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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Schriften 23: Novellen 7 - Eine Sommerreise / Die Wundersüchtigen / Pietro von Abano - -Author: Ludwig Tieck - -Release Date: December 18, 2015 [EBook #50714] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHRIFTEN 23: NOVELLEN 7 *** - - - - -Produced by Delphine Lettau, David Jones, Jens Sadowski, -and the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - - - - - - Ludwig Tieck's - Schriften. - - Dreiundzwanzigster Band. - - - - - Novellen. - - - Berlin, - Druck und Verlag von Georg Reimer. - 1853. - - Ludwig Tieck's - gesammelte Novellen. - - Vollständige auf's Neue durchgesehene Ausgabe. - - Siebenter Band. - - Berlin, - Druck und Verlag von Georg Reimer. - 1853. - - - - - Inhalt. - - - Seite - Eine Sommerreise 3 - Die Wundersüchtigen 157 - Pietro von Abano 295 - - - - - Ludwig Tieck's - gesammelte Novellen. - Siebenter Band. - - - - - - Eine Sommerreise. - 1834. - - - - - Einleitung. - - -Unter abwechselnden Vorfällen und Erfahrungen, die sich mir im Lauf -meines Lebens auf Reisen oder beim längeren Aufenthalt in fremden -Städten aufdrängten, ist mir die Erinnerung so mancher Bekanntschaften -erfreulich, so manche Beobachtung lehrreich und ich kann es nicht -unterlassen, Einiges davon mitzutheilen, welches vielleicht manche -befreundete Gemüther auf anmuthige Weise anregt. - -Schon manches Jahr ist verflossen, seit mir einige interessante -Tagebücher und Briefe in die Hände geriethen, die mir um so bedeutender -wurden, als ich die Verfasser derselben späterhin im Verlauf der Zeiten -in ganz veränderten Verhältnissen und mit umgewandelten Gesinnungen -wiedersah. Jetzt sind die Theilnehmer an nachfolgender kleinen -Begebenheit gestorben oder nach fernen Gegenden gezogen, so daß es -harmlos erscheint, Dasjenige mitzutheilen, was ich früher schon für -vertraute Freunde aus jenen Tagebüchern und Briefen ausgezogen habe. Die -Erzählung ist aus Schriften der drei Hauptpersonen verarbeitet und wird, -der Deutlichkeit wegen, mehr wie einmal durch die eigenen Worte der -erscheinenden Personen unterbrochen werden. - - - - - Walther von Reineck an den Grafen Bilizki in Warschau. - - -Von Deiner schönen Cousine, die ich damals leider nur einmal sah, habe -ich bisher noch nichts in Erfahrung bringen mögen. Und sehr begreiflich, -da ich erst in Franken, oder gar in der Nähe des Rheins, wie ich es ja -weiß, Kundige finde, die mir von ihren Schicksalen und ihrer seltsamen -Flucht etwas mittheilen können. Sollte ich das schöne Bild selbst -irgendwo wiedersehn? Wenn ich nur wenigstens ihn finde, der sie zu -dieser Uebereilung verleitet hat, welche sie Dir entriß, um an ihm die -Rache zu nehmen, die ich Dir versprach, so wenig Du sie auch gefordert -hast. Ich weiß es, daß ich zu hitzig bin; indessen Du bist beschäftigt, -im Dienst des Staates, gehörst Deiner kranken Mutter, und ich bin müßig -und frei genug, um diesen Sommer mich umzutreiben, zu sehn oder zu -gaffen, zu lernen oder zu vergessen, und mir dabei einzubilden, ich thue -Dir und der Menschheit einen großen Dienst, indem ich einen andern -Müßiggänger aufsuche, um ihn zur Rechenschaft zu ziehn. - -Bis jetzt hat das Wetter mich sehr begünstigt. Und eine interessante -Bekanntschaft habe ich auch schon gemacht. Ich war queer durch das -traurige Land gereiset, zwischen den Städten Frankfurt an der Oder und -Crossen hindurch, weil ich in Balkow, einem Dorfe, meine Freundschaft -mit der Familie Tauenzien erneuen wollte, die Du auch kennst, weil die -vortreffliche Frau aus Warschau gebürtig ist. Hier herum ist eine -seltsame Landesart und fast wilde Einsamkeit, beinah so wie in Polen. So -kommt man denn durch abgelegene Wege, immer durch Wald bis an die Oder, -wo den Reisenden, an sumpfiger Stelle, die Kretschem genannt, eine Fähre -übersetzt. Hier fand ich zu meinem Erstaunen einen eleganten Wagen und -einen jungen höflichen Mann, welcher ebenfalls die Fähre erwartete, -welche auf wiederholtes Rufen auch schon herübersteuerte. Der junge Mann -hatte jenen dunkeln, tiefsinnigen Blick, den ich an Männern wie an -Frauen liebe, und so kam ich seiner Freundlichkeit mit Wohlwollen -entgegen, und wir behandelten uns nach einigen Minuten, als wenn wir -alte Bekannte wären. Er sagte mir, diese sumpfige Stelle wäre im -Frühling und Herbst ziemlich gefährlich, weil die Fähre nicht ganz nahe -kommen könne und der Wagen alsdann tief im Wasser fahre. Ich lernte -daraus, daß er hier herum bekannt seyn müsse. Und so erfuhr ich es denn -auch, als wir auf der Fähre neben einander standen: er ist lange in -Ziebingen und Madlitz gewesen, zweien Gütern, die der Finkenstein'schen -Familie gehören. Von dieser Familie, den Töchtern wie den Eltern, -spricht er wie ein Begeisterter. Der Vater, der Präsident Graf -Finkenstein, ist der Sohn des berühmten Staatsministers und der -Präsident selbst ist in der Geschichte, durch jenen vielbesprochenen -Arnold'schen Proceß, nicht unbekannt, in welchem er sich als einen -wackern und höchst rechtlichen wie unerschrockenen Mann zeigte. »Wer in -dieser Familie, rief mein neuer Bekannter aus, eine Weile gelebt hat, -der kann sich rühmen, die echte Humanität und Urbanität, das Leben in -seiner schönsten Erscheinung kennen gelernt zu haben. Die Mutter, eine -würdige Matrone, ist die Freundlichkeit selbst, in ihrer Nähe muß jedem -wohl werden, der ein echter Mensch ist. Begeisternd, aber freilich -weniger sicher ist die Gesellschaft der drei schönen und edeln Töchter. -Die zweite ernst, die dritte muthwillig und froh und die älteste graziös -und lieblich, erscheinen sie, im Gesange vereinigt, wie das Chor der -Himmlischen. Vorzüglich die Stimme dieser älteren Schwester ist der -reinste, vollste und auch höchste Sopran, den ich jemals vernommen habe. -Wäre sie nicht als Gräfin geboren, so würde sie den Namen auch der -berühmtesten Sängerinnen verdunkeln. Hört man diese Henriette die großen -leidenschaftlichen Arien unsers musikalischen Sophokles, des einzigen -Gluck, vortragen, so hat man das Höchste erlebt und genossen. Oft -verherrlicht noch ein großer Musikkenner, der Minister Voß, die -Gesellschaft, und durch seine Vermittlung und aus der Sammlung dieses -vortrefflichen Mannes haben die Töchter große Sachen von Jomelli, ältere -von Durante, Leo, Lotti und Allegri, einige höchst seltene vom alten -Palestrina und dessen Zeitgenossen erhalten, und diese erhabenen -Kirchengesänge werden in dieser Familie so vorgetragen, wie man es -vielleicht kaum in Rom so rein und großartig vernimmt. Der Vater, -nachdem er seine Geschäfte und juristische Laufbahn aufgegeben hat, -bewirthschaftet seine Güter und hat mit malerischem Sinn für Natur in -Madlitz einen der schönsten Gärten angelegt und ausgeführt, der uns -einfach und ohne Prätension die Herrlichkeit der Bäume und Pflanzen -zeigt und an hundert anmuthigen Plätzen zum poetischen Sinnen und -phantasiereichen Träumen einladet. Dieser Mann studirt und übersetzt den -Theokrit und Virgil's Eklogen, so wie einige Gedichte Pindar's. Er -kennt, was noch so vielen Poesiefreunden eine geheimnißvolle Gegend ist, -viele alt-deutsche Gesänge und weiß das erhabene Epos der Nibelungen -fast auswendig. So oft ich in diesem Kreise war, bin ich besser und -unterrichteter aus ihm geschieden.« - -Aus dieser begeisternden Rede schloß ich, daß mein neuer Bekannter der -Liebe sehr zugeneigt, in diesem selben Augenblick wohl schon ein -Verliebter sei, daß er wohl auch Anlage zum Dichter besitze. Er heißt -Ferdinand von Erlenbach und reiset mit noch weniger Absicht als ich in -die weite Welt hinein. Wir werden wenigstens bis Dresden -beisammenbleiben, er sendet auch von hier, von Guben, seinen Wagen -zurück, und wir haben in diesem Städtchen eine Chaise bis Dresden -gemiethet. - -Nach vielfachen Gesprächen, in welchen sich der enthusiastische -Charakter meines neuen Freundes noch mehr entwickelte, kamen wir, -nachdem unsre Kutscher sich ohne Noth im Fichtenwalde verirrt hatten, -gegen Abend in dem Städtchen Guben an, welches für die hiesige Landesart -eine ganz leidliche Lage hat. Er, der Aufgeregte, ist bei dem schönen -Wetter noch nach dem Vogelschießen, auf der Wiese draußen, zu dieser -Bürgerlustbarkeit hinausgegangen. Ich habe keinen Sinn für dergleichen -poetische Prosa. Das Knallen der Büchsen, diese Gespräche beim Bier, der -Pfahlwitz dieser Schützen, Alles dies kann weder meine Neugierde noch -mein Behagen erregen. Er reizt sich aber auf, um dergleichen aus Willkür -interessant zu finden; will wohl auch die Menschen studiren. Auch denkt -er einen Jugendfreund aufzusuchen, den er seit vielen Jahren nicht -gesehn, der sich hier angekauft und verheirathet hat. Ich zog vor zu -essen, zu trinken und Dir diesen flüchtigen Brief zu schreiben. Gedenke -Deines treuen Walthers. - -Guben, den 15. Junius 1803. - - * * * * * - -Ferdinand war in der That bis zum Abend beim Scheibenschießen. Er liebte -dergleichen Volksfeste fast übermäßig und seine Phantasie, wenn er -gleich nicht mehr in der ersten Jugend war, überzog die Gegenwart, die -Andern dürr und finster erschien, mit einem glänzenden Firniß. Trotz -seinem Nachforschen wollte es ihm aber nicht gelingen, seinen -Schulfreund Wachtel anzutreffen. Die Schützen bedeuteten ihm auch, daß -dieser nicht zu ihrer Gilde gehöre. In der Vorstadt, wo das ziemlich -große Haus seines Freundes gelegen war, traf er ihn ebenfalls nicht. Er -spazierte also halb verdrossen in der Gegend umher und vernahm aus der -Ferne die Schüsse, die nach der Scheibe zielten, dann begab er sich -wieder in das zerstreuende Geräusch, hörte hier und dort den Gesprächen -zu und wünschte so wie die Andern über ungesalzene Geschichten oder -Familienspäße lachen zu können. So ward es Abend und finster und er war -immer noch zu verdrossen, um nach dem Gasthofe in der Stadt -zurückzugehen, und sein Lager aufzusuchen. - -Schon entfernten sich nach und nach die Schützen mit ihren Frauen und -Kindern, ein anmuthig erfrischender Wind strich beruhigend über das -Gefilde und die Sterne traten heller und bestimmter aus der dunkelblauen -Wölbung; Ferdinand, der gern in der Nacht umherwandelte, war fast -entschlossen, im Freien zu bleiben. Da hörte er im nahen Gebüsch wie ein -Klagen, Seufzen und Schelten durch die Stille des Abends, und als er -näher trat, bot sich ihm eine Scene wie von Teniers und Ostade dar, die -zu seinen süßen Träumen gar nicht passen wollte. Ein trunkener Mann lag -auf dem grünen Rasen und eine Frau, die bald ermahnte, bald wehklagte, -bestrebte sich, ihn, indem sie ihn am Arme hielt, emporzurichten. Sie -freute sich, als ein anderer Mann ihr nahte, weil sie in ihrer Angst -dessen Hülfe sogleich in Anspruch nahm, um den Besinnungslosen nach -Hause schaffen zu können. Indem Ferdinand den Betäubten aufzurichten -suchte, erzählte die Frau, wie der Gatte auf einem Kindtaufschmause beim -Amtmann des nahen Dorfes immerdar gelacht und getrunken, so christlich -sie ihn auch ermahnt habe; mehr vom Gelächter noch als Wein berauscht, -sei er auf dem Rückwege zur Stadt, indem auf dieser Stelle erst seine -Krankheit sich vollständig gezeigt habe, hier schlafend und wie todt -niedergesunken. Lachend und weinend stemmte sich die Frau, durch -Ferdinand's kraftvolle Unterstützung sichrer gemacht, bis Beide durch -richtig angewendete Hebelkraft den Ehemann aufrecht gestellt hatten. -Beschämt und gerührt fühlte sich Ferdinand, der schon seit einiger Zeit -im Lallenden und Ohnmächtigen seinen humoristischen Freund Wachtel -wieder erkannt hatte. Er war nur darüber froh, daß jener Walther, der -neue Bekannte, bei dieser Nichterkennungsscene nicht zugegen war, da er -ihm von diesem Herrlichen so viel Gutes und Schönes erzählt hatte, das -ihm selber jetzt als Unwahrheit erschien. Die beiden Hülfreichen führten -nicht ohne Mühe und Anstrengung den Unbeholfenen in sein Haus, und -Ferdinand entfernte sich in der höchsten Verstimmung. Er durchstreifte -wieder die Landschaft und erfreute sich der lieblichen Sommernacht, die -warm und doch erfrischend, labend und milde nach dem heißen Tage auf den -Feldern und Wäldern webte. Die Lichter des Städtchens erloschen nach und -nach, und seinen Lebenslauf übersinnend, kam der Träumende nach einer -Stunde zurück, um seinen Gasthof aufzusuchen. Er mußte vor dem Hause des -trunkenen Freundes vorüber, und als er in die Nähe desselben kam, -vernahm er deutlich Wachtel's Stimme. Er war unten in einer großen Stube -zur ebenen Erde und alle Fenster standen, der Sommerwärme wegen, offen. -Ferdinand kam leise näher und unterschied in der Dämmerung seinen -Freund, der ruhig neben seiner Frau saß und so in seiner gemessenen Rede -fortfuhr: -- denn alle Weisheit ist nur Stückwerk, und alle Tugend -nichts als Flickwerk. Ich betheure Dir, ich war nicht betrunken, wie Du -Dir einzubilden scheinst, sondern nur etwas anders, als gewöhnlich, -gestimmt; auch war ich nicht abwesend oder gar besinnungslos, wie Du -behaupten möchtest, sondern mein Geist schwärmte nur in andern Regionen -und war eben mit der Lösung der tiefsinnigsten Probleme beschäftigt. So -geht es mir ja oft, daß auf meinem Zimmer sich beim Buch oder im -Nachdenken mein Geist in hohen Genüssen ergeht, und ich Dich ebenfalls -alsdann nicht oder meinen Gevatter Wendling bemerke. Was nun die -Behauptung betrifft, Du selbst habest mich nebst einem ganz fremden -Manne, unwissend meiner selbst, hieher in mein Häuslein geschleppt, -- -so ist das nichts weiter, als was mir und Dir alle Tage geschieht, wenn -wir im Wagen sitzen, über dieses und jenes anmuthig genug discurriren -und weder wissen noch bedenken mögen, ob weiße oder schwarze Pferde uns -von der Stelle bewegen. Contrair zeigt es nur von einem geringen Sinne, -sich um diese Nebendinge allzuängstlich zu kümmern; und wie würdest Du -selbst mich verachten, wenn ich in einer schönen Landschaft, an welcher -sich Dein Auge ergötzte, Dich immer wieder auf die Schimmel und den -rothnasigen Fuhrmann aufmerksam machen wollte. Also, nicht einseitig -abgeurtheilt, liebe Gattin. Wären wir nicht so schnell stillgestanden, -was Du selbst verlangtest, um zu verschnaufen, wie Du Dich ausdrücktest, -so wäre ich dort am Abhang nicht in die Knie und alsbald mit dem ganzen -Leichnam hinab gesunken oder geschurrt; denn Beine und Schenkel und alle -jene Muskeln, welche zum Wandeln in Bewegung gesetzt werden müssen, -thaten ihre Schuldigkeit ganz leidlich, Wille und Vollstreckung immerdar -im Takt, Eins zwei, Eins zwei; -- nun aber die plötzliche Hemmung -- das -war den Sehnen, Muskeln, Gebeinen, und wie sie Namen haben mögen, ganz -unerwartet wie ein Blitzschlag; -- die Geister, die schon Reißaus -genommen hatten und in Indien und Calekut schwärmten, vergaßen von ihrer -interessanten Pilgerschaft zurückzukommen, der Wille lauerte vergeblich -auf Befehl, und die Sehnen und Muskeln, die schon lange des langweiligen -Takttretens müde waren, fielen ohne von Willen und Geistbefehl und jenem -hartherzigen Bewußtsein tyrannisirt zu werden, zusammen und blieben -liegen. Sieh, Schatz, dies ist die pragmatische Geschichte jenes von Dir -mißverstandenen Vorfalls. - -Ganz gut, sagte die Frau, aber ich weiß, was ich weiß, Du kannst mir -meine Sinne nicht abdisputiren. Vor acht Tagen sagtest Du wieder, wenn -ich Dich unterwegs nur eine einzige Minute hätte ausruhen lassen, so -wärst Du hier in der Stube nicht so hingeschlagen, daß es Dir zwei Tage -im Kopfe brummte. - -Richtig, mein Kind, erwiederte der Gatte, mein Genius brummte und -knurrte damals lange aus Verdruß, daß man auf seine Weisung nicht -gemerkt hatte. Denn ich war mit Bewußtsein dazumal überfüllt, es waren -zu viele Lebensgeister gegenwärtig und ein Ueberschwang von Gedanken, -philosophischen Begriffen und tiefsinniger Nüchternheit quälte mich; so -war denn nicht Ein Wille bloß meinem Gehn und den Beinen zu Gebot, -sondern wohl zehn Willenskräfte hantirten in mir und zankten gleichsam -mit den Lebensgeistern und der obersten Hauptseele oder dem wahren Ich. -Du sahst auch, wie die Beine zu schnell liefen, wie ich mit den Händen -haspelte und gestikulirte, die in Wandelsbegeisterung auch Beine zu seyn -strebten. Hätte ich nun etwas im Freien geruht, so konnte die Hauptseele -so ein Dutzend Lebensgeister nach allen Richtungen fortsenden, mein zu -starkes Bewußtsein wurde vernünftig und gemäßigt, und ich fiel nachher -aus pur übertriebener Nüchternheit nicht hier auf den Fußboden hin. -- -Aber noch schlimmer, daß Du mich bei der fremden Dame, die seit gestern -bei uns logirt und morgen, oder vielmehr heut, oder vielmehrest -übermorgen, das heißt, da jetzt Mitternacht vorüber ist, eigentlich -morgen früh abreisen will, in so schlechten Ruf gebracht hast, als wenn -ich ein Trunkenbold wäre. Sieh, mein Engel, das fremde gutherzige -Frauenzimmer reiset nun in alle Welt und hängt mir in den -allerentferntesten Ländern einen Schandfleck an, und macht mir so in -Gegenden einen bösen Namen, wo ich noch nicht einmal einen guten oder -gleichgültigen Ruf errungen habe; es ist sogar möglich, ich werde da -schon im voraus lächerlich, wo man mich noch gar nicht kennt; denn -Verleumdung findet weit leichter als Verehrung eine Herberge und Wohnung -in der Brust der mannichfach redenden Menschen. - -Er ist also auch in der Ehe unverbesserlich geblieben, dachte der -erzürnte Ferdinand und ging in die Stadt. Es war ihm in seiner -Verstimmung unmöglich, sich jetzt seinem ehemaligen Freunde zu erkennen -zu geben. - -In einem nicht gar bequemen Fuhrwerke verließen die Reisenden Guben und -zogen langsam durch die Steppen und Fichtenwälder jener Gegend der -wendischen Lausitz. Sie übernachteten in Wermsdorf und waren erfreut, -bei Königsbrück eine grünere und freundlichere Natur zu finden. Ein -schöner, voller und dichter Tannenhain, mit vielen alten Bäumen, von -schönen Buchen und Birken erhellt, empfing sie nachher, und gegen Abend -sahen sie von einer Waldhöhe herab in seiner ganzen Schönheit am -anmuthig gewundenen Strom das liebliche Dresden vor sich liegen. - -Ich war schon oft in dieser Stadt, sagte Ferdinand, und doch bleibt mir -der Anblick dieser Gegend immer neu. Die Hügel, die sanften Thäler -umher, der schöne Strom, das Grün und die Waldpartien, Alles ist -zierlich und ergötzlich zu nennen. Erhaben, ernst, feierlich ist diese -Natur nicht und wir hören hier keine jener Stimmen, die das Ohr unsers -Geistes wohl in Gebirgen vernimmt. Darum hat diese Gegend so recht -eigentlich etwas Wohnliches, Behagliches, daß Jedem hier wohl wird, der -eines Umganges mit der Natur fähig ist. - -Sollten das nicht alle Menschen seyn? fragte Walther. - -Ich zweifle sehr, erwiederte jener: suchen so viele nicht und vermissen -in freundlichen Ebenen den Reiz der Gebirge? Entbehren nicht viele -schmerzlich in schöner Abgelegenheit den Wirrwarr der großen Städte? - -Das gehört auch, erwiederte Walther, zu den Erfreulichkeiten Sachsens -und dieser Residenz, daß man sich frei fühlt, nicht von Mauth und deren -Dienern grob und stürmisch angefahren und genirt wird; daß keine Habgier -die Bestechung wie einen Tribut erwartet. Das bildet einen starken -Abstich gegen das große benachbarte Land, in welchem in dieser Hinsicht -so vieles zu verbessern ist. - -Schon in der Nähe des freundlichen Thorschreibers fielen diese Reden vor -und die Reisenden stiegen müde vor dem Gasthause, der goldene Engel, ab, -in welchem sie Erquickung und gute Bewirthung fanden. - - - - - Walther von Reineck an den Grafen Bilizki. - - - Dresden, den 19. Juni 1803. - -Man sagt mir hier, die Familie Ensen sei in Karlsbad, und dahin werde -ich also vorerst mit meinem Schwärmer meinen Zug richten, weil ich -hoffen kann, von diesen Leuten, welche alle Verhältnisse so genau -kannten, von der schönen Maschinka, oder ihrem Entführer etwas zu -erfahren. Ferdinand, wie ich ihn der Abkürzung wegen nennen will, führte -mich sogleich zu einem wackern Schwaben, einem Maler Hartmann hin, so -wie zu einem sehr poetischen eigenthümlichen Landschaftmaler, Friedrich, -aus Schwedisch-Pommern gebürtig. Diese wahrhaft wunderbare Natur hat -mich heftig ergriffen, wenn mir gleich Vieles in seinem Wesen dunkel -geblieben ist. Jene religiöse Stimmung und Aufreizung, die seit kurzem -unsre deutsche Welt wieder auf eigenthümliche Weise zu beleben scheint, -eine feierliche Wehmuth sucht er feinsinnig in landschaftlichen -Vorwürfen auszudrücken und anzudeuten. Dieses Bestreben findet viele -Freunde und Bewunderer, und, was noch mehr zu begreifen ist, viele -Gegner. Historie, und noch mehr viele Kirchenbilder haben sich wie oft -ganz in Symbolik oder Allegorie aufgelöset, und die Landschaft scheint -mehr dazu gemacht, ein sinnendes Träumen, ein Wohlbehagen, oder Freude -an der nachgeahmten Wirklichkeit, an die sich von selbst ein anmuthiges -Sehnen und Phantasiren knüpft, hervorzurufen. Friedrich strebt dagegen -mehr, ein bestimmtes Gefühl, eine wirkliche Anschauung, und in dieser -festgestellte Gedanken und Begriffe zu erzeugen, die mit jener Wehmuth -und Feierlichkeit aufgehn und eins werden. So versucht er also in Licht -und Schatten belebte und erstorbene Natur, Schnee und Wasser, und eben -so in der Staffage Allegorie und Symbolik einzuführen, ja gewissermaßen -die Landschaft, die uns immer als ein so unbestimmter Vorwurf, als Traum -und Willkür erschien, über Geschichte und Legende durch die bestimmte -Deutlichkeit der Begriffe und der Absichtlichkeit in der Phantasie zu -erheben. Dies Streben ist neu, und es ist zu verwundern, wie viel er -mehr wie einmal mit wenigen Mitteln erreicht hat. So meldet sich bei uns -in Poesie und Kunst, wie in der Philosophie und Geschichte, ein neues -Frühlingsleben. Ganz ähnlich, und vielleicht noch tiefsinniger, strebte -ein Freund, der erst seit kurzem von hier in sein Vaterland, Pommern -(auch das schwedische), zurückgekehrt ist, die phantastisch spielende -Arabeske zu einem philosophischen, religiösen Kunstausdruck zu erziehn. -Dieser lebenskräftige Runge hat in seinen Tageszeiten, die bald in -Kupferstichen erscheinen werden, etwas so Originelles und Neues -hervorgebracht, daß es leichter ist, über diese vier merkwürdigen -Blätter ein Buch zu schreiben, als über sie in Kürze etwas Genügendes zu -sagen. Es war eine Freude, diesen gesunden Menschen diese Zeichnungen -selbst erklären zu hören, und zu vernehmen, was er Alles dabei gedacht. -Ich suchte ihn im vorigen Jahr, als ich mich auch hier befand, darauf -aufmerksam zu machen, daß er, besonders in den Randzeichnungen, die die -Hauptgestalten umgeben, mehr wie einmal aus dem Symbol und der Allegorie -in die zu willkürliche Bezeichnung, in die Hieroglyphe gefallen sei. Der -bittre Saft, der aus der Aloe trieft, die Rittersporn, die im Deutschen -durch Zufall so heißen, können nicht im Bilde an sich Leiden, Reue oder -Tapferkeit und Muth andeuten. So ist in diesen Bildern manches, was -Runge wohl nur allein versteht, und es ist zu fürchten, daß bei seiner -verbindenden reichen Phantasie er noch tiefer in das Gebiet der Willkür -geräth und er die Erscheinung selbst als solche zu sehr vernachlässigen -möchte. In derselben Gefahr befindet sich auch wohl Friedrich. Ist es -nicht sonderbar, daß gerade die Zeit, die mehr Phantasie entwickelt, als -die vorigen Menschenalter, zugleich im Phantastischen und Wunder mehr -Bedeutung, Vernunft und äußere und innere Beziehung finden will, als -früher die Menschen von jenen Productionen der Künste verlangten, die -doch gewissermaßen ganz aus der Verständigkeit hervorgegangen waren? Man -sieht aber wieder, wie Ein Geist immerdar sich im Zeitalter in vielen -Gegenden und Gemüthern meldet. Die Novalis auch nicht kennen oder -verstehn, sind doch mit ihm verwandt. War es denn auch so zur Zeit des -Dante? So weit ich jene Jahre kenne, entdecke ich dort diese -Verwandtschaft nicht. Dieser große Prophet hat in seinem Geheimniß -dieses Streben, Sache und Deutung, Wirklichkeit und Allegorie immerdar -in Eins zu wandeln, auf das mächtigste aufgefaßt. Ihn verstehn und -fühlen setzt voraus und fordert eine große poetische Schöpferkraft; mit -dem gewöhnlichen Auffassen ist hier nichts gewonnen. Soll man sich aber -selbst so loben? Im Briefe vielleicht. Und doch gemahnt es mich, als sei -dies kein Lob. Nur Geweihte sollen Dante's Gedicht lesen. Es ist ja -keine Bürger- und Menschenpflicht. - -Sonderbar, daß viele Menschen, die mit Recht sich etwas darauf -einbilden, daß sie Runge's und Friedrich's Bemühungen nicht abweisen, -weil ihr Poesiesinn den Schöpfungen entgegenkommt, doch die tiefsinnige -und ebenso liebliche Symbolik und Allegorie in Correggio's einzigen -Werken nicht fühlen und anerkennen. Wer nichts als den Maler in ihm -sieht, der mit Lichteffekten spielt, mag nicht gescholten werden, wenn -er mehr als einen Niederländer höher stellt. Runge selbst war immer von -diesem großen Dichter auf das tiefste ergriffen, und es ließ sich mit -diesem hochbegabten deutschen Jünglinge über diese Gegenstände sehr -anmuthig sprechen und schwärmen. Freilich merke ich wohl, daß ich, gegen -meinen Begleiter Ferdinand gehalten, mich noch sehr prosaisch ausnehme. - -Wir standen vor Rafael's sogenannter Sixtinischen Madonna. Es ist -schwer, von einem so ewigen, ganz vollendeten Werke etwas Bedeutendes zu -sagen, und um so schwerer, je öfter und weitläuftiger schon begeisterte -Bewunderer oder forschende Kenner sich darüber haben vernehmen lassen. - -Kein Werk, darin kommen alle überein, ist von Rafael so leicht, mit so -weniger Farbe, so weniger Ausführung gemalt. Es hat darüber, weil es -wohl rasch gefördert ist, fast den Charakter eines Freskobildes; in -Hinsicht der Einfachheit, Erhabenheit, steht es vielleicht, wenn man -einmal unterordnen will, allen Arbeiten dieses größten Malers voran. Es -kommt mir vor, als wenn diese sublime Erscheinung jene Ausführlichkeit -so vieler anderer Meisterwerke nicht zuließe. Denn wie eine Erscheinung -wirkt dieses Kunstwerk. Es ist sehr zu tadeln, daß man es so nachlässig -eingerahmt hat; denn oben ist vielleicht eine Handbreit oder mehr -umwickelt, wodurch die grünen Vorhänge und der obere lichte Raum -verkürzt sind. Denkt man sich dieses jetzt Mangelnde hinzu, so schwebt -die Gestalt der Maria, sowie des Sixtus und der Barbara noch deutlicher, -noch mehr und lebendiger herab. Die Vision der drei Heiligen steigt in -die Kirche selbst hernieder, sie erscheint über dem Altar, und Maria -bewegt sich im Niederschweben mit dem ernsten Kinde in den Armen -zugleich vor. Diese doppelte Bewegung erklärt den Flug des Schleiers, -sowie das Zurückstreben des blauen Gewandes; der verklärte Papst, im -brünstigen Gebet, ist gleich in dieser knieenden Anbetung und Stellung -gewesen. Die heilige Barbara stand der Mutter Gottes nahe, doch -geblendet von der Majestät und fast erschreckt von den tiefsinnigen -Augen des Kindes ist sie so eben in die Knie gesunken und wendet das -Antlitz. Diese Verbindung der früheren und späteren Bewegung liebte -Rafael, fast alle seine Bilder zeigen sie, und keiner hat ihn in dieser -Kunst, auf diese Weise wahres Leben, Seele in die Stellungen und Gruppen -zu bringen, jemals erreicht. Die Engel, als Herolde, sind schon früher -angelangt, und stützen sich unten ruhend auf dem Altar selbst. Getrost, -kindlich unbefangen erwarten sie die Heiligen, und der Tiefsinn der -Kindheit contrastirt mit dem Angesicht Christi und dem strengen Ernst -seiner Augen gar schön. Mir unbegreiflich, wie manche seyn wollende -Kenner dieser Barbara etwas Weltliches oder gar Coquettes haben -andichten wollen. Andre meinen, das Bild sei noch edler, wenn die Figur -der Maria ohne alle Begleitung erschiene. Für wie Viele, und die doch -gern mitsprechen, ist das Vollendete doch immerdar ein fest versiegeltes -Buch, und eben darum, weil es vollendet ist. Die Mehrzahl der Menschen -kann sich nur am Einzelnen entzücken. Ihr Streben, sowie sich ihnen in -Kunst oder Poesie etwas Mächtiges und Schönes anbietet, ist, sogleich -das Werk zu vereinzeln, um sich dieses und jenes, entweder mit Kälte -oder Hitze anzueignen. Die Kalten sind die sogenannten Kenner, die oft -mit solcher Wegwerfung diese oder jene Zufälligkeit oder eine Nebensache -bewundern, daß man, ihren Reden nach, auf den Argwohn kommen müßte, es -sei besser, wenn gar keine Kunst oder Poesie die Welt verwirre. Die -Hitzigen versetzen sich zuweilen bis zu Thränen in eine ängstliche -Leidenschaftlichkeit, um ja nur recht bestimmt etwas zu isoliren, irgend -ein Schönes, das freilich sich wohl auch im Kunstwerke findet. Nur -verdient dieses Einzelne erst das Lob, und kann nur verständig seyn, -wenn es aus dem Innern des Werkes und seiner Totalität verstanden wird. -Aber von dieser innern, nothwendigen Vollendung, wodurch erst ein -Kunstwerk diesen Namen verdient, von dieser Ueberzeugung wollen die -Eifernden wie die Besonnenen in der Regel nichts wissen; diesen Glauben -erklären sie geradezu für Aberglauben. Sie können ein Werk nur -bewundern, wenn sie es für eine Annäherung, aber freilich mangelhafte, -zu jenem unsichtbaren, unfühlbaren und unbezeichneten Ideal halten, -welches ihnen im chaotischen Nebel vorschwebt. - -Es ist merkwürdig, wie sich so oft die Extreme berühren. Diese -Rafael'sche Maria hätte vielleicht niemals copirt werden sollen und kein -anderes Bild ist von Stümpern und geschickten Zeichnern so oft -wiederholt worden. Den besten aber fehlt das geistige Auge, die wahre -Gestalt der Maria wieder zu finden. Vielleicht wäre dem schaffenden -Meister selbst keine Copie ganz gelungen. Am schlimmsten sind einige -Oelbilder, bloß die ganze Figur der Maria, ausgefallen. Ich kenne -welche, die aus dieser erhabenen Gestalt etwas Freches und Gemeines -gemacht haben. - -Unser Entzücken vor dem Gemälde wurde auf eine sonderbare Art gestört -und unterbrochen. Ein Mann in mittleren Jahren, mit einem scharfen -Gesicht und einer etwas rothen Nase, kam mit stolperndem Gang und einem -schreienden Ton auf uns zu, und schloß meinen verzückten Ferdinand, ob -sich dieser gleich etwas sträubte, fast zu heftig in seine Arme. Er -nannte sich Wachtel, kam von Guben herüber und hatte unsre Namen im -Thorzettel gelesen. »Ihr steht hier«, rief er unmittelbar nach der -Begrüßung, »vor dem allercuriosesten Tableau, das der Mensch nur -ersinnen kann. Es ist ohne Inhalt und stellt eigentlich gar nichts dar. -Man kann sich aus den Abendwolken bessere Geschichten zusammensetzen. Wo -kommen diese Creaturen her? Wo wollen sie hin? Warum blieben sie nicht, -wo sie waren? Das kommt mir vor wie manche Menschen, die immer eine -wichtige Miene machen und hinter diesem nachdenklichen Gesichte doch gar -nichts denken. Der Zuschauer muß sich nun zwingen, noch weniger zu -denken, und das nennt er dann eine erhabene Stimmung. Wie man beim -Feuer, wenn es mächtig um sich greift, oft klug thut, zwei oder drei -Häuser einzureißen, damit nicht hundert zu Grunde gehn, so sollte ein -durchgreifender Menschenfreund, wie der Kalif Omar, einmal so ein -tausend gepriesene Meisterwerke in den Ofen stecken, damit eine Kluft, -ein leerer Raum entstünde, und diese Krankheit von unnützer Bewundrung, -die immer weiter um sich greift, in sich erstickte, daß die armen -Menschen einmal wieder frische Luft holten und zur Besinnung kämen. Was -seht ihr z. B. auch dort an dem Tizianschen Christus mit der Münze? Ich -habe einen Schacherjuden gekannt, der ganz wie dieser angebliche Heiland -aussah. Diese Maler sind lustige, boshafte Kerle gewesen, und es ist zu -verwundern, daß ihnen die Geistlichkeit nicht mehr auf die Finger -klopfte. Die Satire, wie der Jude hier die Münze und den Versucher -ansieht, wie die langen Finger so gern mit dem Geldstück eins werden -möchten, ist doch allzusehr in die Augen fallend.« - -Ferdinand, der mir vor einigen Tagen soviel Wunder und Schönes von -diesem Jugendfreunde erzählt hatte, hätte aus der Haut fahren mögen und -durfte doch den täppischen Gesellen nicht verleugnen. Er war aber -dunkelroth vor Scham, denn noch kurz zuvor hatte er mir und den -Umstehenden bewiesen, wie in diesem Bilde, »Christus mit der Münze,« -sich Tizian, der nur selten erhaben sei, selber übertroffen habe. So -sehr er sich wehrte, mußte er sich doch von seinem Freunde zu den -Teniers und einigen andern niederländischen Bauernscenen schleppen -lassen, wo dieser Wachtel sich unter lautem Lachen ganz glücklich und -behaglich fühlte. -- - - * * * * * - -Nachdem Walther diesen Brief abgesendet hatte, kehrte er zu seinem -Freunde Ferdinand zurück, den er im heftigen Wortwechsel mit Wachtel -antraf. Was giebt es, fragte er, worüber man so laut streiten könnte? -Wachtel nahm sogleich das Wort und erzählte mit großer Lebhaftigkeit: -die Sache, werthgeschätzter Unbekannter, betrifft, kürzlich zu sagen, -das Herz und die Liebe. Ich bin des Undankbaren ältester Freund, und er -will es mir verwehren, hier mit ihm zu seyn und ihn nach Teplitz und -Karlsbad zu begleiten. Ist das nicht reelle Undankbarkeit? Ich komme -her, sehe ihn nach Jahren wieder, und will mein verdumpftes Herz in -lichtender, frischer Liebe auslüften und durch heilsame Erschütterungen -von Motten und allem unnützen Gespinste reinigen, und er will es mir -verwehren, ihn zu begleiten, weil ich ihn, wie er vorgiebt, in seiner -verstimmten Erhebung nur störe. Auch hat er, wie immer, allerhand von -Geheimnissen, die ich ihm allzuroh und derb betasten, oder vielleicht -gar erdrücken möchte, denn er liebt es, sich selbst zu verhätscheln, und -doch hat der arme Schelm seine ganze Schwärmerei nur einzig und allein -von mir gelernt, was er freilich jetzt, nach so manchen Jahren, nicht -mehr Wort haben will. - -Ferdinand mußte lachen und sagte: nun, so begleite mich denn, Freund -Wunderlich, wenn jener Herr, mit welchem ich mich schon für einige Zeit -versprochen habe, nichts gegen die Vermehrung der Gesellschaft hat. -Walther schien über die neue Bekanntschaft erfreut, die ihm manche -Aufheiterung versprach, und man nahm sogleich die Abrede, vorerst nach -Teplitz zu reisen, um zu erfahren, wie man sich untereinander vertrüge. - -An einem trüben Tage reisete die Gesellschaft von Dresden ab, ziemlich -spät, so sehr auch Ferdinand getrieben hatte, damit man noch zeitig in -Teplitz anlangen könne. Der bequeme Walther aber, der es nicht in der -Art hatte, Zeit und Stunde sehr zu beachten, hatte die Stunde versäumt. -Die schöne Gegend bei Pirna, die anmuthige bei Gießhübel, die -Waldpartien, die wechselnden Aussichten ergötzten alle. Auf der Grenze -wurden die Reisenden, die nicht viel Gepäck mit sich führten, nur wenig -aufgehalten. Der Weg bis zum Nollendorfer Berg hinauf war ermüdend und -langweilig, denn schon in Peterswalde hatte sich ein dichter Nebel -herabgesenkt, der jede Aussicht verdeckte. Oben auf dem höchsten Punkte -des Berges von Nollendorf steht eine kleine Kirche. Hier stiegen die -Reisenden aus, um, wo möglich, etwas von der Schönheit der Natur zu -genießen. - -Der Wagen fuhr indessen das Thal hinunter, als die Naturbeobachter noch -oben im dichten Nebel standen und kaum die nächsten Sträucher am Wege -unterscheiden konnten. Wachtel sagte: Eigentlich, meine Freunde, ist -dies, was wir hier nicht sehn, und indem wir nichts sehn, der erhabenste -Anblick der Natur. Dies ist ein Bild vom alten uranfänglichen Chaos, -welches der wundersame Großvater aller Formen und Gestaltungen war. Wir -übereilen uns, wenn wir uns das Nichts als nichts denken wollen: was -sich weder denken noch vorstellen läßt. Nein, so wie wir es hier vor uns -sehen, ist das Nichts beschaffen. Alles, so weit man sieht und denkt, -ein unreifer Brei, eine angehende Milch, ein blöder Lehrling für ein -Sein. Wie Silhouetten-Gespenster dort die Bäume und Sträucher, eben nur -zu errathen, Finsterniß in diesem bleichen Dunkel, dort ebenso die Wand -der Kirche. Alles nur Räthsel: steht da, wie Aberglauben im Meere der -Unvernunft. Wenden wir nun einmal dieses eingebräute Gleichniß vor uns -auf unsre eignen Köpfe an, so -- -- - -Hier versagte dem Schwatzenden das Wort im Munde, denn einem Wunder -gleich riß sich eine große breite Spalte in dem dichtgewundenen Nebel, -und grünes Land, sonnenbeglänzter Wald lag unten, gegenüber funkelnde -Berge im wachsenden Lichte. Kaum entdeckt, brachen links und rechts neue -Klüfte im weißen Nebelmeer auf, und wie selige Inseln zeigten sich von -allen Seiten Gebirg und Flur im spielenden Glanz des fluthenden -Sonnenscheines, indessen noch dazwischen wie Wände oder Säulen die -ineinandergeflochtenen Wolken alle Aussicht deckten. Nun entstand ein -Kampf zwischen Licht und Dunkel: Alles wallte und zog hin und wieder. -Die Wolken löseten sich in Streifen, die leichter und wolliger -zerflossen und sich endlich in den Glanz verloren und untertauchten. So -wurden von unsichtbarer Hand allgemach die Vorhänge weggehoben und das -ganze Gebirge mit seinen schönen Formen lag weit ausgebreitet in allen -Abstufungen des vollen und gemilderten Lichtes vor den Augen der -entzückten Beschauer. - -Diese Landschaft, rief endlich Ferdinand aus, muß eine der schönsten in -Deutschland seyn. - -Wie oft ich auch die Reise machte, sagte Walther, so habe ich doch -niemals dieses überraschende Entzücken genossen, welches mich heut -ergriffen hat. Wie herrlich wäre es, wenn der Elbstrom durch dieses Thal -flösse, denn nur Wasser fehlt dieser lieblichen Natur. - -Sprechen wir nur nicht so, rief Wachtel aus, wie ich dergleichen schon -so oft habe hören müssen. Ihr waret ja eben noch entzückt, Freunde, und -schon fangt ihr an, Mangel zu empfinden, zu kritteln und zu kritisiren. -Wie schön der Anblick eines gewundenen Stromes auch sei, wenn er wie ein -belebender Geist hin durch die Landschaft glänzt, so paßt er doch nicht -in jede Naturscene hinein. Hier, wo Alles lieblich, so einklingend ist, -würde er mich nur stören: er höbe das Gefühl dieser behaglichen -Einsamkeit gewissermaßen auf. Rhein, Neckar, Mosel und der schöne Theil -der Elbe beherrschen die Gegend, durch welche sie strömen, prägen ihr -den Flußcharakter auf; hier aber führen die schönen Gebirge unmittelbar -selbst das Wort. Stören kann oft eine kahle, unbedeutend schroffe Wand, -wenn sie zwischen den schönen Linien der Gebirge sich eindrängt, ein -nackter Hügel, dem man die Waldung geraubt hat, eine wüste Sandfläche, -die sich todtenbleich und krank zwischen lustiges, lebensvolles Grün der -Fluren wirft, aber hier, Freunde, ist Alles so ganz und voll, daß euch -nichts mangeln sollte. - -Sie stiegen jetzt beim schönsten Wetter den Berg hinab. Ein Fußpfad -führte sie durch den Wald, aus welchem sie bald hier, bald dort wieder -den freien Ausblick zu den Gebirgen hatten. Die Frühlingsvögel sangen -nicht mehr, aber durch die feierliche Einsamkeit schrillten und zirpten -die kleinen Vögelchen ihre einfachen kindischen Melodien. - -Sie trafen im Thale ihren Wagen wieder, aber die Abendsonne beschien die -Kapelle oberhalb Culm und den Weingarten, auf welchem sie schimmerte, so -einladend, daß die Uebrigen Walther's Vorschlage gerne folgten, noch zum -Hügel hinaufzuklimmen, um den Untergang der Sonne von dort zu genießen. -Die Freude an der Natur erzeugt oft, indem man in der Aufregung keine -Ermüdung fühlt, eine Art von Rausch, welcher dann Mattigkeit und -Ernüchterung herbeiführt, wenn man, wie beim Wein, die Sättigung zu -lange hinausschiebt. So erging es den Reisenden. Die Sonne war -untergesunken, sie stiegen in der Dämmerung hinab und hatten noch bis -zum Nachtquartier einen ziemlich weiten Weg vor sich. Der Fuhrmann -schmollte über die unnütze Verzögerung, um so mehr, da die Finsterniß, -schnell wachsend, hereinbrach. Jetzt fühlten die Abentheurer obenein, -daß sie, aus Freude an der Reise und weil sie spät von Dresden -ausgefahren, das Mittagmahl versäumt hatten, und mit der zunehmenden -Ermüdung und Dunkelheit wuchs in ihnen Hunger und verdrüßliche Stimmung. -Es wurde völlig finster, so daß man die nächsten Gegenstände, selbst den -Weg nicht mehr unterscheiden konnte, und der Fuhrmann, der der Gegend -unkundig war, erklärte auf das Bestimmteste, daß er in dieser -pechrabenschwarzen Nacht unmöglich schneller fahren könne, wenn er nicht -sich und seine verehrten Herren der wahrscheinlichsten Lebensgefahr -aussetzen wolle. - -Mühselig, verdrossen, langsam ging die Reise fort. Immer noch erschien -Teplitz nicht, und Mitternacht war schon längst vorüber. Endlich ersahen -die Verstimmten eine dunkle Masse, in welcher nur wenige Lichtpunkte -flimmerten, vor sich. Der Kutscher fuhr seitwärts, wie es schien, um das -Thor zu finden. Keine Antwort auf wiederholtes Rufen und Klopfen. -Endlich hörte man von innen, daß dies die Wohnung des Küsters und der -Eingang zum Kirchhof sei. Der Kutscher tastete herum und fand ein großes -Gatterthor. Noch weniger ward hier auf das laute Klopfen und Schreien -Rücksicht genommen. Es war vom Felde her der Eingang zum sogenannten -Fürstenhause. Mühselig fand man sich in der trüben Finsterniß zum Thore -und zur Töpferschenke hin. Hier schlief aber längst Alles. Ein Kellner -und eine Küchenmagd erschienen endlich, nur halb erwacht. Der Wagen ward -untergeschoben, die Zimmer schloß man auf. Die Aufwartenden verwunderten -sich übermäßig, daß die Ankommenden noch zu speisen begehrten. Butter, -Schinken und ein kaltes Huhn wurden, nach vielem Widerspruch, nebst -einer Flasche Wein noch herbeigeschafft. Die Betten waren in Ordnung. -Aus Mitleid ließ man die Aufwärter wieder schlafen gehen. Doch Walther -bildete sich ein, er fröre und habe sich erkältet. Ein großes Kamin war -im Zimmer, und Wachtel, der allenthalben die Augen hatte, entdeckte auf -dem Gange einige Scheite Holz. Man versuchte ein Feuer zu machen, das -anfangs hell brannte, bald aber das Zimmer mit Rauch anfüllte. Es ward -entdeckt, daß das Kamin oben zugemauert, also nicht zu gebrauchen war. -Die Uebermüden hatten viele Noth, bis sie den Rauch wieder durch die -Fenster hinausgetrieben hatten. So, ungesättigt, matt, verdrossen und -überreizt begaben sie sich auf ihr Lager, indem Wachtel noch behauptete, -es sei nichts so mit Pein versalzen, als die Vergnügungen des Lebens. - - * * * * * - - -- Viel lieber durch Leiden - Möcht' ich mich schlagen, - Als so viel Freuden - Des Lebens ertragen. -- - -So sang am Morgen Wachtel mit lauter Stimme und erweckte die beiden -schlafenden Freunde. Als Alle munter und angekleidet waren, erschien das -Frühstück und mit ihm die Wirthin, die es entschuldigte, daß die -Reisenden in der Nacht eine so schlechte Aufnahme gefunden hätten. In -der Entschuldigung wegen des Rauches war ein gelinder Vorwurf -eingehüllt, daß man sich ohne Anfrage zu willkührlich des Feuers -bemächtigt habe. Bei der neuen Einrichtung, schloß die Frau, sollten -diese Zimmer nur für den Sommer benutzt werden, und ich will diesen -ungeschickten Kamin auch noch fortschaffen lassen, damit er nicht öfter -Irrungen veranlaßt. - -Der Spaziergang nach Dorna ergötzte die Freunde, sie wandelten dann nach -der Liebemay, einem anmuthigen Walde. Allenthalben erfreute der Anblick -der Gebirge. - -Am folgenden Tage sollte ihr Kutscher sie nach Dux bringen, sie -geriethen aber, da er des Weges unkundig war, nach Kloster Ossek. Auf -dem Rückwege besahen sie Dux und die Andenken an den berühmten und -berüchtigten Wallenstein, der seit einigen Jahren durch des edlen -Schillers Gedicht für die deutsche Nation ein neues Interesse bekommen -hatte. - -Die Bergstadt Graupen und ihre alte Kirche, die Ruine oben und die -schöne Gegend nahmen den folgenden Tag in Anspruch. In der Kirche traf -Walther zwei Damen aus Berlin, Mutter und Tochter, und sie beschlossen, -die Spaziergänge in Gemeinschaft zu besuchen. Wir werden noch den jungen -Herrn von Bärwalde hier sehen, den wir gestern in Bilin fanden, sagte -die Mutter, einen jungen Mann, den wir im vorigen Winter kennen lernten. -Ein bescheidenes, stilles Wesen, setzte die Tochter die Beschreibung -fort, ich habe in meiner Vaterstadt, in Berlin, mit ihm getanzt: er war -fast zu ernst und verschlossen und tanzte auch mit einer gewissen -feierlichen Miene. Alles dies wurde still und fast ängstlich während des -Gottesdienstes in der Kirche verhandelt, und so leise sie sprachen, -sahen die andächtigen Böhmen doch mehr wie einmal drohend nach den -Ketzern sich um. Plötzlich sprangen zwei junge, wohlgekleidete Leute -durch die Thür der Kirche, stellten sich laut sprechend in die Mitte, -den Rücken gegen den Altar und Priester gekehrt, und kritisirten die -Gruppen der hölzernen Figuren, die gegenüber auf dem Chore einen Theil -der Leidensgeschichte, kräftig und wild ausgearbeitet, darstellten, so -wie man unten an der Seite durch gelbgefärbtes Glas in das Fegefeuer und -die Qual der Sünder hineinsah; Alles auch ganze Figuren. Waren diese -Gegenstände auch nicht der Kunst, vielleicht selbst der Kirche nicht -ganz geziemend, so war das überlaute Gespräch und Lachen der Jünglinge -ungezogen und so anstößig, daß die Damen, von den drei Reisenden -begleitet, in großer Angst aus der Kirche flüchteten. - -Um des Himmels Willen! rief das junge Mädchen, indem sie die Höhe -hinanstiegen, kennen Sie, liebe Mutter, den sanften, trocknen, zu -bescheidenen Tänzer in diesem übermüthigen, affektirten Don Juan wieder? - -Ist Ihnen denn, werthes Fräulein, sagte Walther, dieser Ton der -sogenannten feinern Welt noch unbekannt geblieben? Diese neumodischen -ungezogenen Herren, die in Gesellschaften, im Schauspiel und in der -Kirche sich lärmend und schreiend betragen, sind beim Tanze so steif und -ehrbar, daß sie um Alles nicht lachen oder lächeln und ihre Tänzerin -kaum noch mit einem finstern, halb abgekehrten Blicke ansehen. Auf dem -Balle darf sich keine Spur von Fröhlichkeit zeigen, sie tanzen, als wenn -sie zur Frohn arbeiteten, oder wie die Baugefangenen mit Schellen und -Klötzen an den Beinen. - -Die Frauen hatten solche Furcht vor jenen beiden Jünglingen, daß sie in -der Gesellschaft der Reisenden über Maria-Schein schnell nach Teplitz -zurückkehrten. Nach dem Mittagsessen traf man sich auf dem Schloßberge -wieder, von wo man am schönsten das ganze Thal von Teplitz übersieht, -und Abends begab man sich in das kleine Theater. - -Ein ächt deutsches Stück wurde gegeben: »Der seltne Prozeß.« Ein -verarmter, rechtlicher, frommer und bibelfester Weber weiß seiner Noth -kein Ende, um so weniger, da seine Frau ihn seit Kurzem mit Zwillingen -beschenkt hat. Der Segen des Himmels, den beide dankbar anerkennen, -drückt sie aber so zu Boden, daß nach langem Kampfe und vielem Schmerz -sie sich entschließen, das eine Kind in der Nacht einem reichen Manne -heimlich zu übergeben. Dieser aber hat in derselben Nacht schon ein -Wickelkind erhalten, er läßt Acht geben, und als der Arme jetzt mit -schwerem Herzen seinen Sohn dem Zufall und der Menschenliebe übergeben -will, wird er ergriffen, gescholten und ihm, der nicht zu Worte kommt, -das dritte Kind mit Gewalt in die Arme gelegt. Mit diesem Segen und -Jammer befrachtet, muß er nach Hause gehen, und die Klagelieder der Frau -kann sich Jeder denken. Indessen ist schon die unerwartete Hülfe nah. -Eine Summe Geldes bringt der neue Ankömmling mit und ein Schreiben, daß -für die Ernährung des Kindes reichlich soll gezahlt werden. Nun wird -große Freude aus der Trauer. Aber der Reiche erfährt diese Entwickelung, -er will das Kind sammt dem Gelde und der Verköstigung zurück haben, und -so wird der seltne Prozeß vor Gericht geführt. Ein edler Advokat, der -die Sache des armen Webers führt, weist sich endlich als der Vater des -Findlings aus, und Alle werden am Schluß zufriedengestellt. Ein -komischer Richter erheitert die Verhandlung. - -Es waren noch nicht viele Brunnengäste in Teplitz und darum, besonders -bei dem schönen Wetter, das Theater sehr menschenleer. Eine hohe, edle -Gestalt gab sich die Mühe, den Schauspielern und dem schlechten Stücke -oft zu klatschen und sie durch lauten Beifall zu ermuntern. Walther -erkannte, als sie nach dem Stücke noch den Garten besuchten, in ihm den -berühmten witzigen Prinzen de Ligne, der hier meist den Sommer -zubrachte. Als Walther ihm seine Begleiter vorgestellt hatte, erklärte -der geistreiche Prinz, daß es ihm nicht darum zu thun sei, die gespielte -Armseligkeit für etwas Gutes auszugeben, sondern es komme ihm nur darauf -an, die armen Schauspieler etwas zu ermuthigen. - -Ist es nicht, fügte Walther hinzu, um diese ernsthaften Deutschen etwas -Sonderbares! Wenn der heutige Schwank theatralisch gelten sollte, so -müßte er eben als Schwank, als Posse vorgetragen werden. In diesem Sinne -sah ich die Geschichte vor einigen Jahren in Rom spielen. Ein -eigensinniger Misogyn jagt seinen Bedienten, Truffaldin, aus dem Dienst, -weil er gehört hat, er sei verheirathet. In komischer Verzweiflung kommt -der Spaßmacher nach Hause und findet die Zwillinge. Possierlicher Jammer -der Aeltern, was anzufangen sei. Der Entschluß wird gefaßt, das Kind dem -Findelhaus zu übergeben. Aber welches? Beide Kinder machen auf gleiche -Liebe Anspruch. Man streitet, zankt, weint und lacht: der Zufall soll es -entscheiden, und die Kinder werden wie Loose übereinandergerollt und -Truffaldin greift blindlings hinein. Beim Findelhaus wird ihm aber der -dritte Säugling nach einigen Schlägen, die er mitnehmen muß, -aufgezwungen, und in dieser burlesken Art entwickelt sich, ohne Prozeß, -so viel ich mich erinnern kann, das tolle Lustspiel. Die Italiener, die -gerne lachen, hatten große Freude an dieser lustigen Parodie der -Väterlichkeit und des menschlichen Elends, viele gesetzte Deutsche aber, -die sich alle zu den guten und besten Köpfen rechneten, meistens -Vornehme, die sich sonst nicht von der Moral geniren ließen, fanden den -Spaß äußerst unsittlich und folgerten aus dem Lachen des unbefangenen -Volks, das durch halbe Cultur noch nicht verdreht war, die tiefe -Versunkenheit der Italiener, weil sie beim mindesten edeln Gefühl -dergleichen Abscheulichkeit nicht würden dulden können. - -Das Albern-Sentimentale, fuhr Wachtel im Gespräch fort, diese Krankheit, -die dem wahren Gefühle ganz entgegengesetzt ist, hat von je bei den -Deutschen gütige Aufnahme gefunden. Doch sind die Franzosen in vielen -ihrer Dramen und Romane auch nicht frei von dieser nervösen -Hautkrankheit. Den schlimmsten Ausschlag hat wohl unser Kotzebue gehabt -und gegeben. Hiob rieb sich in seinem Elend mit Scherben: wir gehn in -die Komödie, um uns zu erleichtern. »Der kratze sich, den es juckt,« -sagt Hamlet: das thun wir denn redlich. - -Der Fürst lachte und nach einigen Wechselreden trennte man sich, weil es -schon spät geworden war. Von Karlsbad schrieb Walther folgenden Brief an -seinen Freund nach Warschau. - - Karlsbad, den 28. Junius 1803. - -Die Familie Essen habe ich aufgesucht, so wie ich nur hieher kam. Aber -ich weiß nichts Bestimmteres, da diese Leute, die etwas träge scheinen, -selber keine nähern Nachrichten haben. Nur so viel scheint aus Allem -hervorzugehen, daß der Entführer oder Verführer sich unter verschiedenen -Namen herumgetrieben hat, und daß es deswegen um so schwieriger ist, ihm -auf die Spur zu kommen. Nach Franken deuten die etwanigen unbestimmten -Anzeigen. Ich muß es also fast dem Zufalle überlassen, ob ich ihn oder -sie auf meiner seltsamen Pilgerfahrt antreffen werde. Man wird selber -saumselig, wenn man sieht, wie wenig die Menschen sich ereifern, die die -Sache doch auch, der Verwandtschaft wegen, interessirt. - -Mein wunderbarer Reisegefährte Ferdinand wird mir um so lieber, je öfter -ich mit ihm zanke, je weniger ich in eine von seinen seltsamen Meinungen -eingehen kann. So wie man von Sachsen aus die böhmische Grenze betritt, -ist Natur und Menschenstamm anders. Am auffallendsten aber ist das -katholische Wesen, die Heiligenbilder und Crucifixe auf Wegen und -Stegen, in Dörfern und Städten, abseits auf dem Felde, wo man nur -hinsieht, begegnen dem Auge diese hölzernen und aus Stein gemeißelten -Figuren, die meisten, wie sich von selbst versteht, widerwärtig, -schroff, und die Gemälde und angestrichenen Passionsfiguren blutig und -unannehmlich. Engel, die in Kelchen das Blut des Heilandes auffangen, -das Antlitz des Erlösers beregnet von rothen Tropfen, Maria meist mit -nußgroßen Thränen, und Alles, wie in der Kirche zu Graupen, darauf -hingearbeitet, um Schauder und Grauen zu erregen. - -Als ich nun einmal darüber klagte, wie so Vieles in unserm Vaterlande, -welches öffentlich aufgestellt wird, mehr dazu dient, die Barbarei zu -befördern und das Auge zu verderben, anstatt den Sinn für Schönheit zu -nähren und zu erhöhen, gerieth er in einen erhabenen Zorn und rief nach -manchen Aeußerungen: Wüßten wir doch nur erst, was Schönheit ist und was -wir so nennen sollen! Ist sie denn nicht so oft nur eine Verlarvung des -Lebens und der Wahrheit? Auch die alten Griechen, uns Musterbilder im -Schönfühlen, hegten vor jenen Klötzen und Unformen, die ihnen aus -uralter, fast vorgeschichtlicher Zeit überkommen waren, eine heilige -Ehrfurcht und Scheu, und die Frommen fühlten vor diesen Fratzenbildern -in Ahndung und Erinnerung mehr, als vor jenen neuen, schöngeschnitzten -Götterbildern. Die Süßlichkeit mancher neuen Maler oder Bildner, wenn -sie den Heiland als einen Siegwart, oder empfindsamen verliebten -Landprediger, oder im Akt des Brodbrechens als einen idealisirten -Bäckergesellen darstellen, ist mir das Verhaßteste in allen Verirrungen -unserer gefühlvollen Zeit. Das Leiden des Gottmenschen, die Geheimnisse -unserer Religion, die Wehmuth, der Schreck unseres Innern, die uns von -dieser dunkeln, zu nahen Erde in die himmlischen Regionen des Glaubens -und Anschauens hinaufrücken sollen, können und dürfen anderer Natur -seyn, als jene Bewegungen, die uns das Schöne erregt. Wo der Landmann -seine Aecker überschaut, der wilde Jäger aus seinem Forst tritt, der -fremde Wandersmann in den Bezirk kommt, sehen sie die Hinweisung auf -Erlösung, Erbarmen, Mitleid und das Wunder des Ueberirdischen. Wird -durch Fleiß und Thätigkeit, durch Tugend und Kraftanstrengung nicht -immerdar etwas Geistig-Göttliches von der Qual und vom Tode erlöst? -Geschieht nicht auch dieses in Arbeit und Mühe durch Schmerz und -Aufopferung? Der Bettler empfängt in jedem Brodschnitt nicht nur die -Milde des Gebers, sondern auch dessen Kampf und Schweiß. So weit diese -Bilder hier in den frommen Gauen stehen, werfen sie ihre leuchtenden -Strahlen segnend über die Aehren und die Früchte, über den jungen Wald, -Bäche und Wege dahin, und Alles, so weit das Auge reicht, ist wie -gesegnet und über den Tod und Fluch des Irdischen erhaben. - -Wir fuhren über Dux, Brixen und Saatz, wo wir Mittag machten. Der Abend -und der schönste Sonnenuntergang traf uns auf der Höhe vor Engelhaus. -Ich erinnere mich kaum, in meinem Leben etwas so Wundervolles in der -Natur gesehen zu haben. Ferdinand, bei dem alle Gefühle leicht in -Rührung übergehen, hatte Thränen in den Augen. Sie standen seinem -hübschen blühenden Gesichte sehr gut, was mit daher rührt, weil der -liebe Mensch von aller Affectation völlig frei ist. Was er nun sprach, -war wirklich wie in Entzückung, und als wenn er eben einer Vision -theilhaftig wäre. - -Kann man nicht diese Glut, diesen Purpurbrand und alle diese Röthen in -ihren Abstufungen bis zum lichten Rosenschmelz, als Blut des Heilandes, -vom Haupte strömend, aus der Seite, den Füßen und Händen fließend, -anschauen? Sein Haupt, die Sonne, sinkt tiefer und tiefer hinab, der -Nacht und dem Tode entgegen; nun ist die göttliche Scheibe verschwunden, -und die Röthe gleitet ihr dunkler und farbloser nach. Er ist scheinbar -todt, der göttliche Tag, und sein Alles erleuchtendes Licht erloschen. -Ueber uns thürmen sich Wolken und kreisen umher, vom letzten Licht -getroffen und schwach gefärbt. Sie bäumen sich auf und ergreifen -flockend, anwachsend, sich lösend, diese und jene Gestalt. Es sind die -alten Fabelgötter, die ein Traum- und Scheinleben erringen. Da sitzt der -alte Jupiter, ungeheuer und in sich schwankend, auf seinem bebenden -Dunstthrone, Bacchus erhebt trotzig und jubelnd den Pokal, und so wie er -trinken will, zerfließt und schwindet der große Arm und die Figur des -Trunkenen wandelt sich unvermerkt in den springenden Pardel, der jetzt -den leeren Wagen zieht. Von dort schreitet der Juno erhabene große -Gestalt durch das dunkle Blau, sie sucht ihren Gemahl und schrickt -zusammen, weil dort schon ein goldner Stern durch den Aether blinkt. -Haupt und Locken lösen sich, die gewölbte Brust schmilzt wie Silber im -Ofen, die zerbrochenen Formen leuchten noch einmal auf und tauchen dort -in den finstern Streif, in welchen sich alle rollenden Bildnisse -versenken. Der Traum ist ausgeträumt und die dunkle Nacht tritt herauf. -Ein Sternbild nach dem andern bricht aus dem finstern Dome glänzend -hervor; oben die unvergänglichen festen Lichter, unten auf Erden -Dunkelheit, Nacht, Tod; kein Fels, kein Wald mehr zu unterscheiden, -Alles unkenntlich in eine schwarze Masse zerronnen, die ohne Anfang, die -ohne Ende ist. Beides ein Bild der stummen Ewigkeit. So steht die Nacht -fest, unerschütterlich, wie es scheint. Abend- und Morgenroth sind Wahn; -die erhabne Unendlichkeit der Gestirne, die unzählbaren Lichter und -Welten in unermeßlichen Fernen wandeln dem rückgekehrten Blick die Erde -in nichtig Spielwerk und den Glauben an Gnade und Erlösung in -Fieberphantasie. Der Zweifel und das Dahingeben in das Unbegrenzte, -Schrankenlose, giebt sich für Wahrheit und Religion. Da erzittert die -ewige Nacht in sich selbst, die finstern Wälder schütteln sich im -Morgenhauch, die ergrauende Dämmerung wächst wie weissagend am Horizont -empor. Plötzlich tritt die liebliche Morgenröthe hervor, mit ihren -Wundern über die Berge klimmend; Farbe, Licht, Wonne, Gestalt vertreiben -siegreich den Unglauben der formlosen Nacht, und der Glaube tritt wieder -in die jauchzende Natur. Sie trägt, die trostreiche, freundliche Mutter, -den glänzenden, auferstandenen Sohn als leuchtendes Kind in ihren Armen, -und Wälder und Gebirge sind im blauen und grünen Schimmer der letzte -Saum des fließenden Gewandes, wie sie aufgerichtet steht, hoch in die -Himmel ragend. Und die Ströme jauchzen und schluchzen in Freude, und die -Blumen lachen und duften, und die Felsen erklingen, und die Waldung -rauscht Lobgesang. - -Wir konnten seine begeisterten Augen nicht mehr sehen, denn es war ganz -finstere Nacht geworden. Wundersam leuchteten von unten die zerstreuten -Lichter aus Karlsbad, und nach vielem Rütteln und Stoßen unseres Wagens, -indem einmal der große hölzerne Hemmschuh brach, der hier dem Rade -untergelegt wird, gelangten wir spät und nicht ohne Gefahr in dem -Städtchen an. - -Am andern Morgen -- wen traf ich? Unsern theuern Carl von Hardenberg, -den jüngern Bruder unsers vielgeliebten nur kürzlich und leider für die -ganze Welt zu früh gestorbenen Novalis. Er ist mit seiner jungen, -angenehmen Frau hier, um die Bäder zu gebrauchen. Er sieht wohl aus und -ist stärker geworden. An männlicher Schönheit ist er mit Novalis nicht -zu vergleichen. Der schwärmende Ferdinand hat sogleich sein ganzes Herz -erobert und mich, den ältern Freund, in den Hintergrund gestellt. Aber -sehr begreiflich, weil sie sich in Stimmung und Ansicht begegnen. Carl -Hardenberg hat uns seine Schrift: »Die Pilgerschaft nach Eleusis,« -vorgelesen, die mein Freund sehr billigte, wenn er gleich nicht Alles -loben mochte. Dieser jüngere Bruder nennt sich in seinen -schriftstellerischen Arbeiten _Rostorf_, nach einem Gute in Sachsen, -nach welchem die eine Linie Hardenberg diesen unterscheidenden Namen -führt. -- Eben so ist _Novalis_ ein Gut, nach welchem die ältere Linie -sich unterscheidet, und welchen Namen unser Freund annahm, bloß deshalb, -um sich nicht Hardenberg zu unterschreiben. Wie viel Unnützes haben -schlechte Köpfe, die sich immerdar dem Bessern widersetzen, über diesen -Namen Novalis gefabelt und gewitzelt. - -Solltest Du nun nach Allem, was ich erzählt habe, nicht glauben, mein -Reisegefährte Ferdinand sei katholisch geboren und erzogen? Allein -nichts weniger, er ist Protestant und aus einem protestantischen Lande. -Der wunderliche Wachtel, der sich die Miene giebt, ihn ganz genau zu -kennen, ihn aber doch vielleicht nicht immer begreift, behauptet mit -seiner gewöhnlichen Kälte und Sicherheit: wenn Ferdinand in einem -katholischen Lande erzogen wäre, oder wenn es nur schon Ton und Mode -wäre, wie es vielleicht dahin käme, sich katholisch zu dünken, so würde -unser Schwärmer eben so extravagant ein Protestant seyn. Ich lasse das -dahingestellt seyn. Denn wer mag dergleichen behaupten oder widerlegen? - -Wir sind mit Hardenberg und seiner liebenswürdigen Frau nach dem -sogenannten Heilingsfelsen gefahren. Eine von jenen Sagen, mit denen die -Phantasie nicht viel anzufangen weiß, knüpft sich an diese Gegend. Die -Spitzen der Felsen sind grotesk und gleichen in der Ferne gewissermaßen -menschlichen Gestalten. Nun fabelt man, es sei eine Hochzeit, die -plötzlich, mit allem Gefolge, in früher Vorzeit sei versteinert worden. --- Mich dünkt, der Vielschreiber Spieß hat einen Geisterroman daraus -gemacht. Diese gelesenen, beliebten Autoren lösen in Deutschland -einander nach gewissen Zeiträumen ab, und selten, daß der neue Liebling -besser als der abgesetzte Vorfahr ist. Dieselben Leser aber, die den -neuen Demagogen bewundern, können alsdann nicht fassen, wie der frühere -ihnen nur irgend etwas habe seyn können. - -Man erlebt immer noch unerwartete, möchte man doch sagen wunderbare -Dinge. In einer geistreichen, vornehmen Gesellschaft, in welche wir -ebenfalls eintraten, als wir oben vom Hirschsprung zurückgekehrt waren, -erhob sich zwischen zwei Baronen, schon bejahrten Leuten, ein -unerwarteter und lebhafter Streit. Der ältere meinte und behauptete, das -Thal von Karlsbad übertreffe nicht nur das Teplitzer bei weitem, sondern -sei auch außerdem eine der schönsten Gegenden in Deutschland. Ich habe -wohl erlebt, daß man Bücher, Autoren, Musiker und Schauspieler -protegirt, und daß der Protektor seine Meinung, wenn er ein Vornehmer -ist, so zur Ehrensache macht, daß ihm keiner, höchstens etwa ein -Gleichgestellter, doch immer nur milde, widerspricht. Daß man aber in -demselben Sinne auch die Natur protegiren könne, war mir eine ganz neue -Erscheinung. Der Baron B. focht nun aber mit allen Waffen gegen Herrn A. -für sein geliebtes Teplitz, und behauptete, dieses sei ohne Bedenken -durch seine Heiterkeit, schöne Fernen, milde Luft und Bergfiguren dem -elenden, bedrängten und drückenden Karlsbad vorzuziehen, wo die nahen -Berge wie die Mauern eines Gefängnisses jedes Gemüth, das noch irgend -Sinn für Natur habe, beängstigten. Als die beiden Gegner immer -empfindlicher wurden und sich mit jeder Gegenrede schärferer Ausdrücke -bedienten, wollte unser Wachtel den Streit durch gutgemeinte -Uebertreibung schlichten oder lächerlich machen, indem er rief: »Meine -Herren! Karlsbad, so wie Teplitz in Ehren! Aber, abgesehn von aller -partiellen Vorliebe, wo immer eine gewisse Einseitigkeit sich meldet, -auf die ein universeller Naturfreund, der ich zu seyn glaube, keine -Rücksicht zu nehmen hat, so glaube und behaupte ich gegen sie Beide: daß -der Hirschsprung dort oben schöner sei, wie irgend etwas in dieser -Gegend oder bei Teplitz, ja in ganz Deutschland wenigstens, um nicht -Europa zu sagen. Aber zugegeben selbst, Karlsbad sei ausbündig schön, -wie schön dann der Hirschsprung, der hier unbedingt und ohne Frage das -Schönste ist. Von tausend und aber tausend Malern ist nur Ein Rafael, -der das Höchste und Vollkommenste erreicht hat; unter seinen vielen -Bildern muß Eins das vorzüglichste seyn; auf diesem vorzüglichsten -Tableau wird ohne Zweifel Eine Figur die beste seyn und -- um ganz -vollständig das Argument zu endigen -- auf und an dieser Figur wird die -Nase, der rechte Arm oder das linke Bein, oder wohl ein verkürzter -Finger das allerkunstreichste darstellen -- und, Vortrefflichste, diesen -Finger, oder die Nase, oder was es nun sei, weise man mir nach, und ich -bin in meiner Ueberzeugung glücklich, und fühle mich im Mittelpunkt der -Kunst und scheere mich um den ganzen Rafael nichts mehr, die übrigen -Sudler, Stümper oder vollendete große Meister gar nicht zu erwähnen. Und -so ist mir mein Hirschsprung mein Delphi, mein Nabel der Erde. - -Dieser Scherz aber, statt die Stimmung der Kriegführenden zu mildern, -erbitterte sie nur noch mehr, und er endigte, wie ich gleich fürchtete, -mit einer Ausforderung. Zum Glück ist die Sache gut abgelaufen, die -Kugeln sind ganz nahe dem Ziele vorbei gegangen, ohne zu verletzen, und -der Teplitzer Fanatiker ist nach seinem Lieblingsorte unmittelbar nach -dem Kampfe abgereist, indem er in das Fremdenbuch seine Verachtung der -hiesigen Gegend mit starken Ausdrücken eingezeichnet hat. -- - -Kann ein Gebildeter, so hat Baron A. diese Schmähung im Gastbuche zu -widerlegen gesucht, so unbillig seyn, die Natur entgelten zu lassen, was -bloß seine eigne Verstimmung, oder sein Mangel an Sinn verschuldet hat? -Die Engherzigkeit kann kein Urtheil fällen, am wenigsten über ein -Geheimniß, und ein solches ist und bleibt die Schönheit der Natur. Der -Krittler wird immer mit ihr über den Fuß gespannt seyn. - -O wie wahr! sagte Wachtel zum Schreibenden, denn nun verstehe ich erst, -warum ich diesen meinen lieben Hirschsprung allen Dingen in der Welt -vorziehe. Meine Vorliebe ist eigentlich das Herz und der Kern der -Ihrigen, Herr Baron, wie dieser Felsen nur ein Theil des Ganzen; darum -kann meine Liebe aber auch um so inniger seyn, weil sie sich durch -nichts zerstreuen läßt. -- - -Doch genug von diesen Thorheiten; der gute Wachtel, so habe ich -entdeckt, liebt den Wein noch mehr, wie irgend eine Schönheit in Kunst -oder Natur. Er absentirt sich oft und huldigt im Geheim seiner -Leidenschaft. Besonders ist es die sogenannte Mennische Essenz, ein -vortrefflicher rother und süßer Ungarwein, der sein Herz ganz gewonnen -hat. Ferdinand sieht ihn nachher oft mit seinen großen braunen Augen an, -und kann aus den Faseleien und wilden Reden nicht klug werden, die -Wachtel dann ohne Kritik und Aengstlichkeit von sich giebt. In diesem -halben oder ganzen Rausch scheint sich dieser wunderliche Mensch am -meisten zu gefallen. -- - -Nächstens mehr, und hoffentlich eine bestimmte Nachweisung. - - * * * * * - -Die drei Reisenden, welche man jetzt schon die drei Freunde nennen -konnte, nahmen von dem trefflichen Hardenberg Abschied und reiseten den -folgenden Tag bis nach Eger. Hier fällt der große stämmige -Menschenschlag auf, sowie die dürre, kalte und unfreundliche Gegend. Man -besuchte, aus Verehrung gegen den großen Dichter noch am Abend das Haus, -in welchem Wallenstein war ermordet worden. Am folgenden Tage fuhr man -über Thiersheim nach Wunsiedel und Sichersreuth, dem Bade, welches -Alexanderbrunnen genannt wird. Hier ruhten die Freunde bei stechender -Mittagshitze aus und erfreuten sich an der sonderbaren Gegend und -Aussicht. Die Natur zeigt sich hier wild, man möchte den Ausdruck einen -trotzigen nennen; dazwischen erfreuen Wald und grüne Wiesenstellen, und -wunderbar zeigt sich die nahe Luxburg und der Burgstein. In diesem -wundersamen Geklipp und durcheinander und übereinander geworfenen und -kühn geschleuderten Felsenmassen erhebt sich das Gemüth in der -Einsamkeit der unabsehbaren Tannenwälder zu den kühnsten Träumen. Ein -poetisches Grauen weht in diesen Klüften und auf den steilen Höhen. - -Diese Seltsamkeiten des Fichtelgebirges, die Nähe von Wunsiedel, die -barocke Gestalt der Natur, die doch nicht ohne Lieblichkeit ist, führte -das Angedenken der Freunde von selbst auf ihren geliebten Jean Paul -Richter. Man sprach viel über diese echt deutsche Natur und über seine -wundersamen Werke, deren Ruhm sich mit jedem Jahre mehr in Deutschland -verbreitet hatte. Mehr noch traten und glänzender die Gestalten der -hohen Reisenden hervor, die kürzlich hier gewandelt hatten. Der Name des -Königs von Preußen und seiner schönen Gemahlin war in Aller Munde. Alt -und Jung rühmten die Milde und Herablassung, die Holdseligkeit der edeln -Frau, und wo man nur einen merkwürdigen Fleck des Gebirges betrat, waren -Spuren, Namen, Denksprüche der Einwohner, um den Regierern die Verehrung -und Liebe der gerührten Herzen zu wiederholen. Wie hatte sich seit zehn -Jahren die Stimmung hier und allenthalben im Baireuthschen geändert. -Denn damals ging das Volk nur ungern zur preußischen Herrschaft über. -Jetzt fand man sich beglückt und Alle sahn mit Vertrauen und fester -Liebe zu ihren Herrschern hin; und die Reise des Königs und der Königin -hierher hatte die Gemüther aller Einwohner noch mehr erhoben. - -Als man sich am andern Morgen auf dem Wege nach Baireuth befand, sagte -Ferdinand: sonderbar ist es, Freunde, daß man immer, wenn man die Stätte -selbst betritt, wo eine merkwürdige Geschichte vorgefallen ist, wo ein -großer Mann wandelte, sich in der Regel abgekühlt und ernüchtert fühlt. -Es ist, als wenn die Phantasie ohne Nachhülfe der Wirklichkeit die -Sachen viel besser und passender verarbeitet. So hat mir in Eger das -Haus des Bürgermeisters, in welchem der Feldherr ermordet wurde, nur -einen trüben Eindruck gemacht. Schiller's tönende Reden und ergreifenden -Scenen wollen sich nicht recht in diese Localität fügen; man wird durch -diese Umgebung herabgestimmt und das tragische Gefühl sinkt dort zur -peinlichen Empfindung eines widerwärtigen Meuchelmordes herab. - -Ja freilich, antwortete Wachtel, ist es fast immer so und kann auch -nicht anders seyn. Die meisten Menschen prickeln und kneifen dann an -ihrem lamentirenden Herzen, um sich hinaufzuschrauben. Ein Anderes ist -es freilich, in dem schönen Sanssouci zu wandeln und an Friedrich den -zweiten zu denken; die Wiesen zu betreten, die sich am Avon bei -Stratford hinziehn und sich dort Shakspeare als Knabe und Mann -vorzustellen. Hier läßt uns die Natur frei dichten. Kirchen, wie der -Strasburger Münster, Schlösser wie das zu Warwick, erheben, indem sie -große Kunstwerke sind, das Gemüth auch, wenn es sich dort Geschichte und -Sage vergegenwärtigt; aber so ordinaire Fleckchen, Häuser, dunkle -Zimmer, Kirchhöfe, stimmen herab. Unser lieber wunderlicher Jean Paul -hat mir oft erklärt, er schildere die Gegenden am liebsten, die er -niemals gesehn, würde auch den Anblick derselben vermeiden, weil ihn die -Wirklichkeit nur stören möchte. - -Ferdinand hatte eine große Vorliebe für Berneck und die Uebrigen -erstiegen mit ihm die Ruine. Hinter Berneck tritt man in die Ebene und -hatte nur zuweilen den Rückblick auf das Fichtelgebirge. Als man in -Baireuth zu Mittag gegessen hatte, begab man sich nach dem Garten, der -Eremitage. Hier war Ferdinand sehr unzufrieden, weil man Vieles geändert -hatte, um in dieser sonderbaren Composition, die aber nicht ohne -poetischen Sinn entstanden war, einige sogenannte englische Partien -hineinzubringen, die den gut geführten französischen Anlagen ganz -unharmonisch widersprachen. Es war aber noch so viel des Schönen übrig -geblieben, daß die Freunde in dem warmen Sommerwetter sich sehr -behaglich in diesen grünen Laubengewölben ergingen. - -Bald wandelte man, bald setzte man sich nieder, und da der Garten von -Menschen nicht besucht war, so konnten sie ungestört von den Werken -ihres Freundes, Jean Paul, sich unterhalten. So sehr sie ihn bewunderten -und lobten, so kamen doch Alle darin überein, daß man der Kunst und -Poesie Unrecht thue, wenn man seine wundersamen Bücher Romane nennen -wolle. Ein Roman sei ohne besonnene Kunstanlage unmöglich, und die Plane -Richter's seien so willkürlich, unzusammenhängend und von Laune und -Eigensinn gesponnen, daß gerade die scheinbare Einheit, der precaire -Zusammenhang um so mehr verletze, um so mehr er oft mit falscher -Künstlichkeit berechnet sei. So, fuhr Walther fort, haben wir wohl nur -einen wahren Roman in deutscher Sprache, unsern Wilhelm Meister, den man -nie genug studiren kann. - -Wachtel sagte: dieser Wilhelm verdient gewiß alle Achtung, wenn man ihn -nur nicht gegen den einzigen Don Quixote messen will. Dieses große -Kunstwerk steht nun jetzt seit zwei Jahrhunderten als ein unerreichtes -und als ein Musterbild da. Nicht als Muster insofern, daß andre Romane -diesem ähnlich seyn sollten, sondern als Vorbild, wie jeder in seiner -Welt, die er darstellt, in seinem Zweck, den er verfolgt, so durchaus -ein Ganzes und Befriedigendes seyn könne und müsse. - -Man hat an diesem herrlichen Buche, fiel Walther ein, ohne Noth so viel -getadelt, was der weise Autor doch gerade mit vielem Bedacht seiner -sinnreichen Geschichte eingewebt hat. Zum Beispiel kommen nicht die -meisten Kritiker darin überein, die musterhafte Novelle des Neugierigen -sei überflüssig und störend? Unser lieber Manchaner selbst, so treu, -edel und herzhaft er ist, nimmt sich etwas vor, das, obgleich es schön -und herrlich ist, es auszuführen er keine Mittel besitzt. Dieses Kämpfen -für Recht und Unschuld, dieses Ritterthum und Kriegführen, wie er es -sich vormalt, war aber auch zweitens niemals so in der Welt und konnte -niemals so da seyn. Auch ein Herkules oder ein Amadis, mit allen Kräften -und Tugenden ausgestattet, müßte einer solchen wahnsinnigen Aufgabe des -Lebens erliegen. Nur hie und da, in verschiedenen Zeiten und Ländern, -that sich etwas, mehr oder minder, von dieser poetischen Ritterwelt in -der wirklichen Geschichte hervor. Die Phantasie des ebenso braven als -poetischen Manchaners ist durch jene Bücher verschoben, die schon längst -der Poesie ebenso sehr wie der Wahrheit abgesagt hatten. Das, was noch -in ihnen poetisch war, oder jenes Phantastische, was das Unmögliche -erstrebte, sowie die schönen Sitten der Ritterzeit, alles Dies durfte -der ehrsame Herr Quixada wohl in einem feinen Sinne bewahren, ja sich zu -jener adligen Tugend seines eingebildeten Ritters hinan erziehn; -- wenn -er nicht darauf ausgegangen wäre, diese Fabelwelt in der wirklichen -aufzusuchen und in diesem von Sonne und Mond zugleich beschienenen -Gemälde den Mittelpunkt und die Hauptfigur selbst zu formiren. Er war -aber im Recht, wenn er, manchen seiner Zeitgenossen entgegen, die -Lichtseite und die Poesie jener entschwundenen Zeit und Sitte würdigte, -wenn er sich selbst als Dichterfreund an dem ganz Thörichten und -Phantastischen seiner Bücher ergötzte. Nun aber zog er aus, alles Das, -was ihm begeisternd vorschwebte, selbst zu erleben; jenes unsichtbare -Wunder, welches ihn reizte, wollte er mit seinen körperlichen Händen -erfassen und als einen Besitz sich aneignen. - -Sehr richtig, erwiederte Ferdinand, und deshalb ist die getadelte -Novelle des Neugierigen nur ein tiefsinniges Gegenbild, welches von -einer andern Seite die Thorheit des Manchaners erläutert. Auch Anselm -will das Unsichtbare, welches wir nur im edlen Glauben besitzen, -sichtbar, körperlich in der Hand haben; das Richtige, Irdische soll ein -Himmlisches vertreten und ihm die Gewähr der Treue und Liebe seyn. So -zerstört er durch Aberweisheit, durch ^impertinente curiosidad^, was wir -nicht übersetzen können, die Keuschheit und den Adel seines Weibes, die -ohne diese Anfechtung wohl nie jene List und schreckliche -Kunstfertigkeit, die widerwärtigen Feinde der reinen Unschuld, in sich -entwickelt hätte. Zweifel also auf der einen Seite, und ein thörichtes -Bestreben, das Unsichtbare sichtbar zu machen, zerstören so einen -geistigen Schatz, jene Treue, die der Zweifler eben so mit Recht -Aberwitz schilt, wie der edle Glaube sie für felsenfest ansieht und -durch eigene Kraft ihr die Unerschütterlichkeit mittheilt. - -Wir sind hierüber einverstanden, antwortete Walther, geht es Ihnen aber, -theurer Ferdinand, nicht vielleicht eben so? Ihre aufgeregte Phantasie -würdigt die schöne und bildreiche Seite des katholischen Cultus, Sie -sind in unsern späten Tagen von jener Rührung durchdrungen, die einst -kräftige Jahrhunderte begeisterten. Seit kurzem ist ein religiöser Sinn -bei jungen Gemüthern in Deutschland wiedererwacht, Novalis und dessen -Freunde sprechen, reimen und dichten, um das verkannte Heilige in seine -Rechte wieder einzusetzen; aber diese Anerkennung, diese süße Poesie des -stillen Gemüthes in der Wirklichkeit suchen oder erschaffen wollen, -scheint mir ganz derselbe Mißverstand zu seyn, den wir eben -charakterisirt haben. - -Sehr wahr, warf sich Wachtel eifernd dazwischen, -- wie schön ist es, -wie uns Herder einmal auf den tiefen und rührenden Sinn mancher -Heiligenlegenden hingewiesen hat; nachher hat der romanhafte Kosegarten -einige mit mehr oder minder Glück vorgetragen. Im vorigen Jahre sah ich -den Verfasser der Genovefa und des Oktavian wieder und er erzählte mir -von einem Buch und zeigte mir einige Blätter davon, welches denselben -Gegenstand behandeln sollte. Die Einleitung und Form war nicht -unglücklich. In einem schönen Gebirgslande verirrt sich ein edler -Jüngling, der ganz in der zweifelnden Aufgeklärtheit seiner Zeit -erzogen, aber dabei schwärmerisch verliebt ist, in der Einsamkeit des -Waldgebirges. Unvermuthet trifft er auf einen einsiedelnden Greis, der -den Ermüdeten in seine Zelle aufnimmt und ihn erquickt. Des Alten -Freundlichkeit gewinnt das Herz des jungen Mannes und sie werden ganz -vertraut mit einander. Ueber den Beruf der Einsiedler, über die Wunder -der Kirche, über die Legende und Alles, was sich in diesem Kreise -bewegt, verwundert sich der Jüngling und kann es nicht unterlassen, auf -seine Weise zu spotten und mit Witz des Zweiflers zu verhöhnen. »Wie? -ruft der Greis dann aus, Du bist in Liebe entzündet, Du schwärmst für -Deine Sophie und kannst doch kein Wunder fassen? Ist die Blume, das -Band, welches Dein Mädchen berührt, die Locke, die sie Dir geschenkt -hat, nicht Reliquie, empfindest, siehst Du an ihnen nicht Licht und -Weihe, die kein andrer Gegenstand Dir bietet? Wo Du mit ihr wandelst, -ist heiliger Boden, wenn sie Dir die Hand oder die Lippen zur Berührung -reicht, bist Du verzückt, -- und doch verkennst Du in der Geschichte der -Vorzeit den Ausdruck dieser Liebe, in den seltsamen Entwicklungen -begeisterter Gemüther, bloß weil sie diese Sehnsucht und -Herzenstrunkenheit nicht auf ein Weib hingelenkt haben?« -- Der Jüngling -wird nachdenkend und besucht den Alten nun, so oft er die Stunde -erübrigen kann. In diesen Zeiträumen erzählt ihm der Greis jene -wundersamen Legenden von Einsiedlern, Jungfrauen, Männern und -Kirchenältesten, die ihr ganzes Gemüth der Beschauung des Himmlischen, -der Entfaltung jener geheimnißvollen Liebe widmeten. Diese Kämpfe des -Zweifels, diese Erscheinungen aus fremder Welt, diese uns -unbegreiflichen Aufopferungen werden nach und nach vorgeführt, wo sich -aus dem Erzählten selbst die Erklärung und das Verständniß ergiebt. Nach -einigen Monaten kommt der junge Liebende wieder zum Greise und dankt -ihm, wie einem Vater, der ihm den Geist geweckt und ihm ein neues Leben -erschaffen habe; er sei darum auch entschlossen, in den Schooß der alten -Kirche zurückzukehren. »Nein, ruft der Greis bei dieser Erklärung, -verwechsele nicht diese unsichtbare Liebe, mein Sohn, mit den Zufällen -der Wirklichkeit. Du würdest, anstatt des Göttlichen, nur die -Schwachheit unserer Priester kennen lernen. Wozu, daß Du Deine innern -Entzückungen, die im Geheimniß Deiner Brust Wahrheit und Bedeutung -haben, in die kalte Wirklichkeit verpflanzen willst, an welcher sie -erstarren und verwelken müssen?« So rieth ihm derselbe Greis ab, der ihn -erst in die Liebe und Bedeutung jener Visionen eingeweiht hatte. -- Und -ich wende das Resultat jenes noch nicht erschienenen Buches wieder auf -Dich an, mein Ferdinand. Das erste Wahrnehmen, der Blick der -Begeisterung, die Aufregung der Liebe findet immer und trinkt den reinen -Brunnquell des Lebens; -- aber nun will der Mensch im Schauen das Wahre -noch wahrer machen, der Eigensinn der Consequenz bemächtigt sich des -Gefühls und spinnt aus dem Wahren eine Fabel heraus, die dann oft mit -den Wahngeburten der Irrenhäusler in ziemlich naher Verbindung steht. - -Somit wäre also, rief Ferdinand aus, der Indifferentismus, der nur Alles -gesehn und erfahren hat, nichts aber seinem Gemüthe sich einbürgern -läßt, die höchste Weisheit und Menschenwürde! Es kann aber die Zeit -kommen, in welcher edle Geister sich wieder öffentlich zu dieser Kirche, -dem alten, echten Christenthum bekennen. - -Möglich, sagte Walther, wüßte man nur bestimmt und klar, welches das -älteste Christenthum sei. Jeder deutet sich die Sache in seiner Weise -aus. Auch möglich, daß die jetzt vergessenen Pietisten durch diese -religiöse Anregung und Begeisterung wieder erwachen; vielleicht giebt es -in einigen Jahren deutsche Puritaner und Methodisten. Die geistige feine -Linie, auf welcher hier das Wahre und Schöne schwebt, kann so leicht -hüben und drüben überschritten werden; -- und bemächtigt sich erst die -Menge, die Leidenschaft, die Turba dieser Vision -- welche -Religions-Manieristen mögen da noch zum Vorschein kommen, wenn nicht -sogar Verfinsterung und Verfolgung, Inquisition und Haß von katholischen -Priestern und vermeintlich orthodoxen Protestanten wieder gepredigt -wird. -- Das scheint aber wohl, daß Verliebte in ihrer erhöhten Stimmung -mehr der katholischen, als einer andern Kirche zugeneigt seien, und daß -Sie, lieber Ferdinand, ein Verliebter sind, habe ich Ihnen angefühlt, -seit wir uns dort hinten auf der Oder zuerst kennen lernten. - -Ferdinand ward blutroth, und verleugnete schwach und stotternd die -Anklage. Er ist eigentlich kein Jüngling mehr, sagte Wachtel, aber seit -ich ihn kenne, ist er immerdar verliebt gewesen. Doch so tief, wie er -jetzt seyn mag, ist es ihm wohl noch niemals ins Herz gegangen, denn er -ist bedenklich und viel tiefsinniger und launenhafter als in ältern -Zeiten. - -In einer schönen Mondnacht fuhren die Freunde von Baireuth ab und kamen -früh, schon vor Sonnenaufgang, in Streitberg an. Sie bestiegen die Berge -und besuchten die merkwürdigen Höhlen. Ferdinand, der, wie die Uebrigen, -die Gegend schon kannte, war wie trunken von der schönen Natur. Ueber -Ebermannstadt näherte man sich dann der Ebene; hinter diesem Orte sind -die Wege so schlecht, daß man einen Vorspann von Ochsen herbeiholen -mußte, um aus der versumpften Stelle den nicht schweren Wagen -fortbringen zu können. - -Hinter Bayersdorf streckt sich die sandige Ebene aus und man sieht ein -großes, wüstes Schloß, welches in neuem Styl errichtet, aber nicht -ausgebaut ist und als wunderliche Ruine dasteht. - -Sehr begierig bin ich, so erzählte Ferdinand, hier einen ehemaligen -Bekannten wieder aufzusuchen. Ich war ihm vor geraumer Zeit begegnet, -und so kam er vor einigen Jahren wieder zu mir; er ist gelehrt und ein -Enthusiast für die Dichtkunst; er läßt aber nur einzig und allein die -Griechen aus der großen Zeit für Dichter gelten, und unter diesen stellt -er wieder seinen Liebling Sophokles allen voran. Es ist nicht -übertrieben, wenn ich sage, daß er diesen auswendig weiß. Er kennt alle -Commentatoren seines Freundes genau, er ist unermüdet, ihn zu studiren -und die schwierigen Stellen zu erklären, so daß wir von diesem Eifer -gewiß schöne Früchte erwarten dürfen. Dieser wackre Termheim, denn so -heißt er, hat aber gar keinen Sinn für die Schönheiten der Neueren; oder -vielmehr, er behauptet, sie, von seinem Standpunkte aus, zu verstehn und -von dort ihre Nüchternheit und Verwerflichkeit einzusehn. Er belächelt -mitleidig Diejenigen, welche den Shakspeare bewundern; er behauptet, die -Barbarei dieses Naturkindes sei höchstens für den Psychologen -interessant, der von seiner Stelle diese Waldnatur allenthalben zurecht -weisen könne. Die Leidenschaften fast pathologisch richtig zu schildern, -sei noch lange nicht hinreichend, um sich der Schönheit auch nur von -fern zu nähern. Die Großheit der Alten habe recht geflissentlich alles -das verschmäht, worauf die Neuern ihren Stolz gründen wollten. Unsern -Göthe nennt er nur eine Ausgeburt neuester Kränklichkeit, der, zu -schwach, das Große und Starke zu erfassen, und zu vornehm, um die -eigentliche Gestalt des Lebens zu verstehn, in einer unsichern, -schwankenden Mitte nur der Verzärtelung fröhne. Das klare Aetherlicht, -der Hinüberblick über die Natur und Welt, jene gesunde Freiheit des -Menschen, der Alles sieht und fühlt und sich nur dem Besten befreundet, -sei nur in Homer, Pindar, Aeschylus und Sophokles zu finden, in Herodot, -Thucydides, Plato und Aristoteles; mit Euripides und Xenophon melde sich -schon das Krank- und Schlaffwerden der edeln Lebenskräfte. Unter den -Neueren kann fast einzig und allein unser Winkelmann bei ihm Anerkennung -finden. - -Wenn dieser gelehrte Mann, sagte Wachtel, kein Pedant ist, so ist er ein -Narr, der auch mehr vor das Forum der Pathologie, als der Kritik gehört. - -Sein wir nicht so unbillig, erwiederte Walther, es kann wohl seyn, daß -ein innigstes Durchdringen, ein tiefsinniges Anerkennen der echten -Schönheit den Blick für die nah verwandte, wie vielmehr für die -entfernte, abstumpft. - -Das leugne ich eben, sagte Wachtel, die neue Zeit muß uns die alte, und -umgekehrt die alte die neue erklären. Es sind zwei Hälften, die sich, um -ein echtes Erkenntniß zu gewinnen, nicht trennen lassen. Solche -absprechende, hochmüthige Einseitigkeit kann nur so sicher und stolz in -sich selber ruhn, wenn ein völliger Mangel an Kunstsinn jeden Zweifel, -wie jede tiefsinnigere Untersuchung unmöglich macht. - -Spät nur kamen sie in Erlangen an. Dieser fränkische Kreis, sagte -Wachtel im Gasthofe, bildet eigentlich das ganze Deutschland recht -hübsch im Kleinen ab. Hier sind wir nun wieder in der sandigen Mark -Brandenburg; Tyrol im Kleinen ist nicht fern, der Rhein und die Donau -werden von dem artigen Mainstrom recht hübsch gespielt, und Schwaben und -Baiern liegen in den fruchtbaren und heiteren Landesarten dieses -anmuthigen Kreises, in welchem die Physiognomie der Natur immer so -schnell wechselt. Ich habe immer den Instinkt oder die Einsicht unsers -alten Maximilian bewundern müssen. Wie er sich zur Martinswand hinauf -verirrt hatte, stand er ziemlich hoch, vielleicht ist ihm in der -Todesangst die Eingebung gekommen, sein deutsches Reich so richtig in -zehn Kreise einzutheilen, wo in jedem Natur und Menschenstamm sich so -bestimmt von benachbarten absondern; oder die dortige Vogelperspektive -gab ihm den richtigen Ein- und Ueberblick. - -Am folgenden Morgen machte ein jeder der Reisenden seine Besuche. -Walther erhielt einen Brief, indem er allein war, und sowie er ihn -öffnete, rief er: ha! in Bamberg also! Endlich doch eine bestimmte -Hinweisung. Ferdinand hatte seinen älteren Freund, den Professor Mehmel, -besucht, wo er die Bekanntschaft des reformirten Pfarrers Le Pique -machte, zu dessen warmer Herzlichkeit er sich sogleich hingezogen -fühlte. - -Nachmittags gingen die Freunde zu dem griechischen Gelehrten Termheim. -Er freute sich sehr, Ferdinand wiederzusehen, indem er sich, ganz -erhitzt, aus einem Schwall von Büchern und Papieren erhob. Jetzt werden -wir einig seyn, rief er dem Freunde zu, wie sehr hatten Sie Recht, -Verehrtester, mich wegen meiner einseitigen Bestrebungen zu tadeln. -Jetzt begreife ich erst Ihre Natur, Freundlichster der Menschen, denn -gewiß müssen wir uns unter dem Nächsten umsehn, um uns mit dem Fernen zu -verständigen. - -Erlauben Sie, unbekannter Herr, fiel Wachtel ein, ich will gewiß keine -Blasphemie sagen, aber Sie verstehn mich wohl, wenn ich den Spruch -hierauf anwende: wer seinen Nächsten nicht liebt, den er sieht, wie kann -er Gott lieben, den er nicht sieht? -- Die Neueren, von Dante an, -Ariost, dann Shakspeare und besonders unser Göthe, alle Diese sind unsre -Brüder und Gespielen, mit uns aufgewachsen, und wenn ich von Denen -nichts begreife, die doch in demselben Elemente mit mir hantiren, -- wie -soll ich jene fassen, die mir durch Jahrtausende entrückt sind? - -Sehr wahr, rief der Begeisterte aus, und so freuen Sie sich denn mit -mir, Sie fremder oder längstgekannter Freund, daß unser Werth mir -endlich aufgegangen ist; ich habe ihn, den Deutschen, nun endlich -ausgefunden, der die Griechen überwiegt und übersieht. - -So haben Sie, rief Ferdinand, Göthe's schöne Natur endlich verstanden? -Wenn Sie auch sein Lob übertreiben (und kann man wohl einen so großen -Mann _über_schätzen?), so freue ich mich doch, daß wir jetzt, nach -Jahren, endlich derselben Ueberzeugung geworden sind. - -Göthe! rief der Gelehrte mit einem sonderbaren Ausdruck des Unwillens -aus, -- dieser verstimmte, kranke Geist! Nein, so sehr werde ich mich -nie vergessen, diesen über meine angebeteten Griechen zu erheben. - -Nun, fragte Ferdinand sehr gespannt, wer ist es denn also von unsern -Deutschen, der Ihnen das Verständniß eröffnet hat? - -Und Sie zweifeln noch? rief jener; kann man so verblendet seyn? Sehen -Sie denn nicht hier die vielen Bände seiner unvergleichlichen Werke? Wer -als der einzige, unvergleichliche Kotzebue kann mit den Heroen der Welt -um die Krone ringen? Unablässig, tief in die Nächte hinein, studire ich -jetzt die begeisternden Productionen dieses Genius. Seine -Schalkheit, sein Witz, seine Darstellung der Leidenschaften, seine -Charakterzeichnung der Menschen aus allen Ständen und Ländern, die -Malerei seiner naiven Mädchen, das tiefe Gefühl der Liebe, die Scenen -der Armuth und des Erbarmens, diese lächerlichen Personagen, die doch -nicht übertrieben sind, die Mutter-, die Kindesliebe, die Kenntniß der -Vorzeit, Alles, Alles, was man nur als rühmlich erwähnen kann, vereinigt -dieser Geist in seinen Werken und überflügelt durch seine Vielseitigkeit -Sophokles und alle Griechen. - -Gewiß! rief Wachtel, der sich zuerst von seinem Erstaunen erholt hatte, -diese Griecherei ist nur eine Kriecherei und Kotzebue kann künftig als -Fluch oder Betheuerung dienen, wie man wohl mißbräuchlich -Kotzsapperment! oder Kotzelement statt Gottes Element auf ungezogene -Weise sagt. - -Mehr als verwundert über diese neue Lehre gingen die Reisenden in ihren -Gasthof zurück. - - * * * * * - -In Erlangen war am Johannistage ein Student beim Baden ertrunken. Die -besten Schwimmer hatten ihn nicht retten, die künstlichen Mittel den -Jüngling nicht ins Leben zurückrufen können. Man war einem alten, -angesehenen Manne böse, welcher Alles für unnütz erklärt hatte, weil -jeder Fluß an diesem bedenklichen Tage sein Opfer fordere. Die jüngern -Leute vorzüglich schalten mit Heftigkeit auf solchen Aberglauben, der in -manchen Gegenden den gemeinen Mann wohl selbst hindere, rettend -beizuspringen. Wachtel bemerkte, daß es in Deutschland noch immer -Provinzen und Städte gebe, wo der Bürgersmann des festen Glaubens sei, -daß am Johannistage einer aus dem Orden der Freimaurer vom Teufel geholt -werde. Als man bei Le Pique, dem verständigen Pfarrer versammelt war, wo -sich der scharfsinnige Naturforscher Serbeck, sowie der Professor Mehmel -eingefunden hatten, hielt, nachdem viel über die Fortschritte in jener -Kunst gesprochen war, durch welche Scheintodte wieder zum Leben -gefördert werden können, Wachtel folgende Rede: - - Verehrte Gesellschaft und präsumtive Zuhörer! - -Ich will gewiß nicht zurückbleiben, die Größe unserer Zeit anzuerkennen, -blicken wir aber rückwärts, um nicht zu einseitig zu werden, so gebe ich -mich für den Geschichtschreiber, oder Bemerker, oder Würdiger einer -nicht ganz neuen, aber noch eben nicht besprochenen Kunst -- der Kunst -nehmlich, die _Scheinlebendigen zu tödten_. - -Es sei mir erlaubt, von unsern Vorfahren anzuheben. Ehe die Welt, -nehmlich unsere Erde und ihre atmosphärischen Pertinenzien zur -Schöpfung, wie der Rahm, zusammengeronnen war, gab es, dem Sein -gegenüber, ein Nichtsein. Von diesem Nichtdaseienden wurde lange Zeit -keine Notiz genommen, denn es machte sich nicht merkbar. Leiber und -Geister trieben ihr Wesen hand- und fußgerecht, und man lebte so recht -frisch auf Gottes Güte und in den alten Kaiser hinein, als wenn diese -Zeitlichkeit schon die reelle künftige Ewigkeit wäre. Neben kräftiger -Tugend und vielfachen Thaten nahmen sich Uebermuth und Laster denn -freilich auch Vieles heraus, und wie rüstige Kupferschmiede hämmerten -Gute und Böse mit leidenschaftlichem Treiben auf das Leben los, daß -Propheten und fromme Menschen oft dachten und weissagten, die ganze -Schöpfung müsse zusammenbrechen. Jahre kamen, Jahre gingen. Schwermuth, -Empfindsamkeit, Sentimentalität, Ohnmacht und Unkraft zu Tugend oder -Laster gingen im Schwange: -- es war nehmlich die Zeit gekommen, wo sich -das uralte Nichts allgemach in das Dasein eingeschustert und -eingeschlichen hatte. Ich konnte aus der Welt und meinen sonst löblichen -Nebenmenschen nicht klug werden, bis mir denn ein Seherblick einmal in -einem merkwürdigen Traume aufging. Im Orbis Pictus hatte ich in meiner -Kindheit mir wohl die Umrisse in feinen Punkten eingeprägt, welche in -jenem Buche die Formen der Seelen ausdrücken sollten. Wie ich also im -Traume meinen Guide, einen weisen Geist, nach dem Zustande der Dinge -fragte, that mir dieser mein inneres Auge auf, und -- o Jupiter! o -Gemini! wie sah ich Alles anders! Viele Menschen waren robust, voll, -kurz angebunden, von sich und ihrer Meinung überzeugt. Andere thätig im -Gewerk und Landbau, -- aber Unzählige liefen, von allen Ständen und -Altern, so als fein gepunktete Schaaren herum, nichts wissend, wollend, -denkend, aber sich vieler Dinge anmaßend. Wundre dich nicht, sagte mein -Engel oder was mein Führer seyn mochte, über diese Entdeckung, welche du -jetzt machst. Es ist nicht ohne, daß die Welt allgemach wieder ihrem -Untergange entgegenwandelt. Die Nichtigkeit hat sich in alle Räder und -Schwungtriebe der großen Maschine eingeschlichen. Der Mensch war als der -Mittelpunkt mit seiner Kraft hingestellt, um den Körper der Welt, damit -er niemals ein Leichnam werde, frisch zu erhalten. Jetzt werden es, ich -weiß nicht wie viele Jahre seyn, daß die Menschheit auch mit Nullitäten -angefüllt ist. Alles das Punktirte, was du wahrnimmst, sind Leiber ohne -alle Seelen. Diese Körper stellen sich nur lebendig an und führen ein -Scheinleben. - -Abscheulich! rief ich aus: ich sehe fast mehr Tättowirte, als wirkliche -Menschen. Kann die Vorsehung denn dergleichen zugeben oder gestatten? - -Die Vorsehung, erwiederte mein geistlicher Präceptor, bedient sich in -allen Dingen mittelbarer Mittel, und greift niemals persönlich in ihr -geschaffenes, vielseitiges Getriebe. So hat sie denn, damit diese -Scheinlebendigen nicht am Ende alles wirkliche Leben verdrängen und -allein von der Erde Besitz nehmen, Gesetzgeber, Fürsten und echte -Volkslehrer inspirirt, die sich, so viel es möglich ist, diesem Unwesen -widersetzen und das Reich der Nichtigkeit auf verschiedene Weise zu -zerstören suchen. - -Recht! Recht! sprach ich eifernd: o groß ist Allah! würde der Muselmann -hier ausrufen. -- Da war eine sehr weise Cantoneinrichtung, wo die -Punktirten, Nichtigen, die Eindringlinge so von Lieutenants, Fähndrichen -und Unteroffizieren tribulirt, gehänselt, geplagt und ganz simpel -geprügelt wurden, daß wirklich viele von diesen Scheinlebenden die -Geduld verloren und sich wieder aus dem Staube machten. Ob ein Knopf so -oder so saß, die Binde um den Hals um das Sechzigtheil eines Zolles zu -niedrig oder zu hoch war, war ein Capitalverbrechen. Was man nur an dem -Volke zwicken und kneifen konnte, geschah redlich, und ich mußte nur mit -innigem Bedauern sehen, daß auch wirkliche lebendige Menschen von der -übrigens weisen Anstalt molestirt wurden. Liefen die Kerle etwa davon -und wurden wiedererhascht, so war ihnen eigentlich das Leben -abgesprochen; die Gnade erhielten, wurden so mit Ruthen gestrichen, daß -sie auch oft die Verstellung aufgaben, die Maske fallen ließen und -wirklich starben. O wie trefflich fand ich die Schulen und Universitäten -versorgt! Eine so fürchterliche Langeweile wurde mit Kunst da -vertrieben, daß eine eiserne Geduld dazu gehörte, um sich nicht in -diesen sogenannten Wissenschaften sterben zu lassen. Half Alles nichts, -so wurden die Scheinseelen nachher noch examinirt, und von neuem ins -Examen genommen, und wieder geprüft, daß Viele wirklich sich während -dieses Examinirens davon machten. War aber Alles umsonst, so hatte man -eine wundersame Art von Bündel erfunden, die man Akten nannte und die -sich unsterblich immer vermehrten und vermehrten, diese wurden den -Gequälten ins Haus geschickt, um wieder neue Akten daraus zu machen, so -daß sehr viele zu sterben sich entschlossen. Nun gab es außerdem noch -Trinkstuben, wo man mit Verstand schlechten Wein und noch schlechteres -Bier fabricirte, um das elende Volk zu vergiften. Von dem Branntwein, -der noch schneller wirkte, brauche ich gar nicht einmal zu sprechen. -Hübsch war es auch, daß das Spazierengehen und die Freude an der Natur -war erfunden worden, um das unnütze Volk aus dem Wege zu räumen: denn -schon in den Schulen wurde es den Kindern beigebracht, daß sie sich ja -regelmäßig erkälten müßten, weil es so möglich war, daß sie doch irgend -einmal am Naturgenuß erstarben. Oft blitzte es in den punktirten -Nichtseienden: es kam wie ein Bewußtsein über sie, daß sie leere Särge -wären, es schien, als wollten sie sich zu Tausenden ermannen, um wie die -Fliegen hinzufallen, damit das nüchterne Spiel nur aus sei. Es wäre auch -wohl geschehen, und die Staatstabellen würden über die ungeheure -plötzliche Sterblichkeit gewinselt haben, -- aber da gab es eine -höllische Erfindung, die ihnen trotz Prügel, Akten, Examen, Naturgenuß, -Bier und Branntwein dennoch dies lumpige nicht lebendige Leben wieder -annehmlich machte -- sie rauchten nehmlich Tabak, um sich von dem -entsetzlichen Gedanken, der sie befallen hatte, daß es ein wirkliches -Leben gebe, wieder zu erholen und zu zerstreuen. -- Ich sah nun ein, daß -diese Tödtungsanstalten in jeder Hinsicht als Wohlthat für die wirklich -Lebenden zu betrachten seien, und daß viele Menschenfeinde und der -Verfasser »des menschlichen Elendes« wohl anders würden geschrieben -haben, wenn ihnen, wie mir, das Auge wäre eröffnet worden. Freilich -möchte sich bei Untersuchung finden, daß die meisten dieser Autoren auch -nur Scheinmenschen sind. -- - -Die Gesellschaft begab sich am andern Tage nach Nürnberg, um die -Merkwürdigkeiten dieser guten alten Stadt in Augenschein zu nehmen und -den lebenden Panzer und Dürers Grab auf dem Johanniskirchhof zu -besuchen. Die schönen Kirchen und das Rathhaus wurden mit Aufmerksamkeit -betrachtet, und im rothen Rosse, dem besten Gasthofe, erzählte Walther, -wie vor zehn Jahren in diesem Hause sich etwas Seltenes zugetragen habe. -Freysing, ein Student von Kopf, aber leichten Sitten, hatte in Erlangen -weit mehr verbraucht, als ihm sein wohlhabender Vater bewilligt hatte. -Eine große Schuldenlast drückte ihn, der letzte Wechsel, der ihm, um -abzugehen, gesendet wurde, reichte bei weitem nicht aus. Er bezahlte -daher nur die ärmsten seiner Gläubiger und verjubelte mit seinen -Trinkbrüdern auf Spazierritten und in frohen Gelagen die ganze Summe. Am -letzten Tage besaß er nur noch sechs Louisd'or, die kaum hinreichten, um -auf dem gewöhnlichen Postwagen und mit Entbehrungen aller Art in seine -Heimath zu gelangen. Ob mein Alter, rief er im Uebermuthe aus, jetzt -mehr oder weniger schilt, kommt auf eins hinaus, denn mit dieser -Lumperei reise ich auf keinen Fall zurück. Er ging nach Nürnberg und -wagte die wenigen Goldstücke im Pharo. Das launische Glück war ihm so -wunderbar günstig, daß er in einer Nacht so viel gewann, daß er allen -seinen Gläubigern bis auf den letzten Heller zahlen konnte, welches mit -Wucherzins eine sehr ansehnliche Summe ausmachte, und noch tausend und -mehr Thaler von seinem Gewinne übrig behielt. - -Beim Kunsthändler Frauenholz sahen die Freunde ein wundersames Bild von -einem unbekannten Meister. Es ist die Mutter mit dem Kinde, ein -gewöhnlicher Gegenstand, aber hier mit einer Innigkeit behandelt, die -die Beschauenden entzückte. Sie küßt das Kind, und der Ausdruck in Mund -und Augen ist so herzlich und ergreifend, daß man, obgleich die -Gestalten nicht eigentlich durchaus schön sind, nichts Süßeres und -Lieblicheres finden kann. Das Antlitz der Mutter ist so zart und fein -gemalt, daß es wie aus aufknospenden Rosen gebildet ist. Die -Nebensachen, Blumen und Verzierungen sind mit einem liebevollen Fleiß -behandelt. Der Besitzer schrieb es unverständig dem Lucas von Leyden zu. -Der Preis von zweitausend Gulden, den er forderte, war für einen Reichen -nur eine mäßige Summe, um mit dieser Wunderblume sein Gemach -auszuschmücken. - -Als sie nach Erlangen zurückgekommen waren, reiseten sie am folgenden -Morgen nach Pommersfelden. Man war verdrüßlich über den schlechten Weg, -und Wachtel suchte sie mit Scherzen zu erheitern. Unter anderm sagte er, -als sie von der Gemäldegallerie in Pommersfelden sprachen: Es ist sehr -verdrüßlich, daß sich die Kunstgeschichte immerdar erweitert. -Unzufrieden mit dem Besitz, entdeckt man neue Zeiten, Manieren, -Unterschiede und Künstlernamen, von denen unsre guten Vorfahren nichts -wußten. Wer sonst ein steifes Bild sah, nannte es zu seiner und Aller -Befriedigung einen Albrecht Dürer, wie sie es in Italien noch machen. -Konnte man bei einer etwas abweichenden Manier den Namen Lucas von -Leyden einsetzen, so galt man schon für einen Gelehrten. Dergleichen -Abkürzungen und Anhäufungen vieler auf Einen Namen ist immerdar in -Geschichte wie Mythologie sehr ersprießlich gewesen; man kann mit Einem -Herkules, Sesostris und Pharao zufrieden seyn, diese behalten sich, und -man muß es der Abbreviatur der Vorzeit danken, daß sie uns das Studium -bequemer eingerichtet hat. Die Aufstöberer von Unterschieden und neuen -Personen sind als Aufrührer zu betrachten, die die legitimen, -wohlerworbenen Rechte jener Gesammtmenschen umstoßen wollen. So war vor -zehn Jahren eine vortreffliche ältliche Castellanin in Pommersfelden, -welche den Fremden die Zimmer des Schlosses und die Gemälde zeigte und -erklärte. Es giebt einen berühmten Correggio, von welchem jede Gallerie -wenigstens ein Stück besitzen will, drei Caracci, Ludwig, Augustin und -Hannibal, zwei Caravaggio, den frühern und spätern, dazu glaube ich noch -einen Cagnacci, zwei Carpaccio ungerechnet, diese Herren sämmtlich, -nebst allen, die nur irgend mit ihrem Namen sich dem _acci_ näherten, -hatte die unvergleichliche Frau mit weiser Umsicht in den einzigen -berühmten Maler _Karbatsch_ zusammengearbeitet. Auf diesen großen -Meister wälzte sie zugleich alle jene Bilder, auf deren Urheber sie sich -nicht besinnen konnte. - -In der Gallerie befindet sich ein schönes Bild, welches dort Rafael -genannt wird: eine Mutter mit dem Kinde. Es hat einen wundersamen -Ausdruck und den Anschein wie aus der ältern lombardischen Schule. In -dem großartigen Styl ist zugleich wie etwas moderne Sentimentalität. Das -Bild hat an einigen Stellen gelitten und es scheint fast, als ob es -durch die hinzugefügte Urne irgend eine persönliche Beziehung habe. - -Mit großer Freude sahen die Reisenden das alte Bamberg wieder. Von -Würzburg schrieb Walther an seinen Freund nach Warschau: - - Würzburg, den 10. Julius 1803. - -Ich verzweifle jetzt fast, eine Spur zu finden, da meine Hinweisung auf -Bamberg nur eine trügende war. Ein Doctor Marx, der aus dem Polnischen -hieher gezogen ist und seit wenigen Monaten hier lebt, sollte mir -Nachrichten geben, wo sie, Maschinka, sich verborgen habe, oder wo -derjenige hier in der Gegend sei, dem sie zu folgen sich hat bereden -lassen. Wir lernten einen Narren in Erlangen kennen, der den Kotzebue -höher als alle Autoren stellt, und meine neuen Freunde spannen über -diese Erscheinung, die mir nicht so wichtig schien, vielfältige -Betrachtungen aus. Wachtel behauptete, in jedem Menschen stecke irgendwo -etwas, das, gepflegt oder durch Leidenschaft aus seinem Winkel zu sehr -hervorgezogen, zur bestimmten Narrheit werden könne. Auch erscheine wohl -ein jeder Mensch andern aberwitzig und verrückt, wenn diese ihn mit der -Ueberzeugung, er sei unklug, anhörten und betrachteten. Ich bekämpfte -diese Meinung. Nachdem wir den alten Dom in Bamberg besehen hatten, über -welchen Ferdinand in übertriebene, thränenweiche Entzückung gerieth, -machten wir dem berühmten Doctor Marcus einen Besuch. Er zeigte uns die -unvergleichlichen Krankenanstalten und erzählte uns von der Art der -Behandlung, so wie von manchen sehr merkwürdigen Leidenden. Ich konnte -nicht begreifen, warum er mich so besonders ins Auge faßte. Als wir in -der Abtheilung waren, in welcher die Geistesverwirrten verpflegt wurden, -waren, indem ich mich umsah, meine Gefährten verschwunden. Es kam mir -vor, als hätte früher Wachtel mich noch einigemal mit einem seltsamen -Blick von der Seite betrachtet. Verstimmt wie ich war, gefielen mir des -Doctors Mienen, den ich jetzt beobachtete, ebenfalls nicht. Mit -einemmale überraschte es mich, daß dieser Mann jener Doctor sei, der mir -Nachricht von der Entflohenen geben könne. Ich erkundigte mich mit -leidenschaftlicher Heftigkeit, erzählte, fragte, beschrieb und wurde -immer ungeduldiger, je weniger er auf meine Reden eingehen oder mich -verstehen wollte. Als ich Abschied nahm, sagte der Mann mit der größten -Freundlichkeit: Sie bleiben fürs Erste bei uns, und es wird Ihnen schon -bei uns gefallen. Ich habe schon seit acht Tagen die Nachricht -empfangen, daß Sie eintreffen würden, und so wie Sie nur mein Haus -betraten, erkannte ich sogleich in den ersten Reden Ihr Uebel. Ihr -Zustand ist noch nicht der schlimmste; nur müssen Sie fürs Erste jene -Geschichte, die Sie mir da erzählt haben, sich ganz aus dem Sinne -schlagen, und ich werde schon für Unterhaltung und Zerstreuung sorgen. -Es ergab sich nun, daß er mich für einen Geisteszerrütteten hielt, -welchen er erwartete, und ebenfalls, daß er nicht jener Marx sei, mit -welchem ich ihn in leidenschaftlicher Uebereilung verwechselt hatte. -Indessen mußte ich bis in die späte Nacht dort bleiben, weil er sich von -meinem richtig eingefügten Verstande durchaus nicht überzeugen konnte. -Endlich waren meine Reisegefährten in unserm Gasthofe wieder angelangt, -sie kamen und brachten meine Brieftasche und meinen Paß mit, nach dessen -Besichtigung und ihrem Zeugniß wurde ich dann als ein Kluger entlassen, -nachdem der ironische Medicus mir noch viele Entschuldigungen machte, -und ebenfalls behauptete, daß man jeden Menschen, auch seinen besten -Reden nach, für einen Irren halten würde, wenn man das Vorurtheil einmal -gegen ihn gefaßt habe. Am folgenden Morgen suchte ich den einfältigen -Doctor Marx auf, der von gar nichts wußte und von mir zuerst die -Begebenheit erfuhr. - -Wir besuchten Bambergs schöne Umgebungen und begaben uns vorgestern nach -dem Schlosse Glich, einer merkwürdigen, gut erhaltenen Ruine. Noch viele -Zimmer sind im Stande und zeigen uns die Wohnung der Vorfahren deutlich. -Eine herrliche Aussicht ist von oben auf Bamberg hinab. Ein alter -Förster wohnt oben, der nicht zugegen war, und seine Tochter, ein -wunderschönes Mädchen, der die einfache bürgerliche Kleidung sehr gut -stand, führte uns herum. Unser Ferdinand, der schon seit einigen Tagen -noch schwärmerischer ist, als sonst, war über Alles entzückt. Er -schwatzte so viel und war dann wieder so verlegen, daß ich glauben -mußte, er habe sich urplötzlich in das Mädchen verliebt. Als wir Alles -betrachtet und unsern Dank zugleich mit einem Geschenke ausgesprochen -hatten, und sie sich entfernt hatte, rannte der Schwärmer noch einmal -zurück und dem Mädchen nach, unter dem Vorwande, daß er seine -Brieftasche in einem der Säle habe liegen lassen. Wir wandelten indessen -draußen umher und mußten ziemlich lange auf ihn warten. Sehr erhitzt und -verlegen, wie es schien, kam er endlich zu uns zurück. Er ward aber -zornig, wie ich ihn noch nie gesehen habe, als sich Wachtel einige -unfeine Scherze und Anspielungen erlauben wollte. Oben liegt auf einem -steilen Felsen eine Kapelle, sie war offen, von hier zeigt sich Alles -umher reizend und lieblich. Ein uralter Greis schlich mit langsamen -Schritten an seinem Stabe aus der Kapelle die Stufen der Treppe hinab: -ein rührender Anblick. Ferdinand ging in die Kapelle, und als er sich -nicht mehr von uns beobachtet glaubte, nahm er vom Weihbrunnen und -bekreuzte sich mit andächtiger Miene, dann kniete er vor dem Altare -nieder. So sind die Menschen. Er trat wieder zu uns, und Keiner mochte -von Dem sprechen, was wir gesehen hatten, weder im Scherz noch Ernst. - -Schon in Bamberg hatte er im Dom vor einem wunderlichen alten -Marienbilde mit der tiefsten Rührung gestanden. Die Madonna ist hier in -einem Charakter dargestellt, der völlig von dem gewöhnlichen und -hergebrachten abweicht. Das Bild ist auf Goldgrund, goldne Strahlen -umgeben es wie Flammen von allen Seiten. Es ist eine Copie nach einem -alten florentinischen, welches schon seit lange mit Tüchern verhängt und -dem Anblick unzugänglich gemacht ist, weil es dort in Italien auf die -gläubigen Beschauer die ungeheuersten Wirkungen soll ausgeübt haben. -Ferdinand scheint mir gar nicht ungeneigt, alle dergleichen Wunder zu -glauben und für wahr zu nehmen. Wohin verirrt sich der Mensch, wenn -Leidenschaft und Phantasie seine einzigen Führer sind! - -Wir aßen wieder in Bamberg, gingen dann Nachmittags nach dem reizend -gelegenen Buch und fuhren in lieblicher Abendkühle auf dem Wasser nach -der Stadt zurück. - -In der Stadt hat Ferdinand allerhand alte katholische Sagen und Legenden -zusammengekauft. In Glich war er entzückt, dem dortigen Küster ein -bambergisches Gesangbuch, wonach er in der Stadt vergebens gesucht -hatte, abschwatzen und abkaufen zu können. Dieses hält er für einen -großen Schatz und er las uns sogleich viele der Gedichte vor, die -allerdings einen lieblichen frommen Sinn athmen, wenn man sich einmal -diesen träumerischen Gefühlen, diesem Anklang wiederkehrender Wunder, -diesem vertraulichen, kosenden und zärtlich glühenden Verhältniß zu -Gott, dem Heiland und dessen Mutter hingeben kann. Dann erscheinen die -Heiligen, die Schutzgeister, Christus, wie oft, in Kindergestalt, so -auch die Abgestorbenheit so vieler Mönche und Einsiedler. Auch mit der -Natur tritt ein geheimnißvolles Liebesverhältniß ein, wie es in den zart -duftenden Liedern des Spee uns so innig rührt, die der Schwärmer hier -auch aufgetrieben und uns Abends aus dem Büchelchen mit großer Bewegung -vorgelesen hat. Und dann muß ich wieder an die Begebenheit mit der -Försterstochter denken. Vielleicht ist es die Pflicht des Freundes, -einmal ernsthaft mit ihm darüber zu sprechen. - -Seine Stimmung ist übrigens im schreiendsten Contrast mit dem, was die -neue bairische Regierung hier thut und wie manche ihrer Beamten sich -hier betragen. Du weißt, daß die Stifter Bamberg und Würzburg, diese -alten geistlichen Fürstenthümer, unlängst dem Churfürsten von Baiern -zugesprochen worden sind. Eiligst hat man, um mit Rom und dessen -Hierarchie ganz und auf immer zu brechen, alle Klöster aufgehoben, die -Mönche zum Theil vertrieben, theils auf sehr schmale Pension gesetzt. -Alles hat den Charakter angenommen, daß der gemeine Mann es wie eine -Sache nimmt, die den ehemaligen Christenverfolgungen ähnlich sieht. Es -ist unklug und unschicklich, wie im Dom, während am Nebenaltar eine -stille Messe gefeiert wurde, die silbernen Kirchengefäße und sauber -gearbeiteten Crucifixe in Kisten mit dem größten Geräusch und Lärmen -gepackt und geworfen wurden. Die Käufer der Sachen waren zugegen und man -zerbrach einige Kreuze mit großem Geräusch, die sich dem Kasten nicht -fügen wollten. Den frommen abgesetzten Fürstbischof, so erzählt man, hat -man in den Gemächern der Residenz gestört und gequält, indem man von -allen Seiten Bauanstalten traf, einriß und verbesserte, ohne von ihm die -mindeste Notiz zu nehmen. Viele Geistliche wandeln im stillen Grimm -umher, den Küster im Dom sah ich in verbissener Wuth bei jenem Getöse -Thränen vergießen. Viele gemeine Leute (das Volk ist hier religiös, -selbst bigott) werden irre an sich und ihren Vorgesetzten. - -Alles, was so unziemlich geschieht, ist denn wohl ein Rückschlag von -vielen, welche jetzt regieren, da sie lange die Geißel und Verfolgung -der Priester und Pfaffen erdulden mußten. Die Hauptumwälzung, die sich -hier zugetragen hat, ist von der Zeit selbst herbeigeführt worden, sie -ist vielleicht zu entschuldigen, kann seyn, daß sie nothwendig war; aber -mit Anstand und Schonung konnte alles Unvermeidliche und -Festbeschlossene geschehen, die politische Begebenheit brauchte nicht -den Charakter einer verhöhnenden Rache anzunehmen. - -Ueber diese Gegenstände ist Ferdinand empört und ergrimmt, und er zügelt -seine Worte nicht, wenn er mit den Freunden dieser Neuerung spricht. Er -behauptet, daß wir es Alle noch erleben würden, wie man neue Klöster -stiftet, und er verachtet das spottende Lächeln seiner Gegner. - -Vieles Schöne ist in dieser Reform schon zu Grunde gegangen, noch mehr -wird verschwinden, aber meine trüben Blicke werden nicht bloß durch Das, -was wir jetzt sehen, was dicht vor uns liegt, so tief bekümmert; -- was -soll aus allem Besitzstand werden, da dies so schnell ohne Widerspruch -hat eintreten können? Wo ist eine Sicherheit für irgend eine Regierung? -Welche Folgerungen wird die Zeit, ein fremder Sieger, die Politik aus -diesen Vorgängen ziehn? - -Wie hat sich seit zehn Jahren die Welt verändert! und es scheint, als -würden alle Verwandlungen immer rascher und rascher auf einander folgen. - -Du siehst, ich fange an, Deine Cousine, die Strafe des Liebhabers, Deine -und meine Angelegenheit über dergleichen Gedanken und Befürchtungen zu -vergessen. - - - - - Walther an seinen Freund. - - - Würzburg, den 11. Julius 1803. - -Ich schreibe Dir sogleich noch einmal nach meinem kaum abgegangenen -Briefe, denn das ist das Mittel, mich zu zerstreuen und zugleich zu -sammeln. Ich kann mit meiner Umgebung nicht Das sprechen, was mich am -meisten interessirt, und so unterhalte ich mich mit Dir. - -Hier in der Stadt ist unser Ferdinand in seinem Element. Es ist wahr, -ich habe noch niemals eine so feierliche Messe erlebt, als die war, die -gestern im Dom uns Alle bewegte; an neun Altären war zugleich -Gottesdienst, eine Prozession der Domherren, die in schöner malerischer -Tracht waren, ergötzte das Auge. - -Die Stadt wimmelt von Fremden, Alles drängt sich, denn es ist zugleich -der größte Jahrmarkt. Das Schloß in der Stadt ist prächtig und wohl eins -der größten in Europa. Ein wunderliches, knitterndes Echo ist unten vor -der Treppe, an dem wir uns Alle wie die Kinder erlustigten. Heut -Nachmittag trieben wir uns wieder im Jahrmarktsgedränge um, welches -vorzüglich in einer fremden Stadt etwas Bezauberndes hat. Vor dem Thore -ging ein uralter Capuziner von sehr ehrwürdiger Gestalt, dem kleine -Mädchen im Vorübergehen mit Ehrerbietung die Hand küßten. Diese seltene -Ruine einer ehemaligen Zeit verfolgte unser Ferdinand lange mit seinen -sehnsüchtigen Blicken, und es schien der Wunsch in seinen gerührten -Augen zu liegen, daß er gern an die Stelle der unmündigen Mädchen -getreten wäre. - -In einer frohen Jahrmarktstimmung traten wir in eine hohe hölzerne Bude, -in welcher eine Art von Caroussel mit einer russischen Schaukel -vereinigt war. Indem die schwebenden Sitze auf und nieder gingen, stach -ein Jeder der Sitzenden mit einer Lanze nach einem Ringe. Der Besitzer -und Erfinder dieser schwebenden Kunstanstalt erklärte uns mit vieler -Genügsamkeit die Herrlichkeit seiner neuen Erfindung. Steigen Sie ein, -rief er, und wenn Sie gleich nur Dreie sind, so werden Sie doch das -Kunstwerk genießen können, denn darauf bilde ich mir am meisten ein, daß -ich es so eingerichtet habe, daß der angefüllte schwere Sitz niemals den -leichten, ihm gegenüberstehenden durch seine Last niederzieht, wie dies -an den ordinairen einfältigen russischen Schaukeln der Fall ist, wo die -unwissenden Menschen sich alsdann mit eingelegten Steinen zu helfen -suchen, wenn ein Sitz ledig bleibt. Wie die Kinder ließen wir uns -bereden hineinzusteigen. Die Maschine ging sehr hoch und ein -Nervenschwacher hätte wohl Schwindel empfinden können. So stiegen wir -auf und ab und stachen mit mehr oder minder Glück die Ringe ab. - -Plötzlich entsteht draußen ein lautes Geschrei. Die Thür der Bude wird -aufgerissen, und ein wunderschöner Lockenkopf, das Antlitz eines -himmlischen Mädchens blickt wie ein Blitz auf einen Augenblick in die -Narrenbude. Sie schreit auf, so wie sie uns da schweben sieht, und -_Maschinka_ kreischt einer; ob Ferdinand, ob Wachtel, ob der Herr des -Kunststückes, das konnte ich nicht unterscheiden, der Maschinendreher -war es nicht, denn dieser orgelte noch einen Augenblick an seinen -Kunsträdern. Das Mädchen ist verschwunden und Ferdinand, der unten -schwebt, springt aus seinem Käfig, der Eigenthümer des Kunstwerkes ihm -schreiend nach, dies erschreckt den subalternen Drehkünstler, er rennt -auch hinaus, und Wachtel kann eben noch vom Einfluß der Bewegung so viel -genießen, daß er im Herabschweben seinen Sitz verläßt, ebenfalls -hinausläuft und die Thür der Bude hinter sich zuschlägt. - -Aber ich -- ich nun oben, auf dem höchsten Punkte, in meiner -Schwebekutsche sitzend, hatte nun Zeit und Gelegenheit, das Schicksal -und die zu künstliche Einrichtung der verfluchten Maschine zu -verwünschen! O wie sehr hätte ich sie gelobt und verehrt, wenn ich durch -eigne Schwere jetzt herabgesunken wäre, um auch das Freie zu suchen und -jenem Mädchen nachzulaufen. Ich sah mich in meiner obern Sternregion um, -ob ich nicht aussteigen und die vierzig oder funfzig Fuß -hinunterklettern könne. Aber es war ganz unmöglich. Durch die eine Ritze -konnte ich etwas von Stadt und Feld erblicken, aber in der -entgegengesetzten Richtung, in welcher sich jene Erscheinung gezeigt -hatte. - -Endlich, es mochte wenigstens eine halbe Stunde verflossen seyn, zeigte -sich der Besitzer des Kunstwerkes wieder; er schien mich vergessen zu -haben und war sehr erfreut, mich dort oben noch, wie den Sokrates in -seinem Studienkorbe, wiederzufinden. Er schrob und orgelte mich durch -seinen Kunstorganismus herab und ging auf meine Fragen über die -Erscheinung jenes Mädchens gar nicht ein. Er hatte sie nicht gesehn und -war in der Meinung, es sei ein großer Volksaufruhr, hinausgelaufen. - -Wichtiger war ihm die Verhandlung um die Bezahlung. In der Einsamkeit, -und da er meine Eil sah, machte er eine ungeheure Rechnung. Ich begriff -sie zwar nicht, wollte mich aber zur Zahlung bequemen. Da wir die -gemeinsame Casse an diesem Tage unsern Wachtel führen ließen, fehlte es -mir an baarem Gelde. Ich mußte meine goldne Uhr zum Pfande lassen, die -ich erst am späten Abend wieder einlöste. - -So wie die kleinen Schulknaben hatte ich ein Abentheuer bestanden und -wollte bei meinen Reisegefährten Rath und Trost suchen. Ferdinand -behauptete, das Schaukeln habe ihm Schwindel erregt und so sei er -entsprungen, um zugleich den Volksauflauf zu sehn. Dieser sei schnell -geendigt gewesen und er habe die Uebelkeit seitdem im Bett verschlafen. -Wachtel meinte, ein großes Spektakel sei hinter einem Kapuziner -heraufgekommen; dieses Schauspiel habe er genießen wollen. -- Ich erfuhr -nichts und so stehn unsre Angelegenheiten. - - * * * * * - -Walther hatte jetzt seine Pläne aufgegeben und überließ sich nun ganz -dem Zufalle, ob er durch diesen auf die Spur seines Feindes oder jenes -schönen Mädchens gerathen würde. Ferdinand und Wachtel waren ihm in der -kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft schon unentbehrlich geworden, und so lud -sie die schöne Jahreszeit, die Muße, die Lust umherzuschwärmen, ein, -noch einige schöne Gegenden Deutschlands zu besuchen. Ferdinand war seit -einiger Zeit viel sinnender und finsterer geworden; Walther hatte -bemerkt, daß er Briefe erhielt, die er sorgfältig verbarg und die ihn -verstimmten. Zuweilen fiel es Walther ein, er könne mit Ferdinand über -seine Trauer sprechen, er dürfe es wohl mit Empfindlichkeit rügen, daß -er daraus, was ihn so betrübe, dem Freunde ein Geheimniß mache; doch -bedachte er dann, daß er selbst ja eben so gegen Ferdinand verfahre und -von der Absicht seines Ritterzuges gegen diesen nichts verlauten lasse. - -Die Freunde nahmen von Würzburg aus den Weg nach dem Spessart und -erfreuten sich dieses Waldgebirges und der herrlichen Aussichten, die -sich ihnen links und rechts in die Unermeßlichkeit der frischen Wälder -darboten. In Aschaffenburg hielten sie sich nicht auf, sondern begaben -sich nach Darmstadt, um über die schöne und altberühmte Bergstraße nach -Heidelberg zu gehn. Die Nacht, welche sie überraschte, verweilten sie in -Heppenheim, und Walther und Ferdinand stiegen zur Ruine, der -Starkenburg, hinauf, und erfreuten sich in der anbrechenden Dämmerung -der Aussicht auf den Rhein, an welchem sie Worms, Speyer und das ferne -Manheim sahen. Die Aussicht in den Odenwald auf der andern Seite war -noch schöner, die wundervolle Einsamkeit, die schönen Formen der Berge, -welche alle dicht mit Wäldern bewachsen sind, erhoben das Gemüth der -Freunde zu edeln Gefühlen. - -Wachtel, der den steilen Aufgang zur Ruine fürchtete, war im Gasthofe -zurückgeblieben, und schrieb indessen seiner Frau nach Guben folgenden -Brief: - - Heppenheim, den 13. Julius 1803. - -Liebes Weib, ich muß Dir doch auch einmal schreiben, damit Du nicht auf -die Meinung geräthst, ich sei gar verloren gegangen oder, wie der -Ausrufer in Teplitz sich ausdrückt, in den Verlust gerathen, was im -Grunde besser ist, als jener hochdeutsche Ausdruck. - -Du kennst aber schon meine Art und Weise, daß ich gern praktisch, -deutlich, einfach schreibe und mich nicht mit Gefühl und Schwärmerei -befasse. Des Handelns, Schaffens ist so viel in der Welt, daß ein -rechtlicher Mann zum Schwärmen, zur Mystik oder dem übertrieben feinen -Denken keine Zeit behält. - -Wie nüchtern und gefaßt ich aus Guben mit dem frühesten ausreisete, wird -Dir wohl noch erinnerlich seyn. Meinen Ferdinand traf ich nebst einem -gewissen Walther, einem halb polnischen Menschen, im unmittelbaren -Himmelreich einer Rafaelischen Entzückung. Ich war eben nicht zum Umgang -mit Engeln aufgelegt, denn ich hatte noch den Reisestaub an den Füßen. -Wenn man überhaupt gewohnt ist, in der großen Welt zu leben, wie wir in -Guben es sind, so wird einem jegliche Kleinstädterei verhaßt. Ich -versichere Dich, die ganze Bergstadt hier, von der soviel gesprochen -wird, ist im Wesentlichen in Nichts von unserm gewöhnlichen Spaziergang -bei Guben verschieden, außer daß hier die ziemlich hohen Berge sind, wo -wir dort den hölzernen Zaun haben und auf der andern Seite die -Fichtenschonung. Was ist denn nun die Dresdner Brücke so Großes? Ich -habe immer an unsre hölzerne denken müssen. Diese ist nicht so lang, -aber man sieht doch auch rechts und links recht hübsche Kiefern in der -Ferne, und Brombeerngesträuch und etwas Sand. So ein ^Badaud^ oder ^Plat -pied^ aus irgend einer großen Stadt spricht immer, wenn er unser Guben -nicht gesehn hat, vom Pariser Louvre, oder dem Straßburger Münster, wohl -gar von der London-Brücke oder dem Wasserfall von Niagara. Sollen sich -da deutsche Herzen nicht empören? Als wenn unsre romantische Tümpel, die -Haideflecke bei Lübben und Luckau, unsre Sandpartien nach der Oder zu, -der hübsche Sumpf eine Viertelmeile von uns, so gar nichts wären! - -So kamen wir denn also auf den Nollendorfer Berg. Es war so dicker -Nebel, daß ich mich gleich von meinen Kameraden verlor und in eine -Wolke, wie in einen großen Wollsack gerieth. Ich trat mit meinen -Reisestiefeln auf die Flocken und ging hübsch darauf spazieren; und es -geht sich schnell, sodaß, ich weiß nicht wie weit, ich schon in die -böhmischen Dörfer hineingerieth, ohne allen Weg und ohne Straße. -Herrliche Anstalt, gleich diesen dicken Nebel, wie die Wolke der -Bundeslade, zwischen Sachsen und Böhmen oder zwischen Deutschland und -Oestreich zu stellen. Tausend, wie marschirte ich nun fort! -Statistisch-ökonomisch-politisch-historische Bemerkung für meine -hydraulisch-aphoristische künftige Reisebeschreibung der spanischen -Schlösser und böhmischen Dörfer: -- Ich fand nehmlich, daß Angestellte -(Beamte, die oft durchfallend sind, aber selbst niemals umfallen) auf -eine auffallende Weise die besten und kräftigsten Stücke des Nebels auf -Flaschen zogen, wie es wohl auch bei den Gesundbrunnen geschieht. -Schäumt die unnütze Kraft ab, so wird ein hübsches Getränk und -magenstärkender Saft aus dem leichten Dinge, welches dann Professoren -und Schüler, Geistliche und Denker, feinfühlende Autoren, die gern -^scherzando^ schreiben, und billige Staatsmänner wie altherkömmliche -Gesetzkünstler und Fabrikanten gern genießen und sich einander -mittheilen. Trifft es nicht richtig ein, daß _Nebel_ rückwärts gelesen -_Leben_ heißt, und Leben Nebel? Eins ist die Quadratwurzel vom andern. -Darauf sollten unsre Denker mehr lossteuern. Siehe, mein Kind: -- wenn -ich zu Einem sage, der noch nicht reif ist und es gern werden möchte: -_Lese!_ so sieht das wie ein guter, verständiger Rath aus. Hat er aber -tiefern Sinn und buchstabirt rückwärts, so merkt er im stillen Gemüthe -wohl, daß ich ihn nur einen _Esel_ gescholten habe. O es ist ein -unergründlicher Tiefsinn in diesen Betrachtungen. Nicht wahr, es giebt -Mülleresel, wilde Esel, Esel zu Spazierritten u. s. w. -- aber der -völlig unvertilgbare, von vorn wie hinten sich immer gleich bleibende -ist der von mir entdeckte _Lese-Esel_. Auch wenn ich imperativisch oder -imperatorisch sage: _Esel, lese!_ bleibt er sich gleich, doch gefällt -obige Thierart in der Bezeichnung besser, denn es stempelt sich darin -jenes ewig unermüdliche Geschöpf, jene unverwüstbare Creatur, die wir -hinter Ladentischen, auf Caffeehäusern, unter den lieben Zeitungen und -allerliebsten Journalen, Tagesblättern, Broschüren, Libellen (nicht den -Insekten), Romanen und dergleichen sitzen sehn und schlingen -- mit -einem Wort, den in unserm Jahrhundert ausgebildeten _Leseesel_. Die -vergleichende Anatomie sollte sich nur seiner bemächtigen und Gall -seinen Schädel untersuchen. Wie in Afrika oder Indien jene wandernden -Ameisenheere oft unsäglichen Schaden anrichten und Verderben verbreiten, -so fürchte ich für Europa und noch mehr für unser Deutschland die -traurigsten Verheerungen von der Vermehrung und dem Ueberhandnehmen -dieses Lese-Esels. Wie er denn nun von vorn oder hinten immerdar ein -Leseesel bleibt, so sprach ich neulich schon mit einem denkenden Medicus -über den Fall, ob das Thier nicht wirklich die Qualität noch erhalten -könne und würde, auch von hinten, mit dem Sitztheile, sowie vorne mit -seinen Augen zu lesen. Der Philosoph approbirte sehr meine Hypothese und -meinte, das Monstrose sei immerdar nicht den gewöhnlichen Naturgesetzen -unterworfen. Und wirklich, wie ich wieder die sogenannte Ressource -besuchte, wo ich die beste Sorte und die qualificirtesten dieser -Leseesel zu finden gewohnt war, bemerkte ich zu meinem Erstaunen, daß -diejenigen, die in der Entwicklung am meisten vorgeschritten waren, -unruhig auf ihren gepolsterten Bänken beim aufmerksamen Lesen hin und -wieder ruschten, sich bald stärker auf das Polster drückten, bald -lüfteten, bald sich rechts, bald links hin bewegten, als wenn sie ein -besseres Licht erstrebten. Ich sah aber deutlich, daß ihnen oben nichts -fehlte, ihr Fundament aber einen Mangel verspürte. Der Vorsteher dieser -Ressourcen-Anstalt oder dieses Casino-Wesens ist ein denkender Mann; ich -nahm ihn beiseit in ein Nebenzimmer, von wo man durch Glasthüren Alles -im Saal beobachten kann, und machte ihn auf jenes bedenkliche Hin- und -Herrutschen aufmerksam. »Wollen Sie denn nicht, suchte ich ihn zu -persuadiren, vielleicht morgen den Versuch machen und einige gute -lesbare Journale, oder einige scharfe Schriften gegen die Regierung über -jene Polster spannen lassen, um zu sehn, ob meine Vermuthung sich -bestätigt?« »Wie, Herr, fuhr mich der Mann an, indem er mich mit seinen -großen Augen betrachtete: was fabeln Sie mir da von einer neuentdeckten -Thierart? Es sind lauter würdige Herren und ausgezeichnete Männer, die -das Beste des Landes und der Welt im Auge behalten. Sie rutschen heute -übermäßig, das ist wahr, das kann aber auch vom Denken oder vom bewegten -Gemüthe herrühren. Auf keinen Fall aber dürfte ich es gestatten, wenn -Sie auch wirklich Recht hätten, daß alle diese Mitglieder in Naturalibus -da säßen, um zwei Zeitungen zu gleicher Zeit lesen zu können.« »O Sie -kurzsichtiger Mann! rief ich aus; brauchen Sie denn nicht selbst -Brillengläser? Sieht man nicht durch einen Flor und Sieb? Und so würden -sich die Beingewande gestalten; Fabrikherren würden mit scharfem Blick -die Zeuge entdecken und verfertigen, durch welche sich am besten lesen -ließe; neuer Flor des Gewerbes, frische Aufmunterung zur Arbeit und -Speculation.« - -So stand die Sache vor meiner Abreise, ehe ich in das Nebelleben oder -den Leben-Nebel gerieth. Wie ich zu meinen Reisengefährten wieder zurück -kam, weiß ich selbst nicht, wie aber in der Nacht der Camin so gar -gewaltig rauchte, war ich wieder bei ihnen und bei mir. Aus dem soliden -Nebel gerieth ich aber in eine noch wolligere und flockenreichere -Väterlichkeit und Mutterempfindung mit Zwillingen und Drillingen u. s. -w. Was aber merkwürdiger ist, als solche Lappalien, ist, daß man unter -feierlichem Schießen Carlsbad noch höher als Teplitz gestellt hat, es -noch drüber hinauf gesetzt; so kommt die Meeresfläche immer tiefer, und -da das Meer außerdem schon abnimmt, so wird es kein Wunder seyn, wenn -wir ganz auf das Trockne gerathen. Bei den Heiling-Felsen sind Braut und -Bräutigam, Priester und Brautjungfern in Stein verwandelt, ich habe sie -selber stehn sehn. Daß die Leute nach der Hochzeit recht ledern und -hölzern werden, erleben wir alle Tage, es ist kein großes Wunder, daß -diese damals, in einem noch unaufgeklärten Jahrhundert, das Prävenire -gespielt haben, um in jenem beliebten Stein der Hölzernheit zu entgehen. - -Aber in den herrlichen Gegenden habe ich etwas sehr Wichtiges, und wovon -ich noch keine Erfahrung hatte, kennen gelernt. Immer habe ich es -geglaubt und Dir gepredigt, daß Adam und Eva vor ihrem Falle nicht so -körperliche grobe Speisen genossen, wie wir jetzt mit den thierischen -Zähnen sie zerbeißen und zermalmen, sondern daß sie die geistigen -Essenzen, die unsichtbare Kraft der schönsten Gewächse und der -himmlischen Kräfte einsogen. Wie einem denkenden Forscher nun wohl wird, -wenn sich ihm eine solche mystische Ueberzeugung durch unumstößlichen -Beweis vergegenwärtigt, ist mit Worten nicht auszusprechen. Sie nennen's -in ihrer sterblichen Unbeholfenheit einen rothen Ungarwein, und mit -anmaßendem Kunstausdruck die Mennische Essenz. Wer aber die wahre -Sprache kennt und den Urtext versteht, sieht durch den grob ersonnenen -philologischen Kniff, und erkennt aus der echten Etymologie, daß Adam es -damals auf seinem höhern kritischen Standpunkt die _Menschen-Essenz_ -nannte; und das ist sie denn auch, und mein Forschen und Ergründen -dieser Materie gereut mich so wenig, daß binnen kurzem mehrere Flaschen -von diesem Liquor, dieser Essenz, bei Dir in Guben eintreffen werden, -die ich wohl aufzubewahren Dich bitte. Wie sehr es Sünde war, vom Baum -der Erkenntniß zu naschen, darin, wie in allen meinen religiösen -Ueberzeugungen, hat mich diese Wunder-Essenz von neuem gekräftigt. Denn -wie man sie nur ein Weilchen genossen hat, und sie wieder schmeckt, und -von neuem versucht, führt sie uns bald in jenes selige Land, wo alle -Kenntniß aufhört und verschwindet, wo das trockne, kümmerliche -Bewußtsein immer mehr verdämmert und verdunstet, um, wenigstens auf -einige Zeit, den sündhaften Zustand der Erkenntniß des Guten und Bösen -abzuschütteln. Nein, dieser Gegensatz hört dann auf, und man lebt einzig -und allein im Guten, in dieser Menschen-Essenz. O wie neidisch meine -Freunde waren, daß ich diese Entdeckung gemacht hatte, die unsrer ganzen -Weltgeschichte eine andre Richtung geben kann. Uebrigens liegen im -Hochheimer und Johannisberger auch ganz respektable Richtungen -verborgen, und eben jetzt steht eine Flasche vom letzteren neben mir, -aus welcher ich Deine Gesundheit trinke. - -Unser Weg muß sonderbarer Weise vor Prag vorbeigegangen seyn, denn die -Straße führt nicht durch, und doch soll Prag die Hauptstadt von ganz -Böhmen seyn. Wir sind wenigstens durch Franken gekommen. Endlich aber -ist doch unser Kotzebue anerkannt, und es hat sich erwiesen, daß er alle -Alten und Neuen übertrifft; man sollte ihn aber zum Patentdichter -machen, daß kein andrer, so lange er lebte, Theaterstücke schreiben -dürfte. - -In Würzburg in der würzhaften Landschaft haben wir im Wirthshause mit -vieler Anmuth gewohnt, denn in Bamberg hatten sie einen ambulanten -Gottesdienst und cassirten mit vielem Spektakel die silbernen Sachen von -Werth ein, weshalb es uns dort nicht gefiel, so alt auch der Dom seyn -mag. Wir haben auch auf der Stelle gestanden, wo Otto von Wittelsbach -den Kaiser Philipp ermordet hat. Die Ruine gehört einem berühmten -jüdischen Arzt, welcher mit aller Gewalt unsern Freund Walther -trepaniren wollte. Er ist aber bis dato noch nicht rasend, und erhielt -eine Ehrenerklärung. Nur kaufen will dieser neugierige Mann vielerlei, -und er kann es, weil er reich genug zu seyn scheint. Bei der Treppe im -fürstlichen Schloß zu Würzburg ist ein kurioses vielfaches Echo, das hat -er richtig erstanden, um es bei sich zu Hause, in seinem Garten -anzubringen. Man war dabei, es sehr vorsichtig einzupacken. Das -Auspacken an Ort und Stelle aber muß mit noch größerer Circumspection -geschehen. Denn die Sache ist fast, nur im Großen, wie mit einer -Champagnerflasche. Das Ding darf nicht in alle Lüfte verflattern, wo es -keinem Menschen zum Gewinn ist. Im Garten muß es an der rechten Wand -sehr künstlich eingefugt und eingeleimt werden, damit es richtig -antwortet und nicht auf Schwarz Weiß, auf Ja ein Nein spricht. Herr -Walther will sich dann einen tüchtigen Mann vom Amt kommen lassen, der -mit Echos umzugehen weiß, und selbst nur ein Widerhall seines gnädigen -Herrn ist, der soll ihm das Ding pfropfen oder inokuliren, damit es noch -öfter und lauter jede Anrede nachspricht. Ein in Ruhestand versetzter -Geheimer Rath braucht sein Echo nicht mehr in der Sitzung abzugeben, und -dieser, hofft Walther, wird ihm dieses für ein Billiges ablassen. Denn -das ist auch zu observiren, daß das Echo, wenn es nun wieder gelüftet -wird, nicht dem Freunde Walther oder einem andern würdigen Manne in den -Hals fährt. Davon hat man schon merkwürdige und traurige Beispiele. Der -Minister in -- (ja da um die Ecke, rechts oder links von uns, Du -brauchst es eben nicht so genau zu wissen) war der beste Kopf im Lande, -nur widersprach er dem regierenden Herrn immerdar. Plötzlich (und die -gewöhnlichen Menschen meinen, es sei durch eine Gehaltsverdopplung -bewirkt, was aber die Erscheinung weder psychologisch noch physiologisch -erklären würde) spricht er wörtlich und buchstäblich Alles so, wie sein -Landesvater. Zur Erheiterung war dieser große Kopf in ein Bad gereiset, -in dessen Nähe sich ein ganz vorzügliches Echo aufhielt. Der Minister -spielt mit dem Dinge, wie mit einem jungen Kätzchen, frägt, läßt -antworten, schreit und singt, um das Wesen recht von allen Seiten kennen -zu lernen; darüber wird er müde, er gähnt, ohne die Hand vor den Mund zu -halten, und die boshafte Creatur benutzt den Moment und springt ihm in -den Hals hinein. Nun kann er es nicht loswerden, so sehr er Medicin -braucht. Im Bade ist das Echo seitdem fort. Die Dummen behaupten, weil -die Bergleute eine vorlaufende Felsenwand weggesprengt haben. Nein, auf -eben beschriebene Art sind sehr viele dieser Echoisten entstanden, die -der gemeine Mann zu oft mit den Egoisten verwechselt, die freilich auch -manchmal nahe an einander grenzen, wie die Buchstaben g und h. - -Unser Walther hat neulich etwas gethan, wovon alle Philosophen und -Denker immerdar ausgesagt haben, es sei unmöglich. Er schwang sich -nehmlich auf dem Rade der Fortuna um, und es gelang ihm, oben auf dem -Gipfel wenigstens eine halbe Stunde lang ungestört zu verharren. Er -hätte also den Nagel oben einschlagen können, wenn er nicht selbst -vernagelt gewesen wäre, denn er fluchte und wetterte, um nur wieder -hinabzugelangen. Ein wunderliches Frauenzimmer, vielleicht die Fortuna -selbst, sah ihn dort oben thronen und lachte, wie es mir schien. Ich -konnte sie aber nicht erhaschen. Man schrie ihr Maschinka nach. Hieß -nicht die geheimnißvolle Unbekannte so, die bei uns logirte? Mir schien -auch, aber ungewisser Schein nur, als sähe sie jener Flüchtigen ähnlich. -Aber mein Studium und der Genuß der himmlischen Essenzen macht, daß ich -mich solcher irdischen Dinge nur sehr dunkel erinnere und keine -Rechenschaft davon geben kann. Wenn sie es war, ist sie mir und den -Uebrigen wieder entlaufen, ob wir gleich alle hinter ihr drein waren. -Walther, der Herabgestiegene, auch. Fortuna aber oder Maschinka war -verschwunden. - - * * * * * - -Die Beiden kamen spät von der Starkenburg zurück, und indem sie in das -Zimmer traten, hörten sie, wie Wachtel sich selber den letzten Theil und -Beschluß seines Briefes vorlas. Walther fuhr auf ihn zu und fragte: was -war das für eine Dame, die jener in Würzburg ähnlich war? Auch Ferdinand -setzte ihm leidenschaftlich mit Reden zu; doch Wachtel, der jetzt seine -Flasche Johannisberger völlig geleert hatte, sagte: Meine Herren und -Freunde, ich habe da einen häuslichen vertraulichen Brief an meine -Gattin geschrieben, welcher nichts, als Familienverhältnisse und -Versicherungen meiner Liebe enthält, diesen kann ich Euch also unmöglich -mittheilen; die letzte Anspielung, die Ihr zufällig vernommen habt, ist -nichts weiter als die Beziehung auf eine Sache, die ich selber nicht -verstehe und das Wenige, was ich davon wußte, seitdem völlig vergessen -habe. Ich war, als jenes Frauenzimmer schnell in unser Zimmer dort in -Guben trat, eben in Gedanken und Studien versenkt; kurzum, sie hatte -einen Brief an meine Frau, den ich damals nicht lesen konnte oder -wollte, und ein alter Mann begleitete sie, von dem es unentwickelt vor -mir liegt, ob er ein Herr oder ein Bedienter war. Kurz, mit einem Wort, -sie bewohnte ein Zimmer, als ich schon schlief. Sie kam mir hübsch vor, -und nachher, als ich sie wiedersah, konnte ich mich nicht bestimmt -erinnern, ob es noch dieselbe oder eine andre war. Diese zweite war aber -noch schöner. Vielleicht hatte sie aber die Frische des Morgens so -gefärbt. Nun fragte ich wieder nach ihr, und sie war schon abgereist, -und da es mich nichts anging, schlug ich es mir aus dem Sinn, und so -vergaß ich es, und so reiste ich nach Dresden ab, und so sind wir nun -hieher gerathen, und das Briefschreiben hat mich angegriffen, und der -Johannisberger hat mich gestärkt, und das ist Alles, was ich von der -Sache weiß. - -Daß mich die Sache interessirt, sagte Walther, darüber könnte ich meine -Gründe angeben; aber warum Sie, Ferdinand, so neugierig sind, begreife -ich nicht. - -Ich weiß selbst nicht, antwortete dieser, weshalb ich mich darnach -erkundige; man macht seinen Freunden in der Regel Alles nach, weil sie -nach einiger Zeit ein gemeinsames Interesse verknüpft. Und, gestehe ich -es nur, in jener Nacht, als wir in Guben waren, hörte ich durch die -offenstehenden Fenster der untern Zimmer meinen Freund Wachtel schon mit -seiner Frau von dieser Dame reden, ich war schon damals neugierig, aber -mein Freund Wachtel war in einem so bedenklichen Zustande, daß ich mich -ihm nicht zu erkennen geben mochte; auch rückte schon der erste Morgen -herauf und unsre Abreise drängte. - -Sieh! sieh! sagte Wachtel gähnend, meine confuse Frau hat mir damals -eine noch confusere Geschichte vorgetragen, von einem sehr hübschen -Menschen, den sie hundertmal einen Engel nannte. Sie schien zu meinen, -ohne des Engels Beihülfe, der sich so edel betragen, hätte ich die ganze -Nacht draußen im Grase liegen müssen. Sie machte ein Mährchen draus, wie -das von der Martinswand ist. Und nun entwickelt es sich also, daß Du -dieser Engel warst. So verschwinden bei nur mäßiger Forschung alle -Wunder aus der Geschichte. - -Nach einer kurzen Ruhe fuhren die Freunde am schönen Morgen weiter, aber -nur langsam, um die Gegend zu genießen. Sie kamen schon früh in -Heidelberg an. - -Der Pfarrer Le Pique hatte dem jungen Ferdinand einige Briefe an Freunde -mitgegeben, und so lernte dieser einen rüstigen, geistreichen Mann, -Keyser, welcher Lehrer an der Schule war, kennen. Sie besuchten -gemeinschaftlich den biedern Daub, sowie den herrlichen Creuzer, und in -der schönen Umgebung, unter wissenschaftlichen und heitern Mittheilungen -verflossen ihnen die Stunden und Tage im lieblichsten Wohlbehagen. Auch -den trefflichen Pfarrer Abegg lernten sie in Lohmen kennen, und die -muntern Freunde, die Alle noch jugendlich kräftig waren, durchstreiften -das Gebirge und die blühenden Kastanienwälder, die vielen Bergen hier -einen ganz südlichen Charakter geben, und erkletterten alle irgend -zugänglichen Theile des großen Heidelberger Schlosses. - -Mit Keyser ging Ferdinand in einer Nacht nach Zweibrücken hinüber, und -Walther verwunderte sich, daß der Freund ihm aus dieser Wanderschaft ein -Geheimniß gemacht hatte. - -Walther, der noch wenig mit Gelehrten und mehr mit dem Adel gelebt -hatte, war höchlich erfreut, in dem Professor Daub die schöne Biederkeit -echter deutscher Natur, und in Creuzer diese Gewandtheit des Geistes, -sowie diese edle Urbanität kennen zu lernen; Abegg's Milde wirkte -wohlthätig und fein auf den witzigen Streit, der sich manchmal zur -Heftigkeit erhob und den besonders der lebhafte Keyser gern veranlaßte. -Wenn wahre Gelehrte, die zugleich als echte und edle Menschen den Ton -des Umganges haben, in freundlicher Hingebung scherzend und ernst durch -alle Gänge des Wissens und Forschens wandeln, so findet sich in dieser -Umgebung eine Unterhaltung, die der Menschenkenner und Weltmann -vergebens in den andern Zirkeln der Gesellschaft suchen wird. - -Ein schöner Friede schien alle Gelehrte in Heidelberg zu vereinigen und -Ferdinand erzählte viel von einer schönen Zeit, in welcher er vor -wenigen Jahren in Jena in dem Kreise lebte, den Wilhelm und Friedrich -Schlegel, Novalis und Schelling bildeten. Er schilderte diese Wochen als -das reichste und üppigste Geistesbankett, das er jemals schwelgend -genossen habe. - -Nach einigen Tagen schrieb Ferdinand an eine Freundin, Charlotte von -Birken, nach Berlin. - - Heilbronn, den 18. Julius 1803. - -Meine theilnehmende Freundin, ich benutze die Nacht, indem meine -Reisegefährten schlafen, um endlich mein Versprechen zu erfüllen und -Ihnen einige Nachrichten von mir mitzutheilen. - -Die Spannung, in welcher mich diese unfreiwillige Reise erhält, muß oft -der Entzückung und der Begeisterung weichen, in welche mich die -abwechselnden großen und lieblichen Naturscenen versetzen, an welchen -unser schönes Deutschland so reich ist und die unsre Landsleute immer -noch nicht gehörig zu würdigen wissen. - -Von meinen Aussichten, Plänen, meinem künftigen Glück weiß ich Ihnen -noch nichts zu sagen. Alles zieht sich in die Länge, Alles wird fast -ungewisser, als es war. Ein junger Mann in Heidelberg, Keyser, der mein -ganzes Herz gewonnen hat, führte mich nach Zweibrücken zu seiner -reizenden und liebenswürdigen Braut, und hier fand ich denn endlich -einen Brief vom Onkel, der etwas Bestimmteres aussagte, und der, -sonderbar genug, mich wahrscheinlich bald wieder in Ihre Nähe führen -wird, da ich bis jetzt glauben mußte, Basel sei die Richtung, die ich -nur nehmen könne, und die Schweiz sei mein künftiger Aufenthalt. -Indessen ist schon viel gewonnen, daß der einflußreiche angesehene Mann -sich zum Vermittler anbietet. Ich mag Ihnen von manchen Dingen, die mir -zugestoßen sind, nichts Näheres mittheilen, weil ich Alles einem -mündlichen Gespräche vorbehalte, man auch nicht wissen kann, wie ein -Brief verunglückt, oder, bei der größten Vorsicht, in die unrechten -Hände geräth. - -Von dem schönen Heidelberg aus haben wir eine kleine Fußreise gemacht, -um Neckar-Steinach und die drei Ruinen zu sehen, die dort dicht neben -einander liegen. Das eine wüste Schloß war der Aufenthalt des -berüchtigten Lindenschmidt. Ein runder, steiler Hügel, der Dielsberg, -macht dort einen sonderbaren Anblick; hier verließ uns Keyser, der uns -begleitet hatte, um nach Heidelberg zurückzukehren. Wir hatten jetzt -einen schönen Weg nach Hirschhorn, welches am Neckar liegt. Ein altes -Schloß und Kloster sind hier, die uns durch ihre Alterthümlichkeit große -Freude machten. Wir nahmen ein Schiff, und fuhren, von einem Pferde -gezogen, den Neckar stromaufwärts. Die Gegend ist reizend, viele alte -Schlösser, die noch ganz in ihrem ehemaligen Zustande sind, werden -bewohnt. In Eberbach war viel Getümmel und ein Aufzug der Bürger. Nach -einigen Stunden jenseits dieses Städtchens verließen wir das Schiff -wieder, um zu Fuß zu wandern. Minneberg und zwei Hügel dort bilden eine -reizende Gegend. Bei Neckar-Els öffnet sich das Thal. Vor der Stadt nahm -uns ein schlechtes Wirthshaus auf und Walther miethete aus Eigensinn ein -sonderbares Fuhrwerk, um sich nur mit keinem Hauderer, der vielleicht -auch nicht vorzüglich gewesen wäre, einzulassen. In den meisten -Menschen, selbst vernünftigen, offenbart sich zuweilen eine falsche -Poesie, die sie im Leben selbst suchen oder unmittelbar in dieses -hineintragen wollen. Bei den ganz dummen Wirthsleuten hatte er auf -Erkundigung erfahren, sie hätten einen leichten Einspänner, der auf zwei -Rädern laufe. Vielleicht fielen ihm die italienischen Sedien oder ein -flüchtiges Cabriolet ein; genug, er miethet das Ding, um so mit uns am -folgenden Mittag in Heilbronn anzukommen. Ich entsetzte mich nicht -wenig, als am Morgen das elende Gespann vorfuhr. Was war es? Ein -viereckter, grob geflochtener Korb, der auf zwei hohen Rädern -unmittelbar auf der Axe lag. Man hatte Säcke und Stroh hineingelegt. Ich -schlug vor, lieber zu Fuß zu wandern, aber der boshafte Wachtel hatte -seine Freude an diesem Skandal, und Walther wollte sich kein Dementi -geben. Wir klemmten uns, so gut es gehn wollte, in den verwünschten Korb -hinein, und ein blödsinniger Knecht unternahm es, uns mit einem steifen -Gaul so in Heilbronn im Triumph aufzuführen. Zwei Stunden von dort liegt -der Hornberg, welchen Götz von Berlichingen von Conrad Schott kaufte und -wo er den größten Theil seines Lebens hauste. Der steile Berg ist auf -zwei Seiten mit Wein bebaut, von oben hat man die Aussicht über das -offene Neckarthal und über die gegenüber liegenden niedrigern Felsen. -Auf der Hinterseite des Berges ist ein enges Thal und ein herrlicher -Wald, der sich bis dicht an die Burg erstreckt. Alles ist oben, auf dem -Wege zur eigentlichen Festung, mit wüstem, verwachsnem Gestrüpp bedeckt. -Aus den Zimmern und Sälen des Schlosses genießt man einer vortrefflichen -Aussicht. Vor kurzem hätte das ganze Haus noch mit wenigen Kosten zum -Bewohnen erhalten werden können, jetzt ist es verfallen und wird nach -einigen Jahren wohl ganz zerstört seyn. - -Wir fuhren dann durch ein Städtchen Gudelsheim, das den deutschen Herrn -gehört, und ließen uns nach Wimpfen übersetzen. Vor Heilbronn verließen -wir doch, trotz unsrer Aufklärung, unsern Karrn und zogen zu Fuß in die -Stadt ein. Alles wurde hier zur Huldigung des neuen Herrn eingerichtet, -der Altar in der protestantischen Kirche war abgetragen, recht gut -scheinende Gemälde waren, ihm zu Ehren, neu übermalt und verdorben. -Kirche und Thurm gehören zu den merkwürdigen Gebäuden. Der berühmte -wasserreiche Brunnen der Stadt hat durch eine neue schlechte Balustrade, -um die man die alte Einfassung, die besser war, wegreißen mußte, viel an -seinem Wasser verloren. Am Rathhause wurde eben ein schönes steinernes -Geländer weggebrochen, um Latten besser anbringen zu können, an welchen -die Lampen zur Illumination befestigt werden. Wir besuchten die Orte, -die uns von früher Jugend auf durch den Berlichingen und Göthe's Werk so -merkwürdig sind. Auch den gewundenen Thurm kletterten wir hinauf und -standen oben, neben dem Ritter, wie mich dünkt, dem heiligen Kilian. - -Hätten wir es unterlassen können, nach Weinsberg hinauszufahren? Durch -Bürger's Romanze ist dieser Ort und die That der Weinsberger Frauen im -Munde alles deutschen Volkes. So manches die Kritik gegen Bürger's -Balladen und Romanzen mit Recht ausstellen kann, so vorsätzlich er so -oft den alten einfachen Ton, jenes Geheimniß, im Wenigen und im -Verschweigen viel zu sagen, worin Göthe der größte Meister ist, vermied -und nicht finden konnte, so bin ich doch überzeugt, Bürger's Balladen -werden bei uns länger, als die von Schiller leben, der (in wenigen -ausgenommen) noch mehr jene stille Einfachheit verletzt hat. - -Um Heilbronn ist eine schöne grüne Natur und wir waren alle mit unserm -Tagewerk zufrieden. Wie schön ist es, in einem Lande zu leben, wo -Städte, Bildwerke, Felsen und Berge auf alte Geschichte, auf große -Kaiser und merkwürdige Begebenheiten hinweisen. Wie herrlich ist in -dieser Hinsicht Deutschland ausgestattet! Mir kommt es fürchterlich vor, -in Amerika leben zu müssen. Und die verschiedenen Epochen der -Kaiserherrschaft, des Aufblühens der Familien, des stets wechselnden -Verhältnisses, der großen wie kleinen Fehden und die mannigfaltigen -Gestaltungen und Umwandlungen des Ritterthums, von der höchsten Bildung -und der schwärmenden, poetisch-fanatischen Verehrung der Frauen bis zum -niedrigen, rohen Räuberhandwerk hinab, alles Dies, glaube ich, hat sich -nirgends so wundersam, vielseitig, grell abstechend gewiesen, als in -unserm Deutschland. Unsere unwissenden Autoren, die diese Gegenstände -behandeln, haben sich aber eine gewisse rohe Manier gebildet, die immer -in Zank, Großsprecherei und leeren Worten wiedertönt, ohne uns auch nur -im mindesten ein Bild und anschauliches Gemälde jener Zeiten zu geben. -Andre sehen nur Greuel, Verwilderung und Mord in jenen Tagen der -merkwürdigsten Entwicklung, und bedenken nicht, daß, wenn die Welt so -beschaffen gewesen wäre, wie sie sie verlästern, in kurzem weder Gute -noch Böse, Freie und Knechte würden übrig geblieben seyn. - -Wie aber Gefühle absterben, wie der Sinn für das Schönste sich verlieren -kann, muß ich täglich mehr erfahren. Rührt uns schon in Stadt und Feld -die Hinweisung auf Geschichte und belebt und weiht den todten Stein und -den Wald, wie viel mehr jenes Mahnen an die Wunder und die Süßigkeit -unserer Religion. Und diese forttönende Poesie, dieses Erklingen der -feierlichen Harfensaiten, diesen still lebenden und stumm beredten -Gottesdienst in der Einsamkeit der Natur, im Gewühl des Marktes, in -Felsgrotten und Wäldern, im Verherrlichen der Brücken und Ströme finde -ich nur noch in den katholischen Provinzen. An Zoll und Polizei, an -Argwohn und Paß, an Aufsicht und Visitation werden wir im -Protestantischen genug erinnert, an die Bedeutung des Christenthums fast -niemals. Ja, jene Wundersagen, jene Bildwerke, Hymnen, Klöster, Mönche, -heilige Jungfrauen, Vorbitten und Schutzheilige sind Gegenstände des -Spottes und Hasses. Und die besten Menschen können sich oft von diesem -Aberglauben gegen den Aberglauben, von dieser Gespensterfurcht, daß der -Glaube an Gespenster wieder kommen könnte, nicht frei erhalten. So -konnte es mein neu erworbener Freund, Keyser, nicht begreifen, wenn ich -behauptete, die Reformation sei zwar eine nothwendige gewesen, sie habe -der Welt und namentlich Deutschland unendliches Heil gebracht; aber viel -Schönes, Großes und Heiliges sei mit Zerstörung des Schlechten zugleich -vernichtet worden, und dies sei es, was der eifrige Protestant nie -anerkennen wolle und was die Katholiken selbst nicht zu würdigen wissen. -Auch ein schlechtes Bild an der Landstraße rührt mich, weil es auf jene -Geheimnisse hindeutet, die wir nie vergessen sollen, wenn wir sie gleich -auf dem gewöhnlichen Wege niemals begreifen können. Die Fratzen in -manchen Kirchen stören mich so wenig wie die oft ungelenken Priester; -denn auch im unansehnlichen Dornbusch blüht der Frühling heraus und -bewegt mich, als ein Zeichen der allgemeinen Auferstehung des -Lebendigen. - -Dies Gefühl des Mitleidens in der höchsten Liebe, daß wir durch -Selbstaufopferung das Opfer der Liebe vergüten möchten, diese schönsten -Gefühle sind es gerade, die die meisten Menschen von sich abweisen oder -die Härteren als unrecht verdammen. So heben sie sich für den Sonntag, -für Orgel und Predigt die feierlichen Empfindungen auf, oder sie -schließen einen verständigen Contrakt mit dem unbegreiflichen Wesen, -welches sie Gott nennen, um gegenseitige Pflichten und Verbindlichkeiten -klar im Auge zu behalten. Der Vers eines Liedes aber, Abends unter einem -Crucifix still und andächtig gesungen, der Blick des betenden Greises -auf einsamem Waldplatz zum leidenden Heiland hinauf, der Kuß, den das -Kind auf seinen Rosenkranz drückt, die Thräne der Mutter, welche auch -den Sohn verlor, vor der Mater dolorosa, sagen mehr, als alle jene kalte -Weisheit verkündigen und lehren kann. - -Sie kennen ja aber, theure Freundin, meine Gesinnungen über diese -Gegenstände und stimmen mir bei. Ich hoffe Sie bald zu sehn; im Herbst -gewiß. - - * * * * * - -Walther war aus andrer Ursache nachdenklich von Weinsberg -zurückgekommen. Er hatte an der Wand der Kapelle, auf welcher die -Geschichte der treuen Weinsberger Weiber gemalt ist, mit Bleifeder -frisch angeschrieben deutlich die Worte gelesen: »Romeo, in der Höhle zu -Liebenstein findest Du den 24. Juli M -- Julia.