue Sterne, ja ganze Sonnensysteme gebildet würden, die sich aus
-<a id="page-285" class="pagenum" title="285"></a>
-dem häufig erkennbaren Zentralkern und den vielfach beobachteten anderweitigen
-Lichtknoten in der Nebelmasse herausbilden.
-</p>
-
-<p>
-Schultze hielt auf Wunsch den Astronomen einen öffentlichen Vortrag über
-den Stand und die Errungenschaften der irdischen Astronomie; dabei führte er
-auch an, was David Gill in seiner berühmten Rede über die Bewegung
-und Verteilung der Sterne im Raume sagt: &bdquo;Wir haben die Milchstraße als
-zwei majestätische Sternströme erkennen gelernt, die nach entgegengesetzten
-Richtungen wandern; der eine dieser Ströme führt das irdische Sonnensystem
-mit sich in unendliche Weiten, der andere wandert der Erde entgegen.
-Die Milchstraße löst sich im Fernrohr in Haufen unzähliger Sterne auf,
-die zum Teil in dichten Schwärmen beieinander stehen und mit geballten
-Nebelflecken erfüllt sind, zum Teil von dunkeln, gewundenen Kanälen
-unterbrochen erscheinen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eure Hauptsonne,&ldquo; fuhr der Professor fort, &bdquo;wandert im Sternenstrom
-mit einer Schnelligkeit von 184 Kilometern in der Sekunde; unsere Erde
-mit ihrem ganzen Sonnensystem bewegt sich auf das Sternbild des Herkules
-oder der Lyra zu mit einer Geschwindigkeit von wahrscheinlich ebensoviel
-als die Umdrehungsgeschwindigkeit unsrer Erdkugel um die Sonne beträgt,
-nämlich 29450 Meter in der Sekunde oder etwa 30 Kilometer, den zehnten
-Teil eines &sbquo;Fluges&lsquo; nach eurer Rechnung im Zeitraum &sbquo;Zwei&lsquo;, wie ihr
-unsere Sekunden benennt.
-</p>
-
-<p>
-Die Spektralanalyse, wie David Gill in seiner angeführten Rede sagt,
-hat uns die Sterne enthüllt als gewaltige Schmelztiegel des Schöpfers, in
-denen er den Stoff unter den Bedingungen des Drucks, der Hitze und Umgebung
-gestaltet in einer Mannigfaltigkeit und einem Größenmaßstabe, die
-alle Begriffe seiner Geschöpfe übersteigen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Drei Wochen dauerte der Aufenthalt in der Hauptstadt, dann wurde
-die Rückreise auf einem andern Wege angetreten, wobei unsere Freunde
-auch die ungeheuren Felsenwüsten Edens zu Gesicht bekamen, die keine
-Erde und daher auch keinen Pflanzenwuchs hatten, und an deren Bedeckung
-mit Erde emsig gearbeitet wurde.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-52">
-<a id="page-286" class="pagenum" title="286"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />49. Münchhausens Fabeln.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Immer inniger schlossen sich unsere Freunde an die Familie Gabokol an;
-die Zuneigung war eine gegenseitige und erstreckte sich auf alle Glieder; dennoch
-fühlten sich die einzelnen wieder zu einzelnen besonders hingezogen.
-</p>
-
-<p>
-So verkehrte Lord Flitmore am liebsten mit Gabokol. Die beiden bauten
-gemeinsam photographische Apparate und Musikinstrumente, machten Ausflüge,
-um die reizenden Landschaftsbilder und merkwürdigsten Tiere zu
-photographieren und unterhielten sich über die Kunst Edens und der Erde.
-</p>
-
-<p>
-Mietje war mit Bleodila ein Herz und eine Seele; sie steckten beieinander
-in Küche, Haus und Garten und tauschten vornehmlich ihre Hausfrauenerfahrungen
-aus.
-</p>
-
-<p>
-Professor Schultze hatte in Glessiblora die andächtigste Zuhörerin, die sich
-für die Fortschritte und Eigenart irdischer Wissenschaften am lebhaftesten
-interessierte.
-</p>
-
-<p>
-Heinz und Heliastra fühlten sich wiederum besonders zu einander hingezogen,
-hatten ihre kleinen Geheimnisse miteinander und gingen oft gemeinsam
-ihre eigenen Wege, sich für alles Reine, Hohe und Edle begeisternd,
-das ihre Gespräche verklärte.
-</p>
-
-<p>
-Kapitän Münchhausen aber hatte Fliorot zum gewöhnlichen Gesellschafter
-erwählt, denn der Knabe lauschte mit Andacht und Begierde auf die fabelhaften
-Berichte und Schilderungen, die der alte Seebär von seiner irdischen
-Heimat mitzuteilen verstand.
-</p>
-
-<p>
-Saß man beieinander, so ergaben sich die Gruppen von selber nach den
-eben enthüllten besonderen Zuneigungen. John allein pendelte zwischen
-zwei Extremen hin und her, einmal mit Glessiblora Bildung und Belehrung
-beim Professor suchend, das andremal neben Fliorot sich an des Kapitäns
-Abenteuern ergötzend.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-287" class="pagenum" title="287"></a>
-Verstummte einmal die Unterhaltung der andern, so horchte man
-allgemein auf den Kapitän, der unerschöpflich war und nie verstummte,
-abgesehen natürlich von den Mahlzeiten, wo er im Gegenteil unergründlich,
-das heißt unersättlich schien.
-</p>
-
-<p>
-Diese Bemerkung hatte Professor Schultze gemacht, indem er sagte:
-&bdquo;Münchhausen, Sie sind beim Essen ein Danaidenfaß, welches bekanntlich
-bodenlos war und nie voll wurde, so viel man hineinschöpfte; beim Erzählen
-aber sind Sie die reine Charybdis, von der Schiller sagt: Und will sich
-nimmer erschöpfen noch leeren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Na, was sind denn Sie dann, Professor?&ldquo; erwiderte Münchhausen.
-&bdquo;Die Scylla! Denn wer meinem immerhin unterhaltenden Redeschwall entrinnen
-will, der wird kopfüber von Ihren langweiligen und ebenso endlosen
-wissenschaftlichen Strudeln verschlungen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Hierauf fuhr der Kapitän in seinem Berichte fort, den er just dem
-wißbegierigen Fliorot erstattete.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Also, wie ich dir erzählte, ermöglichte ich unsere Reise zu euch dadurch,
-daß ich unser Weltschiff vom Kometen Amina ins Schlepptau nehmen ließ.
-</p>
-
-<p>
-Die Kometen sind eigentlich besonders zu diesem Zweck erschaffen und
-stellen sozusagen die Weltpostverbindungen zwischen den einzelnen Sonnensystemen
-dar; ich war früher Kapitän zur See, als ich aber das Umherreisen
-auf den beschränkten irdischen Meeren satt hatte, nahm ich eine Stelle
-als Weltkapitän an und habe öfters Reisen mit Kometen gemacht, so daß
-ich mich vorzüglich auf ihre Steuerung verstehe. Jeder Komet hat nämlich
-ein Steuer, in welchem seine sogenannte Gravitationskraft liegt. Man braucht
-diese nur zu verrücken, so nimmt der Komet eine andere Fahrtrichtung.
-</p>
-
-<p>
-Die Astronomen auf Erden haben sich oft gewundert, daß ein Komet
-plötzlich eine ganz andere Richtung einschlug, als sie berechnet hatten.
-Sie schrieben dies dann dem Einfluß des Jupiter zu. Dieser Jupiter war
-in Wirklichkeit ich, da ich dem Kometen durch eine Wendung des Steuers
-oder der Gravitationskraft eine neue Bahn anwies, um das Reiseziel zu
-erreichen, dem ich zustrebte.
-</p>
-
-<p>
-Die Fahrt mit einem solchen Kometen ist äußerst praktisch, wenn man
-in die weit entfernten Sonnensysteme reisen will, denn diese Weltenbummler
-entwickeln eine unerhörte Geschwindigkeit.
-</p>
-
-<p>
-Zusammenstöße und Unfälle sind dabei freilich nicht zu vermeiden und
-es ist auch mir vorgekommen, daß ein von mir kommandierter Komet bei
-<a id="page-288" class="pagenum" title="288"></a>
-solcher Gelegenheit in mehrere Stücke zerschellt wurde; dann blieb mir nichts
-übrig, als eben auf einem der Bruchteile weiterzureisen, denn ein Untergehen
-wie im Meer ist dabei ausgeschlossen; Stürme und Wogen und
-ersäufende Wassermassen gibt es ja im Raum nicht, so daß schließlich die
-Gefahren nicht so groß sind wie bei der Meeresschiffahrt, außer man würde
-in das Flammenmeer einer Sonne stürzen, was aber bei richtiger Steuerung
-leicht zu vermeiden ist, wenn man nur eine gute Sternkarte besitzt.
-</p>
-
-<p>
-Als mir nun Lord Flitmore das Kommando über sein Weltschiff Sannah
-anvertraute, beschloß ich sofort, es am Schweife eines geeigneten Kometen
-festzubinden, da ich vermöge meiner Kenntnisse der Weltraumverhältnisse
-einsah, daß wir bei der geringen Fortbewegungsgeschwindigkeit unseres
-Fahrzeugs Jahrhunderte gebraucht hätten, um euren Planeten zu erreichen,
-dem unser Besuch gelten sollte.
-</p>
-
-<p>
-Es gelang mir denn auch, mit dem Kometen Amina zusammenzutreffen
-und ihn zu entern. Mit einer langen Leine band ich die Sannah an seinem
-Schweife fest und bestieg dann den Kometen selber, um ihn hierherzusteuern. Erst
-als wir im Bereich eures Sonnensystems angelangt waren, kappte ich das Tau
-und ließ den Kometen führerlos weiterziehen, während wir hier landeten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Fliorot lachte; er kannte ja Natur und Bahnen der Kometen zu gut, um
-nicht zu verstehen, daß Münchhausen scherzte; aber er hatte Gefallen an diesen
-abenteuerlichen Späßen, wenn sie auch nicht immer besonders geistreich waren.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du versprachst mir aber von den wunderbaren Tieren eurer Erde
-zu erzählen,&ldquo; mahnte er jetzt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja so! Nun denn, so höre. Eure Tiere hier oben sind ja ganz behende
-Wesen, aber an die Tierwelt unsrer Erde reichen sie noch lange nicht heran.
-</p>
-
-<p>
-Schau, da haben wir Tiere mit langen Rüsseln wie eure Mammuts,
-sie haben sechs Beine und können an glatten, senkrechten Wänden hinaufklettern
-ohne je zu fallen, ja wenn sie an einer überhängenden Wand
-mit den Beinen nach oben und dem Kopf nach unten stehen, fallen sie
-nicht herunter. Sie haben auch durchsichtige Flügel wie eure Vögel und
-fliegen in ganzen Schaaren in der Luft herum.
-</p>
-
-<p>
-Auch flügellose Rüsseltiere besitzen wir, die noch ganz andere Sprünge
-machen als eure hüpfenden Kolosse; denn diese springen höchstens dreimal
-so hoch als sie selber sind, die unsrigen aber sechzig- bis hundertmal so hoch.&ldquo;
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-plate_288">
-<img src="images/plate_288.jpg" alt="" />
-<p class="cap">
-Heinz und Heliastra am See.
-</p>
-
-</div>
-
-<p class="noindent">
-Fliorot riß die Augen weit auf. Hier, wo es sich um Geschöpfe
-handelte, die ihm unbekannt waren, konnte er nicht beurteilen, ob der
-<a id="page-289" class="pagenum" title="289"></a>
-Kapitän im Scherz oder im Ernst redete und glaubte deshalb von ihm
-erwarten zu dürfen, daß er die lautere Wahrheit sage; denn <a id="corr-24"></a>Späße, die
-jedermann als solche durchschaute, galten den Edeniten als harmlos und
-wurden oft zur Erheiterung erfunden, aber jemandes Unkenntnis oder
-Leichtgläubigkeit auszubeuten, um ihm einen Bären aufzubinden, wäre
-bei diesem wahrheitsliebenden Volke unerhört gewesen.
-</p>
-
-<p>
-Fliorot zweifelte daher diesesmal nicht an der Zuverlässigkeit von
-Münchhausens Berichten und rief aus:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein! Diese wunderbaren Geschöpfe möchte ich einmal sehen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Schämen Sie sich, Kapitän,&ldquo; sagte Schultze. &bdquo;Wenn Sie uns Ihre
-seltsamen Geschichten erzählen, so ist das ja ganz spaßhaft, da wir in der
-Lage sind, Wahrheit und Schwindel zu unterscheiden. Daß Sie aber diesen
-jungen Mann, dem die irdischen Dinge unbekannt sind, derart anschwindeln,
-halte ich weder für schön noch zweckmäßig. Sie werden ihn ebensogut in Erstaunen
-versetzen können, wenn Sie ihm unsere Tierwelt naturgetreu schildern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho!&ldquo; rief Münchhausen. &bdquo;Ich selber würde es für töricht und unschön
-halten, meinem jungen Freund unnötigerweise falsche Anschauungen beizubringen,
-wo es sich um Dinge handelt, die ihm fremd sind. Mit dem
-Kometen war ja das anders, da wußte er selber Bescheid, aber wenn ich
-ihm von der Erde erzähle, halte ich mich grundsätzlich streng an die Wahrheit.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Fabelhafte Behauptung! Das also nennen Sie Wahrheit, wenn sie die
-hüpfenden Mammuts dieses Planeten dadurch überbieten wollen, daß sie
-von irdischen Rüsseltieren mit sechs Beinen und mit Flügeln erzählen,
-Tieren, die mit dem Kopf nach unten an einer überhängenden Felswand
-festzusitzen vermögen? Und von solchen, die sechzig- bis hundertmal so hoch
-springen als ihre Körperhöhe beträgt?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie setzen mich wahrhaftig in Erstaunen, Professor,&ldquo; erwiderte Münchhausen
-mit geheuchelter Verwunderung. &bdquo;Ich meine, Sie sind Doktor der
-Naturwissenschaften und Professor der Zoologie? Ist es wirklich möglich,
-daß Sie trotzdem so unwissend auf diesen Gebieten sind, daß Ihnen nicht
-einmal die alltäglichsten Geschöpfe bekannt sind, die sonst jedes Kind auf
-Erden kennt, während sie hier auf Eden ihresgleichen nicht haben? Sollte
-man es glauben? Professor Schultze weiß nichts von Schnaken und Flöhen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Jetzt hatte der Kapitän die Lacher auf seiner Seite und Schultze bekannte
-kleinlaut: &bdquo;Na, oller Witzbold, mit Ihnen ist schlecht anbinden;
-diesmal haben Sie mich eklig hereingelegt.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-53">
-<a id="page-290" class="pagenum" title="290"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />50. Abschied.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Es war eine schöne, ja eine selige Zeit, die unsere Freunde auf Eden
-verbrachten.
-</p>
-
-<p>
-Immer besser lernten sie die verklärten Menschen dort oben kennen,
-immer höher sie schätzen, und im Umgang mit diesen durch und durch edlen
-Wesen schien es ihnen, als streiften sie selber alle irdischen Mängel mehr und
-mehr ab.
-</p>
-
-<p>
-Auch rein körperlich hatten sie dieses Gefühl; denn so gesund, wohl
-und frisch, so geistig angeregt und lebendig hatten sie sich in ihrem Leben
-nie gefühlt, wie in den Wochen und Monaten, die sie hier zubrachten.
-</p>
-
-<p>
-Noch mehrere Reisen unternahmen sie und wurden mit den schönsten
-landschaftlichen Reizen, mit der Tier- und Pflanzenwelt vertraut.
-</p>
-
-<p>
-Eines Tages aber erklärte Flitmore, es sei nun Zeit, an den Abschied
-zu denken, und, da man keinen Kometen zur Heimreise benützen könne, müsse
-man sich darauf gefaßt machen, daß diese mehrere Jahre dauern könne.
-</p>
-
-<p>
-Gabokol, Bleodila, Fliorot und Glessiblora suchten vergeblich unsere
-Freunde zu überreden, länger zu verweilen, oder, noch besser, ihren Aufenthalt
-dauernd nach Eden zu verlegen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn Gott will, ist dies nicht unser letzter Besuch hier,&ldquo; sagte Flitmore:
-&bdquo;das nächstemal bringen wir euch dann allerlei irdische Dinge mit, die euch
-zwar nicht bereichern aber doch interessieren können. Nun aber ruft uns
-die Pflicht: unsere Entdeckungen, namentlich die Möglichkeit eines Verkehrs
-mit fernen Welten, sind für unsere Brüder auf Erden von größter Wichtigkeit:
-wir dürfen ihnen das nicht verloren gehen lassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle, besonders aber Heinz, wunderten sich, daß Heliastra allein keinen
-Versuch machte, sie zum Dableiben zu bewegen; ja, den jungen Friedung
-berührte dieser Umstand besonders schmerzlich: er hatte doch so gute Freundschaft
-<a id="page-291" class="pagenum" title="291"></a>
-mit dem Mädchen geschlossen, so daß der Gedanke an die Trennung
-ihm beinahe das Herz brechen wollte.
-</p>
-
-<p>
-Als Gabokol nun sah, daß die Abreise seiner Gäste beschlossene Sache
-sei, sagte er:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie ihr erzähltet, hat ein Komet euch hierher geführt. Ich habe ja
-dein Weltschiff genau angesehen und kennen gelernt, Freund Flitmore,
-aber es hat einen bedenklichen Mangel: Durch die Fliehkraft wird es von
-den Weltkörpern abgestoßen, ihr besitzt aber kein Mittel, die Fahrt zu
-lenken und müßtet es daher dem Zufall überlassen, ob ihr in euer Sonnensystem
-zurückkehren werdet oder euch noch weiter von ihm entfernt.
-</p>
-
-<p>
-Ich will dein Fahrzeug mit der Parallelkraft ausrüsten; die Einrichtung
-nimmt höchstens acht Tage in Anspruch. Die Parallelkraft hat für euch
-ganz bedeutende Vorzüge: erstens könnt ihr im Raum die Geschwindigkeit
-eurer Fahrt mit ihrer Hilfe wesentlich steigern, zweitens widerstrebt sie
-weder der Fliehkraft noch der Anziehungskraft, sie kann also ausgenützt
-werden sowohl so lange dein Strom eingeschaltet, als auch wenn er abgestellt
-ist. Der dritte und wichtigste Vorteil aber ist, daß du deiner
-Sannah eine beliebige Fahrtrichtung geben, also geradewegs auf euer Sonnensystem
-zusteuern kannst. Gott kann euch ja selbstverständlich auch ohne
-diese Naturkraft so schnell und sicher heimführen, wie er euch hierherlenkte;
-aber er will, daß wir die Mittel benutzen, die seine Güte uns gab und
-erkennen lehrte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du nimmst eine schwere Sorge von meinem Herzen,&ldquo; erwiderte Flitmore;
-&bdquo;ich verhehlte mir nicht, welche vielleicht unüberwindlichen Schwierigkeiten
-der Mangel an Lenkbarkeit meines Fahrzeuges uns auf der Rückfahrt
-bereiten werde. Nun lernte ich ja bei euch die wunderbaren Eigenschaften
-der Parallelkraft kennen und verstehe jetzt auch damit umzugehen. Wenn
-du als erfahrener Mann die Einrichtung übernehmen willst, so steigerst du
-noch die Dankbarkeit, die wir dir und euch allen schulden.
-</p>
-
-<p>
-Und dann habe ich noch eine Bitte: wie du weißt, enthält meine Sannah
-sehr große Räume. Auf der Hinfahrt dienten sie vor allem der Aufspeicherung
-großer Sauerstoffvorräte behufs Erneuerung der Luft.
-</p>
-
-<p>
-Nun haben wir ja die Erfahrung gemacht, daß das Weltschiff sich im
-Raum mit einer eigenen Lufthülle umgibt, die sich selbständig erneuert.
-Dagegen müssen wir für reichliche Speisevorräte sorgen, da unter Umständen
-die Rückfahrt mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann ....&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-292" class="pagenum" title="292"></a>
-&bdquo;Seid ohne Sorge!&ldquo; unterbrach ihn Bleodila: &bdquo;Allen Frauen der Stadt
-wird es eine Freude sein, eure Vorratsräume mit Mehl, Gemüse- und Obstkonserven,
-sowie mit Milch, Butter, Käse und Eiern anzufüllen, daß ihr
-zehn Jahre daran zu zehren habt; ihr wißt, daß wir Verfahren kennen,
-durch welche selbst Eier und Milch sich jahrelang frisch erhalten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Auch Honig und Holz sollt ihr haben, da unser Baumholz ja so schmackhaft
-und nahrhaft ist, wie die Früchte und sich auch ohne besondere Behandlung
-hält und sein köstlicher Saft euch einen unerschöpflichen Trank
-bietet,&ldquo; setzte Fliorot hinzu.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, dann sind wir wohl geborgen, wenn Gottes Gnade uns begleitet,
-wie ich nicht zweifle,&ldquo; sagte Mietje mit feurigem Dank.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt trat Heliastra vor: &bdquo;Auch ich habe eine Bitte auf dem Herzen,&ldquo;
-sagte sie, während eine holde Röte ihr Antlitz durchleuchtete: &bdquo;eine Bitte
-an euch, liebe Freunde: nehmt mich mit auf eure Erde!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Alle standen starr. Auch Gabokol und Bleodila, Fliorot und Glessiblora
-waren völlig aus der Fassung.
-</p>
-
-<p>
-Heinz aber durchflutete es wie ein unausdenkbares Glück; doch gleich
-darauf dachte er, es sei ja zu schön, um wahr zu werden, und weder dürften
-sie das liebliche Mädchen seinem glücklichen Planeten entführen, noch würden
-seine Eltern es je von ihren Herzen reißen können.
-</p>
-
-<p>
-Mietje war die erste, die es aussprach: &bdquo;Kind, liebes Kind, wie dürften
-wir es wagen, dich ins Ungewisse mitzunehmen und aus deinem Paradies
-in das Elend unserer Erde zu entführen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heliastra lächelte: &bdquo;Wißt ihr nicht, daß Gott überall ist? Wo ist da
-das Ungewisse? Und sehet, das ist meine Sehnsucht, der brennende Wunsch
-meines Herzens, euer Schicksal zu teilen und euch zu helfen, das Leid eurer
-Erde zu mildern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist ein edles Ziel, das meine Tochter sich setzt,&ldquo; sagte Gabokol
-nachdenklich: &bdquo;Es muß Gott wohlgefällig sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, nein!&ldquo; rief Heinz schmerzlich: &bdquo;Gott weiß, wie mir das Herz
-blutet, wenn ich von dir scheiden soll; aber hier bist du glücklich und
-glücklich sollst du bleiben und nie in die Welt der Leiden kommen. Gerne
-will ich mich mein Leben lang in Sehnsucht nach Dir verzehren, wenn ich
-dich nur glücklich weiß!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So sehr hast du mich lieb?&ldquo; fragte Heliastra und ihre Himmelsaugen
-leuchteten ihn an.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-293" class="pagenum" title="293"></a>
-&bdquo;Ja, über alles bist du mir wert: nie werde ich dich vergessen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und meinst du, ich werde noch glücklich sein, wenn du nicht mehr
-bei mir bist? Mein Glück ist fortan auf eurer Erde, dort laßt es mich finden.
-Oder ist es unmöglich, daß ich deine Gattin werden könnte?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du! Meine Gattin? Du wolltest aus deinen Sternenhöhen herabsteigen,
-mich armseligen Erdensohn unaussprechlich glücklich zu machen? Aber nein!
-Es darf ja nicht sein!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich sehe wohl, wie es steht,&ldquo; sagte nun Gabokol wieder, &bdquo;und ich
-sehe, was Gottes Wille ist. Ja, Gott fordert von uns ein Opfer, das er
-noch von keinem auf unserem Planeten gefordert hat. Heliastra, du willst
-uns den Schmerz fühlen lehren, der uns bisher unbekannt gewesen! Aber
-sollte Gott nicht alles von uns fordern dürfen, dem wir alles verdanken?
-Die sich lieben, sollen mit einander verbunden bleiben, das ist der höchste
-Gotteswille. Und wenn es uns auch schmerzt, wie wollten wir solch unerhörten
-Frevel begehen, wider Gottes Willen zu handeln?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gabokol hat recht,&ldquo; sagte Bleodila mit Tränen in den Augen. &bdquo;Eure
-Ankunft und euer Hiersein war uns Freude; euer Scheiden bringt uns Schmerz,
-größeren als wir je geahnt! Wußten wir denn, was Schmerz ist, denen
-auch das Scheiden im Tod nur ein Vorausgehen in die höhere Seligkeit
-bedeutet? Nun, so sei uns Heliastra, so jung sie ist, als eine in die Seligkeit
-Vorangegangene. Willst du sie haben zu deinem Weib, junger Freund, so
-dürfen wir sie nicht zurückhalten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heinz wußte nicht, wie ihm war, als er seine Arme ausbreitete und die
-leichte Elfengestalt sich an ihn schmiegte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;So willst du immer bei mir bleiben?&ldquo; flüsterte er, sie zaghaft küssend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Immer bei dir!&ldquo; sagte sie mit heller Glockenstimme und strahlte ihn
-warm an.
-</p>
-
-<p>
-Während der nächsten Tage richtete Gabokol die Sannah, die Flitmore
-herabgelenkt hatte, für die Parallelkraft ein, flickte auch das Loch, das ihr
-der Meteorit beigebracht hatte. Die Bewohner der Stadt zogen inzwischen
-unaufhörlich in Scharen herbei, um die Innenräume mit unerschöpflichen Vorräten
-zu füllen, namentlich auch mit allerlei Sämereien für die Erde, obgleich
-Schultze stark bezweifelte, daß dort die Wunderpflanzen Edens gedeihen könnten.
-</p>
-
-<p>
-Dann wurde die feierliche Hochzeit von Heinz Friedung mit Heliastra
-gefeiert und der greise Priester der Stadt gab das Paar im Namen des
-allmächtigen Gottes zusammen und segnete es ein.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-294" class="pagenum" title="294"></a>
-Die ganze Stadt nahm Teil an dieser außerordentlichen Feier und zwar
-nicht nur äußerlich, sondern mit liebenden und fürbittenden Herzen. Alle
-bewunderten Heliastras Entschluß und wünschten ihr Gottes reichsten
-Segen dazu.
-</p>
-
-<p>
-Dann wurde ein Freudenfest gefeiert, wie es bei solchen Anlässen üblich
-war. Zum Schlusse, als der Rosenmond dem blauen Monde Platz machte,
-nahm die rosige Gattin Abschied von ihren Freundinnen und Bekannten.
-</p>
-
-<p>
-Am andern Morgen verabschiedete sie sich auch von den Ihrigen, deren
-Gottvertrauen und Fügsamkeit in den göttlichen Willen ihnen half, den
-Trennungsschmerz getrost zu überwinden.
-</p>
-
-<p>
-Auch unsere Freunde nahmen herzlichen, dankbaren und gerührten
-Abschied.
-</p>
-
-<p>
-Heliastra aber war voll strahlender Freudigkeit, als sie mit ihrem Gatten
-das Fahrzeug betrat, das sie führen sollte in die Welt ihrer Sehnsucht, die
-Welt, wo es Schmerzen zu lindern und Tränen zu trocknen gibt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gott sei mit euch und lasse euch wiederkehren!&ldquo; riefen die Zurückbleibenden
-den Scheidenden nach, als die Sannah, von der Fliehkraft getrieben,
-emporschoß, und Heinz und Heliastra aus der offenen Lucke ein
-letztesmal herniederwinkten.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-54">
-<a id="page-295" class="pagenum" title="295"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />51. Der Planet des Fremdartigen.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Es war Abend, als die Sannah emporstieg.
-</p>
-
-<p>
-Zum letztenmal grüßte das rosige Licht des schönsten der Monde unsere
-Freunde und die engelschöne Frau, die von Kind auf in seinem Rosenschimmer
-fröhlich gewesen war.
-</p>
-
-<p>
-Rasch, mit wachsender Geschwindigkeit entfernte sich das Weltschiff, getrieben
-durch die doppelte Kraft der Abstoßung und des Vorwärtstriebes.
-</p>
-
-<p>
-Bald entschwand das Sonnensystem Alpha Centauri den Blicken der
-Reisenden, das heißt, seine Planeten begannen nur noch als Sterne am
-Nachthimmel zu flimmern.
-</p>
-
-<p>
-Nur Heliastra mit ihren Sonnenaugen vermochte noch alles groß und
-deutlich zu sehen und sogar den blauen Mond zu erkennen, der nun dort
-unten, oder dort oben, wie es hier jetzt schien, aufgegangen war.
-</p>
-
-<p>
-Sie allein war es aber auch, die vom entgegengesetzten Zimmer aus genau
-angeben konnte, welcher winzige Stern die irdische Sonne sei, so daß Flitmore
-gleich von Anfang an der Sannah die rechte Fahrtrichtung geben konnte.
-</p>
-
-<p>
-Dann begaben sich alle zur Ruhe bis auf John, der die erste Wache hatte.
-</p>
-
-<p>
-Münchhausen übernahm nach drei Stunden die mittlere Wache und
-schließlich der Professor die dritte und letzte.
-</p>
-
-<p>
-Gegen Morgen sah er, wie die Sannah sich einem mächtigen dunklen
-Weltkörper näherte, wenn von einer Annäherung bei einer Entfernung von
-immerhin einigen Millionen Kilometern die Rede sein konnte.
-</p>
-
-<p>
-Auch &bdquo;Morgen&ldquo; und &bdquo;Tag&ldquo; waren bloße Zeitbegriffe geworden, seit die
-Doppelsonne Alpha Centauri wieder zu zwei Fixsternen geworden war, die
-nach und nach für das Auge zu einem einzigen verschmolzen. Da nicht, wie
-auf dem Hinweg, wenigstens ein schwachschimmernder Komet einiges Licht von
-außen gab, mußte das Weltschiff seine ganze, vielleicht Jahre dauernde Reise
-<a id="page-296" class="pagenum" title="296"></a>
-nach dem irdischen Sonnensystem in beständiger Nacht ausführen: Tageshelle
-oder gar Sonnenschein war ausgeschlossen.
-</p>
-
-<p>
-Das war keine angenehme Aussicht!
-</p>
-
-<p>
-Es war Zeit, die andern zu wecken, soweit diese überhaupt sich das Wecken
-ausgebeten hatten und nicht von selber zur bestimmten Zeit aufwachten.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor drückte auf die verschiedenen Kontaktknöpfe, die in den
-entsprechenden Schlafräumen die elektrische Klingel ertönen ließen.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore erschien zuerst.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lord,&ldquo; sagte Schultze: &bdquo;es befindet sich hier in unserer Bahn ein dunkler
-Weltkörper, also ein Gestirn, das der Erde näher steht als Alpha Centauri.
-Wollen wir ihm nicht nahen, um zu schauen, wie es dort aussieht?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Lang aufhalten unterwegs wollen wir uns nicht,&ldquo; sagte Flitmore lachend:
-&bdquo;Unsere Heimfahrt dürfte so wie so lang genug werden! Andererseits kommt
-es bei einer Fahrt, die voraussichtlich Jahre dauert, auf ein paar Tage mehr
-oder weniger nicht an.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heinz war inzwischen mit Heliastra erschienen und fügte hinzu:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da überdies unsere Reise, so viel wir wissen, durch eine trostlose Öde geht,
-auf der wir bis zum irdischen Planetensystem nicht darauf rechnen dürfen,
-irgend etwas anzutreffen, so sollten wir uns diese voraussichtlich letzte Gelegenheit,
-etwas Neues zu schauen, nicht entgehen lassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist wahr!&ldquo; sagte der Lord: &bdquo;Also stellen Sie die Fliehkraft ab, Herr
-Professor.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Auch die anderen waren nun eingetreten, und das Frühstück wurde eingenommen,
-während die Sannah, von dem dunkeln Weltkörper angezogen,
-auf ihn zustürzte.
-</p>
-
-<p>
-Als sie der Oberfläche des geheimnisvollen Gestirns nahe gekommen war,
-ließ Flitmore einen ganz schwachen Zentrifugalstrom durch ihre Metallhülle
-kreisen, welcher der Anziehungskraft der Kugel genau die Wage hielt, so daß
-die Sannah in der Schwebe gehalten wurde und sich stets im gleichen Abstand
-oder in der gleichen Höhe halten mußte.
-</p>
-
-<p>
-Hierauf wurde die Parallelkraft, ebenfalls in bescheidenem Maße, in
-Tätigkeit gesetzt, und das Weltschiff fuhr mit der geringen Geschwindigkeit von
-50 Kilometern in der Stunde über der Oberfläche des neuen Planeten dahin.
-</p>
-
-<p>
-Alle begaben sich in das Antipodenzimmer, um von dort aus die Landschaft
-zu ihren Füßen beobachten zu können.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-297" class="pagenum" title="297"></a>
-Sie sah finster und düster aus: keine Sonne, kein Mond leuchtete diesem
-Weltkörper; nur ein blutiger, nordlichtartiger Schimmer drang aus seiner
-Atmosphäre herab, offenbar ausgehend von selbstleuchtenden Stoffen oder
-Bakterien, die sich in der Luft befanden.
-</p>
-
-<p>
-Bei dieser Beleuchtung war wenig zu erkennen; aber was zu sehen war,
-machte einen widerlichen, unheimlichen Eindruck.
-</p>
-
-<p>
-Das Land schien ziemlich eben zu sein und durchweg einen morastigen
-Charakter zu tragen.
-</p>
-
-<p>
-An einzelnen Stellen stiegen leuchtende Dämpfe oder Nebel aus dem Sumpfe
-auf, die einen leichenfahlen, schwefelgelben Schimmer verbreiteten; dazwischen
-schossen bläuliche und grünliche Stichflammen empor, durch welche die nächste
-Umgebung ebenfalls mit einem matten Schein erhellt wurde, der etwas Grausiges
-an sich hatte, als seien es höllische Fackeln, die eine Welt des Entsetzens
-beleuchteten.
-</p>
-
-<p>
-Ja, eine Welt des Entsetzens! Was waren das für Bäume und Pflanzen!
-Alle schienen lebendig und zugleich abscheuerregend: Gräser, die sich wie ekles
-Gewürm am Boden hinwanden, krümmten und schlängelten in krampfhaften
-Zuckungen, als strebten sie vergebens, sich von der moderigen Erde zu lösen,
-in der sie wurzelten! Vielverzweigte Bäume, deren kahle, blattlose Äste sich
-ringelten wie Riesenschlangen oder Polypenarme, in beständiger Bewegung, sich
-lang ausstreckend, sich zurückziehend, Wellen, Bogen, Ringe und Schleifen
-bildend, sich verwirrend und verschlingend, als befänden sich die lebendigen
-Zweige jedes Baumes in mörderischem Kampfe miteinander.
-</p>
-
-<p>
-Und unten im Sumpf wimmelte es von scheußlichem Getier: weißliche
-Maden, größer als Elefanten, sperrten zahnbewehrte Kiefer auf; Riesenspinnen,
-deren plumper, kugeliger Leib oben und unten und an den Seiten
-mit langen, dünnen, haarigen Beinen besetzt war, so daß sie sich beständig um
-sich selbst drehen konnten und stets mit einer Anzahl Füße krochen, die andern
-zappelnd empor oder rings von sich streckend; grünliche Kröten, groß wie
-Büffel, die ihre häßlichen Augen auf dünnen, wurmartigen Stielen weit hinausstreckten;
-dünnbeinige Stechmücken von Giraffenhöhe, die mit ihren langen,
-durchsichtigen Rüsselröhren den andern Tieren das Leben aussaugten oder von
-diesen geschnappt und zerquetscht wurden.
-</p>
-
-<p>
-Alles kroch durcheinander, alles kämpfte miteinander: nicht nur Tier mit
-Tier, sondern auch Pflanzen und Tiere befanden sich in unaufhörlichem mörderischem
-Kampfgemenge.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-298" class="pagenum" title="298"></a>
-Da biß ein Riesenwurm mit Krokodilsrachen einem Baume die Äste ab
-und diese Äste schnellten und zuckten und wanden sich in Krämpfen am Boden,
-während aus dem sich wie im gräßlichsten Schmerz verkrümmenden Stumpfe
-ein dicker, grünlichschwarzer Saft hervorquoll.
-</p>
-
-<p>
-Dort war eines der Riesentiere von den zahllosen Armen eines Baumes
-erfaßt worden und suchte vergebens, in verzweifeltem Ringen, sich aus der
-tödlichen Umarmung zu befreien: es wurde erdrückt, erstickt und zu einer
-unförmlichen Masse zerquetscht.
-</p>
-
-<p>
-Und dann schossen wieder dünne Würmer wie Pfeile aus dem Morast,
-fuhren durch die Luft und bohrten sich in den Leib eines nicht minder
-widerlichen Tieres, um schließlich ganz in seiner Masse zu verschwinden und
-in seinem Innern ihr gräßliches, mörderisches Zerstörungswerk zu beginnen.
-</p>
-
-<p>
-Schauerlich war es anzusehen, wenn so ein Riesentier, das selber grauenhaft
-aussah, in rasendem Schmerz emporsprang, wie wahnsinnig umherkreiselte
-und zuletzt im Todeskampf zusammenbrach, während plötzlich sein
-unförmlich angeschwellter Leib sich überall öffnete und ein Gewimmel
-schlangenartiger Würmer enthüllte, die es bei lebendigem Leibe von innen
-heraus verzehrten.