« -- Seine Gefährten -hatten die Schrift nicht bemerkt, ihm aber flüsterte sein Genius zu, -diese Hinweisung rühre von jener vielgesuchten Maschinka her, die den -Mann, welchen er verfolgte, in Liebenstein erwarte. Sein Entschluß war -daher gefaßt, nach Liebenstein zu gehn und gewiß am 24. Julius in dieser -Höhle zu seyn, in welcher er diesen Romeo zu entdecken hoffte. Er konnte -sich selber keine Rechenschaft davon geben, warum er sich die wenigen -Worte so erklärte, warum er der Meinung war, sie müßten von jener -entflohenen Maschinka herrühren, deren Handschrift er niemals gesehn -hatte. Aber dieser blinde Trieb, dieser Instinkt schien ihm gerade ein -Beweis dafür, daß er auf der richtigen Spur seyn müsse. - -Am folgenden Morgen trug er, ohne seine Gründe anzugeben, darauf an, daß -man noch einiges Merkwürdige in der Nähe betrachten, dann aber nach -Liebenstein reisen möge. Mein theurer Freund, sagte Ferdinand, mit -einiger Heftigkeit: wie kommen Sie auf diesen Entschluß? Warum nach -Liebenstein? Ich hoffte, wir würden von hier aus uns mehr südlich und -nach dem Schwarzwald, vielleicht sogar nach der Schweiz wenden, um einen -Theil des Herbstes in den schönen Alpengegenden und an den erfrischenden -Seen zuzubringen. Und nun schon, noch so zeitig im Jahre, uns wieder -nach Norden wenden? das sieht schon wie Rückkehr aus, die ich in diesem -wahrhaft schönen Sommer, der uns vielleicht noch lange begünstigt, weit -hinausschieben möchte. - -Schon umkehren? rief Wachtel aus: wie? Ich habe auf den Rhein und die -schönen Weinplätze Bacharach, Rüdesheim, Nierenstein gehofft -- und nun -wieder in das kalte Bierland hineinreisen? Ei, welch ein böser Geist hat -Ihnen, verehrter Freund, den bösen Gedanken zugeraunt? - -Sie wissen, fuhr Ferdinand fort, mir ist nur in den Gegenden, wenn ich -in der Fremde bin, recht wohl, wo ich die alten Münster, den -katholischen Cultus, die Bilder und Feierlichkeiten, so wie Alles, was -damit zusammenhängt, sehe und mein Gemüth erhebe. Haben wir doch oft -genug darüber gestritten. Es ist fast, als wenn ich eine Geliebte -verlassen, indem ich diesen schönen Provinzen wieder den Rücken wenden -soll. - -Geliebte! sehr wahr! rief Wachtel, fast schluchzend. Ich kenne das -schon, um wie viel theurer und schlechter der Wein in den Gegenden dort -oben ist. Nun habe ich mein Herz hier so weit hinweg spazieren geführt -und es so recht gemüthlich im Sonnenschein der Andacht ausgelabt und -eingesommert. Ich kann schwören, mit jeder Meile, die mich von meiner -Frau um eine mehr entfernt, fühle ich meine Liebe zu der vortrefflichen -Person inniger und brünstiger. Welchen schönen Liebesträumen hing ich -nun nach, daß noch wenigstens hundert Meilen sich zwischen uns legen -sollten, um mich so recht und voll in die erste Jugendliebe hinein -reisen und rasen zu lassen. Das hätte vielleicht eine so ausbündige -Verliebtheit zu Stande gebracht, wie nur jemals zwischen Abälard und -Heloisa stattgefunden hat, -- und nun soll ich plötzlich ernüchtert -werden, denn das weiß ich im voraus, mit jeder Meile, die ich jetzt -schon, um so vieles zu früh, der Theuern näher komme, wird mein Herz -kälter, und Sie haben es zu verantworten, Baron, wenn ich als ein -rechter Gimpel, als kalter Frosch, als miserabler Philister meiner Alten -ganz herzlos und krüppelmatt an den Hals falle. - -Walther sagte lachend: liebe Freunde, es kann nicht meine Absicht seyn, -Sie irgend in Ihrer Reiselust hemmen oder auf falsche Wege verlocken zu -wollen. Unsre Trennung, wenn sie jetzt so viel früher eintritt, wird -mich schmerzen; aber wir finden uns wohl später wieder. Was mich jetzt -nach Liebenstein zieht, ist ein kleines Geschäft. Sie wissen, wir Alle -hatten bei unsrer Abreise von Dresden keinen festen Plan, wir wollten -uns leichtsinnig dem Zufall und unsrer Laune ganz überlassen. Vergessen -haben Sie aber ganz, daß wir beim Abschiede in Karlsbad unserm Freunde -Carl Hardenberg fest versprachen, ihn in Liebenstein wiederzusehn. Diese -Zeit ist jetzt, und versäumen wir sie, so treffen wir ihn dort nicht -mehr an und er hat uns vergeblich erwartet. - -Es ist wahr, sagte Ferdinand, wie aus tiefem Nachsinnen erwachend; -dieses Versprechen, welches fast ein feierliches war, ist mir seitdem -ganz entschwunden. Und so begleite ich Sie denn, lieber Walther, theils -um meiner Pflicht gegen jenen Freund zu genügen, andrerseits aber, um -länger in Ihrer Gesellschaft zu seyn und mit Ihnen die Schönheiten -unsrer Reise zu genießen. - -Sei's drauf gewagt, rief Wachtel, sollte ich auch mit ganz eiskaltem und -erfrornem Herzen zu meiner vielgeliebten Gattin zurückkommen. Ich weiß -nicht, ob es Heilige giebt, denen sich ein kalt werdender Liebhaber und -Gatte empfehlen kann, oder ob Protektoren der zärtlichen Ehe angestellt -sind, die die Flammen so anfachen, wie der heilige Kilian sie auslöscht; -wenn Du mir, Ferdinand, keinen zu nennen weißt, so ist das eine große -Lücke in Deinem vielgepriesenen, bilderreichen und wundervollen -katholischen Cultus. Der Abälard, der dazu passen könnte, war außerdem -schon ein Ketzer; und seine Heloisa gilt auch für eine fromme Sünderin; -und so hat die Kirche die beste Gelegenheit versäumt, durch zeitgemäßes -Canonisiren diesem Bedürfniß abzuhelfen. - - * * * * * - -Die Freunde reiseten nach diesem Entschlusse queer durch das Kocherthal -und besuchten Neustadt an der Linde. Von einer außerordentlich großen -Linde hat dieses Städtchen seinen Beinamen. Nach dieser anmuthigen -Gegend kamen sie durch den Harthäuser Wald. Das Thal der Jaxt ist -zerrissen, die Weinberge schroff, kahl und weiß, und das Land ist hier -weniger fruchtbar, als das Thal der Kocher. Eine sehr große und -schöngebaute Brücke führt über den Jaxtfluß, der jetzt so klein war, daß -er fast gar kein Wasser enthielt. - -Aus Verehrung für Göthe betraten sie das alte Haus, die Burg Jaxthausen, -in einer feierlichen Stimmung. Der berühmte Gottfried, oder Götz, hat -hier nur in seiner Kindheit und frühen Jugend gelebt. Ein älterer -Bruder, Philipp, erbte diesen Stammsitz der Familie, und lebte, wie es -scheint, ruhig und glücklich auf diesem seinem Schlosse. - -Alles ist hier alterthümlich, fest und mannhaft, wenn auch nicht -großartig. Das Archiv ist in einem großen, runden Thurm. Die -Wandschränke, viele Sessel und Stühle schienen noch aus der Ritterzeit. -Die Wendeltreppe ist vortrefflich gebaut. Fest kann, ungeachtet der -Gräben, das Haus doch nicht gewesen seyn; es liegt niedrig, auf ebenem -Boden und hat das Ansehn eines reichen Adelhofes. - -Ein neues, anmuthiges Schloß von mäßigem Umfang, welches eine Familie -Gemmingen bewohnt, liegt nahe bei Jaxthausen, und nicht weit davon, an -der Jaxt die Ruine der alten Burg Berlichingen, die alle Leute in der -Gegend dort Berlinchen nennen. - -Eine Meile von Jaxthausen findet man in anmuthiger Waldgegend das -Kloster Schönthal. Hier ist das Erbbegräbniß der Berlichingen; Götz ist -als der letzte hier begraben worden, weil nachher die Familie -protestantisch war. Die Kirche ist schön, und Ferdinand hörte die -Erzählung mit Ingrimm, daß man nicht nur alle goldne und silberne -Gefäße, sondern selbst zwei heilige Leiber bei der Aufhebung des -Klosters den Juden verkauft habe. - -Ein Mönch verzeichnete die Bücher der Bibliothek, weil diese abgeliefert -werden sollte. Der Mann schien unwissend und sich mit den alten Drucken -oder Handschriften, bei denen er die Titel nicht finden konnte, sehr zu -quälen. Ferdinand machte sich an ihn und half ihm bei einigen. Im -Verlauf des Gespräches jammerte der Mönch über die Aufhebung des -Klosters. Ferdinand stimmte mit ein und sprach von den Vortheilen und -Reizen der Einsamkeit, und wie schön die Einrichtung gewesen, daß vielen -Geistern, die den Beruf gefühlt, Freistätten seien gestiftet worden, in -welchen sie sich ganz und völlig von der Welt unabhängig, den -Betrachtungen der höchsten Gegenstände hätte widmen können. Seit lange -aber, fuhr er fort, ist die Einsamkeit verrufen, Alle, so hört man -immerdar, sollen und müssen in die vielfachen Wirbel und in die -Verwirrung der Welt hineingetrieben werden; praktisch, so ruft man schon -dem Kinde zu, mußt Du werden, um die Geschäfte, die Aufgaben des Lebens -verwalten und lösen zu können. Die Namen eines Stubengelehrten, einsamen -Denkers, stillen Forschers sind wie die Benennungen Einsiedler, -Klostermönch, abergläubischer Priester, zu Schimpfnamen geworden. Und -dennoch -- wenn man diese Weltmenschen kennt und beobachtet, die in den -Rädern der großen Weltmaschine hanthiren und immerdar mit dem Gewühle -der verwirrten Masse umtreiben -- wie ist ihr Gemüth abgestumpft und -keiner großen Eindrücke und Entschließungen fähig. Ungewohnt, einen -wahren, echten Gedanken zu fassen, eine belebende Idee zu ergreifen und -sie dann anwendbar zu machen, ist ihr ganzes praktisches Treiben nur wie -das des Maulthieres in der Drehmühle, thätig ohne Geschäft, im -Mechanismus als Maschine arbeitend. Lehrt uns denn nicht die Geschichte, -daß so oft jene stillen Menschen, die sich der Einsamkeit ergaben, in -Zeiten der Noth hervortraten, um Das zu ordnen und zu beschwichtigen, -was allen Weltregierenden und in der Welt Erzogenen zu mächtig geworden -war? Einige der edelsten Päpste nicht nur waren in der Stille des -Klosters gebildet und herrschten im großen Sinne, als sie berufen -wurden, auch außer so manchen Bischöfen und Aebten waren es oft einfache -Mönche, die in Zeiten der Drangsal auftraten, um mit dem Seherblick, den -gerade die Einsamkeit geschärft hatte, Kräfte zu entdecken, die die -verderblichste Verwirrung in lichte Ordnung umwandelten. - -Darum, sagte der Mönch, der von Zeit zu Zeit von seinem Cataloge aufsah, -ist es Unrecht, wie man jetzt mit uns umgeht. Nicht anders, als wenn wir -Mordbrenner und Landesverräther wären. Und grausam ist es obenein. Denn -unser eins hat nun von Jugend auf nichts anders gelernt, wir können uns -auf keine andre Weise ernähren, und doch stößt man uns in die Welt ohne -alle Versorgung, denn die armselige Pension, die man uns auswirft, kann -kaum gerechnet werden. - -Ferdinand wendete sich mit dem Ausdruck der tiefsten Verachtung von dem -Manne ab. Als sie draußen waren, fragte ihn Wachtel: was ist Dir nur, -daß Du plötzlich so sehr verstimmt bist? -- Wenn mir, rief Ferdinand -aus, der ich ein Laie, ein Protestant bin, das Herz brechen möchte, weil -ich in einem Zeitalter geboren bin, in welchem eine ganze Welt von -Herrlichkeit, Poesie und Kunst in ein großes Grab höhnend geschüttet -wird, eine Welt, in welcher so Großes erwuchs und geschaffen wurde, die -für Bildung, Gelehrsamkeit und echte Freiheit so viel that, die durch so -viele geistliche Helden und Märtyrer verherrlicht ist, -- und ich sehe -einen Mönch, der diesem zerstörten Tempel angehört, um nichts als sein -tägliches Brot seufzen, den nur die Küche dauert, die zugleich mit dem -Wunderdom zerfällt, so möchte ich verzweifeln. Er fühlt sich nicht -gekränkt und im tiefsten und heiligsten Ehrgefühl seines hohen Standes -verletzt, nein, er wäre zufrieden, wenn er nur in irgend einem Pallast -seiner Verfolger wieder Küchenjunge werden könnte. Giebt es freilich -viele dieser Art, haben manche Regierende wohl selber so gedacht, so ist -diese große Kirchenanstalt in sich selbst, auch ohne äußern Anstoß und -ohne die weltliche Habsucht, zusammengebrochen. - -Sei nicht unbillig, rief Wachtel aus, wie soll ein gewöhnlicher Mönch, -von frühster Jugend zum unbedingten Gehorsam gewöhnt, dessen größte -Tugend es seyn mußte, den eignen Willen zu brechen, Deinen Enthusiasmus -theilen oder verstehn? der bei Dir auch nur um so feuriger ist, weil Du, -in einer ganz anders gestalteten Fremde erzogen, als Fremdling in diese -zerstörte Welt hineinschaust. Du bist noch ziemlich jung, wohlhabend, -hast niemals Mangel empfunden, kannst es also in Deinem übermüthigen -Blute nicht wissen, wie bitter die Nahrungssorgen sind. Außerdem bist Du -so erzogen und unterrichtet, daß Du im äußersten Fall zu hundert -Geschäften greifen könntest, um Dich zu ernähren; hast auch, durch den -Weltumgang, Dreistigkeit gewonnen, mit Menschen umzugehn und Dir -Beschützer zu suchen. So ein Armer aber, wie dieser, von frühester -Kindheit verschüchtert, erniedrigt und eingezwängt, wenn dem die -Maschine zerbrochen wird, an der er arbeitet, und er gar nichts gelernt -hat, als an dieser einen Stift einzufugen, der ist unendlich zu -bedauern. - -An diesem Tage kamen die Reisenden noch bis Mergentheim und setzten am -folgenden Morgen ihren Weg fort, längs der Tauber. Die Gegend bis -Bischofsheim ist nicht schön, das Thal der Tauber ziemlich kahl. Von -Bischofsheim bis Würzburg war die Gegend auch nicht interessant und -Ferdinand sagte: ich glaube fast, daß wir gestern den letzten eigentlich -poetischen Tag unserer Reise genossen haben. - -Sie sind nur, antwortete Walther, gegen das Zurückkehren und scheinen -mir eine zu große Vorliebe für das unbestimmte Herumschwärmen zu -verrathen. - -So ist es, rief Wachtel aus, das war von früher Jugend an seine Passion. -Er ist ein schlechter Staatsbürger und Patriot. - -Das Reisen selbst, erwiederte Ferdinand, ist für Den, welcher es -versteht, eine so poetische Kunst, daß ich mich in diesem Sinne gern als -gebornen Vagabunden bekenne. Mich dünkt, der merkwürdige Theophrastus -Paracelsus sagt schon, das Reisen sei das Lesen eines herrlichen Buches, -in welchem man die Blätter mit den Füßen umschlage. Die Natur und jede -ihrer Launen kennen zu lernen, sich ihr ganz zu eigen zu geben, -Heiterkeit und Genuß wie Regen und Sturm mit Dank empfangen, dies -verstehn nur wenige, und die es vermögen, sind schon Eingeweihte. Dann -die Kunst, zu lernen, wie man mit dem Volke leben kann, daß man aus -allen Gesinnungen etwas Neues hört, daß man die Spur findet, wo auch in -anscheinender Einfalt die Weisheit unbewußt spricht, wie die Wahrheit -immer hinter allen Masken der Lüge hervorblitzt, alles Dies dient, -unsern Geist zu erheben und reif zu machen. Dazu die Wunder, das -Staunenswürdige, das uns Kunst, Natur, das Firmament und die Elemente -bieten, oft auch die unscheinbare Gesellschaft und der zufällige -Spaziergang. Schon in Teplitz sah ich dergleichen, und ihr Alle, die ihr -doch gern staunen mögt, habt es ebenfalls angeschaut, doch ohne es zu -beachten. Dorthin kommen alle Sommer aus dem innersten Ungarn Menschen, -welche die deutsche Sprache nicht verstehen. Sie verkaufen Draht, -Mäusefallen und andere geringfügige Sachen, dabei bessern sie kupfernes -Geschirr aus und umflechten Töpfe und Schüsseln. Sie gehen in braunen, -langen und weiten Jacken, und nur in dem Einen Aermel steckt in der -Regel der eine Arm, sie haben keine Schuhe und Strümpfe nach unserer -Art, sondern tragen eine Art von Sandalen, und mit Tuch oder Leinwand -ist das Bein umwickelt, so wie es vor der Erfindung der Strickerei und -Weberei gebräuchlich war. Ihr Gang hat nichts von unserer Dressur, -sondern ist so frei und leicht, wie ihn kein Tanzmeister erreichen oder -nur nachahmen könnte; dabei ist in ihren Schritten aber nichts von dem -festen Springegang, den man an den Tyrolern beobachten kann. Eben so hat -ihr Auge nichts von dem kühnen Umblick jener Bergjäger, sondern es sieht -ruhig und in stiller Schwermuth geradeaus und nieder, ist aber niemals -forschend oder neugierig. Diese Armen, weil ihr Gesicht von ihrem -Geschäft in der Regel schwarz und ungewaschen und von der Sonne und dem -langen Wege gebräunt ist, werden von manchem Badegast wie Banditen und -Bösewichter angesehen. Ich bin ihnen stundenlang nachgegangen, um sie zu -beobachten, ich habe mich mit ihnen zu verständigen gesucht und ihnen -manche Gabe zukommen lassen, weil mir ihr Wesen so edel und echt -menschlich schien. Sie sammeln, was sie an kleiner Kupfermünze -einnehmen, und schütten es in einen Aermel ihrer Kutte, den sie unten -zubinden, um mit dem geringen Erwerb mühsam in ihr fernes Vaterland -zurückzukehren. Der Ausdruck ihres Gesichtes ist so schwermüthig, daß -man sich angezogen fühlt, und was das Merkwürdigste ist, ich habe -niemals einen von ihnen lachen, oder auch nur lächeln sehn, sei es ein -junger Mensch oder ältlicher Mann, selbst wenn ich ihnen eine Gabe -mittheilte, die ihre Erwartung übertraf. Ein milder, dankender Blick hat -mich gerührt, und sie waren augenblicks so ruhig, wie immer. Wer sind -diese Menschen, die mir als ein Wunder in unsrer Welt erschienen? Sind -sie eine Art Paria? Mit den Zigeunern haben sie keine Aehnlichkeit. Ich -konnte sie nicht ausfragen, weil sie mich nicht verstanden, die übrigen -Menschen gingen gleichgültig an ihnen vorüber, und ich würde einen -Otaheiten oder Chinesen nicht mehr als diese umherwandernden -Kesselflicker anstaunen. - -Du magst nicht Unrecht haben, sagte Wachtel, es thut mir leid, daß ich -diese Slawaken, oder Croaten und Wallachen nicht besser beachtet habe. -Kommt mir einmal wieder einer in den Wurf, so will ich ihn gewiß unter -mein Mikroskop nehmen. - -Nach Tische verließ die Gesellschaft Würzburg und begab sich nach dem -Lustschlosse Werneck. Im Garten dieses ehemals fürstbischöflichen -Schlosses sind noch einige schöngeflochtene Berceaus, nach alter -französischer Art, und Ferdinand ergoß sich in Lobpreisungen dieser -jetzt verschmähten Gartenkunst, für welche er eine fast übertriebene -Vorliebe zeigte. Nichts so Entzückendes, rief er aus, als ein solches -dichtgeflochtenes hohes Gewölbe von glänzendem, jungem Buchenlaub. Die -Sonnenhitze kann nicht durchdringen, und man wandelt wie in einem -lebendigen Saale oder dem Schiff einer Kirche, dessen Wölbung das -glänzende Licht in Smaragden verwandelt. Die erfrischende Kühle spielt -durch den weiten, langen Raum; im Sturm und Regen ist der Gartenfreund -hier wie im Schlosse selbst gesichert. Um zu lesen oder ein vertrautes -Gespräch zu führen, ist ein solcher Gang vorzüglich geeignet, ja er -erzeugt durch das Offene, Heitere und zugleich Abgeschlossene Vertrauen, -und das auffallend Künstliche dieser Bogenwölbung, so innigst mit der -Baumschönheit verbunden, ist so lieblich und phantastisch, daß es wie -von selbst Poesie und zarte Wunderträume erregt. Preise man nur nicht so -unmäßig jene monotonen, melancholischen englischen Gärten, die weit eher -ein Rückschritt zur Barbarei zu nennen sind, als daß sie die echte, -höhere Gartenkunst sich rühmen, oder gar für die einzig wahre ausgeben -dürften. - -Sie blieben die Nacht in Schweinfurt, einem wohlhabenden, behaglichen -Städtchen. Am folgenden Morgen verließen sie die Chaussee, um auf -schlechten Wegen nach dem Badeort Kissingen zu gehen; der Ort ist nur -klein und es waren nur wenige Trinkgäste zugegen. Eine Meile entfernt -ist das Dorf und Bad Bocklet. Hier ist eine schöne grüne Natur, -waldbewachsene Hügel, frische Thalwiesen und eine anmuthige, feierliche -Einsamkeit. Nach einem ziemlich langen Spaziergang kamen sie in den -Speisesaal zur versammelten Gesellschaft. Ferdinand traf einige Damen -und Fräulein, die er wohl sonst in Berlin gesehen hatte. Es überraschte -ihn seltsam, in diesem einsamen kleinen Orte Figuren wiederzufinden, die -er sich bis dahin nur in den großen erleuchteten Salons hatte denken -können. - -Hören Sie, sagte Walther zu Wachtel, den er bei Seite nahm, mit welchem -Enthusiasmus unser Freund wiederum von seinen berlinischen Freundinnen, -vorzüglich aber von der Familie aus Madlitz spricht. Er ist übermäßig -glücklich, daß er einige Dämchen getroffen hat, die doch einigermaßen, -wenn auch ungern, in das Lob seiner Schönheiten einstimmen; denn es ist -mehr als ungalant, man kann es unartig nennen, gegen junge Damen andere -abwesende in so hohen Tonarten zu loben. Bemerken Sie nur, wie alle -diese Badeschönheiten die zierlichen Lippen aufwerfen und die Näschen -rümpfen, wie sie so leicht und schonend diesen und jenen Tadel der -gefeierten Grazien einschlüpfen lassen, um der zu schmetternden Trompete -unsers Freundes einen kleinen Dämpfer aufzusetzen. Er ist nicht zu -entschuldigen, wenn er nicht dort, wie ich zu glauben Ursach habe, schon -versprochen ist. - -Bei Tische war man heiter, und nur Ferdinand, der es wohl fühlte, daß -die anwesenden Schönen nicht mit ihm zufrieden waren, verließ mit einem -kleinen Mißmuth den Saal. Er ging mit Wachtel und Walther auf den -Kirchhof des Ortes, um das Grab der Auguste Böhmer, der Stieftochter -Wilhelm Schlegels, aufzusuchen. Nicht ohne Thränen konnte er ihrer -gedenken, und sagte endlich: Wie schwach sind doch die Menschen, daß sie -nur selten das Lob eines vorzüglich begabten Menschen, sei er durch -Schönheit, sei er durch Geist ausgezeichnet, mit edler, wahrer -Theilnahme anhören können. Gleich glauben sie, es würde ihnen etwas -entzogen, oder man setze sie gar herab, und so eilen sie denn, sich in -Reihe und Glied zu stellen, was im Grunde lächerlich ist, weil sie -voraussetzen, man müsse sie ebenfalls zu jenen Hochbegabten rechnen. Von -den Verstorbenen ertragen sie schon eher die rühmliche Nachrede. Wie -traurig, daß das Andenken eines so schönen Wesens, wie diese Auguste -war, so schnell erlöschen muß. Diese natürliche Heiterkeit, der Frohsinn -dieses Mädchens, ihr unschuldiger Witz und sanfte Schalkheit, gepaart -mit Verstand und Geschmack, war in ihrer schönen Jugend eine zauberhafte -Erscheinung. Schlegel hat ihrem Andenken einige vorzüglich schöne -Trauergedichte gewidmet. Diese liebliche Erscheinung gehörte ebenfalls -zu der frohen, geistreichen Gesellschaft, von der ich neulich in so -starken Ausdrücken sprach, so wie die feine, geistreiche Mutter dieser -Auguste, eine höchst gebildete Frau, die jetzt die Gattin Schellings -ist. Diese Frau hatte ein so feines, geübtes Ohr, daß Schlegel sie bei -seinen Gedichten und Uebersetzungen zu Rathe zog, und sie entschied fast -immer, wenn er zwischen drei oder vier verschiedenen Lesearten ungewiß -war, welche er als die wohllautendste oder passendste wählen sollte. -Diese Frau, so wie die Gattin Hubers und noch wenige, gehörten ohne -Zweifel zu den frühesten und entschiedensten Bewunderern unsers Göthe; -viele der künftigen Literatoren werden es vielleicht nicht glauben -wollen, wie sehr edle und geistreiche Frauen in unserer deutschen -Literatur den Ausschlag gegeben haben. Als ich vor ungefähr zehn Jahren -Berlin wiedersah, war unter den vorzüglichsten der dortigen Frauen Das -längst ausgemacht, was Recensenten, Dichter und Gelehrte nicht begreifen -wollten, daß Göthe unser größter Nationaldichter sei, ein Poet in -wahrster und höchster Bedeutung, und daß die großen Talente, die -mitunter selbst im Einzelnen etwas Größeres als er leisten möchten, sich -doch mit der Großheit und Vollendung seines Wesens nicht messen dürften. -Die Mutter Auguste's reisete vor drei Jahren hieher, um die Bäder zu -brauchen, und mußte ihre schöne, liebenswürdige Tochter hier begraben -sehen. - -Am Abend gelangten sie noch bis Neustadt an der Sale. Die Formen der -Berge waren hart und rauh, Alles schien nördlich und unfreundlich. Die -Freunde waren zu verdrossen, um die Ruine, eine der ältesten, in der -Nähe der Stadt zu besteigen. - -Bei der Fortsetzung der Reise schalten sie am folgenden kalten Morgen -über die finstern, widerwärtigen Gestalten der Berge. Kurz vor Meiningen -liegt die Ruine Henneberg zwischen schönen Tannen. In Meiningen fragten -sie nach Jean Paul, der aber schon nach Franken gezogen. Durch schöne -Gegenden und Thäler fuhren sie nach Bad Liebenstein, dessen romantische -Lage sie wieder erfreute, und fanden hier ihren Freund Carl von -Hardenberg wieder, den ein jüngerer Bruder, Anton, begleitet hatte. - -Die schöne Gegend wurde am folgenden Tage durchstreift, die alte Burg, -die kräftigen Wälder, die grottenartigen Felsen besucht. Man speisete im -Freien unter schönen großen Bäumen, durch den Berg gegen Winde -geschützt. Am Nachmittage fuhr ein prächtiger Postzug mit vier schönen -Rappen vor, und die Freunde glaubten irgend einen Prinzen ankommen zu -sehen, als zu Walther's Erstaunen jener Freysing, den er vor zehn Jahren -in Erlangen gekannt hatte, aus dem Wagen springt, von seinen Bedienten -unterstützt. Sind Sie's wirklich? fragte Walther, und der Fremde eilte, -den lange nicht Gesehenen zu umarmen. - -Nachdem man sich begrüßt hatte, gingen Walther und Freysing zu einer -einsamen Stelle, ziemlich weit vom Bade entfernt. Es freut mich, fing -Walther an, Sie so wohlhabend und reich wiederzufinden; Sie müssen in -glücklichen Umständen leben. - -Glücklich? rief Freysing aus: Sie sehen den unglücklichsten Kerl auf -Erden vor sich! Reich? o ja, insofern ein Spieler sich so nennen kann. -Sie wissen um den sonderbaren Zufall, daß ich damals in Nürnberg jene -große Summe gewann, durch welche ich alle meine Gläubiger befriedigen -konnte. Statt nach meiner Heimath zurückzukehren und eine Bestimmung zu -suchen, ging ich mit den dreihundert Goldstücken, die mir noch übrig -waren, nach einem großen Badeorte, Wo hoch gespielt wurde, und gewann -wieder auf seltsame, unerhörte Weise. Ich war in dem Zaubernetz -gefangen, daß ich nur Karten dachte und träumte. War die Nacht schon -weit vorgerückt und ich übermüdet und demnach fieberhaft aufgereizt, so -war es, als wenn ein Dämon meine Finger in meiner Betäubung regiere, und -ich, so stumpf ich war, bestimmt wisse, welche Karte gewinnen müsse. Wer -es nicht selbst erlebt und diese quälende Lust an sich erfahren hat, hat -keinen Begriff davon, wie teuflisch wild, wie gräßlich heiter das Leben -eines Spielers ist. Ich war bald reich genug, selbst Bank zu halten. So -ist der grüne Tisch, Gold und Karten meine Heimath, mein Ein und Alles, -mir Frau und Kind und Religion und Natur. Ich habe keinen Sinn für -irgend was. Wenn meine Gehülfen schon in der Nacht kaum noch die Augen -aufzwingen können, fluche ich über mein verdammtes Geschäft, lege mich -betäubt und krank nieder, wandle umher, esse, und kann die Zeit nicht -erwarten, bis das Geklirr und Rauschen des Goldes auf dem grünen Tische -wieder anhebt. Ich stehe auf, um fünf- oder sechstausend reicher, und es -macht mir keine Freude; ich verliere ebensoviel, und es ist mir ganz -gleichgültig, und doch ist der verfluchte Gewinn der Sporn, welcher mich -stachelt. Wenn ich reise, so kommt oft, wie ferne Erinnerung aus Wald -und Fels, ein edles Gefühl auf mich zu, eine Wehmuth ergreift mich über -mein zerstörtes Leben, und ich entlaufe dem Gefühl im Pharo; oft schon -dachte ich, ein schönes, liebes Mädchen könne an meiner Seite mit mir -meines Reichthums genießen; aber plötzlich fallen mir die Fratzenbilder -der Kartendamen ein, und welche mir schon große Summen gewonnen, und -Leben und Schönheit erblaßt vor diesen Gespenstern. Meine Eltern sind -gestorben und ich habe sie nicht wiedergesehen. Wenn ich einmal Alles -verlieren sollte, so werde ich mir mit der größten Kaltblütigkeit eine -Kugel durch mein zerrüttetes Hirn jagen. - -Walther würde vielleicht von dem Wahnsinn und Elend seines ehemaligen -Freundes noch tiefer erschüttert worden seyn, wenn er nicht stets nach -der großen, wunderbaren Höhle geblickt hätte, in deren Nähe sie -wandelten, die jetzt verschlossen war, und die morgen, am Sonntage, -magisch erleuchtet werden sollte, zu welcher Festlichkeit sich viele -Menschen aus der Umgegend, sowie aus Meiningen versammelten. In dieser -Menschenmasse hoffte er denn morgen auch seinen Feind, den er so lange -schon vergeblich verfolgt hatte, sowie die schöne Maschinka, -anzutreffen. - - * * * * * - -Der Sonntag, der 24. Julius, war erschienen. Ferdinand begriff nicht, -weshalb Walther so feierlich sei; dieser, indem er jede Art von -Unterhaltung vermied, schien auf etwas gespannt, das sich im nächsten -Augenblicke erklären müsse. - -Ferdinand schien ebenso bewegt, und Wachtel beobachtete die beiden -Freunde, indem er zu sich selber sagte: Narren sind beide, das ist -gewiß, aber jeder nimmt einen aparten Anlauf, um vollständig thöricht zu -seyn. Der Ferdinand bereitet sich auf die Höhlenerleuchtung vor, wie auf -das Einweihungsfest eines Rosenkreuzers, und der Walther, der weit mehr -Baron ist, wird, so bärbeißig er auch jetzt thut, die Sache nachher als -Lappalie behandeln. Kürzlich soll der Pfarrer einmal in der Höhle -gepredigt haben, kann seyn, daß man nächstens ein Melodram, ein -Banditenstück, oder ein allegorisches, mit Erdgeistern drin spielt. - -Beim heitern Sonnenlicht ging man eine Stunde vor Mittag in die große -und von vielfachen Gängen durchschnittene Höhle, welche man erst seit -einigen Jahren entdeckt hatte. Schwebende Lampen erhellten von oben das -Gewölbe, versteckte Lichter, die unten und ungesehen brannten, -erleuchteten seltsam die Gänge, die bald höher, bald niedriger, bald -breiter oder enger sich durch die Räume zogen. Ferdinand war bezaubert, -Walther erstaunt und Wachtel geblendet. Unglaublich viele Menschen waren -in diesen unterirdischen Räumen versammelt und wogten hin und her, -redend, flüsternd, lachend, allerhand Dinge erzählend, und andere wieder -lallend bewundernd, oder bei jeder Beugung des Ganges staunende -Ausrufungen ausstoßend. Wahrlich, sagte Wachtel, wer sich hier ein -Liebchen herbestellen könnte, Oheim, oder Vater, oder Vormund zum Trotz, -der hätte ein Rendezvous, um nicht das dumme Stelldichein zu brauchen, -allhier, wie sonst in Europa kein zweites. Läuft nicht Alles wie Feen -und Geister so zwitschernd und flüsternd durcheinander? Und bei der -Geistercompagnie hört man nichts Bestimmtes, man vernimmt nur wie -unterirdische Chöre. Man sieht nicht deutlich, sondern ist nur -geblendet, bald ist es finster, bald zu hell, und der Widerschein von -den dunkeln Felsengruppen mischt sich wie ein Traum in jedes -Verständniß. Meine alte Muhme, sowie meine häusliche liebe Gattin -könnten mir hier zur Helena oder einem thessalischen Zauberbilde werden. -Stoßen Sie mich nicht so sehr mit dem Ellenbogen, mein Herr von Spuk; -zwar in der Unterwelt vergessen sich alle Höflichkeiten. - -Was der Freund hier im Gebiet der Phantasterei schwadronirt, sagte -Walther, doch horch -- still -- was ist das? -- - -Wundersame Musik von Waldhörnern klang herüber. Ein Chor von blasenden -Musikanten war oberhalb, ohne daß man sie sehen konnte, in einer -Felsennische aufgestellt. Immer wunderbarer! rief Walther aus. Mich -schwindelt! Und es war nicht unbegreiflich, da surrend, brummend, -flüsternd und halb leise sprechend so viele Gestalten vorübergingen, -sich begegnend, grüßend, andere geblendet und sich nicht kennend. -- - -Jetzt standen sie vor einem kleinen See. Ein Nachen fuhr von jenseit -herüber, und Ferdinand stieg hinein. Ein anderer Fremder drängte sich -hinzu, und Walther vernahm von einer weiblichen Stimme den leisen -Ausruf: Romeo! - -Walther machte die Bewegung, in den Kahn nachzusteigen, als dieser schon -abfuhr und sich in der Dämmerung entfernte. Bei dem ungewissen Licht -konnte er die Gestalten nicht mehr unterscheiden; ja, er war selber -ungewiß, ob sich Ferdinand auch unter jenen Gestalten befunden, die im -Dunkel schon ganz verschwunden waren. Er wendete sich rückwärts, um -Wachtel wieder aufzusuchen, der sich ihm im Getümmel verloren hatte, -aber er konnte, so sehr er sich bestrebte, Niemand genau erkennen, so -blendeten die vielfach zerstreuten und sich kreuzenden Lichter. -Sinnverwirrend war das Geflüster, und die hin und wieder fliehenden -Worte und Reden der Wandernden, die sich begegneten, kreuzten, suchten -und sich wieder verloren. Endlich sah er Wachteln und bat diesen, bei -ihm zu bleiben. Wachtel stellte sich neben ihn, und da die Musik der -Hörner jetzt wieder begann, so kehrten sie um, um die wunderbare -Harmonie näher zu hören. Können Sie es begreifen, sagte Wachtel, daß -unser Ferdinand die Höhle und dieses magische Schauspiel, welches doch -recht eigentlich für ihn eingerichtet zu seyn scheint, schon wieder -verlassen hat? - -Wie? rief Walther, ich hätte schwören wollen, ich habe ihn da hinten den -finstern Kahn besteigen sehn, um die stygische Flut zu überschiffen. - -Nein, sagte Wachtel, er ist unlängst mir vorbeigelaufen, um, wie er -sagte, zur alten Burg hinaufzusteigen, weil ihn dies Getümmel hier zu -sehr betäube. - -Man wird thöricht und verwirrt, erwiederte Walther, so wunderlich und -romantisch das Ganze auch angeordnet ist. - -Jetzt ließen sich einige polnische Reden in der Nähe vernehmen, und da -Walther der Sprache kundig war, so verstand er, daß zwei Männer ein -Frauenzimmer suchten, die mit einem Hauptmann in der Höhle spazieren -wandle. Jetzt war Walther überzeugt, diese wären Mitwissende und könnten -nur von der verlorenen Maschinka reden. Er hielt sich in der Nähe dieser -Fremden und verlor darüber seinen Freund Wachtel wieder aus dem -Gesichte. - -Die Polen wurden immer eifriger im Suchen, endlich sagte der eine in -seiner Sprache: ich fürchte nur, bei ihrer großen Reizbarkeit und -Nervenschwäche wird sie nach diesem sonderbaren Tage wieder auf lange -krank seyn. - -Doch, antwortete der Andere, übersteht sie oft Alles besser, als man es -fürchten muß, wenn sie ihre Imagination nur beschäftigen kann, und diese -findet doch hier des Spieles genug. Nur ruhen muß sie nachher. - -Ein lauter Ausruf entstand, indem man sich vorwärts bewegte, denn ein -Kind war gefallen, welches einige Damen liebkosend und tröstend -aufhoben. Indem glaubte Walther in der gedrängten Gruppe die Gestalt -Ferdinands wieder wahrzunehmen. Als er sich aus dem Gedränge freigemacht -hatte, waren, indem er umherblickte, die Polen seinem Auge wieder -entschwunden. Er eilte verwirrt nach einer andern Richtung und jetzt -glaubte er deutlich wahrzunehmen, daß Ferdinand in einiger Entfernung -vor ihm hergehe und ein schön gewachsenes, reich gekleidetes -Frauenzimmer am Arme führe. Er suchte in ihre Nähe zu kommen, und indem -er schon seinen Arm ausstreckte, um seinen Freund zu berühren, rief die -Stimme des Polen dicht hinter ihm: Maschinka! Jetzt sah er, daß -Derjenige, welcher die Dame führte, nicht Ferdinand sei, aber seine -Ahndung, hier Maschinka und ihren Entführer endlich zu treffen, war doch -in Erfüllung gegangen. Er packte also den Fremden ziemlich unsanft am -Arm und rief: Hier habe ich Sie also doch, nach vielen Mühungen, mit -Ihrer Maschinka entdeckt! Indem war der Pole mit einem Ausruf der -Verwunderung ebenfalls näher gekommen, und wie erstaunt und beschämt war -Walther, als er in dem Festgehaltenen seinen Reisegefährten Wachtel -erkannte und sich jetzt die Dame, eine hochbejahrte Frau, herumwendete. -Wie? mein Herr! fragte der Pole: Sie wagen es, meine Schwester zu -beleidigen? - -Keine Beleidigung, mein Herr, rief Walther, ich hielt die Dame und -diesen meinen Freund für ganz andere Wesen, und bitte, mir meinen -Irrthum und die Uebereilung zu verzeihen. - -Die alte Dame faßte jetzt den Arm des Bruders, indem sie sagte: Als ich -Dich verloren hatte und ziemlich ängstlich umherirrte, war dieser Herr -so gütig, sich meiner anzunehmen. Der Pole dankte Wachteln mit artigen -Worten und dieser erwiederte lachend: Es ist Nichts natürlicher, als daß -man in diesem unterirdischen Reiche der Phantasterei etwas confuse wird. - -Das Gedränge von Menschen, welches sich in dem engen Raume aus Neugier -versammelt hatte, lösete sich wieder auf, und Walther eilte jetzt -verdrossen und verstimmt aus der Höhle und Wachtel folgte ihm, um ihm im -Freien seine Klagen vorzutragen. - -Mein Theuerster, fing er, als sie im Felde standen, an, Sie haben -mitunter sonderbare Launen, die man nicht begreift. Was haben Sie mit -dem Namen Maschinka, daß er Sie immer so außer sich versetzt? Sie haben -mich so stark in meinen Arm gezwickt, als wenn Sie ihn mir zerbrechen -wollten, und in Ihrem Tone, mit dem Sie sprachen, lag etwas so Drohendes -und Beleidigendes, daß ich vorher recht böse auf Sie hätte werden mögen. - -Sie haben ja gehört, rief Walther unmuthig aus, daß ich mich geirrt, daß -ich Sie für wen ganz Andern nahm. Eine gewisse Maschinka ist eine -Bekannte von mir, eine junge Dame, ein Frauenzimmer, das ich kenne, eine -weitläufige Anverwandte, die ich gerne wiedersehen möchte, und die sich -wahrscheinlich im Auslande befindet, ein wohlgebildetes Fräulein, die -wohl vielleicht schon verheirathet ist, -- mit einem Worte, eine Dame, -die ich gerne wiedersehen möchte. - -Wachtel lachte laut auf und sagte dann: Ich danke für dieses herzliche -Vertrauen und diese offene Mittheilung. Er lachte wieder, und Walther, -dessen Verlegenheit sichtbar war, bat ihn, wieder ernsthaft zu seyn und -ihm zu vergeben, daß er ihm nicht mehr sagen könne. Haben Sie die -Gefälligkeit für mich, fügte er dann hinzu, unserm Ferdinand von dieser -lächerlichen Scene nichts zu erzählen. Genug, daß ich vor Ihnen und -jenen Fremden beschämt und verlegen gestanden habe, und daß Sie mich so -von Herzen auslachten, scheint mir Strafe genug. Versprechen Sie mir -das, denn ich bin in diesem Punkt vielleicht etwas zu empfindlich. - -Ich gebe Ihnen mein Wort, ihm kein Wort davon mitzutheilen, antwortete -Wachtel; aber auch gegen meinen Ferdinand sind Sie seit einiger Zeit -nicht mehr so herzlich, als Sie es im Anfange unserer Pilgerschaft -schienen. Wenn Sie auch in den meisten Dingen anderer Meinung sind, so -sollten Sie doch sein Gutes und seine Freundschaft für Sie anerkennen. - -Daß wir die meisten Dinge der Welt aus einem verschiedenen Standpunkte -ansehen, erwiederte Walther, macht mir ihn nur lieber, seine Schwärmerei -und sein Hang zum Aberglauben ist mir an ihm interessant; aber -- um -ganz aufrichtig zu seyn -- seit wir da oben auf dem Schlosse bei Bamberg -waren, in Glich, bin ich mißtrauisch gegen seinen Charakter geworden. -Wenn ich seine frommen Reden bedenke, wenn ich höre, wie sentimental er -von der Liebe spricht, wie verschämt er in Gesellschaft roher Menschen -thut, für einen Mann fast tadelnswürdig jungfrauenhaft, und denke dann -daran, wie er uns entlief und wieder zu dem schönen Mädchen nach dem -einsamen Saale hinaufeilte, so halte ich ihn für einen Lüstling, der -zugleich heuchelt und den Tugendhaften spielt. Mich wundert nur, daß -jenes schöne Kind, die Tochter des Försters, ihn sogleich erhören -konnte, wie es doch schien. Er erhält Briefe, die er verheimlicht, er -weicht uns oft aus und entfernt sich unter den nichtigsten Vorwänden; -hat er etwas Wichtiges zu verschweigen, so sollte er mir dies wenigstens -eingestehn; sind aber seine Heimlichkeiten immer kleine unerlaubte -Liebeshändel, so ist sein Charakter nicht so beschaffen, daß ich ihn zum -Freunde behalten möchte. - -Mein Herr, sagte Wachtel mit einiger Feierlichkeit, sind Sie etwa damals -in Glich auf unsern Freund gar nicht eifersüchtig gewesen? denn das -schöne Mädchen schien Ihnen auch zu gefallen. Was er liebt, wie er -liebt, wie orthodox oder heterodox, sentimental oder liberal er die -Sache betreibt, ob sein Herz nur Raum für einen Gegenstand hat, ob es -vielen zugleich Quartier geben kann, ob die eine seine Göttin ist und -andere nur Dienerinnen, oder Zerstreuerinnen seiner Melancholie, über -alles Dieses erlaube ich mir kein Urtheil und keinen Richterspruch, wenn -er mich nicht selbst in seine Geheimnisse einweiht. Aber er ist gut und -edel, darauf kenne ich ihn von Jugend auf. Geheimnißkrämerei ist immer -seine Liebhaberei gewesen. Und Sie sind ebenfalls geheimnißvoll gegen -ihn. Mir scheint, keiner weiß vom Andern etwas Bedeutendes, Zufall und -Laune haben Sie vereinigt, aber das Leben, die Verhältnisse eines Jeden -sind dem Andern verborgen. Ich kenne Ferdinand seit lange und bin -vertraut mit seinem früheren Leben, aber was seit zehn Jahren mit ihm -geworden ist, liegt für mich auch ganz im Dunkel. - -Walther reichte ihm die Hand und sagte: Sie haben nicht Unrecht; ich -hoffe, im Verlauf der Reise wird sich noch die Gelegenheit finden, daß -wir unsere Verhältnisse näher kennen, dann sollen Sie erfahren, warum -ich jetzt Ihnen so wenig als Ferdinand von meinen Verbindungen und -Absichten etwas vertrauen kann. - -Beim Badehause fanden Sie Ferdinand lesend unter den Bäumen, unter -welchen die lange Mittagstafel schon bereitet war. Ich konnte es in der -Höhle, sagte er, nicht aushalten, so beängstigte mich der Schimmer und -der Dunst der Lampen. Jetzt kamen die Gebrüder Hardenberg und nach und -nach versammelte sich die Tischgesellschaft. Der Herzog von Meiningen -speisete auch an der Table d'hote, und der Anblick der Landleute, die -sich versammelt hatten, und neugierig oben vom Hügel zwischen den grünen -Bäumen auf ihren Fürsten und die Fremden herniederschauten, alle diese -fröhlichen Gesichter von Alt und Jung machten einen sehr erfreulichen -Anblick. - -Nach Tische ließ sich der Fürst durch Hardenberg, den er schon längst -persönlich kannte, dessen Freunde vorstellen. Er sprach lange und -freundlich mit ihnen, indem er ungesucht vielfache Kenntnisse und eine -echte Bildung zeigte. Er war schlank, hatte blondes, fast graues Haar, -ein gealtertes Gesicht, in welchem der Ausdruck des Ernstes und der -Melancholie vorherrschte, das sich aber schnell in Freundlichkeit und -schalkhaften Ausdruck verwandeln konnte. - -Es war eine mittelmäßige Schauspielertruppe, die zuweilen in einem -kleinen Saale ihre Vorstellungen gab. Heut aber wurde in einem andern -Local ein Puppenspiel mit großen Marionetten aufgeführt; die übrigen -Freunde interessirten sich für diese Kinderei nicht, aber Ferdinand, der -dergleichen Seltsamkeit leidenschaftlich liebte, freute sich auf den -Genuß dieses Abends. - -Walther ging mit Hardenberg spazieren, Wachtel blieb im Badehause und -Ferdinand eilte dem Marionettentheater zu. Er zahlte für den ersten -Platz und drängte sich in den übervollen Saal. Bauern, Bauermädchen, -Bürger, Soldaten, Offiziere, Alles war so fest ineinandergeschoben, daß -sich weder Hand noch Fuß regen konnte. Ferdinand wollte seinen ersten -Platz gewinnen und bat, ihm Raum dahin zu gönnen, weil er meinte, er -befände sich noch auf der letzten und wohlfeilsten Stelle. Was ihm am -empfindlichsten auffiel, war, daß Tabaksdampf, der ihm verhaßt war, den -ganzen Saal anfüllte, denn Alles, bis auf die Bauernknechte, rauchte aus -größeren oder kleineren Pfeifenköpfen. Er hoffte, da hier Alles noch -stand, vorn zum Sitzen zu gelangen und sich aus den stinkenden Wolken zu -entfernen; vor ihm war ein Mann im grünen Ueberrock, welchen er anstieß -und höflich sagte: Machen Sie mir gefälligst etwas Raum, denn ich habe -für den Ersten Platz bezahlt. -- Ja, erwiederte der Mann, der aus einem -ungeheuern Meerschaumkopfe rauchte, das, mein guter Freund, haben wir -Alle, hier sind wir Alle gleich, wie im Paradiese. Indem Ferdinand etwas -näher gekommen war, erkannte er in diesem Sprechenden den Fürsten. Gewiß -war er also auf dem ersten und vornehmsten Platze und genoß der Ehre, -den Fürsten zu drängen und von ihm geklemmt zu werden. Von der früheren -Vorstellung und dem feinen Hof- und wissenschaftlichen Gespräch war in -dieser Atmosphäre nicht mehr die Rede, ja es wäre lächerlich gewesen, -sich darauf zu beziehen, denn der Herr erschien hier ganz verwandelt. -Ihn störten nicht die plumpsten und ungezogensten Späße seiner Umgebung, -manche Militairs trieben die Ausgelassenheit und den Scherz mit einigen -Bauerdirnen über jede Grenze, und diese Armen hatten Mühe, aus dem -Gedränge zu entkommen und das freie Feld wieder zu gewinnen. Als schon -manche von den Honoratioren sich entfernt, der Fürst selbst nach einiger -Zeit die Bude verließ, so zögerte auch Ferdinand nicht länger, im Wald -und auf dem Berge wieder eine reinere Luft zu athmen. - -Im Saale war Ball, in welchem Alle, die Theil nehmen wollten, ohne Gene -tanzten: Edelleute, Damen und Handlungsdiener; auch die Herzogin von -Hildburghausen war unter den Tanzenden und gütig und herablassend mit -Jedermann. In einem andern Saale wurde gespielt, und hier traf Walther -seinen Freund Freysing in seinem glänzenden Beruf. Die Bank, die dieser -aufgelegt hatte, war sehr ansehnlich. Walther sah nur zu, ohne -mitzuspielen. Er fand wieder, was ihn so oft entsetzt hatte, wenn er in -den Spielsälen stand, diese verzerrten Gesichter, die Habgier oder Wuth -und Verzweiflung ausdrückten, einige, die kalt und gleichgültig scheinen -wollten, waren todtenblaß, sie zwängten den Zorn und die Angst in sich -zurück. Freysing betrug sich wie ein König, nur etwas zu stolz, weil bei -seinen aufgethürmten Goldhaufen ihm der Satz der Pointirenden wohl zu -unbedeutend scheinen mochte. - -Walther hatte seit lange einen Mann beobachtet, welcher schon viele -Goldstücke verloren hatte und dem der kalte Todesschweiß über das -bleiche Antlitz in großen Tropfen rann. Er verließ oft ingrimmig und wie -verzweifelnd den Saal, ging draußen mit sich ringend auf und ab und kam -dann nach einiger Zeit zurück, nachdem er von Neuem Geld von seinem -Zimmer geholt hatte, welches er dann eben so schnell, wie die vorigen -Friedrichsd'or verlor. Er spielte so leidenschaftlich und wild, daß er -durchaus nicht die gehörige Aufmerksamkeit auf sein Spiel haben konnte. -Freysing beobachtete ihn sehr aufmerksam von seinem Sitze und schien nur -ungern die Goldstücke des Armen einzuziehen. Im Nebenzimmer erkundigte -sich Walther bei einem freundlichen Manne, wer dieser tollkühne Spieler -sei, und erfuhr, er sei ein Geschäftsmann aus Meiningen, der mit Frau -und einigen Kindern von einem mäßigen Gehalt leben müsse. Er habe sich -wohl verleiten lassen, seine Umstände verbessern zu wollen, der Verlust -setze ihn in Angst, und er suche, was er verloren wie mit Gewalt -wiederzugewinnen. Diese Leidenschaft, sagte der Erzählende, in welche -die Pointeurs immerdar gerathen, ist eigentlich das sicherste Capital -der Bank. Der arme Mann, der ansehnlich verloren hat, wird nun Schulden -machen müssen, er verliert seinen Namen, seine Familie darbt und er -endet vielleicht in Verzweiflung. - -Als Walther in den Spielsaal zurückging, kam ihm dieser Herr Anders mit -verzerrten Mienen der Todesverzweiflung entgegen. Er lief eilig aus dem -Hause und schien keinen der Anwesenden zu bemerken, die ihm mitleidig -oder auch wohl mit Hohn und Schadenfreude nachsahen. - -Er kam nicht wieder, und Walther war überzeugt, er habe Alles verloren. -So verging eine geraume Zeit, neue Spieler kamen, geplünderte entfernten -sich, doch vermehrte sich die Anzahl um den Spieltisch. Da trat jener -Anders wieder taumelnd herein, er schwankte umher und sein bleiches -Angesicht schaute den Spielenden mit gläsernen Augen über die Schultern. -Er biß sich auf die Lippen, als er einige Pointeurs bedeutende Summen -gewinnen sah. Plötzlich machte er sich Platz und schob den einen -Zuschauer mit Ungestüm zurück, indem er sich neben den erschreckten -Walther eilig hinstellte. Er griff hastig nach einer Karte und, ohne sie -fast zu betrachten, besetzte er sie mit einigen Goldstücken. Die -bleichen Lippen zitterten ihm, und sowie die Karte verlor, zuckte es wie -ein Blitz über sein Antlitz hin. Er schob mit krampfhaftem Zittern die -Goldstücke dem Bankier hin, und dieser, ihm einen scharfen Blick -zuwerfend, schleuderte sie wieder nach des Spielers Platz, indem er kalt -sagte: Führen Sie so die Nymphen auf der Gasse mit solchem Golde ab. Es -war eine Todtenstille im Saale, Walther fühlte sich einer Ohnmacht nahe. -Der Hausvater, der Geschäftsmann, die unauslöschliche Beschimpfung des -Aermsten, seine wahrscheinliche Verzweiflung, Alles dies ergriff ihn mit -ungeheurer Gewalt. Ein Moment, in welchem er vernichtet war, aber -schnell ermannte er sich und rief mit festem Tone dem Bankier zu: Herr -Bankier, Sie thun meinem Freunde, dem Herrn neben mir, sehr Unrecht; ich -habe ihm aus Versehen die Spielmarken statt der Goldstücke eingehändigt, -weil ich sie bei mir trug, ich bin mit ihm Moitié, und so zahle ich den -Verlust. Sie werden nicht glauben, daß ein solcher Irrthum ein -vorsätzlicher war, da Sie mich persönlich kennen. - -Freysing erhob sich von seinem Sitze, bückte sich sehr tief und sagte, -da er die Absicht seines Bekannten sogleich durchschaute: Mein Herr -Baron, ich bitte Sie und den Herrn, mit welchem Sie gemeinschaftlich -spielen, hiemit um Vergebung. Ich war im Unrecht, die geehrten Herren -mögen von der Güte seyn, meine Uebereilung, die ungeziemlich war, zu -vergessen. - -Walther hatte mit einem stummen Druck den beängstigten Anders neben sich -auf einen Stuhl niedergezogen. Er spielte jetzt und gewann binnen Kurzem -eine ansehnliche Summe, der Haufen Goldes, welcher vor ihm lag, wuchs -mit jeder Minute. Als dreihundert oder mehr Goldstücke gewonnen waren, -stand er auf und sagte höflich: Jetzt, Herr Anders, haben Sie die Güte, -mir zu folgen, daß wir uns berechnen können. - -Er führte den Zitternden und Erstaunten auf sein Zimmer und händigte ihm -hier die ganze Summe ein, indem er sagte: Hier, Sie Armer, Bethörter, -empfangen Sie, was ich in Ihrem Namen gewann, es ist, so viel ich habe -beobachten können, um ein Beträchtliches mehr, als Ihr Verlust. Richten -Sie sich ein, spielen Sie nicht wieder, Sie sehen, wie unglücklich man -werden kann. - -Mein Wohlthäter, sagte der Zerknirschte stammelnd, was Sie mir geben, -ist mehr als das Vierfache meines Verlustes. Es giebt Thaten, für die -jeder Dank zu klein ist. Sie retten meine Familie, meine Ehre, mein -Leben, denn ich mußte mich nach dieser Beschimpfung ermorden, wie ich -auch beschlossen hatte, wenn ich verlor. - -Mit Thränen entfernte sich der Beglückte und Walther begleitete ihn vor -das Haus. Wachtel, der im Alkoven Alles angehört hatte, sagte für sich: -Das ist bei alle dem ein kreuzbraver Kerl, dieser Walther! - -Walther ging in den Spielsaal und sagte in einer Pause heimlich zu -Freysing: Ich hätte Sie für großmüthiger gehalten, warum einen solchen -Elenden vernichten? - -Ich sollte es wohl seyn, erwiederte Jener, der Aerger übereilte mich. -Sie haben mir aber eine hübsche Lection gegeben, an welche ich bei einem -ähnlichen Falle denken werde. - - * * * * * - -In Gesellschaft Hardenberg's und dessen Bruders, sowie der Verwandten, -die sich in Liebenstein zusammengefunden hatten, oder die in der Nähe -wohnten, ging die Zeit gar anmuthig hin. Man erzählte viel -charakteristische Züge von den sonderbaren Launen des trefflichen -Fürsten; dabei aber verkannte man nicht, was er für die gute Einrichtung -dieses Bades, vorzüglich aber für die Wohlfahrt seines Ländchens gethan -hatte. - -An der heitern Mittagstafel, als die Freunde unter sich und keine Damen -zugegen waren, sagte Wachtel: Ich bin Euch noch schuldig, meine Freunde, -wie ich gestern Nachmittag meine Zeit hingebracht habe, zu berichten. -Ich mochte das Puppentheater so wenig wie den glänzenden Ball besuchen, -aber ich hatte erfahren, daß der berühmte Oberforstmeister Cramer von -Meiningen hieher in das Bad, aber nur für diesen Sonntag gekommen sei. -Wie Ferrara seinen Ariost und Tasso, Florenz seinen Dante, Leipzig -seinen Gottsched, Anspach seinen Utz und Weimar seinen Göthe hat, so -besitzt seit lange schon Meiningen seinen Cramer. Ich sah den Mann, er -ist groß, ziemlich corpulent, und sein Gesicht eins von denen, die das -Glück und die Auszeichnung haben, gar keinen Ausdruck zu besitzen. Diese -sogenannte Gutmüthigkeit oder Bonhommie, wie man dergleichen nennt, -welche nur die trivialste Alltäglichkeit ist, lockt jeden noch so -simpeln Dummkopf herbei, um sich ohne Aengstlichkeit in der Gegenwart -eines solchen harmlosen Autors ganz seiner Einfalt zu überlassen und den -berüchtigten Vetter Michel für den Vorsteher der Grazien zu halten. -Glücklicher Weise habe ich in früheren Jahren, weil ich ein unnützer -Bengel war, die meisten Romane dieses Cramer, vom Erasmus Schleicher bis -zum Paul Ysop, gelesen. Ich sah neben ihm einen Halbbekannten und -benutzte dies, um mich dem genialen Deutschen vorstellen zu lassen. Wir -setzten uns dann dorthin, vor dem Badehause, dem Geländer nahe, den -Blick auf die Landstraße gerichtet. Der große Mann hatte kein Arg -daraus, ob ich ihn auch für den Autor erkannte, für den ihn die -Abonnenten der Leihbibliotheken eine Zeitlang hielten. Ein schmaler, -schwindsüchtiger Medicus sagte: O Bruder Cramer, erinnerst Du Dich noch -unseres verewigten Freundes auf der Universität, des seligen Lange, mit -dem wir so manchen seligen Abend durchschwärmt haben? - -Wohl, sagte Cramer, indem er sein Glas erhob und der große Mund lächelnd -durch die Nähte der Pockennarben brach: das war ein großer Mensch! -Himmel, wie idealisch konnte er beim Sonnenaufgang oder in den -Frühlingsmonaten gestimmt seyn! Es war eine Wonne, mit der kräftigen -Menschheit des Kerls zu harmoniren. Viele von Klopstocks Oden wußte er -ganz auswendig; wenn er sie deklamirte, zitterte er vor Entzücken, wie -ein eingefangenes Rothkehlchen. Wir nannten ihn nur Selmar, -- und das -arme Vieh hat nachher so miserabel crepiren müssen! - -Wie so? fragten die Freunde, indem sie die Weingläser niedersetzten. - -Weil der Schwernothshund, sagte der Autor mit edelm Ingrimm, es nicht -lassen konnte, sich trotz seines Aufschwungs mit liederlichen Menschern -einzulassen. Das war nun einmal seine schwache Seite. Petrarch und -Laukhard, oder ein Anderer der Zunft, Bahrdt, oder wer es sei, war er in -demselben Augenblick. O seine zarte, himmlische Jenny! was das hohe -Wesen über diese zu weit getriebene Vielseitigkeit des hochgestimmten -Schwärmers gelitten hat! Die Creatur war doch wirklich so, als wenn ein -himmlischer Engel in dieses Erdenleben herabgestiegen wäre, um uns eine -Darstellung der hohen Flüge eines Plato im sterblichen Abbild zu geben. -Mehr als Sophronia und Clorinde des Tasso, höher als Werthers Lotte, -oder die Sophie des Fielding war sie so einzig, daß die Brutalität -selbst in ihrer Nähe zur Tugend wurde. Tausendschwernoth noch einmal! -Wenn sie so mit ihrem Inamorato dahinwalzte! Als den nun, wie Ihr wißt, -Freunde, an der schlechten Krankheit der Teufel so rein weggeholt hatte, -so gab sie endlich den Bitten des dünnbeinigen Assessors Gehör und -verheirathete sich mit der verfluchten Massette. Sie hatte aber schon -von ihrer ersten Liebe ein Kind gehabt, das sie heimlich erziehen ließ. -Der Junge bekam nachher das böse Wesen und verreckte im Hospital. Die -himmlische Laura ergab sich dem Branntwein und es war, wegen des Athems, -in den letzten Jahren nicht mehr bei ihr auszuhalten. So verwelken die -edelsten Blüten des Lebens. - -Und Alfonso, fragte der Schmächtige, jener aufgeklärte Theologe, er hieß -eigentlich Wackelbein, -- was ist aus dem geworden? - -Im Narrenhause, sagte Cramer, hat er an der Kette verendet. Er war zu -genialisch, und wollte immer Werther und Guelfo in den Zwillingen von -Klinger zugleich seyn. Als er in der Stadt lebte und der Superintendent -ihn zum Adjunctus in sein Haus nahm, hatte er seine höchste genialische -Zeit. Was er damals schrieb oder sagte, war classisch. Er selbst aber -immer besoffen. Das Schwärmen hätte ihn aber doch nicht so sehr daran -gehindert, daß der große Geist wäre in eine gute Stelle gesetzt worden; --- aber, wie nun sein schönstes Buch sollte gedruckt werden (eine -Nachahmung meines Erasmus, wo er zugleich den Bambino Klingers -hineingebracht hatte), kam es heraus, daß die Köchin im Hause von ihm -schwanger und die Kirchenkasse bestohlen, ja eigentlich ganz weggeraubt -sei. Von beiden war er der Thäter, und er konnte es nicht leugnen; schon -täglich besoffen, wurde er vom Kummer verrückt und fuhr so dahin. -- So -habe ich so manche echte Genies, die die Zierde unseres Vaterlandes -werden konnten, zum Teufel fahren sehen. Ich habe mich gehalten, so viel -ich auch erlebt, so viel ich auch erduldet habe. Der Dienst der Musen -ist kein leichter. Mit dem Teufel ist nicht zu spaßen. - -Ferdinand erzählte, wie schlimm es ihm in dem Marionettenspiel gegangen -sei, worauf Walther sagte: Sie haben also, meine Freunde, einmal recht -die deutscheste Deutschheit verkostet. Sonderbar, daß es noch immer -viele Gegenden und Gesellschaften giebt, wo ein solcher Ton für das -Herzliche und Biedere gilt. Bei diesen steht dann Grazie und Urbanität -als Heuchelei und Affektation im schlimmsten Verruf. Aus den Büchern, in -welchen der hiesige Ariost die Sitten edler und treuherziger Männer -geschildert hat, bildeten sich früherhin manche Studenten auf der -Universität, und aus diesen Reminiscenzen schrieben Manche wieder in -späteren Jahren Bücher in demselben Ton. Diese rohe Manier verliert sich -jetzt mehr und mehr bei unsern Landsleuten. - -Ich zweifle, fuhr Ferdinand fort, daß der Gebildete in irgend einem -andern Lande an dieser vorgeblichen Herzlichkeit, Biedertreue und -Ungeschlachtheit zu leiden hat. Dies Marionettenspiel selbst war eben so -schlecht, daß, wer nach diesem meine Vorliebe für diese groteske -Unterhaltung beurtheilen wollte, mir sehr Unrecht thäte. Es werden jetzt -ungefähr zehn Jahre seyn, als ich auf einer Reise durch den Harz in -Quedlinburg dieses wunderliche Drama zuerst entdeckte. Ich kann es wohl -eine Entdeckung nennen, denn es wich völlig von jenem Zeitvertreib der -gebräuchlichen Puppenspiele ab, und dieses, wie jene gewöhnlichen -dienten nur dem Volke zur Aufheiterung, und der Gebildete wendete sich -mit Verhöhnung ab. Diese Figuren, die ich jetzt kennen lernte, waren -ziemlich groß und wurden sehr geschickt durch eine künstliche Wage und -Gewichte regiert, die die Glieder in Bewegung setzten, indem die Fäden -an den Fingern der Dirigirenden hingen. Am künstlichsten aber war die -Figur des Lustigmachers oder des Casperle, wie er hier genannt wurde. -Nach einiger Zeit glaubte man ein wirkliches lebendes Wesen zu sehn; man -zweifelte nicht mehr an dem Mienenspiel und er machte mich so lachen, -wie ich es nur selten im Leben vermocht habe. Ich erkannte hieraus, wie -die Maske, wenn ein gutes Gedicht nur übrigens gut gespielt würde, gewiß -nicht die Täuschung stören oder aufheben könne. Am meisten aber -überraschten und interessirten mich die wunderbaren Stücke, die gespielt -wurden. Sie waren so originell, so großartig erfunden und so kühn -durchgeführt, daß ich sie mit keinen andern bekannten vergleichen -konnte. Der Don Juan z. B., den sie darstellten, wich sehr von jenem ab, -der nach dem Moliere und den Italienern gearbeitet ist. Nach einigen -Jahren sah ich mit Erstaunen, daß er nach dem eigentlichen Original des -Spaniers Tirso de Molina umgewandelt war. Von einem andern -Stücke entdeckte ich später, daß es ganz, aber so, wie dieses -Marionettentheater es brauchen konnte, nach einem höchst wunderbaren und -religiösen Schauspiel des Mira de Mescua gearbeitet sei. Eine »heilige -Dorothea« folgte ziemlich genau der Tragödie, welche die Engländer -Massinger und Decker über diesen Gegenstand gedichtet haben. Ich wollte -die Directoren der hölzernen Truppe schon damals bereden, in Berlin ihre -Künste zu zeigen, was sie aber jetzt noch nicht wagten, sondern erst -sieben oder acht Jahre nachher den Versuch machten und großen Beifall -fanden, vorzüglich bei den Freunden der ältern Poesie. Die Herren Dreher -und Schütz (diese waren die Dirigenten) erzählten mir, daß alle ihre -Manuscripte alt seien, daß sie noch viele besäßen, die sie aber niemals -darstellten, unter andern einen König Lear, der aber mit dem -weltbekannten Gedichte kaum eine Aehnlichkeit habe. Ich wollte sie -überreden, mir diese Gedichte zur Ansicht zu vertrauen, was sie aber -standhaft verweigerten, so wie sie auch von dem Rath nichts wissen -wollten, diese Sachen durch den Druck bekannt zu machen. Sie glaubten, -daß sie sich ihre Aufführungen dadurch verderben möchten. Ich wußte, daß -zu Shakspeare's Zeiten von einsichtigen Mechanikern eine neue Art war -erfunden worden, ziemlich große Marionetten künstlich in Bewegung zu -setzen. Die Spiele dieser Puppen machten Aufsehen und fanden großen -Beifall. Ben Jonson spottet selbst einmal darüber, daß dieses hölzerne -Theaterspiel Mode sei und von Manchem dem der Komödien vorgezogen werde. -Man gab die Schauspiele, die die populärsten waren, und gute Köpfe, die -gerade nichts Besseres zu thun hatten, arbeiteten für diese Bühne und -nahmen die besten Komödien berühmter Dichter, um sie für die Marionetten -abzukürzen und mit mehr Spaß und Tollheit auszustatten. Die Marionetten -zogen hierauf nach den Niederlanden, und in Brüssel und Antwerpen, wo -damals viele spanische Komödien gespielt wurden, nahmen sie von diesen -die beliebtesten und wunderbarsten in ihr Repertoir auf. Manchen, die -ich damals und später in Berlin sah, habe ich noch nicht auf die Spur -kommen können; sehr merkwürdig war die Geschichte eines Königssohnes, -der sich wahnsinnig stellte, aber nichts mit Hamlet gemein hatte. Der -verlorne Sohn ist nach einem alten englischen Schauspiel, und jener -landkundige Faust, der unserm großen Dichter in seiner Jugend wohl -zuerst den Anstoß zum wunderbarsten seiner Werke gab, ist im -Wesentlichen dem Faust des Marlow nachgebildet. Man kann dem Barocken -und toll Poetischen nur mit einer gewissen Leidenschaft sich hingeben, -eine ruhige kritische Billigung ist unpassend und dem Gegenstande nicht -angemessen; und so gestehe ich gern, daß ich damals diese mir noch neuen -Spiele vielleicht überschätzte, aber auch jene Menschen, die sich ganz -davon abwendeten, nicht tadeln konnte. -- Hier aber war von jenem -Poetischen, was mich damals so sehr erfreute, auch keine Spur mehr. Die -Marionetten waren schlecht und spielten ungeschickt, der Text war ganz -modern, aus Kotzebue und einigen beliebten Opern zusammengestoppelt, so -daß mich weder Publikum noch Theater auf lange fesseln konnte. Große, -wunderbare Verhältnisse, das Tolle, Phantastische und ganz Tragische -paßt nur für diese Volksbühne. - -Die Freunde genossen noch die schöne Gegend um Liebenstein, alle diese -reizenden Naturscenen, und nahmen dann von Wald und Berg und den -freundlichen Menschen, die sie hatten kennen lernen, Abschied. Carl von -Hardenberg begleitete sie noch bis Eisenach. Der Weg geht queer durch -den Thüringer Wald, und reizend liegt das Jagdschloß Wilhelmsthal mitten -in einem schönen Walde. Die Buchen hier und in der Umgegend sind von -herrlichem Wuchs. - -In Eisenach besuchte man die Wartburg und erinnerte sich des Gedichtes -von Friedrich Schlegel. Der Deutsche, bemerkte Ferdinand, hat immer noch -seine eigenthümliche Freude an der Herrlichkeit der Wälder; vor diesen -Ausblicken, die uns entzücken, graut dem Italiäner und die übrigen -Nationen empfinden doch schwerlich jenes heilige Grauen oder jene -feierlich andächtige Stimmung, die uns in Waldgebirgen oder im einsamen -dunkeln Forst ergreift. - -Hardenberg kehrte nach Liebenstein zurück, und von Altenburg schrieb -Ferdinand an seine Freundin Charlotte nach Berlin: - - Altenburg, den 1. August 1803. - -Kann man sich so ungewiß im Kreise drehen, wie ich es nun seit mehreren -Wochen gethan habe? Menschen betrachte ich und lerne sie kennen, Frauen -und Mädchen, Naturscenen gehn an mir vorüber, und nichts ergreift und -durchdringt mich so, wie es sollte, weil eine Leidenschaft, eine Unruhe, -eine unselige Melancholie mich allenthalben verfolgt. Ich habe die feste -Hoffnung, möchte ich doch fast sagen die sichere Aussicht, daß sich in -wenigen Tagen dieser Zustand ändern wird. Sie kennen mein Schicksal -nicht, und können es also auch nicht fassen, in welchem seltsamen -Räthsel ich mich umtreibe. - -Ich müßte mich sehr irren, oder mein Reisegefährte Walther wird von -einer ähnlichen Leidenschaft gequält, die er mir verheimlicht, -geflissentlich Alles umgeht, was auf eine Spur führen oder eine -vertrauliche Herzensergießung veranlassen könnte. Dieser Mann, der -anfangs so kalt und ruhig schien, verliert immer mehr jene sichere -Haltung, die den Gleichgültigen nur sich anzueignen möglich ist. - -Zuweilen erscheint mir das Leben grauenvoll, wenn es mir jene kalte, -gleichgültige Seite aufdeckt, die die Herzlosen für das wahre Antlitz, -und Jugend, Empfindung und Liebe nur für eine schöne Larve erklären. Als -wir in Würzburg waren, erinnerte ich mich einer Begebenheit, die mich -schon vor Jahren manche Thräne gekostet hat. Ein junger Edelmann lebte -hier, reich, gesund und schön, und mit dem schönsten Mädchen in der -Stadt versprochen. Die Vermählung war nahe, das Glück der Liebenden -beneidenswerth, als der Geliebte mit einem andern Offizier um eine -unbedeutende Kleinigkeit in Streit geräth und von dem rohen jungen Mann -so beschimpft und beleidigt wird, daß sich die Ehre des Gekränkten, nach -unsern Begriffen, nur durch ein Duell wiederherstellen läßt. - -Sie treffen sich im Walde und der Liebende hat das Unglück, seinen -Gegner zu erstechen. Die Flucht ist unvermeidlich, und die Anverwandten -des Erschlagenen, angesehene Familien, treiben es dahin, daß er mit -gerichtlicher Strenge verfolgt wird und in sein Vaterland nicht -zurückkommen darf. Er wagt es selbst nicht, unter seinem wahren Namen im -Auslande zu leben, er kann nur selten und auf Umwegen schreiben und noch -seltener kann er von seiner Familie oder seiner Braut etwas erfahren. So -vergehn einige Jahre. Seine schlimmsten Feinde sterben indeß, die andern -lassen sich versöhnen, und mit vieler Mühe wird ihm die Gnade des -Fürstbischofs ausgewirkt, nachdem dieser überzeugt ist, daß er zu jenem -unseligen Duell ist gezwungen worden. Er wirft sich, von frischer Jugend -beseelt, in den Wagen, einige Meilen vor Würzburg besteigt er ein -rasches Pferd, um noch früher in den Armen seiner Braut zu liegen. Schon -sieht er die altbekannte Stadt und begrüßt jubelnd ihre Tempel und -Paläste; sein Weg führt vor dem Kirchhofe vorbei, ein großer Zug, Alt -und Jung, bewegt sich aus der Stadt dahin. Er fragt einen -Vorübergehenden, wer die Leiche sei, und erfährt, seine Braut wird -beerdigt. Der lange Gram, dann die Freude habe sie so geschwächt, daß -ihr ermüdeter Körper dem Anfall eines Fiebers keine Lebenskraft mehr -entgegenstellen konnte. Betäubt, entsetzt, lebensüberdrüssig kehrt er -um, ohne seine Familie wiederzusehn. Er verläßt die Landstraße, irrt in -Wäldern umher und begiebt sich endlich nach Erfurt, um hier im Orden der -schweigsamen Karthäuser das Ordenskleid zu nehmen. Nun arbeitet er im -Garten und an seinem Grabe, spricht mit Niemand und antwortet seinen -Brüdern wie den Fremden nur mit dem trübseligen: ^Memento mori!^ -- Wie -oft war ich in Erfurt in diesem einsam liegenden Kloster, sah die -wandernden Brüder an, oder in der Kirche bei ihrem stillen -Gottesdienste, und gedachte dieser Geschichte. Jetzt komme ich mit -meinen Reisegefährten wieder nach Erfurt. Die Klöster sind alle -aufgehoben und Mönche und Nonnen von ihren Gelübden befreit. Ich finde -den jungen Prinzen W. wieder, der hier als preußischer Major in Garnison -steht, und er bittet uns bei sich zu Tische. Er spricht mir von diesem -Mönch, den er kennt, und sagt uns, er würde unser Tischgenosse seyn. Als -wir uns versammelt haben, tritt ein ältlicher Mann in bürgerlicher -Kleidung herein, der stattlich aussieht, dessen Embonpoint aber schon an -das Komische grenzt. Sein Gesicht ist nicht unedel, aber ganz -gewöhnlich, selbst unbedeutend, und der Ausdruck seiner Physiognomie ist -mehr jovial, als ernst, oder tiefsinnig. Ich konnte mich bei diesem -Anblick einer gewissen Verstimmung nicht erwehren. Er erzählte viel und -mit großer Redseligkeit; es schien, als wollte er für sein vieljähriges -Schweigen sich nun endlich wieder an mannichfaltigen und selbst -überflüssigen Worten eine Güte thun. Von seiner melancholischen -Jugendgeschichte redete er nicht, das wäre auch zu unangenehm gewesen; -aber wohl setzte er auseinander, wie die Diät des Klosters, selbst die -strenge, bei dem Mangel an Bewegung, den Körper anschwelle. Das Reiten, -besonders das schnelle, wollte ihm noch nicht recht zusagen, aber -dennoch sprach er mit wahrem Entzücken von den Exercitien der -preußischen Cavallerie, die er zu Pferde angesehn und gewissermaßen -mitgemacht habe; der Soldat, so fügte er hinzu, sei wieder mit allen -Kräften in ihm aufgewacht, und wenn er nicht zu alt geworden sei, würde -er sich mit Enthusiasmus diesem Stande widmen. Jetzt sei er -entschlossen, die wenigen Jahre seines Lebens hier in Erfurt, mit seinen -militärischen Freunden, deren er manche habe, zu verbringen und von -seiner kleinen Pension zu leben. Seine Familie sei ausgestorben, -Verwandte habe oder kenne er nicht, und die etwanigen Erben seines -kleinen väterlichen Vermögens wolle er nicht in Verlegenheit setzen, daß -sie den Argwohn faßten, er könne auf irgend etwas Ansprüche machen. -- - -Es ist verdrüßlich, wenn die mächtigsten Leidenschaften und wahrhaft -tragische Begebenheiten nicht mehr Spur im Menschen zurücklassen. Und -doch erscheine ich mir wieder in diesen Gefühlen unbillig und lieblos, -weil ich nicht wissen kann, was der Arme gelitten hat, und mit welcher -Scheu und Vorsicht er wohl immerdar vor dem Grabe seiner Jugend -vorübergeht. Sollte er seinen Schmerz und seine Erfahrung einer -gewöhnlichen frohen Tischgesellschaft mittheilen und das Edelste seines -Lebens entweihen? - -In Weimar war mir der Park, Göthe's Haus, alle Umgebung, wie heilig. Im -Garten, der allenthalben so lieblich und edel die dort dürftige Natur -verschönert und verdeckt, muß man bei jedem Schritte unsers Dichters -gedenken. Er war nicht zugegen, aber den Herzog trafen wir, als wir das -Schloß besichtigten. Der edle, geistreiche Fürst sprach lange mit uns -über verschiedenartige Gegenstände. Das Schloß ist von dem Baumeister -Genz, dem Bruder des politischen Schriftstellers, vortrefflich -eingerichtet; Alles hier ist mit Sinn angeordnet, und der große Saal, -für Feierlichkeiten bestimmt, erfreut besonders. Es war nicht leicht, -aus Dem, was der große Brand von dem Gebäude hatte stehn lassen, diese -zierliche und großartige Einrichtung herauszubringen. Von Friedrich -Tieck sieht man schöne Basreliefs und Figuren, zwar nur in Gips, aber so -gut ersonnen und ausgeführt, daß sie dem edeln Hause zum Schmuck -gereichen. - -Von Weimar begleitete uns ein junger Dichter, Thorbeck, dessen sich -Göthe und Schiller freundlichst angenommen hatten. Er rezitirte uns im -Wagen einige seiner Gedichte, in welchen ich nur zu sehr die Manier -unsers Schiller wiederfand. Die Verse schienen mir für einen Anfänger -fast zu gut. - -In Jena führte uns Wachtel zur Fromann'schen Familie, die ich früher -schon gekannt hatte. Den geistreichen Naturforscher Ritter fand ich -hier, so wie Clemens Brentano. Von Beiden, die ohne Zweifel große -Talente entwickeln können, muß man wünschen, daß sie sich nicht von -einer falschen Genialität blenden lassen. Eine bewußtvolle Originalität -ist keine; auch kann man dem jungen Dichter wohl allenthalben in seinen -Versuchen, wo er recht neu und seltsam zu seyn glaubt, die Stellen -nachweisen, die er nur nachgeahmt hat. -- - -Wann werde ich Sie wiedersehn? Unter welchen Umständen? Wo? - - * * * * * - -Von Altenburg begaben sich die Freunde nach Chemnitz. Walther schien -völlig verstimmt, und als sie im Gasthofe abgestiegen waren, verschloß -er sich in seinem Zimmer und ließ sich mit einer Unpäßlichkeit -entschuldigen, die ihn verhindere, zum Abendessen zu kommen. Wachtel, -der wohlgemuth war, ließ ihn gewähren und sagte nur zu Ferdinand: unser -Moralist fängt an, etwas langweilig zu werden, und weil es ihm nicht so -recht gelingen will, so wirft er sich in das verdrüßliche Fach; denn -glaube mir, Freund, wer was Rechtes in der Langeweile leisten will, der -muß schon früh, in der Jugend dazu thun, die Erziehung kann eigentlich -nur den besten Grund dazu legen, und wenn das Genie freilich angeboren -ist, so thun doch Ausbildung, Kunst, Uebung und tüchtige Vorbilder auch -das Ihrige. Auf dem halben Wege stehen bleiben, wie es unserm lieben -Walther begegnen kann, ist das Kläglichste. Ich habe Männer in dem Fache -gekannt, die eigentlich von der Natur die herrlichste Anlage hatten, -unausstehlich langweilig zu seyn; aber sie hatten das Unglück gehabt, -eine Zeitlang unter die Geistreichen zu gerathen, und der Zunftgeist -dieser Menschen hatte sich ihnen einigermaßen mitgetheilt, um sie zu -ruiniren. Sie hatten die Gabe, Anekdoten ohne Salz und ohne Spitze -breit, mit Parenthesen, sich wiederholend und sich widersprechend mit -der größten Verwirrung vorzutragen, und zwar solche Geschichten, die -jedes Kind schon weiß; aber demungeachtet waren ihnen, wie Fliegen in -alten Spinnweben, einige gute Einfälle und Gedanken hängen geblieben, -die demnach, wenn auch schlecht vorgetragen, das Kunstwerk ihres -miserablen Vortrages hinderten, ein Vollendetes zu werden. Der rechte -Virtuose müßte es dahin bringen können, einen heftigen, ungeduldigen und -dabei verständigen Menschen geradezu umzubringen. Kann das durch Schreck -geschehn, sind Menschen am Lachen oder an der Freude verschieden, so -wäre es wohl der Mühe werth, einmal einen Künstler heranzubilden, den -ein eifersüchtiger Fürst oder Minister nur auf diesen und jenen -Verdächtigen oder Verhaßten loszulassen brauchte, um dem guten Kopf, -welcher sich dem Wohl des Vaterlandes nicht fügen will, den Garaus zu -machen. Was unsre löblichen Kanzelredner leisten, was Theater- oder -religiöse und moralische Dichter thun, die Familiengemälde, viele -Romanciers, das ist alles nur Bagatell. Bis zum Uebelwerden, selbst -Erbrechen können es Gutmeinende bringen; was ist das aber gegen die -Wirkung der Leidenschaften, der Elemente oder des Krieges? Wie oft hat -man Gefangene, denen man übel wollte, molestirt und torquirt, -Grausamkeiten mit spitzfindigem Grübeln ersonnen, -- bildeten Staaten -und Schulen aber mehr jene wahrhaften Langweiligen aus, von denen das -Ideal meiner regen Phantasie vorschwebt, so könnte das Unerhörte -geleistet werden. - -Hüte Dich nur, sagte Ferdinand lächelnd, nicht selbst ein Pfuscher in -diesem Handwerke zu werden. Es steht keinem an der Stirne geschrieben, -wie er einst im Alter endigen werde. - -Am folgenden Morgen trat Walther mit einer gewissen Feierlichkeit bei -den Freunden zum Frühstück ein. Ich habe eine schlechte Nacht gehabt, -begann er dann, weil ich mich schäme, Euch etwas vorzutragen, das ich -Euch doch mittheilen muß. Wir sind hier in einer kleinen Stadt, die -nicht ohne Anmuth ist, aber wir würden doch nicht eben Ursach haben, -lange hier zu verweilen, da wir so mancher viel merkwürdigern nur einige -Stunden geschenkt haben, -- und doch begreife ich noch nicht, wie wir -sobald von hier wegkommen wollen. - -Wie käme denn das? rief Wachtel aus. Welcher Zauber sollte uns denn hier -bannen können? - -Der die ganze Welt bannt und fesselt, antwortete Walther. Ich habe die -Reisekasse geführt und mich mit Euch berechnet, in Meiningen gabt Ihr -mir, was Ihr noch bei Euch trugt, und es war mehr als reichlich, um nach -Dresden, Berlin, Hamburg oder wohin wir noch streben mochten, zu -gelangen. In Liebenstein spielte ich und gewann für einen Unglücklichen, -der ohne meine Dazwischenkunft verloren war -- - -Sie haben sich herrlich gegen ihn benommen, rief Wachtel aus, und ich -hörte auch noch die vortrefflichen Ermahnungen, die Sie dem Spieler -gaben. - -Ich hätte sie selber nur zu gut brauchen können, antwortete Walther. -Seit vielen Jahren hatte ich nicht gespielt, nun ging es mir wie dem -gezähmten Löwen, wenn er wieder einmal Blut kostet. Unmittelbar nach -jenen moralischen Reden begab ich mich wieder an den Spieltisch und -verlor, bis auf eine Kleinigkeit, Alles, was mir gehörte, und auch Euer -Eigenthum. Ihr werdet bemerkt haben, wie knapp und ängstlich ich seitdem -auf der Reise war, weil ich hoffte, mindestens bis Dresden auszureichen; -gestern Abend gab ich unserm Fuhrmann als Trinkgeld das Letzte. Wir Alle -führen keine Creditbriefe mit uns, weil die baare Summe übergenug war; -so stehe ich denn hier, beschämt wie ein Schulknabe, vor Euch, und -begreife jetzt selbst nicht, wie der Aberwitz mich ergriff, unser -Vermögen zu verschleudern. In Dresden, so hoffe ich, können wir uns -wieder helfen; aber wie die wenigen Meilen dahin zurücklegen? Sollten -wir uns so beschimpfen, Uhren oder Ringe hier zu versetzen? Freysing hat -mich in Liebenstein tüchtig ausgelacht, daß ich ihm solche Summe noch -zugewendet habe. - -Am klügsten und kürzesten ist es, rief Wachtel aus, daß ich mich so -schnell als möglich nach Dresden hinstümpere, dort habe ich -Bekanntschaft und Credit, ich schicke alsbald das Nöthige her, Ihr -unterhaltet Euch indessen hier, so gut Ihr könnt, und wir treffen uns in -Dresden wieder, wo Sie dann, Freund Walther, sich wieder in Baarschaft -setzen können, um mir und Ferdinand Das wieder zu geben, was Sie uns -schuldig geworden sind. - -Als Walther das beschämende Geständniß überstanden hatte, lachte er mit -den Uebrigen recht herzlich über seine Unbesonnenheit. Man ließ sogleich -einen Fuhrmann der Stadt kommen, und Wachtel bat sich aus, das Geschäft -mit diesem allein abzumachen. Der Mann kam und Wachtel fragte ihn: ob er -im Stande sei, ihn noch an diesem Tage nach Dresden zu schaffen, ihn -allein mit einem kleinen Gepäck. Der Fuhrmann sah dem Fragenden ins -Gesicht, schaute dann an die Decke, hierauf zum Boden nieder, als wenn -die Beantwortung dieser Frage viel Nachdenken und Grübeln erforderte. Es -ginge zur Noth wohl, sagte er mit langer Verzögerung, wir haben noch -lange Tage, meine Pferde sind gut, die Last nicht schwer. -- Und wie -viel verlangt Ihr, Mann? -- Ja, sagte jener, wenn nur die Ernte nicht -wäre, und das Vieh ist jetzt auch nicht so, wie späterhin, und das -Futter ist jetzt theuer; unter sechs Speciesthalern kann ich es nicht -thun. -- Aber ich kann sogleich abfahren? -- Gefressen haben die Pferde, -erwiederte der Kutscher, also hat es keinen Anstand. -- So macht Euch -fertig, Freund, ich setze mich gleich ein, Eure Forderung ist nicht -unbillig, auch verlange ich Euern Schaden nicht, und verspreche Euch, -wenn Ihr mich zeitig nach Dresden hinschafft, sieben Species, außer -Euerm Trinkgelde. So kann ich Ihre Geschäfte, Herr Baron und Herr Graf -(indem er sich mit der höflichsten Verbeugung an seine Reisegefährten -wendete), gleich morgen früh besorgen, und wenn Sie mir in einem oder -zweien Tagen nachfolgen, so treffen Sie Ihren ergebensten Diener im -goldenen Engel. Nur eins noch, mein guter Fuhrmann, bedinge ich mir aus, -daß Ihr Chaussee und dergleichen Alles, auch was ich im Gasthofe -bedürfen möchte, auslegt, weil es mir unerträglich ist, mich mit Zoll -und Geleit und Kellnern und Wirthschaft einzulassen, und daß Ihr mir -morgen in Dresden Alles genau und gewissenhaft berechnet. Und so geht -denn, Freund, und spannt an. - -Der Fuhrmann entfernte sich in Demuth und zufrieden, und Wachtel sagte -lachend: ich habe Dich, lieber Ferdinand, zum Grafen erhöht, um seine -Auslagen leichter zu erlangen. Zum Glück geht die Reise nicht weit, es -bedarf keiner großen Summe, und ich bin in Dresden meiner Bekanntschaft -gewiß. - -So reisete Wachtel ab, indem er sich noch einmal, beim Einsteigen, der -Gewogenheit des Herrn Grafen und Barons empfahl. Wir können nun rechnen, -sagte Walther, wenigstens noch zwei Tage in dieser kleinen Stadt bleiben -zu müssen; heut Abend kommt unser Wachtel in Dresden an, ein Tag geht -wenigstens hin, bis das Geld hieher kommt und vielleicht, wenn er es -nicht durch den Fuhrmann senden will, währt es noch länger. Wir müssen -also sehn, wie wir uns hier ergötzen. - -Sie gingen aus, um die Stadt und Gegend näher kennen zu lernen. Nach -ihrem Spaziergange trafen sie auf ein Haus, in welchem Bücher verliehen -wurden, und Ferdinand nahm einige, deren Titel ihn anlockten, mit nach -dem Gasthof. Sie blätterten in den Erzählungen, lasen abwechselnd -einiges laut, und warfen sie dann verdrüßlich hin. Ist es nicht -sonderbar, daß die Deutschen, welche so viel schreiben, immer noch nicht -lernen (wenige Autoren abgerechnet), wie man eine Erzählung vortragen -kann und soll? Gelingt es auch hie und da Diesem und Jenem, uns ein -Interesse abzugewinnen, so trägt er uns gleich darauf Dinge vor, die -nicht zur Sache gehören, die uns nichts angehn, und verschweigt im -Gegentheil, worauf wir neugierig sind. So lernen es die wenigsten, sich -der Form, selbst der leichtesten, zu bemächtigen, und schwanken ungewiß -und unsicher hin und her, nirgend festen Fuß fassend, weitschweifig zur -Ermüdung, und doch, wie Cervantes sagt, das Beste im Dintenfasse -lassend. - -Wir können bemerken, erwiederte Ferdinand, daß das Beste, was bei uns -erscheint, indem es Mode wird, alsbald zur Nachahmung dient und sich -tausendfältig schwächer und immer schwächer wiederholt; aber diese -Scribenten, die ihr Vorbild verwässern, studiren nicht dessen Tugenden, -oder machen sich klar, wodurch es vortrefflich ist, sondern sie -bemächtigen sich nur obenhin der Manier und hängen an den -Zufälligkeiten. Andre Modeschriftsteller ergreifen den rohen Stoff, -sprechen Gesinnungen aus, die gerade an der Tagesordnung sind, heute -Frivolität, morgen Pietismus, bald Patriotismus, bald Rebellion, Haß -gegen die Obrigkeit oder süß frömmelnde Liebe, dann wieder Rohheit -gemeiner Wachstuben, die sie uns für Rittersinn verkaufen, oder -Gespenstergrauen, wenn nicht Familien der Landprediger sammt Liebe und -Sehnsucht, die sich schon in den Kindern entwickeln. Es haftet und -dauert von allen diesen schlechten Manieren keine, aber eine jede läßt -ihre schlimmen Folgen zurück. So ist die Masse des Volkes, welches sich -jetzt gern das gebildetste in Europa nennen hört, in Ansehung seiner -Modelectüre ohne Zweifel das roheste von allen. - -Wie entzückt Denjenigen, welcher zu lesen versteht, fuhr Walther fort, -jede, auch die kleinste Novelle des Boccaz, des feinen Cervantes gar -nicht einmal zu erwähnen. Aber auch die ruhige Klarheit eines Sacchetti -erfreut, und fast jeder Italiener der früheren Zeit weiß die Sache, die -er mittheilen will, geschickt vorzutragen. Und so können uns leicht und -heiter aufgefaßte Geschichten ergötzen, die sonst gar keinen Inhalt -haben, und manches in dieser Art haben die Franzosen auch sehr glücklich -geleistet. - -Man sollte vielleicht aus unsrer komischen Geldnoth, sagte Ferdinand, -die uns hier zu bleiben zwingt, eine heitere Novelle bilden können. Zwei -Reisende treffen zum Beispiel in einem Gasthofe von verschiedenen -Gegenden her zusammen, sie beleidigen sich, und doch zwingt sie die -Noth, daß einer sich dem andern eröffnet, um Hülfe von ihm zu begehren; -nun erfährt jeder vom andern, warum sie sich nicht beistehn können, und -wie jeder von ihnen in diese lächerliche Verlegenheit gerathen ist. - -Recht, rief Walther aus, der eine kann, zum Beispiel, ein Mädchen -entführt haben, sie wartet auf ihn in einer gewissen Entfernung, wohin -sie ihn bestellt hat, und er kann nun durchaus nicht zu ihr, weil es ihm -am Gelde mangelt. - -Nicht übel, sagte Ferdinand, doch geriethen wir da vielleicht zu sehr in -das Sentimentale. Könnten die beiden Fremden nicht Verwandte seyn, aus -verschiedenen Ländern, die sich gegenseitig aufgesucht haben, und die -jetzt ein läppischer Zwist daran hindert, sich einander zu erkennen, da -sie unter erborgten Namen reisen? Es könnte so weit kommen, daß sie sich -forderten, daß man alle Mühe anwenden müßte, um Diejenigen, die sich -liebend seit lange suchen, vom mörderischen Kampfe abzuhalten. - -Das würde mir darum nicht gefallen, sagte Walther mit verdrüßlicher -Miene, weil es an die Komödie der Irrungen und an andre Geschichten, die -auf ähnliche Art verwickelt sind, erinnert. Aber, fuhr er heitrer fort, -bearbeiten wir jeder auf unserm Zimmer heute und morgen, da wir doch -nichts anders zu thun haben, diesen Gegenstand und lesen wir uns morgen -Abend unsre Productionen vor. - -Es sei! rief Ferdinand mit Lebhaftigkeit aus, nur Schade, daß wir keinen -Schiedsrichter haben, der einem von uns den Preis ertheilen möchte. - -Jeder begab sich auf sein Zimmer, und Ferdinand, um sich zu zerstreuen, -schrieb mit Laune und Heiterkeit, obgleich er nicht unterlassen konnte, -einige Umstände aus seiner eigenen Geschichte einzuflechten. Die Aufgabe -interessirte ihn dadurch so sehr, daß er unvermerkt dieses und jenes der -Erzählung hinzufügte, was er um keinen Preis seinem Freunde erzählt -haben würde. Er meinte aber, so vermischt mit der Erdichtung würde sich -die Wahrheit als eine solche nicht verkündigen. Walther gab seiner -Erzählung einen ernsteren Inhalt; aber sowie er fortfuhr, kam ungesucht -die Aufgabe in die Geschichte, die ihn selbst auf die Reise getrieben -hatte, nehmlich der Wunsch, einen Gegner, der, nach seiner Meinung, -Strafe verdiene, aufzufinden; nur machte er aus diesem Gegner einen -Nebenbuhler, damit sich die Fabel mehr runden möchte. - -So waren die Freunde zwei Tage beschäftiget und kamen sehr heiter und -mit sich selbst zufrieden zum Abendessen zusammen. Nachdem sie gesättigt -waren, holten sie ihre Manuscripte und Walther sagte: Sie, von welchem -der Gedanke unsrer Schriftstellerei ausging, müssen Ihre Novelle auch -zuerst vortragen, damit die meinige alsdann beschließen könne, und -morgen, nachdem wir geschlafen haben, soll jeder des andern Versuch -kritisch prüfen und scharf untersuchen. - -Ferdinand zog den Tisch, nachdem Alles entfernt war, an sich und fing -an: _Der Taube von Benevent, Novelle_. -- Wie? rief Walther; ich muß -mich sogleich als Rezensent melden und Einspruch thun, denn dieser Titel -schon scheint mir gegen unsre Abrede zu seyn. Ich bildete mir ein, die -Scene müsse nach Deutschland verlegt werden, und darum habe ich meine -Erzählung genannt: _Der Weltentdecker in Verlegenheit_. - -Auch sonderbar genug, sagte Ferdinand, hinter dem Titel sollte kein -Mensch die verabredete Aufgabe suchen. - -Doch, sagte Walther, ein Reisender, der schon die halbe Welt -durchstrichen ist, der immer etwas Neues sieht und sucht, und sich nicht -wenig damit weiß, für Alles Rath zu schaffen und die Menschen zu kennen, -muß, wie Sie sehn werden, in dem elenden Wirthshause eines kleinen -Städtchens lange kleben bleiben, und verliert so die wichtigsten -Vortheile seiner Reise, ja gewissermaßen das Glück seines Lebens. Doch -ich störe Sie und halte Sie auf. - -Ferdinand begann: Es war nicht lange nach jenem berühmten Erdbeben in -Calabrien, welches so viele Orte zerstört hatte, daß -- -- - -Hier entstand ein lautes Sprechen draußen, und ein Klopfen an der Thür, -und der Genius des Verfassers, oder der Zufall wollte nicht, daß -Ferdinand jetzt seine Erzählung weiter vortragen sollte. Der Fuhrmann -kam nehmlich zurück und händigte den Freunden ein großes Paket ein. Der -Herr, sagte er, der gestern mit mir fortreisete, hat mir gleich heut -Morgen dieses vielfach versiegelte Schreiben eingehändigt und mir auf -meine Seele befohlen, gleich, gleich zurückzueilen, und es ja noch heut -Abend, wenn ich auch spät ankommen sollte, in Ihre Hände zu überliefern. -Und da mich der wackre Herr sehr gut und über meine Erwartung belohnt -hat, so schien es mir eine Gewissenssache, seine Befehle prompt und -schnell auszurichten. Ich habe daher auch auf keine Retourgesellschaft -gewartet, sondern mich eilig aufgemacht, um nicht zu spät anzukommen. - -Walther beschied ihn auf morgen, wenn auch nicht sehr zeitig, damit die -Pferde ausruhen könnten, überzählte, als sie allein waren, die Summe, -welche Wachtel in Gold überschickt hatte, und las alsdann den Brief des -Freundes vor: - -Hiebei das Nöthige, gleich durch den Kutscher, weil die Post es -sechsunddreißig Stunden später würde abgeliefert haben. Aber zugleich -muß ich Euch melden, daß Ihr mich in Dresden nicht mehr treffen werdet, -denn sowie ich diesen Brief geendigt habe, springe ich mit gleichen -Beinen in eine schon bestellte Kalesche, und fahre nach Guben, um meinen -umirrenden Ritterzug zu endigen. Glaubt Ihr denn, Ihr von mir -leidenschaftlich Geliebteste, daß Ihr niemals langweilig seid? ^Anzi, -pur troppo^, wie wir Italianisirten zu sagen pflegen. Sapperment noch -einmal! Ihr vergeßt es ja immerdar, daß ich, wenn ich mich recht -besinne, ein zärtlicher Gatte bin. Soll ich meine Liebe denn ganz -vernachlässigen und so in der öden, weiten Welt herumrasen? Wer freilich -so ledern ist, wie Ihr Beide, so ganz ohne Liebessehnsucht, wessen Herz -niemals im Enthusiasmus überschwillt, kurz, wer so nur der Gegenwart und -dem flüchtigen Augenblick lebt, wie Ihr, Nächte am Spieltische -vergeudet, jungen hübschen Mädchen in allen Ruinen nachläuft, oder wie -ein Deserteur auf dem hölzernen Esel stundenlang in der russischen -Drehmaschine unverwandt und stieren Blicks die dürren Bretter einer -hölzernen Bude anschauen kann, -- solche Leute sind für Schwärmer, wie -ich einer bin, eine zu trockne Gesellschaft. Mein pochendes Herz treibt -mich zu meiner Gattin, die gewiß bei jedem Kloß, den sie einrührt, -dieses meines Herzens gedenkt. Und dann, -- hat das Vaterland, -- meine -Vaterstadt -- keine Rechte, keine Forderungen an mich? Man verliert in -dieser Kosmopoliterei allen Sinn für das Einheimische, selbst Heimische -und Heimelnde; und wenn Ihr auch heimlich gegen mich wart, und Jeder von -Euch seine Heimlichkeiten vor dem Andern hat, so ist mein heimelndes -Heimathgefühl, mein Heimweh, viel edlerer Natur. Wenn ich so bei den -Sägemühlen die frischgeschnittenen Kienbretter roch, -- ha, alle Reize -meines Guben standen vor mir. Wenn ich den Streusand über ein -beschriebenes Blatt spritzte, so war mir Das, was der Kuhreigen dem -biedern Schweizer ist. Kleinstädtisch, voll armseliger Rücksichten wurde -ich auch in Eurer Gesellschaft; wenn ich mich einmal aufschwingen wollte -auf den Adlersfittigen meiner Begeisterung, -- was habe ich von den -kleinartigen, niemals nach vollen Zügen durstigen Seelen aushalten -müssen! Von der Hippokrene, oder dem musenberauschenden Quell des -Parnassus soll der Mensch gar nicht, oder recht tief, voll, in den -mächtigsten Wogen trinken; so sprechen die weisen Alten. Man sei völlig -nüchtern, -- oder -- nun ja, was? Ihr würdet als Plebejer vielleicht von -knüppel- oder hageldick, oder was die guten Deutschen sonst noch -kümmeltürkenartig an den schändlichen Ausdruck »besoffen« anknüpfen, -sprechen: Sieben ist die böse, aber auch die heilige Zahl, und ein alter -Jäger hier sagt von einem so Begeisterten: er sei halb Sieben. -- Herr -Walther kann mir also das Geld, welches er mir noch schuldig ist, nach -meiner geliebten Vaterstadt senden. Vielleicht besucht mich derselbe -hohe Mann, sowie der Crucifix- und Nepomuksjäger, der zarte -katholisirende Ferdinand dort. Wenn derselbe einmal mit christlichem -Legendencostüm als ein Wegweiser ausgehauen und mit Grün und Gold -angemalt an die Landstraße gestellt würde, hätte er seine Harmodius- und -Aristogiton-Statue und Vergötterung verdient und erreicht. Seh ich Euch, -Freunde, in diesem sterbenden Leben oder in dieser lebenden -Sterblichkeit noch einmal wieder, so wird es mir immer, so viel ich auch -höher strebe, einige, wenn auch nicht die größte Freude gewähren. - - Wachtel. - -Dresden, den 9. August 1803. - -Nachdem dieser Brief gelesen war, fragte Ferdinand, ob er jetzt in -seinem Manuscripte fortfahren solle; doch Walther, der noch mit dem -Briefe beschäftigt schien, war sehr zerstreut und verstimmt, sodaß er -kurz aufbrach, ein Licht nahm und seinem Gefährten eine gute Nacht -wünschte. Als Walther allein war, las er für sich das Postscript noch -einmal aufmerksam, welches so lautete: -- Indem ich hier im Engel alles -Dies abfertige, drängt sich ein junger Herr in mein Zimmer, derselbe -Herr von Bärwald, den wir in der Kirche zu Graupen zu bewundern -Gelegenheit hatten, und zwingt mir noch diesen versiegelten Zettel für -den Herrn Walther auf. Er meint, der Inhalt sei für Sie von der -allergrößten Wichtigkeit. - -»In Dresden werde ich die Ehre haben, Sie zu sehn, und Sie werden auch -Denjenigen kennen lernen, welcher Ihnen einliegendes Blatt sendet.« - -Das versiegelte Blatt enthielt folgende Worte: »Den Entführer, welchen -Sie suchen, können Sie nur den vierzehnten August bei, oder in Guben -treffen, wenn Sie ihn im Hause des Herrn Wachtel erfragen wollen, wo -alsdann die sichere Nachricht, wo sich dieser Herr von Linden aufhält, -Sie erreichen soll.« - -Sonderbar! sagte Walther zu sich selbst, also dort soll ich den Elenden -nun antreffen, von wo gewissermaßen mein Umstreifen in diesen deutschen -Provinzen begann? Und -- kann ich es mir verleugnen? -- jetzt, nach -Monaten erscheint mir die Ahndung seiner That und die Bestrafung dieses -Mannes nicht mehr so nothwendig, wie damals, als ich mich zu diesem -Geschäfte drängte. Scheint es doch auch, daß mein Vetter in Warschau -sich längst getröstet hat; indessen habe ich mich einmal damit -eingelassen und mich dazu verpflichtet, sodaß die kühlere Ueberlegung zu -spät kommt. Und ist die schöne Maschinka am Ende mit diesem Entführer -glücklich, so möchte ich mich jetzt fragen, was diese Leiden und Freuden -mich eigentlich angehn, da die Verwandten des Mädchens, wenn doch einmal -etwas geschehn sollte, Jenen verfolgen und zur Rechenschaft ziehn -konnten. Sie haben nicht weniger Muße dazu, als ich. Nun wird also doch -zum Beschluß meiner Reise eintreffen, was nach meiner Meinung am Anfange -geschehn sollte. - -Nachdem man am andern Morgen mit dem Gastwirth die Rechnung berichtigt -hatte, fuhr man, als die Hitze schon eingetreten war, nach Freiberg ab. -Dort verweilten die Freunde nur, um einige Merkwürdigkeiten in -Augenschein zu nehmen, und kamen, nachdem es schon Nacht geworden war, -in Tharand an. - -Walther freute sich darauf, am folgenden Morgen die Schönheit dieser -Thäler, des Buchenwaldes und der Aussicht von der Ruine zu genießen, als -Ferdinand ihm plötzlich ankündigte, er würde noch in dieser schönen -kühlen Nacht zu Fuß nach Dresden gehn. Die Einwendungen Walther's wurden -nicht angehört, sondern, obgleich es dunkel war, Ferdinand wanderte -sogleich wohlgemuth weiter, nachdem er nur eben aus dem Wagen gestiegen -war. Walther glaubte bemerkt zu haben, daß ein Unbekannter ihm beim -Ankommen einen Brief überreicht habe, den Ferdinand in größter Hast, -beim ungewissen Schein eines flackernden Lichtes angesehn habe und durch -ihn in diese Unruhe gerathen sei. - -Zum Argwohn aufgereizt, konnte es Walther nicht unterlassen, dem -Gefährten, nachdem dieser in der Dunkelheit manchen Schritt voraushatte, -eilig und ohne Geräusch nachzugehn. Als er das Städtchen verlassen -hatte, glaubte er in der stillen Einsamkeit Stimmen, ganz nahe vor sich, -zu vernehmen. Als er weiter schritt, mußte er vermuthen, daß es nur das -Rauschen des Gebirgstromes sei, welches ihn so getäuscht habe. An der -waldbewachsnen Bergwand hinwandelnd, glaubte er im Dunkeln eine weiße -weibliche Gestalt neben einer dunkeln männlichen zu unterscheiden; bald -überzeugte er sich auch von der Wahrheit, aber es waren Menschen, die -ihm entgegenkamen und wohl zur Mühle des Ortes zurückwandern mochten. -Noch mehr wie einmal glaubte er in der Entfernung Klagen, Zank oder -Gelächter zu vernehmen, und immer wieder mußte er sich überzeugen, daß -es das Geräusch des kleinen Stromes sei, das ihn in der stillen Nacht so -getäuscht habe. Beschämt ging er endlich zurück, verdrüßlich über sich -selbst, daß er sich, ohne etwas erfahren zu haben, zum Horchen und -Belauschen herabgewürdigt habe. - -Am klaren frischen Morgen durchstreifte er die reizenden Gegenden bei -Tharand, die dem Naturfreunde immer neu und anmuthig bleiben, wenn er -auch aus der Schweiz oder Tyrol eben zurückkehrt. Diese Thäler, die so -einsam von der lärmenden Straße entfernt sind, vom köstlichen Waldstrom -durchrauscht, von schönen Hügeln und Buchen und Tannen bekränzt, sind so -lieblich, daß man hier gern die weiten Blicke über den schönen Elbfluß -vergißt. Von der Natur geläutert, Alles, was er in Guben wollte, oder -gestern Abend ihn bewegt hatte, vergessend, fuhr er dann bei schönem -Wetter nach Dresden und stieg bald nach der Tischzeit vor dem goldnen -Engel von seinem Wagen. - -Als er sein Geschäft mit seinem Bankier berichtigt hatte, fiel es ihm -erst auf, daß er seinen Reisegefährten Ferdinand noch nicht war -ansichtig geworden. Er forschte im Gasthofe nach ihm, aber er hatte sich -hier nicht, wie die Freunde doch abgeredet hatten, gemeldet. Sonderbar! -sagte Walther zu sich selbst, ich bin ihm noch eine bedeutende Summe -schuldig, er hatte, so viel ich weiß, gar kein Geld bei sich, und so -entschwindet er nun plötzlich, ohne Abschied, ohne Nachweisung, ob und -wo wir uns treffen können. - -Jetzt suchte ihn der junge Baron von Bärwald in seinem Zimmer auf. Was -mir das leid gethan hat, rief der junge Mensch, daß wir uns vor einigen -Wochen in Graupen und Teplitz verfehlt haben; ich hätte wahrscheinlich -die ganze Reise mit Ihnen machen können, und mein Freund, der mit mir -war, ebenfalls. - -Doch wie, fragte Walther, sind Sie auf die sichre Spur jenes Linden -gekommen? - -Eben jener junge Freund, der auch mit mir in Graupen und Teplitz war, -antwortete der Baron, hat mir umständlich die ganze Geschichte erzählt. -Er ist mit beiderseitigen Familien, sowohl der des Herrn von Linden, als -der schönen Maschinka, befreundet. Er steht mit jenen Bekannten in -Warschau in ununterbrochenem Briefwechsel, und von dort, ich weiß nicht, -wie, hat er erfahren, daß an jenem Tage, den ich Ihnen meldete, die -schöne Maschinka sowie der Herr von Linden in Guben seyn werden. Was sie -dort, oder wohin sie von dort wollen, ist mir freilich unbekannt. - -Der bestimmte Tag war ganz nahe. Walther, um nicht mit dem jungen -ungestümen Baron zu reisen, der sich ihm schon angeboten hatte, schützte -Geschäfte vor, die er auf einigen Gütern abzumachen hatte, und begab -sich auf die Straße nach Guben. Die öde Gegend, durch welche er reisete, -vermehrte seinen Mißmuth. - -Am zweiten Tage, als es schon spät am Abend war, erreichte er Guben. Im -Dunkeln fragte er sich nach Wachtel's Hause hin, aber dieser sowohl, als -seine Gattin war nicht zugegen, und man wußte, so sagte der Dienstbote, -nicht, wann sie zurückkommen würden. -- So wollte Walther nach dem -Innern der Stadt zurückkehren, verfehlte aber, weil er die -entgegengesetzte Richtung nahm, den Weg und gerieth in die freie -Landschaft. Es kam ihm nicht darauf an, sich nicht noch etwas zu ergehn -und abzukühlen. Er gerieth auf eine Wiese und glaubte hinter einigen -Gebüschen Klagelaute zu vernehmen. Er suchte sich mit Behutsamkeit, um -im Finstern nicht zu fallen, der Stelle zu nähern, und als er die Worte -unterscheiden konnte, hörte er deutlich folgendes Gespräch: So raffe -Dich nur auf. -- Was, raffen! das ist ein dummes Wort! Was kann man an -sich selber raffen? Hier liegt sich's gut, und ich will wenigstens bis -zur Regenzeit hier wohnen bleiben. -- Was für ein Kreuz mit solchem -Mann! Kannst Du denn wirklich gar nicht stehn? -- Als wenn das eine -nothwendige Sache wäre, wenn man so angenehm liegt, wie ich hier. -- -Wenn nur ein Mensch zur Hülfe in der Nähe wäre! -- Ja, keiner, weil sie -Alle in meiner Position, wenn auch nicht derselben Situation, in ihren -Betten liegen. - -Walther hatte gleich im Anfang Wachtel's Stimme erkannt, und halb -gerührt über die Wehklage der Frau, halb lachend über den so ganz -unverbesserlichen Reisegefährten, ging er näher, um seine Hülfe -anzubieten, damit der Trunkene so nach Hause geschafft werden könne. - -Ach Gott! seufzte die Frau, immer muß so ein fremder Herr als ein Engel -vom Himmel mir zur Hülfe herbeikommen. -- Mit gemeinsamer Anstrengung -richteten sie den Taumelnden endlich auf, der in seinem Rausch den -Reisegefährten nicht wiedererkannte. Walther und die Frau faßten ihn -unter die Arme und richteten ihre künstliche Wanderung nach der Stadt, -die aber, so sehr sie den Zögernden auch schoben oder zogen, dennoch nur -sehr langsam vor sich gehen konnte. Ja, gnädigster Herr, klagte die -Gattin, er hat sich da, so wunderlich er nun ist, einen höllischen Trank -verschrieben und kommen lassen, den er die Menschenessenz nennt, und -behauptet, Abraham und Isaak hätten den Soff schon im Paradiese gehabt. -So rennt er nun heut so heraus, wie er es treibt, um die Nachtwelt -aufzusuchen und ihr vorzupredigen, und da denkt er, die dumme Nachtwelt -antwortet ihm, wenn es die Frösche sind, die im Sumpfe quaken. - -Frösche, Sumpf, quaken! rief Wachtel im Zorn: schlechte Worte! Quaken, -was das ein Mißlaut ist! Und dann, wie einfältig, die ordinäre -Nachtwelt, zu welcher freilich Frösche, Eulen und Fledermäuse gehören, -mit meiner Nachtwelt, die ich heut aufgesucht und gefunden habe, zu -verwechseln! -- Er hielt an, stemmte sich mit aller Kraft an Walther und -bestrebte sich, ihm in das Gesicht zu sehn. -- Erlauben Sie mir, -unbekannter Herr Menschen-, aber nicht Wortführer, Ihnen eine -authentische Nachricht von jener Begebenheit zu geben, welche diese -Person, die eine Frau und zugleich meine Frau ist, ziemlich confuse -vorzutragen sich bemüht, als ob sie keine Frau, sondern ein Narr wäre. --- Jetzt ging er wieder weiter, mit seiner ganzen Schwere auf Walther -gestützt, der schon, von der Anstrengung erhitzt, häufigen Schweiß -vergoß. -- Sie werden es oft empfunden haben, fuhr Wachtel, etwas -lallend fort, daß der denkende Mann mit seiner Gegenwart und der ganzen -Zeit unzufrieden ist. Alles, was wir denken, wissen, wollen, die -edelsten Bestrebungen unsers bessern Menschen, auch wenn wir nicht -soeben die echte Menschenessenz genossen haben, legen wir sauber hin auf -den großen Ladentisch dieser alten Krämermadam, der Zeit. Sie sitzt nun -immer da, mit der Brille auf der spitzen Nase und die blöde gewordenen -Augen aufreißend und zukneifend, und sucht aus und wählt, hebt auf und -registrirt, schreibt ein und streicht aus, und weiß vor vielem Thun und -Wissen nicht, was sie thut, und vergißt immer wieder, was sie sich -merkt. Die Kunden stehn vor dem Tisch übelgelaunt da und fordern und -fragen, und erhalten nichts oder nur schlechtes Zeug. Der will vom -feinsten Battist und kriegt alten, abgelegenen Cattun in die Hände, der -will eine schöne politische Blondengarnitur, und die dumme Alte schiebt -ihm ein verwittertes, längst aus der Mode gekommenes legitimes -Haubenmuster hin, mit erstickter Stickerei und ausgewaschenen Knötchen. -Treffliches Westenzeug möchte der recht blank und glänzend sich -aneignen, und alten Hosencamelot aus Osten steckt sie ihm zu. Die beste -reformirte Religionskräuselei und Krause fordert der, und sie will ihn -mit schlechtem steifgestärkten moralischen Pietismus abspeisen. Schreit -der nach der einfachen Kunst ohne Form und Gesetz, ein Bildwerk für des -Herzlichsten Herz, so fährt sie ihm mit einer alten Mosaik entgegen, -lauter zusammengesetzte schroffe Einzelheit; der will das Platonische, -sie giebt ihm das Platte oder höchstens Plattirte: Lucretius und -Lucretiensaft, Archangel und Erzengel, Peter Madsen und Matthison, -Shakspeare und Käsebier, Racine und Ratzen, Alles verwechselt die dumme -Creatur. Die Käufer laufen fort, die besten Arbeiter wollen ihr nichts -mehr liefern, denn sie verzettelt die schönsten und edelsten Zeuge, daß -sie unter den großen Ladentisch fallen, wo nachher sich Hunde und Katzen -ihre Nester drin bauen. Und die Nachwelt -- nun, die steht in der Ferne, -sperrt das Maul auf, und wünscht doch etwas aus unsrer Zeit zu -überkommen. Den Unfug hatte ich nun lange geduldig mitangesehn, und -hatte mich überzeugen müssen, daß die gute Nachwelt nur Schund und -Schofel, Spreu und Asche, Sägespäne (die auch vielleicht für Shakspeare -ausgeschrien werden) und Kohlenstaub in Magen, Herz und Gehirn kriegen -wird. So, gestärkt durch einen starken Zug aus dem Quell der -Begeisterung, machte ich mich heut an diesem heißen Tage, an welchem das -Thermometer hoch auf Zukunft steht, auf, um mit der Nachwelt selbst zu -sprechen und ihr im voraus die Lehren, Gedanken und Winke zu -überliefern, die ich für die besten unsrer Tage halte. Dort in der -Einsamkeit des Waldes fand ich sie denn auch, sie hatte sich's bei der -großen Hitze bequem gemacht, und war fast ohne Hülle, sie war so -aufgelöst und auseinander gequollen, daß sie in der That in unsre -Gegenwart, die sich auch hatte gehn lassen, hineinreichte. Sie nahm -alles von mir gütig auf und sagte freundlich zu Allem Ja; sodaß unsrer -Enkel Enkel durch meine redliche Bemühung doch etwas von den guten -Fabrikationen unsrer Zeit ungefälscht erhalten haben. Und dies, mein -geehrter Herr Lieutenant, der Sie im Gehn gewissermaßen meine Stelle -vertreten und mein Treten wieder übergehn müssen, ist Das, was der -vorige einfältige Berichterstatter als Nachtwelt, als Sumpf, als Frosch -und Quaken charakterisiren wollte. Sie aber, erleuchteter Mann, sehn -jetzt genau ein, wie Alles zusammenhängt. -- Sollten wir nicht aber -schon in der Stadt und vor meinem derzeitigen Hause seyn? - -Und so war es in der That. Der Trunkene dankte für die Ehre der -Begleitung, die ihm ein fremder Mann in so später Nacht erwiesen hatte, -und ging mit der Frau in seine Thür, wo ihn ein Diener und die Magd -schon erwarteten. - -Am andern Morgen war Wachtel ganz ernüchtert, als Walther zu ihm -eintrat; er konnte ihm über Alles Rede und Antwort geben, was dieser nur -zu wissen begehrte. Es ist wirklich wahr, erzählte er, das junge, schöne -Frauenzimmer, welches schon einmal bei uns gewohnt hat, ist wieder hier -durchgekommen und hat wieder eine Nacht oben geschlafen; ein alter -Diener und eine Magd, welche mit ihr waren, nannten sie Maschinka. Sie -war wieder ebenso eilig, wie damals, sodaß ich sie fast gar nicht gesehn -habe, und ist dann über die Oder gegangen. Aber ein junger Mann hat sich -auch gemeldet und nach Ihnen gefragt, Sie möchten nur an Herrn von -Linden ein Billet schreiben, so würde dieser sich gewiß in den nächsten -Stunden stellen, im Fall Sie ihn nur an der Oder erwarten möchten. - -Wachtel schrieb also einige Zeilen, welche binnen kurzem auch wirklich -abgeholt wurden. Der Herr von Bärwald stellte sich ebenfalls ein und bot -sich zum Sekundanten Walther's an, und Wachtel, der ängstlich um seinen -Reisegefährten war, ließ es sich nicht ausreden, diesen ebenfalls zu -begleiten. - -Sie hatten sich einen Platz an der Oder zur Ruhestätte erwählt, nachdem -sie den Wagen verlassen hatten, von wo sie einen großen Theil des -Flusses übersehn konnten und gegenüber die sogenannte Kretschem vor sich -hatten. Als es etwas kühler wurde, sahen sie, wie die Fähre -herüberruderte. Sie bemerkten, daß eine elegante herrschaftliche Kutsche -darauf stand, und wie das Fahrzeug näher kam, unterschieden sie, wie -zwei Männer, Arm in Arm, da standen und nach dem Ufer hinüberschauten. -Der ältere und größere glänzte in einer reichen Uniform. - -Man war nicht wenig verwundert, als Walther und Wachtel beim Anlanden -der Fähre in dem jüngeren Manne ihren Freund Ferdinand erkannten. Man -umarmte sich und Ferdinand sagte eilig: ich kann hier bei Ihnen nicht -verweilen, denn mich erwartet ein dringendes Geschäft, welches ich erst -abthun muß, dann wollen wir uns sprechen. - -Mit mir ist es eben so beschaffen, erwiederte Walther; aber wir sehn uns -hoffentlich bald wieder und verbringen in der Stadt den Abend fröhlich -mit einander. - -Der General, denn dies war der angesehene Fremde, mischte sich in das -Gespräch und der junge Herr von Bärwald, der nicht Zeit und Umstände -gern berücksichtigte, brach mit der Nachricht heraus, daß Walther auf -einen Herr von Linden wartete, um mit diesem ein Duell auszufechten. - -Ferdinand trat mit Erstaunen von Walther zurück, und der General rief -aus: Wie? Sie sind jener Herr von Hellbusch, der meinen Neffen gefordert -hat? - -So ist es, erwiederte Walther, dieses ist auch mein wahrer Name, ich -reisete unter einem erborgten, um, wie ich mir einbildete, besser -beobachten und, selbst weniger bemerkt, Nachrichten einziehn zu können. - -Sonderbar! höchst sonderbar! rief jetzt Ferdinand aus: ich nahm drüben -und in Warschau den Namen Linden an, um mich nachher in Deutschland -leichter den Nachforschungen meiner Gegner und den Verwandten meiner -Frau entziehn zu können. - -Frau? fragte Walther jetzt mit der größten Lebhaftigkeit. Allerdings, -sagte der General lächelnd, vor drei Tagen ist meine Nichte Maschinka -meinem guten Neffen Ferdinand drüben im Preußischen in meiner Gegenwart -und auf mein Wort und meine Bürgschaft, als seine rechtmäßige Gemahlin -angetraut worden. Und Sie, Herr von Hellbusch (indem er sich an Walther -wendete), können mit dem besten Gewissen Kampf und Krieg aufgeben, denn -Brüder und Verwandte sind durch meine Vermittlung mit dem neuen Gatten -ausgesöhnt, und Ihr Vetter, welcher Ansprüche auf Maschinka zu haben -glaubte, hat sich ebenfalls verheirathet. - -Da Alles sich so gefügt hat, sagte Walther, so bin ich der glücklichste -aller Menschen; denn ich darf den Mann als Freund umarmen, den zu lieben -und hochzuschätzen mir schon längst auf meiner Reise zum Bedürfniß -geworden war. - -Indem öffnete ein Jäger den Schlag der Kutsche und eine schöne Dame -stieg aus derselben, um Walther höflich zu begrüßen. Wachtel, der sie -mit Verwundrung angesehn hatte, rief aus: Ei, wie kann man denn so -reizend seyn! das heißt mit dem Schönsein kein Maß halten! Das versteht -meine Frau viel besser, die sich wohl hütet, die häßlichste auf der Welt -zu seyn. Aber eigen ist es zugegangen, daß zwei Menschen, die sich als -Todfeinde verfolgen, ein paar hundert Meilen in ein und demselben Wagen -so gelassen und schläfrig neben einander sitzen. - -Jetzt nahm Ferdinand das Wort und erzählte, wie Maschinka seinetwegen -ihre Familie verlassen und in Angst nach Deutschland herübergekommen -sei. Sie fürchtete, zu einer Verbindung gezwungen zu werden, und da der -Oheim abwesend war, so wußte sie keinen andern Rath, als sich den -Ihrigen, welche sie tyrannisirten, zu entziehen. Ferdinand war -vorangegangen, um einen sichern Aufenthalt zu suchen. So kam sie über -die Oder, und von einem Briefe einer Freundin gelenkt, suchte sie sich, -wenn auch nur auf kurze Zeit, bei der Gattin Wachtel's zu verbergen, der -die Freundin sie empfohlen hatte, ohne von ihren Schicksalen etwas -Näheres zu melden. Hier erfuhr sie, daß man ihr nachstelle, daß ein -Vetter des Mannes, dem sie hatte vermählt werden sollen, von Warschau -ihr nachgereiset sei, und daß die Brüder dieses aufdringlichen -Bräutigams sie ebenfalls suchten. Sie war also, nachdem sie ihrem -Geliebten eine kurze Nachricht nach Madlitz gesendet hatte, schon wieder -entschwunden, als dieser nach Guben kam. - -Ich habe die gnädige Erscheinung damals, wie jetzt, sagte Wachtel, nach -meinen besten Kräften beherbergt. - -Meine Braut und jetzige Gattin, erzählte Ferdinand, wußte von meiner -Irrfahrt, sie war mir immer um einige Stationen voraus, und so trafen -wir uns, um Abrede zu nehmen, in dem alten Schlosse Glich, oberhalb -Bamberg, wo sie in der Maske eines Förstermädchens erschien. Hier hatte -ich Gelegenheit, das Nähere mit ihr zu besprechen, und wir nahmen die -Abrede, in Würzburg oder Heidelberg uns zu verbinden. - -Sieh! sieh! rief Wachtel aus, drum! drum! Ei ja freilich, es ist auch -dasselbe hübsche Gesichtchen. -- Er sah hiebei Walther mit einem -bedeutenden Blicke an, und dieser lächelte halb verlegen. - -In Würzburg aber, erzählte Ferdinand, kam ein junger Pole, der Begleiter -eines Herrn von Bärwald, meiner Geliebten auf die Spur. Er machte -Anstalt, sich ihrer zu bemächtigen, und sie, benachrichtigt davon, rief -mich auf zur Hülfe, da sie mich in jene Bude hatte eingehn sehn, wo wir -uns, kindisch genug, mit einer russischen Schaukel ergötzten. In der -Bude aber stand, ohne daß ich es wissen konnte, neben dem Herrn des -Kunststückes, eben dieser junge Pole, der meine Braut persönlich kannte, -und ihren Namen laut ausrief, als sie in die Bude hineinblickte. Alles -stürzte ihr nach, ich aber, als der Schnellste, fand Mittel, sie im -Getümmel des Jahrmarktes zu verbergen und vor den Nachstellungen zu -retten. - -Ei! rief Wachtel aus, unser Freund Walther, welcher den Jungfrauenraub -zu bestrafen ausgereiset war, saß indessen mit eingelegter Lanze hoch -oben wie ein rächender Gott in der einsamen Bude. - -In Heidelberg, fuhr Ferdinand fort, erfuhr ich endlich aus ihren -Briefen, daß unser gütiger Onkel sich unser annehmen und Alles -schlichten wolle, nur machte er es zur Bedingung, daß wir umkehrten, um -nicht als Abentheurer in fremden Regionen den Ruf meiner Geliebten -unnöthig auf das Spiel zu setzen. In eines jungen Gelehrten, Keyser's, -Gesellschaft, welcher seine Braut besuchte, sprach ich die geliebte -Maschinka, und wir beredeten unsre Rückreise. Aber wir durften uns noch -nicht vereinigen, um uns nicht dem Ungestüm der Verwandten, welche uns -verfolgten, auszusetzen. Ich hatte in Briefen und aus dem Munde meiner -Braut von einem wüthenden und rachsüchtigen Hellbusch gehört, und konnte -mir nicht träumen lassen, daß dieser derselbe freundliche Mann sei, an -dessen Seite ich die schöne Reise durch Deutschland machte. So kehrten -wir denn um, und schrieben hie und da Merkworte ein, die der Andre fand -und die kein Fremder verstehen konnte. In der Höhle von Liebenstein -trafen wir uns an jenem schönen Sonntage, und dort, als ich mich hatte -von der Barke auf dem unterirdischen Gewässer übersetzen lassen, sprach -ich im Dunkel, und von der ganzen Welt abgesondert, meine Geliebte. Bei -Tharand bestellte sie mich und ich traf sie in der Nacht dort im schönen -Thal. Sie reisete sogleich hieher nach Guben, ihrem gütigsten Oheim -entgegen, und der großmüthige Mann hat auch mich seinen Neffen genannt -und durch seine Güte alle die Irrsale geschlichtet. -- - -So fuhren sie nach Guben zurück und ergötzten sich an den kleinen -Begebenheiten ihrer Reise. Von dort begaben sie sich mit dem Oheim nach -der Schweiz, und Walther, welcher seinen Reisegefährten Ferdinand -herzlich liebgewonnen hatte, bat sich die Erlaubniß aus, mit ihnen -reisen zu dürfen, um in ihrer Gesellschaft einige Zeit in dem schönen -Lande dort zu leben. - - * * * * * - -Es waren zehn Jahre verflossen, als dem Erzähler dieser Geschichte -Walther und Ferdinand wieder begegneten. Die seltsamen Begebenheiten des -Befreiungskrieges hatten uns in Prag im Sommer des Jahrs 1813 vereinigt. -Ferdinand war mit seiner Frau, die noch immer schön zu nennen war, -glücklich, er hatte einige allerliebste Kinder, mit denen er gern -spielte. Auch Walther war verheirathet, und wir erfreuten uns Alle des -Wiedersehns und der erneuten Vertraulichkeit. Nur war es mir merkwürdig, -daß der schwärmende Ferdinand jetzt ein eifriger, möcht' ich doch sagen, -einseitiger Verfechter der protestantischen Lehre war, und Walther im -Gegentheil war zur katholischen Kirche übergetreten und mit vollem Ernst -und ganzem Herzen ein Bekenner ihrer Glaubens-Artikel. - -Wie dieses sich zugetragen hatte, läßt sich vielleicht in Zukunft -mittheilen, da es für denkende Leser, die selbst etwas erlebt haben, -nicht ohne Interesse seyn dürfte. Auch läßt sich um so unparteiischer -diese Seelengeschichte erzählen, da beide Freunde, sowie der dritte, der -humoristische Wachtel, vor Jahren nach Italien gereiset sind, und dort -froh und glücklich leben. Als heitre Beilage und Episode dürften alsdann -auch die beiden Novellen, welche die freundlichen Feinde, die sich als -solche nicht kannten, im Gasthofe zu Chemnitz ausarbeiteten, nicht -unwillkommen seyn. - - - - - Die Wundersüchtigen. - 1831. - - -Der Geheimerath von Seebach lebte in seinem großen, wohleingerichteten -Hause glücklich in der Residenz. Da er reich war und eine angesehene -Stelle bekleidete, viele Verbindungen hatte, und eine große -Correspondenz führte, so war bei ihm oft der Sammelplatz angesehener und -merkwürdiger Fremden und Reisenden. Häufig aber waren unter diesen -Besuchenden auch solche Gestalten, die von seiner Familie weniger gern, -oder nur mit Mißtrauen gesehen wurden, weil der Rath früher ein Mitglied -mancher Gesellschaften gewesen war, die sich höherer Kenntnisse oder -wunderbarer Geheimnisse rühmten, und obgleich der thätige Geschäftsmann -schon seit Jahren alle diese Verhältnisse aufgelöset, und sich von -diesen Verbindungen zurückgezogen hatte, so sorgte die Tochter, die den -Vater genau kannte, doch immer, daß irgendwo ein Faden wieder -aufgenommen werden möchte, der nicht zerrissen war, um Verwicklung, -Zeitverlust, oder auch wohl Kummer zu veranlassen. Der lebhafte, heitre -Sohn war gegen viele Wanderer mehr deswegen eingenommen, weil ihr -Einsprechen dem Rathe manches Geldstück kostete, denn so wie er die -Geheimnisse und Wunder verlachte, war er doch neugierig genug, immer -wieder auf die Erzählung von seltsamen Entdeckungen oder unbegreiflichen -Begebenheiten mit Eifer hinzuhören. - -In alten Papieren kramend, saß der Rath an seinem Schreibepulte, und -neben ihm Anton, sein Sohn, ihm gegenüber sein Schwiegervater, der -Obrist von Dorneck, der schon seit lange seinen Abschied genommen hatte. - -Ich kann das Dokument nicht finden, sagte der Rath endlich unwillig, und -begreife nicht, wie, oder wohin es kann verloren seyn. In diesem fatalen -Prozeß, der mich nun schon seit zwei Jahren beunruhigt, gilt es mir die -volle Summe von zwanzigtausend Thalern, wenn ich diesen wichtigsten -Beweis nicht herbei schaffen kann. - -Der Obrist erwiederte: Lieber Sohn, ich bin überzeugt, daß Sie es -irgendwo recht sorgsam hingelegt haben, weil es Ihnen eben so wichtig -war, und daß Ihre Geschäfte Sie nur den Ort haben vergessen machen. -Geben Sie sich Ruhe, und es fällt Ihnen wohl am ersten bei, indem Sie -gar nicht darüber denken, wie es mit Namen von Menschen so oft geht, die -wir durchaus nicht wieder finden, indem wir es von uns erzwingen wollen, -und die uns dann plötzlich, ungesucht, indem wir zerstreut, oder -unterhalten sind, wieder beifallen. - -Sie mögen Recht haben, antwortete der Rath; soll sich aber ein -Geschäftsmann solcher Vergeßlichkeit nicht schämen? Ich habe niemals die -zerstreuten Menschen leiden mögen, und nun muß mir selbst dergleichen -begegnen. - -Anton warf ein: wenn wir jetzt nur den berühmten Grafen Feliciano hier -hätten, von dem so viele Wunderdinge erzählt werden, so könnte er mit -einer einzigen Geisterbeschwörung die Sache aufhellen und in Ordnung -bringen. - -Gewiß, sagte der Obrist, wenn er sich zu uns herablassen wollte, denn -Bücher, Zeitungen und Briefe seiner Freunde erzählen ja Dinge von ihm, -die noch viel wundervoller sind, als dies kleine Mirakel, das er auf -unser inständiges Bitten vielleicht verrichten möchte. - -Der Rath schwieg, indem er wieder eifrig suchte. Was sind das für -Figuren da? fragte der Sohn, indem er nach einem Blatte langte. - -Du bist zwar kein Eingeweihter, erwiederte der Vater, indessen ist das -Papier auch nicht von denen, durch welche ich eine Indiscretion begehe, -wenn Du es betrachtest. Vor vielen Jahren hat ein Freund, ich weiß nicht -aus welchem astrologisch-magischen Zauber-Manuscript, mir diesen Unsinn -als denkwürdig abgeschrieben. - -Bin ich auch kein Geweihter, erwiederte der Sohn, so habe ich doch, wie -Sie wissen, so Manches über diese Verbrüderung gelesen, so manche -kabbalistischen Manuscripte durchblättert, daß mir gerade der Unsinn -mancher Leute nicht ganz fremd ist, wenn er mir auch immer -unverständlich bleibt. - -Die Figur war eigentlich eine vieleckige, in Gestalt eines Sternes. Die -meisten Linien waren Zeilen, theils Sprüche der Bibel, theils Gebete, -manche auch wundersame Namen, die, wie man sah, Geister bezeichnen -sollten, nach allen Richtungen begegnete sich das Wort Abracadabra, bald -in einzelnen Sylben und Buchstaben, bald vor-, bald rückwärts -geschrieben, bald von Sternzeichen, Hieroglyphen und andern seltsamen -Figuren unterbrochen. In der Mitte las man Adonai, gegenüber Jehovah, -mit lateinischen und auch mit hebräischen Lettern geschrieben. Auf der -Rückseite war bemerkt, daß dieses heilige Amulet von vielfältigem -Gebrauche sei, im Kriege wie gegen Krankheit, vor Einwirkung der bösen -Geister schütze, und Demjenigen, der die Kunst inne habe, Geister -herbeizurufen, unentbehrlich sei. - -Der Rath und der Obrist lachten, als der junge, stets heitre Anton das -aberwitzige Blatt mit so ernsthafter, tiefsinniger Miene betrachtete. -Ich will ein andermal auch über diesen Unsinn spotten, unterbrach sie -Anton, aber gestehen Sie mir nur ein, daß das Ding auch eine ernsthafte -Seite habe, die man wohl in Betrachtung ziehen dürfe. Nicht wahr, -derselbe Menschengeist, der fähig ist, Philosophie und Kunst zu -umfassen, der die Bahn der Sterne berechnet und die Unermeßlichkeit des -Himmels mißt, der in Liebe und Andacht sich dem Ewigen nähert, -- -derselbe hat auch dieses Blatt so umrissen, bekritzelt und durchfurcht -mit einer thörichten Lüge, die doch irgendwo im Anfang mit der Wahrheit -zusammen hängt, in dieser nur wurzelt, und aus dem Guten als -stachlichtes Unkraut empor gewachsen ist. - -Das mag seyn, nahm der Obrist das Wort, denn alles Schlechte und -Nichtige keimt wohl aus dem Guten; nur möchte es schwer zu entdecken -seyn, wo und wie es Lüge und Thorheit wird. - -Der Rath war ebenfalls plötzlich ernsthaft geworden, und fügte hinzu: -das ist eben die große Frage, ob das Böse ein zeitliches, oder ewig sei. -Ein Nichts ist es, und wird, vom Menschengeist erweckt, ein Ungeheures, -nimmt von diesem Kraft und Thätigkeit, und wandelt als Schicksal und -Unglück umher, das Länder verwüstet und Tausende opfert. Wahrlich, hier -möchte das Auge das Herbeirufen von Geistern aus dem Abgrunde, das -Beleben eines Todtenreiches wahrnehmen können, viel größer und -wundersamer als Alles, was man von alten oder neuen Thaumaturgen -erzählt. - -Sie meinen, wenn ich Sie recht verstehe, antwortete Anton, daß durch die -Leidenschaften der Menschen, die sich in das Unwahre oder dem Nichts -ergeben, die Weltgeschichte großentheils durch Gespenster regiert und -fortgetrieben wird, die, wenn sie nicht im wilden Kampf der Verwirrung -aufgeweckt werden, unsichtbar bleiben, oder höchstens nur Erscheinungen -sind, über welche der Spekulant oder Witzige gutmüthig lächeln möchte. -Wenn mir dies auch wahr scheint, so ist es mit diesem Blatte hier denn -doch etwas anders. - -Eigentlich nicht, sagte der Vater: denn dasselbe, was hier nur Spiel -ist, hat auch schon zum Feldgeschrei und Panier der Schlachten gedient. -Es wäre zu wünschen, daß der böse Geist mit allen seinen Wirkungen sich -immerdar in solchen Galimathias hinein zaubern ließe. Aber er wird auch -von dergleichen Kinderei irgend einmal wieder erweckt, und so fluthet -und ebbet die Masse der Erscheinungen hin und her, und das eigentliche -Fortschreiten, das wahre Besserwerden der Welt ist nur aus einer weiten -Ferne wahrzunehmen. - -Ich werde mir dieses künstlich verzauberte Blatt in geweihter Stunde an -meinen Hals hängen, sagte Anton, so durch alle Gemächer des Hauses um -Mitternacht schreiten, und so hoffe ich jenes Dokument zu entdecken, das -uns Allen so wichtig seyn muß. - -Nein, sagte der Obrist, gieb es mir, lieber Enkel: von alten Zeiten bin -ich noch mit den Leuten in Verbindung, die jetzt in der Residenz des -Nachbar-Landes wieder anfangen, sich auszubreiten. Ich meine jene, die -sich für die rechtgläubigen Brüder halten, und die vernünftigen -verlästern und verfolgen. Immer erhalte ich noch Briefe und Anmahnungen, -mich ihnen wieder anzuschließen. Diesen kann ich vielleicht mit dieser -sinnverwirrten Schrift ein angenehmes Geschenk machen. - -Nehmen Sie es, sagte der Rath, so ist in meinem Hause eine Thorheit -weniger. Man erzählt, daß sich diese abergläubischen Menschen aus leicht -zu errathenden Absichten an den Erbprinzen dort drängen, um sich ihm -angenehm und unentbehrlich zu machen. Wer weiß, was uns die Zukunft noch -für Erscheinungen zeigt, welcher Aberglaube sich von Neuem entwickelt, -so sicher wir jetzt zu seyn glauben, und, wenn ich meiner Aengstlichkeit -folgte, so möchte ich darum das Papier nicht aus meiner Hand geben. Es -kann auch Schaden stiften, so kindisch es ist. - -Lassen Sie, lieber Sohn, sagte der Alte, beunruhigen Sie Ihren Geist -nicht, wenn dergleichen auch geschehn könnte, so ist es doch nur wie ein -Steinwurf ins Wasser. Der Kreis wird immer größer, aber verliert sich, -wenn er sich am weitesten ausgebreitet hat. So lange noch solche Geister -in Deutschland regieren, wie hier uns nahe Friedrich der Zweite, und -dort Joseph der Zweite, so lange noch ein Mann wie Lessing schreibt und -wirkt, haben wir Nichts zu fürchten. Und warum sollen denn unsre -Nachkommen eben wieder ausarten? - -Er schlug lächelnd das Papier zusammen, und freute sich schon im Voraus, -welche Erquickung Viele in jener Brüderschaft aus ihm ziehen würden, die -sich für Rosenkreuzer und Adepten hielten, und so ernsthaft nach dem -Stein der Weisen forschten, wenn, wie der Obrist zu verstehen gab, auch -wohl Einige unter ihnen seyn mochten, die das Spiel nur mitmachten, um -andere, irdischere Zwecke durchzusetzen. - -Friedrich der Zweite, fing der Rath wieder an, ist alt, vielleicht auf -der Neige, und es ist möglich, daß er bald abgerufen wird. Wissen wir -denn auch, wie jene Gesellschaften, über die wir jetzt nur lächeln, -verbreitet sind, wie sie in Zukunft ihre Netze weit hinausspinnen mögen? -Daß andre Brüderschaften gegen sie kämpfen, mag an der Zeit und -nothwendig seyn. Wie glücklich, daß ich alle diese Dinge, die mich -früherhin interessirten, und mein Leben in Bewegung setzten, hinter mir -habe, und auf alle diese Strömungen mit klarem gleichgültigen Auge hinab -sehn kann. - -Der Bediente gab einen Brief ab, der eben von der Post gekommen war. Das -Siegel war wunderlich, und als der Geheimerath den Brief durchgesehn -hatte, sagte er: nun wahrlich, sonderbar genug! Nicht gerade der -berühmte Wunderthäter Graf Feliciano wird zu uns kommen, aber doch ein -andrer seltsamer Mann, von dem auch schon oft die Rede gewesen ist: -jener Sangerheim, der sich ebenfalls berühmt, große Geheimnisse zu -besitzen, der auch Geister erscheinen läßt, Todte und Abwesende befragt, -und einen neuen Orden gründet. - -Anton freute sich, da er vernahm, daß dieser Wundermann ihr Haus zuerst -besuchen würde, aber der alte Obrist Dorneck wünschte, daß man sich mit -dem Abentheurer nicht einlassen möge. Sie wissen, lieber Sohn, beschloß -er, wie ängstlich Ihre Frau und Ihre Tochter bei solchen Gelegenheiten -sind, und es ist wahr, man kann niemals wissen, welches Unheil uns mit -solchen wirren Geistern über die Schwelle schreitet. Sie haben ihre -Bestimmung darin gesetzt, die Menschen zu täuschen, und es ist nicht zu -berechnen, auf welche Art sie hintergehn, welche Schwächen, die wir -selbst nicht kennen, sie benutzen und erwecken, und wie weit wir in -ihren Wandel verflochten werden. - -Seien Sie ganz ruhig, lieber Vater, sagte der Rath heiter; dieser Brief -macht es mir unmöglich, den wunderlichen Mann ganz abzuweisen, um so -weniger, da ich so vielen Andern mein Haus schon eröffnet habe; diese -Bekannten, die ich achten und schonen muß, und die mir diesen Mann so -dringend empfehlen, würden mein Betragen unbegreiflich und sich -beleidigt finden. - -Und, gestehn Sie nur, lieber Vater, rief Anton im frohen Muthe aus, daß -Sie eben so neugierig sind, wie ich. Nein, er komme nur, der große -Wundermann, er prophezeie uns, er zeige uns Geister, er grabe Schätze, -was und so viel er will, wir wollen Alles dankbar von ihm annehmen. Ist -doch außerdem schon lange nichts Neues vorgefallen, ist doch im ganzen -Europa Friede. Wollen sich die Lebendigen nicht rühren, so müssen die -Todten in Bewegung gesetzt werden. - -Als die Mutter und Tochter bei Tische diese Neuigkeit erfuhren, nahmen -diese die Sache weniger heiter und leicht auf, als die Männer. In ihrem -stillen Rath war vorzüglich Clara verdrüßlich und verstimmt. Wohin, -sagte sie fast weinend zur Mutter, soll es nur führen, daß wir unser -Leben so gar nicht für uns selbst einrichten und ableben sollen? Der -Vater hat nun, wie er sagt, alle diese Verbindungen aufgegeben, und ist -doch seitdem neugieriger und gespannter auf Alles, was in dieser Art -vorgeht, als ehemals, -- und mein Verlobter, dieser gute Schmaling, die -Leichtgläubigkeit selbst. Ist es wohl recht, den Wunderglauben dieses -Jünglings immer von Neuem aufzuregen? Wissen wir denn, wie weit diese -Sucht gehn kann, oder vermögen wir es, ihr Schranken zu setzen? Wenn ich -nachher unglücklich bin, Schmaling verwirrt, und leidenschaftlich -aufgeregt, mit den geheimnißvollen Menschen verflochten: wird mir denn -ein Trost meines Vaters, oder ein Spaß meines leichtsinnigen Bruders -ersetzen können, was ich verloren habe? - -Der Obrist trat zu ihrer kummervollen Berathung und sagte, nachdem er -die Klagen gehört hatte: Uebertreibt nicht die Sache, Kinder, hier meine -verständige Tochter, Deine Mutter, kennt ja Deinen Vater, liebe Clara. -Und Schmaling wird Vernunft und guten Rath annehmen, er ist kein Kind. -Glaube mir, meine liebe Tochter, es ist nicht gut, wenn man immerdar dem -Menschen alle Steine, an die er sich stoßen könnte, aus dem Wege zu -räumen sucht. Jede Leidenschaft in uns, die es wirklich ist, muß -wachsen, reifen, und sich selber erkennen lernen. Der Mensch muß sie -dann aus eigner Kraft, nicht bloß durch fremde Hülfe zu überwinden -vermögen. Dann wird das, was wohl als Thorheit erscheinen mochte, oft -Kraft und Charakter, und der Mann gewinnt in dieser Schule gerade seinen -edelsten Besitz. Wird er aber in der Jugend gehindert, ganz sich in -seinen Gelüsten kennen zu lernen, erfährt er gar nicht, wohin sie ihn -führen können, so bleibt er Zeitlebens ein Näscher, der immer wieder von -Neuem der Verführung ausgesetzt ist. - -So muß, sagte die Mutter, dies die Geschichte meines Mannes seyn. Denn -glauben Sie mir nur, Vater, stelle er sich, wie er will, hätte er nicht -die vielen Geschäfte, die ihm sein Amt auferlegt, und die ihm oft die -Nächte rauben, so würde er mit Heftigkeit Alles, was sich ihm aus dieser -sonderbaren Gegend des Geheimnisses anbietet, ergreifen. Er meint, -diesen Wunderglauben, die Geheimnißkrämerei, ganz überwunden zu haben, -aber ich habe ihn seit so vielen Jahren beobachtet, und kenne ihn -besser, als er sich selbst: Alles reizt, Alles beschäftigt ihn. Er -spräche vielleicht nicht so oft, und mit solcher Bestimmtheit über diese -Gegenstände, wenn er seiner selbst ganz sicher wäre. Sie haben sich oft -verwundert, warum ich mit Ihnen und andern Freunden nicht in den Wunsch -einstimme, daß er seine Stelle niederlegen und auf dem Gute leben -möchte: ich kann es nicht, aus Furcht, er könne sich in andre Geschäfte -und Arbeiten dann leidenschaftlich verwickeln, die weder so nützlich -seyn dürften, noch seinem Geist die Kraft und den Adel zuführen würden, -mit denen wir ihn jetzt so freudig seinen Beruf erfüllen sehn. - -Am folgenden Tage schon erschien Sangerheim, der sonderbare Freund, als -Gast im Hause des Geheimenrathes. Er war ein schöner, großer und -schlanker Mann, der eben nicht viel älter als dreißig Jahr seyn konnte: -sein Auge war feurig, der Ton seiner Stimme wohllautend, und der Accent -des Ausländers, eine Fremdheit in seinen Manieren stand ihm gut. Sein -Wesen und seine heitre Gesprächigkeit gewannen ihm auch bald das -Wohlwollen, selbst das Vertrauen des Rathes, indessen ihn der alte -Obrist schärfer und mißtrauisch beobachtete. Am meisten aber war ihm -Clara aufsässig, denn der junge Rath Schmaling war völlig in Rede und -Gespräch des merkwürdigen Fremden verloren. Ein Gelehrter, Ferner, nahm -Antheil an der Gesellschaft, so wie der Arzt des Hauses, Huber, und -Jeder beobachtete von seinem Standpunkt aus den Reisenden, der sich -Jedem