-</p>
-
-<p>
-Und dann schlängelten sich wieder fahle Flammen durch die drängenden
-Massen, versengten und verzehrten die Leiber, die vergebens suchten, sich
-zu flüchten: auch diese höllischen Feuerschlangen schienen lebendig zu sein
-und ihre Opfer mit Mordgier zu verfolgen.
-</p>
-
-<p>
-Heliastra war totenbleich und voller Entsetzen: &bdquo;Sieht es so auf der
-Erde aus?&ldquo; fragte sie beklommen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein,&ldquo; tröstete sie Heinz: &bdquo;Solch ein gräßliches Schauspiel erfüllt auch
-uns Menschen mit Entsetzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja!&ldquo; bestätigte der Professor: &bdquo;Selbst wissenschaftliche Forschung erlahmt
-dahier und wendet sich ab von diesen Greueln. Das ist ein Reich der
-Finsternis im vollsten Sinne des Wortes und ich schlage vor, ihm den
-Namen &bdquo;Scheol&ldquo; zu geben, wie die Hebräer ihr Höllenreich nannten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist genug,&ldquo; sagte Flitmore: &bdquo;Lieber durch die ewige Nacht des
-öden Raums, als solch ein Schauspiel länger mit ansehen!&ldquo; Und er schaltete
-die volle Fliehkraft ein.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-55">
-<a id="page-299" class="pagenum" title="299"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />52. Eine Weltkatastrophe.
-</h2>
-
-<p class="first">
-&bdquo;Wenn ich mir erlauben darf, auch eine Beobachtung meinerseits gemacht
-zu haben,&ldquo; begann John, als die Sannah sich vom Planeten des
-Grauens entfernte, &bdquo;so sehe ich dort einen andern schwarzen Erdball daherkommen,
-sozusagen herabstürzen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das könnte uns gefährlich werden,&ldquo; rief Schultze, in der von John
-bezeichneten Richtung hinaussehend: &bdquo;Es scheint in der Tat ein Zusammenstoß
-zweier gewaltiger Körper bevorzustehen. Ich schätze Scheol auf die zehnfache
-Größe der Erde, und der mit rasender Geschwindigkeit auf ihn herabstürzende
-Weltkörper scheint nahezu ebensogroß.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Der Lord sprach kein Wort, schaltete aber die Parallelkraft in vollster
-Stärke ein und die Sannah entfernte sich mit Lichtgeschwindigkeit von der
-bedrohlichen Stelle.
-</p>
-
-<p>
-Auf einmal wurde es hell; ein Licht, wie von zehn Sonnen auf einmal,
-erfüllte den Raum mit blendendem Glanze: Die beiden Weltkugeln waren
-auf einandergeprallt und in weniger als einer Sekunde hatten sie sich zu
-einer weißglühenden Masse vereinigt, von der flammende Stücke nach allen
-Richtungen hinausgeschleudert wurden und Stichflammen von Millionen
-Kilometer Höhe emporschlugen.
-</p>
-
-<p>
-Alles Leben mit seinem grausigen Kampf mußte auf dem Scheol in
-einem Augenblick vernichtet worden sein; aber den Insassen der Sannah
-drohte das gleiche Schicksal: das Weltschiff war in glühende Gase gehüllt,
-eine Stichflamme hatte es erreicht; gleichzeitig aber wurde es, wie von
-dem Druck einer ungeheuerlichen Explosion emporgeschleudert mit einer
-Geschwindigkeit, die alles übertraf, was sie bisher geleistet.
-</p>
-
-<p>
-Durch und durch wurde das Fahrzeug erschüttert und eine Zeitlang
-lagen alle, plötzlich zu Boden geschleudert, durcheinander. Nur Heliastra
-<a id="page-300" class="pagenum" title="300"></a>
-schwebte in ihrer Leichtigkeit über dem Boden und half nun den Gestürzten
-auf die Beine.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt erst ließ sich ein fürchterliches Krachen, Rollen und Donnern vernehmen.
-Noch einmal erbebte die Sannah in allen Fugen, vom erschütterten
-Weltstoff geschüttelt. Eine furchtbare Hitze entwickelte sich in dem Antipodenzimmer
-und alle flüchteten auf Tod und Leben in die innersten
-Räume des Fahrzeugs.
-</p>
-
-<p>
-Hier war es noch auszuhalten, und die unausdenkbare Wucht, mit
-der das Weltschiff von den zusammengeprallten Planeten fortgeschleudert
-wurde, brachte es in kürzester Zeit aus dem Bereiche der Stichflamme, so
-daß es sich allmählich wieder abkühlte, ohne ernstlichen Schaden genommen
-zu haben.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir haben eine Weltkatastrophe erlebt,&ldquo; sagte nun Flitmore, &bdquo;wie sie
-gar nichts so Seltenes ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Allerdings,&ldquo; bestätigte der Professor: &bdquo;Seit uns der Fixsternhimmel
-näher bekannt ist und man gelernt hat, auf derartige Erscheinungen zu
-achten, hat man das Aufleuchten neuer Sterne öfters beobachten können.
-</p>
-
-<p>
-Charakteristisch für diese Erscheinungen ist die Nova Persei, das heißt
-der neue Stern, der im Jahre 1901 im Sternbild des Perseus aufleuchtete.
-Er erschien zunächst als Stern 12. Größe, wurde innerhalb dreier Tage zu
-einem Stern erster Größe, dem hellsten am ganzen Firmament außer Sirius:
-sein Licht hatte um das 250000fache zugenommen, nahm aber dann ab,
-bis es wieder so schwach war, daß der Stern als zwölfter bis dreizehnter
-Größe erschien. Er muß mindestens 100 Lichtjahre von der Erde entfernt
-gewesen sein und umgab sich nach dem Ausbruch mit einer Nebelhülle, die
-wenigstens das 1400fache des Erdbahndurchmessers umfaßte und Verdichtungsstreifen
-und Lichtknoten aufwies, die sich, gering geschätzt, mit mehr als
-3000 Sekundenkilometern Geschwindigkeit fortbewegten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Diese neuen Sterne entstehen also durch das Aufleuchten zweier dunkler
-Weltkörper, wenn sie sich durch einen Zusammenstoß erhitzen?&ldquo; fragte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Eigentlich glaubt man das weniger,&ldquo; entgegnete Schultze, &bdquo;da dann
-das rasche Erkalten und Erblassen innerhalb weniger Wochen oder Monate
-unerklärlich wäre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie erklärt man dann diese Vorfälle?&ldquo; mischte sich nun Mietje in die
-Erörterung.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-301" class="pagenum" title="301"></a>
-&bdquo;Sehr verschieden!&ldquo; sagte Schultze. &bdquo;Die einen meinen, es handle sich
-um erloschene Sonnen, die für uns unsichtbar wurden, nachdem sie sich mit
-einer Erstarrungskruste umgaben, plötzlich aber wieder aufleuchten, wenn
-die innere Glut die Kruste vorübergehend durchbricht. Auch das Einstürzen
-eines großen Meteors könnte das plötzliche Aufleuchten verursachen.
-</p>
-
-<p>
-Wilsing nimmt an, daß die sehr große Annäherung zweier ungefähr
-gleichgroßer Sterne eine Flutwelle in der Atmosphäre und dem feurigflüssigen
-Innern des einen hervorrufe. Dadurch würde ein Teil seiner Oberfläche
-fast von seiner ganzen Lufthülle entblößt, und die innern Glutmassen würden
-die dünne Erstarrungsdecke durchbrechen.
-</p>
-
-<p>
-Seeliger im Gegenteil glaubt, daß ein erkalteter Weltkörper, in eine
-Wolke kosmischen Staubes eindringend, durch die Reibung an seiner Oberfläche
-in Glut gerade. Diese Vermutung stimmt allerdings nicht zu unsern Erfahrungen,
-nach welchen jedes Gestirn seine Lufthülle besitzt, die es vor solcher
-Reibung schützt.
-</p>
-
-<p>
-Übrigens haben wir ja nun beobachten können, wie ein oder vielmehr
-zwei Weltkörper durch Zusammenstoß aufleuchten können; auf der Erde wird
-man am 12. Mai 1913 die Erscheinung des neuen Sterns gewahren, und
-dann wollen wir ja sehen, welche Erklärungen die irdischen Astronomen
-diesem Phänomen zu geben belieben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gestatten mir gütigst der Herr Professor eine Fragestellung in aller
-Rücksicht der Bescheidenheit,&ldquo; bat John.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nur zu, mein Sohn! Was quält dich für ein Schmerz?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Der Herr Professor haben sich doch zu äußern beliebt, wie ich schon
-mehrfach hören konnte, daß sich neue fixe Sterne in den komischen Nebeln
-bilden?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz richtig, guter Freund! Aber nicht in den komischen, sondern in
-den kosmischen Nebeln. Siehst du, man nennt auf griechisch die Welt &sbquo;Kosmos&lsquo;,
-und da ein gebildeter Deutscher Griechisch, Lateinisch und Französisch redet,
-nur kein Deutsch, so spricht er von kosmischen Nebeln, wo er ebensogut Weltnebel
-sagen könnte. Wie du also ganz richtig bemerkt hast, aus diesen
-Weltnebeln bilden sich Fixsterne.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und die leuchten dann aber doch lange Zeit?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß! Tausende, Hunderttausende, vielleicht Millionen von Jahren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun denn, Sie sagen, alle neuen Sterne verlieren sozusagen sehr schnell
-ihr starkes Licht; aber es sollten doch auch neue Sterne aus den Nebeln entstehen,
-<a id="page-302" class="pagenum" title="302"></a>
-die man vorher nicht gesehen hat, und die dann immer leuchten als
-Fixsterne?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, weißt du, diese Bildung neuer Sterne aus Nebeln braucht jedenfalls
-Hunderttausende von Jahren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Hier fiel Flitmore ein: &bdquo;Und doch hat John recht; warum soll gerade in
-unserer Zeit keine derartige Sternbildung zur Vollendung kommen? Niemals
-noch ist ein uns bekannter Fixstern erloschen, niemals noch ein neuer erschienen.
-Herrscht wirklich das beständige Werden und Vergehen im Weltall,
-wie man es annimmt, so ist diese Tatsache unerklärlich. Jedenfalls glaube ich,
-die Zeit der großen Sonnenschöpfungen ist vorüber.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist eine sehr anfechtbare Ansicht,&ldquo; widersprach der Professor, &bdquo;es
-vollzieht sich eben nur alles so langsam, daß für uns nichts davon zu
-merken ist.&ldquo;
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-56">
-<a id="page-303" class="pagenum" title="303"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />53. Durch die Sonne.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die furchtbare Explosion, welche der Zusammenstoß der beiden dunklen
-Weltkörper zur Folge hatte, schleuderte die Sannah, wie wir hörten, mit unheimlicher
-Gewalt in den Weltraum.
-</p>
-
-<p>
-Dies erwies sich als ein ungeahntes Glück; denn das Weltschiff behielt
-diese Geschwindigkeit tagelang bei mit nur langsamer Abnahme, und so legte
-es in wenigen Tagen einen Weg zurück, zu dem es sonst ebensoviel Jahre
-gebraucht hätte.
-</p>
-
-<p>
-Man konnte dies an der rasenden Geschwindigkeit beobachten, mit der
-man sich dem irdischen Sonnensystem näherte.
-</p>
-
-<p>
-Noch keine vier Wochen waren verflossen, seit unsre Freunde Eden verlassen
-hatten, als sie bereits die Neptunbahn kreuzten.
-</p>
-
-<p>
-Nun aber zeigte sich eine neue Gefahr.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir stürzen geradewegs auf die Sonne zu,&ldquo; sagte Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und die Fliehkraft?&ldquo; fragte Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich fürchte sehr, daß sie uns nichts hilft,&ldquo; erwiderte der Lord. &bdquo;Die Gewalt,
-mit der die Sannah in ihrer Bahn dahingeschleudert wird, ist stärker
-als die stärkste Zentrifugalkraft, die wir entwickeln können.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun, dann wird sie auch stärker sein als die Anziehungskraft der Sonne,&ldquo;
-meinte der Professor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das gebe Gott!&ldquo; sagte Flitmore, &bdquo;denn sonst sind wir verloren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Sonne kam näher und näher; schon war die Uranus- und Saturnbahn
-durchschnitten, ohne daß man diese Planeten zu Gesichte bekam, da sie sich an
-entfernten Stellen ihrer Bahn befanden. Jupiter sah man nur von ferne, von
-den Planetoiden, Mars und der Erde, war nichts zu sehen, als man ihre
-Bahnen kreuzte; dagegen kam die Sannah der Venus sehr nahe, dem hellen
-Morgen- und Abendstern, der, wenn er sich von der Sonne entfernt, der Erde
-<a id="page-304" class="pagenum" title="304"></a>
-heller leuchtet als alle andern Gestirne und selbst bei Tage gesehen werden
-kann, wenn man seine Lage am Himmel genau kennt; der einzige Stern, der
-bemerkbare Schatten wirft, wenn der Mond nicht stört.
-</p>
-
-<p>
-Schultze konnte seine bisher unbekannte Umdrehungszeit feststellen. Bekanntlich
-herrscht hierüber eine solche Unklarheit unter den irdischen Astronomen,
-daß man sie teils zu 24 Stunden, teils zu ebensoviel Tagen, ja bis zu
-225 Erdentagen annahm.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor fand nun eine Rotationszeit der Venus von etwa 700
-Stunden oder 30 Erdentagen.
-</p>
-
-<p>
-Ihr Jahresumlauf beträgt 224 Erdentage.
-</p>
-
-<p>
-Es erwies sich, daß ihre eine Hälfte ewigen Tag, die andere ewige Nacht
-hat, und die Nachtseite zeigte eine matte Erleuchtung. Ihre Atmosphäre
-war sehr dicht und vielfach stark bewölkt; ihre Oberfläche bildete eine vollkommene
-Wüste, eine trostlose Einöde von gleichmäßigem weißen Glanz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;An Größe und Masse,&ldquo; sagte der Professor, &bdquo;ist dieser Planet unsrer
-Erde sehr ähnlich, empfängt aber doppelt so viel Sonnenlicht als diese.
-Ihre Bahn ist nahezu kreisförmig; sie hat das stärkste Albedo, das heißt,
-von allen Planeten strahlt sie das meiste von all dem Licht zurück, das sie
-empfängt; vielleicht hat sie noch etwas eigenes Licht. Der Erde zeigt sie
-Phasen wie der Mond.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Schmerzlich ist es, daß wir von hier aus die Erde nicht erreichen
-können,&ldquo; seufzte Heinz. &bdquo;Wir sind ihr doch so nah: 40 Millionen Kilometer!
-Was will das heißen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, ja!&ldquo; sagte Schultze: &bdquo;Da hilft uns alles Bedauern nichts, wir
-werden fortgerissen ohne Erbarmen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Die Sannah kreuzte die Merkurbahn.
-</p>
-
-<p>
-Die Sonne erschien wie ein ungeheurer Feuerball.
-</p>
-
-<p>
-Flitmore schützte die Fenster der Sannah durch geschwärzte Scheiben, so
-daß man mit dem bloßen Auge in die Gluten schauen konnte. So gelang
-es, die Sonnenflecken als ungeheure Schlackeninseln zu erkennen, die in
-einem Meer von Glut schwammen, das sie zeitenweise wieder auflöst.
-</p>
-
-<p>
-Hoch empor stiegen die glühenden Massen der sogenannten Sonnenfackeln
-und die flammenartigen Protuberanzen oder Sonnenflammen, die aus brennenden
-Gasen, meist glühendem Wasserstoff bestehen. Teilweise zeigten sie
-auch die Form von Feuersäulen und Glutwolken.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-305" class="pagenum" title="305"></a>
-Ein wogendes Meer von Gluten und Flammen, wie von Orkanen
-gepeitscht, so stellte sich die Sonne dar. Ungeheure Explosionen und Eruptionen
-oder Ausbrüche ereigneten sich von Zeit zu Zeit; dann wurden Feuergarben
-und Flammenstrahlen in wenigen Minuten bis zu einer Höhe von
-75000 Kilometern emporgeschleudert mit einer Geschwindigkeit von 173 Kilometern
-in der Sekunde.
-</p>
-
-<p>
-Und auf dieses wildtobende Feuermeer stürzte die Sannah unaufhaltsam
-zu mit rasender Geschwindigkeit!
-</p>
-
-<p>
-Aber auch in diesen Augenblicken des Schreckens, da aller Gemüter von
-der Sorge eines drohenden Untergangs erfüllt waren, abgesehen von Heliastra,
-die mit kindlicher Neugier das schauerlich schöne Schauspiel bewunderte;
-auch in diesen bangen Augenblicken zeigte Schultze den kühlen Gelehrten,
-denn, wahrhaftig! er hielt einen wissenschaftlichen Vortrag über die
-Sonne.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dieses Gestirn,&ldquo; sagte er, &bdquo;das unsrer Erde Licht, Leben und Wärme
-spendet, ist 300000mal heller als der Vollmond; doch kommt der Erde nur
-der 2735millionenste Teil ihres Lichts und ihrer Wärme zugute. Ihr Äquatorialdurchmesser
-beträgt 1390300 Kilometer gegen 12755 Kilometer des
-irdischen Durchmessers. In der Sonne hätten 1300000 Erdkugeln Platz,
-dennoch wiegt sie nur so viel wie 324400 Erden, denn sie ist nicht viel
-dichter als Wasser.
-</p>
-
-<p>
-In der Sonne kommen fast die gleichen Stoffe vor wie auf der Erde,
-das hat uns das Spektroskop geoffenbart.
-</p>
-
-<p>
-Die äußerste Umgebung des Sonnenballs oder vielmehr seiner Atmosphäre
-bildet die Korona, sie besteht, wie wir deutlich sehen können, aus breiten
-Strahlenbüscheln, die sich zum Teil mehr als einen Sonnendurchmesser weit
-in den Raum erstrecken und oft eigentümlich gekrümmt erscheinen.
-</p>
-
-<p>
-Diese Korona kann man von der Erde aus am besten bei Sonnenfinsternissen
-beobachten, sie bildet dann einen schmalen Lichtring von blendender
-Helligkeit rings um die verfinsternde Mondscheibe; diesen Ring umgibt ein
-zwölfmal so breites Band von perlmutterartigem Glanz, aus dem weit
-hinaus in den Weltraum jene Strahlen schießen, die übrigens auf den
-Photographien gar nicht oder kaum erscheinen; dieses Band wird von einer
-noch breiteren Lichtzone umschlossen, die sich mit schnell abnehmender Helligkeit
-ohne sichtbare Begrenzung im Himmelsraum verliert.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-306" class="pagenum" title="306"></a>
-Unter der Korona sehen wir die sogenannte Chromosphäre, einen rosafarbenen
-Ring, der aus den leichtesten uns bekannten Gasen, dem Wasserstoff
-und dem Helium gebildet wird.
-</p>
-
-<p>
-Die innerste atmosphärische Hülle der Sonne endlich ist die Photosphäre,
-die aus glühenden Metalldämpfen besteht und die eigentliche Lichtspenderin
-ist. Diese sehen wir überzogen mit einem Netzwerk, das aus einer Unzahl
-feiner Poren und Linien besteht, die sich fortwährend verändern. Sie scheinen
-eine Art Schäfchen- oder Cirruswölkchen, deren kleinstes freilich die Größe
-eines irdischen Weltteils besitzt; man nennt diese Erscheinung &sbquo;die Granulation&lsquo;
-der Sonnenoberfläche.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hören Sie, Professor!&ldquo; sagte Münchhausen unwirsch: &bdquo;Was soll uns
-jetzt diese hochinteressante Belehrung. Ich meine, es wird hier innen schon
-abscheulich heiß und wir werden in kurzem zu Staub verbrennen. Wissen
-Sie ein Mittel dagegen, das wäre besser als Ihre gesamte sonstige Weisheit.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Hitze der Sonne ist nicht so groß als man sich gewöhnlich einbildet,&ldquo;
-erwiderte Schultze kühl. &bdquo;Sie dürfte etwa 7000 Centigrad betragen, also das
-Doppelte der Hitze der Kohlenspitzen einer elektrischen Bogenlampe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Heiß genug, um uns in Asche zu verwandeln!&ldquo; brummte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-Der Professor zuckte die Achseln. &bdquo;Alles, was ich Ihnen zum Troste
-sagen kann, ist, daß der große Komet von 1843 die glühende Korona der
-Sonne durchraste, 5 Millionen Kilometer in drei Stunden, also 570 Kilometer
-in der Sekunde zurücklegend. Er kam dabei der Sonne bis auf den
-zehnten Teil ihres Durchmessers nahe.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und stürzte nicht hinein?&ldquo; fragte Heinz.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein! Davor bewahrte ihn die Gewalt seines Schwungs. Ähnlich ging
-es mit den Kometen von 1882 und 1883. Sie entwickelten dabei alle
-eine enorme Helligkeit, ja man sah sie bei Tage dicht neben der Sonne,
-und der Komet von 1882 verschwand, als er vor die Sonne trat; er war
-also genau so hell wie sie. Dabei entwickelten jene Kometen Eisendämpfe,
-ein Beweis, daß auch ein Teil ihrer festen Bestandteile sich unter der Einwirkung
-der Hitze der Korona in glühende Gase auflöste. Endlich zersprang
-der Komet von 1882 beim Passieren der Korona in mehrere Stücke.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein schöner Trost, den Sie uns da geben!&ldquo; knurrte der Kapitän.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sind der Herr Professor der unmaßgeblichen Ansicht, daß wir in diesen
-furchtbar anzusehenden Flammenofen trotz der geschwärzten Scheiben mitten
-hinein plumpsen dürften?&ldquo; fragte Rieger ängstlich.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-307" class="pagenum" title="307"></a>
-&bdquo;Nein!&ldquo; erwiderte Schultze bestimmt. &bdquo;Das glaube ich keinesfalls; denn
-unsre Geschwindigkeit übertrifft die des Kometen von 1843 um weit mehr
-als das Hundertfache.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aber daß die Sannah in Weißglut gerät oder sich in glühende
-Dämpfe auflöst, zum mindesten samt uns allen in Stücke zerspringt, das
-glauben Sie?&ldquo; polterte Münchhausen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da unser Weltschiff keine feste, dichte Masse bildet,&ldquo; entgegnete der
-Professor, &bdquo;scheint es am wahrscheinlichsten, daß es sich in ein Dampfwölkchen
-auflöst. Offen gestanden, ich halte unsre letzte Stunde für gekommen; doch
-dürfen Sie mir glauben, wir werden nichts davon spüren, in weniger als
-einer Sekunde wird alles vorüber sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Flitmore drückte auf einen Knopf und augenblicklich schlossen sich sämtliche
-Augendeckel der Sannah, das heißt die dicken Schutzplatten legten sich
-von außen dicht über die Fenster. Gleichzeitig ließ der Lord die elektrische
-Beleuchtung aufstrahlen und sagte: &bdquo;Begeben wir uns in den allerinnersten
-Raum, in den Mittelpunkt der Sannah, in zehn Minuten haben wir die
-Glutatmosphäre der Sonne erreicht und jagen durch Feuer und Flammen.
-Dann gnade uns Gott!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-In Eile stürzten alle in den innersten Vorratsraum, den eine einzige
-elektrische Glühbirne erhellte. Alle Lucken wurden geschlossen, nachdem sie
-passiert waren.
-</p>
-
-<p>
-Hier sprach der Lord ein kurzes, markiges Gebet, eine Bitte um Rettung,
-zugleich aber auch den Ausdruck der Ergebung in den göttlichen Willen,
-falls ihr Ende beschlossen sein sollte; das Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit
-und die Aufnahme aller in das himmlische Reich trug er mit
-solcher Einfachheit und Glaubensfreudigkeit vor, daß sich alle über die
-Schrecken des Todes erhoben fühlten und keinerlei Angst mehr empfanden
-vor dem, was ihnen drohte. Mietje stimmte die beiden letzten Verse des
-herrlichen Liedes &bdquo;O Haupt, voll Blut und Wunden&ldquo; an, und die andern
-sangen ergriffen mit. Dann trat Stille ein.
-</p>
-
-<p>
-John setzte sich zu Füßen seines Herrn nieder, als wollte er damit zum
-Ausdruck bringen, wie er als getreuer Diener ihm in den Tod folgen wolle.
-Mietje lehnte ihr Haupt an ihres Gatten Schulter, Münchhausen faßte kräftig
-Schultzes Rechte und hielt sie fest. Heliastra schmiegte sich in Heinz&rsquo; Arme
-<a id="page-308" class="pagenum" title="308"></a>
-und fühlte sich geborgen, während ihr junger Gemahl bereit war, mit ihr
-die Reise in ein besseres Leben anzutreten.
-</p>
-
-<p>
-Die beiden Schimpansen Dick und Bobs kauerten in einer Ecke und
-wußten von nichts; doch verhielten sie sich, ganz gegen ihre Gewohnheit,
-so regungslos, als ahnten sie doch etwas Außerordentliches.
-</p>
-
-<p>
-Auf einmal wurde es furchtbar heiß; die Luft schien zu glühen und
-erstickend legte es sich auf aller Brust.
-</p>
-
-<p>
-Da stand Flitmore auf und sprach ein warmes Dankgebet für die Errettung
-aus furchtbarer Todesgefahr.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-57">
-<a id="page-309" class="pagenum" title="309"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />54. Der Planet Merkur.
-</h2>
-
-<p class="first">
-Die andern wußten es sich nicht zu erklären, wie der Lord dazu kam,
-ein Dankgebet zu sprechen, während sie sich mitten im Flammenofen der
-Sonne wähnten; denn erst jetzt begann die Hitze beinahe unerträglich zu
-werden.
-</p>
-
-<p>
-Nur Professor Schultze sah so klar wie Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wir sind unversehrt hindurchgekommen!&ldquo; sagte er aufatmend; &bdquo;aber
-wie mag die Sannah aussehen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sind wir denn schon außer Gefahr?&ldquo; fragte Mietje ungläubig.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß, meine Liebe,&ldquo; sagte der Lord, &bdquo;die Lebensgefahr bestand darin,
-daß sich unser Fahrzeug infolge der ungeheuren Hitze sofort in Dampf aufgelöst
-hätte. Die Wärme, die wir nun aber spüren und die allerdings
-sehr lästig ist und auf die Dauer nicht auszuhalten wäre, beweist uns, daß
-wir die Korona der Sonne bereits durchflogen und hinter uns haben. Wäre
-die Katastrophe eingetreten, so hätten wir gar nichts gespürt, so plötzlich
-wäre alles gekommen; diese allmählich sich steigernde Hitze jedoch weist darauf
-hin, daß die Sannah an ihrer Oberfläche sehr heiß wurde, ohne jedoch
-wesentlich Schaden gelitten zu haben. Durch die feuerfeste Umhüllung
-und die dicke Guttaperchaauspolsterung aller Räume, sowie die in diesen
-enthaltene Luft ist die Temperatur in diesen untersten Gelassen nur langsam
-und verhältnismäßig wenig gestiegen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das glaube ich&ldquo;, sagte Münchhausen: &bdquo;Sind doch nach allen Seiten
-hin nicht weniger als 7 Zimmer oder Stockwerke von je drei Meter Höhe
-zwischen uns und der äußeren Umhüllung, 7 Säle mit gummibelegten Decken
-und Fußböden, so daß uns 14 Schichten von geringster Wärmedurchlässigkeit
-beschützen, getrennt durch 7 drei Meter hohe Lufträume, ganz abgesehen
-von der starken Außenhülle.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-310" class="pagenum" title="310"></a>
-&bdquo;Aber ist es nicht möglich, daß wir uns noch in den Flammen befinden?&ldquo;
-fragte nun Heliastra: &bdquo;Dann würde die Hitze ganz allmählich
-steigen, aber wir würden sie bald nicht mehr aushalten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ganz ausgeschlossen!&ldquo; sagte Schultze. &bdquo;Bei der rasenden Eile unsrer
-Fahrt mußten wir schon längst wieder aus der Sonnenkorona ausgetreten
-sein, ehe die Temperaturerhöhung in ihrem allmählichen Fortschreiten sich
-hier unten bemerkbar machte.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Dann aber möchte ich ganz ergebenst die bescheidene Bemerkung aussprechen,&ldquo;
-sagte John, &bdquo;daß wir nach oben gehen in die frische Luft, denn
-ich schwitze, wenn es zu sagen gestattet sein sollte, wie ein sogenannter
-Magister!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Geduld, Geduld, mein Sohn!&ldquo; lachte Schultze. &bdquo;Das müssen wir nun
-schon eine Weile aushalten. Zum ersten sind wir der Sonne noch so nahe,
-daß ein Spaziergang ins Freie vorerst ganz ausgeschlossen ist, wenn wir
-nicht braten sollen; zum zweiten ist die Hitze in den oberen Gemächern
-zweifellos weit schlimmer als hier im untersten; sie müßte wachsen, je höher
-wir steigen. Wir müssen erst eine gründliche Abkühlung abwarten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da werden wir wohl noch lange Geduld haben müssen,&ldquo; meinte Heinz,
-&bdquo;denn die Sonne dürfte bei ihrer Nähe derart auf die Sannah brennen,
-daß von einer Abkühlung vorerst überhaupt keine Rede sein wird.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;In zwei Stunden,&ldquo; sagte der Lord, &bdquo;können wir ohne Sorge den
-Aufstieg wagen. Erstens muß eine verhältnismäßige Abkühlung selbstverständlich
-eintreten, da der Temperaturunterschied doch ein ganz gewaltiger
-ist zwischen der Korona selber und ihrer bloßen Nähe; zweitens entfernen
-wir uns mehr als blitzschnell von der Sonne; drittens dreht sich ja unsre
-Sannah um sich selbst und kehrt stets nur eine Seite der Sonne zu; die
-von der Sonne abgekehrte Seite wird sich aber sehr rasch und stark abkühlen.
-Endlich übt die bloße Bestrahlung durch die Sonne, wenn diese
-auch noch sehr nahe ist, ihre Einwirkung nur in sehr geringem Maße bis
-in die Innenräume aus.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Es zeigte sich, daß der Lord recht hatte; die furchtbare Hitze nahm
-verhältnismäßig rasch ab und nach zwei Stunden konnten unsre Freunde
-bereits ins Zenithzimmer hinaufsteigen, das gerade von der Sonne abgewendet
-war und Nacht hatte.
-</p>
-
-<p>
-Allerdings herrschte dort noch eine gelinde Backofenhitze, aber dadurch,
-daß sämtliche Verbindungstüren der Innenräume geöffnet wurden, konnte
-<a id="page-311" class="pagenum" title="311"></a>
-ein starker kühlender Luftzug erzeugt werden; überdies konnte man auf
-der Nachtseite auch die Außenlucken öffnen und es strömte eine zwar mehr
-als laue, aber doch frische Luft ein, die nach der ausgestandenen Hitze den
-Eindruck wohltuender Kühle machte.
-</p>
-
-<p>
-Durch die Lucke des Zenithzimmers stieg Flitmore ins Freie hinaus,
-um zu sehen, was die Umhüllung der Sannah bei der Fahrt durch die
-Glutatmosphäre der Sonne gelitten habe.
-</p>
-
-<p>
-Er fand, daß der Flintglasbelag fast vollständig abgesprungen war;
-die äußerste Metallumhüllung war geschmolzen, aber fast beinahe überall
-noch dicht, da sie nach Verlassen der Sonnenkorona rasch wieder erstarrt
-war; an einzelnen Stellen freilich zeigten sich Löcher, da war die Umhüllung
-in ihrer ganzen Dicke durchgeschmolzen. Doch das wollte nun nicht viel
-besagen, denn einer ähnlichen Hitze würde man ja wohl nicht wieder standzuhalten
-haben.
-</p>
-
-<p>
-Als der Lord ins Zimmer zurückkehrte, sagte Mietje: &bdquo;Mir ist es immer
-noch ein Rätsel, wie wir so unbeschädigt durch die flammende Sonnenatmosphäre
-kommen konnten.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein Wunder göttlicher Bewahrung ist es gewiß!&ldquo; sagte ihr Gatte.
-&bdquo;Aber das natürliche Mittel, durch das er uns hindurchhalf, ist die ungeheure
-Geschwindigkeit, mit der er unser gebrechliches Fahrzeug seine Bahn durcheilen
-ließ. Du hast ja wohl selber schon probiert, meine Liebe, wie du deinen
-Finger unbeschädigt, ja ohne nur auch eine Wärmeempfindung zu verspüren,
-durch die Flamme eines Lichtes bringen kannst, wenn du es schnell genug
-ausführst. Ganz so kurz verweilten wir nun freilich nicht in den Sonnenflammen,
-aber doch auch gewiß nicht mehr als zwei Minuten, und für
-diese kurze Zeit genügte unsre Schutzhülle, um den Gluten stand zu halten,
-die schon einige Zeit brauchten, um nur die Flintglashülle zu sprengen.
-Daß die Hitze im Innern nicht unerträglich wurde, obgleich das Metall an
-der Außenfläche angeschmelzt wurde, darf uns nicht wundernehmen, wenn
-wir uns erinnern, daß dies auch bei Meteoren der Fall ist.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-In blendendem Glanze strahlte der Planet Merkur durch das offene
-Fenster des Zenithzimmers. Die Sannah mußte ganz in seiner Nähe vorbei
-und er schien mit ungeheurer Schnelligkeit sich zu nahen.
-</p>
-
-<p>
-Dieser Planet, der zu <span class="nom">3</span>/<span class="denom">8</span> ewige Nacht und zu <span class="nom">3</span>/<span class="denom">8</span> ewigen Tag hat,
-während der vierte Teil seiner Oberfläche allein den Wechsel von Tag und
-<a id="page-312" class="pagenum" title="312"></a>
-Nacht kennt, die im <a id="corr-25"></a>Durchschnitt 44 Erdentage währen, kehrte beinahe
-seine volle erleuchtete Seite der Nachtseite der Sannah zu.
-</p>
-
-<p>
-Um ihn dauernd beobachten zu können, sowie um sich nicht der Sonnenhitze
-auszusetzen, begaben sich unsre Freunde, entsprechend der Umdrehung
-der Sannah, jedesmal in dasjenige Zimmer, das gerade Mitternacht hatte.
-Jede halbe Stunde mußte ein solcher Zimmerwechsel vorgenommen werden.
-</p>
-
-<p>
-Schultze fühlte sich veranlaßt, einige Belehrungen über den Merkur
-loszulassen:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die große Sonnennähe dieses Planeten,&ldquo; sagte er, &bdquo;hat seiner Beobachtung
-von der Erde aus die größten Schwierigkeiten entgegengesetzt. Aus
-den Veränderungen, die Schröter an den Spitzen der Merkursichel, den sogenannten
-Hörnern, wahrzunehmen glaubte, berechnete Bessel seine Umdrehungsdauer
-zu 24 Stunden. Dagegen schloß Schiaparelli 1883 aus
-Flecken und Streifen, die er wahrnahm, auf eine Rotationsdauer von
-88 Tagen; das heißt, Merkur würde der Sonne stets dieselbe Seite zukehren,
-wie der Mond der Erde, und würde sich in der gleichen Zeit um
-sich selbst drehen, wie um die Sonne.
-</p>
-
-<p>
-Allein es wurde nachgewiesen, daß jede Kugel mit glatter, gleichmäßig
-gefärbter Oberfläche bei unvollständiger Beleuchtung dunkle Streifen zeigt,
-die auf einer notwendig eintretenden Sinnestäuschung beruhen, so daß
-Schiaparellis Berechnungen fragwürdig erscheinen, weil sie auf die Beobachtung
-eben dieser Streifen sich aufbauten.
-</p>
-
-<p>
-Merkur zeigt der Erde wechselnde Lichtgestalten oder Phasen wie der
-Mond, aber wie Venus zeigt er sich vollbeleuchtet, wenn er der Erde am
-entferntesten steht, und erscheint daher am hellsten, wenn er, nur halb beleuchtet,
-der Erde näher tritt. Aber auch dann ist er nur einem guten
-Auge sichtbar infolge seiner Kleinheit und Sonnennähe; doch wurde er im
-Altertum und im Mittelalter von unsern helläugigen Vorfahren gut beobachtet.
-</p>
-
-<p>
-Die Lichtgrenze seiner Oberfläche zeigt sich sehr verwaschen, was auf
-eine ziemlich dichte Atmosphäre hinweist. Seine Bahn ist die exzentrischste
-aller Planetenbahnen, das heißt, sie entfernt sich am meisten von der Kreisform
-und erscheint oval.
-</p>
-
-<p>
-Seine Dichtigkeit ist anderthalbmal so groß als die der Erde, so daß
-man ihn als eine Kugel von Gußeisen ansehen könnte. Seine Oberfläche
-beträgt etwa das Dreifache des gesamten russischen Kaiserreichs. Seine
-Masse ist nur <span class="nom">1</span>/<span class="denom">12</span> der Erdmasse, die Schwerkraft auf ihm beträgt nur <span class="nom">3</span>/<span class="denom">5</span>
-<a id="page-313" class="pagenum" title="313"></a>
-derjenigen der Erde. Er empfängt siebenmal mehr Sonnenlicht als diese
-und dürfte wohl unter unerträglicher Hitze auf der Sonnenseite und
-grauenhafter Kälte auf der Nachtseite leiden. Venus leuchtet ihm bei ihrer
-größten Nähe 600mal schwächer als unser Vollmond.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-So viel wußte Schultze in aller Kürze zu sagen. Was nun von der
-Sannah aus von der Oberfläche des Planeten gesehen wurde, war hochinteressant:
-er erschien als glatte Scheibe, durchaus nicht ohne Hügel und
-Berge, aber auch diese waren gleich glatten, wenig hervorragenden Halbkugeln,
-die keinen Schatten warfen, weil das Licht durch die spiegelnden
-Flächen tausendfach zurückgeworfen wurde und alles erleuchtete.