mit ungezwungener Offenheit mittheilte. Darum war auch Anton -heiter und gesprächig und die Mutter ließ bald ihren Widerwillen fahren, -mit dem sie zuerst sich am Tische an der Seite des verdächtigen Mannes -niedergelassen hatte. - -Als die Mahlzeit geendigt war, begaben sich die Männer in ein andres -Zimmer, und die Frauen verließen die Gesellschaft. Nach einigen -unbedeutenden Reden kam man auf den Gegenstand, der Alle interessirte, -da Jeder wünschte, daß der Fremde von sich und seinem Treiben etwas -Bestimmteres aussagen möge. Schmaling machte sich vorzüglich an den -vorgeblichen Wunderthäter und nahm jedes Wort, was dieser sprach, -begierig auf; doch der Obrist, der mit Clara Mitleid hatte, und ihre -Aengstlichkeit gewissermaßen theilte, suchte diese Gespräche zu stören. -Ob es denn niemals, fing er an, um die Unterredung zu lenken, irgend mit -Sicherheit wird ausgemacht werden, wie alt diese weltbekannte -Gesellschaft der Freimaurer eigentlich sei. - -Vielleicht, antwortete der Rath, ist der ganze Streit mehr um Worte und -Buchstaben, als um die Sache geführt worden. Mögen wir annehmen, daß -dieses geheim öffentliche Institut, wie es in unsern Tagen besteht, -schon uralt sei, daß es in frühern Jahrhunderten, unter ganz andern -Bedingungen, als andre Bedürfnisse waren und man die jetzigen nicht -kannte, habe daseyn können: behaupten wir dies alles, und geben nur zu, -wie wir es müssen, daß diese Vereinigung, im Fall sie alt ist, sich -völlig verwandelt und nach den verschiedenen Zeiten auch verschiedene -Zwecke beabsichtigt habe, so ist mit dieser Einräumung auch der Streit, -wenn nicht völlig geschlichtet, doch beseitigt. - -Um so mehr, sagte Ferner, der Gelehrte, da wir es selbst erlebt haben, -wie in kurzen Zeiträumen sich viele Zwecke der Brüder verändern, sie mit -einander streiten, jede Sekte die richtige und älteste Constitution zu -haben vorgiebt, eine Verfassung die andre verdammt, und immerdar neue -Einrichtungen die vorigen ablösen. - -Freilich, sagte der Rath, und so ist es nur Geheimnißkrämerei und Sucht -zum Wunderbaren, die Entstehung der Gesellschaft hoch hinauf zu setzen, -sie in andern Verbindungen wieder erkennen zu wollen, und anzunehmen, -daß Tradition aus den ältesten Zeiten uns in dieser Einrichtung, die oft -sich so geheimnißvoll stellt, mit dunkeln Geschichten und Sagen in -unmittelbare Verknüpfung setzen könne. - -Und doch, sagte Schmaling, handelt es sich hierum einzig und allein, -oder die ganze Sache verliert ihr Interesse. - -Das Wunderbare, fuhr der Geheimerath fort, aber das Interesse wohl -nicht. Oder wir können es auch so ausdrücken: daß unsre Bildung eben -dahin sich ausarbeiten soll, um zu erfahren, was wir mit Recht wunderbar -nennen. Es fragt sich, ob dann nicht ein ganz umgekehrtes Verhältniß -erscheinen wird, daß alles jenes Wunder, welches unsre unerfahrne Jugend -reizte, uns gleichgültig oder lächerlich wird, und wir das ächte Wunder -da wahrnehmen, wo das blöde Auge gar Nichts, oder das Gleichgültige -erschaut. - -Sehr wahr, fuhr der Gelehrte fort, die Natur, das Erkennen derselben, -Kunst und Wissenschaft, das einfache, edle Leben unschuldiger Menschen, -die Gegenwart unverdorbner Kinder, der Liebreiz des Frühlings, das -Verständniß der Poesie und die Fähigkeit, ihn, den Ewigen allenthalben -wahrzunehmen, hier findet der ächte Schüler das Wunder und dessen -Verständniß. Verwandelt der Schwärmer dagegen Wissenschaft, Natur, ja -seinen Glauben an den Höchsten in ein Gespenst, sieht er mit seltsamen -Grauen in die Natur und den Geist des Menschen hinein, kitzelt er sich -mit dem Gefühl, durch Zahlen, Zeichen, willkührliche Worte und Geberden -Annäherung zu fremdartigen Geistern, ja Herrschaft über sie zu erlangen, -so ist er schon für das Verständniß der Dinge und jene Freiheit des -Geistes verloren, die den gesunden klaren Menschen so liebenswerth und -so ehrwürdig macht. - -Gut gesagt, erwiederte Schmaling; aber er wird auch hier an Worten und -Zeichen sich zerstoßen, sein Geist wird dürsten und verschmachten, und -wenn er recht in das Innre dieser scheinbaren Erkenntnisse eindringen -will, so wird er sich verirren, und wenn er erwacht, sich in einer -tauben, leeren Wüste wieder finden. Ist denn nicht eben jene -Glaubensfähigkeit, die sie Wunderglauben oder Wundersucht taufen und -schelten, die innerste Federkraft unsrer Seele? In ihr schlummert der -Funke, der zu Licht und Flamme sich ausbreitet und erhellt. -- - -Mag es seyn, erwiederte der Rath, daß wir ohne diese Fähigkeit des -Glaubens, ohne dies Gefühl der Liebe und eines unbedingten Vertrauens -weder glücklich seyn könnten, noch die Stufe der Menschheit erreichen, -zu der wir bestimmt sind. Diese einfache Liebe und Hingebung aber, die -zur Glaubenskraft erstarken soll, ist völlig von jenem Vorwitz -unterschieden, der ergründen, fassen und beherrschen will, was dem -Menschen versagt ist, und der sich, weil er Nichts erobern kann, nun in -das Gebiet der Nichtigkeit stürzt, sich mit dem Schein und der Lüge -verbindet, und so den Geist des Menschen, seine Seele bis an die -Selbstvernichtung führt. Denn so kann man doch wohl das nennen, wenn der -Mensch für die nächste und unentbehrlichste Wahrheit Träume und -Hirngespinnste eintauscht. - -Jetzt nahm Sangerheim das Wort und sagte: Hier aber ist es, wo der -Streit ein wirklicher wird, denn es läßt sich doch auch fragen: wer denn -die Wahrheit zu solcher stempeln soll? Demjenigen, der nüchtern und -einfach fort lebt, der sich niemals erhebt, dem dürfen die Wahrheiten -der Religion, wie die Ahndungen der Geisterwelt als leere Träume -erscheinen. Wer es aber erlebt und erfahren hat, wie jedes Wort und jede -Gestalt nur dadurch wahres Sein erhält, daß sie vieldeutig sind, daß das -Alltägliche und Aeußere auf ein Inneres und Geheimnißvolles deutet, der -kann unmöglich alle höhere Forschung und Erkenntniß als unzulässig -abweisen, weil sich ihm das, was in früherer Entfernung Traum und -Aberwitz schien, nun näher gerückt, deutlich in nahe Wahrheit, in die -unerläßliche Bedingung aller ächten Erkenntniß verwandelt. - -Schmaling gab dem Fremden die Hand, von diesem Worte hoch erfreut. Der -Fremde fuhr fort: Ist es wahr, daß diese ächten Geheimnisse, wie alles -Große und Geistige, schlecht bewahrt und mit falschem Sinne erkannt, -verwahrloset und durch Mißbrauch bis zur Sünde herabgewürdigt werden -können, so ist es gut und nothwendig, wenn sie sich in dunkeln, -tiefsinnigen Schriften dem Verständniß der blöden Menge entziehn, wenn -eine beschlossene Gesellschaft edler Menschen sie als etwas Frommes und -Heiliges bewahrt. Es ist löblich und nothwendig, daß, da der Zutritt -nicht eigensinnig versagt werden kann, Prüfung und Läuterung voran geht, -und nur Auserwählte, die in verschiedenen untern Graden bewiesen haben, -daß sie der Erleuchtung fähig und würdig sind, zum Lichte vordringen -dürfen. So war es seit uralten Zeiten, und diese Ueberlieferung bewahrt -unser Bund, und dies ist es, was wir versprechen können. Darum werden -jene andern nüchternen Sekten der Brüderschaft, die alle nicht wissen, -was sie wollen, von selbst verschwinden und sich vernichten. - -Dieser Gesang, antwortete der geheime Rath, ist nicht neu, er läßt sich -von Zeit zu Zeit immer wieder vernehmen. Die wahre ächte Maurerei, die -ich für solche erkenne, ist aber diesem Glauben und dieser Absicht -völlig entgegen gesetzt. - -Und diese ächte Maurerei? fragte der Fremde. Anton trat hinzu und sagte: -Darf ich, als der einzige Ungeweihte hier, auch zugegen bleiben? -- Der -Vater erwiederte lächelnd: Ich werde nichts verrathen, was nicht Jeder -hören dürfte. -- Wie sich die Menschheit in Gesellschaft und Staat -gebildet hat, und diese nicht entbehren kann, so fühlte der -Einsichtsvollere doch auch zu allen Zeiten, daß mit diesem unendlichen -Gewinnst gegenüber ein Verlust verbunden sei, und seyn müsse, der wohl -eben so schmerzlich falle, als der Gewinn gegenüber erfreuen dürfe. Die -Gesetze ordnen und zerstören, die Religion erhebt und verfolgt, die -Moral veredelt und verdammt, und Alles in so großen Verhältnissen, so -durchgreifend und nach allen Seiten, daß es unmöglich scheint, die -Ausgleichung und Versöhnung dieser Wohlthaten und Uebel zu finden. -Religiöse, wie dichterische Sagen setzen diesen unerläßlichen Zwiespalt -schon vor alle Schöpfung hinaus; Mystiker suchen aus ihm die Entstehung -der Welt zu erklären. Der Inhalt unsrer Religion ist die Lehre der -Versöhnung, um durch ein neues Räthsel das ältere zu lösen. Schon die -alte Mythologie und Dichtung der Griechen wollte ebenfalls manche -Schuld, grause Verbrechen, die jedes Gesetz verdammt, zur Tugend, zur -Aufgabe eines Gottes machen, und Orest ist eine wundersame Frage an den -innern Geist, wie Timoleon in spätern Zeiten. Durch alle Adern des -Daseins dringt der Tod des nothwendigen Buchstaben, und jeder Edle, sei -er Fürst, Staatsmann, Krieger oder Handwerker und Bauer, findet in -seinem Leben tausendfältige Gelegenheit, hülfreich zu seyn, wo Staat, -Religion, Gesetz und Lehre nicht ausreichen, um zu vermitteln, wenn er -seinen Sinn frei genug erhalten hat, und so das Geistigste, das, was -unantastbar seyn sollte, und was doch immerdar verletzt werden muß, -still und behutsam zu schützen. Nur in den allerneuesten Zeiten war es -möglich, daß verschiedene Freigesinnte, edle Menschen darauf fielen, in -einen geheim öffentlichen Bund zusammenzutreten, um dieses Unsichtbare, -Unaussprechliche zu wirken, dieses ächte, große Geheimniß zu bewahren, -welches sich freilich niemals verrathen läßt, weil es ganz geistiger -Natur ist, das schon verschwindet, indem man es nur in bestimmte Worte -fassen will. - -Anton sagte lebhaft: Ja freilich, so angesehn, ist eine solche -Vereinigung verständiger Männer das Edelste, was man sich denken kann: -die ächte Aufklärung, um ein so oft gemißbrauchtes Wort einmal in seinem -wahren Sinne zu brauchen. - -Der Vater winkte ihm freundlich, und fuhr fort: Wenn Menschen, so -gestimmt, sich zusammenfanden, so durften sie hoffen, daß die -Vereinigung ihre Gesinnungen stärken, ihnen das Gute, was sie ausrichten -wollten, erleichtern würde. Der Unterschied der Sekten, der -Glaubensmeinungen und Stände hörte in dieser geistigen Gemeinschaft auf. -Sie konnten nicht darauf fallen, Etwas gegen den Staat zu unternehmen, -so sehr sie dessen Gebrechen fühlten, denn sie hätten sich ja dadurch -dem todten Buchstaben wieder hingegeben, dem sie entfliehen wollten. Es -genügte, klar zu sehn, fein zu fühlen, den Leidenschaften und -Vorurtheilen nicht zu huldigen. Um so mehr Patrioten, um so weniger -legten sie Hand an, Räder auszuheben, oder die Maschine anders -einzurichten. Es genügte, daß sie ohne That und Kampf das Gute wieder -vorbereiteten; der Fromme mußte frei genug seyn, um in und durch die -Gesellschaft seine Sekte nicht verbreiten zu wollen; noch weniger aber -konnte es dem Aufgeklärten beikommen, die Religion des Landes -untergraben zu wollen, nüchterne Freigeisterei zu befördern, oder -feindselige Gesinnungen zu verbreiten, er fühlte, daß Liebe, Milde, -Sanftmuth und Duldung genügten. Je frommer der Fromme war, so weniger -konnte er aber auch, als Mitglied solcher Gesellschaft, den Satzungen -eigensinniger Priester huldigen, oder eine geschichtliche Form der -Religion für etwas Anders als Form und Buchstaben halten. In dieser -ächten Loge meines Sinnes, wie konnte es in ihr mehr als einen Grad -geben? Was hätten die Eingeweihten denn noch finden und entdecken -sollen? Genügte irgend einem dieses hohe, unsichtbare und -unaussprechliche Geheimniß nicht, so stand er ja in dieser -Ungenügsamkeit wieder außen, und hatte Weihe und Erkenntniß verloren. - -Und wo, wo, rief Anton lebhaft aus, wo sind diese ächten, wahren Maurer -zu finden, daß auch ich mich ihnen mit allen meinen Kräften anschließe? - -Wo? antwortete der Vater; nirgend in aller weiten Welt sind sie zu -finden, nirgend und allenthalben; denn jeder wahre Mensch ist dieses -Salz der Erde, und ist ohne Gesellschaft, Eid und Verbindniß dieser -ächte Freimaurer. -- Als nun Christoph Wren in London die neue Loge -stiftete, oder nur neu belebte, ging von hier aus wohl eine Gesinnung, -oder eine ihr ähnliche aus, wie ich eben geschildert habe. Unter jenen -Freimaurern ist Ashmole der erste, der davon spricht, und wenn er die -Gesellschaft und Verbrüderung eine sehr alte nennt, so mögen -meinethalben die Baukorporationen schon längst ihre Constitutionen und -Symbole gehabt haben, doch war dieser erlaubte und edle Kosmopolitismus -in dieser Gestaltung den früheren Jahrhunderten unbekannt und unmöglich. - -Und wie selten, wie wenig mag er auch in England, wie in Deutschland, -zum Bewußtsein gekommen seyn, fiel der Obrist Dorneck ein. In meiner -Jugend schloß ich mich, aus einem unbestimmten Wissenstriebe, Menschen -an, die sich für erleuchtet ausgaben. Die Gesellschaft war aber damals -nicht so ausgebreitet, wie jetzt, noch war sie in so viele Sekten und -Constitutionen getheilt. Schon die Menge der Lehrlinge, die Kassen, die -der Aufzunehmenden bedürfen, die weltlichen Absichten, die sich mehr -oder minder eingeschlichen haben, machen jene Vereinigung, von der Sie, -theurer Sohn, sprechen, völlig unmöglich. Und es ist zu fürchten, wie es -denn auch schon begonnen hat, daß sich kluge Köpfe dieser Verbindungen -bemeistern werden, um völlig das Gegentheil aus ihnen zu machen, wozu -sie bestimmt waren. Bemächtigt sich erst ein solcher Schwindel der Zeit, -so steht wohl zu besorgen, daß ein viel schlimmerer Buchstabe mit -tödtender Kraft herrschen wird, als vormals in der äußern Welt, und -ihren Gesetzen, Gewöhnungen und Rechten. - -Wie gesagt, erwiederte der Rath, die Zeit erklärt und erzeugt Alles. -Manche Völker, vorzüglich Deutschland, waren nach dem Frieden von 1648 -in sich selbst matt zurück gesunken, bei uns war alles öffentliche Leben -dahin, das Interesse für den Staat völlig abgeschwächt. Hier in -Deutschland konnte sich allgemach der Gedanke erzeugen, statt des -öffentlichen Geistes einen unsichtbaren still wohlthätig walten zu -lassen. Vielleicht, daß hie und da, auf kurze Zeit, die ächte Maurerei, -nach meinem Sinne, ausgeübt wurde. Entstellungen zeigten sich früh, -Mißbräuche schlichen ein, und Alle ängstigten sich, geheim oder -eingestehend, daß sie kein sprechendes, faßliches Mysterium den -wißbegierigen Lehrlingen zu verrathen hatten, worin doch eben, daß sie -dessen ermangelten, ihr Wesen und ihr Stolz hätte bestehen müssen. - -Dieses Geheimniß, fiel der Obrist ein, hat mich schon in meiner Jugend -herumgejagt. Ich ließ mich früh aufnehmen, und unser Meister vom Stuhl -war denn auch ein Wunderthäter. Bald war die Stadt, es war im Anfange -des Krieges, nicht sicher genug. Ein Schloß im Gebirge, das einsam lag, -ward zu den Versammlungen der Geweihten auserlesen. Der geheimnißvolle -Meister setzte uns junge Leute immerdar in ängstliche Thätigkeit. Jetzt -kam diese geheime Botschaft, und nun jene, dieser große Monarch, dann -jener benachbarte Fürst waren dem Magus auf die Spur. Nachtwachen, -gerüstete Freunde, Waffen und Schwur sollten den seiner Weisheit wegen -Verfolgten beschützen. Eine berittene Garde umgab bei Tag und Nacht das -Castell, und streifte in der Gegend umher, um Kundschaft einzusammeln. -Je mehr wir uns ängstigten, je größer und erhabener erschien uns unser -Meister. Freilich waren auch einige prosaische Zweifler unter uns, und -diese folgten eben so unermüdet der Spur des Betruges, wie wir der der -Verfolgung, und ermittelten endlich mehr als wir. Unser hohe Magus war -am Ende nichts, als der gemeinste Betrüger, vom niedrigsten Stande, der -sich schon früh vieler verächtlichen Schelmereien schuldig gemacht -hatte, und nicht einmal Maurer war. Ein strenger, rechtlicher Mann nahm -sich nun unsrer an, und eine Zeitlang wollten und fühlten wir Alle etwas -Aehnliches, als Sie, Herr Sohn, uns vorher geschildert haben. - -Die Sage, fing der Rath wieder an, ward nun beliebt, daß die -Freimaurerei eine Fortsetzung und neue Belebung des alten Ordens der -Tempelherren sei, der so willkührlich und mit so vieler Grausamkeit -aufgehoben wurde. Wie ich schon aussprach, ich will über Dergleichen -nicht streiten. Mögen die Einsichtigen des Templerordens die Freimaurer -ihrer Zeit gewesen seyn, möglich, daß ihr Bund sich der fast -allmächtigen Hierarchie und dem weltlichen Despotismus widersetzte; daß -aber die neue Brüderschaft eine Fortsetzung des vertilgten Ordens, -unmittelbar von entflohenen Brüdern gestiftet, sei, wird man niemals -befriedigend nachweisen können. Andre können mit demselben Recht die -Wiklefiten zu Maurern machen. Wohin wir sehen, giebt es Verbindungen in -der Geschichte, die sich der herrschenden Kraft mit Glück oder Unglück, -mit Gewalt oder heimlich widersetzen. Oft ist die Weisheit und das -Bessere beim Widerspruch; oft aber wird dies auch früh vom Schlechten, -Frevelhaften vertilgt. Warum sollen, so verstanden, die ersten -Albigenser nicht ebenfalls Freimaurer gewesen seyn? Daß sie Rebellen -wurden, dazu zwang sie vielleicht die zu rasche Maßregel der Kirche und -die Grausamkeit der Priester. Ich kann Nichts dagegen haben, will man -den Orden in den uralten Culdeern auf den schottischen Inseln -wiedererkennen, die sich schon in den frühesten Jahrhunderten dem -anwachsenden Papstthum widersetzten, und eine reinere Lehre, ein -ursprünglich ächtes Christenthum zu besitzen glaubten. Warum will man -die Gnostiker ausschließen? Ja die jüdische Sekte der Essäer? Auch -hindert uns Nichts, die Pythagoräer dafür zu nehmen. Oder die besseren -der ägyptischen Priester: eben so Diejenigen, die die ächte Lehre der -Perser bewahrten. Man kann sich das früheste Judenthum, oder selbst das -religiöse Geheimniß der Patriarchen so denken. Wie aber Abrahams -Judenthum (wenn man es so nennen will) ein ganz andres war, als das der -Pharisäer zu Josephus Zeiten, oder als jene jüdischen Sekten, die die -Kabbala und alle wunderlichen sinnreichen Träume der Rabbinen annehmen -und aus diesen erst rückwärts die Propheten und Moses verstehn, so ist -auch jene willkührlich so genannte Freimaurerei von der neuesten noch -weit mehr unterschieden, und ihr völlig unähnlich. Denn so können wir -die Bundeslade, das verlorne Feuer, die wiedergefundenen Bücher, und was -wir nur wollen, willkührlich deuten, und es geschieht der Sache nicht zu -viel, wenn wir Noahs Arche zu einer Loge machen, und den Gründer der -Brüderschaft in Seth, oder selbst Abel suchen. Ist man mit Typen und -Vorbildern zufrieden, so ist es keine so gar schwere Kunst, aus Allem -Alles zu machen, und es sollte mich nicht großes Studium kosten, die -Brüderschaft, ihre Geschichte und Symbole aus der Comödie des Dante, -oder aus der wilden Prosa des Rabelais heraus zu deuteln. - -Scherzen Sie nicht, sagte der Gelehrte, es ist noch nicht aller Tage -Abend, und wir können nicht wissen, welche Aufgaben sich der Scharfsinn -und die Combinations-Gabe unserer Tage noch setzen werden. Es ist -sonderbar genug, daß die Säule Boaz noch niemals auf den -vielbesprochenen Baffomet ist gedeutet worden. - -Oder beide Säulen J und B, Jachin und Boaz, auf Jacob Böhme, der doch -gewiß bei den Parazelsisten und Adepten der Brüderschaft eine große -Rolle gespielt hat. - -Vielleicht, sagte Schmaling, da ich noch nicht durch viele Grade -gedrungen bin, erfahre ich künftig dies und noch mehr. Könnte aber ein -wissender Meister nicht neue Deutungen in die Symbole legen? - -Dergleichen, erwiederte der Rath, ist vielfach geschehen; und so sind -durch Erklärungen Geheimnisse, und aus diesen wieder neue Erklärungen -entstanden, um eine Sache zu verwirren, die nur in schlichter Einfalt -wohlthätig und segensreich seyn konnte. - -Wie kommt es nur, sagte Ferner, der Gelehrte, daß man noch niemals die -Schulen der Magie und Zauberei, oder Nekromantik, Nekromancie, wie die -Dichter des Mittelalters sie nennen, für Logen gehalten hat? Nach Toledo -in Spanien, als dem Centrum und der wahren Universität oder großen -Mutterloge, weisen alte Gedichte hin. Kunststücke, Zauberei, -Verwandlung, Beherrschung der bösen und guten Geister wurde dort -gelehrt. Auf dem Vatikan liegt ein Gedicht von den Heymonskindern und -dem Zauberer Malegys. Dieser lernt aus den Büchern eines andern Magus, -Balderus, die hohe Kunst, er besiegt nachher diesen und einen andern -berühmten Künstler Iwert; und so hätten wir denn vielleicht hier wieder -das I und B, was in der Maurerei eine so bedeutende Rolle spielt. - -Halten Sie ein, Professor! rief Anton aus, sonst machen Sie noch alle -unsre reisenden Taschenspieler zu Meistern vom Stuhl, oder unbekannten -Obern. - -Doch ohne allen Scherz gesprochen, erwiederte Ferner, ich wundre mich, -daß unter den vielen Maurern und Freunden der Maurerei, von denen doch -so viele Bücher gelesen und für die Sache geschrieben sind, noch keiner -sich die Mühe gegeben hat, ein höchst merkwürdiges Gedicht aus dem -Mittel-Alter zu studiren, das, wenn irgend eins, eine Geheimlehre -enthält, ein Christenthum, Mythe und Symbolik, die gewiß nicht mit den -herkömmlichen und angenommenen der katholischen Kirche übereinstimmen. -Dieses Gedicht heißt »die Pfleger des Graal,« und besteht aus zwei -Theilen, wovon der erste Parzifal, und der zweite Titurell genannt wird. -Dieser heilige Graal ist ein Geheimniß, das nur Eingeweihten zugänglich -und verständlich ist, eine Erfüllung aller Wünsche, eine Heiligung alles -Menschlichen und Irdischen, er giebt Gesundheit, Leben, Freude und -Glück. Durch Forschen, Fragen, wenn der Ritter zufällig in den Saal -tritt und aufgenommen wird, macht er sich des Mysteriums würdig, und der -junge Parzifal, weil er zu bescheiden ist, verscherzt in früher Jugend -auf lange durch sein Stillschweigen diesen Besitz. Die Heidenschaft und -der Calif der Muselmänner erscheinen nicht so feindlich und gehässig, -wie in den übrigen Gedichten des Zeitalters. Eine kirchliche christliche -Gemeinschaft der Frommen und Edlen, eine mystische Lehre wird -vorgetragen, die selten mit dem allgemein Gültigen jener herrschenden -Kirche überein zu stimmen scheint. Auch der Tempel und die Baukunst sind -mystisch behandelt und sind dem Werke höchst wichtig, wenn gleich die -heilige Masseney, die Tempelherren oder Tempeleise ganz in Art und Weise -der Ritterwelt dargestellt sind. Auch der Priester Johannes spielt eine -große Rolle, und Alles bezieht sich in verschiedenen Richtungen auf -Johannes den Evangelisten. Wie sehr der Täufer bei den Maurern gilt und -geehrt wird, ist bekannt, und, wenn sie wirklich älteren Ursprunges seyn -sollten, so ist wohl noch zu untersuchen, ob nicht ursprünglich der -Evangelist gemeint sei. Die Forschungen über dieses tiefsinnige Gedicht -des Mittelalters sind auch in anderer Hinsicht noch lange nicht -abgeschlossen, und der Maurer, der die Geschichte der Poesie kennt, -dürfte hier auf manche Entdeckung gerathen, die seinem gläubigen -Vorurtheil mehr und stärkere Waffen gäbe, als jener Sanct Albanus, der -die Bauleute in England zuerst beschützte, oder der Prinz Edwin, oder -die Culdeer, Wiklefiten, oder was man nur sonst in die Untersuchung -gezogen hat. - -Mir fällt eine Frage ein, sagte Anton: hat man noch nie den sinnigen -Shakspeare zum Maurer gemacht? Viele seiner Sprüche, z. B. »es giebt -viele Dinge im Himmel und auf Erden, von denen sich eure Schulweisheit -nichts träumen läßt« hat man oft genug gebraucht und gemißbraucht. Es -ist aber bekannt, daß der edle Philipp Sidney ein Freund und Beschützer -des berühmten und berüchtigten Jordanus Bruno war, den man nachher als -Ketzer in Italien verbrannte. Wie, wenn diese beiden Männer ächte Maurer -gewesen wären, und in jener merkwürdigen Zeit eine Loge gestiftet -hätten, in welcher unser Shakspeare später wäre aufgenommen worden? In -dem kleinen London und in einem kurzen Zeitraum von dreißig Jahren waren -so viele große und herrliche Männer, wie sich nur selten auf Erden so -enge zusammen drängen. - -Jetzt stand Huber, der Arzt, auf und sagte: ich habe bis jetzt -geschwiegen, weil ich nicht andern Meinungen voreilen wollte. Dieses -Geheimniß eines Nicht-Geheimnisses, wie es unser Freund Seebach -ausgeführt hat, will mir keinesweges gefallen. Es sei, daß die Maurerei -Nichts gegen Staat und Religion unternehmen soll, und daß wir deshalb -jene frühen englischen Logen tadeln mögen, von denen die Sage berichtet, -daß sie unter Cromwell bedeutend zur Wiedereinsetzung der Stuarts -mitgewirkt haben. Aber eben dadurch, daß der Maçon von Politik und -Kirche sich zurückhält, um nicht zu stören, ist ihm ein so größerer und -schönerer Wirkungskreis in der Natur eröffnet. Weisen wir die früheren -Sagen von Adepten ab, so ist eben jener Elias Ashmole, der einer der -frühesten authentischen Maurer der neuen Zeit ist, zugleich als ein -Freund der Astrologie und der Verwandlungskunst bekannt genug. -Beschäftigen sich also die Universitäten, um die Jugend nicht irre zu -führen, mit der Naturwissenschaft in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes, -so ist es um so erfreulicher, wenn ein Kreis erfahrner Männer, zum -Geheimniß durch Wort und That verbunden, jenen Geist aufsucht und -herbeiziehn will, jene Kraft, Wunder zu wirken, die wohl schon sonst -auserwählten Sterblichen beigewohnt hat, kurz, sich in dem zu üben und -zu vervollkommnen, was gemeinhin Magie genannt wird. Diese Wissenschaft, -die Natur aufzuschließen und sie zu verwandeln, ist des Strebens der -Edelsten nicht unwürdig. Es ist leichter, sie zu verlachen, als die -Meister dieser Kunst und die Anschauungen, die uns entgegen kommen, -abzuweisen und zu widerlegen; und namentlich die Kunst des Adepten, Gold -zu machen, den Stein der Weisen hervor zu bringen. Die nüchterne Welt -kennt nur einen Weg, indem sie die Erzählung von Flamel als Lüge -verschreit, was Paracelsus erzählt und ein Mann wie Helmont betheuert, -Mährchen nennt, den tiefsinnigsten der Philosophen, Jacob Böhme, nicht -anhört und versteht, und Alles, was in unsern Tagen ein erleuchteter -Saint Martin begeistert predigt, nur mit mitleidigem Achselzucken -beantwortet. Aber ist es denn nun schon unwidersprechlich dargethan, daß -uns Saint Germain belog und betrog? Die Kunst, Gold aus andern Metallen -zu machen, scheint so nahe zu liegen, da wir so viele Verwandlungen -hervor bringen können. Sie soll ja nur den Meister beurkunden, ihm -seinen Meisterbrief schreiben, als einen Beweis, daß er die Natur -bezwungen hat, und sie beherrscht. Die moralische Besserung und -Vergeistigung des Menschen ist die höhere Kunst des Adepten. Aber Wunder -zu glauben, in der Vorzeit, um Religionen und Heilige zu bekräftigen und -ihrem Wirken Glauben zu verschaffen, und anzunehmen, daß diese Kraft -erlöschen müsse, und in unsern Tagen und niemals wieder erweckt werden -könne und dürfe, heißt, um mich gelinde auszudrücken, auf das Mindeste -sehr inkonsequent glauben und lehren. Mein Freund Seebach kennt meine -Ueberzeugung, die ich hiemit wiederhole. -- - -Jetzt nahm Sangerheim, der Reisende, wieder das Wort: Wie die Kunst der -Verwandlung das eine Unterpfand des Maurers und Meisters ist, so ist die -Macht über die Geister die zweite Beglaubigung, daß er Bahn gewonnen, -und den Sieg im Laufe errungen hat. Diese Hoheit ist dem ächten Schüler -der Weisheit seit uralten Zeiten überkommen, von alten Meistern und -Obern, und jeder Lehrling, der sich in der Prüfung würdig erweiset, kann -dies Siegel der Vollendung erringen. Wenn die Rosenkreuzer diesem hohen -Berufe nachstreben, so ist es löblich, erringen sie ihn, dann ist ihre -Kunst und ihr Weg der wahre. Er ist aber nicht der meinige. Doch werde -ich den würdigsten Brüdern, die schon erfahren sind, gern, wenn sie -Glauben und Vertrauen haben, die Weihe nach Graden der Prüfung zukommen -lassen. Doch bin ich hierin ganz der entgegengesetzten Ueberzeugung des -Herrn von Seebach. Ein einziger Grad ist keiner; was diese Freimaurerei -will und soll, kann Jeder am besten isolirt und ohne alle Verbindung -erlangen. - -Schmaling sah begeistert aus und drängte sich an den Fremden, auch der -Arzt Huber gab ihm die Hand. Auf der Seite des Rathes blieben der -Obrist, der Gelehrte und Anton. So war in dieser kleinen Gesellschaft -ein Gegensatz von Meinungen, die sich auf keine Weise vermitteln ließen. - -Man trennte sich, und beim Abschiednehmen bat der geheime Rath den -Fremden, der so große Dinge ankündigte, noch etwas zu verweilen. Er trug -ihm seine Verlegenheit vor in Ansehung des verlornen Dokumentes und -schloß dann: Getrauen Sie sich wohl, durch Ihre übernatürliche -Wissenschaft, deren Sie sich rühmen, mir diesen Bogen, an dem mir so -viel gelegen ist, wieder zu verschaffen? - -Sangerheim, der bisher in der Gesellschaft bescheiden in Wort und -Haltung gewesen war, richtete sich jetzt stolz auf und sah den Rath mit -einem kühnen Blick von oben herab mit seinen feurigen Augen an und -sagte: Ist dies nur eine leere Erfindung, um mich zu prüfen, so dürfte -es schlimm für Sie ausgehn, wenn ich jene Kräfte für diese Unwahrheit in -Thätigkeit setzte; ist es Wahrheit, was Sie mir sagten, so verspreche -ich Ihnen meine Hülfe. - -Seebach erzählte ihm umständlicher die Sache, den Inhalt des Dokumentes, -wie lange er es besessen, und daß es jetzt zur günstigen Entscheidung -des Prozesses unentbehrlich sei. Ich glaube Ihnen, sagte Sangerheim, und -spreche Sie morgen Nachmittag in der vierten Stunde. - - * * * * * - -Am folgenden Abend war der Rath im Kreise seiner Familie, kein Fremder -war zugegen, auch Schmaling fehlte. Es war sichtbar, daß er nachdenkend -war und an den Gesprächen der Uebrigen nur wenigen Antheil nahm. Der -Obrist sagte endlich, als er in die Fröhlichkeit der Uebrigen nicht -einstimmte: Was ist Ihnen, Lieber? Wir fangen uns an zu ängstigen; -theilen Sie uns Ihren Kummer oder Ihre Leiden mit. - -Es ist nichts dergleichen, erwiederte der Vater, ich sinne nur darüber -nach, wie man so nach und nach alt wird, und doch niemals ausgelernt -hat. Ich glaubte über Alles, was man Wunderglauben nennt, hinaus zu -seyn, und war selbst in meiner Jugend dieser Schwachheit nicht -ausgesetzt: und nun berührt mich Etwas so stark, daß ich mich vor mir -selber fürchte, wenn der Ausgang sich so ergeben sollte, wie er mir ist -versprochen worden. - -Die Mutter und Tochter sahen sich mit bedeutenden Blicken an, Anton war -gespannt und der Obrist sagte: Nun, Werthester, was ist Ihnen -versprochen? Dürfen Sie es uns mittheilen? - -Es ist mir nicht verboten worden, erwiederte der Vater. Gestern, als wir -uns trennten, erzählte ich dem Fremden von dem verlornen Dokument. Er -schien erst unwillig, weil er die Sache für Erfindung hielt, ihn auf die -Probe zu stellen. Wie er meinen Ernst sah, versprach er mir heut -Nachmittag Antwort zu geben. Er erschien, und seine erste Frage war, ob -ich nicht in der Stadt noch ein andres Haus besäße. Ich bejahte, wir -gingen hin und er betrachtete die Zimmer und den Saal, welche leer -stehen, da ich immer noch unentschlossen bin, ob wir hinüber ziehn. Er -ließ sich ein drittes Zimmer aufschließen, eilte hinein, und indessen -ich noch draußen verweilte, und die Gemälde betrachtete, hörte ich -drinnen Geräusch, wie von verschiedenen Menschen, auch Stimmen durch -einander. Ich eilte durch die offenstehende Thüre, und fand meinen -Fremden allein in der Mitte des Zimmers, tief sinnend. Er bemerkte mich -erst nicht, dann sagte er: Gehn wir morgen in der Mittagsstunde, -zwischen Zwölf und Eins, wieder hieher, und ich hoffe Ihnen etwas -Bestimmteres sagen zu können. Wir verließen das Haus, und ich fragte -ihn, ob er es erlaube, daß uns noch Jemand begleite. Sehr gern, -erwiederte er, nur bitte ich, dem jungen Herrn Schmaling vorerst nicht -die Sache mitzutheilen, oder ihn zum Begleiter zu wählen, er ist zu -heftig, er schwärmt und würde mich stören; vielleicht geht Ihr -zweifelnder Sohn mit uns. -- Seht, Freunde, das ist mir heut begegnet, -und Ihr müßt gestehn, daß, wenn dieser Mensch ein Betrüger ist, er einen -neuen und originellen Weg erwählt. - -Aber wie ein Betrüger? sagte der Obrist: wenn er Ihnen wohl morgen schon -das Dokument schafft, oder Ihnen eine bestimmte Antwort giebt. - -Das wird er eben nicht thun, antwortete der Rath, er wird morgen mit -einer neuen Zweideutigkeit mich abfertigen, mich wieder auf einen andern -Tag vertrösten, und, wenn er meine Leichtgläubigkeit, oder meinen -Charakter bei dieser Spannung beobachtet und kennen gelernt hat, mich -mit diesen oder jenen Mährchen abspeisen, von denen er glaubt, daß sie -mir zusagen. Alles das sage ich mir und wiederhole es mir, und doch kann -ich es mir nicht leugnen, daß ich ungeduldig die Stunde des Wiedersehens -erwarte, daß ich mir jenes seltsame, unbegreifliche Geräusch in der -Erinnerung wiederhole, und darüber sinne. Es war, wie von vielen -Menschen, wie Zank und Streit, ja Thätlichkeit, verschiedene Stimmen -antworteten sich heftig, so daß ich erstaunt die halb angelehnte Thür -öffne, in der sonderbaren Erwartung, viele fremde, heftige Menschen in -Gezänk in meinem verschlossenen Zimmer zu finden, und ihn doch nur -allein still in der Mitte des Raumes stehen fand. Es war Tag, nicht -Mitternacht, keine Vorbereitung war vorangegangen, ich kenne das Haus -und er nicht, -- wie soll man darüber denken? - -Lassen wir es, sagte Anton, bis morgen; die Stunde ist nicht so gar -entfernt, und erlauben Sie mir, Sie zu begleiten. - -Keine Kreise gezogen? fiel der Obrist ein: kein Zauber-Apparat? keine -Citation? Sonderbar genug. Jenes habe ich auch einmal in meinem Leben -gesehn und mitgemacht, und es wies sich nachher als Betrügerei aus, aber -man hatte uns, die wir zugelassen wurden, durch Geheimniß, Rauchwerk, -Gebet, Fasten und Kasteiung so exaltirt und betäubt, daß unsere -Imagination dem Magus schon auf drei Viertheil seines Weges entgegen -ging. - -Als die Mutter in der Nacht mit der Tochter bei einer häuslichen Arbeit -verweilte, sagte sie: Ich kann Dir nicht beschreiben, wie widerwärtig -mir diese Geschichte ist, die sich da anspinnt. Wir waren einige Jahre -so ruhig, und nun wird Dein Vater wieder in solche Verwicklungen und -Gedanken hinein gezogen, die ich auf immer für abgethan hielt. Er meint, -er hat Alles überwunden, und läßt sich immer wieder von Neuem anlocken. -Was ist es nur im Menschen, das der Vernunft zum Trotz, auf die sich die -Meisten doch so viel einbilden, immer Herz und Phantasie in das Seltsame -und Unbegreifliche hinüberzieht. Ich habe noch keinen Menschen gekannt, -der nicht abergläubig gewesen wäre. - -Möchten sie es doch, antwortete Clara, denn ich bin es auch; und wie -kann man sich gewissen Wahrnehmungen oder Eindrücken mancher Träume, den -Vorahndungen und dergleichen entziehn; wenn sie nur nicht mit ihrer -scheinbaren Philosophie so bedeutende Schlüsse aus Kindereien zögen, und -so schwerfällige Systeme darauf erbauten. So Vieles im Leben hat nur -dadurch einen Sinn, daß es eben mit nichts Anderm zusammenhängt, daß es -Nichts bedeutet. Sie wären aber im Stande, in einem Seufzer oder Kuß das -ganze Universum zu lesen, und die Ewigkeit der Höllenstrafen daraus zu -beweisen. Nun, meinen Schmaling werden mir die Geisterseher schön -zurichten. Wären die Menschen doch nur damit zufrieden, ihren eignen -Geist kennen zu lernen. Weil es aber da eben hapert, so sind sie -freilich gezwungen, so viele fremde herbei zu zitiren, um den eignen zu -verstärken. - -Am Morgen waren Alle beim Frühstück sehr einsylbig. Selbst Anton konnte -sich nicht verbergen, daß er in einer Spannung sei, die seinem Wesen -sonst ganz fremd war. Gegen zwölf Uhr erschien Sangerheim. Unterwegs -sagte er: Ich bitte Sie, von dem, was Sie vielleicht sehn werden, nicht -zu laut und gegen Jedermann zu sprechen. Was geht die Menge und das -unwissende Volk unser Wesen an? - -Das große Haus des Rathes lag in der Vorstadt. Es stand leer, weil die -Familie Willens war, hieher zu ziehn. Dies hatte freilich sein -Beschwerliches, wenn Seebach sein Amt nicht aufgab. So war es geschehn, -daß man es in dieser schwankenden Unentschlossenheit seit Jahren nur -selten besucht hatte. Der Rath öffnete und verschloß hinter sich die -Thüren wieder. Im Saale angelangt, ging Sangerheim wieder in jenes -Zimmer, in welchem er gestern schon gewesen war. Er ließ die Thüre -hinter sich halb offen, Anton und der Vater blieben im Saal. Plötzlich -hörten beide ein verwirrtes Getöse, wie Schlagen an den Tapeten und -Degenklirren, dann Gespräch, Gezänk, Hin- und Widerreden verschiedener -Stimmen; auf verschiedene Fragen, die der Magus that, hörte man ein -bestimmtes: Nein! nein! Es geschieht nicht! näher und ferner ertönen. -Endlich erfolgte ein Knall, wie von einer Pistole; Beide stürzten in das -Zimmer und der Magus stand in der Mitte, in heftiger Bewegung und -erhitzt. Er faßte die Hand der Eintretenden und sagte: Nur bis heut -Abend lassen Sie mir Zeit und ich sage Ihnen Gewißheit. Noch -widerspricht man mir, man will nicht nachgeben, aber es wird sich -ändern, wenn ich in meiner Wohnung noch eine Operation vorgenommen habe. -Sie trennten sich und Anton wie der Rath kamen nachdenklich zu ihrer -Familie zurück, die sie mit Aengstlichkeit erwartete. - -Anton sagte: Der Mann ist ein recht künstlicher Taschenspieler, der -einige neue Stücke gelernt hat, die die Uebrigen noch nicht wissen. Man -schwört darauf, daß man verschiedene Menschen oder Geister vernimmt, man -hört ein Rauschen und Schwirren, Rasseln und Prasseln, wie ein -Handgemenge, endlich sogar einen bestimmten Pistolenschuß, aber es ist -kein Dampf oder Geruch vom Pulver zu spüren. Das Unkluge bei dieser -Geschicklichkeit scheint mir nur darin zu bestehn, daß er sich immer so -kurze Termine setzt, so daß sich seine Vertröstungen schnell wiederholen -und bald ermüden müssen. Mit den beiden Kunststücken von heut und -gestern hätte er uns wenigstens einige Wochen hinhalten können. - -Es kann nicht so seyn, wie Du es Dir denkst, sagte der Vater. Er muß auf -Etwas fußen, das ihn so sicher macht. Wäre die Sache, wie Du sie -schilderst, so müßte er übermorgen oder in einigen Tagen beschämt -abziehn, denn ich habe mich wohl gehütet, irgend großes Erstaunen oder -entgegenkommende Leichtgläubigkeit merken zu lassen. Gab er sich doch -auch nicht einmal die Mühe, uns auszufragen, so beschäftigt war er mit -sich selber. Ihm selbst ist es Ernst, und seine Aufmerksamkeit ist ganz -auf die Sache, nicht auf uns hingerichtet. - -Du bist schon bekehrt und gläubig, sagte die Mutter. - -Unmöglich, Liebe, antwortete der Rath, denn ich glaube noch gar Nichts, -auch giebt es noch Nichts zu glauben, sondern ich bin nur erstaunt, und -kann in dieser verwirrenden Verwunderung meine Seelenkräfte noch gar -nicht wiederfinden. - -Das ist vielleicht, bemerkte Clara, die beste Stimmung, um Wunder zu -glauben. - -Kinder, sagte der Vater mit einiger Empfindlichkeit, tragt ihr nicht -auch dazu bei, meine Unruhe zu vermehren. Mein ganzes Leben hindurch -habe ich gegen den Aberglauben gekämpft, und es soll der Thorheit -wenigstens mich zu besiegen nicht so leicht werden, als ihr es für -möglich zu halten scheint. Gelingt es dem vorgeblichen Magus, uns diese -große Summe zu retten, so sind wir ihm ohne Zweifel Dank schuldig: kann -er es nicht möglich machen, was er, fast mit sicherm Versprechen, -unternahm, so will ich denn auch nicht weiter grübeln, wie er die -sonderbaren Stimmen und das seltsame Geräusch hervorbrachte. - -Alle waren scheinbar beruhigt, als der Rath, indem sich eben jeder in -sein Schlafzimmer begeben wollte, folgenden Brief noch in dieser -nächtlichen Stunde erhielt, der der ganzen Familie Ermüdung und Ruhe -nahm: - -Da es nicht bloß eine Aufgabe fürwitziger Neugier war, was meine Kräfte -und Kenntnisse in Anspruch genommen hat, da die Wohlfahrt einer -hochachtungswürdigen Familie gewissermaßen an die Erfüllung meines etwas -voreiligen Versprechens geknüpft ist, so hat der Widerspruch und -Starrsinn Derer nachgelassen, von denen Sie heut, wenn Jene auch nicht -sichtbar wurden, einige Kunde empfingen. Nicht unmittelbar, aber nach -einigen kleineren Zimmern, die verschlossen blieben, muß sich in jenem -Hause, zu dem Sie mich heut führten, noch ein Kabinet befinden, dessen -Fenster auf den Garten gehn. In diesem Kabinete ist ein Wandschrank, dem -Auge nicht sichtbar, der sich durch den Druck einer Feder öffnet. Nimmt -man hier einen gewöhnlichen Kasten heraus, so zeigt sich unten ein -Schieber, unter welchem sich dieses Papier, nebst einigen andern -Schriften, wohl finden wird. - -Bei den letzten Worten, indem der Rath den Brief laut vorlas, schlug er -sich mit der flachen Hand heftig vor den Kopf, ward glühend roth und -plötzlich wieder todtenbleich, und rief mit lauter Stimme: O ich -Dummkopf! Und daß ich es vergessen konnte! Und daß mir ein ganz fremder -Mensch, von dem ich niemals in meinem Leben Etwas gehört habe, mir so -auf meine Erinnerungen helfen muß. - -Die Frauen, so wie Anton und der Obrist, waren um so mehr erstaunt und -erschrocken, da sie niemals, obgleich sie das Kabinet kannten, von -diesem heimlichen Wandschrank Etwas erfahren hatten. Vergebt mir dies -Verschweigen, sagte der Vater, es ist mir eigen und eine Gewohnheit, die -ich von Jugend auf hatte, auch vor meinen Nächsten und Vertrautesten -noch Etwas geheim zu halten. So habe ich mir in jenem Hause diesen -Versteck, um den kein Mensch wußte, angelegt. Er ist so künstlich -gemacht, daß, wenn man die Sache nicht weiß, ich auch das schärfste Auge -auffordern will, die Feder nur zu entdecken, die die Wand eröffnet und -verschließt. Vor vier Jahren, wißt ihr, wohnten wir Alle drüben, weil -dies Haus hier ausgebaut und anders eingerichtet wurde. Indem wir wieder -herüber zogen, fiel jene Reise vor, die ich eiligst in Angelegenheit -meines Fürsten machen mußte. Ich arbeitete die ganze Nacht, ohne fast -Nahrung zu mir zu nehmen. Auch meine eigenen Sachen ordnete ich, und -jenes Dokument war mir wichtig genug. Ich nahm es, so war ich fest -überzeugt, mit mir hier herüber, verschloß es in das geheime Schubfach -meines Schreibepultes, reisete ab, und kam erst nach drei verdrüßlichen, -arbeitsreichen Monaten zurück. Ich fand, so glaubte ich, alle meine -wichtigen Papiere in Ordnung, und, sei es die Reise, mag es von den -Kränkungen herrühren, die ich erlitten hatte, ihr wißt, daß ich in ein -tödtliches Nervenfieber verfiel, von dem ich nur schwer und langsam -wieder genas. In dieser schlimmen Zeit hatte ich mein Gedächtniß ganz -verloren. Als ich wieder zum Leben erwachte, war es mir die bestimmteste -Ueberzeugung, daß ich das Dokument hier aufgehoben, und seit meiner -Rückkehr schon mehr wie einmal gesehn hatte. Darum wurde ich eben ganz -verwirrt, als es nun, nach Jahren, die wichtige Sache entscheiden -sollte, und sich nirgend antreffen ließ. -- Doch laßt schnell anspannen, -so spät es ist, ich will noch in der Nacht jenen Wandschrank -untersuchen. - -Es wurde dem Kutscher eiligst der Befehl gegeben. -- Wie kam es nur, -fragte der Obrist, daß Sie, auch nur aus müßiger Neugier, jene Stelle -drüben im Hause nicht untersuchten, und so zufällig das Papier fanden? - -Sie wissen ja, antwortete der Rath, wie der Mensch ist. Hier diesen -Schrank, die Zimmer des Hauses hier kehrte ich mehr als einmal um, ich -suchte mit Heftigkeit an allen unmöglichen Orten, war aber so fest und -unwidersprechlich überzeugt, daß ich das Heft von dort nach der Stadt -genommen hatte, daß ich mich selbst über die Frage als wahnsinnig -verlacht haben würde, ob der Schrank es noch bewahren könne. Und -außerdem -- -- der Rath zögerte, und als der Obrist in ihn drang, fuhr -er fort: Lieber Vater, jene Wand enthält außerdem alle Beweise und -Erinnerungen meiner jugendlichen Schwärmereien und Thorheiten, viele -Arbeiten, die ich als Schüler dieses und jenes geheimen Ordens entwarf, -Abschriften aus seltenen Büchern, kabbalistische Rechnungen, Recepte zur -Tinktur, und was weiß ich Alles. Eins jener tollen Blätter hatte sich -zufällig hieher verirrt, das ich jetzt an eine andre Behörde geschickt -habe, wo man es vielleicht mehr achten wird, als hier geschah. Diesen -Wust habe ich seit Jahren nicht angesehn, weil mir davor graut. Denn, -gestehe ich's doch, ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, daß ich -nicht hie und da lesen und wieder lesen sollte, wenn ich mich einmal der -Truhe nähere. Und bezwingt mich auch das Material des verwirrenden -Inhalts nicht, so ängstige ich mich doch mit Recht, mich wieder in alle -jene Stimmungen und Zustände zu versetzen, in welchen ich jenes Zeug -zusammengeschrieben habe. - -Der Wagen fuhr vor, und der Rath, Anton und der Obrist stiegen ein. Als -sie allein waren, warf sich Clara der Mutter, heftig weinend, an die -Brust. Wie ist Dir, mein Kind? fragte die Mutter. Ach, Liebste! -erwiederte Clara, Sie werden mich vielleicht schelten, daß ich bei -diesen Sonderbarkeiten, bei diesen Dingen, die uns Alle so gewaltsam -aufregen, etwas recht Albernes sage. Ich kann Alles das nicht leiden. -Sie sehn, wie gemein es klingt, aber ich kann keinen andern Ausdruck -finden, mag ich auch suchen, wie ich will. Wenn das Alles ist (und es -ist ja vor unsern Augen da, wir können es nicht mehr ableugnen), so ist -mir das Leben selbst widerwärtig. Mir entgeht alle Sicherheit, alle Lust -zu denken und zu handeln, denn meine Freude war es eben, daß Alles so -unbewußt sich bewegt und genießt, daß jedes Gefühl, jeder Gedanke um -sein selbst willen da ist. Nun soll Alles Zusammenhang haben, sich -geistig auf einander beziehn. Es ist mir unerträglich, so mit -Gespenstern in innige Verbindung zu treten. Gespenst! Ist denn so was -nicht der ächte Gegensatz, der völligste Widerspruch mit Geist? Sehn -Sie, Liebste, das Alles handthiert nun so gewaltsam in meinem Innern, -daß ich lieber gleich im Fieber selbst phantasiren möchte, als von -diesen Sachen hören: und nun gar sie erleben müssen! - -Tröste Dich, beruhige Dich, mein Kind, sagte die sorgende Mutter, Du -sprichst schon, wie im Fieber. Ich glaube Dich zu verstehn, und doch -scheinen mir Deine Ausdrücke zu herbe. Alles, was Du so schmähst, macht -ja für viele verständige Männer den Reiz des Lebens aus. Wie Vieles -würde mancher der Besten darum geben, wenn er sich durch dergleichen -Wunder überzeugen könnte, die uns geboten worden, und die wir so wenig -suchten, daß man sie uns aufdrängen muß. - -Das ist es eben, sagte Clara: ich kann mir keine Vorstellung davon -machen, wie steppendürre, wie öde es im Geist und Herzen solcher -Menschen aussehen muß, die sich dergleichen wünschen, die ihm nachjagen -können. Ein heitrer Blick aus dem lieben, unschuldigen Auge des Kindes, -seine Kartenhäuserchen, die es mühsam erbaut und lachend wieder umwirft, -jedes Geschäft des Hauses, Backen und Nähen und Stricken, der -Handlanger, der mit dem Schweiß seiner Arbeit seine Familie ernährt, o -nennen Sie, was Sie wollen, auch das Allergeringste, es ist ja -ehrwürdiger und edler, als es diese Raritäten sind, die sich so vornehm -anstellen. Möchten doch lieber diese zwanzigtausend Thaler verloren -gegangen seyn, als daß sie wiederkommen, und uns dieses Irrsal mit in -das Haus schleppen. - -Ich kann Dir nicht ganz Recht geben, Tochter, sagte die Mutter: mir -graut auch vor der Sache, aber dankbar müssen wir dem Manne doch seyn, -wenn wir durch ihn um so viel reicher werden. - -Nein! rief Clara, wenn ich es nur hindern könnte. Ich habe immer über -unsern Consistorialrath gelacht, zu dessen Christenthum der Teufel -eigentlich die nothwendigste und unentbehrlichste Person ist, aber jetzt -bin ich der Meinung des heftigen frommen Priesters. Nur der Satan bringt -diese Künste hervor, und Jeder, der sich damit einläßt, ergiebt sich -ihm. Die Langeweile plagt natürlich den alten verdammten bösen Geist, -und da weiß er sich nun keinen bessern Zeitvertreib, als die Menschen -durch allerhand Blendwerk dumm und konfus zu machen. Es wird schon so -seyn. Diese fatalen Beschwörer glauben ihn zu beherrschen, er spielt mit -ihnen, wie die Katze mit der Maus, und nachher sehen sie denn mit -Entsetzen, daß sie immerdar in seinen Stricken und seine leibeignen -Knechte waren. -- Ach! und mein Schmaling! der ist nun auch so ein -kleiner goldner Fisch, den sich die Unbarmherzigen mit ihren eisernen -Haken herauf angeln und über sein Bluten nur lachen. Welch hartes, -sonderbares Schicksal, daß mich eine Leidenschaft zu einem Manne -ergriffen hat, den ich eigentlich nicht ganz achten kann. Ich liebe ihn -und gebe ihm mein ganzes Herz, ich fühle es, ich kann ohne ihn nicht -seyn und leben, -- und doch widerstrebt mir so Vieles in seinem Wesen: -Sie werden sehn, dieser Blutsauger, der Sangerheim, macht mir mein -Liebchen, meinen Auserwählten noch ganz verrückt. -- Ich muß wider -Willen lachen. Vergeben Sie mir, Mutter. - -Sie lachte laut, um nachher um so heftiger zu weinen. Die Mutter, die -zwar die sonderbare Gemüthsart ihrer Tochter kannte, wurde doch besorgt, -daß sie krank werden möchte, und wollte sie bereden, sich nieder zu -legen: Clara wollte aber durchaus die Rückkunft des Vaters erwarten, und -erfahren, wie das seltsame Abentheuer geendigt habe. -- - -Man war in der Vorstadt abgestiegen, um mit einer Laterne in das finstre -Haus zu gehn. Die Stimmung der drei Männer war feierlich und der -Geheimerath Seebach zitterte, indem er die breiten und widerhallenden -Stufen hinauf stieg. Im Saale standen sie still, ruhten und zündeten -einige Kerzen an. Sie eröffneten die übrigen Zimmer, gingen hindurch und -gelangten endlich vor jenes Kabinet. Ehe der Rath aufschloß, sagte er zu -seinen Begleitern: Ich muß Euch bitten, Theure, wenn ich den Wandschrank -eröffnet habe, und nach jenen Blättern suche, daß Ihr mich ganz allein -gewähren lasset, weil ich nicht wünsche, daß Sie, lieber Vater, und noch -weniger mein Sohn, Etwas in jenen Skripturen lesen mögen, die so Vieles -enthalten, das ich jetzt selbst ganz vergessen habe. Der Rath schloß -auf. In dem kleinen Zimmer, das, wie alle übrigen, lange nicht geöffnet -war, war ein seltsamer Dunst. Der beklemmte Rath öffnete das Fenster, -ein frischer Luftstrom zog herein, und man vernahm das Flüstern der -Linde und das Rauschen des Holunderbaumes, die dicht vor dem Fenster -standen. Ist es Euch so seltsam, wie mir, zu Muthe? fing der Rath wieder -an. Mir dünkt, es kommt mir jetzt schon viel weniger darauf an, diesen -bedeutenden Theil meines Vermögens zu retten, als nur die Wahrhaftigkeit -jenes wunderbaren Mannes bestätigt zu finden: ob ich gleich von ihr -schon überzeugt bin. - -Er drückte an die ganz glatte Wand und sie eröffnete sich. Oben in der -Mauer standen einige Geräthe und Gefäße, die auch eine magische -Bedeutung haben mochten. Seebach bückte sich und holte einen schweren -Kasten aus dem Behältniß, der Briefe, Bücher, Maurer-Symbole und -dergleichen enthielt. Er ließ, indem er in den Verschlag trat, den Sohn -hinein leuchten. Man sah Nichts, und nur der Vater konnte den -künstlichen Schieber finden, der zurückgedrängt wieder eine andere -geräumige Oeffnung entdeckte. Gleich oben lag das vermißte Dokument und -ein großer Zettel daneben, auf welchem mit großen Buchstaben stand: Das -Dokument über die zwanzigtausend Thaler findet sich in meinem geheimen -Wandschrank, unten, im Hause der Vorstadt. -- Es war auch hinzugefügt: -Sollte ich auf der Reise sterben, so suche man -- und hier war genau für -den Fremden beschrieben, wo man die Feder und den Schieber entdecken -könne. - -Seht, Freunde, rief der Rath, dieses Blatt wollte ich aus Vorsorge in -mein Schreibpult legen, um das Dokument ja nicht zu vergessen. Aber die -eilige Arbeit, die Wichtigkeit der Geschäfte, die nahe Abreise machten, -daß das Vergessen den Sieg, wie es so oft geschieht, über die Vorsicht -davon trug. Für meine Familie, im Fall ich von der Reise nicht -zurückkommen sollte, war noch diese genaue Bezeichnung hinzugefügt. - -Er übergab das Dokument seinem Sohne, der es sorgfältig in die -Brieftasche legte. Hierauf bückte sich der Vater wieder und nahm alle -übrigen Papiere aus jenem tiefen Raume, die in mehreren verschlossenen -Mappen und sorgfältig zugeschnürten großen Heften enthalten waren. -- -Was machen Sie da? fragte der Obrist. -- Da das Geheimniß des Schrankes, -sagte der Rath, jetzt ein öffentliches ist, so will ich alle diese -Papiere mit mir nehmen, um sie in meinem Stadthause sicher zu verwahren. --- Er trug sie selbst mit Anstrengung die Treppen hinunter und in den -Wagen, und wollte sich weder vom Obristen, noch seinem Sohne helfen -lassen. - -Als sie wieder im Wagen saßen, fing der Rath an: Was soll man nun, meine -Lieben, von dieser ganzen Sache denken? -- Denken? erwiederte der Sohn, -fürs Erste wohl gar Nichts, denn wir haben noch lange an unserm -Erstaunen zu genießen. Dann wollen wir uns des Geldes und des gewonnenen -Prozesses freuen, und Clara vorzüglich mag dem Magus danken, weil ohne -ihn ihre Aussteuer wäre verkürzt worden. Mit dem Zauberer müssen wir -auch Freundschaft halten, der unserm Hause geholfen hat. Mit allen -diesen Dingen können wir uns eine Weile die Zeit so leidlich vertreiben, -denn es scheint mir gefährlich und bedenklich, zu früh über diese Sache -denken zu wollen. Haben wir doch genug daran zu thun, sie zu glauben. -Und ableugnen läßt sie sich nun einmal nicht. - -Ich begreife Deinen Leichtsinn nicht, erwiederte der Vater. Kannte -dieser Sangerheim mich und meine Familie? und wenn dies war, konnte er -von diesem Papiere wissen? und wenn er davon erfahren hätte, konnte er -diesen geheimen Schrank entdecken? Setzen wir auch den noch -wunderbarsten und seltensten Zufall, er habe nach mehr als zwanzig -Jahren den Tischler gefunden, der ihm diesen Schlupfwinkel verrathen -hätte: wie viel Unerklärliches bleibt noch zu erklären? Und wie viel -Unnatürliches, Unmögliches muß man schon gewaltthätig zusammen raffen, -um nur das Leugnen des Wunderbaren und Unbegreiflichen bis zu dieser -Spitze zu treiben? - -Darum eben, mein lieber Vater, antwortete Anton, ist diese Entfernung -von allem Grübeln, sich aller Gedanken zu entschlagen, was Sie, um mir -einen Vorwurf zu machen, Leichtsinn nennen, hier recht an der Stelle. -Helfen wir uns doch mit nichts Besserm, als diesem Leichtsinn, der aber -auch edler Natur seyn kann, bei den allerwichtigsten, heiligsten und -höchsten Dingen, wenn wir uns nicht geradehin der Verzweiflung oder dem -Wahnsinn ergeben wollen. Wenn unsre Gedanken vor dem Bilde der Ewigkeit -scheu umkehren, oder an der Gottheit und Allmacht des Schöpfers ermatten -müssen: -- was können wir anders thun, als uns in diesen Leichtsinn -retten, der uns so kindlich, so tröstend entgegen kommt? Mag es nicht -eben so Pflicht und Weisheit seyn, zu Zeiten gewissen Gedanken -auszuweichen, wie es ein andermal unerläßlich ist, sie aufzusuchen, und -bis in das Innerste hinein zu ergründen? Nicht jeder Stunde geziemt -Alles. - -Weisheit! sagte der Alte unwillig; wenn die Unerfahrenheit sie lehren -will! -- Sie waren angelangt und stiegen zum Wohnzimmer hinauf, in -welchem Clara und die Mutter sie erwarteten. Man sprach, erzählte noch, -und der Vater sorgte vorzüglich, seine Skripturen in Sicherheit zu -bringen. -- Der frühe Morgen überraschte sie noch im Gespräch, sie -legten sich nieder, um noch einige Stunden zu schlafen, aber Keinem von -Allen ward mehr als ein unruhiger Schlummer zu Theil, der sie nicht -erquickte. - - * * * * * - -Diese Begebenheit, obgleich sich Alle vorgenommen hatten, nur zu den -Vertrautesten von ihr zu sprechen, war bald in der Stadt bekannt, und -machte großes Aufsehn. Und, wie es zu geschehen pflegt, erzählte man -sich den seltsamen Vorfall bald mit den wunderlichsten Zusätzen, indem -Jeder glaubte, am Besten von dem Wunder unterrichtet zu seyn. -Sangerheim, der dieses gerade hatte vermeiden wollen, war hiedurch sehr -verstimmt, und wurde es noch mehr, als er erfuhr, daß der regierende -Fürst selbst sich von seinem Rathe Seebach die denkwürdige Sache hatte -vortragen lassen. So kam es denn, daß Sangerheim nicht nur zu allen -Versammlungen und Gesellschaften sehr gesucht wurde, sondern daß auch am -Hofe Nachfrage nach ihm geschah. Alles dies schien ihm sehr -gleichgültig, denn er bekannte selbst, nur einen Zweck im Auge zu haben, -nehmlich die gewöhnliche Freimaurerei verächtlich zu machen und zu -stürzen, zu welcher sich in dieser Provinz die angesehensten Männer -bekannten, und die zugleich die größte Achtung genossen. Es gelang ihm -auch, die Logen zu stören und verdächtig zu machen, und viele der -eifrigsten Brüder zu sich hinüber zu ziehn. - -Indem er mit diesen arbeitete, ihnen den Irrthum deutlich machte, in -welchem sie bisher gewandelt waren, verschiedene Grade einrichtete und -geheimnißvolle Weihungen vornahm, mysteriöse Zeichen, Amulete und -Gehänge austheilte, deren Deutung er sich vorbehielt, saß der geheime -Rath Seebach in seinem Zimmer und vertiefte sich in jenen Schriften, die -ihm seine leidenschaftliche, sonderbare Jugend wieder vergegenwärtigten. -Er hatte mit Recht die zauberhafte Wirkung dieser Papiere gefürchtet, -denn er verlor sich so in Erinnerungen, daß die Gegenwart fast gar keine -Gewalt über ihn ausübte. Vieles hatte er ganz vergessen, über Manches -dachte er jetzt anders, aber doch erschien ihm Alles in einem andern -Lichte, als er erwartet hatte, denn er fand zu seinem Leidwesen, daß die -großen Fragen keinesweges so abgeschlossen waren, als er es neuerdings, -ohne wiederholte Untersuchung, zu seiner Beruhigung angenommen hatte. - -Diejenigen, die den alten Logen treu geblieben waren, sprachen über -Sangerheim sehr erbittert, und behandelten ihn, ohne daß sie es beweisen -konnten, wie einen Betrüger. Schmaling, so wie der Arzt Huber, die -gleich seine eifrigsten Anhänger geworden waren, kämpften mit -aufgeregter Leidenschaft diesen Verleumdern entgegen, und die ganze -Stadt, die viele Jahre hindurch ruhig gewesen war, nahm heftig Parthei -für und gegen den Fremden. Dieser und seine Freunde bemühten sich, den -elenden Zustand der neueren Maurerei und das Unwesen der Logen in das -grellste Licht zu stellen. Man berechnete, wie viel die Lehrlinge, deren -keiner abgewiesen wurde, jährlich einbrächten, wie die älteren Brüder -nur dahin strebten, Vorsteher, Redner und Meister vom Stuhl zu werden, -um durch diese und andre Würden freien Theil am Schmause zu erhalten. -Man zeigte, wie verdächtig die Wohlthätigkeit dieser Maurer sei, und -erzählte und wiederholte ärgerliche Geschichten, die allgemeinen Anstoß -gaben. Man machte sich lustig darüber, wie sehnsüchtig sie irgend einem -Geheimniß entgegen sähen, wenn sich nur irgendwo eins wolle auftreiben -lassen; wie gern man es sich, behutsam verpackt, aus England oder -Schottland verschreiben möchte, und keine Kosten spare, damit man den -sehnsüchtigen Forschern doch nur irgend Etwas zu verheißen hätte. Jene -Logen der strikten Observanz hatten aber auch Manches mitzutheilen, was -der Wißbegierige und Schadenfrohe gerne anhörte. Man erzählte: dieser -Sangerheim sei nichts anders als ein Spion, von einer großen Macht des -südlichen Deutschlands ausgesendet, um in den nördlichen Provinzen -Zwiespalt auszusäen, und Mißtrauen zwischen Volk und Regierung zu -erregen. Der verhaßte Name der Jesuiten wurde nicht geschont, um ihn und -seine Freunde zu bezeichnen und verdächtig zu machen. Man wollte in -seiner Wohnung eine weiße Frau, oder vielmehr ein entsetzliches Gespenst -gesehn haben, und der neuerungssüchtige Pöbel fügte hinzu, daß Kobolde -und Teufel in seiner Wohnung freien Aus- und Eingang hätten. Man scheute -sich nicht, zu behaupten, er stelle dem Leben des regierenden Herrn und -seiner Familie nach, und es gab keine so abgeschmackte Lüge, die nicht -in irgend einem Kreise einen Schwachkopf fand, der sie geglaubt hätte. -So sehr diese ältern, aufgeklärten Logen den eindringenden Neuling aber -auch haßten, so sehr beneideten sie seine Kenntnisse und Geheimnisse, -und wären ihm gern freundlich entgegen gekommen, wenn er ihnen nicht so -unverhohlen den Krieg angekündigt hätte. - -So war die freundliche Stadt, die sich bis dahin einer schönen -Geselligkeit erfreut hatte, von Zwiespalt zerrissen, der sogar viele -Familien ergriffen, und die nächsten Freunde und Verwandte einander -entfremdet hatte. Wie man stritt und verleumdete, bewies und zankte, die -Meinungen hin und her schob, so merkte von Allem Derjenige, der -eigentlich die Veranlassung dazu gegeben hatte, der geheime Rath -Seebach, am wenigsten von dieser Verwirrung, weil er bei Tage wie in der -Nacht fast immer über jenen Papieren sann und brütete, die er aus seinem -Schranke gleichsam von Neuem erbeutet hatte. Alle Träume und Wünsche -seiner Jugend wurden nun lebendig in ihm, er konnte nicht begreifen, wie -er bis dahin alle diese Gedanken und Erfahrungen als Kindereien so -unbedingt hatte abweisen können. Er war seitdem gegen seine Familie weit -zurückhaltender, und ihn gereute selbst das Wenige, was er seinem Sohne -vertraut hatte. Die Mutter klagte, die Tochter trauerte, und der Obrist -war verdrüßlich, aber ohne Erfolg. Nur Anton blieb in seiner heitern -Laune und sagte: Was wollt Ihr? Mein Vater verjüngt sich wieder; ist -denn das nicht ein Glück, welches wir gern unsern Geliebten gönnen, und -es ihnen immerdar wünschen? Warum sollen wir denn unsre Erfahrungen auch -nicht einmal von rückwärts erneuern? Zum Kindischwerden hat es mit -meinem lieben Alten noch Zeit, aber die Kindlichkeit ist ja fromme -Tugend und ein Glück der Erde. - -Er ging dem verdächtigen Sangerheim aus dem Wege, so oft er diesem -begegnete. Und dazu fand er oft Gelegenheit, denn so wenig der Magier -auch zur Familie gehörte, so besuchte er sie doch täglich, und oft kam -er zweimal am Tage, um den Herrn des Hauses zu sehn, und sich mit diesem -einzuschließen. Sie arbeiteten dann, lasen, schrieben, und man wollte in -der Familie sagen, daß sie gemeinschaftlich magische Operationen -vorgenommen hätten. - -Als unmittelbar nach jener Nacht der geheime Rath sich dem Unbekannten -hatte dankbar erzeigen wollen, sagte dieser: Demüthigen Sie mich nicht, -verehrter Bruder, durch ein solches Anerbieten. Ich habe, was ich -brauche, und es wird mir nicht leicht fehlen. Sollten sich irgend einmal -die Verhältnisse anders gestalten, so werde ich mich mit Vertrauen -zuerst an Sie wenden, und Sie werden mir dann meine Bitte nicht -abschlagen. - -Als der Rath ihm von Neuem seine Dankbarkeit ausdrückte und zugleich den -Wunsch aussprach, ihn näher kennen zu lernen, erwiederte der Fremde: Was -ich von mir weiß, oder Ihnen sagen darf, will ich Ihnen, geliebter -Bruder, gern mittheilen, denn wir verstehn den Freund um so besser, wenn -wir seine äußere Geschichte, die Umrisse seines Lebens ebenfalls vor uns -sehn. So wissen Sie also, daß ich im Jahr 1745 geboren bin, und zwar in -Paris. Mein Vater war nichts Geringeres, als ein Prinz von königlichem -Geblüt, aber meine Mutter war eine Bürgerliche, die sich durch schöne -Worte, Versprechungen, vorzüglich aber durch die einnehmende Gestalt -meines Vaters hatte täuschen lassen. Ich wurde gut erzogen, und der -theuerste Lehrmeister für jede Kunst und Wissenschaft mir gehalten. Mein -Vater hatte große Freude an mir, und verzog und verzärtelte mich. Das -ist das größte Unglück, das einem Kinde meiner Art widerfahren kann, -denn in spätern Jahren wird es doch wieder in die Bahn zurückgewiesen, -in die es nach den Einrichtungen der Welt gehört. An einem sittenlosen -Hofe war meine Abstammung eines jener öffentlichen Geheimnisse, das alle -Welt kennt und belacht, und eben so Jeder, wenn es ein ernstes Wort -gilt, verleugnet. Ich hatte oft das Glück, den König zu sehn, der -zuweilen so mit mir spielte, als wenn er selbst ein Kind gewesen wäre. -So lange man als Kind hübsch und artig ist, wird man über die Gebühr von -Weibern und Mädchen bewundert; treten die Jahre ein, in denen sich der -Knabe streckt und auswächst, so wird er von verwöhnten Menschen um so -mehr übersehn, wohl gar verfolgt, und das Beste im Kinde wird verhöhnt, -wie früherhin das Gleichgültigste vergöttert ward. Auch diese Erfahrung -mußte ich machen, so wie späterhin die noch schlimmere, daß mein Vater, -der sich mit einer jungen tugendhaften Dame vermählte, nachdem er einige -Jahre als Wittwer gelebt hatte, mich aus Engherzigkeit und -mißverstandener Moral verleugnete. Damals bemächtigte sich eine tödtende -Bitterkeit meines jungen Herzens. Nachher ging mein Haß in Verachtung -über, und ich vermied, wie ich nur irgend konnte, den Anblick des -Prinzen. Ich erhielt eine Stelle beim Regiment, ward Lieutenant, -Hauptmann, Obrist, und man ersparte mir sogar den Dank für diese -Wohlthaten und Auszeichnungen. - -Die Maurerei war in Frankreich etwas so Gewöhnliches, daß jeder junge -Mann von Welt und Erziehung zur Brüderschaft gehören mußte. Es war fast -nicht mehr, als wie man eine Loge im Theater nimmt. Der Krieg brachte -mich nach Deutschland und ich lernte hier einige ernstere Brüder und ein -tieferes Forschen kennen. Als aber mein Wissenstrieb erwachte, konnte -mir Keiner eigentlichen Bescheid geben. Jeder hoffte vom Andern das zu -erfahren, was er so schmerzlich entbehrte, und was Jeder nur ungern, und -endlich mit Scham gestand, nicht zu besitzen. Ich ging durch alle Grade, -durch alle Sekten, hatte viele hochklingende Namen, vielerlei Kreuze und -Kleidungen erworben und als aufmunternde Amulete erhalten, aber -eigentlich Nichts erfahren. Das Sonderbarste war, wenn ich mich -erforschte, daß ich eigentlich selbst nicht wußte, was ich denn nun -wissen wollte. Jenes leere Ideal, jener nüchterne Cosmopolitismus, den -Sie uns neulich schilderten, war mir freilich auch von Einigen gepredigt -worden, aber er konnte meiner brennenden Wißbegier am wenigsten genügen. -Wenn wir sehn, wie uns durch mechanische Kunst die Thiere gehorchen, wie -der Wind das Segel schwellt und dem Schiffer dient, wie das Feuer uns -die Berge und ihre Metalle zu leibeignen Vasallen macht, und eine arme -Mischung von Kohlenstaub, Salpeter und Schwefel uns Mauern und Thürme -niederwirft, so meinte ich, der so vorgeschrittne Mensch dürfe auch in -das Geisterreich seine gebietende Hand hineinstrecken, und auch die -Kräfte müßten ihm gehorchen, die man nur gemeinhin die unsichtbaren und -unbekannten nennt, weil Keiner das Auge dreist erhebt. - -Aber nirgend fand ich Rath und Hülfe. Auch in England nicht; -gewissermaßen hier am wenigsten. Ich kam auf die Vermuthung, die sich -mir späterhin als Wahrheit bestätigt hat, daß alle diese Menschen von -Klügeren mit Spielwerk und nüchternen Reflexionen, oder Symbolen der -ehemaligen Tempelherrn nur hingehalten werden, damit sie ja nicht -erwachen und das wahre Licht erkennen. Nach dem Frieden verließ ich den -Dienst und Soldatenstand, und nur meine Sehnsucht, so wie die Verehrung -der Kunst trieb mich nach Italien. - -Hier nun war es, vorzüglich in Florenz und Rom, wo mein Leben in eine so -andre, bis dahin nie geahndete Bahn gerieth, daß ich Ihnen, geliebter -Bruder, wenigstens für jetzt, von den Erfahrungen, die ich machte, von -den Erkenntnissen, die mir mitgetheilt wurden, Nichts offenbaren darf. -Aber die Zeit wird kommen, ich sehe sie schon vor mir dämmern, wo ich -Ihnen Nichts mehr zu verschweigen brauche. Als ich nach Frankreich -zurück kam, bemerkte ich, wie Saint Martin und seine Schüler Manches in -der Ferne gesehn haben, wie Fludd und die deutschen Rosenkreuzer nicht -zu verwerfen sind, und wie vorzüglich ihr großer Jacob Böhme oft fast -unmittelbar an das Centrum des heiligen Geheimnisses geräth, von dem -auch Paracelsus und der tiefsinnige van Helmont schon einen Anblick, wie -durch einen fliehenden Nebel hatten. Diesen großen Männern fehlte -Nichts, als Bekanntschaften in Italien, wie sie mir ein günstiger Zufall -verschaffte, um schon in der Kunst die höchste Stufe zu ersteigen. Ich -bin auch überzeugt, daß hie und da ein Deutscher, weil diese Nation -vielleicht das größte Talent zum Tiefsinn besitzt, wohl das Mysterium -gefunden hat. Es Unwürdigen mittheilen, ist die größte Sünde, und -deshalb sind Prüfungen verschiedener Art und mancherlei Grade -nothwendig. - -Der Rath Seebach schien im Wesentlichen mit diesen Ansichten -übereinzustimmen. Er theilte dem neugewonnenen Freunde viele jener -jugendlichen Schriften, Auszüge und Bemerkungen mit, und Sangerheim -sagte nach einigen Tagen: es ist, verehrter Bruder, wie ein Wunder, daß -Sie in Ihrer Jugend schon so sicher auf dem richtigen Wege gingen, sich -aber doch zu bald durch Schwierigkeiten und einige Blendwerke, die ihnen -die Meister wohl absichtlich entgegen schickten, zurück schrecken -ließen. Wer so früh so vorgearbeitet hat, dem muß es im reifen Alter ein -Leichtes seyn, auch das Allerhöchste zu erringen. - -Der Obrist, der sich zurückgesetzt fand, war mürrisch und verdrüßlich, -und es gelang dem wunderbaren Gaste nur schwer, ihn wieder zu gewinnen. -Als dies geschehn war, arbeitete der Greis, um auch Vorschritte zu -machen, um so eifriger. Schmaling, der dem Magier ganz ergeben war, -fühlte sich in Gegenwart seiner Geliebten nicht mehr so heiter und froh, -als ehemals, und der Arzt Huber war glücklich, daß er endlich einen -Bruder gefunden hatte, der Talent und Einsicht genug besaß, sein System, -dessen Anhänger er schon lange war, dem Geheimenrathe gegenüber so -geltend zu machen, daß dieser selbst sich dazu schon halb bekannte. - -Der weibliche Theil der Familie war in tiefer Trauer, denn Clara's -scharfes Auge bemerkte sehr gut die Veränderung, die mit ihrem Geliebten -vorgegangen war. Er sah sie selten, und wenn er in ihre Nähe kam, war er -tiefsinnig oder zerstreut. Ihn ergötzte kein Spaziergang mehr, kein -Gespräch konnte ihn aufheitern, so sehr war er seinen seltsamen -Forschungen hingegeben. Die Gesellschaft Antons vermied er mit -auffallender Aengstlichkeit, weil dessen Scherz ihn einigemal verwundet -hatte. Welche reizbaren Geister, sagte dieser zur Schwester, müssen es -seyn, die durchaus gar keinen Spaß verstehn? Könnte man sich dergleichen -Unsterbliche wohl zu seinem Umgange wünschen? Ich wenigstens gewiß -nicht. Aber unser Schmaling muß, ich weiß nicht welchem trübsinnigen -Elfenkönig, den feierlichen Eid abgelegt haben, niemals wieder zu -lachen. Und wenn der junge Mann doch nur einsehn wollte, wie schlecht -ihm diese Feierlichkeit zu Gesichte steht. Er ist, wenn er lacht und -heiter blickt, zehnmal so liebenswürdig. Fährt er aber so fort, so -bekommt er Runzeln und Falten, wie ein Rhinozeros. Solche Stirnrunzel -sieht aus, als wenn ein ganzer Acker fruchtbarer Erde aus dem Kopfe -genommen wäre. Es sind die wahren Lückenbüßer, die andeuten, wie alle -Gedanken entflogen sind. Die Stirn hat immer, so wie sie es merkte, -nachgeschnappt, um festzuhalten; so sind diese Gruben geworden. - -Mir ist Dein Scherz zuwider, sagte Clara, denn ich sehe das Glück meines -Lebens gestört. Dieser unglückliche Besuch hat Alles geändert und der -aufgereizte Schmaling bedurfte nur einer solchen Veranlassung, um sein -ganzes Wesen umzuwandeln. - -Sei über ihn beruhigt, antwortete der Bruder, ich habe schon dafür -gesorgt, daß er wieder curirt werden soll. Mir ist ein Mittel -beigefallen, das ich für untrüglich halte. - -Wenn es nur, erwiederte die Schwester, durch diese Cur nicht noch -schlimmer wird, wie es wohl zuweilen der Fall ist. Wer kann überhaupt -wissen, was noch aus Arzt und Kranken wird. - -Um mich darfst Du unbesorgt seyn, sagte Anton, laut lachend, denn mein -Wesen ist zu prosaisch, um sich umstimmen zu lassen. - -Wir erleben, antwortete die Schwester, so Manches, was wir nicht -erwarteten. Bist Du Deiner so gewiß? - - * * * * * - -Die Gegenwart Sangerheims hatte in allen Gemüthern Empfindungen, -Ansichten und Neugier aufgeweckt, alte Erzählungen wieder neu in Umlauf -gebracht, die man schon vergessen hatte, und es war kein Haus, in -welchem nicht Meinungen behauptet und bestritten wurden. Die Maurer der -vorigen Tage waren in das größte Gedränge gekommen und viele, und zum -Theil die angesehensten, hatten den Fremden für ihren Meister anerkannt. -Als der Gelehrte sah, mit welchem Eifer man für und wider kämpfte, -vorzüglich aber als er bemerkte, wie die Familie seines alten Freundes -in Verwirrung gerathe, nahm er sich vor, Etwas zu thun, um die vorige -Ruhe und Behaglichkeit wieder her zu stellen. Man hatte ihm erzählt, wie -sehr der Rath sich an den verdächtigen Fremden schließe, und wie dies -nicht allein Frau und Tochter betrübe, sondern ihm vom Minister und dem -Fürsten selber nicht gut ausgelegt werde. Ferner sagte eines Tages zu -Anton: dieser Trieb in uns, ohne welchen wir kein Interesse an -Wissenschaft und Geschichte nehmen könnten, muß sorgsam bewacht und -gehütet werden, wenn er den Geist nicht in Gegenden verlocken soll, in -denen aller ächte Trieb zum Wissen erlischt. Alle Kräfte in uns sollen -im Gleichgewichte stehn und nur dann ist der Mensch gebildet und -verständig; darum kann ihn, wie es so oft geschieht, ein überwiegendes -Talent unglücklich machen. Die Lust am Geheimniß und Wunder darf auch -nur verstärkt werden, wenn Witz und Scharfsinn, Vernunft und Verstand -ebenfalls sich beleben. Diese Harmonie des Menschen fällt aber nicht ins -Auge, und darum dünkt sie auch oft den Aufgeregten etwas Geringes und -selbst Verächtliches. - -Anton hatte dem Professor einen Plan mitgetheilt, um Schmaling, der sich -am unbedingtesten der Schwärmerei ergab, auf gelinde Weise durch -Beschämung wieder zur Vernunft zurück zu führen. Er hatte die -Bekanntschaft eines Mannes gemacht, und ihn auch in das Haus seines -Freundes, des Professors, geführt, der sich in kurzer Zeit das ganze -Vertrauen des Jünglings erworben hatte. Es schien in der That, als wenn -dieser Freund, der sich Anderson nannte, Jeden gewinnen müsse, dem er -sich nähere; so konnte er durch Scherz und Ernst, Witz und Tiefsinn, -Laune und Munterkeit in das Wesen der verschiedensten Charaktere -eingehn, indem er bald in jedem Menschen eine Seite auffand, für die er -sich interessirte, und so im geistreichen Gespräch den Mitsprechenden -klüger und einsichtsvoller machte, als dieser sich sonst erschienen war. -Wer dieses Talent besitzt, gewinnt die Menschen am sichersten. In den -meisten ist irgend eine Gegend des Geistes fruchtbar, und bringt -eigenthümliche Gewächse hervor. Die Natur hatte wohl die Absicht, daß -von hieraus die Originalität des Wesens hervorgehn, und das Individuelle -desselben sich geistreich ausbilden sollte. Aber unsre Erziehung, -einförmige und conventionelle Cultur, Geschäfte und Vielwisserei -ersticken bei den Meisten schon früh diesen Keim. Die meisten Gespräche -werden nur geführt, damit Jeder sich selbst hört, und den Andern so -wenig äußerlich wie innerlich zu Worte kommen läßt. Geräth aber ein -Menschenkünstler, ein ächter Virtuos, über diese verwahrlosten -Instrumente, so weiß er auch den baufälligsten wundersame Töne zu -entlocken. - -So war Jedermann in der Gesellschaft dieses Anderson klüger und -witziger, als für sich selbst, oder im Umgang mit Andern. Er war daher -in allen Gesellschaften gern gesehn, die er auch nicht vermied und -allenthalben Unterhaltung fand. Sein Aeußeres war eben nicht sehr -empfehlend, er war klein und stark, von breiten Schultern, und sein Kopf -stand zwischen diesen etwas eingepreßt auf einem dicken Halse. - -Durch Sangerheim waren alle früheren Nachrichten von dem großen -Wunderthäter, dem Grafen Feliciano, neu belebt worden. Briefe -bestätigten von Neuem seine unbegreiflichen und schnellen Heilungen der -schwierigsten und tödtlichsten Krankheiten, die die größten Aerzte schon -verzweifelnd aufgegeben hatten. Man erzählte sich, wie er in einer -großen Stadt des Auslandes in einem Palaste ganz wie ein Fürst lebe, von -glänzender Dienerschaft umringt. Kein Armer verlasse seine Schwelle, der -nicht reichlich beschenkt würde. Geld achte er wie Spreu, er bedürfe der -Gnade keines Königs, denn er habe jüngst einem Staate eine ungeheure -Summe geschenkt, um den Fürsten aus einer Verlegenheit zu ziehn. Daß das -Auflegen seiner Hand tödtliche Wunden schließe und die hartnäckigsten -Krämpfe löse, war nur etwas Unbedeutendes: denn Todte sollte er schon -geweckt haben, Abwesende aus fernen Ländern zitiren können, so daß sie -den Freunden oder der Familie in sichtbarer Bildung erschienen, so wie -er seinem eignen Geiste zuweilen gestatte, aus dem Körper zu wandern, um -plötzlich in Asien oder Amerika einem Freunde, der ihn magisch gerufen -habe, beizustehn. Daß alle Geister ihm zu Gebote ständen, die guten wie -die bösen, bezweifelte Keiner, der mit Vertrauen und Glauben von ihm -sprach. -- Schmaling, der wenig in Gesellschaft kam, sondern ganz seinen -sonderbaren Studien und seinem Meister lebte, war dem merkwürdigen -Anderson niemals begegnet, und darum hatte diesem heitern und gefälligen -Manne der übermüthige Anton den sonderbaren Vorschlag gemacht, daß er -die Rolle des berühmten Feliciano spielen solle, um so Schmaling zu -täuschen, und ihn so, indem er einsähe, wie leicht er hintergangen -werden könne, in seiner Verehrung Sangerheims irre zu machen. Der muntre -Anderson war auf diesen Plan eingegangen, und um so lieber, weil er oft -tadelnd von diesem Sangerheim und dessen Arbeiten sprach. Im Hause des -Professor Ferner wollte man eine geheimnißvolle Zusammenkunft -veranstalten, von der aber der Magus Sangerheim nichts erfahren dürfe. - -Ferner war lange diesem Projekt entgegen gewesen. Er sagte auch jetzt: -ich bin kein Freund von dergleichen Mystificationen. Sie sind nach -meinem Gefühl ganz und gar dem Wesen und dem Anstand einer gebildeten -Gesellschaft entgegen. Der Hintergangene hat Ursach, es nachzutragen, -und es ist ihm nicht zu verargen, wenn er niemals wieder Vertrauen faßt. -Indessen mag eine gute Absicht diesmal die Sache entschuldigen; nur -fürchte ich, daß Sie sich mit unserm Schmaling völlig verrechnet haben. - -Der Versuch wird immer das Uebel nicht ärger machen, antwortete Anton: -auch ist es gerade in der Hinsicht ein glücklicher Zeitpunkt, weil die -Freunde Feliciano's melden, er habe jene Stadt wieder verlassen, um von -Neuem eine Reise nach Aegypten zu machen, und aus den Pyramiden viele -Mysterien hervor zu suchen. - -Man traf noch eine nähere Abrede, und Anton ging, um jenen Anderson, zu -welchem er eine große Zärtlichkeit gefaßt hatte, wieder aufzusuchen. - -Der Rath Seebach stand oft in seinem Zimmer, vor seinen Papieren, die -vor ihm ausgebreitet lagen, und dachte seinem Leben und den wechselnden -Empfindungen nach, die ihn in den verschiedenen Perioden seiner Bildung -bestürmt hatten. Wohin geht dieser Lauf? sagte er eines Morgens zu sich -selbst; dasjenige, was ich als einen festen Besitz errungen zu haben -glaubte, droht mir wieder wie Wasser zwischen den Fingern zu entrinnen. -Bleibt es doch wahr, daß in jener Nüchternheit, die ich vormals rühmte, -die sichre Grundlage des Lebens ruht. Meine Jugend, und alle jene -wilden, ungezügelten Bestrebungen überströmen wieder alle Dämme und -Ufer, schon beginnt mir der Anblick dessen, was ich so lange als das -Schöne und Edle erkannte, Langeweile, Widerwillen und Ekel zu erregen, -denn zu unbedeutend, unbestimmt und mittelmäßig dehnt es sich vor mir -aus. Hingehalten durch Hoffnungen, eingewiegt mit Versprechungen, -aufgeregt durch Winke, und betäubt durch Erscheinungen, die ich sehe, -aber nicht begreife, die mich erschrecken, und an die ich doch nicht -glauben kann, wird mein Dasein zum Traum. Welch sonderbares Band zieht -mich zu diesem fremden Mann, und verknüpft mich ihm: ihm, dem ich mein -ganzes Vertrauen schenken möchte, und der in diesen Momenten der -Hingebung mich am meisten zurück stößt? Ich sehe, daß er geheime -Kenntnisse besitzt, die er mir mitzutheilen verspricht, und mir dennoch -vorenthält. Heut ist er ganz Offenheit, morgen lauter zurück haltende -Förmlichkeit. In seiner Gegenwart fühle ich das Gelüste, gerade das zu -glauben, was meinem Verstande am widersinnigsten erscheint, und wieder -überschleicht mich eine Empfindung, daß ich im selben Augenblick ihn und -mich verlachen möchte. - -Sangerheim traf und störte ihn in diesen Betrachtungen. Sie übersehn, -Theurer, sagte er beim Eintreten, indem er die Thür verschloß, wieder -Ihre Studien und Erfahrungen. Es ist sonderbar, wie wir Menschen schon -so oft in der Jugend das höhere Wort vernehmen, den Ton desselben -fassen, und uns späterhin Aussprache und Bedeutung wieder entfliehen -können. Doch kehren wir in reifen Jahren mit tieferem Sinn, mit -stärkerer Innigkeit zu denselben Wahrheiten zurück, wie es Ihnen -geschieht; unbewußt hat die Seele die Geheimnisse ausgearbeitet, und die -Glaubensfähigkeit steht gewappnet an derselben Stelle, wo noch gestern -Zweifel und Unglaube nackt und wehrlos zitterten. - -Gestern, sagte der Rath, haben wir gerechnet und Figuren gezeichnet, die -sonderbare Erscheinung, die Sie mir vorführten, überraschte mich; -nachdem vernahm ich, indem Sie neben mir saßen, jene Stimme aus dem -Zimmer dort, die mir die geheimnißvollen Worte zurief -- Alles dieses, -Lieber, sehe und erlebe ich; aber ich kann es mir nicht aneignen, es hat -keine Bedeutung für mich, es fährt Alles wie leere Phantome, nur -erschreckend, mir vorüber. Ich habe genug erfahren, um irre zu werden, -aber dieses Räthsel meines Innern, welches sich immer mehr verschlingt, -ringt mit allen Kräften meines Herzens zur Lösung hin. Weder in diesen -wechselnden Schauern von Licht und Schatten, noch in stiller Resignation -kann ich meine Befriedigung finden, und ich fange an, meine Zweifel -wieder als die bessere Weisheit aufzusuchen. - -Und doch waren wir übereingekommen, sagte Sangerheim mit feierlichem -Ton, Sie hatten mit mir die Nothwendigkeit eingesehn, daß es Prüfungen, -Grade geben müsse, daß die Geduld die unerläßlichste Tugend sei, um dem -Geheimniß näher zu kommen. - -Nur eine einzige Frage, und die beantworten Sie mir auf Ihr Gewissen, -sagte der geheime Rath eben so feierlich: Können Sie mir bei Gott und -allem Heiligen, das Sie glauben, schwören, daß Sie mir irgend einmal, -wenn auch später, die Lösung mittheilen wollen, und daß Sie selbst von -Ihrem Beruf überzeugt sind? - -Ja! rief der Fremde, und erhob die Hand. -- Gut denn, sagte der Rath, -empfangen Sie dann diese Brieftasche, und in ihr, was Sie wünschten, ich -will, ich muß Ihnen vertrauen. - -Auch ich, sagte Sangerheim, will mich Ihnen verpfänden, mit dem -Theuersten, was ich besitze, mit Allem, was ich Ihnen nur geben kann. Er -zog ein Paket hervor, mit seltsamen Zeichen versiegelt und fest in -einander geschnürt. Legen Sie, sagte er, hier auch Ihr Siegel an. In -diesem kleinen Raum ist Alles, was ich weiß, enthalten; mein ganzes -Dasein, Alles, was Sie erfahren wollen, umschließt diese Sammlung. Löse -ich sie zu der festgesetzten Zeit nicht aus, sterbe ich vor diesem -Zeitpunkt, so fällt Ihnen diese Erbschaft zu und Sie mögen damit -schalten nach Ihrer Willkühr. - -Der Rath nahm das Paket in die Hand, schlug es ein, überschrieb es mit -einer Nachricht, daß dies das Eigenthum Sangerheims sei, versiegelte es -und legte es in seinen Schrank. Sich besinnend nahm er es wieder und -sagte: doch kommen meine Kinder zuweilen hieher, in jenem Pult ist eine -geheime Schieblade. Er trug es hin und indem er es einzwängte, geschah -ein Knall, und die Masse selbst erzitterte. Sehn Sie, sagte Sangerheim, -Sie sind ohne Noth besorgt, es bewacht sich selbst. - -Der Rath hatte sich entfärbt. Sangerheim sah ihn fest an und schien sich -an der Verlegenheit des alten Mannes zu weiden, die dieser nicht -verbergen konnte, so sehr er sich auch bemühte. Er sammelte seine -zerstreuten Skripturen wieder, warf sie in den Schrank und sagte dann: -also, Geduld, und bis dahin habe ich mich Ihnen unbedingt ergeben. Es -ist wunderbar genug, wir entziehn uns gewissermaßen der Kirche und der -Religion des Staates, wir nennen es unsre Weisheit, anders und weniger -zu glauben, als der gemeine Mann, -- und geben uns im Entfernen vom -Hergebrachten und Autorisirten andern viel unglaublichern Dingen hin, -und sind zufrieden, nur zu sehn und zu ahnden, ohne daß uns die Lösung -gegeben wird, die wir doch in der Religion suchten und forderten. - -Richtig bemerkt, erwiederte Sangerheim; ist denn aber dieser Widerspruch -nicht vielleicht eine Vorbereitung zu einer ächtern Religiosität, zu -einem wahren Glauben? Immerdar, wenn wir uns widersprechen, ist es nur -Schein, wir suchen die Bindung, den unsichtbaren Mittelpunkt, der den -Widerstreit aufhebt. - -Das ist aber gegen die Abrede, erwiederte der Rath, daß ich wieder durch -Gedanken und ihren wechselnden Kampf das Richtige und Wahre finden -sollte, ich sollte es ja unmittelbar schauen, und es als einen wahren -Besitz von dannen tragen. - -Wenn Sie denn, fing Sangerheim zögernd an, sich nicht fügen können und -wollen, so gäbe es in Ihrem frommen und erweckten Sinn allerdings ein -Mittel, das rasch die Hemmung wegnehmen, und Sie ohne Umwege zum Ziele -führen könnte. - -Und dieses Mittel? fragte der Rath eifrig. - -Auch ohne dieses können Sie zu einem glänzenden Ziele gelangen, -antwortete Jener, aber langsamer, und niemals erreichten Sie die Würde, -so viel Sie auch schauen werden, eines höchsten Obern. - -Und dieses Mittel, fragte der Rath wieder, könnte mir diese Würde und -die schnellere Einsicht in alle Geheimnisse verschaffen? - -Ohne Zweifel. -- Sehnen Sie sich heftig? - -Unbeschreiblich! fing der Rath wieder an, und, da Sie so weit gegangen -sind, so nennen Sie es auch, sonst sind Sie nicht mein Freund. - -Was Sie immerdar hemmen wird, antwortete Sangerheim mit einer Thräne im -Auge, ist, daß Sie nicht ein Mitglied meiner Kirche sind. -- - -Der Rath trat einen Schritt zurück und suchte noch mehr wie vorher die -Bewegung seines Innern zu verbergen. Sangerheim sah ihn mit einem festen -prüfenden Blicke an, als wenn er seine Augen durchbohren wollte, aber -der Rath erwiederte diesen festen Blick, und nach einigen Augenblicken -entfernte sich der Fremde. - -Tief erschüttert ging der Alte im Saale auf und ab. -- Das ist es also? -sagte er endlich zu sich selber; also dorthin liegt das eigentliche und -wahre Geheimniß? -- Habe ich doch den Einreden so mancher vernünftigen -und kaltblütigen Freunde nicht glauben wollen. Ich hielt es nur für -Fabel, weil es einem Mährchen so ähnlich sieht; und ist also nun doch -Wahrheit. -- Sie bemächtigen sich einer Einrichtung, die im Beginn gut -und edel war, die sich dann selbst vergaß, und in deren unbedeutenden -Nüchternheit nun leicht die Sehnsucht zu Wundern und Seltsamkeiten Raum -finden kann. -- Wie verbreitet die Logen sind, so mögen sich diese, oder -ähnliche Schwindler leicht jetzt oder in Zukunft der Menge bemeistern, -um ihre Pläne, die sich noch nicht an das Licht wagen, durchzusetzen. -- -Diese Emissäre gehören also einer Propaganda an, und es läßt sich nun -wohl begreifen, wer und was diese geheimen Obern sind, -- Alles, was man -von diesem Nachbarstaate erzählt, wo man auf verschiedene Art den -Erbprinzen bearbeitet, hier und anderswo die Störung der Logen, das -Eindringen und Vorschieben alter Meinungen. -- Die Herren haben also -doch ihre Herrschsucht und die alten Plane noch nicht aufgegeben! -- Ja, -ich bin durch dieses einzige Wort zum Licht hindurch gedrungen, aber -sehr gegen deinen Willen, mein guter Magus. -- Seine Kunststücke -begreife ich freilich nicht; aber was gehen sie mich denn eigentlich an? -Vor meinem guten verständigen Sohne muß ich mich jetzt schämen, der doch -in seiner Art, wie er jenes Wunder betrachtete, sehr Recht hatte. -- Zu -schnell, zu plötzlich mag ich aber freilich auch nicht zurücktreten; ich -will ihn noch beobachten: ich kann es jetzt wie ein Spiel treiben und -genießen. -- - -Mit Beschämung dachte er nun der Summen, die er dem Magier ausgeliefert, -noch der letzten großen, die er ihm heut gegeben hatte. Sangerheim hatte -zwar Anfangs jeden Dank und Lohn ausgeschlagen, aber bald hatte er bei -dem großmüthigen Freunde Hülfe gesucht, der nun um so lieber und -reichlicher mittheilte, da der Wunderthäter sich erst uneigennützig -gezeigt hatte. Zu den Beschwörungen und zum Geister-Apparat, so wie zu -Einrichtung der Oefen und Herbeischaffung alles Geräthes, um den Stein -der Weisen hervorzubringen, war wieder ein Kapital nöthig gewesen. -Nachher zu geheimen Plänen, die Sangerheim noch nicht nennen durfte, auf -Geheiß jener unbekannten Obern, war wieder eine bedeutende Summe in -Anspruch genommen worden. Für die letzteren großen Auslagen hatte der -Magier seinem gläubigen Schüler eben jene versiegelten und zauberhaft -verschlossenen Schriften verpfändet, die er bald wieder, durch -Erstattung jener Summe, auszulösen versprach. - -Sangerheim machte einen großen Aufwand und lebte in der Stadt ganz als -ein vornehmer Mann. Der feinen und neugierigen Welt war es ein -Geheimniß, daß sie nicht ergründen konnte, wovon er seine Ausgaben -bestritt. Der geheime Rath Seebach hätte darüber Bescheid ertheilen -können, denn beschämt gestand er es sich nicht gern, daß ein großer -Theil jener so wunderbar geretteten Summe schon wieder geschwunden sei, -wenn der Zauberer nicht seine Schuld bezahle, woran der Gläubiger zu -zweifeln anfing. -- Mit Schmerz dachte er an den jungen Schmaling, -seinen künftigen Schwiegersohn, so wie an seinen Hausfreund, den Arzt, -denn er wußte, daß Beide eifrig mit Sangerheim laborirten. - -Die Familie war erfreut, als der Vater nach langer Zeit wieder bei -Tische heiter war. Clara besonders wollte daraus für ihr Schicksal etwas -Glückliches lesen. Als sie mit dem Bruder über die Veränderung des -Vaters sprach, sagte Anton: Dergleichen Verblendung, liebes Kind, kann -niemals lange dauern. Hätte ich nicht andre Sorgen, so wollte ich mich -anheischig machen, diesen Kummer mit etwas Geduld zu überwinden, oder -mit Verstand und Zeit die Getäuschten zu heilen. Heut Abend wird nun -unser Schmaling gründlich in die Lehre genommen werden, und ich möchte -Vieles verwetten, daß ich ihn Dir schon morgen als einen andern Menschen -vorführen kann. -- - -Sangerheim war, jenes Wortes wegen, das er hatte fallen lassen, mit sich -selber sehr unzufrieden. Er hatte bemerkt, wie der Rath dadurch war -überrascht worden. -- Mag seyn, sprach er zu sich, daß es unbesonnen und -zu früh ausgesprochen wurde, ich kann mit mir und dem Erfolg zufrieden -seyn. Sie müssen meine Bemühungen erkennen, jene großen, jene mächtigen -Männer. Und welches Glück, ihnen beigezählt zu werden! Welche Aussicht, -daß Natur, Geisterreich und Welt mir dient, daß vor mir jedes Geheimniß -die entstellende Hülle abwirft. -- Und bin ich denn noch so weit von -diesem glänzenden Ziele entfernt? Habe ich denn nicht die Zusage der -Edelsten, daß mir bald, in weniger Frist Alles soll gewährt seyn? Wie -sie mich durch Wissen, Kunst und Gold unterstützen, so werden sie mir -auch die herrlichsten Güter nicht lange mehr verweigern. - -So träumte Sangerheim, und verlor sich in sonderbare und weitaussehende -Plane. - - * * * * * - -Der Professor Ferner hatte dem jungen Schmaling unter dem Siegel der -Verschwiegenheit vertraut, daß, wenn er es wünsche, er am Abend den -weltberühmten Grafen Feliciano in seinem Hause sehn könne, welcher -incognito angekommen sei, um schnell weiter zu reisen. Er machte es ihm -aber zur Pflicht, seiner Schwester, wie seinen Eltern Nichts davon zu -sagen, weil sie Beide sonst sich den Zorn des Grafen zuziehen würden. -Schmaling war über diese Nachricht entzückt, und versprach, nicht -auszubleiben, indem er zugleich versichern mußte, daß sein Herr und -Meister, Sangerheim, auch Nichts davon erfahren solle. - -Anton stellte sich früher bei Ferner ein, um mit Anderson einige -Vorkehrungen zu treffen. Wenn es Effekt machen soll, sagte der heitre -Anderson, so muß ich Euer Haus und die Einrichtung desselben etwas -genauer kennen lernen. Aber sagt mir doch, von welcher Art ist denn -jener Kunstjünger selbst, den wir heut unserm Genius und dessen Launen -aufopfern wollen? - -Anton nahm das Wort und sagte: Der junge Mann wird jetzt acht und -zwanzig Jahre alt seyn und kann im Bau des Körpers, im Angesicht, Blick -und Wesen fast für einen vollkommen schönen Jüngling gelten. Sein Wesen -ist sanft und einschmeichelnd, sein Charakter ist weich und nachgiebig, -und so fügte es sich, daß er meiner Schwester, die er schon seit lange -verehrt hatte, gefiel. Er hat außerdem Viel gelernt, ist ein tüchtiger -Geschäftsmann, und von seinen Vorgesetzten so geachtet, daß sie ihn, so -jung er auch ist, schon zum Rath ernannt haben. Meine Schwester würde -einer glücklichen Ehe entgegen sehn, wenn diese Geheimnißkrämerei, diese -Sucht, sich die Weisheit der Rosenkreuzer und andrer Schwärmer -anzueignen, nicht das schöne Verhältniß jetzt für eine Zeitlang völlig -zerstört hätte. Ihr kennt ja, theurer Mann, die Begebenheit, die sich in -unserm Hause zugetragen hat. Seitdem ist er diesem Sangerheim, aus dem -wir Alle nicht klug werden können, wie mit Leib und Seele verschrieben. -Könnt Ihr nun, indem Ihr den Leichtgläubigen in einer Maske täuscht, ihn -dahin bringen, daß er von seiner Wundersucht nachläßt, so sind wir Euch -den größten Dank schuldig. - -Wir werden ja sehn, was wir ausrichten können, erwiederte Anderson. Er -ging, um sich die Zimmer zu betrachten, indessen Ferner bemerkte: Wie -seltsam ist es doch, daß wir uns zu einer solchen Maskerade vorsätzlich -einrichten, indessen jener Sangerheim, der so Viele täuscht, doch auch -kein wirklicher Charakter, sondern nur ein angenommener seyn kann. Man -kann aber die Bemerkung machen, daß man auf jeder Redoute, sobald man -die erste Betäubung überstanden hat, an alle die seltsamen Masken, die -man sieht, glaubt, sich diese Wesen in ihren seltsamen Bedeutungen -vergegenwärtigt, und selbst den vertrautesten Freund, wenn er sich nicht -ganz hölzern beträgt, sich nicht in seinem wahren Charakter deutlich -vorstellen kann. Diese sonderbare Eigenschaft unsrer Seele, die so gern -freiwillig der Täuschung entgegen geht, erklärt es einigermaßen, warum -die Betrüger in der wirklichen Welt in der Regel so leichtes Spiel -haben. - -Anderson trat wieder zu ihnen und sagte: Um meiner Sache gewisser zu -werden, fange ich nun schon an, den Feliciano zu spielen, den Grafen, -den Menschenfreund, den Heilkünstler und Geisterseher. Mein Bedienter -ist auch draußen, und wird mit bei Tische aufwarten, um der Gesellschaft -mehr Ansehn zu geben. - -Schmaling trat schon, früher als man vermuthet hatte, vor Freude -zitternd herein. Man begrüßte sich und der nachgeahmte Feliciano -behandelte ihn, so wie den Professor und Anton kalt, und mit ruhigem, -herablassendem Stolz. Man sprach nur wenig und setzte sich bald an den -Tisch zu einem leckern Abendessen nieder. Die feinen Weine waren nicht -gespart. - -Es wollte lange kein lebhaftes Gespräch in den Gang kommen, denn -Schmaling war zu sehr von Ehrfurcht durchdrungen, und der Professor so -wie Anton wußten nicht recht, wie sie sich nehmen sollten, um nicht zu -Viel zu thun, und Anderson selbst schien es darauf angelegt zu haben, -diese beiden Freunde etwas zu quälen, denn es war nicht zu verkennen, -daß ihre Verlegenheit ihn unterhielt. Endlich, um diese drückende -Schwüle aufzulösen, fing er an, von seinen Reisen zu erzählen, und der -Professor erstaunte, mit welcher Sicherheit er alle Gegenden -bezeichnete, wie richtig er über Werke der Malerei und Baukunst -urtheilte. Als Feliciano nun von Aegypten sprach, von den Wüsten -Arabiens, von Palästina, Syrien und Persien, und alle Gegenstände mit -der ruhigen Kunde eines Augenzeugen beschrieb, dachte Ferner leise -erröthend an seine vorige Bemerkung, denn er hatte wirklich während der -Rede vergessen, daß dieser Feliciano eigentlich Anderson sei. - -Jetzt war auch der glückliche Schmaling dreister geworden, und er wagte -es, auf den Gegenstand seiner Forschungen und Wißbegier einzulenken. Er -war sehr freudig überrascht, daß der Wunderthäter auch hierüber frei und -offen sprach, daß er jene seltsamen Kuren nicht leugnete, und selbst -andeutete, wie der Stein der Weisen kein Mährchen sei, wie ihn Viele -schon besessen hätten, und Mancher lebe, der Kenntniß von ihm habe. - -So halten Sie, fragte Schmaling wieder schüchtern, die wunderbare -Erzählung vom Flamel für keine Fabel? - -Wie sollte ich es, antwortete Feliciano, da ich den guten Mann selbst -noch hundert Jahre früher, als Paul Lucas Kunde von ihm bekam, in Indien -gesprochen habe? - -Anton fuhr zurück, denn diese Aeußerung schien ihm zu stark und den -Fremden bloß zu geben, doch Schmaling war von seinem Glück schon so -berauscht, daß dieser gewagte Ausspruch seinen Taumel nur vermehrte. - -Es ist sonderbar, fuhr Feliciano fort, wenigstens erscheint es uns -Kundigen so, deren Leben nicht wie Spreu verweht, wenn die Menschen -Dinge wunderbar, seltsam und unbegreiflich nennen, die eigentlich die -einfachsten und natürlichsten sind. Ist denn der Mensch ursprünglich -dazu geschaffen, um den Thau aus der Blume, wie der Schmetterling, zu -saugen, und wie dieser Augenblicks wieder zu vergehn? Sagt nicht die -Schrift das Gegentheil? Wenn nun Weisheit und Kenntniß der Patriarchen -und andrer Heiligen, sorgsam aufbewahrt von Geschlecht zu Geschlecht, -dem Auserwählten, der sich dessen würdig macht, mitgetheilt wird, -- wo -ist das Unbegreifliche, oder nur Seltsame? Die Erzväter lebten -Jahrhunderte, und wer ihrer nicht unwürdig ist, mag auch noch jetzt -ihnen darin ähnlich werden. Wir haben vielleicht noch den Vorzug vor -ihnen, daß wir Wissenschaft und Kunst späterer Zeit mit jenen uralten -der früheren Tage, die für die meisten Menschen schon längst verloren -gegangen sind, vereinigen können. - -Anton winkte dem Gelehrten, als freue er sich, daß Anderson so geschickt -seine vorige Uebertreibung verbessert habe. Feliciano fuhr fort: Und so -mag ich Ihnen sagen, und Sie werden sich hoffentlich nicht mehr darüber -verwundern, daß ich noch frühere Personen gesehn und gekannt habe. Es -war mir vergönnt, ein Freund des großen und heiligen Dante zu seyn. -Viele Verwirrungen der Welt, viele große Entwicklungen der Geschichte -habe ich gesehn, und immer wieder, wenn mein Gemüth durch dieses -weltliche Treiben zu sehr gestört wurde, zog ich mich in die Wüsten -Aegyptens oder Arabiens zurück, oder begab mich in meine -Lieblingslandschaften an dem Ganges, wo ich denn wieder mit Flamel und -manchem andern Adepten lebte. Ich habe bemerkt, daß seit drei -Jahrhunderten die Kunst sehr gesunken ist, denn so lange wird es jetzt -seyn, daß ich keinen neuen Ankömmling in unserm Kreise gesehn habe. - -Schmaling sagte verlegen: und möglich wäre es, sich diesen hohen -Sterblichen, die man fast Unsterbliche nennen möchte, anzuschließen? Ist -es zu hoffen, daß diese großen Geister den Schüler, der ihnen gegenüber -immerdar unwürdig erscheinen muß, nicht zurückweisen werden? - -Alles hängt davon ab, antwortete Feliciano, welche Bahn dieser Lehrling -wandelt, ob er sich zu der rechten gesellt, und ob seine Lehrer ihn -nicht vielleicht der Weihe unfähig machen. - -Und woran soll man das Wahre oder Falsche erkennen? fragte Schmaling. - -Auf vielfache Weise, erwiederte der Magus: ich dürfte nur geradezu -sagen, ich selbst kann Euch aus meinem Munde den besten und sichersten -Bescheid ertheilen. Indessen -- ist ein Kind hier im Hause? fragte er, -gegen den Professor gewendet. - -Ich habe zwei Knaben, antwortete dieser in der höchsten Verlegenheit, -denn dies war gegen die Abrede, und Ferner begriff nicht, wohin dies -führen sollte. - -Wie alt? fragte Feliciano. - -Der Eine zwölf, der Jüngere neun Jahr. - -So laßt mir den Jüngeren kommen, Freund, war die Antwort, und daß uns -dann die Dienerschaft nicht störe. - -Ferner ging, verwirrt und in sich selber ungewiß. Er kam mit dem -heitern, blondlockigen Knaben zurück, der hell und klar aus seinen -großen freundlichen Augen schaute. - -Der Zauberer ließ das Kind zu sich kommen, beschaute es ernst, hieß die -Hände zeigen, betastete den Kopf des Kindes, und indem er mit -feierlichem Anstande die rechte Hand auf dem Haupte des Knaben ruhen -ließ, fragte er ihn: Wie ist Dir jetzt? Empfindest Du Etwas? - -Ach! rief das Kind: mir wird so wohl, so hell, mir ist, als könnt' ich -singen, so leicht als möcht' ich fliegen, das Auge so licht, als könnt' -ich durch die Wände sehn. - -Bleibe so stehn, mein Sohn, sagte Feliciano sehr ernst, und, da nichts -Anders zugegen ist, das uns dienen könnte, so hefte Deine Augen auf den -klaren Kristall dieser Wasserflasche, und sage mir, was Du siehst. - -Anton wie Ferner waren im höchsten Erstaunen, was sich aus dieser -Anstalt, von der sie nicht die kleinste Ahndung gehabt hatten, ergeben -solle. Schmaling war in Bewunderung aufgelöst. Die größte Stille -herrschte. - -Ich sehe, fing das Kind an, einen jungen Herrn, einen schönen jungen -Herrn, hübsch in Kleidern, schlank gewachsen: mir ist, ich kenne den -Herrn. Ich glaube, es ist der Mann hier in der Stube. Er steht aber in -einem fremden Zimmer: ganz fremd. Da kommt ein andrer Herr: auch der ist -noch nicht alt; etwas größer. Sie sprechen. Dreiecke, Vierecke sind -aufgestellt: Sonnen, Monde. Sie sprechen. Ach! -- mit lautem Ruf sagte -der Kleine -- da schwebt so klar, ganz hell, glänzend, ein schönes -Frauenbild zwischen ihnen herab. Es küßt den hübschen Herrn auf die -Stirn. - -Genug, sagte der Magus, und zog die Hand zurück. -- Siehst Du noch -Etwas? - -Unsre Wasserflasche, sagte der Kleine, und ich bin ganz müde. - -Jüngling, sagte der Magus hierauf zu Schmaling, Du bist dermalen auf dem -richtigen Wege, verfolge ihn mit Muth und Standhaftigkeit, und das Ziel -wird Dir nicht entgehn. Dein Führer, dem Du Dich anvertraut hast, ist -der wahre, sonst wäre die göttliche Sophia nicht niedergeschwebt, und -hätte, dem Kinde sichtbar, Deine Stirn mit einem Himmelskusse berührt. --- Er reichte dem Jüngling die Hand, und dieser küßte sie mit -inbrünstiger Ehrfurcht. - -Anton war höchst betreten, überrascht, und konnte in leidenschaftlicher -Verwirrung nicht seine Begriffe ordnen und sammeln. Dies Alles war so -sehr gegen die Abrede, Anderson erschien ihm so fremd, in einer so neuen -Gestalt, daß ihm das Wort auf der Zunge versagte, als er ihn anreden -wollte, denn der Magus sah ihn mit einem so feurigen, durchdringenden -Blicke an, daß er verlegen die Augen niederschlug. Der Gelehrte war eben -so verwirrt, denn die Scene hatte sich so völlig umgestaltet, daß er -sich im eignen Wohnzimmer als ein Fremder fühlte. - -Du glaubtest, mein Anton, fing der Zauberer an, durch einen fremden Mann -diesem Jüngling einen Scherz und Trug zu bereiten, und Du, -Kurzsichtiger, bist der Getäuschte. Ja, wisse denn, ich bin wirklich und -in der That jener weit bekannte Feliciano, den die Welt früher schon mit -andern Namen nannte. Du staunst? Du zweifelst noch? Er faßte das Kind, -stellte es wieder vor den Tisch, murmelte einige Worte, blickte starr -eine geraume Zeit empor, indem er die Lippen bewegte, und legte dann -seine rechte Hand wieder auf den Kopf des Kindes. Was siehst Du für ein -Schicksal? fragte er dann mit schneidendem Ton. - -Ei! ei! rief der Kleine; ach! grüne Bäume, ein Dorf: ein kleines, liebes -Haus da, auch eine Wiese, ein klares Wässerchen, und eine Mühle nicht -weit davon. Ein junger Herr spaziert da, ich kenne ihn auch, er kommt -oft zu uns, ja er ist jetzt bei uns. Schau, da tritt ein hübsches -Bauernmädchen zu ihm, und sie gehn in das kleine Haus. - -Anton war blaß. Er hatte sich erhoben, konnte sich aber zitternd nicht -mehr aufrechthalten und setzte sich nieder. - -Der Knabe fuhr fort, in das Glas schauend: sie streiten heftig im -Zimmer, sie nimmt ein Bild aus ihrem Busen und tritt es mit Füßen. Er -geht und droht. Sie reißt ihre Mütze vom Kopf, die Haare fliegen. Sie -rennt nach dem Tische und zieht ein großes Messer hervor. Dann sieht sie -nach dem Bach und dem Wasser. Sie schwört, sie macht schreckliche -Geberden. - -Der Magus ließ die Hand vom Kopf des Kleinen und ein gelber Blitz zuckte -blendend durch das Zimmer, ein lauter Donnerschlag erschütterte das -Haus. Wie ein Rauch stand plötzlich ein blasses Frauenbild da, drohend -die Hand gegen Anton erhoben. Dieser stürzte entsetzt vom Sessel auf den -Boden. Alles verschwand und die Lichter brannten wieder hell. - -Nun, wendete sich der Zauberer zum Gelehrten, soll ich Dir auch noch -beweisen, daß ich der wahre Feliciano und kein Trugbild sei? Soll ich -Dir Deine geheimsten Gedanken und Absichten oder Deine Zukunft sagen? - -Ferner erwiederte bleich und geängstigt nur Weniges. Du glaubtest, fuhr -Feliciano fort, indem er den zerstörten Anton vom Boden erhob, kein -Mensch in der Stadt kenne Dein Verhältniß zu jenem unglücklichen -Mädchen, die Du Deinem Ehrgeiz aufopferst. Noch ist die letzte Zeit, -noch kannst Du sie retten. - -Es war schon spät, aber Anton stürzte fort und eilte zu Pferde noch in -der Nacht zu seiner Geliebten hinaus. Der Magus hatte sich entfernt, -aber Niemand hatte ihn zur Thür hinaus gehn sehn. - - * * * * * - -So hatte diese Zusammenkunft ganz anders geendet, als es die Freunde und -Clara erwartet hatten. Diese sah ihren Bruder am Abend nicht und auch -nicht am folgenden Morgen. Man war im Hause um ihn besorgt. Der Vater, -der einen kurzen, leidenschaftlichen Brief von Anton erhalten hatte, -lösete mit kummervollem Antlitz das Räthsel. - -Der Sohn war in der Nacht angekommen. Er vernahm, daß um die Zeit, als -das unglückliche verführte Mädchen ihm im Zimmer seines Freundes -erschienen war, sie in einem Todtenschlafe, so daß sie nicht zu erwecken -war, gelegen hatte. Als sie sich wieder besonnen und mit den tief -bekümmerten Eltern gesprochen hatte, legten sich diese, nach einem -kurzen Abendessen, zur Ruhe. Als im Hause Alles still war, hatte sie -noch einen Brief an ihren Ungetreuen geschrieben, der sich ihrer -schämte, und ihre Dürftigkeit und ihren Stand verachtete. Als sie mühsam -und unter vielen Thränen den Brief geendigt hatte, ging sie noch lange -auf und ab, um ihr Elend ganz zu fühlen und ihren schrecklichen -Entschluß in sich reif werden zu lassen. Sie hatte nicht den Muth, sich -ihren Eltern zu vertrauen, weil sie den Zorn des heftigen Vaters -fürchtete. Sie fühlte, wie nahe sie ihrer Niederkunft sei, und hatte -keinen Vertrauten, wußte keine Hülfe zu ersinnen. Anton hatte sie in der -Stadt als eine Unbekannte unterbringen, und für sie sorgen wollen, sie -aber hatte mit Abscheu alle seine Vorschläge abgewiesen, da er nicht -mehr für sie zu thun gesonnen war, so dringend sie ihn auch an seine -früheren Versprechungen und Eide erinnerte. Er wollte aufschieben und -Zeit gewinnen: er fürchtete ebenfalls seinen Vater, seine Vorgesetzten, -auch war die frühere Liebe wohl erkaltet. Sie sah keinen Ausweg und ging -jetzt in der finstern Nacht den Bach entlang, um in den brausenden -Mühlsturz sich und ihr ungebornes Kind und alle ihre Sorgen zu begraben. - -Indem sie nach der Mühle zulenkte, hörte sie auf der Landstraße ein -brausendes, jagendes Pferd. Es war Anton. Seine Todesangst erkannte -schon aus der Ferne ihren Schatten. - -Der geheime Rath Seebach meldete seiner Familie, daß sich sein Sohn am -frühen Morgen mit einem Bauermädchen verheirathet habe. Was der kurze, -heftige Brief nicht sagte, ergänzte seine Ahndung. Die Mutter, aus einer -alten adeligen Familie, einem angesehenen Edelmanne vermählt, war außer -sich, weil dieser Sohn ihr Stolz und ihre größte Hoffnung gewesen war. -Clara war mehr verwundert als betrübt, und zürnte dem Bruder, daß er ihr -und den Eltern aus diesem Verhältniß ein Geheimniß gemacht hatte. - -Traurig ist es, sagte der Vater, denn er hat sich durch den raschen -Schritt, durch diese Unbesonnenheit die Thüre zu allen höheren Stellen -verschlossen. Es ist aber so, mag es auch kommen, wie es will, besser, -als wenn er ein Verbrechen begangen hätte. Wir werden uns an die Tochter -gewöhnen, und wenn mein Sohn Ehrenstellen einbüßt, so hält er doch sein -Wort und bleibt ein Mann von Ehre. Wo das Schicksal so ernst in die -Verhältnisse des Lebens tritt, da soll man nicht mehr klügeln, sondern -in Demuth den hohen Willen anerkennen. Ich weiß, daß die Liebe seiner -Eltern nicht dadurch wird vermindert werden. - -Die Mutter weinte heftig, so sehr sie auch der Vater und Clara zu -beruhigen suchten. Der Vater schrieb dem Sohne mit dem rückgehenden -Boten einen herzlichen Brief, in welchem er ihm Alles vergab und ihn -ermunterte, sein Leben nun tüchtig und stark anzufassen. Die Stadt war -bald von dieser sonderbaren Begebenheit angefüllt, über welche Jeder -nach seinem Standpunkt und seinen Vorurtheilen sprach. - - * * * * * - -So war nun in allen Verhältnissen der Familie eine große Veränderung -eingetreten. Der Sohn kam vor der Niederkunft seiner Frau nicht zur -Stadt. Nachher zeigte er sich den Eltern, getröstet, aber nicht froh, -und späterhin führte er Agnes, die Bäuerin, bei ihnen ein, mit der er -ein eignes kleines Haus in der Vorstadt bezog. Nichts wollte sich fügen -und in einander schicken, und Jeder gestand sich, daß, wenn die Sache -unabänderlich war, diese Frau, durch welche die Laufbahn des Sohnes -gehemmt war, in den Kreis der Familie doch nicht passe. Es war schon die -Rede davon, daß er das Gut des Vaters bewirthschaften solle; indessen -schien auch dieses bedenklich, da Anton sich niemals um die -Landwirthschaft gekümmert hatte. Was den Vater aber mehr, als diese -Stellung seines Sohnes kümmerte, war, daß er ein schwärmerischer -Anhänger dieses Feliciano geworden, von dessen Seite er kaum mehr wich, -und so erlebte er nun, daß Sohn und Schwiegersohn sich diesem Schwindel -ergaben, von dem er selbst wieder geheilt schien. Er erstaunte, daß auch -sein ruhiger Freund, der Gelehrte, der ihm immer ein Muster in der -ruhigen Haltung erschienen war, ebenfalls nach jener Begebenheit sich -als einen fanatischen Anhänger des Feliciano erklärte. Auch der alte -Obrist neigte zu dieser Schwärmerei hinüber, und nicht bloß im Hause des -geheimen Rathes, sondern in den meisten Häusern der Stadt, wurde -Feliciano der erste und wunderbarste aller Menschen genannt. - -Ein Taumel bemächtigte sich, als es erst bekannt worden war, daß der -berühmte Feliciano zugegen sei, der ganzen Stadt. Jedermann wollte ihn -kennen lernen, jede Gesellschaft wollte ihn in ihrer Mitte sehn. Er -gewann in kurzer Zeit viele Anhänger und Freunde, und die angesehensten -Männer, die höchsten vom Adel bewarben sich um seine Gunst. Er erklärte, -daß er nur kurze Zeit verweilen könne, weil er in großen und wichtigen -Geschäften nach dem Norden gehn müsse, auch erlaubten ihm seine -geheimnißvollen Arbeiten nicht, sich zu sehr in der Welt zu verbreiten. -Die wichtigsten Männer versammelte er um sich in seiner Loge. Man sprach -von den seltsamsten Wundern, die hier in geheimen Zusammenkünften -vorgefallen waren. Der Professor, so schien es, hatte seinen jüngsten -Knaben ganz dem Wunderthäter überlassen, denn das Kind weissagte oft aus -dem Kristall, den Feliciano künstlicher, als es an jenem Abend geschehen -war, in seinen Gesellschaften aufstellte. Der Arzt Huber arbeitete -indessen mit Sangerheim und Schmaling, Jeder bestrebte sich, von allen -diesen geheimen Künsten Zeuge zu seyn, oder durch Freunde wenigstens -Etwas von ihnen zu vernehmen, und selbst die Frauen und Mädchen -wünschten an diesen Wunderwerken Theil zu nehmen, oder auch in irgend -eine mysteriöse Verbindung zu treten. Feliciano hatte sie eigentlich -selbst zuerst auf diesen Wunsch geführt, und er stiftete auch bald -darauf eine Loge für Damen, die nun auch mit mystischen Abzeichen -prangten, sich gegenseitig an Gruß und Handdruck erkannten, und von -Fortschritten in Weisheit und Wissenschaft träumten. Auch die Mutter -Clara's hatte sich in diesen Orden aufnehmen lassen. - -So war die arme Clara von Jedermann verlassen, denn beim Vater, der über -alle diese Sachen verstimmt war, konnte sie nur wenig Trost finden. Der -Graf Feliciano hatte alle Künste der Ueberredung angewendet, das schöne -Mädchen auch zu dem Uebertritt in seinen neugestifteten Orden zu -überreden, in welchem seine Gemahlin, die seitdem auch aus dem Inkognito -hervor getreten war, den Vorsitz führte. Es gelang ihm aber so wenig, -daß im Gegentheil der Widerwille Clara's gegen alle diese Dinge immer -mehr gesteigert wurde. Wie kann der Mensch, sagte sie einmal in einer -aufgeregten Stimmung zu ihrem Vater, nur so verkehrt seyn, in der -Umkehrung des Natürlichen sein Heil zu suchen? Man fühlt sich ja als -Mensch nur wohl, wenn Alles in der gewöhnlichen Bahn fortschreitet, wenn -das, was sich als nothwendig ankündigt, ganz einfach und schlicht -geschieht. Entwickelt sich in diesem Lebensgange eine große That, eine -schöne Aufopferung, so freut es uns um so mehr, daß uns das Göttliche -aus den Elementen gewebt ist, die uns zunächst umgeben, daß wir fühlen, -auch uns könnte in einer geweihten Stunde dasselbe begegnen, oder unsre -Seele könnte auch dieselbe Höhe erstreben. Ziehn wir uns doch mit -Widerwillen von der Nahrung zurück, die uns zu fremdartig dünkt, deren -Zurichtung unserm Gaumen widersteht: aber schlimmer als überreifes Wild, -oder der verpestete ^haut goût^ der Assa fötida, und der Vogelnester und -ähnlicher abscheulicher Dinge ist es, diese Knoblauch-Tinktur von -Wunderglauben, tollen Fabeln und aberwitzigen Bestrebungen in seine -Seele aufzunehmen. - -Der Vater erwiederte: Du bist zu zornig, liebes Kind. Laß die Menschen -gewähren, der Krankheitsstoff muß austoben. Alles Sprechen dagegen nutzt -nicht, unfruchtbar ist das Moralisiren; der Dämon, der die Menschen -besitzt und treibt, wird endlich seines Spieles selbst müde. Deine kühne -Vergleichung paßt auch nicht ganz; man könnte eben so gut die -entgegengesetzten Bilder brauchen. Wen versucht nicht der reife, -köstliche Pfirsich? die duftende Ananas? die lockende, rothe Kirsche, -vorzüglich in der Jugend? Und was wäre unser Leben, wenn Alles so plan -verständlich wäre? Alle Tage unausgesetzt die nahrhafte Hausmannskost -des redlichen Treibens, der guten Gedanken? Aus Natur und Kunst, aus -Liebe und Scherz, aus Religion und Gemüth winkt uns ein Geheimniß an, -dem wir näher kommen möchten: es zieht uns nach durch Gefild und Wald. -Jetzt glauben wir es zu erblicken, dann ist es wieder entschwunden. Von -dieser Sehnsucht, die ohne Gegenstand scheint, werden die besten Kräfte -unsrer Seele getränkt, und wenn sie erlöschen könnte, würden wir in uns -selbst verschmachten. Alle schönen Triebe der Freundschaft, des -Wohlwollens, der Menschenliebe, aller Enthusiasmus für das Gute und -Schöne quillt ebenfalls aus dieser geheimnißvollen Gegend unsrer Seele. - -Mag es seyn, antwortete die Tochter, aber ich sehe und erlebe es doch, -daß, wenn diese Sucht, oder der Trieb auch innigst mit dem Schönen eins -ist, sie doch auf ihrem fortgesetzten Wege sich in das gespenstig -Aberwitzige verwandeln können. Der Mensch muß ja doch mit festem -Charakter und unbezwinglichem Willen in der Mitte stehen bleiben, daß -Glauben sich nicht in Aberglauben, Sinn in Thorheit, Tugend nicht in -Laster verwandle. Ist jene Sehnsucht überirdischer Natur, so ist dieser -einfache starke Wille wohl auch göttlicher Abkunft, der wie ein -unüberwindlicher Riese den Schatz der Vernunft und des Guten bewachen -soll, welcher dem Menschen von Gott ist anvertraut worden. Mir dünkt, -gegen tausend wunderliche Dinge, die auf uns eindringen, gegen unzählige -Gelüste, die uns überreden möchten, giebt es keine andre Waffe, als daß -ich sage und immer wieder sage: es soll nicht seyn! Lasse ich dieses -Schwert im Schlummer einmal fallen, so kann ich gar nicht mehr wissen, -wohin mich alle jene Sophistereien führen könnten. - -Diese starre Vernunft, sagte der Vater, reicht aber auch nicht aus: sie -kann Tugend seyn, widersteht aber eben so oft der Liebe als dem Unrecht, -läßt auch die Wahrheit, indem sich die Liebe abkämpft, nicht auf sich -eindringen. - -Wahrheit! das große Wort! rief sie aus, das eben so wohl Alles wie -Nichts bedeutet. Wer hat es nicht schon gemißbraucht? Je demüthiger wir -uns dem unterwerfen, was das Leben von uns verlangt, je sanfter und -stiller wir dem folgen, was uns zu unserm Heil offenbart ist, je weniger -wir grübeln und klügeln, und die Anmaßung von uns fern halten, über dem -Begreifen zu stehen, es zu meistern und nach Gutdünken zu handhaben, um -so mehr wir dem Vorwitz Einhalt thun, da nicht hinschauen zu wollen, wo -sich in der Leere unserm irdischen Blick nur Gespenster erschaffen, um -so mehr, glaube ich, bleiben wir der Wahrheit getreu. - -Wohl mein Kind, sagte der Rath: denn wie ich schon sonst behauptete, -wenn das Böse auch ein Nichts ist, so erwecken wir es doch wohl und -theilen ihm unsre Kräfte mit, indem wir es glauben und uns dem Nichtigen -ergeben. Hat es erst von uns diese Stärke empfangen, so wird es wohl oft -so gewaltig, daß es uns und jeden Widerstand besiegt, der nicht die -göttliche Wahrheit selbst zu Hülfe ruft. In diesem Bilde kann man sich -die Erscheinung der bösen Geister denken, die der Magier aufruft. -- Und -so möchte man freilich glauben, Wahrheit sei in allen Dingen zu finden, -sie liege auch dem Irrthum zum Grunde, nur hüte sich der Mensch, einer -Regung, einer Aufwallung, oder einem Gedanken unbedingt und zu dreist zu -folgen, denn rechts und links liegt die Unwahrheit und Täuschung, und er -wandelt nur recht auf einer schmalen Linie. - -Wenn es so ist, erwiederte Clara, so ist es eben das Sicherste, dem -Alltäglichen getreu zu bleiben, was vielen beflügelten Geistern als das -Gemeine erscheint. Will sich der Mensch erheben, wird er, wie der -fliegende Schmetterling, von Schwalben und Sperlingen weggehascht, und -bleibt er unten am Boden, so wohnt er beim Gewürm, aber nährt sich auch -vom Thau, der in den Rosen und Lilien glänzt. -- - -Nicht nur die Familie des Rathes war in Verwirrung gerathen, sondern man -konnte dies von der ganzen Stadt behaupten. Dem alten Seebach war es -aber verdrüßlich, daß von den Vernünftigen, die sich nicht hinreißen -ließen, Alles was geschah, mit ihm und seinem Sohn, so wie mit jener -Entdeckung Sangerheims in Verbindung gebracht wurde. Es ließ sich nicht -leugnen, daß jener Vorfall, der viel Aufsehn erregt hatte, zu allen -spätern Wunderlichkeiten gleichsam das Signal gegeben hatte. Die -sonderbare Verheirathung des Sohnes, die Schwärmerei Schmalings, die -Operationen des Grafen so wie Sangerheims, die weibliche Loge, in die -sich seine Gattin sehr gegen seinen Willen hatte aufnehmen lassen, die -Seltsamkeiten, die sowohl der Arzt Huber, wie der Professor Ferner, -vernehmen ließen, die Ausschweifungen mancher Reichen, die sich ganz der -Hoffnung ergaben, die Kunst des Goldmachens zu entdecken, und in dieser -Aussicht ihr Vermögen verschwendeten, Geister-Erscheinungen, durch -welche man in mächtigen Familien dieses und jenes hatte durchsetzen -wollen, alles Dies, vergrößert, mit Erfindungen ausgeschmückt, Alles -wurde hauptsächlich auf Rechnung des alten erfahrnen Seebach -geschrieben, um so mehr, weil man wußte, daß er auf eine Zeitlang sich -diesen seltsamen Künsten ergeben hatte. Es half ihm Nichts, daß er sich -wieder zurückgezogen hatte, daß er den Umgang Sangerheims und noch mehr -des Grafen vermied, die meisten Menschen, auch seine Collegen und selbst -seine Freunde hielten ihn für den Stifter aller dieser Irrungen. So -bedrängte ihn, außer den häuslichen Kränkungen, noch das Gefühl, daß er -so vielen wackern und einflußreichen Leuten für einen zweideutigen und -gefährlichen Mann galt. Vieles von diesem geheimnißvollen Umtreiben kam -auch vor das Ohr des Fürsten, der, da die Sache laut und weltkundig -wurde, ein großes Mißfallen bezeigte, und dem Rathe, der sich gar nicht -mehr mit diesen Dingen befassen mochte, andeuten ließ, sich zu mäßigen. -Am schlimmsten aber waren dem gekränkten Seebach die Maurer von der -alten Ordnung aufsässig, die in Allem nur die Absicht sahen, daß sie -gestürzt werden sollten, -- welches die mystischen Logen auch laut genug -aussprachen, -- und nun empört den Rath als einen abtrünnigen Bruder -behandelten, der aus weit ausgreifenden Absichten sich diesen Rebellen -verbunden habe, um als das Haupt dieser geheimnißvollen Gesellschaft -Verderbliches zu wirken. - -Meine Tochter hat Recht, sagte der Rath zu sich selber, wie hart werde -ich für meine Neugier oder Wißbegier gestraft, die Anfangs so löblich -oder unschuldig aussah. Hielt ich mich doch für so kühl und weise, um -allen Versuchungen Widerstand leisten zu können. Aber ein Glied reiht -sich an das andre, und unvermerkt ist die Kette fertig. - -Es schien aber, als wenn zwei Wunderthäter für Eine Stadt, wenn sie auch -groß war, zu viel seien. Der Graf hatte sogleich abreisen wollen, -verlängerte aber seinen Aufenthalt von einem Tag zum andern. Sein -Wirkungskreis schien sich auszubreiten, so wie der Sangerheims abnahm, -da viele von dessen Jüngern zum größern Meister abfielen. Darum führte -Sangerheim den Vorsatz aus, zu welchem er schon seit einiger Zeit Alles -vorbereitet hatte, sich nach einer andern reichen und angesehenen Stadt -zu begeben, wo er, da sein Ruf ihm schon vorangegangen war, gleich mit -dem größten Glanze auftrat, die ältern Maurer beschimpfte, ihnen ihre -Lehrlinge entzog, und Zeichen und Wunder aller Art verrichtete. Der -Geheimrath erlebte die neue Kränkung, daß Schmaling, unter dem Vorwande -einer Krankheit, von seinem Minister einen unbestimmten Urlaub nahm, und -dem Abentheurer nach jener Stadt hin folgte, um in seiner Nähe und nach -seiner Anweisung seine geheimnißvollen Arbeiten fortzusetzen. Schmalings -Abschied von Clara war kalt, und sie war so erzürnt, daß nur Wenig -fehlte, so hätten Beide ihre Trennung für immer ausgesprochen. Aber da -Beide sich noch mäßigten, so blieb es bei unbestimmten Ausdrücken, die -Jeder nach Gefallen deuten konnte. - -Seinen Sohn sah der Rath nur selten, weil er ganz dem Grafen und dessen -Befehlen und Operationen lebte. Die Gattin war in der weiblichen Loge -sehr thätig, und jetzt mit der niedrig gebornen Frau ihres Sohnes ganz -ausgesöhnt, weil auch diese, die allen Glanz ihrer Jugend wieder -erhalten hatte, vom Grafen zur Bundesschwester war geweiht worden. Huber -war ebenfalls dem Adepten Sangerheim nachgereiset, um in seiner Kunst -vollkommener zu werden. - -Clara war im Schmerz außer sich, als der Vater nach einiger Zeit von -Schmaling einen sonderbaren Brief erhielt, den er der Tochter mittheilen -mußte. Der künftige Schwiegersohn schrieb nehmlich Folgendes: - -Im Begriff, einen sehr wichtigen und entscheidenden Schritt in meinem -Leben zu thun, halte ich es für meine Pflicht, Sie, Verehrter, und meine -geliebte Clara in Kenntniß zu setzen, was ich zu thun gesonnen bin, was -ich nicht unterlassen kann und darf. Daß mein Gemüth sich seit lange dem -Reiche der Geheimnisse zugewendet hat, wissen Sie schon, daß mein Herz -nur Ruhe finden kann, wenn diese Sehnsucht gestillt wird, werden Sie -begreifen. Aber wie kann, wie soll es geschehn? Ich habe manche Grade -erhalten, ich bin Zeuge von vielen Wundern gewesen, seltne Kenntnisse -sind mir geworden, große, heilige Schauungen haben meine Seele erst -erschüttert, und sind mir dann einheimisch geblieben. Daß ich niemals zu -jenen Verächtern unserer Religion gehört habe, die in unsern Tagen den -Ton angeben, wissen Sie ebenfalls. Ich habe geforscht, die heiligen -Schriften sind mir vertraut und ehrwürdig, aber was die Kirche und ihre -Priester mir gaben, konnte meinem brünstigen Geiste nicht genügen. Auch -hier hat mir der begeisterte Sangerheim neue Wege gewiesen. Die -Tradition, die Wunder der ältern katholischen Kirche, ihre heilige -Messe, die himmlischen Legenden, die Gegenwart, die unmittelbare, -Christi in der Hostie, die Liebe der Mutter Gottes, die Bilder und die -Musik, -- warum sollen wir unser reiches Herz allen diesen Gaben -verschließen? Warum nicht nehmen, was uns so liebreich geboten wird? Um -ganz der Einweihung in die Mysterien würdig zu werden, um die Grade -empfangen zu können, und die Strahlen des Lichtes, nach denen ich mich -sehne, ist es nothwendig, wie mir mein Lehrer sagt, daß ich meinen -jetzigen Standpunkt in der Kirche aufgebe, die Ueberzeugung, die mir ja -niemals eine war, weil sie mein brennendes Herz so leer ließ, daß ich -zur ältern, eigentlichen christlichen Kirche zurückkehre, die mütterlich -jedem Verirrten die Arme entgegenbreitet. Ist dieser nothwendige Schritt -geschehn, so sind mir alle Geheimnisse des Ordens zugänglich und offen, -die Vereinigung mit jenen ehrwürdigen Männern, den unbekannten Obern, -ist mir dann möglich, mit jenen erhabnen Geistern, denen die Verwahrung -aller Geheimnisse anvertraut ist. Diese nahe Weihe, diese Nothwendigkeit -der Veränderung hat der Meister mir nur allein, als seinem Lieblinge, -entdeckt, die andern Schüler sind dieser Erklärung noch nicht fähig und -würdig. -- Von Ihnen, verehrter Mann, bin ich nun keiner Einreden und -keiner Mißbilligung gewärtig, da ich weiß, wie billig Sie sind, wie -aufgeklärt Sie denken. Es kann bei Ihnen unmöglich in Anschlag kommen, -daß ich meine jetzige Stelle und jeden künftigen Staatsdienst aufgeben -muß, denn den höheren Pflichten müssen die niedrigern weichen. Es ist ja -nichts Weltliches, Ehre oder Reichthum, was ich durch diese Rückkehr in -die Mutterkirche erstrebe: sondern das Unsterbliche, die Erleuchtung, -das Verständniß selbst. Wie aber wird Clara es aufnehmen, wenn sie -meinen Entschluß erfährt? Sie klebt, fürchte ich, allzusehr am -Irdischen, um sich in die freiere Region des Geistes erheben zu können. -Ich hatte immer gehofft, ihr Sinn würde sich in der Liebe poetischer -bilden, daß sie es wenigstens fühlte, wenn auch nicht einsähe, wie arm -jenes Leben ist, dem sie sich ergeben hat. Suchen Sie sie zu stimmen, -verehrter Vater, daß sie mich nicht mißversteht, Sie, der Sie ja auch -der Wissenschaft manches Opfer brachten. Und was ist es denn auch mit -dem Weltlichen und Irdischen? Besitze ich nicht eignes Vermögen? Auch -Clara ist nicht arm, und braucht sich also niemals von mir ganz abhängig -zu empfinden. Und soll einmal dergleichen in Anspruch kommen, so darf -ich wohl die Aussicht, daß mir in Zukunft, vielleicht bald, Alles zu -Gebote steht, was ich nur wünsche, keine Fata Morgana nennen. Welche -Kraft und Gewalt mir anvertraut mag werden, um da zu herrschen, wo -unsere Ahndung sonst nur hinstrebt, mag ich nicht weiter andeuten und -aussprechen. Ist sie aber mit mir einverstanden, so bin ich der -Glücklichste der Menschen. -- - -Nein, wahrlich nicht! rief Clara im höchsten Unwillen aus, nun und -nimmermehr! Welchen Gimpel haben sie schon jetzt aus dem allerliebsten -Menschen gemacht, und was muß nicht erst aus ihm werden, wenn sie ihm -noch mehr Grade und Geheimnisse aufhalsen! O wahrlich, er wird ihnen in -den Strängen geduldiger als ein Maulthier ziehn, und allen frommen -Gläubigen zum Exempel und Vorbild dienen. Mich mit ihm verbinden? -Vielleicht haben sie noch einen andern geheimen Grad irgendwo im Winkel -liegen, und um den zu ergattern, muß er wohl auch noch sein Vermögen -dran geben, und dann, um die letzte und beste Niete zu ziehn, Capuziner -werden. Nein, ehe er seinen Verstand nicht aus dem Monde wieder herunter -geholt hat, mag ich Nichts von ihm wissen. Wie er der jüngern Kirche -entsagt hat, um die ältere lieben zu können, so giebt es auch vielleicht -hinter dem Vorhang eine ältere mütterliche Braut, die zu ehlichen seine -unsterbliche Pflicht ist, denn ich merke, diese Wunderthäter können -Alles möglich machen. Ich hörte sonst wohl, die katholische Kirche habe -die Freimaurerei in schweren Bann gethan, ich sehe aber wohl, es gibt -Ausnahmen für Alles. Sonst wurden viele junge Menschen Maurer, um auf -Reisen eine gute Aufnahme und gastfreie Brüder zu finden, eine -unschuldige Ursache, sich einweihen zu lassen. Jetzt aber, -- wie -Kunstreiter auf ihre Geschicklichkeit, Taschenspieler auf ihre schnellen -Hände, so reiset dieser Sangerheim auf die Kunst herum, allenthalben die -bestehenden Logen zu stürzen. Wenn er denn Geister zitiren kann, so mag -er dem armen Schmaling den seinigen wiederschaffen. Vielleicht ist der -aber schon in der Loge verbaut, oder als Winkelmaß eingerichtet. Also -nach Rom hin sieht denn dieser Orient? Schmaling wird gewiß einmal diese -Herren segnen, die ihn jetzt so reich und groß machen, wenn er erst sein -ganzes Elend kennt, und ihm sein verarmtes Herz zerbricht. - -Sie überließ sich der Trostlosigkeit und weinte heftig. Der Vater wußte -ihr Nichts zu sagen, er beschwor sie, nur nicht in der ersten Entrüstung -den Brief zu beantworten. Er selbst schrieb an Schmaling, um ihn mit -allen Gründen, die er aufführen konnte, von dem Schritte abzuhalten, den -er zu thun im Begriff war. - - * * * * * - -Endlich bestimmte sich auch der Graf Feliciano, seine große Reise -fortzusetzen. So sehr der Rath seinem Sohn Anton Alles vorhielt, was -Vernunft und Gefühl ihm nur eingeben konnte, so ließ sich Anton dennoch -durch Nichts abhalten, mit seiner jungen Frau, deren Kind bald nach der -Geburt gestorben war, dem Grafen zu folgen. Auch der Professor gab -seinen Knaben, wenigstens für einige Zeit, dem berühmten Feliciano mit -auf die Reise, weil der Magier gefunden hatte, daß dieses Kind -vorzüglich begabt sei, die Visionen zu sehn. Die Mutter hatte sich -indessen von der Loge wieder zurückgezogen, denn es war ihr zu -empfindlich gewesen, daß das Bauermädchen eines größeren Ansehns, als -sie selber, genoß; man hatte sogar in Vorschlag gebracht, daß die -Unerzogene nach der Abreise des Grafen und seiner Gemahlin Vorsteherin -derselben werden sollte; da sie aber die Wunderthäter begleitete, um -noch höhere Grade zu empfangen, und der höchsten Geheimnisse theilhaftig -zu werden, so war der Räthin die Würde angetragen worden, die sie nach -diesen Vorfällen mit Verachtung ausgeschlagen hatte. - -Wenn also der Rath um seinen Sohn und dessen Schicksal bekümmert seyn -mußte, so hatte er wenigstens die Beruhigung, daß seine Gattin mit ihm -und der Tochter wieder einverstanden war. Die Frau, die nicht ohne -Charakter und Verstand war, bereute jetzt ihre kurze Verblendung um so -mehr, als sie jetzt, kühler geworden, einzusehn glaubte, wohin das -Gaukelspiel ziele. Durch die Loge hatten sich mehrere Liebschaften und -Verbindungen, und zwar nicht von den anständigsten, angeknüpft; auch -Scheidungen fielen vor, und man hielt es bald für verdächtig, dieser -Gesellschaft anzugehören, so daß die Frauen selbst nach kurzer Zeit -dieses Logenspiel wieder aufgaben, und um so leichter, da man nur -Wenigen Geheimnisse mitgetheilt hatte. Diese Wenigen waren nachher von -Allen vermieden, die ein strengeres Leben führen wollten. - -In jener großen Stadt hatte sich Sangerheim indessen eingerichtet und -einen viel größern Anhang, als in der Residenz gefunden. Die dortigen -Freimaurer waren durch ihn gewissermaßen aufgelöst worden, viele -derselben in seine Loge getreten, und man sprach fast nur von dieser -neugebildeten Brüderschaft, die sich großer Geheimnisse rühme. Es fehlte -nicht an seltsamen Berichten. Man wollte Geister gesehn, die größten -Dinge prophezeit haben, man war auf dem Wege, den Stein der Weisen zu -entdecken, oder der Meister war vielmehr im Besitz desselben, und die -liebsten Jünger durften hoffen, desselben bald auch theilhaftig zu -werden. - -Auf seinem Zuge berührte der Graf Feliciano auch diese Stadt, und -beschloß, mindestens einige Tage hier zu verweilen. In dieser Zeit -gewann er den enthusiastischen Schmaling sehr lieb, und hatte ihn fast -immer um sich, mit ihm über seine Bestimmung, das Geheimniß und das -Licht zu sprechen. Dieser junge Mann und Anton, die sich früher in allen -Dingen widersprochen hatten, waren jetzt in allen Ueberzeugungen -miteinander einverstanden. Der Arzt Huber, welcher auch schon, um -Sangerheims Umgang zu genießen, nach dieser Stadt gekommen war, vereinte -sich mit ihnen. Sie erfreuten sich jetzt an Antons Weisheit, der fast -der Heftigste von ihnen war, und lernten dankbar und demüthig von dem, -der ihnen vor weniger Zeit noch als ein unbedeutender Freigeist -erschienen war. - -Eine Versammlung der vertrautesten Brüder war zu einer Abendmahlzeit bei -Sangerheim vereinigt. Huber und Schmaling fanden sich ein, und der Graf -beehrte mit Anton durch seine Gegenwart die Gesellschaft, die zahlreich -war, weil noch Manche in der Stadt, die Sangerheims Vertrauen genossen -und die begierig waren, den fremden Wunderthäter kennen zu lernen, sich -mit Bitten hinzugedrängt hatten. - -Der Graf wußte seine Person geltend zu machen und wurde von allen -Anwesenden wie ein überirdisches Wesen verehrt. Er war im Anfange -zurückhaltend und karg mit seinen Worten, nach und nach aber ward er -gesprächig, heiter und mittheilend. Er suchte, so schien es, die -Gesinnung und das Wesen Sangerheims ausforschen zu wollen, ohne ihm -selbst näher zu treten. - -Sangerheim, der sich vor seinen Schülern und Anhängern keine -Verlegenheit wollte zu Schulden kommen lassen, erörterte viele Punkte, -die er sonst lieber vermieden hätte, zu denen ihn aber der forschende -Graf in künstlichen Wendungen hindrängte. Dadurch gewann der Klügere so -sehr die Oberhand, daß Sangerheim dem Grafen gegenüber selbst als -Schüler und Lehrling erschien. Am meisten fiel dies dem wißbegierigen -Schmaling auf, der bis dahin seinen Meister für den ersten Menschen der -Welt gehalten hatte. Wie sonderbar, sagte er zu sich selbst, daß mein -Meister, die große, edle Gestalt mit dem Feuerauge und der hohen Stirn, -mit diesem kräftigen und vollen Ton, diesem untersetzten Manne, mit den -hohen Schultern, dem matten Auge und der schwachen krähenden Stimme -gegenüber klein erscheinen kann. Erkennt er denn vielleicht in ihm ein -höheres Wesen? Ist dieser Fremde wohl einer der unbekannten Obern, von -denen ich immer so viel sprechen höre? - -Auch Huber und manche der Gegenwärtigen mochten etwas Aehnliches denken. -Da bei dem leckern Mahle die feinen Weine nicht gespart waren, so -belebte sich das Gespräch immer mehr. Jeder der Anwesenden wollte sich -vor dem großen Fremden mit seinen Gedanken und Kenntnissen zeigen, oder -Etwas von ihm lernen, und wenn auf viele Fragen die Antworten des Grafen -auch nicht klar und glänzend ausfielen, so gab die Dunkelheit oder das -Zweideutige derselben doch immer Vieles zu denken. - -Schmaling lenkte endlich das Gespräch auf die Religion, und Sangerheim -sah sich genöthigt, den Wink, den er Manchen im Geheim gegeben hatte, -jetzt als eine Lehre laut auszusprechen, daß nur Derjenige, der zur -katholischen Kirche gehöre oder überträte, der höchsten Grade und der -wichtigsten Geheimnisse theilhaftig werden könne. - -Feliciano sah ihn lange mit einem großen fragenden Blicke an und sagte -nach einer Pause, die alle Anwesenden in der größten Spannung erhielt: -Ist das Euer Ernst, großer Meister? - -Wie anders? fuhr Sangerheim fort, da die übrigen Partheien, die sich -ebenfalls Christen nennen, immerdar ein geistiges Geheimniß verletzen -und sich der Wundergabe, der Inspiration, der Anschauung der Mysterien -entziehn? Sie können Vieles sehn und erforschen, aber der Anblick des -Allerheiligsten ist ihnen nicht vergönnt; sie können nur von den sieben -höheren Graden fünfe erringen. Ihre Sekte an sich selbst schließt sie -nicht aus, wohl aber ihre Glaubensunfähigkeit: überwinden sie aber diese -in der Rührung ihres Herzens, so treibt sie der eigne Geist von selbst, -sich der älteren Kirche wieder anzuschließen. - -Der älteren? nahm Feliciano mit großem Ernste das Wort auf; welche ist -diese? Kennt Ihr sie? War vor dieser ältern nicht wohl eine noch ältere -und ächtere? Wozu Eure vielen Grade, wenn Euch dieses wichtigste -Mysterium mangelt? - -Hindert Euch Nichts, großer Mann, fiel Schmaling ein, dieses etwas -deutlicher auszusagen? - -Wir sind nur von Brüdern umringt, antwortete der Graf, die früher oder -später von selbst das finden werden, was ich ihnen andeuten kann, und -darum brauche ich in dieser edlen Gesellschaft, die keine weltliche ist, -meine Worte nicht ängstlich abzumessen. -- Was die Christenheit spaltet, -ist neu und zeitlich, Priesterwort und willkührliche Satzung ist schwer -vom ächten Fundament desselben zu unterscheiden, und so kommt es, daß in -den protestantischen Kirchen vieles ächter und wahrer ist, als was die -Katholiken in ihrer Lehre vortragen, die Alles, was Luther predigte, nur -Neuerung nennen. Aus beiden Kirchen ist zu lernen, aber nur dem ist es -möglich, dem der Sinn frei geblieben ist. Gab es denn nicht, längst vor -Entstehung des Christenthums, die ächte, völlig ausgebildete Maurerei? -Diese war denn doch wohl noch älter, als die alte Kirche. Und was bedarf -sie denn also dieser, um der Wunder, des Wissens, der Geheimnisse -theilhaftig zu werden? Sie genügt sich selbst, und sie wäre nicht das -Höchste und Beste, was der Mensch erringen kann, wenn sie in irgend -einer Religion eine Stütze oder Bestätigung finden könnte. - -Sangerheim schien erstaunt, aber Feliciano fuhr fort: gedenkt nur an den -großen, weisen Salomo und seinen Tempelbau, an Hiram, und an alle -Legenden und Symbole, die auf unsern großen und alten Meister, den -weisesten des Orientes, hindeuten. Ihr wißt es Alle, wie den Lehrlingen -mit diesen Symbolen und ihren Deutungen der Kopf verwirrt, wie sie -zerstreut werden, damit sie nur die Wahrheit nicht finden sollen, die -ein Eigenthum der höhern Geister bleibt. Salomo empfing, als ein -Würdiger, das Geheimniß der Maurer von großen unsterblichen Obern, er -baute den Tempel und stiftete die Loge des Geheimnisses, indessen der -gemeine Mann im Prachtgebäude auf herkömmliche Weise den Gott anbetete, -den er nur für einen Gott seiner Nation ansehn konnte, der mächtiger -sei, als die Götter der andern Völker. Wo steht in unsern Büchern und -Sagen, in Allem, was uns von Salomo überliefert ist, daß er von Gott -abfiel, daß er ein Götzendiener wurde? Er hätte, wenn dies gegründet -war, nicht mehr Meister des heiligsten Stuhles, nicht mehr Oberer und -Bewahrer des Geheimnisses bleiben können. Diese falsche Legende ließen -die Priester nur in die Schrift hinein schreiben, weil er sich ihnen -entzog, und ihrer Zunft nicht die Gabe zu weissagen, Wunder zu thun, -Todte zu erwecken, Geister zu rufen und zu bannen, Gold zu machen, -mittheilen wollte. Diese Kräfte, diese Herrschaft über die Geister, -diese Geheimnisse der Loge, die nur Wenigen mitgetheilt wurden, welche -die höchsten Weihen schon empfangen hatten, diese sind die hohen -Gewalten, die von der Unwissenheit der Priester Götzen genannt wurden. -Freilich waren es ihnen ausländische, fremde Götter, weil ihnen die -Kenntniß derselben entzogen wurde. - -Diese herrliche, glänzende Zeit der Maurerei verfiel nach dem Abscheiden -des großen Königs und Meisters. Die Obern zogen sich zurück, die meisten -nach Indien. Späterhin finden wir Elias und Elisa als Eingeweihte -wieder, die von der tauben Menge und von den verstockten Königen nicht -verstanden wurden. Ganz verbarg sich nachher die hehre Kunst, und -wandelte aus dem Tempel und Jerusalem in die Wüste. Da treffen wir sie -unter den Essäern oder Essenern wieder an. Das heißt, die Gelehrten, die -Geschichtforscher der Welt wissen nun wieder Etwas von ihr, denn für den -wahren Maurer giebt es in der Geschichte seiner Kunst keine Lücke. Ich -führe nun auf das, was Allen bekannter ist. Diese Männer hatten schon -seit lange im Stillen gearbeitet: seit vielen Jahrhunderten war es ein -Grundgesetz der Maurerei, welches Salomo und Andre beobachtet oder noch -fester gegründet hatten, daß die ächte Erkenntniß ein Geheimniß seyn und -bleiben müsse, da die blöde, rohe Welt, die unwissende Menge das -Heilige, wenn es sich ihr mittheilen wolle, nur mißverstehn und -entweihen könne. Hier stehn wir nun an der großen und merkwürdigen -Geschichts-Epoche. Die heilige Gesellschaft der Essäer zertrennte sich -um jene Zeit in zwei sich widersprechende Gesellschaften. Ein Theil -beharrte auf dem Grundsatz, Alles müsse geheim bleiben, weil nur so die -Verbindung aus der Ferne wohlthätig auf die Menschen und ihr vielfaches -Unglück wirken könne. Aber viele erleuchtete Männer waren vom Gegentheil -überzeugt. Zwei große Geweihte wurden ausgesendet, der zweite noch -mächtiger und größer, als der erste, Johannes der Täufer, und der -göttliche Stifter der christlichen Religion, der erhabene -Menschenfreund, der aus Erbarmen gegen seine unglücklichen, im Elend -schmachtenden Brüder ihnen das Wort des Lebens mittheilen wollte. Lange -kämpften die beiden Partheien der Erleuchteten gegen einander. Das -Mysterium war auf eine Zeit lang offenbar worden, aber, neben der -Wohlthat brachte es im Mißverständniß unermeßliches Elend über die -Länder und Völker. Der große Eingeweihte selbst und seine Freunde sahen -es ein, und er starb den Versöhnungstod. Nach und nach ward das -Mysterium dem Volke wieder entzogen, das spätere Christenthum und die -Hierarchie bildeten sich aus, und verdeckten mit Satzungen, Gebräuchen, -Ceremonien, Putz und Kunst das geistige Geheimniß, das wir nur hie und -da im Lauf der Zeiten aufleuchten, und wie einen Blitz vorüber fahren -sehn. Dem Kundigen genug, um das Licht zu erkennen; dem Unwissenden nur -eine Blendung oder Veranlassung, sich wieder einer leidenschaftlichen -Sektirerei zu ergeben. -- Wozu also, großer Meister Sangerheim, wenn Ihr -diese Wahrheiten erkennt, ist Euch zur Weihe die katholische Kirche noch -nöthig, da diese selbst nur eine abgeleitete aus unserm ältern, ächten -Orden ist? da sie Nichts darstellt, als das Mißverständniß eines -Geheimnisses, das ihr freilich Anfangs lauter übergeben ward? Und darum -sagte ich, daß in gewissen Punkten der Protestant eine ältere Kirche -besitze, und Ihr werdet nun, mein Freund, wahrscheinlich verstehn, wie -dieser kurze Ausspruch gemeint war. - -Der Graf mußte es bemerken, welchen sonderbaren Eindruck dieser Vortrag -auf die meisten seiner Zuhörer machte. Bei Einigen war das Erstaunen mit -Unwillen gemischt, Einige gaben Beifall, den man einen schadenfrohen -hätte nennen mögen, denn sie sahen mit bedeutsamem Lächeln nach -Sangerheim hinüber, der, so sehr er sich zwang, seine Verlegenheit jetzt -nicht mehr verbergen konnte, und sich, Hülfe suchend, an Diejenigen -wendete, die mit der Rede des Grafen unzufrieden schienen. Er sagte -endlich, nach einigen Erörterungen: So sehr wir verbunden seyn mögen, so -sind wir also doch wieder getrennt; es mag seyn, daß sich die Wahrheit -unterschiedliche Bahnen sucht. Nach Ihrer Ueberzeugung ist die Maurerei -das Einzige und Höchste; ich stütze mich noch auf die Heiligkeit der -Kirche und offenbarten Religion. - -So gebt die Maurerei auf, rief der Graf, der erhitzt schien: wozu soll -sie Euch helfen, wenn Euer Herz und Glaube sich in der Religion -befriedigt und sättigt? Und woher kommt denn diese Religion? Ist sie -denn nicht, wie ich schon sagte, ein ungeschickter Versuch, einige der -verschwiegenen Mysterien zu offenkundigen Wahrheiten zu machen? Und -damit diese wenigen Wahrheiten sich erhalten können, meistentheils nur -scheinbar, weil sie doch unverstanden sind, muß das Gerüst des -Kirchendienstes dazu erbaut, muß der große Teppich gewirkt werden, der -bedeckend herumgehangen wird, und diese wenigen Wahrheiten wieder in -Geheimnisse verwandelt, die keiner sieht und findet, indessen sich das -Volk an den bunten Bildwerken ergötzt, und die Priester sich zanken, und -die Verständigsten unter den Layen von der ganzen Sache eigentlich gar -keine Notiz nehmen. Seht, Meister, so steht es wahrhaft, wenn ich denn -doch einmal reden soll, ohne, wie man sprichtwörtlich sagt, ein Blatt -vor den Mund zu nehmen. - -Großer Meister, erwiederte Sangerheim, Euer Geist ist gewaltig und groß, -Ihr fahrt wie ein Sturmwind daher, und predigt wie die Begeisterung. Was -Ihr weissagt, habe ich wohl verstanden, aber die Obern, die ich verehren -muß, würden auch Euch, so stark Ihr seid, so viele Zeitalter Ihr gesehn -haben mögt, Hochachtung abzwingen, und wohl eine andre Ueberzeugung Euch -geben. - -Mir? sagte der fremde Meister: wißt Ihr denn, ob ich sie nicht längst -kenne? Es ist aber noch die Frage, ob sie mich auch kennen, auch wenn -ich vor ihnen stände. - -Wie meint Ihr das, Großmeister? fragte Sangerheim. - -Ihr fragt, und fragt immer wieder, antwortete der Magus erhitzt und mit -funkelnden Augen, und wollt doch auch Großmeister seyn. Obere nennt Ihr -sie? Gut. Aber es kann doch auch wohl einen Obersten dieser Obern geben, -die diesem dienen und gehorchen müssen, denen er nur so viel Weisheit -zukommen läßt, als ihm dienlich scheint, die deshalb verschiedene -Systeme ausbreiten, die er alle von seiner Höhe lenkt. So sind diese -katholisch, jene protestantisch; einige nennen sich Rosenkreuzer, andre -Tempelritter; der will Vernunft und Freiheit des Volks, jener Mystik und -die Würde des Königs begründen und verbreiten; diese Ritter des Grabes, -des Todes und Lebens, Illuminaten, und wie sie vielfältig sich betiteln, --- können sie nicht vielleicht alle von einem unbekannten obersten Obern -abhängen? Und ist Euch diese alte Sage, da Ihr doch so Vieles wißt und -erfahren, in Euerm Orden noch nicht vorgekommen? - -Wer seid Ihr? rief Sangerheim wie entsetzt aus. - -_Ich bin, der ich bin!