-</p>
-
-<p>
-Auch Pflanzenwuchs, ja Hochwälder waren zu sehen, aber Stämme,
-Zweige und Blätter glitzten und spiegelten dermaßen, daß sie auf größere
-Entfernung völlig in dem Meer von weißem Licht verschwanden.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn da Tiere und Menschen leben,&ldquo; meinte Schultze, &bdquo;so sind sie
-jedenfalls ebensolche spiegelnde Wesen und diese Eigenschaft schützt sie dann
-wohl vor der schädlichen Einwirkung allzuhoher und allzuniedriger Temperaturen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Rasch entfernte man sich von dem Planeten, der mit größerer Geschwindigkeit
-als alle andern seine Bahn um die Sonne durchläuft; die Sannah
-näherte sich wieder der Venusbahn, doch die Venus war fern: die Sonne
-stand zur Zeit zwischen ihr und dem Weltschiff.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-58">
-<a id="page-314" class="pagenum" title="314"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />55. Zurück zur Erde!
-</h2>
-
-<p class="first">
-Lord Flitmore stellte die Fliehkraft und Parallelkraft vollständig ab.
-</p>
-
-<p>
-Die Eigengeschwindigkeit der Sannah war noch so ungeheuer, daß die
-Anziehungskraft der nahen Sonne nicht genügte, um sie in ihrem Laufe
-aufzuhalten, noch weniger natürlich die Anziehungskraft Merkurs.
-</p>
-
-<p>
-Es war daher zu befürchten, daß das Weltschiff das irdische Sonnensystem
-wieder verlassen könnte; doch hoffte der Lord, dadurch, daß er alle
-Triebkräfte abstellte, so viel zu erreichen, daß die Anziehung durch die
-Sonne und das ganze Planetensystem die Fahrgeschwindigkeit derart hemme,
-daß sie bei Kreuzung der Erdbahn soweit verringert sein könnte, um ein
-Sinken der Sannah auf die Erde zu ermöglichen.
-</p>
-
-<p>
-Leider war dies jedoch nicht der Fall; auch war die Erde auf ihrer
-Bahn viel zu weit von der Stelle entfernt, wo unsre Freunde diese Bahn
-durchschnitten, um eine Einwirkung auf das Fahrzeug ausüben zu können.
-</p>
-
-<p>
-Erst die Nähe des Mars zeigte die gewünschte Wirkung: die Fahrt
-verlangsamte sich merklich.
-</p>
-
-<p>
-Dennoch ging es auch über die Marsbahn hinaus dem Jupiter zu.
-</p>
-
-<p>
-Als Flitmore merkte, daß nun die Eigengeschwindigkeit der Sannah
-so weit geschwächt war, daß dieser mächtigste der Planeten sie anzog,
-stellte er die Fliehkraft wieder ein mit dem Erfolg, daß das Weltschiff
-nun, von Jupiter abgestoßen, zurückgeschleudert wurde.
-</p>
-
-<p>
-Wieder ging es am Mars vorbei und auch hier wirkte die Fliehkraft
-in der Weise, daß die Sannah im Bogen an dem Planeten vorbeieilte
-und sich wieder der Erdbahn näherte. Diesmal trat auch der günstige
-Umstand ein, daß die Erde in Verfolgung ihrer Bahn auf die Stelle zueilte,
-an welcher unsre Freunde diese schneiden mußten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-315" class="pagenum" title="315"></a>
-&bdquo;Jetzt oder nie!&ldquo; sagte Flitmore und unterbrach aufs neue den Zentrifugalstrom,
-damit die Erde womöglich das Weltschiff zu sich herabzwingen
-möchte.
-</p>
-
-<p>
-Heliastra betrachtete mit freudiger Neugier die im Sonnenglanze leuchtende
-Weltkugel, das Land ihrer Sehnsucht, ihrer erbarmenden Liebe.
-</p>
-
-<p>
-In schräger Richtung stürzte die Sannah abwärts, der heimatlichen
-Erde zu, und man konnte bereits mit bloßem Auge die Meere und Küsten,
-Gebirge und größeren Flüsse unterscheiden.
-</p>
-
-<p>
-Heinz begab sich mit seiner holden Gattin auf die Oberfläche des Fahrzeugs
-hinaus und sie sahen auf die Kugel hinab, die sich zu ihren Füßen
-ausdehnte. Um besser Ausschau halten zu können, stiegen sie, sich an der
-Rampe festhaltend, hinab und setzten sich in eine Art Beobachtungskorb,
-den Flitmore neuerdings für solche Zwecke neben dem Eingang zum Südpolzimmer
-angebracht hatte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was sind das für hohe Berge?&ldquo; fragte Heliastra. &bdquo;Und wie kommt
-es, daß ihre Gipfel so weiß erscheinen wie Milch und blitzen wie Diamanten?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist das Himalayagebirge, die höchste Bergkette unsrer Erde; seine
-Spitzen sind bedeckt mit ewigem Schnee und Eis, denn in solchen Höhen
-ist es bei uns sehr kalt, so daß das Wasser und die Niederschläge fest
-werden und diese dir unbekannten Kristalle bilden, die wir Eis und Schnee
-nennen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, wie schön blau leuchten eure Meere!&ldquo; rief Heliastra entzückt. &bdquo;Ganz
-wie bei uns! Und wie wunderbar grün sind alle diese Länder. Habt ihr
-keine so schrecklichen Wüsten wie unser Planet?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wüsten haben wir auch; siehst du diese rötlichen und grauen Flecken
-rechts und links hinter den Gebirgszügen? Das sind die mongolische Wüste
-im großen Chinesischen Reich und die Steppen des Sirdarja im südwestlichen
-Sibirien. Und dort hinten in weiter Ferne könntest du die Eiswüsten
-der Nordpolarländer glitzern sehen, wenn wir uns auf der andern Seite
-befänden. Aber allerdings besteht euer Weltkörper, bis auf den paradiesischen
-mittleren Gürtel, aus einer einzigen öden, kahlen Felswüste, die ausgedehnter
-ist als die ganze Oberfläche unserer Erde. Darin haben wir doch etwas
-vor euch voraus, unsere Wüsten erstrecken sich auf verhältnismäßig kleine
-Gebiete.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da arbeitet ihr gewiß auch emsig an ihrer Fruchtbarmachung wie
-wir?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-316" class="pagenum" title="316"></a>
-&bdquo;Durch Erbohrung von Quellen wird allerdings einiges in dieser Richtung
-versucht, doch sind wir weit davon entfernt, so Gewaltiges zu leisten, wie
-deine Brüder dort oben.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Heliastra sah nach dem südlichen Himmel.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich sehe meine Heimat!&ldquo; sagte sie. &bdquo;Ein kleiner Stern. Ich sehe
-auch ihren Rosenmond, ein winziges Pünktchen! Wenn du meine Augen
-hättest, könntest du sie auch erblicken. Wie weit, wie weit sind wir von
-dort. Aber Gottes Welt umfaßt unsere Erde, die ihr Eden nanntet, wie
-die eure; es ist doch ein einziges großes Gottesreich und da reist man von
-einem Land zum andern.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hast du kein Heimweh?&ldquo; fragte Heinz teilnahmvoll.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Heimweh bei dir?&ldquo; frug das Elfenkind zurück, und lachend strahlten
-ihn die Blauaugen an. &bdquo;Nein! Bei dir wird immer meine Heimat sein,
-und wie freue ich mich doch auf die Welt, wo ich soviel mehr tun kann
-in helfender und tröstender Liebe, als es in unserm schmerzlosen Lande
-möglich wäre.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du bist ein Engel!&ldquo; rief Heinz und küßte die Anschmiegende beseligt.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist dort für eine große Insel?&ldquo; fragte die Holde nun wieder.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist Australien,&ldquo; erklärte ihr Gatte. &bdquo;Siehst du, auch dort kannst
-du eine ausgedehnte Wüste erkennen; da wäre ich selbst einmal beinahe
-verdurstet und elend ums Leben gekommen, wenn mich nicht Gott im
-letzten Augenblick zum rettenden Wasser hätte gelangen lassen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Du Ärmster,&ldquo; sagte Heliastra und ihre Augen leuchteten ihn an voll
-himmlischen Mitleids.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und das große Land dort drüben ist Afrika,&ldquo; fuhr Heinz fort. &bdquo;Dort
-leben meine Brüder und meine Schwester Sannah. Aber schau, vor uns
-tauchen die Eisgebirge des Südpols auf! Wir kommen der Erde immer
-näher. Ich fürchte, wir landen im Eismeer!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das war allerdings zu besorgen; denn dorthin führte ihr schräger
-Sturz die Sannah.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herein!&ldquo; rief Flitmore durch die Lucke den beiden zu. &bdquo;Der Aufenthalt
-dort draußen wird gefährlich. Ich muß von jetzt ab abwechselnd meinen
-Fliehstrom ein- und ausschalten, auch mit der Parallelkraft arbeiten, damit
-wir uns einen günstigen Landungsplatz aussuchen können, und da könntet
-ihr einmal aus eurem Mastkorb geschleudert werden.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-317" class="pagenum" title="317"></a>
-Gehorsam begab sich das junge Ehepaar hinein ins Südpolzimmer und
-die Lucke wurde geschlossen.
-</p>
-
-<p>
-Auf der Erde wurde es Abend. Die Heimkehrenden nahmen eine
-letzte Nachtmahlzeit in der Sannah zu sich, dann beorderte sie Flitmore
-zur Ruhe.
-</p>
-
-<p>
-Er selber wollte diese Nacht wachen und die Landung bei günstiger
-Gelegenheit bewerkstelligen. Er hatte dabei einen besonderen Plan, eine
-Überraschung für alle; wie er hoffte, eine freudige Überraschung auch
-für andere Erdenwesen, die ihm lieb waren.
-</p>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-59">
-<a id="page-318" class="pagenum" title="318"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />56. Sannah.
-</h2>
-
-<p class="first">
-In der Stille der Nacht lenkte der Lord sein getreues Weltschiff in
-rascher Fahrt über Flüsse, Gebirge und Seen. Der Vollmond beleuchtete
-die Landschaft und Flitmore kannte sich darin aus.
-</p>
-
-<p>
-Endlich hatte er seinen Landungsplatz gefunden und die Sannah senkte
-sich auf eine grüne Wiese herab.
-</p>
-
-<p>
-Der Engländer sah auf die Uhr.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Noch vier Stunden bis Sonnenaufgang,&ldquo; murmelte er. &bdquo;So will ich
-denn auch noch einen Schlaf tun, um recht frisch zu sein, wenn uns ein
-schöner Morgen aufleuchtet.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Er weckte John. &bdquo;Halte du diese Nacht vollends Wache. Wir befinden
-uns bereits auf festem Erdboden und es wird nichts vorkommen. Sobald
-die Sonne aufgeht, weckst du zuerst mich, dann die andern.&ldquo; So sprechend
-legte er sich zur Ruhe.
-</p>
-
-<p>
-John öffnete die Lucke des Südpolzimmers und sah hinaus. Er war
-doch neugierig, wo man sich befand. Seinen Herrn hatte er nicht fragen
-mögen, da dieser von selber nichts gesagt hatte.
-</p>
-
-<p>
-Was war das für eine Landschaft? Merkwürdig bekannt kam sie
-Rieger vor. Aber England war das nicht, noch weniger Deutschland; es
-konnte nichts andres als Afrika sein!
-</p>
-
-<p>
-Da wiegten schlanke Palmen ihre Wedel in der Vollmondnacht, dort
-dämmerten dichte Bananenhaine und nicht ferne glitzerte der Spiegel eines
-Sees, an dessen linkem Ufer im Osten eine Hochgebirgslandschaft aufragte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist sozusagen nichts andres als der Albert-Edward-Njansa,&ldquo; sprach
-John zu sich selbst, &bdquo;und dieses Dach in der Nähe zwischen den Baumwipfeln
-dürfte die Farm des alten Herrn Piet Rijn sein. Nein! Das wäre
-<a id="page-319" class="pagenum" title="319"></a>
-sozusagen eine Überraschung für meine Lady Mietje und auch für den
-Herrn Professor und dann erst für die Familie des Herrn Rijn und Fräulein
-Helene &mdash; ach nein! Frau Rijn muß man ja jetzt sagen, Frau Hendrik Rijn!
-Und für ihren Herrn Gemahl, den lieben Herrn Hendrik! Wenn das
-wäre! Und die tapfere Zwergprinzessin ist ja wohl auch bei ihnen. Nein!
-Wie ich mich freuen würde, die kleine schöne Tipekitanga wieder einmal
-zu sehen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Er mußte sich überzeugen und begab sich in das nächste Gemach, das
-jetzt nordwärts schaute. Richtig! Da ragte die Gletscherkuppe des Ruwenzori
-gewaltig empor und glänzte im Mondlicht.
-</p>
-
-<p>
-Kein Zweifel! Man befand sich unmittelbar in der Besitzung des Buren
-Piet Rijn an den Ufern des Albert-Edward-Sees! John lächelte vor sich
-hin; das war ein feiner Gedanke seines Herrn, seinen Schwiegervater
-aufzusuchen.
-</p>
-
-<p>
-In der Farm Piet Rijns regte es sich zu derselben Zeit. Eine junge
-blühende Frau hatte sich von ihrem Lager erhoben und schaute zum
-Fenster hinaus.
-</p>
-
-<p>
-Sie rieb sich die Augen: was war das für eine ungeheure Kugel, die
-über die Baumwipfel im Osten emporragte? Wie glitzerte die gewölbte
-Oberfläche im Mondschein?
-</p>
-
-<p>
-Die junge Dame war Sannah, die Tochter des Farmers Piet Rijn,
-die zur Zeit mit ihrem Gemahl, Doktor Otto Leusohn, einem deutschen
-Arzt, der sich in Ostafrika niedergelassen hatte, zu Besuch auf der väterlichen
-Farm weilte.
-</p>
-
-<p>
-Sie huschte an das Bett ihres Gatten und weckte ihn mit einem Kuß.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Otto,&ldquo; sagte sie, &bdquo;ich hatte einen so merkwürdigen Traum, als ob
-eine große, große Kugel durch die Luft daherkäme, und, denke dir, wer
-herausstieg?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nun?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Meine Schwester Mietje und unser Schwager Charles Flitmore!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ein schöner Traum in der Tat,&ldquo; sagte Leusohn lachend, da er gleich
-völlig munter geworden war, wie es sich für einen Arzt ziemt. &bdquo;Und nun
-glaubst du wohl, er werde sich noch diese Nacht erfüllen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich weiß nicht! Aber wie ich zum Fenster hinausschaue, sehe ich die
-Kugel meines Traumes über die Baumwipfel ragen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-320" class="pagenum" title="320"></a>
-&bdquo;Das wäre!&ldquo; rief Leusohn erstaunt und sprang aus dem Bett. Ein
-Blick durch das Fenster überzeugte ihn, daß da allerdings etwas Fremdes
-und Merkwürdiges ganz in der Nähe lagerte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wollen wir hingehen und sehen, was es ist?&ldquo; fragte Sannah.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich bin dabei!&ldquo; erwiderte ihr Mann.
-</p>
-
-<p>
-Während seine junge Frau sich eiligst ankleidete, klopfte er an die
-dünne Bretterwand, die das Schlafgemach vom Nachbarzimmer trennte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Was ist los?&ldquo; fragte dort eine schlaftrunkene Stimme.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ich weiß nicht,&ldquo; antwortete Leusohn; &bdquo;aber jedenfalls hat sich etwas
-ganz Seltsames zugetragen. Sannah und ich wollen der Sache auf den
-Grund gehen, willst du uns nicht begleiten, Hendrik.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Selbstverständlich!&ldquo; rief dieser zurück. &bdquo;Ich mache mich gleich fertig.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und ich gehe natürlich auch mit euch,&ldquo; rief eine helle Frauenstimme
-aus dem Nebengemach. Das war Leusohns Schwester Helene, die Gemahlin
-Hendrik Rijns.
-</p>
-
-<p>
-Als Hendrik und Helene vollständig angekleidet waren und ihr Schlafzimmer
-verließen, kam ihnen im Vorgemach eine schlanke Mädchengestalt
-entgegen.
-</p>
-
-<p>
-Es war eine auffallend hübsche, wohlgewachsene kleine Negerin von
-lichter Hautfarbe und mit prächtigen blitzenden Augen. In Wahrheit war
-sie kein kleines Mädchen mehr, wie es auf den ersten Blick scheinen
-mochte, sondern eine ausgewachsene Dame, aber aus dem Geschlecht der
-Zwerge. Trotz ihrer vornehmen Geburt, denn sie war eine königliche
-Prinzessin, diente sie Helene als getreue Kammerzofe und Mädchen für
-alles, namentlich auch als Begleiterin auf Jagdausflügen; gab es doch keine
-so treffliche Jägerin mehr in ganz Afrika wie das liebliche Zwergfräulein.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr wollt in die Nacht hinaus?&ldquo; fragte die Kleine. &bdquo;Tipekitanga
-wird mit euch gehen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist recht, du treue Seele,&ldquo; lobte Helene Rijn und streichelte ihr
-die zarte Wange.
-</p>
-
-<p>
-Jetzt erschien auch Doktor Leusohn mit seiner Gattin, die von ihrer
-Dienerin Amina, einer auffallend hübschen Somalinegerin, begleitet wurde.
-</p>
-
-<p>
-Sannah begrüßte ihren Bruder Hendrik und ihre Schwägerin Helene
-mit einem Kuß; auch Otto Leusohn küßte seine liebe Schwester und seinen
-Schwager herzlich, dann erzählte er den Traum seiner Frau und die
-wunderbare Erscheinung, die man vom Fenster aus beobachten konnte.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-321" class="pagenum" title="321"></a>
-Währenddessen hatten sie sich schon ins Freie begeben und eilten in
-der Richtung dahin, in der man zu der rätselhaften Kugel gelangen mußte.
-</p>
-
-<p>
-Als sie aus dem Ölpalmenwäldchen hinaustraten auf die freie Grassteppe,
-standen sie staunend still; vor ihnen ragte der dunkle Koloß, eine ungeheure
-schwarze Kugel. Der Mond war untergegangen und so sah die
-dunkle Masse finster und drohend aus, als könnte sie im nächsten Augenblick
-daherrollen und die Menschlein zu ihren Füßen zermalmen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Die Kugel meines Traumes!&ldquo; rief Sannah.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Deinem Traume nach müßte sich aber Mietje in ihrem Innern befinden,&ldquo;
-sagte Leusohn.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Da oben schaut ja ein Mann heraus,&ldquo; rief nun Helene.
-</p>
-
-<p>
-Die dunkle Gestalt, die sich aus einer Lucke der Sphäre herausbeugte,
-ließ nun auch ihre Stimme vernehmen:
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn ich mir gestatten darf, Sie an Ihrer mir immer noch wohlbekannter
-Weise in lieblichster Erinnerung befindlichen Stimme erkennen
-zu dürfen und Sie mir dieses nicht für übel aufzunehmen belieben, so wären
-ja dieses Sie, Fräulein Helene oder vielmehr, weil ich mich darin immer
-wieder verspreche, Frau Rijn und Herr Hendrik, sowie Fräulein Sannah
-oder sozusagen jetzt Frau Doktor Leusohn mit ihrem wertesten Herrn Gemahl?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Helene lachte hell auf. &bdquo;Nein! Solche Redensarten führt kein Mensch
-auf der Welt,&ldquo; sagte sie, &bdquo;als einzig und allein Johann Rieger, Lord
-Flitmores edler Diener.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho!&ldquo; rief Leusohn. &bdquo;Dann hast du doch wohl einen prophetischen
-Traum gehabt, liebe Sannah! Wenn John da Auslug hält, dann dürften
-Schwager Charles und Mietje auch nicht ferne sein.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, diese Freude!&ldquo; jubelte John. &bdquo;Aber entschuldigen Sie, wenn
-ich meine bescheidene Persönlichkeit für einen Augenblick zurückzuziehen in
-die Lage mich versetzt fühlen muß, indem daß die Sonne bereits ihren
-Aufgang hält, wo ich verpflichtet bin, meinen gnädigen Lord zu wecken.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-John verschwand und drunten plauderten die jungen Menschen ganz
-aufgeregt und glücklich durcheinander: was war das für ein wunderbarer
-Bau, und wie konnte Flitmore mit ihm von England nach Afrika reisen?
-Aber die Hauptsache war: er war gekommen und Mietje mit ihm, ein unerwarteter
-und gar so lieber Besuch!
-</p>
-
-<p>
-Zehn Minuten später beleuchtete schon die aufgehende Sonne das Weltschiff,
-als Flitmore und Mietje in der Lucke erschienen.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-322" class="pagenum" title="322"></a>
-&bdquo;Hurrah!&ldquo; rief Leusohn: &bdquo;Da sind sie ja!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hurrah!&ldquo; antwortete der Lord: &bdquo;Und ihr habt uns entdeckt? Willkommen,
-Schwager Otto, willkommen, Schwager Hendrik! Willkommen,
-meine lieben Schwägerinnen Helene und Sannah: die große Sannah kam,
-euch zu grüßen.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Nein, daß ihr auch gerade hier seid, Sannah und Otto!&ldquo; jubelte
-Mietje herab: &bdquo;Das ist gar zu schön! Und da ist ja auch unsre Zwergprinzessin
-und die treue Amina!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Jambo, jambo!&ldquo; riefen die beiden Negermädchen frohlockend hinauf.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen hatte John die Strickleiter befestigt und der Lord und seine
-Gattin beeilten sich hinabzusteigen. Gleich hinter ihnen erschien Professor
-Schultze.
-</p>
-
-<p>
-Mietje und Sannah flogen einander in die Arme; Flitmore küßte herzlich
-seine Schwäger und Schwägerinnen und sogar die kleine Zwergprinzessin,
-die solcher Ehre wohl wert war. Ebenso innig begrüßte Lady Flitmore,
-als sie sich aus der Schwester Armen herausgefunden, ihren Bruder Hendrik
-und dessen Gattin, sowie den Doktor, ihren Schwager, und alsdann Tipekitanga
-und Amina.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen hatte auch der Professor sich der Gruppe genähert und wurde
-mit kräftigem Händeschütteln von den alten lieben Bekannten begrüßt, mit
-denen er einst auf afrikanischem Boden so manches Abenteuer erlebt hatte.
-</p>
-
-<p>
-Heinz und Heliastra waren mittlerweile ebenfalls der Sannah entstiegen.
-</p>
-
-<p>
-Sie waren hier noch unbekannt und blieben etwas abseits stehen;
-doch wurden sie bald bemerkt und hohes Staunen erfüllte Hendrik und
-Leusohn und deren Gattinnen, als sie die wunderliebliche Gestalt und das in
-überirdischer Schönheit strahlende Gesicht des fremden Mädchens erschauten.
-</p>
-
-<p>
-Sie verstummten und fühlten sich von einem seltsamen Zauber gefangen
-genommen, der von dem engelgleichen Wesen ausging, das von einem
-schneeweißen, zarten Gewebe umflossen vor ihnen stand. Sie bewunderten
-diese blendende Erscheinung mit wahrer Andacht und frommer Scheu: sie
-erschien wie ein Geschöpf aus einer andern vollkommeneren Welt, denn
-wie konnte die Erde solche himmlische Reize hervorbringen? Und sie hatten
-recht mit dieser Ahnung: Heliastra kam ja wirklich aus höheren Sphären.
-</p>
-
-<p>
-Aber neben diesem Gefühl ehrfürchtiger Bewunderung wallte zugleich
-in aller Herzen eine beseligende Liebe zu der Fremden auf: sie fühlten sich
-ganz wunderbar zu ihr hingezogen. Die Reinheit, Milde und herzgewinnende
-<a id="page-323" class="pagenum" title="323"></a>
-Freundlichkeit, die aus diesem lieblichen, rosenschimmernden Antlitz lachte,
-vor allem aber aus den großen Augen, deren zartes Blau auf Erden nicht
-seinesgleichen hatte, mußten ja alle Seelen gefangen nehmen.
-</p>
-
-<p>
-Heliastra ihrerseits schaute mit liebendem Wohlgefallen auf die Gruppe,
-ihr Herzchen klopfte vor freudiger Aufregung und wogte besonders ihren
-neuen irdischen Schwestern entgegen. Wie schön und wie lieb sahen sie
-aus, wenn sie auch nicht so ätherisch waren wie Glessiblora und die andern
-Mädchen Edens! Selbst ihre dunkelfarbigen Erdenschwestern, die feingliederige
-Tipekitanga und die rundliche Amina kamen ihr reizend vor.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wer ist dies himmlische Geschöpf?&ldquo; stammelte endlich Sannah mit
-fliegenden Pulsen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;In Wahrheit ein himmlisches Geschöpf!&ldquo; sagte Mietje: &bdquo;Denn wir
-haben sie aus der himmlischen Welt der Fixsterne geholt. Und wie lieb
-und edel sie ist, werdet ihr bald selber erfahren.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Aus der himmlischen Welt der Fixsterne?&ldquo; rief Helene ratlos. Was
-sollten diese rätselhaften Worte bedeuten? Und doch! sie fühlte, daß ein
-überirdisches Geheimnis allein der Wahrheit entsprechen konnte; denn daß
-auf ein irdisches Wesen eine solche Anmut ausgegossen sein könnte, schien
-ihr je länger je mehr völlig undenkbar.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Es ist so,&ldquo; bestätigte der Lord: &bdquo;Heliastra ist ein Gast aus den himmelweiten
-Fernen der Fixsternwelt. Wie das alles zusammenhängt, werden
-wir euch hernach erklären. Nun aber will sie unsre arme Erde als ihre
-Heimat betrachten: eine edle Sehnsucht zog sie zu uns herab und die Liebe
-ihres Herzens zu unserm edlen Freund Heinz Friedung, der ein Los gezogen
-hat, wie es noch keinem Sterblichen zuteil wurde, außer etwa mir, der ich
-eine Mietje Rijn zur Gattin gewann.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Frevler!&ldquo; rief Lady Flitmore und legte ihre kleine Hand auf des Lords
-Mund: &bdquo;Wie kannst du es wagen, mich mit einer Heliastra zu vergleichen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Das ist Heinz Friedung, der mit Ihnen Australien bereiste?&ldquo; wandte
-sich nun Doktor Leusohn an Schultze.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß! Eine Seele von einem Menschen und ein Held! Niemand
-hätte ich ein solch goldenes Glück so freudig gegönnt, wie gerade ihm.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Herzlich willkommen!&ldquo; rief Leusohn und umarmte den jungen Mann,
-der ihm aus des Professors Briefen längst bekannt und lieb war; ebenso
-stürmisch begrüßte Hendrik den neuen Freund, worauf auch Sannah und
-Helene ihm die Hand schüttelten.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-324" class="pagenum" title="324"></a>
-Dann eilten die jungen Frauen auf Heliastra zu; doch hielt sie immer
-noch eine andächtige Scheu zurück, der Holden eine Zärtlichkeit zu erweisen,
-zu der sie ihr Herz trieb. Sie fühlten sich unwürdig so hoher Gunst und
-streckten ihr zaghaft die Hand entgegen.
-</p>
-
-<p>
-Heliastra aber schlang lächelnd ihre Elfenarme nach einander um Sannahs
-und Helenes Hals und drückte warm ihre feinen Rosenlippen auf ihren
-Mund. &bdquo;Seid ihr nicht meine lieben Schwestern?&ldquo; fragte sie dann errötend.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn wir es sein dürfen, mit Stolz und Freude!&ldquo; erwiderte Helene
-und Sannah fügte hinzu: &bdquo;Ich glaube, ich werde niemand so lieb haben
-können, wie dich, ausgenommen natürlich meinen lieben Mann.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ja, mein lieber Heinz geht auch bei mir allen andern vor,&ldquo; sagte
-Heliastra mit einem zärtlichen Blick auf ihren Gatten: &bdquo;Aber dann sollt
-gleich ihr kommen. O, ich habe so viel Liebe, es reicht für euch und die
-ganze Welt!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Das ganze Gespräch wurde auf deutsch geführt, das Heliastra bereits
-fließend sprach, und das aus ihrem Munde wie himmlische Musik und
-Glockengeläute klang.
-</p>
-
-<p>
-Dann ging sie leichtfüßig auf Tipekitanga und Amina zu, die scheu
-bewundernd beiseite standen, umarmte und küßte auch sie und sprach: &bdquo;Ihr
-seid doch auch meine lieben Schwestern von der Erde?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Amina war ganz stumm vor Glück und großer Verlegenheit, zugleich
-aber hob sich ihr Herz in seligem Stolz.
-</p>
-
-<p>
-Tipekitanga aber sah die himmlische Schwester mit einem strahlenden
-Blicke an und flüsterte nur: &bdquo;O, liebe, liebe Herrin!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Hierauf reichte Heliastra Hendrik und Leusohn das durchsichtige Händchen
-mit warmer Herzlichkeit; die Männer aber wagten nicht, fest zuzugreifen,
-so zart erschien ihnen diese Elfenhand, auf die sie einen ehrerbietigen Kuß
-drückten.
-</p>
-
-<p>
-Da aber plötzlich wurde es in der Höhe laut und der Zauberbann, den
-Heliastras Erscheinung ausübte, wurde für eine Weile gebrochen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;O, schnöde Erde! O, jämmerliche, erbärmliche Menschheit!&ldquo; grollte es
-herab. &bdquo;Also da sind wir wieder gelandet auf dem armseligsten aller
-Planeten? Und da unten begrüßen sie sich und kein Mensch denkt an mich,
-Kapitän Hugo von Münchhausen, den berühmten Abu Baten, Pascha seiner
-Königlichen Hoheit des Khedive von Ägypten! Mich, mich lassen sie die
-Begrüßungsszene verschlafen! Mich, die gewichtigste Persönlichkeit von allen,
-<a id="page-325" class="pagenum" title="325"></a>
-behandeln sie als eine zu vernachlässigende Größe? Komm, Heliastra, du
-Engelskind aus einer bessern Welt! Laß uns mit einander diesen undankbaren
-Erdboden wieder verlassen und zurückkehren in die seligen Sphären!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Halloh! Münchhausen, unser herrlicher Kapitän, der schreckliche Abu
-Baten!&ldquo; rief es unten durcheinander.
-</p>
-
-<p>
-Dieser stürmische Jubel versöhnte den zürnenden Koloß und er turnte
-mit erheiternder Gewandtheit die Strickleiter herab.
-</p>
-
-<p>
-Als er keuchend den Erdboden erreichte, umringten ihn die Freunde
-und Freundinnen und grüßten ihn mit solch herzlicher Freude, daß er erklärte:
-&bdquo;Na Kinder! Wenn ihr mich denn doch so gern habt, so will ich
-mich, wenn auch schweren Herzens, entschließen, wieder diesen heillosen
-Planeten zu bevölkern!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Nun erst kam auch der bescheidene John herab, gefolgt von den Schimpansen
-Dick und Bobs, und auch er wurde aufs freundlichste willkommen
-geheißen.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ah! Da steht ja auch unsre herrliche Zwergprinzessin!&ldquo; rief Münchhausen:
-&bdquo;Komm an mein Herz, liebes Mädchen, fliege in meine Arme,
-reizende Tipekitanga! Dein alter Onkel sehnt sich danach, dich an seine
-treue Brust zu drücken!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Halt, halt!&ldquo; lachte Leusohn, als der Kapitän wirklich Miene machte,
-die zarte Gestalt zu umarmen: &bdquo;Sie würden ja unsre kleine Heldin erdrücken
-und erwürgen. Für solch zerbrechliche Wesen sind Ihre Liebkosungen
-denn doch zu gefährlich.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Sie haben recht, wie immer, weiser Doktor,&ldquo; sagte Münchhausen und
-ließ die Arme wieder sinken. &bdquo;Na, dann gib mir dein Patschhändchen,
-vortrefflichstes aller Prinzeßchen!&ldquo; Und er drückte ihr vorsichtig die kleine Hand.
-</p>
-
-<p>
-Nun erschien auf einmal Piet Rijn, der greise Bure, auf der Bildfläche,
-gefolgt von seinen übrigen Söhnen Frans, Klaas und Danie.
-</p>
-
-<p>
-Frans hatte von der Farm aus das Weltschiff in der Morgensonne
-strahlen sehen, und da bald bemerkt wurde, daß Hendrik und Leusohn
-mit ihren Frauen und deren Dienerinnen ausgeflogen waren, beschloß der
-würdige Alte, nachzusehen, was dort drüben los sei.
-</p>
-
-<p>
-Hocherfreut umarmte er seine Tochter Mietje und seinen Schwiegersohn,
-den Lord, begrüßte herzlich den Professor und ebenso Heinz und Münchhausen,
-die Flitmore ihm vorstellte. Von letzterem besonders hatte er ja durch
-seine Söhne, sowie Sannah, Helene und Leusohn des Rühmlichen genug
-<a id="page-326" class="pagenum" title="326"></a>
-erfahren. Ebenso freudig bewegt begrüßten die Brüder Mietje, den Lord
-und dessen Gefährten. Auch John wurde nicht vergessen.
-</p>
-
-<p>
-Mit hoher Bewunderung wurde auch die Perle der Gesellschaft, Heliastra,
-willkommen geheißen, dann begab man sich gemeinsam nach dem Wohnhause
-der Familie Rijn.
-</p>
-
-<p>
-Unterwegs schimpfte Münchhausen: &bdquo;Nein, es ist doch ein wahres
-Elend auf dieser Erde! Wie leichtfüßig war ich doch auf dem Planeten
-Eden! Ach! Wenn ich an dieses Hüpfen und Schweben denke! Und jetzt?
-Eine Schinderei ist es, solch einen stattlichen Leib, wie ich ihn besitze,
-schwerfällig über den Erdboden zu schleppen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-Auch Heliastra hatte bemerkt, daß es sich auf Erden nicht so leicht
-wandelte, wie in ihrer heimischen Welt. Sie machte einen Versuch, sich
-wie dort in die Lüfte zu erheben, aber damit war es hier nichts! Mit
-einer leisen, bedauernden Enttäuschung in der Stimme sagte sie zu ihrem
-Gatten: &bdquo;Heinz, hier kann ich nicht mehr fliegen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wenn nur unsere Seelen fliegen!&ldquo; erwiderte er tröstend.
-</p>
-
-<p>
-Doch Heliastras heiteres Gemüt überwand rasch die Enttäuschung. Zu
-was wollte sie fliegen, wenn es ihrem Heinz doch versagt war? Und sie
-schwebte so leichtfüßig über den Erdboden, dahin, wie kein Menschenkind
-es vermochte.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Wie eine Elfe!&ldquo; dachte Sannah.
-</p>
-
-<p>
-Helene und Sannah eilten nun voraus in die Farm, um mit Aminas und
-Tipekitangas Hilfe einen tüchtigen Morgenimbiß zu bereiten, zu dem John
-noch Früchte und Konserven von Eden aus der Sannah holen mußte, die
-hohes Staunen erregten und den unkundigen Erdenkindern einen nie
-geahnten Genuß bereiteten.
-</p>
-
-<p>
-Inzwischen wurde lebhaft geplaudert und zunächst in aller Kürze von
-der wundersamen Weltfahrt berichtet.
-</p>
-
-<p>
-Wie ein Märchen klangen diese Berichte, und Leusohn meinte: &bdquo;Wenn
-uns Kapitän Münchhausen das alles erzählte, so wüßte ich ja, wo ich
-daran bin; so aber kenne ich mich wahrhaftig nicht mehr aus! Und das
-alles soll wirkliche, selbsterlebte Wahrheit sein und kein wunderbarer Traum?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Hast du schon solche Früchte und Baumzweige gesehen und gekostet?&ldquo;
-fragte Helene ihren zweifelnden Bruder. &bdquo;Gibt es Milch und Honig, Butter
-und Fruchtsäfte auf der weiten Erde, wie diese paradiesischen Genüsse, die
-uns aus einer fernen Welt gebracht und aufgetischt worden sind?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-327" class="pagenum" title="327"></a>
-&bdquo;Und vor allem,&ldquo; fügte Sannah hinzu, als ihr Gatte seiner Schwester
-daraufhin nichts zu erwidern wußte, &bdquo;ist dieses engelgleiche Wesen, Heliastra,
-nicht ein augenscheinlicher Beweis für die Wahrheit alles dessen, was unsere
-staunenden Ohren vernehmen?&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Ihr habt recht, meine Lieben,&ldquo; gab nun der Doktor zu, &bdquo;und wenn
-ich mich überzeugt habe, daß ich das alles nicht selber träume, dann muß
-ich es ja schließlich glauben. In der Tat zweifle ich lebhaft, ob nicht
-selbst unseres Kapitäns großartige Phantasie zu schwach wäre, solche Wunder
-auszudenken.&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Oho!&ldquo; verwahrte sich Münchhausen. &bdquo;Warten Sie ab, bis <em>ich</em> zu
-erzählen beginne, etwa von den sechsbeinigen Marsmenschen und dergleichen!&ldquo;
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Und mir zu Ehren hast du dein märchenhaftes Fahrzeug &bdquo;Sannah&ldquo;
-geheißen?&ldquo; fragte Leusohns Gattin ihren Schwager Flitmore.
-</p>
-
-<p>
-&bdquo;Gewiß! Und sie hat dir Ehre gemacht; sie hat sich treu und zuverlässig
-erwiesen,&ldquo; lautete die Antwort.