_ antwortete der Fremde. Erkennt Ihr mich daran -noch nicht? -- Ob ich auch Feliciano, oder einen ältern Namen nenne, -gilt dem Nichtwissenden gleichviel. Seid Ihr aber ein Wissender, so will -ich in einer Chiffer, einem kleinen Symbol aussprechen, wer ich bin. -Reicht mir das Blatt und den Stift. - -Er zeichnete und gab dann mit Lächeln das Papier dem Meister hinüber, -indem er scharf sagte: Wenn Ihr der seid, für den Ihr Euch ausgebt, so -müßt Ihr mich nun erkennen. Doch zeigt es Niemand. - -Sangerheim nahm das Blatt, sah und erblaßte. Er wickelte die Zeichnung -zusammen und ließ sie schnell am Licht verbrennen. Ich sehe nun, daß Ihr -jener wahre Oberste seid, dessen Zeichenschrift man nur denen der -höchsten Weihe vorzeigt. Ich beuge meine Knie und meinen Geist vor Euch. - -Die letzte, entscheidende Erklärung hatte alle Gegenwärtigen in -Verehrung und Demuth zum Grafen hinüber gezogen. Feliciano stand auf, -machte ein Zeichen, das alle verstanden, und sagte: Kraft meines Amtes -schließe ich hiemit diese Loge. Alle erhoben sich. Der Graf faßte -hierauf die Hand Sangerheims und sagte: Junger Mann, Du wandelst einen -gefahrvollen Weg, aber Du bist so weit vorgeschritten, daß ich nur -warnen, Dich nicht mehr lenken kann und darf. Du kennst die Geister, Du -bezwingst sie und sie gehorchen Dir, -- aber, sie kennen Dich besser, -als Du sie kennst. Dir sind sie geheimnißvolle, wunderbare, -unbegreifliche Wesen, und Du bist ihnen so verständlich und klar, daß -sie Alles wissen, was in Deinem Gemüthe ist. Das Verhältniß des ächten -Magiers muß aber das ganz umgekehrte seyn, Du mußt Deinen Geistern ein -ganz wundervoll, geheimnißreiches Wesen bleiben, mit Furcht und -Schaudern müssen sie Dir dienen. Kannst Du sie nicht noch zu Sklaven -machen, daß sie vor Dir erbeben, wird ihnen Deine Natur immer klarer -näher gebracht, wähnst Du gar, Freundschaft mit ihnen stiften zu können, -dann -- wehe Dir! Furchtbar werden sie Dich einst, vielleicht bald, -wegen ihrer aufgezwungenen Dienste zur Rechenschaft ziehn. -- - -Er ging mit feierlichem Schritte fort, und Schmaling folgte ihm -zitternd. Die Zurückgebliebenen sahen sich forschend an, und wußten -nicht, was sie aus diesen letzten Worten machen sollten. Nur Sangerheim -schien sie zu verstehn und sank bleich und von Anstrengung erschöpft, in -einen Sessel zurück. Meine Freunde, sagte er nach einiger Zeit, ihr seid -Alle Zeugen der wunderbaren Begebenheit, die sich zugetragen hat. Ihr -wißt nun Alle, welche Kämpfe, welche Gefahren ich noch zu bestehn haben -werde: welche Angriffe mir aus dem Geisterreiche her drohen. Erliege ich -in meinen großen Bemühungen, so war es doch nicht Unkunde, die mich auf -diesen gefahrvollen Weg trieb, sondern die Liebe zum Heiligsten der -Wissenschaft. - -Alle verließen den Meister, dankend, hoffend, ihn ermunternd, und Jeder -ging tiefdenkend nach seinem Hause. - - * * * * * - -Schmaling trat mit dem Großmeister, dem unbekannten Obersten, zu welchem -ihn eine ungemessene Ehrfurcht, eine Art von Anbetung hinzog, zugleich -in sein elegantes Schlafgemach, indem er an allen Gliedern zitterte. Ich -wage es, Ihnen zu folgen, Größter aller Sterblichen, -- doch, was sage -ich? vielleicht einem Unsterblichen. - -Feliciano sah ihn mit einem hochrothen Gesicht und glänzenden Augen an. -Dem Jüngling erschien der Meister in einem wunderbaren Lichte, denn er -sah, daß Dieser wankte, und sich lachend niedersetzte. Ei! mein Kind, -fing er darauf an, da bist Du ja auch! Das ist schön, daß Du kommst, so -können wir noch in stiller Nacht ein wenig mit einander schwatzen. - -Er stand wieder auf, und wankte nach einem Schranke hin. Ich habe mich -verleiten lassen, fing er wieder an, heute, meiner Gewohnheit entgegen, -viel zu sprechen, und noch mehr von den starken Weinen zu trinken. -Unpolitisch. Ich will mich nun an diesem Trank, den ich nur meinen -ägyptischen Wein zu nennen pflege, wieder nüchtern zechen, weil dieser -noch viel stärker ist, als dort das beste Getränk. -- Er leerte einen -großen Becher, den er aus einer sonderbaren Flasche gefüllt hatte, die -in allen Farben glänzte und mit vielfachen Hieroglyphen bemalt war. -- -Trink, mein Söhnchen, sagte er dann, und reichte dem jungen Manne den -Becher, koste wenigstens diesen Wundertrank. - -Schmaling setzte bald ab, denn diese Essenz, aus Gewürzen abgezogen, war -ihm zu stark. Feliciano sah ihn freundlich lächelnd an und sagte: Liebes -Bürschchen, kein Mensch in der Welt hat mir noch so sehr als Du -gefallen, begleite mich, sei mein Freund und wahrer Schüler, und ich -will Dir alle meine Weisheit mittheilen. Das andre Menschenvolk ist so -plump und unliebenswürdig, Keiner ist mir noch aufgestoßen, dem ich mich -ganz ergeben möchte. Du allein hast mein Herz gewonnen, und zu Dir -möchte ich wahr und offen seyn können, weil mich das Zusammenschnüren, -wie ich es der Uebrigen wegen mit mir treiben muß, genirt und langweilt. --- Aber was wolltest Du noch von mir erfahren oder erfragen? - -Die Stimme des Mannes lallte, und es schien, als wenn dieser ägyptische -Wein eher das Gegentheil, als die beabsichtigte Wirkung hervor gebracht -hätte. Schmaling war verlegen und mochte sich selber nicht gestehn, was -er zu bemerken glaubte; er sagte: Großer Meister, wenn es mir erlaubt -ist, zu fragen, und noch einen Augenblick bei Ihnen zu verweilen, so -möchte ich wohl erfahren, wie Sie es gemeint haben, was meinem Freunde -die Geister, und auf welche Art sie ihm schaden könnten: was Sie sagten, -schien zwar ein gewisses Licht zu geben, war mir aber doch noch -unverständlich. - -Feliciano schlug in seinem Sessel ein lautes Gelächter auf, an dem er -sich nur nach geraumer Zeit ersättigte, dann sagte er: Je, Kind, -liebstes Kind, nimm doch Vernunft an. Was ich dort gesagt haben mag, -weiß ich nicht mehr, aber ich meine, es wird mit seinen Geistern und -allen den Geschichten ein klägliches Ende nehmen, weil der Gimpel selbst -an seine Geister glaubt. - -Weil er an sie glaubt? fragte Schmaling im höchsten Erstaunen. - -Ja, liebes Närrchen, fuhr der Magus fort, sieh, deswegen muß es ja -nothwendig und natürlich ein ganz miserables Ende mit ihm nehmen. Er -betrügt die Welt und seine Schüler, und das ist recht und billig; mit -den unter uns bekannten Kunststücken läßt er Geister und Gespenster -erscheinen, aber der erste Dummkopf in der Welt ist, der selbst durch -sich selbst getäuscht wird. Ich kam ihm in allen Richtungen entgegen und -erwartete sein Bekenntniß, das mir allein am Tisch verständlich gewesen -wäre. Aber seine Obern haben den Menschen auf eine mir unbegreifliche -Art so dumm gemacht, daß, wie er auch betrügt und Andre täuscht, er doch -glaubt, es werde sich ihm mit der Zeit das ächte wahre Wunder -mittheilen. - -Schmaling wußte nicht, wie ihm geschah. Er betrachtete die Decke und -wieder den verehrten Meister, sich selbst, den Fußboden und wieder den -trunknen Wahrsager, der jetzt von Wein geschwächt und von seinem -Uebermuth begeistert so Vieles aussagte und verrieth, was er nüchtern -geworden am Morgen wahrscheinlich bereute. - -Laß die Narrenpossen, sagte der Graf, und mache es möglich, daß wir uns -Beide verständigen. Du bist zu gut, um unter dem aberwitzigen Jan Hagel -so mitzulaufen, Du verdienst es, die höchsten Grade und alle mit -einander in einem Augenblicke zu erhalten. Ich höre, Du willst da in -Deiner Stadt heirathen. Zieh mit mir, die ganze Welt steht einem so -schönen, so feinen und schmiegsamen Mann, wie Du es bist, offen; alle -Weiber, die schönsten und vornehmsten, werden Dir entgegen laufen. Du -wärst mir dazu ganz anders brauchbar, als der tölpische Anton, Dein -Jugendfreund, der aus einem Freigeist und Uebervernünftigen so mit -beiden Beinen in die Dummheit hinein gesprungen ist. - -Er lachte wieder, daß er vor Schmerzen inne halten mußte. Du weißt -vielleicht, fing er wieder an, wie ich schon ein Weilchen in Eurer -komischen Stadt als ein Herr Anderson lebte. Ich hatte so die beste -Gelegenheit, Alles auszuspioniren, und mein pfiffiger Bedienter noch -mehr. Ich kannte schon alle Verhältnisse, auch die Mesalliance des Herrn -Anton mit einem hübschen Bauernmädchen, die er nun in seiner kühlen -Verständigkeit so schlechthin aufzuopfern dachte. Dieser tugendhafte -Anton wollte nun Dich, mein liebes Kind, bessern und korrigiren, daß Du -den Aberglauben ließest. Das kam mir ganz erwünscht in den Weg gelaufen, -daß ich mich für den großen, berühmten Feliciano ausgeben sollte, der -ich zufällig selber war. Die Bäuerin hatte ich kennen lernen und ihre -Verzweiflung gesehn: ich hatte von ihr ein Bildchen machen lassen, das -ziemlich ähnlich war. Sollte es doch auch nur für einen Augenblick -dienen. Der Professor Ferner hat ein allerliebstes Kind, einen überaus -klugen Jungen. Man glaubt nicht, wenn man es nicht so oft, wie ich, -erfahren hat, wie schon der ganze Spitzbube in den Kindern steckt. Das -Lügen, das den meisten angeboren ist, darf nur ein wenig erfrischt und -aufgemuntert werden, so geräth es fast besser, als bei den Erwachsenen, -die immer darin fehlen, daß sie es zu klug, zu verwickelt machen wollen. -So ein Kind wird wahrhaft begeistert, wenn es gebraucht werden soll, die -Großen und Vorgesetzten zu betrügen, und es lernt eine solche Lection -besser, als jede in der Schule. Mit diesem Jungen, der noch bei mir ist, -hatte ich schon unvermerkt mein Spiel verabredet. Mein Diener hatte die -Blendlaterne und das Bild bei der Hand, sammt dem nöthigen Rauch, die -Domestiken des Hauses waren entfernt worden, und um die Sache noch -schauerlicher zu machen, hatte die gute Bauernnymphe unterdessen, daß -sie im Zimmer leiblich erscheinen sollte, einen Schlaftrunk erhalten. So -wurde denn der Spuk und die Comödie glücklich so gespielt, wie Du sie -selber mit angesehn hast. - -Immer noch war es dem glaubensfähigen Schmaling, als wenn er in einem -ängstlichen Traume läge. Und heute nun, fing er wieder an, als mein -Lehrer und Meister sich Eurer höheren Wissenschaft so unbedingt beugen -mußte? - -Kluges Kind, antwortete Jener, siehst Du denn nicht ein, daß wer die -Menschen betrügen will, es ja nicht zu fein anfangen muß? So wie es fein -ist, wird ja auch der Scharfsinn Jener geweckt, sie werden aufmerksam, -denken, passen auf, und das Kunstwerk steht auf der Nadelspitze. Grob, -plump muß der Menschenkenner zu Werke gehn. Die sich dann nicht damit -einlassen wollen, wenden sich ganz ab, und auch das ist Gewinn; die -Andern denken: Nein, so einfältig ist doch Keiner, die Sache zu -erfinden, wenn nicht irgend Etwas daran wäre. Sagst Du ihnen, Du hast -Carl den Zwölften gekannt, so lachen sie Dir ins Gesicht, behauptest Du -aber dreist, Du habest mit Johann Huß Brüderschaft getrunken, so glauben -sie Dir. -- Also mein Herz, laß Dich überreden, mit mir, als Deinem -bekannten Obersten, durch die Welt zu ziehn, und ihre Schätze und Gunst -mit mir zu theilen. -- Oberster! Ha ha! Weil ich so viele Logen aller -Art durchkrochen bin, so wurde mir denn auch von einigen Rosenkreuzern -eine Signatur gezeigt, die den Messias bezeichnen sollte, der einmal -erscheinen würde, um ein himmlisches Reich auf Erden zu stiften. -- Du -siehst, mit welcher angenehmen Dreistigkeit ich Deinen großen Meister -mit dem Bagatell verblüfft habe. -- Nein, als ein ehrlicher, schlichter -Mann könnte ich verhungern, als ein berühmter Charlatan bin ich reich -und beherrsche Männer und Weiber und kann wie ein Sultan gebieten und -walten. Lockt Dich denn diese Aussicht nicht, liebstes Kind? Du bist so -viel schöner, als ich, Du kannst ja Deine Jugend nicht besser genießen. -Mir hat so ein Wesen noch immer zu meinen Erscheinungen gefehlt, wer -weiß, welchen Engel wir droben im Norden aus Dir machen. Wer weiß, -welche Monarchin Dir ins Netz läuft, -- wer weiß -- kurz, komm mit! - -Der ägyptische Wein hatte so stark gewirkt, daß der Großmeister jetzt -einschlief. Am Morgen, als er erwachte und sich besann, konnte er sich -nur dunkel erinnern, was er gethan und gesprochen hatte. Aber das -drückte ihn schwer, daß er sich gegen Schmaling auf irgend eine Weise zu -sehr herausgelassen habe. Er sendete sogleich nach diesem, um entweder -mit Klugheit ihm Alles wieder auszureden, oder, wenn dies unmöglich sei, -ihn im halben Vertrauen stehen zu lassen und durch Drohungen zum -Schweigen zu zwingen. -- Aber Schmaling war verschwunden und nirgends zu -finden, auch Sangerheim konnte keine Nachricht von ihm geben, der mit -Schmerz und Aengstlichkeit die unbegreifliche Entfernung des Jünglings -beklagte. - -Als nicht zu helfen war, schickte Feliciano einen drohenden Befehl an -Sangerheim, den jungen Schmaling niemals wieder als Bruder in seine Loge -zuzulassen, dieses Verbot auch andern Logen mitzutheilen, die mit ihm in -Verbindung ständen, das Gleiche würde er allen Brüdergemeinden zusenden, -die von ihm abhängig wären, weil er entdeckt habe, daß dieser Schmaling -ein Bösewicht, Verleumder und ganz unwürdiger Bruder sei, der nur damit -umgehe, alle Geheimnisse des Ordens auf eine schändliche Weise zu -verrathen, und die Meister selbst durch die abscheulichsten Lügen -öffentlich zu beschimpfen. - -Sangerheim zitterte, und Feliciano eilte, mit seinem Zuge seine Reise -nach dem fernen Norden fortzusetzen. -- - -Schmaling war mit den schnellsten Postpferden zur Residenz -zurückgekehrt. Er wußte nicht, wie er sich benehmen sollte, er hatte -nicht den Muth, in das Haus seines Schwiegervaters zu gehen, er konnte -es sich nicht als möglich denken, nur den Bedienten gegenüber zu treten, -um sich melden zu lassen. - -In dieser unbehaglichen Lage sagte er zu sich selber: Ist es denn etwas -Anderes, wenn ein Freund, der im hitzigen, oder Faulfieber liegt, von -allen Aerzten schon aufgegeben, von allen Freunden schon als todt -beklagt, wieder geneset? Sonderbar, daß wir immer so großen Unterschied -zwischen den Krankheiten unsrer Seele und unsers Körpers machen wollen. -Eins ist selten ohne das andre. Dem Elenden, der im Fieber phantasirt, -vergiebt man es gern, man tröstet ihn sogar freundlich, wenn er Gott und -Menschen, seine Liebsten und Nächsten gelästert hat, man nennt es nur -Abwesenheit, Vergessen seiner selbst: und der Arme, dessen Seele -zerrissen wurde, der, peinlich hinauf getrieben, zwischen den Extremen -schwankte, der sich selbst verlor: ihm vergiebt man nicht, ihm rechnet -man die Aeußerungen seiner Krankheit als Verbrechen an, und er muß es -mit Dankbarkeit erkennen, wenn man es ihm nur nach Jahren vergißt, daß -er diese und jene auffallende Meinung äußerte. Und so bin ich genesen, -ich kehre von einer Brunnenkur zurück, da alle meine Freunde mich schon -aufgegeben hatten. Wollen sie mich nicht, die mir die Liebsten und -Nächsten sind, als einen Wiederhergestellten anerkennen, nun so ist es -an ihnen, krank zu seyn, sie mögen dann irgend ein Bad besuchen, und es -kömmt nachher auf mich an, ob ich sie als Gesunde begrüßen oder als -Unheilbare von mir weisen will. - -Mit diesen Gesinnungen und Entschlüssen ging er nach dem Hause des -Geheimenrathes Seebach. Die Bedienten, die ihn schon von ehemals -kannten, ließen ihn ungehindert eintreten. Er fragte nach Fräulein -Clara; man sagte ihm, daß sie ungestört seyn wolle, weil sie sich unwohl -fühle, sie habe daher erklärt, keine Besuche annehmen zu wollen. Er -sagte dem Kammerdiener, daß er der Familie kein Fremder sei, und daß er -alle Verantwortung auf sich nehmen wolle. - -Er ging über den wohlbekannten Gang nach dem Gemache seiner -Jugendfreundin. Lange stand er vor der Thür. Er lauschte mit -hochklopfendem Herzen. Ihm war, als wenn er drinnen Gesang und die Töne -einer Laute vernähme. Und so war es auch. Clara, um ihren Gram -einigermaßen zu beschwichtigen, hatte alle ihre alten Musikstücke hervor -gesucht, um sich an diesen zu trösten. Sie spielte und sang, und wiegte -so, als sei er ein ungezogenes, schreiendes Kind, ihren immer wachen -Kummer ein. Einige Blätter hatte sie bis jetzt überschlagen. Sie faßte -den Muth, sie vor sich hinzulegen, um sie zu singen. Es waren einige -Compositionen, die in bessern Zeiten Schmaling selbst zu ihren -Lieblingsliedern gesetzt hatte, es waren sogar einige Lieder darunter, -die von ihm gedichtet waren, und zu denen er ebenfalls die Melodie -gesungen. Lange hatte sie den Trost der Musik entbehrt und darum ergab -sie sich heute diesem Genusse wie eine Berauschte. Schmaling horchte -entzückt an der Thür; alle Jugenderinnerungen, alle jene süßen Stunden -der Unschuld kehrten in sein bewegtes Gemüth zurück. Ihm war, als hätte -er den ganzen Zwischenraum, zwischen jenen Tagen und dem heutigen, nur -in einem schweren Traum gelegen. - -Clara hörte in ihrem lauten Gesange nicht, wie er klopfte. Als er das -Zeichen wiederholt gegeben hatte, öffnete er die Thür und trat in das -Zimmer. Sie saß mit dem Rücken gegen die Wand und hatte seinen Eintritt -nicht vernommen. Sie sang so laut und heftig, als wenn sie an dem Liede -sterben wolle. Er hatte es ihr vor drei Jahren zu ihrem Geburtstage -komponirt, nicht lange nachher, als sie mit einander bekannt geworden. -Er konnte sich nicht zurückhalten, er weinte laut und stürzte zu ihren -Füßen nieder. -- - -Die Laute entfiel ihrer Hand. -- Wie? rief sie aus; was sehen meine -Augen? Täuscht mich kein Blendwerk? Die alte Zeit kommt wieder, der -Calender lügt und mein Ferdinand ist wieder da. - -Ja! rief der tiefbewegte Jüngling: da, um nie wieder von Dir zu -scheiden. Zurückgekehrt, wie der verlorne Sohn, von den Trebern des -Aberwitzes und der Lüge, um bei seinem Vater Schutz und Nahrung zu -suchen. - -So? sagte Clara, indem sie ihn aufhob; stehe auf, lieber Freund, wenn -ich Dich noch so nennen darf. Also, meinst Du, soll ich nun wie das Kalb -geschlachtet und verspeiset werden? - -Ich bin leider das Kalb gewesen, antwortete der Beschämte, aber nun, -meine süße Geliebte, nachdem ich genesen, nachdem ich die Dummheit -meiner erhabenen Meister eingesehn habe, werde ich mich niemals wieder -verführen lassen. Nein, auf immer bin ich zu Dir, zu jenem schlichten, -einfachen Leben zurückgekehrt, das ich vor Kurzem noch mit Verachtung -ansah. Fühle ich doch in allen Fasern meines Herzens und in jedem -Tropfen meines Blutes, daß das Einfache, scheinbar Arme, das -Nächstliegende eben das Reiche, Wohlthätige, Himmlische ist! Vergiebst -Du mir meinen Wahnsinn, so bin ich der Glückseligste aller Menschen, und -ich erwarte, daß Fürsten von mir Almosen begehren sollen. - -Nun, nun, sagte Clara, nicht eben so eifrig, mein Freund, in der -Bekehrung und Reue wie erst in der Sünde. Also jetzt willst Du kein -Kapuziner, nicht katholisch werden? - -Sie lachte so anmuthig, daß Schmaling den Muth faßte, sie in die Arme zu -nehmen und herzlich zu küssen. Noch niemals hatte sie ihm den Kuß mit -diesem Feuer erwiedert. Hierauf zog sie beide Glocken in ihrem Zimmer -mit der größten Heftigkeit, tanzte im Gemach auf und ab, und als mehrere -Diener ängstlich erschienen, rief sie diesen mit lauter Stimme zu: meine -Eltern sollen kommen! Aber gleich! Mit der größten Schnelligkeit! Es -verlohnt sich schon der Mühe, zu eilen. - -Man verwunderte sich im ganzen Hause über das ungewöhnliche Geräusch. -Der alte Kammerdiener lief in Angst hin und her, weil er meinte, daß -irgendwo Feuer ausgebrochen sei. Endlich traten Mutter und Vater zu -Clara in das Zimmer. Was giebt es denn? fragten Beide; warum lässest Du -uns so gewaltsam rufen? - -Sie sagte: wenn es nicht unbillig ist, daß bei der Geburt eines Prinzen -alle Glocken geläutet und Kanonen abgeschossen werden, so darf man schon -einigen Spektakel in einer honetten Familie machen, wenn ein junger Mann -seinen gesunden Menschenverstand wieder gefunden hat. Ja, liebste -Eltern, hier steht der bescheidene Jüngling, dessen Edelmuth es nicht -wagt, dergleichen Ungeheures von sich auszusagen, weil er seit so vielen -Wochen auf den entgegengesetzten Bahnen irrte. - -Der Vater schloß entzückt den jungen Mann in seine Arme, die Mutter war -verlegen und gerührt. Und Sie entsagen, fragte der Rath, Ihrem Meister -Sangerheim? - -Mit vollem Ja, kann ich antworten, rief Schmaling, und eben so dem -Großmeister Feliciano, der vielleicht Judas Maccabäus seyn mag, oder -Ischariot, und dem Teufel und seiner Großmutter, und allen ihren Spuk- -und Zauberwerken, die keine Stecknadel werth sind, und für die wir ihnen -unsre Seele verkaufen müssen. - -Ja wohl, sagte der Vater, müssen wir ihnen, den Unterirdischen, den -Reichen des Wahnwitzes, das Theuerste verschreiben, um das Verächtliche -dafür zurück zu erhalten. - -Ich bin genesen, rief Schmaling aus, und begreife jetzt nicht, wie ich -den Himmelsblick meiner Geliebten, ihr Herz, alles Glück einer -entzückenden Häuslichkeit und des nächsten Besitzes, gegen jene -Kartenkünste aufopfern konnte. - -Als man sich mehr beruhigt hatte, erzählte er dem Vater auf dessen -stillem Zimmer Alles, was ihm begegnet war. Man erfuhr auch bald, daß -der junge Schmaling, wegen schwerer Vergehungen, von vielen Logen -ausgeschlossen sei. Dies störte nicht das Glück des Hauses, denn seine -Verlobung mit Clara wurde bekannt gemacht, und bald darauf die Hochzeit -gefeiert. - -Könnte ich doch, klagte der Vater an diesem fröhlichen Abend, meinen -Sohn Anton eben so in meine Arme schließen, und mich überzeugen, daß er -mir zurückgegeben sei. - - * * * * * - -Die Scene, die sich mit dem größeren Magus ereignet hatte, war für -Sangerheim von Folgen gewesen. Seine Schüler hatten es gesehn, daß er -verlegen und irre an sich selber wurde; sie hatten Andern diese -Bemerkung mitgetheilt, und Viele wendeten sich von ihm ab. Die ältere -Loge beobachtete ihn genauer, und faßte mehr Muth, sich ihm öffentlich -zu widersetzen. Unter Denen aber, die ihm unwandelbar treu blieben, und -auf seine Worte schwuren, stand der Arzt Huber oben an; diese Anhänger -beredeten sich, daß die Wirkungen, welche Feliciano hervorbrachte, durch -die Hülfe böser Geister geschähen, und er selbst durchaus verwerflich -und gottlos, seine Lehre verdammlich zu nennen sei. - -Jetzt ward es den Vertrauteren, und späterhin den Uebrigen bekannt, daß -Sangerheim verheirathet sei, und seine Frau bei ihm wohne. Da sie krank -und leidend war, hatte er ihr Dasein Allen verschwiegen. Die Wenigen, -die sie zuweilen auf einen Augenblick sahen, bemitleideten sie, oder -entsetzten sich vor ihr, wie vor einer Geistererscheinung. Sie war noch -jung, aber todtenbleich, schwach und matt. In dem weißen und -abgemagerten Gesicht glänzten die Augen mit einem sonderbaren Feuer. Sie -hatte kaum Stärke genug, aus einem Zimmer in das andre zu gehn, und es -geschah wohl, daß sie mitten in ihrer Rede abbrach und einschlief. Dann -sprach sie sonderbar, oft unzusammenhängend, oft, als wenn sie -Erscheinungen sähe. Sie hatte keinen Arzt, sondern der Mann, der sich -die größten Kenntnisse zutraute, behandelte sie selbst auf eine -geheimnißvolle Weise: er suchte sie durch Gebet, Händeauflegen und -Beschwören zu stärken. Wegen dieses sonderbaren Zustandes der Leidenden -war es selbst den Vertrautesten nur durch Zufall möglich gewesen, sie -auf Augenblicke zu sehn und zu beobachten. - -Nach einer schlimmen Nacht, in welcher sie von Schmerzen sehr gequält -war, sagte sie am Morgen zu ihrem Gatten: Ach, Alexander! das war nicht -die Aussicht, die wir hatten, als Du mich heimlich, fast mit Gewalt aus -dem Hause meiner guten Eltern nahmst. Welche Pläne machten wir damals, -was hofften wir Alles von unsrer Liebe. Nun ist Alles dem Tode -verfallen! Ach! und welch gespenstisch Leben, welch sterbendes Dasein -ward mir in Deiner Nähe. Nun, ich fühl' es, es ist zu Ende. - -Nein, geliebte Theodora, tröstete sie der Mann: nein, meine Geliebteste, -ohne die das Leben mir selbst nur eine Last seyn würde. Glaube mir, -Alles nähert sich einer glücklichen Entwicklung. Ich sehe, Du wirst mit -jedem Tage besser, in wenigen Monaten ist Deine Gesundheit und die -Blüthe Deines Leibes wiedergekehrt. Du bist wieder heiter und froh, Du -hast wieder Muth und Kraft, wie in den ersten Tagen unsrer Liebe. - -Liebst Du mich denn noch? fragte die Kranke, mit einem sterbenden Blick. - -Theodora, rief Sangerheim, außer sich vor Schmerz; diese Frage und -dieser Blick könnten mich tödten. Es wühlt mein Herz um, und zernichtet -meine Kräfte, daß diese Zweifel Dir immer wiederkehren. - -Ich darf nicht sprechen, antwortete sie matt, denn Deine Heftigkeit geht -dann wie ein schneidend Messer durch meinen Leib und meine Seele. - -Ich will sanft seyn, milde, Geliebte, antwortete er demüthig, sprich -Deinen Kummer aus, nur zweifle an meiner Liebe nicht. - -Was nennst Du so? fuhr sie fort; Deine Liebe ist Dir doch nicht heilig, -Du opferst sie auf, sie ist Dir nur Mittel zu andern Zwecken. O, mein -Engel, wenn Du Dich von jener Verbindung losmachen könntest, o zerbrich -sie, mein süßes Herz, entzieh Dich jener Gesellschaft, die mir immer -schrecklicher erscheint, die Dich verderben wird. - -Nein, meine Liebste, antwortete Sangerheim gerührt, ich erkenne Deine -Liebe in jedem Deiner Worte, aber diese Männer, von denen ich Dir einmal -in einer schwachen Stunde erzählt habe, kennst und würdigst Du nicht. -Denke nur zurück, wie arm, wie dürftig unser Leben war. Als -österreichischer Offizier, in einer kleinen Garnison, von rohen, -unwissenden Menschen umgeben, mit schmalem, unbedeutendem Gehalt, ohne -Hoffnung, es weiter zu bringen, -- was war da unser Loos? Wie armselig, -dürftig und verächtlich war diese Existenz! Und betrachte jetzt den -Ueberfluß, die Ehre, den Schwarm der Freunde und Bewunderer. - -O Alexander, seufzte sie, führe mich in jene enge Dürftigkeit zurück, -gieb mir unser damaliges Leben wieder, und ich will Dir auf den Knieen -danken. Wir waren gesund, wir hatten uns keine Vorwürfe zu machen, denn -die Eltern waren mir wieder ausgesöhnt. War unser Einkommen klein, unsre -Habe unbedeutend, so genossen wir Alles mit kindlichem dankbaren Sinn -und mit einem reinen Gewissen. Als Du in jene Verbindung getreten warst, -nahmst Du Deinen Abschied, mußtest ihn nehmen. Seitdem ist Alles so -unklar und unheimlich. Und unser Wohlstand: mir ist, Du stehst auf einer -dünnen, dünnen Eisrinde, und unter Dir liegt der tiefe Abgrund. - -Geliebteste, Freundin, Gattin, erwiederte er liebkosend, beruhige doch -endlich Deine Seele über diesen Punkt. Wie wird sich Alles anders, und -zu Deiner schönsten Zufriedenheit entwickeln. Jenen edlen Männern darf -ich vertrauen, denn ich war ja Zeuge, daß sie Uebermenschliches vermögen -und wissen. Wie viel haben sie mir schon anvertraut, wie Vieles vermag -ich durch sie. Mit jeder Post kann es ankommen, das Größte, das Beste, -was noch zurück ist, in jedem Reisenden kann der Ersehnte vom Wagen -steigen, der mir Alles enthüllt, so daß keine Frage und kein Wunsch mehr -übrig bleibt. Alle ihre Briefe deuten auch dahin. - -Brauche ich Dir zu sagen, antwortete die Kranke, daß Alles, was Du bis -jetzt errungen hast, Kunststücke sind, die nur darum den Menschen -unbegreiflich und wundervoll erscheinen, weil die Wissenschaft sie noch -nicht gefunden hat? Jeder Gelehrte kann sie zufällig entdecken, und -diese donnernden Explosionen, die sich durch einen Wurf, ohne Spur -entladen, werden dann vielleicht ein Spielwerk, mit dem sich die Kinder -erschrecken. Und Deine Operationen, diese Blendwerke der Erscheinungen, -diese Bilder, die Du zeigst, Deine künstliche, innerliche Sprache, die, -wie aus der Ferne, wie die eines Fremden klingt, und womit Du so Viele -entsetzest, und sie zu Deinen Zwecken führst; daß ich selbst auch als -Geist auftreten muß, -- o Alexander, wohin sind wir gekommen? Wie muß -die Welt uns ansehn, wenn Alles einmal bekannt wird. - -Liebste Frau, sagte Sangerheim beängstigt, Du hättest Recht, wenn wir -nicht mit den Edelsten aller Menschen, mit den Uneigennützigsten, mit -den Weisesten in Verbindung ständen. Daß sie das Beste wollen, daß ihre -Pläne gut sind und zum Heil aller Menschen hinstreben, davon dürfen wir -uns überzeugt halten, so seltsam auch ihre Wege, so krumm sie auch -laufen mögen. Ihnen liegt es ob, dies zu verantworten, wenn sie im -Unrecht seyn sollten. Ich muß erfüllen, was ich ihnen gelobt habe. Ich -kenne die Täuschung, die ich mir erlaube, aber ich bin vom guten Zweck -überzeugt. Und jenseit aller Täuschung sind wir ja im Besitz so manches -wahren Wunders. Dein Gebet wirkt kräftig, das meinige stimmt Deinen -Geist. Du siehst, Du sprichst mit abgeschiedenen Freunden, sie entdecken -Dir Geheimnisse; Du siehst in weite Ferne und durch verschlossene -Thüren. Dir ist, wenn Du fest willst, Nichts verborgen. - -Die blasse, leidende Gestalt seufzte schwer. Ach, Liebster! klagte sie -dann mit erlöschenden Tönen, daß ich auf diese Weise in Deinen -weltlichen Absichten Dir habe helfen müssen, ist vielleicht die größte -Sünde, die Dir der Himmel nicht anrechnen, und mir meine Schwäche und -Nachgiebigkeit verzeihen möge. Die Liebe zu Dir hat mich weit geführt. -Dieser künstliche Schlaf, dieser unnatürliche, den Du mir Anfangs -erregtest, und der sich jetzt immer mehr von selbst einstellt, hat mir -Gesundheit und alle Kräfte aufgezehrt. Oft weiß ich nicht mehr, ob ich -noch bin, und kann mich auf meinen eignen Namen, oder auf Deine Gestalt -nicht besinnen. Ja wohl ist dies eine Zauberei zu nennen, die den -Menschen aus seinem eignen Innersten entrückt; aber eine verderbliche. -So Vieles habe ich Dir entdecken müssen, hier und in jener Stadt. Mir -ist, ich habe nicht allein die Kräfte meines Körpers, sondern auch -Theile meiner Seele dabei zugesetzt. Wenn Du mich so auf eine Frage -gewaltsam hinheftest, wenn ich im Schlafe sehen und finden muß, was Du -verlangst, so dehnt es sich in meiner Brust, in meinem Kopf. Diese -fließenden leichten Gewölke werden immer dünner und feiner, und mein -Selbst, mein Sein weicht wie in eine schwindelnde Ferne hinweg, daß ich -in einer entsetzlichen Angst nach ihm zurückblicke. Jenes fließende, -fliehende Wesen, das ich selbst nicht mehr bin, faßt und sieht dann in -meinen Körper, in Dich, in alle Wesen mit einem kalten Schauder hinein. -Ich frage, ohne den Sinn zu wissen, und höre von Geistern die Antwort, -und sage sie Dir im Schlaf, und Alles ist nur ein Echo. Oft, wenn ich -dann wieder erwachen soll, greift das blasse, fließende und entflohene -Wesen nach dem eigentlichen Ich mit Entsetzen zurück, und kann es nicht -wieder finden. Nein, mein Ich ist manchmal fort; ich kann mich auf mich -selbst nicht besinnen. Der Geist fürchtet, er könne vergehn, sich selbst -vernichten. Nein, Liebster, wenn Du noch einiges Erbarmen mit mir hast, -nicht mehr diese Experimente, versprich es mir. - -Sangerheim gab ihr geängstigt stumm die Hand. Er wußte wohl, wie viel er -ihren künstlich erregten Visionen zu danken hatte. Durch dieses Mittel -hatte er damals für den Rath Seebach jenes Dokument gefunden. Er stand -jetzt an einem furchtbaren Scheidewege seines Lebens. Denn ohne daß -seine Gattin ihn so schmerzlich zu erinnern brauchte, war er selbst -schon mehr wie einmal an sich und seinem Beginnen irre geworden. Er fing -in manchen Stunden an zu zweifeln, ob denn der Zweck die Mittel heiligen -könne. Eine Lehre, die ihm bis dahin als unerschütterlich erschienen -war. Mit Angst wartete er auf Briefe und Aufschlüsse, die man ihm -verheißen hatte, damit er den Trug könne fallen lassen, seinen -Eingeweihten ein eigentliches Geheimniß sagen und erklären, und im -Besitz wirklicher Wunderkraft, des Steines der Weisen und der Tinktur -glücklich seyn. Er hatte nach seiner Ueberzeugung erfüllt, was er -versprochen hatte, ja mehr ausgerichtet, als man erwarten konnte, aber -die letzten Briefe, die er erhalten und die er sehnend erwartet, -sprachen so zweideutig, erfüllten so wenig, was er forderte, und -umgingen die Frage so behutsam, daß er sich mit allen Kräften der -Hoffnung und des Vertrauens nur einigermaßen beruhigen und auf die -nächsten Nachrichten vertrösten konnte. - -In dieser Verstimmung seines Gemüthes faßte er die Hand der Kranken, und -machte, ohne daß sie es bemerkte, die Striche, die den Schlaf herbei -riefen. Sie entschlummerte mit einer Zuckung Augenblicks, indem sie nur -noch wimmernd: nicht Wort gehalten! im halben Wachen ausstieß. -- - -Er fragte sie jetzt um die Zukunft. Der Busen der Kranken arbeitete -schwer. Ach! Nichts! Nichts sehe ich, sagte sie, wie schluchzend in -sonderbaren Tönen: da liege ich, weit, weit weg; nicht ich, -- die -Hülle. -- Glanz, Licht, -- aber ohne Schein. Es saugt mich hinauf. Meine -Mutter nimmt mich, nicht meine Mutter, ihre Liebe, das ist mehr als sie. -Wie rein ist ihr Herz. Das reinigt auch meinen Geist, mich. Mir wird so -leicht, so wohl. Das, was ist, ist nicht eigentlich. Wir verstehn es -unten nicht. Alles nur Schein, Hülse, der Tod. Das Sein ist anders: kann -unten nicht gefaßt werden. - -Sangerheim richtete durch Fragen ihre Gedanken anders. O weh! rief sie -in einem scharfen Ton: -- da ist Dunkel, Verwirrung, das Elend. O du -Lügner, warum verkehrst du mit der Lüge so holdselig? Dein Herz bricht, -dein Kopf zerspringt. -- Nach jenem Dunkeln soll ich forschen, sehn? -Mein Auge reicht nicht hin, mein Zittern verdämmert mir den Blick. Alles -schwarz. Aber näher kommt's. Grauen, Angst, kein Licht. Sie brüten -selbst, sie suchen. Keine Liebe in ihnen. -- Ja wohl ist es aus, aus für -dieses Leben. Brief geschrieben, gesiegelt. Kann nicht -- kann nicht -lesen. Wär' es gut, könnt' ich's; die Liebe könnte lesen, so bleibt's -finster. -- Ach! -- du, -- du -- auch fort, weggetragen, -- willst mich -nicht kennen, nicht hier kennen, wo Friede ist? Sehe dich gehen, höre -deine Stimme, kann dein Gesicht nicht finden; wo die lieben Augen? -- -Alles weg! - -Ach! so, so ist es gemeint? fing sie nach einer Pause wieder an; ja, ja, -es wird ihm schwer gemacht. Er hieß Alexander. Gut war ich ihm, er war -so lieb. Wird wieder, aber spät, spät, -- ach! kann er glauben? Gott, du -bist gnädig. -- Laß ihn nicht zu sehr verfinstern. Jesus, vergieb ihm. --- Nun ist es weg. Nun ist mir wohl. Nie werde ich mehr in die Tiefe des -Irdischen schauen. Alle Tiefe vergeht; es wird Alles Ein Augenblick, -Eine Gegenwart, Ein Lichtpunkt, und ich unsichtbar, mir selbst -unfühlbar, in der Mitte des himmlischen Punktes. Nichts war, Alles ist -und bleibt. Es zieht, es flieht nicht mehr, festes Bild wird es. -- Nun -reicht der Strahl aus mir nicht mehr zurück, er ist zu kurz, das Leben -ist fern, weit und fern: besser so, -- denn -- nein -- besser so -- ach! -kein Sehnen mehr, kein Schmerz mehr, -- die Freude war schon lange todt. - -Sie verstummte: er horchte, er wiederholte die Striche und verstärkte -seine innere Aufmerksamkeit, aber die Entschlafene sprach nicht. Da sein -Bemühen heut, was noch nie gewesen, vergeblich war, so strich er mit den -Händen in entgegengesetzter Richtung, um sie wieder zu erwecken, aber -eben so fruchtlos, sie erwachte nicht wieder, denn sie war gestorben. - -Als er sich nach manchen vergeblichen Bemühungen, sie wieder ins Leben -zu rufen, von der Wirklichkeit ihres Todes überzeugen mußte, warf er -sich verzweifelnd zu ihren Füßen nieder, und wüthete gegen sich selber. -Wie er etwas mehr zur Besinnung gekommen war, rief er aus: ja, du, du -Unglückseligster, hast die Aermste ermordet! Was ist mir alles Leben nun -ohne sie? Ohne sie, für die ich mir Glanz und Wohlstand wünschte? Wie -schaal und abgenutzt liegt jetzt mein ganzes Dasein vor mir, wie arm, -was ich etwa noch erstreben kann. Und wie liebte sie, die Aermste, mich -Unwürdigen! Als sie damals, wie ihre Krankheit zuerst sich verkündigte, -von der langen Ohnmacht erwachte, war ihr erstes Lebenszeichen, daß ihr -redlicher Blick mich gleich suchte. Sie hatte alles Andre vergessen, -aber nicht, daß ich um sie bekümmert war. Sie hätte mir ja auf unsern -Spaziergängen gern jeden rauhen Stein aus dem Wege geräumt. Und mein -Dank für alle diese Hingebung? -- Daß ich ihre Gesundheit durch diese -magnetischen Künste vernichtete, daß ich ihren Geist verwirrte, daß ich -muthwillig ihr liebendes Herz zerbrach. Nein es giebt keine größere -Sünde, es giebt gar keine andre, als die der Mensch gegen die Liebe -begeht. -- Ach! Du Süßeste! wo ist jetzt Deine blühende Jugend? Wo sind -die Rosenwangen, und das Grübchen des freundlichen Lächelns, mit dem ich -Dich neckte, wenn wir im kleinen Garten Deiner Eltern zwischen den -Rosenbüschen saßen? Wo sind nun alle die Träume der Liebe? Wo die Pläne, -die wir für das Leben entwarfen? Diese blasse Hülle, die hagre Gestalt -ist von all der Lust und Freude übrig geblieben, um mir zu sagen, wie -armselig und kläglich das menschliche Leben sei, um mir zuzurufen, daß -ich ein Bösewicht, ein Verworfner bin, der trotzig durch das Leben geht, -und Dich, süße Blume, roh zertreten hat. - -Er setzte sich wieder zum Leichnam nieder, faßte die dürre Hand, -bedeckte sie mit Küssen, und weinte bitterlich. - -Wort müssen, Wort werden sie mir halten, sagte er nach einer Weile zu -sich selber; mein Elend wäre zu unermeßlich, wenn sich auch diese -Hoffnung in Tod und Leiche verwandelte. Was bliebe mir? Die nackte, -kahle Lüge, der verächtliche Betrug. Dem könnte, dem möchte ich nicht -ferner leben. Ist denn sterben so schwer? Sie ist erloschen, wie die -Kerze, wie der letzte still verborgne Funke in der Asche. Wenn ich -verloren bin, so will ich kein Dasein erbetteln, und in Lumpen und dem -Auskehricht des Lebens Kleinodien suchen, die ich wirklich besaß und -wegschleuderte, als ich noch wie ein König glücklich war. Jenseit will -ich sie dann wieder aufsuchen und das keck verachten, was Verachtung -verdient. -- -- - -Bei ihrem Begräbniß folgten die vertrautesten der Brüder. Er schien -seine Fassung wieder errungen zu haben. In fester Stellung, mit edlem -Schmerz stand er am Grabe der Geliebten und sah die theuern Ueberreste -versenken. Freilich war es ihm oft, als wenn alles Leben nur ein Traum -sei, oder ein Schauspiel, in welchem er mit Anstand seine Rolle zu Ende -führen müsse. - -Als er nach Hause kam, fand er folgenden Brief, den er hastig erbrach: - -Die -- -- sind mit Euch, mein Freund, nichts weniger, als zufrieden, -denn Ihr setzt ihr Geheimniß, ihren Ruf und ihre Ehre auf ein zu -leichtsinniges Spiel. Das ist es nicht, was Ihr verheißen habt, und was -man von Euch erwartete. Es hat sich erwiesen, daß der Rath -- --, dessen -Ihr so sicher zu seyn glaubtet, sich kalt zurückgezogen hat, daß Ihr -jene Stadt meiden mußtet. Und wie lange werdet Ihr in der jetzigen Euer -Spiel noch forttreiben können? Man verwundert sich, man forscht nach, -und, was das schlimmste ist, man lacht. Wie schlecht seid Ihr dem -Charlatan, dem Feliciano, gegenüber bestanden! Wer solche plumpe -Angriffe nicht einmal zurück zu schlagen versteht, der ist zum Missionar -verdorben. Auf die Anfragen, auf Eure Forderungen, kann ich nichts -Bestimmtes erwiedern. Es heißt, die Loge wird verlegt werden: wenn es -geschieht, so ist noch nicht entschieden, wohin. -- -- - -Sangerheim knirschte. Mit Todesschweiß schrieb er schnell einige -drängende, fordernde, beschwörende und beredte Briefe, um das Aeußerste -und Letzte zu versuchen, denn seine Hoffnung, ein wahrer Magier zu -werden, war nun fast schon verschwunden. - -Wenn sie mich so um mein Leben betrogen hätten! rief er aus, büßen -sollten sie es! -- Doch nein, ich zittre vor mir selber: weiß ich ja -doch, daß sie jeden Laut in der Ferne vernehmen, und daß sie jeden -meiner Gedanken kennen. Drum muß ich, will ich alle meine Gefühle -unterdrücken, und nur das Beste, Edelste von ihnen erwarten. - - * * * * * - -Im Hause des Geheimenrathes war Alles so ziemlich wieder zur Ordnung -zurückgekehrt. Die Hochzeit der Tochter näherte sich, und Schmaling war -im Bewußtsein seines Glückes in solcher Stimmung, daß er selbst die -Namen Feliciano oder Sangerheim nur ungern nennen hörte. Er verdammte -den Trieb, sich vom Wunderbaren und Geheimnißvollen anlocken zu lassen, -so unbedingt, daß selbst Clara ihn tadelte, wenn er auf -Geistergeschichten oder Erzählungen schalt, die durch ein gewisses -Grauen die Aufmerksamkeit spannen, und die Phantasie in Thätigkeit -setzen. Er wollte kein unschuldiges Spiel hierin mehr erkennen, sondern -meinte, diese Anlage und Stimmung unseres Geistes sei durchaus -verderblicher Natur, und könne nur zum Unheil führen, es sei daher die -Pflicht eines jeden Verständigen, diesen Trieb in sich völlig -auszurotten. - -Der Vater hatte unterdessen an seinen Sohn Anton geschrieben, um ihn zu -bewegen, zu seiner Familie zurückzukehren. Nur Einiges hatte er ihm von -jenen Geständnissen gemeldet, die der trunkene Magier gegen Schmaling -halb unbewußt gethan hatte; er hatte ihn auf die Gefährlichkeit dieser -Verbindung, auf seine bedenkliche Stellung zur Welt aufmerksam gemacht, -er hatte ganz den Vater und die väterliche Autorität, so milde der Brief -war, sprechen lassen, aber vergeblich. Der Sohn antwortete in einem -scharfen, höhnenden Tone: wie sonderbar es sei, daß der Vater jetzt -gegen Geheimnisse spreche und große Charaktere verfolge, da doch er, der -Sohn, von Jugend auf so viel von diesen Geschichten in seiner Familie -habe vernehmen müssen. Es sei ja bekannt genug, wie er selbst früher -gegen alle leere Schwärmerei, Geistersucht und dergleichen gesprochen -habe, er habe sich nie blenden lassen, und wenn er jetzt einer andern -Ueberzeugung folge, so könne man ihm wohl zutrauen, daß er geprüft und -untersucht habe, und nicht leichtsinnig einem unreifen Gelüste folge. -Wenn Verleumder seinen großen Meister lästerten, so geschehe nur, was -sich seit den ältesten Zeiten ereignet habe, daß der Pöbel die -Wohlthäter der Menschen und die leuchtenden Genien verfolge. Was seinen -Schwager Schmaling betreffe, so verachte er einen solchen Elenden zu -tief, um irgend noch Worte über ihn zu verlieren. Sein Meister habe ihm -diesen Lügner und dessen Verächtlichkeit hinlänglich geschildert. Er -hoffe übrigens, in der Lage zu seyn und zu bleiben, daß er weder auf -einen Theil des väterlichen Vermögens, noch auf irgend eine -Unterstützung Ansprüche zu machen brauche, wünsche aber dagegen, daß man -ihn nicht hofmeistere, als ein Kind behandle, das der Zurechtweisung -noch bedürfe. Er werde in Zukunft, wenn er der Familie selbst zu Glanz -und Ehre verhelfe, übrigens gern vergessen, daß er früher einmal von -seinen allernächsten Verwandten so sei verkannt worden. - -Der Vater, der Obrist und Alle erstaunten über die ungeheure Verblendung -des Sohnes, vorzüglich, wenn sie seiner früheren Art gedachten. - -Die Zeit war indessen herangekommen, in welcher Sangerheim versprochen -hatte, durch Rückzahlung des letzten Capitals seine geheimnißvollen -Papiere auszulösen. Geschah es nicht, so gehörten dem Rathe diese -Mysterien, die von der höchsten Wichtigkeit seyn sollten, und von denen -selbst das Leben Sangerheims, wie er geäußert hatte, abhinge. Der -geheime Rath machte sich also mit jenen wichtigen, fest verschlossenen -und vielfach seltsam versiegelten Dokumenten auf den Weg nach jener -Stadt, in welcher der Magier seitdem seinen Sitz aufgeschlagen hatte. -Der Professor Ferner begleitete ihn. Sie reiseten in der Nacht, und -wechselten vielfältige Gespräche, indem sie sich alter Zeiten und vieler -Erfahrungen erinnerten. Der Professor sagte endlich: Sei der Mensch auch -so ruhig und fest, wie er immer wolle, er hat eine Stimmung, einen -Moment der Schwäche, wo ihn doch Dasjenige wiederum ergreifen und -beherrschen kann, was er längst abgeschüttelt zu haben glaubt. Und so -ist es mit Zeiten und Völkern auch. Wer kann unterscheiden oder bestimmt -verneinen, ob es nicht physische Krankheit sey? Ob es oft nicht in der -Luft liege, und wie jede Seuche anstecke? Es scheint zu Zeiten -unmöglich, sich gegen den Einfluß der Thorheit zu schützen, so wie wenn -der Körper erst durch Mangel an Diät oder Zufälligkeiten so gestimmt -ist, man der Erkältung durchaus nicht ausweichen kann, verwahre man sich -auch, wie man will. Jetzt ist es mir völlig unbegreiflich, wie ich mein -geliebtes Kind jenem Wunderthäter hingeben konnte, es erscheint mir -jetzt als ein völliger Wahnsinn, als gottlose Sünde; und doch pries ich -mein Geschick (und seitdem sind nicht viele Monde verflossen), daß jener -große Mann den Knaben würdigen wollte, ihn in die Schule und sich seiner -anzunehmen. Ist aber unsre Schwäche so groß, oder ist es zuweilen ein -Fatum, das uns ergreift, eine unausweichliche Nothwendigkeit, so sollten -wir wohl im Leben gegen unsre Nächsten, oder in der Geschichte gegen -merkwürdige Verirrungen billiger und nachsichtiger seyn, als wir uns -bewußt sind, diese Nachsicht auszuüben. - -Es muß sich austoben, erwiederte der Rath; das ist ein Ausdruck, den ich -mir seit einiger Zeit angewöhnt habe. Das ist der einzige trostlose -Trost, den ich mir in Ansehung meines Sohnes geben kann, den ich für -verloren achten muß. -- -- - -Sangerheim war indessen in einer Stimmung und Gemüthsverfassung, die -sich schwerlich darstellen läßt. Auf seine vielen und dringenden -Schreiben hatte er noch einmal eine kurze Antwort von einem Manne -erhalten, der sich früher seinen Freund nannte, und der ihm jetzt -meldete, dies sei der letzte Brief, den er ihm senden könne, indem er -eben in den Wagen steige, um nach Italien, und von dort nach -Griechenland und Constantinopel zu reisen. Von Geldsendungen war keine -Rede, und doch hatte Sangerheim auf diese, und zwar auf sehr bedeutende, -gerechnet. Er meinte, er dürfe es, nach allen früheren Betheuerungen und -Versprechungen. Er war von Schulden bedrängt; um glänzend aufzutreten, -hatte er Alles wieder ausgegeben, was ihm von Freunden und Schülern -zugeflossen war. Um sein Ansehn zu vergrößern, und sich mehr Zutrauen zu -erwerben, war er in der Wohlthätigkeit ein Verschwender gewesen. Er -schrieb noch einmal, und zwar unmittelbar an einen Mann, den er für -einen jener Obern halten mußte, aber indem er in Angst die Sekunden auf -seiner Uhr zählte, und der Antwort Flügel wünschte, kam sein eigner -Brief ihm zurück, mit der Anweisung vom Postamt, kein Mann von dem Namen -sei in der Stadt zu finden. - -Nun sah er, daß man ihn völlig verlassen, daß man ihn ausgestoßen hatte. -Es wurde ihm hell in allen Sinnen, daß er gebraucht sei, eine Büberei -auszuführen, und daß man jetzt diese nothgedrungen aufgegeben habe, oder -ihn wenigstens für unpassend halte, sie zu vollbringen. Er war bis dahin -überzeugt gewesen, wenn er auch die Pläne seiner Obern nicht ganz -durchschaute, daß er etwas Gutes und Edles wirke, wenn auch durch -Mittel, die sich nicht vor der strengen Moral rechtfertigen ließen. Ihm -war ein brennender Haß gegen die sogenannte Aufklärung, gegen jenen -Indifferentismus, der seine Zeit charakterisirte, beigebracht worden. Er -hielt es für nothwendig, daß jene Freimaurer, die sich der -Rosenkreuzerei, dem Goldmachen und Geisterrufen widersetzten, als -Schädliche und Verderbliche ausgerottet werden müßten, weil sie -hauptsächlich durch ihren Einfluß und ihre Logen jene lebentödtende -Aufklärung verbreiteten. Er glaubte wohl, daß ein Werben für die -katholische Kirche auch eine Aufgabe seiner Sendung sei, unterzog sich -aber auch diesem gern, weil er in dieser Lehre auferzogen war, und sie, -ohne sie zu prüfen, oder die protestantische zu kennen, für die bessere -hielt. Mit seinem Wunderglauben und seiner Schwärmerei hatte er sich -eine eigne Lehre ausgebildet, die der orthodoxe Katholik gewiß nicht -gebilligt hätte. So hin und her geworfen von Leidenschaften und -chimärischen Hoffnungen, wähnend, ganz nahe an die Erfüllungen seiner -höchsten Wünsche zu reichen, durch sophistische Ausreden über sein -trügendes Thun beruhigt, sich als Lügner kennend, und sich dennoch für -einen wahren Wunderthäter haltend, seine Gattin liebend, und sie doch -seinen verdächtigen Zwecken aufopfernd, war er in allen diesen tollen -Widersprüchen fast in ein gespenstisches Wesen verwandelt worden, das -ohne innern Halt jeden Tag nur so hingaukelte, von Neuem täuschte und -getäuscht wurde, und nie zur Besinnung kam. Jetzt fielen alle diese -Larven von ihm ab, er lernte sich selbst erst kennen, und entsetzte sich -vor dem Auge der Wahrheit und seiner eignen Nacktheit. - -So bin ich denn, sagte er zu sich selbst, zugleich der Unglückseligste -und Verworfenste aller Menschen. Der Inhalt meines Lebens ist ein -Possenspiel, über das man lachen möchte, und zugleich so tragisch und -entsetzlich, daß sich mir die Haare aufrichten. Wie können jene -Menschen, die sich gut und weise nennen, es irgend mit ihrem Herzen -ausgleichen, daß sie mich geschlachtet, und mir Geist und Leib zu Grunde -gerichtet haben. So einsam, so ganz zernichtet war noch nie ein Mensch. -Die Freunde, Beschützer, Mächtigen, auf die ich mich so sicher mit -meinem ganzen Glücke lehnte, sind gar nicht da in aller weiten Welt, -nirgend zu erfragen, wie Traumgestalten, wie Wolken verschwunden. Jeder -Mensch, dem ich meine Noth klagen wollte, müßte es für wahnwitzige Lüge -halten. -- Ach Theodora! wie Recht hattest du. Warum vernahm ich denn -deine Bitten und Warnungen nicht? Auch sie ist zertreten worden, so wie -ich. O wenn sie noch da wäre, wie gern würde ich mit ihr als Tagelöhner, -als Bettler leben. Und Nichts bleibt mir; nicht die elendeste Hülfe, -nicht der kümmerlichste Trost. - -Er sann hin und her, was er beginnen könne, aber jede Aussicht war -verschlossen. Sein Trug mußte entdeckt werden, dem Manche schon auf die -Spur gekommen waren. Die prophetische Gabe seiner unglücklichen Gattin -konnte ihm auch Nichts mehr fruchten, um seine künstlichen Lügen mit -halber Wahrheit oder seltsamen Entdeckungen zu unterstützen. Er dachte -wohl daran, ob er nicht einige von Denen um Hülfe ansprechen sollte, -denen er, als ihm große Summen zu Gebote standen, reichlich geholfen -hatte, aber er verwarf diesen Gedanken sogleich als unstatthaft, weil er -einsah, daß Dieselben, die ihn in der Noth als ein göttliches Wesen -behandelt hatten, ihm jetzt kalt den Rücken kehren würden. Und so, -dachte er, habe ich von meinem verlornen Leben nicht einmal den Nutzen, -den jeder Dieb genießt, bevor er zum Galgen geführt wird, daß er Geld -und Gut besitzt, oder mit seinen Spießgesellen schwelgt, und Wein und -Wollust ihn übersättigen. - -Er fiel darauf, sich dem geheimen Rath ganz zu entdecken. Dachte er aber -an das Auge des ernsten Mannes, und wie viel er von ihm gezogen hatte, -so verwarf er auch diesen Gedanken. Nein, rief er, die Ehre verbietet -mir diese schmähliche Auskunft, die mich zu sehr erniedrigen würde. - -Sonderbar, daß in der Verzweiflung und tiefsten Selbstverachtung die -Menschen noch von diesem Phantom regiert werden können, das nur -Wesenheit erhält, wenn der Edle, Tugendhafte sich von Rücksichten lenken -läßt, um die gute Meinung seiner Zeitgenossen, sei es auch im -Vorurtheil, zu erhalten. Der Lügner will aber oft mit den -abscheulichsten Lügen die Erde lieber verlassen, als durch eine Handlung -der Tugend, seine erste vielleicht, indem er die Wahrheit bekennt, vor -der Menge beschämt werden. Diese Ehre hielt ihn von dem edlen, -mitleidigen Manne zurück, und stellte sich zwischen ihn und diesen wie -eine Mauer. - -Denn mit den besten Gesinnungen für den Unglücklichen langte der alte -Seebach an. Er kannte zwar Sangerheims Verbindungen nicht, und wußte -eben so wenig, wie diese jetzt so ganz von ihm abgefallen waren, aber er -war der Ueberzeugung, daß Sangerheim sein Versprechen nicht halten -könne, und er war darauf gefaßt, die große Summe schwinden zu lassen, -ohne ihm seine Schriften zurückzuhalten, oder ihn öffentlich zu -beschimpfen, wozu der Magier ihm ein Recht gegeben hatte, wenn er seinem -Worte untreu würde. Wie erstaunte daher der Rath, als ihm Sangerheim mit -großem Vertrauen und fester Sicherheit entgegentrat, und auf übermorgen -mit leichtem Sinn die Auslösung der Schriften verhieß. Er war selbst -heiter, obgleich er mit Schmerz von dem Tode seiner geliebten Gattin -sprach. Dies Betragen war so, daß der Rath selbst wieder unsicher wurde, -und dem schönen großen Manne gegenüber sich im Stillen Vorwürfe machte, -daß er ihm so sehr Unrecht gethan habe. - -Der Tag ging hin unter Besuchen und Zerstreuungen. Der Arzt Huber, -dieser fanatische Anhänger Sangerheims, erzählte viel von seinen -Hoffnungen, deren Erfüllung er in kurzer Zeit zu erleben gedachte. - -Am andern Morgen machte der Rath mit dem Arzte, Sangerheim, Ferner und -noch einigen Vertrauten einen Spaziergang. Als sie die Stadt im Rücken -hatten, entspann sich in der Kühlung des schönen Morgens ein sonderbares -Gespräch. Sangerheim sprach von der Flüchtigkeit des Lebens, das, gegen -die unerschöpflichen Tiefen der Kunst und Wissenschaft gehalten, viel zu -kurz sei. - -Sie gingen einem Bach vorüber. Alle diese Wellen, sagte Sangerheim, -gelangen in den Ocean, der dadurch nicht voller wird. Ist es nicht eben -so mit unsern Seelen? Der Tod entführt sie -- wohin? Zu Gott, der keinen -Mangel kennt, und durch sie nicht größer wird. - -In der Einsamkeit sagte er endlich: Nur zu sehr hatte jener Feliciano -Recht, daß ich schwere Kämpfe mit den Geistern, die nur ungern -gehorchen, würde zu bestehn haben. Sie wollen es nicht dulden, daß ein -Sterblicher so große Gewalt über sie erringe. In jeder Minute muß ich -wachsam seyn. Verabsäume ich gewisse Gebete, könnte ich diese oder jene -unerläßlichen Vorkehrungen vergessen, so wäre mein Leben Augenblicks in -Gefahr. Von wie vielen ausgezeichneten Männern, die das Reich der -Geister sich unterwürfig gemacht, wissen wir es nicht, daß sie eines -unnatürlichen oder gewaltsamen Todes gestorben sind. Oft war es auch die -Veranstaltung dieser rebellischen Geister, daß die weltliche Macht sich -eines dieser Männer als eines solchen bemächtigte, der mit der Hölle im -Bunde stehe, und ihn nach dieser falschen Beschuldigung auf den -Scheiterhaufen setzte. - -Hin und her wurde über diese Behauptung gestritten. Plötzlich rief -Sangerheim: Still! meine Freunde. -- Er blieb stehn, als wenn er auf -Etwas horchte, dann nickte er, schüttelte mit dem Kopfe, murmelte einige -Worte, und machte wieder die Geberde, als wenn er gespannt einer Rede -zuhöre. Nach einer Weile sagte er: Warten Sie hier einen Augenblick. -Wovon ich eben sprach, hat leider stattgefunden. Eine Kleinigkeit habe -ich heute beim Aufstehn unterlassen, das Zeichen vor meinem Bette und an -der Thür meines Schlafzimmers ist nicht in rechter Weise aufgelöset -worden, nun jagen mir die Ungestümen nach und wagen es, zu drohen. -Warten Sie hier einen Augenblick, dort in der Einsamkeit werde ich sie -schon zu zwingen wissen, sie sollen zitternd ihren Meister erkennen, und -mir nicht zum zweiten Male drohen. - -Er entfernte sich mit triumphirender Miene und in stolzer Zuversicht. -Als er hinter den Gebüschen verschwunden war, hörte man Zank und Streit -von vielen verschiedenen Stimmen, und Sangerheims donnernden Ton -abwechselnd dazwischen, dann einen Knall, wie einen Schuß. Hierauf -Stille. - -Alle sahen sich erwartend an. Der Rath ging ahndungsvoll zuerst nach dem -Platz. Der Unglückliche lag todt am Boden, das Pistol neben ihm. - -Die Geister haben ihn ermordet! schrie der Arzt heftig: o die Elenden, -Schändlichen! O Liebster, so bist Du denn doch das Opfer Deines -Enthusiasmus, Deines brennenden Eifers für die Wissenschaft geworden! - -Der Rath sagte kein Wort; jedes schien ihm überflüssig. -- Man machte in -der Stadt eine Anzeige von diesem Vorfall, und am folgenden Tage ward -der Leichnam beerdigt. - -Seltsam genug, daß manche der aufgeklärten Freimaurer, die von diesem -Sangerheim so schlimm waren verfolgt worden, jetzt auch die Meinung -aussprachen, er sei von seinen Geistern, die aber bösartige wären, zur -Strafe aller seiner Frevel vernichtet worden. -- - -Am andern Tage versammelte der geheime Rath die vertrautesten Freunde -des Abgeschiedenen in seiner Wohnung. Man lösete langsam und bedächtig -die Siegel des geheimnißreichen Paketes, eine Scheide nach der andern, -und wickelte einen Umschlag aus dem andern. Jener Knall, der schon -einmal den Rath erschreckt hatte, ließ sich wieder hören. Keiner von -Allen war in solcher Spannung, als der Arzt Huber. Endlich war Nichts -mehr aufzuknüpfen und kein Petschaft mehr aufzubrechen, und offen lag -vor Aller Augen der Inhalt. -- Eine alte französische Grammatik, drei -alte Kalender, viel Makulatur. - -Die Erbschaft eines Wunderthäters, sagte der Rath kalt. Erst jetzt -verachtete er den Magier völlig. Nein! rief Huber in großem Eifer; die -boshaften Geister haben auch seine wichtigen Geheimnisse scheinbar -verwandelt, um unser Aller Augen auf eine Zeitlang zu blenden. Wenn wir -uns nicht thören lassen, so müssen bald die ächten Skripturen an die -Stelle dieser Makulatur zurückkehren. Und so bemächtige ich mich, im -Namen der Kunst, dieser unscheinbaren Papiere, um sie vom Untergange zu -retten. Kann auch seyn, daß im Bande, zwischen den Blättern, oder in -Punkten und unterstrichenen Buchstaben das Mysterium niedergelegt ist. -Ich werde wenigstens Tag und Nacht studiren. - -Man ließ ihn gewähren und würdigte ihn keiner Antwort. -- - - * * * * * - -Das Schicksal Sangerheims war beschlossen, und die meisten seiner -ehemaligen Bewunderer gaben ihre Bestrebungen auf, retteten Geld und -Zeit und kehrten zu besseren Beschäftigungen zurück. Nur Huber saß -unermüdet bei seinen Makulaturen, den alten Kalendern und seiner -französischen Grammatik, suchte und rechnete, und glaubte, nachdem er -lange studirt hatte, auch viel Wichtiges gefunden zu haben. - -Schmaling und Clara waren verheirathet. Ihr Glück ward durch gute und -gesunde Kinder erhöht und man konnte die Familie des Rathes eine -glückliche nennen, wenn nicht Anton in ihr gefehlt hätte, von dem man -seit Jahren gar keine Nachricht hatte. Auch Feliciano, nachdem er lange -an verschiedenen Orten in Europa mit mehr oder minder Glück seine Rolle -gespielt hatte, war endlich, da Keiner mehr, auch der erst Verblendete -nicht, an seinem Betruge zweifelte, nach manchen Abentheuern -untergegangen. - -Die Gattin des Rathes pflegte ihre Enkel, und Clara, die jetzt Nichts -mehr zu bekämpfen hatte, durfte mit Sicherheit ihren Charakter, so wie -die Anlagen ihres Geistes ausbilden. Sie fürchtete nun nicht mehr die -Bilder der Phantasie, die poetischen Mährchen, oder das Geheimnißvolle -in dieser oder jener Dichtung, weil es ihr nicht mehr feindlich -gegenüber stand, und sie über den Charakter ihres liebenswürdigen Gatten -beruhigt war. Dieser, einmal enttäuscht, fühlte niemals die Versuchung -wieder, sich in jenes Labyrinth zu begeben, dessen Irrgänge er hatte -kennen lernen, und denen er so glücklich entflohen war. - -So waren im ruhigen Glücke mehr als zwölf Jahre verflossen, als sich an -einem Morgen früh beim geheimen Rathe ein Fremder anmelden ließ, der -darauf bestand, den Herrn selbst zu sprechen, und sich vom Diener nicht -wollte abweisen lassen. Die Thüre des Arbeitszimmers ward ihm endlich -geöffnet, und es trat ein Mann von mittlerem Alter hinein, verwildert, -ohne Haltung und Betragen, der, als ihn der Rath fragte, was er begehre, -nur kurz antwortete: Und Sie kennen mich wirklich nicht mehr? Eine -Ahndung ergriff den Vater: Sie sind doch nicht -- Du bist doch nicht -Anton? -- Er schwankte und der unkenntlich gewordene Sohn fing ihn in -seinen Armen auf. Sie umfingen sich zärtlich und gerührt, dann setzten -sich Beide, um sich von ihrer Erschütterung zu erholen. - -Bist Du wieder da? fing der Vater nach einer Weile an; aber es ist Dir, -wie es scheint, nicht gut ergangen. - -Ja, lieber Vater, sagte Anton, Ihr Kind, wenn Sie es noch dafür erkennen -wollen, tritt fast wie der verlorne Sohn in sein väterliches Haus wieder -ein. Mein Schicksal ist ein elendes, mein Leben ein verlornes. Wenn Sie -mich verstoßen, so bin ich aller Schmach wieder dahin gegeben, dem -kläglichsten Jammer, dem ich freilich gern entfliehn möchte. - -Wenn ich Dich Sohn, Anton nenne, sagte der Vater, so heißt das, daß Du -mir eben das seyn wirst, was Du mir ehemals warst. Du hattest Dich -verblenden lassen, und ich wenigstens kann Dir kein strenger Richter -seyn. - -Wohl war ich verblendet, erwiederte Anton, und wie sehr! so, daß ich -noch jetzt immer vor diesem Zustande meiner Seele zurück schaudre. Das -gemeinste Kunststück, die elendeste Kundschafterei hatte damals den -Charlatan in den Besitz meines Geheimnisses gesetzt, das ich vor Ihnen -und vor allen meinen Freunden sorgsam verborgen hielt. Ich gestand mir -meine eigne Schlechtigkeit nicht, und hoffte, thöricht genug, Alles -solle sich wieder zurecht finden und ohne Spur vorüber gehn. Denn der -Gedanke war mir fürchterlich, Ihnen oder gar meiner Mutter eine solche -Schwiegertochter vorzuführen, in der Stadt alle meine Verbindungen zu -zerstören, und durch diese auffallende That mir selbst jeden Vorschritt -im bürgerlichen Leben unmöglich zu machen. Wie jener Feliciano nun mein -Gemüth so durch eine plötzliche Erschütterung, durch ein scheinbares -Wunder in seine Gewalt bekommen hatte, war ich ihm unbedingt und -leibeigen angehörig. Er war mir kein Sterblicher mehr, und dieselben -Künste und Studien, die ich noch kürzlich verlacht hatte, schienen mir -jetzt die einzigen würdigen. Ich wollte mein Leben an ihre Erforschung -setzen. Auch bildete ich mir ein, der Lieblingsschüler meines großen -Meisters zu seyn, der mich verachtete, weil mein hartes einfaches Wesen -für seine Absichten unbrauchbar erschien. -- Welche Gaukeleien er hier -trieb, wie sich selbst meine verständige Mutter eine Zeitlang von ihm -bethören ließ, von allen diesen Dingen sind Sie selbst Zeuge gewesen. -Aber wie wundersam vielgestaltig ist die menschliche Natur. So -unbegreiflich, und doch wieder so verständlich. Meine Gattin, dieses -schlichte Bauernmädchen, dieses ehrliche Wesen, dem früher meine Liebe -das Höchste, ja das einzige Gut des Lebens gewesen war, ward bald ein -Liebling meines großen Lehrers. Er behauptete, sie sei von der Natur -ganz eigen begabt, um der wichtigsten Geheimnisse theilhaftig zu werden, -sie würde in den weiblichen Logen bald die höchsten Grade ersteigen, und -dann ebenso wie seine eigne Gattin, das Mysterium finden, Jahrhunderte -zu überleben, und mit Geistern und Abgeschiedenen Gemeinschaft zu haben. -Ich glaubte Alles und erwartete von jeder Woche, dann von jedem Monat, -ebenfalls ein Eingeweihter zu werden. Mein Lehrer spielte indessen dort -im Norden eine wichtige Rolle und ein großes Spiel. Gold und Juwelen, -die größten Summen, schienen ihm, wie er damit umging, nur Tand. Was -verhieß er mir, welche Aussichten eröffnete er meinen trunkenen -Hoffnungen. Aber auch Opfer begehrte er von mir. Um mich zur Weihe -vorzubereiten, mußte ich die Gesellschaft meiner Gattin vermeiden, -fasten, jede weltliche Lust und Zerstreuung fliehen. Meine Frau, die mir -schon im Wissen vorgeschritten war, drang jetzt darauf, damit sie kein -Hinderniß mehr fände, sich mit den Geistern in Verbindung zu setzen und -selbst eine Unsterbliche zu werden, ich sollte einwilligen, daß wir -durch die Gerichte förmlich wieder getrennt und geschieden würden. Man -hatte meine Phantasie so erhitzt, ich erwartete selbst so wundersame -Dinge zu erfahren, sie strebte so eifrig nach dem höchsten Grade, daß -ich mich endlich überreden ließ, ja daß ich endlich die Nothwendigkeit -dieser Scheidung selber einsahe. Bald darauf war sie verschwunden. Der -Meister erklärte sich nicht, sondern sprach nur in geheimnißvollen -Winken, und gab zu verstehen, daß sie in diesen Augenblicken eines -großen Glückes genösse. Meine Einweihung zu den höheren Graden lehrte -mich aber nichts Neues, und ohnerachtet meiner blinden Ergebenheit und -meines Aberglaubens fing ich doch an, ungeduldig zu werden. Man -beschwichtigte mich wieder. Eine Thorheit löste die andere ab und so -verging die Zeit. - -Wir mußten uns endlich schnell entfernen, und unsere Abreise glich fast -einer Flucht. Der Magier sagte mir zwar, daß große Begebenheiten und -Operationen, die sich nicht länger aufschieben ließen, ihn nach einem -fernen Lande riefen, indessen sah ich doch die Angst des Meisters, ich -bemerkte, wie seine wichtigsten Anhänger sich von ihm entfernten, und -die Binde fiel allgemach von meinen Augen nieder. Da ich aufmerksam -geworden war und ihn nicht mehr so, wie bisher fürchtete, konnte ich ihn -auch beobachten. Auf unsrer übereilten Reise gab er mir Bücher und -Papiere, auch viele offene Briefe, die, wie er mir sagte, keinen Werth -hätten, und die ich gelegentlich verbrennen könne. Für mich waren diese -aber sehr bedeutend, denn da ich, indem ich vorangeschickt wurde, um -sein Quartier zu machen, nur einen flüchtigen Blick in einige Blätter -gethan, sah ich wohl, daß der Weiseste der Menschen in Angst und -Uebereilung einen dummen Streich gemacht hatte. Er dachte nicht daran, -die Sachen zu vernichten, und Zeit mangelte ihm, sie anzusehn. Viele -Briefe enthielten die Geschichte meiner Frau. Sie war einem reichen -Fürsten geradezu verkauft worden. Sie hatte um die ganze Verhandlung -gewußt und sich mit der größten Feinheit und List betragen, und zwar so -sehr, daß sie den bethörten Fürsten vermocht hatte, sie zu seiner -Gemahlin zu erheben. Dieser aber, so wie sie, hatten dem Magier dafür, -daß er mich zur Scheidung bewogen und daß er den Fürsten ebenfalls -verblendet hatte, große Summen zahlen müssen. So war sie denn, was die -Welt so nennt, glücklich geworden. Gegen mich hatte sie sich schlecht -betragen, indessen verzieh ich ihr, da ich früher gegen sie nicht besser -gewesen war, und ich empfand einen tiefen Schmerz und Reue, indem ich -die Veranlassung gewesen, daß ein schlichtes einfaches Wesen so die -Talente zu List und Betrug zur Verderbniß ihrer Seele entwickelt hatte. -Denn aus den Briefen ging hervor, daß sie und der Graf sich völlig -verstanden, daß sie mit ihm über die Einfalt der Menschen, vorzüglich -über die meinige, lachte. - -Als ich mit meinem großen Beschützer an Ort und Stelle gelangt war, -blieb ich noch eine Zeitlang in seiner Nähe, um seine Künste zu -beobachten, zu denen er mich oft gebrauchte. Ich lebte im Ueberfluß, -aber ich kam mir vor, als sei ich der Croupier eines falschen Spielers. - -Ich konnte es nicht länger ertragen. Ich schrieb ihm Alles, was ich von -ihm wußte und dachte, und verließ ihn. Und gut, daß ich es gethan, denn -sonst wäre ich mit in jene Prozesse verwickelt worden, die sich bald -gegen ihn erhoben. Ich war nun frei, aber auch Nichts als frei, das -heißt, der armseligste Sclave, der Tyrannei eines jeden Augenblicks -Preis gegeben, vom Mangel und den Bedürfnissen der Natur gemißhandelt. -Mich Ihnen zu nähern, zurückzukehren, verbot mir eine mächtige Scham, -wohl eine falsche, denn Nichts wird so sehr mißverstanden, als das Wort -und der Begriff Ehre. Bald war ich Schreiber, bald Aufseher in einem -Hause, einigemal Comödiant, auch versuchte ich mich als Schriftsteller. -Ich konnte mich nie ganz fallen lassen und zu jener naiven -Niederträchtigkeit hinunter steigen, die ich an andern meines Gelichters -wahrnahm. Endlich nun, an mir und allen Menschen verzweifelnd, thu' ich -den Schritt, den ich vor manchem Jahre hätte wagen sollen. - -Der Vater tröstete, beruhigte den Sohn. Er ließ ihm Kleider und Wäsche -holen, damit die Mutter nicht zu sehr erschreckt würde, wenn sie ihn in -dieser Gestalt wieder sehn sollte. Freude und Trauer war über seine -Rückkehr zugleich in der Familie, indessen fand man sich nach und nach -wieder zurecht und in einander und Anton zog auf das väterliche Gut -hinaus. Hier arbeitete er redlich mit dem Verwalter, lernte die -Landwirthschaft kennen und konnte nach einigen Jahren selber die -Bewirthschaftung desselben übernehmen. Er gewann die Liebe eines reichen -Fräuleins, mit der er als nützlicher Landmann glücklich lebte. - -Ferner hatte indessen von seinem verlorenen Sohne nie wieder Etwas -erfahren, so sehr er sich auch bemüht und nach allen Gegenden -geschrieben hatte. Er war verschollen und der Vater glaubte, er sei -gestorben. Der Gelehrte mußte in Familienangelegenheiten eine Reise nach -dem südlichen Deutschland unternehmen. In einer mäßigen Stadt zeigte ein -Italiener, ein Taschenspieler, seine Künste. Der Professor war sonst -kein Freund dieser Gaukeleien, indessen ist auch der strenge Mann in der -Fremde leichteren Sinnes, als zu Hause, und da man von dem jungen Mann -als einem wahren Wunderthäter sprach, der Dinge zeige, die selbst andre -Spieler nicht begreifen könnten, so ging Ferner mit einer Gesellschaft, -neugierig gemacht, nach dem Saale. Was der junge Künstler ausführte, war -in der That bewunderungswürdig, besonders durch die leichte Sicherheit, -mit der er das Schwierigste scherzend zu Stande brachte. Indem der -Professor die schönen leichtfertigen Hände des Spielers betrachtete, -fiel ihm ein kleines braunes Mal am rechten Zeigefinger auf, er ward -aufmerksamer, betrachtete das Gesicht und forschte in den Augen, und -glaubte endlich überzeugt seyn zu können, dieser Taschenspieler sei sein -verlorener Sohn. Sein Herz war bewegt, und er konnte an den vielen -wunderbaren Erscheinungen keinen Antheil mehr nehmen. - -Als das Schauspiel vorüber war, und sich die Zuschauer vergnügt und -befriedigt entfernten, blieb er, unbeobachtet, allein im Saale zurück. -Als dieser ganz leer war, redete er den fremden Künstler italienisch an, -um seine Frage vorzubereiten, dieser aber antwortete gleich deutsch, und -warf sich dem Vater in die Arme. - -Nach einigen Reden, in welchen der Vater die Verlornen Jahre des Sohnes -beklagte, sagte dieser: Liebster Vater, ich erkannte Sie sogleich, als -Sie in den Saal traten, und alsbald nahm ich mir auch vor, mich Ihnen zu -erkennen zu geben, ob ich gleich bis jetzt gezögert habe, an Sie zu -schreiben, und mich Ihnen wieder zu nähern. Schelten Sie mein Handwerk -nicht, denn es nährt seinen Mann. Sie sehn auch, daß ich mich Professor -schreibe. Zwar habe ich Ihren geehrten Namen nicht beibehalten wollen, -sondern spiegle dem Volke vor, ich sei ein Italiener. Glauben Sie nur, -was ich jetzt treibe, ist ehrsam und achtenswürdig gegen das, was ich -bei jenem berühmten Grafen spielen mußte. Es ist Gnade des Himmels, daß -ich kein Bösewicht geworden, und noch so mit einem blauen Auge davon -gekommen bin. In der Hinsicht habe ich bei meinem Wunderthäter meine -Zeit nicht ganz verloren, indem ich ihm sehr scharf auf die Hände gesehn -habe. Ich habe Vieles von ihm gelernt, und so zeige ich unschuldig für -Geld so Manches, was er zu schlimmen Absichten und Betrug gebrauchte. -Ich unterhalte die Menschen, er plünderte sie, indem er sie zugleich -wahnsinnig machte. -- Ich verspreche Ihnen, nie nach Ihrer Stadt zu -kommen, aber besuchen Sie mich, wenn ich einmal in Ihrer Nähe bin. -Schreiben wir uns, Liebster, damit wir in Verbindung bleiben. - -Diese Abrede wurde genommen und man führte sie aus. Der Vater war über -seinen Sohn beruhigt, und dieser gewann durch die Leichtigkeit seiner -Hand ein ziemliches Vermögen. -- - -In Seebachs Hause wäre Alles glücklich und heiter gewesen, wenn der -neunzigjährige Obrist nicht Clara, die Mutter und Schmaling neuerdings -geängstigt hätte. Gegen ihn, der schwach wurde, ließ sich der Rath am -meisten gehn, und so war der Greis der Vertraute von so manchem kleinen -Geheimniß, das den Uebrigen verschwiegen wurde. Diesen erzählte der -Obrist in vertrauten Stunden, daß sein Schwiegersohn sich wiederum in -eine Correspondenz eingelassen habe, die ihm gar nicht gefallen wolle. -Der Ton dieser Briefe sei sehr fromm und mysteriös: Anfangs habe der -Rath Alles von sich gewiesen, dann habe er nach und nach Interesse -gefaßt, sei gläubiger geworden, und hoffe nun doch noch von ehrbaren -Männern, die sich ihm in jedem Briefe näherten und bestimmter -bezeichneten, etwas Großes zu erfahren. Und so ist es merkwürdig, schloß -der Alte seinen Bericht, daß eine bestimmte Leidenschaft zwar schlafen, -aber bei den meisten Menschen nie ganz vertilgt werden kann. - -Diese Briefe kamen aus dem südlichen Deutschland und sprachen von -Geheimnissen, die nicht entweiht werden dürften, die sich aber doch wohl -allgemach geprüften Männern mittheilen ließen. Der Rath war unvermerkt -in eine gläubige Stimmung gekommen, und war in seinen Antworten auf -Manches näher eingegangen, was jene Unbekannten erwähnten. So hatte er -sein Abentheuer mit Sangerheim und seine Beobachtungen und Erfahrungen -über ihn mitgetheilt, auch alle seine Zweifel und was ihm dunkel -geblieben. Auf diese Punkte antwortete der neueste Brief. - - Geliebter Bruder in dem Herrn! - -Was Sie uns von jenem verlorenen Bruder Sangerheim melden, war uns nicht -neu. Allerdings stand der Unglückliche mit uns in Verbindung, ihm wurde, -als einem hoffnungsvollen Lehrlinge, Einiges mitgetheilt. Als er von uns -schied, bemächtigten sich andre Menschen seiner, die in weltlichen -Planen handthieren und das himmlische Kleinod entweihen. Er verrieth uns -diesen, so viel er es vermochte, und hat sich so selbst sein tragisches -Schicksal bereitet, da er der Lüge und dem Betruge anheim gefallen war. -Auch jene Weltlichen sahen seinen Sturz gern und entzogen sich ihm, weil -sie fürchten mußten, daß er sie ebenfalls verrathen könne. Kommen wir -uns näher, so wird Ihnen, Geehrter, Nichts dunkel bleiben und größere -Dinge werden sich Ihnen erschließen. Zwar sind Sie nicht für unsre -Kirche, aber doch nicht unbedingt gegen sie, und wir gehn Ihnen mit dem -größten Vertrauen entgegen. Kommt Jemand zu Ihnen, der Ihnen das Wort -Emanuel sendet, so nehmen Sie ihn auf, als von uns. Er wird das erste -Kleinod Ihren treuen Händen übergeben. -- - -Der Rath war in großer Spannung. Nach zehn Tagen etwa trat der Diener -ein und meldete, ein sonderbarer Fremder stehe draußen und sage, er möge -nur Emanuel sprechen. Der Rath ließ den alten Mann ein, der feierlich -die Thür verschloß und dann ein seltsames Gespräch begann. Der Rath -fühlte sich erbaut und gestärkt, in diesen Gesichtspunkt waren ihm -manche Gedanken von Wunderfähigkeit, Glauben und einer einzigen -herrschenden Kirche noch niemals gerückt worden. Beim Abschied nahm der -Fremde ein Paket aus dem Busen, küßte es mit Salbung und überreichte es -demüthig und feierlich dem Rathe, indem er sagte: Geliebter Bruder, -dieses ist das erste Pfand der hohen, den gewöhnlichen Menschen -unsichtbaren Gesellschaft. Achten Sie noch die Siegel und erbrechen Sie -sie nur in geweihter Stunde nach Mitternacht. Doch thun Sie gut, sich -durch Gebet vorzubereiten. Zwar wird Ihnen das Geheimniß des Kleinodes -noch unverständlich seyn, aber schon die bloße Gegenwart desselben -schützt Sie. Die Erklärung selbst wird in vier Wochen folgen. Aber: -Finger auf den Mund. Wir zeigen mindestens, wie wir Sie ehren, wie groß -wir von Ihnen denken. - -Eine feierliche Umarmung beschloß das seltsame Gespräch. Geheimnißvoll -entfernte sich der Unbekannte, und der Rath mußte sich gestehn, daß noch -niemals ein Mensch einen solchen Eindruck auf ihn gemacht habe. Seine -Umgebung bemerkte seine wunderbare Stimmung, aber er schwieg gegen Alle, -auch gegen den Obristen. Clara fürchtete eine Krankheit, aber der -rauhere Soldat, der seither so Manches mit dem Schwiegersohn -durchgesprochen hatte, sagte: Dieser Mann ist einer der verständigsten, -und Ihr werdet sehn, sie übertölpeln ihn doch, den Einen fangen sie auf -die, den Zweiten auf eine andre Weise. - -Am Abend schloß sich der Rath ein und entfernte alle Diener. Seine -Stimmung war erhoben. Er betete und las in Andachtsbüchern. Er nahm das -Evangelium und erschien sich so verjüngt, so jugendlich glaubend, so -fromm und lauter, daß er die Thränen der Rührung nicht unterdrücken -konnte und wollte. Endlich schlug es Mitternacht, und er eröffnete -behutsam und zitternd die Siegel, ohne die geheimnißvollen Zeichen zu -zerbrechen. Als er den innern Umschlag geöffnet hatte, fiel ihm in die -Augen -- -- jene abgeschmackte Figur mit dem vielfältigen ^Abracadabra^, -die er damals an abergläubische Brüder nach der nahen Residenz gesendet -hatte. Er lachte laut auf, und wurde plötzlich ernst, denn er bedachte, -wie in jenem Lande dort der als Monarch herrsche, der damals nur -nächster Erbe gewesen war, und welche Thorheiten dort in der Nähe des -Thrones getrieben wurden. - -Er rief seine Familie zusammen, die noch, um ihn besorgt, wachte. Er -erzählte Alles, las einige Briefe, auch den letzten, und zeigte dann das -magische, von damals dem Schwiegervater noch wohlbekannte Blatt. - -Nun endlich, schloß er, habe ich Alles, was mich immer stört, von mir -abgeschüttelt. O wie leicht ist mir, ihr Geliebten, daß ich nun noch -einmal mit euch den fröhlichen Entschluß fassen, das vielsinnige Wort -mit euch ausrufen kann: laßt uns, da es uns vergönnt ist, vernünftig -seyn! -- - -Auf Emanuel durften nun die Bedienten nicht wieder achten, und jetzt -erst hatten alle Mitglieder der Familie diese Krankheit der Wundersucht -überwunden. - - - - - Pietro von Abano - oder - Petrus Apone. - Eine Zaubergeschichte. - 1838. - - -Die untergehende Sonne warf schon ihre rothen Strahlen an die Thürme, -und über die Häuser von Padua, als ein junger Fremder, der eben -angekommen war, durch ein Volksgewühl, ein Eilen, ein Rennen aufmerksam -gemacht, und auf seinem Wege von der Menge mit fortgerissen wurde. Er -fragte ein junges Mädchen, welches ihm ebenfalls schnell vorüber ging, -was denn alle diese Menschen in so ungewohnte Bewegung setze. Wißt Ihr -es denn nicht? antwortete diese, die schöne Crescentia, das junge Kind, -wird jetzt beerdigt; alle wollen sie noch einmal sehn, da sie immer für -die anmuthigste Jungfrau in der ganzen Stadt gegolten hat. Die Eltern -sind trostlos. Die letzten Worte rief sie schon aus der Entfernung -zurück. - -Der Fremde beugte um den finstern Palast in die große Straße hinein, und -ihm tönte schon Leichengesang, ihm wehte der Schein der blaßrothen -Fackeln entgegen. Als er näher kam, sah er, nachdem das Gedränge des -Volkes ihn vorgeschoben hatte, ein Gerüst, mit schwarzem Tuche verdeckt. -Um dieses waren Sitze, ebenfalls schwarz, erhöht, auf welchem die -traurenden Eltern und Verwandten saßen, alle im finsteren Ernst, einige -Gesichter mit dem Ausdruck der Trostlosigkeit. Jetzt bewegten sich -Figuren aus der Thür des Hauses, Priester und schwarze Gestalten trugen -einen offenen Sarg, aus welchem Blumenkränze und grüne Gewinde -niederhingen. Zwischen den blühenden bunten Pflanzen lag auf Kissen die -weibliche Gestalt, blaß, im weißen Kleide, die zarten lieblichen Hände -gefaltet, die ein Crucifix hielten, die Augen geschlossen, dunkle -schwarze Ringellocken voll und schwer um das Haupt, auf welchem ein -Kranz von Rosen, Cypressen und Myrthen prangte. Man stellte den Sarg mit -seiner schönen Leiche auf das Gerüst, die Priester warfen sich zum Beten -nieder, die Eltern erhuben sich wie verzweifelnd, noch klagender -ertönten die Hymnen, und alles umher, die Fremden selbst, schluchzten -und weinten. Der Reisende glaubte noch nie ein so schönes weibliches -Wesen gesehn zu haben, als diese Leiche, die so wehmüthig an die -Vergänglichkeit und den nichtigen Reiz des Lebens erinnerte. - -Jetzt ertönte das feierliche Geläute der Glocken, und die Träger wollten -eben den Sarg erheben, um die Leiche in das gewölbte Grab der großen -Kirche zu tragen, als ein lauter tobender Jubelruf, schallendes -Gelächter und das Geschrei einer ausgelassenen Freude, die Eltern, -Verwandten, Priester und Leidtragende störte und erschreckte. Alles sah -unwillig umher, und aus der andern Gasse schwärmte ein froher Zug junger -Leute heran, singend, jauchzend, ihrem ehrwürdigen Lehrer immer wieder -von neuem ein Lebehoch zurufend. Es waren die Studirenden der -Universität, die auf einem Sessel hoch auf den Schultern einen bejahrten -Mann von dem edelsten Ansehn trugen, der wie in einem Throne saß, mit -einem Purpurmantel bedeckt, das Haupt mit dem Doktorhute geschmückt, -unter welchem weiße Silberlocken hervor quollen, so wie ein weißer -langer Bart auf das schwarzsammtne Wamms majestätisch herabfloß. Ein -begleitender Narr mit Schellen und in bunter Tracht sprang umher, und -wollte schlagend und scherzend dem Zuge durch das Volk und die -Trauerleute Platz machen, doch auf einen Wink des ehrwürdigen Alten -senkten die Schüler die Trage, er stieg herab und näherte sich gerührt -und mit feierlichem Anstande den weinenden Eltern. Vergebt, sagte er -ernst und mit einer Thräne im Auge, daß dieses wilde Geschrei so eure -Leichenfeier stört, die mich innigst erschüttert und entsetzt. Ich komme -von meiner Reise endlich zurück, meine Schüler wollen meinen Einzug -durch ihre Freude verherrlichen, ich gebe ihren Bitten und Anstalten -nach, und finde nun, -- wie? eure Crescentia, das Musterbild aller -Holdseligkeit und Tugend, hier vor euch im Sarge? Umher diesen düstern -Prunk und jene Trauergestalten, um sie mit Thränen und Herzensweh zu -ihrer Ruhestelle zu geleiten? -- Er winkte seinen Begleitern und sprach -einige Worte. Alles war schon längst still und stumm geworden, und die -meisten entfernten sich jetzt, um die Leichenfeier nicht zu stören. Da -kam die Mutter zitternd näher und sank an der Gestalt des Alten nieder, -indem sie im krampfhaften Schmerze dessen Knie umschlang. Ach! warum -seid Ihr nicht zugegen gewesen? rief sie verzweifelnd; Eure Kunst, Euer -Wissen hätte sie gerettet. O Pietro! Pietro! Ihr, der Freund unsers -Hauses! habt Ihr denn so Euren Liebling, Euren Augapfel können untergehn -lassen? Kommt! Erweckt sie noch jetzt! Flößt ihr noch jetzt von den -Wunderessenzen ein, die Ihr zu bereiten wißt, und nehmt dafür zum Dank -alles, was wir besitzen, wenn sie nur wieder da ist, unter uns wandelt -und mit uns spricht! - -Laßt eure Verzweiflung nicht das Wort führen, antwortete Pietro: der -Herr hatte sie euch geliehen, er hat sie euch wieder abgefordert; der -Mensch vermesse sich nie, in den Arm seines weisen Rathschlusses zu -greifen. Wer sind wir, daß wir gegen ihn murren sollten? Will der Sohn -des Staubes, der im Winde verweht, mit seinem schwachen Athem gegen die -ewigen Beschlüsse zürnen? Nein, meine Geliebten, fühlt als Eltern und -Freunde ganz euren Schmerz: er soll unserm Herzen so einheimisch wie -Lust und Freude seyn, auch er wird von dem Vater zu uns gesendet, der -jede unsrer Thränen sieht, der wohl unsre Herzen kennt und prüft, und -weiß, was der schwache Mensch ertragen kann. So traget denn dieses große -übermächtige Leid um seinetwillen, aus Liebe zu ihm, denn nur Liebe ist -es, was er euch auch auferlegen mag. Ist denn der Schmerz, das Herz in -seiner Zerknirschung, die Seele, die in Wehmuth zerrinnen will, sind sie -nicht ein heiliges göttliches Opfer, welches ihr in euren brennenden -Thränen der höchsten, der ewigen Liebe als euer Köstlichstes darbringt? -So rechnet es auch jener dort, der alle eure Seufzer und Thränen zählt. -Aber der böse Feind, der immer an unsrer Seite lauert, beneidet uns die -Heiligkeit dieser himmlischen Schmerzen, er ist es, der sie euch zur -Verzweiflung, zum Zorn gegen den Schöpfer der Liebe und des Leides -erhöhen will, damit ihr im Jammer nicht jener höchsten Liebe noch -inniger verbunden werdet, sondern in den Abgrund des Hasses untergeht. -Er, dieser Geist der Lüge, täuscht euch jetzt, und raunt euch boshaft -seine Fabeln zu, als wenn ihr sie auf ewig verloren hättet, die doch nur -in Geist und Seele und Liebe eins mit euch war, und euch nur als -Unsichtbare zugehörte. Er will, daß ihr es vergessen sollt, wie diese -schöne Hülle nur ihr Kleid war, dem Staube verwandt, zum Staube jetzt -wiederkehrend. Werft ihn zurück, diesen Lügengeist, daß er sich vor der -ewigen allmächtigen Wahrheit schämen muß, die ihr ihm entgegen haltet, -daß sie noch euer ist, noch neben, nah um euch, ja weit mehr, weit -inniger euer, als da euch diese Schranken des sterblichen Fleisches noch -trennten, und euch in der Liebe selbst einander entfremdeten. Alle euere -Erinnerung, Hoffnung, Schmerz und Lust ist sie von heute an; sie -leuchtet euch in jedem erfreulichen Lichte, sie tröstet euch in den -Blumen des Frühlings, sie küßt euch im zarten Hauch, der eure Wangen -rührt, und jedes Entzücken, das fortan in euren Herzen aufblüht, ist ihr -Herz und ihre Liebe zu euch, und dieses Entzücken, und diese ewige, -unsterbliche Liebe sind eins mit Gott. So tragt sie denn zu ihrer -Ruhestelle, und folgt ihr in stiller, gottergebner Demuth, damit durch -euch nicht ihr Geist im Aufenthalt des ewigen Friedens gestört und -geängstigt werde. - -Alle schienen mehr beruhigt, der Vater reichte ihm stumm die Hand mit -dem Ausdruck der Herzlichkeit und des gefühlten Trostes. Man ordnete -sich, der Zug setzte sich in Bewegung, die Verlarvten, die -Brüderschaften, die es sich zur Pflicht machen, die Leichen zu -begleiten, reihten sich in ihren weißen Gewändern, und mit verdecktem -Antlitz, von welchem nur die Augen sichtbar waren. Stumm bewegte sich -der Zug fort, sie hatten jetzt fast schon die Kirche erreicht, als ihnen -ein Reiter auf schäumendem Rosse entgegen sprengte. Was giebt es? schrie -der Jüngling. Er warf einen Blick in den Sarg, und mit einem Ausruf der -Verzweiflung wandte er das Roß, stürzte fort, und verlor in wilder Hast -den Hut, so daß ihm die langen Locken im Abendwinde nachflatterten. Er -war der Bräutigam, der zur Hochzeit kam. - -Die Finsterniß umgab das Trauergefolge und die stille Feier, indem die -schöne Leiche in das Gewölbe ihrer Familie hinabgesenkt wurde. - - * * * * * - -Als sich alle zerstreut hatten, wendete sich der junge Fremdling, der in -staunendem Schmerze dem Zuge gefolgt war, an einen alten Priester, der -allein am Grabe betend verweilte. Er brannte zu erfahren, wer jener -majestätische Greis sei, der ihm wie mit göttlichen Kräften und -überirdischer Weisheit begabt erschien. Als der Jüngling dem Geistlichen -die bescheidene Frage vortrug, stand dieser still, und sah ihm beim -Scheine eines Lichtes, das aus einem Fenster auf sie schien, scharf ins -Auge. Der Alte war eine kleine magere Gestalt, ein blasses schmales -Antlitz erhob das Feuer der Augen um so mehr, und die eingekniffenen -Lippen zitterten, als er ihm in heiserem Tone antwortete: Wie? Ihr kennt -ihn nicht? Unsern weltberühmten Petrus von Apone, oder Abano, von dem -man in Paris, London, dem deutschen Reiche und ganz Italien spricht? -Kennt nicht den größten Weltweisen und Arzt, den Astronomen und -Astrologen, von dem zu lernen und ihn zu schauen die wilde Jugend aus -dem fernen Polenlande hieher schwärmt? - -Der junge Spanier, Alfons, war im entzückten Erstaunen einen Schritt -zurück getreten, denn der Ruhm dieses großen Lehrers hatte auch ihn von -Barcelona über die See getrieben. Also er war es, er war es selbst? rief -er begeistert aus: darum war auch mein Herz so tief bewegt. Mein Geist -erkannte den seinigen. O edler, frommer Mann, wie lieb' ich Euch darum, -daß Ihr ihn nicht minder verehrt, wie alle Edlen und Guten der -christlichen Welt. - -Wollt wohl auch unter ihm studiren? fragte der Priester im grimmigen -Ton. - -Gewiß, antwortete jener, wenn er mich würdiget, sich meiner anzunehmen. - -Der Alte stand still, legte seine Hand auf die Schulter des Jünglings -und sagte dann milder: Lieber junger Freund, noch ist es Zeit, hört noch -meine väterliche Warnung, bevor es zu spät ist. Täuscht Euch nicht -selbst, wie es so Viele, Unzählige schon gethan haben, seid auf Eurer -Hut und wahret Eurer Seele. Seid Ihr denn Eurer Ruhe und künftigen -Seligkeit schon im voraus überdrüssig, wollt Ihr dem Heiland seine Liebe -damit vergelten, daß Ihr ihm abtrünnig werdet, ihn leugnet, und als ein -Rebell die Waffen gegen ihn schwingt? - -Ich verstehe Euch nicht, alter Mann, erwiederte Alfonso: habt Ihr nicht -selbst gesehn und gehört, wie fromm, wie christlich, mit welcher -eindringlichen Majestät der Herrliche sprach, und den verirrten Schmerz -der Liebe durch himmlischen Trost wieder in seine rechte Bahn lenkte? - -Was vermag, was kann der nicht alles! dieser Künstler und Zauberer! rief -der alte Priester bewegt aus. - -Zauberer? fragte Alfonso. Ihr wollt also auch den Wahn des Pöbels -theilen, der die Wissenschaft hoher Geister nicht zu würdigen weiß und -lieber das Abgeschmackte glauben, als die eigne Seele an der Erhabenheit -des Mitbruders stärken will? - -Fahrt nur so fort, sagte der Priester erzürnt, so habt Ihr kaum nöthig, -in seine weltberühmte Schule zu treten. Es ist augenscheinlich, sein -Zauber hat Euch schon umstrickt, so wie er jedes Herz bezwingt, das nur -in seiner Nähe schlägt. Ja wohl, der Heide, hat er heut wie ein Priester -gesprochen und geweissagt, und seiner Lüge auch einmal diese Farbe -angestrichen. So regiert er auch das Haus des Podesta's. Die arme -Crescentia konnte kaum in ihren letzten Stunden den Rückweg zur heiligen -Kirche wieder finden, so war ihre Seele in den Irrlehren befangen, die -der böse Heuchler wie giftige Netze um den jungen Geist geworfen hatte. -Jetzt ist sie ihm entronnen, der Herr hat sie zu sich gerufen, und -sandte diese Krankheit, um ihre Seele mit dem Verluste des Leibes zu -retten. - -Die Sprechenden waren auf den großen Platz gekommen. Der Jüngling war -empört und sagte jetzt, um seinem Gefühle Luft zu machen: wozu nur, -geistlicher Herr, diesen grimmigen Neid? Seht ihr denn, erkennt ihr es -denn nicht, wie die Welt nur um so mehr von euch abfällt, um so mehr ihr -mit Bann und Fluch und Verfolgung den neuen Geist ersticken wollt? den -Geist der ewigen Wahrheit, der jetzt alle Landschaften erregt? Der nicht -wieder, trotz eurer Künste, untertauchen wird, um gläubig euren Legenden -zu horchen. - -Wohl, sagte der Alte im hohen Zorne; haben wir doch jetzt Averroes statt -Christus, und Aristoteles statt des Allmächtigen, und diesen Euren -Pietro, diesen Ischarioth, statt des Geistes! Nicht wahr, der Erdgeist -hat ihn groß und schlank auferbaut, und ihm ein feuriges Auge, edle -Stirn, schönen Mund der Ueberredung, und majestätische Geberden -geliehen, um zu gaukeln und zu täuschen: indeß ich, der unwürdige Diener -des Herrn, hier krank, schwach und unansehnlich wandle, und nur mein -Bekenntniß, meinen Glauben habe, um darzuthun, daß ich ein Christ sei. -Ich kann nicht so in die Tiefen glänzender Weisheit hinabsteigen, nicht -den Lauf der Sterne berechnen, Glück und Unglück vorhersagen, ich werde -von den Ueberklugen geschmäht und verachtet, aber ich trage es demüthig, -ihm zu Liebe, der mir alles auferlegt hat. Doch erwartet das Ende, und -seht, ob ihn seine sieben Geister, die er im Zauberbanne hält, erretten -können, ob ihm sein Famulus, das Höllengebild, dann zur Hülfe seyn wird. - -War sein Famulus zugegen? fragte Alfonso neugierig. - -Habt Ihr das Gespenst nicht bemerkt, antwortete der Mönch, das sich als -Narr ausstaffirt hatte? die Mißgeburt mit dem Höcker, den verdrehten -Händen und Armen, den krummen Beinen, den schielenden Augen und der -ungeheuren Nase in dem Fratzengesicht? - -Ich hielt alles dies für Maske. - -Nein, dieser, erwiederte der Alte, braucht sich nicht zu verlarven. So -wie er da ist, ist er Larve und Gespenst, ein Geist der Hölle, dieser -Beresynth, wie sie ihn nennen. -- Wollt Ihr die Nacht in meinem Kloster -zubringen, junger Mensch, bis Ihr eine Wohnung gefunden habt? - -Nein, antwortete dieser sehr entschlossen, ich mag die Gastfreundschaft -dem Manne nicht schuldig seyn, der so den Herrlichen durch Verläumdung -schmäht, dessen Name mich schon im Vaterlande entzückt hat, der mir hier -als Vorbild wandeln und leuchten soll. Schlimm genug, daß ich -dergleichen von Euch habe anhören müssen, von einem Manne, dessen Stand -und Alter mir verbeut, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehn. Soll der nur -fromm heißen, der die Wissenschaft verachtet, nur der ein Christ, der im -wachen Schlummer die Tage seines Lebens und die Kräfte seiner Seele -hinwegträumt, so trete ich aus dieser dumpfen Gemeinschaft. Aber dem ist -nicht so, und nicht der Mensch, der Christ oder Priester haben aus Euch -gesprochen, sondern nur die Zunft. Lebt wohl, wenn Ihr es mit diesen -Gesinnungen könnt. - -Sie trennten sich, beide verstimmt. - - * * * * * - -Der junge Florentiner, welcher in der Stadt dem Leichenzuge begegnet -war, sprengte wie rasend durch das Thor und rannte dann in ungemessener -Eil durch Feld und Wald. Als er sich im Freien sah, stieß er -Verwünschungen gegen Welt und Schicksal aus, raufte sein Haar, fluchte -seinen Sternen und seiner Jugend und eilte dann wie bewußtlos weiter. Er -spornte dem Winde entgegen, der sich nächtlicherweise aufmachte, als -wenn er die Glut seiner Wangen abkühlen wollte. Als es später ward, sank -das Roß, das schon oft gestolpert war und das er knirschend immer wieder -aufriß, ermattet nieder, und er war gezwungen, seinen Weg zu Fuß -fortzusetzen. Er wußte nicht, wo er war, noch weniger, wohin er wollte; -nur sein Elend stand mit unauslöschlichen Zügen vor ihm, die Nichtigkeit -der Welt, die Unbeständigkeit alles Glücks. Verruchter Wahnsinn des -Lebens! rief er verzweifelnd durch die Nacht; so, so grausam erweckst du -mich aus meinem Schlummer? Tödtlich muß ich dich hassen um deine -Gaukeleien, deinen Aberwitz, um alle jene unsinnigen Hoffnungen, die -unsre Jugend anlachen, so freundlich auf unserm Wege mit uns gehn, und -wenn sie uns in die Wüste geführt, grinsend und höhnend davon fliegen. -Leben! Was ist dieses thörichte Gespinnst, dieser alberne Traum eines -Fieberkranken? Ein matter Schauer folgt auf den andern, ein verrücktes -Gebild verjagt das andre, unsre Wünsche springen in der kahlen Einöde -umher, und erkennen sich selber nicht. O Tod, o Ruhe, o Nichtsein, komm -zu mir, laß dich umarmen, und löse dieses stürmende Herz. Könnt' ich nur -gleich meine letzten Minuten in Krämpfen verknirschen, daß die -Morgensonne meine Stätte nicht mehr fände, daß kein Gedanke in mir ihrem -neuen Strahl entgegen grüßte. Bin ich denn nicht das elendeste Geschöpf, -das athmet? Um so ärmer, wie ich nur vor wenigen Stunden mich das -glücklichste dünkte. Wehe der Jugend, wehe der Liebe, wehe dem Gefühl -des Herzens, die sich so leicht, so gröblich täuschen lassen. - -Ein Regen stöberte jetzt durch die kalte Luft, und bald wurden die -Tropfen größer und dichter. Der Jüngling wußte nicht, wohin er gerathen -war, der Wald lag schon fern hinter ihm, kein Obdach war in der Nähe. Er -fing an, seine Erinnerungen wieder zu sammeln, sein Schmerz ward milder, -Thränen flossen aus seinen Augen. Er haßte das Leben schon weniger, ihm -war, als wenn die Nacht selbst ihn trösten und seinen Kummer lindern -wollte. Ungewiß, ob er das gestürzte Roß wieder aufsuchen, ob er sich in -einem Graben vor dem Unwetter bergen sollte, sah er noch einmal um sich, -und entdeckte endlich, weit, weit hinab, hinter Thal und Busch ein -hüpfend Lichtlein, welches ihn wie ein freundliches Auge durch die dicke -Finsterniß zu sich winkte. Er eilte dem ungewissen Scheine nach, der -bald verschwand, bald wieder erglänzte. Alle seine Kräfte, seine Gefühle -waren wie in einem Schlummer gebunden, sein ganzes Dasein war wie in -einen Traum zergangen. - -Ein Sturm machte sich auf, und schwere, tiefhangende Gewitterwolken -wälzten sich langsam herbei. Schon kam er Bäumen näher, wie es ihm -dünkte, aber die Finsterniß machte es ihm unmöglich, irgend etwas zu -unterscheiden. Er stürzte in eine Grube, als ein Blitz ihn blendete und -ein lauter Donnerschlag betäubte; wie er sich wieder aufraffte, war das -Licht, welches ihn gelockt hatte, schon nahe. Er klopfte an das kleine -Fenster, welches sich hinter einigen Bäumen zeigte, und bat um Einlaß -gegen Sturm und Ungewitter. Eine laute heisere Stimme antwortete von -innen, doch vernahm der Jüngling kein Wort, denn Sturm und Gewitter und -Regen, das Rauschen der Bäume, alles tobte jetzt so heftig -durcheinander, daß jeder andre Laut erstarb. - -Die Thür des kleinen Hauses ging nach dem Garten, er mußte durch diesen -eilen, dann faßte ihn eine weibliche Hand, leitete ihn durch einen -finstern Gang, und eröffnete eine kleine Stube, aus welcher ihm der -Schein einer Lampe und das Feuer auf dem Heerde entgegen schimmerte. In -der Ecke saß bei der Lampe eine häßliche Alte und spann, das junge -Mädchen, das ihn hereingeführt hatte, machte sich am Heerde zu thun, und -lange konnte er vor dem ungewissen wankenden Schein die Gestalten nicht -näher prüfen, lange konnte kein Gespräch gangbar werden, weil das Getöse -des Donners alles übertäubte. - -Das ist ein grausames Unwetter, sagte in einer Pause die Alte mit -krächzender Stimme. Woher seid Ihr denn, junger Mensch? - -Ich komme von Padua, seit heut Abend. - -Weither, rief die Alte, liegt ja sechs Stunden von hier. Wo wollt Ihr -denn hin, da hier keine Landstraße geht? - -Weiß es nicht, mag es auch nicht wissen. Der Unglückliche ist nicht -fähig, einen Plan zu entwerfen, oder für die Zukunft zu sorgen. Wie wohl -würde mir seyn, wenn es für mich gar keine Zukunft gäbe. - -Sprecht irre, junger Mensch, und das muß nicht seyn. -- Ei! rief sie -aus, indem sie die Lampe erhob und ihn näher betrachtete, ja gar ein -Florentiner! Das Wamms und den Kragen habe ich lange nicht gesehn. Je -nun, das hat mir wohl auch was Gutes zu bedeuten. Hat mir das garstige -Gewitter also einen lieben Gast bescheert; denn wißt nur, mein junger -Herr, ich bin auch aus dem gesegneten Lande. Ja, Florenz! Ach, wer doch -einmal wieder auf deinen Boden treten und die theuren Berge und Gärten -wieder sehn könnte! Und Euer Name, lieber, junger Herr? - -Antonio Cavalcanti, sagte der Jüngling, der wegen der Landsmannschaft zu -der häßlichen Alten mehr Vertrauen faßte. - -O welcher Ton, rief sie wie begeistert aus: ja Cavalcanti, so einen habe -ich vor Jahren wohl auch gekannt, einen Guido. - -Der war mein Vater, rief Antonio. - -Und lebt nicht mehr? - -Nein, sagte der junge Mann, auch meine Mutter ist mir schon seit lange -entrissen. - -Weiß es, weiß es, liebes, schönes, junges Kind. Ja, ja, es werden jetzt -schon fünfzehn Jahre seyn, daß sie gestorben ist. Ach ja, sie mußte wohl -dazumal in der bösen Zeit den Geist aufgeben. Und Euer lieber, guter -Vater, dem habe ich es einzig zu verdanken, daß die Richter mich nicht -einige Jahre nachher auf den Scheiterhaufen setzten, sie hatten sich's -einmal in den Kopf genommen, ich sei eine Hexe, und da half kein -Widersprechen. Aber der Herr Guido kämpfte mich durch, mit Vernunft und -Drohung, mit Bitten und Zorn, und sie haben mich denn bloß aus dem -lieben Lande verbannt. Und nun bringt mir das Donnerwetter den Sohn -meines Wohlthäters in meine kleine, arme Hütte. Gebt mir doch auch die -Hand darauf, junges Blut. - -Antonio gab sie der Alten schaudernd, die er jetzt erst näher betrachten -konnte. Sie grinste ihn freundlich an, und zeigte zwei schwarze, lange -Zähne, die einen widerwärtigen Mund noch häßlicher machten, die Augen -waren klein und scharf, die Stirn gefurcht, das Kinn lang, sie streckte -zwei dürre Arme nach ihm aus, und als er sie wider Willen umfassen -mußte, fühlte er den Höcker, der die Häßlichkeit noch abscheulicher -machte. Nicht wahr? sagte sie mit erzwungenem Lachen, ich bin nicht -sonderlich hübsch, war es auch in meiner Jugend nicht. Es ist mit der -Schönheit etwas Besonderes, man kann eigentlich niemals sagen und -beschreiben, worin sie besteht, es ist immer nur eine Abwesenheit von -gewissen Dingen, die, wenn sie in ihrer Bestimmtheit da sind, das -ausmachen, was die Leute die Häßlichkeit nennen. Sagt mir einmal, was -findet Ihr denn nun so an mir wohl am widerwärtigsten? - -Liebe Alte, sagte der Jüngling verlegen -- - -Nein, rief sie, rund mit der Wahrheit heraus, ohne alle Schmeichelei! -Jeder Mensch hat doch nun einmal die oder jene Gabe, und so bilde ich -mir nicht wenig darauf ein, daß mir alles das abgeht, was sie in der -Welt schön nennen. Nun, zeigt einmal Euren Geschmack. Sprecht! - -Wenn ich muß, stotterte Antonio, dem trotz seiner Trauer ein Lächeln -jetzt auf die Lippen trat, die beiden Zähne wollen mir -- - -Ha, ha! rief die Alte laut lachend, die beiden guten lieben alten -schwarzen Zähne wollen Euch am wenigsten gefallen. Ich glaub' es wohl, -sie stehen wie zwei verbrannte Palisaden an einer zerstörten Vestung da -in dem weiten leeren Raum. Aber Ihr hättet mich vor zehn Jahren sehn -sollen, da war das Ding noch viel schlimmer. Dazumal hatt' ich den -ganzen Mund voll solcher entsetzlichen Hauer, und die mich lieb hatten, -wollten mir sagen, es sähe gräßlich aus. So fielen sie denn nach und -nach aus, und die beiden Stammhalter sind nur noch übrig geblieben. Wenn -sie einmal abgehn, so klappt das Maul völlig zu, die Oberlippe wird -dreimal so lang, und man kann wieder nicht wissen, was für ein Bildniß -dadurch zu Stande kommt. Die Zeit, mein lieber junger Freund, ist, wie -schon vor vielen Jahren einer gesagt hat, eine thörichte Künstlerin, sie -macht ein Bild leidlich hübsch, dann künstelt, schnitzelt, reckt und -stümpert sie am Menschen herum, zieht Nase und Kinn in die Länge, drückt -die Backen ein, pinselt die Stirn voller Falten, bis sie ein -Fratzengesicht zu Stande gebracht hat; dann schämt sie sich am Ende, -schmeißt den ganzen Bettel hin und deckt ihn mit Erde zu, damit nicht -alle Welt ihre Schande sehe. So glatt bleibt Ihr auch nicht, wie Ihr -jetzt in Eurer Politur glänzt. Ah! zeigt! freilich, Ihr habt Zähnchen -wie die reinsten Perlen. Schade, daß die müssen gebraucht werden, um -Brod und Rinderbraten zu kauen. Ei, ei, -- zeigt -- weiter auf den Mund --- die stehn aber so sonderbar, -- hm! und der Augenzahn! Nun, das ist -zu bedenken. - -Antonio wußte nicht, ob er schelten oder lachen sollte; doch zwang er -sich heiter zu seyn, und dem Geschwätz der Alten nachzugeben, die -gleichsam wegen früher Bekanntschaft mit der Familie eine sonderbare -Gewalt an ihm ausübte. Wie fuhr er aber entsetzt zusammen, als sie -plötzlich: Crescentia! ausrief. - -Ums Himmels willen! sprach er erschüttert, kennt Ihr sie? Saht Ihr sie? -wißt Ihr von ihr? - -Was ist Euch? heulte die Alte, muß ich sie doch wohl kennen, da sie -meine eigne Tochter ist. Seht nur selbst, wie die träge Dirne da -eingeschlafen sitzt, das Feuer ausgehn und die Suppe verkühlen läßt. - -Sie nahm die Lampe und näherte sich dem Heerde; aber wie ward dem -Jünglinge, als er seine Geliebte heute zum zweitenmale wiedersah, fast -eben so, wie am Abend. Das blasse Haupt lag gesenkt, die Augen -geschlossen, alle Lineamente, auch die dunkeln Locken seiner Braut, eben -so hatte sie die kleinen Händchen gefaltet, zwischen welchen sie -ebenfalls ein Christusbild hielt. Das weiße Gewand half die Täuschung -erhöhen, nur fehlten die Blumen, doch webte die Dämmerung wie Kränze -schweren dunkeln Laubes um ihre Locken. Sie ist todt, seufzte Antonio, -sie starr betrachtend. -- Faul ist sie, die träge Dirne, sagte die Alte, -und schüttelte die schöne Schläferin wach; nichts als beten und -schlummern kann das unnütze Geschöpf. - -Crescentia ermunterte sich, und ihre Verwirrung erhöhte noch ihre -Anmuth. Antonio fühlte sich dem Wahnsinne nahe, daß er diejenige wieder -vor sich sah, die er doch auf ewig verloren hatte. Alte Zauberin! rief -er heftig aus, wo bin ich? Und welche Gebilde führst Du vor die irren -Sinne? Sprich, wer ist jenes holdselige Wesen? Crescentia, bist Du -wieder da? Erkennst Du mich noch als den Deinen? Wie bist Du hieher -gerathen? - -Holla! mein junger Prinz, schrie die Alte, Ihr faselt ja, als wenn Ihr -Euer bischen Verstand verloren hättet. Rumort Euch das Gewitter im Kopf -herum? Hat der Blitz etwa in Euern Witz geschlagen? Es ist meine -Tochter, und ist es von je an gewesen. - -Ich kenne Euch nicht, sagte die bleiche Crescentia hold erröthend. Ich -bin nie in der Stadt gewesen. - -Setzt Euch, unterbrach sie die Alte, genießt, was da ist. Die Suppe -wurde aufgetragen, einige Früchte, und aus einem kleinen Wandschrank -nahm die Alte eine Flasche köstlichen florentinischen Weins. Antonio -konnte nur wenig genießen, sein Auge war auf Crescentia hingebannt, und -seine verwirrte und erschütterte Phantasie wollte ihn immer wieder von -Neuem bereden, diese sei seine gestorbene Braut. Oft glaubte er dann -wieder, in einem schweren Traum gefesselt zu liegen, oder von einem -Wahnsinn befangen zu seyn, der alle Gegenstände um ihn verwandele, daß -er vielleicht in der Stadt, oder in seiner Heimath weile, nur seine -Einbildungen sehe, und keinen seiner Freunde erkenne und vernehme, die -wohl tröstend oder klagend um ihn stehn möchten. - -Das Gewitter hatte ausgetobt, und die Sterne glänzten am beruhigten -dunkeln Himmel. Die Alte aß mit Begier und trank noch eifriger von dem -süßen Weine. Nun endlich, junger Antonio, fing sie nach einiger Zeit an, -erzählet uns doch, was Euch nach Padua, was Euch hieher getrieben hat. - -Antonio fuhr wie erwachend auf. Ihr könnt wohl, erwiederte er, einige -Nachrichten von Eurem Gaste verlangen, da Ihr obenein meinen Vater, und -vielleicht auch meine Mutter gekannt habt. - -Wohl habe ich sie gekannt, sagte die Alte schmunzelnd, kein Mensch so -gut als ich. Ja, ja, sie starb sechs Monat zuvor, ehe Euer Vater seine -zweite Ehe mit der Marchese Manfredi stiftete. - -Also das wißt Ihr auch? - -Ist mir doch, fuhr jene fort, als sähe ich das schmucke Püppchen noch -immer vor mir. Nun, lebt die schöne Stiefmutter denn noch? Als sie mich -aus dem Lande jagten, war sie noch in ihrer schönsten Blüthe. - -Ich mag es Euch nicht wiederholen, sagte Antonio mit einem Seufzer, was -ich durch diese mir fremde Mutter litt; sie hatte meinen Vater wie -bezaubert, der lieber allen seinen alten Freunden, lieber seinem Sohne -Unrecht thun, als sie irgend beleidigen wollte. Endlich aber änderte -sich dieses Verhältniß, doch brach mein Herz fast beim Anblick dieses -Hasses, wenn es früher nur über erlittene Kränkungen geblutet hatte. - -Also recht bitter böse, fragte die Alte mit widerwärtigem Lächeln, ging -es in der Haushaltung zu? - -Antonio betrachtete sie mit scharfem Blicke und sagte verwirrt: Ich weiß -nicht, wie ich dazu komme, hier von meinem und dem Elend meiner Eltern -zu erzählen. - -Die Alte leerte ein Glas rothen Wein, der wie Blut im Glase stand. Mit -lautem Lachen sagte sie dann: weiß ich mir doch kein herrlicheres -Vergnügen, versteht, was man so recht Wonne und Seligkeit nennen kann, -als wenn so zwei Ehehälften, die früher einmal zwei Liebesleute waren, -sich wie Katze und Hund, oder wie zwei Tigerthiere herumbeißen, -schelten, einander verfluchen, und Herz und Seele dem Satan opfern -möchten, um eins das andere zu kränken, oder seiner los zu werden. Das, -junger Fant, ist die wahre Herrlichkeit des sterblichen Lebens. -Besonders aber, wenn die beiden Verbündeten vorher aus Liebe recht -geraset haben, alles, auch das Ungewöhnliche für einander gethan, wohl -gar manches begangen, was andre fromme Leutchen Verbrechen nennen, um -nur zu einander zu kommen, um nur endlich und endlich das nun so -verhaßte Band zu schlingen. Glaubt mir, das ist alsdann für den Satan -und die ganze Hölle ein hohes Fest, ein Jubeln und Cymbelnklang der -Unterirdischen. Und hier nun gar, -- doch, ich schweige, ich könnte -leicht zu viel sagen. - -Crescentia sah den Erstaunten wehmüthig an. Verzeiht ihr, sagte sie -lispelnd, Ihr seht, sie ist trunken, die Unglückliche. - -In Antonio's Seele aber erwachte die Vorzeit und alle ihre trüben Scenen -mit frischer Kraft. Der trübe Tag kam ihm zurück, als er seine -Stiefmutter auf ihrem Sterbebette sah, als sein Vater verzweifelte und -sich und die Stunde seiner Geburt verfluchte, als er den Geist seiner -ersten Gattin anrief und um Vergebung flehte. - -Habt Ihr nichts mehr zu erzählen? fragte die Alte, und weckte ihn -dadurch aus seiner staunenden Träumerei. - -Was soll's? sagte Antonio im tiefsten Schmerz, scheint Ihr doch alles zu -wissen, oder durch Weissagung erfahren zu haben. Brauche ich es Euch zu -sagen, daß ein alter Diener, Roberto, sie vergiftet hatte, von ihrem Haß -verfolgt und zur Rache angespornt? Daß dieser boshaft und verrucht -meinem Vater das Verbrechen zuwälzen wollte? Er entsprang aus dem -Gefängnisse, übersteigt die Gartenmauer und stößt in der Grotte meinem -Vater den Dolch in die Brust! - -Der alte Roberto? Roberto? rief die Alte, fast wie im frohen Jubel; ei, -sieh doch! was man an den Leuten nicht erlebt! Ja, ja, der Schleicher -war in jüngern Jahren so ein rechter Tuckmäuser, ein scheinheiliger -Hund, ist aber nachher ein resoluter Bursche geworden, wie ich höre. In -der Grotte also? Wie sich alles so wunderbar fügen muß. Da saß Euer -Vater in frühern Jahren so oft mit der ersten Gattin, dort hat er ihr -zuerst, als ihr Bräutigam, ewige Liebe geschworen. Dazumal trug Roberto -gewiß schon jenen Dolch, wußte aber nicht, daß er ihn erst nach zwanzig -Jahren so sonderbar brauchen sollte. Dort hat auch die zweite Gemahlin -oft bei dem kühlen Brunnen geschlummert, da lag der Mann wieder zu ihren -Füßen. Nicht wahr, Antonio, Kind, das Leben ist ein recht buntes, recht -dummes, recht abgeschmacktes und recht grauliches Fabelgemisch? Kein -Mensch kann sagen: dahin will ich nicht! Die Schmerzen und Gefühle, die -Stacheln und das Rasen, die die schwarzen Gesellen in der Hölle -schmieden, das alles kommt und kommt langsam, wunderlich, näher und -immer näher, mit einemmale ist das Entsetzliche im Hause, und der -Verzweifelte sitzt dann damit im Winkel und nagt daran, so wie der Hund -am Knochen. Trink, trink, mein Söhnchen, durch diesen Saft wird alles -besser, wenn seine Geister in die Seele steigen. -- Nun, und Du? Erzähle -doch weiter. - -Ich schwur dem Vater Rache, sagte Antonio. - -So ist es recht, erwiederte die Alte; sieh, mein Kind, wann so ein Brand -erst in ein Haus geschleudert ist, so muß er niemals, niemals wieder -erlöschen. Von Geschlecht zu Geschlecht, zum Enkel und zum Vetter erbt -das Gift, die Kinder rasen schon, die Wunde blutet immer wieder, ein -neuer Aderlaß muß wieder das Unglück retten und auf die Beine bringen, -das sonst vielleicht gar verscheiden könnte. O Rache, Rache ist ein -köstliches Wort. - -Aber Roberto, sagte Antonio, war entflohen und nirgends zu finden. - -Schade, Schade, rief die Alte aus. Nun trieb Dich Deine Rache wohl in -die Welt? - -Ja wohl, ich erwuchs, ich sah Italien, forschte in allen Städten, konnte -aber keine Spur des Mörders entdecken. Der Ruf Pietro's von Abano hielt -mich endlich in Padua fest. Ich wollte von ihm Weisheit lernen, aber als -ich in das Haus des Podesta kam -- - -Nun? sprich heraus, Kind! - -Was soll ich sagen? Ich weiß nicht, ob ich rase oder träume. Dort sah -ich die Tochter, die holde, die liebreizende Crescentia. Und ich sehe -sie jetzt wieder vor mir, ja sie ist es selbst, jener Leichenzug war ein -böser, ungeziemender Scherz, und diese Verkleidung, diese Flucht in die -Wüste hieher ist wieder eine unziemliche Verlarvung. Gieb Dich endlich, -endlich zu erkennen, theure, holdselige Crescentia. Weißt Du es ja doch, -daß mein Herz nur in Deinem Busen lebt. Wozu diese grausamen Proben? -Sind Deine Eltern vielleicht dort in der Kammer, und hören alles, was -wir sprechen? Laß sie nun endlich, endlich herein treten, es sei nun der -grausamen Prüfung, die mich wahnsinnig machen kann, genug geschehn. - -Die bleiche Crescentia sah ihn mit einem unbeschreiblichen Blicke an, -eine solche Wehmuth im Angesicht, daß ihm die Thränen aus den Augen -stürzten. Er ist wahrlich schon betrunken! heulte die Alte. Sprecht, -sagt, ist denn die Tochter des Podesta todt? Gestorben wäre sie? und -wann? - -Heut Abend, sagte der Weinende, bin ich ihrer Leiche begegnet. - -Also auch die? fuhr die Alte lustig fort, indem sie wieder einschenkte. -Nun, da wird sich ja die Familie Markone in Venedig freuen. - -Warum? - -Weil sie nun die einzigen Erben des reichen Mannes sind. Das haben die -Klugen immer gewünscht, es aber niemals hoffen können. - -Weib! rief Antonio mit neuem Entsetzen aus, Du weißt ja Alles. - -Nicht Alles, erwiederte Jene, aber Etwas. Und manches läßt sich dann -auch wohl errathen. Und freilich, etwas Hexerei ist auch im Spiele. -Erschreckt nur nicht gar zu sehr. Es war auch nicht so ganz um gar -nichts, daß mich die Herren Florentiner auf den Holzstoß setzen wollten, -einige kleine unbedeutende Ursächelchen konnten sie immer für diesen -Wunsch anführen. -- Schau mir ins Gesicht, Knabe, streiche die Locken -aus der Stirn: gut! Nun gieb die linke Hand: die rechte; ei! ei! -sonderbar und wunderlich! Ja, ja, Dir steht ein nahes Unglück bevor, -aber wenn Du es überlebst, wirst Du Deine Geliebte noch wiedersehn. - -Jenseit! seufzte Antonio. - -Jenseit? was ist Jenseit? rief die Alte im Taumel; nein, diesseit, was -wir hier auf Erden nennen. Was die Narren für Worte brauchen. Es giebt -kein Jenseit, alberner Kindskopf, wer hier nicht schon das Fett von der -Brühe abschöpft, der ist übel betrogen. Aber damit kirren sie die -Gelbschnäbel, daß sie hübsch im Geleise bleiben, wohin man sie lenken -will, wer aber ihren Fabeln nicht glaubt, der ist auch dafür frei, und -kann thun, was ihn gelüstet. - -Antonio sah sie zürnend an, und wollte ihr heftig erwiedern, aber die -blasse Crescentia legte einen so demüthig flehenden Blick für ihre -Mutter ein, daß sein Zorn entwaffnet wurde. Die Alte gähnte und rieb -sich die Augen, und es währte nicht lange, so war sie, vom häufigen -Genuß des starken Weins betäubt, fest eingeschlafen. Das Feuer auf dem -Heerde war erloschen, und die Lampe warf nur noch matte Schimmer. -Antonio fiel in ein tiefes Nachsinnen, und Crescentia saß am Fenster auf -einem niedrigen Schemel. Kann ich wo schlafen? sagte der erschöpfte -Jüngling endlich. - -Oben ist noch eine Kammer, sagte Crescentia schluchzend, und er bemerkte -nun erst, daß sie die ganze Zeit über heftig geweint hatte. Sie putzte -die Lampe, daß sie heller brenne, und ging schweigend voran. Er folgte -eine schmale Treppe hinauf, und als sie oben in dem engen finstern -Behältnisse waren, setzte das Mädchen die Leuchte auf einen kleinen -Tisch und war im Begriff sich zu entfernen. Doch schon an der Thür -kehrte sie noch einmal um, betrachtete den jungen Mann wie mit einem -Todtenblicke, stand bebend vor ihm, und fiel dann laut schluchzend und -in unverständlichen heftigen Klagen wie in Krämpfen zu seinen Füßen -nieder. Was ist Dir, mein holdes Kind? rief er aus, und wollte sie -aufheben; beruhige Dich: sage mir Dein Leid. - -Nein, laßt mich hier liegen, rief die Klagende, ach! wenn ich doch hier -zu Euren Füßen, wenn ich doch jetzt sterben könnte! Nein, es ist zu -entsetzlich! Und daß ich nichts thun, nichts hindern kann, daß ich den -Gräuel nur stumm und ohnmächtig anschauen muß. Aber Ihr müßt es -erfahren. - -So sammle Dich nur, sagte tröstend Antonio, daß Du nur Deine Stimme, daß -Du nur die Worte wieder findest. - -Ich sehe, sprach jene vom Weinen unterbrochen heftig fort, Eurer -gestorbenen Geliebten ähnlich, und ich bin es, die Euch an der Hand in -die Mördergrube führen muß. Meine Mutter kann leicht prophezeien, daß -Euch ein nahes Unglück bevorsteht: kennt sie doch die Gesellen, die -allnächtlich hier einkehren. Dieser Höhle ist noch Keiner lebendig -entronnen. Jede Minute führt ihn näher und näher, den greulichen -Ildefons, oder den verruchten Andrea, mit ihren Knechten und Gehülfen. -Ach! und ich kann nur der Herold Eures Todes seyn, Euch keine Hülfe, -Euch keine Rettung bieten. - -Antonio entsetzte sich. Bleich und zitternd faßte er nach seinem -Schwert, versuchte seinen Dolch, und sammelte Muth und Entschlossenheit -wieder. So sehr er den Tod erst gewünscht hatte, so war es ihm doch zu -furchtbar, in einer Räuberhöhle endigen zu müssen. Du aber, fing er an, -Du mit diesem Angesichte, mit dieser Gestalt, kannst es über Dich -gewinnen, eine Gesellin, eine Gehülfin der Verruchten zu seyn? - -Ich kann nicht entfliehen, seufzte die Trostlose, wie gern entwiche ich -diesem Hause. Ach! und diese Nacht, morgen soll ich von hier und über -das Meer geschleppt werden, die Gattin des Andrea oder Ildefons soll ich -seyn. Ist es nicht besser, jetzt zu sterben? - -Komm, rief Antonio, die Thür ist offen, entflieh mit mir, die Nacht, der -Wald werden uns ihren Schutz verleihen. - -Seht Euch nur um, sagte das Mädchen, seht nur, wie hier und im untern -Gemache die Fenster mit starken Eisenstäben verwahrt sind, die Thür des -Hauses ist mit einem großen Schlüssel versperrt, den die Mutter nicht -von sich giebt. Saht Ihr nicht, wie sie die Thür ins Schloß warf, als -Ihr hereingetreten wart? - -So falle die Alte zuerst, rief Antonio, wir entreißen ihr den Schlüssel --- - -Meine Mutter sterben! schrie die blasse Mädchengestalt, und klammerte -sich mit Heftigkeit an ihn, um ihn fest zu halten. - -Antonio beruhigte sie. Er schlug ihr vor, der Alten, da sie berauscht -sei, und fest schlafe, den großen Schlüssel der Thüre leise von ihrer -Seite zu nehmen, dann zu öffnen und zu entfliehen. Von diesem Plane -schien Crescentia einige Hoffnung zu fassen, sie gingen still wieder in -das untere Gemach und fanden die Alte noch fest schlafend. Crescentia -machte sich zitternd an sie, suchte und fand den Schlüssel, und es -gelang ihr nach einiger Zeit, ihn vom Bande des Gürtels abzulösen. Sie -winkte dem Jüngling, behutsam näherten sie sich der Thür, mit Vorsicht -brachten sie den eisernen Schlüssel in das Schloß, mit fester Hand -wollte Antonio jetzt ohne Geräusch den Riegel zurückschieben, als er -fühlte, daß draußen eben so geräuschlos ein andrer am Schlosse arbeite. -Die Thür öffnete sich sacht und herein trat, Antlitz an Antlitz dem -Antonio, ein großer wilder Mann. Ildefonso! schrie das Mädchen auf, und -der Jüngling erkannte in ihm auf den ersten Blick den Mörder Roberto. - -Was ist das? sagte dieser mit dumpfer Stimme; woher habt Ihr den -Schlüssel? Wohin? - -Roberto! schrie Antonio und faßte den ungeheuren Mann wüthend an der -Kehle. Sie rangen heftig mit einander, doch gelang es der Kraft des -Jünglings, den Bösewicht auf den Boden zu werfen, dann kniete er ihm auf -die Brust und senkte seinen Dolch ihm in das Herz. Mit lautem Geschrei -war indessen die Alte erwacht, sie sprang auf, als sie den Kampf sah und -riß unter Geheul und Verwünschungen die Tochter hinweg, sie schleppte -sie zur Kammer hinauf, und verriegelte von innen die Thür. Jetzt wollte -Antonio hinauf, um sich die Kammer mit Gewalt zu öffnen, als mehrere -dunkle Gestalten herein traten, und nicht wenig erstaunten, ihren -Anführer todt am Boden zu finden. Jetzt bin ich Euer Hauptmann! rief -eine breite, bärtige Figur, indem dieser das Schwert zog. Wenn -Crescentia mein ist! antwortete trotzig ein jüngerer Räuber. Beide, auf -ihrem Sinne bestehend, fielen sich mörderisch an. Die Lampe ward -umgestürzt, und unter Geheul und Fluchen wälzte sich der Kampf in der -Finsterniß von einer Ecke zur andern. Seid ihr unsinnig? schrie eine -andre Stimme dazwischen; ihr laßt den Fremden entfliehn, schlagt ihn -zuerst darnieder und fechtet dann eure Händel aus! Doch jene, vor Wuth -blind, vernahmen ihn nicht. Schon dämmerte der erste graue ungewisse -Strahl des frühen Morgens. Da fühlte Antonio die Mörderfaust an seiner -Brust, aber schnell und rüstig stieß er den Angreifenden nieder. Ich bin -erschlagen, rief dieser, auf den Boden fallend: Wahnsinnige, besetzt die -Thür, laßt ihn nicht entrinnen. Antonio hatte indessen diese gefunden, -er sprang durch den kleinen Garten und über den Zaun, die Räuber, -welchen unterdeß die Besinnung gekommen war, eilten ihm nach. Er war nur -um wenige Schritte voraus, und sie suchten ihm die Bahn abzugewinnen. -Einer warf mit Feldsteinen nach ihm, die aber ihres Ziels verfehlten. -Unter Geschrei und Drohworten waren sie in den Wald gekommen. Hier -zeigten sich verschiedene Richtungen, und Antonio war ungewiß, welche er -wählen sollte. Da sah er zurück und die Räuber getrennt, er stellte sich -dem nächsten und verwundete ihn im Kampf, daß jener das Schwert mußte -sinken lassen. Doch zugleich vernahm er Geschrei und sah von einem -Seitenwege neue Gestalten daher eilen, die ihm den Weg bald verrennen -mußten. In dieser höchsten Noth traf er auf einer kleinen Waldwiese sein -Roß wieder an. Es schien sich von der gestrigen Uebermüdung erholt zu -haben. Er schwang sich hinauf, nachdem er schnell den Zaum ergriffen und -geordnet hatte, und mit der größten Schnelle, als wenn das Thier seine -Gefahr gefühlt hätte, trug es ihn auf einem gebahnten Pfade aus dem -Walde. Nach und nach ertönte das Geschrei seiner Verfolger immer ferner -und ferner, der Wald lichtete sich, und als er schon glauben mußte, -nichts mehr befürchten zu dürfen, sah er die Stadt im Sonnenglanze vor -sich liegen. - -Menschen begegneten ihm, Landleute gingen dieselbe Straße zur Stadt, -Reisende gesellten sich zu ihm, und so kam er nach Padua zurück, indem -er nur weniges auf die vielfachen Fragen und Erkundigungen antwortete, -warum sein Anzug so verwildert, warum er ohne Hut sei. Die Bürger sahen -ihn mit Verwunderung an, als er vor dem großen Hause des Podesta -abstieg. - - * * * * * - -In der Stadt hatte sich in derselben Nacht etwas Wunderbares zugetragen, -was bis jetzt noch allen Menschen ein Geheimniß war. Kaum hatte sich die -Finsterniß dicht und dichter verbreitet, als Pietro, den man -gemeiniglich nur von seiner Geburtsstadt Apone, oder Abano nannte, im -innersten Zimmer seines Hauses alle Geräthe, alle seine künstlichen -Instrumente zu einer geheimen und seltsamen Operation in Ordnung -richtete. Er selbst war in lange Gewänder gekleidet, die mit -wunderlichen Hieroglyphen bezeichnet waren, in seinem Saal hatte er die -magischen Kreise beschrieben, und alles kunstreich geordnet, um seiner -Wirkung gewiß zu seyn. Er hatte den Stand der Gestirne genau erforscht, -und erwartete jetzt den günstigsten Augenblick. - -Sein Gefährte, der häßliche Beresynth, war auch mit magischen Kleidern -angethan. Er holte und stellte auf den Befehl seines Gebieters alles so, -wie dieser es nöthig erachtete. Bemalte Decken waren an den Wänden -verbreitet, der Boden des Zimmers verkleidet, der große Zauberspiegel -aufgerichtet, und näher rückte und näher der Moment, den der Magier für -den glücklichsten erachtete. - -Hast Du die Kristalle in die Kreise gestellt? rief jetzt Pietro. Ja, -antwortete der geschäftige Gesell, dessen Fratze sich zwischen den -Phiolen, Spiegeln, menschlichen Gerippen und allen dem seltsamen -Hausrath munter und unermüdlich tummelte. Jetzt wurde das Räuchwerk -gebracht, eine Flamme entzündete sich auf dem Altar, und der Magier nahm -vorsichtig, fast bebend, aus seinem geheimsten Schranke das große Buch. -Geht's los? rief Beresynth. -- Schweig, erwiederte der Alte feierlich, -und störe die heilige Handlung durch keine frevelnden, durch keine -unnützen Worte. Er las, erst leise, dann lauter und eifriger, indem er -mit gemessenen Schritten auf und nieder, dann im Kreise wandelte. Nach -einer Weile hielt er inne und befahl: schau hinaus, wie sich der Himmel -gestaltet. - -Dichte Finsterniß, sagte der rückkehrende Diener, hat den Himmel -umzogen, Wolken jagen sich, ein Regen fängt an zu träufeln. -- Sie sind -mir günstig, rief der Alte, es muß gelingen! Jetzt kniete er nieder, und -berührte oft, die Beschwörung murmelnd, mit der Stirn den Boden. Sein -Gesicht war erhitzt, seine Augen funkelten. Man hörte ihn die heiligen -Namen nennen, die verboten sind auszusprechen, und er sandte nach langer -Zeit seinen Diener wieder hinaus, um nach dem Firmament zu schauen. -Indessen vernahm man den heranbrausenden Sturm, Blitz und Donner jagten -sich, und das Haus schien in seinen Grundfesten zu erbeben. Hört das -Wetter, rief Beresynth, eilig zurückkehrend. Die Hölle hat sich von -unten herauf gemacht, und wüthet mit Feuer und wilden krachenden -Donnerschlägen, ein Sturm braust dazwischen, und die Erde zittert. -Haltet inne mit Beschwören, daß nicht die Speichen brechen, und die -Fugen, die die Welt zusammen halten, zerspringen. - -Thörichter! Blödsinniger! rief der Magier; genug der unnützen Worte! -Alle Thüren reiß auf, eröffne auch das Thor des Hauses. - -Der Zwerg entfernte sich, um die Gebote seines Herrn auszurichten. -Dieser entzündete indeß die geweihten Kerzen, mit Schaudern nahte er -sich der großen Fackel, die auf dem hohen Leuchter stand, auch sie -brannte endlich, dann wand er sich auf dem Boden und beschwor lauter und -lauter. Seine Augen funkelten, seine Glieder bebten alle, zuckten wie in -Krämpfen, und ein kalter Schweiß der Angst floß von seinem Haupte. Mit -wilder Geberde sprang der Zwerg wie entsetzt wieder herein und rettete -sich in die Kreise. Die Welt geht unter, schrie er bleich und mit den -Zähnen klappernd, die Gewitter ziehn fort, aber alles ist in der stillen -Nacht Entsetzen und Graus, jedes Geschöpf hat sich in das innerste -Gemach und die Kissen des Bettes geflüchtet, um der Angst zu entweichen. - -Der Alte erhob vom Boden ein todtenbleiches Antlitz, und verzerrt und -unkenntlich schrie er mit fremdem Laute: Schweig, Unglückseliger, und -störe das Werk nicht. Gieb Acht, und behalte Deine Sinne. Das Größte ist -noch zurück. - -Mit einer Stimme, als wollte er seine Brust zersprengen, las und -beschwor er wieder, der Athem schien ihm oft zu fehlen, es war, als -müsse die ungeheure Anstrengung ihn tödten. Da hörte man plötzlich -Stimmen durcheinander, wie im Streit, dann wie Gespräch, sie flüsterten, -sie tobten und lachten, Gesang ertönte, und verworrener Klang von -wundersamen Instrumenten. Alle Geräthe wurden lebendig und schritten vor -und gingen wieder zurück, und aus den Wänden in allen Gemächern quollen -Wesen aller Art, Gethier und Ungeheuer und abentheuerliche Fratzen im -buntesten Gewirre. - -Herr! schrie Beresynth, das Haus wird zu enge! Wohin mit allen diesen -Geistern? Einer muß den andern fressen. O weh! o weh! Immer greulicher, -immer toller wickelt sich einer aus dem andern: ich verliere den -Verstand! Und diese Musik dazu, dies Gellen und Pfeifen, Gelächter -dazwischen, und rührende Klagegesänge. Seht, Herr! seht! die Wände, die -Zimmer dehnen sich aus: alles wird zu unermeßlichen Sälen, zu hohen -Gewölben, und noch schießen die Creaturen hervor, und vermehren sich mit -dem wachsenden Raume. Könnt Ihr nicht rathen, könnt Ihr nicht helfen? - -Ganz ermattet erhob sich jetzt Pietro, er war verwandelt und wie -sterbend. Schau noch einmal hinaus, sprach er leise, wende Dein Auge -nach dem Dom, und berichte mir, was Du siehst. - -Ich trete dem Gesindel hier auf den Kopf, schrie der verwirrte -Beresynth, sie winden sich spielend wie die Schlangen um mich her, und -lachen höhnisch über mich. Sind es Geister? sind es Kobolde oder leere -Phantome? Ei was! wenn ihr nicht aus dem Wege gehn wollt, so trete ich -euch in die grünlichen und blauen Schnauzen hinein! Jeder ist sich -selbst der Nächste. Er polterte murrend hinaus. - -Jetzt ward es still, und Pietro stand auf. Er winkte, und alle jene -Wundergestalten, die sich am Boden gekrümmt, die sich in der Luft -durcheinander gewunden hatten, verschwanden wieder. Er trocknete Schweiß -und Thränen ab und holte freier Athem. Sein Diener kam zurück und sagte: -Herr! alles ist ruhig und gut, aber lichte Gebilde zogen mir vorüber und -verschwanden in den dunklen Himmel hinein: darauf, wie ich unverwandt -nach dem Dom hinschaue, ertönt ein gewaltiger Klang, wie wenn alle -Saiten einer Harfe zugleich rissen, und ein Schlag geschah, daß die -Straße und alle Häuser zitterten. So riß sich dann die große Thür der -Kirche auf, Flöten erklangen süß und lieblich, und eine sanfte lichte -Klarheit ergoß sich aus dem Innern der Kirche. Gleich darauf trat ein -weibliches Gebild in den Schein, blaß, aber glänzend, mit Blumenkronen -geschmückt, sie schwebte aus dem Thor und Lichtstrahlen bereiteten ihr -eine Straße, auf welcher sie wandeln sollte. Das Haupt gerade, die Hände -gefaltet, so schwebt sie heran, auf unsre Wohnung zu. Ist es denn diese, -auf welche Ihr gewartet habt? - -Nimm den goldnen Schlüssel, antwortete Pietro, und eröffne mit ihm das -innerste kostbarste Gemach meines Hauses. Die Purpurdecke ist -ausgebreitet, die Wohlgerüche duften. Dann fort und lege Dich nieder. -Forsche nicht weiter nach, was geschieht. Sei gehorsam und verschwiegen, -wenn Du Dein Leben achtest. - -Kenne ich Euch doch, antwortete der Zwerg und entfernte sich mit dem -Schlüssel, indem er noch einmal wie einen schadenfrohen Blick zurück -warf. - -Indem kam ein liebliches Gesäusel näher, Pietro ging nach dem Vorsaal, -und herein schwebte die blasse Leichengestalt der Crescentia, in ihrem -Todtenschmucke, das Crucifix noch in den gefaltenen Händen haltend. Er -stand vor ihr, sie schlug die großen Augen auf und schauderte in -lebhafter Bewegung vor ihm zurück, so daß vom schüttelnden Haupte die -Blumenkränze niedersanken. Stumm bog er die festgeschlossenen Hände -auseinander, in der linken aber behielt sie das Kreuz fest eingeklemmt. -An der rechten Hand führte er sie durch seine Gemächer, und sie ging -neben ihm, starr und ohne Theilnahme, ohne sich umzusehn. - -Das fernste Gemach empfing sie. Purpur und Gold, Seide und Sammet -schmückten es kostbar aus. Durch die schweren Vorhänge schimmerte am -Tage das Licht nur matt herein. Er deutete hin auf das Lager, und die -Bewußtlose, wunderbar Belebte senkte und neigte sich wie eine -Lilienblume, die der Wind bewegt, sie fiel auf die rothen Decken und -athmete schmerzlich. Aus einem goldnen Fläschchen goß der Alte eine -kostbare Essenz in eine kleine Schale von Kristall und legte ihr diese -an den Mund. Die blassen Lippen schlürften den wunderbaren Trank, sie -schlug noch einmal das Auge auf, betrachtete ihren vormaligen Freund, -wandte sich mit dem Ausdruck des Abscheues um, und fiel in einen tiefen -Schlaf. - -Sorgfältig verschloß der Alte wieder das Gemach. Alles im Hause war -ruhig. Er begab sich auf sein Zimmer, um unter seinen Büchern und -Zaubergeräthen den Aufgang der Sonne und die Geschäfte des Tages zu -erwarten. - - * * * * * - -Als der unglückliche Jüngling Antonio geruht hatte, ritt der Podesta am -folgenden Tage mit ihm und einem großen bewaffneten Gefolge aus, um jene -Hütte, die häßliche Alte und die Räuber aufzusuchen und zu fangen. Nach -der Erzählung Antonio's war der trostlose Vater sehr begierig geworden, -jenes Mädchen zu sehn, welches seiner verstorbenen Tochter so ähnlich -seyn sollte. Kann es seyn, sagte der Alte unterwegs, daß ein Traum, dem -ich mich nur zu oft überlassen habe, wirklich werden sollte? - -Der Vater war so eilig, daß er dem Jüngling nicht weiter Rede stand. Sie -kamen in den benachbarten Wald, und hier glaubte sich Antonio noch zu -erkennen, und die Spuren wieder zu finden. Aber jene Nacht hatte ihn so -verwirrt, und seine Lebensgeister so heftig erschüttert, daß er nachher -seinen Weg nicht entdecken konnte, den er während des Sturmes und dem -Krachen des Donners, betäubt, zu Fuß, und über Acker und Feld irrend, -fortgesetzt hatte. Sie kreuzten das weite Gefilde nach allen Richtungen; -wo nur Bäume oder Gebüsche sich entdecken ließen, dahin spornte Antonio, -um die Räuberhütte und in ihr jene wundersame Erscheinung wieder -anzutreffen, oder wenigstens, wenn die Einwohner auch verschwunden seyn -sollten, wie er wohl glauben mußte, irgend eine Nachweisung zu erhalten. -Der Podesta glaubte endlich, als man schon einen großen Theil des Tages -so umgeirrt war, die erhitzte Einbildung des Jünglings habe nur in der -Verwilderung seines Schmerzes diese Erscheinungen gesehn. Das Glück, -rief er aus, wäre zu groß, und ich bin nur zum Unglück geboren. - -In einem Dorfe mußte man die Pferde und die Diener verschnaufen lassen. -Die Bewohner wollten nichts von so verdächtigen Nachbarn wissen, auch -hatte man in der Umgegend die Leichname der Erschlagenen nicht gefunden. -Nach kurzer Frist machte sich Antonio wieder auf den Weg, obgleich der -Podesta ihm mit größerem Mißtrauen folgte. Bei jedem Bauer, der ihnen -aufstieß, wurden Erkundigungen eingezogen, doch keiner wußte irgend eine -bestimmte Nachricht zu geben. Gegen Abend traf man auf einen scheinbar -zerstörten Platz, Asche und Schutt lag umher, einige verkohlte Balken -zeigten sich zwischen den Steinen: Bäume, die nahe standen, waren -verbrannt. Jetzt schien sich der Jüngling wieder zu erkennen. Hier, so -meinte er mit Bestimmtheit, sei der Aufenthalt der Mörder und jener -wunderbaren Crescentia gewesen. Man machte Halt. Weit und breit war in -der wüsten Gegend kein Haus zu sehn, kein Mensch war zu errufen. Ein -Diener ritt zum nächsten Ort und brachte nach einer Stunde einen Alten -zu Pferde mit sich. Dieser wollte wissen, daß schon seit einem Jahre -eine Hütte hier abgebrannt sei, von Soldaten angezündet, der Eigenthümer -des Feldes sei schon seit zehn Jahren in Rom, wo er ein versprochenes -geistliches Amt erwarte, der Verwalter desselben aber nach Ravenna -gereist, um eine alte Schuld einzukassiren. - -Verdrossen und ermüdet begaben sich die Reisenden zur Stadt zurück. Der -Podesta Ambrosio ging damit um, seine Stelle aufzugeben, sich von allen -Geschäften zurück zu ziehn, und selbst Padua zu verlassen, wo ihn alles -nur an sein Unglück erinnerte. Antonio wollte in der Schule des -berühmten Apone sein Elend ertragen und vielleicht vergessen lernen. Er -zog in das Haus dieses großen Mannes, welcher ihm schon seit lange -gewogen war. - - * * * * * - -Also auch Ihr, sagte nach einiger Zeit der kleine Priester zum -tiefsinnigen Antonio, habt Euch diesem unglücklichen Studio und jenem -verderblichen Manne ergeben, der Eure Seele verführen wird? - -Warum zürnt Ihr, antwortete Antonio freundlich, Ihr frommer Mann? Soll -Religion und Wissenschaft sich nicht freundlich die Hand bieten dürfen, -wie es in diesem trefflichen Lehrer geschieht? Er, den die ganze Welt -verehrt, den die Fürsten schätzen und lieben, den der heilige Vater -selber bald zu einer geistlichen Würde erheben will? Warum haßt Ihr den, -der Euch und jedermann mit Liebe entgegen kommt? Wüßtet Ihr, wie seine -Lehre mich tröstet, wie er meinen Geist erhebt und zum Himmel richtet, -wie in seinem Munde Frömmigkeit und Religion die begeisterten Worte und -Bilder finden, die seine Schüler, wie mit Schwingen des Geistes, in die -überirdischen Regionen führen, Ihr würdet nicht so unbillig von ihm -denken und sprechen. Lernt ihn näher kennen, sucht seinen Umgang, kommt -dem, der keinen zurück weiset, freundlich entgegen, und Ihr werdet mit -Reue und in Liebe Euren Haß, Euer voreiliges Urtheil über ihn -widerrufen. - -Ihm? rief der Priester, nein nimmermehr! Wahrt Euch selbst, Jüngling, -vor ihm und seinem höllenbezeichneten Diener, der keinen so arglistig, -wie sein Meister, belügen kann. - -Es ist wahr, erwiederte Antonio, der kleine Beresynth ist eine -lächerliche und auch häßliche Figur, mich wundert selbst, daß ihn der -edle Pietro so beständig in allen seinen Zimmern und Geschäften um sich -dulden mag: aber sollen Höcker und andre häßliche Abzeichen uns gegen -einen Armen, den die Natur vernachlässigt hat, grausam machen? - -Schöne Worte, herrliche Redensarten! rief der Priester ungeduldig aus: -bei diesen Gesinnungen gedeihen freilich Zauberer und Betrüger. Seht! da -kommt das Scheusal, das ich nicht anschauen, viel weniger mit ihm etwas -verhandeln mag. Wen der Herr auf diese Weise gezeichnet hat, der ist -kenntlich genug, und jedermann, in dem noch nicht alles Gefühl erloschen -ist, gehe ihm aus dem Wege. - -Beresynth, der die letzten Worte gehört hatte, machte sich in einigen -seltsamen Sprüngen herbei. Hochwürdiger Herr, rief er aus, seid Ihr denn -etwa selbst von so ausbündiger Schönheit, daß Ihr so unbillig urtheilen -dürft? Mein Herr ist von Jugend auf ein majestätischer herrlicher Mann -gewesen, und der denkt doch von mir und meines gleichen ganz anders. -Was? Ihr kleiner, untersetzter, verstumpfter, kollriger Mann, dem die -Nase vor Zorne fast immer roth anläuft? Ihr mit Euren krummen -Mundwinkeln, mit den verzwickten Falten in der kleinen Stirn, Ihr wollt -von meiner Häßlichkeit rumoren? Kuckt das Zwerglein doch kaum über die -Kanzel hinaus, wenn es dorten handthiert, und ist so schmalbeinig und -schmächtig, daß er nicht über den großen Platz gehn darf, wenn der Wind -einmal stark weht; den die Gemeine kaum erkennt, wenn er vor dem Altar -gestikulirt, wobei ihr der christliche Glaube nachhelfen muß, in der -Hoffnung, er sei wirklich zugegen: -- wie, ein solcher Knirps und -geistlicher Nirgendgesehn will hier wie Goliath Rede führen? Laßt Euch -dienen, unansehnlich Gottseliger, daß man aus meiner Nase allein einen -solchen Glaubenshelden, wie Ihr seid, formiren könnte, wobei ich meinen -doppelten Höcker vorn und hinten noch gar nicht einmal in die Rechnung -bringe. - -Der erzürnte Priester Theodor hatte sich schon vor dem Schluß dieser -Rede entfernt, und der melancholische Antonio verwies dem kleinen -Gesellen seinen Muthwillen; doch dieser rief aus: fangt Ihr nur nicht -auch an zu moralisiren! das leide ich einmal von keinem andern als -meinem Herrn, denn der ist dazu in der Welt, die Moral, die Philosophie -und dergleichen zu doziren. Aber diese Windfahne von Mönch da, die nur -von Neid und Bosheit so knarrend herum gedreht wird, weil er meint, ihm -geschieht durch meinen herrlichen Meister ein Abbruch an Autorität, Geld -und Gut, der soll nicht den zahnlosen Mund aufthun, wo ich mein -ungewaschnes Maul nur irgend brauchen kann; und von einem jungen -Studenten leide ich auch keine Widerrede, denn ich habe mir schon den -Bart verschneiden lassen, als Euer Vater noch im Westerhemdchen lief; -Prügel in der Schule und den Esel bekam ich schon umgehängt, als sie -Eurem erlauchten Großvater die ersten Hosen anthaten, darum erzeigt den -Respect da, wo er hingehört und vergeßt niemals, wen Ihr vor Euch habt. - -Erzürne Dich nicht, kleiner Mann, sagte Antonio, ich meine es gut mit -Dir. - -Meint's, wie Ihr wollt, rief jener. Mein Herr wird Prälat, wißt Ihr das -schon? Und Rektor der Universität! Und eine neue goldne Gnadenkette hat -er von Paris erhalten! Und Ihr sollt zu ihm kommen, weil er verreisen -und Euch vorher noch einmal sprechen will. Schleppt Euch nicht mit -Pfaffen so herum, wenn Ihr ein Philosoph seyn wollt. - -In krummen, wunderlichen Sätzen sprang er wieder die Straße hinüber, und -Antonio sagte zu Alfonso, der jetzt hinzutrat, und seit einiger Zeit -sich oft freundlich zu ihm gesellte: ich weiß niemals, wenn ich mit der -kleinen Mißgeburt rede, ob sie ihre Worte ernsthaft, oder nur im Scherze -meint. Scheint er doch über sich selbst und alle Creatur zu spotten. - -Das ist ihm, antwortete Alfonso, ein nothwendiger Ersatz, um sich über -seine Ungestalt zu trösten, denn durch seinen Hohn macht er in seiner -Einbildung alle übrigen Geschöpfe sich gleich. Aber wißt Ihr schon von -den neuen Ehren, die unserm herrlichen Lehrer und Meister zugetheilt -sind? - -Die Welt, erwiederte Antonio, erkennt sein hohes Verdienst, und daß auch -der Papst, unser heiliger Vater, ihn jetzt zum Prälaten macht, das wird -den neidischen Priestern und Mönchen, die den tugendhaften und frommen -Mann immerdar verketzern wollen, endlich Schweigen gebieten. - -Sie trennten sich, und Antonio eilte, von seinem Lehrer auf einige Tage -Abschied zu nehmen. Der kleine Zwerg Beresynth erwartete ihn schon in -der Thür mit grinsender Freundlichkeit. - - * * * * * - -In den Zimmern war es schon trübe, und da Beresynth den Jüngling -verließ, so ging dieser, der seinen Lehrer im Saale, auch in seiner -Bücherstube nicht traf, durch die vielen Gemächer, und gelangte so bis -in das innerste, welches er noch niemals betreten hatte. Bei einer -dämmernden Lampe saß hier Pietro und verwunderte sich nicht wenig, den -Florentiner eintreten zu sehn, der über die Gerippe, seltsamen -Instrumente und den wunderlichen Hausrath des Greises erstaunt war. -Nicht ohne Verlegenheit näherte sich der Alte. Ich hatte Euch hier nicht -erwartet, sagte er, sondern dachte Euch draußen zu treffen, oder Euch -oben