-</p>
-
-<p>
-Tipekitanga aber strahlte vor Stolz und Glück, als sie erfuhr, daß auch
-sie einer so außerordentlichen Ehrung gewürdigt worden war, und daß
-ein kleiner, aber an Wundern und zauberischen Reizen reicher Weltkörper
-ihren Namen erhalten hatte. Ebenso stolz war Amina, daß ein Komet
-nach ihr benannt worden war.
-</p>
-
-<p>
-Mehrere Wochen blieben unsere Freunde auf Piet Rijns Farm, glücklich
-inmitten ihrer Lieben, dann nahmen sie Abschied, doch nicht auf immer.
-</p>
-
-<p>
-Sie bestiegen noch einmal die Sannah; Münchhausen wurde in Adelaide
-abgesetzt; Professor Schultze, Heinz und Heliastra verließen endgültig das
-Weltschiff, als es Berlin erreichte.
-</p>
-
-<p>
-Kurz darauf landete Lord Flitmore mit Mietje und John nebst den
-treuen Schimpansen vor seinem Schloß in England, um zunächst hier zu
-verweilen, später aber die Sannah zu einer neuen Weltfahrt praktischer
-auszurüsten unter Benutzung aller Erfahrungen, die auf ihrer ersten Reise
-gemacht worden waren, die er nur als eine Probefahrt ansah.
-</p>
-
-<p>
-Ein nochmaliger Besuch des Planeten Eden war für den Lord und
-Mietje vor allem eine ausgemachte Sache; dies waren sie schon Heinz und
-Heliastra schuldig, denen sie versprochen hatten, sie in ein paar Jahren
-dorthin mitzunehmen, damit die Tochter Edens ihren Eltern und Geschwistern
-berichten könne von dem segensreichen Wirken ihrer erbarmenden Liebe
-auf der fernen Erdenwelt.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-328" class="pagenum" title="328"></a>
-Im übrigen war Lord Flitmore entschlossen, noch mehrere Weltschiffe
-nach dem Muster der Sannah zu bauen, um einen regen Verkehr der
-Erde mit den Planeten und der Fixsternwelt anzubahnen.
-</p>
-
-<p>
-Bei der nächsten Reise würde also vermutlich gleich eine wohlbemannte
-Flotte von der Erde in den Weltraum sich erheben, und das schönste und
-am vollkommensten ausgestattete dieser Weltschiffe sollte auch den schönsten
-und würdigsten Namen tragen, den Namen &bdquo;<em>Heliastra</em>&ldquo;.
-</p>
-
-<div class="centerpic" id="img-328">
-<img src="images/328.jpg" alt="" /></div>
-
-<h2 class="chapter" id="chapter-0-60">
-<a id="page-329" class="pagenum" title="329"></a>
-<span class="centerpic"><img src="images/ornament.jpg" alt="" /></span>
-<br />Nachweise.
-</h2>
-
-<div class="sources">
-<p class="first">
-Als Quellen für die astronomischen Tatsachen, die in die Erzählung verflochten
-sind, dienten mir hauptsächlich:
-</p>
-
-<p>
-1. Einige Artikel aus Zeitungen und wissenschaftlichen Zeitschriften.
-</p>
-
-<p>
-2. Carl Snyder. &bdquo;Die Weltmaschine&ldquo;. Erster Teil: Der Mechanismus des
-Weltalls. Autoris. deutsche Übersetzung von Dr. Hans Kleinpeter. Leipzig 1908.
-J. A. Barth. 451 S.
-</p>
-
-<p>
-3. Dr. Hermann J. Klein. Kosmologische Briefe über die Vergangenheit,
-Gegenwart und Zukunft des Weltbaues. Für Gebildete. 3. Aufl. 1891. Leipzig.
-Ed. H. Mayer. 308 S.
-</p>
-
-<p>
-4. Prof. Dr. Walter F. Wislicenus. Prof. an der Universität Straßburg.
-Astrophysik. 2. Aufl. Leipzig. G. J. Göschen. 1903. 152 S.
-</p>
-
-<p>
-5. A. F. Möbius. Astronomie. 8. Aufl. bearbeitet von Prof. H. Cranz.
-Stuttg. G. J. Göschen. 1894. 148 S.
-</p>
-
-<p>
-6. Prof. Dr. Zech. Himmel und Erde. Eine gemeinfaßliche Beschreibung
-des Weltalls. München. R. Oldenbourg. 1870. 293 S.
-</p>
-
-<p>
-7. Dr. M. Wilh. Meyer. Sonne und Sterne. Stuttgart. Kosmos, Franckh.
-1907. 106 S.
-</p>
-
-<p>
-8. Hermann J. Klein. Das Sonnensystem. 2. Aufl. Braunschweig. Vieweg.
-1871. Bd. I 351 S. Bd. II 371 S.
-</p>
-
-<p>
-9. J. J. von Littrow. Die Wunder des Himmels. 5. Aufl. Stuttg. Gustav
-Weise. 1866. 1024 S.
-</p>
-
-<p>
-10. Camille Flammarion. Urania. Übers. v. Karl Wenzel. Pforzheim.
-O. Riecker. 1894. 234 S.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&nbsp;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-In folgendem bezeichne ich der Kürze halber Quelle 2 mit Sn. (Snyder),
-3 mit K. B. (Kosmologische Briefe), 4 mit W. (Wislicenus), 5 mit M. (Möbius),
-6 mit Z. (Zech), 7 mit Me. (Meyer), 8 mit K. (Klein), 9 mit L. (Littrow),
-10 mit F. (Flammarion).
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 4.</b> Geschwindigkeit des Lichts Sn. 29. 273. 275-76. Me. 87.
-Z. 46. M. 89-92 usw.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 5.</b> Anziehungskraft, Schwerkraft, Gravitation M. 94-100. L.
-677-700. Z. 140-144. Sn. 243-251. Erdbewegungen Sn. 224, 277, 307-308.
-F. 191-195. Höhe der Atmosphäre M. 28. Absoluter Nullpunkt (-273°)
-K. B. 225. Große Inversion: &bdquo;Daheim&ldquo; Nr. 9, Jahrg. 1909 (28. Nov. 1908)
-Sammlerdaheim. Kälte im Weltraum K. B. 224-225.<a class="fnote" href="#footnote-1" id="fnote-1">[1]</a> Theorie über die
-Gravitation aus Anziehung und Abstoßung, über die Erfüllung des Weltraums
-mit verdünnter Luft und über die Strahlung &mdash; vom Verfasser aufgestellt.
-</p>
-
-<p class="footnote">
-<a class="footnote" href="#fnote-1" id="footnote-1">[1]</a> &bdquo;Zur Guten Stunde&ldquo; 1909, Heft 21, S. 500-502. (Felix Linke: &bdquo;Vom Luftmeer der Erde.&ldquo;)
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-330" class="pagenum" title="330"></a>
-<b>Kapitel 6.</b> Lufthülle des Monds L. 464-465. W. 87-88. <a id="corr-26"></a>Dämmerungserscheinungen
-K. B. 214 (Tyndall), 213-219. Sterne vor der Mondscheibe
-L. 465. Wasserlosigkeit K. I 122-123. L. 464-465. Allgemeines über den
-Mond und seine Ringgebirge K. I. 100-134. W. 63-105. L. 450-483. K. B.
-197-235. Z. 167-183. M. 53-68. Gebirge bis zu 10000 Meter Z. 171.
-Veränderungen (Krater Linné und Messier) K. I 119-120. K. B. 204-206.
-209-212. W. 94. Strahlenerscheinungen W. 81-82. Rillen W. 80-81. Neubildungen
-W. 96-97. Farben und Pflanzenwuchs K. B. 216-223. 225. W.
-97-98. Libration Z. 172. L. 468. Entfernung des Mondes von der Erde Sn.
-29. 337 usw. Rückseite des Mondes L. 457-458.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 8.</b> Richtige Begriffe über die Erde und die Planeten im Altertum
-Sn. 61. Aristarch Sn. 86-90. 107. Bion Sn. 66-69. Apollonius von Pergä
-Sn. 90-91. Hipparch Sn. 90-91. Pythagoras Sn. 99. Eratosthenes Sn. 74-78.
-Archimedes Sn. 120-122. Strabo Sn. 78-79. Posidonius Sn. 92-94. Demokrit
-Sn. 126-138. Cheopspyramide Sn. 70. Kopernikus Sn. 163. L. 164-168.
-Giordano Bruno Sn. 176. Möglichkeit der Unrichtigkeit des Kopernikanischen
-Systems Sn. 161 (Anmerkg. des Herausgebers). Keppler und seine Gesetze
-Sn. 180-184. L. 179-202. M. 79-80. Galilei Sn. 190-202. Newton
-Sn. 245. 249 (243-251). M. 94-100. L. 677-700. Z. 140-144. Cassini Sn.
-221-223. Römer und Leverrier Sn. 223. Herschel Sn. 307-311. 290-291.
-Laplace Sn. 283-288. Bessel Sn. 318-319.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 9.</b> Nichtexistenz der Marskanäle entdeckt von Prof. Hale (amerik.
-Astronom). Sitzung der engl. Astron. Gesellsch. Staats-Anz. f. Württ., Nr. 2,
-4. Jan. 1910. Deutsche Reichspost, Nr. 3, 5. Jan. 1910. &bdquo;Wie es auf dem Mars
-aussieht&ldquo; (Bewohnbarkeit) nach Prof. Edward S. Morse im &bdquo;World Magazine&ldquo;
-(Das Neue Blatt, Berlin, 1906, Nr. 52, S. 822). Entfernung des Mars Sn.
-337. Mars K. B. 249-263 (Atmosph., Umlaufzeit, Halbmesser, Dichtigkeit,
-Rotation, Jahreszeiten, Schneefälle, Bewölkung, rote Farbe, Kanäle und ihre
-Veränderungen). W. 119-127. Z. 154-155. M. 108-110. K. I. 135-140.
-L. 150. 384-388.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 10.</b> Tage und Jahreszeiten auf dem Mars K. B. 250-251.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 11.</b> Riesige Regenwürmer der Vorwelt sind sehr wahrscheinlich.
-Heute noch finden sich auf der Insel Kwidscheri im Kiwusee Regenwürmer von
-mehr als 40 cm Länge und reichlich Daumendicke (<span class="antiqua">Benhamia spec.</span>). Siehe:
-Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg: &bdquo;Ins innerste Afrika&ldquo;, S. 184-185.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 14.</b> Marsmonde M. 93-94 usw.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 15.</b> Sternschnuppen und Meteore K. B. 149-180. W. 139-140.
-Z. 93-106. M. 125-130. K. I. 246-249. L. 706-709. Kometenähnliche
-Bahnen der Meteorschwärme Sn. 256. Auflösung des Bielakometen Sn. 266
-(siehe auch Kapitel 18). Meteoriten innen kalt bei geschmolzener Oberfläche
-Sn. 421. K. B. 149-151. Boliden und Feuerkugeln K. B. 154. Meteore
-scheinen aufgelöste Kometen K. B. 168. Meteoriten können vom Monde stammen,
-Sternschnuppen nur von Kometen K. B. 175-178. Stoffe der Meteore
-K. B. 178-180. Geschichtliche Meteorfälle K. I. 263-344. Peary raubt den
-Eskimos ihre Meteoreisensteine. General-Anzeiger Pforzheim, 22. Febr. 1910,
-Nr. 44. Unterhaltungsbeilage zur Deutschen Reichspost, 2. März 1910, Nr. 50.
-Diamanten in Meteorsteinen. General-Anzeiger Pforzheim, 22. Febr. 1910,
-Nr. 44. Meteoritenregen in Mugello. Deutsche Reichspost, 7. Febr. 1910,
-Nr. 30.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 16.</b> Asteroïden oder Planetoïden Z. 156-160. M. 82-87. K. I.
-141-154. L. 388-412. K. B. 264-266. W. 111-113. Sn. 292-295. Lufthülle
-und nichtrotierende Brocken, eigene Theorie des Verfassers. Atalanta.
-<a id="page-331" class="pagenum" title="331"></a>
-K. B. 265. Die Entdeckung der Planetoïden Z. 156-159. M. 82-83. Sn.
-292-293. K. I. 141-142. L. 390-405. Gauß L. 391-392. Sn. 292-293.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 18.</b> Kometenbahnen K. B. 109-110. Schweif: &bdquo;Kometen und
-der Halleysche Komet&ldquo; von J. Franz, Breslau (Deutsche Revue, herausgegeben
-von Richard Fleischer. Stuttg., Leipzig. Deutsche Verlags-Anstalt. Januar 1910).
-Diesem Aufsatz sind auch über alle nachfolgenden Punkte Einzelheiten entnommen.
-Schweif, ferner: Gen.-Anz. Pforzh., 1. Beiblatt zu Nr. 27, 2. Febr.
-1910 (auch Abstoßung). K. B. 122 (auch elektr. Abstoßung). M. 119. K. I.
-239-242. L. 496-502. Masse: D. Revue und Pf. Gen.-Anz. wie oben. K. B.
-114. 117. 124-125. M. 135-137. K. I. 245-246. L. 303-305. Kern: D.
-Revue und Pf. Gen.-Anz. wie oben, Unterhaltungsbeil. z. D. Reichspost, 9. Febr.
-1910, Nr. 32 usw. Zusammenstoß mit einem Kometen: D. Revue und D.
-Reichspost wie oben. Laplace. L. 532-534 usw. Frühere Kometenerscheinungen:
-Unterh.-Beil. z. D. Reichspost, Nr. 303, 28. Dez. 1909. Halley-Komet: D. Revue
-wie oben. M. 123. K. I. 257-259. L. 510-523. Bielakomet: M. 124. K. I.
-252-255. L. 525-532. Septemberkomet 1882: M. 123. K. B. 139-140.
-Balgerei mit dem Jupiter und Lexell-Komet: M. 123. Z. 88-89. K. B.
-133-134. Geschwindigkeit der Kometen: Sn. 262 usw. Kometen ferner:
-Z. 87-92. M. 116-118. K. I. 189-239. L. 493-570. W. 134-139. Leipziger
-Illustr. Zeitg., Nr. 3456, 23. Sept. 1909 (Halley-Komet). Sn. 257-268. Teufelsschlucht
-in Arizona: Unterh.-Beil. z. D. Reichspost, 12. Febr. 1910, Nr. 35.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 19.</b> Jupiter: Sn. 338. K. B. 266-288. W. 128-129. Z. 160-161.
-M. 111. K. I. 155-160. L. 413-422. Jupitermonde: W. 130. M. 88-94. K. I.
-160-166. Albedo: W. 85. 110-111.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 20-22.</b> Saturn: W. 131-133. K. B. 289-296. K. I. 167-179.
-L. 422-438. Z. 162-164. M. 114-115. Dichtigkeit = spezif. Gewicht: W. 8.
-Saturnmonde und ihre Entdeckung: Sn. 235. M. 92-93. K. I. 175-179.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 26.</b> Uranus: Sn. 289-290. K. B. 297-300. W. 134. Z. 164.
-M. 116. K. I. 180-182. L. 438-439. 4 Uranusmonde: W. 134. K. I. 182-184.
-M. 93. L. 439-440. Neptun: Sn. 291-294. 299-300. 28-29. K. B. 301-302.
-W. 134. Z. 164. M. 116. K. I. 185-187. L. 441-443. 752-772. Neptunmond:
-W. 134. M. 93. K. I. 187-188.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 27.</b> Die wörtlich angeführten Stellen siehe: Sn. 146-147. 115. 349.
-350. 447. 381. 383. K. B. 182. 27-28. F. 77. 115. Verschiedene Geschwindigkeiten:
-Zeitungsnotiz. Sn. 325. Z. 46.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 28.</b> Aberration: Z. 44-55. Sn. 277. Z. 48-50. L. 121-136.
-Zahl der Fixsterne: Me. 59-61 usw. Parallaxe: Sn. 317-319. Z. 36-44.
-Me. 8-10. K. II. 146-158. L. 100-110. Entfernungen der Fixsterne und
-nächster Fixstern: Sn. 29. 319-320. 338. 353. M. 136. Sirius, Arktur, Canopus,
-Rigel, Deneb: Sn. 321-323. Rigel: Pforzh. Beobachter, Beiblatt zu Nr. 56,
-7. März 1895. Spektralanalyse: Sn. 245. 330-331. W. 9-11. 29-36. Z.
-22-30. K. II. 322-371. L. 292-299. Me. 77-79. Einteilung der Fixsterne:
-Sn. 332. K. B. 9-16. W. 140-142. Me. 65. K. II. 18-36. 339-354. Eigenbewegung
-der Fixsterne: Sn. 333-334. M. 145-148. K. II. 111-145. L.
-586-590. Me. 74-80. Dunkle Sterne: Sn. 177. 343-344. 352. 364. 369.
-Me. 73. M. 141. Lichtabsorption: Me. 63. K. II. 319-321. L. 583-584.
-K. B. 16. Veränderliche Sterne: Me. 66-68 (Miratypus). 68-69 (Lyratypus).
-70-72 (Algoltypus). M. 139-140. K. II. 74-99. 345 (Miratypus). 352 (Algol).
-L. 573-574. 624-635. (Mira 627-628. Algol 628-629.) Unendlichkeit jenseits
-unsrer Erkenntnis: Me. 103-106.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 32.</b> Doppelsterne: Sn. 351. 352-354. 355-356. Me. 73-82. M.
-141-143. K. II. 47-51. 159-227. L. 590-623.
-Vielfache Systeme: Sn. 357. Me. 73-82. M. 143.
-</p>
-
-<p>
-<a id="page-332" class="pagenum" title="332"></a>
-<b>Kapitel 33.</b> Bewohnbarkeit der Planeten: Sn. 176-177. K. B. 112-113.
-207-209 (Korrespondenz mit den Mondbewohnern). 397. L. 443-449.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 35.</b> Edison: &bdquo;Wie unwissend sind wir! Wir wissen nicht, was
-Schwere ist; auch kennen wir nicht die Natur der Wärme, des Lichts und der
-Elektrizität .....&ldquo; (Pforzh. Gen.-Anz., 14. Jan. 1910, Nr. 11.)
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 38.</b> Die Gesetze der Entstehung der menschl. Sprache hat der
-Verfasser entdeckt.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 43.</b> David Gill: &bdquo;Rede über die Bewegung und Verteilung der
-Sterne im Raum.&ldquo; Jahrbuch der Naturkunde. 1909. (Leipzig, Karl Prochaska.)
-Mappierung der Sterne: Me. 61. Sternnebel: W. 149-152. Z. 61-67.
-Me. 92-97. M. 144-145. K. II. 232-294. 354-361. L. 635-664. Zahl der
-Sterne: Me. 59-61 usw. Milchstraße: Me. 98-103. K. II. 295-302. L.
-581-582 usw.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 46.</b> Neue Sterne: Sn. 362. K. B. 16-19. W. 146-149. Me.
-84-91. M. 140. K. II. 100-110.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 47.</b> Venus: Württemberger Zeitung, 9. Sept. 1909, Nr. 211,
-S. 17, &bdquo;Der Glanz der Venus&ldquo;. Sn. 225. 337. K. B. 245-248. W. 111. 118-119.
-Z. 152. 154. M. 106-107. K. I. 62-74. L. 150. 360-384. Die Sonne:
-Entfernung: Sn. 28. 29. 338. M. 46. Me. 10. Flecken: K. B. 60-80. W.
-15-20. 51-52. Me. 25-34. 48-49. K. I. 10-17. 19-27. L. 306-326.
-Fackeln: K. B. 80-82. W. 20-22. Me. 25-34. K. I. 17-18. L. 306. 326.
-Eruptionen: K. B. 95-96. Protuberanzen: K. B. 82-83. 90-91. W. 23-26.
-Me. 25-34. K. I. 36-39. L. 338-343. Photosphäre: Me. 24. K. I. 19-22.
-L. 306. 327-328. Chromosphäre: K. B. 85-90. W. 23-26. Me. 24. 38.
-Korona: W. 26-27. Me. 25. 34-36. K. I. 31-36. L. 337-343. Helligkeit:
-W. 37. Wärme: Me. 15. Granulation: Me. 23. Stoffe der Sonne: Me. 37-38.
-Größe, Dichte, Gewicht usw.: Me. 22.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 48.</b> Meteore innen kalt, wenn auch außen geschmolzen: Sn. 421.
-K. B. 149-151. Merkur: K. B. 240. M. 106-107. W. 117-118. Z. 152-153.
-K. I. 56-61. L. 149. 351-360.
-</p>
-
-<p>
-<b>Kapitel 50.</b> Die hier neu auftretenden Personen sind den Lesern der
-Erzählungen &bdquo;Im Lande der Zwerge&ldquo;, &bdquo;Nach den Mondbergen&ldquo; und &bdquo;Ophir&ldquo;
-schon bekannt.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Zu dem Grundproblem meiner Erzählung finde ich nachträglich noch eine
-Rechtfertigung in &bdquo;Hans Dominik: Die Technik des zwanzigsten Jahrhunderts&ldquo;,
-wo wir auf Seite 74 lesen: &bdquo;Kennen wir aber erst das Wesen der Schwerkraft,
-so werden wir sie auch bald zu beherrschen wissen. Und dann können wir den
-Blick von unserm Planeten fortwenden, können als Beherrscher der Schwerkraft
-und im Besitze neuer, unermeßlicher Energiequellen an die Eroberung unsers
-Sonnensystems, an die Besiedlung andrer Planeten denken. Was vor kurzem
-noch eine Ausgeburt der Phantasie erschien, kann über Nacht Realität gewinnen.&ldquo;
-Dem füge ich bei, daß die Beherrschung und Überwindung der Schwerkraft
-gelingen kann, auch ohne daß wir zuvor ihr Wesen erkennen, beherrschen
-wir doch die elektrische Kraft usw., ohne über ihr Wesen sichere Kenntnis
-zu besitzen.
-</p>
-
-<p class="tb">
-&mdash;&mdash;
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="ads">
-<p class="hdr">
-Im Lande der Zwerge
-</p>
-
-<p class="subhdr">
-Abenteuer und Kämpfe unter den Zwergvölkern
-des innersten Afrikas. &mdash; Erzählung für Deutschlands
-Söhne und Töchter von <b>Wilhelm Mader</b>.
-Mit zahlreichen Illustrationen.
-</p>
-
-<p class="price">
-Preis Mark 4.50.
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Auf Grund wissenschaftlicher Forschungsergebnisse führt uns der Verfasser
-die Pracht der afrikanischen Tropenwelt mit Wesen und Sitten
-der schwarzen und weißen Bewohner vor Augen, namentlich der
-hochinteressanten Zwergvölker Innerafrikas. Das alles erfahren wir
-in lebendigem Erleben, teilnehmend an den Jagdabenteuern und merkwürdigen
-Schicksalen einer Gesellschaft von Forschungsreisenden, deren
-männliche und weibliche Mitglieder der Leser liebgewinnen muß. Die
-erstaunlichen Rätsel, die uns auf Schritt und Tritt begegnen und
-die Spannung aufs höchste steigern, finden ihre zum Teil nicht
-minder erstaunlichen, stets aber einleuchtenden und wissenschaftlich
-wohl begründeten Lösungen. &mdash; Obgleich das Buch eine abgeschlossene
-Erzählung bildet, wird gewiß jeder Leser begierig sein, die
-ferneren Schicksale der sympathischen Helden zu erfahren,
-wie sie in den anschließenden Büchern &bdquo;Nach den Mondbergen&ldquo;
-und &bdquo;Ophir&ldquo; in beständiger Steigerung geschildert
-werden, wo namentlich die edelmütige,
-heldenhafte kleine Zwergprinzessin Tipekitanga
-eine glänzende Rolle spielt.
-</p>
-
-<p class="publ">
-<span class="line1">Verlag für Volkskunst, Richard Keutel, Stuttgart</span>
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="ads">
-<p class="hdr">
-Nach den Mondbergen
-</p>
-
-<p class="subhdr">
-Eine abenteuerliche Reise nach den rätselhaften
-Quellen des Nils. &mdash; Erzählung für Deutschlands
-Söhne und Töchter von <b>Wilhelm Mader</b>.
-Mit zahlreichen Illustrationen.
-</p>
-
-<p class="price">
-Preis Mark 4.50.
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Nicht etwa um eine Fahrt nach dem Mond handelt es sich, sondern
-um eine Reise nach den rätselhaften Nilquellen, die den geheimnisvollen
-&bdquo;Mondbergen&ldquo; der Alten entspringen. Den Albert-Edward-See
-entlang, durch Ruanda, über die Virunga-Vulkane, den Kiwu
-und Tanganjika zieht sich die Reise bis zum Lokinga-Gebirge und
-macht den Leser mit Land und Leuten nach den neuesten Forschungen
-gründlich vertraut, aber stets in lebendig unterhaltender und anschaulicher
-Weise. Reich an fesselnden und spannenden Ereignissen, erreicht
-die Erzählung ihren Höhepunkt in den Schlußkapiteln, die dem Leser
-die Geheimnisse der Nilquellen enthüllen, ihre überwältigenden Wunder
-vor Augen führen und die Rätselfragen, die seine Erwartung spannten,
-in großartiger Weise zur Lösung bringen. Erheiternd wirkt zwischenhinein
-namentlich die mit köstlichem Humor gezeichnete
-Gestalt Kaschwallas, des schwarzen Falstaff.
-</p>
-
-<p>
-Die Erzählung ist in sich abgeschlossen, bildet aber die Fortsetzung
-zu &bdquo;Im Lande der Zwerge&ldquo; und wird selber fortgesetzt
-und abgeschlossen durch &bdquo;Ophir&ldquo;, das dem Leser die ferneren
-Abenteuer der ihm liebgewordenen Afrikaforscher schildert.
-</p>
-
-<p class="publ">
-<span class="line1">Verlag für Volkskunst, Richard Keutel, Stuttgart</span>
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="ads">
-<p class="hdr">
-&bdquo;Ophir&ldquo;
-</p>
-
-<p class="subhdr">
-Abenteuer und Kämpfe auf einer Reise in das Sambesigebiet
-und durch das fabelhafte Goldland Ophir.
-Erzählung für Deutschlands Söhne und Töchter von
-<b>Wilhelm Mader</b>. Mit zahlreichen Illustrationen.
-</p>
-
-<p class="price">
-Preis Mark 4.50.
-</p>
-
-<p class="noindent">
-Diese dritte und letzte der Erzählungen des Verfassers, die uns in
-gediegenster Weise mit den Wundern Zentralafrikas vertraut machen,
-ist, wie die andern, als selbständige, abgeschlossene Erzählung gegeben;
-doch bildet sie zugleich die Fortsetzung und den Abschluß der vorhergehenden
-(&bdquo;Im Lande der Zwerge&ldquo; und &bdquo;Nach den Mondbergen&ldquo;). &mdash;
-Umfangreicher als die beiden andern, läßt auch sie den Leser vom
-ersten bis zum letzten Kapitel nicht los: all die Rätsel des alten
-biblischen Ophir, südlich vom Sambesi, die Irrfahrten, Abenteuer und
-wundersamen Erlebnisse der heldenmütigen Forscher fesseln und steigern
-die Erwartung von einer Episode zur andern. Das Buch enthält
-ganz großartige Schilderungen, wie beispielsweise: die Überlistung der
-Sklavenjäger, die Fahrt durch die Stromschnellen des Sambesi und
-namentlich die mit staunenswerter Phantasie geschilderten &bdquo;springenden
-Wasser&ldquo; mit den Geheimnissen, die sie beschützen: das sind Wirkungen
-von ganz einzigartiger Gewalt! Der schwarze Kaschwalla und der
-dicke Kapitän Hugo von Münchhausen sorgen dafür, daß der Leser
-über dem Staunen und Ergriffensein das Lachen nicht verlernt, während
-die Taten der Zwergprinzessin zur Bewunderung hinreißen. Wer die
-Stunden, die er dem Lesen von &bdquo;Ophir&ldquo; widmete, nicht zu den genußreichsten
-seines Lebens zählt, dem ist nicht mehr zu helfen! Dem Genuß
-aber hält der Gewinn, den der Leser daraus schöpft, die Wage.
-</p>
-
-<p class="publ">
-<span class="line1">Verlag für Volkskunst, Richard Keutel, Stuttgart</span>
-</p>
-
-</div>
-
-<div class="ads">
-<p class="hdr2">
-Preßstimmen
-über die Jugenderzählungen von W. Mader
-</p>
-
-<p class="review">
-Ein vorzügliches Buch für die reifere Jugend, das in glücklichster Weise Phantasie und
-Wirklichkeit verbindet, belehrend, aufklärend, fesselnd von Anfang bis zu Ende. Der Bilderschmuck
-ist ausgezeichnet. Wir stellen es neben den Robinson und über den Lederstrumpf.
-</p>
-
-<p class="src">
-(Christlicher Bücherschatz.)
-</p>
-
-<p class="review">
-Der Verfasser führt in Gebiete, die noch in keiner Jugendschrift beschrieben worden und
-die auch dem Gebildeten nahezu unbekannt sind. Namentlich aber um seines sittlichen Gehalts
-willen ist das Buch christlichen Eltern für ihre Söhne warm zu empfehlen.
-</p>
-
-<p class="src">
-(Quellwasser fürs deutsche Haus.)
-</p>
-
-<p class="review">
-Mader vereinigt ein ganz erstaunlich ausgebreitetes und sicheres Wissen mit einer geradezu
-bewundernswerten Einbildungskraft .... Wie Mader beides zu befriedigen sucht, den Wissensdurst
-und den Hunger der Einbildungskraft der Jugend, das verdient sicher ernste Beachtung.
-Und wenn unsereiner im Alter auch noch gerne solche Bücher für Knaben liest, so braucht er
-sich darum nicht zu schämen.
-</p>
-
-<p class="src">
-(Evangelisches Kirchenblatt für Württemberg.)
-</p>
-
-<p class="review">
-&mdash; &mdash; So ergibt sich wieder ein durch und durch spannendes Buch, ein Buch, das der Naturwissenschaft
-gleichsam vorauseilt und sich doch von ihr nicht so berückt zeigt, um dadurch religiöse
-und sittliche Werte in den Schatten stellen zu lassen. Die Freunde des El Dorado werden
-das neue Buch Maders ihren Kindern gewiß wieder gerne auf den Weihnachtstisch legen; ja
-es wird wahrscheinlich noch eine größere Verbreitung finden.
-</p>
-
-<p class="src">
-(Kirchlicher Anzeiger für Württemberg.)
-</p>
-
-<p class="review">
-&mdash; &mdash; Das Ganze ist in packender, spannender Weise geschildert. Die Spannung wächst von
-Kapitel zu Kapitel und man legt das Buch nicht eher aus der Hand, bis das letzte Kapitel zu
-Ende ist. W. Mader besitzt die Gabe zu schildern, seine Feder zeichnet ein wunderbares Bild
-nach dem andern, ferne fremde Welten mit all dem geheimnisvollen Zauber, der sie umgibt,
-tun sich dem Lesenden auf und nehmen sein ganzes Interesse gefangen .... Für die Knabenwelt
-kann neben El Dorado kaum ein passenderer Lesestoff für den Weihnachtstisch empfohlen
-werden.
-</p>
-
-<p class="src">
-(Generalanzeiger Reutlingen.)
-</p>
-
-<p class="review">
-&mdash; &mdash; Auch wissenschaftlich ist das Buch von hohem Wert. Der Verfasser stellt darin ganz
-neue, einfach großartige technische Probleme auf, die er mit überzeugender Einfachheit löst.
-Durch eine Art Münchhausenscher Abenteuer, die mit köstlichem Humor dargestellt sind, werden
-die vielen Begebenheiten der Erzählung angenehm gewürzt ....
-</p>
-
-<p class="src">
-(Deutschlands Jugend, Berlin.)
-</p>
-
-<p class="review">
-&mdash; &mdash; Die mannigfaltigen und unerklärlichen Abenteuer und Erlebnisse, die das Leben der
-kleinen Gesellschaft täglich ausfüllen und die sie bekannt machen mit dem Leben im australischen
-Busch, sind ungemein spannend geschildert und dabei so lebendig, daß der Leser die Begebenheiten
-mitzuerleben vermeint.
-</p>
-
-<p class="src">
-(Ulmer Tagblatt.)
-</p>
-
-</div>
-
-
-<div class="trnote">
-<p id="trnote" class="chapter"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p>
-Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. <span class="handheld-only">Im Original
-g&nbsp;e&nbsp;s&nbsp;p&nbsp;e&nbsp;r&nbsp;r&nbsp;t
-hervorgehobener Text wurde in einem <em>anderen Schriftstil</em> markiert.</span>
-Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt sind, wurden in einer
-<span class="antiqua">anderen Schriftart</span> markiert.
-</p>
-
-<p>
-Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher):
-</p>
-
-<ul>
-
-<li>
-... nicht, dies ausdrücklich hervorzuheben: kein <span class="underline">Mench</span> kann wissen, welche ...<br />
-... nicht, dies ausdrücklich hervorzuheben: kein <a href="#corr-0"><span class="underline">Mensch</span></a> kann wissen, welche ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Kolben und Metall<span class="underline">gefässen</span> verwahrte er die chemischen Stoffe, aus denen ...<br />
-... Kolben und Metall<a href="#corr-1"><span class="underline">gefäßen</span></a> verwahrte er die chemischen Stoffe, aus denen ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... der Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre rasche <span class="underline">Entferung</span> ...<br />
-... der Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre rasche <a href="#corr-2"><span class="underline">Entfernung</span></a> ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... weiß, ob sie nicht auf unsre Lungen eine gefährliche, vielleicht <span class="underline">tötliche</span> ...<br />
-... weiß, ob sie nicht auf unsre Lungen eine gefährliche, vielleicht <a href="#corr-3"><span class="underline">tödliche</span></a> ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... &bdquo;Sie haben ja recht behalten, Lord,&ldquo; gestand <span class="underline">Schultzte</span> nun ein: &bdquo;Aber rätselhaft ...<br />
-... &bdquo;Sie haben ja recht behalten, Lord,&ldquo; gestand <a href="#corr-6"><span class="underline">Schultze</span></a> nun ein: &bdquo;Aber rätselhaft ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... zu, daß der Widerstand der <span class="underline">verhälnismäßig</span> ruhenden Weltatmosphäre sie ihrer ...<br />
-... zu, daß der Widerstand der <a href="#corr-7"><span class="underline">verhältnismäßig</span></a> ruhenden Weltatmosphäre sie ihrer ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... <span class="underline">athmospärischen</span> Hülle umgeben, die sie vor der Reibung im Weltraum ...<br />
-... <a href="#corr-9"><span class="underline">atmosphärischen</span></a> Hülle umgeben, die sie vor der Reibung im Weltraum ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... nimmt man an, er habe eine besonders dichte <span class="underline">Atmospöre</span>; dies ist ...<br />
-... nimmt man an, er habe eine besonders dichte <a href="#corr-10"><span class="underline">Atmosphäre</span></a>; dies ist ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... das Zangenglied vom Leibe des Riesenskorpions, <span class="underline">das</span> nun von weiteren ...<br />
-... das Zangenglied vom Leibe des Riesenskorpions, <a href="#corr-11"><span class="underline">der</span></a> nun von weiteren ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... schleunigst den <span class="underline">um</span>heimlichen Ort verließ, obgleich die Gefahr nun vorüber ...<br />
-... schleunigst den <a href="#corr-12"><span class="underline">un</span></a>heimlichen Ort verließ, obgleich die Gefahr nun vorüber ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... wie begeistert Snyder die Genies der astronomischen Wissenschaft lobt, <span class="underline">nament-</span> ...<br />
-... wie begeistert Snyder die Genies der astronomischen Wissenschaft lobt, <a href="#corr-14"><span class="underline">namentlich</span></a> ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... wenn in solcher Höhe dort oben eine so herrliche Pflanzenwelt <span class="underline">fort</span>kommt, ...<br />
-... wenn in solcher Höhe dort oben eine so herrliche Pflanzenwelt <a href="#corr-20"><span class="underline">vor</span></a>kommt, ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... <span class="underline">schloßen</span> sich. ...<br />
-... <a href="#corr-21"><span class="underline">schlossen</span></a> sich. ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Edens, durch das Dach ein; da die Villa <span class="underline">einstockig</span> war, gelang allen der ...<br />
-... Edens, durch das Dach ein; da die Villa <a href="#corr-22"><span class="underline">einstöckig</span></a> war, gelang allen der ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... erwarten zu dürfen, daß er die lautere Wahrheit sage; denn <span class="underline">Spässe</span>, die ...<br />
-... erwarten zu dürfen, daß er die lautere Wahrheit sage; denn <a href="#corr-24"><span class="underline">Späße</span></a>, die ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Nacht kennt, die im <span class="underline">Durchschniit</span> 44 Erdentage währen, kehrte beinahe ...<br />
-... Nacht kennt, die im <a href="#corr-25"><span class="underline">Durchschnitt</span></a> 44 Erdentage währen, kehrte beinahe ...<br />
-</li>
-
-<li>
-... Kapitel 6. Lufthülle des Monds L. 464-465. W. 87-88. <span class="underline">Dämmerungserscheinuungen</span> ...<br />
-... Kapitel 6. Lufthülle des Monds L. 464-465. W. 87-88. <a href="#corr-26"><span class="underline">Dämmerungserscheinungen</span></a> ...<br />
-</li>
-</ul>
-</div>
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Wunderwelten, by Friedrich Wilhelm Mader
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WUNDERWELTEN ***
-
-***** This file should be named 50770-h.htm or 50770-h.zip *****
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-
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-for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports,
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-things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
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-Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this
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-electronic works. See paragraph 1.E below.
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-
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-
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