in Eurem eigenen Zimmer aufzusuchen. Ich soll dem Abgesandten des -Papstes, unsers heiligen Vaters, entgegen reisen, um sein Schreiben und -die neue Würde, die seine Gnade und väterliche Güte mir mittheilt, -demüthig und dankbar vom Prälaten dort anzunehmen. - -Antonio war befangen, und schien die Instrumente und den unbekannten -Apparat genau zu betrachten. Ihr verwundert Euch, sagte der Alte -endlich, über alle diese Dinge, die mir zu meinen Studien nöthig sind; -wenn Ihr einmal meine Vorlesungen über die Natur besucht habt, werde ich -Euch in Zukunft alles erklären können, was Euch jetzt vielleicht -unbegreiflich erscheint. - -Doch in diesem Augenblicke ereignete sich etwas, das Antonio's -Aufmerksamkeit von allen diesen Gegenständen abzog. Eine Thür, die -verschlossen schien, war nur angelehnt, sie that sich auf, und der -Jüngling sah in ein Gemach, das mit purpurrothem Lichte erfüllt war, -aber in dieser Rosengluth stand an der Thür ein bleiches Gespenst, -welches winkte und lächelte. Mit Blitzesschnelle wendete der Alte sich -um, warf donnernd die Thür in das Schloß, und verriegelte sie mit einem -goldenen Schlüssel. Zitternd und leichenblaß warf er sich dann in einen -Sessel, indem ihm große Schweißtropfen von der Stirne rannen. Als er -sich etwas erholt hatte, winkte er, noch immer zitternd, Antonio herbei -und sagte mit bebender Stimme: auch dieses Geheimniß, mein junger -Freund, wird Euch einmal deutlich werden; denke, mein geliebter Sohn, -das Beste von mir. Dich vor allen, Du Leidender, Du Vielgeliebter, will -ich in mein tiefstes Wissen dringen lassen, Du sollst mein wahrer -Schüler, mein Erbe werden. Aber laß mich jetzt, geh nun hinauf zu Deinem -einsamen Zimmer und rufe im brünstigen Gebete den Himmel und seine -heiligen Kräfte zu Deinem Beistande auf. - -Antonio konnte nicht antworten, so war er von der Erscheinung überrascht -und entsetzt, so hatte ihn die Rede seines verehrten Lehrers verwirrt, -denn ihm schien, als müsse dieser einen Zorn unterdrücken, als leuchte -ein verhaltener Grimm aus seinen feurigen Augen, die nach dem -plötzlichen Erlöschen schnell einen stärkern Glanz ausstrahlten. - -Er ging und im Vorzimmer fand er Beresynth, der mit grinsendem Gesicht -Fliegen haschte, die er dann einem Affen zuwarf. Beide schienen im -Wettstreit begriffen, wer die ärgsten Fratzen hervorbringen könnte. Der -Meister rief jetzt laut den Diener, und die Mißgestalt hüpfte hinein. -Antonio vernahm einen lauten Wortwechsel, und Pietro schien sehr zornig. -Weinend und heulend kam Beresynth aus dem Zimmer, ein Blutstrom floß -über die ungeheure Nase hinab. Kann er nicht selbst seine Thüren -verschließen, krächzte die Mißgeburt, der Allerweltsweise und -Allmächtige? Ist der Herr dumm, so muß der Diener die Schuld tragen. -Scheert Ihr Euch, Allverehrtester, auf Eure Dachkammer hinauf, und laßt -mich mit meinem guten Freund, dem lieben Pavian da, in Ruhe. Der hat -noch ein menschliches Herz, der liebe, getreue. Ein lustiger Bruder, wie -er ist, und doch in der Zartheit ein recht ausbündiger Kerl. Marsch da! -Der Pylades will wieder Fliegen speisen, die ihm sein Orest -zusammenfangen muß. - -Antonio verließ wie betäubt den Saal. - - * * * * * - -Der florentinische Jüngling war in das Haus seines Lehrers gezogen, um -ganz ungestört seinen Leiden und Studien leben zu können. Oben im -entferntesten und höchsten Gemache des Hauses hatte er sich -eingerichtet, um recht einsam und von Menschen unbesucht zu leben. Wenn -er von hier die schönen und fruchtbaren Gefilde des Landes übersah und -dem Laufe des Stromes mit den Blicken folgte, so dachte er um so inniger -seiner entschwundenen Geliebten. Er hatte ihr Bild von den Eltern -bekommen, und einiges Geräth, mit welchem sie als Kind gespielt hatte; -vorzüglich lieb war ihm eine Nachtigall, die ihm in ihren rührenden -Klagegesängen nur sein eigenes Leid auszutönen schien. Dieser Vogel war -von Crescentien mit Sorgfalt und Liebe gepflegt worden, und der -schwärmende Jüngling bewahrte ihn als ein Heiligthum, als den letzten -Ueberrest seines irdischen Glückes. - -Andre Jünglinge seines Alters sahe er nicht, außer dem Spanier Alfonso, -mit welchem ihn der gleiche Enthusiasmus für die Größe des Pietro Abano -vereinigte. Der Podesta Ambrosio hatte seine Stelle niedergelegt und die -Stadt verlassen, er wollte in Rom seine letzten Tage verleben, um sich -seinen Verwandten in Venedig zu entziehn. Er hatte es aufgegeben, die -frühgeraubte Zwillingstochter wieder zu finden, und es schmerzte ihn um -so inniger, daß Antonio ihm diese Hoffnung so erschütternd wieder in -seine Seele gerufen hatte. Er war überzeugt, der Jüngling habe ihn und -sich selbst mit den Fieber-Phantasien jener Nacht getäuscht. - -Am Morgen reiste Pietro mit seinem getreuen Diener ab. Antonio war ganz -allein im großen Hause, dessen Zimmer alle verschlossen waren. Die Nacht -war ihm schlaflos hingegangen. Immer stand ihm das entsetzliche Gebild -vor Augen, das ihm, wie es ihn erschüttert hatte, doch die schönsten -Empfindungen zurück rief. Ihm war, als wenn jede Kraft zu denken in ihm -erstorben sei, Gebilde, die er nicht festhalten konnte, bewegten sich in -ewig umschwingenden Kreisen vor seiner Phantasie. Die Empfindung war ihm -fürchterlich, daß er an seinem verehrten Lehrer irre wurde, daß er -unerlaubte Geheimnisse und ein Entsetzen ahndete, das seit jenem Blick -ins Gemach hinein auf ihn zu warten schien, um ihm allen Lebensmuth zu -rauben, oder ihn einem verzweifelnden Wahnsinn zu überliefern. - -Die Nachtigall sang eben vor seinem Fenster, und er sah, daß es stürmte -und regnete. Vorsorglich nahm er sie herein und stellte sie hoch auf -einen alten Wandschrank hinauf. Indem er sich überbog, um den Käfig -sicher zu stellen, riß die Kette, an welcher er das Bildniß seiner -Geliebten trug, und das Gemälde rollte nach der Wand zu, und hinter den -eichenen alten Brettern hinab. Der Unglückliche wird auch von -Kleinigkeiten erschreckt. Eilig stieg er hinunter, um sein geliebtes -Kleinod wieder zu suchen. Er bückte sich, aber so sehr er auch forschte, -war es unter dem großen schweren Schranke nicht anzutreffen. Alles, das -Große wie das Kleine in seinem Leben, schien ihn wie eine Bezauberung zu -verfolgen. Er schüttelte an dem alten Gerüste, und wollte es aus der -Stelle schieben, aber es war in der Mauer verfestigt. Sein Ungestüm -wurde mit jedem Hinderniß heftiger. Er faßte eine alte Eisenstange, die -er im Vorzimmer fand, und arbeitete mit aller Anstrengung seiner Kräfte, -den Schrein zu rücken, und endlich, nach vielem Heben, Stemmen und -hundert vergeblichen Bemühungen geschah ein Riß mit lautem Krachen, als -wenn eine eiserne Klammer oder Kette gesprungen wäre. Jetzt wich -allmählig das Gebäude und Antonio vermochte es endlich, sich zwischen -dieses und die Wand einzudrängen. Er sah sogleich sein geliebtes -Bildniß. Es lag auf dem breiten Knauf einer Thür, die in der Mauer war. -Er küßte es, und drehte den Griff, welcher nachgab. Die Thür öffnete -sich, und er fiel darauf, den großen Schrank noch etwas mehr zurück zu -schieben, um diese Seltsamkeit näher zu untersuchen, denn er glaubte, -daß der Besitzer des Hauses diese geheime Oeffnung, die mit so vieler -Sorgfalt, und wie es schien, seit so langer Zeit verdeckt war, selber -nicht kenne. Als er sich mehr Raum verschafft hatte, sah er, daß hinter -der Thür eine enge gewundene Stiege sich hinabsenkte. Er stieg einige -Stufen hinunter, die dichteste Finsterniß umgab ihn. Er schritt weiter -und immer weiter, die Treppe schien bis in die untern Gemächer -hinabzuführen. Schon wollte er umkehren, als er auf eine Hemmung stieß, -denn die Wendelstiege war nun zu Ende. Indem er in der Dunkelheit auf -und nieder tastete, traf seine Hand auf einen erznen Ring, den er anzog, -und sogleich öffnete sich die Mauer und ein rother Glanz quoll ihm -entgegen. Noch ehe er in die Oeffnung hineintrat, untersuchte er die -Thür und fand, daß eine Feder, die der Ring in Bewegung gesetzt, sie ihm -aufgethan hatte. Er lehnte sie an und schritt behutsam in das Gemach. -Rothe kostbare Teppiche schmückten es, mit Purpurdecken von schwerer -Seide waren die Fenster verhängt, ein Bett, von glänzendem Scharlach mit -Gold verziert, stand im Zimmer. Alles war still, man hörte das Getöse -der Straße nicht, die Fenster gingen nach dem kleinen Garten. Mit -beklemmter Brust stand der Jüngling im Gemach, er horchte aufmerksam und -endlich dünkte ihm, er vernähme das Säuseln des Athems, wie von einem -Schlafenden. Mit klopfendem Herzen wandte er sich um, und ging vor, um -zu spähn, ob auf dem Bette jemand ruhe, er schlug die seidenen Vorhänge -zurück -- und glaubte nur zu träumen, denn vor ihm lag, leichenblaß, -aber süß schlummernd, das Bildniß seiner geliebtesten Crescentia. Der -Busen hob sich sichtlich, wie eine leichte Röthe war den blassen Lippen -angeflogen, die, zart geschlossen, von einem sanften Lächeln unmerklich -bewegt wurden. Das Haar war aufgelöst und lag in seinen schweren dunkeln -Locken auf den Schultern. Das Kleid war weiß, der Gürtel eine goldne -Spange. Lange stand Antonio im Anschauen versenkt, endlich, wie von -einer übernatürlichen Gewalt getrieben, faßte er die weiße, schöne Hand, -und wollte die Schläferin gewaltsam emporziehen. Diese stieß einen -klagenden Schrei aus, und erschreckt ließ er den Arm wieder fahren, der -ermüdet in die Kissen sank. Doch war der Traum, so schien es, entflogen, -das Netz des Schlummers, welches das wundersame Bildniß umschlossen -hielt, war zerrissen, und wie Wolken und Nebel sich im leisen -Morgenwinde in wallenden Gestaltungen an den Bergen hinbewegen und -wechselnd auf und nieder sinken, so rührte sich die Schläferin, dehnte -sich wie ohnmächtig, und strebte in langsamen anmuthigen Bewegungen dem -Erwachen entgegen. Die Arme streckten sich empor, so daß die weiten -Aermel zurück fielen und die volle schöne Rundung zeigten, die Hände -falteten sich und sanken dann wieder nieder; das Haupt erhob sich und -der glänzende Nacken richtete sich frei auf, doch waren die Augen immer -noch geschlossen, die Locken fielen schwarz in das Gesicht hinein, doch -strichen die feinen langen Finger sie zurück; ganz aufrecht sitzend -kreuzte die Schöne nun die Arme über die Brust, stieß einen schweren -Seufzer aus und plötzlich standen die großen Augen weit offen und -glänzend. - -Sie betrachtete den Jüngling, als sähe sie ihn nicht, sie schüttelte das -Haupt und ergriff jetzt die goldne Quaste, die über ihr am Bette -befestigt war, richtete sich kräftig auf, und auf den Füßen stand jetzt -in der purpurnen Umhüllung hoch aufgerichtet die große schlanke Gestalt, -sie schritt dann sicher und fest vom Lager herunter, ging auf Antonio, -der zurück gewichen war, einige Schritte zu, und mit einem kindischen -Ausruf der Ueberraschung, wie wenn Kinder sich plötzlich über ein neues -Spielzeug erfreuen, legte sie ihm die Hand auf die Schulter, lächelte -ihn holdselig an und rief mit sanfter Stimme: Antonio! - -Dieser von Furcht, Entsetzen, Freude, Ueberraschung und dem tiefsten -Mitleiden durchdrungen, wußte nicht, ob er fliehen, sie umarmen, zu -ihren Füßen stürzen, oder in Thränen aufgelöst sterben sollte. Das war -derselbe Ton, den er sonst so oft und so gern vernommen hatte, bei dem -sich sein ganzes Herz umwendete. Du lebst? rief er mit einer Stimme, die -sein überschwellendes Gefühl erstickte. - -Das süße Lächeln, das von den blassen Lippen aus über die Wangen bis in -die strahlenden Augen aufgegangen war, zerbrach plötzlich und ging in -einen starren Ausdruck des tiefsten, des unsäglichsten Schmerzes unter. -Antonio konnte den Blick dieser Augen nicht aushalten, er bedeckte mit -den Händen sein Gesicht und schrie: bist Du ein Gespenst? - -Die Erscheinung trat noch näher, drückte mit ihren Händen seine Arme -nieder, so daß sein Antlitz frei wurde, und sagte mit sanft bebender -Stimme: Nein, sieh mich an, ich bin nicht todt, und lebe doch nicht. -Reich' mir die Schaale dort. - -Eine duftende Flüssigkeit schwebte in dem kristallenen Gefäß, er reichte -es ihr zitternd, sie setzte es an den Mund und schlürfte den Trank in -langsamen Zügen. Ach, mein armer Antonio! sagte sie dann, ich will nur -diese irdischen Kräfte erborgen, um Dir den ungeheuersten Frevel kund zu -thun, um Hülfe von Dir zu erflehen, um Dich zu vermögen, mir zu der Ruhe -zu verhelfen, nach welcher sich alle meine Gefühle so inbrünstig sehnen. - -Sie war wieder in den Armstuhl gesunken, und Antonio saß zu ihren Füßen. -Höllische Künste, fing sie wieder an, haben mich scheinbar vom Tode -erweckt. Derselbe Mann, den meine unerfahrene Jugend wie einen Apostel -verehrte, ist ein Geist des Abgrunds. Er gab mir den Schatten dieses -Lebens. Er liebt mich, wie er sagt. Wie schauderte mein Gefühl vor ihm -zurück, als ihn mein erwachendes Auge erkannte. Ich schlummere, ich -athme, ich kann ganz, wenn ich will, zum Leben wieder genesen, so hat es -mir der Böse verheißen, wenn ich mich ihm mit ganzem Herzen ergebe, wenn -er, in geheimer Verborgenheit, mein Gatte werden darf. -- O Antonio, wie -schwer wird mir jedes Wort, jeder Gedanke. Alle seine Kunst zerbricht an -meiner Sehnsucht zum Tode. Das war fürchterlich, als mein Geist, schon -in der Ruhe, schon in der Entwickelung neuer Anschauungen, aus dem -stillen Frieden so gräßlich zurückgerissen wurde. Mein Leib war mir -schon fremd, feindlich und verhaßt worden. Zurück kam ich, wie der -befreite Sklave zu Ketten und Gefängniß. Hilf mir, Treuer, rette mich. - -Wie? sagte Antonio: Gott im Himmel! was erleb' ich? Wie muß ich Dich -wieder finden? Und Du kannst, Du darfst nicht ganz zum Leben -zurückkehren? Du kannst nicht mir und Deinen Eltern wieder angehören? - -Unmöglich! rief Crescentia mit einem ängstlichen Ton, und ihre Blässe -wurde vor Entsetzen noch bleicher. Ach! das Leben! Wie kann der es -wieder suchen, der schon davon gelöst war? Du Armer fassest die tiefe -Sehnsucht nicht, die Liebe, das Entzücken, womit ich den Tod denke und -wünsche. Noch inniger, wie ich Dich ehemals liebte, noch brünstiger, wie -meine Lippen am Osterfeste nach der heiligen Hostie schmachteten, ist -mein Wunsch zu ihm. Dann liebe ich Dich freier und inniger in Gott. Dann -bin ich meinen Eltern wiedergegeben. Dann leb' ich, sonst war ich -gestorben, jetzt bin ich Nebel und Schatten, mir und Dir ein Räthsel. -Ach, wenn Deine Liebe und unsre Jugend in mein jetziges Dasein hinein -schien, wenn ich von oben herab die wohlbekannte Nachtigall hier in -meiner Einsamkeit schlagen hörte, welch süßes Grauen, welche finstre -Freude und Angst rieselte dann durch die Dämmerung meines Wesens. O hilf -mir los von der Kette. - -Was kann ich für Dich thun? fragte Antonio. - -Die Reden hatten wieder die Kraft der Erscheinung gebrochen: sie ruhte -eine Weile mit geschlossenen Augenliedern, dann sagte sie matt: Ach! -wenn ich eine Kirche betreten könnte, wenn ich zugegen wäre, indem der -Herr im Sakrament erhoben wird und der Gemeinde erscheint, dann würde -ich in diesem seligen Augenblicke vor Entzücken sterben. - -Was hindert mich, sprach Antonio, den Bösewicht anzugeben, ihn den -Gerichten und der Inquisition zu überliefern? - -Nein! nein! nein! ächzte das Bildniß in der höchsten Angst: Du kennst -ihn nicht, er ist zu mächtig, er würde entfliehn und mich wieder mit -sich in den Kreis seiner Bosheit reißen. Stille, ruhig nur kann es -gelingen, wenn er sicher ist. Ein Zufall hat Dich zu mir geführt. Du -mußt ihn ganz sicher machen, alles verschweigen. - -Der Jüngling sammelte seine Sinne, er sprach viel mit seiner vormaligen -Braut, ihr ward das Reden immer schwerer, die Augen fielen ihr zu, sie -trank noch einmal von dem Wundertrank, dann ließ sie sich nach dem Lager -führen. Lebe wohl, rief sie schon wie träumend, vergiß mich nicht. -- -Sie bestieg das Bett, legte sich ruhig nieder, die Hände suchten das -Crucifix, das sie mit geschlossenen Augen küßte, dann reichte sie dem -Liebenden die Hand, und winkte ihn hinweg, indem sie sich zum Schlummer -hinstreckte. Antonio betrachtete sie noch, dann ließ er die Feder die -unsichtbare Thür wieder einfugen, schlich die enge Wendeltreppe bis zu -seinem Gemache wieder hinan, stellte den Schrank an seine vorige Stelle, -und brach in heiße Thränen aus, als ihn der Gesang der Nachtigall mit -seinen schwellenden Klagetönen bewillkommte. Auch er sehnte sich nach -dem Tode, und wünschte nur vorher diejenige, die noch vor wenigen Wochen -seine irdische Braut gewesen war, von ihrem wundersamen schrecklichen -Zustande zu erlösen. - - * * * * * - -Um seinem Lehrer auszuweichen, wenn er von seiner Reise zurück käme, -hatte Antonio die Schritte nach der einsamsten Stelle des Waldes -gelenkt. Es war ihm ungelegen, daß ihm hier sein Freund, der Spanier, -begegnete, denn er war nicht gestimmt, ein Gespräch zu führen. Doch -konnte er dem Gespielen nicht mehr ausweichen, und so ergab er sich in -stiller Trauer der Gesellschaft, die ihm sonst erfreulich und tröstend -gewesen war. Nur halb hörte er auf dessen Reden, und erwiederte nur -sparsam. Wie fast immer war wieder Pietro der Gegenstand von Alfonso's -ungemessener Bewunderung. Warum seid Ihr heut so karglaut? fing er -endlich verdrüßlich an: ist Euch meine Gesellschaft zuwider, oder seid -Ihr nicht mehr wie sonst fähig, unsern erhabenen Lehrer zu verehren, und -ihm den Preis zu geben, den er verdient? - -Antonio mußte sich sammeln, um nicht ganz in seinen träumenden Zustand -zu versinken. Was ist Euch? fragte Alfonso wieder, es scheint, daß ich -Euch beleidigt habe. -- Ihr habt es nicht, rief der Florentiner, aber -wenn Ihr mich irgend liebt, wenn Ihr nicht meinen Zorn erregen wollt, -wenn nicht die bittersten Gefühle mein Herz zerreißen sollen, so -unterlaßt heut das Lobpreisen Eures vergötterten Pietro. Sprechen wir -von andern Gegenständen. - -Ha! bei Gott! rief Alfonso aus, die Pfaffen haben Euch doch noch den -schwachen Sinn umgewendet. Geht nur fernerhin Eures Weges, junger -Mensch, denn die Weisheit, das seh' ich nun wohl ein, ist Euch ein zu -erhabenes Gut. Euer Kopf ist dieser Kost zu schwach, und Ihr sehnt Euch -wieder nach den Kinderspeisen Eurer ehemaligen Seelenwärter. Bleibt nur -bei diesen so lange, bis Euch die Milchzähne ausgefallen sind. - -Ihr sprecht übermüthig, rief Antonio erzürnt, oder vielmehr wißt Ihr gar -nicht, was Ihr sagt, und ich verdiene das nicht um Euch. - -Wodurch verdient es unser Lehrer, sagte der Spanier eifrig, der Euch wie -ein Vater aufgenommen hat, der Euch vor allen Jünglingen dieser -Universität so hoch würdiget, daß Ihr in seinem Hause wohnen dürft, der -Euch sein innigstes Vertrauen schenkt, wodurch hat dieser es -verschuldet, daß Ihr ihn so kleinmüthig verleugnet? - -Wenn ich nun antworte, sprach Antonio zornig, daß Ihr ihn nicht kennt, -daß ich Ursache, und die vollständigste habe, anders von ihm zu denken, -so würdet Ihr mich wieder nicht verstehn. - -Ihr seid wohl schon, sagte Alfonso höhnisch, so hoch in seine geheime -Philosophie hinein gestiegen, daß der gewöhnliche, unbegünstigte -Erdensohn Euch nicht zu folgen vermag? Wieder zeigt es sich, daß das -halbe und Viertel-Verdienst sich am höchsten aufbläht. Pietro Abano ist -demüthiger, als Ihr, seine schwächliche Copie. - -Ihr seid ungezogen, rief der junge Florentiner in der höchsten -Erbitterung aus. Wenn ich Euch nun bei meiner Ehre, bei meinem Glauben, -beim Himmel und bei allem, was mir und Euch heilig und ehrenwerth seyn -muß, versichere, daß es in ganz Italien, in Europa, keinen so argen -Bösewicht, keinen so verruchten Heuchler giebt als diesen -- - -Wen? schrie Alfonso. - -Pietro Abano, sagte Antonio gemäßigt: was würdet Ihr dann sagen? - -Nichts, rief jener wüthend, der ihn nicht hatte endigen lassen, als daß -Ihr und jedermann, der dergleichen zu sprechen wagt, der nichtswürdigste -Schurke sei, der je das Heilige zu lästern sich erfrechte. Zieht, wenn -Ihr nicht eine eben so verächtliche Memme, als ein niederträchtiger -Verleumder heißen wollt. - -Das gezogene Eisen begegnete dem Ausfordernden schon eben so schnell, -und es half nichts, daß ihnen eine heisere ängstliche Stimme: Halt! -zurief. Alfonso war in der Brust verwundet, und zu gleicher Zeit rann -Blut aus dem Arm Antonio's. Der alte Priester, der die Erbitterten hatte -trennen wollen, eilte nun herbei, er verband die Wunden und stillte das -Blut, darauf rief er andere Studirende herzu, die er in der Nähe schon -gesehen hatte, die den ermatteten Alfonso nach der Stadt führen sollten. -Ehe sich dieser entfernte, ging Antonio noch einmal zu ihm, und raunte -ihm ins Ohr: wenn Ihr ein Edelmann seid, so kommt von der Ursache unsers -Zwistes kein Wort über Eure Lippen. In vier Tagen sprechen wir uns -wieder, und wenn Ihr dann nicht meiner Ueberzeugung seid, bin ich zu -jeder Genugthuung erbötig. - -Alfonso versprach feierlich, auch alle Umstehenden versicherten, daß die -Wunde so wie das Gefecht selbst verschwiegen bleiben sollten, um den -jungen Florentiner keiner Gefahr auszusetzen. Als sich alle entfernt -hatten, ging Antonio mit dem Priester Theodor tiefer in den Wald. Warum, -fing dieser an, wollt Ihr Euch, eines Verdammten wegen, selber der Hölle -überliefern? Ich sehe, daß Ihr jetzt anderer Meinung seid; aber ist das -Schwert wohl der Redner, der andre bekehren darf? -- Antonio war -ungewiß, in wie weit er sich dem Mönche entdecken sollte, doch -verschwieg er ihm noch die wunderbare Begebenheit, welche er erlebt -hatte, und bedung sich nur die Erlaubniß aus, bei dem nahe -bevorstehenden Osterfeste, während des Hochamtes, durch die Sakristei in -der Nähe des Altars zum großen Tempel eingehen zu dürfen. Nach einigen -Einwürfen gab Theodor nach, ob er gleich nicht begriff, was der Jüngling -mit dieser Erlaubniß bezwecken könne. Ich will einen Gast so in die -Kirche einführen, sagte dieser nur noch, dem man am großen Thor den -Eingang vielleicht versagen würde. - - * * * * * - -Alle Glocken der Stadt läuteten, um das heilige Osterfest in Freuden und -Andacht zu begehn. Das Volk strömte nach dem Dom, um das froheste -christliche Fest zu feiern, und auch den berühmten Apone in seiner neuen -Würde zu erblicken. Die Studirenden begleiteten ihren berühmten Lehrer, -der vom Adel, dem Rath und der Bürgerschaft ehrfurchtvoll begrüßt in -anscheinender Frömmigkeit und Demuth dahin wandelte, Allen ein Beispiel, -der Stolz der Stadt, das begeisternde Vorbild der Jugend. An der Thür -des Tempels wich das Gedränge in scheuer Verehrung zurück, um dem -Gefeierten Platz zu machen, der in der Tracht des Prälaten, mit der -goldenen Kette geschmückt, im weißen Bart und lockigen Haupthaar einem -Kaiser oder einem alten Lehrer der Kirche in seinem majestätischen -Anstande zu vergleichen war. - -In der Nähe des Altars war dem berühmten Manne ein erhobener Sitz -zubereitet, daß Schüler und Volk ihn sehn konnten, und als die Menge der -Andächtigen in den Tempel hereingeströmt war, begann das Hochamt. -Theodor, der kleine Priester, las an diesem Tage die Messe, und Jung und -Alt, Vornehm und Geringe war in Freudigkeit, das Fest der Auferstehung -des Herrn würdig zu begehn, den wiederkehrenden Glanz zu schauen, und -sich nach den Tagen der strengen Fasten, nach den betrübenden -Vorstellungen der Leiden und des Schmerzes an dem Gefühl des wieder -erwachten Lebens zu trösten. - -Schon war der erste Theil des Gottesdienstes geendigt, da sah man mit -Erstaunen an der Seite des Altars Antonio Cavalcanti in die Kirche -treten, der eine dicht verschleierte Figur an seiner Hand führte. Er -stellte diese auf die Erhöhung, dem Pietro dicht gegenüber, und warf -sich dann betend am Altare nieder. Die Verschleierte stand starr und -hoch da, und man sah unter der Verhüllung die brennend schwarzen Augen. -Pietro erhob sich vom Sessel, und sank bleich und zitternd in denselben -zurück. Die Musik der Messe strömte und wogte in volleren Accorden, -jetzt wickelte sich die Verhüllte langsam aus ihren Schleiern, das -Antlitz war frei, und die Nächsten erkannten mit Entsetzen die -gestorbene Crescentia. Ein Schauder ging durch die ganze Kirche, auch -die Fernsten faßte ein heimliches Grauen, das todtenbleiche Bild so hoch -dort stehn zu sehn, das so andächtig betete und die großen feurigen -Augen nicht vom Priester am Altar verwendete. Auch der große mächtige -Pietro schien in eine Leiche verwandelt, man hätte ihn den entstellten -Zügen nach für todt halten können, wenn sich sein Leben nicht im -heftigen Zittern verrathen hätte. Nun wendete sich der Priester, und -erhob die geweihte Hostie, Trompeten verkündigten die erneute Gegenwart -des Herrn, und mit einem Jubelton, mit hochentzücktem Antlitz, die Arme -weit ausgebreitet, indem sie laut Hosiannah! rief, daß die Kirche -wiedertönte, brach nun die bleiche Erscheinung zusammen, und lag todt, -starr und bewegungslos zu Pietro's Füßen hingestürzt. Das Volk lief -hinzu, die Musik verstummte, Fragen, Verwundern, Entsetzen und Schreck -sprach und forschte aus jeder Miene, der Adel und die Studirenden -wollten den ehrwürdigen Greis, der so tief erschüttert schien, trösten -und unterstützen, als Antonio mit gellendem Tone: Zeter! Zeter! schrie, -und die furchtbarste Anklage, die schrecklichste Erzählung begann, die -höllische Kunst, die verworfene Magie des zagenden Sünders aufdeckte, -von sich und Crescentia und ihrem schaudervollen Wiederfinden sprach, so -daß Zorn, Wuth, Verwünschung, Abscheu und Fluch, wie ein stürmendes -Meer, um den Geängsteten tobte und ihn zu vernichten, im Wahnsinn des -Grimmes zu zerreißen drohte. Man sprach von Schergen und Fesseln, die -Inquisitoren nahten, als sich Pietro wie rasend erhub, mit geballten -Fäusten um sich stieß und schlug, und riesenhaft sich auszudehnen -schien. Er trat zu Crescentia's Leichnam, der lächelnd wie das Bild -einer Heiligen dalag, betrachtete sie noch einmal, und ging dann -brüllend und mit funkelnden Augen durch die Menge. Ein neues Entsetzen -ergriff das Volk, man machte dem Ungeheuren Platz, alles wich zurück. So -kam Pietro auf die freie Straße, doch nun besann sich der Pöbel, und mit -Geschrei, Verfluchung und Schimpfreden verfolgte er den Fliehenden, der -in Eil dahin rannte, indem sein Talar ihm weit nachflog, und die goldne -Kette schallend auf Brust und Schultern schlug. Das Gesindel grub die -Steine aus dem Boden und warf nach ihm, da es ihn nicht einholen konnte, -und verwundet, blutend, triefend von Schweiß, die Zähne klappend vor -Angst erreichte Pietro endlich die Schwelle seines Hauses. - -Er verbarg sich in den innersten Gemächern, und der neugierige Beresynth -trat fragend und forschend dem Pöbel und dem Andrang des Volkes -entgegen. Nehmt die Teufelslarve, den Famulus, schrieen alle, zerreißt -den Gottvergessenen, der nie eine Kirche besucht hat! Er wurde in die -Straße geführt und gestoßen, auf seine Fragen, Bitten, auf sein Heulen -und Schreien ward ihm keine Antwort, auch vernahm man in dem stürmenden -Getümmel nichts anders als Flüche und Todesdrohung. Bringt mich ins -Verhör! schrie endlich der Zwerg, da wird meine Unschuld offenbar -werden! Die herbeigerufenen Schergen ergriffen ihn, und führten ihn nach -dem Gefängniß. Alles Volk drängte sich nach. Hier hinein! rief der -Anführer der Häscher, Ketten und Holzstoß warten Deiner. Er wollte sich -losreißen, die Schergen packten ihn und stießen ihn hin und her, der -faßte ihn am Kragen, jener am Arm, der hing sich an sein Bein, um ihn -fest zu halten, ein anderer packte den Kopf, um seiner gewiß zu werden. -Indem sie ihn so unter Geschrei, Fluchen und Lachen hin und wieder -zerrten, fuhren alle plötzlich auseinander, denn jeder hatte nur ein -Kleidungsstück, Aermel, Mütze oder Schuh des Mißgeschaffenen, er selbst -war nirgend zu sehn. Entflohen konnte er nicht seyn, er schien -verschwunden, doch keiner begriff wie. - -Als man Apone's Zimmer erbrochen hatte, fanden ihn die Eindringenden -todt und verblutet auf seinem Bette liegen. Man plünderte das Haus, die -magischen Instrumente, die Bücher, der seltsame Hausrath, alles wurde -den Flammen übergeben, und durch die ganze Stadt erscholl nichts als -Verfluchung des Mannes, den gestern noch alle wie einen Abgesandten der -Gottheit verehrt hatten. Der Abscheu, mit welchem sie sich von dem -Trugbild wendeten, war nun um so größer. - - * * * * * - -Als sich das Getümmel des aufgeregten Volkes etwas beruhigt hatte, wurde -der Leichnam Pietro's still in der Nacht, außerhalb des geweihten -Kirchhofes, beigesetzt. Antonio und Alfonso versöhnten sich wieder, und -schlossen sich dem frommen Theodor an, der zum zweitenmal, mit -Feierlichkeit und einer andächtigen Rede, den Leichnam der schönen -Crescentia in die ihr bestimmte Gruft legen ließ. Antonio konnte nun -nicht länger in Padua bleiben, er wollte seine Vaterstadt wieder -besuchen, um seine Angelegenheiten zu ordnen, und sich dann vielleicht -in einem Kloster aufnehmen zu lassen. Alfonso faßte den Entschluß, nach -Rom zu wallfahrten, wohin der heilige Vater ein Jubeljahr und Ablaß von -Sünden ausgeschrieben hatte. Nicht nur in Italien regte sich alles, -sondern auch aus Frankreich, Deutschland und Spanien kamen viele Züge -von Pilgrimmen an, um diese bis dahin unerhörte Feierlichkeit, dieses -große Kirchenfest in der heiligen Stadt zu begehn. - -Nachdem die Freunde sich getrennt hatten, verfolgte Antonio seine -einsame Bahn, denn er vermied die große Straße, theils um seiner -Schwermuth desto ungestörter nachhängen zu können, theils um die -Schwärme zu vermeiden, die sich auf dem großen Wege drängten, und in den -Nachtlagern beschwerlich fielen. - -So seiner Laune folgend, streifte er durch die Fluren und die Thäler des -Apennins. Einst ging die Sonne unter, und keine Herberge wollte sich -zeigen. Indem die Schatten dichter wuchsen, hörte er seitwärts im Walde -das Glöcklein eines Einsiedlers schallen. Er ging dem Tone nach und -gelangte, als die Dunkelheit der Nacht schon hereingebrochen war, an die -kleine Hütte, zu welcher ein schmaler Steg von Brettern über den Bach in -das Buschwerk hinein führte. Er fand einen alten gebrechlichen Greis in -tiefster Andacht vor einem Crucifixe betend. Der Einsiedler nahm den -Jüngling, der ihn freundlich begrüßte, mit Wohlwollen auf, bereitete ihm -im Felsen, der durch eine Thür von der Einsiedelei getrennt war, ein -Lager auf Moos, und setzte ihm von seinen Früchten, Wasser und etwas -Wein vor. Als Antonio erquickt war, erfreute er sich am Gespräche des -Mönchs, der früher in der Welt gelebt und als Soldat manchen Feldzug -mitgemacht hatte. So war es tiefe Nacht geworden, und der Jüngling begab -sich zur Ruhe, indem ein anderer kranker und schwacher Mönch hereintrat, -der mit dem Einsiedler in Gebeten die Nacht zubringen wollte. - -Als Antonio eine Stunde geruht hatte, fuhr er plötzlich aus dem Schlafe -auf. Ihm dünkte, er vernähme laute Stimmen und Streit. Er richtete sich -empor, und es blieb ihm über das Gezänk und den Wortwechsel kein Zweifel -übrig. Auch die Töne schienen ihm bekannt, und er fragte sich selber, ob -er nicht träume. Er näherte sich der Thüre und entdeckte eine Spalte, -durch welche er in den vordern Raum schauen konnte. Wie erstaunte er, -als er Pietro Abano gewahr wurde, den er für gestorben halten mußte, der -mit zornigen Augen und rothem Antlitz laut sprach und sich in heftigen -Geberden bewegte. Ihm gegenüber stand die Fratze des kleinen Beresynth. -Also Euren Verfolger, rief dieser mit krächzender Stimme, der Euch -unglücklich gemacht, den verliebten frommen Narren, habt Ihr hier in -Eurem Hause? der ist von selbst, wie ein Kaninchen, zu Euch in die Grube -gefallen? Und Ihr zögert noch, ihn abzuschlachten? -- Schweig, rief die -große Figur, ich habe mich schon mit meinen Geistern berathen, sie -wollen nicht einwilligen, ich kann ihm nichts anhaben, denn er ist in -keiner Sünde befangen. -- So schlagt ihn, sagte der Kleine, ohne Eure -Geister, mit Euren eigenen huldreichen Händen todt, so wird ihm seine -Tugend und Sündenlosigkeit nicht viel helfen, und ich müßte ein elender -Diener seyn, wenn ich Euch in so löblicher That nicht beistehen sollte. --- So laß uns, rief Pietro, an das Werk gehn, nimm den Hammer Du, ich -führe das Beil, jetzt schläft er fest. -- Sie näherten sich der Thür, -doch Antonio riß diese auf, um den Bösewichtern muthig entgegen zu -treten. Er hatte sein Schwert gezogen, aber er blieb wie eine Bildsäule, -mit aufgehobenem Arme stehn, als er zwei kranke, gebrechliche Einsiedler -auf den Knieen vor dem Kreuze liegend fand, die ihre Gebete murmelten. -Wollt Ihr etwas? fragte ihn sein Wirth, der sich mühsam vom Boden erhob. -Antonio konnte verwundert keine Antwort geben. Warum das Schwert? fragte -der gebückte, schwache Eremit; wozu diese feindlichen Blicke? Antonio -zog sich zurück mit der Entschuldigung, daß ihn ein böser Traum -erschreckt und geängstigt habe. Er konnte nicht wieder einschlafen, so -verstört waren seine Sinne. Da vernahm er wieder deutlich Beresynths -krähende Stimme, und Pietro sagte mit vollem klaren Tone: laß ab, denn -Du siehst, er ist bewaffnet und gewarnt, er wird sich dem Schlafe nicht -von neuem überlassen. -- Wir müssen ihn überwältigen! schrie der Kleine, -da er uns nun wieder erkannt hat, sind wir ja auf alle Weise verloren! -Der Knecht giebt uns morgen der Inquisition an, und das Volk ist auch -dann gleich mit dem Verbrennen bei der Hand. - -Durch die zerrissene Thür erkannte er die beiden Zauberer. Er stürzte -wieder mit gezogenem Schwerte hinein, und fand wieder zwei kranke Alte, -im Gebete flehend, am Boden liegen. Erbittert über die Truggestalten -ergriff er sie in seine Arme, und rang kräftig mit ihnen, sie wehrten -sich verzweifelnd, bald war es Pietro, bald der Eremit, bald das -Gespenst Beresynth, bald ein kranker Greis. Unter Geschrei, Toben, -Fluchen und Wehklagen gelang es ihm endlich, sie aus der Zelle zu -werfen, die er dann fest verriegelte. Nun hörte er draußen Gewinsel, -Bitten und Aechzen, dazwischen ein Flüstern von vielen Stimmen, Gesang -und Geheul, nachher schien Regen und Sturm sich aufzumachen und ein -fernes Gewitter grollte zwischen das mannigfache Getöse. Betäubt schlief -endlich Antonio, auf sein Schwert gelehnt, vor dem Crucifixe ruhend ein, -und als ihn der kalte Morgenwind erweckte, fand er sich auf der höchsten -Spitze einer schmalen Klippe, mitten im dicken Walde wieder, und -glaubte, hinter sich ein Hohngelächter zu vernehmen. Nur mit -Lebensgefahr gelang es ihm, von der schroffen Höhe hinab zu klimmen, -indem er die Kleider zerriß und Antlitz und Hand und Fuß verwundete. -Mühselig mußte er durch die Wälder irren, kein Mensch war zu errufen, -keine Hütte, so oft er auch die Anhöhe bestieg, weit umher zu entdecken. -Erst in der Nacht traf er, von Müdigkeit, Hunger und Erschöpfung -aufgelöst, auf einen alten Köhler, der ihn in seiner kleinen Hütte -erquickte. Er erfuhr, daß er von jener Einsiedelei, die er gestern -getroffen hatte, wohl zwölf Meilen und mehr entfernt sei. Erst spät am -folgenden Tage konnte er, etwas gestärkt und ermuntert, seine Reise nach -Florenz wieder fortsetzen. - - * * * * * - -Antonio hatte sich nach Florenz begeben, um seine Verwandten und sein -väterliches Haus wieder zu besuchen. Er konnte sich nicht entscheiden, -welchen Lebenslauf er beginnen sollte, da ihm alles Glück des Daseins so -treulos geworden war, da sich die Wirklichkeit ihm nur als ein wilder -Traum erwiesen hatte. Er ordnete seine Angelegenheiten und ergab sich in -dem großen väterlichen Palaste dem Gram, um in jener Grotte, in den -wohlbekannten Zimmern sein Unglück und das seiner Eltern sich recht -lebhaft zu vergegenwärtigen. Er gedachte jener scheußlichen Hexe, die in -sein Verhängniß verflochten, und jener Crescentia, die ihm eben so -wunderbar wie seine Braut erschienen und wieder verschwunden war. Hätte -er nur irgend eine Hoffnung fassen können, so wäre es ihm möglich -gewesen, sich mit dem Leben wieder auszusöhnen. Endlich ging ihm der -Wunsch, wie ein blasser Stern, in seiner Seele auf, nach Rom zu -wallfahrten, welches er noch nicht kannte, dort an den Gnaden der -Gläubigen Theil zu nehmen, die berühmten Kirchen und Heiligthümer zu -besuchen, sich in der wogenden Volksmenge, in dem Gedränge der -unzähligen Fremden, die aus allen Theilen der Erde dorthin zogen, zu -zerstreuen, und seinen Freund Alfonso auszuforschen. Er vermuthete auch, -den alten Ambrosio in der großen Stadt anzutreffen, sich von diesem -Leidenden, der ihm Vater hatte werden wollen, trösten zu lassen, und dem -Bekümmerten wohl auch Trost gewähren zu können. Mit diesen Gesinnungen -und Erwartungen machte er sich auf den Weg und langte nach einiger Zeit -in Rom an. - -Er erstaunte, als er in die große Stadt eintrat. So hatte er sich ihre -Macht, ihre Denkmäler, und das Getümmel der unzähligen Fremden nicht -vorgestellt. Hier war es ein Wunder zu nennen, einen Freund oder -Bekannten aufzufinden, wenn man seine Wohnung nicht schon genau -bezeichnen konnte. Und doch begegnete ihm dieser wunderbare Zufall, daß -er den Ambrosio plötzlich antraf, indem er das Kapitol hinaufsteigen -wollte, von welchem der Alte niederschritt. Der Podesta nahm ihn -sogleich mit in seine Wohnung, in welcher Antonio die trauernde Mutter -begrüßte. Der Ruf von dem seltsamen Ende Pietro's, von der -Wiederbelebung Crescentia's und ihrem Hinscheiden war schon bis Rom -erschollen, diese wunderbare Geschichte war im Munde aller Pilger, -entstellt, mit verworrenen Zusätzen und Widersprüchen, von der -oftmaligen Wiederholung bis zu ihrem eigenen Gegentheil ausgebildet. Die -Eltern hörten mit Freude und Schmerz die Begebenheit aus Antonio's -Munde, so furchtbar das Entsetzen auch beide, vorzüglich die Mutter, -ergriff, die mit Abscheu den alten scheinheiligen Magier verwünschte, -von dem sie in ihrer Erbitterung selbst zu glauben schien, daß er den -Tod ihrer Tochter, vielleicht sogar von der Familie Markoni erkauft, -herbeigeführt habe, um die Leiche nur wieder zu seinem wahnsinnigen -Frevel erwecken zu können. - -Ueberlassen wir, sagte der Alte, alles dem Himmel; was geschah und -stadt- und landkundig wurde, ist erschrecklich genug, um nicht andere, -die doch vielleicht unschuldig sind, in diese ungeheure Bosheit zu -verwickeln. Mag es sich mit den Markonis verhalten, wie es wolle, so bin -ich wenigstens dahin entschlossen, ihnen das Erbe meines Vermögens zu -entziehen. Durch meine Beschützer hier werde ich es möglich machen, -meine Besitzungen Klöstern oder frommen Stiftungen zu übertragen, und -mein Lebensüberdruß bewegt mich vielleicht, selbst als Mönch oder -Klausner mein Leben zu enden. - -Wie aber, wandte die Mutter mit Thränen ein, wenn es doch noch möglich -wäre, jene zweite Crescentia, von der uns Antonio erzählt hat, wieder -aufzufinden? Das Kind wurde mir in Deiner Abwesenheit auf eine -unbegreifliche Art geraubt, jene Hexe, die die Markonis in jener Nacht -genannt hat, die Aehnlichkeit, alles, alles trifft ja so seltsam -überein, daß wir die Hoffnung, das allerhöchste Gut des Lebens, nicht zu -früh, nicht übereilt aus Verzweiflung aufgeben sollen. - -Gute Eudoxia, sagte der Vater, laß, laß alle jene Träume, Sagen und -Einbildungen fahren, für uns ist auf dieser Erde nichts mehr gewiß, als -der Tod, und daß dieser fromm und sanft sei, müssen wir wünschen und vom -Himmel erflehen. - -Und wenn nun nachher, und zu spät, rief die Mutter aus, unser armes -verwaistes Kind sich wieder finden sollte, dürfte uns die Unglückselige -nicht mit Recht schelten, daß wir der Barmherzigkeit des Himmels nicht -vertraut, und ihr Wiederkommen mit etwas mehr Ruhe und Geduld abgewartet -haben? - -Ambrosio warf einen finstern Blick auf den Jüngling und sagte dann: es -gehört noch zur Vergrößerung unsers Elends, daß Ihr die Arme mit Euren -kranken Einbildungen angesteckt, und ihr dadurch die letzte Ruhe des -Lebens geraubt habt. - -Wie meint Ihr das? fragte Antonio. - -Junger Mann, antwortete der Vater, schon seit jenem Ritt durch Feld und -Wald, wo Ihr mir jenes Mährchen aufgeheftet, das Euch in der vorigen -Nacht begegnet seyn sollte -- - -Herr Ambrosio! rief Antonio, und seine Hand fiel unwillkührlich auf sein -Schwert. - -Laßt das, fuhr der Alte gelassen fort, fern sei es von mir, Euch einer -Lüge bezüchtigen zu wollen, ich kenne ja seit lange Euren Edelmuth, wie -Eure Wahrheitsliebe. Aber ist es Euch denn nicht, armer Jüngling, ohne -meine Erinnerung beigefallen, daß seit jener Nacht, als Ihr dem Sarge -meiner Tochter begegnetet, die Ihr am folgenden Tage als Braut -heimzuführen gedachtet, Eure Sinne in Unordnung gerathen sind, Eure -Vernunft geschwächt ist? In der einsamen Nacht, im Gewitter, in -aufgeregter Leidenschaft, glaubtet Ihr die Gestorbene wieder zu sehen, -daran knüpfte sich die Erinnerung an Euren unglücklichen Vater, an Eure -früh gestorbene Mutter. So entstanden Euch jene Gebilde, und setzten -sich in Eurem Gehirn fest. Fanden wir denn wohl eine Spur jener Hütte? -Wußte uns irgend ein Mensch in der Umgegend von jenen getödteten -Bewohnern zu sagen? Jenes furchtbare Erscheinen meiner wahren Tochter, -an welches ich wohl glauben muß, ist allein hinreichend, auch das -kälteste Gefühl bis zum Wahnsinn zu treiben, und soll ich mich nun -verwundern, wenn Ihr wieder etwas Unmögliches erlebt haben wollt, daß -Ihr im Gebirge den gestorbenen Pietro wiedergefunden, und ihn nicht -erkannt habt, daß jenes fast lächerliche Gaukelspiel mit Euch -vorgenommen sei, das Ihr uns eben so bestimmt erzählt habt? Nein, junger -Freund, Gram und Schmerz haben Euren gesunden Sinn zerrüttet, daß Ihr -nun Dinge seht und glaubt, die nicht in der Wirklichkeit sind. - -Antonio war verlegen und wußte nicht, was er antworten sollte. Wie sehr -ihn der Verlust seiner Geliebten in allen seinen Seelenkräften -erschüttert hatte, so war er sich doch der erlebten Begebenheiten zu -deutlich bewußt, um sie auf diese Weise in Zweifel ziehen zu können. Er -fühlte einen neuen Trieb zur Thätigkeit, er wünschte wenigstens darthun -zu können, daß die Geschichte jener Nacht kein Traumbild, daß jene -zweite Crescentia ein wirkliches Wesen sei, und darum war es sein -lebhaftester Wunsch, sie wiederzufinden, um sie den trauernden Eltern -zurück zu geben, oder Ambrosio wenigstens beschämen zu können. In dieser -Stimmung verließ er den alten Freund, und streifte durch die Stadt, -allenthalben vom Gewühl des Volks gedrängt und vom mannigfaltigen -Geschrei, Fragen und Erzählen in allen Sprachen betäubt. So war er von -den Massen geschoben und gestoßen bis zum Lateran fortgetrieben worden, -als er ganz deutlich, aber fern, so wie sich zu Zeiten das Gewühl etwas -öffnete, jene häßliche Alte wahrzunehmen glaubte, die Mutter des schönen -Mädchens, die ebenfalls Crescentia genannt wurde. Er strebte nun in ihre -Nähe zu kommen, und es schien ihm schon zu gelingen, als ein -entgegenströmender Zug von Pilgern ihn wieder völlig von jener -Erscheinung abschnitt, und alles weitere Vordringen unmöglich machte. -Indem er am heftigsten kämpfte und sich auf die Stufen des Tempels des -heiligen Johannes empor arbeitete, um weiter um sich sehn zu können, -fühlte er einen freundlichen Schlag einer Hand auf seiner Schulter, und -eine bekannte Stimme nannte seinen Namen. Es war der Spanier Alfonso. So -finde ich Dich also genau an der Stelle, sagte er freudig, wo ich Dich -zu finden hoffte? - -Wie meinst Du das? fragte Antonio. - -Laß uns nur aus dem Gedränge und dieser Strömung kommen, rief jener, -hier vernimmt man vor tausendfältigem Sprechen, und vor dem Gesumme der -ungeheuren babylonischen Verwirrung kein Wort. - -Sie begaben sich in das Gefilde, und hier eröffnete ihm Alfonso, daß, -seitdem er sich in Rom befinde, er sich der Wissenschaft der Astrologie, -der Wahrsagekunst und ähnlichen Dingen ergeben habe, die er vormals -gehaßt, weil er der Ueberzeugung gewesen, sie könnten nur durch -verdammliche Mittel und Hülfe der bösen Geister errungen werden. Seit -ich aber, fuhr er fort, die Bekanntschaft des unvergleichlichen Castalio -gemacht habe, erscheint mir dies Wissen in einem gar höheren und -verklärteren Lichte. - -Ist es möglich, rief Antonio aus, daß nach jener furchtbaren Begebenheit -in Padua Du Deine Seele doch wieder der Gefahr bloß stellen kannst? Dir -leuchtet nicht ein, daß dasjenige, was auf natürlichem Wege und mittelst -der Vernunft zu erreichen steht, nicht der Mühe verlohnt, weil es -geringfügige Künste sind, die nur Scherz und Gelächter veranlassen -können; alles Höhere aber, welches nicht auf leere Täuschung hinausgeht, -allerdings nur durch böse und verdammliche Kräfte aufzuregen ist? - -Eifern, sagte der Spanier, ist kein Beweisen; wir sind noch zu jung, um -unsere Natur ganz zu verstehn, viel weniger die übrige Welt und alle -Geheimnisse zu fassen. Siehst Du den Mann, dem ich so viel zu verdanken -habe, so werden alle Deine Zweifel verschwinden. Fromm, einfach, ja -kindlich, wie er ist, leuchtet uns aus jedem seiner Blicke das schönste -Vertrauen entgegen. - -Und wie war es mit jenem Apone? warf Antonio ein. - -Der, erwiederte der Freund, wollte ja doch wie ein überirdisches Wesen -auftreten, er bestrebte sich mit Kunst und Bewußtsein, als ein -Abgesandter des Himmels zu erscheinen, und mit erkünsteltem Glanz die -gewöhnlichen Söhne der Menschen zu blenden. Er erfreute sich des Pompes, -er ließ sich zwar herab, aber nur, um den ungeheuren Abstand zwischen -ihm und uns noch fühlbarer zu machen. Schwelgte er nicht in der -Bewunderung, die ihm Vornehm und Gering, Jugend und Alter zollen mußten? -Aber mein jetziger Freund (denn das ist er, weil er sich mir ganz gleich -stellt) will nicht groß und erhaben erscheinen, er belächelt dies -Bestreben so vieler Menschen, und meint, schon dies leiste Gewähr, daß -etwas Unächtes, Gebrechliches verhüllt werden solle, denn ein klares -Bewußtsein wolle nur gelten als das, was es sich fühlt, und der größte -der Sterblichen müsse sich ja doch gestehn, daß er eben so, wie der -blödsinnige Bettler auch, nur ein Sohn des Staubes sei. - -Du machst mich begierig, sagte Antonio: er kennt also Zukunft und -Vergangenheit? Die Schicksale der Menschen? Und weiß mir zu sagen, wie -glücklich oder unglücklich noch meine Verhängnisse seyn werden? Ob -gewisse, geheimnißvolle Wünsche sich erfüllen können? Kann er denn -errathen und entziffern, was mir selbst in meiner eigenen Geschichte -undeutlich ist? - -Das eben ist seine Weisheit, sagte Alfonso begeistert, daß er durch -Buchstaben und Zahlen auf die einfachste und unschuldigste Weise alles -erfährt, wozu jene Unglückseligen Beschwörungen, Formeln, Heulen, -Geschrei und Todesangst anwenden müssen. Darum findest Du auch jenen -widerwärtigen Zauberapparat nicht bei ihm: keine Kristalle und -eingesperrte Geister, keine Spiegel und Gerippe, kein Rauchwerk und -keine fratzenhaften Phantome, sondern er ist sich selbst genug. Ich -sagte ihm von Dir, und er fand in seiner Rechnung, daß ich Dich heut, in -dieser Stunde auf den Stufen der Lateranskirche ganz gewiß antreffen -würde. So ist es nun auch in derselben Minute geschehn. - -Antonio wurde begierig, den wunderbegabten Mann kennen zu lernen, und -von ihm sein eigenes Schicksal zu erfahren. Sie speisten in einem Garten -und gingen gegen Abend zur Stadt zurück. Die Straßen waren etwas mehr -beruhigt, sie konnten ungestörter ihren Weg fortsetzen. In der Dämmerung -kamen sie in die Gassen, die sich eng hinter dem Grabmal des Augustus -zogen. Sie schritten durch ein Gärtchen: ein freundliches Licht -schimmerte ihnen aus den Fenstern eines kleinen Hauses entgegen. Sie -zogen die Glocke, die Thür öffnete sich, und mit den sonderbarsten und -gespanntesten Erwartungen trat Antonio mit seinem Freunde in den Saal. - - * * * * * - -Antonio war verwundert, einen schlichten, nicht großen jungen Mann vor -sich zu sehen, der noch, dem Anschein nach, nicht viel über dreißig -Jahre alt seyn konnte. Mit einfacher Geberde begrüßte er den -eintretenden Jüngling wie einen alten Bekannten. Seid mir willkommen, -sprach er mit wohllautender Stimme, Euer spanischer Freund hat mir so -viel Gutes von Euch gesagt, daß ich mich schon längst auf Euren Umgang -gefreut habe. Nur müßt Ihr freilich nicht wähnen, daß Ihr zu einem -Weisen, zu einem Adepten gekommen seid, oder gar zu einem Manne, vor -welchem die Hölle in ihren Grundfesten zittert, sondern Ihr findet hier -einen Sterblichen, wie Ihr seid und werden könnt, so wie jeder, den die -ernsten Studien und die Entfernung vom eitlen Weltgetümmel nicht -abschrecken. - -Antonio fühlte sich wohl und behaglich, so sehr er auch überrascht war, -er musterte die Stube, die, außer einigen Büchern und einer Laute, -nichts Ungewöhnliches aufwies. Er verglich in Gedanken dieses kleine -Haus und seinen schlichten Bewohner mit dem Palaste und Gepränge, den -Instrumenten und den Geheimnissen seines ehemaligen Lehrers und sagte: -freilich sieht man hier keine Spuren jener hohen und geheimen Weisheit, -die mir mein Freund gerühmt und in welcher Ihr untrüglich seyn sollt. - -Castalio lachte herzlich und sagte dann: Nein, mein junger Freund, nicht -untrüglich, denn so weit kommt kein Sterblicher. Seht Euch nur um, -dieses ist mein Wohnzimmer, dort in jener kleinen Kammer steht mein -Bett; hier ist weder Raum noch Möglichkeit, trügerische Anstalten zu -verbergen, oder künstliche Maschinen in Thätigkeit zu setzen. Alle jene -Kreise, Gläser, Himmelsgloben und Sternbilder, die jene Beschwörer zu -ihren Künsten nöthig haben, finden hier keinen Platz, und jene Elenden -werden auch nur vom Geist der Lüge hintergangen, weil sie die Kräfte -ihres eignen Geistes nicht wollen kennen lernen. Wer aber in die Tiefen -seiner Seele, von Demuth und frommen Sinn geleitet, steigt, wem es Ernst -ist, sich selbst zu erkennen, der findet auch hier alles, was er -vergebens durch künstliche und verzweifelte Mittel von Himmel und Hölle -erzwingen will. »Werdet wie die Kinder!« In diesem Aufruf liegt das -ganze Geheimniß verborgen. Ist unser Gemüth ungefälscht, können wir, -wenn auch nur auf Stunden und Augenblicke, das wieder von uns werfen, -welches unsre ersten Eltern mit frevlem Muthwillen an sich zogen, so -wandeln wir wieder im Paradiese und die Natur mit allen ihren Kräften -tritt wie damals, im bräutlichen Jugendalter der Welt, dem verklärten -Menschen entgegen. Ist denn unser Geist nicht eben dadurch Geist, daß -körperliche Schranken, verwirrender Raum und Zeit, ihn nicht hemmen -sollen? Er schwingt sich ja schon, von Sehnsucht und Andacht beflügelt, -über alle Sternenräume hinaus, nichts hemmt seinen Flug, als jene -Erdengewalt, die sich in der Sünde erst auf ihn geworfen, und ihn zu -ihrem Knechte gemacht hat. Diese können und sollen wir aber wieder -bezwingen, durch Gebet, durch Zerknirschung vor dem Herrn, durch -Erkennen unsrer großen Schuld und durch ungemessene Dankbarkeit für -seine überschwengliche Liebe, und dann sehn und hören wir, was sich uns -durch Raum und Zeit entzieht, wir sind dort und hier, die Zukunft tritt -heran, und schüttet, so wie die Vergangenheit, ihre Geheimnisse vor uns -aus, das ganze Reich des Wissens, Begreifens steht uns offen, die -himmlischen Kräfte werden freiwillig unsre Diener; und dennoch ist dem -ächten Weisen Ein Blick in die Geheimnisse der Gottheit, Eine Rührung -seines Herzens, indem er ihre Liebe fühlt, mehr und wünschenswerther, -als alle Schätze, die sich dem forschenden Geiste bieten, als alle -Enthüllungen der Geschichte und Gegenwart, als die Kniebeugungen von -tausend Engeln, die ihn ihren Meister nennen wollen. - -Alfonso sah seinen Freund mit begeisterten Blicken an, und Antonio -konnte sich nicht erwehren, sich zu gestehn, daß ihm hier im Gewande -einfacher Demuth mehr entgegen komme, als ihn aus Apone's Munde, zur -Zeit seiner größten Verehrung des prunkenden Weltweisen, jemals -angesprochen hatte. Faßte er doch jetzt die Ueberzeugung, daß die -Weisheit, welche man die übernatürliche nennt, sich wohl mit Frömmigkeit -und der völligen Ergebung in den Herrn vereinigen lasse. - -Wißt Ihr nun von meinen Schicksalen? fragte der Jüngling bewegt; könnt -Ihr mir von meiner Zukunft etwas sagen? - -Wenn ich das Jahr, den Tag und die Stunde Eurer Geburt weiß, antwortete -Castalio, mit dem Horoskop, das ich dann stelle, die Lineamente Eures -Antlitzes und die Züge Eurer Hand vergleiche, nachher mit meinem freien -Geiste mich der Anschauung ergebe, so zweifle ich kaum, Euch etwas davon -offenbaren zu können. - -Antonio übergab ihm ein Taschenbuch, in welchem sein Vater selbst seine -Geburtsstunde bemerkt hatte. Castalio schenkte den Jünglingen Wein ein, -indem er selber ein wenig von diesem genoß, schlug einige Bücher auf und -setzte sich alsdann zum Rechnen nieder, ohne nebenher seine Gespräche -mit den Jünglingen völlig abzubrechen. Es schien nur, als wenn der junge -heitre Mann ein ganz gewöhnliches Geschäft vornehme, das bei weitem -nicht seine ganze Aufmerksamkeit erfordere. So mochte unter Lachen und -fröhlichen Gesprächen eine Stunde verflossen seyn, als Castalio aufstand -und Antonio zu sich in ein Fenster winkte. Ich weiß nicht, fing er an, -wie viel Ihr Eurem Freunde dort vertraut, was Ihr ihm etwa verschweigen -wollt. Er betrachtete hierauf Antonio's Gesicht, so wie seine Hände sehr -aufmerksam, und erzählte ihm dann zusammenhängend die Geschichte und das -Unglück seiner Eltern, den frühen gewaltsamen Tod der Mutter, die -verirrte Leidenschaft des Vaters, dessen Ermordung durch seinen -frevelhaften Mitschuldigen: hierauf kam er auf Antonio's eigne -Begebenheiten, wie er den Mörder gesucht und verfolgt, und selbst von -einer Leidenschaft in Padua sei festgehalten worden. Ihr seid also, -beschloß er, was ich nicht ohne Erstaunen erfahren habe, jener Jüngling, -der jüngst die Bosheit des verruchten Apone auf wunderbare Weise -entdeckt hat, der den Schändlichen seiner Strafe überlieferte, obgleich -er selbst nur um so unglücklicher wurde, weil er seine Geliebte zweimal -auf entsetzliche Weise verlieren mußte. - -Antonio bestätigte dem freundlichen Manne alles, und hatte ein solches -Zutrauen zu ihm gewonnen, daß es ihm war, als wenn er nur mit sich -selber spräche. Er erzählte ihm hierauf noch von den Abentheuern jener -Nacht, der zweiten Crescentia und jener widerlichen Hexe, die ihm, wie -er glauben müsse, heute von neuem erschienen sei. Könnt Ihr mir nun, -fragte er eifrig, sagen, ob dieses Wahrheit sei, wer jene Crescentia -ist, ob ich sie wiedersehn und ihren Eltern zuführen werde? - -Castalio war nachdenklicher als zuvor. Wenn jener abentheuerliche -Beresynth, die Fratze, welche den Zauberer begleitete, sich nicht als -Weib verstellt hat, um den Nachforschungen zu entgehn, so getraue ich -mir dieses Weib aufzufinden. Geduldet Euch nur bis morgen und ich sage -Euch Bescheid. Uebrigens sind die Begebenheiten jener Nacht keine -Phantasien Eures Innern, sondern Wirklichkeit gewesen, damit mögt Ihr -fürs Erste Euch und Euren ältern Freund beruhigen. - -Nachdenkend verließen die jungen Leute den wunderbaren Mann, und Antonio -dankte dem Spanier herzlich, daß er ihm diese Bekanntschaft verschafft -hatte. - - * * * * * - -Antonio hatte sich aber nicht getäuscht. Es war wirklich die Alte, die -er im Gedränge wahrgenommen hatte. Sie wohnte in einer kleinen Hütte, -hinter verfallenen Häusern, unweit des Laterans. Verfolgt, dürftig, von -aller Welt verlassen, gehaßt und gefürchtet, war sie hier, im -Aufenthalte des Elendes, der Verzweiflung nahe. Sie wagte es nur selten, -sich zu zeigen, und war auch nur an diesem Tage gezwungen worden, -auszugehn, um ihre Crescentia, die ihr entlaufen war, wieder zu finden. -Da jedermann ihr scheu aus dem Wege ging, da es ihr selbst schwer wurde, -nur hie und da ein Almosen zu erhalten, und ihre ehemaligen Künste keine -Liebhaber fanden, so war sie nicht wenig erstaunt, als sie am Abend an -ihre Thür klopfen hörte, indem draußen Geschrei und Lärmen tobte. Sie -nahm ihre Lampe und machte auf, und sah draußen ein Rudel Gassenjungen -und Pöbel, die eine kleine bucklige Figur, die in rothem Sammet mit Gold -phantastisch gekleidet war, verfolgten. Wohnt hier nicht die würdige -Frau Pankrazia? schrie der mißgestalte Zwerg. -- So ist es, sagte die -Alte, indem sie mit Gewalt die Thür zuschlug und das Volk draußen mit -Schimpfreden zu vertreiben suchte. -- Wer seid Ihr? würdiger Herr, was -sucht Ihr bei einer alten verlassenen Frau? - -Setzt Euch nieder, sagte der Kleine, und zündet etwas mehr Licht an, -damit wir uns schauen und betrachten können, und weil Ihr Euch arm -nennt, so nehmt diese Goldstücke, und wir wollen auf bessere -Bekanntschaft ein Gläschen Wein mit einander leeren. - -Die Alte schmunzelte, zündete einige Wachskerzen an, die sie in einer -Schieblade verwahrte und sagte: ich habe noch ein Fläschchen guten -Florentiner, ehrwürdiger Herr, der uns schmecken soll. Sie öffnete einen -kleinen Schrank und setzte die rothe Labung auf den Tisch, dem -Unbekannten zuerst einschenkend. - -Warum nennt Ihr mich ehrwürdig? fragte dieser. - -Sagen es die Goldstücke nicht aus, antwortete sie, Euer Wamms, die -Tressen darauf, die Feder auf dem Hut? Seid Ihr kein Prinz, kein Magnat? - -Nein, schrie der Kleine: ei poz tausend, Muhme, kennt Ihr mich denn gar -nicht? hat man mir doch schon in der Jugend damit schmeicheln wollen, -daß wir uns einigermaßen ähnlich sehen, und wahrlich, wenn ich so Eure -Statur, Physiognomie, den Ausdruck, das Lächeln und das Blinzeln der -Augen unpartheiisch betrachte und erwäge, so sind die Muhme Pankrazia, -aus dem Hause Posaterrena aus Florenz, und der kleine Beresynth, aus der -Familie Fuocoterrestro aus Mailand, so in Verwandtschaftszügen, wie -Muhme und Vetter, sich ähnlich genug. - -Jemine! schrie die Alte erfreut, so seid Ihr der Beresynth aus Mailand, -von dem ich in meiner Kindheit wohl habe reden hören? Ei! ei! so muß ich -so spät, im hohen Alter, noch einen so liebwerthen Vetter von Angesicht -zu Angesicht kennen lernen! - -Ja, sagte der Kleine, recht von Nase zu Nase, denn die aufgeworfene hohe -Schanze ist doch das größte Knochenstück in unsrem Gesicht. Curiosität -halber, liebe Muhme, probiren wir einmal, ob wir uns wohl einen -vetterlichen Kuß geben können. -- Nein, pur unmöglich, die weit -ausgestreckten Vorgebirge rasseln gleich aneinander, und schließen unsre -demüthigen Lippen von jeder sanften Begrüßung aus. Man müßte mit beiden -Fäusten die edlen Römernasen seitwärts zwängen. So. Laßt nicht -abschnappen, Frau Muhme, ich möchte eine Ohrfeige kriegen, daß mir die -letzten Zähne ausfielen. - -Unter herzlichem Lachen rief die Alte: Ei! so fröhlich bin ich lange -nicht gewesen. Was wollte man denn von Euch da draußen, Vetter? - -Was? schrie der Kleine: mich ansehn, sich über mich freuen, weiter -nichts. Ist der Mensch nicht, werthgeschätzte Frau Muhme, eine ganz -dumme Figur? Hier in Rom sind nun seit Monaten Hunderttausende -versammelt, ihrem Erlöser zu Ehren, so wie sie vorgeben, und ihre Sünden -abzubüßen, und, so wie ich nur aus dem Fenster kucke (ich bin erst seit -vorgestern hier), sei es auch nur in der Schlafmütze, oder gar mit -ganzer Figur und in meinem besten Anzuge auf den Markt hinaus trete, so -müßte man doch schwören, daß das ganze Gezeug bloß meinetwegen von allen -Ecken Europa's ausgezogen sei, so kucken, äugeln, forschen, fragen sie, -lachen und freuen sich. Reich, so scheint es, könnte ich werden, wenn -ich mich die Zeit hier für Geld wollte sehen lassen, und wenn ich ihnen -nun einmal umsonst die Freude mache, so schreit und lärmt das dumme Volk -hinter mir drein. Eine Meerkatze, Affen oder Seehunde zu beschauen, -müßten sie sich in Unkosten setzen, und statt meine Großmuth ruhig und -wie gesetzte Leute zu genießen, tobt und schimpft der Pöbel um mich her, -und sucht alle Ekelnamen aus der Naturgeschichte zusammen, um seine -krasse Ignoranz an den Tag zu geben. - -Ja wohl, ja wohl, seufzte die Alte: es geht mir nicht besser. Sind die -Thiere wohl so dumm? Da mag einer Nase, Augen und Kinn nach Gutdünken -haben, und es geht ihm ruhig hin. - -Seht nur die sonst einfältigen Fische an, fuhr Beresynth fort, welche -philosophische Toleranz! Und unter denen sind manche Kerle doch ganz -Schnauze, und halten den Forschern der Tiefe eine Physiognomie entgegen, -ernst, kalt, ruhig im Bewußtsein ihrer Originalität, und umher krümmelt -und wimmelt es von andren seltsamen Angesichtern, Kiefern, Zähnen, -vorgequollnen Augen und von frappantem Ausdruck aller Art, aber ruhig -und still wandelt jedes Ungeheuer dort seinen Gang, ungeschoren und -unmolestirt. Nur der Mensch ist so thöricht, daß er über das -Nebengeschöpf lacht und spottet. - -Und worauf, sagte die Alte, läuft denn nun der mächtige Unterschied -hinaus? Ich habe doch noch keine Nase gesehn, die nur eine einzige Elle -lang wäre, ein Zoll, höchstens zwei, kaum drei ist der Unterschied -zwischen der sogenannten Mißgeburt und dem, was sie Schönheit nennen. -Und auf den Höcker zu kommen. Wenn er im Bett nicht manchmal unbequem -wäre, nicht wahr, so ist er eigentlich viel angenehmer, als so ein -dummer, gerader Rücken, wo sich bei manchem großgewachsenen Schlingel -die langweilige gerade Linie, ohne Verzierung und Schnörkel, bis ins -Unermeßliche hinauf erstreckt. - -Recht habt Ihr, Frau Muhme, rief der schon trunkne Beresynth der -Trunknen entgegen. Was macht denn die Natur, wenn sie solche gerade -Katze, solche sogenannte Schönheit von der Töpferscheibe laufen läßt? -Das ist ja kaum der Mühe werth, die Arbeit nur anzufangen. Aber solche -Kabinetstücke, wie wir, da kann die schaffende Kraft, oder das -Naturprinzip, oder Weltgeist, oder wie man das Ding nennen will, doch -mit einer gewissen Beruhigung und Befriedigung seine Produktion -anschauen. Das rundet sich doch, das bricht in merkwürdige Ecken aus, -das zackt sich wie Korallen, springt hervor in Kristallen, formirt sich -wie Basalt, und rennt und springt und hüpfelt in allen Linien um unsern -Körper. Wir, Base, sind die verzognen, verhätschelten Kinder der -Formation, und darum ist der Pöbel der Natur auch so boshaft und -neidisch auf uns. Das schlanke miserable Wesen gränzt an den kläglichen -Aal, da ist keine Auferbauung. Von der dummen Figur zur Seespinne ist -schon sehr weit, und wie fern dann Meerkalb, wie übertreffen wir dieses, -so wie den Seestern, Krebs und Hummer, getreuste Cousine, mit unsern -Abnormitäten, die sich in keine Rechnung bringen lassen. -- Wo habt Ihr -nur die herrlichen beiden Zähne her? Diese unvergleichlichen Mordanten -figuriren so recht schwarz und düster in der tiefsinnigen Fugirung Eures -unergründlichen Mundes. - -O Schäker, o Schmeichler, lachte die Alte, aber Euer liebes Kinn, das -sich so huldreich und dienstfertig hervordrängt und tischartig umbeugt. -Könntet Ihr nicht einen ziemlichen Teller bequem darauf setzen, und von -ihm ungestört mit den Lippen herunter naschen, indessen Eure Hände -anderswo Arbeit suchten? Das nenne ich ökonomische Einrichtung. - -Wir wollen uns nicht durch Lobeserhebungen verderben, sagte der Zwerg, -sind wir ja doch schon auf unsre Vorzüge eitel genug, die wir uns nicht -selbst gegeben haben. - -Ihr habt Recht, sagte sie, aber, was treibt Ihr, Vetter? Wo lebt Ihr? - -Kurios genug, antwortete Beresynth, bald hier, bald dort, wie ein -Vagabund; jetzt aber will ich mich zur Ruhe setzen, und da ich hörte, -daß noch eine nahe Verwandte von mir lebte, so wollte ich die aufsuchen, -und sie bitten, mit mir zu ziehn. So komm ich zu Euch. In meiner Jugend -war ich Apotheker in Calabrien, da jagten sie mich fort, weil sie -meinten, ich fabrizire Liebespulver. Du liebe Zeit! als wenn es deren -noch bedürfte. Dann war ich einmal Schneider, es hieß, ich stöhle zu -arg; als Pastetenbäcker wieder die Beschuldigung, daß ich Katzen und -Hunden nachstellte. Ich wollte Mönch werden, aber kein Kloster wollte -mich einlassen. Als Doctor sollt' ich verbrannt werden, denn sie -sprachen gar von Hexerei. Ich wurde gelehrt; schrieb, dichtete, das Volk -meinte, ich lästre Gott und die Christenheit. Nach vielen Jahren kam ich -zum weltberühmten Pietro Apone, und wurde dessen Famulus, nachher -Eremit, und was nicht Alles; am besten, daß ich in jedem Stande Geld -gemacht und zurückgelegt habe, so daß ich meine alten Tage ohne Noth und -Sorge beschließen kann. -- Und Ihr, Muhme, Eure Geschichte? - -Wie die Eurige, antwortete die Base: man wird immer unschuldig verfolgt. -Ich habe etlichemal am Pranger stehn müssen, aus einigen Ländern bin ich -verwiesen, sie wollten mich unter andern auch verbrennen: es hieß, ich -hexte, ich stöhle Kinder, ich verzauberte die Leute, ich kochte Gift. - -Nicht wahr, sagte Beresynth treuherzig, es war auch etwas an diesem -Gerede? Ich muß es wenigstens von mir bekennen, und vielleicht liegt es -in der Familie, daß ich manche dem ähnliche Künste getrieben habe. Zarte -Freundin, wer einmal vom lieben Hexen ein Bischen weg hat, der kann es -nachher Zeitlebens nicht wieder lassen. Das Ding ist wie mit dem -Weintrinken. Einmal den Geschmack gewonnen, und Zunge, Kehle, Gaumen, ja -Lung und Leber lassen von dem Dinge nicht wieder los. - -Ihr seid ein Menschenkenner, lieber Vetter, sagte die Alte mit -selbstgefälligem Lächeln. So etwas Mord und Hexerei, Gift und Diebstahl -läuft auch beim Unschuldigsten mit unter. Das Kuppeln hat mir nie -einschlagen wollen. Und was soll man sagen, wenn man an eignen Kindern -Undank und Unheil erlebt? Meine Tochter, die nun gesehn hat, wie ich -Hunger und Kummer leiden muß, wie ich mir an meinem alten Munde -absparte, um sie nur schön in Kleidung zu setzen, die ungerathne Dirne -hat sich nie von mir erweichen lassen, auch nur einen Groschen zu -verdienen. Früher konnte sie gute Heirathen treffen: Ildefons, Andrea -und noch einige andere tapfere Männer, die unser ganzes Haus und sie mit -erhielten; da brauchte sie den armseligen Vorwand, daß die Herren Räuber -und Mörder wären, denen sie ihr Herz verschließen müsse. Die Männer -waren so großmüthig, daß sie sich wirklich die Dirne wollten antrauen -lassen, aber die dumme Jugend hat weder Verstand noch Tugend. Nun ruhen -sie im Grabe, die vorzüglichen Männer, und sind auf eine schnöde Art -umgekommen. Doch das rührt sie so wenig, wie mein Kummer und Elend, so -daß sie nicht drein willigen mochte, mit einem jungen reichen vornehmen -Herrn, dem Neffen eines Cardinals, zu leben, der unsre ganze Stube mit -Gold überziehen konnte. Weggelaufen ist die einfältige Dirne, und man -will sie mir gar nicht wieder ausliefern. So werden heut zu Tage die -Eltern verachtet. - -Laßt sie laufen, die Verächtliche, sagte Beresynth, wir wollen ohne sie -schon glücklich miteinander leben, denn unsre Neigungen und Gemüther -sind sich gleich. - -Warum aber weglaufen, sagte die Alte, wie eine ungetreue, geprügelte -Katze? Wir hätten uns ja wie Liebende, wie vernünftige Wesen trennen -können. Es fand sich gewiß Gelegenheit, die bleichsüchtige Dirne -vortheilhaft zu verkaufen, an Alt oder an Jung, und das hätte auch wohl -gelingen können, wenn sie sich nicht einen einfältigen jungen Burschen -ins Herz geschlossen hätte, den sie liebt, wie sie sagt. - -O hört auf, schrie Beresynth, taumelnd, und schon halb im Schlaf, wenn -Ihr von Liebe sprecht, Base, so verfalle ich in so konvulsivisches -Lachen, daß ich mich in drei Tagen nicht wieder erhole. Liebe! das dumme -Wort hat meinem berühmten Meister Pietro den Hals gebrochen. Ohne den -Taranteltanz säße die große Habichtsnase noch als Professor auf seinem -Katheder, und kraute die jungen Gänse mit Philosophie und Tiefsinn an -ihren dummen Köpfen, die ihm die Gelbschnäbel entgegen reckten. Ja, ja, -Alte, das Affenthum von Liebe und platonischer Seelentrunkenheit hätte -uns beiden, Euch und mir, nur noch gefehlt, um die Wunderthat unsrer -heroischen Existenz vollständig zu machen. -- Nun lebt wohl, Alte, -morgen in der Nacht um diese Zeit hole ich Euch ab, und dann trennen wir -uns nie wieder. - -Vetter, sagte Pankrazia, auf Wiedersehn. Seit Ihr zu mir eingetreten -seid, bin ich ein ganz andres Wesen geworden. Wir wollen in Zukunft eine -herrliche Haushaltung führen. - -Haben wir unser Jubeljahr doch nun auch gefeiert, lallte Beresynth, der -schon auf der Straße stand, und in dunkler Nacht nach seiner Wohnung -taumelte. - - * * * * * - -Antonio hatte indessen den alten Ambrosio und dessen Gattin schon darauf -vorbereitet, daß er gewiß jene widerwärtige Alte, und so auch deren -Tochter Crescentia wieder auffinden würde. Die Mutter glaubte ihm gern, -aber der Vater blieb bei seinen Zweifeln. Noch vor Sonnenuntergang begab -sich der Jüngling mit seinem Freunde wieder zum weisen Castalio. Dieser -kam ihnen schon lächelnd entgegen und sagte: Hier, Antonio, nehmt dieses -Blatt, Ihr findet auf ihm verzeichnet, in welcher Gasse, in welchem -Hause Ihr jene Unholdin antreffen werdet. Wenn Ihr sie aufgefunden habt, -werdet Ihr an meiner Wissenschaft nicht mehr zweifeln. - -Schon jetzt bin ich überzeugt, sagte Antonio, ich war es schon gestern. -Ihr seid der weiseste der Sterblichen, und werdet mich durch Eure Kunst -zum glücklichsten machen. Ich gehe, die böse Alte aufzusuchen, und wenn -Crescentia nicht gestorben, oder verloren ist, so führe ich sie in die -Arme ihrer Eltern. - -Bewegt und voller Erwartung wollte er sich eilig entfernen, er hatte -schon den Drücker der Thür in der Hand, als sich ein leises ängstliches -Klopfen draußen ankündigte, von einem heisern Husten und Scharren der -Füße begleitet. Wer ist da? rief Castalio, und da die Freunde öffneten, -trat Beresynth herein, der sich gleich in die Mitte des Zimmers stellte, -und unter vielen fratzenhaften Verbeugungen, so wie Verzerrungen des -Gesichtes dem weisen Manne seine Dienste anbot. - -Wer seid Ihr? rief Castalio, der sich verfärbt hatte und mit blassem -Angesicht einige Schritte zurückgewichen war. - -Ein Bösewicht ist der Verruchte! rief Antonio, ein Zauberer, den wir der -Inquisition überliefern müssen, der verruchte Beresynth selbst ist es, -dessen Namen Ihr, verehrter Mann, schon kennt, und von dem ich Euch -erzählt habe. - -Meint Ihr, junges Blut? sagte Beresynth mit dem Ausdruck der tiefsten -Verachtung. Mit Euch, ihr Kinder, habe ich nichts zu schaffen. Kennt Ihr -mich nicht? rief er zu Castalio gewendet, und könnt auch meine Dienste -nicht brauchen? - -Wie sollt ich? sagte Castalio mit ungewisser Stimme, ich habe Euch nie -gesehn. Entfernt Euch, ich muß Eure Dienste ablehnen. In meinem kleinen -Hause bedarf ich keines fremden Wesens. - -Beresynth ging mit großen Schritten auf und ab. Also, Ihr kennt mich -nicht? Kann seyn; man verändert sich manchmal, denn der Mensch bleibt -nicht in seiner Blüthe. Doch, mein' ich, sollte man mich nicht so bald -vergessen, oder mit andern verwechseln, wie so manchen glatten, fein -gemalten, unbedeutenden Tropfen. -- Und ihr, indem er sich zu den jungen -Leuten wendete, kennt wohl jenen Weisheitsfinder auch nicht? - -O ja, sagte Antonio, er ist unser Freund, der treffliche Castalio. - -Da erhub der Kleine ein so ungeheures Lachen, daß Wände und Fenster des -Zimmers erklirrten und wiederhallten. Castalio! Castalio! schrie er wie -besessen; warum nicht auch Aganippe oder Hippokrene? Also, ihr habt den -Brill vor den Augen, mit Kalbsblicken schaut eure Seele aus dem runden -Kürbis eurer Köpfe dumm heraus? Reibt euch die Nase, und seht und -erkennt doch euren verehrten Pietro von Abano, den großen -Tausendkünstler aus Padua! - -Derjenige, der sich Castalio nannte, war wie ohnmächtig in einen Sessel -gesunken, sein Zittern war so heftig, daß alle Glieder seines Körpers -flogen, die Muskeln seines Antlitzes bebten so gewaltsam, daß kein Zug -in ihm wahrzunehmen war, und nachdem die jungen Leute dies einige Zeit -staunend betrachtet hatten, glaubten sie mit Entsetzen wahrzunehmen, daß -aus den sich verwirrenden Lineamenten die alte Bildung des bekannten -greisen Apone hervorstiege. Laut schreiend erhub sich der Zauberer vom -Sessel, ballte die Fäuste und schäumte mit dem Munde, er schien in -seiner Wuth riesengroß. Nun ja, brüllte er im Donnerton, ich bin es, -jener Pietro, und Du, Knecht, verdirbst mir jetzt mein Spiel, jene junge -Brut dort auf einem neuen Wege zu vernichten. Was willst Du, Wurm, von -mir, der ich, Dein Meister, Dich nicht mehr anerkenne? Zitterst Du nicht -in allen Gebeinen vor meiner Rache und Strafe? - -Beresynth erhub wieder jenes schallende, entsetzliche Gelächter. Strafe? -Rache? wiederholte er grinsend; Dummkopf ohne Gleichen! Mußt Du denn -jetzt erst merken, daß Dir diese Sprache zu mir nicht geziemt? Daß Du, -Gaukler, Dich vor mir im Staube krümmen mußt? daß ein Blick meines -Auges, ein Griff meines erznen Armes Dich zerschmettert, Du erdgebornes -Larvenspiel elender Künste, die nur ich gelingen ließ? - -Ein Scheusal stand im Saal. Seine Augen sprühten Feuer, seine Arme -dehnten sich wie zwei Adlerschwingen aus, das Haupt berührte die Decke; -Pietro lag winselnd und heulend zu seinen Füßen. Ich war es, fuhr der -Dämon fort, der Deine arme Gaukelei beförderte, der die Menschen -täuschte, der den Frevel durch meine Macht erschuf. Du tratst mich mit -Füßen, ich war Dein Hohn, Deine hochmüthige Weisheit triumphirte ob -meinem Blödsinn. Nun bin ich Dein Herr! Jetzt folgst Du mir als mein -leibeigner Knecht in mein Gebiet. -- Entfernt euch, ihr Elenden! rief er -den Jünglingen zu, was wir noch verhandeln, geziemt euch nicht zu -schauen! Und ein ungeheurer Donnerschlag erschütterte das Haus in seinen -Tiefen, geblendet, entsetzt stürzten Antonio und Alfonso hinaus, ihre -Knie wankten, ihre Zähne klappten. Ohne zu wissen wie, befanden sie sich -wieder auf der Straße, sie flüchteten in einen nahen Tempel, denn eine -heulende Windsbraut erhob sich mit Donner und Blitzen, und die Wohnung, -als sie hinter sich sahen, brannte in zerfallenen Trümmern, zwei dunkle -Schatten schwebten über dem Brande, kämpfend, so schien es, und sich in -Verschlingungen hin und her werfend und ringend, Geheul der Verzweiflung -und lautes Lachen des Hohnes erklangen abwechselnd zwischen den Pausen -des lautrasenden Sturmwinds. - - * * * * * - -Erst nach langer Zeit konnte sich Antonio so viel sammeln, daß er stark -genug war, nach der gegebenen Anweisung das Haus der Alten aufzusuchen. -Er fand sie geschmückt und sie rief ihm frohlockend entgegen: ei! -Florentiner! seid Ihr auch einmal wieder da? - -Wo ist Eure Tochter? fragte Antonio, zitternd vor Eil. - -Wenn Ihr sie jetzt haben wollt, sagte die Alte, so will ich sie Euch -nicht vorenthalten. Aber bezahlen müßt Ihr rechtschaffen für sie, oder -der Podesta von Padua, wenn er noch lebt, denn sie ist sein Kind, das -ich ihm damals gestohlen habe, weil mir die Herren Markoni ein -ansehnliches Stück Geld dafür gönnten. - -Wenn Ihr es beweisen könnt, sagte der Jüngling, so fordert. - -Beweise, so viel Ihr wollt, rief die Alte, Windeln mit Wappen, Kleider -von damals, ein Maal auf der rechten Schulter, was ja die Mutter am -besten kennen muß. Aber auch Briefe von den Markonis sollt Ihr haben, -Schriften vom Podesta selbst, die ich damals in der Eile mit wegfischte. -Alles, nur Geld muß da seyn. - -Antonio zahlte ihr alles Gold, was er bei sich trug, und gab ihr noch -die Edelsteine, die Hut und Kleidung schmückten, Perlen und eine goldne -Kette. Sie strich alles lächelnd ein, indem sie sagte: wundert Euch -nicht, daß ich so eilfertig und leicht zu befriedigen bin. Die Dirne ist -mir weggelaufen, weil sie keinen Liebhaber wollte, und steckt im -Nonnenkloster bei der Trajanssäule, die Aebtissin hat sie mir nicht -herausgeben wollen, aber meldet Euch nur dort, das junge Blut wird Euch -von selbst in die Arme springen, denn es träumt und denkt nur von Euch, -so habt Ihr ihr thörichtes Herz bezaubert, daß sie seit jener Nacht, der -Ihr Euch wohl noch erinnern werdet, kein vernünftiges Wort mehr -gesprochen hat, daß sie weder Liebhaber noch Mann mehr leiden konnte. -Froh bin ich, daß ich sie so los werde, ich gehe mit einem vornehmen -Vetter, Herrn Beresynth, der mich eigen dazu aufgesucht hat, noch heut -Nacht auf seine Güter. Lebt wohl, junger Narr, und seid mit Eurer -Crescentia glücklich. - -Antonio nahm alle Briefschaften, die Kleidungen des Kindes, alle Beweise -ihrer Geburt. In der Thür begegnete ihm schon jener Furchtbare, der sich -Beresynth nannte. Er eilte, und war so leichten Herzens, so beflügelt, -daß er den Sturm hinter sich nicht vernahm, der die Gegend zu verwüsten -und die Häuser aus ihren Gründungen zu heben drohte. - -Bei nächtlicher Weile untersuchten die überglücklichen Eltern die -Briefe, und diese, so wie die Kleider überzeugten sie, daß diese zweite -Crescentia ihr Kind sei, die Zwillingsschwester jener gestorbenen, die -sie in der Taufe damals Cäcilie genannt hatten. Der Vater holte am -Morgen das schöne bleiche Mädchen aus dem Kloster, die sich wie im -Himmel fühlte, edlen Eltern anzugehören, und einen Jüngling, der sie -anbetete, wieder gefunden zu haben, dem sie in jener Nacht auf ewig ihr -ganzes Herz hatte schenken müssen. - -Rom sprach einige Zeit von den beiden Unglücklichen, welche das Gewitter -erschlagen hatte, und Ambrosio lebte nachher mit seiner Gattin, der -wieder gefundenen Tochter und seinem Eidam Antonio in der Nähe von -Neapel. Der Jüngling verschmerzte im Glück der Liebe die Leiden seiner -Jugend, und an Kindern und Enkeln trösteten sich die Eltern über den -Verlust der schönen und innig geliebten Crescentia. - - - - -Anmerkungen zur Transkription - - -Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Hervorhebungen, die im -Original g e s p e r r t sind, wurden mit Unterstrichen wie _hier_ -gekennzeichnet. Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt sind, -wurden ^so^ markiert. - -Die variierende Schreibweise des Originales wurde weitgehend -beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert, -teilweise unter Verwendung weiterer Ausgaben, wie hier aufgeführt -(vorher/nachher): - - [S. 11]: - ... Gesprächen zu und wünschte sowie die Andern über ungesalzene ... - ... Gesprächen zu und wünschte so wie die Andern über ungesalzene ... - - [S. 16]: - ... in dieseir Hinsicht so vieles zu verbessern ist. ... - ... in dieser Hinsicht so vieles zu verbessern ist. ... - - [S. 16]: - ... Schon n der Nähe des freundlichen Thorschreibers fielen ... - ... Schon in der Nähe des freundlichen Thorschreibers fielen ... - - [S. 57]: - ... hatte, hielt, nachdem viel über die Fortschritte in ... - ... hatten, hielt, nachdem viel über die Fortschritte in ... - - [S. 102]: - ... verließen sie die Chausse, um auf schlechten Wegen nach dem ... - ... verließen sie die Chaussee, um auf schlechten Wegen nach dem ... - - [S. 124]: - ... Stücke, die gespielt wurden. Sie waren so origiginell, ... - ... Stücke, die gespielt wurden. Sie waren so originell, ... - - [S. 131]: - ... selsam zu seyn glaubt, die Stellen nachweisen, die er nur ... - ... seltsam zu seyn glaubt, die Stellen nachweisen, die er nur ... - - [S. 148]: - ... Eulen und Fledermäuse gehören, mit meiner Nachwelt, die ... - ... Eulen und Fledermäuse gehören, mit meiner Nachtwelt, die ... - - [S. 149]: - ... und zukneifend, und sucht aus und wählt, hebt auf und - registirt, ... - ... und zukneifend, und sucht aus und wählt, hebt auf und - registrirt, ... - - [S. 221]: - ... kommen, denn Schmaling war zu sehr von Ehrfurch durchdrungen, ... - ... kommen, denn Schmaling war zu sehr von Ehrfurcht - durchdrungen, ... - - [S. 243]: - ... zu denen ihn aber der forschende Graf in künstlichen - Wendnngen ... - ... zu denen ihn aber der forschende Graf in künstlichen - Wendungen ... - - [S. 254]: - ... Freigeist und Uebervernünftigen so mit beiden Beiden in die ... - ... Freigeist und Uebervernünftigen so mit beiden Beinen in die ... - - [S. 279]: - ... Verbindungen nicht, und wußte eben so wnig, wie diese jetzt ... - ... Verbindungen nicht, und wußte eben so wenig, wie diese jetzt ... - - [S. 317]: - ... flehenden Blick für ihre Mutter ein, daß se n Zorn entwaffnet ... - ... flehenden Blick für ihre Mutter ein, daß sein Zorn entwaffnet ... - - [S. 354]: - ... der Erde dorthin zogen, zu zersteuen, und seinen Freund ... - ... der Erde dorthin zogen, zu zerstreuen, und seinen Freund ... - - - - - - -End of Project Gutenberg's Schriften 23: Novellen 7, by Ludwig Tieck - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHRIFTEN 23: NOVELLEN 7 *** - -***** This file should be named 50714-8.txt or 50714-8.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/0/7/1/50714/ - -Produced by Delphine Lettau, David Jones, Jens Sadowski, -and the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Schriften 23: Novellen 7 - Eine Sommerreise / Die Wundersüchtigen / Pietro von Abano - -Author: Ludwig Tieck - -Release Date: December 18, 2015 [EBook #50714] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHRIFTEN 23: NOVELLEN 7 *** - - - - -Produced by Delphine Lettau, David Jones, Jens Sadowski, -and the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<div class="titlematter"> -<p class="ser"> -<span class="line1">Ludwig Tieck’s</span><br /> -<span class="line2">Schriften.</span> -</p> - -<p class="vol"> -Dreiundzwanzigster Band. -</p> - -<h1 class="title"> -Novellen. -</h1> - -<p class="pub"> -Berlin,<br /> -Druck und Verlag von Georg Reimer.<br /> -1853. -</p> - -</div> - -<div class="titlematter"> -<p class="ser"> -<span class="line1">Ludwig Tieck’s</span><br /> -<span class="line2">gesammelte Novellen.</span> -</p> - -<p class="ed"> -Vollständige auf’s Neue durchgesehene Ausgabe. -</p> - -<p class="vol"> -Siebenter Band. -</p> - -<p class="pub"> -Berlin,<br /> -Druck und Verlag von Georg Reimer.<br /> -1853. -</p> - -</div> - -<h2 class="part" id="part-1"> -<span class="line1">Inhalt.</span> -</h2> - -<div class="table"> -<table class="toc" summary="TOC"> -<tbody> - <tr> - <td class="col1"> </td> - <td class="col_page">Seite</td> - </tr> - <tr> - <td class="col1"><span class="firstchar">E</span>ine Sommerreise</td> - <td class="col_page"><a href="#page-3">3</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">Die Wundersüchtigen</td> - <td class="col_page"><a href="#page-157">157</a></td> - </tr> - <tr> - <td class="col1">Pietro von Abano</td> - <td class="col_page"><a href="#page-295">295</a></td> - </tr> -</tbody> -</table> -</div> - -<p class="tit"> -<a id="page-1" class="pagenum" title="1"></a> -<span class="line1">Ludwig Tieck’s</span><br /> -<span class="line2">gesammelte Novellen.</span><br /> -<span class="line3">Siebenter Band.</span> -</p> - -<h2 class="part" id="part-2"> -<a id="page-3" class="pagenum" title="3"></a> -<span class="line1">Eine Sommerreise.</span><br /> -<span class="line2">1834.</span> -</h2> - -<h3 class="chapter" id="chapter-2-1"> -<a id="page-5" class="pagenum" title="5"></a> -Einleitung. -</h3> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">U</span>nter abwechselnden Vorfällen und Erfahrungen, die -sich mir im Lauf meines Lebens auf Reisen oder beim längeren -Aufenthalt in fremden Städten aufdrängten, ist mir -die Erinnerung so mancher Bekanntschaften erfreulich, so -manche Beobachtung lehrreich und ich kann es nicht unterlassen, -Einiges davon mitzutheilen, welches vielleicht manche -befreundete Gemüther auf anmuthige Weise anregt. -</p> - -<p> -Schon manches Jahr ist verflossen, seit mir einige interessante -Tagebücher und Briefe in die Hände geriethen, -die mir um so bedeutender wurden, als ich die Verfasser -derselben späterhin im Verlauf der Zeiten in ganz veränderten -Verhältnissen und mit umgewandelten Gesinnungen wiedersah. -Jetzt sind die Theilnehmer an nachfolgender kleinen -Begebenheit gestorben oder nach fernen Gegenden gezogen, so -daß es harmlos erscheint, Dasjenige mitzutheilen, was ich -<a id="page-6" class="pagenum" title="6"></a> -früher schon für vertraute Freunde aus jenen Tagebüchern -und Briefen ausgezogen habe. Die Erzählung ist aus -Schriften der drei Hauptpersonen verarbeitet und wird, der -Deutlichkeit wegen, mehr wie einmal durch die eigenen Worte -der erscheinenden Personen unterbrochen werden. -</p> - -<h3 class="chapter" id="chapter-2-2"> -<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a> -Walther von Reineck an den Grafen Bilizki in -Warschau. -</h3> - -<p class="first"> -<span class="firstchar">V</span>on Deiner schönen Cousine, die ich damals leider -nur einmal sah, habe ich bisher noch nichts in Erfahrung -bringen mögen. Und sehr begreiflich, da ich erst in Franken, -oder gar in der Nähe des Rheins, wie ich es ja weiß, Kundige -finde, die mir von ihren Schicksalen und ihrer seltsamen -Flucht etwas mittheilen können. Sollte ich das schöne Bild -selbst irgendwo wiedersehn? Wenn ich nur wenigstens ihn -finde, der sie zu dieser Uebereilung verleitet hat, welche sie -Dir entriß, um an ihm die Rache zu nehmen, die ich Dir -versprach, so wenig Du sie auch gefordert hast. Ich weiß -es, daß ich zu hitzig bin; indessen Du bist beschäftigt, im -Dienst des Staates, gehörst Deiner kranken Mutter, und ich -bin müßig und frei genug, um diesen Sommer mich umzutreiben, -zu sehn oder zu gaffen, zu lernen oder zu vergessen, -und mir dabei einzubilden, ich thue Dir und der Menschheit -einen großen Dienst, indem ich einen andern Müßiggänger -aufsuche, um ihn zur Rechenschaft zu ziehn. -</p> - -<p> -Bis jetzt hat das Wetter mich sehr begünstigt. Und -eine interessante Bekanntschaft habe ich auch schon gemacht. -Ich war queer durch das traurige Land gereiset, zwischen den -Städten Frankfurt an der Oder und Crossen hindurch, weil -<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a> -ich in Balkow, einem Dorfe, meine Freundschaft mit der Familie -Tauenzien erneuen wollte, die Du auch kennst, weil die -vortreffliche Frau aus Warschau gebürtig ist. Hier herum -ist eine seltsame Landesart und fast wilde Einsamkeit, beinah -so wie in Polen. So kommt man denn durch abgelegene -Wege, immer durch Wald bis an die Oder, wo den Reisenden, -an sumpfiger Stelle, die Kretschem genannt, eine Fähre -übersetzt. Hier fand ich zu meinem Erstaunen einen eleganten -Wagen und einen jungen höflichen Mann, welcher ebenfalls -die Fähre erwartete, welche auf wiederholtes Rufen -auch schon herübersteuerte. Der junge Mann hatte jenen -dunkeln, tiefsinnigen Blick, den ich an Männern wie an -Frauen liebe, und so kam ich seiner Freundlichkeit mit Wohlwollen -entgegen, und wir behandelten uns nach einigen Minuten, -als wenn wir alte Bekannte wären. Er sagte mir, -diese sumpfige Stelle wäre im Frühling und Herbst ziemlich -gefährlich, weil die Fähre nicht ganz nahe kommen könne -und der Wagen alsdann tief im Wasser fahre. Ich lernte -daraus, daß er hier herum bekannt seyn müsse. Und so erfuhr -ich es denn auch, als wir auf der Fähre neben einander -standen: er ist lange in Ziebingen und Madlitz gewesen, -zweien Gütern, die der Finkenstein’schen Familie gehören. -Von dieser Familie, den Töchtern wie den Eltern, spricht -er wie ein Begeisterter. Der Vater, der Präsident Graf -Finkenstein, ist der Sohn des berühmten Staatsministers -und der Präsident selbst ist in der Geschichte, durch jenen -vielbesprochenen Arnold’schen Proceß, nicht unbekannt, in welchem -er sich als einen wackern und höchst rechtlichen wie unerschrockenen -Mann zeigte. „Wer in dieser Familie, rief -mein neuer Bekannter aus, eine Weile gelebt hat, der kann -sich rühmen, die echte Humanität und Urbanität, das Leben -in seiner schönsten Erscheinung kennen gelernt zu haben. Die -<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a> -Mutter, eine würdige Matrone, ist die Freundlichkeit selbst, -in ihrer Nähe muß jedem wohl werden, der ein echter Mensch -ist. Begeisternd, aber freilich weniger sicher ist die Gesellschaft -der drei schönen und edeln Töchter. Die zweite ernst, -die dritte muthwillig und froh und die älteste graziös und -lieblich, erscheinen sie, im Gesange vereinigt, wie das Chor -der Himmlischen. Vorzüglich die Stimme dieser älteren -Schwester ist der reinste, vollste und auch höchste Sopran, -den ich jemals vernommen habe. Wäre sie nicht als Gräfin -geboren, so würde sie den Namen auch der berühmtesten -Sängerinnen verdunkeln. Hört man diese Henriette die großen -leidenschaftlichen Arien unsers musikalischen Sophokles, -des einzigen Gluck, vortragen, so hat man das Höchste erlebt -und genossen. Oft verherrlicht noch ein großer Musikkenner, -der Minister Voß, die Gesellschaft, und durch seine -Vermittlung und aus der Sammlung dieses vortrefflichen -Mannes haben die Töchter große Sachen von Jomelli, ältere -von Durante, Leo, Lotti und Allegri, einige höchst seltene -vom alten Palestrina und dessen Zeitgenossen erhalten, -und diese erhabenen Kirchengesänge werden in dieser Familie -so vorgetragen, wie man es vielleicht kaum in Rom so rein -und großartig vernimmt. Der Vater, nachdem er seine Geschäfte -und juristische Laufbahn aufgegeben hat, bewirthschaftet -seine Güter und hat mit malerischem Sinn für Natur -in Madlitz einen der schönsten Gärten angelegt und ausgeführt, -der uns einfach und ohne Prätension die Herrlichkeit -der Bäume und Pflanzen zeigt und an hundert anmuthigen -Plätzen zum poetischen Sinnen und phantasiereichen Träumen -einladet. Dieser Mann studirt und übersetzt den Theokrit -und Virgil’s Eklogen, so wie einige Gedichte Pindar’s. -Er kennt, was noch so vielen Poesiefreunden eine geheimnißvolle -Gegend ist, viele alt-deutsche Gesänge und weiß das -<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a> -erhabene Epos der Nibelungen fast auswendig. So oft ich -in diesem Kreise war, bin ich besser und unterrichteter aus -ihm geschieden.“ -</p> - -<p> -Aus dieser begeisternden Rede schloß ich, daß mein neuer -Bekannter der Liebe sehr zugeneigt, in diesem selben Augenblick -wohl schon ein Verliebter sei, daß er wohl auch Anlage -zum Dichter besitze. Er heißt Ferdinand von Erlenbach -und reiset mit noch weniger Absicht als ich in die weite -Welt hinein. Wir werden wenigstens bis Dresden beisammenbleiben, -er sendet auch von hier, von Guben, seinen Wagen -zurück, und wir haben in diesem Städtchen eine Chaise -bis Dresden gemiethet. -</p> - -<p> -Nach vielfachen Gesprächen, in welchen sich der enthusiastische -Charakter meines neuen Freundes noch mehr entwickelte, -kamen wir, nachdem unsre Kutscher sich ohne Noth -im Fichtenwalde verirrt hatten, gegen Abend in dem Städtchen -Guben an, welches für die hiesige Landesart eine ganz -leidliche Lage hat. Er, der Aufgeregte, ist bei dem schönen -Wetter noch nach dem Vogelschießen, auf der Wiese draußen, -zu dieser Bürgerlustbarkeit hinausgegangen. Ich habe keinen -Sinn für dergleichen poetische Prosa. Das Knallen der -Büchsen, diese Gespräche beim Bier, der Pfahlwitz dieser -Schützen, Alles dies kann weder meine Neugierde noch mein -Behagen erregen. Er reizt sich aber auf, um dergleichen -aus Willkür interessant zu finden; will wohl auch die Menschen -studiren. Auch denkt er einen Jugendfreund aufzusuchen, -den er seit vielen Jahren nicht gesehn, der sich hier -angekauft und verheirathet hat. Ich zog vor zu essen, zu -trinken und Dir diesen flüchtigen Brief zu schreiben. Gedenke -Deines treuen Walthers. -</p> - -<p class="dateend"> -Guben, den 15. Junius 1803. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a> -Ferdinand war in der That bis zum Abend beim Scheibenschießen. -Er liebte dergleichen Volksfeste fast übermäßig -und seine Phantasie, wenn er gleich nicht mehr in der ersten -Jugend war, überzog die Gegenwart, die Andern dürr und -finster erschien, mit einem glänzenden Firniß. Trotz seinem -Nachforschen wollte es ihm aber nicht gelingen, seinen Schulfreund -Wachtel anzutreffen. Die Schützen bedeuteten ihm -auch, daß dieser nicht zu ihrer Gilde gehöre. In der Vorstadt, -wo das ziemlich große Haus seines Freundes gelegen -war, traf er ihn ebenfalls nicht. Er spazierte also halb verdrossen -in der Gegend umher und vernahm aus der Ferne -die Schüsse, die nach der Scheibe zielten, dann begab er sich -wieder in das zerstreuende Geräusch, hörte hier und dort den -Gesprächen zu und wünschte <a id="corr-0"></a>so wie die Andern über ungesalzene -Geschichten oder Familienspäße lachen zu können. So -ward es Abend und finster und er war immer noch zu verdrossen, -um nach dem Gasthofe in der Stadt zurückzugehen, -und sein Lager aufzusuchen. -</p> - -<p> -Schon entfernten sich nach und nach die Schützen mit -ihren Frauen und Kindern, ein anmuthig erfrischender Wind -strich beruhigend über das Gefilde und die Sterne traten -heller und bestimmter aus der dunkelblauen Wölbung; Ferdinand, -der gern in der Nacht umherwandelte, war fast entschlossen, -im Freien zu bleiben. Da hörte er im nahen Gebüsch -wie ein Klagen, Seufzen und Schelten durch die Stille -des Abends, und als er näher trat, bot sich ihm eine Scene -wie von Teniers und Ostade dar, die zu seinen süßen Träumen -gar nicht passen wollte. Ein trunkener Mann lag auf -dem grünen Rasen und eine Frau, die bald ermahnte, bald -wehklagte, bestrebte sich, ihn, indem sie ihn am Arme hielt, -emporzurichten. Sie freute sich, als ein anderer Mann ihr -nahte, weil sie in ihrer Angst dessen Hülfe sogleich in Anspruch -<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a> -nahm, um den Besinnungslosen nach Hause schaffen -zu können. Indem Ferdinand den Betäubten aufzurichten -suchte, erzählte die Frau, wie der Gatte auf einem Kindtaufschmause -beim Amtmann des nahen Dorfes immerdar gelacht -und getrunken, so christlich sie ihn auch ermahnt habe; -mehr vom Gelächter noch als Wein berauscht, sei er auf dem -Rückwege zur Stadt, indem auf dieser Stelle erst seine -Krankheit sich vollständig gezeigt habe, hier schlafend und wie -todt niedergesunken. Lachend und weinend stemmte sich die -Frau, durch Ferdinand’s kraftvolle Unterstützung sichrer gemacht, -bis Beide durch richtig angewendete Hebelkraft den -Ehemann aufrecht gestellt hatten. Beschämt und gerührt -fühlte sich Ferdinand, der schon seit einiger Zeit im Lallenden -und Ohnmächtigen seinen humoristischen Freund Wachtel -wieder erkannt hatte. Er war nur darüber froh, daß jener -Walther, der neue Bekannte, bei dieser Nichterkennungsscene -nicht zugegen war, da er ihm von diesem Herrlichen -so viel Gutes und Schönes erzählt hatte, das ihm selber -jetzt als Unwahrheit erschien. Die beiden Hülfreichen führten -nicht ohne Mühe und Anstrengung den Unbeholfenen in -sein Haus, und Ferdinand entfernte sich in der höchsten Verstimmung. -Er durchstreifte wieder die Landschaft und erfreute -sich der lieblichen Sommernacht, die warm und doch -erfrischend, labend und milde nach dem heißen Tage auf -den Feldern und Wäldern webte. Die Lichter des Städtchens -erloschen nach und nach, und seinen Lebenslauf übersinnend, -kam der Träumende nach einer Stunde zurück, um -seinen Gasthof aufzusuchen. Er mußte vor dem Hause des -trunkenen Freundes vorüber, und als er in die Nähe desselben -kam, vernahm er deutlich Wachtel’s Stimme. Er war -unten in einer großen Stube zur ebenen Erde und alle Fenster -standen, der Sommerwärme wegen, offen. Ferdinand -<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a> -kam leise näher und unterschied in der Dämmerung seinen -Freund, der ruhig neben seiner Frau saß und so in seiner -gemessenen Rede fortfuhr: — denn alle Weisheit ist nur -Stückwerk, und alle Tugend nichts als Flickwerk. Ich betheure -Dir, ich war nicht betrunken, wie Du Dir einzubilden -scheinst, sondern nur etwas anders, als gewöhnlich, gestimmt; -auch war ich nicht abwesend oder gar besinnungslos, -wie Du behaupten möchtest, sondern mein Geist schwärmte -nur in andern Regionen und war eben mit der Lösung der -tiefsinnigsten Probleme beschäftigt. So geht es mir ja oft, -daß auf meinem Zimmer sich beim Buch oder im Nachdenken -mein Geist in hohen Genüssen ergeht, und ich Dich ebenfalls -alsdann nicht oder meinen Gevatter Wendling bemerke. -Was nun die Behauptung betrifft, Du selbst habest mich -nebst einem ganz fremden Manne, unwissend meiner selbst, -hieher in mein Häuslein geschleppt, — so ist das nichts weiter, -als was mir und Dir alle Tage geschieht, wenn wir im -Wagen sitzen, über dieses und jenes anmuthig genug discurriren -und weder wissen noch bedenken mögen, ob weiße -oder schwarze Pferde uns von der Stelle bewegen. Contrair -zeigt es nur von einem geringen Sinne, sich um diese -Nebendinge allzuängstlich zu kümmern; und wie würdest Du -selbst mich verachten, wenn ich in einer schönen Landschaft, -an welcher sich Dein Auge ergötzte, Dich immer wieder auf -die Schimmel und den rothnasigen Fuhrmann aufmerksam -machen wollte. Also, nicht einseitig abgeurtheilt, liebe Gattin. -Wären wir nicht so schnell stillgestanden, was Du selbst -verlangtest, um zu verschnaufen, wie Du Dich ausdrücktest, -so wäre ich dort am Abhang nicht in die Knie und alsbald -mit dem ganzen Leichnam hinab gesunken oder geschurrt; -denn Beine und Schenkel und alle jene Muskeln, welche -zum Wandeln in Bewegung gesetzt werden müssen, thaten -<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a> -ihre Schuldigkeit ganz leidlich, Wille und Vollstreckung immerdar -im Takt, Eins zwei, Eins zwei; — nun aber die -plötzliche Hemmung — das war den Sehnen, Muskeln, Gebeinen, -und wie sie Namen haben mögen, ganz unerwartet -wie ein Blitzschlag; — die Geister, die schon Reißaus genommen -hatten und in Indien und Calekut schwärmten, -vergaßen von ihrer interessanten Pilgerschaft zurückzukommen, -der Wille lauerte vergeblich auf Befehl, und die Sehnen und -Muskeln, die schon lange des langweiligen Takttretens müde -waren, fielen ohne von Willen und Geistbefehl und jenem -hartherzigen Bewußtsein tyrannisirt zu werden, zusammen -und blieben liegen. Sieh, Schatz, dies ist die pragmatische -Geschichte jenes von Dir mißverstandenen Vorfalls. -</p> - -<p> -Ganz gut, sagte die Frau, aber ich weiß, was ich weiß, -Du kannst mir meine Sinne nicht abdisputiren. Vor acht -Tagen sagtest Du wieder, wenn ich Dich unterwegs nur eine -einzige Minute hätte ausruhen lassen, so wärst Du hier in -der Stube nicht so hingeschlagen, daß es Dir zwei Tage im -Kopfe brummte. -</p> - -<p> -Richtig, mein Kind, erwiederte der Gatte, mein Genius -brummte und knurrte damals lange aus Verdruß, daß man -auf seine Weisung nicht gemerkt hatte. Denn ich war mit -Bewußtsein dazumal überfüllt, es waren zu viele Lebensgeister -gegenwärtig und ein Ueberschwang von Gedanken, philosophischen -Begriffen und tiefsinniger Nüchternheit quälte mich; -so war denn nicht Ein Wille bloß meinem Gehn und den -Beinen zu Gebot, sondern wohl zehn Willenskräfte hantirten -in mir und zankten gleichsam mit den Lebensgeistern und der -obersten Hauptseele oder dem wahren Ich. Du sahst auch, wie -die Beine zu schnell liefen, wie ich mit den Händen haspelte -und gestikulirte, die in Wandelsbegeisterung auch Beine zu seyn -strebten. Hätte ich nun etwas im Freien geruht, so konnte die -<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a> -Hauptseele so ein Dutzend Lebensgeister nach allen Richtungen -fortsenden, mein zu starkes Bewußtsein wurde vernünftig -und gemäßigt, und ich fiel nachher aus pur übertriebener -Nüchternheit nicht hier auf den Fußboden hin. — Aber noch -schlimmer, daß Du mich bei der fremden Dame, die seit -gestern bei uns logirt und morgen, oder vielmehr heut, oder -vielmehrest übermorgen, das heißt, da jetzt Mitternacht vorüber -ist, eigentlich morgen früh abreisen will, in so schlechten -Ruf gebracht hast, als wenn ich ein Trunkenbold wäre. -Sieh, mein Engel, das fremde gutherzige Frauenzimmer reiset -nun in alle Welt und hängt mir in den allerentferntesten -Ländern einen Schandfleck an, und macht mir so in Gegenden -einen bösen Namen, wo ich noch nicht einmal einen guten -oder gleichgültigen Ruf errungen habe; es ist sogar -möglich, ich werde da schon im voraus lächerlich, wo man -mich noch gar nicht kennt; denn Verleumdung findet weit -leichter als Verehrung eine Herberge und Wohnung in der -Brust der mannichfach redenden Menschen. -</p> - -<p> -Er ist also auch in der Ehe unverbesserlich geblieben, -dachte der erzürnte Ferdinand und ging in die Stadt. Es -war ihm in seiner Verstimmung unmöglich, sich jetzt seinem -ehemaligen Freunde zu erkennen zu geben. -</p> - -<p> -In einem nicht gar bequemen Fuhrwerke verließen die -Reisenden Guben und zogen langsam durch die Steppen und -Fichtenwälder jener Gegend der wendischen Lausitz. Sie -übernachteten in Wermsdorf und waren erfreut, bei Königsbrück -eine grünere und freundlichere Natur zu finden. Ein -schöner, voller und dichter Tannenhain, mit vielen alten Bäumen, -von schönen Buchen und Birken erhellt, empfing sie -nachher, und gegen Abend sahen sie von einer Waldhöhe -herab in seiner ganzen Schönheit am anmuthig gewundenen -Strom das liebliche Dresden vor sich liegen. -</p> - -<p> -<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a> -Ich war schon oft in dieser Stadt, sagte Ferdinand, -und doch bleibt mir der Anblick dieser Gegend immer neu. -Die Hügel, die sanften Thäler umher, der schöne Strom, -das Grün und die Waldpartien, Alles ist zierlich und ergötzlich -zu nennen. Erhaben, ernst, feierlich ist diese Natur -nicht und wir hören hier keine jener Stimmen, die das Ohr -unsers Geistes wohl in Gebirgen vernimmt. Darum hat -diese Gegend so recht eigentlich etwas Wohnliches, Behagliches, -daß Jedem hier wohl wird, der eines Umganges mit -der Natur fähig ist. -</p> - -<p> -Sollten das nicht alle Menschen seyn? fragte Walther. -</p> - -<p> -Ich zweifle sehr, erwiederte jener: suchen so viele nicht -und vermissen in freundlichen Ebenen den Reiz der Gebirge? -Entbehren nicht viele schmerzlich in schöner Abgelegenheit den -Wirrwarr der großen Städte? -</p> - -<p> -Das gehört auch, erwiederte Walther, zu den Erfreulichkeiten -Sachsens und dieser Residenz, daß man sich frei -fühlt, nicht von Mauth und deren Dienern grob und stürmisch -angefahren und genirt wird; daß keine Habgier die -Bestechung wie einen Tribut erwartet. Das bildet einen -starken Abstich gegen das große benachbarte Land, in welchem -in <a id="corr-1"></a>dieser Hinsicht so vieles zu verbessern ist. -</p> - -<p> -Schon <a id="corr-2"></a>in der Nähe des freundlichen Thorschreibers fielen -diese Reden vor und die Reisenden stiegen müde vor -dem Gasthause, der goldene Engel, ab, in welchem sie Erquickung -und gute Bewirthung fanden. -</p> - -<h3 class="chapter" id="chapter-2-3"> -<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a> -Walther von Reineck an den Grafen Bilizki. -</h3> - -<p class="date"> -Dresden, den 19. Juni 1803. -</p> - -<p class="noindent"> -Man sagt mir hier, die Familie Ensen sei in Karlsbad, -und dahin werde ich also vorerst mit meinem Schwärmer -meinen Zug richten, weil ich hoffen kann, von diesen -Leuten, welche alle Verhältnisse so genau kannten, von der -schönen Maschinka, oder ihrem Entführer etwas zu erfahren. -Ferdinand, wie ich ihn der Abkürzung wegen nennen will, -führte mich sogleich zu einem wackern Schwaben, einem Maler -Hartmann hin, so wie zu einem sehr poetischen eigenthümlichen -Landschaftmaler, Friedrich, aus Schwedisch-Pommern -gebürtig. Diese wahrhaft wunderbare Natur hat mich -heftig ergriffen, wenn mir gleich Vieles in seinem Wesen -dunkel geblieben ist. Jene religiöse Stimmung und Aufreizung, -die seit kurzem unsre deutsche Welt wieder auf eigenthümliche -Weise zu beleben scheint, eine feierliche Wehmuth -sucht er feinsinnig in landschaftlichen Vorwürfen auszudrücken -und anzudeuten. Dieses Bestreben findet viele Freunde und -Bewunderer, und, was noch mehr zu begreifen ist, viele Gegner. -Historie, und noch mehr viele Kirchenbilder haben sich -wie oft ganz in Symbolik oder Allegorie aufgelöset, und die -Landschaft scheint mehr dazu gemacht, ein sinnendes Träumen, -ein Wohlbehagen, oder Freude an der nachgeahmten -Wirklichkeit, an die sich von selbst ein anmuthiges Sehnen -und Phantasiren knüpft, hervorzurufen. Friedrich strebt dagegen -mehr, ein bestimmtes Gefühl, eine wirkliche Anschauung, -und in dieser festgestellte Gedanken und Begriffe zu erzeugen, -die mit jener Wehmuth und Feierlichkeit aufgehn und eins -werden. So versucht er also in Licht und Schatten belebte -und erstorbene Natur, Schnee und Wasser, und eben so in der -<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a> -Staffage Allegorie und Symbolik einzuführen, ja gewissermaßen -die Landschaft, die uns immer als ein so unbestimmter -Vorwurf, als Traum und Willkür erschien, über Geschichte -und Legende durch die bestimmte Deutlichkeit der -Begriffe und der Absichtlichkeit in der Phantasie zu erheben. -Dies Streben ist neu, und es ist zu verwundern, wie viel -er mehr wie einmal mit wenigen Mitteln erreicht hat. So -meldet sich bei uns in Poesie und Kunst, wie in der Philosophie -und Geschichte, ein neues Frühlingsleben. Ganz ähnlich, -und vielleicht noch tiefsinniger, strebte ein Freund, der -erst seit kurzem von hier in sein Vaterland, Pommern (auch -das schwedische), zurückgekehrt ist, die phantastisch spielende -Arabeske zu einem philosophischen, religiösen Kunstausdruck -zu erziehn. Dieser lebenskräftige Runge hat in seinen Tageszeiten, -die bald in Kupferstichen erscheinen werden, etwas so -Originelles und Neues hervorgebracht, daß es leichter ist, -über diese vier merkwürdigen Blätter ein Buch zu schreiben, -als über sie in Kürze etwas Genügendes zu sagen. Es -war eine Freude, diesen gesunden Menschen diese Zeichnungen -selbst erklären zu hören, und zu vernehmen, was er Alles -dabei gedacht. Ich suchte ihn im vorigen Jahr, als ich -mich auch hier befand, darauf aufmerksam zu machen, daß -er, besonders in den Randzeichnungen, die die Hauptgestalten -umgeben, mehr wie einmal aus dem Symbol und der -Allegorie in die zu willkürliche Bezeichnung, in die Hieroglyphe -gefallen sei. Der bittre Saft, der aus der Aloe -trieft, die Rittersporn, die im Deutschen durch Zufall so -heißen, können nicht im Bilde an sich Leiden, Reue oder -Tapferkeit und Muth andeuten. So ist in diesen Bildern -manches, was Runge wohl nur allein versteht, und es ist -zu fürchten, daß bei seiner verbindenden reichen Phantasie -er noch tiefer in das Gebiet der Willkür geräth und er die -<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a> -Erscheinung selbst als solche zu sehr vernachlässigen möchte. -In derselben Gefahr befindet sich auch wohl Friedrich. Ist -es nicht sonderbar, daß gerade die Zeit, die mehr Phantasie -entwickelt, als die vorigen Menschenalter, zugleich im Phantastischen -und Wunder mehr Bedeutung, Vernunft und äußere -und innere Beziehung finden will, als früher die Menschen -von jenen Productionen der Künste verlangten, die doch gewissermaßen -ganz aus der Verständigkeit hervorgegangen -waren? Man sieht aber wieder, wie Ein Geist immerdar -sich im Zeitalter in vielen Gegenden und Gemüthern meldet. -Die Novalis auch nicht kennen oder verstehn, sind doch -mit ihm verwandt. War es denn auch so zur Zeit des -Dante? So weit ich jene Jahre kenne, entdecke ich dort -diese Verwandtschaft nicht. Dieser große Prophet hat in -seinem Geheimniß dieses Streben, Sache und Deutung, -Wirklichkeit und Allegorie immerdar in Eins zu wandeln, -auf das mächtigste aufgefaßt. Ihn verstehn und fühlen setzt -voraus und fordert eine große poetische Schöpferkraft; mit -dem gewöhnlichen Auffassen ist hier nichts gewonnen. Soll -man sich aber selbst so loben? Im Briefe vielleicht. Und -doch gemahnt es mich, als sei dies kein Lob. Nur Geweihte -sollen Dante’s Gedicht lesen. Es ist ja keine Bürger- und -Menschenpflicht. -</p> - -<p> -Sonderbar, daß viele Menschen, die mit Recht sich etwas -darauf einbilden, daß sie Runge’s und Friedrich’s Bemühungen -nicht abweisen, weil ihr Poesiesinn den Schöpfungen -entgegenkommt, doch die tiefsinnige und ebenso liebliche Symbolik -und Allegorie in Correggio’s einzigen Werken nicht fühlen -und anerkennen. Wer nichts als den Maler in ihm -sieht, der mit Lichteffekten spielt, mag nicht gescholten werden, -wenn er mehr als einen Niederländer höher stellt. -Runge selbst war immer von diesem großen Dichter auf das -<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a> -tiefste ergriffen, und es ließ sich mit diesem hochbegabten -deutschen Jünglinge über diese Gegenstände sehr anmuthig -sprechen und schwärmen. Freilich merke ich wohl, daß ich, -gegen meinen Begleiter Ferdinand gehalten, mich noch sehr -prosaisch ausnehme. -</p> - -<p> -Wir standen vor Rafael’s sogenannter Sixtinischen -Madonna. Es ist schwer, von einem so ewigen, ganz vollendeten -Werke etwas Bedeutendes zu sagen, und um so -schwerer, je öfter und weitläuftiger schon begeisterte Bewunderer -oder forschende Kenner sich darüber haben vernehmen -lassen. -</p> - -<p> -Kein Werk, darin kommen alle überein, ist von Rafael -so leicht, mit so weniger Farbe, so weniger Ausführung gemalt. -Es hat darüber, weil es wohl rasch gefördert ist, fast -den Charakter eines Freskobildes; in Hinsicht der Einfachheit, -Erhabenheit, steht es vielleicht, wenn man einmal unterordnen -will, allen Arbeiten dieses größten Malers voran. -Es kommt mir vor, als wenn diese sublime Erscheinung jene -Ausführlichkeit so vieler anderer Meisterwerke nicht zuließe. -Denn wie eine Erscheinung wirkt dieses Kunstwerk. Es ist -sehr zu tadeln, daß man es so nachlässig eingerahmt hat; -denn oben ist vielleicht eine Handbreit oder mehr umwickelt, -wodurch die grünen Vorhänge und der obere lichte Raum -verkürzt sind. Denkt man sich dieses jetzt Mangelnde hinzu, -so schwebt die Gestalt der Maria, sowie des Sixtus und der -Barbara noch deutlicher, noch mehr und lebendiger herab. -Die Vision der drei Heiligen steigt in die Kirche selbst hernieder, -sie erscheint über dem Altar, und Maria bewegt sich -im Niederschweben mit dem ernsten Kinde in den Armen -zugleich vor. Diese doppelte Bewegung erklärt den Flug -des Schleiers, sowie das Zurückstreben des blauen Gewandes; -der verklärte Papst, im brünstigen Gebet, ist gleich in -<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a> -dieser knieenden Anbetung und Stellung gewesen. Die heilige -Barbara stand der Mutter Gottes nahe, doch geblendet -von der Majestät und fast erschreckt von den tiefsinnigen -Augen des Kindes ist sie so eben in die Knie gesunken und -wendet das Antlitz. Diese Verbindung der früheren und -späteren Bewegung liebte Rafael, fast alle seine Bilder zeigen -sie, und keiner hat ihn in dieser Kunst, auf diese Weise -wahres Leben, Seele in die Stellungen und Gruppen zu -bringen, jemals erreicht. Die Engel, als Herolde, sind schon -früher angelangt, und stützen sich unten ruhend auf dem -Altar selbst. Getrost, kindlich unbefangen erwarten sie die -Heiligen, und der Tiefsinn der Kindheit contrastirt mit dem -Angesicht Christi und dem strengen Ernst seiner Augen gar -schön. Mir unbegreiflich, wie manche seyn wollende Kenner -dieser Barbara etwas Weltliches oder gar Coquettes haben -andichten wollen. Andre meinen, das Bild sei noch edler, -wenn die Figur der Maria ohne alle Begleitung erschiene. -Für wie Viele, und die doch gern mitsprechen, ist das Vollendete -doch immerdar ein fest versiegeltes Buch, und eben -darum, weil es vollendet ist. Die Mehrzahl der Menschen -kann sich nur am Einzelnen entzücken. Ihr Streben, sowie -sich ihnen in Kunst oder Poesie etwas Mächtiges und Schönes -anbietet, ist, sogleich das Werk zu vereinzeln, um sich -dieses und jenes, entweder mit Kälte oder Hitze anzueignen. -Die Kalten sind die sogenannten Kenner, die oft mit solcher -Wegwerfung diese oder jene Zufälligkeit oder eine Nebensache -bewundern, daß man, ihren Reden nach, auf den Argwohn -kommen müßte, es sei besser, wenn gar keine Kunst oder -Poesie die Welt verwirre. Die Hitzigen versetzen sich zuweilen -bis zu Thränen in eine ängstliche Leidenschaftlichkeit, -um ja nur recht bestimmt etwas zu isoliren, irgend ein Schönes, -das freilich sich wohl auch im Kunstwerke findet. Nur -<a id="page-22" class="pagenum" title="22"></a> -verdient dieses Einzelne erst das Lob, und kann nur verständig -seyn, wenn es aus dem Innern des Werkes und seiner -Totalität verstanden wird. Aber von dieser innern, nothwendigen -Vollendung, wodurch erst ein Kunstwerk diesen Namen -verdient, von dieser Ueberzeugung wollen die Eifernden -wie die Besonnenen in der Regel nichts wissen; diesen Glauben -erklären sie geradezu für Aberglauben. Sie können ein -Werk nur bewundern, wenn sie es für eine Annäherung, -aber freilich mangelhafte, zu jenem unsichtbaren, unfühlbaren -und unbezeichneten Ideal halten, welches ihnen im chaotischen -Nebel vorschwebt. -</p> - -<p> -Es ist merkwürdig, wie sich so oft die Extreme berühren. -Diese Rafael’sche Maria hätte vielleicht niemals copirt -werden sollen und kein anderes Bild ist von Stümpern und -geschickten Zeichnern so oft wiederholt worden. Den besten -aber fehlt das geistige Auge, die wahre Gestalt der Maria -wieder zu finden. Vielleicht wäre dem schaffenden Meister -selbst keine Copie ganz gelungen. Am schlimmsten sind einige -Oelbilder, bloß die ganze Figur der Maria, ausgefallen. -Ich kenne welche, die aus dieser erhabenen Gestalt etwas -Freches und Gemeines gemacht haben. -</p> - -<p> -Unser Entzücken vor dem Gemälde wurde auf eine sonderbare -Art gestört und unterbrochen. Ein Mann in mittleren -Jahren, mit einem scharfen Gesicht und einer etwas -rothen Nase, kam mit stolperndem Gang und einem schreienden -Ton auf uns zu, und schloß meinen verzückten Ferdinand, -ob sich dieser gleich etwas sträubte, fast zu heftig in seine -Arme. Er nannte sich Wachtel, kam von Guben herüber -und hatte unsre Namen im Thorzettel gelesen. „Ihr steht -hier“, rief er unmittelbar nach der Begrüßung, „vor dem -allercuriosesten Tableau, das der Mensch nur ersinnen kann. -Es ist ohne Inhalt und stellt eigentlich gar nichts dar. Man -<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a> -kann sich aus den Abendwolken bessere Geschichten zusammensetzen. -Wo kommen diese Creaturen her? Wo wollen sie -hin? Warum blieben sie nicht, wo sie waren? Das kommt -mir vor wie manche Menschen, die immer eine wichtige -Miene machen und hinter diesem nachdenklichen Gesichte doch -gar nichts denken. Der Zuschauer muß sich nun zwingen, -noch weniger zu denken, und das nennt er dann eine erhabene -Stimmung. Wie man beim Feuer, wenn es mächtig -um sich greift, oft klug thut, zwei oder drei Häuser einzureißen, -damit nicht hundert zu Grunde gehn, so sollte ein -durchgreifender Menschenfreund, wie der Kalif Omar, einmal -so ein tausend gepriesene Meisterwerke in den Ofen -stecken, damit eine Kluft, ein leerer Raum entstünde, und -diese Krankheit von unnützer Bewundrung, die immer weiter -um sich greift, in sich erstickte, daß die armen Menschen einmal -wieder frische Luft holten und zur Besinnung kämen. -Was seht ihr z. B. auch dort an dem Tizianschen Christus -mit der Münze? Ich habe einen Schacherjuden gekannt, der -ganz wie dieser angebliche Heiland aussah. Diese Maler -sind lustige, boshafte Kerle gewesen, und es ist zu verwundern, -daß ihnen die Geistlichkeit nicht mehr auf die Finger -klopfte. Die Satire, wie der Jude hier die Münze und den -Versucher ansieht, wie die langen Finger so gern mit dem -Geldstück eins werden möchten, ist doch allzusehr in die Augen -fallend.“ -</p> - -<p> -Ferdinand, der mir vor einigen Tagen soviel Wunder -und Schönes von diesem Jugendfreunde erzählt hatte, hätte -aus der Haut fahren mögen und durfte doch den täppischen -Gesellen nicht verleugnen. Er war aber dunkelroth vor -Scham, denn noch kurz zuvor hatte er mir und den Umstehenden -bewiesen, wie in diesem Bilde, „Christus mit der -Münze,“ sich Tizian, der nur selten erhaben sei, selber übertroffen -<a id="page-24" class="pagenum" title="24"></a> -habe. So sehr er sich wehrte, mußte er sich doch -von seinem Freunde zu den Teniers und einigen andern niederländischen -Bauernscenen schleppen lassen, wo dieser Wachtel -sich unter lautem Lachen ganz glücklich und behaglich -fühlte. — -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Nachdem Walther diesen Brief abgesendet hatte, kehrte -er zu seinem Freunde Ferdinand zurück, den er im heftigen -Wortwechsel mit Wachtel antraf. Was giebt es, fragte er, -worüber man so laut streiten könnte? Wachtel nahm sogleich -das Wort und erzählte mit großer Lebhaftigkeit: die Sache, -werthgeschätzter Unbekannter, betrifft, kürzlich zu sagen, das -Herz und die Liebe. Ich bin des Undankbaren ältester -Freund, und er will es mir verwehren, hier mit ihm zu -seyn und ihn nach Teplitz und Karlsbad zu begleiten. Ist -das nicht reelle Undankbarkeit? Ich komme her, sehe ihn -nach Jahren wieder, und will mein verdumpftes Herz in -lichtender, frischer Liebe auslüften und durch heilsame Erschütterungen -von Motten und allem unnützen Gespinste reinigen, -und er will es mir verwehren, ihn zu begleiten, weil -ich ihn, wie er vorgiebt, in seiner verstimmten Erhebung -nur störe. Auch hat er, wie immer, allerhand von Geheimnissen, -die ich ihm allzuroh und derb betasten, oder vielleicht -gar erdrücken möchte, denn er liebt es, sich selbst zu verhätscheln, -und doch hat der arme Schelm seine ganze Schwärmerei -nur einzig und allein von mir gelernt, was er freilich -jetzt, nach so manchen Jahren, nicht mehr Wort haben will. -</p> - -<p> -Ferdinand mußte lachen und sagte: nun, so begleite -mich denn, Freund Wunderlich, wenn jener Herr, mit welchem -ich mich schon für einige Zeit versprochen habe, nichts -gegen die Vermehrung der Gesellschaft hat. Walther schien -<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a> -über die neue Bekanntschaft erfreut, die ihm manche Aufheiterung -versprach, und man nahm sogleich die Abrede, vorerst -nach Teplitz zu reisen, um zu erfahren, wie man sich -untereinander vertrüge. -</p> - -<p> -An einem trüben Tage reisete die Gesellschaft von -Dresden ab, ziemlich spät, so sehr auch Ferdinand getrieben -hatte, damit man noch zeitig in Teplitz anlangen könne. -Der bequeme Walther aber, der es nicht in der Art hatte, -Zeit und Stunde sehr zu beachten, hatte die Stunde versäumt. -Die schöne Gegend bei Pirna, die anmuthige bei -Gießhübel, die Waldpartien, die wechselnden Aussichten ergötzten -alle. Auf der Grenze wurden die Reisenden, die -nicht viel Gepäck mit sich führten, nur wenig aufgehalten. -Der Weg bis zum Nollendorfer Berg hinauf war ermüdend -und langweilig, denn schon in Peterswalde hatte sich ein -dichter Nebel herabgesenkt, der jede Aussicht verdeckte. Oben -auf dem höchsten Punkte des Berges von Nollendorf steht -eine kleine Kirche. Hier stiegen die Reisenden aus, um, wo -möglich, etwas von der Schönheit der Natur zu genießen. -</p> - -<p> -Der Wagen fuhr indessen das Thal hinunter, als die -Naturbeobachter noch oben im dichten Nebel standen und -kaum die nächsten Sträucher am Wege unterscheiden konnten. -Wachtel sagte: Eigentlich, meine Freunde, ist dies, was wir -hier nicht sehn, und indem wir nichts sehn, der erhabenste -Anblick der Natur. Dies ist ein Bild vom alten uranfänglichen -Chaos, welches der wundersame Großvater aller Formen -und Gestaltungen war. Wir übereilen uns, wenn wir -uns das Nichts als nichts denken wollen: was sich weder -denken noch vorstellen läßt. Nein, so wie wir es hier -vor uns sehen, ist das Nichts beschaffen. Alles, so weit -man sieht und denkt, ein unreifer Brei, eine angehende Milch, -ein blöder Lehrling für ein Sein. Wie Silhouetten-Gespenster -<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a> -dort die Bäume und Sträucher, eben nur zu errathen, Finsterniß -in diesem bleichen Dunkel, dort ebenso die Wand der -Kirche. Alles nur Räthsel: steht da, wie Aberglauben im -Meere der Unvernunft. Wenden wir nun einmal dieses -eingebräute Gleichniß vor uns auf unsre eignen Köpfe an, -so — — -</p> - -<p> -Hier versagte dem Schwatzenden das Wort im Munde, -denn einem Wunder gleich riß sich eine große breite Spalte -in dem dichtgewundenen Nebel, und grünes Land, sonnenbeglänzter -Wald lag unten, gegenüber funkelnde Berge im -wachsenden Lichte. Kaum entdeckt, brachen links und rechts -neue Klüfte im weißen Nebelmeer auf, und wie selige Inseln -zeigten sich von allen Seiten Gebirg und Flur im spielenden -Glanz des fluthenden Sonnenscheines, indessen noch -dazwischen wie Wände oder Säulen die ineinandergeflochtenen -Wolken alle Aussicht deckten. Nun entstand ein Kampf -zwischen Licht und Dunkel: Alles wallte und zog hin und -wieder. Die Wolken löseten sich in Streifen, die leichter -und wolliger zerflossen und sich endlich in den Glanz verloren -und untertauchten. So wurden von unsichtbarer Hand -allgemach die Vorhänge weggehoben und das ganze Gebirge -mit seinen schönen Formen lag weit ausgebreitet in allen -Abstufungen des vollen und gemilderten Lichtes vor den -Augen der entzückten Beschauer. -</p> - -<p> -Diese Landschaft, rief endlich Ferdinand aus, muß eine -der schönsten in Deutschland seyn. -</p> - -<p> -Wie oft ich auch die Reise machte, sagte Walther, so -habe ich doch niemals dieses überraschende Entzücken genossen, -welches mich heut ergriffen hat. Wie herrlich wäre es, wenn -der Elbstrom durch dieses Thal flösse, denn nur Wasser fehlt -dieser lieblichen Natur. -</p> - -<p> -Sprechen wir nur nicht so, rief Wachtel aus, wie ich -<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a> -dergleichen schon so oft habe hören müssen. Ihr waret ja -eben noch entzückt, Freunde, und schon fangt ihr an, Mangel -zu empfinden, zu kritteln und zu kritisiren. Wie schön -der Anblick eines gewundenen Stromes auch sei, wenn er -wie ein belebender Geist hin durch die Landschaft glänzt, so -paßt er doch nicht in jede Naturscene hinein. Hier, wo -Alles lieblich, so einklingend ist, würde er mich nur stören: -er höbe das Gefühl dieser behaglichen Einsamkeit gewissermaßen -auf. Rhein, Neckar, Mosel und der schöne Theil -der Elbe beherrschen die Gegend, durch welche sie strömen, -prägen ihr den Flußcharakter auf; hier aber führen die schönen -Gebirge unmittelbar selbst das Wort. Stören kann oft -eine kahle, unbedeutend schroffe Wand, wenn sie zwischen -den schönen Linien der Gebirge sich eindrängt, ein nackter -Hügel, dem man die Waldung geraubt hat, eine wüste -Sandfläche, die sich todtenbleich und krank zwischen lustiges, -lebensvolles Grün der Fluren wirft, aber hier, Freunde, -ist Alles so ganz und voll, daß euch nichts mangeln sollte. -</p> - -<p> -Sie stiegen jetzt beim schönsten Wetter den Berg hinab. -Ein Fußpfad führte sie durch den Wald, aus welchem sie -bald hier, bald dort wieder den freien Ausblick zu den Gebirgen -hatten. Die Frühlingsvögel sangen nicht mehr, aber -durch die feierliche Einsamkeit schrillten und zirpten die kleinen -Vögelchen ihre einfachen kindischen Melodien. -</p> - -<p> -Sie trafen im Thale ihren Wagen wieder, aber die -Abendsonne beschien die Kapelle oberhalb Culm und den -Weingarten, auf welchem sie schimmerte, so einladend, daß -die Uebrigen Walther’s Vorschlage gerne folgten, noch zum -Hügel hinaufzuklimmen, um den Untergang der Sonne von -dort zu genießen. Die Freude an der Natur erzeugt oft, -indem man in der Aufregung keine Ermüdung fühlt, eine -Art von Rausch, welcher dann Mattigkeit und Ernüchterung -<a id="page-28" class="pagenum" title="28"></a> -herbeiführt, wenn man, wie beim Wein, die Sättigung zu -lange hinausschiebt. So erging es den Reisenden. Die -Sonne war untergesunken, sie stiegen in der Dämmerung -hinab und hatten noch bis zum Nachtquartier einen ziemlich -weiten Weg vor sich. Der Fuhrmann schmollte über die -unnütze Verzögerung, um so mehr, da die Finsterniß, schnell -wachsend, hereinbrach. Jetzt fühlten die Abentheurer obenein, -daß sie, aus Freude an der Reise und weil sie spät -von Dresden ausgefahren, das Mittagmahl versäumt hatten, -und mit der zunehmenden Ermüdung und Dunkelheit -wuchs in ihnen Hunger und verdrüßliche Stimmung. Es -wurde völlig finster, so daß man die nächsten Gegenstände, -selbst den Weg nicht mehr unterscheiden konnte, und der -Fuhrmann, der der Gegend unkundig war, erklärte auf das -Bestimmteste, daß er in dieser pechrabenschwarzen Nacht unmöglich -schneller fahren könne, wenn er nicht sich und seine -verehrten Herren der wahrscheinlichsten Lebensgefahr aussetzen -wolle. -</p> - -<p> -Mühselig, verdrossen, langsam ging die Reise fort. -Immer noch erschien Teplitz nicht, und Mitternacht war -schon längst vorüber. Endlich ersahen die Verstimmten eine -dunkle Masse, in welcher nur wenige Lichtpunkte flimmerten, -vor sich. Der Kutscher fuhr seitwärts, wie es schien, um -das Thor zu finden. Keine Antwort auf wiederholtes Rufen -und Klopfen. Endlich hörte man von innen, daß dies die -Wohnung des Küsters und der Eingang zum Kirchhof sei. -Der Kutscher tastete herum und fand ein großes Gatterthor. -Noch weniger ward hier auf das laute Klopfen und Schreien -Rücksicht genommen. Es war vom Felde her der Eingang -zum sogenannten Fürstenhause. Mühselig fand man sich in -der trüben Finsterniß zum Thore und zur Töpferschenke hin. -Hier schlief aber längst Alles. Ein Kellner und eine Küchenmagd -<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a> -erschienen endlich, nur halb erwacht. Der Wagen -ward untergeschoben, die Zimmer schloß man auf. Die Aufwartenden -verwunderten sich übermäßig, daß die Ankommenden -noch zu speisen begehrten. Butter, Schinken und ein -kaltes Huhn wurden, nach vielem Widerspruch, nebst einer -Flasche Wein noch herbeigeschafft. Die Betten waren in -Ordnung. Aus Mitleid ließ man die Aufwärter wieder -schlafen gehen. Doch Walther bildete sich ein, er fröre -und habe sich erkältet. Ein großes Kamin war im Zimmer, -und Wachtel, der allenthalben die Augen hatte, entdeckte auf -dem Gange einige Scheite Holz. Man versuchte ein Feuer -zu machen, das anfangs hell brannte, bald aber das Zimmer -mit Rauch anfüllte. Es ward entdeckt, daß das Kamin -oben zugemauert, also nicht zu gebrauchen war. Die Uebermüden -hatten viele Noth, bis sie den Rauch wieder durch -die Fenster hinausgetrieben hatten. So, ungesättigt, matt, -verdrossen und überreizt begaben sie sich auf ihr Lager, indem -Wachtel noch behauptete, es sei nichts so mit Pein versalzen, -als die Vergnügungen des Lebens. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<div class="poem"> - <p class="line">— Viel lieber durch Leiden</p> - <p class="line">Möcht’ ich mich schlagen,</p> - <p class="line">Als so viel Freuden</p> - <p class="line">Des Lebens ertragen. —</p> -</div> - -<p class="noindent"> -So sang am Morgen Wachtel mit lauter Stimme und -erweckte die beiden schlafenden Freunde. Als Alle munter -und angekleidet waren, erschien das Frühstück und mit ihm -die Wirthin, die es entschuldigte, daß die Reisenden in der -Nacht eine so schlechte Aufnahme gefunden hätten. In der -Entschuldigung wegen des Rauches war ein gelinder Vorwurf -eingehüllt, daß man sich ohne Anfrage zu willkührlich -<a id="page-30" class="pagenum" title="30"></a> -des Feuers bemächtigt habe. Bei der neuen Einrichtung, -schloß die Frau, sollten diese Zimmer nur für den Sommer -benutzt werden, und ich will diesen ungeschickten Kamin auch -noch fortschaffen lassen, damit er nicht öfter Irrungen veranlaßt. -</p> - -<p> -Der Spaziergang nach Dorna ergötzte die Freunde, -sie wandelten dann nach der Liebemay, einem anmuthigen -Walde. Allenthalben erfreute der Anblick der Gebirge. -</p> - -<p> -Am folgenden Tage sollte ihr Kutscher sie nach Dux -bringen, sie geriethen aber, da er des Weges unkundig war, -nach Kloster Ossek. Auf dem Rückwege besahen sie Dux -und die Andenken an den berühmten und berüchtigten Wallenstein, -der seit einigen Jahren durch des edlen Schillers -Gedicht für die deutsche Nation ein neues Interesse bekommen -hatte. -</p> - -<p> -Die Bergstadt Graupen und ihre alte Kirche, die Ruine -oben und die schöne Gegend nahmen den folgenden Tag in -Anspruch. In der Kirche traf Walther zwei Damen aus -Berlin, Mutter und Tochter, und sie beschlossen, die Spaziergänge -in Gemeinschaft zu besuchen. Wir werden noch den -jungen Herrn von Bärwalde hier sehen, den wir gestern in -Bilin fanden, sagte die Mutter, einen jungen Mann, den -wir im vorigen Winter kennen lernten. Ein bescheidenes, -stilles Wesen, setzte die Tochter die Beschreibung fort, ich -habe in meiner Vaterstadt, in Berlin, mit ihm getanzt: er -war fast zu ernst und verschlossen und tanzte auch mit einer -gewissen feierlichen Miene. Alles dies wurde still und fast -ängstlich während des Gottesdienstes in der Kirche verhandelt, -und so leise sie sprachen, sahen die andächtigen Böhmen -doch mehr wie einmal drohend nach den Ketzern sich um. -Plötzlich sprangen zwei junge, wohlgekleidete Leute durch die -Thür der Kirche, stellten sich laut sprechend in die Mitte, -<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a> -den Rücken gegen den Altar und Priester gekehrt, und kritisirten -die Gruppen der hölzernen Figuren, die gegenüber -auf dem Chore einen Theil der Leidensgeschichte, kräftig und -wild ausgearbeitet, darstellten, so wie man unten an der -Seite durch gelbgefärbtes Glas in das Fegefeuer und die -Qual der Sünder hineinsah; Alles auch ganze Figuren. -Waren diese Gegenstände auch nicht der Kunst, vielleicht selbst -der Kirche nicht ganz geziemend, so war das überlaute Gespräch -und Lachen der Jünglinge ungezogen und so anstößig, -daß die Damen, von den drei Reisenden begleitet, in großer -Angst aus der Kirche flüchteten. -</p> - -<p> -Um des Himmels Willen! rief das junge Mädchen, -indem sie die Höhe hinanstiegen, kennen Sie, liebe Mutter, -den sanften, trocknen, zu bescheidenen Tänzer in diesem -übermüthigen, affektirten Don Juan wieder? -</p> - -<p> -Ist Ihnen denn, werthes Fräulein, sagte Walther, dieser -Ton der sogenannten feinern Welt noch unbekannt geblieben? -Diese neumodischen ungezogenen Herren, die in -Gesellschaften, im Schauspiel und in der Kirche sich lärmend -und schreiend betragen, sind beim Tanze so steif und ehrbar, -daß sie um Alles nicht lachen oder lächeln und ihre Tänzerin -kaum noch mit einem finstern, halb abgekehrten Blicke ansehen. -Auf dem Balle darf sich keine Spur von Fröhlichkeit -zeigen, sie tanzen, als wenn sie zur Frohn arbeiteten, oder -wie die Baugefangenen mit Schellen und Klötzen an den -Beinen. -</p> - -<p> -Die Frauen hatten solche Furcht vor jenen beiden Jünglingen, -daß sie in der Gesellschaft der Reisenden über Maria-Schein -schnell nach Teplitz zurückkehrten. Nach dem Mittagsessen -traf man sich auf dem Schloßberge wieder, von wo -man am schönsten das ganze Thal von Teplitz übersieht, -und Abends begab man sich in das kleine Theater. -</p> - -<p> -<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a> -Ein ächt deutsches Stück wurde gegeben: „Der seltne -Prozeß.“ Ein verarmter, rechtlicher, frommer und bibelfester -Weber weiß seiner Noth kein Ende, um so weniger, -da seine Frau ihn seit Kurzem mit Zwillingen beschenkt hat. -Der Segen des Himmels, den beide dankbar anerkennen, -drückt sie aber so zu Boden, daß nach langem Kampfe und -vielem Schmerz sie sich entschließen, das eine Kind in der -Nacht einem reichen Manne heimlich zu übergeben. Dieser -aber hat in derselben Nacht schon ein Wickelkind erhalten, er -läßt Acht geben, und als der Arme jetzt mit schwerem Herzen -seinen Sohn dem Zufall und der Menschenliebe übergeben -will, wird er ergriffen, gescholten und ihm, der nicht -zu Worte kommt, das dritte Kind mit Gewalt in die Arme -gelegt. Mit diesem Segen und Jammer befrachtet, muß er -nach Hause gehen, und die Klagelieder der Frau kann sich -Jeder denken. Indessen ist schon die unerwartete Hülfe nah. -Eine Summe Geldes bringt der neue Ankömmling mit und -ein Schreiben, daß für die Ernährung des Kindes reichlich -soll gezahlt werden. Nun wird große Freude aus der Trauer. -Aber der Reiche erfährt diese Entwickelung, er will das Kind -sammt dem Gelde und der Verköstigung zurück haben, und -so wird der seltne Prozeß vor Gericht geführt. Ein edler -Advokat, der die Sache des armen Webers führt, weist sich -endlich als der Vater des Findlings aus, und Alle werden -am Schluß zufriedengestellt. Ein komischer Richter erheitert -die Verhandlung. -</p> - -<p> -Es waren noch nicht viele Brunnengäste in Teplitz und -darum, besonders bei dem schönen Wetter, das Theater sehr -menschenleer. Eine hohe, edle Gestalt gab sich die Mühe, den -Schauspielern und dem schlechten Stücke oft zu klatschen und -sie durch lauten Beifall zu ermuntern. Walther erkannte, -als sie nach dem Stücke noch den Garten besuchten, in ihm -<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a> -den berühmten witzigen Prinzen de Ligne, der hier meist den -Sommer zubrachte. Als Walther ihm seine Begleiter vorgestellt -hatte, erklärte der geistreiche Prinz, daß es ihm nicht -darum zu thun sei, die gespielte Armseligkeit für etwas -Gutes auszugeben, sondern es komme ihm nur darauf an, -die armen Schauspieler etwas zu ermuthigen. -</p> - -<p> -Ist es nicht, fügte Walther hinzu, um diese ernsthaften -Deutschen etwas Sonderbares! Wenn der heutige Schwank -theatralisch gelten sollte, so müßte er eben als Schwank, als -Posse vorgetragen werden. In diesem Sinne sah ich die -Geschichte vor einigen Jahren in Rom spielen. Ein eigensinniger -Misogyn jagt seinen Bedienten, Truffaldin, aus -dem Dienst, weil er gehört hat, er sei verheirathet. In komischer -Verzweiflung kommt der Spaßmacher nach Hause und -findet die Zwillinge. Possierlicher Jammer der Aeltern, was -anzufangen sei. Der Entschluß wird gefaßt, das Kind dem -Findelhaus zu übergeben. Aber welches? Beide Kinder -machen auf gleiche Liebe Anspruch. Man streitet, zankt, -weint und lacht: der Zufall soll es entscheiden, und die Kinder -werden wie Loose übereinandergerollt und Truffaldin -greift blindlings hinein. Beim Findelhaus wird ihm aber -der dritte Säugling nach einigen Schlägen, die er mitnehmen -muß, aufgezwungen, und in dieser burlesken Art entwickelt -sich, ohne Prozeß, so viel ich mich erinnern kann, -das tolle Lustspiel. Die Italiener, die gerne lachen, hatten -große Freude an dieser lustigen Parodie der Väterlichkeit -und des menschlichen Elends, viele gesetzte Deutsche aber, -die sich alle zu den guten und besten Köpfen rechneten, meistens -Vornehme, die sich sonst nicht von der Moral geniren -ließen, fanden den Spaß äußerst unsittlich und folgerten aus -dem Lachen des unbefangenen Volks, das durch halbe Cultur -noch nicht verdreht war, die tiefe Versunkenheit der Italiener, -<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a> -weil sie beim mindesten edeln Gefühl dergleichen Abscheulichkeit -nicht würden dulden können. -</p> - -<p> -Das Albern-Sentimentale, fuhr Wachtel im Gespräch -fort, diese Krankheit, die dem wahren Gefühle ganz entgegengesetzt -ist, hat von je bei den Deutschen gütige Aufnahme -gefunden. Doch sind die Franzosen in vielen ihrer -Dramen und Romane auch nicht frei von dieser nervösen -Hautkrankheit. Den schlimmsten Ausschlag hat wohl unser -Kotzebue gehabt und gegeben. Hiob rieb sich in seinem -Elend mit Scherben: wir gehn in die Komödie, um uns zu -erleichtern. „Der kratze sich, den es juckt,“ sagt Hamlet: -das thun wir denn redlich. -</p> - -<p> -Der Fürst lachte und nach einigen Wechselreden trennte -man sich, weil es schon spät geworden war. Von Karlsbad -schrieb Walther folgenden Brief an seinen Freund nach -Warschau. -</p> - -<p class="date"> -Karlsbad, den 28. Junius 1803. -</p> - -<p class="noindent"> -Die Familie Essen habe ich aufgesucht, so wie ich nur -hieher kam. Aber ich weiß nichts Bestimmteres, da diese -Leute, die etwas träge scheinen, selber keine nähern Nachrichten -haben. Nur so viel scheint aus Allem hervorzugehen, -daß der Entführer oder Verführer sich unter verschiedenen -Namen herumgetrieben hat, und daß es deswegen um so -schwieriger ist, ihm auf die Spur zu kommen. Nach Franken -deuten die etwanigen unbestimmten Anzeigen. Ich muß -es also fast dem Zufalle überlassen, ob ich ihn oder sie auf -meiner seltsamen Pilgerfahrt antreffen werde. Man wird -selber saumselig, wenn man sieht, wie wenig die Menschen -sich ereifern, die die Sache doch auch, der Verwandtschaft -wegen, interessirt. -</p> - -<p> -<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a> -Mein wunderbarer Reisegefährte Ferdinand wird mir -um so lieber, je öfter ich mit ihm zanke, je weniger ich in -eine von seinen seltsamen Meinungen eingehen kann. So -wie man von Sachsen aus die böhmische Grenze betritt, ist -Natur und Menschenstamm anders. Am auffallendsten aber -ist das katholische Wesen, die Heiligenbilder und Crucifixe -auf Wegen und Stegen, in Dörfern und Städten, abseits -auf dem Felde, wo man nur hinsieht, begegnen dem Auge -diese hölzernen und aus Stein gemeißelten Figuren, die -meisten, wie sich von selbst versteht, widerwärtig, schroff, -und die Gemälde und angestrichenen Passionsfiguren blutig -und unannehmlich. Engel, die in Kelchen das Blut des -Heilandes auffangen, das Antlitz des Erlösers beregnet von -rothen Tropfen, Maria meist mit nußgroßen Thränen, und -Alles, wie in der Kirche zu Graupen, darauf hingearbeitet, -um Schauder und Grauen zu erregen. -</p> - -<p> -Als ich nun einmal darüber klagte, wie so Vieles in -unserm Vaterlande, welches öffentlich aufgestellt wird, mehr -dazu dient, die Barbarei zu befördern und das Auge zu -verderben, anstatt den Sinn für Schönheit zu nähren und -zu erhöhen, gerieth er in einen erhabenen Zorn und rief -nach manchen Aeußerungen: Wüßten wir doch nur erst, was -Schönheit ist und was wir so nennen sollen! Ist sie denn -nicht so oft nur eine Verlarvung des Lebens und der Wahrheit? -Auch die alten Griechen, uns Musterbilder im Schönfühlen, -hegten vor jenen Klötzen und Unformen, die ihnen -aus uralter, fast vorgeschichtlicher Zeit überkommen waren, -eine heilige Ehrfurcht und Scheu, und die Frommen fühlten -vor diesen Fratzenbildern in Ahndung und Erinnerung mehr, -als vor jenen neuen, schöngeschnitzten Götterbildern. Die -Süßlichkeit mancher neuen Maler oder Bildner, wenn sie -den Heiland als einen Siegwart, oder empfindsamen verliebten -<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a> -Landprediger, oder im Akt des Brodbrechens als -einen idealisirten Bäckergesellen darstellen, ist mir das Verhaßteste -in allen Verirrungen unserer gefühlvollen Zeit. Das -Leiden des Gottmenschen, die Geheimnisse unserer Religion, -die Wehmuth, der Schreck unseres Innern, die uns von -dieser dunkeln, zu nahen Erde in die himmlischen Regionen -des Glaubens und Anschauens hinaufrücken sollen, können -und dürfen anderer Natur seyn, als jene Bewegungen, die -uns das Schöne erregt. Wo der Landmann seine Aecker -überschaut, der wilde Jäger aus seinem Forst tritt, der -fremde Wandersmann in den Bezirk kommt, sehen sie die -Hinweisung auf Erlösung, Erbarmen, Mitleid und das -Wunder des Ueberirdischen. Wird durch Fleiß und Thätigkeit, -durch Tugend und Kraftanstrengung nicht immerdar -etwas Geistig-Göttliches von der Qual und vom Tode erlöst? -Geschieht nicht auch dieses in Arbeit und Mühe durch -Schmerz und Aufopferung? Der Bettler empfängt in jedem -Brodschnitt nicht nur die Milde des Gebers, sondern auch -dessen Kampf und Schweiß. So weit diese Bilder hier in -den frommen Gauen stehen, werfen sie ihre leuchtenden -Strahlen segnend über die Aehren und die Früchte, über den -jungen Wald, Bäche und Wege dahin, und Alles, so weit -das Auge reicht, ist wie gesegnet und über den Tod und -Fluch des Irdischen erhaben. -</p> - -<p> -Wir fuhren über Dux, Brixen und Saatz, wo wir -Mittag machten. Der Abend und der schönste Sonnenuntergang -traf uns auf der Höhe vor Engelhaus. Ich erinnere -mich kaum, in meinem Leben etwas so Wundervolles -in der Natur gesehen zu haben. Ferdinand, bei dem alle -Gefühle leicht in Rührung übergehen, hatte Thränen in den -Augen. Sie standen seinem hübschen blühenden Gesichte sehr -gut, was mit daher rührt, weil der liebe Mensch von aller -<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a> -Affectation völlig frei ist. Was er nun sprach, war wirklich -wie in Entzückung, und als wenn er eben einer Vision theilhaftig -wäre. -</p> - -<p> -Kann man nicht diese Glut, diesen Purpurbrand und -alle diese Röthen in ihren Abstufungen bis zum lichten Rosenschmelz, -als Blut des Heilandes, vom Haupte strömend, -aus der Seite, den Füßen und Händen fließend, anschauen? -Sein Haupt, die Sonne, sinkt tiefer und tiefer hinab, der -Nacht und dem Tode entgegen; nun ist die göttliche Scheibe -verschwunden, und die Röthe gleitet ihr dunkler und farbloser -nach. Er ist scheinbar todt, der göttliche Tag, und -sein Alles erleuchtendes Licht erloschen. Ueber uns thürmen -sich Wolken und kreisen umher, vom letzten Licht getroffen -und schwach gefärbt. Sie bäumen sich auf und ergreifen -flockend, anwachsend, sich lösend, diese und jene Gestalt. Es -sind die alten Fabelgötter, die ein Traum- und Scheinleben -erringen. Da sitzt der alte Jupiter, ungeheuer und in sich -schwankend, auf seinem bebenden Dunstthrone, Bacchus erhebt -trotzig und jubelnd den Pokal, und so wie er trinken -will, zerfließt und schwindet der große Arm und die Figur -des Trunkenen wandelt sich unvermerkt in den springenden -Pardel, der jetzt den leeren Wagen zieht. Von dort schreitet -der Juno erhabene große Gestalt durch das dunkle Blau, -sie sucht ihren Gemahl und schrickt zusammen, weil dort -schon ein goldner Stern durch den Aether blinkt. Haupt -und Locken lösen sich, die gewölbte Brust schmilzt wie Silber -im Ofen, die zerbrochenen Formen leuchten noch einmal auf -und tauchen dort in den finstern Streif, in welchen sich alle -rollenden Bildnisse versenken. Der Traum ist ausgeträumt -und die dunkle Nacht tritt herauf. Ein Sternbild nach dem -andern bricht aus dem finstern Dome glänzend hervor; oben -die unvergänglichen festen Lichter, unten auf Erden Dunkelheit, -<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a> -Nacht, Tod; kein Fels, kein Wald mehr zu unterscheiden, -Alles unkenntlich in eine schwarze Masse zerronnen, -die ohne Anfang, die ohne Ende ist. Beides ein Bild der -stummen Ewigkeit. So steht die Nacht fest, unerschütterlich, -wie es scheint. Abend- und Morgenroth sind Wahn; die -erhabne Unendlichkeit der Gestirne, die unzählbaren Lichter -und Welten in unermeßlichen Fernen wandeln dem rückgekehrten -Blick die Erde in nichtig Spielwerk und den Glauben -an Gnade und Erlösung in Fieberphantasie. Der Zweifel -und das Dahingeben in das Unbegrenzte, Schrankenlose, -giebt sich für Wahrheit und Religion. Da erzittert die ewige -Nacht in sich selbst, die finstern Wälder schütteln sich im -Morgenhauch, die ergrauende Dämmerung wächst wie weissagend -am Horizont empor. Plötzlich tritt die liebliche Morgenröthe -hervor, mit ihren Wundern über die Berge klimmend; -Farbe, Licht, Wonne, Gestalt vertreiben siegreich den -Unglauben der formlosen Nacht, und der Glaube tritt wieder -in die jauchzende Natur. Sie trägt, die trostreiche, freundliche -Mutter, den glänzenden, auferstandenen Sohn als -leuchtendes Kind in ihren Armen, und Wälder und Gebirge -sind im blauen und grünen Schimmer der letzte Saum des -fließenden Gewandes, wie sie aufgerichtet steht, hoch in die -Himmel ragend. Und die Ströme jauchzen und schluchzen -in Freude, und die Blumen lachen und duften, und die -Felsen erklingen, und die Waldung rauscht Lobgesang. -</p> - -<p> -Wir konnten seine begeisterten Augen nicht mehr sehen, -denn es war ganz finstere Nacht geworden. Wundersam -leuchteten von unten die zerstreuten Lichter aus Karlsbad, -und nach vielem Rütteln und Stoßen unseres Wagens, indem -einmal der große hölzerne Hemmschuh brach, der hier -dem Rade untergelegt wird, gelangten wir spät und nicht -ohne Gefahr in dem Städtchen an. -</p> - -<p> -<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a> -Am andern Morgen — wen traf ich? Unsern theuern -Carl von Hardenberg, den jüngern Bruder unsers vielgeliebten -nur kürzlich und leider für die ganze Welt zu früh -gestorbenen Novalis. Er ist mit seiner jungen, angenehmen -Frau hier, um die Bäder zu gebrauchen. Er sieht wohl -aus und ist stärker geworden. An männlicher Schönheit ist -er mit Novalis nicht zu vergleichen. Der schwärmende Ferdinand -hat sogleich sein ganzes Herz erobert und mich, den -ältern Freund, in den Hintergrund gestellt. Aber sehr begreiflich, -weil sie sich in Stimmung und Ansicht begegnen. -Carl Hardenberg hat uns seine Schrift: „Die Pilgerschaft -nach Eleusis,“ vorgelesen, die mein Freund sehr billigte, -wenn er gleich nicht Alles loben mochte. Dieser jüngere -Bruder nennt sich in seinen schriftstellerischen Arbeiten <em>Rostorf</em>, -nach einem Gute in Sachsen, nach welchem die eine -Linie Hardenberg diesen unterscheidenden Namen führt. — -Eben so ist <em>Novalis</em> ein Gut, nach welchem die ältere -Linie sich unterscheidet, und welchen Namen unser Freund -annahm, bloß deshalb, um sich nicht Hardenberg zu unterschreiben. -Wie viel Unnützes haben schlechte Köpfe, die sich -immerdar dem Bessern widersetzen, über diesen Namen Novalis -gefabelt und gewitzelt. -</p> - -<p> -Solltest Du nun nach Allem, was ich erzählt habe, nicht -glauben, mein Reisegefährte Ferdinand sei katholisch geboren -und erzogen? Allein nichts weniger, er ist Protestant und -aus einem protestantischen Lande. Der wunderliche Wachtel, -der sich die Miene giebt, ihn ganz genau zu kennen, ihn aber -doch vielleicht nicht immer begreift, behauptet mit seiner gewöhnlichen -Kälte und Sicherheit: wenn Ferdinand in einem -katholischen Lande erzogen wäre, oder wenn es nur schon -Ton und Mode wäre, wie es vielleicht dahin käme, sich katholisch -zu dünken, so würde unser Schwärmer eben so extravagant -<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a> -ein Protestant seyn. Ich lasse das dahingestellt -seyn. Denn wer mag dergleichen behaupten oder widerlegen? -</p> - -<p> -Wir sind mit Hardenberg und seiner liebenswürdigen -Frau nach dem sogenannten Heilingsfelsen gefahren. Eine -von jenen Sagen, mit denen die Phantasie nicht viel anzufangen -weiß, knüpft sich an diese Gegend. Die Spitzen der -Felsen sind grotesk und gleichen in der Ferne gewissermaßen -menschlichen Gestalten. Nun fabelt man, es sei eine Hochzeit, -die plötzlich, mit allem Gefolge, in früher Vorzeit sei -versteinert worden. — Mich dünkt, der Vielschreiber Spieß -hat einen Geisterroman daraus gemacht. Diese gelesenen, -beliebten Autoren lösen in Deutschland einander nach gewissen -Zeiträumen ab, und selten, daß der neue Liebling besser als -der abgesetzte Vorfahr ist. Dieselben Leser aber, die den -neuen Demagogen bewundern, können alsdann nicht fassen, -wie der frühere ihnen nur irgend etwas habe seyn können. -</p> - -<p> -Man erlebt immer noch unerwartete, möchte man doch -sagen wunderbare Dinge. In einer geistreichen, vornehmen -Gesellschaft, in welche wir ebenfalls eintraten, als wir oben -vom Hirschsprung zurückgekehrt waren, erhob sich zwischen -zwei Baronen, schon bejahrten Leuten, ein unerwarteter und -lebhafter Streit. Der ältere meinte und behauptete, das -Thal von Karlsbad übertreffe nicht nur das Teplitzer bei -weitem, sondern sei auch außerdem eine der schönsten Gegenden -in Deutschland. Ich habe wohl erlebt, daß man -Bücher, Autoren, Musiker und Schauspieler protegirt, und -daß der Protektor seine Meinung, wenn er ein Vornehmer -ist, so zur Ehrensache macht, daß ihm keiner, höchstens etwa -ein Gleichgestellter, doch immer nur milde, widerspricht. -Daß man aber in demselben Sinne auch die Natur protegiren -könne, war mir eine ganz neue Erscheinung. Der -<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a> -Baron B. focht nun aber mit allen Waffen gegen Herrn A. -für sein geliebtes Teplitz, und behauptete, dieses sei ohne -Bedenken durch seine Heiterkeit, schöne Fernen, milde Luft -und Bergfiguren dem elenden, bedrängten und drückenden -Karlsbad vorzuziehen, wo die nahen Berge wie die Mauern -eines Gefängnisses jedes Gemüth, das noch irgend Sinn -für Natur habe, beängstigten. Als die beiden Gegner immer -empfindlicher wurden und sich mit jeder Gegenrede schärferer -Ausdrücke bedienten, wollte unser Wachtel den Streit durch -gutgemeinte Uebertreibung schlichten oder lächerlich machen, -indem er rief: „Meine Herren! Karlsbad, so wie Teplitz in -Ehren! Aber, abgesehn von aller partiellen Vorliebe, wo -immer eine gewisse Einseitigkeit sich meldet, auf die ein -universeller Naturfreund, der ich zu seyn glaube, keine Rücksicht -zu nehmen hat, so glaube und behaupte ich gegen sie -Beide: daß der Hirschsprung dort oben schöner sei, wie -irgend etwas in dieser Gegend oder bei Teplitz, ja in ganz -Deutschland wenigstens, um nicht Europa zu sagen. Aber -zugegeben selbst, Karlsbad sei ausbündig schön, wie schön -dann der Hirschsprung, der hier unbedingt und ohne Frage -das Schönste ist. Von tausend und aber tausend Malern -ist nur Ein Rafael, der das Höchste und Vollkommenste erreicht -hat; unter seinen vielen Bildern muß Eins das vorzüglichste -seyn; auf diesem vorzüglichsten Tableau wird ohne -Zweifel Eine Figur die beste seyn und — um ganz vollständig -das Argument zu endigen — auf und an dieser Figur -wird die Nase, der rechte Arm oder das linke Bein, oder -wohl ein verkürzter Finger das allerkunstreichste darstellen — -und, Vortrefflichste, diesen Finger, oder die Nase, oder was -es nun sei, weise man mir nach, und ich bin in meiner -Ueberzeugung glücklich, und fühle mich im Mittelpunkt der -Kunst und scheere mich um den ganzen Rafael nichts mehr, -<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a> -die übrigen Sudler, Stümper oder vollendete große Meister -gar nicht zu erwähnen. Und so ist mir mein Hirschsprung -mein Delphi, mein Nabel der Erde. -</p> - -<p> -Dieser Scherz aber, statt die Stimmung der Kriegführenden -zu mildern, erbitterte sie nur noch mehr, und er -endigte, wie ich gleich fürchtete, mit einer Ausforderung. -Zum Glück ist die Sache gut abgelaufen, die Kugeln sind -ganz nahe dem Ziele vorbei gegangen, ohne zu verletzen, -und der Teplitzer Fanatiker ist nach seinem Lieblingsorte unmittelbar -nach dem Kampfe abgereist, indem er in das Fremdenbuch -seine Verachtung der hiesigen Gegend mit starken -Ausdrücken eingezeichnet hat. — -</p> - -<p> -Kann ein Gebildeter, so hat Baron A. diese Schmähung -im Gastbuche zu widerlegen gesucht, so unbillig seyn, -die Natur entgelten zu lassen, was bloß seine eigne Verstimmung, -oder sein Mangel an Sinn verschuldet hat? Die -Engherzigkeit kann kein Urtheil fällen, am wenigsten über ein -Geheimniß, und ein solches ist und bleibt die Schönheit der -Natur. Der Krittler wird immer mit ihr über den Fuß -gespannt seyn. -</p> - -<p> -O wie wahr! sagte Wachtel zum Schreibenden, denn -nun verstehe ich erst, warum ich diesen meinen lieben Hirschsprung -allen Dingen in der Welt vorziehe. Meine Vorliebe -ist eigentlich das Herz und der Kern der Ihrigen, Herr -Baron, wie dieser Felsen nur ein Theil des Ganzen; darum -kann meine Liebe aber auch um so inniger seyn, weil sie sich -durch nichts zerstreuen läßt. — -</p> - -<p> -Doch genug von diesen Thorheiten; der gute Wachtel, -so habe ich entdeckt, liebt den Wein noch mehr, wie irgend -eine Schönheit in Kunst oder Natur. Er absentirt sich oft -und huldigt im Geheim seiner Leidenschaft. Besonders ist -es die sogenannte Mennische Essenz, ein vortrefflicher rother -<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a> -und süßer Ungarwein, der sein Herz ganz gewonnen hat. -Ferdinand sieht ihn nachher oft mit seinen großen braunen -Augen an, und kann aus den Faseleien und wilden Reden -nicht klug werden, die Wachtel dann ohne Kritik und Aengstlichkeit -von sich giebt. In diesem halben oder ganzen Rausch -scheint sich dieser wunderliche Mensch am meisten zu gefallen. — -</p> - -<p> -Nächstens mehr, und hoffentlich eine bestimmte Nachweisung. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Die drei Reisenden, welche man jetzt schon die drei -Freunde nennen konnte, nahmen von dem trefflichen Hardenberg -Abschied und reiseten den folgenden Tag bis nach Eger. -Hier fällt der große stämmige Menschenschlag auf, sowie die -dürre, kalte und unfreundliche Gegend. Man besuchte, aus -Verehrung gegen den großen Dichter noch am Abend das -Haus, in welchem Wallenstein war ermordet worden. Am -folgenden Tage fuhr man über Thiersheim nach Wunsiedel -und Sichersreuth, dem Bade, welches Alexanderbrunnen genannt -wird. Hier ruhten die Freunde bei stechender Mittagshitze -aus und erfreuten sich an der sonderbaren Gegend -und Aussicht. Die Natur zeigt sich hier wild, man möchte -den Ausdruck einen trotzigen nennen; dazwischen erfreuen -Wald und grüne Wiesenstellen, und wunderbar zeigt sich die -nahe Luxburg und der Burgstein. In diesem wundersamen -Geklipp und durcheinander und übereinander geworfenen und -kühn geschleuderten Felsenmassen erhebt sich das Gemüth in -der Einsamkeit der unabsehbaren Tannenwälder zu den kühnsten -Träumen. Ein poetisches Grauen weht in diesen Klüften -und auf den steilen Höhen. -</p> - -<p> -Diese Seltsamkeiten des Fichtelgebirges, die Nähe von -<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a> -Wunsiedel, die barocke Gestalt der Natur, die doch nicht ohne -Lieblichkeit ist, führte das Angedenken der Freunde von selbst -auf ihren geliebten Jean Paul Richter. Man sprach viel -über diese echt deutsche Natur und über seine wundersamen -Werke, deren Ruhm sich mit jedem Jahre mehr in Deutschland -verbreitet hatte. Mehr noch traten und glänzender die -Gestalten der hohen Reisenden hervor, die kürzlich hier gewandelt -hatten. Der Name des Königs von Preußen und -seiner schönen Gemahlin war in Aller Munde. Alt und -Jung rühmten die Milde und Herablassung, die Holdseligkeit -der edeln Frau, und wo man nur einen merkwürdigen -Fleck des Gebirges betrat, waren Spuren, Namen, Denksprüche -der Einwohner, um den Regierern die Verehrung -und Liebe der gerührten Herzen zu wiederholen. Wie hatte -sich seit zehn Jahren die Stimmung hier und allenthalben -im Baireuthschen geändert. Denn damals ging das Volk -nur ungern zur preußischen Herrschaft über. Jetzt fand man -sich beglückt und Alle sahn mit Vertrauen und fester Liebe -zu ihren Herrschern hin; und die Reise des Königs und der -Königin hierher hatte die Gemüther aller Einwohner noch -mehr erhoben. -</p> - -<p> -Als man sich am andern Morgen auf dem Wege nach -Baireuth befand, sagte Ferdinand: sonderbar ist es, Freunde, -daß man immer, wenn man die Stätte selbst betritt, wo -eine merkwürdige Geschichte vorgefallen ist, wo ein großer -Mann wandelte, sich in der Regel abgekühlt und ernüchtert -fühlt. Es ist, als wenn die Phantasie ohne Nachhülfe der -Wirklichkeit die Sachen viel besser und passender verarbeitet. -So hat mir in Eger das Haus des Bürgermeisters, in welchem -der Feldherr ermordet wurde, nur einen trüben Eindruck -gemacht. Schiller’s tönende Reden und ergreifenden -Scenen wollen sich nicht recht in diese Localität fügen; man -<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a> -wird durch diese Umgebung herabgestimmt und das tragische -Gefühl sinkt dort zur peinlichen Empfindung eines widerwärtigen -Meuchelmordes herab. -</p> - -<p> -Ja freilich, antwortete Wachtel, ist es fast immer so -und kann auch nicht anders seyn. Die meisten Menschen -prickeln und kneifen dann an ihrem lamentirenden Herzen, -um sich hinaufzuschrauben. Ein Anderes ist es freilich, in -dem schönen Sanssouci zu wandeln und an Friedrich den -zweiten zu denken; die Wiesen zu betreten, die sich am Avon -bei Stratford hinziehn und sich dort Shakspeare als Knabe -und Mann vorzustellen. Hier läßt uns die Natur frei dichten. -Kirchen, wie der Strasburger Münster, Schlösser wie -das zu Warwick, erheben, indem sie große Kunstwerke sind, -das Gemüth auch, wenn es sich dort Geschichte und Sage -vergegenwärtigt; aber so ordinaire Fleckchen, Häuser, dunkle -Zimmer, Kirchhöfe, stimmen herab. Unser lieber wunderlicher -Jean Paul hat mir oft erklärt, er schildere die Gegenden -am liebsten, die er niemals gesehn, würde auch den Anblick -derselben vermeiden, weil ihn die Wirklichkeit nur stören -möchte. -</p> - -<p> -Ferdinand hatte eine große Vorliebe für Berneck und -die Uebrigen erstiegen mit ihm die Ruine. Hinter Berneck -tritt man in die Ebene und hatte nur zuweilen den Rückblick -auf das Fichtelgebirge. Als man in Baireuth zu Mittag -gegessen hatte, begab man sich nach dem Garten, der -Eremitage. Hier war Ferdinand sehr unzufrieden, weil man -Vieles geändert hatte, um in dieser sonderbaren Composition, -die aber nicht ohne poetischen Sinn entstanden war, einige -sogenannte englische Partien hineinzubringen, die den gut -geführten französischen Anlagen ganz unharmonisch widersprachen. -Es war aber noch so viel des Schönen übrig geblieben, -daß die Freunde in dem warmen Sommerwetter -<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a> -sich sehr behaglich in diesen grünen Laubengewölben ergingen. -</p> - -<p> -Bald wandelte man, bald setzte man sich nieder, und da -der Garten von Menschen nicht besucht war, so konnten sie -ungestört von den Werken ihres Freundes, Jean Paul, sich -unterhalten. So sehr sie ihn bewunderten und lobten, so -kamen doch Alle darin überein, daß man der Kunst und -Poesie Unrecht thue, wenn man seine wundersamen Bücher -Romane nennen wolle. Ein Roman sei ohne besonnene -Kunstanlage unmöglich, und die Plane Richter’s seien so -willkürlich, unzusammenhängend und von Laune und Eigensinn -gesponnen, daß gerade die scheinbare Einheit, der precaire -Zusammenhang um so mehr verletze, um so mehr er -oft mit falscher Künstlichkeit berechnet sei. So, fuhr Walther -fort, haben wir wohl nur einen wahren Roman in -deutscher Sprache, unsern Wilhelm Meister, den man nie -genug studiren kann. -</p> - -<p> -Wachtel sagte: dieser Wilhelm verdient gewiß alle Achtung, -wenn man ihn nur nicht gegen den einzigen Don -Quixote messen will. Dieses große Kunstwerk steht nun -jetzt seit zwei Jahrhunderten als ein unerreichtes und als -ein Musterbild da. Nicht als Muster insofern, daß andre -Romane diesem ähnlich seyn sollten, sondern als Vorbild, -wie jeder in seiner Welt, die er darstellt, in seinem Zweck, -den er verfolgt, so durchaus ein Ganzes und Befriedigendes -seyn könne und müsse. -</p> - -<p> -Man hat an diesem herrlichen Buche, fiel Walther ein, -ohne Noth so viel getadelt, was der weise Autor doch gerade -mit vielem Bedacht seiner sinnreichen Geschichte eingewebt -hat. Zum Beispiel kommen nicht die meisten Kritiker darin -überein, die musterhafte Novelle des Neugierigen sei überflüssig -und störend? Unser lieber Manchaner selbst, so treu, -<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a> -edel und herzhaft er ist, nimmt sich etwas vor, das, obgleich -es schön und herrlich ist, es auszuführen er keine Mittel -besitzt. Dieses Kämpfen für Recht und Unschuld, dieses -Ritterthum und Kriegführen, wie er es sich vormalt, war -aber auch zweitens niemals so in der Welt und konnte niemals -so da seyn. Auch ein Herkules oder ein Amadis, mit -allen Kräften und Tugenden ausgestattet, müßte einer solchen -wahnsinnigen Aufgabe des Lebens erliegen. Nur hie -und da, in verschiedenen Zeiten und Ländern, that sich etwas, -mehr oder minder, von dieser poetischen Ritterwelt in -der wirklichen Geschichte hervor. Die Phantasie des ebenso -braven als poetischen Manchaners ist durch jene Bücher verschoben, -die schon längst der Poesie ebenso sehr wie der -Wahrheit abgesagt hatten. Das, was noch in ihnen poetisch -war, oder jenes Phantastische, was das Unmögliche erstrebte, -sowie die schönen Sitten der Ritterzeit, alles Dies durfte -der ehrsame Herr Quixada wohl in einem feinen Sinne bewahren, -ja sich zu jener adligen Tugend seines eingebildeten -Ritters hinan erziehn; — wenn er nicht darauf ausgegangen -wäre, diese Fabelwelt in der wirklichen aufzusuchen und in -diesem von Sonne und Mond zugleich beschienenen Gemälde -den Mittelpunkt und die Hauptfigur selbst zu formiren. Er -war aber im Recht, wenn er, manchen seiner Zeitgenossen -entgegen, die Lichtseite und die Poesie jener entschwundenen -Zeit und Sitte würdigte, wenn er sich selbst als Dichterfreund -an dem ganz Thörichten und Phantastischen seiner -Bücher ergötzte. Nun aber zog er aus, alles Das, was ihm -begeisternd vorschwebte, selbst zu erleben; jenes unsichtbare -Wunder, welches ihn reizte, wollte er mit seinen körperlichen -Händen erfassen und als einen Besitz sich aneignen. -</p> - -<p> -Sehr richtig, erwiederte Ferdinand, und deshalb ist die -getadelte Novelle des Neugierigen nur ein tiefsinniges Gegenbild, -<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a> -welches von einer andern Seite die Thorheit des -Manchaners erläutert. Auch Anselm will das Unsichtbare, -welches wir nur im edlen Glauben besitzen, sichtbar, körperlich -in der Hand haben; das Richtige, Irdische soll ein -Himmlisches vertreten und ihm die Gewähr der Treue und -Liebe seyn. So zerstört er durch Aberweisheit, durch <span class="antiqua">impertinente -curiosidad</span>, was wir nicht übersetzen können, die -Keuschheit und den Adel seines Weibes, die ohne diese Anfechtung -wohl nie jene List und schreckliche Kunstfertigkeit, die -widerwärtigen Feinde der reinen Unschuld, in sich entwickelt -hätte. Zweifel also auf der einen Seite, und ein thörichtes -Bestreben, das Unsichtbare sichtbar zu machen, zerstören so -einen geistigen Schatz, jene Treue, die der Zweifler eben so -mit Recht Aberwitz schilt, wie der edle Glaube sie für felsenfest -ansieht und durch eigene Kraft ihr die Unerschütterlichkeit -mittheilt. -</p> - -<p> -Wir sind hierüber einverstanden, antwortete Walther, -geht es Ihnen aber, theurer Ferdinand, nicht vielleicht eben -so? Ihre aufgeregte Phantasie würdigt die schöne und bildreiche -Seite des katholischen Cultus, Sie sind in unsern -späten Tagen von jener Rührung durchdrungen, die einst -kräftige Jahrhunderte begeisterten. Seit kurzem ist ein religiöser -Sinn bei jungen Gemüthern in Deutschland wiedererwacht, -Novalis und dessen Freunde sprechen, reimen und -dichten, um das verkannte Heilige in seine Rechte wieder -einzusetzen; aber diese Anerkennung, diese süße Poesie des -stillen Gemüthes in der Wirklichkeit suchen oder erschaffen -wollen, scheint mir ganz derselbe Mißverstand zu seyn, den -wir eben charakterisirt haben. -</p> - -<p> -Sehr wahr, warf sich Wachtel eifernd dazwischen, — -wie schön ist es, wie uns Herder einmal auf den tiefen und -rührenden Sinn mancher Heiligenlegenden hingewiesen hat; -<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a> -nachher hat der romanhafte Kosegarten einige mit mehr oder -minder Glück vorgetragen. Im vorigen Jahre sah ich den -Verfasser der Genovefa und des Oktavian wieder und er -erzählte mir von einem Buch und zeigte mir einige Blätter -davon, welches denselben Gegenstand behandeln sollte. Die -Einleitung und Form war nicht unglücklich. In einem schönen -Gebirgslande verirrt sich ein edler Jüngling, der ganz -in der zweifelnden Aufgeklärtheit seiner Zeit erzogen, aber -dabei schwärmerisch verliebt ist, in der Einsamkeit des Waldgebirges. -Unvermuthet trifft er auf einen einsiedelnden Greis, -der den Ermüdeten in seine Zelle aufnimmt und ihn erquickt. -Des Alten Freundlichkeit gewinnt das Herz des jungen Mannes -und sie werden ganz vertraut mit einander. Ueber den -Beruf der Einsiedler, über die Wunder der Kirche, über die -Legende und Alles, was sich in diesem Kreise bewegt, verwundert -sich der Jüngling und kann es nicht unterlassen, -auf seine Weise zu spotten und mit Witz des Zweiflers zu -verhöhnen. „Wie? ruft der Greis dann aus, Du bist in -Liebe entzündet, Du schwärmst für Deine Sophie und kannst -doch kein Wunder fassen? Ist die Blume, das Band, welches -Dein Mädchen berührt, die Locke, die sie Dir geschenkt -hat, nicht Reliquie, empfindest, siehst Du an ihnen nicht -Licht und Weihe, die kein andrer Gegenstand Dir bietet? -Wo Du mit ihr wandelst, ist heiliger Boden, wenn sie Dir -die Hand oder die Lippen zur Berührung reicht, bist Du -verzückt, — und doch verkennst Du in der Geschichte der -Vorzeit den Ausdruck dieser Liebe, in den seltsamen Entwicklungen -begeisterter Gemüther, bloß weil sie diese Sehnsucht -und Herzenstrunkenheit nicht auf ein Weib hingelenkt -haben?“ — Der Jüngling wird nachdenkend und besucht den -Alten nun, so oft er die Stunde erübrigen kann. In diesen -Zeiträumen erzählt ihm der Greis jene wundersamen -<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a> -Legenden von Einsiedlern, Jungfrauen, Männern und Kirchenältesten, -die ihr ganzes Gemüth der Beschauung des -Himmlischen, der Entfaltung jener geheimnißvollen Liebe widmeten. -Diese Kämpfe des Zweifels, diese Erscheinungen aus -fremder Welt, diese uns unbegreiflichen Aufopferungen werden -nach und nach vorgeführt, wo sich aus dem Erzählten -selbst die Erklärung und das Verständniß ergiebt. Nach -einigen Monaten kommt der junge Liebende wieder zum -Greise und dankt ihm, wie einem Vater, der ihm den Geist -geweckt und ihm ein neues Leben erschaffen habe; er sei -darum auch entschlossen, in den Schooß der alten Kirche zurückzukehren. -„Nein, ruft der Greis bei dieser Erklärung, -verwechsele nicht diese unsichtbare Liebe, mein Sohn, mit den -Zufällen der Wirklichkeit. Du würdest, anstatt des Göttlichen, -nur die Schwachheit unserer Priester kennen lernen. -Wozu, daß Du Deine innern Entzückungen, die im Geheimniß -Deiner Brust Wahrheit und Bedeutung haben, in die -kalte Wirklichkeit verpflanzen willst, an welcher sie erstarren -und verwelken müssen?“ So rieth ihm derselbe Greis ab, -der ihn erst in die Liebe und Bedeutung jener Visionen eingeweiht -hatte. — Und ich wende das Resultat jenes noch -nicht erschienenen Buches wieder auf Dich an, mein Ferdinand. -Das erste Wahrnehmen, der Blick der Begeisterung, -die Aufregung der Liebe findet immer und trinkt den reinen -Brunnquell des Lebens; — aber nun will der Mensch im -Schauen das Wahre noch wahrer machen, der Eigensinn der -Consequenz bemächtigt sich des Gefühls und spinnt aus dem -Wahren eine Fabel heraus, die dann oft mit den Wahngeburten -der Irrenhäusler in ziemlich naher Verbindung steht. -</p> - -<p> -Somit wäre also, rief Ferdinand aus, der Indifferentismus, -der nur Alles gesehn und erfahren hat, nichts aber -seinem Gemüthe sich einbürgern läßt, die höchste Weisheit -<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a> -und Menschenwürde! Es kann aber die Zeit kommen, in -welcher edle Geister sich wieder öffentlich zu dieser Kirche, -dem alten, echten Christenthum bekennen. -</p> - -<p> -Möglich, sagte Walther, wüßte man nur bestimmt und -klar, welches das älteste Christenthum sei. Jeder deutet sich -die Sache in seiner Weise aus. Auch möglich, daß die jetzt -vergessenen Pietisten durch diese religiöse Anregung und Begeisterung -wieder erwachen; vielleicht giebt es in einigen -Jahren deutsche Puritaner und Methodisten. Die geistige -feine Linie, auf welcher hier das Wahre und Schöne schwebt, -kann so leicht hüben und drüben überschritten werden; — -und bemächtigt sich erst die Menge, die Leidenschaft, die -Turba dieser Vision — welche Religions-Manieristen mögen -da noch zum Vorschein kommen, wenn nicht sogar Verfinsterung -und Verfolgung, Inquisition und Haß von katholischen -Priestern und vermeintlich orthodoxen Protestanten -wieder gepredigt wird. — Das scheint aber wohl, daß Verliebte -in ihrer erhöhten Stimmung mehr der katholischen, -als einer andern Kirche zugeneigt seien, und daß Sie, lieber -Ferdinand, ein Verliebter sind, habe ich Ihnen angefühlt, -seit wir uns dort hinten auf der Oder zuerst kennen -lernten. -</p> - -<p> -Ferdinand ward blutroth, und verleugnete schwach und -stotternd die Anklage. Er ist eigentlich kein Jüngling mehr, -sagte Wachtel, aber seit ich ihn kenne, ist er immerdar verliebt -gewesen. Doch so tief, wie er jetzt seyn mag, ist es -ihm wohl noch niemals ins Herz gegangen, denn er ist bedenklich -und viel tiefsinniger und launenhafter als in ältern -Zeiten. -</p> - -<p> -In einer schönen Mondnacht fuhren die Freunde von -Baireuth ab und kamen früh, schon vor Sonnenaufgang, in -Streitberg an. Sie bestiegen die Berge und besuchten die -<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a> -merkwürdigen Höhlen. Ferdinand, der, wie die Uebrigen, die -Gegend schon kannte, war wie trunken von der schönen Natur. -Ueber Ebermannstadt näherte man sich dann der Ebene; -hinter diesem Orte sind die Wege so schlecht, daß man einen -Vorspann von Ochsen herbeiholen mußte, um aus der -versumpften Stelle den nicht schweren Wagen fortbringen zu -können. -</p> - -<p> -Hinter Bayersdorf streckt sich die sandige Ebene aus -und man sieht ein großes, wüstes Schloß, welches in neuem -Styl errichtet, aber nicht ausgebaut ist und als wunderliche -Ruine dasteht. -</p> - -<p> -Sehr begierig bin ich, so erzählte Ferdinand, hier einen -ehemaligen Bekannten wieder aufzusuchen. Ich war ihm vor -geraumer Zeit begegnet, und so kam er vor einigen Jahren -wieder zu mir; er ist gelehrt und ein Enthusiast für die -Dichtkunst; er läßt aber nur einzig und allein die Griechen -aus der großen Zeit für Dichter gelten, und unter diesen -stellt er wieder seinen Liebling Sophokles allen voran. Es -ist nicht übertrieben, wenn ich sage, daß er diesen auswendig -weiß. Er kennt alle Commentatoren seines Freundes genau, -er ist unermüdet, ihn zu studiren und die schwierigen Stellen -zu erklären, so daß wir von diesem Eifer gewiß schöne -Früchte erwarten dürfen. Dieser wackre Termheim, denn so -heißt er, hat aber gar keinen Sinn für die Schönheiten der -Neueren; oder vielmehr, er behauptet, sie, von seinem Standpunkte -aus, zu verstehn und von dort ihre Nüchternheit und -Verwerflichkeit einzusehn. Er belächelt mitleidig Diejenigen, -welche den Shakspeare bewundern; er behauptet, die Barbarei -dieses Naturkindes sei höchstens für den Psychologen -interessant, der von seiner Stelle diese Waldnatur allenthalben -zurecht weisen könne. Die Leidenschaften fast pathologisch -richtig zu schildern, sei noch lange nicht hinreichend, um -<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a> -sich der Schönheit auch nur von fern zu nähern. Die Großheit -der Alten habe recht geflissentlich alles das verschmäht, -worauf die Neuern ihren Stolz gründen wollten. Unsern -Göthe nennt er nur eine Ausgeburt neuester Kränklichkeit, -der, zu schwach, das Große und Starke zu erfassen, und zu -vornehm, um die eigentliche Gestalt des Lebens zu verstehn, -in einer unsichern, schwankenden Mitte nur der Verzärtelung -fröhne. Das klare Aetherlicht, der Hinüberblick über die -Natur und Welt, jene gesunde Freiheit des Menschen, der -Alles sieht und fühlt und sich nur dem Besten befreundet, -sei nur in Homer, Pindar, Aeschylus und Sophokles zu -finden, in Herodot, Thucydides, Plato und Aristoteles; mit -Euripides und Xenophon melde sich schon das Krank- und -Schlaffwerden der edeln Lebenskräfte. Unter den Neueren -kann fast einzig und allein unser Winkelmann bei ihm Anerkennung -finden. -</p> - -<p> -Wenn dieser gelehrte Mann, sagte Wachtel, kein Pedant -ist, so ist er ein Narr, der auch mehr vor das Forum -der Pathologie, als der Kritik gehört. -</p> - -<p> -Sein wir nicht so unbillig, erwiederte Walther, es kann -wohl seyn, daß ein innigstes Durchdringen, ein tiefsinniges -Anerkennen der echten Schönheit den Blick für die nah verwandte, -wie vielmehr für die entfernte, abstumpft. -</p> - -<p> -Das leugne ich eben, sagte Wachtel, die neue Zeit muß -uns die alte, und umgekehrt die alte die neue erklären. Es -sind zwei Hälften, die sich, um ein echtes Erkenntniß zu gewinnen, -nicht trennen lassen. Solche absprechende, hochmüthige -Einseitigkeit kann nur so sicher und stolz in sich selber -ruhn, wenn ein völliger Mangel an Kunstsinn jeden -Zweifel, wie jede tiefsinnigere Untersuchung unmöglich macht. -</p> - -<p> -Spät nur kamen sie in Erlangen an. Dieser fränkische -Kreis, sagte Wachtel im Gasthofe, bildet eigentlich das ganze -<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a> -Deutschland recht hübsch im Kleinen ab. Hier sind wir nun -wieder in der sandigen Mark Brandenburg; Tyrol im Kleinen -ist nicht fern, der Rhein und die Donau werden von -dem artigen Mainstrom recht hübsch gespielt, und Schwaben -und Baiern liegen in den fruchtbaren und heiteren Landesarten -dieses anmuthigen Kreises, in welchem die Physiognomie -der Natur immer so schnell wechselt. Ich habe immer -den Instinkt oder die Einsicht unsers alten Maximilian bewundern -müssen. Wie er sich zur Martinswand hinauf verirrt -hatte, stand er ziemlich hoch, vielleicht ist ihm in der -Todesangst die Eingebung gekommen, sein deutsches Reich -so richtig in zehn Kreise einzutheilen, wo in jedem Natur -und Menschenstamm sich so bestimmt von benachbarten absondern; -oder die dortige Vogelperspektive gab ihm den richtigen -Ein- und Ueberblick. -</p> - -<p> -Am folgenden Morgen machte ein jeder der Reisenden -seine Besuche. Walther erhielt einen Brief, indem er allein -war, und sowie er ihn öffnete, rief er: ha! in Bamberg -also! Endlich doch eine bestimmte Hinweisung. Ferdinand -hatte seinen älteren Freund, den Professor Mehmel, besucht, -wo er die Bekanntschaft des reformirten Pfarrers Le Pique -machte, zu dessen warmer Herzlichkeit er sich sogleich hingezogen -fühlte. -</p> - -<p> -Nachmittags gingen die Freunde zu dem griechischen -Gelehrten Termheim. Er freute sich sehr, Ferdinand wiederzusehen, -indem er sich, ganz erhitzt, aus einem Schwall -von Büchern und Papieren erhob. Jetzt werden wir einig -seyn, rief er dem Freunde zu, wie sehr hatten Sie Recht, -Verehrtester, mich wegen meiner einseitigen Bestrebungen zu -tadeln. Jetzt begreife ich erst Ihre Natur, Freundlichster -der Menschen, denn gewiß müssen wir uns unter dem Nächsten -umsehn, um uns mit dem Fernen zu verständigen. -</p> - -<p> -<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a> -Erlauben Sie, unbekannter Herr, fiel Wachtel ein, ich -will gewiß keine Blasphemie sagen, aber Sie verstehn mich -wohl, wenn ich den Spruch hierauf anwende: wer seinen -Nächsten nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, -den er nicht sieht? — Die Neueren, von Dante an, Ariost, -dann Shakspeare und besonders unser Göthe, alle Diese sind -unsre Brüder und Gespielen, mit uns aufgewachsen, und -wenn ich von Denen nichts begreife, die doch in demselben -Elemente mit mir hantiren, — wie soll ich jene fassen, die -mir durch Jahrtausende entrückt sind? -</p> - -<p> -Sehr wahr, rief der Begeisterte aus, und so freuen Sie -sich denn mit mir, Sie fremder oder längstgekannter Freund, -daß unser Werth mir endlich aufgegangen ist; ich habe ihn, -den Deutschen, nun endlich ausgefunden, der die Griechen -überwiegt und übersieht. -</p> - -<p> -So haben Sie, rief Ferdinand, Göthe’s schöne Natur -endlich verstanden? Wenn Sie auch sein Lob übertreiben -(und kann man wohl einen so großen Mann <em>über</em>schätzen?), -so freue ich mich doch, daß wir jetzt, nach Jahren, endlich -derselben Ueberzeugung geworden sind. -</p> - -<p> -Göthe! rief der Gelehrte mit einem sonderbaren Ausdruck -des Unwillens aus, — dieser verstimmte, kranke Geist! -Nein, so sehr werde ich mich nie vergessen, diesen über meine -angebeteten Griechen zu erheben. -</p> - -<p> -Nun, fragte Ferdinand sehr gespannt, wer ist es denn -also von unsern Deutschen, der Ihnen das Verständniß eröffnet -hat? -</p> - -<p> -Und Sie zweifeln noch? rief jener; kann man so verblendet -seyn? Sehen Sie denn nicht hier die vielen Bände -seiner unvergleichlichen Werke? Wer als der einzige, unvergleichliche -Kotzebue kann mit den Heroen der Welt um die -Krone ringen? Unablässig, tief in die Nächte hinein, studire -<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a> -ich jetzt die begeisternden Productionen dieses Genius. Seine -Schalkheit, sein Witz, seine Darstellung der Leidenschaften, -seine Charakterzeichnung der Menschen aus allen Ständen -und Ländern, die Malerei seiner naiven Mädchen, das tiefe -Gefühl der Liebe, die Scenen der Armuth und des Erbarmens, -diese lächerlichen Personagen, die doch nicht übertrieben -sind, die Mutter-, die Kindesliebe, die Kenntniß der Vorzeit, -Alles, Alles, was man nur als rühmlich erwähnen kann, -vereinigt dieser Geist in seinen Werken und überflügelt durch -seine Vielseitigkeit Sophokles und alle Griechen. -</p> - -<p> -Gewiß! rief Wachtel, der sich zuerst von seinem Erstaunen -erholt hatte, diese Griecherei ist nur eine Kriecherei und -Kotzebue kann künftig als Fluch oder Betheuerung dienen, -wie man wohl mißbräuchlich Kotzsapperment! oder Kotzelement -statt Gottes Element auf ungezogene Weise sagt. -</p> - -<p> -Mehr als verwundert über diese neue Lehre gingen die -Reisenden in ihren Gasthof zurück. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -In Erlangen war am Johannistage ein Student beim -Baden ertrunken. Die besten Schwimmer hatten ihn nicht -retten, die künstlichen Mittel den Jüngling nicht ins Leben -zurückrufen können. Man war einem alten, angesehenen -Manne böse, welcher Alles für unnütz erklärt hatte, weil jeder -Fluß an diesem bedenklichen Tage sein Opfer fordere. Die -jüngern Leute vorzüglich schalten mit Heftigkeit auf solchen -Aberglauben, der in manchen Gegenden den gemeinen Mann -wohl selbst hindere, rettend beizuspringen. Wachtel bemerkte, -daß es in Deutschland noch immer Provinzen und Städte -gebe, wo der Bürgersmann des festen Glaubens sei, daß -am Johannistage einer aus dem Orden der Freimaurer vom -Teufel geholt werde. Als man bei Le Pique, dem verständigen -<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a> -Pfarrer versammelt war, wo sich der scharfsinnige -Naturforscher Serbeck, sowie der Professor Mehmel eingefunden -<a id="corr-3"></a>hatten, hielt, nachdem viel über die Fortschritte in -jener Kunst gesprochen war, durch welche Scheintodte wieder -zum Leben gefördert werden können, Wachtel folgende Rede: -</p> - -<p class="adr"> -<span class="line1">Verehrte Gesellschaft und präsumtive Zuhörer!</span> -</p> - -<p> -Ich will gewiß nicht zurückbleiben, die Größe unserer -Zeit anzuerkennen, blicken wir aber rückwärts, um nicht zu -einseitig zu werden, so gebe ich mich für den Geschichtschreiber, -oder Bemerker, oder Würdiger einer nicht ganz neuen, -aber noch eben nicht besprochenen Kunst — der Kunst nehmlich, -die <em>Scheinlebendigen zu tödten</em>. -</p> - -<p> -Es sei mir erlaubt, von unsern Vorfahren anzuheben. -Ehe die Welt, nehmlich unsere Erde und ihre atmosphärischen -Pertinenzien zur Schöpfung, wie der Rahm, zusammengeronnen -war, gab es, dem Sein gegenüber, ein Nichtsein. Von -diesem Nichtdaseienden wurde lange Zeit keine Notiz genommen, -denn es machte sich nicht merkbar. Leiber und Geister -trieben ihr Wesen hand- und fußgerecht, und man lebte so -recht frisch auf Gottes Güte und in den alten Kaiser hinein, -als wenn diese Zeitlichkeit schon die reelle künftige Ewigkeit -wäre. Neben kräftiger Tugend und vielfachen Thaten -nahmen sich Uebermuth und Laster denn freilich auch Vieles -heraus, und wie rüstige Kupferschmiede hämmerten Gute und -Böse mit leidenschaftlichem Treiben auf das Leben los, daß -Propheten und fromme Menschen oft dachten und weissagten, -die ganze Schöpfung müsse zusammenbrechen. Jahre kamen, -Jahre gingen. Schwermuth, Empfindsamkeit, Sentimentalität, -Ohnmacht und Unkraft zu Tugend oder Laster gingen -im Schwange: — es war nehmlich die Zeit gekommen, wo -sich das uralte Nichts allgemach in das Dasein eingeschustert -und eingeschlichen hatte. Ich konnte aus der Welt und meinen -<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a> -sonst löblichen Nebenmenschen nicht klug werden, bis mir -denn ein Seherblick einmal in einem merkwürdigen Traume -aufging. Im Orbis Pictus hatte ich in meiner Kindheit -mir wohl die Umrisse in feinen Punkten eingeprägt, welche -in jenem Buche die Formen der Seelen ausdrücken sollten. -Wie ich also im Traume meinen Guide, einen weisen Geist, -nach dem Zustande der Dinge fragte, that mir dieser mein -inneres Auge auf, und — o Jupiter! o Gemini! wie sah -ich Alles anders! Viele Menschen waren robust, voll, kurz -angebunden, von sich und ihrer Meinung überzeugt. Andere -thätig im Gewerk und Landbau, — aber Unzählige liefen, -von allen Ständen und Altern, so als fein gepunktete -Schaaren herum, nichts wissend, wollend, denkend, aber sich -vieler Dinge anmaßend. Wundre dich nicht, sagte mein Engel -oder was mein Führer seyn mochte, über diese Entdeckung, -welche du jetzt machst. Es ist nicht ohne, daß die Welt allgemach -wieder ihrem Untergange entgegenwandelt. Die Nichtigkeit -hat sich in alle Räder und Schwungtriebe der großen -Maschine eingeschlichen. Der Mensch war als der Mittelpunkt -mit seiner Kraft hingestellt, um den Körper der Welt, -damit er niemals ein Leichnam werde, frisch zu erhalten. -Jetzt werden es, ich weiß nicht wie viele Jahre seyn, daß -die Menschheit auch mit Nullitäten angefüllt ist. Alles das -Punktirte, was du wahrnimmst, sind Leiber ohne alle Seelen. -Diese Körper stellen sich nur lebendig an und führen ein -Scheinleben. -</p> - -<p> -Abscheulich! rief ich aus: ich sehe fast mehr Tättowirte, -als wirkliche Menschen. Kann die Vorsehung denn dergleichen -zugeben oder gestatten? -</p> - -<p> -Die Vorsehung, erwiederte mein geistlicher Präceptor, -bedient sich in allen Dingen mittelbarer Mittel, und greift -<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a> -niemals persönlich in ihr geschaffenes, vielseitiges Getriebe. -So hat sie denn, damit diese Scheinlebendigen nicht am Ende -alles wirkliche Leben verdrängen und allein von der Erde -Besitz nehmen, Gesetzgeber, Fürsten und echte Volkslehrer -inspirirt, die sich, so viel es möglich ist, diesem Unwesen -widersetzen und das Reich der Nichtigkeit auf verschiedene -Weise zu zerstören suchen. -</p> - -<p> -Recht! Recht! sprach ich eifernd: o groß ist Allah! würde -der Muselmann hier ausrufen. — Da war eine sehr weise -Cantoneinrichtung, wo die Punktirten, Nichtigen, die Eindringlinge -so von Lieutenants, Fähndrichen und Unteroffizieren -tribulirt, gehänselt, geplagt und ganz simpel geprügelt -wurden, daß wirklich viele von diesen Scheinlebenden die -Geduld verloren und sich wieder aus dem Staube machten. -Ob ein Knopf so oder so saß, die Binde um den Hals um -das Sechzigtheil eines Zolles zu niedrig oder zu hoch war, -war ein Capitalverbrechen. Was man nur an dem Volke -zwicken und kneifen konnte, geschah redlich, und ich mußte -nur mit innigem Bedauern sehen, daß auch wirkliche lebendige -Menschen von der übrigens weisen Anstalt molestirt -wurden. Liefen die Kerle etwa davon und wurden wiedererhascht, -so war ihnen eigentlich das Leben abgesprochen; die -Gnade erhielten, wurden so mit Ruthen gestrichen, daß sie -auch oft die Verstellung aufgaben, die Maske fallen ließen -und wirklich starben. O wie trefflich fand ich die Schulen -und Universitäten versorgt! Eine so fürchterliche Langeweile -wurde mit Kunst da vertrieben, daß eine eiserne Geduld -dazu gehörte, um sich nicht in diesen sogenannten Wissenschaften -sterben zu lassen. Half Alles nichts, so wurden die -Scheinseelen nachher noch examinirt, und von neuem ins -Examen genommen, und wieder geprüft, daß Viele wirklich -sich während dieses Examinirens davon machten. War aber -<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a> -Alles umsonst, so hatte man eine wundersame Art von -Bündel erfunden, die man Akten nannte und die sich unsterblich -immer vermehrten und vermehrten, diese wurden -den Gequälten ins Haus geschickt, um wieder neue Akten -daraus zu machen, so daß sehr viele zu sterben sich entschlossen. -Nun gab es außerdem noch Trinkstuben, wo man -mit Verstand schlechten Wein und noch schlechteres Bier fabricirte, -um das elende Volk zu vergiften. Von dem Branntwein, -der noch schneller wirkte, brauche ich gar nicht einmal -zu sprechen. Hübsch war es auch, daß das Spazierengehen -und die Freude an der Natur war erfunden worden, um -das unnütze Volk aus dem Wege zu räumen: denn schon in -den Schulen wurde es den Kindern beigebracht, daß sie sich -ja regelmäßig erkälten müßten, weil es so möglich war, daß -sie doch irgend einmal am Naturgenuß erstarben. Oft blitzte -es in den punktirten Nichtseienden: es kam wie ein Bewußtsein -über sie, daß sie leere Särge wären, es schien, als -wollten sie sich zu Tausenden ermannen, um wie die Fliegen -hinzufallen, damit das nüchterne Spiel nur aus sei. Es -wäre auch wohl geschehen, und die Staatstabellen würden -über die ungeheure plötzliche Sterblichkeit gewinselt haben, — -aber da gab es eine höllische Erfindung, die ihnen trotz Prügel, -Akten, Examen, Naturgenuß, Bier und Branntwein -dennoch dies lumpige nicht lebendige Leben wieder annehmlich -machte — sie rauchten nehmlich Tabak, um sich von dem entsetzlichen -Gedanken, der sie befallen hatte, daß es ein wirkliches -Leben gebe, wieder zu erholen und zu zerstreuen. — -Ich sah nun ein, daß diese Tödtungsanstalten in jeder Hinsicht -als Wohlthat für die wirklich Lebenden zu betrachten -seien, und daß viele Menschenfeinde und der Verfasser „des -menschlichen Elendes“ wohl anders würden geschrieben haben, -wenn ihnen, wie mir, das Auge wäre eröffnet worden. -<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a> -Freilich möchte sich bei Untersuchung finden, daß die meisten -dieser Autoren auch nur Scheinmenschen sind. — -</p> - -<p> -Die Gesellschaft begab sich am andern Tage nach Nürnberg, -um die Merkwürdigkeiten dieser guten alten Stadt in -Augenschein zu nehmen und den lebenden Panzer und Dürers -Grab auf dem Johanniskirchhof zu besuchen. Die schönen -Kirchen und das Rathhaus wurden mit Aufmerksamkeit betrachtet, -und im rothen Rosse, dem besten Gasthofe, erzählte -Walther, wie vor zehn Jahren in diesem Hause sich etwas -Seltenes zugetragen habe. Freysing, ein Student von Kopf, -aber leichten Sitten, hatte in Erlangen weit mehr verbraucht, -als ihm sein wohlhabender Vater bewilligt hatte. Eine große -Schuldenlast drückte ihn, der letzte Wechsel, der ihm, um -abzugehen, gesendet wurde, reichte bei weitem nicht aus. -Er bezahlte daher nur die ärmsten seiner Gläubiger und -verjubelte mit seinen Trinkbrüdern auf Spazierritten und in -frohen Gelagen die ganze Summe. Am letzten Tage besaß -er nur noch sechs Louisd’or, die kaum hinreichten, um auf -dem gewöhnlichen Postwagen und mit Entbehrungen aller -Art in seine Heimath zu gelangen. Ob mein Alter, rief er -im Uebermuthe aus, jetzt mehr oder weniger schilt, kommt -auf eins hinaus, denn mit dieser Lumperei reise ich auf keinen -Fall zurück. Er ging nach Nürnberg und wagte die -wenigen Goldstücke im Pharo. Das launische Glück war -ihm so wunderbar günstig, daß er in einer Nacht so viel -gewann, daß er allen seinen Gläubigern bis auf den letzten -Heller zahlen konnte, welches mit Wucherzins eine sehr ansehnliche -Summe ausmachte, und noch tausend und mehr -Thaler von seinem Gewinne übrig behielt. -</p> - -<p> -Beim Kunsthändler Frauenholz sahen die Freunde ein -wundersames Bild von einem unbekannten Meister. Es ist -die Mutter mit dem Kinde, ein gewöhnlicher Gegenstand, -<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a> -aber hier mit einer Innigkeit behandelt, die die Beschauenden -entzückte. Sie küßt das Kind, und der Ausdruck in -Mund und Augen ist so herzlich und ergreifend, daß man, -obgleich die Gestalten nicht eigentlich durchaus schön sind, -nichts Süßeres und Lieblicheres finden kann. Das Antlitz -der Mutter ist so zart und fein gemalt, daß es wie aus -aufknospenden Rosen gebildet ist. Die Nebensachen, Blumen -und Verzierungen sind mit einem liebevollen Fleiß behandelt. -Der Besitzer schrieb es unverständig dem Lucas von Leyden -zu. Der Preis von zweitausend Gulden, den er forderte, -war für einen Reichen nur eine mäßige Summe, um mit -dieser Wunderblume sein Gemach auszuschmücken. -</p> - -<p> -Als sie nach Erlangen zurückgekommen waren, reiseten -sie am folgenden Morgen nach Pommersfelden. Man war -verdrüßlich über den schlechten Weg, und Wachtel suchte sie -mit Scherzen zu erheitern. Unter anderm sagte er, als sie -von der Gemäldegallerie in Pommersfelden sprachen: Es ist -sehr verdrüßlich, daß sich die Kunstgeschichte immerdar erweitert. -Unzufrieden mit dem Besitz, entdeckt man neue Zeiten, -Manieren, Unterschiede und Künstlernamen, von denen -unsre guten Vorfahren nichts wußten. Wer sonst ein steifes -Bild sah, nannte es zu seiner und Aller Befriedigung einen -Albrecht Dürer, wie sie es in Italien noch machen. Konnte -man bei einer etwas abweichenden Manier den Namen Lucas -von Leyden einsetzen, so galt man schon für einen Gelehrten. -Dergleichen Abkürzungen und Anhäufungen vieler auf Einen -Namen ist immerdar in Geschichte wie Mythologie sehr ersprießlich -gewesen; man kann mit Einem Herkules, Sesostris -und Pharao zufrieden seyn, diese behalten sich, und man -muß es der Abbreviatur der Vorzeit danken, daß sie uns -das Studium bequemer eingerichtet hat. Die Aufstöberer -von Unterschieden und neuen Personen sind als Aufrührer -<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a> -zu betrachten, die die legitimen, wohlerworbenen Rechte jener -Gesammtmenschen umstoßen wollen. So war vor zehn Jahren -eine vortreffliche ältliche Castellanin in Pommersfelden, -welche den Fremden die Zimmer des Schlosses und die Gemälde -zeigte und erklärte. Es giebt einen berühmten Correggio, -von welchem jede Gallerie wenigstens ein Stück besitzen -will, drei Caracci, Ludwig, Augustin und Hannibal, -zwei Caravaggio, den frühern und spätern, dazu glaube ich -noch einen Cagnacci, zwei Carpaccio ungerechnet, diese Herren -sämmtlich, nebst allen, die nur irgend mit ihrem Namen -sich dem <em>acci</em> näherten, hatte die unvergleichliche Frau mit -weiser Umsicht in den einzigen berühmten Maler <em>Karbatsch</em> -zusammengearbeitet. Auf diesen großen Meister wälzte sie -zugleich alle jene Bilder, auf deren Urheber sie sich nicht besinnen -konnte. -</p> - -<p> -In der Gallerie befindet sich ein schönes Bild, welches -dort Rafael genannt wird: eine Mutter mit dem Kinde. -Es hat einen wundersamen Ausdruck und den Anschein wie -aus der ältern lombardischen Schule. In dem großartigen -Styl ist zugleich wie etwas moderne Sentimentalität. Das -Bild hat an einigen Stellen gelitten und es scheint fast, als -ob es durch die hinzugefügte Urne irgend eine persönliche -Beziehung habe. -</p> - -<p> -Mit großer Freude sahen die Reisenden das alte Bamberg -wieder. Von Würzburg schrieb Walther an seinen -Freund nach Warschau: -</p> - -<p class="date"> -Würzburg, den 10. Julius 1803. -</p> - -<p class="noindent"> -Ich verzweifle jetzt fast, eine Spur zu finden, da meine -Hinweisung auf Bamberg nur eine trügende war. Ein -Doctor Marx, der aus dem Polnischen hieher gezogen ist -und seit wenigen Monaten hier lebt, sollte mir Nachrichten -<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a> -geben, wo sie, Maschinka, sich verborgen habe, oder wo -derjenige hier in der Gegend sei, dem sie zu folgen sich hat -bereden lassen. Wir lernten einen Narren in Erlangen kennen, -der den Kotzebue höher als alle Autoren stellt, und -meine neuen Freunde spannen über diese Erscheinung, die -mir nicht so wichtig schien, vielfältige Betrachtungen aus. -Wachtel behauptete, in jedem Menschen stecke irgendwo etwas, -das, gepflegt oder durch Leidenschaft aus seinem Winkel zu -sehr hervorgezogen, zur bestimmten Narrheit werden könne. -Auch erscheine wohl ein jeder Mensch andern aberwitzig und -verrückt, wenn diese ihn mit der Ueberzeugung, er sei unklug, -anhörten und betrachteten. Ich bekämpfte diese Meinung. -Nachdem wir den alten Dom in Bamberg besehen hatten, -über welchen Ferdinand in übertriebene, thränenweiche Entzückung -gerieth, machten wir dem berühmten Doctor Marcus -einen Besuch. Er zeigte uns die unvergleichlichen Krankenanstalten -und erzählte uns von der Art der Behandlung, so -wie von manchen sehr merkwürdigen Leidenden. Ich konnte -nicht begreifen, warum er mich so besonders ins Auge faßte. -Als wir in der Abtheilung waren, in welcher die Geistesverwirrten -verpflegt wurden, waren, indem ich mich umsah, -meine Gefährten verschwunden. Es kam mir vor, als hätte -früher Wachtel mich noch einigemal mit einem seltsamen Blick -von der Seite betrachtet. Verstimmt wie ich war, gefielen mir -des Doctors Mienen, den ich jetzt beobachtete, ebenfalls nicht. -Mit einemmale überraschte es mich, daß dieser Mann jener -Doctor sei, der mir Nachricht von der Entflohenen geben -könne. Ich erkundigte mich mit leidenschaftlicher Heftigkeit, -erzählte, fragte, beschrieb und wurde immer ungeduldiger, -je weniger er auf meine Reden eingehen oder mich verstehen -wollte. Als ich Abschied nahm, sagte der Mann mit der -größten Freundlichkeit: Sie bleiben fürs Erste bei uns, und -<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a> -es wird Ihnen schon bei uns gefallen. Ich habe schon seit -acht Tagen die Nachricht empfangen, daß Sie eintreffen würden, -und so wie Sie nur mein Haus betraten, erkannte ich -sogleich in den ersten Reden Ihr Uebel. Ihr Zustand ist -noch nicht der schlimmste; nur müssen Sie fürs Erste jene -Geschichte, die Sie mir da erzählt haben, sich ganz aus dem -Sinne schlagen, und ich werde schon für Unterhaltung und -Zerstreuung sorgen. Es ergab sich nun, daß er mich für -einen Geisteszerrütteten hielt, welchen er erwartete, und ebenfalls, -daß er nicht jener Marx sei, mit welchem ich ihn in -leidenschaftlicher Uebereilung verwechselt hatte. Indessen mußte -ich bis in die späte Nacht dort bleiben, weil er sich von meinem -richtig eingefügten Verstande durchaus nicht überzeugen -konnte. Endlich waren meine Reisegefährten in unserm Gasthofe -wieder angelangt, sie kamen und brachten meine Brieftasche -und meinen Paß mit, nach dessen Besichtigung und -ihrem Zeugniß wurde ich dann als ein Kluger entlassen, -nachdem der ironische Medicus mir noch viele Entschuldigungen -machte, und ebenfalls behauptete, daß man jeden Menschen, -auch seinen besten Reden nach, für einen Irren halten -würde, wenn man das Vorurtheil einmal gegen ihn gefaßt -habe. Am folgenden Morgen suchte ich den einfältigen Doctor -Marx auf, der von gar nichts wußte und von mir zuerst -die Begebenheit erfuhr. -</p> - -<p> -Wir besuchten Bambergs schöne Umgebungen und begaben -uns vorgestern nach dem Schlosse Glich, einer merkwürdigen, -gut erhaltenen Ruine. Noch viele Zimmer sind -im Stande und zeigen uns die Wohnung der Vorfahren -deutlich. Eine herrliche Aussicht ist von oben auf Bamberg -hinab. Ein alter Förster wohnt oben, der nicht zugegen -war, und seine Tochter, ein wunderschönes Mädchen, der -die einfache bürgerliche Kleidung sehr gut stand, führte uns -<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a> -herum. Unser Ferdinand, der schon seit einigen Tagen noch -schwärmerischer ist, als sonst, war über Alles entzückt. Er -schwatzte so viel und war dann wieder so verlegen, daß ich -glauben mußte, er habe sich urplötzlich in das Mädchen verliebt. -Als wir Alles betrachtet und unsern Dank zugleich -mit einem Geschenke ausgesprochen hatten, und sie sich entfernt -hatte, rannte der Schwärmer noch einmal zurück und -dem Mädchen nach, unter dem Vorwande, daß er seine -Brieftasche in einem der Säle habe liegen lassen. Wir wandelten -indessen draußen umher und mußten ziemlich lange -auf ihn warten. Sehr erhitzt und verlegen, wie es schien, -kam er endlich zu uns zurück. Er ward aber zornig, wie -ich ihn noch nie gesehen habe, als sich Wachtel einige unfeine -Scherze und Anspielungen erlauben wollte. Oben liegt -auf einem steilen Felsen eine Kapelle, sie war offen, von -hier zeigt sich Alles umher reizend und lieblich. Ein uralter -Greis schlich mit langsamen Schritten an seinem Stabe aus -der Kapelle die Stufen der Treppe hinab: ein rührender -Anblick. Ferdinand ging in die Kapelle, und als er sich -nicht mehr von uns beobachtet glaubte, nahm er vom Weihbrunnen -und bekreuzte sich mit andächtiger Miene, dann -kniete er vor dem Altare nieder. So sind die Menschen. -Er trat wieder zu uns, und Keiner mochte von Dem sprechen, -was wir gesehen hatten, weder im Scherz noch Ernst. -</p> - -<p> -Schon in Bamberg hatte er im Dom vor einem wunderlichen -alten Marienbilde mit der tiefsten Rührung gestanden. -Die Madonna ist hier in einem Charakter dargestellt, -der völlig von dem gewöhnlichen und hergebrachten -abweicht. Das Bild ist auf Goldgrund, goldne Strahlen -umgeben es wie Flammen von allen Seiten. Es ist eine -Copie nach einem alten florentinischen, welches schon seit -lange mit Tüchern verhängt und dem Anblick unzugänglich -<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a> -gemacht ist, weil es dort in Italien auf die gläubigen Beschauer -die ungeheuersten Wirkungen soll ausgeübt haben. -Ferdinand scheint mir gar nicht ungeneigt, alle dergleichen -Wunder zu glauben und für wahr zu nehmen. Wohin verirrt -sich der Mensch, wenn Leidenschaft und Phantasie seine -einzigen Führer sind! -</p> - -<p> -Wir aßen wieder in Bamberg, gingen dann Nachmittags -nach dem reizend gelegenen Buch und fuhren in -lieblicher Abendkühle auf dem Wasser nach der Stadt zurück. -</p> - -<p> -In der Stadt hat Ferdinand allerhand alte katholische -Sagen und Legenden zusammengekauft. In Glich war er -entzückt, dem dortigen Küster ein bambergisches Gesangbuch, -wonach er in der Stadt vergebens gesucht hatte, abschwatzen -und abkaufen zu können. Dieses hält er für einen großen -Schatz und er las uns sogleich viele der Gedichte vor, die -allerdings einen lieblichen frommen Sinn athmen, wenn -man sich einmal diesen träumerischen Gefühlen, diesem Anklang -wiederkehrender Wunder, diesem vertraulichen, kosenden -und zärtlich glühenden Verhältniß zu Gott, dem Heiland -und dessen Mutter hingeben kann. Dann erscheinen die -Heiligen, die Schutzgeister, Christus, wie oft, in Kindergestalt, -so auch die Abgestorbenheit so vieler Mönche und -Einsiedler. Auch mit der Natur tritt ein geheimnißvolles -Liebesverhältniß ein, wie es in den zart duftenden Liedern -des Spee uns so innig rührt, die der Schwärmer hier auch -aufgetrieben und uns Abends aus dem Büchelchen mit großer -Bewegung vorgelesen hat. Und dann muß ich wieder an die -Begebenheit mit der Försterstochter denken. Vielleicht ist es -die Pflicht des Freundes, einmal ernsthaft mit ihm darüber -zu sprechen. -</p> - -<p> -Seine Stimmung ist übrigens im schreiendsten Contrast -mit dem, was die neue bairische Regierung hier thut und -<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a> -wie manche ihrer Beamten sich hier betragen. Du weißt, -daß die Stifter Bamberg und Würzburg, diese alten geistlichen -Fürstenthümer, unlängst dem Churfürsten von Baiern -zugesprochen worden sind. Eiligst hat man, um mit Rom -und dessen Hierarchie ganz und auf immer zu brechen, alle -Klöster aufgehoben, die Mönche zum Theil vertrieben, theils -auf sehr schmale Pension gesetzt. Alles hat den Charakter -angenommen, daß der gemeine Mann es wie eine Sache -nimmt, die den ehemaligen Christenverfolgungen ähnlich sieht. -Es ist unklug und unschicklich, wie im Dom, während am -Nebenaltar eine stille Messe gefeiert wurde, die silbernen -Kirchengefäße und sauber gearbeiteten Crucifixe in Kisten mit -dem größten Geräusch und Lärmen gepackt und geworfen -wurden. Die Käufer der Sachen waren zugegen und man -zerbrach einige Kreuze mit großem Geräusch, die sich dem -Kasten nicht fügen wollten. Den frommen abgesetzten Fürstbischof, -so erzählt man, hat man in den Gemächern der -Residenz gestört und gequält, indem man von allen Seiten -Bauanstalten traf, einriß und verbesserte, ohne von ihm die -mindeste Notiz zu nehmen. Viele Geistliche wandeln im stillen -Grimm umher, den Küster im Dom sah ich in verbissener -Wuth bei jenem Getöse Thränen vergießen. Viele gemeine -Leute (das Volk ist hier religiös, selbst bigott) werden -irre an sich und ihren Vorgesetzten. -</p> - -<p> -Alles, was so unziemlich geschieht, ist denn wohl ein -Rückschlag von vielen, welche jetzt regieren, da sie lange die -Geißel und Verfolgung der Priester und Pfaffen erdulden -mußten. Die Hauptumwälzung, die sich hier zugetragen -hat, ist von der Zeit selbst herbeigeführt worden, sie ist -vielleicht zu entschuldigen, kann seyn, daß sie nothwendig -war; aber mit Anstand und Schonung konnte alles Unvermeidliche -und Festbeschlossene geschehen, die politische Begebenheit -<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a> -brauchte nicht den Charakter einer verhöhnenden Rache -anzunehmen. -</p> - -<p> -Ueber diese Gegenstände ist Ferdinand empört und ergrimmt, -und er zügelt seine Worte nicht, wenn er mit den -Freunden dieser Neuerung spricht. Er behauptet, daß wir -es Alle noch erleben würden, wie man neue Klöster stiftet, -und er verachtet das spottende Lächeln seiner Gegner. -</p> - -<p> -Vieles Schöne ist in dieser Reform schon zu Grunde -gegangen, noch mehr wird verschwinden, aber meine trüben -Blicke werden nicht bloß durch Das, was wir jetzt sehen, -was dicht vor uns liegt, so tief bekümmert; — was soll -aus allem Besitzstand werden, da dies so schnell ohne Widerspruch -hat eintreten können? Wo ist eine Sicherheit für -irgend eine Regierung? Welche Folgerungen wird die Zeit, -ein fremder Sieger, die Politik aus diesen Vorgängen ziehn? -</p> - -<p> -Wie hat sich seit zehn Jahren die Welt verändert! und -es scheint, als würden alle Verwandlungen immer rascher -und rascher auf einander folgen. -</p> - -<p> -Du siehst, ich fange an, Deine Cousine, die Strafe -des Liebhabers, Deine und meine Angelegenheit über dergleichen -Gedanken und Befürchtungen zu vergessen. -</p> - -<h3 class="chapter" id="chapter-2-4"> -Walther an seinen Freund. -</h3> - -<p class="date"> -Würzburg, den 11. Julius 1803. -</p> - -<p class="noindent"> -Ich schreibe Dir sogleich noch einmal nach meinem kaum -abgegangenen Briefe, denn das ist das Mittel, mich zu zerstreuen -und zugleich zu sammeln. Ich kann mit meiner -Umgebung nicht Das sprechen, was mich am meisten interessirt, -und so unterhalte ich mich mit Dir. -</p> - -<p> -<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a> -Hier in der Stadt ist unser Ferdinand in seinem Element. -Es ist wahr, ich habe noch niemals eine so feierliche -Messe erlebt, als die war, die gestern im Dom uns Alle -bewegte; an neun Altären war zugleich Gottesdienst, eine -Prozession der Domherren, die in schöner malerischer Tracht -waren, ergötzte das Auge. -</p> - -<p> -Die Stadt wimmelt von Fremden, Alles drängt sich, -denn es ist zugleich der größte Jahrmarkt. Das Schloß in -der Stadt ist prächtig und wohl eins der größten in Europa. -Ein wunderliches, knitterndes Echo ist unten vor der Treppe, -an dem wir uns Alle wie die Kinder erlustigten. Heut Nachmittag -trieben wir uns wieder im Jahrmarktsgedränge um, -welches vorzüglich in einer fremden Stadt etwas Bezauberndes -hat. Vor dem Thore ging ein uralter Capuziner von sehr -ehrwürdiger Gestalt, dem kleine Mädchen im Vorübergehen -mit Ehrerbietung die Hand küßten. Diese seltene Ruine -einer ehemaligen Zeit verfolgte unser Ferdinand lange mit -seinen sehnsüchtigen Blicken, und es schien der Wunsch in -seinen gerührten Augen zu liegen, daß er gern an die Stelle -der unmündigen Mädchen getreten wäre. -</p> - -<p> -In einer frohen Jahrmarktstimmung traten wir in eine -hohe hölzerne Bude, in welcher eine Art von Caroussel mit -einer russischen Schaukel vereinigt war. Indem die schwebenden -Sitze auf und nieder gingen, stach ein Jeder der -Sitzenden mit einer Lanze nach einem Ringe. Der Besitzer -und Erfinder dieser schwebenden Kunstanstalt erklärte uns -mit vieler Genügsamkeit die Herrlichkeit seiner neuen Erfindung. -Steigen Sie ein, rief er, und wenn Sie gleich -nur Dreie sind, so werden Sie doch das Kunstwerk genießen -können, denn darauf bilde ich mir am meisten ein, daß ich -es so eingerichtet habe, daß der angefüllte schwere Sitz niemals -den leichten, ihm gegenüberstehenden durch seine Last -<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a> -niederzieht, wie dies an den ordinairen einfältigen russischen -Schaukeln der Fall ist, wo die unwissenden Menschen sich -alsdann mit eingelegten Steinen zu helfen suchen, wenn ein -Sitz ledig bleibt. Wie die Kinder ließen wir uns bereden -hineinzusteigen. Die Maschine ging sehr hoch und ein Nervenschwacher -hätte wohl Schwindel empfinden können. So stiegen -wir auf und ab und stachen mit mehr oder minder Glück -die Ringe ab. -</p> - -<p> -Plötzlich entsteht draußen ein lautes Geschrei. Die Thür -der Bude wird aufgerissen, und ein wunderschöner Lockenkopf, -das Antlitz eines himmlischen Mädchens blickt wie ein -Blitz auf einen Augenblick in die Narrenbude. Sie schreit -auf, so wie sie uns da schweben sieht, und <em>Maschinka</em> -kreischt einer; ob Ferdinand, ob Wachtel, ob der Herr des -Kunststückes, das konnte ich nicht unterscheiden, der Maschinendreher -war es nicht, denn dieser orgelte noch einen Augenblick -an seinen Kunsträdern. Das Mädchen ist verschwunden -und Ferdinand, der unten schwebt, springt aus seinem Käfig, -der Eigenthümer des Kunstwerkes ihm schreiend nach, dies -erschreckt den subalternen Drehkünstler, er rennt auch hinaus, -und Wachtel kann eben noch vom Einfluß der Bewegung so -viel genießen, daß er im Herabschweben seinen Sitz verläßt, -ebenfalls hinausläuft und die Thür der Bude hinter sich -zuschlägt. -</p> - -<p> -Aber ich — ich nun oben, auf dem höchsten Punkte, in -meiner Schwebekutsche sitzend, hatte nun Zeit und Gelegenheit, -das Schicksal und die zu künstliche Einrichtung der verfluchten -Maschine zu verwünschen! O wie sehr hätte ich sie -gelobt und verehrt, wenn ich durch eigne Schwere jetzt herabgesunken -wäre, um auch das Freie zu suchen und jenem -Mädchen nachzulaufen. Ich sah mich in meiner obern Sternregion -um, ob ich nicht aussteigen und die vierzig oder funfzig -<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a> -Fuß hinunterklettern könne. Aber es war ganz unmöglich. -Durch die eine Ritze konnte ich etwas von Stadt und -Feld erblicken, aber in der entgegengesetzten Richtung, in -welcher sich jene Erscheinung gezeigt hatte. -</p> - -<p> -Endlich, es mochte wenigstens eine halbe Stunde verflossen -seyn, zeigte sich der Besitzer des Kunstwerkes wieder; -er schien mich vergessen zu haben und war sehr erfreut, mich -dort oben noch, wie den Sokrates in seinem Studienkorbe, -wiederzufinden. Er schrob und orgelte mich durch seinen -Kunstorganismus herab und ging auf meine Fragen über -die Erscheinung jenes Mädchens gar nicht ein. Er hatte sie -nicht gesehn und war in der Meinung, es sei ein großer -Volksaufruhr, hinausgelaufen. -</p> - -<p> -Wichtiger war ihm die Verhandlung um die Bezahlung. -In der Einsamkeit, und da er meine Eil sah, machte er eine -ungeheure Rechnung. Ich begriff sie zwar nicht, wollte mich -aber zur Zahlung bequemen. Da wir die gemeinsame Casse -an diesem Tage unsern Wachtel führen ließen, fehlte es mir -an baarem Gelde. Ich mußte meine goldne Uhr zum Pfande -lassen, die ich erst am späten Abend wieder einlöste. -</p> - -<p> -So wie die kleinen Schulknaben hatte ich ein Abentheuer -bestanden und wollte bei meinen Reisegefährten Rath und -Trost suchen. Ferdinand behauptete, das Schaukeln habe -ihm Schwindel erregt und so sei er entsprungen, um zugleich -den Volksauflauf zu sehn. Dieser sei schnell geendigt gewesen -und er habe die Uebelkeit seitdem im Bett verschlafen. -Wachtel meinte, ein großes Spektakel sei hinter einem Kapuziner -heraufgekommen; dieses Schauspiel habe er genießen -wollen. — Ich erfuhr nichts und so stehn unsre Angelegenheiten. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a> -Walther hatte jetzt seine Pläne aufgegeben und überließ -sich nun ganz dem Zufalle, ob er durch diesen auf die Spur -seines Feindes oder jenes schönen Mädchens gerathen würde. -Ferdinand und Wachtel waren ihm in der kurzen Zeit ihrer -Bekanntschaft schon unentbehrlich geworden, und so lud sie -die schöne Jahreszeit, die Muße, die Lust umherzuschwärmen, -ein, noch einige schöne Gegenden Deutschlands zu besuchen. -Ferdinand war seit einiger Zeit viel sinnender und finsterer -geworden; Walther hatte bemerkt, daß er Briefe erhielt, die -er sorgfältig verbarg und die ihn verstimmten. Zuweilen -fiel es Walther ein, er könne mit Ferdinand über seine -Trauer sprechen, er dürfe es wohl mit Empfindlichkeit rügen, -daß er daraus, was ihn so betrübe, dem Freunde ein Geheimniß -mache; doch bedachte er dann, daß er selbst ja eben -so gegen Ferdinand verfahre und von der Absicht seines -Ritterzuges gegen diesen nichts verlauten lasse. -</p> - -<p> -Die Freunde nahmen von Würzburg aus den Weg nach -dem Spessart und erfreuten sich dieses Waldgebirges und -der herrlichen Aussichten, die sich ihnen links und rechts in -die Unermeßlichkeit der frischen Wälder darboten. In Aschaffenburg -hielten sie sich nicht auf, sondern begaben sich nach Darmstadt, -um über die schöne und altberühmte Bergstraße nach -Heidelberg zu gehn. Die Nacht, welche sie überraschte, verweilten -sie in Heppenheim, und Walther und Ferdinand -stiegen zur Ruine, der Starkenburg, hinauf, und erfreuten -sich in der anbrechenden Dämmerung der Aussicht auf den -Rhein, an welchem sie Worms, Speyer und das ferne -Manheim sahen. Die Aussicht in den Odenwald auf der -andern Seite war noch schöner, die wundervolle Einsamkeit, -die schönen Formen der Berge, welche alle dicht mit Wäldern -bewachsen sind, erhoben das Gemüth der Freunde zu -edeln Gefühlen. -</p> - -<p> -<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a> -Wachtel, der den steilen Aufgang zur Ruine fürchtete, -war im Gasthofe zurückgeblieben, und schrieb indessen seiner -Frau nach Guben folgenden Brief: -</p> - -<p class="date"> -Heppenheim, den 13. Julius 1803. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebes Weib, ich muß Dir doch auch einmal schreiben, -damit Du nicht auf die Meinung geräthst, ich sei gar verloren -gegangen oder, wie der Ausrufer in Teplitz sich ausdrückt, -in den Verlust gerathen, was im Grunde besser ist, -als jener hochdeutsche Ausdruck. -</p> - -<p> -Du kennst aber schon meine Art und Weise, daß ich -gern praktisch, deutlich, einfach schreibe und mich nicht mit -Gefühl und Schwärmerei befasse. Des Handelns, Schaffens -ist so viel in der Welt, daß ein rechtlicher Mann zum -Schwärmen, zur Mystik oder dem übertrieben feinen Denken -keine Zeit behält. -</p> - -<p> -Wie nüchtern und gefaßt ich aus Guben mit dem frühesten -ausreisete, wird Dir wohl noch erinnerlich seyn. Meinen -Ferdinand traf ich nebst einem gewissen Walther, einem -halb polnischen Menschen, im unmittelbaren Himmelreich -einer Rafaelischen Entzückung. Ich war eben nicht zum -Umgang mit Engeln aufgelegt, denn ich hatte noch den Reisestaub -an den Füßen. Wenn man überhaupt gewohnt ist, -in der großen Welt zu leben, wie wir in Guben es sind, so -wird einem jegliche Kleinstädterei verhaßt. Ich versichere -Dich, die ganze Bergstadt hier, von der soviel gesprochen -wird, ist im Wesentlichen in Nichts von unserm gewöhnlichen -Spaziergang bei Guben verschieden, außer daß hier die ziemlich -hohen Berge sind, wo wir dort den hölzernen Zaun haben -und auf der andern Seite die Fichtenschonung. Was -ist denn nun die Dresdner Brücke so Großes? Ich habe -immer an unsre hölzerne denken müssen. Diese ist nicht so -<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a> -lang, aber man sieht doch auch rechts und links recht hübsche -Kiefern in der Ferne, und Brombeerngesträuch und etwas -Sand. So ein <span class="antiqua">Badaud</span> oder <span class="antiqua">Plat pied</span> aus irgend einer -großen Stadt spricht immer, wenn er unser Guben nicht -gesehn hat, vom Pariser Louvre, oder dem Straßburger -Münster, wohl gar von der London-Brücke oder dem Wasserfall -von Niagara. Sollen sich da deutsche Herzen nicht empören? -Als wenn unsre romantische Tümpel, die Haideflecke -bei Lübben und Luckau, unsre Sandpartien nach der Oder -zu, der hübsche Sumpf eine Viertelmeile von uns, so gar -nichts wären! -</p> - -<p> -So kamen wir denn also auf den Nollendorfer Berg. -Es war so dicker Nebel, daß ich mich gleich von meinen -Kameraden verlor und in eine Wolke, wie in einen großen -Wollsack gerieth. Ich trat mit meinen Reisestiefeln auf die -Flocken und ging hübsch darauf spazieren; und es geht sich -schnell, sodaß, ich weiß nicht wie weit, ich schon in die böhmischen -Dörfer hineingerieth, ohne allen Weg und ohne -Straße. Herrliche Anstalt, gleich diesen dicken Nebel, wie -die Wolke der Bundeslade, zwischen Sachsen und Böhmen -oder zwischen Deutschland und Oestreich zu stellen. Tausend, -wie marschirte ich nun fort! Statistisch-ökonomisch-politisch-historische -Bemerkung für meine hydraulisch-aphoristische -künftige Reisebeschreibung der spanischen Schlösser und böhmischen -Dörfer: — Ich fand nehmlich, daß Angestellte -(Beamte, die oft durchfallend sind, aber selbst niemals umfallen) -auf eine auffallende Weise die besten und kräftigsten -Stücke des Nebels auf Flaschen zogen, wie es wohl auch bei -den Gesundbrunnen geschieht. Schäumt die unnütze Kraft -ab, so wird ein hübsches Getränk und magenstärkender Saft -aus dem leichten Dinge, welches dann Professoren und -Schüler, Geistliche und Denker, feinfühlende Autoren, die -<a id="page-76" class="pagenum" title="76"></a> -gern <span class="antiqua">scherzando</span> schreiben, und billige Staatsmänner wie -altherkömmliche Gesetzkünstler und Fabrikanten gern genießen -und sich einander mittheilen. Trifft es nicht richtig ein, daß -<em>Nebel</em> rückwärts gelesen <em>Leben</em> heißt, und Leben Nebel? -Eins ist die Quadratwurzel vom andern. Darauf sollten -unsre Denker mehr lossteuern. Siehe, mein Kind: — wenn -ich zu Einem sage, der noch nicht reif ist und es gern werden -möchte: <em>Lese!</em> so sieht das wie ein guter, verständiger -Rath aus. Hat er aber tiefern Sinn und buchstabirt rückwärts, -so merkt er im stillen Gemüthe wohl, daß ich ihn -nur einen <em>Esel</em> gescholten habe. O es ist ein unergründlicher -Tiefsinn in diesen Betrachtungen. Nicht wahr, es -giebt Mülleresel, wilde Esel, Esel zu Spazierritten u. s. w. — -aber der völlig unvertilgbare, von vorn wie hinten sich immer -gleich bleibende ist der von mir entdeckte <em>Lese-Esel</em>. -Auch wenn ich imperativisch oder imperatorisch sage: <em>Esel, -lese!</em> bleibt er sich gleich, doch gefällt obige Thierart in der -Bezeichnung besser, denn es stempelt sich darin jenes ewig -unermüdliche Geschöpf, jene unverwüstbare Creatur, die wir -hinter Ladentischen, auf Caffeehäusern, unter den lieben Zeitungen -und allerliebsten Journalen, Tagesblättern, Broschüren, -Libellen (nicht den Insekten), Romanen und dergleichen -sitzen sehn und schlingen — mit einem Wort, den in unserm -Jahrhundert ausgebildeten <em>Leseesel</em>. Die vergleichende Anatomie -sollte sich nur seiner bemächtigen und Gall seinen Schädel -untersuchen. Wie in Afrika oder Indien jene wandernden -Ameisenheere oft unsäglichen Schaden anrichten und -Verderben verbreiten, so fürchte ich für Europa und noch -mehr für unser Deutschland die traurigsten Verheerungen -von der Vermehrung und dem Ueberhandnehmen dieses Lese-Esels. -Wie er denn nun von vorn oder hinten immerdar -ein Leseesel bleibt, so sprach ich neulich schon mit einem denkenden -<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a> -Medicus über den Fall, ob das Thier nicht wirklich -die Qualität noch erhalten könne und würde, auch von hinten, -mit dem Sitztheile, sowie vorne mit seinen Augen zu -lesen. Der Philosoph approbirte sehr meine Hypothese und -meinte, das Monstrose sei immerdar nicht den gewöhnlichen -Naturgesetzen unterworfen. Und wirklich, wie ich wieder die -sogenannte Ressource besuchte, wo ich die beste Sorte und -die qualificirtesten dieser Leseesel zu finden gewohnt war, bemerkte -ich zu meinem Erstaunen, daß diejenigen, die in der -Entwicklung am meisten vorgeschritten waren, unruhig auf -ihren gepolsterten Bänken beim aufmerksamen Lesen hin und -wieder ruschten, sich bald stärker auf das Polster drückten, -bald lüfteten, bald sich rechts, bald links hin bewegten, als -wenn sie ein besseres Licht erstrebten. Ich sah aber deutlich, -daß ihnen oben nichts fehlte, ihr Fundament aber einen -Mangel verspürte. Der Vorsteher dieser Ressourcen-Anstalt -oder dieses Casino-Wesens ist ein denkender Mann; ich nahm -ihn beiseit in ein Nebenzimmer, von wo man durch Glasthüren -Alles im Saal beobachten kann, und machte ihn auf -jenes bedenkliche Hin- und Herrutschen aufmerksam. „Wollen -Sie denn nicht, suchte ich ihn zu persuadiren, vielleicht morgen -den Versuch machen und einige gute lesbare Journale, -oder einige scharfe Schriften gegen die Regierung über jene -Polster spannen lassen, um zu sehn, ob meine Vermuthung -sich bestätigt?“ „Wie, Herr, fuhr mich der Mann an, indem -er mich mit seinen großen Augen betrachtete: was fabeln -Sie mir da von einer neuentdeckten Thierart? Es sind -lauter würdige Herren und ausgezeichnete Männer, die das -Beste des Landes und der Welt im Auge behalten. Sie -rutschen heute übermäßig, das ist wahr, das kann aber auch -vom Denken oder vom bewegten Gemüthe herrühren. Auf -keinen Fall aber dürfte ich es gestatten, wenn Sie auch -<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a> -wirklich Recht hätten, daß alle diese Mitglieder in Naturalibus -da säßen, um zwei Zeitungen zu gleicher Zeit lesen -zu können.“ „O Sie kurzsichtiger Mann! rief ich aus; brauchen -Sie denn nicht selbst Brillengläser? Sieht man nicht -durch einen Flor und Sieb? Und so würden sich die Beingewande -gestalten; Fabrikherren würden mit scharfem Blick -die Zeuge entdecken und verfertigen, durch welche sich am -besten lesen ließe; neuer Flor des Gewerbes, frische Aufmunterung -zur Arbeit und Speculation.“ -</p> - -<p> -So stand die Sache vor meiner Abreise, ehe ich in das -Nebelleben oder den Leben-Nebel gerieth. Wie ich zu meinen -Reisengefährten wieder zurück kam, weiß ich selbst nicht, -wie aber in der Nacht der Camin so gar gewaltig rauchte, -war ich wieder bei ihnen und bei mir. Aus dem soliden -Nebel gerieth ich aber in eine noch wolligere und flockenreichere -Väterlichkeit und Mutterempfindung mit Zwillingen -und Drillingen u. s. w. Was aber merkwürdiger ist, als -solche Lappalien, ist, daß man unter feierlichem Schießen -Carlsbad noch höher als Teplitz gestellt hat, es noch drüber -hinauf gesetzt; so kommt die Meeresfläche immer tiefer, und -da das Meer außerdem schon abnimmt, so wird es kein -Wunder seyn, wenn wir ganz auf das Trockne gerathen. -Bei den Heiling-Felsen sind Braut und Bräutigam, Priester -und Brautjungfern in Stein verwandelt, ich habe sie selber -stehn sehn. Daß die Leute nach der Hochzeit recht ledern -und hölzern werden, erleben wir alle Tage, es ist kein großes -Wunder, daß diese damals, in einem noch unaufgeklärten -Jahrhundert, das Prävenire gespielt haben, um in jenem -beliebten Stein der Hölzernheit zu entgehen. -</p> - -<p> -Aber in den herrlichen Gegenden habe ich etwas sehr -Wichtiges, und wovon ich noch keine Erfahrung hatte, kennen -gelernt. Immer habe ich es geglaubt und Dir gepredigt, -<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a> -daß Adam und Eva vor ihrem Falle nicht so körperliche -grobe Speisen genossen, wie wir jetzt mit den thierischen -Zähnen sie zerbeißen und zermalmen, sondern daß sie die -geistigen Essenzen, die unsichtbare Kraft der schönsten Gewächse -und der himmlischen Kräfte einsogen. Wie einem -denkenden Forscher nun wohl wird, wenn sich ihm eine solche -mystische Ueberzeugung durch unumstößlichen Beweis vergegenwärtigt, -ist mit Worten nicht auszusprechen. Sie nennen’s -in ihrer sterblichen Unbeholfenheit einen rothen Ungarwein, -und mit anmaßendem Kunstausdruck die Mennische -Essenz. Wer aber die wahre Sprache kennt und den Urtext -versteht, sieht durch den grob ersonnenen philologischen Kniff, -und erkennt aus der echten Etymologie, daß Adam es damals -auf seinem höhern kritischen Standpunkt die <em>Menschen-Essenz</em> -nannte; und das ist sie denn auch, und mein Forschen -und Ergründen dieser Materie gereut mich so wenig, -daß binnen kurzem mehrere Flaschen von diesem Liquor, dieser -Essenz, bei Dir in Guben eintreffen werden, die ich wohl -aufzubewahren Dich bitte. Wie sehr es Sünde war, vom -Baum der Erkenntniß zu naschen, darin, wie in allen meinen -religiösen Ueberzeugungen, hat mich diese Wunder-Essenz -von neuem gekräftigt. Denn wie man sie nur ein Weilchen -genossen hat, und sie wieder schmeckt, und von neuem versucht, -führt sie uns bald in jenes selige Land, wo alle Kenntniß -aufhört und verschwindet, wo das trockne, kümmerliche -Bewußtsein immer mehr verdämmert und verdunstet, um, -wenigstens auf einige Zeit, den sündhaften Zustand der Erkenntniß -des Guten und Bösen abzuschütteln. Nein, dieser -Gegensatz hört dann auf, und man lebt einzig und allein im -Guten, in dieser Menschen-Essenz. O wie neidisch meine -Freunde waren, daß ich diese Entdeckung gemacht hatte, die -unsrer ganzen Weltgeschichte eine andre Richtung geben kann. -<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a> -Uebrigens liegen im Hochheimer und Johannisberger auch -ganz respektable Richtungen verborgen, und eben jetzt steht -eine Flasche vom letzteren neben mir, aus welcher ich Deine -Gesundheit trinke. -</p> - -<p> -Unser Weg muß sonderbarer Weise vor Prag vorbeigegangen -seyn, denn die Straße führt nicht durch, und doch -soll Prag die Hauptstadt von ganz Böhmen seyn. Wir sind -wenigstens durch Franken gekommen. Endlich aber ist doch -unser Kotzebue anerkannt, und es hat sich erwiesen, daß er -alle Alten und Neuen übertrifft; man sollte ihn aber zum -Patentdichter machen, daß kein andrer, so lange er lebte, -Theaterstücke schreiben dürfte. -</p> - -<p> -In Würzburg in der würzhaften Landschaft haben wir -im Wirthshause mit vieler Anmuth gewohnt, denn in Bamberg -hatten sie einen ambulanten Gottesdienst und cassirten -mit vielem Spektakel die silbernen Sachen von Werth ein, -weshalb es uns dort nicht gefiel, so alt auch der Dom seyn -mag. Wir haben auch auf der Stelle gestanden, wo Otto -von Wittelsbach den Kaiser Philipp ermordet hat. Die -Ruine gehört einem berühmten jüdischen Arzt, welcher mit -aller Gewalt unsern Freund Walther trepaniren wollte. Er -ist aber bis dato noch nicht rasend, und erhielt eine Ehrenerklärung. -Nur kaufen will dieser neugierige Mann vielerlei, -und er kann es, weil er reich genug zu seyn scheint. -Bei der Treppe im fürstlichen Schloß zu Würzburg ist ein -kurioses vielfaches Echo, das hat er richtig erstanden, um es -bei sich zu Hause, in seinem Garten anzubringen. Man -war dabei, es sehr vorsichtig einzupacken. Das Auspacken -an Ort und Stelle aber muß mit noch größerer Circumspection -geschehen. Denn die Sache ist fast, nur im Großen, -wie mit einer Champagnerflasche. Das Ding darf nicht in -alle Lüfte verflattern, wo es keinem Menschen zum Gewinn -<a id="page-81" class="pagenum" title="81"></a> -ist. Im Garten muß es an der rechten Wand sehr künstlich -eingefugt und eingeleimt werden, damit es richtig antwortet -und nicht auf Schwarz Weiß, auf Ja ein Nein spricht. -Herr Walther will sich dann einen tüchtigen Mann vom -Amt kommen lassen, der mit Echos umzugehen weiß, und -selbst nur ein Widerhall seines gnädigen Herrn ist, der soll -ihm das Ding pfropfen oder inokuliren, damit es noch öfter -und lauter jede Anrede nachspricht. Ein in Ruhestand versetzter -Geheimer Rath braucht sein Echo nicht mehr in der -Sitzung abzugeben, und dieser, hofft Walther, wird ihm dieses -für ein Billiges ablassen. Denn das ist auch zu observiren, -daß das Echo, wenn es nun wieder gelüftet wird, -nicht dem Freunde Walther oder einem andern würdigen -Manne in den Hals fährt. Davon hat man schon merkwürdige -und traurige Beispiele. Der Minister in — (ja -da um die Ecke, rechts oder links von uns, Du brauchst es -eben nicht so genau zu wissen) war der beste Kopf im Lande, -nur widersprach er dem regierenden Herrn immerdar. Plötzlich -(und die gewöhnlichen Menschen meinen, es sei durch -eine Gehaltsverdopplung bewirkt, was aber die Erscheinung -weder psychologisch noch physiologisch erklären würde) spricht -er wörtlich und buchstäblich Alles so, wie sein Landesvater. -Zur Erheiterung war dieser große Kopf in ein Bad gereiset, -in dessen Nähe sich ein ganz vorzügliches Echo aufhielt. Der -Minister spielt mit dem Dinge, wie mit einem jungen Kätzchen, -frägt, läßt antworten, schreit und singt, um das Wesen -recht von allen Seiten kennen zu lernen; darüber wird er -müde, er gähnt, ohne die Hand vor den Mund zu halten, -und die boshafte Creatur benutzt den Moment und springt -ihm in den Hals hinein. Nun kann er es nicht loswerden, -so sehr er Medicin braucht. Im Bade ist das Echo seitdem -<a id="page-82" class="pagenum" title="82"></a> -fort. Die Dummen behaupten, weil die Bergleute eine vorlaufende -Felsenwand weggesprengt haben. Nein, auf eben -beschriebene Art sind sehr viele dieser Echoisten entstanden, -die der gemeine Mann zu oft mit den Egoisten verwechselt, die -freilich auch manchmal nahe an einander grenzen, wie die -Buchstaben g und h. -</p> - -<p> -Unser Walther hat neulich etwas gethan, wovon alle -Philosophen und Denker immerdar ausgesagt haben, es sei -unmöglich. Er schwang sich nehmlich auf dem Rade der -Fortuna um, und es gelang ihm, oben auf dem Gipfel wenigstens -eine halbe Stunde lang ungestört zu verharren. -Er hätte also den Nagel oben einschlagen können, wenn er -nicht selbst vernagelt gewesen wäre, denn er fluchte und wetterte, -um nur wieder hinabzugelangen. Ein wunderliches -Frauenzimmer, vielleicht die Fortuna selbst, sah ihn dort -oben thronen und lachte, wie es mir schien. Ich konnte sie -aber nicht erhaschen. Man schrie ihr Maschinka nach. Hieß -nicht die geheimnißvolle Unbekannte so, die bei uns logirte? -Mir schien auch, aber ungewisser Schein nur, als sähe sie -jener Flüchtigen ähnlich. Aber mein Studium und der -Genuß der himmlischen Essenzen macht, daß ich mich solcher -irdischen Dinge nur sehr dunkel erinnere und keine Rechenschaft -davon geben kann. Wenn sie es war, ist sie mir und -den Uebrigen wieder entlaufen, ob wir gleich alle hinter ihr -drein waren. Walther, der Herabgestiegene, auch. Fortuna -aber oder Maschinka war verschwunden. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Die Beiden kamen spät von der Starkenburg zurück, -und indem sie in das Zimmer traten, hörten sie, wie Wachtel -sich selber den letzten Theil und Beschluß seines Briefes -vorlas. Walther fuhr auf ihn zu und fragte: was war das -<a id="page-83" class="pagenum" title="83"></a> -für eine Dame, die jener in Würzburg ähnlich war? Auch -Ferdinand setzte ihm leidenschaftlich mit Reden zu; doch -Wachtel, der jetzt seine Flasche Johannisberger völlig geleert -hatte, sagte: Meine Herren und Freunde, ich habe da einen -häuslichen vertraulichen Brief an meine Gattin geschrieben, -welcher nichts, als Familienverhältnisse und Versicherungen -meiner Liebe enthält, diesen kann ich Euch also unmöglich -mittheilen; die letzte Anspielung, die Ihr zufällig vernommen -habt, ist nichts weiter als die Beziehung auf eine Sache, die -ich selber nicht verstehe und das Wenige, was ich davon -wußte, seitdem völlig vergessen habe. Ich war, als jenes -Frauenzimmer schnell in unser Zimmer dort in Guben trat, -eben in Gedanken und Studien versenkt; kurzum, sie hatte -einen Brief an meine Frau, den ich damals nicht lesen -konnte oder wollte, und ein alter Mann begleitete sie, von -dem es unentwickelt vor mir liegt, ob er ein Herr oder ein -Bedienter war. Kurz, mit einem Wort, sie bewohnte ein -Zimmer, als ich schon schlief. Sie kam mir hübsch vor, und -nachher, als ich sie wiedersah, konnte ich mich nicht bestimmt -erinnern, ob es noch dieselbe oder eine andre war. Diese -zweite war aber noch schöner. Vielleicht hatte sie aber die -Frische des Morgens so gefärbt. Nun fragte ich wieder -nach ihr, und sie war schon abgereist, und da es mich nichts -anging, schlug ich es mir aus dem Sinn, und so vergaß ich -es, und so reiste ich nach Dresden ab, und so sind wir nun -hieher gerathen, und das Briefschreiben hat mich angegriffen, -und der Johannisberger hat mich gestärkt, und das ist Alles, -was ich von der Sache weiß. -</p> - -<p> -Daß mich die Sache interessirt, sagte Walther, darüber -könnte ich meine Gründe angeben; aber warum Sie, Ferdinand, -so neugierig sind, begreife ich nicht. -</p> - -<p> -Ich weiß selbst nicht, antwortete dieser, weshalb ich mich -<a id="page-84" class="pagenum" title="84"></a> -darnach erkundige; man macht seinen Freunden in der Regel -Alles nach, weil sie nach einiger Zeit ein gemeinsames -Interesse verknüpft. Und, gestehe ich es nur, in jener Nacht, -als wir in Guben waren, hörte ich durch die offenstehenden -Fenster der untern Zimmer meinen Freund Wachtel schon -mit seiner Frau von dieser Dame reden, ich war schon damals -neugierig, aber mein Freund Wachtel war in einem -so bedenklichen Zustande, daß ich mich ihm nicht zu erkennen -geben mochte; auch rückte schon der erste Morgen herauf und -unsre Abreise drängte. -</p> - -<p> -Sieh! sieh! sagte Wachtel gähnend, meine confuse Frau -hat mir damals eine noch confusere Geschichte vorgetragen, -von einem sehr hübschen Menschen, den sie hundertmal einen -Engel nannte. Sie schien zu meinen, ohne des Engels Beihülfe, -der sich so edel betragen, hätte ich die ganze Nacht -draußen im Grase liegen müssen. Sie machte ein Mährchen -draus, wie das von der Martinswand ist. Und nun -entwickelt es sich also, daß Du dieser Engel warst. So -verschwinden bei nur mäßiger Forschung alle Wunder aus -der Geschichte. -</p> - -<p> -Nach einer kurzen Ruhe fuhren die Freunde am schönen -Morgen weiter, aber nur langsam, um die Gegend -zu genießen. Sie kamen schon früh in Heidelberg an. -</p> - -<p> -Der Pfarrer Le Pique hatte dem jungen Ferdinand -einige Briefe an Freunde mitgegeben, und so lernte dieser -einen rüstigen, geistreichen Mann, Keyser, welcher Lehrer an -der Schule war, kennen. Sie besuchten gemeinschaftlich den -biedern Daub, sowie den herrlichen Creuzer, und in der -schönen Umgebung, unter wissenschaftlichen und heitern Mittheilungen -verflossen ihnen die Stunden und Tage im lieblichsten -Wohlbehagen. Auch den trefflichen Pfarrer Abegg -lernten sie in Lohmen kennen, und die muntern Freunde, die -<a id="page-85" class="pagenum" title="85"></a> -Alle noch jugendlich kräftig waren, durchstreiften das Gebirge -und die blühenden Kastanienwälder, die vielen Bergen -hier einen ganz südlichen Charakter geben, und erkletterten -alle irgend zugänglichen Theile des großen Heidelberger -Schlosses. -</p> - -<p> -Mit Keyser ging Ferdinand in einer Nacht nach Zweibrücken -hinüber, und Walther verwunderte sich, daß der -Freund ihm aus dieser Wanderschaft ein Geheimniß gemacht -hatte. -</p> - -<p> -Walther, der noch wenig mit Gelehrten und mehr mit -dem Adel gelebt hatte, war höchlich erfreut, in dem Professor -Daub die schöne Biederkeit echter deutscher Natur, und in -Creuzer diese Gewandtheit des Geistes, sowie diese edle Urbanität -kennen zu lernen; Abegg’s Milde wirkte wohlthätig -und fein auf den witzigen Streit, der sich manchmal zur -Heftigkeit erhob und den besonders der lebhafte Keyser gern -veranlaßte. Wenn wahre Gelehrte, die zugleich als echte -und edle Menschen den Ton des Umganges haben, in freundlicher -Hingebung scherzend und ernst durch alle Gänge des -Wissens und Forschens wandeln, so findet sich in dieser -Umgebung eine Unterhaltung, die der Menschenkenner und -Weltmann vergebens in den andern Zirkeln der Gesellschaft -suchen wird. -</p> - -<p> -Ein schöner Friede schien alle Gelehrte in Heidelberg -zu vereinigen und Ferdinand erzählte viel von einer schönen -Zeit, in welcher er vor wenigen Jahren in Jena in dem -Kreise lebte, den Wilhelm und Friedrich Schlegel, Novalis -und Schelling bildeten. Er schilderte diese Wochen als das -reichste und üppigste Geistesbankett, das er jemals schwelgend -genossen habe. -</p> - -<p> -Nach einigen Tagen schrieb Ferdinand an eine Freundin, -Charlotte von Birken, nach Berlin. -</p> - -<p class="date"> -<a id="page-86" class="pagenum" title="86"></a> -Heilbronn, den 18. Julius 1803. -</p> - -<p class="noindent"> -Meine theilnehmende Freundin, ich benutze die Nacht, -indem meine Reisegefährten schlafen, um endlich mein Versprechen -zu erfüllen und Ihnen einige Nachrichten von mir -mitzutheilen. -</p> - -<p> -Die Spannung, in welcher mich diese unfreiwillige Reise -erhält, muß oft der Entzückung und der Begeisterung weichen, -in welche mich die abwechselnden großen und lieblichen -Naturscenen versetzen, an welchen unser schönes Deutschland -so reich ist und die unsre Landsleute immer noch nicht gehörig -zu würdigen wissen. -</p> - -<p> -Von meinen Aussichten, Plänen, meinem künftigen -Glück weiß ich Ihnen noch nichts zu sagen. Alles zieht sich -in die Länge, Alles wird fast ungewisser, als es war. Ein -junger Mann in Heidelberg, Keyser, der mein ganzes Herz -gewonnen hat, führte mich nach Zweibrücken zu seiner reizenden -und liebenswürdigen Braut, und hier fand ich denn endlich -einen Brief vom Onkel, der etwas Bestimmteres aussagte, -und der, sonderbar genug, mich wahrscheinlich bald -wieder in Ihre Nähe führen wird, da ich bis jetzt glauben -mußte, Basel sei die Richtung, die ich nur nehmen könne, -und die Schweiz sei mein künftiger Aufenthalt. Indessen -ist schon viel gewonnen, daß der einflußreiche angesehene -Mann sich zum Vermittler anbietet. Ich mag Ihnen von -manchen Dingen, die mir zugestoßen sind, nichts Näheres -mittheilen, weil ich Alles einem mündlichen Gespräche vorbehalte, -man auch nicht wissen kann, wie ein Brief verunglückt, -oder, bei der größten Vorsicht, in die unrechten -Hände geräth. -</p> - -<p> -Von dem schönen Heidelberg aus haben wir eine kleine -Fußreise gemacht, um Neckar-Steinach und die drei Ruinen -zu sehen, die dort dicht neben einander liegen. Das eine -<a id="page-87" class="pagenum" title="87"></a> -wüste Schloß war der Aufenthalt des berüchtigten Lindenschmidt. -Ein runder, steiler Hügel, der Dielsberg, macht -dort einen sonderbaren Anblick; hier verließ uns Keyser, der -uns begleitet hatte, um nach Heidelberg zurückzukehren. Wir -hatten jetzt einen schönen Weg nach Hirschhorn, welches am -Neckar liegt. Ein altes Schloß und Kloster sind hier, die -uns durch ihre Alterthümlichkeit große Freude machten. Wir -nahmen ein Schiff, und fuhren, von einem Pferde gezogen, -den Neckar stromaufwärts. Die Gegend ist reizend, viele -alte Schlösser, die noch ganz in ihrem ehemaligen Zustande -sind, werden bewohnt. In Eberbach war viel Getümmel -und ein Aufzug der Bürger. Nach einigen Stunden jenseits -dieses Städtchens verließen wir das Schiff wieder, um -zu Fuß zu wandern. Minneberg und zwei Hügel dort bilden -eine reizende Gegend. Bei Neckar-Els öffnet sich das -Thal. Vor der Stadt nahm uns ein schlechtes Wirthshaus -auf und Walther miethete aus Eigensinn ein sonderbares -Fuhrwerk, um sich nur mit keinem Hauderer, der vielleicht -auch nicht vorzüglich gewesen wäre, einzulassen. In den -meisten Menschen, selbst vernünftigen, offenbart sich zuweilen -eine falsche Poesie, die sie im Leben selbst suchen oder unmittelbar -in dieses hineintragen wollen. Bei den ganz dummen -Wirthsleuten hatte er auf Erkundigung erfahren, sie -hätten einen leichten Einspänner, der auf zwei Rädern laufe. -Vielleicht fielen ihm die italienischen Sedien oder ein flüchtiges -Cabriolet ein; genug, er miethet das Ding, um so -mit uns am folgenden Mittag in Heilbronn anzukommen. -Ich entsetzte mich nicht wenig, als am Morgen das elende -Gespann vorfuhr. Was war es? Ein viereckter, grob geflochtener -Korb, der auf zwei hohen Rädern unmittelbar auf -der Axe lag. Man hatte Säcke und Stroh hineingelegt. -Ich schlug vor, lieber zu Fuß zu wandern, aber der boshafte -<a id="page-88" class="pagenum" title="88"></a> -Wachtel hatte seine Freude an diesem Skandal, und -Walther wollte sich kein Dementi geben. Wir klemmten uns, -so gut es gehn wollte, in den verwünschten Korb hinein, -und ein blödsinniger Knecht unternahm es, uns mit einem -steifen Gaul so in Heilbronn im Triumph aufzuführen. Zwei -Stunden von dort liegt der Hornberg, welchen Götz von -Berlichingen von Conrad Schott kaufte und wo er den größten -Theil seines Lebens hauste. Der steile Berg ist auf -zwei Seiten mit Wein bebaut, von oben hat man die Aussicht -über das offene Neckarthal und über die gegenüber liegenden -niedrigern Felsen. Auf der Hinterseite des Berges -ist ein enges Thal und ein herrlicher Wald, der sich bis -dicht an die Burg erstreckt. Alles ist oben, auf dem Wege -zur eigentlichen Festung, mit wüstem, verwachsnem Gestrüpp -bedeckt. Aus den Zimmern und Sälen des Schlosses genießt -man einer vortrefflichen Aussicht. Vor kurzem hätte das -ganze Haus noch mit wenigen Kosten zum Bewohnen erhalten -werden können, jetzt ist es verfallen und wird nach einigen -Jahren wohl ganz zerstört seyn. -</p> - -<p> -Wir fuhren dann durch ein Städtchen Gudelsheim, das -den deutschen Herrn gehört, und ließen uns nach Wimpfen -übersetzen. Vor Heilbronn verließen wir doch, trotz unsrer -Aufklärung, unsern Karrn und zogen zu Fuß in die Stadt -ein. Alles wurde hier zur Huldigung des neuen Herrn eingerichtet, -der Altar in der protestantischen Kirche war abgetragen, -recht gut scheinende Gemälde waren, ihm zu Ehren, -neu übermalt und verdorben. Kirche und Thurm gehören -zu den merkwürdigen Gebäuden. Der berühmte wasserreiche -Brunnen der Stadt hat durch eine neue schlechte Balustrade, -um die man die alte Einfassung, die besser war, wegreißen -mußte, viel an seinem Wasser verloren. Am Rathhause -wurde eben ein schönes steinernes Geländer weggebrochen, -<a id="page-89" class="pagenum" title="89"></a> -um Latten besser anbringen zu können, an welchen die Lampen -zur Illumination befestigt werden. Wir besuchten die -Orte, die uns von früher Jugend auf durch den Berlichingen -und Göthe’s Werk so merkwürdig sind. Auch den gewundenen -Thurm kletterten wir hinauf und standen oben, -neben dem Ritter, wie mich dünkt, dem heiligen Kilian. -</p> - -<p> -Hätten wir es unterlassen können, nach Weinsberg hinauszufahren? -Durch Bürger’s Romanze ist dieser Ort und -die That der Weinsberger Frauen im Munde alles deutschen -Volkes. So manches die Kritik gegen Bürger’s Balladen -und Romanzen mit Recht ausstellen kann, so vorsätzlich er -so oft den alten einfachen Ton, jenes Geheimniß, im Wenigen -und im Verschweigen viel zu sagen, worin Göthe der -größte Meister ist, vermied und nicht finden konnte, so bin -ich doch überzeugt, Bürger’s Balladen werden bei uns länger, -als die von Schiller leben, der (in wenigen ausgenommen) -noch mehr jene stille Einfachheit verletzt hat. -</p> - -<p> -Um Heilbronn ist eine schöne grüne Natur und wir -waren alle mit unserm Tagewerk zufrieden. Wie schön ist -es, in einem Lande zu leben, wo Städte, Bildwerke, Felsen -und Berge auf alte Geschichte, auf große Kaiser und merkwürdige -Begebenheiten hinweisen. Wie herrlich ist in dieser -Hinsicht Deutschland ausgestattet! Mir kommt es fürchterlich -vor, in Amerika leben zu müssen. Und die verschiedenen -Epochen der Kaiserherrschaft, des Aufblühens der Familien, -des stets wechselnden Verhältnisses, der großen wie kleinen -Fehden und die mannigfaltigen Gestaltungen und Umwandlungen -des Ritterthums, von der höchsten Bildung und der -schwärmenden, poetisch-fanatischen Verehrung der Frauen bis -zum niedrigen, rohen Räuberhandwerk hinab, alles Dies, -glaube ich, hat sich nirgends so wundersam, vielseitig, grell -abstechend gewiesen, als in unserm Deutschland. Unsere unwissenden -<a id="page-90" class="pagenum" title="90"></a> -Autoren, die diese Gegenstände behandeln, haben -sich aber eine gewisse rohe Manier gebildet, die immer in -Zank, Großsprecherei und leeren Worten wiedertönt, ohne -uns auch nur im mindesten ein Bild und anschauliches Gemälde -jener Zeiten zu geben. Andre sehen nur Greuel, Verwilderung -und Mord in jenen Tagen der merkwürdigsten -Entwicklung, und bedenken nicht, daß, wenn die Welt so beschaffen -gewesen wäre, wie sie sie verlästern, in kurzem weder -Gute noch Böse, Freie und Knechte würden übrig geblieben seyn. -</p> - -<p> -Wie aber Gefühle absterben, wie der Sinn für das -Schönste sich verlieren kann, muß ich täglich mehr erfahren. -Rührt uns schon in Stadt und Feld die Hinweisung auf -Geschichte und belebt und weiht den todten Stein und den -Wald, wie viel mehr jenes Mahnen an die Wunder und die -Süßigkeit unserer Religion. Und diese forttönende Poesie, -dieses Erklingen der feierlichen Harfensaiten, diesen still -lebenden und stumm beredten Gottesdienst in der Einsamkeit -der Natur, im Gewühl des Marktes, in Felsgrotten und -Wäldern, im Verherrlichen der Brücken und Ströme finde -ich nur noch in den katholischen Provinzen. An Zoll und -Polizei, an Argwohn und Paß, an Aufsicht und Visitation -werden wir im Protestantischen genug erinnert, an die Bedeutung -des Christenthums fast niemals. Ja, jene Wundersagen, -jene Bildwerke, Hymnen, Klöster, Mönche, heilige -Jungfrauen, Vorbitten und Schutzheilige sind Gegenstände -des Spottes und Hasses. Und die besten Menschen können -sich oft von diesem Aberglauben gegen den Aberglauben, -von dieser Gespensterfurcht, daß der Glaube an Gespenster -wieder kommen könnte, nicht frei erhalten. So konnte es -mein neu erworbener Freund, Keyser, nicht begreifen, wenn -ich behauptete, die Reformation sei zwar eine nothwendige -gewesen, sie habe der Welt und namentlich Deutschland unendliches -<a id="page-91" class="pagenum" title="91"></a> -Heil gebracht; aber viel Schönes, Großes und Heiliges -sei mit Zerstörung des Schlechten zugleich vernichtet -worden, und dies sei es, was der eifrige Protestant nie anerkennen -wolle und was die Katholiken selbst nicht zu würdigen -wissen. Auch ein schlechtes Bild an der Landstraße rührt -mich, weil es auf jene Geheimnisse hindeutet, die wir nie -vergessen sollen, wenn wir sie gleich auf dem gewöhnlichen -Wege niemals begreifen können. Die Fratzen in manchen -Kirchen stören mich so wenig wie die oft ungelenken Priester; -denn auch im unansehnlichen Dornbusch blüht der Frühling -heraus und bewegt mich, als ein Zeichen der allgemeinen -Auferstehung des Lebendigen. -</p> - -<p> -Dies Gefühl des Mitleidens in der höchsten Liebe, daß -wir durch Selbstaufopferung das Opfer der Liebe vergüten -möchten, diese schönsten Gefühle sind es gerade, die die meisten -Menschen von sich abweisen oder die Härteren als unrecht -verdammen. So heben sie sich für den Sonntag, für -Orgel und Predigt die feierlichen Empfindungen auf, oder -sie schließen einen verständigen Contrakt mit dem unbegreiflichen -Wesen, welches sie Gott nennen, um gegenseitige -Pflichten und Verbindlichkeiten klar im Auge zu behalten. -Der Vers eines Liedes aber, Abends unter einem Crucifix -still und andächtig gesungen, der Blick des betenden Greises -auf einsamem Waldplatz zum leidenden Heiland hinauf, der -Kuß, den das Kind auf seinen Rosenkranz drückt, die Thräne -der Mutter, welche auch den Sohn verlor, vor der Mater -dolorosa, sagen mehr, als alle jene kalte Weisheit verkündigen -und lehren kann. -</p> - -<p> -Sie kennen ja aber, theure Freundin, meine Gesinnungen -über diese Gegenstände und stimmen mir bei. Ich hoffe -Sie bald zu sehn; im Herbst gewiß. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -<a id="page-92" class="pagenum" title="92"></a> -Walther war aus andrer Ursache nachdenklich von Weinsberg -zurückgekommen. Er hatte an der Wand der Kapelle, -auf welcher die Geschichte der treuen Weinsberger Weiber -gemalt ist, mit Bleifeder frisch angeschrieben deutlich die -Worte gelesen: „Romeo, in der Höhle zu Liebenstein findest -Du den 24. Juli M — Julia.“ — Seine Gefährten hatten -die Schrift nicht bemerkt, ihm aber flüsterte sein Genius -zu, diese Hinweisung rühre von jener vielgesuchten Maschinka -her, die den Mann, welchen er verfolgte, in Liebenstein erwarte. -Sein Entschluß war daher gefaßt, nach Liebenstein -zu gehn und gewiß am 24. Julius in dieser Höhle zu seyn, -in welcher er diesen Romeo zu entdecken hoffte. Er konnte -sich selber keine Rechenschaft davon geben, warum er sich die -wenigen Worte so erklärte, warum er der Meinung war, -sie müßten von jener entflohenen Maschinka herrühren, deren -Handschrift er niemals gesehn hatte. Aber dieser blinde -Trieb, dieser Instinkt schien ihm gerade ein Beweis dafür, -daß er auf der richtigen Spur seyn müsse. -</p> - -<p> -Am folgenden Morgen trug er, ohne seine Gründe anzugeben, -darauf an, daß man noch einiges Merkwürdige in -der Nähe betrachten, dann aber nach Liebenstein reisen möge. -Mein theurer Freund, sagte Ferdinand, mit einiger Heftigkeit: -wie kommen Sie auf diesen Entschluß? Warum nach -Liebenstein? Ich hoffte, wir würden von hier aus uns mehr -südlich und nach dem Schwarzwald, vielleicht sogar nach der -Schweiz wenden, um einen Theil des Herbstes in den schönen -Alpengegenden und an den erfrischenden Seen zuzubringen. -Und nun schon, noch so zeitig im Jahre, uns wieder -nach Norden wenden? das sieht schon wie Rückkehr aus, die -ich in diesem wahrhaft schönen Sommer, der uns vielleicht -noch lange begünstigt, weit hinausschieben möchte. -</p> - -<p> -Schon umkehren? rief Wachtel aus: wie? Ich habe auf -<a id="page-93" class="pagenum" title="93"></a> -den Rhein und die schönen Weinplätze Bacharach, Rüdesheim, -Nierenstein gehofft — und nun wieder in das kalte -Bierland hineinreisen? Ei, welch ein böser Geist hat Ihnen, -verehrter Freund, den bösen Gedanken zugeraunt? -</p> - -<p> -Sie wissen, fuhr Ferdinand fort, mir ist nur in den -Gegenden, wenn ich in der Fremde bin, recht wohl, wo ich -die alten Münster, den katholischen Cultus, die Bilder und -Feierlichkeiten, so wie Alles, was damit zusammenhängt, -sehe und mein Gemüth erhebe. Haben wir doch oft genug -darüber gestritten. Es ist fast, als wenn ich eine Geliebte -verlassen, indem ich diesen schönen Provinzen wieder den -Rücken wenden soll. -</p> - -<p> -Geliebte! sehr wahr! rief Wachtel, fast schluchzend. Ich -kenne das schon, um wie viel theurer und schlechter der Wein -in den Gegenden dort oben ist. Nun habe ich mein Herz -hier so weit hinweg spazieren geführt und es so recht gemüthlich -im Sonnenschein der Andacht ausgelabt und eingesommert. -Ich kann schwören, mit jeder Meile, die mich von -meiner Frau um eine mehr entfernt, fühle ich meine Liebe -zu der vortrefflichen Person inniger und brünstiger. Welchen -schönen Liebesträumen hing ich nun nach, daß noch wenigstens -hundert Meilen sich zwischen uns legen sollten, um -mich so recht und voll in die erste Jugendliebe hinein reisen -und rasen zu lassen. Das hätte vielleicht eine so ausbündige -Verliebtheit zu Stande gebracht, wie nur jemals zwischen -Abälard und Heloisa stattgefunden hat, — und nun soll ich -plötzlich ernüchtert werden, denn das weiß ich im voraus, -mit jeder Meile, die ich jetzt schon, um so vieles zu früh, -der Theuern näher komme, wird mein Herz kälter, und Sie -haben es zu verantworten, Baron, wenn ich als ein rechter -Gimpel, als kalter Frosch, als miserabler Philister meiner -Alten ganz herzlos und krüppelmatt an den Hals falle. -</p> - -<p> -<a id="page-94" class="pagenum" title="94"></a> -Walther sagte lachend: liebe Freunde, es kann nicht -meine Absicht seyn, Sie irgend in Ihrer Reiselust hemmen -oder auf falsche Wege verlocken zu wollen. Unsre Trennung, -wenn sie jetzt so viel früher eintritt, wird mich schmerzen; -aber wir finden uns wohl später wieder. Was mich jetzt -nach Liebenstein zieht, ist ein kleines Geschäft. Sie wissen, -wir Alle hatten bei unsrer Abreise von Dresden keinen festen -Plan, wir wollten uns leichtsinnig dem Zufall und unsrer -Laune ganz überlassen. Vergessen haben Sie aber ganz, -daß wir beim Abschiede in Karlsbad unserm Freunde Carl -Hardenberg fest versprachen, ihn in Liebenstein wiederzusehn. -Diese Zeit ist jetzt, und versäumen wir sie, so treffen -wir ihn dort nicht mehr an und er hat uns vergeblich -erwartet. -</p> - -<p> -Es ist wahr, sagte Ferdinand, wie aus tiefem Nachsinnen -erwachend; dieses Versprechen, welches fast ein feierliches -war, ist mir seitdem ganz entschwunden. Und so begleite -ich Sie denn, lieber Walther, theils um meiner Pflicht -gegen jenen Freund zu genügen, andrerseits aber, um länger -in Ihrer Gesellschaft zu seyn und mit Ihnen die Schönheiten -unsrer Reise zu genießen. -</p> - -<p> -Sei’s drauf gewagt, rief Wachtel, sollte ich auch mit -ganz eiskaltem und erfrornem Herzen zu meiner vielgeliebten -Gattin zurückkommen. Ich weiß nicht, ob es Heilige giebt, -denen sich ein kalt werdender Liebhaber und Gatte empfehlen -kann, oder ob Protektoren der zärtlichen Ehe angestellt sind, -die die Flammen so anfachen, wie der heilige Kilian sie auslöscht; -wenn Du mir, Ferdinand, keinen zu nennen weißt, -so ist das eine große Lücke in Deinem vielgepriesenen, bilderreichen -und wundervollen katholischen Cultus. Der Abälard, -der dazu passen könnte, war außerdem schon ein Ketzer; -und seine Heloisa gilt auch für eine fromme Sünderin; und -<a id="page-95" class="pagenum" title="95"></a> -so hat die Kirche die beste Gelegenheit versäumt, durch zeitgemäßes -Canonisiren diesem Bedürfniß abzuhelfen. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Die Freunde reiseten nach diesem Entschlusse queer durch -das Kocherthal und besuchten Neustadt an der Linde. Von -einer außerordentlich großen Linde hat dieses Städtchen seinen -Beinamen. Nach dieser anmuthigen Gegend kamen sie -durch den Harthäuser Wald. Das Thal der Jaxt ist zerrissen, -die Weinberge schroff, kahl und weiß, und das Land -ist hier weniger fruchtbar, als das Thal der Kocher. Eine -sehr große und schöngebaute Brücke führt über den Jaxtfluß, -der jetzt so klein war, daß er fast gar kein Wasser enthielt. -</p> - -<p> -Aus Verehrung für Göthe betraten sie das alte Haus, -die Burg Jaxthausen, in einer feierlichen Stimmung. Der -berühmte Gottfried, oder Götz, hat hier nur in seiner -Kindheit und frühen Jugend gelebt. Ein älterer Bruder, -Philipp, erbte diesen Stammsitz der Familie, und lebte, -wie es scheint, ruhig und glücklich auf diesem seinem Schlosse. -</p> - -<p> -Alles ist hier alterthümlich, fest und mannhaft, wenn -auch nicht großartig. Das Archiv ist in einem großen, runden -Thurm. Die Wandschränke, viele Sessel und Stühle -schienen noch aus der Ritterzeit. Die Wendeltreppe ist vortrefflich -gebaut. Fest kann, ungeachtet der Gräben, das -Haus doch nicht gewesen seyn; es liegt niedrig, auf ebenem -Boden und hat das Ansehn eines reichen Adelhofes. -</p> - -<p> -Ein neues, anmuthiges Schloß von mäßigem Umfang, -welches eine Familie Gemmingen bewohnt, liegt nahe bei -Jaxthausen, und nicht weit davon, an der Jaxt die Ruine -der alten Burg Berlichingen, die alle Leute in der Gegend -dort Berlinchen nennen. -</p> - -<p> -Eine Meile von Jaxthausen findet man in anmuthiger -Waldgegend das Kloster Schönthal. Hier ist das Erbbegräbniß -<a id="page-96" class="pagenum" title="96"></a> -der Berlichingen; Götz ist als der letzte hier begraben -worden, weil nachher die Familie protestantisch war. -Die Kirche ist schön, und Ferdinand hörte die Erzählung -mit Ingrimm, daß man nicht nur alle goldne und silberne -Gefäße, sondern selbst zwei heilige Leiber bei der Aufhebung -des Klosters den Juden verkauft habe. -</p> - -<p> -Ein Mönch verzeichnete die Bücher der Bibliothek, weil -diese abgeliefert werden sollte. Der Mann schien unwissend -und sich mit den alten Drucken oder Handschriften, bei denen -er die Titel nicht finden konnte, sehr zu quälen. Ferdinand -machte sich an ihn und half ihm bei einigen. Im Verlauf -des Gespräches jammerte der Mönch über die Aufhebung des -Klosters. Ferdinand stimmte mit ein und sprach von den Vortheilen -und Reizen der Einsamkeit, und wie schön die Einrichtung -gewesen, daß vielen Geistern, die den Beruf gefühlt, Freistätten -seien gestiftet worden, in welchen sie sich ganz und völlig -von der Welt unabhängig, den Betrachtungen der höchsten Gegenstände -hätte widmen können. Seit lange aber, fuhr er -fort, ist die Einsamkeit verrufen, Alle, so hört man immerdar, -sollen und müssen in die vielfachen Wirbel und in die Verwirrung -der Welt hineingetrieben werden; praktisch, so ruft -man schon dem Kinde zu, mußt Du werden, um die Geschäfte, -die Aufgaben des Lebens verwalten und lösen zu -können. Die Namen eines Stubengelehrten, einsamen Denkers, -stillen Forschers sind wie die Benennungen Einsiedler, -Klostermönch, abergläubischer Priester, zu Schimpfnamen -geworden. Und dennoch — wenn man diese Weltmenschen -kennt und beobachtet, die in den Rädern der großen Weltmaschine -hanthiren und immerdar mit dem Gewühle der -verwirrten Masse umtreiben — wie ist ihr Gemüth abgestumpft -und keiner großen Eindrücke und Entschließungen -fähig. Ungewohnt, einen wahren, echten Gedanken zu fassen, -<a id="page-97" class="pagenum" title="97"></a> -eine belebende Idee zu ergreifen und sie dann anwendbar zu -machen, ist ihr ganzes praktisches Treiben nur wie das des -Maulthieres in der Drehmühle, thätig ohne Geschäft, im -Mechanismus als Maschine arbeitend. Lehrt uns denn nicht -die Geschichte, daß so oft jene stillen Menschen, die sich der -Einsamkeit ergaben, in Zeiten der Noth hervortraten, um -Das zu ordnen und zu beschwichtigen, was allen Weltregierenden -und in der Welt Erzogenen zu mächtig geworden -war? Einige der edelsten Päpste nicht nur waren in der -Stille des Klosters gebildet und herrschten im großen Sinne, -als sie berufen wurden, auch außer so manchen Bischöfen -und Aebten waren es oft einfache Mönche, die in Zeiten -der Drangsal auftraten, um mit dem Seherblick, den gerade -die Einsamkeit geschärft hatte, Kräfte zu entdecken, die die -verderblichste Verwirrung in lichte Ordnung umwandelten. -</p> - -<p> -Darum, sagte der Mönch, der von Zeit zu Zeit von -seinem Cataloge aufsah, ist es Unrecht, wie man jetzt mit -uns umgeht. Nicht anders, als wenn wir Mordbrenner -und Landesverräther wären. Und grausam ist es obenein. -Denn unser eins hat nun von Jugend auf nichts anders -gelernt, wir können uns auf keine andre Weise ernähren, -und doch stößt man uns in die Welt ohne alle Versorgung, -denn die armselige Pension, die man uns auswirft, kann -kaum gerechnet werden. -</p> - -<p> -Ferdinand wendete sich mit dem Ausdruck der tiefsten -Verachtung von dem Manne ab. Als sie draußen waren, -fragte ihn Wachtel: was ist Dir nur, daß Du plötzlich so -sehr verstimmt bist? — Wenn mir, rief Ferdinand aus, der -ich ein Laie, ein Protestant bin, das Herz brechen möchte, -weil ich in einem Zeitalter geboren bin, in welchem eine -ganze Welt von Herrlichkeit, Poesie und Kunst in ein großes -<a id="page-98" class="pagenum" title="98"></a> -Grab höhnend geschüttet wird, eine Welt, in welcher so -Großes erwuchs und geschaffen wurde, die für Bildung, -Gelehrsamkeit und echte Freiheit so viel that, die durch so -viele geistliche Helden und Märtyrer verherrlicht ist, — und -ich sehe einen Mönch, der diesem zerstörten Tempel angehört, -um nichts als sein tägliches Brot seufzen, den nur die Küche -dauert, die zugleich mit dem Wunderdom zerfällt, so möchte -ich verzweifeln. Er fühlt sich nicht gekränkt und im tiefsten -und heiligsten Ehrgefühl seines hohen Standes verletzt, nein, -er wäre zufrieden, wenn er nur in irgend einem Pallast -seiner Verfolger wieder Küchenjunge werden könnte. Giebt -es freilich viele dieser Art, haben manche Regierende wohl -selber so gedacht, so ist diese große Kirchenanstalt in sich -selbst, auch ohne äußern Anstoß und ohne die weltliche Habsucht, -zusammengebrochen. -</p> - -<p> -Sei nicht unbillig, rief Wachtel aus, wie soll ein gewöhnlicher -Mönch, von frühster Jugend zum unbedingten -Gehorsam gewöhnt, dessen größte Tugend es seyn mußte, -den eignen Willen zu brechen, Deinen Enthusiasmus theilen -oder verstehn? der bei Dir auch nur um so feuriger ist, -weil Du, in einer ganz anders gestalteten Fremde erzogen, -als Fremdling in diese zerstörte Welt hineinschaust. Du bist -noch ziemlich jung, wohlhabend, hast niemals Mangel empfunden, -kannst es also in Deinem übermüthigen Blute nicht -wissen, wie bitter die Nahrungssorgen sind. Außerdem bist -Du so erzogen und unterrichtet, daß Du im äußersten Fall -zu hundert Geschäften greifen könntest, um Dich zu ernähren; -hast auch, durch den Weltumgang, Dreistigkeit gewonnen, -mit Menschen umzugehn und Dir Beschützer zu -suchen. So ein Armer aber, wie dieser, von frühester Kindheit -verschüchtert, erniedrigt und eingezwängt, wenn dem die -Maschine zerbrochen wird, an der er arbeitet, und er gar -<a id="page-99" class="pagenum" title="99"></a> -nichts gelernt hat, als an dieser einen Stift einzufugen, der -ist unendlich zu bedauern. -</p> - -<p> -An diesem Tage kamen die Reisenden noch bis Mergentheim -und setzten am folgenden Morgen ihren Weg fort, -längs der Tauber. Die Gegend bis Bischofsheim ist nicht -schön, das Thal der Tauber ziemlich kahl. Von Bischofsheim -bis Würzburg war die Gegend auch nicht interessant -und Ferdinand sagte: ich glaube fast, daß wir gestern den -letzten eigentlich poetischen Tag unserer Reise genossen haben. -</p> - -<p> -Sie sind nur, antwortete Walther, gegen das Zurückkehren -und scheinen mir eine zu große Vorliebe für das unbestimmte -Herumschwärmen zu verrathen. -</p> - -<p> -So ist es, rief Wachtel aus, das war von früher Jugend -an seine Passion. Er ist ein schlechter Staatsbürger -und Patriot. -</p> - -<p> -Das Reisen selbst, erwiederte Ferdinand, ist für Den, -welcher es versteht, eine so poetische Kunst, daß ich mich in -diesem Sinne gern als gebornen Vagabunden bekenne. Mich -dünkt, der merkwürdige Theophrastus Paracelsus sagt schon, -das Reisen sei das Lesen eines herrlichen Buches, in welchem -man die Blätter mit den Füßen umschlage. Die Natur und -jede ihrer Launen kennen zu lernen, sich ihr ganz zu eigen -zu geben, Heiterkeit und Genuß wie Regen und Sturm mit -Dank empfangen, dies verstehn nur wenige, und die es vermögen, -sind schon Eingeweihte. Dann die Kunst, zu lernen, -wie man mit dem Volke leben kann, daß man aus allen -Gesinnungen etwas Neues hört, daß man die Spur findet, -wo auch in anscheinender Einfalt die Weisheit unbewußt -spricht, wie die Wahrheit immer hinter allen Masken der -Lüge hervorblitzt, alles Dies dient, unsern Geist zu erheben -und reif zu machen. Dazu die Wunder, das Staunenswürdige, -das uns Kunst, Natur, das Firmament und die -<a id="page-100" class="pagenum" title="100"></a> -Elemente bieten, oft auch die unscheinbare Gesellschaft und -der zufällige Spaziergang. Schon in Teplitz sah ich dergleichen, -und ihr Alle, die ihr doch gern staunen mögt, habt -es ebenfalls angeschaut, doch ohne es zu beachten. Dorthin -kommen alle Sommer aus dem innersten Ungarn Menschen, -welche die deutsche Sprache nicht verstehen. Sie verkaufen -Draht, Mäusefallen und andere geringfügige Sachen, dabei -bessern sie kupfernes Geschirr aus und umflechten Töpfe und -Schüsseln. Sie gehen in braunen, langen und weiten Jacken, -und nur in dem Einen Aermel steckt in der Regel der eine -Arm, sie haben keine Schuhe und Strümpfe nach unserer -Art, sondern tragen eine Art von Sandalen, und mit Tuch -oder Leinwand ist das Bein umwickelt, so wie es vor der -Erfindung der Strickerei und Weberei gebräuchlich war. Ihr -Gang hat nichts von unserer Dressur, sondern ist so frei -und leicht, wie ihn kein Tanzmeister erreichen oder nur nachahmen -könnte; dabei ist in ihren Schritten aber nichts von -dem festen Springegang, den man an den Tyrolern beobachten -kann. Eben so hat ihr Auge nichts von dem kühnen -Umblick jener Bergjäger, sondern es sieht ruhig und in stiller -Schwermuth geradeaus und nieder, ist aber niemals forschend -oder neugierig. Diese Armen, weil ihr Gesicht von -ihrem Geschäft in der Regel schwarz und ungewaschen und -von der Sonne und dem langen Wege gebräunt ist, werden -von manchem Badegast wie Banditen und Bösewichter angesehen. -Ich bin ihnen stundenlang nachgegangen, um sie zu -beobachten, ich habe mich mit ihnen zu verständigen gesucht -und ihnen manche Gabe zukommen lassen, weil mir ihr Wesen -so edel und echt menschlich schien. Sie sammeln, was -sie an kleiner Kupfermünze einnehmen, und schütten es in -einen Aermel ihrer Kutte, den sie unten zubinden, um mit -dem geringen Erwerb mühsam in ihr fernes Vaterland zurückzukehren. -<a id="page-101" class="pagenum" title="101"></a> -Der Ausdruck ihres Gesichtes ist so schwermüthig, -daß man sich angezogen fühlt, und was das Merkwürdigste -ist, ich habe niemals einen von ihnen lachen, oder -auch nur lächeln sehn, sei es ein junger Mensch oder ältlicher -Mann, selbst wenn ich ihnen eine Gabe mittheilte, die -ihre Erwartung übertraf. Ein milder, dankender Blick hat -mich gerührt, und sie waren augenblicks so ruhig, wie immer. -Wer sind diese Menschen, die mir als ein Wunder in unsrer -Welt erschienen? Sind sie eine Art Paria? Mit den Zigeunern -haben sie keine Aehnlichkeit. Ich konnte sie nicht -ausfragen, weil sie mich nicht verstanden, die übrigen Menschen -gingen gleichgültig an ihnen vorüber, und ich würde -einen Otaheiten oder Chinesen nicht mehr als diese umherwandernden -Kesselflicker anstaunen. -</p> - -<p> -Du magst nicht Unrecht haben, sagte Wachtel, es thut -mir leid, daß ich diese Slawaken, oder Croaten und Wallachen -nicht besser beachtet habe. Kommt mir einmal wieder -einer in den Wurf, so will ich ihn gewiß unter mein Mikroskop -nehmen. -</p> - -<p> -Nach Tische verließ die Gesellschaft Würzburg und begab -sich nach dem Lustschlosse Werneck. Im Garten dieses -ehemals fürstbischöflichen Schlosses sind noch einige schöngeflochtene -Berceaus, nach alter französischer Art, und Ferdinand -ergoß sich in Lobpreisungen dieser jetzt verschmähten -Gartenkunst, für welche er eine fast übertriebene Vorliebe -zeigte. Nichts so Entzückendes, rief er aus, als ein solches -dichtgeflochtenes hohes Gewölbe von glänzendem, jungem -Buchenlaub. Die Sonnenhitze kann nicht durchdringen, und -man wandelt wie in einem lebendigen Saale oder dem Schiff -einer Kirche, dessen Wölbung das glänzende Licht in Smaragden -verwandelt. Die erfrischende Kühle spielt durch den -weiten, langen Raum; im Sturm und Regen ist der Gartenfreund -<a id="page-102" class="pagenum" title="102"></a> -hier wie im Schlosse selbst gesichert. Um zu lesen -oder ein vertrautes Gespräch zu führen, ist ein solcher Gang -vorzüglich geeignet, ja er erzeugt durch das Offene, Heitere -und zugleich Abgeschlossene Vertrauen, und das auffallend -Künstliche dieser Bogenwölbung, so innigst mit der Baumschönheit -verbunden, ist so lieblich und phantastisch, daß es -wie von selbst Poesie und zarte Wunderträume erregt. Preise -man nur nicht so unmäßig jene monotonen, melancholischen -englischen Gärten, die weit eher ein Rückschritt zur Barbarei -zu nennen sind, als daß sie die echte, höhere Gartenkunst -sich rühmen, oder gar für die einzig wahre ausgeben -dürften. -</p> - -<p> -Sie blieben die Nacht in Schweinfurt, einem wohlhabenden, -behaglichen Städtchen. Am folgenden Morgen -verließen sie die <a id="corr-4"></a>Chaussee, um auf schlechten Wegen nach dem -Badeort Kissingen zu gehen; der Ort ist nur klein und es -waren nur wenige Trinkgäste zugegen. Eine Meile entfernt -ist das Dorf und Bad Bocklet. Hier ist eine schöne grüne -Natur, waldbewachsene Hügel, frische Thalwiesen und eine -anmuthige, feierliche Einsamkeit. Nach einem ziemlich langen -Spaziergang kamen sie in den Speisesaal zur versammelten -Gesellschaft. Ferdinand traf einige Damen und -Fräulein, die er wohl sonst in Berlin gesehen hatte. Es -überraschte ihn seltsam, in diesem einsamen kleinen Orte -Figuren wiederzufinden, die er sich bis dahin nur in den -großen erleuchteten Salons hatte denken können. -</p> - -<p> -Hören Sie, sagte Walther zu Wachtel, den er bei Seite -nahm, mit welchem Enthusiasmus unser Freund wiederum -von seinen berlinischen Freundinnen, vorzüglich aber von der -Familie aus Madlitz spricht. Er ist übermäßig glücklich, daß -er einige Dämchen getroffen hat, die doch einigermaßen, wenn -auch ungern, in das Lob seiner Schönheiten einstimmen; -<a id="page-103" class="pagenum" title="103"></a> -denn es ist mehr als ungalant, man kann es unartig nennen, -gegen junge Damen andere abwesende in so hohen Tonarten -zu loben. Bemerken Sie nur, wie alle diese Badeschönheiten -die zierlichen Lippen aufwerfen und die Näschen -rümpfen, wie sie so leicht und schonend diesen und jenen -Tadel der gefeierten Grazien einschlüpfen lassen, um der zu -schmetternden Trompete unsers Freundes einen kleinen Dämpfer -aufzusetzen. Er ist nicht zu entschuldigen, wenn er nicht -dort, wie ich zu glauben Ursach habe, schon versprochen ist. -</p> - -<p> -Bei Tische war man heiter, und nur Ferdinand, der -es wohl fühlte, daß die anwesenden Schönen nicht mit ihm -zufrieden waren, verließ mit einem kleinen Mißmuth den -Saal. Er ging mit Wachtel und Walther auf den Kirchhof -des Ortes, um das Grab der Auguste Böhmer, der Stieftochter -Wilhelm Schlegels, aufzusuchen. Nicht ohne Thränen -konnte er ihrer gedenken, und sagte endlich: Wie schwach -sind doch die Menschen, daß sie nur selten das Lob eines -vorzüglich begabten Menschen, sei er durch Schönheit, sei -er durch Geist ausgezeichnet, mit edler, wahrer Theilnahme -anhören können. Gleich glauben sie, es würde ihnen etwas -entzogen, oder man setze sie gar herab, und so eilen sie denn, -sich in Reihe und Glied zu stellen, was im Grunde lächerlich -ist, weil sie voraussetzen, man müsse sie ebenfalls zu -jenen Hochbegabten rechnen. Von den Verstorbenen ertragen -sie schon eher die rühmliche Nachrede. Wie traurig, daß -das Andenken eines so schönen Wesens, wie diese Auguste -war, so schnell erlöschen muß. Diese natürliche Heiterkeit, -der Frohsinn dieses Mädchens, ihr unschuldiger Witz und -sanfte Schalkheit, gepaart mit Verstand und Geschmack, war -in ihrer schönen Jugend eine zauberhafte Erscheinung. Schlegel -hat ihrem Andenken einige vorzüglich schöne Trauergedichte -gewidmet. Diese liebliche Erscheinung gehörte ebenfalls -<a id="page-104" class="pagenum" title="104"></a> -zu der frohen, geistreichen Gesellschaft, von der ich neulich -in so starken Ausdrücken sprach, so wie die feine, geistreiche -Mutter dieser Auguste, eine höchst gebildete Frau, die jetzt -die Gattin Schellings ist. Diese Frau hatte ein so feines, -geübtes Ohr, daß Schlegel sie bei seinen Gedichten und -Uebersetzungen zu Rathe zog, und sie entschied fast immer, -wenn er zwischen drei oder vier verschiedenen Lesearten ungewiß -war, welche er als die wohllautendste oder passendste -wählen sollte. Diese Frau, so wie die Gattin Hubers und -noch wenige, gehörten ohne Zweifel zu den frühesten und -entschiedensten Bewunderern unsers Göthe; viele der künftigen -Literatoren werden es vielleicht nicht glauben wollen, wie -sehr edle und geistreiche Frauen in unserer deutschen Literatur -den Ausschlag gegeben haben. Als ich vor ungefähr -zehn Jahren Berlin wiedersah, war unter den vorzüglichsten -der dortigen Frauen Das längst ausgemacht, was Recensenten, -Dichter und Gelehrte nicht begreifen wollten, daß -Göthe unser größter Nationaldichter sei, ein Poet in wahrster -und höchster Bedeutung, und daß die großen Talente, -die mitunter selbst im Einzelnen etwas Größeres als er leisten -möchten, sich doch mit der Großheit und Vollendung -seines Wesens nicht messen dürften. Die Mutter Auguste’s -reisete vor drei Jahren hieher, um die Bäder zu brauchen, -und mußte ihre schöne, liebenswürdige Tochter hier begraben -sehen. -</p> - -<p> -Am Abend gelangten sie noch bis Neustadt an der Sale. -Die Formen der Berge waren hart und rauh, Alles schien -nördlich und unfreundlich. Die Freunde waren zu verdrossen, -um die Ruine, eine der ältesten, in der Nähe der Stadt -zu besteigen. -</p> - -<p> -Bei der Fortsetzung der Reise schalten sie am folgenden -kalten Morgen über die finstern, widerwärtigen Gestalten der -<a id="page-105" class="pagenum" title="105"></a> -Berge. Kurz vor Meiningen liegt die Ruine Henneberg zwischen -schönen Tannen. In Meiningen fragten sie nach Jean -Paul, der aber schon nach Franken gezogen. Durch schöne -Gegenden und Thäler fuhren sie nach Bad Liebenstein, dessen -romantische Lage sie wieder erfreute, und fanden hier ihren -Freund Carl von Hardenberg wieder, den ein jüngerer Bruder, -Anton, begleitet hatte. -</p> - -<p> -Die schöne Gegend wurde am folgenden Tage durchstreift, -die alte Burg, die kräftigen Wälder, die grottenartigen -Felsen besucht. Man speisete im Freien unter schönen -großen Bäumen, durch den Berg gegen Winde geschützt. -Am Nachmittage fuhr ein prächtiger Postzug mit vier schönen -Rappen vor, und die Freunde glaubten irgend einen -Prinzen ankommen zu sehen, als zu Walther’s Erstaunen -jener Freysing, den er vor zehn Jahren in Erlangen gekannt -hatte, aus dem Wagen springt, von seinen Bedienten unterstützt. -Sind Sie’s wirklich? fragte Walther, und der Fremde -eilte, den lange nicht Gesehenen zu umarmen. -</p> - -<p> -Nachdem man sich begrüßt hatte, gingen Walther und -Freysing zu einer einsamen Stelle, ziemlich weit vom Bade -entfernt. Es freut mich, fing Walther an, Sie so wohlhabend -und reich wiederzufinden; Sie müssen in glücklichen -Umständen leben. -</p> - -<p> -Glücklich? rief Freysing aus: Sie sehen den unglücklichsten -Kerl auf Erden vor sich! Reich? o ja, insofern ein -Spieler sich so nennen kann. Sie wissen um den sonderbaren -Zufall, daß ich damals in Nürnberg jene große Summe -gewann, durch welche ich alle meine Gläubiger befriedigen -konnte. Statt nach meiner Heimath zurückzukehren und eine -Bestimmung zu suchen, ging ich mit den dreihundert Goldstücken, -die mir noch übrig waren, nach einem großen Badeorte, -<a id="page-106" class="pagenum" title="106"></a> -Wo hoch gespielt wurde, und gewann wieder auf seltsame, -unerhörte Weise. Ich war in dem Zaubernetz gefangen, -daß ich nur Karten dachte und träumte. War die Nacht -schon weit vorgerückt und ich übermüdet und demnach fieberhaft -aufgereizt, so war es, als wenn ein Dämon meine Finger -in meiner Betäubung regiere, und ich, so stumpf ich -war, bestimmt wisse, welche Karte gewinnen müsse. Wer es -nicht selbst erlebt und diese quälende Lust an sich erfahren -hat, hat keinen Begriff davon, wie teuflisch wild, wie gräßlich -heiter das Leben eines Spielers ist. Ich war bald reich -genug, selbst Bank zu halten. So ist der grüne Tisch, Gold -und Karten meine Heimath, mein Ein und Alles, mir Frau -und Kind und Religion und Natur. Ich habe keinen Sinn -für irgend was. Wenn meine Gehülfen schon in der Nacht -kaum noch die Augen aufzwingen können, fluche ich über -mein verdammtes Geschäft, lege mich betäubt und krank nieder, -wandle umher, esse, und kann die Zeit nicht erwarten, -bis das Geklirr und Rauschen des Goldes auf dem grünen -Tische wieder anhebt. Ich stehe auf, um fünf- oder sechstausend -reicher, und es macht mir keine Freude; ich verliere -ebensoviel, und es ist mir ganz gleichgültig, und doch ist der -verfluchte Gewinn der Sporn, welcher mich stachelt. Wenn -ich reise, so kommt oft, wie ferne Erinnerung aus Wald und -Fels, ein edles Gefühl auf mich zu, eine Wehmuth ergreift -mich über mein zerstörtes Leben, und ich entlaufe dem Gefühl -im Pharo; oft schon dachte ich, ein schönes, liebes Mädchen -könne an meiner Seite mit mir meines Reichthums genießen; -aber plötzlich fallen mir die Fratzenbilder der Kartendamen -ein, und welche mir schon große Summen gewonnen, -und Leben und Schönheit erblaßt vor diesen Gespenstern. -Meine Eltern sind gestorben und ich habe sie nicht wiedergesehen. -Wenn ich einmal Alles verlieren sollte, so werde -<a id="page-107" class="pagenum" title="107"></a> -ich mir mit der größten Kaltblütigkeit eine Kugel durch mein -zerrüttetes Hirn jagen. -</p> - -<p> -Walther würde vielleicht von dem Wahnsinn und Elend -seines ehemaligen Freundes noch tiefer erschüttert worden -seyn, wenn er nicht stets nach der großen, wunderbaren Höhle -geblickt hätte, in deren Nähe sie wandelten, die jetzt verschlossen -war, und die morgen, am Sonntage, magisch erleuchtet werden -sollte, zu welcher Festlichkeit sich viele Menschen aus der -Umgegend, sowie aus Meiningen versammelten. In dieser -Menschenmasse hoffte er denn morgen auch seinen Feind, den -er so lange schon vergeblich verfolgt hatte, sowie die schöne -Maschinka, anzutreffen. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Der Sonntag, der 24. Julius, war erschienen. Ferdinand -begriff nicht, weshalb Walther so feierlich sei; dieser, -indem er jede Art von Unterhaltung vermied, schien auf -etwas gespannt, das sich im nächsten Augenblicke erklären -müsse. -</p> - -<p> -Ferdinand schien ebenso bewegt, und Wachtel beobachtete -die beiden Freunde, indem er zu sich selber sagte: Narren -sind beide, das ist gewiß, aber jeder nimmt einen aparten -Anlauf, um vollständig thöricht zu seyn. Der Ferdinand -bereitet sich auf die Höhlenerleuchtung vor, wie auf das Einweihungsfest -eines Rosenkreuzers, und der Walther, der weit -mehr Baron ist, wird, so bärbeißig er auch jetzt thut, die -Sache nachher als Lappalie behandeln. Kürzlich soll der -Pfarrer einmal in der Höhle gepredigt haben, kann seyn, -daß man nächstens ein Melodram, ein Banditenstück, oder -ein allegorisches, mit Erdgeistern drin spielt. -</p> - -<p> -Beim heitern Sonnenlicht ging man eine Stunde vor -Mittag in die große und von vielfachen Gängen durchschnittene -<a id="page-108" class="pagenum" title="108"></a> -Höhle, welche man erst seit einigen Jahren entdeckt -hatte. Schwebende Lampen erhellten von oben das Gewölbe, -versteckte Lichter, die unten und ungesehen brannten, erleuchteten -seltsam die Gänge, die bald höher, bald niedriger, bald -breiter oder enger sich durch die Räume zogen. Ferdinand -war bezaubert, Walther erstaunt und Wachtel geblendet. -Unglaublich viele Menschen waren in diesen unterirdischen -Räumen versammelt und wogten hin und her, redend, flüsternd, -lachend, allerhand Dinge erzählend, und andere wieder -lallend bewundernd, oder bei jeder Beugung des Ganges -staunende Ausrufungen ausstoßend. Wahrlich, sagte -Wachtel, wer sich hier ein Liebchen herbestellen könnte, Oheim, -oder Vater, oder Vormund zum Trotz, der hätte ein Rendezvous, -um nicht das dumme Stelldichein zu brauchen, allhier, -wie sonst in Europa kein zweites. Läuft nicht Alles -wie Feen und Geister so zwitschernd und flüsternd durcheinander? -Und bei der Geistercompagnie hört man nichts -Bestimmtes, man vernimmt nur wie unterirdische Chöre. -Man sieht nicht deutlich, sondern ist nur geblendet, bald ist -es finster, bald zu hell, und der Widerschein von den dunkeln -Felsengruppen mischt sich wie ein Traum in jedes Verständniß. -Meine alte Muhme, sowie meine häusliche liebe -Gattin könnten mir hier zur Helena oder einem thessalischen -Zauberbilde werden. Stoßen Sie mich nicht so sehr mit -dem Ellenbogen, mein Herr von Spuk; zwar in der Unterwelt -vergessen sich alle Höflichkeiten. -</p> - -<p> -Was der Freund hier im Gebiet der Phantasterei -schwadronirt, sagte Walther, doch horch — still — was ist -das? — -</p> - -<p> -Wundersame Musik von Waldhörnern klang herüber. -Ein Chor von blasenden Musikanten war oberhalb, ohne -daß man sie sehen konnte, in einer Felsennische aufgestellt. -<a id="page-109" class="pagenum" title="109"></a> -Immer wunderbarer! rief Walther aus. Mich schwindelt! -Und es war nicht unbegreiflich, da surrend, brummend, flüsternd -und halb leise sprechend so viele Gestalten vorübergingen, -sich begegnend, grüßend, andere geblendet und sich -nicht kennend. — -</p> - -<p> -Jetzt standen sie vor einem kleinen See. Ein Nachen -fuhr von jenseit herüber, und Ferdinand stieg hinein. Ein -anderer Fremder drängte sich hinzu, und Walther vernahm -von einer weiblichen Stimme den leisen Ausruf: Romeo! -</p> - -<p> -Walther machte die Bewegung, in den Kahn nachzusteigen, -als dieser schon abfuhr und sich in der Dämmerung -entfernte. Bei dem ungewissen Licht konnte er die Gestalten -nicht mehr unterscheiden; ja, er war selber ungewiß, ob sich -Ferdinand auch unter jenen Gestalten befunden, die im Dunkel -schon ganz verschwunden waren. Er wendete sich rückwärts, -um Wachtel wieder aufzusuchen, der sich ihm im -Getümmel verloren hatte, aber er konnte, so sehr er sich bestrebte, -Niemand genau erkennen, so blendeten die vielfach -zerstreuten und sich kreuzenden Lichter. Sinnverwirrend war -das Geflüster, und die hin und wieder fliehenden Worte und -Reden der Wandernden, die sich begegneten, kreuzten, suchten -und sich wieder verloren. Endlich sah er Wachteln und -bat diesen, bei ihm zu bleiben. Wachtel stellte sich neben -ihn, und da die Musik der Hörner jetzt wieder begann, so -kehrten sie um, um die wunderbare Harmonie näher zu hören. -Können Sie es begreifen, sagte Wachtel, daß unser -Ferdinand die Höhle und dieses magische Schauspiel, welches -doch recht eigentlich für ihn eingerichtet zu seyn scheint, schon -wieder verlassen hat? -</p> - -<p> -Wie? rief Walther, ich hätte schwören wollen, ich habe -ihn da hinten den finstern Kahn besteigen sehn, um die stygische -Flut zu überschiffen. -</p> - -<p> -<a id="page-110" class="pagenum" title="110"></a> -Nein, sagte Wachtel, er ist unlängst mir vorbeigelaufen, -um, wie er sagte, zur alten Burg hinaufzusteigen, weil ihn -dies Getümmel hier zu sehr betäube. -</p> - -<p> -Man wird thöricht und verwirrt, erwiederte Walther, -so wunderlich und romantisch das Ganze auch angeordnet ist. -</p> - -<p> -Jetzt ließen sich einige polnische Reden in der Nähe -vernehmen, und da Walther der Sprache kundig war, so -verstand er, daß zwei Männer ein Frauenzimmer suchten, -die mit einem Hauptmann in der Höhle spazieren wandle. -Jetzt war Walther überzeugt, diese wären Mitwissende und -könnten nur von der verlorenen Maschinka reden. Er hielt -sich in der Nähe dieser Fremden und verlor darüber seinen -Freund Wachtel wieder aus dem Gesichte. -</p> - -<p> -Die Polen wurden immer eifriger im Suchen, endlich -sagte der eine in seiner Sprache: ich fürchte nur, bei ihrer -großen Reizbarkeit und Nervenschwäche wird sie nach diesem -sonderbaren Tage wieder auf lange krank seyn. -</p> - -<p> -Doch, antwortete der Andere, übersteht sie oft Alles -besser, als man es fürchten muß, wenn sie ihre Imagination -nur beschäftigen kann, und diese findet doch hier des Spieles -genug. Nur ruhen muß sie nachher. -</p> - -<p> -Ein lauter Ausruf entstand, indem man sich vorwärts -bewegte, denn ein Kind war gefallen, welches einige Damen -liebkosend und tröstend aufhoben. Indem glaubte Walther -in der gedrängten Gruppe die Gestalt Ferdinands wieder -wahrzunehmen. Als er sich aus dem Gedränge freigemacht -hatte, waren, indem er umherblickte, die Polen seinem Auge -wieder entschwunden. Er eilte verwirrt nach einer andern -Richtung und jetzt glaubte er deutlich wahrzunehmen, daß -Ferdinand in einiger Entfernung vor ihm hergehe und ein -schön gewachsenes, reich gekleidetes Frauenzimmer am Arme -führe. Er suchte in ihre Nähe zu kommen, und indem er -<a id="page-111" class="pagenum" title="111"></a> -schon seinen Arm ausstreckte, um seinen Freund zu berühren, -rief die Stimme des Polen dicht hinter ihm: Maschinka! -Jetzt sah er, daß Derjenige, welcher die Dame führte, nicht -Ferdinand sei, aber seine Ahndung, hier Maschinka und ihren -Entführer endlich zu treffen, war doch in Erfüllung gegangen. -Er packte also den Fremden ziemlich unsanft am Arm -und rief: Hier habe ich Sie also doch, nach vielen Mühungen, -mit Ihrer Maschinka entdeckt! Indem war der Pole -mit einem Ausruf der Verwunderung ebenfalls näher gekommen, -und wie erstaunt und beschämt war Walther, als er -in dem Festgehaltenen seinen Reisegefährten Wachtel erkannte -und sich jetzt die Dame, eine hochbejahrte Frau, herumwendete. -Wie? mein Herr! fragte der Pole: Sie wagen es, -meine Schwester zu beleidigen? -</p> - -<p> -Keine Beleidigung, mein Herr, rief Walther, ich hielt -die Dame und diesen meinen Freund für ganz andere Wesen, -und bitte, mir meinen Irrthum und die Uebereilung zu -verzeihen. -</p> - -<p> -Die alte Dame faßte jetzt den Arm des Bruders, indem -sie sagte: Als ich Dich verloren hatte und ziemlich -ängstlich umherirrte, war dieser Herr so gütig, sich meiner -anzunehmen. Der Pole dankte Wachteln mit artigen Worten -und dieser erwiederte lachend: Es ist Nichts natürlicher, -als daß man in diesem unterirdischen Reiche der Phantasterei -etwas confuse wird. -</p> - -<p> -Das Gedränge von Menschen, welches sich in dem engen -Raume aus Neugier versammelt hatte, lösete sich wieder auf, -und Walther eilte jetzt verdrossen und verstimmt aus der -Höhle und Wachtel folgte ihm, um ihm im Freien seine -Klagen vorzutragen. -</p> - -<p> -Mein Theuerster, fing er, als sie im Felde standen, an, -Sie haben mitunter sonderbare Launen, die man nicht begreift. -<a id="page-112" class="pagenum" title="112"></a> -Was haben Sie mit dem Namen Maschinka, daß -er Sie immer so außer sich versetzt? Sie haben mich so -stark in meinen Arm gezwickt, als wenn Sie ihn mir zerbrechen -wollten, und in Ihrem Tone, mit dem Sie sprachen, -lag etwas so Drohendes und Beleidigendes, daß ich vorher -recht böse auf Sie hätte werden mögen. -</p> - -<p> -Sie haben ja gehört, rief Walther unmuthig aus, daß -ich mich geirrt, daß ich Sie für wen ganz Andern nahm. -Eine gewisse Maschinka ist eine Bekannte von mir, eine junge -Dame, ein Frauenzimmer, das ich kenne, eine weitläufige -Anverwandte, die ich gerne wiedersehen möchte, und die sich -wahrscheinlich im Auslande befindet, ein wohlgebildetes Fräulein, -die wohl vielleicht schon verheirathet ist, — mit einem -Worte, eine Dame, die ich gerne wiedersehen möchte. -</p> - -<p> -Wachtel lachte laut auf und sagte dann: Ich danke für -dieses herzliche Vertrauen und diese offene Mittheilung. Er -lachte wieder, und Walther, dessen Verlegenheit sichtbar war, -bat ihn, wieder ernsthaft zu seyn und ihm zu vergeben, daß -er ihm nicht mehr sagen könne. Haben Sie die Gefälligkeit -für mich, fügte er dann hinzu, unserm Ferdinand von -dieser lächerlichen Scene nichts zu erzählen. Genug, daß -ich vor Ihnen und jenen Fremden beschämt und verlegen -gestanden habe, und daß Sie mich so von Herzen auslachten, -scheint mir Strafe genug. Versprechen Sie mir das, denn -ich bin in diesem Punkt vielleicht etwas zu empfindlich. -</p> - -<p> -Ich gebe Ihnen mein Wort, ihm kein Wort davon mitzutheilen, -antwortete Wachtel; aber auch gegen meinen Ferdinand -sind Sie seit einiger Zeit nicht mehr so herzlich, als -Sie es im Anfange unserer Pilgerschaft schienen. Wenn -Sie auch in den meisten Dingen anderer Meinung sind, so -sollten Sie doch sein Gutes und seine Freundschaft für Sie -anerkennen. -</p> - -<p> -<a id="page-113" class="pagenum" title="113"></a> -Daß wir die meisten Dinge der Welt aus einem verschiedenen -Standpunkte ansehen, erwiederte Walther, macht -mir ihn nur lieber, seine Schwärmerei und sein Hang zum -Aberglauben ist mir an ihm interessant; aber — um ganz -aufrichtig zu seyn — seit wir da oben auf dem Schlosse bei -Bamberg waren, in Glich, bin ich mißtrauisch gegen seinen -Charakter geworden. Wenn ich seine frommen Reden bedenke, -wenn ich höre, wie sentimental er von der Liebe spricht, -wie verschämt er in Gesellschaft roher Menschen thut, für -einen Mann fast tadelnswürdig jungfrauenhaft, und denke -dann daran, wie er uns entlief und wieder zu dem schönen -Mädchen nach dem einsamen Saale hinaufeilte, so halte ich -ihn für einen Lüstling, der zugleich heuchelt und den Tugendhaften -spielt. Mich wundert nur, daß jenes schöne Kind, -die Tochter des Försters, ihn sogleich erhören konnte, wie es -doch schien. Er erhält Briefe, die er verheimlicht, er weicht -uns oft aus und entfernt sich unter den nichtigsten Vorwänden; -hat er etwas Wichtiges zu verschweigen, so sollte er -mir dies wenigstens eingestehn; sind aber seine Heimlichkeiten -immer kleine unerlaubte Liebeshändel, so ist sein Charakter -nicht so beschaffen, daß ich ihn zum Freunde behalten -möchte. -</p> - -<p> -Mein Herr, sagte Wachtel mit einiger Feierlichkeit, sind -Sie etwa damals in Glich auf unsern Freund gar nicht -eifersüchtig gewesen? denn das schöne Mädchen schien Ihnen -auch zu gefallen. Was er liebt, wie er liebt, wie orthodox -oder heterodox, sentimental oder liberal er die Sache betreibt, -ob sein Herz nur Raum für einen Gegenstand hat, ob es -vielen zugleich Quartier geben kann, ob die eine seine Göttin -ist und andere nur Dienerinnen, oder Zerstreuerinnen -seiner Melancholie, über alles Dieses erlaube ich mir kein -Urtheil und keinen Richterspruch, wenn er mich nicht selbst -<a id="page-114" class="pagenum" title="114"></a> -in seine Geheimnisse einweiht. Aber er ist gut und edel, -darauf kenne ich ihn von Jugend auf. Geheimnißkrämerei -ist immer seine Liebhaberei gewesen. Und Sie sind ebenfalls -geheimnißvoll gegen ihn. Mir scheint, keiner weiß vom -Andern etwas Bedeutendes, Zufall und Laune haben Sie -vereinigt, aber das Leben, die Verhältnisse eines Jeden sind -dem Andern verborgen. Ich kenne Ferdinand seit lange und -bin vertraut mit seinem früheren Leben, aber was seit zehn -Jahren mit ihm geworden ist, liegt für mich auch ganz im -Dunkel. -</p> - -<p> -Walther reichte ihm die Hand und sagte: Sie haben -nicht Unrecht; ich hoffe, im Verlauf der Reise wird sich noch -die Gelegenheit finden, daß wir unsere Verhältnisse näher -kennen, dann sollen Sie erfahren, warum ich jetzt Ihnen so -wenig als Ferdinand von meinen Verbindungen und Absichten -etwas vertrauen kann. -</p> - -<p> -Beim Badehause fanden Sie Ferdinand lesend unter -den Bäumen, unter welchen die lange Mittagstafel schon bereitet -war. Ich konnte es in der Höhle, sagte er, nicht aushalten, -so beängstigte mich der Schimmer und der Dunst -der Lampen. Jetzt kamen die Gebrüder Hardenberg und -nach und nach versammelte sich die Tischgesellschaft. Der -Herzog von Meiningen speisete auch an der Table d’hote, -und der Anblick der Landleute, die sich versammelt hatten, -und neugierig oben vom Hügel zwischen den grünen Bäumen -auf ihren Fürsten und die Fremden herniederschauten, -alle diese fröhlichen Gesichter von Alt und Jung machten -einen sehr erfreulichen Anblick. -</p> - -<p> -Nach Tische ließ sich der Fürst durch Hardenberg, den -er schon längst persönlich kannte, dessen Freunde vorstellen. -Er sprach lange und freundlich mit ihnen, indem er ungesucht -vielfache Kenntnisse und eine echte Bildung zeigte. Er -<a id="page-115" class="pagenum" title="115"></a> -war schlank, hatte blondes, fast graues Haar, ein gealtertes -Gesicht, in welchem der Ausdruck des Ernstes und der Melancholie -vorherrschte, das sich aber schnell in Freundlichkeit -und schalkhaften Ausdruck verwandeln konnte. -</p> - -<p> -Es war eine mittelmäßige Schauspielertruppe, die zuweilen -in einem kleinen Saale ihre Vorstellungen gab. Heut -aber wurde in einem andern Local ein Puppenspiel mit großen -Marionetten aufgeführt; die übrigen Freunde interessirten -sich für diese Kinderei nicht, aber Ferdinand, der dergleichen -Seltsamkeit leidenschaftlich liebte, freute sich auf den -Genuß dieses Abends. -</p> - -<p> -Walther ging mit Hardenberg spazieren, Wachtel blieb -im Badehause und Ferdinand eilte dem Marionettentheater -zu. Er zahlte für den ersten Platz und drängte sich in den -übervollen Saal. Bauern, Bauermädchen, Bürger, Soldaten, -Offiziere, Alles war so fest ineinandergeschoben, daß sich -weder Hand noch Fuß regen konnte. Ferdinand wollte seinen -ersten Platz gewinnen und bat, ihm Raum dahin zu -gönnen, weil er meinte, er befände sich noch auf der letzten -und wohlfeilsten Stelle. Was ihm am empfindlichsten auffiel, -war, daß Tabaksdampf, der ihm verhaßt war, den ganzen -Saal anfüllte, denn Alles, bis auf die Bauernknechte, -rauchte aus größeren oder kleineren Pfeifenköpfen. Er hoffte, -da hier Alles noch stand, vorn zum Sitzen zu gelangen und -sich aus den stinkenden Wolken zu entfernen; vor ihm war -ein Mann im grünen Ueberrock, welchen er anstieß und höflich -sagte: Machen Sie mir gefälligst etwas Raum, denn -ich habe für den Ersten Platz bezahlt. — Ja, erwiederte der -Mann, der aus einem ungeheuern Meerschaumkopfe rauchte, -das, mein guter Freund, haben wir Alle, hier sind wir Alle -gleich, wie im Paradiese. Indem Ferdinand etwas näher -gekommen war, erkannte er in diesem Sprechenden den Fürsten. -<a id="page-116" class="pagenum" title="116"></a> -Gewiß war er also auf dem ersten und vornehmsten -Platze und genoß der Ehre, den Fürsten zu drängen und -von ihm geklemmt zu werden. Von der früheren Vorstellung -und dem feinen Hof- und wissenschaftlichen Gespräch war in -dieser Atmosphäre nicht mehr die Rede, ja es wäre lächerlich -gewesen, sich darauf zu beziehen, denn der Herr erschien -hier ganz verwandelt. Ihn störten nicht die plumpsten und -ungezogensten Späße seiner Umgebung, manche Militairs -trieben die Ausgelassenheit und den Scherz mit einigen -Bauerdirnen über jede Grenze, und diese Armen hatten -Mühe, aus dem Gedränge zu entkommen und das freie -Feld wieder zu gewinnen. Als schon manche von den Honoratioren -sich entfernt, der Fürst selbst nach einiger Zeit -die Bude verließ, so zögerte auch Ferdinand nicht länger, im -Wald und auf dem Berge wieder eine reinere Luft zu -athmen. -</p> - -<p> -Im Saale war Ball, in welchem Alle, die Theil nehmen -wollten, ohne Gene tanzten: Edelleute, Damen und -Handlungsdiener; auch die Herzogin von Hildburghausen war -unter den Tanzenden und gütig und herablassend mit Jedermann. -In einem andern Saale wurde gespielt, und hier -traf Walther seinen Freund Freysing in seinem glänzenden -Beruf. Die Bank, die dieser aufgelegt hatte, war sehr ansehnlich. -Walther sah nur zu, ohne mitzuspielen. Er fand -wieder, was ihn so oft entsetzt hatte, wenn er in den Spielsälen -stand, diese verzerrten Gesichter, die Habgier oder -Wuth und Verzweiflung ausdrückten, einige, die kalt und -gleichgültig scheinen wollten, waren todtenblaß, sie zwängten -den Zorn und die Angst in sich zurück. Freysing betrug -sich wie ein König, nur etwas zu stolz, weil bei seinen aufgethürmten -Goldhaufen ihm der Satz der Pointirenden wohl -zu unbedeutend scheinen mochte. -</p> - -<p> -<a id="page-117" class="pagenum" title="117"></a> -Walther hatte seit lange einen Mann beobachtet, welcher -schon viele Goldstücke verloren hatte und dem der kalte Todesschweiß -über das bleiche Antlitz in großen Tropfen rann. -Er verließ oft ingrimmig und wie verzweifelnd den Saal, -ging draußen mit sich ringend auf und ab und kam dann -nach einiger Zeit zurück, nachdem er von Neuem Geld von -seinem Zimmer geholt hatte, welches er dann eben so schnell, -wie die vorigen Friedrichsd’or verlor. Er spielte so leidenschaftlich -und wild, daß er durchaus nicht die gehörige Aufmerksamkeit -auf sein Spiel haben konnte. Freysing beobachtete -ihn sehr aufmerksam von seinem Sitze und schien nur -ungern die Goldstücke des Armen einzuziehen. Im Nebenzimmer -erkundigte sich Walther bei einem freundlichen Manne, -wer dieser tollkühne Spieler sei, und erfuhr, er sei ein Geschäftsmann -aus Meiningen, der mit Frau und einigen -Kindern von einem mäßigen Gehalt leben müsse. Er habe -sich wohl verleiten lassen, seine Umstände verbessern zu wollen, -der Verlust setze ihn in Angst, und er suche, was er -verloren wie mit Gewalt wiederzugewinnen. Diese Leidenschaft, -sagte der Erzählende, in welche die Pointeurs immerdar -gerathen, ist eigentlich das sicherste Capital der Bank. -Der arme Mann, der ansehnlich verloren hat, wird nun -Schulden machen müssen, er verliert seinen Namen, seine -Familie darbt und er endet vielleicht in Verzweiflung. -</p> - -<p> -Als Walther in den Spielsaal zurückging, kam ihm dieser -Herr Anders mit verzerrten Mienen der Todesverzweiflung -entgegen. Er lief eilig aus dem Hause und schien keinen -der Anwesenden zu bemerken, die ihm mitleidig oder auch -wohl mit Hohn und Schadenfreude nachsahen. -</p> - -<p> -Er kam nicht wieder, und Walther war überzeugt, er -habe Alles verloren. So verging eine geraume Zeit, neue -Spieler kamen, geplünderte entfernten sich, doch vermehrte -<a id="page-118" class="pagenum" title="118"></a> -sich die Anzahl um den Spieltisch. Da trat jener Anders -wieder taumelnd herein, er schwankte umher und sein bleiches -Angesicht schaute den Spielenden mit gläsernen Augen -über die Schultern. Er biß sich auf die Lippen, als er -einige Pointeurs bedeutende Summen gewinnen sah. Plötzlich -machte er sich Platz und schob den einen Zuschauer mit Ungestüm -zurück, indem er sich neben den erschreckten Walther -eilig hinstellte. Er griff hastig nach einer Karte und, ohne -sie fast zu betrachten, besetzte er sie mit einigen Goldstücken. -Die bleichen Lippen zitterten ihm, und sowie die Karte verlor, -zuckte es wie ein Blitz über sein Antlitz hin. Er schob -mit krampfhaftem Zittern die Goldstücke dem Bankier hin, -und dieser, ihm einen scharfen Blick zuwerfend, schleuderte -sie wieder nach des Spielers Platz, indem er kalt sagte: -Führen Sie so die Nymphen auf der Gasse mit solchem -Golde ab. Es war eine Todtenstille im Saale, Walther -fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Der Hausvater, der Geschäftsmann, -die unauslöschliche Beschimpfung des Aermsten, -seine wahrscheinliche Verzweiflung, Alles dies ergriff ihn mit -ungeheurer Gewalt. Ein Moment, in welchem er vernichtet -war, aber schnell ermannte er sich und rief mit festem -Tone dem Bankier zu: Herr Bankier, Sie thun meinem -Freunde, dem Herrn neben mir, sehr Unrecht; ich habe ihm -aus Versehen die Spielmarken statt der Goldstücke eingehändigt, -weil ich sie bei mir trug, ich bin mit ihm Moitié, und -so zahle ich den Verlust. Sie werden nicht glauben, daß -ein solcher Irrthum ein vorsätzlicher war, da Sie mich persönlich -kennen. -</p> - -<p> -Freysing erhob sich von seinem Sitze, bückte sich sehr -tief und sagte, da er die Absicht seines Bekannten sogleich -durchschaute: Mein Herr Baron, ich bitte Sie und den -Herrn, mit welchem Sie gemeinschaftlich spielen, hiemit um -<a id="page-119" class="pagenum" title="119"></a> -Vergebung. Ich war im Unrecht, die geehrten Herren mögen -von der Güte seyn, meine Uebereilung, die ungeziemlich -war, zu vergessen. -</p> - -<p> -Walther hatte mit einem stummen Druck den beängstigten -Anders neben sich auf einen Stuhl niedergezogen. Er -spielte jetzt und gewann binnen Kurzem eine ansehnliche -Summe, der Haufen Goldes, welcher vor ihm lag, wuchs -mit jeder Minute. Als dreihundert oder mehr Goldstücke -gewonnen waren, stand er auf und sagte höflich: Jetzt, Herr -Anders, haben Sie die Güte, mir zu folgen, daß wir uns -berechnen können. -</p> - -<p> -Er führte den Zitternden und Erstaunten auf sein Zimmer -und händigte ihm hier die ganze Summe ein, indem -er sagte: Hier, Sie Armer, Bethörter, empfangen Sie, was -ich in Ihrem Namen gewann, es ist, so viel ich habe beobachten -können, um ein Beträchtliches mehr, als Ihr Verlust. -Richten Sie sich ein, spielen Sie nicht wieder, Sie sehen, -wie unglücklich man werden kann. -</p> - -<p> -Mein Wohlthäter, sagte der Zerknirschte stammelnd, -was Sie mir geben, ist mehr als das Vierfache meines Verlustes. -Es giebt Thaten, für die jeder Dank zu klein ist. -Sie retten meine Familie, meine Ehre, mein Leben, denn -ich mußte mich nach dieser Beschimpfung ermorden, wie ich -auch beschlossen hatte, wenn ich verlor. -</p> - -<p> -Mit Thränen entfernte sich der Beglückte und Walther -begleitete ihn vor das Haus. Wachtel, der im Alkoven Alles -angehört hatte, sagte für sich: Das ist bei alle dem ein -kreuzbraver Kerl, dieser Walther! -</p> - -<p> -Walther ging in den Spielsaal und sagte in einer Pause -heimlich zu Freysing: Ich hätte Sie für großmüthiger gehalten, -warum einen solchen Elenden vernichten? -</p> - -<p> -Ich sollte es wohl seyn, erwiederte Jener, der Aerger -<a id="page-120" class="pagenum" title="120"></a> -übereilte mich. Sie haben mir aber eine hübsche Lection -gegeben, an welche ich bei einem ähnlichen Falle denken -werde. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -In Gesellschaft Hardenberg’s und dessen Bruders, sowie -der Verwandten, die sich in Liebenstein zusammengefunden -hatten, oder die in der Nähe wohnten, ging die Zeit -gar anmuthig hin. Man erzählte viel charakteristische Züge -von den sonderbaren Launen des trefflichen Fürsten; dabei -aber verkannte man nicht, was er für die gute Einrichtung -dieses Bades, vorzüglich aber für die Wohlfahrt seines Ländchens -gethan hatte. -</p> - -<p> -An der heitern Mittagstafel, als die Freunde unter sich -und keine Damen zugegen waren, sagte Wachtel: Ich bin -Euch noch schuldig, meine Freunde, wie ich gestern Nachmittag -meine Zeit hingebracht habe, zu berichten. Ich -mochte das Puppentheater so wenig wie den glänzenden -Ball besuchen, aber ich hatte erfahren, daß der berühmte -Oberforstmeister Cramer von Meiningen hieher in das Bad, -aber nur für diesen Sonntag gekommen sei. Wie Ferrara -seinen Ariost und Tasso, Florenz seinen Dante, Leipzig -seinen Gottsched, Anspach seinen Utz und Weimar seinen -Göthe hat, so besitzt seit lange schon Meiningen seinen -Cramer. Ich sah den Mann, er ist groß, ziemlich corpulent, -und sein Gesicht eins von denen, die das Glück und -die Auszeichnung haben, gar keinen Ausdruck zu besitzen. -Diese sogenannte Gutmüthigkeit oder Bonhommie, wie man -dergleichen nennt, welche nur die trivialste Alltäglichkeit ist, -lockt jeden noch so simpeln Dummkopf herbei, um sich ohne -Aengstlichkeit in der Gegenwart eines solchen harmlosen -Autors ganz seiner Einfalt zu überlassen und den berüchtigten -<a id="page-121" class="pagenum" title="121"></a> -Vetter Michel für den Vorsteher der Grazien zu halten. -Glücklicher Weise habe ich in früheren Jahren, weil ich ein -unnützer Bengel war, die meisten Romane dieses Cramer, -vom Erasmus Schleicher bis zum Paul Ysop, gelesen. Ich -sah neben ihm einen Halbbekannten und benutzte dies, um -mich dem genialen Deutschen vorstellen zu lassen. Wir setzten -uns dann dorthin, vor dem Badehause, dem Geländer -nahe, den Blick auf die Landstraße gerichtet. Der große -Mann hatte kein Arg daraus, ob ich ihn auch für den Autor -erkannte, für den ihn die Abonnenten der Leihbibliotheken -eine Zeitlang hielten. Ein schmaler, schwindsüchtiger Medicus -sagte: O Bruder Cramer, erinnerst Du Dich noch unseres -verewigten Freundes auf der Universität, des seligen -Lange, mit dem wir so manchen seligen Abend durchschwärmt -haben? -</p> - -<p> -Wohl, sagte Cramer, indem er sein Glas erhob und -der große Mund lächelnd durch die Nähte der Pockennarben -brach: das war ein großer Mensch! Himmel, wie idealisch -konnte er beim Sonnenaufgang oder in den Frühlingsmonaten -gestimmt seyn! Es war eine Wonne, mit der kräftigen -Menschheit des Kerls zu harmoniren. Viele von Klopstocks -Oden wußte er ganz auswendig; wenn er sie deklamirte, zitterte -er vor Entzücken, wie ein eingefangenes Rothkehlchen. -Wir nannten ihn nur Selmar, — und das arme Vieh hat -nachher so miserabel crepiren müssen! -</p> - -<p> -Wie so? fragten die Freunde, indem sie die Weingläser -niedersetzten. -</p> - -<p> -Weil der Schwernothshund, sagte der Autor mit edelm -Ingrimm, es nicht lassen konnte, sich trotz seines Aufschwungs -mit liederlichen Menschern einzulassen. Das war nun einmal -seine schwache Seite. Petrarch und Laukhard, oder ein -Anderer der Zunft, Bahrdt, oder wer es sei, war er in -<a id="page-122" class="pagenum" title="122"></a> -demselben Augenblick. O seine zarte, himmlische Jenny! -was das hohe Wesen über diese zu weit getriebene Vielseitigkeit -des hochgestimmten Schwärmers gelitten hat! Die Creatur -war doch wirklich so, als wenn ein himmlischer Engel -in dieses Erdenleben herabgestiegen wäre, um uns eine Darstellung -der hohen Flüge eines Plato im sterblichen Abbild -zu geben. Mehr als Sophronia und Clorinde des Tasso, -höher als Werthers Lotte, oder die Sophie des Fielding war -sie so einzig, daß die Brutalität selbst in ihrer Nähe zur -Tugend wurde. Tausendschwernoth noch einmal! Wenn sie -so mit ihrem Inamorato dahinwalzte! Als den nun, wie -Ihr wißt, Freunde, an der schlechten Krankheit der Teufel -so rein weggeholt hatte, so gab sie endlich den Bitten des -dünnbeinigen Assessors Gehör und verheirathete sich mit der -verfluchten Massette. Sie hatte aber schon von ihrer ersten -Liebe ein Kind gehabt, das sie heimlich erziehen ließ. Der -Junge bekam nachher das böse Wesen und verreckte im Hospital. -Die himmlische Laura ergab sich dem Branntwein und -es war, wegen des Athems, in den letzten Jahren nicht -mehr bei ihr auszuhalten. So verwelken die edelsten Blüten -des Lebens. -</p> - -<p> -Und Alfonso, fragte der Schmächtige, jener aufgeklärte -Theologe, er hieß eigentlich Wackelbein, — was ist aus dem -geworden? -</p> - -<p> -Im Narrenhause, sagte Cramer, hat er an der Kette -verendet. Er war zu genialisch, und wollte immer Werther -und Guelfo in den Zwillingen von Klinger zugleich seyn. -Als er in der Stadt lebte und der Superintendent ihn zum -Adjunctus in sein Haus nahm, hatte er seine höchste genialische -Zeit. Was er damals schrieb oder sagte, war classisch. -Er selbst aber immer besoffen. Das Schwärmen hätte ihn -aber doch nicht so sehr daran gehindert, daß der große Geist -<a id="page-123" class="pagenum" title="123"></a> -wäre in eine gute Stelle gesetzt worden; — aber, wie nun -sein schönstes Buch sollte gedruckt werden (eine Nachahmung -meines Erasmus, wo er zugleich den Bambino Klingers -hineingebracht hatte), kam es heraus, daß die Köchin im -Hause von ihm schwanger und die Kirchenkasse bestohlen, ja -eigentlich ganz weggeraubt sei. Von beiden war er der -Thäter, und er konnte es nicht leugnen; schon täglich besoffen, -wurde er vom Kummer verrückt und fuhr so dahin. — -So habe ich so manche echte Genies, die die Zierde unseres -Vaterlandes werden konnten, zum Teufel fahren sehen. Ich -habe mich gehalten, so viel ich auch erlebt, so viel ich auch -erduldet habe. Der Dienst der Musen ist kein leichter. Mit -dem Teufel ist nicht zu spaßen. -</p> - -<p> -Ferdinand erzählte, wie schlimm es ihm in dem Marionettenspiel -gegangen sei, worauf Walther sagte: Sie haben -also, meine Freunde, einmal recht die deutscheste Deutschheit -verkostet. Sonderbar, daß es noch immer viele Gegenden -und Gesellschaften giebt, wo ein solcher Ton für das Herzliche -und Biedere gilt. Bei diesen steht dann Grazie und -Urbanität als Heuchelei und Affektation im schlimmsten Verruf. -Aus den Büchern, in welchen der hiesige Ariost die -Sitten edler und treuherziger Männer geschildert hat, bildeten -sich früherhin manche Studenten auf der Universität, -und aus diesen Reminiscenzen schrieben Manche wieder in -späteren Jahren Bücher in demselben Ton. Diese rohe -Manier verliert sich jetzt mehr und mehr bei unsern Landsleuten. -</p> - -<p> -Ich zweifle, fuhr Ferdinand fort, daß der Gebildete in -irgend einem andern Lande an dieser vorgeblichen Herzlichkeit, -Biedertreue und Ungeschlachtheit zu leiden hat. Dies Marionettenspiel -selbst war eben so schlecht, daß, wer nach diesem -meine Vorliebe für diese groteske Unterhaltung beurtheilen -<a id="page-124" class="pagenum" title="124"></a> -wollte, mir sehr Unrecht thäte. Es werden jetzt ungefähr -zehn Jahre seyn, als ich auf einer Reise durch den Harz -in Quedlinburg dieses wunderliche Drama zuerst entdeckte. -Ich kann es wohl eine Entdeckung nennen, denn es wich -völlig von jenem Zeitvertreib der gebräuchlichen Puppenspiele -ab, und dieses, wie jene gewöhnlichen dienten nur dem -Volke zur Aufheiterung, und der Gebildete wendete sich mit -Verhöhnung ab. Diese Figuren, die ich jetzt kennen lernte, -waren ziemlich groß und wurden sehr geschickt durch eine -künstliche Wage und Gewichte regiert, die die Glieder in -Bewegung setzten, indem die Fäden an den Fingern der -Dirigirenden hingen. Am künstlichsten aber war die Figur -des Lustigmachers oder des Casperle, wie er hier genannt -wurde. Nach einiger Zeit glaubte man ein wirkliches lebendes -Wesen zu sehn; man zweifelte nicht mehr an dem Mienenspiel -und er machte mich so lachen, wie ich es nur selten -im Leben vermocht habe. Ich erkannte hieraus, wie die -Maske, wenn ein gutes Gedicht nur übrigens gut gespielt -würde, gewiß nicht die Täuschung stören oder aufheben könne. -Am meisten aber überraschten und interessirten mich die wunderbaren -Stücke, die gespielt wurden. Sie waren so <a id="corr-5"></a>originell, -so großartig erfunden und so kühn durchgeführt, daß -ich sie mit keinen andern bekannten vergleichen konnte. Der -Don Juan z. B., den sie darstellten, wich sehr von jenem -ab, der nach dem Moliere und den Italienern gearbeitet ist. -Nach einigen Jahren sah ich mit Erstaunen, daß er nach -dem eigentlichen Original des Spaniers Tirso de Molina -umgewandelt war. Von einem andern Stücke entdeckte ich -später, daß es ganz, aber so, wie dieses Marionettentheater -es brauchen konnte, nach einem höchst wunderbaren und religiösen -Schauspiel des Mira de Mescua gearbeitet sei. -Eine „heilige Dorothea“ folgte ziemlich genau der Tragödie, -<a id="page-125" class="pagenum" title="125"></a> -welche die Engländer Massinger und Decker über diesen -Gegenstand gedichtet haben. Ich wollte die Directoren der -hölzernen Truppe schon damals bereden, in Berlin ihre -Künste zu zeigen, was sie aber jetzt noch nicht wagten, sondern -erst sieben oder acht Jahre nachher den Versuch machten -und großen Beifall fanden, vorzüglich bei den Freunden -der ältern Poesie. Die Herren Dreher und Schütz (diese -waren die Dirigenten) erzählten mir, daß alle ihre Manuscripte -alt seien, daß sie noch viele besäßen, die sie aber -niemals darstellten, unter andern einen König Lear, der aber -mit dem weltbekannten Gedichte kaum eine Aehnlichkeit habe. -Ich wollte sie überreden, mir diese Gedichte zur Ansicht zu -vertrauen, was sie aber standhaft verweigerten, so wie sie -auch von dem Rath nichts wissen wollten, diese Sachen durch -den Druck bekannt zu machen. Sie glaubten, daß sie sich -ihre Aufführungen dadurch verderben möchten. Ich wußte, -daß zu Shakspeare’s Zeiten von einsichtigen Mechanikern -eine neue Art war erfunden worden, ziemlich große Marionetten -künstlich in Bewegung zu setzen. Die Spiele dieser -Puppen machten Aufsehen und fanden großen Beifall. Ben -Jonson spottet selbst einmal darüber, daß dieses hölzerne -Theaterspiel Mode sei und von Manchem dem der Komödien -vorgezogen werde. Man gab die Schauspiele, die die populärsten -waren, und gute Köpfe, die gerade nichts Besseres -zu thun hatten, arbeiteten für diese Bühne und nahmen die -besten Komödien berühmter Dichter, um sie für die Marionetten -abzukürzen und mit mehr Spaß und Tollheit auszustatten. -Die Marionetten zogen hierauf nach den Niederlanden, -und in Brüssel und Antwerpen, wo damals viele -spanische Komödien gespielt wurden, nahmen sie von diesen -die beliebtesten und wunderbarsten in ihr Repertoir auf. -Manchen, die ich damals und später in Berlin sah, habe ich -<a id="page-126" class="pagenum" title="126"></a> -noch nicht auf die Spur kommen können; sehr merkwürdig -war die Geschichte eines Königssohnes, der sich wahnsinnig -stellte, aber nichts mit Hamlet gemein hatte. Der verlorne -Sohn ist nach einem alten englischen Schauspiel, und jener -landkundige Faust, der unserm großen Dichter in seiner Jugend -wohl zuerst den Anstoß zum wunderbarsten seiner Werke -gab, ist im Wesentlichen dem Faust des Marlow nachgebildet. -Man kann dem Barocken und toll Poetischen nur -mit einer gewissen Leidenschaft sich hingeben, eine ruhige -kritische Billigung ist unpassend und dem Gegenstande nicht -angemessen; und so gestehe ich gern, daß ich damals diese -mir noch neuen Spiele vielleicht überschätzte, aber auch jene -Menschen, die sich ganz davon abwendeten, nicht tadeln -konnte. — Hier aber war von jenem Poetischen, was mich -damals so sehr erfreute, auch keine Spur mehr. Die Marionetten -waren schlecht und spielten ungeschickt, der Text -war ganz modern, aus Kotzebue und einigen beliebten Opern -zusammengestoppelt, so daß mich weder Publikum noch Theater -auf lange fesseln konnte. Große, wunderbare Verhältnisse, -das Tolle, Phantastische und ganz Tragische paßt nur -für diese Volksbühne. -</p> - -<p> -Die Freunde genossen noch die schöne Gegend um Liebenstein, -alle diese reizenden Naturscenen, und nahmen dann -von Wald und Berg und den freundlichen Menschen, die sie -hatten kennen lernen, Abschied. Carl von Hardenberg begleitete -sie noch bis Eisenach. Der Weg geht queer durch -den Thüringer Wald, und reizend liegt das Jagdschloß -Wilhelmsthal mitten in einem schönen Walde. Die Buchen -hier und in der Umgegend sind von herrlichem Wuchs. -</p> - -<p> -In Eisenach besuchte man die Wartburg und erinnerte -sich des Gedichtes von Friedrich Schlegel. Der Deutsche, -bemerkte Ferdinand, hat immer noch seine eigenthümliche -<a id="page-127" class="pagenum" title="127"></a> -Freude an der Herrlichkeit der Wälder; vor diesen Ausblicken, -die uns entzücken, graut dem Italiäner und die übrigen Nationen -empfinden doch schwerlich jenes heilige Grauen oder -jene feierlich andächtige Stimmung, die uns in Waldgebirgen -oder im einsamen dunkeln Forst ergreift. -</p> - -<p> -Hardenberg kehrte nach Liebenstein zurück, und von -Altenburg schrieb Ferdinand an seine Freundin Charlotte -nach Berlin: -</p> - -<p class="date"> -Altenburg, den 1. August 1803. -</p> - -<p class="noindent"> -Kann man sich so ungewiß im Kreise drehen, wie ich -es nun seit mehreren Wochen gethan habe? Menschen betrachte -ich und lerne sie kennen, Frauen und Mädchen, Naturscenen -gehn an mir vorüber, und nichts ergreift und -durchdringt mich so, wie es sollte, weil eine Leidenschaft, -eine Unruhe, eine unselige Melancholie mich allenthalben -verfolgt. Ich habe die feste Hoffnung, möchte ich doch fast -sagen die sichere Aussicht, daß sich in wenigen Tagen dieser -Zustand ändern wird. Sie kennen mein Schicksal nicht, und -können es also auch nicht fassen, in welchem seltsamen Räthsel -ich mich umtreibe. -</p> - -<p> -Ich müßte mich sehr irren, oder mein Reisegefährte -Walther wird von einer ähnlichen Leidenschaft gequält, die -er mir verheimlicht, geflissentlich Alles umgeht, was auf eine -Spur führen oder eine vertrauliche Herzensergießung veranlassen -könnte. Dieser Mann, der anfangs so kalt und ruhig -schien, verliert immer mehr jene sichere Haltung, die den -Gleichgültigen nur sich anzueignen möglich ist. -</p> - -<p> -Zuweilen erscheint mir das Leben grauenvoll, wenn es -mir jene kalte, gleichgültige Seite aufdeckt, die die Herzlosen -für das wahre Antlitz, und Jugend, Empfindung und Liebe nur -für eine schöne Larve erklären. Als wir in Würzburg waren, -<a id="page-128" class="pagenum" title="128"></a> -erinnerte ich mich einer Begebenheit, die mich schon vor -Jahren manche Thräne gekostet hat. Ein junger Edelmann -lebte hier, reich, gesund und schön, und mit dem schönsten -Mädchen in der Stadt versprochen. Die Vermählung war -nahe, das Glück der Liebenden beneidenswerth, als der Geliebte -mit einem andern Offizier um eine unbedeutende Kleinigkeit -in Streit geräth und von dem rohen jungen Mann -so beschimpft und beleidigt wird, daß sich die Ehre des Gekränkten, -nach unsern Begriffen, nur durch ein Duell wiederherstellen -läßt. -</p> - -<p> -Sie treffen sich im Walde und der Liebende hat das -Unglück, seinen Gegner zu erstechen. Die Flucht ist unvermeidlich, -und die Anverwandten des Erschlagenen, angesehene -Familien, treiben es dahin, daß er mit gerichtlicher Strenge -verfolgt wird und in sein Vaterland nicht zurückkommen darf. -Er wagt es selbst nicht, unter seinem wahren Namen im -Auslande zu leben, er kann nur selten und auf Umwegen -schreiben und noch seltener kann er von seiner Familie oder -seiner Braut etwas erfahren. So vergehn einige Jahre. -Seine schlimmsten Feinde sterben indeß, die andern lassen -sich versöhnen, und mit vieler Mühe wird ihm die Gnade -des Fürstbischofs ausgewirkt, nachdem dieser überzeugt ist, -daß er zu jenem unseligen Duell ist gezwungen worden. Er -wirft sich, von frischer Jugend beseelt, in den Wagen, einige -Meilen vor Würzburg besteigt er ein rasches Pferd, um -noch früher in den Armen seiner Braut zu liegen. Schon -sieht er die altbekannte Stadt und begrüßt jubelnd ihre Tempel -und Paläste; sein Weg führt vor dem Kirchhofe vorbei, -ein großer Zug, Alt und Jung, bewegt sich aus der Stadt -dahin. Er fragt einen Vorübergehenden, wer die Leiche sei, -und erfährt, seine Braut wird beerdigt. Der lange Gram, -dann die Freude habe sie so geschwächt, daß ihr ermüdeter -<a id="page-129" class="pagenum" title="129"></a> -Körper dem Anfall eines Fiebers keine Lebenskraft mehr -entgegenstellen konnte. Betäubt, entsetzt, lebensüberdrüssig -kehrt er um, ohne seine Familie wiederzusehn. Er verläßt -die Landstraße, irrt in Wäldern umher und begiebt sich endlich -nach Erfurt, um hier im Orden der schweigsamen Karthäuser -das Ordenskleid zu nehmen. Nun arbeitet er im -Garten und an seinem Grabe, spricht mit Niemand und -antwortet seinen Brüdern wie den Fremden nur mit dem -trübseligen: <span class="antiqua">Memento mori!</span> — Wie oft war ich in Erfurt -in diesem einsam liegenden Kloster, sah die wandernden Brüder -an, oder in der Kirche bei ihrem stillen Gottesdienste, -und gedachte dieser Geschichte. Jetzt komme ich mit meinen -Reisegefährten wieder nach Erfurt. Die Klöster sind alle -aufgehoben und Mönche und Nonnen von ihren Gelübden -befreit. Ich finde den jungen Prinzen W. wieder, der hier -als preußischer Major in Garnison steht, und er bittet uns -bei sich zu Tische. Er spricht mir von diesem Mönch, den -er kennt, und sagt uns, er würde unser Tischgenosse seyn. -Als wir uns versammelt haben, tritt ein ältlicher Mann in -bürgerlicher Kleidung herein, der stattlich aussieht, dessen -Embonpoint aber schon an das Komische grenzt. Sein Gesicht -ist nicht unedel, aber ganz gewöhnlich, selbst unbedeutend, -und der Ausdruck seiner Physiognomie ist mehr jovial, -als ernst, oder tiefsinnig. Ich konnte mich bei diesem Anblick -einer gewissen Verstimmung nicht erwehren. Er erzählte -viel und mit großer Redseligkeit; es schien, als wollte er für -sein vieljähriges Schweigen sich nun endlich wieder an mannichfaltigen -und selbst überflüssigen Worten eine Güte thun. -Von seiner melancholischen Jugendgeschichte redete er nicht, -das wäre auch zu unangenehm gewesen; aber wohl setzte er -auseinander, wie die Diät des Klosters, selbst die strenge, -bei dem Mangel an Bewegung, den Körper anschwelle. Das -<a id="page-130" class="pagenum" title="130"></a> -Reiten, besonders das schnelle, wollte ihm noch nicht recht -zusagen, aber dennoch sprach er mit wahrem Entzücken von -den Exercitien der preußischen Cavallerie, die er zu Pferde -angesehn und gewissermaßen mitgemacht habe; der Soldat, -so fügte er hinzu, sei wieder mit allen Kräften in ihm aufgewacht, -und wenn er nicht zu alt geworden sei, würde er -sich mit Enthusiasmus diesem Stande widmen. Jetzt sei er -entschlossen, die wenigen Jahre seines Lebens hier in Erfurt, -mit seinen militärischen Freunden, deren er manche habe, zu -verbringen und von seiner kleinen Pension zu leben. Seine -Familie sei ausgestorben, Verwandte habe oder kenne er -nicht, und die etwanigen Erben seines kleinen väterlichen Vermögens -wolle er nicht in Verlegenheit setzen, daß sie den -Argwohn faßten, er könne auf irgend etwas Ansprüche -machen. — -</p> - -<p> -Es ist verdrüßlich, wenn die mächtigsten Leidenschaften -und wahrhaft tragische Begebenheiten nicht mehr Spur im -Menschen zurücklassen. Und doch erscheine ich mir wieder in -diesen Gefühlen unbillig und lieblos, weil ich nicht wissen -kann, was der Arme gelitten hat, und mit welcher Scheu -und Vorsicht er wohl immerdar vor dem Grabe seiner Jugend -vorübergeht. Sollte er seinen Schmerz und seine Erfahrung -einer gewöhnlichen frohen Tischgesellschaft mittheilen -und das Edelste seines Lebens entweihen? -</p> - -<p> -In Weimar war mir der Park, Göthe’s Haus, alle -Umgebung, wie heilig. Im Garten, der allenthalben so -lieblich und edel die dort dürftige Natur verschönert und -verdeckt, muß man bei jedem Schritte unsers Dichters gedenken. -Er war nicht zugegen, aber den Herzog trafen wir, -als wir das Schloß besichtigten. Der edle, geistreiche Fürst -sprach lange mit uns über verschiedenartige Gegenstände. -Das Schloß ist von dem Baumeister Genz, dem Bruder des -<a id="page-131" class="pagenum" title="131"></a> -politischen Schriftstellers, vortrefflich eingerichtet; Alles hier -ist mit Sinn angeordnet, und der große Saal, für Feierlichkeiten -bestimmt, erfreut besonders. Es war nicht leicht, -aus Dem, was der große Brand von dem Gebäude hatte -stehn lassen, diese zierliche und großartige Einrichtung herauszubringen. -Von Friedrich Tieck sieht man schöne Basreliefs -und Figuren, zwar nur in Gips, aber so gut ersonnen und -ausgeführt, daß sie dem edeln Hause zum Schmuck gereichen. -</p> - -<p> -Von Weimar begleitete uns ein junger Dichter, Thorbeck, -dessen sich Göthe und Schiller freundlichst angenommen -hatten. Er rezitirte uns im Wagen einige seiner Gedichte, -in welchen ich nur zu sehr die Manier unsers Schiller -wiederfand. Die Verse schienen mir für einen Anfänger -fast zu gut. -</p> - -<p> -In Jena führte uns Wachtel zur Fromann’schen Familie, -die ich früher schon gekannt hatte. Den geistreichen -Naturforscher Ritter fand ich hier, so wie Clemens Brentano. -Von Beiden, die ohne Zweifel große Talente entwickeln -können, muß man wünschen, daß sie sich nicht von -einer falschen Genialität blenden lassen. Eine bewußtvolle -Originalität ist keine; auch kann man dem jungen Dichter -wohl allenthalben in seinen Versuchen, wo er recht neu und -<a id="corr-6"></a>seltsam zu seyn glaubt, die Stellen nachweisen, die er nur -nachgeahmt hat. — -</p> - -<p> -Wann werde ich Sie wiedersehn? Unter welchen Umständen? -Wo? -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Von Altenburg begaben sich die Freunde nach Chemnitz. -Walther schien völlig verstimmt, und als sie im Gasthofe -abgestiegen waren, verschloß er sich in seinem Zimmer und -<a id="page-132" class="pagenum" title="132"></a> -ließ sich mit einer Unpäßlichkeit entschuldigen, die ihn verhindere, -zum Abendessen zu kommen. Wachtel, der wohlgemuth -war, ließ ihn gewähren und sagte nur zu Ferdinand: -unser Moralist fängt an, etwas langweilig zu werden, und -weil es ihm nicht so recht gelingen will, so wirft er sich in -das verdrüßliche Fach; denn glaube mir, Freund, wer was -Rechtes in der Langeweile leisten will, der muß schon früh, -in der Jugend dazu thun, die Erziehung kann eigentlich nur -den besten Grund dazu legen, und wenn das Genie freilich -angeboren ist, so thun doch Ausbildung, Kunst, Uebung und -tüchtige Vorbilder auch das Ihrige. Auf dem halben Wege -stehen bleiben, wie es unserm lieben Walther begegnen kann, -ist das Kläglichste. Ich habe Männer in dem Fache gekannt, -die eigentlich von der Natur die herrlichste Anlage hatten, -unausstehlich langweilig zu seyn; aber sie hatten das Unglück -gehabt, eine Zeitlang unter die Geistreichen zu gerathen, und -der Zunftgeist dieser Menschen hatte sich ihnen einigermaßen -mitgetheilt, um sie zu ruiniren. Sie hatten die Gabe, -Anekdoten ohne Salz und ohne Spitze breit, mit Parenthesen, -sich wiederholend und sich widersprechend mit der -größten Verwirrung vorzutragen, und zwar solche Geschichten, -die jedes Kind schon weiß; aber demungeachtet waren -ihnen, wie Fliegen in alten Spinnweben, einige gute Einfälle -und Gedanken hängen geblieben, die demnach, wenn -auch schlecht vorgetragen, das Kunstwerk ihres miserablen -Vortrages hinderten, ein Vollendetes zu werden. Der rechte -Virtuose müßte es dahin bringen können, einen heftigen, -ungeduldigen und dabei verständigen Menschen geradezu umzubringen. -Kann das durch Schreck geschehn, sind Menschen -am Lachen oder an der Freude verschieden, so wäre es wohl -der Mühe werth, einmal einen Künstler heranzubilden, den -ein eifersüchtiger Fürst oder Minister nur auf diesen und -<a id="page-133" class="pagenum" title="133"></a> -jenen Verdächtigen oder Verhaßten loszulassen brauchte, um -dem guten Kopf, welcher sich dem Wohl des Vaterlandes -nicht fügen will, den Garaus zu machen. Was unsre löblichen -Kanzelredner leisten, was Theater- oder religiöse und -moralische Dichter thun, die Familiengemälde, viele Romanciers, -das ist alles nur Bagatell. Bis zum Uebelwerden, -selbst Erbrechen können es Gutmeinende bringen; was ist das -aber gegen die Wirkung der Leidenschaften, der Elemente -oder des Krieges? Wie oft hat man Gefangene, denen man -übel wollte, molestirt und torquirt, Grausamkeiten mit spitzfindigem -Grübeln ersonnen, — bildeten Staaten und Schulen -aber mehr jene wahrhaften Langweiligen aus, von denen das -Ideal meiner regen Phantasie vorschwebt, so könnte das Unerhörte -geleistet werden. -</p> - -<p> -Hüte Dich nur, sagte Ferdinand lächelnd, nicht selbst -ein Pfuscher in diesem Handwerke zu werden. Es steht -keinem an der Stirne geschrieben, wie er einst im Alter -endigen werde. -</p> - -<p> -Am folgenden Morgen trat Walther mit einer gewissen -Feierlichkeit bei den Freunden zum Frühstück ein. Ich habe -eine schlechte Nacht gehabt, begann er dann, weil ich mich -schäme, Euch etwas vorzutragen, das ich Euch doch mittheilen -muß. Wir sind hier in einer kleinen Stadt, die nicht -ohne Anmuth ist, aber wir würden doch nicht eben Ursach -haben, lange hier zu verweilen, da wir so mancher viel -merkwürdigern nur einige Stunden geschenkt haben, — und -doch begreife ich noch nicht, wie wir sobald von hier wegkommen -wollen. -</p> - -<p> -Wie käme denn das? rief Wachtel aus. Welcher Zauber -sollte uns denn hier bannen können? -</p> - -<p> -Der die ganze Welt bannt und fesselt, antwortete Walther. -Ich habe die Reisekasse geführt und mich mit Euch -<a id="page-134" class="pagenum" title="134"></a> -berechnet, in Meiningen gabt Ihr mir, was Ihr noch bei -Euch trugt, und es war mehr als reichlich, um nach Dresden, -Berlin, Hamburg oder wohin wir noch streben mochten, -zu gelangen. In Liebenstein spielte ich und gewann für -einen Unglücklichen, der ohne meine Dazwischenkunft verloren -war — -</p> - -<p> -Sie haben sich herrlich gegen ihn benommen, rief Wachtel -aus, und ich hörte auch noch die vortrefflichen Ermahnungen, -die Sie dem Spieler gaben. -</p> - -<p> -Ich hätte sie selber nur zu gut brauchen können, antwortete -Walther. Seit vielen Jahren hatte ich nicht gespielt, -nun ging es mir wie dem gezähmten Löwen, wenn er wieder -einmal Blut kostet. Unmittelbar nach jenen moralischen -Reden begab ich mich wieder an den Spieltisch und verlor, -bis auf eine Kleinigkeit, Alles, was mir gehörte, und auch -Euer Eigenthum. Ihr werdet bemerkt haben, wie knapp -und ängstlich ich seitdem auf der Reise war, weil ich hoffte, -mindestens bis Dresden auszureichen; gestern Abend gab ich -unserm Fuhrmann als Trinkgeld das Letzte. Wir Alle führen -keine Creditbriefe mit uns, weil die baare Summe -übergenug war; so stehe ich denn hier, beschämt wie ein -Schulknabe, vor Euch, und begreife jetzt selbst nicht, wie der -Aberwitz mich ergriff, unser Vermögen zu verschleudern. In -Dresden, so hoffe ich, können wir uns wieder helfen; aber -wie die wenigen Meilen dahin zurücklegen? Sollten wir uns -so beschimpfen, Uhren oder Ringe hier zu versetzen? Freysing -hat mich in Liebenstein tüchtig ausgelacht, daß ich ihm -solche Summe noch zugewendet habe. -</p> - -<p> -Am klügsten und kürzesten ist es, rief Wachtel aus, daß -ich mich so schnell als möglich nach Dresden hinstümpere, -dort habe ich Bekanntschaft und Credit, ich schicke alsbald -das Nöthige her, Ihr unterhaltet Euch indessen hier, so gut -<a id="page-135" class="pagenum" title="135"></a> -Ihr könnt, und wir treffen uns in Dresden wieder, wo -Sie dann, Freund Walther, sich wieder in Baarschaft setzen -können, um mir und Ferdinand Das wieder zu geben, was -Sie uns schuldig geworden sind. -</p> - -<p> -Als Walther das beschämende Geständniß überstanden -hatte, lachte er mit den Uebrigen recht herzlich über seine -Unbesonnenheit. Man ließ sogleich einen Fuhrmann der -Stadt kommen, und Wachtel bat sich aus, das Geschäft mit -diesem allein abzumachen. Der Mann kam und Wachtel -fragte ihn: ob er im Stande sei, ihn noch an diesem Tage -nach Dresden zu schaffen, ihn allein mit einem kleinen Gepäck. -Der Fuhrmann sah dem Fragenden ins Gesicht, -schaute dann an die Decke, hierauf zum Boden nieder, als -wenn die Beantwortung dieser Frage viel Nachdenken und -Grübeln erforderte. Es ginge zur Noth wohl, sagte er mit -langer Verzögerung, wir haben noch lange Tage, meine -Pferde sind gut, die Last nicht schwer. — Und wie viel verlangt -Ihr, Mann? — Ja, sagte jener, wenn nur die Ernte -nicht wäre, und das Vieh ist jetzt auch nicht so, wie späterhin, -und das Futter ist jetzt theuer; unter sechs Speciesthalern -kann ich es nicht thun. — Aber ich kann sogleich -abfahren? — Gefressen haben die Pferde, erwiederte der -Kutscher, also hat es keinen Anstand. — So macht Euch -fertig, Freund, ich setze mich gleich ein, Eure Forderung -ist nicht unbillig, auch verlange ich Euern Schaden nicht, -und verspreche Euch, wenn Ihr mich zeitig nach Dresden -hinschafft, sieben Species, außer Euerm Trinkgelde. So -kann ich Ihre Geschäfte, Herr Baron und Herr Graf (indem -er sich mit der höflichsten Verbeugung an seine Reisegefährten -wendete), gleich morgen früh besorgen, und wenn -Sie mir in einem oder zweien Tagen nachfolgen, so treffen -Sie Ihren ergebensten Diener im goldenen Engel. Nur -<a id="page-136" class="pagenum" title="136"></a> -eins noch, mein guter Fuhrmann, bedinge ich mir aus, daß -Ihr Chaussee und dergleichen Alles, auch was ich im Gasthofe -bedürfen möchte, auslegt, weil es mir unerträglich ist, -mich mit Zoll und Geleit und Kellnern und Wirthschaft einzulassen, -und daß Ihr mir morgen in Dresden Alles genau -und gewissenhaft berechnet. Und so geht denn, Freund, und -spannt an. -</p> - -<p> -Der Fuhrmann entfernte sich in Demuth und zufrieden, -und Wachtel sagte lachend: ich habe Dich, lieber Ferdinand, -zum Grafen erhöht, um seine Auslagen leichter zu erlangen. -Zum Glück geht die Reise nicht weit, es bedarf keiner großen -Summe, und ich bin in Dresden meiner Bekanntschaft -gewiß. -</p> - -<p> -So reisete Wachtel ab, indem er sich noch einmal, beim -Einsteigen, der Gewogenheit des Herrn Grafen und Barons -empfahl. Wir können nun rechnen, sagte Walther, wenigstens -noch zwei Tage in dieser kleinen Stadt bleiben zu müssen; -heut Abend kommt unser Wachtel in Dresden an, ein Tag -geht wenigstens hin, bis das Geld hieher kommt und vielleicht, -wenn er es nicht durch den Fuhrmann senden will, -währt es noch länger. Wir müssen also sehn, wie wir uns -hier ergötzen. -</p> - -<p> -Sie gingen aus, um die Stadt und Gegend näher -kennen zu lernen. Nach ihrem Spaziergange trafen sie auf -ein Haus, in welchem Bücher verliehen wurden, und Ferdinand -nahm einige, deren Titel ihn anlockten, mit nach dem -Gasthof. Sie blätterten in den Erzählungen, lasen abwechselnd -einiges laut, und warfen sie dann verdrüßlich hin. -Ist es nicht sonderbar, daß die Deutschen, welche so viel -schreiben, immer noch nicht lernen (wenige Autoren abgerechnet), -wie man eine Erzählung vortragen kann und soll? -Gelingt es auch hie und da Diesem und Jenem, uns ein -<a id="page-137" class="pagenum" title="137"></a> -Interesse abzugewinnen, so trägt er uns gleich darauf Dinge -vor, die nicht zur Sache gehören, die uns nichts angehn, -und verschweigt im Gegentheil, worauf wir neugierig sind. -So lernen es die wenigsten, sich der Form, selbst der leichtesten, -zu bemächtigen, und schwanken ungewiß und unsicher -hin und her, nirgend festen Fuß fassend, weitschweifig zur -Ermüdung, und doch, wie Cervantes sagt, das Beste im -Dintenfasse lassend. -</p> - -<p> -Wir können bemerken, erwiederte Ferdinand, daß das -Beste, was bei uns erscheint, indem es Mode wird, alsbald -zur Nachahmung dient und sich tausendfältig schwächer und -immer schwächer wiederholt; aber diese Scribenten, die ihr -Vorbild verwässern, studiren nicht dessen Tugenden, oder -machen sich klar, wodurch es vortrefflich ist, sondern sie bemächtigen -sich nur obenhin der Manier und hängen an den -Zufälligkeiten. Andre Modeschriftsteller ergreifen den rohen -Stoff, sprechen Gesinnungen aus, die gerade an der Tagesordnung -sind, heute Frivolität, morgen Pietismus, bald -Patriotismus, bald Rebellion, Haß gegen die Obrigkeit oder -süß frömmelnde Liebe, dann wieder Rohheit gemeiner Wachstuben, -die sie uns für Rittersinn verkaufen, oder Gespenstergrauen, -wenn nicht Familien der Landprediger sammt Liebe -und Sehnsucht, die sich schon in den Kindern entwickeln. -Es haftet und dauert von allen diesen schlechten Manieren -keine, aber eine jede läßt ihre schlimmen Folgen zurück. -So ist die Masse des Volkes, welches sich jetzt gern das -gebildetste in Europa nennen hört, in Ansehung seiner Modelectüre -ohne Zweifel das roheste von allen. -</p> - -<p> -Wie entzückt Denjenigen, welcher zu lesen versteht, fuhr -Walther fort, jede, auch die kleinste Novelle des Boccaz, -des feinen Cervantes gar nicht einmal zu erwähnen. Aber -<a id="page-138" class="pagenum" title="138"></a> -auch die ruhige Klarheit eines Sacchetti erfreut, und fast -jeder Italiener der früheren Zeit weiß die Sache, die er -mittheilen will, geschickt vorzutragen. Und so können uns -leicht und heiter aufgefaßte Geschichten ergötzen, die sonst -gar keinen Inhalt haben, und manches in dieser Art haben -die Franzosen auch sehr glücklich geleistet. -</p> - -<p> -Man sollte vielleicht aus unsrer komischen Geldnoth, -sagte Ferdinand, die uns hier zu bleiben zwingt, eine heitere -Novelle bilden können. Zwei Reisende treffen zum Beispiel -in einem Gasthofe von verschiedenen Gegenden her zusammen, -sie beleidigen sich, und doch zwingt sie die Noth, daß -einer sich dem andern eröffnet, um Hülfe von ihm zu begehren; -nun erfährt jeder vom andern, warum sie sich nicht -beistehn können, und wie jeder von ihnen in diese lächerliche -Verlegenheit gerathen ist. -</p> - -<p> -Recht, rief Walther aus, der eine kann, zum Beispiel, -ein Mädchen entführt haben, sie wartet auf ihn in einer -gewissen Entfernung, wohin sie ihn bestellt hat, und er -kann nun durchaus nicht zu ihr, weil es ihm am Gelde -mangelt. -</p> - -<p> -Nicht übel, sagte Ferdinand, doch geriethen wir da vielleicht -zu sehr in das Sentimentale. Könnten die beiden -Fremden nicht Verwandte seyn, aus verschiedenen Ländern, -die sich gegenseitig aufgesucht haben, und die jetzt ein läppischer -Zwist daran hindert, sich einander zu erkennen, da sie -unter erborgten Namen reisen? Es könnte so weit kommen, -daß sie sich forderten, daß man alle Mühe anwenden müßte, -um Diejenigen, die sich liebend seit lange suchen, vom mörderischen -Kampfe abzuhalten. -</p> - -<p> -Das würde mir darum nicht gefallen, sagte Walther -mit verdrüßlicher Miene, weil es an die Komödie der Irrungen -und an andre Geschichten, die auf ähnliche Art verwickelt -<a id="page-139" class="pagenum" title="139"></a> -sind, erinnert. Aber, fuhr er heitrer fort, bearbeiten -wir jeder auf unserm Zimmer heute und morgen, da wir -doch nichts anders zu thun haben, diesen Gegenstand und -lesen wir uns morgen Abend unsre Productionen vor. -</p> - -<p> -Es sei! rief Ferdinand mit Lebhaftigkeit aus, nur Schade, -daß wir keinen Schiedsrichter haben, der einem von uns den -Preis ertheilen möchte. -</p> - -<p> -Jeder begab sich auf sein Zimmer, und Ferdinand, um -sich zu zerstreuen, schrieb mit Laune und Heiterkeit, obgleich -er nicht unterlassen konnte, einige Umstände aus seiner eigenen -Geschichte einzuflechten. Die Aufgabe interessirte ihn -dadurch so sehr, daß er unvermerkt dieses und jenes der -Erzählung hinzufügte, was er um keinen Preis seinem -Freunde erzählt haben würde. Er meinte aber, so vermischt -mit der Erdichtung würde sich die Wahrheit als eine solche -nicht verkündigen. Walther gab seiner Erzählung einen -ernsteren Inhalt; aber sowie er fortfuhr, kam ungesucht die -Aufgabe in die Geschichte, die ihn selbst auf die Reise getrieben -hatte, nehmlich der Wunsch, einen Gegner, der, nach -seiner Meinung, Strafe verdiene, aufzufinden; nur machte -er aus diesem Gegner einen Nebenbuhler, damit sich die -Fabel mehr runden möchte. -</p> - -<p> -So waren die Freunde zwei Tage beschäftiget und kamen -sehr heiter und mit sich selbst zufrieden zum Abendessen -zusammen. Nachdem sie gesättigt waren, holten sie ihre -Manuscripte und Walther sagte: Sie, von welchem der Gedanke -unsrer Schriftstellerei ausging, müssen Ihre Novelle -auch zuerst vortragen, damit die meinige alsdann beschließen -könne, und morgen, nachdem wir geschlafen haben, soll -jeder des andern Versuch kritisch prüfen und scharf untersuchen. -</p> - -<p> -Ferdinand zog den Tisch, nachdem Alles entfernt war, -<a id="page-140" class="pagenum" title="140"></a> -an sich und fing an: <em>Der Taube von Benevent, Novelle</em>. -— Wie? rief Walther; ich muß mich sogleich als -Rezensent melden und Einspruch thun, denn dieser Titel -schon scheint mir gegen unsre Abrede zu seyn. Ich bildete -mir ein, die Scene müsse nach Deutschland verlegt werden, -und darum habe ich meine Erzählung genannt: <em>Der Weltentdecker -in Verlegenheit</em>. -</p> - -<p> -Auch sonderbar genug, sagte Ferdinand, hinter dem Titel -sollte kein Mensch die verabredete Aufgabe suchen. -</p> - -<p> -Doch, sagte Walther, ein Reisender, der schon die halbe -Welt durchstrichen ist, der immer etwas Neues sieht und -sucht, und sich nicht wenig damit weiß, für Alles Rath zu -schaffen und die Menschen zu kennen, muß, wie Sie sehn -werden, in dem elenden Wirthshause eines kleinen Städtchens -lange kleben bleiben, und verliert so die wichtigsten -Vortheile seiner Reise, ja gewissermaßen das Glück seines -Lebens. Doch ich störe Sie und halte Sie auf. -</p> - -<p> -Ferdinand begann: Es war nicht lange nach jenem berühmten -Erdbeben in Calabrien, welches so viele Orte zerstört -hatte, daß — — -</p> - -<p> -Hier entstand ein lautes Sprechen draußen, und ein -Klopfen an der Thür, und der Genius des Verfassers, oder -der Zufall wollte nicht, daß Ferdinand jetzt seine Erzählung -weiter vortragen sollte. Der Fuhrmann kam nehmlich zurück -und händigte den Freunden ein großes Paket ein. Der -Herr, sagte er, der gestern mit mir fortreisete, hat mir -gleich heut Morgen dieses vielfach versiegelte Schreiben eingehändigt -und mir auf meine Seele befohlen, gleich, gleich -zurückzueilen, und es ja noch heut Abend, wenn ich auch -spät ankommen sollte, in Ihre Hände zu überliefern. Und -da mich der wackre Herr sehr gut und über meine Erwartung -belohnt hat, so schien es mir eine Gewissenssache, seine Befehle -<a id="page-141" class="pagenum" title="141"></a> -prompt und schnell auszurichten. Ich habe daher auch -auf keine Retourgesellschaft gewartet, sondern mich eilig aufgemacht, -um nicht zu spät anzukommen. -</p> - -<p> -Walther beschied ihn auf morgen, wenn auch nicht sehr -zeitig, damit die Pferde ausruhen könnten, überzählte, als -sie allein waren, die Summe, welche Wachtel in Gold überschickt -hatte, und las alsdann den Brief des Freundes vor: -</p> - -<p> -Hiebei das Nöthige, gleich durch den Kutscher, weil die -Post es sechsunddreißig Stunden später würde abgeliefert -haben. Aber zugleich muß ich Euch melden, daß Ihr mich -in Dresden nicht mehr treffen werdet, denn sowie ich diesen -Brief geendigt habe, springe ich mit gleichen Beinen in eine -schon bestellte Kalesche, und fahre nach Guben, um meinen -umirrenden Ritterzug zu endigen. Glaubt Ihr denn, Ihr -von mir leidenschaftlich Geliebteste, daß Ihr niemals langweilig -seid? <span class="antiqua">Anzi, pur troppo</span>, wie wir Italianisirten zu -sagen pflegen. Sapperment noch einmal! Ihr vergeßt es -ja immerdar, daß ich, wenn ich mich recht besinne, ein zärtlicher -Gatte bin. Soll ich meine Liebe denn ganz vernachlässigen -und so in der öden, weiten Welt herumrasen? Wer -freilich so ledern ist, wie Ihr Beide, so ganz ohne Liebessehnsucht, -wessen Herz niemals im Enthusiasmus überschwillt, -kurz, wer so nur der Gegenwart und dem flüchtigen Augenblick -lebt, wie Ihr, Nächte am Spieltische vergeudet, jungen -hübschen Mädchen in allen Ruinen nachläuft, oder wie ein -Deserteur auf dem hölzernen Esel stundenlang in der russischen -Drehmaschine unverwandt und stieren Blicks die dürren -Bretter einer hölzernen Bude anschauen kann, — solche -Leute sind für Schwärmer, wie ich einer bin, eine zu trockne -Gesellschaft. Mein pochendes Herz treibt mich zu meiner -Gattin, die gewiß bei jedem Kloß, den sie einrührt, dieses -meines Herzens gedenkt. Und dann, — hat das Vaterland, — -<a id="page-142" class="pagenum" title="142"></a> -meine Vaterstadt — keine Rechte, keine Forderungen an mich? -Man verliert in dieser Kosmopoliterei allen Sinn für das -Einheimische, selbst Heimische und Heimelnde; und wenn Ihr -auch heimlich gegen mich wart, und Jeder von Euch seine -Heimlichkeiten vor dem Andern hat, so ist mein heimelndes -Heimathgefühl, mein Heimweh, viel edlerer Natur. Wenn ich -so bei den Sägemühlen die frischgeschnittenen Kienbretter roch, -— ha, alle Reize meines Guben standen vor mir. Wenn ich -den Streusand über ein beschriebenes Blatt spritzte, so war mir -Das, was der Kuhreigen dem biedern Schweizer ist. Kleinstädtisch, -voll armseliger Rücksichten wurde ich auch in Eurer -Gesellschaft; wenn ich mich einmal aufschwingen wollte auf den -Adlersfittigen meiner Begeisterung, — was habe ich von den -kleinartigen, niemals nach vollen Zügen durstigen Seelen aushalten -müssen! Von der Hippokrene, oder dem musenberauschenden -Quell des Parnassus soll der Mensch gar nicht, oder -recht tief, voll, in den mächtigsten Wogen trinken; so sprechen -die weisen Alten. Man sei völlig nüchtern, — oder — nun ja, -was? Ihr würdet als Plebejer vielleicht von knüppel- oder -hageldick, oder was die guten Deutschen sonst noch kümmeltürkenartig -an den schändlichen Ausdruck „besoffen“ anknüpfen, -sprechen: Sieben ist die böse, aber auch die heilige Zahl, -und ein alter Jäger hier sagt von einem so Begeisterten: -er sei halb Sieben. — Herr Walther kann mir also das -Geld, welches er mir noch schuldig ist, nach meiner geliebten -Vaterstadt senden. Vielleicht besucht mich derselbe hohe Mann, -sowie der Crucifix- und Nepomuksjäger, der zarte katholisirende -Ferdinand dort. Wenn derselbe einmal mit christlichem -Legendencostüm als ein Wegweiser ausgehauen und -mit Grün und Gold angemalt an die Landstraße gestellt -würde, hätte er seine Harmodius- und Aristogiton-Statue -und Vergötterung verdient und erreicht. Seh ich Euch, -<a id="page-143" class="pagenum" title="143"></a> -Freunde, in diesem sterbenden Leben oder in dieser lebenden -Sterblichkeit noch einmal wieder, so wird es mir immer, so -viel ich auch höher strebe, einige, wenn auch nicht die größte -Freude gewähren. -</p> - -<p class="sign"> -Wachtel. -</p> - -<p class="dateend"> -Dresden, den 9. August 1803. -</p> - -<p> -Nachdem dieser Brief gelesen war, fragte Ferdinand, ob -er jetzt in seinem Manuscripte fortfahren solle; doch Walther, -der noch mit dem Briefe beschäftigt schien, war sehr -zerstreut und verstimmt, sodaß er kurz aufbrach, ein Licht -nahm und seinem Gefährten eine gute Nacht wünschte. Als -Walther allein war, las er für sich das Postscript noch einmal -aufmerksam, welches so lautete: — Indem ich hier im -Engel alles Dies abfertige, drängt sich ein junger Herr in -mein Zimmer, derselbe Herr von Bärwald, den wir in der -Kirche zu Graupen zu bewundern Gelegenheit hatten, und -zwingt mir noch diesen versiegelten Zettel für den Herrn -Walther auf. Er meint, der Inhalt sei für Sie von der -allergrößten Wichtigkeit. -</p> - -<p> -„In Dresden werde ich die Ehre haben, Sie zu sehn, -und Sie werden auch Denjenigen kennen lernen, welcher -Ihnen einliegendes Blatt sendet.“ -</p> - -<p> -Das versiegelte Blatt enthielt folgende Worte: „Den -Entführer, welchen Sie suchen, können Sie nur den vierzehnten -August bei, oder in Guben treffen, wenn Sie ihn im -Hause des Herrn Wachtel erfragen wollen, wo alsdann die -sichere Nachricht, wo sich dieser Herr von Linden aufhält, -Sie erreichen soll.“ -</p> - -<p> -Sonderbar! sagte Walther zu sich selbst, also dort soll -ich den Elenden nun antreffen, von wo gewissermaßen mein -Umstreifen in diesen deutschen Provinzen begann? Und — -kann ich es mir verleugnen? — jetzt, nach Monaten erscheint -mir die Ahndung seiner That und die Bestrafung dieses -<a id="page-144" class="pagenum" title="144"></a> -Mannes nicht mehr so nothwendig, wie damals, als ich -mich zu diesem Geschäfte drängte. Scheint es doch auch, -daß mein Vetter in Warschau sich längst getröstet hat; indessen -habe ich mich einmal damit eingelassen und mich dazu -verpflichtet, sodaß die kühlere Ueberlegung zu spät kommt. -Und ist die schöne Maschinka am Ende mit diesem Entführer -glücklich, so möchte ich mich jetzt fragen, was diese Leiden -und Freuden mich eigentlich angehn, da die Verwandten -des Mädchens, wenn doch einmal etwas geschehn sollte, Jenen -verfolgen und zur Rechenschaft ziehn konnten. Sie haben -nicht weniger Muße dazu, als ich. Nun wird also doch -zum Beschluß meiner Reise eintreffen, was nach meiner Meinung -am Anfange geschehn sollte. -</p> - -<p> -Nachdem man am andern Morgen mit dem Gastwirth -die Rechnung berichtigt hatte, fuhr man, als die Hitze schon -eingetreten war, nach Freiberg ab. Dort verweilten die -Freunde nur, um einige Merkwürdigkeiten in Augenschein -zu nehmen, und kamen, nachdem es schon Nacht geworden -war, in Tharand an. -</p> - -<p> -Walther freute sich darauf, am folgenden Morgen die -Schönheit dieser Thäler, des Buchenwaldes und der Aussicht -von der Ruine zu genießen, als Ferdinand ihm plötzlich ankündigte, -er würde noch in dieser schönen kühlen Nacht zu -Fuß nach Dresden gehn. Die Einwendungen Walther’s -wurden nicht angehört, sondern, obgleich es dunkel war, Ferdinand -wanderte sogleich wohlgemuth weiter, nachdem er nur -eben aus dem Wagen gestiegen war. Walther glaubte bemerkt -zu haben, daß ein Unbekannter ihm beim Ankommen -einen Brief überreicht habe, den Ferdinand in größter Hast, -beim ungewissen Schein eines flackernden Lichtes angesehn -habe und durch ihn in diese Unruhe gerathen sei. -</p> - -<p> -Zum Argwohn aufgereizt, konnte es Walther nicht unterlassen, -<a id="page-145" class="pagenum" title="145"></a> -dem Gefährten, nachdem dieser in der Dunkelheit -manchen Schritt voraushatte, eilig und ohne Geräusch nachzugehn. -Als er das Städtchen verlassen hatte, glaubte er -in der stillen Einsamkeit Stimmen, ganz nahe vor sich, zu -vernehmen. Als er weiter schritt, mußte er vermuthen, daß -es nur das Rauschen des Gebirgstromes sei, welches ihn so -getäuscht habe. An der waldbewachsnen Bergwand hinwandelnd, -glaubte er im Dunkeln eine weiße weibliche Gestalt -neben einer dunkeln männlichen zu unterscheiden; bald überzeugte -er sich auch von der Wahrheit, aber es waren Menschen, -die ihm entgegenkamen und wohl zur Mühle des Ortes -zurückwandern mochten. Noch mehr wie einmal glaubte -er in der Entfernung Klagen, Zank oder Gelächter zu vernehmen, -und immer wieder mußte er sich überzeugen, daß es -das Geräusch des kleinen Stromes sei, das ihn in der stillen -Nacht so getäuscht habe. Beschämt ging er endlich zurück, -verdrüßlich über sich selbst, daß er sich, ohne etwas erfahren -zu haben, zum Horchen und Belauschen herabgewürdigt habe. -</p> - -<p> -Am klaren frischen Morgen durchstreifte er die reizenden -Gegenden bei Tharand, die dem Naturfreunde immer -neu und anmuthig bleiben, wenn er auch aus der Schweiz -oder Tyrol eben zurückkehrt. Diese Thäler, die so einsam -von der lärmenden Straße entfernt sind, vom köstlichen -Waldstrom durchrauscht, von schönen Hügeln und Buchen -und Tannen bekränzt, sind so lieblich, daß man hier gern -die weiten Blicke über den schönen Elbfluß vergißt. Von -der Natur geläutert, Alles, was er in Guben wollte, oder -gestern Abend ihn bewegt hatte, vergessend, fuhr er dann -bei schönem Wetter nach Dresden und stieg bald nach der -Tischzeit vor dem goldnen Engel von seinem Wagen. -</p> - -<p> -Als er sein Geschäft mit seinem Bankier berichtigt hatte, -fiel es ihm erst auf, daß er seinen Reisegefährten Ferdinand -<a id="page-146" class="pagenum" title="146"></a> -noch nicht war ansichtig geworden. Er forschte im Gasthofe -nach ihm, aber er hatte sich hier nicht, wie die Freunde doch -abgeredet hatten, gemeldet. Sonderbar! sagte Walther zu -sich selbst, ich bin ihm noch eine bedeutende Summe schuldig, -er hatte, so viel ich weiß, gar kein Geld bei sich, und -so entschwindet er nun plötzlich, ohne Abschied, ohne Nachweisung, -ob und wo wir uns treffen können. -</p> - -<p> -Jetzt suchte ihn der junge Baron von Bärwald in seinem -Zimmer auf. Was mir das leid gethan hat, rief der -junge Mensch, daß wir uns vor einigen Wochen in Graupen -und Teplitz verfehlt haben; ich hätte wahrscheinlich die -ganze Reise mit Ihnen machen können, und mein Freund, -der mit mir war, ebenfalls. -</p> - -<p> -Doch wie, fragte Walther, sind Sie auf die sichre Spur -jenes Linden gekommen? -</p> - -<p> -Eben jener junge Freund, der auch mit mir in Graupen -und Teplitz war, antwortete der Baron, hat mir umständlich -die ganze Geschichte erzählt. Er ist mit beiderseitigen -Familien, sowohl der des Herrn von Linden, als der -schönen Maschinka, befreundet. Er steht mit jenen Bekannten -in Warschau in ununterbrochenem Briefwechsel, und von -dort, ich weiß nicht, wie, hat er erfahren, daß an jenem -Tage, den ich Ihnen meldete, die schöne Maschinka sowie -der Herr von Linden in Guben seyn werden. Was sie dort, -oder wohin sie von dort wollen, ist mir freilich unbekannt. -</p> - -<p> -Der bestimmte Tag war ganz nahe. Walther, um nicht -mit dem jungen ungestümen Baron zu reisen, der sich ihm -schon angeboten hatte, schützte Geschäfte vor, die er auf einigen -Gütern abzumachen hatte, und begab sich auf die Straße -nach Guben. Die öde Gegend, durch welche er reisete, vermehrte -seinen Mißmuth. -</p> - -<p> -Am zweiten Tage, als es schon spät am Abend war, -<a id="page-147" class="pagenum" title="147"></a> -erreichte er Guben. Im Dunkeln fragte er sich nach Wachtel’s -Hause hin, aber dieser sowohl, als seine Gattin war -nicht zugegen, und man wußte, so sagte der Dienstbote, nicht, -wann sie zurückkommen würden. — So wollte Walther nach -dem Innern der Stadt zurückkehren, verfehlte aber, weil er -die entgegengesetzte Richtung nahm, den Weg und gerieth -in die freie Landschaft. Es kam ihm nicht darauf an, sich -nicht noch etwas zu ergehn und abzukühlen. Er gerieth auf -eine Wiese und glaubte hinter einigen Gebüschen Klagelaute -zu vernehmen. Er suchte sich mit Behutsamkeit, um im -Finstern nicht zu fallen, der Stelle zu nähern, und als er -die Worte unterscheiden konnte, hörte er deutlich folgendes -Gespräch: So raffe Dich nur auf. — Was, raffen! das ist -ein dummes Wort! Was kann man an sich selber raffen? -Hier liegt sich’s gut, und ich will wenigstens bis zur Regenzeit -hier wohnen bleiben. — Was für ein Kreuz mit solchem -Mann! Kannst Du denn wirklich gar nicht stehn? — Als -wenn das eine nothwendige Sache wäre, wenn man so angenehm -liegt, wie ich hier. — Wenn nur ein Mensch zur -Hülfe in der Nähe wäre! — Ja, keiner, weil sie Alle in -meiner Position, wenn auch nicht derselben Situation, in -ihren Betten liegen. -</p> - -<p> -Walther hatte gleich im Anfang Wachtel’s Stimme erkannt, -und halb gerührt über die Wehklage der Frau, halb -lachend über den so ganz unverbesserlichen Reisegefährten, -ging er näher, um seine Hülfe anzubieten, damit der Trunkene -so nach Hause geschafft werden könne. -</p> - -<p> -Ach Gott! seufzte die Frau, immer muß so ein fremder -Herr als ein Engel vom Himmel mir zur Hülfe herbeikommen. -— Mit gemeinsamer Anstrengung richteten sie den -Taumelnden endlich auf, der in seinem Rausch den Reisegefährten -nicht wiedererkannte. Walther und die Frau faßten -<a id="page-148" class="pagenum" title="148"></a> -ihn unter die Arme und richteten ihre künstliche Wanderung -nach der Stadt, die aber, so sehr sie den Zögernden -auch schoben oder zogen, dennoch nur sehr langsam vor sich -gehen konnte. Ja, gnädigster Herr, klagte die Gattin, er -hat sich da, so wunderlich er nun ist, einen höllischen Trank -verschrieben und kommen lassen, den er die Menschenessenz -nennt, und behauptet, Abraham und Isaak hätten den Soff -schon im Paradiese gehabt. So rennt er nun heut so heraus, -wie er es treibt, um die Nachtwelt aufzusuchen und ihr -vorzupredigen, und da denkt er, die dumme Nachtwelt antwortet -ihm, wenn es die Frösche sind, die im Sumpfe quaken. -</p> - -<p> -Frösche, Sumpf, quaken! rief Wachtel im Zorn: schlechte -Worte! Quaken, was das ein Mißlaut ist! Und dann, wie -einfältig, die ordinäre Nachtwelt, zu welcher freilich Frösche, -Eulen und Fledermäuse gehören, mit meiner <a id="corr-7"></a>Nachtwelt, die -ich heut aufgesucht und gefunden habe, zu verwechseln! — -Er hielt an, stemmte sich mit aller Kraft an Walther und -bestrebte sich, ihm in das Gesicht zu sehn. — Erlauben Sie -mir, unbekannter Herr Menschen-, aber nicht Wortführer, -Ihnen eine authentische Nachricht von jener Begebenheit zu -geben, welche diese Person, die eine Frau und zugleich meine -Frau ist, ziemlich confuse vorzutragen sich bemüht, als ob -sie keine Frau, sondern ein Narr wäre. — Jetzt ging er -wieder weiter, mit seiner ganzen Schwere auf Walther gestützt, -der schon, von der Anstrengung erhitzt, häufigen -Schweiß vergoß. — Sie werden es oft empfunden haben, -fuhr Wachtel, etwas lallend fort, daß der denkende Mann -mit seiner Gegenwart und der ganzen Zeit unzufrieden ist. -Alles, was wir denken, wissen, wollen, die edelsten Bestrebungen -unsers bessern Menschen, auch wenn wir nicht soeben -die echte Menschenessenz genossen haben, legen wir sauber -hin auf den großen Ladentisch dieser alten Krämermadam, -<a id="page-149" class="pagenum" title="149"></a> -der Zeit. Sie sitzt nun immer da, mit der Brille auf der -spitzen Nase und die blöde gewordenen Augen aufreißend -und zukneifend, und sucht aus und wählt, hebt auf und <a id="corr-8"></a>registrirt, -schreibt ein und streicht aus, und weiß vor vielem -Thun und Wissen nicht, was sie thut, und vergißt immer -wieder, was sie sich merkt. Die Kunden stehn vor dem Tisch -übelgelaunt da und fordern und fragen, und erhalten nichts -oder nur schlechtes Zeug. Der will vom feinsten Battist -und kriegt alten, abgelegenen Cattun in die Hände, der will -eine schöne politische Blondengarnitur, und die dumme Alte -schiebt ihm ein verwittertes, längst aus der Mode gekommenes -legitimes Haubenmuster hin, mit erstickter Stickerei und -ausgewaschenen Knötchen. Treffliches Westenzeug möchte der -recht blank und glänzend sich aneignen, und alten Hosencamelot -aus Osten steckt sie ihm zu. Die beste reformirte -Religionskräuselei und Krause fordert der, und sie will ihn -mit schlechtem steifgestärkten moralischen Pietismus abspeisen. -Schreit der nach der einfachen Kunst ohne Form und Gesetz, -ein Bildwerk für des Herzlichsten Herz, so fährt sie ihm mit -einer alten Mosaik entgegen, lauter zusammengesetzte schroffe -Einzelheit; der will das Platonische, sie giebt ihm das Platte -oder höchstens Plattirte: Lucretius und Lucretiensaft, Archangel -und Erzengel, Peter Madsen und Matthison, Shakspeare -und Käsebier, Racine und Ratzen, Alles verwechselt -die dumme Creatur. Die Käufer laufen fort, die besten -Arbeiter wollen ihr nichts mehr liefern, denn sie verzettelt -die schönsten und edelsten Zeuge, daß sie unter den großen -Ladentisch fallen, wo nachher sich Hunde und Katzen ihre -Nester drin bauen. Und die Nachwelt — nun, die steht in -der Ferne, sperrt das Maul auf, und wünscht doch etwas -aus unsrer Zeit zu überkommen. Den Unfug hatte ich nun -lange geduldig mitangesehn, und hatte mich überzeugen müssen, -<a id="page-150" class="pagenum" title="150"></a> -daß die gute Nachwelt nur Schund und Schofel, Spreu -und Asche, Sägespäne (die auch vielleicht für Shakspeare -ausgeschrien werden) und Kohlenstaub in Magen, Herz und -Gehirn kriegen wird. So, gestärkt durch einen starken Zug -aus dem Quell der Begeisterung, machte ich mich heut an -diesem heißen Tage, an welchem das Thermometer hoch auf -Zukunft steht, auf, um mit der Nachwelt selbst zu sprechen -und ihr im voraus die Lehren, Gedanken und Winke zu -überliefern, die ich für die besten unsrer Tage halte. Dort -in der Einsamkeit des Waldes fand ich sie denn auch, sie -hatte sich’s bei der großen Hitze bequem gemacht, und war -fast ohne Hülle, sie war so aufgelöst und auseinander gequollen, -daß sie in der That in unsre Gegenwart, die sich -auch hatte gehn lassen, hineinreichte. Sie nahm alles von -mir gütig auf und sagte freundlich zu Allem Ja; sodaß -unsrer Enkel Enkel durch meine redliche Bemühung doch etwas -von den guten Fabrikationen unsrer Zeit ungefälscht -erhalten haben. Und dies, mein geehrter Herr Lieutenant, -der Sie im Gehn gewissermaßen meine Stelle vertreten und -mein Treten wieder übergehn müssen, ist Das, was der -vorige einfältige Berichterstatter als Nachtwelt, als Sumpf, -als Frosch und Quaken charakterisiren wollte. Sie aber, -erleuchteter Mann, sehn jetzt genau ein, wie Alles zusammenhängt. -— Sollten wir nicht aber schon in der Stadt und -vor meinem derzeitigen Hause seyn? -</p> - -<p> -Und so war es in der That. Der Trunkene dankte für -die Ehre der Begleitung, die ihm ein fremder Mann in so -später Nacht erwiesen hatte, und ging mit der Frau in seine -Thür, wo ihn ein Diener und die Magd schon erwarteten. -</p> - -<p> -Am andern Morgen war Wachtel ganz ernüchtert, als -Walther zu ihm eintrat; er konnte ihm über Alles Rede und -Antwort geben, was dieser nur zu wissen begehrte. Es ist -<a id="page-151" class="pagenum" title="151"></a> -wirklich wahr, erzählte er, das junge, schöne Frauenzimmer, -welches schon einmal bei uns gewohnt hat, ist wieder hier -durchgekommen und hat wieder eine Nacht oben geschlafen; -ein alter Diener und eine Magd, welche mit ihr waren, -nannten sie Maschinka. Sie war wieder ebenso eilig, wie -damals, sodaß ich sie fast gar nicht gesehn habe, und ist -dann über die Oder gegangen. Aber ein junger Mann hat -sich auch gemeldet und nach Ihnen gefragt, Sie möchten nur -an Herrn von Linden ein Billet schreiben, so würde dieser -sich gewiß in den nächsten Stunden stellen, im Fall Sie ihn -nur an der Oder erwarten möchten. -</p> - -<p> -Wachtel schrieb also einige Zeilen, welche binnen kurzem -auch wirklich abgeholt wurden. Der Herr von Bärwald -stellte sich ebenfalls ein und bot sich zum Sekundanten -Walther’s an, und Wachtel, der ängstlich um seinen Reisegefährten -war, ließ es sich nicht ausreden, diesen ebenfalls -zu begleiten. -</p> - -<p> -Sie hatten sich einen Platz an der Oder zur Ruhestätte -erwählt, nachdem sie den Wagen verlassen hatten, von wo -sie einen großen Theil des Flusses übersehn konnten und -gegenüber die sogenannte Kretschem vor sich hatten. Als es -etwas kühler wurde, sahen sie, wie die Fähre herüberruderte. -Sie bemerkten, daß eine elegante herrschaftliche Kutsche darauf -stand, und wie das Fahrzeug näher kam, unterschieden sie, -wie zwei Männer, Arm in Arm, da standen und nach dem -Ufer hinüberschauten. Der ältere und größere glänzte in -einer reichen Uniform. -</p> - -<p> -Man war nicht wenig verwundert, als Walther und -Wachtel beim Anlanden der Fähre in dem jüngeren Manne -ihren Freund Ferdinand erkannten. Man umarmte sich und -Ferdinand sagte eilig: ich kann hier bei Ihnen nicht verweilen, -<a id="page-152" class="pagenum" title="152"></a> -denn mich erwartet ein dringendes Geschäft, welches ich -erst abthun muß, dann wollen wir uns sprechen. -</p> - -<p> -Mit mir ist es eben so beschaffen, erwiederte Walther; -aber wir sehn uns hoffentlich bald wieder und verbringen in -der Stadt den Abend fröhlich mit einander. -</p> - -<p> -Der General, denn dies war der angesehene Fremde, -mischte sich in das Gespräch und der junge Herr von Bärwald, -der nicht Zeit und Umstände gern berücksichtigte, brach -mit der Nachricht heraus, daß Walther auf einen Herr von -Linden wartete, um mit diesem ein Duell auszufechten. -</p> - -<p> -Ferdinand trat mit Erstaunen von Walther zurück, und -der General rief aus: Wie? Sie sind jener Herr von Hellbusch, -der meinen Neffen gefordert hat? -</p> - -<p> -So ist es, erwiederte Walther, dieses ist auch mein -wahrer Name, ich reisete unter einem erborgten, um, wie -ich mir einbildete, besser beobachten und, selbst weniger bemerkt, -Nachrichten einziehn zu können. -</p> - -<p> -Sonderbar! höchst sonderbar! rief jetzt Ferdinand aus: -ich nahm drüben und in Warschau den Namen Linden an, -um mich nachher in Deutschland leichter den Nachforschungen -meiner Gegner und den Verwandten meiner Frau entziehn -zu können. -</p> - -<p> -Frau? fragte Walther jetzt mit der größten Lebhaftigkeit. -Allerdings, sagte der General lächelnd, vor drei Tagen -ist meine Nichte Maschinka meinem guten Neffen Ferdinand -drüben im Preußischen in meiner Gegenwart und auf -mein Wort und meine Bürgschaft, als seine rechtmäßige -Gemahlin angetraut worden. Und Sie, Herr von Hellbusch -(indem er sich an Walther wendete), können mit dem besten -Gewissen Kampf und Krieg aufgeben, denn Brüder und Verwandte -sind durch meine Vermittlung mit dem neuen Gatten -<a id="page-153" class="pagenum" title="153"></a> -ausgesöhnt, und Ihr Vetter, welcher Ansprüche auf Maschinka -zu haben glaubte, hat sich ebenfalls verheirathet. -</p> - -<p> -Da Alles sich so gefügt hat, sagte Walther, so bin ich -der glücklichste aller Menschen; denn ich darf den Mann als -Freund umarmen, den zu lieben und hochzuschätzen mir schon -längst auf meiner Reise zum Bedürfniß geworden war. -</p> - -<p> -Indem öffnete ein Jäger den Schlag der Kutsche und -eine schöne Dame stieg aus derselben, um Walther höflich -zu begrüßen. Wachtel, der sie mit Verwundrung angesehn -hatte, rief aus: Ei, wie kann man denn so reizend seyn! -das heißt mit dem Schönsein kein Maß halten! Das versteht -meine Frau viel besser, die sich wohl hütet, die häßlichste -auf der Welt zu seyn. Aber eigen ist es zugegangen, -daß zwei Menschen, die sich als Todfeinde verfolgen, ein -paar hundert Meilen in ein und demselben Wagen so gelassen -und schläfrig neben einander sitzen. -</p> - -<p> -Jetzt nahm Ferdinand das Wort und erzählte, wie -Maschinka seinetwegen ihre Familie verlassen und in Angst -nach Deutschland herübergekommen sei. Sie fürchtete, zu -einer Verbindung gezwungen zu werden, und da der Oheim -abwesend war, so wußte sie keinen andern Rath, als sich den -Ihrigen, welche sie tyrannisirten, zu entziehen. Ferdinand -war vorangegangen, um einen sichern Aufenthalt zu suchen. -So kam sie über die Oder, und von einem Briefe einer -Freundin gelenkt, suchte sie sich, wenn auch nur auf kurze -Zeit, bei der Gattin Wachtel’s zu verbergen, der die Freundin -sie empfohlen hatte, ohne von ihren Schicksalen etwas -Näheres zu melden. Hier erfuhr sie, daß man ihr nachstelle, -daß ein Vetter des Mannes, dem sie hatte vermählt -werden sollen, von Warschau ihr nachgereiset sei, und daß -die Brüder dieses aufdringlichen Bräutigams sie ebenfalls -suchten. Sie war also, nachdem sie ihrem Geliebten eine -<a id="page-154" class="pagenum" title="154"></a> -kurze Nachricht nach Madlitz gesendet hatte, schon wieder entschwunden, -als dieser nach Guben kam. -</p> - -<p> -Ich habe die gnädige Erscheinung damals, wie jetzt, -sagte Wachtel, nach meinen besten Kräften beherbergt. -</p> - -<p> -Meine Braut und jetzige Gattin, erzählte Ferdinand, -wußte von meiner Irrfahrt, sie war mir immer um einige -Stationen voraus, und so trafen wir uns, um Abrede zu -nehmen, in dem alten Schlosse Glich, oberhalb Bamberg, -wo sie in der Maske eines Förstermädchens erschien. Hier -hatte ich Gelegenheit, das Nähere mit ihr zu besprechen, und -wir nahmen die Abrede, in Würzburg oder Heidelberg uns -zu verbinden. -</p> - -<p> -Sieh! sieh! rief Wachtel aus, drum! drum! Ei ja freilich, -es ist auch dasselbe hübsche Gesichtchen. — Er sah hiebei -Walther mit einem bedeutenden Blicke an, und dieser -lächelte halb verlegen. -</p> - -<p> -In Würzburg aber, erzählte Ferdinand, kam ein junger -Pole, der Begleiter eines Herrn von Bärwald, meiner -Geliebten auf die Spur. Er machte Anstalt, sich ihrer zu -bemächtigen, und sie, benachrichtigt davon, rief mich auf zur -Hülfe, da sie mich in jene Bude hatte eingehn sehn, wo wir -uns, kindisch genug, mit einer russischen Schaukel ergötzten. -In der Bude aber stand, ohne daß ich es wissen konnte, -neben dem Herrn des Kunststückes, eben dieser junge Pole, -der meine Braut persönlich kannte, und ihren Namen laut -ausrief, als sie in die Bude hineinblickte. Alles stürzte ihr -nach, ich aber, als der Schnellste, fand Mittel, sie im Getümmel -des Jahrmarktes zu verbergen und vor den Nachstellungen -zu retten. -</p> - -<p> -Ei! rief Wachtel aus, unser Freund Walther, welcher -den Jungfrauenraub zu bestrafen ausgereiset war, saß indessen -<a id="page-155" class="pagenum" title="155"></a> -mit eingelegter Lanze hoch oben wie ein rächender -Gott in der einsamen Bude. -</p> - -<p> -In Heidelberg, fuhr Ferdinand fort, erfuhr ich endlich -aus ihren Briefen, daß unser gütiger Onkel sich unser annehmen -und Alles schlichten wolle, nur machte er es zur Bedingung, -daß wir umkehrten, um nicht als Abentheurer in -fremden Regionen den Ruf meiner Geliebten unnöthig auf -das Spiel zu setzen. In eines jungen Gelehrten, Keyser’s, -Gesellschaft, welcher seine Braut besuchte, sprach ich die geliebte -Maschinka, und wir beredeten unsre Rückreise. Aber -wir durften uns noch nicht vereinigen, um uns nicht dem -Ungestüm der Verwandten, welche uns verfolgten, auszusetzen. -Ich hatte in Briefen und aus dem Munde meiner Braut -von einem wüthenden und rachsüchtigen Hellbusch gehört, -und konnte mir nicht träumen lassen, daß dieser derselbe -freundliche Mann sei, an dessen Seite ich die schöne Reise -durch Deutschland machte. So kehrten wir denn um, und -schrieben hie und da Merkworte ein, die der Andre fand -und die kein Fremder verstehen konnte. In der Höhle von -Liebenstein trafen wir uns an jenem schönen Sonntage, und -dort, als ich mich hatte von der Barke auf dem unterirdischen -Gewässer übersetzen lassen, sprach ich im Dunkel, und -von der ganzen Welt abgesondert, meine Geliebte. Bei -Tharand bestellte sie mich und ich traf sie in der Nacht dort -im schönen Thal. Sie reisete sogleich hieher nach Guben, -ihrem gütigsten Oheim entgegen, und der großmüthige Mann -hat auch mich seinen Neffen genannt und durch seine Güte -alle die Irrsale geschlichtet. — -</p> - -<p> -So fuhren sie nach Guben zurück und ergötzten sich an -den kleinen Begebenheiten ihrer Reise. Von dort begaben -sie sich mit dem Oheim nach der Schweiz, und Walther, -welcher seinen Reisegefährten Ferdinand herzlich liebgewonnen -<a id="page-156" class="pagenum" title="156"></a> -hatte, bat sich die Erlaubniß aus, mit ihnen reisen zu dürfen, -um in ihrer Gesellschaft einige Zeit in dem schönen -Lande dort zu leben. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Es waren zehn Jahre verflossen, als dem Erzähler dieser -Geschichte Walther und Ferdinand wieder begegneten. -Die seltsamen Begebenheiten des Befreiungskrieges hatten -uns in Prag im Sommer des Jahrs 1813 vereinigt. Ferdinand -war mit seiner Frau, die noch immer schön zu nennen -war, glücklich, er hatte einige allerliebste Kinder, mit -denen er gern spielte. Auch Walther war verheirathet, und -wir erfreuten uns Alle des Wiedersehns und der erneuten -Vertraulichkeit. Nur war es mir merkwürdig, daß der -schwärmende Ferdinand jetzt ein eifriger, möcht’ ich doch sagen, -einseitiger Verfechter der protestantischen Lehre war, -und Walther im Gegentheil war zur katholischen Kirche übergetreten -und mit vollem Ernst und ganzem Herzen ein Bekenner -ihrer Glaubens-Artikel. -</p> - -<p> -Wie dieses sich zugetragen hatte, läßt sich vielleicht in -Zukunft mittheilen, da es für denkende Leser, die selbst etwas -erlebt haben, nicht ohne Interesse seyn dürfte. Auch läßt -sich um so unparteiischer diese Seelengeschichte erzählen, da -beide Freunde, sowie der dritte, der humoristische Wachtel, -vor Jahren nach Italien gereiset sind, und dort froh und -glücklich leben. Als heitre Beilage und Episode dürften alsdann -auch die beiden Novellen, welche die freundlichen Feinde, -die sich als solche nicht kannten, im Gasthofe zu Chemnitz -ausarbeiteten, nicht unwillkommen seyn. -</p> - -<h2 class="part" id="part-3"> -<a id="page-157" class="pagenum" title="157"></a> -<span class="line1">Die Wundersüchtigen.</span><br /> -<span class="line2">1831.</span> -</h2> - -<p class="pbb first"> -<a id="page-159" class="pagenum" title="159"></a> -<span class="firstchar">D</span>er Geheimerath von Seebach lebte in seinem großen, -wohleingerichteten Hause glücklich in der Residenz. Da er -reich war und eine angesehene Stelle bekleidete, viele Verbindungen -hatte, und eine große Correspondenz führte, so -war bei ihm oft der Sammelplatz angesehener und merkwürdiger -Fremden und Reisenden. Häufig aber waren unter -diesen Besuchenden auch solche Gestalten, die von seiner -Familie weniger gern, oder nur mit Mißtrauen gesehen -wurden, weil der Rath früher ein Mitglied mancher Gesellschaften -gewesen war, die sich höherer Kenntnisse oder wunderbarer -Geheimnisse rühmten, und obgleich der thätige -Geschäftsmann schon seit Jahren alle diese Verhältnisse aufgelöset, -und sich von diesen Verbindungen zurückgezogen -hatte, so sorgte die Tochter, die den Vater genau kannte, -doch immer, daß irgendwo ein Faden wieder aufgenommen -werden möchte, der nicht zerrissen war, um Verwicklung, -Zeitverlust, oder auch wohl Kummer zu veranlassen. Der -lebhafte, heitre Sohn war gegen viele Wanderer mehr deswegen -eingenommen, weil ihr Einsprechen dem Rathe manches -Geldstück kostete, denn so wie er die Geheimnisse und -Wunder verlachte, war er doch neugierig genug, immer wieder -auf die Erzählung von seltsamen Entdeckungen oder unbegreiflichen -Begebenheiten mit Eifer hinzuhören. -</p> - -<p> -<a id="page-160" class="pagenum" title="160"></a> -In alten Papieren kramend, saß der Rath an seinem -Schreibepulte, und neben ihm Anton, sein Sohn, ihm gegenüber -sein Schwiegervater, der Obrist von Dorneck, der schon -seit lange seinen Abschied genommen hatte. -</p> - -<p> -Ich kann das Dokument nicht finden, sagte der Rath -endlich unwillig, und begreife nicht, wie, oder wohin es -kann verloren seyn. In diesem fatalen Prozeß, der mich -nun schon seit zwei Jahren beunruhigt, gilt es mir die volle -Summe von zwanzigtausend Thalern, wenn ich diesen wichtigsten -Beweis nicht herbei schaffen kann. -</p> - -<p> -Der Obrist erwiederte: Lieber Sohn, ich bin überzeugt, -daß Sie es irgendwo recht sorgsam hingelegt haben, weil -es Ihnen eben so wichtig war, und daß Ihre Geschäfte Sie -nur den Ort haben vergessen machen. Geben Sie sich Ruhe, -und es fällt Ihnen wohl am ersten bei, indem Sie gar nicht -darüber denken, wie es mit Namen von Menschen so oft -geht, die wir durchaus nicht wieder finden, indem wir es -von uns erzwingen wollen, und die uns dann plötzlich, ungesucht, -indem wir zerstreut, oder unterhalten sind, wieder -beifallen. -</p> - -<p> -Sie mögen Recht haben, antwortete der Rath; soll sich -aber ein Geschäftsmann solcher Vergeßlichkeit nicht schämen? -Ich habe niemals die zerstreuten Menschen leiden mögen, -und nun muß mir selbst dergleichen begegnen. -</p> - -<p> -Anton warf ein: wenn wir jetzt nur den berühmten -Grafen Feliciano hier hätten, von dem so viele Wunderdinge -erzählt werden, so könnte er mit einer einzigen Geisterbeschwörung -die Sache aufhellen und in Ordnung bringen. -</p> - -<p> -Gewiß, sagte der Obrist, wenn er sich zu uns herablassen -wollte, denn Bücher, Zeitungen und Briefe seiner -Freunde erzählen ja Dinge von ihm, die noch viel wundervoller -<a id="page-161" class="pagenum" title="161"></a> -sind, als dies kleine Mirakel, das er auf unser inständiges -Bitten vielleicht verrichten möchte. -</p> - -<p> -Der Rath schwieg, indem er wieder eifrig suchte. Was -sind das für Figuren da? fragte der Sohn, indem er nach -einem Blatte langte. -</p> - -<p> -Du bist zwar kein Eingeweihter, erwiederte der Vater, -indessen ist das Papier auch nicht von denen, durch welche -ich eine Indiscretion begehe, wenn Du es betrachtest. Vor -vielen Jahren hat ein Freund, ich weiß nicht aus welchem -astrologisch-magischen Zauber-Manuscript, mir diesen Unsinn -als denkwürdig abgeschrieben. -</p> - -<p> -Bin ich auch kein Geweihter, erwiederte der Sohn, so -habe ich doch, wie Sie wissen, so Manches über diese Verbrüderung -gelesen, so manche kabbalistischen Manuscripte -durchblättert, daß mir gerade der Unsinn mancher Leute -nicht ganz fremd ist, wenn er mir auch immer unverständlich -bleibt. -</p> - -<p> -Die Figur war eigentlich eine vieleckige, in Gestalt eines -Sternes. Die meisten Linien waren Zeilen, theils Sprüche -der Bibel, theils Gebete, manche auch wundersame Namen, -die, wie man sah, Geister bezeichnen sollten, nach allen -Richtungen begegnete sich das Wort Abracadabra, bald in -einzelnen Sylben und Buchstaben, bald vor-, bald rückwärts -geschrieben, bald von Sternzeichen, Hieroglyphen und andern -seltsamen Figuren unterbrochen. In der Mitte las man -Adonai, gegenüber Jehovah, mit lateinischen und auch mit -hebräischen Lettern geschrieben. Auf der Rückseite war bemerkt, -daß dieses heilige Amulet von vielfältigem Gebrauche -sei, im Kriege wie gegen Krankheit, vor Einwirkung der -bösen Geister schütze, und Demjenigen, der die Kunst inne -habe, Geister herbeizurufen, unentbehrlich sei. -</p> - -<p> -Der Rath und der Obrist lachten, als der junge, stets -<a id="page-162" class="pagenum" title="162"></a> -heitre Anton das aberwitzige Blatt mit so ernsthafter, tiefsinniger -Miene betrachtete. Ich will ein andermal auch über -diesen Unsinn spotten, unterbrach sie Anton, aber gestehen -Sie mir nur ein, daß das Ding auch eine ernsthafte Seite -habe, die man wohl in Betrachtung ziehen dürfe. Nicht -wahr, derselbe Menschengeist, der fähig ist, Philosophie und -Kunst zu umfassen, der die Bahn der Sterne berechnet und -die Unermeßlichkeit des Himmels mißt, der in Liebe und -Andacht sich dem Ewigen nähert, — derselbe hat auch dieses -Blatt so umrissen, bekritzelt und durchfurcht mit einer -thörichten Lüge, die doch irgendwo im Anfang mit der Wahrheit -zusammen hängt, in dieser nur wurzelt, und aus dem -Guten als stachlichtes Unkraut empor gewachsen ist. -</p> - -<p> -Das mag seyn, nahm der Obrist das Wort, denn alles -Schlechte und Nichtige keimt wohl aus dem Guten; nur -möchte es schwer zu entdecken seyn, wo und wie es Lüge und -Thorheit wird. -</p> - -<p> -Der Rath war ebenfalls plötzlich ernsthaft geworden, -und fügte hinzu: das ist eben die große Frage, ob das Böse -ein zeitliches, oder ewig sei. Ein Nichts ist es, und wird, -vom Menschengeist erweckt, ein Ungeheures, nimmt von diesem -Kraft und Thätigkeit, und wandelt als Schicksal und -Unglück umher, das Länder verwüstet und Tausende opfert. -Wahrlich, hier möchte das Auge das Herbeirufen von Geistern -aus dem Abgrunde, das Beleben eines Todtenreiches -wahrnehmen können, viel größer und wundersamer als Alles, -was man von alten oder neuen Thaumaturgen erzählt. -</p> - -<p> -Sie meinen, wenn ich Sie recht verstehe, antwortete -Anton, daß durch die Leidenschaften der Menschen, die sich -in das Unwahre oder dem Nichts ergeben, die Weltgeschichte -großentheils durch Gespenster regiert und fortgetrieben wird, -die, wenn sie nicht im wilden Kampf der Verwirrung aufgeweckt -<a id="page-163" class="pagenum" title="163"></a> -werden, unsichtbar bleiben, oder höchstens nur Erscheinungen -sind, über welche der Spekulant oder Witzige -gutmüthig lächeln möchte. Wenn mir dies auch wahr scheint, -so ist es mit diesem Blatte hier denn doch etwas anders. -</p> - -<p> -Eigentlich nicht, sagte der Vater: denn dasselbe, was -hier nur Spiel ist, hat auch schon zum Feldgeschrei und -Panier der Schlachten gedient. Es wäre zu wünschen, daß -der böse Geist mit allen seinen Wirkungen sich immerdar in -solchen Galimathias hinein zaubern ließe. Aber er wird -auch von dergleichen Kinderei irgend einmal wieder erweckt, -und so fluthet und ebbet die Masse der Erscheinungen hin -und her, und das eigentliche Fortschreiten, das wahre -Besserwerden der Welt ist nur aus einer weiten Ferne wahrzunehmen. -</p> - -<p> -Ich werde mir dieses künstlich verzauberte Blatt in geweihter -Stunde an meinen Hals hängen, sagte Anton, so -durch alle Gemächer des Hauses um Mitternacht schreiten, -und so hoffe ich jenes Dokument zu entdecken, das uns Allen -so wichtig seyn muß. -</p> - -<p> -Nein, sagte der Obrist, gieb es mir, lieber Enkel: von -alten Zeiten bin ich noch mit den Leuten in Verbindung, die -jetzt in der Residenz des Nachbar-Landes wieder anfangen, -sich auszubreiten. Ich meine jene, die sich für die rechtgläubigen -Brüder halten, und die vernünftigen verlästern -und verfolgen. Immer erhalte ich noch Briefe und Anmahnungen, -mich ihnen wieder anzuschließen. Diesen kann ich -vielleicht mit dieser sinnverwirrten Schrift ein angenehmes -Geschenk machen. -</p> - -<p> -Nehmen Sie es, sagte der Rath, so ist in meinem -Hause eine Thorheit weniger. Man erzählt, daß sich diese -abergläubischen Menschen aus leicht zu errathenden Absichten -an den Erbprinzen dort drängen, um sich ihm angenehm -<a id="page-164" class="pagenum" title="164"></a> -und unentbehrlich zu machen. Wer weiß, was uns die Zukunft -noch für Erscheinungen zeigt, welcher Aberglaube sich -von Neuem entwickelt, so sicher wir jetzt zu seyn glauben, -und, wenn ich meiner Aengstlichkeit folgte, so möchte ich -darum das Papier nicht aus meiner Hand geben. Es kann -auch Schaden stiften, so kindisch es ist. -</p> - -<p> -Lassen Sie, lieber Sohn, sagte der Alte, beunruhigen -Sie Ihren Geist nicht, wenn dergleichen auch geschehn könnte, -so ist es doch nur wie ein Steinwurf ins Wasser. Der Kreis -wird immer größer, aber verliert sich, wenn er sich am -weitesten ausgebreitet hat. So lange noch solche Geister in -Deutschland regieren, wie hier uns nahe Friedrich der Zweite, -und dort Joseph der Zweite, so lange noch ein Mann wie -Lessing schreibt und wirkt, haben wir Nichts zu fürchten. -Und warum sollen denn unsre Nachkommen eben wieder ausarten? -</p> - -<p> -Er schlug lächelnd das Papier zusammen, und freute sich -schon im Voraus, welche Erquickung Viele in jener Brüderschaft -aus ihm ziehen würden, die sich für Rosenkreuzer und Adepten -hielten, und so ernsthaft nach dem Stein der Weisen -forschten, wenn, wie der Obrist zu verstehen gab, auch wohl -Einige unter ihnen seyn mochten, die das Spiel nur mitmachten, -um andere, irdischere Zwecke durchzusetzen. -</p> - -<p> -Friedrich der Zweite, fing der Rath wieder an, ist alt, -vielleicht auf der Neige, und es ist möglich, daß er bald abgerufen -wird. Wissen wir denn auch, wie jene Gesellschaften, -über die wir jetzt nur lächeln, verbreitet sind, wie sie -in Zukunft ihre Netze weit hinausspinnen mögen? Daß andre -Brüderschaften gegen sie kämpfen, mag an der Zeit und -nothwendig seyn. Wie glücklich, daß ich alle diese Dinge, -die mich früherhin interessirten, und mein Leben in Bewegung -<a id="page-165" class="pagenum" title="165"></a> -setzten, hinter mir habe, und auf alle diese Strömungen -mit klarem gleichgültigen Auge hinab sehn kann. -</p> - -<p> -Der Bediente gab einen Brief ab, der eben von der -Post gekommen war. Das Siegel war wunderlich, und als -der Geheimerath den Brief durchgesehn hatte, sagte er: nun -wahrlich, sonderbar genug! Nicht gerade der berühmte Wunderthäter -Graf Feliciano wird zu uns kommen, aber doch -ein andrer seltsamer Mann, von dem auch schon oft die -Rede gewesen ist: jener Sangerheim, der sich ebenfalls berühmt, -große Geheimnisse zu besitzen, der auch Geister erscheinen -läßt, Todte und Abwesende befragt, und einen neuen -Orden gründet. -</p> - -<p> -Anton freute sich, da er vernahm, daß dieser Wundermann -ihr Haus zuerst besuchen würde, aber der alte Obrist -Dorneck wünschte, daß man sich mit dem Abentheurer nicht -einlassen möge. Sie wissen, lieber Sohn, beschloß er, wie -ängstlich Ihre Frau und Ihre Tochter bei solchen Gelegenheiten -sind, und es ist wahr, man kann niemals wissen, -welches Unheil uns mit solchen wirren Geistern über die -Schwelle schreitet. Sie haben ihre Bestimmung darin gesetzt, -die Menschen zu täuschen, und es ist nicht zu berechnen, auf -welche Art sie hintergehn, welche Schwächen, die wir selbst -nicht kennen, sie benutzen und erwecken, und wie weit wir -in ihren Wandel verflochten werden. -</p> - -<p> -Seien Sie ganz ruhig, lieber Vater, sagte der Rath -heiter; dieser Brief macht es mir unmöglich, den wunderlichen -Mann ganz abzuweisen, um so weniger, da ich so -vielen Andern mein Haus schon eröffnet habe; diese Bekannten, -die ich achten und schonen muß, und die mir diesen -Mann so dringend empfehlen, würden mein Betragen unbegreiflich -und sich beleidigt finden. -</p> - -<p> -Und, gestehn Sie nur, lieber Vater, rief Anton im -<a id="page-166" class="pagenum" title="166"></a> -frohen Muthe aus, daß Sie eben so neugierig sind, wie ich. -Nein, er komme nur, der große Wundermann, er prophezeie -uns, er zeige uns Geister, er grabe Schätze, was und so -viel er will, wir wollen Alles dankbar von ihm annehmen. -Ist doch außerdem schon lange nichts Neues vorgefallen, ist -doch im ganzen Europa Friede. Wollen sich die Lebendigen -nicht rühren, so müssen die Todten in Bewegung gesetzt -werden. -</p> - -<p> -Als die Mutter und Tochter bei Tische diese Neuigkeit -erfuhren, nahmen diese die Sache weniger heiter und leicht -auf, als die Männer. In ihrem stillen Rath war vorzüglich -Clara verdrüßlich und verstimmt. Wohin, sagte sie fast -weinend zur Mutter, soll es nur führen, daß wir unser Leben -so gar nicht für uns selbst einrichten und ableben sollen? -Der Vater hat nun, wie er sagt, alle diese Verbindungen -aufgegeben, und ist doch seitdem neugieriger und -gespannter auf Alles, was in dieser Art vorgeht, als ehemals, -— und mein Verlobter, dieser gute Schmaling, die -Leichtgläubigkeit selbst. Ist es wohl recht, den Wunderglauben -dieses Jünglings immer von Neuem aufzuregen? -Wissen wir denn, wie weit diese Sucht gehn kann, oder -vermögen wir es, ihr Schranken zu setzen? Wenn ich nachher -unglücklich bin, Schmaling verwirrt, und leidenschaftlich -aufgeregt, mit den geheimnißvollen Menschen verflochten: -wird mir denn ein Trost meines Vaters, oder ein Spaß -meines leichtsinnigen Bruders ersetzen können, was ich verloren -habe? -</p> - -<p> -Der Obrist trat zu ihrer kummervollen Berathung und -sagte, nachdem er die Klagen gehört hatte: Uebertreibt nicht -die Sache, Kinder, hier meine verständige Tochter, Deine -Mutter, kennt ja Deinen Vater, liebe Clara. Und Schmaling -wird Vernunft und guten Rath annehmen, er ist kein -<a id="page-167" class="pagenum" title="167"></a> -Kind. Glaube mir, meine liebe Tochter, es ist nicht gut, -wenn man immerdar dem Menschen alle Steine, an die er -sich stoßen könnte, aus dem Wege zu räumen sucht. Jede -Leidenschaft in uns, die es wirklich ist, muß wachsen, reifen, -und sich selber erkennen lernen. Der Mensch muß sie -dann aus eigner Kraft, nicht bloß durch fremde Hülfe zu -überwinden vermögen. Dann wird das, was wohl als -Thorheit erscheinen mochte, oft Kraft und Charakter, und -der Mann gewinnt in dieser Schule gerade seinen edelsten -Besitz. Wird er aber in der Jugend gehindert, ganz sich in -seinen Gelüsten kennen zu lernen, erfährt er gar nicht, wohin -sie ihn führen können, so bleibt er Zeitlebens ein Näscher, -der immer wieder von Neuem der Verführung ausgesetzt -ist. -</p> - -<p> -So muß, sagte die Mutter, dies die Geschichte meines -Mannes seyn. Denn glauben Sie mir nur, Vater, stelle -er sich, wie er will, hätte er nicht die vielen Geschäfte, die -ihm sein Amt auferlegt, und die ihm oft die Nächte rauben, -so würde er mit Heftigkeit Alles, was sich ihm aus dieser -sonderbaren Gegend des Geheimnisses anbietet, ergreifen. -Er meint, diesen Wunderglauben, die Geheimnißkrämerei, -ganz überwunden zu haben, aber ich habe ihn seit so vielen -Jahren beobachtet, und kenne ihn besser, als er sich selbst: -Alles reizt, Alles beschäftigt ihn. Er spräche vielleicht nicht -so oft, und mit solcher Bestimmtheit über diese Gegenstände, -wenn er seiner selbst ganz sicher wäre. Sie haben sich oft -verwundert, warum ich mit Ihnen und andern Freunden -nicht in den Wunsch einstimme, daß er seine Stelle niederlegen -und auf dem Gute leben möchte: ich kann es nicht, -aus Furcht, er könne sich in andre Geschäfte und Arbeiten -dann leidenschaftlich verwickeln, die weder so nützlich seyn -dürften, noch seinem Geist die Kraft und den Adel zuführen -<a id="page-168" class="pagenum" title="168"></a> -würden, mit denen wir ihn jetzt so freudig seinen Beruf erfüllen -sehn. -</p> - -<p> -Am folgenden Tage schon erschien Sangerheim, der -sonderbare Freund, als Gast im Hause des Geheimenrathes. -Er war ein schöner, großer und schlanker Mann, der eben -nicht viel älter als dreißig Jahr seyn konnte: sein Auge war -feurig, der Ton seiner Stimme wohllautend, und der Accent -des Ausländers, eine Fremdheit in seinen Manieren stand -ihm gut. Sein Wesen und seine heitre Gesprächigkeit gewannen -ihm auch bald das Wohlwollen, selbst das Vertrauen -des Rathes, indessen ihn der alte Obrist schärfer und mißtrauisch -beobachtete. Am meisten aber war ihm Clara aufsässig, -denn der junge Rath Schmaling war völlig in Rede -und Gespräch des merkwürdigen Fremden verloren. Ein Gelehrter, -Ferner, nahm Antheil an der Gesellschaft, so wie -der Arzt des Hauses, Huber, und Jeder beobachtete von -seinem Standpunkt aus den Reisenden, der sich Jedem mit -ungezwungener Offenheit mittheilte. Darum war auch Anton -heiter und gesprächig und die Mutter ließ bald ihren Widerwillen -fahren, mit dem sie zuerst sich am Tische an der -Seite des verdächtigen Mannes niedergelassen hatte. -</p> - -<p> -Als die Mahlzeit geendigt war, begaben sich die Männer -in ein andres Zimmer, und die Frauen verließen die -Gesellschaft. Nach einigen unbedeutenden Reden kam man -auf den Gegenstand, der Alle interessirte, da Jeder wünschte, -daß der Fremde von sich und seinem Treiben etwas Bestimmteres -aussagen möge. Schmaling machte sich vorzüglich -an den vorgeblichen Wunderthäter und nahm jedes Wort, -was dieser sprach, begierig auf; doch der Obrist, der mit -Clara Mitleid hatte, und ihre Aengstlichkeit gewissermaßen -theilte, suchte diese Gespräche zu stören. Ob es denn niemals, -fing er an, um die Unterredung zu lenken, irgend -<a id="page-169" class="pagenum" title="169"></a> -mit Sicherheit wird ausgemacht werden, wie alt diese weltbekannte -Gesellschaft der Freimaurer eigentlich sei. -</p> - -<p> -Vielleicht, antwortete der Rath, ist der ganze Streit -mehr um Worte und Buchstaben, als um die Sache geführt -worden. Mögen wir annehmen, daß dieses geheim öffentliche -Institut, wie es in unsern Tagen besteht, schon uralt -sei, daß es in frühern Jahrhunderten, unter ganz andern -Bedingungen, als andre Bedürfnisse waren und man die -jetzigen nicht kannte, habe daseyn können: behaupten wir dies -alles, und geben nur zu, wie wir es müssen, daß diese Vereinigung, -im Fall sie alt ist, sich völlig verwandelt und nach -den verschiedenen Zeiten auch verschiedene Zwecke beabsichtigt -habe, so ist mit dieser Einräumung auch der Streit, wenn -nicht völlig geschlichtet, doch beseitigt. -</p> - -<p> -Um so mehr, sagte Ferner, der Gelehrte, da wir es -selbst erlebt haben, wie in kurzen Zeiträumen sich viele Zwecke -der Brüder verändern, sie mit einander streiten, jede Sekte -die richtige und älteste Constitution zu haben vorgiebt, eine -Verfassung die andre verdammt, und immerdar neue Einrichtungen -die vorigen ablösen. -</p> - -<p> -Freilich, sagte der Rath, und so ist es nur Geheimnißkrämerei -und Sucht zum Wunderbaren, die Entstehung der -Gesellschaft hoch hinauf zu setzen, sie in andern Verbindungen -wieder erkennen zu wollen, und anzunehmen, daß Tradition -aus den ältesten Zeiten uns in dieser Einrichtung, -die oft sich so geheimnißvoll stellt, mit dunkeln Geschichten -und Sagen in unmittelbare Verknüpfung setzen könne. -</p> - -<p> -Und doch, sagte Schmaling, handelt es sich hierum -einzig und allein, oder die ganze Sache verliert ihr Interesse. -</p> - -<p> -Das Wunderbare, fuhr der Geheimerath fort, aber das -Interesse wohl nicht. Oder wir können es auch so ausdrücken: -<a id="page-170" class="pagenum" title="170"></a> -daß unsre Bildung eben dahin sich ausarbeiten soll, -um zu erfahren, was wir mit Recht wunderbar nennen. Es -fragt sich, ob dann nicht ein ganz umgekehrtes Verhältniß -erscheinen wird, daß alles jenes Wunder, welches unsre unerfahrne -Jugend reizte, uns gleichgültig oder lächerlich wird, -und wir das ächte Wunder da wahrnehmen, wo das blöde -Auge gar Nichts, oder das Gleichgültige erschaut. -</p> - -<p> -Sehr wahr, fuhr der Gelehrte fort, die Natur, das -Erkennen derselben, Kunst und Wissenschaft, das einfache, -edle Leben unschuldiger Menschen, die Gegenwart unverdorbner -Kinder, der Liebreiz des Frühlings, das Verständniß -der Poesie und die Fähigkeit, ihn, den Ewigen allenthalben -wahrzunehmen, hier findet der ächte Schüler das -Wunder und dessen Verständniß. Verwandelt der Schwärmer -dagegen Wissenschaft, Natur, ja seinen Glauben an den -Höchsten in ein Gespenst, sieht er mit seltsamen Grauen in -die Natur und den Geist des Menschen hinein, kitzelt er sich -mit dem Gefühl, durch Zahlen, Zeichen, willkührliche Worte -und Geberden Annäherung zu fremdartigen Geistern, ja -Herrschaft über sie zu erlangen, so ist er schon für das Verständniß -der Dinge und jene Freiheit des Geistes verloren, -die den gesunden klaren Menschen so liebenswerth und so -ehrwürdig macht. -</p> - -<p> -Gut gesagt, erwiederte Schmaling; aber er wird auch -hier an Worten und Zeichen sich zerstoßen, sein Geist wird -dürsten und verschmachten, und wenn er recht in das Innre -dieser scheinbaren Erkenntnisse eindringen will, so wird er -sich verirren, und wenn er erwacht, sich in einer tauben, -leeren Wüste wieder finden. Ist denn nicht eben jene Glaubensfähigkeit, -die sie Wunderglauben oder Wundersucht taufen -und schelten, die innerste Federkraft unsrer Seele? In -<a id="page-171" class="pagenum" title="171"></a> -ihr schlummert der Funke, der zu Licht und Flamme sich -ausbreitet und erhellt. — -</p> - -<p> -Mag es seyn, erwiederte der Rath, daß wir ohne diese -Fähigkeit des Glaubens, ohne dies Gefühl der Liebe und -eines unbedingten Vertrauens weder glücklich seyn könnten, -noch die Stufe der Menschheit erreichen, zu der wir bestimmt -sind. Diese einfache Liebe und Hingebung aber, -die zur Glaubenskraft erstarken soll, ist völlig von jenem -Vorwitz unterschieden, der ergründen, fassen und beherrschen -will, was dem Menschen versagt ist, und der sich, weil er -Nichts erobern kann, nun in das Gebiet der Nichtigkeit -stürzt, sich mit dem Schein und der Lüge verbindet, und so -den Geist des Menschen, seine Seele bis an die Selbstvernichtung -führt. Denn so kann man doch wohl das nennen, -wenn der Mensch für die nächste und unentbehrlichste Wahrheit -Träume und Hirngespinnste eintauscht. -</p> - -<p> -Jetzt nahm Sangerheim das Wort und sagte: Hier -aber ist es, wo der Streit ein wirklicher wird, denn es läßt -sich doch auch fragen: wer denn die Wahrheit zu solcher -stempeln soll? Demjenigen, der nüchtern und einfach fort -lebt, der sich niemals erhebt, dem dürfen die Wahrheiten -der Religion, wie die Ahndungen der Geisterwelt als leere -Träume erscheinen. Wer es aber erlebt und erfahren hat, -wie jedes Wort und jede Gestalt nur dadurch wahres Sein -erhält, daß sie vieldeutig sind, daß das Alltägliche und -Aeußere auf ein Inneres und Geheimnißvolles deutet, der -kann unmöglich alle höhere Forschung und Erkenntniß als -unzulässig abweisen, weil sich ihm das, was in früherer -Entfernung Traum und Aberwitz schien, nun näher gerückt, -deutlich in nahe Wahrheit, in die unerläßliche Bedingung -aller ächten Erkenntniß verwandelt. -</p> - -<p> -Schmaling gab dem Fremden die Hand, von diesem -<a id="page-172" class="pagenum" title="172"></a> -Worte hoch erfreut. Der Fremde fuhr fort: Ist es wahr, -daß diese ächten Geheimnisse, wie alles Große und Geistige, -schlecht bewahrt und mit falschem Sinne erkannt, verwahrloset -und durch Mißbrauch bis zur Sünde herabgewürdigt -werden können, so ist es gut und nothwendig, wenn sie sich -in dunkeln, tiefsinnigen Schriften dem Verständniß der blöden -Menge entziehn, wenn eine beschlossene Gesellschaft edler -Menschen sie als etwas Frommes und Heiliges bewahrt. -Es ist löblich und nothwendig, daß, da der Zutritt nicht -eigensinnig versagt werden kann, Prüfung und Läuterung -voran geht, und nur Auserwählte, die in verschiedenen untern -Graden bewiesen haben, daß sie der Erleuchtung fähig -und würdig sind, zum Lichte vordringen dürfen. So war -es seit uralten Zeiten, und diese Ueberlieferung bewahrt -unser Bund, und dies ist es, was wir versprechen können. -Darum werden jene andern nüchternen Sekten der Brüderschaft, -die alle nicht wissen, was sie wollen, von selbst verschwinden -und sich vernichten. -</p> - -<p> -Dieser Gesang, antwortete der geheime Rath, ist nicht -neu, er läßt sich von Zeit zu Zeit immer wieder vernehmen. -Die wahre ächte Maurerei, die ich für solche erkenne, -ist aber diesem Glauben und dieser Absicht völlig entgegen -gesetzt. -</p> - -<p> -Und diese ächte Maurerei? fragte der Fremde. Anton -trat hinzu und sagte: Darf ich, als der einzige Ungeweihte -hier, auch zugegen bleiben? — Der Vater erwiederte lächelnd: -Ich werde nichts verrathen, was nicht Jeder hören dürfte. — -Wie sich die Menschheit in Gesellschaft und Staat gebildet -hat, und diese nicht entbehren kann, so fühlte der Einsichtsvollere -doch auch zu allen Zeiten, daß mit diesem unendlichen -Gewinnst gegenüber ein Verlust verbunden sei, und seyn -müsse, der wohl eben so schmerzlich falle, als der Gewinn -<a id="page-173" class="pagenum" title="173"></a> -gegenüber erfreuen dürfe. Die Gesetze ordnen und zerstören, -die Religion erhebt und verfolgt, die Moral veredelt und -verdammt, und Alles in so großen Verhältnissen, so durchgreifend -und nach allen Seiten, daß es unmöglich scheint, -die Ausgleichung und Versöhnung dieser Wohlthaten und -Uebel zu finden. Religiöse, wie dichterische Sagen setzen -diesen unerläßlichen Zwiespalt schon vor alle Schöpfung hinaus; -Mystiker suchen aus ihm die Entstehung der Welt zu -erklären. Der Inhalt unsrer Religion ist die Lehre der -Versöhnung, um durch ein neues Räthsel das ältere zu -lösen. Schon die alte Mythologie und Dichtung der Griechen -wollte ebenfalls manche Schuld, grause Verbrechen, die -jedes Gesetz verdammt, zur Tugend, zur Aufgabe eines -Gottes machen, und Orest ist eine wundersame Frage an -den innern Geist, wie Timoleon in spätern Zeiten. Durch -alle Adern des Daseins dringt der Tod des nothwendigen -Buchstaben, und jeder Edle, sei er Fürst, Staatsmann, Krieger -oder Handwerker und Bauer, findet in seinem Leben -tausendfältige Gelegenheit, hülfreich zu seyn, wo Staat, Religion, -Gesetz und Lehre nicht ausreichen, um zu vermitteln, -wenn er seinen Sinn frei genug erhalten hat, und so das -Geistigste, das, was unantastbar seyn sollte, und was doch -immerdar verletzt werden muß, still und behutsam zu schützen. -Nur in den allerneuesten Zeiten war es möglich, daß verschiedene -Freigesinnte, edle Menschen darauf fielen, in einen -geheim öffentlichen Bund zusammenzutreten, um dieses Unsichtbare, -Unaussprechliche zu wirken, dieses ächte, große -Geheimniß zu bewahren, welches sich freilich niemals verrathen -läßt, weil es ganz geistiger Natur ist, das schon -verschwindet, indem man es nur in bestimmte Worte fassen -will. -</p> - -<p> -Anton sagte lebhaft: Ja freilich, so angesehn, ist eine -<a id="page-174" class="pagenum" title="174"></a> -solche Vereinigung verständiger Männer das Edelste, was -man sich denken kann: die ächte Aufklärung, um ein so oft -gemißbrauchtes Wort einmal in seinem wahren Sinne zu -brauchen. -</p> - -<p> -Der Vater winkte ihm freundlich, und fuhr fort: Wenn -Menschen, so gestimmt, sich zusammenfanden, so durften sie -hoffen, daß die Vereinigung ihre Gesinnungen stärken, ihnen -das Gute, was sie ausrichten wollten, erleichtern würde. -Der Unterschied der Sekten, der Glaubensmeinungen und -Stände hörte in dieser geistigen Gemeinschaft auf. Sie -konnten nicht darauf fallen, Etwas gegen den Staat zu -unternehmen, so sehr sie dessen Gebrechen fühlten, denn sie -hätten sich ja dadurch dem todten Buchstaben wieder hingegeben, -dem sie entfliehen wollten. Es genügte, klar zu sehn, -fein zu fühlen, den Leidenschaften und Vorurtheilen nicht zu -huldigen. Um so mehr Patrioten, um so weniger legten sie -Hand an, Räder auszuheben, oder die Maschine anders einzurichten. -Es genügte, daß sie ohne That und Kampf das -Gute wieder vorbereiteten; der Fromme mußte frei genug -seyn, um in und durch die Gesellschaft seine Sekte nicht verbreiten -zu wollen; noch weniger aber konnte es dem Aufgeklärten -beikommen, die Religion des Landes untergraben zu -wollen, nüchterne Freigeisterei zu befördern, oder feindselige -Gesinnungen zu verbreiten, er fühlte, daß Liebe, Milde, -Sanftmuth und Duldung genügten. Je frommer der Fromme -war, so weniger konnte er aber auch, als Mitglied solcher -Gesellschaft, den Satzungen eigensinniger Priester huldigen, -oder eine geschichtliche Form der Religion für etwas Anders -als Form und Buchstaben halten. In dieser ächten Loge -meines Sinnes, wie konnte es in ihr mehr als einen Grad -geben? Was hätten die Eingeweihten denn noch finden und -entdecken sollen? Genügte irgend einem dieses hohe, unsichtbare -<a id="page-175" class="pagenum" title="175"></a> -und unaussprechliche Geheimniß nicht, so stand er ja -in dieser Ungenügsamkeit wieder außen, und hatte Weihe und -Erkenntniß verloren. -</p> - -<p> -Und wo, wo, rief Anton lebhaft aus, wo sind diese ächten, -wahren Maurer zu finden, daß auch ich mich ihnen mit -allen meinen Kräften anschließe? -</p> - -<p> -Wo? antwortete der Vater; nirgend in aller weiten -Welt sind sie zu finden, nirgend und allenthalben; denn jeder -wahre Mensch ist dieses Salz der Erde, und ist ohne -Gesellschaft, Eid und Verbindniß dieser ächte Freimaurer. — -Als nun Christoph Wren in London die neue Loge stiftete, -oder nur neu belebte, ging von hier aus wohl eine Gesinnung, -oder eine ihr ähnliche aus, wie ich eben geschildert -habe. Unter jenen Freimaurern ist Ashmole der erste, der -davon spricht, und wenn er die Gesellschaft und Verbrüderung -eine sehr alte nennt, so mögen meinethalben die Baukorporationen -schon längst ihre Constitutionen und Symbole -gehabt haben, doch war dieser erlaubte und edle Kosmopolitismus -in dieser Gestaltung den früheren Jahrhunderten -unbekannt und unmöglich. -</p> - -<p> -Und wie selten, wie wenig mag er auch in England, -wie in Deutschland, zum Bewußtsein gekommen seyn, fiel -der Obrist Dorneck ein. In meiner Jugend schloß ich mich, -aus einem unbestimmten Wissenstriebe, Menschen an, die -sich für erleuchtet ausgaben. Die Gesellschaft war aber damals -nicht so ausgebreitet, wie jetzt, noch war sie in so viele -Sekten und Constitutionen getheilt. Schon die Menge der -Lehrlinge, die Kassen, die der Aufzunehmenden bedürfen, die -weltlichen Absichten, die sich mehr oder minder eingeschlichen -haben, machen jene Vereinigung, von der Sie, theurer Sohn, -sprechen, völlig unmöglich. Und es ist zu fürchten, wie es -denn auch schon begonnen hat, daß sich kluge Köpfe dieser -<a id="page-176" class="pagenum" title="176"></a> -Verbindungen bemeistern werden, um völlig das Gegentheil -aus ihnen zu machen, wozu sie bestimmt waren. Bemächtigt -sich erst ein solcher Schwindel der Zeit, so steht wohl -zu besorgen, daß ein viel schlimmerer Buchstabe mit tödtender -Kraft herrschen wird, als vormals in der äußern Welt, -und ihren Gesetzen, Gewöhnungen und Rechten. -</p> - -<p> -Wie gesagt, erwiederte der Rath, die Zeit erklärt und -erzeugt Alles. Manche Völker, vorzüglich Deutschland, waren -nach dem Frieden von 1648 in sich selbst matt zurück -gesunken, bei uns war alles öffentliche Leben dahin, das Interesse -für den Staat völlig abgeschwächt. Hier in Deutschland -konnte sich allgemach der Gedanke erzeugen, statt des -öffentlichen Geistes einen unsichtbaren still wohlthätig walten -zu lassen. Vielleicht, daß hie und da, auf kurze Zeit, die -ächte Maurerei, nach meinem Sinne, ausgeübt wurde. Entstellungen -zeigten sich früh, Mißbräuche schlichen ein, und -Alle ängstigten sich, geheim oder eingestehend, daß sie kein -sprechendes, faßliches Mysterium den wißbegierigen Lehrlingen -zu verrathen hatten, worin doch eben, daß sie dessen -ermangelten, ihr Wesen und ihr Stolz hätte bestehen müssen. -</p> - -<p> -Dieses Geheimniß, fiel der Obrist ein, hat mich schon -in meiner Jugend herumgejagt. Ich ließ mich früh aufnehmen, -und unser Meister vom Stuhl war denn auch ein -Wunderthäter. Bald war die Stadt, es war im Anfange -des Krieges, nicht sicher genug. Ein Schloß im Gebirge, -das einsam lag, ward zu den Versammlungen der Geweihten -auserlesen. Der geheimnißvolle Meister setzte uns junge -Leute immerdar in ängstliche Thätigkeit. Jetzt kam diese geheime -Botschaft, und nun jene, dieser große Monarch, dann -jener benachbarte Fürst waren dem Magus auf die Spur. -Nachtwachen, gerüstete Freunde, Waffen und Schwur sollten -den seiner Weisheit wegen Verfolgten beschützen. Eine berittene -<a id="page-177" class="pagenum" title="177"></a> -Garde umgab bei Tag und Nacht das Castell, und -streifte in der Gegend umher, um Kundschaft einzusammeln. -Je mehr wir uns ängstigten, je größer und erhabener erschien -uns unser Meister. Freilich waren auch einige prosaische -Zweifler unter uns, und diese folgten eben so unermüdet -der Spur des Betruges, wie wir der der Verfolgung, -und ermittelten endlich mehr als wir. Unser hohe -Magus war am Ende nichts, als der gemeinste Betrüger, -vom niedrigsten Stande, der sich schon früh vieler verächtlichen -Schelmereien schuldig gemacht hatte, und nicht einmal -Maurer war. Ein strenger, rechtlicher Mann nahm sich -nun unsrer an, und eine Zeitlang wollten und fühlten wir -Alle etwas Aehnliches, als Sie, Herr Sohn, uns vorher -geschildert haben. -</p> - -<p> -Die Sage, fing der Rath wieder an, ward nun beliebt, -daß die Freimaurerei eine Fortsetzung und neue Belebung -des alten Ordens der Tempelherren sei, der so willkührlich -und mit so vieler Grausamkeit aufgehoben wurde. Wie ich -schon aussprach, ich will über Dergleichen nicht streiten. Mögen -die Einsichtigen des Templerordens die Freimaurer ihrer -Zeit gewesen seyn, möglich, daß ihr Bund sich der fast allmächtigen -Hierarchie und dem weltlichen Despotismus widersetzte; -daß aber die neue Brüderschaft eine Fortsetzung des -vertilgten Ordens, unmittelbar von entflohenen Brüdern gestiftet, -sei, wird man niemals befriedigend nachweisen können. -Andre können mit demselben Recht die Wiklefiten zu Maurern -machen. Wohin wir sehen, giebt es Verbindungen in -der Geschichte, die sich der herrschenden Kraft mit Glück oder -Unglück, mit Gewalt oder heimlich widersetzen. Oft ist die -Weisheit und das Bessere beim Widerspruch; oft aber wird -dies auch früh vom Schlechten, Frevelhaften vertilgt. Warum -sollen, so verstanden, die ersten Albigenser nicht ebenfalls -<a id="page-178" class="pagenum" title="178"></a> -Freimaurer gewesen seyn? Daß sie Rebellen wurden, dazu -zwang sie vielleicht die zu rasche Maßregel der Kirche und -die Grausamkeit der Priester. Ich kann Nichts dagegen haben, -will man den Orden in den uralten Culdeern auf den -schottischen Inseln wiedererkennen, die sich schon in den frühesten -Jahrhunderten dem anwachsenden Papstthum widersetzten, -und eine reinere Lehre, ein ursprünglich ächtes Christenthum -zu besitzen glaubten. Warum will man die Gnostiker -ausschließen? Ja die jüdische Sekte der Essäer? Auch hindert -uns Nichts, die Pythagoräer dafür zu nehmen. Oder -die besseren der ägyptischen Priester: eben so Diejenigen, die -die ächte Lehre der Perser bewahrten. Man kann sich das -früheste Judenthum, oder selbst das religiöse Geheimniß der -Patriarchen so denken. Wie aber Abrahams Judenthum -(wenn man es so nennen will) ein ganz andres war, als -das der Pharisäer zu Josephus Zeiten, oder als jene jüdischen -Sekten, die die Kabbala und alle wunderlichen sinnreichen -Träume der Rabbinen annehmen und aus diesen erst -rückwärts die Propheten und Moses verstehn, so ist auch jene -willkührlich so genannte Freimaurerei von der neuesten noch -weit mehr unterschieden, und ihr völlig unähnlich. Denn so -können wir die Bundeslade, das verlorne Feuer, die wiedergefundenen -Bücher, und was wir nur wollen, willkührlich deuten, -und es geschieht der Sache nicht zu viel, wenn wir -Noahs Arche zu einer Loge machen, und den Gründer der -Brüderschaft in Seth, oder selbst Abel suchen. Ist man mit -Typen und Vorbildern zufrieden, so ist es keine so gar -schwere Kunst, aus Allem Alles zu machen, und es sollte -mich nicht großes Studium kosten, die Brüderschaft, ihre Geschichte -und Symbole aus der Comödie des Dante, oder aus -der wilden Prosa des Rabelais heraus zu deuteln. -</p> - -<p> -Scherzen Sie nicht, sagte der Gelehrte, es ist noch nicht -<a id="page-179" class="pagenum" title="179"></a> -aller Tage Abend, und wir können nicht wissen, welche Aufgaben -sich der Scharfsinn und die Combinations-Gabe unserer -Tage noch setzen werden. Es ist sonderbar genug, daß -die Säule Boaz noch niemals auf den vielbesprochenen Baffomet -ist gedeutet worden. -</p> - -<p> -Oder beide Säulen J und B, Jachin und Boaz, auf -Jacob Böhme, der doch gewiß bei den Parazelsisten und -Adepten der Brüderschaft eine große Rolle gespielt hat. -</p> - -<p> -Vielleicht, sagte Schmaling, da ich noch nicht durch viele -Grade gedrungen bin, erfahre ich künftig dies und noch mehr. -Könnte aber ein wissender Meister nicht neue Deutungen in -die Symbole legen? -</p> - -<p> -Dergleichen, erwiederte der Rath, ist vielfach geschehen; -und so sind durch Erklärungen Geheimnisse, und aus diesen -wieder neue Erklärungen entstanden, um eine Sache zu verwirren, -die nur in schlichter Einfalt wohlthätig und segensreich -seyn konnte. -</p> - -<p> -Wie kommt es nur, sagte Ferner, der Gelehrte, daß -man noch niemals die Schulen der Magie und Zauberei, -oder Nekromantik, Nekromancie, wie die Dichter des Mittelalters -sie nennen, für Logen gehalten hat? Nach Toledo in -Spanien, als dem Centrum und der wahren Universität oder -großen Mutterloge, weisen alte Gedichte hin. Kunststücke, -Zauberei, Verwandlung, Beherrschung der bösen und guten -Geister wurde dort gelehrt. Auf dem Vatikan liegt ein Gedicht -von den Heymonskindern und dem Zauberer Malegys. -Dieser lernt aus den Büchern eines andern Magus, Balderus, -die hohe Kunst, er besiegt nachher diesen und einen -andern berühmten Künstler Iwert; und so hätten wir denn -vielleicht hier wieder das I und B, was in der Maurerei -eine so bedeutende Rolle spielt. -</p> - -<p> -Halten Sie ein, Professor! rief Anton aus, sonst machen -<a id="page-180" class="pagenum" title="180"></a> -Sie noch alle unsre reisenden Taschenspieler zu Meistern vom -Stuhl, oder unbekannten Obern. -</p> - -<p> -Doch ohne allen Scherz gesprochen, erwiederte Ferner, -ich wundre mich, daß unter den vielen Maurern und Freunden -der Maurerei, von denen doch so viele Bücher gelesen -und für die Sache geschrieben sind, noch keiner sich die Mühe -gegeben hat, ein höchst merkwürdiges Gedicht aus dem Mittel-Alter -zu studiren, das, wenn irgend eins, eine Geheimlehre -enthält, ein Christenthum, Mythe und Symbolik, die gewiß -nicht mit den herkömmlichen und angenommenen der katholischen -Kirche übereinstimmen. Dieses Gedicht heißt „die -Pfleger des Graal,“ und besteht aus zwei Theilen, wovon -der erste Parzifal, und der zweite Titurell genannt wird. -Dieser heilige Graal ist ein Geheimniß, das nur Eingeweihten -zugänglich und verständlich ist, eine Erfüllung aller -Wünsche, eine Heiligung alles Menschlichen und Irdischen, -er giebt Gesundheit, Leben, Freude und Glück. Durch Forschen, -Fragen, wenn der Ritter zufällig in den Saal tritt -und aufgenommen wird, macht er sich des Mysteriums würdig, -und der junge Parzifal, weil er zu bescheiden ist, verscherzt -in früher Jugend auf lange durch sein Stillschweigen -diesen Besitz. Die Heidenschaft und der Calif der Muselmänner -erscheinen nicht so feindlich und gehässig, wie in den -übrigen Gedichten des Zeitalters. Eine kirchliche christliche -Gemeinschaft der Frommen und Edlen, eine mystische Lehre -wird vorgetragen, die selten mit dem allgemein Gültigen jener -herrschenden Kirche überein zu stimmen scheint. Auch -der Tempel und die Baukunst sind mystisch behandelt und -sind dem Werke höchst wichtig, wenn gleich die heilige Masseney, -die Tempelherren oder Tempeleise ganz in Art und -Weise der Ritterwelt dargestellt sind. Auch der Priester -Johannes spielt eine große Rolle, und Alles bezieht sich in -<a id="page-181" class="pagenum" title="181"></a> -verschiedenen Richtungen auf Johannes den Evangelisten. -Wie sehr der Täufer bei den Maurern gilt und geehrt wird, -ist bekannt, und, wenn sie wirklich älteren Ursprunges seyn -sollten, so ist wohl noch zu untersuchen, ob nicht ursprünglich -der Evangelist gemeint sei. Die Forschungen über dieses -tiefsinnige Gedicht des Mittelalters sind auch in anderer Hinsicht -noch lange nicht abgeschlossen, und der Maurer, der die -Geschichte der Poesie kennt, dürfte hier auf manche Entdeckung -gerathen, die seinem gläubigen Vorurtheil mehr und stärkere -Waffen gäbe, als jener Sanct Albanus, der die Bauleute in -England zuerst beschützte, oder der Prinz Edwin, oder die -Culdeer, Wiklefiten, oder was man nur sonst in die Untersuchung -gezogen hat. -</p> - -<p> -Mir fällt eine Frage ein, sagte Anton: hat man noch -nie den sinnigen Shakspeare zum Maurer gemacht? Viele -seiner Sprüche, z. B. „es giebt viele Dinge im Himmel und -auf Erden, von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen -läßt“ hat man oft genug gebraucht und gemißbraucht. Es -ist aber bekannt, daß der edle Philipp Sidney ein Freund -und Beschützer des berühmten und berüchtigten Jordanus -Bruno war, den man nachher als Ketzer in Italien verbrannte. -Wie, wenn diese beiden Männer ächte Maurer -gewesen wären, und in jener merkwürdigen Zeit eine Loge -gestiftet hätten, in welcher unser Shakspeare später wäre -aufgenommen worden? In dem kleinen London und in einem -kurzen Zeitraum von dreißig Jahren waren so viele -große und herrliche Männer, wie sich nur selten auf Erden -so enge zusammen drängen. -</p> - -<p> -Jetzt stand Huber, der Arzt, auf und sagte: ich habe -bis jetzt geschwiegen, weil ich nicht andern Meinungen voreilen -wollte. Dieses Geheimniß eines Nicht-Geheimnisses, -wie es unser Freund Seebach ausgeführt hat, will mir keinesweges -<a id="page-182" class="pagenum" title="182"></a> -gefallen. Es sei, daß die Maurerei Nichts gegen -Staat und Religion unternehmen soll, und daß wir deshalb -jene frühen englischen Logen tadeln mögen, von denen die -Sage berichtet, daß sie unter Cromwell bedeutend zur Wiedereinsetzung -der Stuarts mitgewirkt haben. Aber eben dadurch, -daß der Maçon von Politik und Kirche sich zurückhält, -um nicht zu stören, ist ihm ein so größerer und schönerer -Wirkungskreis in der Natur eröffnet. Weisen wir die -früheren Sagen von Adepten ab, so ist eben jener Elias -Ashmole, der einer der frühesten authentischen Maurer der -neuen Zeit ist, zugleich als ein Freund der Astrologie und -der Verwandlungskunst bekannt genug. Beschäftigen sich also -die Universitäten, um die Jugend nicht irre zu führen, mit -der Naturwissenschaft in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes, -so ist es um so erfreulicher, wenn ein Kreis erfahrner -Männer, zum Geheimniß durch Wort und That verbunden, -jenen Geist aufsucht und herbeiziehn will, jene Kraft, Wunder -zu wirken, die wohl schon sonst auserwählten Sterblichen -beigewohnt hat, kurz, sich in dem zu üben und zu vervollkommnen, -was gemeinhin Magie genannt wird. Diese Wissenschaft, -die Natur aufzuschließen und sie zu verwandeln, -ist des Strebens der Edelsten nicht unwürdig. Es ist leichter, -sie zu verlachen, als die Meister dieser Kunst und die -Anschauungen, die uns entgegen kommen, abzuweisen und zu -widerlegen; und namentlich die Kunst des Adepten, Gold -zu machen, den Stein der Weisen hervor zu bringen. Die -nüchterne Welt kennt nur einen Weg, indem sie die Erzählung -von Flamel als Lüge verschreit, was Paracelsus erzählt -und ein Mann wie Helmont betheuert, Mährchen nennt, den -tiefsinnigsten der Philosophen, Jacob Böhme, nicht anhört -und versteht, und Alles, was in unsern Tagen ein erleuchteter -Saint Martin begeistert predigt, nur mit mitleidigem -<a id="page-183" class="pagenum" title="183"></a> -Achselzucken beantwortet. Aber ist es denn nun schon unwidersprechlich -dargethan, daß uns Saint Germain belog und -betrog? Die Kunst, Gold aus andern Metallen zu machen, -scheint so nahe zu liegen, da wir so viele Verwandlungen -hervor bringen können. Sie soll ja nur den Meister beurkunden, -ihm seinen Meisterbrief schreiben, als einen Beweis, -daß er die Natur bezwungen hat, und sie beherrscht. Die -moralische Besserung und Vergeistigung des Menschen ist -die höhere Kunst des Adepten. Aber Wunder zu glauben, -in der Vorzeit, um Religionen und Heilige zu bekräftigen -und ihrem Wirken Glauben zu verschaffen, und anzunehmen, -daß diese Kraft erlöschen müsse, und in unsern Tagen und -niemals wieder erweckt werden könne und dürfe, heißt, um -mich gelinde auszudrücken, auf das Mindeste sehr inkonsequent -glauben und lehren. Mein Freund Seebach kennt -meine Ueberzeugung, die ich hiemit wiederhole. — -</p> - -<p> -Jetzt nahm Sangerheim, der Reisende, wieder das -Wort: Wie die Kunst der Verwandlung das eine Unterpfand -des Maurers und Meisters ist, so ist die Macht über die -Geister die zweite Beglaubigung, daß er Bahn gewonnen, -und den Sieg im Laufe errungen hat. Diese Hoheit ist -dem ächten Schüler der Weisheit seit uralten Zeiten überkommen, -von alten Meistern und Obern, und jeder Lehrling, -der sich in der Prüfung würdig erweiset, kann dies Siegel -der Vollendung erringen. Wenn die Rosenkreuzer diesem -hohen Berufe nachstreben, so ist es löblich, erringen sie ihn, -dann ist ihre Kunst und ihr Weg der wahre. Er ist aber -nicht der meinige. Doch werde ich den würdigsten Brüdern, -die schon erfahren sind, gern, wenn sie Glauben und Vertrauen -haben, die Weihe nach Graden der Prüfung zukommen -lassen. Doch bin ich hierin ganz der entgegengesetzten -Ueberzeugung des Herrn von Seebach. Ein einziger Grad -<a id="page-184" class="pagenum" title="184"></a> -ist keiner; was diese Freimaurerei will und soll, kann Jeder -am besten isolirt und ohne alle Verbindung erlangen. -</p> - -<p> -Schmaling sah begeistert aus und drängte sich an den -Fremden, auch der Arzt Huber gab ihm die Hand. Auf der -Seite des Rathes blieben der Obrist, der Gelehrte und Anton. -So war in dieser kleinen Gesellschaft ein Gegensatz -von Meinungen, die sich auf keine Weise vermitteln ließen. -</p> - -<p> -Man trennte sich, und beim Abschiednehmen bat der -geheime Rath den Fremden, der so große Dinge ankündigte, -noch etwas zu verweilen. Er trug ihm seine Verlegenheit -vor in Ansehung des verlornen Dokumentes und schloß dann: -Getrauen Sie sich wohl, durch Ihre übernatürliche Wissenschaft, -deren Sie sich rühmen, mir diesen Bogen, an dem -mir so viel gelegen ist, wieder zu verschaffen? -</p> - -<p> -Sangerheim, der bisher in der Gesellschaft bescheiden in -Wort und Haltung gewesen war, richtete sich jetzt stolz auf -und sah den Rath mit einem kühnen Blick von oben herab -mit seinen feurigen Augen an und sagte: Ist dies nur eine -leere Erfindung, um mich zu prüfen, so dürfte es schlimm -für Sie ausgehn, wenn ich jene Kräfte für diese Unwahrheit -in Thätigkeit setzte; ist es Wahrheit, was Sie mir sagten, -so verspreche ich Ihnen meine Hülfe. -</p> - -<p> -Seebach erzählte ihm umständlicher die Sache, den Inhalt -des Dokumentes, wie lange er es besessen, und daß es -jetzt zur günstigen Entscheidung des Prozesses unentbehrlich -sei. Ich glaube Ihnen, sagte Sangerheim, und spreche Sie -morgen Nachmittag in der vierten Stunde. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Am folgenden Abend war der Rath im Kreise seiner -Familie, kein Fremder war zugegen, auch Schmaling fehlte. -Es war sichtbar, daß er nachdenkend war und an den Gesprächen -<a id="page-185" class="pagenum" title="185"></a> -der Uebrigen nur wenigen Antheil nahm. Der -Obrist sagte endlich, als er in die Fröhlichkeit der Uebrigen -nicht einstimmte: Was ist Ihnen, Lieber? Wir fangen uns -an zu ängstigen; theilen Sie uns Ihren Kummer oder Ihre -Leiden mit. -</p> - -<p> -Es ist nichts dergleichen, erwiederte der Vater, ich sinne -nur darüber nach, wie man so nach und nach alt wird, und -doch niemals ausgelernt hat. Ich glaubte über Alles, was -man Wunderglauben nennt, hinaus zu seyn, und war selbst -in meiner Jugend dieser Schwachheit nicht ausgesetzt: und -nun berührt mich Etwas so stark, daß ich mich vor mir selber -fürchte, wenn der Ausgang sich so ergeben sollte, wie er -mir ist versprochen worden. -</p> - -<p> -Die Mutter und Tochter sahen sich mit bedeutenden -Blicken an, Anton war gespannt und der Obrist sagte: Nun, -Werthester, was ist Ihnen versprochen? Dürfen Sie es uns -mittheilen? -</p> - -<p> -Es ist mir nicht verboten worden, erwiederte der Vater. -Gestern, als wir uns trennten, erzählte ich dem Fremden -von dem verlornen Dokument. Er schien erst unwillig, -weil er die Sache für Erfindung hielt, ihn auf die Probe -zu stellen. Wie er meinen Ernst sah, versprach er mir heut -Nachmittag Antwort zu geben. Er erschien, und seine erste -Frage war, ob ich nicht in der Stadt noch ein andres Haus -besäße. Ich bejahte, wir gingen hin und er betrachtete die -Zimmer und den Saal, welche leer stehen, da ich immer -noch unentschlossen bin, ob wir hinüber ziehn. Er ließ sich -ein drittes Zimmer aufschließen, eilte hinein, und indessen -ich noch draußen verweilte, und die Gemälde betrachtete, -hörte ich drinnen Geräusch, wie von verschiedenen Menschen, -auch Stimmen durch einander. Ich eilte durch die offenstehende -Thüre, und fand meinen Fremden allein in der -<a id="page-186" class="pagenum" title="186"></a> -Mitte des Zimmers, tief sinnend. Er bemerkte mich erst -nicht, dann sagte er: Gehn wir morgen in der Mittagsstunde, -zwischen Zwölf und Eins, wieder hieher, und ich -hoffe Ihnen etwas Bestimmteres sagen zu können. Wir -verließen das Haus, und ich fragte ihn, ob er es erlaube, -daß uns noch Jemand begleite. Sehr gern, erwiederte er, -nur bitte ich, dem jungen Herrn Schmaling vorerst nicht die -Sache mitzutheilen, oder ihn zum Begleiter zu wählen, er -ist zu heftig, er schwärmt und würde mich stören; vielleicht -geht Ihr zweifelnder Sohn mit uns. — Seht, Freunde, das -ist mir heut begegnet, und Ihr müßt gestehn, daß, wenn dieser -Mensch ein Betrüger ist, er einen neuen und originellen -Weg erwählt. -</p> - -<p> -Aber wie ein Betrüger? sagte der Obrist: wenn er -Ihnen wohl morgen schon das Dokument schafft, oder Ihnen -eine bestimmte Antwort giebt. -</p> - -<p> -Das wird er eben nicht thun, antwortete der Rath, er -wird morgen mit einer neuen Zweideutigkeit mich abfertigen, -mich wieder auf einen andern Tag vertrösten, und, wenn er -meine Leichtgläubigkeit, oder meinen Charakter bei dieser -Spannung beobachtet und kennen gelernt hat, mich mit diesen -oder jenen Mährchen abspeisen, von denen er glaubt, daß -sie mir zusagen. Alles das sage ich mir und wiederhole es -mir, und doch kann ich es mir nicht leugnen, daß ich ungeduldig -die Stunde des Wiedersehens erwarte, daß ich mir -jenes seltsame, unbegreifliche Geräusch in der Erinnerung -wiederhole, und darüber sinne. Es war, wie von vielen -Menschen, wie Zank und Streit, ja Thätlichkeit, verschiedene -Stimmen antworteten sich heftig, so daß ich erstaunt die halb -angelehnte Thür öffne, in der sonderbaren Erwartung, viele -fremde, heftige Menschen in Gezänk in meinem verschlossenen -Zimmer zu finden, und ihn doch nur allein still in der -<a id="page-187" class="pagenum" title="187"></a> -Mitte des Raumes stehen fand. Es war Tag, nicht Mitternacht, -keine Vorbereitung war vorangegangen, ich kenne -das Haus und er nicht, — wie soll man darüber denken? -</p> - -<p> -Lassen wir es, sagte Anton, bis morgen; die Stunde ist -nicht so gar entfernt, und erlauben Sie mir, Sie zu begleiten. -</p> - -<p> -Keine Kreise gezogen? fiel der Obrist ein: kein Zauber-Apparat? -keine Citation? Sonderbar genug. Jenes habe -ich auch einmal in meinem Leben gesehn und mitgemacht, -und es wies sich nachher als Betrügerei aus, aber man hatte -uns, die wir zugelassen wurden, durch Geheimniß, Rauchwerk, -Gebet, Fasten und Kasteiung so exaltirt und betäubt, -daß unsere Imagination dem Magus schon auf drei Viertheil -seines Weges entgegen ging. -</p> - -<p> -Als die Mutter in der Nacht mit der Tochter bei einer -häuslichen Arbeit verweilte, sagte sie: Ich kann Dir nicht -beschreiben, wie widerwärtig mir diese Geschichte ist, die sich -da anspinnt. Wir waren einige Jahre so ruhig, und nun -wird Dein Vater wieder in solche Verwicklungen und Gedanken -hinein gezogen, die ich auf immer für abgethan hielt. -Er meint, er hat Alles überwunden, und läßt sich immer -wieder von Neuem anlocken. Was ist es nur im Menschen, -das der Vernunft zum Trotz, auf die sich die Meisten doch -so viel einbilden, immer Herz und Phantasie in das Seltsame -und Unbegreifliche hinüberzieht. Ich habe noch keinen -Menschen gekannt, der nicht abergläubig gewesen wäre. -</p> - -<p> -Möchten sie es doch, antwortete Clara, denn ich bin es -auch; und wie kann man sich gewissen Wahrnehmungen oder -Eindrücken mancher Träume, den Vorahndungen und dergleichen -entziehn; wenn sie nur nicht mit ihrer scheinbaren -Philosophie so bedeutende Schlüsse aus Kindereien zögen, -und so schwerfällige Systeme darauf erbauten. So Vieles -<a id="page-188" class="pagenum" title="188"></a> -im Leben hat nur dadurch einen Sinn, daß es eben mit -nichts Anderm zusammenhängt, daß es Nichts bedeutet. Sie -wären aber im Stande, in einem Seufzer oder Kuß das -ganze Universum zu lesen, und die Ewigkeit der Höllenstrafen -daraus zu beweisen. Nun, meinen Schmaling werden mir -die Geisterseher schön zurichten. Wären die Menschen doch -nur damit zufrieden, ihren eignen Geist kennen zu lernen. -Weil es aber da eben hapert, so sind sie freilich gezwungen, -so viele fremde herbei zu zitiren, um den eignen zu verstärken. -</p> - -<p> -Am Morgen waren Alle beim Frühstück sehr einsylbig. -Selbst Anton konnte sich nicht verbergen, daß er in einer -Spannung sei, die seinem Wesen sonst ganz fremd war. -Gegen zwölf Uhr erschien Sangerheim. Unterwegs sagte er: -Ich bitte Sie, von dem, was Sie vielleicht sehn werden, -nicht zu laut und gegen Jedermann zu sprechen. Was geht -die Menge und das unwissende Volk unser Wesen an? -</p> - -<p> -Das große Haus des Rathes lag in der Vorstadt. Es -stand leer, weil die Familie Willens war, hieher zu ziehn. -Dies hatte freilich sein Beschwerliches, wenn Seebach sein -Amt nicht aufgab. So war es geschehn, daß man es in -dieser schwankenden Unentschlossenheit seit Jahren nur selten -besucht hatte. Der Rath öffnete und verschloß hinter sich -die Thüren wieder. Im Saale angelangt, ging Sangerheim -wieder in jenes Zimmer, in welchem er gestern schon gewesen -war. Er ließ die Thüre hinter sich halb offen, Anton -und der Vater blieben im Saal. Plötzlich hörten beide -ein verwirrtes Getöse, wie Schlagen an den Tapeten und -Degenklirren, dann Gespräch, Gezänk, Hin- und Widerreden -verschiedener Stimmen; auf verschiedene Fragen, die der -Magus that, hörte man ein bestimmtes: Nein! nein! Es -geschieht nicht! näher und ferner ertönen. Endlich erfolgte -<a id="page-189" class="pagenum" title="189"></a> -ein Knall, wie von einer Pistole; Beide stürzten in das -Zimmer und der Magus stand in der Mitte, in heftiger -Bewegung und erhitzt. Er faßte die Hand der Eintretenden -und sagte: Nur bis heut Abend lassen Sie mir Zeit und -ich sage Ihnen Gewißheit. Noch widerspricht man mir, man -will nicht nachgeben, aber es wird sich ändern, wenn ich in -meiner Wohnung noch eine Operation vorgenommen habe. -Sie trennten sich und Anton wie der Rath kamen nachdenklich -zu ihrer Familie zurück, die sie mit Aengstlichkeit erwartete. -</p> - -<p> -Anton sagte: Der Mann ist ein recht künstlicher Taschenspieler, -der einige neue Stücke gelernt hat, die die Uebrigen -noch nicht wissen. Man schwört darauf, daß man verschiedene -Menschen oder Geister vernimmt, man hört ein Rauschen -und Schwirren, Rasseln und Prasseln, wie ein Handgemenge, -endlich sogar einen bestimmten Pistolenschuß, aber -es ist kein Dampf oder Geruch vom Pulver zu spüren. Das -Unkluge bei dieser Geschicklichkeit scheint mir nur darin zu -bestehn, daß er sich immer so kurze Termine setzt, so daß -sich seine Vertröstungen schnell wiederholen und bald ermüden -müssen. Mit den beiden Kunststücken von heut und gestern -hätte er uns wenigstens einige Wochen hinhalten können. -</p> - -<p> -Es kann nicht so seyn, wie Du es Dir denkst, sagte -der Vater. Er muß auf Etwas fußen, das ihn so sicher -macht. Wäre die Sache, wie Du sie schilderst, so müßte er -übermorgen oder in einigen Tagen beschämt abziehn, denn -ich habe mich wohl gehütet, irgend großes Erstaunen oder -entgegenkommende Leichtgläubigkeit merken zu lassen. Gab -er sich doch auch nicht einmal die Mühe, uns auszufragen, -so beschäftigt war er mit sich selber. Ihm selbst ist es Ernst, -und seine Aufmerksamkeit ist ganz auf die Sache, nicht auf -uns hingerichtet. -</p> - -<p> -<a id="page-190" class="pagenum" title="190"></a> -Du bist schon bekehrt und gläubig, sagte die Mutter. -</p> - -<p> -Unmöglich, Liebe, antwortete der Rath, denn ich glaube -noch gar Nichts, auch giebt es noch Nichts zu glauben, sondern -ich bin nur erstaunt, und kann in dieser verwirrenden -Verwunderung meine Seelenkräfte noch gar nicht wiederfinden. -</p> - -<p> -Das ist vielleicht, bemerkte Clara, die beste Stimmung, -um Wunder zu glauben. -</p> - -<p> -Kinder, sagte der Vater mit einiger Empfindlichkeit, -tragt ihr nicht auch dazu bei, meine Unruhe zu vermehren. -Mein ganzes Leben hindurch habe ich gegen den Aberglauben -gekämpft, und es soll der Thorheit wenigstens mich zu besiegen -nicht so leicht werden, als ihr es für möglich zu halten -scheint. Gelingt es dem vorgeblichen Magus, uns diese -große Summe zu retten, so sind wir ihm ohne Zweifel -Dank schuldig: kann er es nicht möglich machen, was er, -fast mit sicherm Versprechen, unternahm, so will ich denn -auch nicht weiter grübeln, wie er die sonderbaren Stimmen -und das seltsame Geräusch hervorbrachte. -</p> - -<p> -Alle waren scheinbar beruhigt, als der Rath, indem sich -eben jeder in sein Schlafzimmer begeben wollte, folgenden -Brief noch in dieser nächtlichen Stunde erhielt, der der ganzen -Familie Ermüdung und Ruhe nahm: -</p> - -<p> -Da es nicht bloß eine Aufgabe fürwitziger Neugier war, -was meine Kräfte und Kenntnisse in Anspruch genommen -hat, da die Wohlfahrt einer hochachtungswürdigen Familie -gewissermaßen an die Erfüllung meines etwas voreiligen Versprechens -geknüpft ist, so hat der Widerspruch und Starrsinn -Derer nachgelassen, von denen Sie heut, wenn Jene auch -nicht sichtbar wurden, einige Kunde empfingen. Nicht unmittelbar, -aber nach einigen kleineren Zimmern, die verschlossen -blieben, muß sich in jenem Hause, zu dem Sie mich -<a id="page-191" class="pagenum" title="191"></a> -heut führten, noch ein Kabinet befinden, dessen Fenster auf -den Garten gehn. In diesem Kabinete ist ein Wandschrank, -dem Auge nicht sichtbar, der sich durch den Druck einer Feder -öffnet. Nimmt man hier einen gewöhnlichen Kasten heraus, -so zeigt sich unten ein Schieber, unter welchem sich dieses -Papier, nebst einigen andern Schriften, wohl finden wird. -</p> - -<p> -Bei den letzten Worten, indem der Rath den Brief laut -vorlas, schlug er sich mit der flachen Hand heftig vor den -Kopf, ward glühend roth und plötzlich wieder todtenbleich, -und rief mit lauter Stimme: O ich Dummkopf! Und daß -ich es vergessen konnte! Und daß mir ein ganz fremder -Mensch, von dem ich niemals in meinem Leben Etwas gehört -habe, mir so auf meine Erinnerungen helfen muß. -</p> - -<p> -Die Frauen, so wie Anton und der Obrist, waren um -so mehr erstaunt und erschrocken, da sie niemals, obgleich sie -das Kabinet kannten, von diesem heimlichen Wandschrank -Etwas erfahren hatten. Vergebt mir dies Verschweigen, -sagte der Vater, es ist mir eigen und eine Gewohnheit, die -ich von Jugend auf hatte, auch vor meinen Nächsten und -Vertrautesten noch Etwas geheim zu halten. So habe ich -mir in jenem Hause diesen Versteck, um den kein Mensch -wußte, angelegt. Er ist so künstlich gemacht, daß, wenn -man die Sache nicht weiß, ich auch das schärfste Auge auffordern -will, die Feder nur zu entdecken, die die Wand eröffnet -und verschließt. Vor vier Jahren, wißt ihr, wohnten -wir Alle drüben, weil dies Haus hier ausgebaut und -anders eingerichtet wurde. Indem wir wieder herüber zogen, -fiel jene Reise vor, die ich eiligst in Angelegenheit meines -Fürsten machen mußte. Ich arbeitete die ganze Nacht, ohne -fast Nahrung zu mir zu nehmen. Auch meine eigenen Sachen -ordnete ich, und jenes Dokument war mir wichtig genug. -Ich nahm es, so war ich fest überzeugt, mit mir hier -<a id="page-192" class="pagenum" title="192"></a> -herüber, verschloß es in das geheime Schubfach meines -Schreibepultes, reisete ab, und kam erst nach drei verdrüßlichen, -arbeitsreichen Monaten zurück. Ich fand, so glaubte -ich, alle meine wichtigen Papiere in Ordnung, und, sei es -die Reise, mag es von den Kränkungen herrühren, die ich -erlitten hatte, ihr wißt, daß ich in ein tödtliches Nervenfieber -verfiel, von dem ich nur schwer und langsam wieder -genas. In dieser schlimmen Zeit hatte ich mein Gedächtniß -ganz verloren. Als ich wieder zum Leben erwachte, war es -mir die bestimmteste Ueberzeugung, daß ich das Dokument -hier aufgehoben, und seit meiner Rückkehr schon mehr wie -einmal gesehn hatte. Darum wurde ich eben ganz verwirrt, -als es nun, nach Jahren, die wichtige Sache entscheiden -sollte, und sich nirgend antreffen ließ. — Doch laßt schnell -anspannen, so spät es ist, ich will noch in der Nacht jenen -Wandschrank untersuchen. -</p> - -<p> -Es wurde dem Kutscher eiligst der Befehl gegeben. — -Wie kam es nur, fragte der Obrist, daß Sie, auch nur -aus müßiger Neugier, jene Stelle drüben im Hause nicht -untersuchten, und so zufällig das Papier fanden? -</p> - -<p> -Sie wissen ja, antwortete der Rath, wie der Mensch -ist. Hier diesen Schrank, die Zimmer des Hauses hier kehrte -ich mehr als einmal um, ich suchte mit Heftigkeit an allen -unmöglichen Orten, war aber so fest und unwidersprechlich -überzeugt, daß ich das Heft von dort nach der Stadt genommen -hatte, daß ich mich selbst über die Frage als wahnsinnig -verlacht haben würde, ob der Schrank es noch bewahren -könne. Und außerdem — — der Rath zögerte, und als -der Obrist in ihn drang, fuhr er fort: Lieber Vater, jene -Wand enthält außerdem alle Beweise und Erinnerungen meiner -jugendlichen Schwärmereien und Thorheiten, viele Arbeiten, -die ich als Schüler dieses und jenes geheimen Ordens -<a id="page-193" class="pagenum" title="193"></a> -entwarf, Abschriften aus seltenen Büchern, kabbalistische Rechnungen, -Recepte zur Tinktur, und was weiß ich Alles. Eins -jener tollen Blätter hatte sich zufällig hieher verirrt, das ich -jetzt an eine andre Behörde geschickt habe, wo man es vielleicht -mehr achten wird, als hier geschah. Diesen Wust habe -ich seit Jahren nicht angesehn, weil mir davor graut. Denn, -gestehe ich’s doch, ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, -daß ich nicht hie und da lesen und wieder lesen sollte, wenn -ich mich einmal der Truhe nähere. Und bezwingt mich auch -das Material des verwirrenden Inhalts nicht, so ängstige -ich mich doch mit Recht, mich wieder in alle jene Stimmungen -und Zustände zu versetzen, in welchen ich jenes -Zeug zusammengeschrieben habe. -</p> - -<p> -Der Wagen fuhr vor, und der Rath, Anton und der -Obrist stiegen ein. Als sie allein waren, warf sich Clara -der Mutter, heftig weinend, an die Brust. Wie ist Dir, -mein Kind? fragte die Mutter. Ach, Liebste! erwiederte -Clara, Sie werden mich vielleicht schelten, daß ich bei diesen -Sonderbarkeiten, bei diesen Dingen, die uns Alle so gewaltsam -aufregen, etwas recht Albernes sage. Ich kann -Alles das nicht leiden. Sie sehn, wie gemein es klingt, aber -ich kann keinen andern Ausdruck finden, mag ich auch suchen, -wie ich will. Wenn das Alles ist (und es ist ja vor unsern -Augen da, wir können es nicht mehr ableugnen), so ist mir -das Leben selbst widerwärtig. Mir entgeht alle Sicherheit, -alle Lust zu denken und zu handeln, denn meine Freude war -es eben, daß Alles so unbewußt sich bewegt und genießt, -daß jedes Gefühl, jeder Gedanke um sein selbst willen da -ist. Nun soll Alles Zusammenhang haben, sich geistig auf -einander beziehn. Es ist mir unerträglich, so mit Gespenstern -in innige Verbindung zu treten. Gespenst! Ist denn -so was nicht der ächte Gegensatz, der völligste Widerspruch -<a id="page-194" class="pagenum" title="194"></a> -mit Geist? Sehn Sie, Liebste, das Alles handthiert nun so -gewaltsam in meinem Innern, daß ich lieber gleich im Fieber -selbst phantasiren möchte, als von diesen Sachen hören: -und nun gar sie erleben müssen! -</p> - -<p> -Tröste Dich, beruhige Dich, mein Kind, sagte die sorgende -Mutter, Du sprichst schon, wie im Fieber. Ich glaube -Dich zu verstehn, und doch scheinen mir Deine Ausdrücke zu -herbe. Alles, was Du so schmähst, macht ja für viele verständige -Männer den Reiz des Lebens aus. Wie Vieles -würde mancher der Besten darum geben, wenn er sich durch -dergleichen Wunder überzeugen könnte, die uns geboten worden, -und die wir so wenig suchten, daß man sie uns aufdrängen -muß. -</p> - -<p> -Das ist es eben, sagte Clara: ich kann mir keine Vorstellung -davon machen, wie steppendürre, wie öde es im Geist -und Herzen solcher Menschen aussehen muß, die sich dergleichen -wünschen, die ihm nachjagen können. Ein heitrer -Blick aus dem lieben, unschuldigen Auge des Kindes, seine -Kartenhäuserchen, die es mühsam erbaut und lachend wieder -umwirft, jedes Geschäft des Hauses, Backen und Nähen und -Stricken, der Handlanger, der mit dem Schweiß seiner Arbeit -seine Familie ernährt, o nennen Sie, was Sie wollen, -auch das Allergeringste, es ist ja ehrwürdiger und edler, als -es diese Raritäten sind, die sich so vornehm anstellen. Möchten -doch lieber diese zwanzigtausend Thaler verloren gegangen -seyn, als daß sie wiederkommen, und uns dieses Irrsal -mit in das Haus schleppen. -</p> - -<p> -Ich kann Dir nicht ganz Recht geben, Tochter, sagte die -Mutter: mir graut auch vor der Sache, aber dankbar müssen -wir dem Manne doch seyn, wenn wir durch ihn um so viel -reicher werden. -</p> - -<p> -Nein! rief Clara, wenn ich es nur hindern könnte. Ich -<a id="page-195" class="pagenum" title="195"></a> -habe immer über unsern Consistorialrath gelacht, zu dessen -Christenthum der Teufel eigentlich die nothwendigste und unentbehrlichste -Person ist, aber jetzt bin ich der Meinung des -heftigen frommen Priesters. Nur der Satan bringt diese -Künste hervor, und Jeder, der sich damit einläßt, ergiebt -sich ihm. Die Langeweile plagt natürlich den alten verdammten -bösen Geist, und da weiß er sich nun keinen bessern -Zeitvertreib, als die Menschen durch allerhand Blendwerk -dumm und konfus zu machen. Es wird schon so seyn. -Diese fatalen Beschwörer glauben ihn zu beherrschen, er -spielt mit ihnen, wie die Katze mit der Maus, und nachher -sehen sie denn mit Entsetzen, daß sie immerdar in seinen -Stricken und seine leibeignen Knechte waren. — Ach! und -mein Schmaling! der ist nun auch so ein kleiner goldner -Fisch, den sich die Unbarmherzigen mit ihren eisernen Haken -herauf angeln und über sein Bluten nur lachen. Welch hartes, -sonderbares Schicksal, daß mich eine Leidenschaft zu -einem Manne ergriffen hat, den ich eigentlich nicht ganz -achten kann. Ich liebe ihn und gebe ihm mein ganzes Herz, -ich fühle es, ich kann ohne ihn nicht seyn und leben, — und -doch widerstrebt mir so Vieles in seinem Wesen: Sie werden -sehn, dieser Blutsauger, der Sangerheim, macht mir -mein Liebchen, meinen Auserwählten noch ganz verrückt. — -Ich muß wider Willen lachen. Vergeben Sie mir, Mutter. -</p> - -<p> -Sie lachte laut, um nachher um so heftiger zu weinen. -Die Mutter, die zwar die sonderbare Gemüthsart ihrer -Tochter kannte, wurde doch besorgt, daß sie krank werden -möchte, und wollte sie bereden, sich nieder zu legen: Clara -wollte aber durchaus die Rückkunft des Vaters erwarten, -und erfahren, wie das seltsame Abentheuer geendigt habe. — -</p> - -<p> -Man war in der Vorstadt abgestiegen, um mit einer -Laterne in das finstre Haus zu gehn. Die Stimmung der -<a id="page-196" class="pagenum" title="196"></a> -drei Männer war feierlich und der Geheimerath Seebach -zitterte, indem er die breiten und widerhallenden Stufen -hinauf stieg. Im Saale standen sie still, ruhten und zündeten -einige Kerzen an. Sie eröffneten die übrigen Zimmer, -gingen hindurch und gelangten endlich vor jenes Kabinet. -Ehe der Rath aufschloß, sagte er zu seinen Begleitern: Ich -muß Euch bitten, Theure, wenn ich den Wandschrank eröffnet -habe, und nach jenen Blättern suche, daß Ihr mich -ganz allein gewähren lasset, weil ich nicht wünsche, daß Sie, -lieber Vater, und noch weniger mein Sohn, Etwas in jenen -Skripturen lesen mögen, die so Vieles enthalten, das ich -jetzt selbst ganz vergessen habe. Der Rath schloß auf. In -dem kleinen Zimmer, das, wie alle übrigen, lange nicht -geöffnet war, war ein seltsamer Dunst. Der beklemmte -Rath öffnete das Fenster, ein frischer Luftstrom zog herein, -und man vernahm das Flüstern der Linde und das Rauschen -des Holunderbaumes, die dicht vor dem Fenster standen. -Ist es Euch so seltsam, wie mir, zu Muthe? fing der Rath -wieder an. Mir dünkt, es kommt mir jetzt schon viel weniger -darauf an, diesen bedeutenden Theil meines Vermögens -zu retten, als nur die Wahrhaftigkeit jenes wunderbaren -Mannes bestätigt zu finden: ob ich gleich von ihr schon überzeugt -bin. -</p> - -<p> -Er drückte an die ganz glatte Wand und sie eröffnete -sich. Oben in der Mauer standen einige Geräthe und Gefäße, -die auch eine magische Bedeutung haben mochten. -Seebach bückte sich und holte einen schweren Kasten aus dem -Behältniß, der Briefe, Bücher, Maurer-Symbole und dergleichen -enthielt. Er ließ, indem er in den Verschlag trat, -den Sohn hinein leuchten. Man sah Nichts, und nur der -Vater konnte den künstlichen Schieber finden, der zurückgedrängt -wieder eine andere geräumige Oeffnung entdeckte. -<a id="page-197" class="pagenum" title="197"></a> -Gleich oben lag das vermißte Dokument und ein großer Zettel -daneben, auf welchem mit großen Buchstaben stand: Das -Dokument über die zwanzigtausend Thaler findet sich in meinem -geheimen Wandschrank, unten, im Hause der Vorstadt. -— Es war auch hinzugefügt: Sollte ich auf der Reise sterben, -so suche man — und hier war genau für den Fremden -beschrieben, wo man die Feder und den Schieber entdecken -könne. -</p> - -<p> -Seht, Freunde, rief der Rath, dieses Blatt wollte ich -aus Vorsorge in mein Schreibpult legen, um das Dokument -ja nicht zu vergessen. Aber die eilige Arbeit, die Wichtigkeit -der Geschäfte, die nahe Abreise machten, daß das Vergessen -den Sieg, wie es so oft geschieht, über die Vorsicht davon -trug. Für meine Familie, im Fall ich von der Reise nicht -zurückkommen sollte, war noch diese genaue Bezeichnung hinzugefügt. -</p> - -<p> -Er übergab das Dokument seinem Sohne, der es sorgfältig -in die Brieftasche legte. Hierauf bückte sich der Vater -wieder und nahm alle übrigen Papiere aus jenem tiefen -Raume, die in mehreren verschlossenen Mappen und sorgfältig -zugeschnürten großen Heften enthalten waren. — Was -machen Sie da? fragte der Obrist. — Da das Geheimniß -des Schrankes, sagte der Rath, jetzt ein öffentliches ist, so -will ich alle diese Papiere mit mir nehmen, um sie in meinem -Stadthause sicher zu verwahren. — Er trug sie selbst -mit Anstrengung die Treppen hinunter und in den Wagen, -und wollte sich weder vom Obristen, noch seinem Sohne helfen -lassen. -</p> - -<p> -Als sie wieder im Wagen saßen, fing der Rath an: -Was soll man nun, meine Lieben, von dieser ganzen Sache -denken? — Denken? erwiederte der Sohn, fürs Erste wohl -gar Nichts, denn wir haben noch lange an unserm Erstaunen -<a id="page-198" class="pagenum" title="198"></a> -zu genießen. Dann wollen wir uns des Geldes und des -gewonnenen Prozesses freuen, und Clara vorzüglich mag -dem Magus danken, weil ohne ihn ihre Aussteuer wäre -verkürzt worden. Mit dem Zauberer müssen wir auch Freundschaft -halten, der unserm Hause geholfen hat. Mit allen -diesen Dingen können wir uns eine Weile die Zeit so leidlich -vertreiben, denn es scheint mir gefährlich und bedenklich, -zu früh über diese Sache denken zu wollen. Haben wir doch -genug daran zu thun, sie zu glauben. Und ableugnen läßt -sie sich nun einmal nicht. -</p> - -<p> -Ich begreife Deinen Leichtsinn nicht, erwiederte der Vater. -Kannte dieser Sangerheim mich und meine Familie? -und wenn dies war, konnte er von diesem Papiere wissen? -und wenn er davon erfahren hätte, konnte er diesen geheimen -Schrank entdecken? Setzen wir auch den noch wunderbarsten -und seltensten Zufall, er habe nach mehr als zwanzig -Jahren den Tischler gefunden, der ihm diesen Schlupfwinkel -verrathen hätte: wie viel Unerklärliches bleibt noch zu -erklären? Und wie viel Unnatürliches, Unmögliches muß -man schon gewaltthätig zusammen raffen, um nur das Leugnen -des Wunderbaren und Unbegreiflichen bis zu dieser Spitze -zu treiben? -</p> - -<p> -Darum eben, mein lieber Vater, antwortete Anton, ist -diese Entfernung von allem Grübeln, sich aller Gedanken zu -entschlagen, was Sie, um mir einen Vorwurf zu machen, -Leichtsinn nennen, hier recht an der Stelle. Helfen wir uns -doch mit nichts Besserm, als diesem Leichtsinn, der aber auch -edler Natur seyn kann, bei den allerwichtigsten, heiligsten -und höchsten Dingen, wenn wir uns nicht geradehin der -Verzweiflung oder dem Wahnsinn ergeben wollen. Wenn -unsre Gedanken vor dem Bilde der Ewigkeit scheu umkehren, -oder an der Gottheit und Allmacht des Schöpfers ermatten -<a id="page-199" class="pagenum" title="199"></a> -müssen: — was können wir anders thun, als uns in diesen -Leichtsinn retten, der uns so kindlich, so tröstend entgegen -kommt? Mag es nicht eben so Pflicht und Weisheit seyn, -zu Zeiten gewissen Gedanken auszuweichen, wie es ein -andermal unerläßlich ist, sie aufzusuchen, und bis in das -Innerste hinein zu ergründen? Nicht jeder Stunde geziemt -Alles. -</p> - -<p> -Weisheit! sagte der Alte unwillig; wenn die Unerfahrenheit -sie lehren will! — Sie waren angelangt und stiegen -zum Wohnzimmer hinauf, in welchem Clara und die Mutter -sie erwarteten. Man sprach, erzählte noch, und der Vater -sorgte vorzüglich, seine Skripturen in Sicherheit zu bringen. -— Der frühe Morgen überraschte sie noch im Gespräch, sie -legten sich nieder, um noch einige Stunden zu schlafen, aber -Keinem von Allen ward mehr als ein unruhiger Schlummer -zu Theil, der sie nicht erquickte. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Diese Begebenheit, obgleich sich Alle vorgenommen hatten, -nur zu den Vertrautesten von ihr zu sprechen, war bald -in der Stadt bekannt, und machte großes Aufsehn. Und, -wie es zu geschehen pflegt, erzählte man sich den seltsamen -Vorfall bald mit den wunderlichsten Zusätzen, indem Jeder -glaubte, am Besten von dem Wunder unterrichtet zu seyn. -Sangerheim, der dieses gerade hatte vermeiden wollen, war -hiedurch sehr verstimmt, und wurde es noch mehr, als er -erfuhr, daß der regierende Fürst selbst sich von seinem Rathe -Seebach die denkwürdige Sache hatte vortragen lassen. So -kam es denn, daß Sangerheim nicht nur zu allen Versammlungen -und Gesellschaften sehr gesucht wurde, sondern daß -auch am Hofe Nachfrage nach ihm geschah. Alles dies schien -ihm sehr gleichgültig, denn er bekannte selbst, nur einen Zweck -<a id="page-200" class="pagenum" title="200"></a> -im Auge zu haben, nehmlich die gewöhnliche Freimaurerei -verächtlich zu machen und zu stürzen, zu welcher sich in dieser -Provinz die angesehensten Männer bekannten, und die -zugleich die größte Achtung genossen. Es gelang ihm auch, -die Logen zu stören und verdächtig zu machen, und viele der -eifrigsten Brüder zu sich hinüber zu ziehn. -</p> - -<p> -Indem er mit diesen arbeitete, ihnen den Irrthum -deutlich machte, in welchem sie bisher gewandelt waren, verschiedene -Grade einrichtete und geheimnißvolle Weihungen -vornahm, mysteriöse Zeichen, Amulete und Gehänge austheilte, -deren Deutung er sich vorbehielt, saß der geheime -Rath Seebach in seinem Zimmer und vertiefte sich in jenen -Schriften, die ihm seine leidenschaftliche, sonderbare Jugend -wieder vergegenwärtigten. Er hatte mit Recht die zauberhafte -Wirkung dieser Papiere gefürchtet, denn er verlor sich -so in Erinnerungen, daß die Gegenwart fast gar keine Gewalt -über ihn ausübte. Vieles hatte er ganz vergessen, über -Manches dachte er jetzt anders, aber doch erschien ihm Alles -in einem andern Lichte, als er erwartet hatte, denn er fand -zu seinem Leidwesen, daß die großen Fragen keinesweges -so abgeschlossen waren, als er es neuerdings, ohne wiederholte -Untersuchung, zu seiner Beruhigung angenommen hatte. -</p> - -<p> -Diejenigen, die den alten Logen treu geblieben waren, -sprachen über Sangerheim sehr erbittert, und behandelten -ihn, ohne daß sie es beweisen konnten, wie einen Betrüger. -Schmaling, so wie der Arzt Huber, die gleich seine eifrigsten -Anhänger geworden waren, kämpften mit aufgeregter -Leidenschaft diesen Verleumdern entgegen, und die ganze -Stadt, die viele Jahre hindurch ruhig gewesen war, nahm -heftig Parthei für und gegen den Fremden. Dieser und -seine Freunde bemühten sich, den elenden Zustand der neueren -Maurerei und das Unwesen der Logen in das grellste -<a id="page-201" class="pagenum" title="201"></a> -Licht zu stellen. Man berechnete, wie viel die Lehrlinge, -deren keiner abgewiesen wurde, jährlich einbrächten, wie die -älteren Brüder nur dahin strebten, Vorsteher, Redner und -Meister vom Stuhl zu werden, um durch diese und andre -Würden freien Theil am Schmause zu erhalten. Man -zeigte, wie verdächtig die Wohlthätigkeit dieser Maurer sei, -und erzählte und wiederholte ärgerliche Geschichten, die allgemeinen -Anstoß gaben. Man machte sich lustig darüber, -wie sehnsüchtig sie irgend einem Geheimniß entgegen sähen, -wenn sich nur irgendwo eins wolle auftreiben lassen; wie -gern man es sich, behutsam verpackt, aus England oder -Schottland verschreiben möchte, und keine Kosten spare, damit -man den sehnsüchtigen Forschern doch nur irgend Etwas -zu verheißen hätte. Jene Logen der strikten Observanz hatten -aber auch Manches mitzutheilen, was der Wißbegierige -und Schadenfrohe gerne anhörte. Man erzählte: dieser -Sangerheim sei nichts anders als ein Spion, von einer großen -Macht des südlichen Deutschlands ausgesendet, um in -den nördlichen Provinzen Zwiespalt auszusäen, und Mißtrauen -zwischen Volk und Regierung zu erregen. Der verhaßte -Name der Jesuiten wurde nicht geschont, um ihn und -seine Freunde zu bezeichnen und verdächtig zu machen. Man -wollte in seiner Wohnung eine weiße Frau, oder vielmehr -ein entsetzliches Gespenst gesehn haben, und der neuerungssüchtige -Pöbel fügte hinzu, daß Kobolde und Teufel in seiner -Wohnung freien Aus- und Eingang hätten. Man scheute -sich nicht, zu behaupten, er stelle dem Leben des regierenden -Herrn und seiner Familie nach, und es gab keine so abgeschmackte -Lüge, die nicht in irgend einem Kreise einen Schwachkopf -fand, der sie geglaubt hätte. So sehr diese ältern, -aufgeklärten Logen den eindringenden Neuling aber auch haßten, -so sehr beneideten sie seine Kenntnisse und Geheimnisse, -<a id="page-202" class="pagenum" title="202"></a> -und wären ihm gern freundlich entgegen gekommen, wenn -er ihnen nicht so unverhohlen den Krieg angekündigt hätte. -</p> - -<p> -So war die freundliche Stadt, die sich bis dahin einer -schönen Geselligkeit erfreut hatte, von Zwiespalt zerrissen, -der sogar viele Familien ergriffen, und die nächsten Freunde -und Verwandte einander entfremdet hatte. Wie man stritt -und verleumdete, bewies und zankte, die Meinungen hin und -her schob, so merkte von Allem Derjenige, der eigentlich die -Veranlassung dazu gegeben hatte, der geheime Rath Seebach, -am wenigsten von dieser Verwirrung, weil er bei Tage -wie in der Nacht fast immer über jenen Papieren sann und -brütete, die er aus seinem Schranke gleichsam von Neuem -erbeutet hatte. Alle Träume und Wünsche seiner Jugend -wurden nun lebendig in ihm, er konnte nicht begreifen, wie -er bis dahin alle diese Gedanken und Erfahrungen als Kindereien -so unbedingt hatte abweisen können. Er war seitdem -gegen seine Familie weit zurückhaltender, und ihn gereute -selbst das Wenige, was er seinem Sohne vertraut hatte. -Die Mutter klagte, die Tochter trauerte, und der Obrist -war verdrüßlich, aber ohne Erfolg. Nur Anton blieb in -seiner heitern Laune und sagte: Was wollt Ihr? Mein -Vater verjüngt sich wieder; ist denn das nicht ein Glück, -welches wir gern unsern Geliebten gönnen, und es ihnen -immerdar wünschen? Warum sollen wir denn unsre Erfahrungen -auch nicht einmal von rückwärts erneuern? Zum -Kindischwerden hat es mit meinem lieben Alten noch Zeit, -aber die Kindlichkeit ist ja fromme Tugend und ein Glück -der Erde. -</p> - -<p> -Er ging dem verdächtigen Sangerheim aus dem Wege, -so oft er diesem begegnete. Und dazu fand er oft Gelegenheit, -denn so wenig der Magier auch zur Familie gehörte, -so besuchte er sie doch täglich, und oft kam er zweimal am -<a id="page-203" class="pagenum" title="203"></a> -Tage, um den Herrn des Hauses zu sehn, und sich mit diesem -einzuschließen. Sie arbeiteten dann, lasen, schrieben, -und man wollte in der Familie sagen, daß sie gemeinschaftlich -magische Operationen vorgenommen hätten. -</p> - -<p> -Als unmittelbar nach jener Nacht der geheime Rath sich -dem Unbekannten hatte dankbar erzeigen wollen, sagte dieser: -Demüthigen Sie mich nicht, verehrter Bruder, durch ein -solches Anerbieten. Ich habe, was ich brauche, und es wird -mir nicht leicht fehlen. Sollten sich irgend einmal die Verhältnisse -anders gestalten, so werde ich mich mit Vertrauen -zuerst an Sie wenden, und Sie werden mir dann meine -Bitte nicht abschlagen. -</p> - -<p> -Als der Rath ihm von Neuem seine Dankbarkeit ausdrückte -und zugleich den Wunsch aussprach, ihn näher kennen -zu lernen, erwiederte der Fremde: Was ich von mir -weiß, oder Ihnen sagen darf, will ich Ihnen, geliebter -Bruder, gern mittheilen, denn wir verstehn den Freund um -so besser, wenn wir seine äußere Geschichte, die Umrisse seines -Lebens ebenfalls vor uns sehn. So wissen Sie also, -daß ich im Jahr 1745 geboren bin, und zwar in Paris. -Mein Vater war nichts Geringeres, als ein Prinz von königlichem -Geblüt, aber meine Mutter war eine Bürgerliche, die -sich durch schöne Worte, Versprechungen, vorzüglich aber -durch die einnehmende Gestalt meines Vaters hatte täuschen -lassen. Ich wurde gut erzogen, und der theuerste Lehrmeister -für jede Kunst und Wissenschaft mir gehalten. Mein Vater -hatte große Freude an mir, und verzog und verzärtelte mich. -Das ist das größte Unglück, das einem Kinde meiner Art -widerfahren kann, denn in spätern Jahren wird es doch -wieder in die Bahn zurückgewiesen, in die es nach den Einrichtungen -der Welt gehört. An einem sittenlosen Hofe war -meine Abstammung eines jener öffentlichen Geheimnisse, das -<a id="page-204" class="pagenum" title="204"></a> -alle Welt kennt und belacht, und eben so Jeder, wenn es -ein ernstes Wort gilt, verleugnet. Ich hatte oft das Glück, -den König zu sehn, der zuweilen so mit mir spielte, als -wenn er selbst ein Kind gewesen wäre. So lange man als -Kind hübsch und artig ist, wird man über die Gebühr von -Weibern und Mädchen bewundert; treten die Jahre ein, in -denen sich der Knabe streckt und auswächst, so wird er von -verwöhnten Menschen um so mehr übersehn, wohl gar verfolgt, -und das Beste im Kinde wird verhöhnt, wie früherhin -das Gleichgültigste vergöttert ward. Auch diese Erfahrung -mußte ich machen, so wie späterhin die noch schlimmere, -daß mein Vater, der sich mit einer jungen tugendhaften -Dame vermählte, nachdem er einige Jahre als Wittwer gelebt -hatte, mich aus Engherzigkeit und mißverstandener Moral -verleugnete. Damals bemächtigte sich eine tödtende Bitterkeit -meines jungen Herzens. Nachher ging mein Haß in Verachtung -über, und ich vermied, wie ich nur irgend konnte, -den Anblick des Prinzen. Ich erhielt eine Stelle beim Regiment, -ward Lieutenant, Hauptmann, Obrist, und man -ersparte mir sogar den Dank für diese Wohlthaten und Auszeichnungen. -</p> - -<p> -Die Maurerei war in Frankreich etwas so Gewöhnliches, -daß jeder junge Mann von Welt und Erziehung zur -Brüderschaft gehören mußte. Es war fast nicht mehr, als -wie man eine Loge im Theater nimmt. Der Krieg brachte -mich nach Deutschland und ich lernte hier einige ernstere -Brüder und ein tieferes Forschen kennen. Als aber mein -Wissenstrieb erwachte, konnte mir Keiner eigentlichen Bescheid -geben. Jeder hoffte vom Andern das zu erfahren, was er -so schmerzlich entbehrte, und was Jeder nur ungern, und -endlich mit Scham gestand, nicht zu besitzen. Ich ging durch -alle Grade, durch alle Sekten, hatte viele hochklingende Namen, -<a id="page-205" class="pagenum" title="205"></a> -vielerlei Kreuze und Kleidungen erworben und als aufmunternde -Amulete erhalten, aber eigentlich Nichts erfahren. -Das Sonderbarste war, wenn ich mich erforschte, daß ich -eigentlich selbst nicht wußte, was ich denn nun wissen wollte. -Jenes leere Ideal, jener nüchterne Cosmopolitismus, den -Sie uns neulich schilderten, war mir freilich auch von Einigen -gepredigt worden, aber er konnte meiner brennenden -Wißbegier am wenigsten genügen. Wenn wir sehn, wie uns -durch mechanische Kunst die Thiere gehorchen, wie der Wind -das Segel schwellt und dem Schiffer dient, wie das Feuer -uns die Berge und ihre Metalle zu leibeignen Vasallen -macht, und eine arme Mischung von Kohlenstaub, Salpeter -und Schwefel uns Mauern und Thürme niederwirft, so -meinte ich, der so vorgeschrittne Mensch dürfe auch in das -Geisterreich seine gebietende Hand hineinstrecken, und auch -die Kräfte müßten ihm gehorchen, die man nur gemeinhin -die unsichtbaren und unbekannten nennt, weil Keiner das -Auge dreist erhebt. -</p> - -<p> -Aber nirgend fand ich Rath und Hülfe. Auch in England -nicht; gewissermaßen hier am wenigsten. Ich kam auf -die Vermuthung, die sich mir späterhin als Wahrheit bestätigt -hat, daß alle diese Menschen von Klügeren mit Spielwerk -und nüchternen Reflexionen, oder Symbolen der ehemaligen -Tempelherrn nur hingehalten werden, damit sie ja -nicht erwachen und das wahre Licht erkennen. Nach dem -Frieden verließ ich den Dienst und Soldatenstand, und nur -meine Sehnsucht, so wie die Verehrung der Kunst trieb mich -nach Italien. -</p> - -<p> -Hier nun war es, vorzüglich in Florenz und Rom, wo -mein Leben in eine so andre, bis dahin nie geahndete Bahn -gerieth, daß ich Ihnen, geliebter Bruder, wenigstens für -jetzt, von den Erfahrungen, die ich machte, von den Erkenntnissen, -<a id="page-206" class="pagenum" title="206"></a> -die mir mitgetheilt wurden, Nichts offenbaren -darf. Aber die Zeit wird kommen, ich sehe sie schon vor -mir dämmern, wo ich Ihnen Nichts mehr zu verschweigen -brauche. Als ich nach Frankreich zurück kam, bemerkte ich, -wie Saint Martin und seine Schüler Manches in der Ferne -gesehn haben, wie Fludd und die deutschen Rosenkreuzer nicht -zu verwerfen sind, und wie vorzüglich ihr großer Jacob -Böhme oft fast unmittelbar an das Centrum des heiligen -Geheimnisses geräth, von dem auch Paracelsus und der -tiefsinnige van Helmont schon einen Anblick, wie durch einen -fliehenden Nebel hatten. Diesen großen Männern fehlte -Nichts, als Bekanntschaften in Italien, wie sie mir ein günstiger -Zufall verschaffte, um schon in der Kunst die höchste -Stufe zu ersteigen. Ich bin auch überzeugt, daß hie und -da ein Deutscher, weil diese Nation vielleicht das größte -Talent zum Tiefsinn besitzt, wohl das Mysterium gefunden -hat. Es Unwürdigen mittheilen, ist die größte Sünde, und -deshalb sind Prüfungen verschiedener Art und mancherlei -Grade nothwendig. -</p> - -<p> -Der Rath Seebach schien im Wesentlichen mit diesen -Ansichten übereinzustimmen. Er theilte dem neugewonnenen -Freunde viele jener jugendlichen Schriften, Auszüge und -Bemerkungen mit, und Sangerheim sagte nach einigen Tagen: -es ist, verehrter Bruder, wie ein Wunder, daß Sie -in Ihrer Jugend schon so sicher auf dem richtigen Wege -gingen, sich aber doch zu bald durch Schwierigkeiten und -einige Blendwerke, die ihnen die Meister wohl absichtlich -entgegen schickten, zurück schrecken ließen. Wer so früh so -vorgearbeitet hat, dem muß es im reifen Alter ein Leichtes -seyn, auch das Allerhöchste zu erringen. -</p> - -<p> -Der Obrist, der sich zurückgesetzt fand, war mürrisch -und verdrüßlich, und es gelang dem wunderbaren Gaste nur -<a id="page-207" class="pagenum" title="207"></a> -schwer, ihn wieder zu gewinnen. Als dies geschehn war, -arbeitete der Greis, um auch Vorschritte zu machen, um so -eifriger. Schmaling, der dem Magier ganz ergeben war, -fühlte sich in Gegenwart seiner Geliebten nicht mehr so heiter -und froh, als ehemals, und der Arzt Huber war glücklich, -daß er endlich einen Bruder gefunden hatte, der Talent -und Einsicht genug besaß, sein System, dessen Anhänger er -schon lange war, dem Geheimenrathe gegenüber so geltend -zu machen, daß dieser selbst sich dazu schon halb bekannte. -</p> - -<p> -Der weibliche Theil der Familie war in tiefer Trauer, -denn Clara’s scharfes Auge bemerkte sehr gut die Veränderung, -die mit ihrem Geliebten vorgegangen war. Er sah -sie selten, und wenn er in ihre Nähe kam, war er tiefsinnig -oder zerstreut. Ihn ergötzte kein Spaziergang mehr, kein -Gespräch konnte ihn aufheitern, so sehr war er seinen seltsamen -Forschungen hingegeben. Die Gesellschaft Antons -vermied er mit auffallender Aengstlichkeit, weil dessen Scherz -ihn einigemal verwundet hatte. Welche reizbaren Geister, -sagte dieser zur Schwester, müssen es seyn, die durchaus -gar keinen Spaß verstehn? Könnte man sich dergleichen -Unsterbliche wohl zu seinem Umgange wünschen? Ich wenigstens -gewiß nicht. Aber unser Schmaling muß, ich weiß -nicht welchem trübsinnigen Elfenkönig, den feierlichen Eid -abgelegt haben, niemals wieder zu lachen. Und wenn der -junge Mann doch nur einsehn wollte, wie schlecht ihm diese -Feierlichkeit zu Gesichte steht. Er ist, wenn er lacht und -heiter blickt, zehnmal so liebenswürdig. Fährt er aber so -fort, so bekommt er Runzeln und Falten, wie ein Rhinozeros. -Solche Stirnrunzel sieht aus, als wenn ein ganzer -Acker fruchtbarer Erde aus dem Kopfe genommen wäre. Es -sind die wahren Lückenbüßer, die andeuten, wie alle Gedanken -entflogen sind. Die Stirn hat immer, so wie sie es -<a id="page-208" class="pagenum" title="208"></a> -merkte, nachgeschnappt, um festzuhalten; so sind diese Gruben -geworden. -</p> - -<p> -Mir ist Dein Scherz zuwider, sagte Clara, denn ich -sehe das Glück meines Lebens gestört. Dieser unglückliche -Besuch hat Alles geändert und der aufgereizte Schmaling -bedurfte nur einer solchen Veranlassung, um sein ganzes -Wesen umzuwandeln. -</p> - -<p> -Sei über ihn beruhigt, antwortete der Bruder, ich -habe schon dafür gesorgt, daß er wieder curirt werden soll. -Mir ist ein Mittel beigefallen, das ich für untrüglich halte. -</p> - -<p> -Wenn es nur, erwiederte die Schwester, durch diese -Cur nicht noch schlimmer wird, wie es wohl zuweilen der -Fall ist. Wer kann überhaupt wissen, was noch aus Arzt -und Kranken wird. -</p> - -<p> -Um mich darfst Du unbesorgt seyn, sagte Anton, laut -lachend, denn mein Wesen ist zu prosaisch, um sich umstimmen -zu lassen. -</p> - -<p> -Wir erleben, antwortete die Schwester, so Manches, -was wir nicht erwarteten. Bist Du Deiner so gewiß? -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Die Gegenwart Sangerheims hatte in allen Gemüthern -Empfindungen, Ansichten und Neugier aufgeweckt, alte Erzählungen -wieder neu in Umlauf gebracht, die man schon -vergessen hatte, und es war kein Haus, in welchem nicht -Meinungen behauptet und bestritten wurden. Die Maurer -der vorigen Tage waren in das größte Gedränge gekommen -und viele, und zum Theil die angesehensten, hatten den -Fremden für ihren Meister anerkannt. Als der Gelehrte -sah, mit welchem Eifer man für und wider kämpfte, vorzüglich -aber als er bemerkte, wie die Familie seines alten -Freundes in Verwirrung gerathe, nahm er sich vor, Etwas -<a id="page-209" class="pagenum" title="209"></a> -zu thun, um die vorige Ruhe und Behaglichkeit wieder her -zu stellen. Man hatte ihm erzählt, wie sehr der Rath sich -an den verdächtigen Fremden schließe, und wie dies nicht -allein Frau und Tochter betrübe, sondern ihm vom Minister -und dem Fürsten selber nicht gut ausgelegt werde. Ferner -sagte eines Tages zu Anton: dieser Trieb in uns, ohne welchen -wir kein Interesse an Wissenschaft und Geschichte nehmen -könnten, muß sorgsam bewacht und gehütet werden, -wenn er den Geist nicht in Gegenden verlocken soll, in denen -aller ächte Trieb zum Wissen erlischt. Alle Kräfte in uns -sollen im Gleichgewichte stehn und nur dann ist der Mensch -gebildet und verständig; darum kann ihn, wie es so oft geschieht, -ein überwiegendes Talent unglücklich machen. Die -Lust am Geheimniß und Wunder darf auch nur verstärkt -werden, wenn Witz und Scharfsinn, Vernunft und Verstand -ebenfalls sich beleben. Diese Harmonie des Menschen fällt -aber nicht ins Auge, und darum dünkt sie auch oft den Aufgeregten -etwas Geringes und selbst Verächtliches. -</p> - -<p> -Anton hatte dem Professor einen Plan mitgetheilt, um -Schmaling, der sich am unbedingtesten der Schwärmerei ergab, -auf gelinde Weise durch Beschämung wieder zur Vernunft -zurück zu führen. Er hatte die Bekanntschaft eines -Mannes gemacht, und ihn auch in das Haus seines Freundes, -des Professors, geführt, der sich in kurzer Zeit das ganze -Vertrauen des Jünglings erworben hatte. Es schien in der -That, als wenn dieser Freund, der sich Anderson nannte, -Jeden gewinnen müsse, dem er sich nähere; so konnte er -durch Scherz und Ernst, Witz und Tiefsinn, Laune und -Munterkeit in das Wesen der verschiedensten Charaktere eingehn, -indem er bald in jedem Menschen eine Seite auffand, -für die er sich interessirte, und so im geistreichen Gespräch -den Mitsprechenden klüger und einsichtsvoller machte, als dieser -<a id="page-210" class="pagenum" title="210"></a> -sich sonst erschienen war. Wer dieses Talent besitzt, gewinnt -die Menschen am sichersten. In den meisten ist irgend -eine Gegend des Geistes fruchtbar, und bringt eigenthümliche -Gewächse hervor. Die Natur hatte wohl die Absicht, -daß von hieraus die Originalität des Wesens hervorgehn, -und das Individuelle desselben sich geistreich ausbilden sollte. -Aber unsre Erziehung, einförmige und conventionelle Cultur, -Geschäfte und Vielwisserei ersticken bei den Meisten schon -früh diesen Keim. Die meisten Gespräche werden nur geführt, -damit Jeder sich selbst hört, und den Andern so wenig -äußerlich wie innerlich zu Worte kommen läßt. Geräth -aber ein Menschenkünstler, ein ächter Virtuos, über diese -verwahrlosten Instrumente, so weiß er auch den baufälligsten -wundersame Töne zu entlocken. -</p> - -<p> -So war Jedermann in der Gesellschaft dieses Anderson -klüger und witziger, als für sich selbst, oder im Umgang mit -Andern. Er war daher in allen Gesellschaften gern gesehn, -die er auch nicht vermied und allenthalben Unterhaltung fand. -Sein Aeußeres war eben nicht sehr empfehlend, er war klein -und stark, von breiten Schultern, und sein Kopf stand zwischen -diesen etwas eingepreßt auf einem dicken Halse. -</p> - -<p> -Durch Sangerheim waren alle früheren Nachrichten von -dem großen Wunderthäter, dem Grafen Feliciano, neu belebt -worden. Briefe bestätigten von Neuem seine unbegreiflichen -und schnellen Heilungen der schwierigsten und tödtlichsten -Krankheiten, die die größten Aerzte schon verzweifelnd -aufgegeben hatten. Man erzählte sich, wie er in einer großen -Stadt des Auslandes in einem Palaste ganz wie ein -Fürst lebe, von glänzender Dienerschaft umringt. Kein Armer -verlasse seine Schwelle, der nicht reichlich beschenkt würde. -Geld achte er wie Spreu, er bedürfe der Gnade keines Königs, -denn er habe jüngst einem Staate eine ungeheure -<a id="page-211" class="pagenum" title="211"></a> -Summe geschenkt, um den Fürsten aus einer Verlegenheit -zu ziehn. Daß das Auflegen seiner Hand tödtliche Wunden -schließe und die hartnäckigsten Krämpfe löse, war nur etwas -Unbedeutendes: denn Todte sollte er schon geweckt haben, -Abwesende aus fernen Ländern zitiren können, so daß sie -den Freunden oder der Familie in sichtbarer Bildung erschienen, -so wie er seinem eignen Geiste zuweilen gestatte, -aus dem Körper zu wandern, um plötzlich in Asien oder -Amerika einem Freunde, der ihn magisch gerufen habe, beizustehn. -Daß alle Geister ihm zu Gebote ständen, die guten -wie die bösen, bezweifelte Keiner, der mit Vertrauen und -Glauben von ihm sprach. — Schmaling, der wenig in Gesellschaft -kam, sondern ganz seinen sonderbaren Studien und -seinem Meister lebte, war dem merkwürdigen Anderson niemals -begegnet, und darum hatte diesem heitern und gefälligen -Manne der übermüthige Anton den sonderbaren Vorschlag -gemacht, daß er die Rolle des berühmten Feliciano -spielen solle, um so Schmaling zu täuschen, und ihn so, indem -er einsähe, wie leicht er hintergangen werden könne, -in seiner Verehrung Sangerheims irre zu machen. Der -muntre Anderson war auf diesen Plan eingegangen, und -um so lieber, weil er oft tadelnd von diesem Sangerheim -und dessen Arbeiten sprach. Im Hause des Professor Ferner -wollte man eine geheimnißvolle Zusammenkunft veranstalten, -von der aber der Magus Sangerheim nichts erfahren -dürfe. -</p> - -<p> -Ferner war lange diesem Projekt entgegen gewesen. Er -sagte auch jetzt: ich bin kein Freund von dergleichen Mystificationen. -Sie sind nach meinem Gefühl ganz und gar -dem Wesen und dem Anstand einer gebildeten Gesellschaft -entgegen. Der Hintergangene hat Ursach, es nachzutragen, -und es ist ihm nicht zu verargen, wenn er niemals wieder -<a id="page-212" class="pagenum" title="212"></a> -Vertrauen faßt. Indessen mag eine gute Absicht diesmal -die Sache entschuldigen; nur fürchte ich, daß Sie sich mit unserm -Schmaling völlig verrechnet haben. -</p> - -<p> -Der Versuch wird immer das Uebel nicht ärger machen, -antwortete Anton: auch ist es gerade in der Hinsicht ein -glücklicher Zeitpunkt, weil die Freunde Feliciano’s melden, -er habe jene Stadt wieder verlassen, um von Neuem eine -Reise nach Aegypten zu machen, und aus den Pyramiden -viele Mysterien hervor zu suchen. -</p> - -<p> -Man traf noch eine nähere Abrede, und Anton ging, -um jenen Anderson, zu welchem er eine große Zärtlichkeit -gefaßt hatte, wieder aufzusuchen. -</p> - -<p> -Der Rath Seebach stand oft in seinem Zimmer, vor seinen -Papieren, die vor ihm ausgebreitet lagen, und dachte -seinem Leben und den wechselnden Empfindungen nach, die -ihn in den verschiedenen Perioden seiner Bildung bestürmt -hatten. Wohin geht dieser Lauf? sagte er eines Morgens -zu sich selbst; dasjenige, was ich als einen festen Besitz errungen -zu haben glaubte, droht mir wieder wie Wasser zwischen -den Fingern zu entrinnen. Bleibt es doch wahr, daß -in jener Nüchternheit, die ich vormals rühmte, die sichre -Grundlage des Lebens ruht. Meine Jugend, und alle jene -wilden, ungezügelten Bestrebungen überströmen wieder alle -Dämme und Ufer, schon beginnt mir der Anblick dessen, was -ich so lange als das Schöne und Edle erkannte, Langeweile, -Widerwillen und Ekel zu erregen, denn zu unbedeutend, unbestimmt -und mittelmäßig dehnt es sich vor mir aus. Hingehalten -durch Hoffnungen, eingewiegt mit Versprechungen, -aufgeregt durch Winke, und betäubt durch Erscheinungen, die -ich sehe, aber nicht begreife, die mich erschrecken, und an die -ich doch nicht glauben kann, wird mein Dasein zum Traum. -Welch sonderbares Band zieht mich zu diesem fremden -<a id="page-213" class="pagenum" title="213"></a> -Mann, und verknüpft mich ihm: ihm, dem ich mein ganzes -Vertrauen schenken möchte, und der in diesen Momenten der -Hingebung mich am meisten zurück stößt? Ich sehe, daß er -geheime Kenntnisse besitzt, die er mir mitzutheilen verspricht, -und mir dennoch vorenthält. Heut ist er ganz Offenheit, -morgen lauter zurück haltende Förmlichkeit. In seiner Gegenwart -fühle ich das Gelüste, gerade das zu glauben, was -meinem Verstande am widersinnigsten erscheint, und wieder -überschleicht mich eine Empfindung, daß ich im selben Augenblick -ihn und mich verlachen möchte. -</p> - -<p> -Sangerheim traf und störte ihn in diesen Betrachtungen. -Sie übersehn, Theurer, sagte er beim Eintreten, indem -er die Thür verschloß, wieder Ihre Studien und Erfahrungen. -Es ist sonderbar, wie wir Menschen schon so -oft in der Jugend das höhere Wort vernehmen, den Ton -desselben fassen, und uns späterhin Aussprache und Bedeutung -wieder entfliehen können. Doch kehren wir in reifen -Jahren mit tieferem Sinn, mit stärkerer Innigkeit zu denselben -Wahrheiten zurück, wie es Ihnen geschieht; unbewußt -hat die Seele die Geheimnisse ausgearbeitet, und die Glaubensfähigkeit -steht gewappnet an derselben Stelle, wo noch -gestern Zweifel und Unglaube nackt und wehrlos zitterten. -</p> - -<p> -Gestern, sagte der Rath, haben wir gerechnet und Figuren -gezeichnet, die sonderbare Erscheinung, die Sie mir -vorführten, überraschte mich; nachdem vernahm ich, indem -Sie neben mir saßen, jene Stimme aus dem Zimmer dort, -die mir die geheimnißvollen Worte zurief — Alles dieses, -Lieber, sehe und erlebe ich; aber ich kann es mir nicht aneignen, -es hat keine Bedeutung für mich, es fährt Alles wie -leere Phantome, nur erschreckend, mir vorüber. Ich habe -genug erfahren, um irre zu werden, aber dieses Räthsel -meines Innern, welches sich immer mehr verschlingt, ringt -<a id="page-214" class="pagenum" title="214"></a> -mit allen Kräften meines Herzens zur Lösung hin. Weder -in diesen wechselnden Schauern von Licht und Schatten, noch -in stiller Resignation kann ich meine Befriedigung finden, -und ich fange an, meine Zweifel wieder als die bessere Weisheit -aufzusuchen. -</p> - -<p> -Und doch waren wir übereingekommen, sagte Sangerheim -mit feierlichem Ton, Sie hatten mit mir die Nothwendigkeit -eingesehn, daß es Prüfungen, Grade geben müsse, -daß die Geduld die unerläßlichste Tugend sei, um dem Geheimniß -näher zu kommen. -</p> - -<p> -Nur eine einzige Frage, und die beantworten Sie mir -auf Ihr Gewissen, sagte der geheime Rath eben so feierlich: -Können Sie mir bei Gott und allem Heiligen, das Sie -glauben, schwören, daß Sie mir irgend einmal, wenn auch -später, die Lösung mittheilen wollen, und daß Sie selbst von -Ihrem Beruf überzeugt sind? -</p> - -<p> -Ja! rief der Fremde, und erhob die Hand. — Gut -denn, sagte der Rath, empfangen Sie dann diese Brieftasche, -und in ihr, was Sie wünschten, ich will, ich muß -Ihnen vertrauen. -</p> - -<p> -Auch ich, sagte Sangerheim, will mich Ihnen verpfänden, -mit dem Theuersten, was ich besitze, mit Allem, was -ich Ihnen nur geben kann. Er zog ein Paket hervor, mit -seltsamen Zeichen versiegelt und fest in einander geschnürt. -Legen Sie, sagte er, hier auch Ihr Siegel an. In diesem -kleinen Raum ist Alles, was ich weiß, enthalten; mein ganzes -Dasein, Alles, was Sie erfahren wollen, umschließt -diese Sammlung. Löse ich sie zu der festgesetzten Zeit nicht -aus, sterbe ich vor diesem Zeitpunkt, so fällt Ihnen diese -Erbschaft zu und Sie mögen damit schalten nach Ihrer -Willkühr. -</p> - -<p> -Der Rath nahm das Paket in die Hand, schlug es ein, -<a id="page-215" class="pagenum" title="215"></a> -überschrieb es mit einer Nachricht, daß dies das Eigenthum -Sangerheims sei, versiegelte es und legte es in seinen Schrank. -Sich besinnend nahm er es wieder und sagte: doch kommen -meine Kinder zuweilen hieher, in jenem Pult ist eine geheime -Schieblade. Er trug es hin und indem er es einzwängte, -geschah ein Knall, und die Masse selbst erzitterte. Sehn -Sie, sagte Sangerheim, Sie sind ohne Noth besorgt, es bewacht -sich selbst. -</p> - -<p> -Der Rath hatte sich entfärbt. Sangerheim sah ihn fest -an und schien sich an der Verlegenheit des alten Mannes -zu weiden, die dieser nicht verbergen konnte, so sehr er sich -auch bemühte. Er sammelte seine zerstreuten Skripturen -wieder, warf sie in den Schrank und sagte dann: also, Geduld, -und bis dahin habe ich mich Ihnen unbedingt ergeben. Es -ist wunderbar genug, wir entziehn uns gewissermaßen der -Kirche und der Religion des Staates, wir nennen es unsre -Weisheit, anders und weniger zu glauben, als der gemeine -Mann, — und geben uns im Entfernen vom Hergebrachten -und Autorisirten andern viel unglaublichern Dingen hin, und -sind zufrieden, nur zu sehn und zu ahnden, ohne daß uns -die Lösung gegeben wird, die wir doch in der Religion suchten -und forderten. -</p> - -<p> -Richtig bemerkt, erwiederte Sangerheim; ist denn aber -dieser Widerspruch nicht vielleicht eine Vorbereitung zu einer -ächtern Religiosität, zu einem wahren Glauben? Immerdar, -wenn wir uns widersprechen, ist es nur Schein, wir -suchen die Bindung, den unsichtbaren Mittelpunkt, der den -Widerstreit aufhebt. -</p> - -<p> -Das ist aber gegen die Abrede, erwiederte der Rath, -daß ich wieder durch Gedanken und ihren wechselnden Kampf -das Richtige und Wahre finden sollte, ich sollte es ja unmittelbar -<a id="page-216" class="pagenum" title="216"></a> -schauen, und es als einen wahren Besitz von dannen -tragen. -</p> - -<p> -Wenn Sie denn, fing Sangerheim zögernd an, sich -nicht fügen können und wollen, so gäbe es in Ihrem frommen -und erweckten Sinn allerdings ein Mittel, das rasch -die Hemmung wegnehmen, und Sie ohne Umwege zum Ziele -führen könnte. -</p> - -<p> -Und dieses Mittel? fragte der Rath eifrig. -</p> - -<p> -Auch ohne dieses können Sie zu einem glänzenden Ziele -gelangen, antwortete Jener, aber langsamer, und niemals -erreichten Sie die Würde, so viel Sie auch schauen werden, -eines höchsten Obern. -</p> - -<p> -Und dieses Mittel, fragte der Rath wieder, könnte mir -diese Würde und die schnellere Einsicht in alle Geheimnisse -verschaffen? -</p> - -<p> -Ohne Zweifel. — Sehnen Sie sich heftig? -</p> - -<p> -Unbeschreiblich! fing der Rath wieder an, und, da Sie -so weit gegangen sind, so nennen Sie es auch, sonst sind -Sie nicht mein Freund. -</p> - -<p> -Was Sie immerdar hemmen wird, antwortete Sangerheim -mit einer Thräne im Auge, ist, daß Sie nicht ein -Mitglied meiner Kirche sind. — -</p> - -<p> -Der Rath trat einen Schritt zurück und suchte noch -mehr wie vorher die Bewegung seines Innern zu verbergen. -Sangerheim sah ihn mit einem festen prüfenden Blicke an, -als wenn er seine Augen durchbohren wollte, aber der Rath -erwiederte diesen festen Blick, und nach einigen Augenblicken -entfernte sich der Fremde. -</p> - -<p> -Tief erschüttert ging der Alte im Saale auf und ab. — -Das ist es also? sagte er endlich zu sich selber; also dorthin -liegt das eigentliche und wahre Geheimniß? — Habe -ich doch den Einreden so mancher vernünftigen und kaltblütigen -<a id="page-217" class="pagenum" title="217"></a> -Freunde nicht glauben wollen. Ich hielt es nur für -Fabel, weil es einem Mährchen so ähnlich sieht; und ist also -nun doch Wahrheit. — Sie bemächtigen sich einer Einrichtung, -die im Beginn gut und edel war, die sich dann selbst -vergaß, und in deren unbedeutenden Nüchternheit nun leicht -die Sehnsucht zu Wundern und Seltsamkeiten Raum finden -kann. — Wie verbreitet die Logen sind, so mögen sich diese, -oder ähnliche Schwindler leicht jetzt oder in Zukunft der -Menge bemeistern, um ihre Pläne, die sich noch nicht an das -Licht wagen, durchzusetzen. — Diese Emissäre gehören also -einer Propaganda an, und es läßt sich nun wohl begreifen, -wer und was diese geheimen Obern sind, — Alles, was -man von diesem Nachbarstaate erzählt, wo man auf verschiedene -Art den Erbprinzen bearbeitet, hier und anderswo die -Störung der Logen, das Eindringen und Vorschieben alter -Meinungen. — Die Herren haben also doch ihre Herrschsucht -und die alten Plane noch nicht aufgegeben! — Ja, ich bin -durch dieses einzige Wort zum Licht hindurch gedrungen, -aber sehr gegen deinen Willen, mein guter Magus. — Seine -Kunststücke begreife ich freilich nicht; aber was gehen sie mich -denn eigentlich an? Vor meinem guten verständigen Sohne -muß ich mich jetzt schämen, der doch in seiner Art, wie er -jenes Wunder betrachtete, sehr Recht hatte. — Zu schnell, -zu plötzlich mag ich aber freilich auch nicht zurücktreten; ich -will ihn noch beobachten: ich kann es jetzt wie ein Spiel -treiben und genießen. — -</p> - -<p> -Mit Beschämung dachte er nun der Summen, die er -dem Magier ausgeliefert, noch der letzten großen, die er ihm -heut gegeben hatte. Sangerheim hatte zwar Anfangs jeden -Dank und Lohn ausgeschlagen, aber bald hatte er bei dem -großmüthigen Freunde Hülfe gesucht, der nun um so lieber -und reichlicher mittheilte, da der Wunderthäter sich erst uneigennützig -<a id="page-218" class="pagenum" title="218"></a> -gezeigt hatte. Zu den Beschwörungen und zum -Geister-Apparat, so wie zu Einrichtung der Oefen und Herbeischaffung -alles Geräthes, um den Stein der Weisen hervorzubringen, -war wieder ein Kapital nöthig gewesen. Nachher -zu geheimen Plänen, die Sangerheim noch nicht nennen -durfte, auf Geheiß jener unbekannten Obern, war wieder -eine bedeutende Summe in Anspruch genommen worden. -Für die letzteren großen Auslagen hatte der Magier seinem -gläubigen Schüler eben jene versiegelten und zauberhaft verschlossenen -Schriften verpfändet, die er bald wieder, durch -Erstattung jener Summe, auszulösen versprach. -</p> - -<p> -Sangerheim machte einen großen Aufwand und lebte in -der Stadt ganz als ein vornehmer Mann. Der feinen und -neugierigen Welt war es ein Geheimniß, daß sie nicht ergründen -konnte, wovon er seine Ausgaben bestritt. Der geheime -Rath Seebach hätte darüber Bescheid ertheilen können, -denn beschämt gestand er es sich nicht gern, daß ein großer -Theil jener so wunderbar geretteten Summe schon wieder -geschwunden sei, wenn der Zauberer nicht seine Schuld bezahle, -woran der Gläubiger zu zweifeln anfing. — Mit -Schmerz dachte er an den jungen Schmaling, seinen künftigen -Schwiegersohn, so wie an seinen Hausfreund, den Arzt, -denn er wußte, daß Beide eifrig mit Sangerheim laborirten. -</p> - -<p> -Die Familie war erfreut, als der Vater nach langer -Zeit wieder bei Tische heiter war. Clara besonders wollte -daraus für ihr Schicksal etwas Glückliches lesen. Als sie -mit dem Bruder über die Veränderung des Vaters sprach, -sagte Anton: Dergleichen Verblendung, liebes Kind, kann -niemals lange dauern. Hätte ich nicht andre Sorgen, so -wollte ich mich anheischig machen, diesen Kummer mit etwas -Geduld zu überwinden, oder mit Verstand und Zeit die Getäuschten -zu heilen. Heut Abend wird nun unser Schmaling -<a id="page-219" class="pagenum" title="219"></a> -gründlich in die Lehre genommen werden, und ich möchte -Vieles verwetten, daß ich ihn Dir schon morgen als einen -andern Menschen vorführen kann. — -</p> - -<p> -Sangerheim war, jenes Wortes wegen, das er hatte -fallen lassen, mit sich selber sehr unzufrieden. Er hatte bemerkt, -wie der Rath dadurch war überrascht worden. — -Mag seyn, sprach er zu sich, daß es unbesonnen und zu -früh ausgesprochen wurde, ich kann mit mir und dem Erfolg -zufrieden seyn. Sie müssen meine Bemühungen erkennen, -jene großen, jene mächtigen Männer. Und welches -Glück, ihnen beigezählt zu werden! Welche Aussicht, daß -Natur, Geisterreich und Welt mir dient, daß vor mir jedes -Geheimniß die entstellende Hülle abwirft. — Und bin ich -denn noch so weit von diesem glänzenden Ziele entfernt? -Habe ich denn nicht die Zusage der Edelsten, daß mir bald, -in weniger Frist Alles soll gewährt seyn? Wie sie mich -durch Wissen, Kunst und Gold unterstützen, so werden sie -mir auch die herrlichsten Güter nicht lange mehr verweigern. -</p> - -<p> -So träumte Sangerheim, und verlor sich in sonderbare -und weitaussehende Plane. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Der Professor Ferner hatte dem jungen Schmaling unter -dem Siegel der Verschwiegenheit vertraut, daß, wenn er es -wünsche, er am Abend den weltberühmten Grafen Feliciano -in seinem Hause sehn könne, welcher incognito angekommen -sei, um schnell weiter zu reisen. Er machte es ihm aber -zur Pflicht, seiner Schwester, wie seinen Eltern Nichts davon -zu sagen, weil sie Beide sonst sich den Zorn des Grafen -zuziehen würden. Schmaling war über diese Nachricht -entzückt, und versprach, nicht auszubleiben, indem er zugleich -<a id="page-220" class="pagenum" title="220"></a> -versichern mußte, daß sein Herr und Meister, Sangerheim, -auch Nichts davon erfahren solle. -</p> - -<p> -Anton stellte sich früher bei Ferner ein, um mit Anderson -einige Vorkehrungen zu treffen. Wenn es Effekt machen -soll, sagte der heitre Anderson, so muß ich Euer Haus und -die Einrichtung desselben etwas genauer kennen lernen. Aber -sagt mir doch, von welcher Art ist denn jener Kunstjünger -selbst, den wir heut unserm Genius und dessen Launen aufopfern -wollen? -</p> - -<p> -Anton nahm das Wort und sagte: Der junge Mann -wird jetzt acht und zwanzig Jahre alt seyn und kann im -Bau des Körpers, im Angesicht, Blick und Wesen fast für -einen vollkommen schönen Jüngling gelten. Sein Wesen ist -sanft und einschmeichelnd, sein Charakter ist weich und nachgiebig, -und so fügte es sich, daß er meiner Schwester, die -er schon seit lange verehrt hatte, gefiel. Er hat außerdem -Viel gelernt, ist ein tüchtiger Geschäftsmann, und von seinen -Vorgesetzten so geachtet, daß sie ihn, so jung er auch -ist, schon zum Rath ernannt haben. Meine Schwester würde -einer glücklichen Ehe entgegen sehn, wenn diese Geheimnißkrämerei, -diese Sucht, sich die Weisheit der Rosenkreuzer und -andrer Schwärmer anzueignen, nicht das schöne Verhältniß -jetzt für eine Zeitlang völlig zerstört hätte. Ihr kennt ja, -theurer Mann, die Begebenheit, die sich in unserm Hause -zugetragen hat. Seitdem ist er diesem Sangerheim, aus -dem wir Alle nicht klug werden können, wie mit Leib und -Seele verschrieben. Könnt Ihr nun, indem Ihr den Leichtgläubigen -in einer Maske täuscht, ihn dahin bringen, daß -er von seiner Wundersucht nachläßt, so sind wir Euch den -größten Dank schuldig. -</p> - -<p> -Wir werden ja sehn, was wir ausrichten können, erwiederte -Anderson. Er ging, um sich die Zimmer zu betrachten, -<a id="page-221" class="pagenum" title="221"></a> -indessen Ferner bemerkte: Wie seltsam ist es doch, -daß wir uns zu einer solchen Maskerade vorsätzlich einrichten, -indessen jener Sangerheim, der so Viele täuscht, doch -auch kein wirklicher Charakter, sondern nur ein angenommener -seyn kann. Man kann aber die Bemerkung machen, daß -man auf jeder Redoute, sobald man die erste Betäubung -überstanden hat, an alle die seltsamen Masken, die man -sieht, glaubt, sich diese Wesen in ihren seltsamen Bedeutungen -vergegenwärtigt, und selbst den vertrautesten Freund, -wenn er sich nicht ganz hölzern beträgt, sich nicht in seinem -wahren Charakter deutlich vorstellen kann. Diese sonderbare -Eigenschaft unsrer Seele, die so gern freiwillig der Täuschung -entgegen geht, erklärt es einigermaßen, warum die -Betrüger in der wirklichen Welt in der Regel so leichtes -Spiel haben. -</p> - -<p> -Anderson trat wieder zu ihnen und sagte: Um meiner -Sache gewisser zu werden, fange ich nun schon an, den Feliciano -zu spielen, den Grafen, den Menschenfreund, den -Heilkünstler und Geisterseher. Mein Bedienter ist auch draußen, -und wird mit bei Tische aufwarten, um der Gesellschaft -mehr Ansehn zu geben. -</p> - -<p> -Schmaling trat schon, früher als man vermuthet hatte, -vor Freude zitternd herein. Man begrüßte sich und der -nachgeahmte Feliciano behandelte ihn, so wie den Professor -und Anton kalt, und mit ruhigem, herablassendem Stolz. -Man sprach nur wenig und setzte sich bald an den Tisch zu -einem leckern Abendessen nieder. Die feinen Weine waren -nicht gespart. -</p> - -<p> -Es wollte lange kein lebhaftes Gespräch in den Gang -kommen, denn Schmaling war zu sehr von <a id="corr-9"></a>Ehrfurcht durchdrungen, -und der Professor so wie Anton wußten nicht recht, -wie sie sich nehmen sollten, um nicht zu Viel zu thun, und -<a id="page-222" class="pagenum" title="222"></a> -Anderson selbst schien es darauf angelegt zu haben, diese -beiden Freunde etwas zu quälen, denn es war nicht zu verkennen, -daß ihre Verlegenheit ihn unterhielt. Endlich, um -diese drückende Schwüle aufzulösen, fing er an, von seinen -Reisen zu erzählen, und der Professor erstaunte, mit welcher -Sicherheit er alle Gegenden bezeichnete, wie richtig er über -Werke der Malerei und Baukunst urtheilte. Als Feliciano -nun von Aegypten sprach, von den Wüsten Arabiens, von -Palästina, Syrien und Persien, und alle Gegenstände mit -der ruhigen Kunde eines Augenzeugen beschrieb, dachte Ferner -leise erröthend an seine vorige Bemerkung, denn er hatte -wirklich während der Rede vergessen, daß dieser Feliciano -eigentlich Anderson sei. -</p> - -<p> -Jetzt war auch der glückliche Schmaling dreister geworden, -und er wagte es, auf den Gegenstand seiner Forschungen -und Wißbegier einzulenken. Er war sehr freudig überrascht, -daß der Wunderthäter auch hierüber frei und offen -sprach, daß er jene seltsamen Kuren nicht leugnete, und selbst -andeutete, wie der Stein der Weisen kein Mährchen sei, wie -ihn Viele schon besessen hätten, und Mancher lebe, der Kenntniß -von ihm habe. -</p> - -<p> -So halten Sie, fragte Schmaling wieder schüchtern, die -wunderbare Erzählung vom Flamel für keine Fabel? -</p> - -<p> -Wie sollte ich es, antwortete Feliciano, da ich den guten -Mann selbst noch hundert Jahre früher, als Paul Lucas -Kunde von ihm bekam, in Indien gesprochen habe? -</p> - -<p> -Anton fuhr zurück, denn diese Aeußerung schien ihm zu -stark und den Fremden bloß zu geben, doch Schmaling war -von seinem Glück schon so berauscht, daß dieser gewagte -Ausspruch seinen Taumel nur vermehrte. -</p> - -<p> -Es ist sonderbar, fuhr Feliciano fort, wenigstens erscheint -es uns Kundigen so, deren Leben nicht wie Spreu -<a id="page-223" class="pagenum" title="223"></a> -verweht, wenn die Menschen Dinge wunderbar, seltsam und -unbegreiflich nennen, die eigentlich die einfachsten und natürlichsten -sind. Ist denn der Mensch ursprünglich dazu geschaffen, -um den Thau aus der Blume, wie der Schmetterling, -zu saugen, und wie dieser Augenblicks wieder zu vergehn? -Sagt nicht die Schrift das Gegentheil? Wenn nun -Weisheit und Kenntniß der Patriarchen und andrer Heiligen, -sorgsam aufbewahrt von Geschlecht zu Geschlecht, dem Auserwählten, -der sich dessen würdig macht, mitgetheilt wird, — -wo ist das Unbegreifliche, oder nur Seltsame? Die Erzväter -lebten Jahrhunderte, und wer ihrer nicht unwürdig ist, -mag auch noch jetzt ihnen darin ähnlich werden. Wir haben -vielleicht noch den Vorzug vor ihnen, daß wir Wissenschaft -und Kunst späterer Zeit mit jenen uralten der früheren Tage, -die für die meisten Menschen schon längst verloren gegangen -sind, vereinigen können. -</p> - -<p> -Anton winkte dem Gelehrten, als freue er sich, daß Anderson -so geschickt seine vorige Uebertreibung verbessert habe. -Feliciano fuhr fort: Und so mag ich Ihnen sagen, und Sie -werden sich hoffentlich nicht mehr darüber verwundern, daß -ich noch frühere Personen gesehn und gekannt habe. Es war -mir vergönnt, ein Freund des großen und heiligen Dante -zu seyn. Viele Verwirrungen der Welt, viele große Entwicklungen -der Geschichte habe ich gesehn, und immer wieder, -wenn mein Gemüth durch dieses weltliche Treiben zu sehr -gestört wurde, zog ich mich in die Wüsten Aegyptens oder -Arabiens zurück, oder begab mich in meine Lieblingslandschaften -an dem Ganges, wo ich denn wieder mit Flamel -und manchem andern Adepten lebte. Ich habe bemerkt, daß -seit drei Jahrhunderten die Kunst sehr gesunken ist, denn so -lange wird es jetzt seyn, daß ich keinen neuen Ankömmling -in unserm Kreise gesehn habe. -</p> - -<p> -<a id="page-224" class="pagenum" title="224"></a> -Schmaling sagte verlegen: und möglich wäre es, sich -diesen hohen Sterblichen, die man fast Unsterbliche nennen -möchte, anzuschließen? Ist es zu hoffen, daß diese großen -Geister den Schüler, der ihnen gegenüber immerdar unwürdig -erscheinen muß, nicht zurückweisen werden? -</p> - -<p> -Alles hängt davon ab, antwortete Feliciano, welche -Bahn dieser Lehrling wandelt, ob er sich zu der rechten gesellt, -und ob seine Lehrer ihn nicht vielleicht der Weihe unfähig -machen. -</p> - -<p> -Und woran soll man das Wahre oder Falsche erkennen? -fragte Schmaling. -</p> - -<p> -Auf vielfache Weise, erwiederte der Magus: ich dürfte -nur geradezu sagen, ich selbst kann Euch aus meinem Munde -den besten und sichersten Bescheid ertheilen. Indessen — ist -ein Kind hier im Hause? fragte er, gegen den Professor -gewendet. -</p> - -<p> -Ich habe zwei Knaben, antwortete dieser in der höchsten -Verlegenheit, denn dies war gegen die Abrede, und Ferner -begriff nicht, wohin dies führen sollte. -</p> - -<p> -Wie alt? fragte Feliciano. -</p> - -<p> -Der Eine zwölf, der Jüngere neun Jahr. -</p> - -<p> -So laßt mir den Jüngeren kommen, Freund, war die -Antwort, und daß uns dann die Dienerschaft nicht störe. -</p> - -<p> -Ferner ging, verwirrt und in sich selber ungewiß. Er -kam mit dem heitern, blondlockigen Knaben zurück, der hell -und klar aus seinen großen freundlichen Augen schaute. -</p> - -<p> -Der Zauberer ließ das Kind zu sich kommen, beschaute -es ernst, hieß die Hände zeigen, betastete den Kopf des Kindes, -und indem er mit feierlichem Anstande die rechte Hand -auf dem Haupte des Knaben ruhen ließ, fragte er ihn: Wie -ist Dir jetzt? Empfindest Du Etwas? -</p> - -<p> -Ach! rief das Kind: mir wird so wohl, so hell, mir ist, -<a id="page-225" class="pagenum" title="225"></a> -als könnt’ ich singen, so leicht als möcht’ ich fliegen, das -Auge so licht, als könnt’ ich durch die Wände sehn. -</p> - -<p> -Bleibe so stehn, mein Sohn, sagte Feliciano sehr ernst, -und, da nichts Anders zugegen ist, das uns dienen könnte, -so hefte Deine Augen auf den klaren Kristall dieser Wasserflasche, -und sage mir, was Du siehst. -</p> - -<p> -Anton wie Ferner waren im höchsten Erstaunen, was -sich aus dieser Anstalt, von der sie nicht die kleinste Ahndung -gehabt hatten, ergeben solle. Schmaling war in Bewunderung -aufgelöst. Die größte Stille herrschte. -</p> - -<p> -Ich sehe, fing das Kind an, einen jungen Herrn, einen -schönen jungen Herrn, hübsch in Kleidern, schlank gewachsen: -mir ist, ich kenne den Herrn. Ich glaube, es ist der Mann -hier in der Stube. Er steht aber in einem fremden Zimmer: -ganz fremd. Da kommt ein andrer Herr: auch der ist -noch nicht alt; etwas größer. Sie sprechen. Dreiecke, Vierecke -sind aufgestellt: Sonnen, Monde. Sie sprechen. Ach! — -mit lautem Ruf sagte der Kleine — da schwebt so klar, ganz -hell, glänzend, ein schönes Frauenbild zwischen ihnen herab. -Es küßt den hübschen Herrn auf die Stirn. -</p> - -<p> -Genug, sagte der Magus, und zog die Hand zurück. — -Siehst Du noch Etwas? -</p> - -<p> -Unsre Wasserflasche, sagte der Kleine, und ich bin ganz -müde. -</p> - -<p> -Jüngling, sagte der Magus hierauf zu Schmaling, Du -bist dermalen auf dem richtigen Wege, verfolge ihn mit Muth -und Standhaftigkeit, und das Ziel wird Dir nicht entgehn. -Dein Führer, dem Du Dich anvertraut hast, ist der wahre, -sonst wäre die göttliche Sophia nicht niedergeschwebt, und -hätte, dem Kinde sichtbar, Deine Stirn mit einem Himmelskusse -berührt. — Er reichte dem Jüngling die Hand, und -dieser küßte sie mit inbrünstiger Ehrfurcht. -</p> - -<p> -<a id="page-226" class="pagenum" title="226"></a> -Anton war höchst betreten, überrascht, und konnte in -leidenschaftlicher Verwirrung nicht seine Begriffe ordnen und -sammeln. Dies Alles war so sehr gegen die Abrede, Anderson -erschien ihm so fremd, in einer so neuen Gestalt, daß -ihm das Wort auf der Zunge versagte, als er ihn anreden -wollte, denn der Magus sah ihn mit einem so feurigen, -durchdringenden Blicke an, daß er verlegen die Augen niederschlug. -Der Gelehrte war eben so verwirrt, denn die Scene -hatte sich so völlig umgestaltet, daß er sich im eignen Wohnzimmer -als ein Fremder fühlte. -</p> - -<p> -Du glaubtest, mein Anton, fing der Zauberer an, durch -einen fremden Mann diesem Jüngling einen Scherz und -Trug zu bereiten, und Du, Kurzsichtiger, bist der Getäuschte. -Ja, wisse denn, ich bin wirklich und in der That jener weit -bekannte Feliciano, den die Welt früher schon mit andern -Namen nannte. Du staunst? Du zweifelst noch? Er faßte -das Kind, stellte es wieder vor den Tisch, murmelte einige -Worte, blickte starr eine geraume Zeit empor, indem er die -Lippen bewegte, und legte dann seine rechte Hand wieder -auf den Kopf des Kindes. Was siehst Du für ein Schicksal? -fragte er dann mit schneidendem Ton. -</p> - -<p> -Ei! ei! rief der Kleine; ach! grüne Bäume, ein Dorf: -ein kleines, liebes Haus da, auch eine Wiese, ein klares -Wässerchen, und eine Mühle nicht weit davon. Ein junger -Herr spaziert da, ich kenne ihn auch, er kommt oft zu uns, -ja er ist jetzt bei uns. Schau, da tritt ein hübsches Bauernmädchen -zu ihm, und sie gehn in das kleine Haus. -</p> - -<p> -Anton war blaß. Er hatte sich erhoben, konnte sich -aber zitternd nicht mehr aufrechthalten und setzte sich nieder. -</p> - -<p> -Der Knabe fuhr fort, in das Glas schauend: sie streiten -heftig im Zimmer, sie nimmt ein Bild aus ihrem Busen und -tritt es mit Füßen. Er geht und droht. Sie reißt ihre -<a id="page-227" class="pagenum" title="227"></a> -Mütze vom Kopf, die Haare fliegen. Sie rennt nach dem -Tische und zieht ein großes Messer hervor. Dann sieht sie -nach dem Bach und dem Wasser. Sie schwört, sie macht -schreckliche Geberden. -</p> - -<p> -Der Magus ließ die Hand vom Kopf des Kleinen und -ein gelber Blitz zuckte blendend durch das Zimmer, ein lauter -Donnerschlag erschütterte das Haus. Wie ein Rauch -stand plötzlich ein blasses Frauenbild da, drohend die Hand -gegen Anton erhoben. Dieser stürzte entsetzt vom Sessel auf -den Boden. Alles verschwand und die Lichter brannten wieder -hell. -</p> - -<p> -Nun, wendete sich der Zauberer zum Gelehrten, soll -ich Dir auch noch beweisen, daß ich der wahre Feliciano -und kein Trugbild sei? Soll ich Dir Deine geheimsten Gedanken -und Absichten oder Deine Zukunft sagen? -</p> - -<p> -Ferner erwiederte bleich und geängstigt nur Weniges. -Du glaubtest, fuhr Feliciano fort, indem er den zerstörten -Anton vom Boden erhob, kein Mensch in der Stadt kenne -Dein Verhältniß zu jenem unglücklichen Mädchen, die Du -Deinem Ehrgeiz aufopferst. Noch ist die letzte Zeit, noch -kannst Du sie retten. -</p> - -<p> -Es war schon spät, aber Anton stürzte fort und eilte -zu Pferde noch in der Nacht zu seiner Geliebten hinaus. -Der Magus hatte sich entfernt, aber Niemand hatte ihn zur -Thür hinaus gehn sehn. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -So hatte diese Zusammenkunft ganz anders geendet, -als es die Freunde und Clara erwartet hatten. Diese sah -ihren Bruder am Abend nicht und auch nicht am folgenden -Morgen. Man war im Hause um ihn besorgt. Der Vater, -<a id="page-228" class="pagenum" title="228"></a> -der einen kurzen, leidenschaftlichen Brief von Anton erhalten -hatte, lösete mit kummervollem Antlitz das Räthsel. -</p> - -<p> -Der Sohn war in der Nacht angekommen. Er vernahm, -daß um die Zeit, als das unglückliche verführte Mädchen -ihm im Zimmer seines Freundes erschienen war, sie in -einem Todtenschlafe, so daß sie nicht zu erwecken war, gelegen -hatte. Als sie sich wieder besonnen und mit den tief -bekümmerten Eltern gesprochen hatte, legten sich diese, nach -einem kurzen Abendessen, zur Ruhe. Als im Hause Alles -still war, hatte sie noch einen Brief an ihren Ungetreuen geschrieben, -der sich ihrer schämte, und ihre Dürftigkeit und -ihren Stand verachtete. Als sie mühsam und unter vielen -Thränen den Brief geendigt hatte, ging sie noch lange auf -und ab, um ihr Elend ganz zu fühlen und ihren schrecklichen -Entschluß in sich reif werden zu lassen. Sie hatte nicht -den Muth, sich ihren Eltern zu vertrauen, weil sie den Zorn -des heftigen Vaters fürchtete. Sie fühlte, wie nahe sie ihrer -Niederkunft sei, und hatte keinen Vertrauten, wußte keine -Hülfe zu ersinnen. Anton hatte sie in der Stadt als eine -Unbekannte unterbringen, und für sie sorgen wollen, sie aber -hatte mit Abscheu alle seine Vorschläge abgewiesen, da er -nicht mehr für sie zu thun gesonnen war, so dringend sie -ihn auch an seine früheren Versprechungen und Eide erinnerte. -Er wollte aufschieben und Zeit gewinnen: er fürchtete -ebenfalls seinen Vater, seine Vorgesetzten, auch war die -frühere Liebe wohl erkaltet. Sie sah keinen Ausweg und -ging jetzt in der finstern Nacht den Bach entlang, um in -den brausenden Mühlsturz sich und ihr ungebornes Kind und -alle ihre Sorgen zu begraben. -</p> - -<p> -Indem sie nach der Mühle zulenkte, hörte sie auf der -Landstraße ein brausendes, jagendes Pferd. Es war Anton. -Seine Todesangst erkannte schon aus der Ferne ihren Schatten. -</p> - -<p> -<a id="page-229" class="pagenum" title="229"></a> -Der geheime Rath Seebach meldete seiner Familie, daß -sich sein Sohn am frühen Morgen mit einem Bauermädchen -verheirathet habe. Was der kurze, heftige Brief nicht sagte, -ergänzte seine Ahndung. Die Mutter, aus einer alten adeligen -Familie, einem angesehenen Edelmanne vermählt, war -außer sich, weil dieser Sohn ihr Stolz und ihre größte -Hoffnung gewesen war. Clara war mehr verwundert als -betrübt, und zürnte dem Bruder, daß er ihr und den Eltern -aus diesem Verhältniß ein Geheimniß gemacht hatte. -</p> - -<p> -Traurig ist es, sagte der Vater, denn er hat sich durch -den raschen Schritt, durch diese Unbesonnenheit die Thüre zu -allen höheren Stellen verschlossen. Es ist aber so, mag es -auch kommen, wie es will, besser, als wenn er ein Verbrechen -begangen hätte. Wir werden uns an die Tochter -gewöhnen, und wenn mein Sohn Ehrenstellen einbüßt, so -hält er doch sein Wort und bleibt ein Mann von Ehre. Wo -das Schicksal so ernst in die Verhältnisse des Lebens tritt, -da soll man nicht mehr klügeln, sondern in Demuth den -hohen Willen anerkennen. Ich weiß, daß die Liebe seiner -Eltern nicht dadurch wird vermindert werden. -</p> - -<p> -Die Mutter weinte heftig, so sehr sie auch der Vater -und Clara zu beruhigen suchten. Der Vater schrieb dem -Sohne mit dem rückgehenden Boten einen herzlichen Brief, -in welchem er ihm Alles vergab und ihn ermunterte, sein -Leben nun tüchtig und stark anzufassen. Die Stadt war -bald von dieser sonderbaren Begebenheit angefüllt, über -welche Jeder nach seinem Standpunkt und seinen Vorurtheilen -sprach. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -So war nun in allen Verhältnissen der Familie eine -große Veränderung eingetreten. Der Sohn kam vor der -<a id="page-230" class="pagenum" title="230"></a> -Niederkunft seiner Frau nicht zur Stadt. Nachher zeigte er -sich den Eltern, getröstet, aber nicht froh, und späterhin -führte er Agnes, die Bäuerin, bei ihnen ein, mit der er -ein eignes kleines Haus in der Vorstadt bezog. Nichts wollte -sich fügen und in einander schicken, und Jeder gestand sich, -daß, wenn die Sache unabänderlich war, diese Frau, durch -welche die Laufbahn des Sohnes gehemmt war, in den Kreis -der Familie doch nicht passe. Es war schon die Rede davon, -daß er das Gut des Vaters bewirthschaften solle; indessen -schien auch dieses bedenklich, da Anton sich niemals -um die Landwirthschaft gekümmert hatte. Was den Vater -aber mehr, als diese Stellung seines Sohnes kümmerte, -war, daß er ein schwärmerischer Anhänger dieses Feliciano -geworden, von dessen Seite er kaum mehr wich, und so erlebte -er nun, daß Sohn und Schwiegersohn sich diesem -Schwindel ergaben, von dem er selbst wieder geheilt schien. -Er erstaunte, daß auch sein ruhiger Freund, der Gelehrte, -der ihm immer ein Muster in der ruhigen Haltung erschienen -war, ebenfalls nach jener Begebenheit sich als einen -fanatischen Anhänger des Feliciano erklärte. Auch der alte -Obrist neigte zu dieser Schwärmerei hinüber, und nicht bloß -im Hause des geheimen Rathes, sondern in den meisten -Häusern der Stadt, wurde Feliciano der erste und wunderbarste -aller Menschen genannt. -</p> - -<p> -Ein Taumel bemächtigte sich, als es erst bekannt worden -war, daß der berühmte Feliciano zugegen sei, der ganzen -Stadt. Jedermann wollte ihn kennen lernen, jede Gesellschaft -wollte ihn in ihrer Mitte sehn. Er gewann in -kurzer Zeit viele Anhänger und Freunde, und die angesehensten -Männer, die höchsten vom Adel bewarben sich um -seine Gunst. Er erklärte, daß er nur kurze Zeit verweilen -könne, weil er in großen und wichtigen Geschäften nach dem -<a id="page-231" class="pagenum" title="231"></a> -Norden gehn müsse, auch erlaubten ihm seine geheimnißvollen -Arbeiten nicht, sich zu sehr in der Welt zu verbreiten. -Die wichtigsten Männer versammelte er um sich in seiner -Loge. Man sprach von den seltsamsten Wundern, die hier -in geheimen Zusammenkünften vorgefallen waren. Der Professor, -so schien es, hatte seinen jüngsten Knaben ganz dem -Wunderthäter überlassen, denn das Kind weissagte oft aus -dem Kristall, den Feliciano künstlicher, als es an jenem -Abend geschehen war, in seinen Gesellschaften aufstellte. Der -Arzt Huber arbeitete indessen mit Sangerheim und Schmaling, -Jeder bestrebte sich, von allen diesen geheimen Künsten -Zeuge zu seyn, oder durch Freunde wenigstens Etwas von -ihnen zu vernehmen, und selbst die Frauen und Mädchen -wünschten an diesen Wunderwerken Theil zu nehmen, oder -auch in irgend eine mysteriöse Verbindung zu treten. Feliciano -hatte sie eigentlich selbst zuerst auf diesen Wunsch geführt, -und er stiftete auch bald darauf eine Loge für Damen, -die nun auch mit mystischen Abzeichen prangten, sich gegenseitig -an Gruß und Handdruck erkannten, und von Fortschritten -in Weisheit und Wissenschaft träumten. Auch die -Mutter Clara’s hatte sich in diesen Orden aufnehmen lassen. -</p> - -<p> -So war die arme Clara von Jedermann verlassen, denn -beim Vater, der über alle diese Sachen verstimmt war, konnte -sie nur wenig Trost finden. Der Graf Feliciano hatte alle -Künste der Ueberredung angewendet, das schöne Mädchen -auch zu dem Uebertritt in seinen neugestifteten Orden zu -überreden, in welchem seine Gemahlin, die seitdem auch aus -dem Inkognito hervor getreten war, den Vorsitz führte. Es -gelang ihm aber so wenig, daß im Gegentheil der Widerwille -Clara’s gegen alle diese Dinge immer mehr gesteigert -wurde. Wie kann der Mensch, sagte sie einmal in einer -aufgeregten Stimmung zu ihrem Vater, nur so verkehrt seyn, -<a id="page-232" class="pagenum" title="232"></a> -in der Umkehrung des Natürlichen sein Heil zu suchen? Man -fühlt sich ja als Mensch nur wohl, wenn Alles in der -gewöhnlichen Bahn fortschreitet, wenn das, was sich als -nothwendig ankündigt, ganz einfach und schlicht geschieht. -Entwickelt sich in diesem Lebensgange eine große That, eine -schöne Aufopferung, so freut es uns um so mehr, daß uns -das Göttliche aus den Elementen gewebt ist, die uns zunächst -umgeben, daß wir fühlen, auch uns könnte in einer -geweihten Stunde dasselbe begegnen, oder unsre Seele könnte -auch dieselbe Höhe erstreben. Ziehn wir uns doch mit Widerwillen -von der Nahrung zurück, die uns zu fremdartig dünkt, -deren Zurichtung unserm Gaumen widersteht: aber schlimmer -als überreifes Wild, oder der verpestete <span class="antiqua">haut goût</span> der -Assa fötida, und der Vogelnester und ähnlicher abscheulicher -Dinge ist es, diese Knoblauch-Tinktur von Wunderglauben, -tollen Fabeln und aberwitzigen Bestrebungen in seine Seele -aufzunehmen. -</p> - -<p> -Der Vater erwiederte: Du bist zu zornig, liebes Kind. -Laß die Menschen gewähren, der Krankheitsstoff muß austoben. -Alles Sprechen dagegen nutzt nicht, unfruchtbar ist -das Moralisiren; der Dämon, der die Menschen besitzt und -treibt, wird endlich seines Spieles selbst müde. Deine kühne -Vergleichung paßt auch nicht ganz; man könnte eben so gut -die entgegengesetzten Bilder brauchen. Wen versucht nicht -der reife, köstliche Pfirsich? die duftende Ananas? die lockende, -rothe Kirsche, vorzüglich in der Jugend? Und was wäre -unser Leben, wenn Alles so plan verständlich wäre? Alle -Tage unausgesetzt die nahrhafte Hausmannskost des redlichen -Treibens, der guten Gedanken? Aus Natur und Kunst, -aus Liebe und Scherz, aus Religion und Gemüth winkt uns -ein Geheimniß an, dem wir näher kommen möchten: es zieht -uns nach durch Gefild und Wald. Jetzt glauben wir es zu -<a id="page-233" class="pagenum" title="233"></a> -erblicken, dann ist es wieder entschwunden. Von dieser Sehnsucht, -die ohne Gegenstand scheint, werden die besten Kräfte -unsrer Seele getränkt, und wenn sie erlöschen könnte, würden -wir in uns selbst verschmachten. Alle schönen Triebe der -Freundschaft, des Wohlwollens, der Menschenliebe, aller -Enthusiasmus für das Gute und Schöne quillt ebenfalls aus -dieser geheimnißvollen Gegend unsrer Seele. -</p> - -<p> -Mag es seyn, antwortete die Tochter, aber ich sehe und -erlebe es doch, daß, wenn diese Sucht, oder der Trieb auch -innigst mit dem Schönen eins ist, sie doch auf ihrem fortgesetzten -Wege sich in das gespenstig Aberwitzige verwandeln -können. Der Mensch muß ja doch mit festem Charakter und -unbezwinglichem Willen in der Mitte stehen bleiben, daß -Glauben sich nicht in Aberglauben, Sinn in Thorheit, Tugend -nicht in Laster verwandle. Ist jene Sehnsucht überirdischer -Natur, so ist dieser einfache starke Wille wohl auch -göttlicher Abkunft, der wie ein unüberwindlicher Riese den -Schatz der Vernunft und des Guten bewachen soll, welcher -dem Menschen von Gott ist anvertraut worden. Mir dünkt, -gegen tausend wunderliche Dinge, die auf uns eindringen, -gegen unzählige Gelüste, die uns überreden möchten, giebt -es keine andre Waffe, als daß ich sage und immer wieder -sage: es soll nicht seyn! Lasse ich dieses Schwert im Schlummer -einmal fallen, so kann ich gar nicht mehr wissen, wohin -mich alle jene Sophistereien führen könnten. -</p> - -<p> -Diese starre Vernunft, sagte der Vater, reicht aber auch -nicht aus: sie kann Tugend seyn, widersteht aber eben so oft -der Liebe als dem Unrecht, läßt auch die Wahrheit, indem -sich die Liebe abkämpft, nicht auf sich eindringen. -</p> - -<p> -Wahrheit! das große Wort! rief sie aus, das eben so -wohl Alles wie Nichts bedeutet. Wer hat es nicht schon -gemißbraucht? Je demüthiger wir uns dem unterwerfen, -<a id="page-234" class="pagenum" title="234"></a> -was das Leben von uns verlangt, je sanfter und stiller wir -dem folgen, was uns zu unserm Heil offenbart ist, je weniger -wir grübeln und klügeln, und die Anmaßung von uns -fern halten, über dem Begreifen zu stehen, es zu meistern -und nach Gutdünken zu handhaben, um so mehr wir dem -Vorwitz Einhalt thun, da nicht hinschauen zu wollen, wo -sich in der Leere unserm irdischen Blick nur Gespenster erschaffen, -um so mehr, glaube ich, bleiben wir der Wahrheit -getreu. -</p> - -<p> -Wohl mein Kind, sagte der Rath: denn wie ich schon -sonst behauptete, wenn das Böse auch ein Nichts ist, so erwecken -wir es doch wohl und theilen ihm unsre Kräfte mit, -indem wir es glauben und uns dem Nichtigen ergeben. Hat -es erst von uns diese Stärke empfangen, so wird es wohl oft -so gewaltig, daß es uns und jeden Widerstand besiegt, der -nicht die göttliche Wahrheit selbst zu Hülfe ruft. In diesem -Bilde kann man sich die Erscheinung der bösen Geister denken, -die der Magier aufruft. — Und so möchte man freilich -glauben, Wahrheit sei in allen Dingen zu finden, sie liege -auch dem Irrthum zum Grunde, nur hüte sich der Mensch, -einer Regung, einer Aufwallung, oder einem Gedanken unbedingt -und zu dreist zu folgen, denn rechts und links liegt -die Unwahrheit und Täuschung, und er wandelt nur recht -auf einer schmalen Linie. -</p> - -<p> -Wenn es so ist, erwiederte Clara, so ist es eben das -Sicherste, dem Alltäglichen getreu zu bleiben, was vielen beflügelten -Geistern als das Gemeine erscheint. Will sich der -Mensch erheben, wird er, wie der fliegende Schmetterling, -von Schwalben und Sperlingen weggehascht, und bleibt er -unten am Boden, so wohnt er beim Gewürm, aber nährt sich -auch vom Thau, der in den Rosen und Lilien glänzt. — -</p> - -<p> -Nicht nur die Familie des Rathes war in Verwirrung -<a id="page-235" class="pagenum" title="235"></a> -gerathen, sondern man konnte dies von der ganzen Stadt -behaupten. Dem alten Seebach war es aber verdrüßlich, daß -von den Vernünftigen, die sich nicht hinreißen ließen, Alles -was geschah, mit ihm und seinem Sohn, so wie mit jener -Entdeckung Sangerheims in Verbindung gebracht wurde. Es -ließ sich nicht leugnen, daß jener Vorfall, der viel Aufsehn -erregt hatte, zu allen spätern Wunderlichkeiten gleichsam das -Signal gegeben hatte. Die sonderbare Verheirathung des -Sohnes, die Schwärmerei Schmalings, die Operationen des -Grafen so wie Sangerheims, die weibliche Loge, in die sich -seine Gattin sehr gegen seinen Willen hatte aufnehmen lassen, -die Seltsamkeiten, die sowohl der Arzt Huber, wie der -Professor Ferner, vernehmen ließen, die Ausschweifungen -mancher Reichen, die sich ganz der Hoffnung ergaben, die -Kunst des Goldmachens zu entdecken, und in dieser Aussicht -ihr Vermögen verschwendeten, Geister-Erscheinungen, durch -welche man in mächtigen Familien dieses und jenes hatte -durchsetzen wollen, alles Dies, vergrößert, mit Erfindungen -ausgeschmückt, Alles wurde hauptsächlich auf Rechnung des -alten erfahrnen Seebach geschrieben, um so mehr, weil man -wußte, daß er auf eine Zeitlang sich diesen seltsamen Künsten -ergeben hatte. Es half ihm Nichts, daß er sich wieder -zurückgezogen hatte, daß er den Umgang Sangerheims und -noch mehr des Grafen vermied, die meisten Menschen, auch -seine Collegen und selbst seine Freunde hielten ihn für den -Stifter aller dieser Irrungen. So bedrängte ihn, außer -den häuslichen Kränkungen, noch das Gefühl, daß er so vielen -wackern und einflußreichen Leuten für einen zweideutigen -und gefährlichen Mann galt. Vieles von diesem geheimnißvollen -Umtreiben kam auch vor das Ohr des Fürsten, der, -da die Sache laut und weltkundig wurde, ein großes Mißfallen -bezeigte, und dem Rathe, der sich gar nicht mehr mit -<a id="page-236" class="pagenum" title="236"></a> -diesen Dingen befassen mochte, andeuten ließ, sich zu mäßigen. -Am schlimmsten aber waren dem gekränkten Seebach -die Maurer von der alten Ordnung aufsässig, die in Allem -nur die Absicht sahen, daß sie gestürzt werden sollten, — -welches die mystischen Logen auch laut genug aussprachen, — -und nun empört den Rath als einen abtrünnigen Bruder -behandelten, der aus weit ausgreifenden Absichten sich diesen -Rebellen verbunden habe, um als das Haupt dieser geheimnißvollen -Gesellschaft Verderbliches zu wirken. -</p> - -<p> -Meine Tochter hat Recht, sagte der Rath zu sich selber, -wie hart werde ich für meine Neugier oder Wißbegier -gestraft, die Anfangs so löblich oder unschuldig aussah. Hielt -ich mich doch für so kühl und weise, um allen Versuchungen -Widerstand leisten zu können. Aber ein Glied reiht sich an -das andre, und unvermerkt ist die Kette fertig. -</p> - -<p> -Es schien aber, als wenn zwei Wunderthäter für Eine -Stadt, wenn sie auch groß war, zu viel seien. Der Graf -hatte sogleich abreisen wollen, verlängerte aber seinen Aufenthalt -von einem Tag zum andern. Sein Wirkungskreis schien -sich auszubreiten, so wie der Sangerheims abnahm, da viele -von dessen Jüngern zum größern Meister abfielen. Darum -führte Sangerheim den Vorsatz aus, zu welchem er schon -seit einiger Zeit Alles vorbereitet hatte, sich nach einer andern -reichen und angesehenen Stadt zu begeben, wo er, da -sein Ruf ihm schon vorangegangen war, gleich mit dem -größten Glanze auftrat, die ältern Maurer beschimpfte, ihnen -ihre Lehrlinge entzog, und Zeichen und Wunder aller Art -verrichtete. Der Geheimrath erlebte die neue Kränkung, -daß Schmaling, unter dem Vorwande einer Krankheit, von -seinem Minister einen unbestimmten Urlaub nahm, und dem -Abentheurer nach jener Stadt hin folgte, um in seiner Nähe -und nach seiner Anweisung seine geheimnißvollen Arbeiten -<a id="page-237" class="pagenum" title="237"></a> -fortzusetzen. Schmalings Abschied von Clara war kalt, und -sie war so erzürnt, daß nur Wenig fehlte, so hätten Beide -ihre Trennung für immer ausgesprochen. Aber da Beide -sich noch mäßigten, so blieb es bei unbestimmten Ausdrücken, -die Jeder nach Gefallen deuten konnte. -</p> - -<p> -Seinen Sohn sah der Rath nur selten, weil er ganz -dem Grafen und dessen Befehlen und Operationen lebte. -Die Gattin war in der weiblichen Loge sehr thätig, und jetzt -mit der niedrig gebornen Frau ihres Sohnes ganz ausgesöhnt, -weil auch diese, die allen Glanz ihrer Jugend wieder -erhalten hatte, vom Grafen zur Bundesschwester war geweiht -worden. Huber war ebenfalls dem Adepten Sangerheim -nachgereiset, um in seiner Kunst vollkommener zu werden. -</p> - -<p> -Clara war im Schmerz außer sich, als der Vater nach -einiger Zeit von Schmaling einen sonderbaren Brief erhielt, -den er der Tochter mittheilen mußte. Der künftige Schwiegersohn -schrieb nehmlich Folgendes: -</p> - -<p> -Im Begriff, einen sehr wichtigen und entscheidenden -Schritt in meinem Leben zu thun, halte ich es für meine -Pflicht, Sie, Verehrter, und meine geliebte Clara in Kenntniß -zu setzen, was ich zu thun gesonnen bin, was ich nicht -unterlassen kann und darf. Daß mein Gemüth sich seit lange -dem Reiche der Geheimnisse zugewendet hat, wissen Sie -schon, daß mein Herz nur Ruhe finden kann, wenn diese -Sehnsucht gestillt wird, werden Sie begreifen. Aber wie -kann, wie soll es geschehn? Ich habe manche Grade erhalten, -ich bin Zeuge von vielen Wundern gewesen, seltne -Kenntnisse sind mir geworden, große, heilige Schauungen -haben meine Seele erst erschüttert, und sind mir dann einheimisch -geblieben. Daß ich niemals zu jenen Verächtern -unserer Religion gehört habe, die in unsern Tagen den Ton -angeben, wissen Sie ebenfalls. Ich habe geforscht, die heiligen -<a id="page-238" class="pagenum" title="238"></a> -Schriften sind mir vertraut und ehrwürdig, aber was -die Kirche und ihre Priester mir gaben, konnte meinem brünstigen -Geiste nicht genügen. Auch hier hat mir der begeisterte -Sangerheim neue Wege gewiesen. Die Tradition, die Wunder -der ältern katholischen Kirche, ihre heilige Messe, die -himmlischen Legenden, die Gegenwart, die unmittelbare, -Christi in der Hostie, die Liebe der Mutter Gottes, die -Bilder und die Musik, — warum sollen wir unser reiches -Herz allen diesen Gaben verschließen? Warum nicht nehmen, -was uns so liebreich geboten wird? Um ganz der Einweihung -in die Mysterien würdig zu werden, um die Grade -empfangen zu können, und die Strahlen des Lichtes, nach -denen ich mich sehne, ist es nothwendig, wie mir mein Lehrer -sagt, daß ich meinen jetzigen Standpunkt in der Kirche -aufgebe, die Ueberzeugung, die mir ja niemals eine war, -weil sie mein brennendes Herz so leer ließ, daß ich zur -ältern, eigentlichen christlichen Kirche zurückkehre, die mütterlich -jedem Verirrten die Arme entgegenbreitet. Ist dieser -nothwendige Schritt geschehn, so sind mir alle Geheimnisse -des Ordens zugänglich und offen, die Vereinigung mit jenen -ehrwürdigen Männern, den unbekannten Obern, ist mir -dann möglich, mit jenen erhabnen Geistern, denen die Verwahrung -aller Geheimnisse anvertraut ist. Diese nahe Weihe, -diese Nothwendigkeit der Veränderung hat der Meister mir -nur allein, als seinem Lieblinge, entdeckt, die andern Schüler -sind dieser Erklärung noch nicht fähig und würdig. — -Von Ihnen, verehrter Mann, bin ich nun keiner Einreden -und keiner Mißbilligung gewärtig, da ich weiß, wie billig -Sie sind, wie aufgeklärt Sie denken. Es kann bei Ihnen -unmöglich in Anschlag kommen, daß ich meine jetzige Stelle -und jeden künftigen Staatsdienst aufgeben muß, denn den -höheren Pflichten müssen die niedrigern weichen. Es ist ja -<a id="page-239" class="pagenum" title="239"></a> -nichts Weltliches, Ehre oder Reichthum, was ich durch diese -Rückkehr in die Mutterkirche erstrebe: sondern das Unsterbliche, -die Erleuchtung, das Verständniß selbst. Wie aber -wird Clara es aufnehmen, wenn sie meinen Entschluß erfährt? -Sie klebt, fürchte ich, allzusehr am Irdischen, um -sich in die freiere Region des Geistes erheben zu können. -Ich hatte immer gehofft, ihr Sinn würde sich in der Liebe -poetischer bilden, daß sie es wenigstens fühlte, wenn auch -nicht einsähe, wie arm jenes Leben ist, dem sie sich ergeben -hat. Suchen Sie sie zu stimmen, verehrter Vater, daß sie -mich nicht mißversteht, Sie, der Sie ja auch der Wissenschaft -manches Opfer brachten. Und was ist es denn auch mit -dem Weltlichen und Irdischen? Besitze ich nicht eignes Vermögen? -Auch Clara ist nicht arm, und braucht sich also -niemals von mir ganz abhängig zu empfinden. Und soll -einmal dergleichen in Anspruch kommen, so darf ich wohl die -Aussicht, daß mir in Zukunft, vielleicht bald, Alles zu Gebote -steht, was ich nur wünsche, keine Fata Morgana nennen. -Welche Kraft und Gewalt mir anvertraut mag werden, -um da zu herrschen, wo unsere Ahndung sonst nur hinstrebt, -mag ich nicht weiter andeuten und aussprechen. Ist -sie aber mit mir einverstanden, so bin ich der Glücklichste -der Menschen. — -</p> - -<p> -Nein, wahrlich nicht! rief Clara im höchsten Unwillen -aus, nun und nimmermehr! Welchen Gimpel haben sie schon -jetzt aus dem allerliebsten Menschen gemacht, und was muß -nicht erst aus ihm werden, wenn sie ihm noch mehr Grade -und Geheimnisse aufhalsen! O wahrlich, er wird ihnen in -den Strängen geduldiger als ein Maulthier ziehn, und allen -frommen Gläubigen zum Exempel und Vorbild dienen. Mich -mit ihm verbinden? Vielleicht haben sie noch einen andern -geheimen Grad irgendwo im Winkel liegen, und um den zu -<a id="page-240" class="pagenum" title="240"></a> -ergattern, muß er wohl auch noch sein Vermögen dran geben, -und dann, um die letzte und beste Niete zu ziehn, Capuziner -werden. Nein, ehe er seinen Verstand nicht aus dem Monde -wieder herunter geholt hat, mag ich Nichts von ihm wissen. -Wie er der jüngern Kirche entsagt hat, um die ältere lieben -zu können, so giebt es auch vielleicht hinter dem Vorhang -eine ältere mütterliche Braut, die zu ehlichen seine unsterbliche -Pflicht ist, denn ich merke, diese Wunderthäter können -Alles möglich machen. Ich hörte sonst wohl, die katholische -Kirche habe die Freimaurerei in schweren Bann gethan, ich -sehe aber wohl, es gibt Ausnahmen für Alles. Sonst wurden -viele junge Menschen Maurer, um auf Reisen eine gute -Aufnahme und gastfreie Brüder zu finden, eine unschuldige -Ursache, sich einweihen zu lassen. Jetzt aber, — wie Kunstreiter -auf ihre Geschicklichkeit, Taschenspieler auf ihre schnellen -Hände, so reiset dieser Sangerheim auf die Kunst herum, -allenthalben die bestehenden Logen zu stürzen. Wenn er denn -Geister zitiren kann, so mag er dem armen Schmaling den -seinigen wiederschaffen. Vielleicht ist der aber schon in der -Loge verbaut, oder als Winkelmaß eingerichtet. Also nach -Rom hin sieht denn dieser Orient? Schmaling wird gewiß -einmal diese Herren segnen, die ihn jetzt so reich und groß -machen, wenn er erst sein ganzes Elend kennt, und ihm sein -verarmtes Herz zerbricht. -</p> - -<p> -Sie überließ sich der Trostlosigkeit und weinte heftig. -Der Vater wußte ihr Nichts zu sagen, er beschwor sie, nur -nicht in der ersten Entrüstung den Brief zu beantworten. -Er selbst schrieb an Schmaling, um ihn mit allen Gründen, -die er aufführen konnte, von dem Schritte abzuhalten, den -er zu thun im Begriff war. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -<a id="page-241" class="pagenum" title="241"></a> -Endlich bestimmte sich auch der Graf Feliciano, seine -große Reise fortzusetzen. So sehr der Rath seinem Sohn -Anton Alles vorhielt, was Vernunft und Gefühl ihm nur -eingeben konnte, so ließ sich Anton dennoch durch Nichts abhalten, -mit seiner jungen Frau, deren Kind bald nach der -Geburt gestorben war, dem Grafen zu folgen. Auch der -Professor gab seinen Knaben, wenigstens für einige Zeit, -dem berühmten Feliciano mit auf die Reise, weil der Magier -gefunden hatte, daß dieses Kind vorzüglich begabt sei, -die Visionen zu sehn. Die Mutter hatte sich indessen von -der Loge wieder zurückgezogen, denn es war ihr zu empfindlich -gewesen, daß das Bauermädchen eines größeren Ansehns, -als sie selber, genoß; man hatte sogar in Vorschlag gebracht, -daß die Unerzogene nach der Abreise des Grafen und seiner -Gemahlin Vorsteherin derselben werden sollte; da sie aber -die Wunderthäter begleitete, um noch höhere Grade zu empfangen, -und der höchsten Geheimnisse theilhaftig zu werden, -so war der Räthin die Würde angetragen worden, die sie -nach diesen Vorfällen mit Verachtung ausgeschlagen hatte. -</p> - -<p> -Wenn also der Rath um seinen Sohn und dessen Schicksal -bekümmert seyn mußte, so hatte er wenigstens die Beruhigung, -daß seine Gattin mit ihm und der Tochter wieder -einverstanden war. Die Frau, die nicht ohne Charakter und -Verstand war, bereute jetzt ihre kurze Verblendung um so -mehr, als sie jetzt, kühler geworden, einzusehn glaubte, wohin -das Gaukelspiel ziele. Durch die Loge hatten sich mehrere -Liebschaften und Verbindungen, und zwar nicht von den -anständigsten, angeknüpft; auch Scheidungen fielen vor, und -man hielt es bald für verdächtig, dieser Gesellschaft anzugehören, -so daß die Frauen selbst nach kurzer Zeit dieses Logenspiel -wieder aufgaben, und um so leichter, da man nur Wenigen -Geheimnisse mitgetheilt hatte. Diese Wenigen waren -<a id="page-242" class="pagenum" title="242"></a> -nachher von Allen vermieden, die ein strengeres Leben führen -wollten. -</p> - -<p> -In jener großen Stadt hatte sich Sangerheim indessen -eingerichtet und einen viel größern Anhang, als in der Residenz -gefunden. Die dortigen Freimaurer waren durch ihn -gewissermaßen aufgelöst worden, viele derselben in seine Loge -getreten, und man sprach fast nur von dieser neugebildeten -Brüderschaft, die sich großer Geheimnisse rühme. Es fehlte -nicht an seltsamen Berichten. Man wollte Geister gesehn, -die größten Dinge prophezeit haben, man war auf dem Wege, -den Stein der Weisen zu entdecken, oder der Meister war -vielmehr im Besitz desselben, und die liebsten Jünger durften -hoffen, desselben bald auch theilhaftig zu werden. -</p> - -<p> -Auf seinem Zuge berührte der Graf Feliciano auch -diese Stadt, und beschloß, mindestens einige Tage hier zu -verweilen. In dieser Zeit gewann er den enthusiastischen -Schmaling sehr lieb, und hatte ihn fast immer um sich, mit -ihm über seine Bestimmung, das Geheimniß und das Licht -zu sprechen. Dieser junge Mann und Anton, die sich früher -in allen Dingen widersprochen hatten, waren jetzt in allen -Ueberzeugungen miteinander einverstanden. Der Arzt Huber, -welcher auch schon, um Sangerheims Umgang zu genießen, -nach dieser Stadt gekommen war, vereinte sich mit ihnen. -Sie erfreuten sich jetzt an Antons Weisheit, der fast der -Heftigste von ihnen war, und lernten dankbar und demüthig -von dem, der ihnen vor weniger Zeit noch als ein unbedeutender -Freigeist erschienen war. -</p> - -<p> -Eine Versammlung der vertrautesten Brüder war zu -einer Abendmahlzeit bei Sangerheim vereinigt. Huber und -Schmaling fanden sich ein, und der Graf beehrte mit Anton -durch seine Gegenwart die Gesellschaft, die zahlreich war, -weil noch Manche in der Stadt, die Sangerheims Vertrauen -<a id="page-243" class="pagenum" title="243"></a> -genossen und die begierig waren, den fremden Wunderthäter -kennen zu lernen, sich mit Bitten hinzugedrängt hatten. -</p> - -<p> -Der Graf wußte seine Person geltend zu machen und -wurde von allen Anwesenden wie ein überirdisches Wesen -verehrt. Er war im Anfange zurückhaltend und karg mit -seinen Worten, nach und nach aber ward er gesprächig, heiter -und mittheilend. Er suchte, so schien es, die Gesinnung -und das Wesen Sangerheims ausforschen zu wollen, ohne -ihm selbst näher zu treten. -</p> - -<p> -Sangerheim, der sich vor seinen Schülern und Anhängern -keine Verlegenheit wollte zu Schulden kommen lassen, -erörterte viele Punkte, die er sonst lieber vermieden hätte, -zu denen ihn aber der forschende Graf in künstlichen <a id="corr-10"></a>Wendungen -hindrängte. Dadurch gewann der Klügere so sehr -die Oberhand, daß Sangerheim dem Grafen gegenüber selbst -als Schüler und Lehrling erschien. Am meisten fiel dies -dem wißbegierigen Schmaling auf, der bis dahin seinen -Meister für den ersten Menschen der Welt gehalten hatte. -Wie sonderbar, sagte er zu sich selbst, daß mein Meister, -die große, edle Gestalt mit dem Feuerauge und der hohen -Stirn, mit diesem kräftigen und vollen Ton, diesem untersetzten -Manne, mit den hohen Schultern, dem matten Auge -und der schwachen krähenden Stimme gegenüber klein erscheinen -kann. Erkennt er denn vielleicht in ihm ein höheres Wesen? -Ist dieser Fremde wohl einer der unbekannten Obern, von -denen ich immer so viel sprechen höre? -</p> - -<p> -Auch Huber und manche der Gegenwärtigen mochten -etwas Aehnliches denken. Da bei dem leckern Mahle die -feinen Weine nicht gespart waren, so belebte sich das Gespräch -immer mehr. Jeder der Anwesenden wollte sich vor -dem großen Fremden mit seinen Gedanken und Kenntnissen -zeigen, oder Etwas von ihm lernen, und wenn auf viele -<a id="page-244" class="pagenum" title="244"></a> -Fragen die Antworten des Grafen auch nicht klar und glänzend -ausfielen, so gab die Dunkelheit oder das Zweideutige -derselben doch immer Vieles zu denken. -</p> - -<p> -Schmaling lenkte endlich das Gespräch auf die Religion, -und Sangerheim sah sich genöthigt, den Wink, den er Manchen -im Geheim gegeben hatte, jetzt als eine Lehre laut auszusprechen, -daß nur Derjenige, der zur katholischen Kirche -gehöre oder überträte, der höchsten Grade und der wichtigsten -Geheimnisse theilhaftig werden könne. -</p> - -<p> -Feliciano sah ihn lange mit einem großen fragenden -Blicke an und sagte nach einer Pause, die alle Anwesenden -in der größten Spannung erhielt: Ist das Euer Ernst, -großer Meister? -</p> - -<p> -Wie anders? fuhr Sangerheim fort, da die übrigen -Partheien, die sich ebenfalls Christen nennen, immerdar ein -geistiges Geheimniß verletzen und sich der Wundergabe, der -Inspiration, der Anschauung der Mysterien entziehn? Sie -können Vieles sehn und erforschen, aber der Anblick des -Allerheiligsten ist ihnen nicht vergönnt; sie können nur von -den sieben höheren Graden fünfe erringen. Ihre Sekte an -sich selbst schließt sie nicht aus, wohl aber ihre Glaubensunfähigkeit: -überwinden sie aber diese in der Rührung ihres -Herzens, so treibt sie der eigne Geist von selbst, sich der älteren -Kirche wieder anzuschließen. -</p> - -<p> -Der älteren? nahm Feliciano mit großem Ernste das -Wort auf; welche ist diese? Kennt Ihr sie? War vor dieser -ältern nicht wohl eine noch ältere und ächtere? Wozu -Eure vielen Grade, wenn Euch dieses wichtigste Mysterium -mangelt? -</p> - -<p> -Hindert Euch Nichts, großer Mann, fiel Schmaling -ein, dieses etwas deutlicher auszusagen? -</p> - -<p> -Wir sind nur von Brüdern umringt, antwortete der -<a id="page-245" class="pagenum" title="245"></a> -Graf, die früher oder später von selbst das finden werden, -was ich ihnen andeuten kann, und darum brauche ich in -dieser edlen Gesellschaft, die keine weltliche ist, meine Worte -nicht ängstlich abzumessen. — Was die Christenheit spaltet, -ist neu und zeitlich, Priesterwort und willkührliche Satzung -ist schwer vom ächten Fundament desselben zu unterscheiden, -und so kommt es, daß in den protestantischen Kirchen vieles -ächter und wahrer ist, als was die Katholiken in ihrer Lehre -vortragen, die Alles, was Luther predigte, nur Neuerung -nennen. Aus beiden Kirchen ist zu lernen, aber nur dem -ist es möglich, dem der Sinn frei geblieben ist. Gab es -denn nicht, längst vor Entstehung des Christenthums, die -ächte, völlig ausgebildete Maurerei? Diese war denn doch -wohl noch älter, als die alte Kirche. Und was bedarf sie -denn also dieser, um der Wunder, des Wissens, der Geheimnisse -theilhaftig zu werden? Sie genügt sich selbst, und sie -wäre nicht das Höchste und Beste, was der Mensch erringen -kann, wenn sie in irgend einer Religion eine Stütze oder -Bestätigung finden könnte. -</p> - -<p> -Sangerheim schien erstaunt, aber Feliciano fuhr fort: -gedenkt nur an den großen, weisen Salomo und seinen Tempelbau, -an Hiram, und an alle Legenden und Symbole, die -auf unsern großen und alten Meister, den weisesten des -Orientes, hindeuten. Ihr wißt es Alle, wie den Lehrlingen -mit diesen Symbolen und ihren Deutungen der Kopf verwirrt, -wie sie zerstreut werden, damit sie nur die Wahrheit -nicht finden sollen, die ein Eigenthum der höhern Geister -bleibt. Salomo empfing, als ein Würdiger, das Geheimniß -der Maurer von großen unsterblichen Obern, er baute -den Tempel und stiftete die Loge des Geheimnisses, indessen -der gemeine Mann im Prachtgebäude auf herkömmliche Weise -den Gott anbetete, den er nur für einen Gott seiner Nation -<a id="page-246" class="pagenum" title="246"></a> -ansehn konnte, der mächtiger sei, als die Götter der andern -Völker. Wo steht in unsern Büchern und Sagen, in Allem, -was uns von Salomo überliefert ist, daß er von Gott abfiel, -daß er ein Götzendiener wurde? Er hätte, wenn dies -gegründet war, nicht mehr Meister des heiligsten Stuhles, -nicht mehr Oberer und Bewahrer des Geheimnisses bleiben -können. Diese falsche Legende ließen die Priester nur in die -Schrift hinein schreiben, weil er sich ihnen entzog, und ihrer -Zunft nicht die Gabe zu weissagen, Wunder zu thun, Todte -zu erwecken, Geister zu rufen und zu bannen, Gold zu machen, -mittheilen wollte. Diese Kräfte, diese Herrschaft über -die Geister, diese Geheimnisse der Loge, die nur Wenigen -mitgetheilt wurden, welche die höchsten Weihen schon empfangen -hatten, diese sind die hohen Gewalten, die von der Unwissenheit -der Priester Götzen genannt wurden. Freilich waren -es ihnen ausländische, fremde Götter, weil ihnen die -Kenntniß derselben entzogen wurde. -</p> - -<p> -Diese herrliche, glänzende Zeit der Maurerei verfiel -nach dem Abscheiden des großen Königs und Meisters. Die -Obern zogen sich zurück, die meisten nach Indien. Späterhin -finden wir Elias und Elisa als Eingeweihte wieder, die -von der tauben Menge und von den verstockten Königen nicht -verstanden wurden. Ganz verbarg sich nachher die hehre -Kunst, und wandelte aus dem Tempel und Jerusalem in die -Wüste. Da treffen wir sie unter den Essäern oder Essenern -wieder an. Das heißt, die Gelehrten, die Geschichtforscher -der Welt wissen nun wieder Etwas von ihr, denn für den -wahren Maurer giebt es in der Geschichte seiner Kunst keine -Lücke. Ich führe nun auf das, was Allen bekannter ist. -Diese Männer hatten schon seit lange im Stillen gearbeitet: -seit vielen Jahrhunderten war es ein Grundgesetz der Maurerei, -welches Salomo und Andre beobachtet oder noch fester -<a id="page-247" class="pagenum" title="247"></a> -gegründet hatten, daß die ächte Erkenntniß ein Geheimniß -seyn und bleiben müsse, da die blöde, rohe Welt, die unwissende -Menge das Heilige, wenn es sich ihr mittheilen -wolle, nur mißverstehn und entweihen könne. Hier stehn -wir nun an der großen und merkwürdigen Geschichts-Epoche. -Die heilige Gesellschaft der Essäer zertrennte sich um jene -Zeit in zwei sich widersprechende Gesellschaften. Ein Theil -beharrte auf dem Grundsatz, Alles müsse geheim bleiben, -weil nur so die Verbindung aus der Ferne wohlthätig auf -die Menschen und ihr vielfaches Unglück wirken könne. Aber -viele erleuchtete Männer waren vom Gegentheil überzeugt. -Zwei große Geweihte wurden ausgesendet, der zweite noch -mächtiger und größer, als der erste, Johannes der Täufer, -und der göttliche Stifter der christlichen Religion, der erhabene -Menschenfreund, der aus Erbarmen gegen seine unglücklichen, -im Elend schmachtenden Brüder ihnen das Wort -des Lebens mittheilen wollte. Lange kämpften die beiden -Partheien der Erleuchteten gegen einander. Das Mysterium -war auf eine Zeit lang offenbar worden, aber, neben der -Wohlthat brachte es im Mißverständniß unermeßliches Elend -über die Länder und Völker. Der große Eingeweihte selbst -und seine Freunde sahen es ein, und er starb den Versöhnungstod. -Nach und nach ward das Mysterium dem Volke -wieder entzogen, das spätere Christenthum und die Hierarchie -bildeten sich aus, und verdeckten mit Satzungen, Gebräuchen, -Ceremonien, Putz und Kunst das geistige Geheimniß, das -wir nur hie und da im Lauf der Zeiten aufleuchten, und -wie einen Blitz vorüber fahren sehn. Dem Kundigen genug, -um das Licht zu erkennen; dem Unwissenden nur eine Blendung -oder Veranlassung, sich wieder einer leidenschaftlichen -Sektirerei zu ergeben. — Wozu also, großer Meister Sangerheim, -wenn Ihr diese Wahrheiten erkennt, ist Euch zur -<a id="page-248" class="pagenum" title="248"></a> -Weihe die katholische Kirche noch nöthig, da diese selbst nur -eine abgeleitete aus unserm ältern, ächten Orden ist? da -sie Nichts darstellt, als das Mißverständniß eines Geheimnisses, -das ihr freilich Anfangs lauter übergeben ward? -Und darum sagte ich, daß in gewissen Punkten der Protestant -eine ältere Kirche besitze, und Ihr werdet nun, mein -Freund, wahrscheinlich verstehn, wie dieser kurze Ausspruch -gemeint war. -</p> - -<p> -Der Graf mußte es bemerken, welchen sonderbaren Eindruck -dieser Vortrag auf die meisten seiner Zuhörer machte. -Bei Einigen war das Erstaunen mit Unwillen gemischt, -Einige gaben Beifall, den man einen schadenfrohen hätte -nennen mögen, denn sie sahen mit bedeutsamem Lächeln nach -Sangerheim hinüber, der, so sehr er sich zwang, seine Verlegenheit -jetzt nicht mehr verbergen konnte, und sich, Hülfe -suchend, an Diejenigen wendete, die mit der Rede des Grafen -unzufrieden schienen. Er sagte endlich, nach einigen Erörterungen: -So sehr wir verbunden seyn mögen, so sind wir -also doch wieder getrennt; es mag seyn, daß sich die Wahrheit -unterschiedliche Bahnen sucht. Nach Ihrer Ueberzeugung -ist die Maurerei das Einzige und Höchste; ich stütze mich noch -auf die Heiligkeit der Kirche und offenbarten Religion. -</p> - -<p> -So gebt die Maurerei auf, rief der Graf, der erhitzt -schien: wozu soll sie Euch helfen, wenn Euer Herz und -Glaube sich in der Religion befriedigt und sättigt? Und woher -kommt denn diese Religion? Ist sie denn nicht, wie ich -schon sagte, ein ungeschickter Versuch, einige der verschwiegenen -Mysterien zu offenkundigen Wahrheiten zu machen? Und -damit diese wenigen Wahrheiten sich erhalten können, meistentheils -nur scheinbar, weil sie doch unverstanden sind, muß -das Gerüst des Kirchendienstes dazu erbaut, muß der große -Teppich gewirkt werden, der bedeckend herumgehangen wird, -<a id="page-249" class="pagenum" title="249"></a> -und diese wenigen Wahrheiten wieder in Geheimnisse verwandelt, -die keiner sieht und findet, indessen sich das Volk an -den bunten Bildwerken ergötzt, und die Priester sich zanken, -und die Verständigsten unter den Layen von der ganzen Sache -eigentlich gar keine Notiz nehmen. Seht, Meister, so steht -es wahrhaft, wenn ich denn doch einmal reden soll, ohne, -wie man sprichtwörtlich sagt, ein Blatt vor den Mund zu -nehmen. -</p> - -<p> -Großer Meister, erwiederte Sangerheim, Euer Geist ist -gewaltig und groß, Ihr fahrt wie ein Sturmwind daher, -und predigt wie die Begeisterung. Was Ihr weissagt, habe -ich wohl verstanden, aber die Obern, die ich verehren muß, -würden auch Euch, so stark Ihr seid, so viele Zeitalter Ihr -gesehn haben mögt, Hochachtung abzwingen, und wohl eine -andre Ueberzeugung Euch geben. -</p> - -<p> -Mir? sagte der fremde Meister: wißt Ihr denn, ob ich -sie nicht längst kenne? Es ist aber noch die Frage, ob sie -mich auch kennen, auch wenn ich vor ihnen stände. -</p> - -<p> -Wie meint Ihr das, Großmeister? fragte Sangerheim. -</p> - -<p> -Ihr fragt, und fragt immer wieder, antwortete der -Magus erhitzt und mit funkelnden Augen, und wollt doch -auch Großmeister seyn. Obere nennt Ihr sie? Gut. Aber -es kann doch auch wohl einen Obersten dieser Obern geben, -die diesem dienen und gehorchen müssen, denen er nur so -viel Weisheit zukommen läßt, als ihm dienlich scheint, die -deshalb verschiedene Systeme ausbreiten, die er alle von seiner -Höhe lenkt. So sind diese katholisch, jene protestantisch; -einige nennen sich Rosenkreuzer, andre Tempelritter; der will -Vernunft und Freiheit des Volks, jener Mystik und die -Würde des Königs begründen und verbreiten; diese Ritter -des Grabes, des Todes und Lebens, Illuminaten, und wie -sie vielfältig sich betiteln, — können sie nicht vielleicht alle -<a id="page-250" class="pagenum" title="250"></a> -von einem unbekannten obersten Obern abhängen? Und ist -Euch diese alte Sage, da Ihr doch so Vieles wißt und erfahren, -in Euerm Orden noch nicht vorgekommen? -</p> - -<p> -Wer seid Ihr? rief Sangerheim wie entsetzt aus. -</p> - -<p> -<em>Ich bin, der ich bin!</em> antwortete der Fremde. Erkennt -Ihr mich daran noch nicht? — Ob ich auch Feliciano, -oder einen ältern Namen nenne, gilt dem Nichtwissenden -gleichviel. Seid Ihr aber ein Wissender, so will ich in einer -Chiffer, einem kleinen Symbol aussprechen, wer ich bin. -Reicht mir das Blatt und den Stift. -</p> - -<p> -Er zeichnete und gab dann mit Lächeln das Papier dem -Meister hinüber, indem er scharf sagte: Wenn Ihr der seid, -für den Ihr Euch ausgebt, so müßt Ihr mich nun erkennen. -Doch zeigt es Niemand. -</p> - -<p> -Sangerheim nahm das Blatt, sah und erblaßte. Er -wickelte die Zeichnung zusammen und ließ sie schnell am -Licht verbrennen. Ich sehe nun, daß Ihr jener wahre Oberste -seid, dessen Zeichenschrift man nur denen der höchsten Weihe -vorzeigt. Ich beuge meine Knie und meinen Geist vor Euch. -</p> - -<p> -Die letzte, entscheidende Erklärung hatte alle Gegenwärtigen -in Verehrung und Demuth zum Grafen hinüber gezogen. -Feliciano stand auf, machte ein Zeichen, das alle verstanden, -und sagte: Kraft meines Amtes schließe ich hiemit -diese Loge. Alle erhoben sich. Der Graf faßte hierauf die -Hand Sangerheims und sagte: Junger Mann, Du wandelst -einen gefahrvollen Weg, aber Du bist so weit vorgeschritten, -daß ich nur warnen, Dich nicht mehr lenken kann und darf. -Du kennst die Geister, Du bezwingst sie und sie gehorchen -Dir, — aber, sie kennen Dich besser, als Du sie kennst. -Dir sind sie geheimnißvolle, wunderbare, unbegreifliche Wesen, -und Du bist ihnen so verständlich und klar, daß sie -Alles wissen, was in Deinem Gemüthe ist. Das Verhältniß -<a id="page-251" class="pagenum" title="251"></a> -des ächten Magiers muß aber das ganz umgekehrte seyn, -Du mußt Deinen Geistern ein ganz wundervoll, geheimnißreiches -Wesen bleiben, mit Furcht und Schaudern müssen sie -Dir dienen. Kannst Du sie nicht noch zu Sklaven machen, -daß sie vor Dir erbeben, wird ihnen Deine Natur immer -klarer näher gebracht, wähnst Du gar, Freundschaft mit ihnen -stiften zu können, dann — wehe Dir! Furchtbar werden sie -Dich einst, vielleicht bald, wegen ihrer aufgezwungenen Dienste -zur Rechenschaft ziehn. — -</p> - -<p> -Er ging mit feierlichem Schritte fort, und Schmaling -folgte ihm zitternd. Die Zurückgebliebenen sahen sich forschend -an, und wußten nicht, was sie aus diesen letzten Worten -machen sollten. Nur Sangerheim schien sie zu verstehn -und sank bleich und von Anstrengung erschöpft, in einen -Sessel zurück. Meine Freunde, sagte er nach einiger Zeit, -ihr seid Alle Zeugen der wunderbaren Begebenheit, die sich -zugetragen hat. Ihr wißt nun Alle, welche Kämpfe, welche -Gefahren ich noch zu bestehn haben werde: welche Angriffe -mir aus dem Geisterreiche her drohen. Erliege ich in meinen -großen Bemühungen, so war es doch nicht Unkunde, die -mich auf diesen gefahrvollen Weg trieb, sondern die Liebe -zum Heiligsten der Wissenschaft. -</p> - -<p> -Alle verließen den Meister, dankend, hoffend, ihn ermunternd, -und Jeder ging tiefdenkend nach seinem Hause. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Schmaling trat mit dem Großmeister, dem unbekannten -Obersten, zu welchem ihn eine ungemessene Ehrfurcht, eine -Art von Anbetung hinzog, zugleich in sein elegantes Schlafgemach, -indem er an allen Gliedern zitterte. Ich wage es, -Ihnen zu folgen, Größter aller Sterblichen, — doch, was -sage ich? vielleicht einem Unsterblichen. -</p> - -<p> -<a id="page-252" class="pagenum" title="252"></a> -Feliciano sah ihn mit einem hochrothen Gesicht und -glänzenden Augen an. Dem Jüngling erschien der Meister -in einem wunderbaren Lichte, denn er sah, daß Dieser -wankte, und sich lachend niedersetzte. Ei! mein Kind, fing -er darauf an, da bist Du ja auch! Das ist schön, daß Du -kommst, so können wir noch in stiller Nacht ein wenig mit -einander schwatzen. -</p> - -<p> -Er stand wieder auf, und wankte nach einem Schranke -hin. Ich habe mich verleiten lassen, fing er wieder an, -heute, meiner Gewohnheit entgegen, viel zu sprechen, und -noch mehr von den starken Weinen zu trinken. Unpolitisch. -Ich will mich nun an diesem Trank, den ich nur meinen -ägyptischen Wein zu nennen pflege, wieder nüchtern zechen, -weil dieser noch viel stärker ist, als dort das beste Getränk. — -Er leerte einen großen Becher, den er aus einer sonderbaren -Flasche gefüllt hatte, die in allen Farben glänzte und mit -vielfachen Hieroglyphen bemalt war. — Trink, mein Söhnchen, -sagte er dann, und reichte dem jungen Manne den -Becher, koste wenigstens diesen Wundertrank. -</p> - -<p> -Schmaling setzte bald ab, denn diese Essenz, aus Gewürzen -abgezogen, war ihm zu stark. Feliciano sah ihn -freundlich lächelnd an und sagte: Liebes Bürschchen, kein -Mensch in der Welt hat mir noch so sehr als Du gefallen, -begleite mich, sei mein Freund und wahrer Schüler, und ich -will Dir alle meine Weisheit mittheilen. Das andre Menschenvolk -ist so plump und unliebenswürdig, Keiner ist mir -noch aufgestoßen, dem ich mich ganz ergeben möchte. Du -allein hast mein Herz gewonnen, und zu Dir möchte ich -wahr und offen seyn können, weil mich das Zusammenschnüren, -wie ich es der Uebrigen wegen mit mir treiben -muß, genirt und langweilt. — Aber was wolltest Du noch -von mir erfahren oder erfragen? -</p> - -<p> -<a id="page-253" class="pagenum" title="253"></a> -Die Stimme des Mannes lallte, und es schien, als -wenn dieser ägyptische Wein eher das Gegentheil, als die -beabsichtigte Wirkung hervor gebracht hätte. Schmaling war -verlegen und mochte sich selber nicht gestehn, was er zu bemerken -glaubte; er sagte: Großer Meister, wenn es mir erlaubt -ist, zu fragen, und noch einen Augenblick bei Ihnen -zu verweilen, so möchte ich wohl erfahren, wie Sie es gemeint -haben, was meinem Freunde die Geister, und auf -welche Art sie ihm schaden könnten: was Sie sagten, schien -zwar ein gewisses Licht zu geben, war mir aber doch noch -unverständlich. -</p> - -<p> -Feliciano schlug in seinem Sessel ein lautes Gelächter -auf, an dem er sich nur nach geraumer Zeit ersättigte, dann -sagte er: Je, Kind, liebstes Kind, nimm doch Vernunft an. -Was ich dort gesagt haben mag, weiß ich nicht mehr, aber -ich meine, es wird mit seinen Geistern und allen den Geschichten -ein klägliches Ende nehmen, weil der Gimpel selbst -an seine Geister glaubt. -</p> - -<p> -Weil er an sie glaubt? fragte Schmaling im höchsten -Erstaunen. -</p> - -<p> -Ja, liebes Närrchen, fuhr der Magus fort, sieh, deswegen -muß es ja nothwendig und natürlich ein ganz miserables -Ende mit ihm nehmen. Er betrügt die Welt und -seine Schüler, und das ist recht und billig; mit den unter -uns bekannten Kunststücken läßt er Geister und Gespenster -erscheinen, aber der erste Dummkopf in der Welt ist, der -selbst durch sich selbst getäuscht wird. Ich kam ihm in allen -Richtungen entgegen und erwartete sein Bekenntniß, das mir -allein am Tisch verständlich gewesen wäre. Aber seine Obern -haben den Menschen auf eine mir unbegreifliche Art so -dumm gemacht, daß, wie er auch betrügt und Andre täuscht, -<a id="page-254" class="pagenum" title="254"></a> -er doch glaubt, es werde sich ihm mit der Zeit das ächte -wahre Wunder mittheilen. -</p> - -<p> -Schmaling wußte nicht, wie ihm geschah. Er betrachtete -die Decke und wieder den verehrten Meister, sich selbst, -den Fußboden und wieder den trunknen Wahrsager, der jetzt -von Wein geschwächt und von seinem Uebermuth begeistert -so Vieles aussagte und verrieth, was er nüchtern geworden -am Morgen wahrscheinlich bereute. -</p> - -<p> -Laß die Narrenpossen, sagte der Graf, und mache es -möglich, daß wir uns Beide verständigen. Du bist zu gut, -um unter dem aberwitzigen Jan Hagel so mitzulaufen, Du -verdienst es, die höchsten Grade und alle mit einander in einem -Augenblicke zu erhalten. Ich höre, Du willst da in Deiner -Stadt heirathen. Zieh mit mir, die ganze Welt steht einem so -schönen, so feinen und schmiegsamen Mann, wie Du es bist, -offen; alle Weiber, die schönsten und vornehmsten, werden Dir -entgegen laufen. Du wärst mir dazu ganz anders brauchbar, -als der tölpische Anton, Dein Jugendfreund, der aus einem -Freigeist und Uebervernünftigen so mit beiden <a id="corr-11"></a>Beinen in die -Dummheit hinein gesprungen ist. -</p> - -<p> -Er lachte wieder, daß er vor Schmerzen inne halten -mußte. Du weißt vielleicht, fing er wieder an, wie ich schon -ein Weilchen in Eurer komischen Stadt als ein Herr Anderson -lebte. Ich hatte so die beste Gelegenheit, Alles auszuspioniren, -und mein pfiffiger Bedienter noch mehr. Ich -kannte schon alle Verhältnisse, auch die Mesalliance des -Herrn Anton mit einem hübschen Bauernmädchen, die er -nun in seiner kühlen Verständigkeit so schlechthin aufzuopfern -dachte. Dieser tugendhafte Anton wollte nun Dich, mein -liebes Kind, bessern und korrigiren, daß Du den Aberglauben -ließest. Das kam mir ganz erwünscht in den Weg gelaufen, -daß ich mich für den großen, berühmten Feliciano -<a id="page-255" class="pagenum" title="255"></a> -ausgeben sollte, der ich zufällig selber war. Die Bäuerin -hatte ich kennen lernen und ihre Verzweiflung gesehn: ich -hatte von ihr ein Bildchen machen lassen, das ziemlich ähnlich -war. Sollte es doch auch nur für einen Augenblick dienen. -Der Professor Ferner hat ein allerliebstes Kind, einen -überaus klugen Jungen. Man glaubt nicht, wenn man es -nicht so oft, wie ich, erfahren hat, wie schon der ganze Spitzbube -in den Kindern steckt. Das Lügen, das den meisten -angeboren ist, darf nur ein wenig erfrischt und aufgemuntert -werden, so geräth es fast besser, als bei den Erwachsenen, -die immer darin fehlen, daß sie es zu klug, zu verwickelt -machen wollen. So ein Kind wird wahrhaft begeistert, wenn -es gebraucht werden soll, die Großen und Vorgesetzten zu -betrügen, und es lernt eine solche Lection besser, als jede in der -Schule. Mit diesem Jungen, der noch bei mir ist, hatte ich -schon unvermerkt mein Spiel verabredet. Mein Diener hatte -die Blendlaterne und das Bild bei der Hand, sammt dem -nöthigen Rauch, die Domestiken des Hauses waren entfernt -worden, und um die Sache noch schauerlicher zu machen, -hatte die gute Bauernnymphe unterdessen, daß sie im Zimmer -leiblich erscheinen sollte, einen Schlaftrunk erhalten. So -wurde denn der Spuk und die Comödie glücklich so gespielt, -wie Du sie selber mit angesehn hast. -</p> - -<p> -Immer noch war es dem glaubensfähigen Schmaling, -als wenn er in einem ängstlichen Traume läge. Und heute -nun, fing er wieder an, als mein Lehrer und Meister sich -Eurer höheren Wissenschaft so unbedingt beugen mußte? -</p> - -<p> -Kluges Kind, antwortete Jener, siehst Du denn nicht -ein, daß wer die Menschen betrügen will, es ja nicht zu fein -anfangen muß? So wie es fein ist, wird ja auch der Scharfsinn -Jener geweckt, sie werden aufmerksam, denken, passen -auf, und das Kunstwerk steht auf der Nadelspitze. Grob, -<a id="page-256" class="pagenum" title="256"></a> -plump muß der Menschenkenner zu Werke gehn. Die sich -dann nicht damit einlassen wollen, wenden sich ganz ab, und -auch das ist Gewinn; die Andern denken: Nein, so einfältig -ist doch Keiner, die Sache zu erfinden, wenn nicht irgend -Etwas daran wäre. Sagst Du ihnen, Du hast Carl den -Zwölften gekannt, so lachen sie Dir ins Gesicht, behauptest -Du aber dreist, Du habest mit Johann Huß Brüderschaft -getrunken, so glauben sie Dir. — Also mein Herz, laß Dich -überreden, mit mir, als Deinem bekannten Obersten, durch -die Welt zu ziehn, und ihre Schätze und Gunst mit mir zu -theilen. — Oberster! Ha ha! Weil ich so viele Logen aller -Art durchkrochen bin, so wurde mir denn auch von einigen -Rosenkreuzern eine Signatur gezeigt, die den Messias bezeichnen -sollte, der einmal erscheinen würde, um ein himmlisches -Reich auf Erden zu stiften. — Du siehst, mit welcher -angenehmen Dreistigkeit ich Deinen großen Meister mit dem -Bagatell verblüfft habe. — Nein, als ein ehrlicher, schlichter -Mann könnte ich verhungern, als ein berühmter Charlatan -bin ich reich und beherrsche Männer und Weiber und kann -wie ein Sultan gebieten und walten. Lockt Dich denn diese -Aussicht nicht, liebstes Kind? Du bist so viel schöner, als -ich, Du kannst ja Deine Jugend nicht besser genießen. Mir -hat so ein Wesen noch immer zu meinen Erscheinungen gefehlt, -wer weiß, welchen Engel wir droben im Norden aus -Dir machen. Wer weiß, welche Monarchin Dir ins Netz -läuft, — wer weiß — kurz, komm mit! -</p> - -<p> -Der ägyptische Wein hatte so stark gewirkt, daß der -Großmeister jetzt einschlief. Am Morgen, als er erwachte -und sich besann, konnte er sich nur dunkel erinnern, was er -gethan und gesprochen hatte. Aber das drückte ihn schwer, -daß er sich gegen Schmaling auf irgend eine Weise zu sehr -herausgelassen habe. Er sendete sogleich nach diesem, um -<a id="page-257" class="pagenum" title="257"></a> -entweder mit Klugheit ihm Alles wieder auszureden, oder, -wenn dies unmöglich sei, ihn im halben Vertrauen stehen -zu lassen und durch Drohungen zum Schweigen zu zwingen. -— Aber Schmaling war verschwunden und nirgends zu finden, -auch Sangerheim konnte keine Nachricht von ihm geben, -der mit Schmerz und Aengstlichkeit die unbegreifliche Entfernung -des Jünglings beklagte. -</p> - -<p> -Als nicht zu helfen war, schickte Feliciano einen drohenden -Befehl an Sangerheim, den jungen Schmaling niemals -wieder als Bruder in seine Loge zuzulassen, dieses Verbot -auch andern Logen mitzutheilen, die mit ihm in Verbindung -ständen, das Gleiche würde er allen Brüdergemeinden zusenden, -die von ihm abhängig wären, weil er entdeckt habe, -daß dieser Schmaling ein Bösewicht, Verleumder und ganz -unwürdiger Bruder sei, der nur damit umgehe, alle Geheimnisse -des Ordens auf eine schändliche Weise zu verrathen, -und die Meister selbst durch die abscheulichsten Lügen öffentlich -zu beschimpfen. -</p> - -<p> -Sangerheim zitterte, und Feliciano eilte, mit seinem -Zuge seine Reise nach dem fernen Norden fortzusetzen. — -</p> - -<p> -Schmaling war mit den schnellsten Postpferden zur Residenz -zurückgekehrt. Er wußte nicht, wie er sich benehmen -sollte, er hatte nicht den Muth, in das Haus seines Schwiegervaters -zu gehen, er konnte es sich nicht als möglich denken, -nur den Bedienten gegenüber zu treten, um sich melden -zu lassen. -</p> - -<p> -In dieser unbehaglichen Lage sagte er zu sich selber: -Ist es denn etwas Anderes, wenn ein Freund, der im -hitzigen, oder Faulfieber liegt, von allen Aerzten schon aufgegeben, -von allen Freunden schon als todt beklagt, wieder -geneset? Sonderbar, daß wir immer so großen Unterschied -zwischen den Krankheiten unsrer Seele und unsers Körpers -<a id="page-258" class="pagenum" title="258"></a> -machen wollen. Eins ist selten ohne das andre. Dem -Elenden, der im Fieber phantasirt, vergiebt man es gern, -man tröstet ihn sogar freundlich, wenn er Gott und Menschen, -seine Liebsten und Nächsten gelästert hat, man nennt -es nur Abwesenheit, Vergessen seiner selbst: und der Arme, -dessen Seele zerrissen wurde, der, peinlich hinauf getrieben, -zwischen den Extremen schwankte, der sich selbst verlor: ihm -vergiebt man nicht, ihm rechnet man die Aeußerungen seiner -Krankheit als Verbrechen an, und er muß es mit Dankbarkeit -erkennen, wenn man es ihm nur nach Jahren vergißt, -daß er diese und jene auffallende Meinung äußerte. -Und so bin ich genesen, ich kehre von einer Brunnenkur zurück, -da alle meine Freunde mich schon aufgegeben hatten. -Wollen sie mich nicht, die mir die Liebsten und Nächsten -sind, als einen Wiederhergestellten anerkennen, nun so ist es -an ihnen, krank zu seyn, sie mögen dann irgend ein Bad -besuchen, und es kömmt nachher auf mich an, ob ich sie als -Gesunde begrüßen oder als Unheilbare von mir weisen will. -</p> - -<p> -Mit diesen Gesinnungen und Entschlüssen ging er nach -dem Hause des Geheimenrathes Seebach. Die Bedienten, -die ihn schon von ehemals kannten, ließen ihn ungehindert -eintreten. Er fragte nach Fräulein Clara; man sagte ihm, -daß sie ungestört seyn wolle, weil sie sich unwohl fühle, sie -habe daher erklärt, keine Besuche annehmen zu wollen. Er -sagte dem Kammerdiener, daß er der Familie kein Fremder -sei, und daß er alle Verantwortung auf sich nehmen wolle. -</p> - -<p> -Er ging über den wohlbekannten Gang nach dem Gemache -seiner Jugendfreundin. Lange stand er vor der Thür. -Er lauschte mit hochklopfendem Herzen. Ihm war, als wenn -er drinnen Gesang und die Töne einer Laute vernähme. -Und so war es auch. Clara, um ihren Gram einigermaßen -zu beschwichtigen, hatte alle ihre alten Musikstücke hervor gesucht, -<a id="page-259" class="pagenum" title="259"></a> -um sich an diesen zu trösten. Sie spielte und sang, -und wiegte so, als sei er ein ungezogenes, schreiendes Kind, -ihren immer wachen Kummer ein. Einige Blätter hatte sie -bis jetzt überschlagen. Sie faßte den Muth, sie vor sich -hinzulegen, um sie zu singen. Es waren einige Compositionen, -die in bessern Zeiten Schmaling selbst zu ihren Lieblingsliedern -gesetzt hatte, es waren sogar einige Lieder darunter, -die von ihm gedichtet waren, und zu denen er ebenfalls -die Melodie gesungen. Lange hatte sie den Trost der Musik -entbehrt und darum ergab sie sich heute diesem Genusse wie -eine Berauschte. Schmaling horchte entzückt an der Thür; -alle Jugenderinnerungen, alle jene süßen Stunden der Unschuld -kehrten in sein bewegtes Gemüth zurück. Ihm war, -als hätte er den ganzen Zwischenraum, zwischen jenen Tagen -und dem heutigen, nur in einem schweren Traum gelegen. -</p> - -<p> -Clara hörte in ihrem lauten Gesange nicht, wie er klopfte. -Als er das Zeichen wiederholt gegeben hatte, öffnete er die -Thür und trat in das Zimmer. Sie saß mit dem Rücken -gegen die Wand und hatte seinen Eintritt nicht vernommen. -Sie sang so laut und heftig, als wenn sie an dem Liede -sterben wolle. Er hatte es ihr vor drei Jahren zu ihrem -Geburtstage komponirt, nicht lange nachher, als sie mit -einander bekannt geworden. Er konnte sich nicht zurückhalten, -er weinte laut und stürzte zu ihren Füßen nieder. — -</p> - -<p> -Die Laute entfiel ihrer Hand. — Wie? rief sie aus; -was sehen meine Augen? Täuscht mich kein Blendwerk? -Die alte Zeit kommt wieder, der Calender lügt und mein -Ferdinand ist wieder da. -</p> - -<p> -Ja! rief der tiefbewegte Jüngling: da, um nie wieder -von Dir zu scheiden. Zurückgekehrt, wie der verlorne Sohn, -<a id="page-260" class="pagenum" title="260"></a> -von den Trebern des Aberwitzes und der Lüge, um bei seinem -Vater Schutz und Nahrung zu suchen. -</p> - -<p> -So? sagte Clara, indem sie ihn aufhob; stehe auf, lieber -Freund, wenn ich Dich noch so nennen darf. Also, meinst -Du, soll ich nun wie das Kalb geschlachtet und verspeiset -werden? -</p> - -<p> -Ich bin leider das Kalb gewesen, antwortete der Beschämte, -aber nun, meine süße Geliebte, nachdem ich genesen, -nachdem ich die Dummheit meiner erhabenen Meister eingesehn -habe, werde ich mich niemals wieder verführen lassen. -Nein, auf immer bin ich zu Dir, zu jenem schlichten, einfachen -Leben zurückgekehrt, das ich vor Kurzem noch mit -Verachtung ansah. Fühle ich doch in allen Fasern meines -Herzens und in jedem Tropfen meines Blutes, daß das Einfache, -scheinbar Arme, das Nächstliegende eben das Reiche, -Wohlthätige, Himmlische ist! Vergiebst Du mir meinen -Wahnsinn, so bin ich der Glückseligste aller Menschen, und -ich erwarte, daß Fürsten von mir Almosen begehren sollen. -</p> - -<p> -Nun, nun, sagte Clara, nicht eben so eifrig, mein -Freund, in der Bekehrung und Reue wie erst in der Sünde. -Also jetzt willst Du kein Kapuziner, nicht katholisch werden? -</p> - -<p> -Sie lachte so anmuthig, daß Schmaling den Muth -faßte, sie in die Arme zu nehmen und herzlich zu küssen. -Noch niemals hatte sie ihm den Kuß mit diesem Feuer erwiedert. -Hierauf zog sie beide Glocken in ihrem Zimmer -mit der größten Heftigkeit, tanzte im Gemach auf und ab, -und als mehrere Diener ängstlich erschienen, rief sie diesen -mit lauter Stimme zu: meine Eltern sollen kommen! Aber -gleich! Mit der größten Schnelligkeit! Es verlohnt sich schon -der Mühe, zu eilen. -</p> - -<p> -Man verwunderte sich im ganzen Hause über das ungewöhnliche -Geräusch. Der alte Kammerdiener lief in Angst -<a id="page-261" class="pagenum" title="261"></a> -hin und her, weil er meinte, daß irgendwo Feuer ausgebrochen -sei. Endlich traten Mutter und Vater zu Clara in -das Zimmer. Was giebt es denn? fragten Beide; warum -lässest Du uns so gewaltsam rufen? -</p> - -<p> -Sie sagte: wenn es nicht unbillig ist, daß bei der Geburt -eines Prinzen alle Glocken geläutet und Kanonen abgeschossen -werden, so darf man schon einigen Spektakel in einer -honetten Familie machen, wenn ein junger Mann seinen -gesunden Menschenverstand wieder gefunden hat. Ja, liebste -Eltern, hier steht der bescheidene Jüngling, dessen Edelmuth -es nicht wagt, dergleichen Ungeheures von sich auszusagen, -weil er seit so vielen Wochen auf den entgegengesetzten Bahnen -irrte. -</p> - -<p> -Der Vater schloß entzückt den jungen Mann in seine -Arme, die Mutter war verlegen und gerührt. Und Sie -entsagen, fragte der Rath, Ihrem Meister Sangerheim? -</p> - -<p> -Mit vollem Ja, kann ich antworten, rief Schmaling, -und eben so dem Großmeister Feliciano, der vielleicht Judas -Maccabäus seyn mag, oder Ischariot, und dem Teufel und -seiner Großmutter, und allen ihren Spuk- und Zauberwerken, -die keine Stecknadel werth sind, und für die wir -ihnen unsre Seele verkaufen müssen. -</p> - -<p> -Ja wohl, sagte der Vater, müssen wir ihnen, den -Unterirdischen, den Reichen des Wahnwitzes, das Theuerste -verschreiben, um das Verächtliche dafür zurück zu erhalten. -</p> - -<p> -Ich bin genesen, rief Schmaling aus, und begreife jetzt -nicht, wie ich den Himmelsblick meiner Geliebten, ihr Herz, -alles Glück einer entzückenden Häuslichkeit und des nächsten -Besitzes, gegen jene Kartenkünste aufopfern konnte. -</p> - -<p> -Als man sich mehr beruhigt hatte, erzählte er dem Vater -auf dessen stillem Zimmer Alles, was ihm begegnet war. -Man erfuhr auch bald, daß der junge Schmaling, wegen -<a id="page-262" class="pagenum" title="262"></a> -schwerer Vergehungen, von vielen Logen ausgeschlossen sei. -Dies störte nicht das Glück des Hauses, denn seine Verlobung -mit Clara wurde bekannt gemacht, und bald darauf -die Hochzeit gefeiert. -</p> - -<p> -Könnte ich doch, klagte der Vater an diesem fröhlichen -Abend, meinen Sohn Anton eben so in meine Arme schließen, -und mich überzeugen, daß er mir zurückgegeben sei. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Die Scene, die sich mit dem größeren Magus ereignet -hatte, war für Sangerheim von Folgen gewesen. Seine -Schüler hatten es gesehn, daß er verlegen und irre an sich -selber wurde; sie hatten Andern diese Bemerkung mitgetheilt, -und Viele wendeten sich von ihm ab. Die ältere Loge beobachtete -ihn genauer, und faßte mehr Muth, sich ihm öffentlich -zu widersetzen. Unter Denen aber, die ihm unwandelbar -treu blieben, und auf seine Worte schwuren, stand der Arzt -Huber oben an; diese Anhänger beredeten sich, daß die Wirkungen, -welche Feliciano hervorbrachte, durch die Hülfe böser -Geister geschähen, und er selbst durchaus verwerflich und -gottlos, seine Lehre verdammlich zu nennen sei. -</p> - -<p> -Jetzt ward es den Vertrauteren, und späterhin den -Uebrigen bekannt, daß Sangerheim verheirathet sei, und -seine Frau bei ihm wohne. Da sie krank und leidend war, -hatte er ihr Dasein Allen verschwiegen. Die Wenigen, die -sie zuweilen auf einen Augenblick sahen, bemitleideten sie, -oder entsetzten sich vor ihr, wie vor einer Geistererscheinung. -Sie war noch jung, aber todtenbleich, schwach und matt. -In dem weißen und abgemagerten Gesicht glänzten die Augen -mit einem sonderbaren Feuer. Sie hatte kaum Stärke genug, -aus einem Zimmer in das andre zu gehn, und es geschah -wohl, daß sie mitten in ihrer Rede abbrach und einschlief. -<a id="page-263" class="pagenum" title="263"></a> -Dann sprach sie sonderbar, oft unzusammenhängend, -oft, als wenn sie Erscheinungen sähe. Sie hatte keinen Arzt, -sondern der Mann, der sich die größten Kenntnisse zutraute, -behandelte sie selbst auf eine geheimnißvolle Weise: er suchte -sie durch Gebet, Händeauflegen und Beschwören zu stärken. -Wegen dieses sonderbaren Zustandes der Leidenden war es -selbst den Vertrautesten nur durch Zufall möglich gewesen, -sie auf Augenblicke zu sehn und zu beobachten. -</p> - -<p> -Nach einer schlimmen Nacht, in welcher sie von Schmerzen -sehr gequält war, sagte sie am Morgen zu ihrem Gatten: -Ach, Alexander! das war nicht die Aussicht, die wir -hatten, als Du mich heimlich, fast mit Gewalt aus dem -Hause meiner guten Eltern nahmst. Welche Pläne machten -wir damals, was hofften wir Alles von unsrer Liebe. Nun -ist Alles dem Tode verfallen! Ach! und welch gespenstisch -Leben, welch sterbendes Dasein ward mir in Deiner Nähe. -Nun, ich fühl’ es, es ist zu Ende. -</p> - -<p> -Nein, geliebte Theodora, tröstete sie der Mann: nein, -meine Geliebteste, ohne die das Leben mir selbst nur eine -Last seyn würde. Glaube mir, Alles nähert sich einer glücklichen -Entwicklung. Ich sehe, Du wirst mit jedem Tage -besser, in wenigen Monaten ist Deine Gesundheit und die -Blüthe Deines Leibes wiedergekehrt. Du bist wieder heiter -und froh, Du hast wieder Muth und Kraft, wie in den -ersten Tagen unsrer Liebe. -</p> - -<p> -Liebst Du mich denn noch? fragte die Kranke, mit einem -sterbenden Blick. -</p> - -<p> -Theodora, rief Sangerheim, außer sich vor Schmerz; -diese Frage und dieser Blick könnten mich tödten. Es wühlt -mein Herz um, und zernichtet meine Kräfte, daß diese Zweifel -Dir immer wiederkehren. -</p> - -<p> -Ich darf nicht sprechen, antwortete sie matt, denn Deine -<a id="page-264" class="pagenum" title="264"></a> -Heftigkeit geht dann wie ein schneidend Messer durch meinen -Leib und meine Seele. -</p> - -<p> -Ich will sanft seyn, milde, Geliebte, antwortete er -demüthig, sprich Deinen Kummer aus, nur zweifle an meiner -Liebe nicht. -</p> - -<p> -Was nennst Du so? fuhr sie fort; Deine Liebe ist Dir -doch nicht heilig, Du opferst sie auf, sie ist Dir nur Mittel -zu andern Zwecken. O, mein Engel, wenn Du Dich von -jener Verbindung losmachen könntest, o zerbrich sie, mein -süßes Herz, entzieh Dich jener Gesellschaft, die mir immer -schrecklicher erscheint, die Dich verderben wird. -</p> - -<p> -Nein, meine Liebste, antwortete Sangerheim gerührt, -ich erkenne Deine Liebe in jedem Deiner Worte, aber diese -Männer, von denen ich Dir einmal in einer schwachen Stunde -erzählt habe, kennst und würdigst Du nicht. Denke nur zurück, -wie arm, wie dürftig unser Leben war. Als österreichischer -Offizier, in einer kleinen Garnison, von rohen, -unwissenden Menschen umgeben, mit schmalem, unbedeutendem -Gehalt, ohne Hoffnung, es weiter zu bringen, — was -war da unser Loos? Wie armselig, dürftig und verächtlich -war diese Existenz! Und betrachte jetzt den Ueberfluß, die -Ehre, den Schwarm der Freunde und Bewunderer. -</p> - -<p> -O Alexander, seufzte sie, führe mich in jene enge Dürftigkeit -zurück, gieb mir unser damaliges Leben wieder, und -ich will Dir auf den Knieen danken. Wir waren gesund, -wir hatten uns keine Vorwürfe zu machen, denn die Eltern -waren mir wieder ausgesöhnt. War unser Einkommen klein, -unsre Habe unbedeutend, so genossen wir Alles mit kindlichem -dankbaren Sinn und mit einem reinen Gewissen. Als -Du in jene Verbindung getreten warst, nahmst Du Deinen -Abschied, mußtest ihn nehmen. Seitdem ist Alles so unklar -und unheimlich. Und unser Wohlstand: mir ist, Du stehst -<a id="page-265" class="pagenum" title="265"></a> -auf einer dünnen, dünnen Eisrinde, und unter Dir liegt -der tiefe Abgrund. -</p> - -<p> -Geliebteste, Freundin, Gattin, erwiederte er liebkosend, -beruhige doch endlich Deine Seele über diesen Punkt. Wie -wird sich Alles anders, und zu Deiner schönsten Zufriedenheit -entwickeln. Jenen edlen Männern darf ich vertrauen, -denn ich war ja Zeuge, daß sie Uebermenschliches vermögen -und wissen. Wie viel haben sie mir schon anvertraut, wie -Vieles vermag ich durch sie. Mit jeder Post kann es ankommen, -das Größte, das Beste, was noch zurück ist, in -jedem Reisenden kann der Ersehnte vom Wagen steigen, der -mir Alles enthüllt, so daß keine Frage und kein Wunsch -mehr übrig bleibt. Alle ihre Briefe deuten auch dahin. -</p> - -<p> -Brauche ich Dir zu sagen, antwortete die Kranke, daß -Alles, was Du bis jetzt errungen hast, Kunststücke sind, die -nur darum den Menschen unbegreiflich und wundervoll erscheinen, -weil die Wissenschaft sie noch nicht gefunden hat? -Jeder Gelehrte kann sie zufällig entdecken, und diese donnernden -Explosionen, die sich durch einen Wurf, ohne Spur -entladen, werden dann vielleicht ein Spielwerk, mit dem sich -die Kinder erschrecken. Und Deine Operationen, diese Blendwerke -der Erscheinungen, diese Bilder, die Du zeigst, Deine -künstliche, innerliche Sprache, die, wie aus der Ferne, wie -die eines Fremden klingt, und womit Du so Viele entsetzest, -und sie zu Deinen Zwecken führst; daß ich selbst auch als -Geist auftreten muß, — o Alexander, wohin sind wir gekommen? -Wie muß die Welt uns ansehn, wenn Alles einmal -bekannt wird. -</p> - -<p> -Liebste Frau, sagte Sangerheim beängstigt, Du hättest -Recht, wenn wir nicht mit den Edelsten aller Menschen, mit -den Uneigennützigsten, mit den Weisesten in Verbindung ständen. -Daß sie das Beste wollen, daß ihre Pläne gut sind -<a id="page-266" class="pagenum" title="266"></a> -und zum Heil aller Menschen hinstreben, davon dürfen wir -uns überzeugt halten, so seltsam auch ihre Wege, so krumm -sie auch laufen mögen. Ihnen liegt es ob, dies zu verantworten, -wenn sie im Unrecht seyn sollten. Ich muß erfüllen, -was ich ihnen gelobt habe. Ich kenne die Täuschung, die ich -mir erlaube, aber ich bin vom guten Zweck überzeugt. Und -jenseit aller Täuschung sind wir ja im Besitz so manches -wahren Wunders. Dein Gebet wirkt kräftig, das meinige -stimmt Deinen Geist. Du siehst, Du sprichst mit abgeschiedenen -Freunden, sie entdecken Dir Geheimnisse; Du siehst -in weite Ferne und durch verschlossene Thüren. Dir ist, -wenn Du fest willst, Nichts verborgen. -</p> - -<p> -Die blasse, leidende Gestalt seufzte schwer. Ach, Liebster! -klagte sie dann mit erlöschenden Tönen, daß ich auf -diese Weise in Deinen weltlichen Absichten Dir habe helfen -müssen, ist vielleicht die größte Sünde, die Dir der Himmel -nicht anrechnen, und mir meine Schwäche und Nachgiebigkeit -verzeihen möge. Die Liebe zu Dir hat mich weit geführt. -Dieser künstliche Schlaf, dieser unnatürliche, den Du mir -Anfangs erregtest, und der sich jetzt immer mehr von selbst -einstellt, hat mir Gesundheit und alle Kräfte aufgezehrt. Oft -weiß ich nicht mehr, ob ich noch bin, und kann mich auf -meinen eignen Namen, oder auf Deine Gestalt nicht besinnen. -Ja wohl ist dies eine Zauberei zu nennen, die den -Menschen aus seinem eignen Innersten entrückt; aber eine -verderbliche. So Vieles habe ich Dir entdecken müssen, hier -und in jener Stadt. Mir ist, ich habe nicht allein die -Kräfte meines Körpers, sondern auch Theile meiner Seele -dabei zugesetzt. Wenn Du mich so auf eine Frage gewaltsam -hinheftest, wenn ich im Schlafe sehen und finden muß, -was Du verlangst, so dehnt es sich in meiner Brust, in -meinem Kopf. Diese fließenden leichten Gewölke werden -<a id="page-267" class="pagenum" title="267"></a> -immer dünner und feiner, und mein Selbst, mein Sein -weicht wie in eine schwindelnde Ferne hinweg, daß ich in einer -entsetzlichen Angst nach ihm zurückblicke. Jenes fließende, -fliehende Wesen, das ich selbst nicht mehr bin, faßt und sieht -dann in meinen Körper, in Dich, in alle Wesen mit einem -kalten Schauder hinein. Ich frage, ohne den Sinn zu wissen, -und höre von Geistern die Antwort, und sage sie Dir -im Schlaf, und Alles ist nur ein Echo. Oft, wenn ich dann -wieder erwachen soll, greift das blasse, fließende und entflohene -Wesen nach dem eigentlichen Ich mit Entsetzen zurück, -und kann es nicht wieder finden. Nein, mein Ich ist manchmal -fort; ich kann mich auf mich selbst nicht besinnen. -Der Geist fürchtet, er könne vergehn, sich selbst vernichten. -Nein, Liebster, wenn Du noch einiges Erbarmen mit mir -hast, nicht mehr diese Experimente, versprich es mir. -</p> - -<p> -Sangerheim gab ihr geängstigt stumm die Hand. Er -wußte wohl, wie viel er ihren künstlich erregten Visionen zu -danken hatte. Durch dieses Mittel hatte er damals für den -Rath Seebach jenes Dokument gefunden. Er stand jetzt an -einem furchtbaren Scheidewege seines Lebens. Denn ohne -daß seine Gattin ihn so schmerzlich zu erinnern brauchte, war -er selbst schon mehr wie einmal an sich und seinem Beginnen -irre geworden. Er fing in manchen Stunden an zu -zweifeln, ob denn der Zweck die Mittel heiligen könne. Eine -Lehre, die ihm bis dahin als unerschütterlich erschienen war. -Mit Angst wartete er auf Briefe und Aufschlüsse, die man -ihm verheißen hatte, damit er den Trug könne fallen lassen, -seinen Eingeweihten ein eigentliches Geheimniß sagen und -erklären, und im Besitz wirklicher Wunderkraft, des Steines -der Weisen und der Tinktur glücklich seyn. Er hatte nach -seiner Ueberzeugung erfüllt, was er versprochen hatte, ja -mehr ausgerichtet, als man erwarten konnte, aber die letzten -<a id="page-268" class="pagenum" title="268"></a> -Briefe, die er erhalten und die er sehnend erwartet, sprachen -so zweideutig, erfüllten so wenig, was er forderte, und -umgingen die Frage so behutsam, daß er sich mit allen -Kräften der Hoffnung und des Vertrauens nur einigermaßen -beruhigen und auf die nächsten Nachrichten vertrösten -konnte. -</p> - -<p> -In dieser Verstimmung seines Gemüthes faßte er die -Hand der Kranken, und machte, ohne daß sie es bemerkte, -die Striche, die den Schlaf herbei riefen. Sie entschlummerte -mit einer Zuckung Augenblicks, indem sie nur noch -wimmernd: nicht Wort gehalten! im halben Wachen ausstieß. — -</p> - -<p> -Er fragte sie jetzt um die Zukunft. Der Busen der -Kranken arbeitete schwer. Ach! Nichts! Nichts sehe ich, sagte -sie, wie schluchzend in sonderbaren Tönen: da liege ich, weit, -weit weg; nicht ich, — die Hülle. — Glanz, Licht, — aber -ohne Schein. Es saugt mich hinauf. Meine Mutter nimmt -mich, nicht meine Mutter, ihre Liebe, das ist mehr als sie. -Wie rein ist ihr Herz. Das reinigt auch meinen Geist, mich. -Mir wird so leicht, so wohl. Das, was ist, ist nicht eigentlich. -Wir verstehn es unten nicht. Alles nur Schein, Hülse, -der Tod. Das Sein ist anders: kann unten nicht gefaßt -werden. -</p> - -<p> -Sangerheim richtete durch Fragen ihre Gedanken anders. -O weh! rief sie in einem scharfen Ton: — da ist -Dunkel, Verwirrung, das Elend. O du Lügner, warum -verkehrst du mit der Lüge so holdselig? Dein Herz bricht, -dein Kopf zerspringt. — Nach jenem Dunkeln soll ich forschen, -sehn? Mein Auge reicht nicht hin, mein Zittern verdämmert -mir den Blick. Alles schwarz. Aber näher kommt’s. -Grauen, Angst, kein Licht. Sie brüten selbst, sie suchen. -<a id="page-269" class="pagenum" title="269"></a> -Keine Liebe in ihnen. — Ja wohl ist es aus, aus für dieses -Leben. Brief geschrieben, gesiegelt. Kann nicht — kann -nicht lesen. Wär’ es gut, könnt’ ich’s; die Liebe könnte lesen, -so bleibt’s finster. — Ach! — du, — du — auch fort, weggetragen, -— willst mich nicht kennen, nicht hier kennen, wo -Friede ist? Sehe dich gehen, höre deine Stimme, kann dein -Gesicht nicht finden; wo die lieben Augen? — Alles weg! -</p> - -<p> -Ach! so, so ist es gemeint? fing sie nach einer Pause -wieder an; ja, ja, es wird ihm schwer gemacht. Er hieß -Alexander. Gut war ich ihm, er war so lieb. Wird wieder, -aber spät, spät, — ach! kann er glauben? Gott, du -bist gnädig. — Laß ihn nicht zu sehr verfinstern. Jesus, -vergieb ihm. — Nun ist es weg. Nun ist mir wohl. Nie -werde ich mehr in die Tiefe des Irdischen schauen. Alle -Tiefe vergeht; es wird Alles Ein Augenblick, Eine Gegenwart, -Ein Lichtpunkt, und ich unsichtbar, mir selbst unfühlbar, -in der Mitte des himmlischen Punktes. Nichts war, -Alles ist und bleibt. Es zieht, es flieht nicht mehr, festes -Bild wird es. — Nun reicht der Strahl aus mir nicht mehr -zurück, er ist zu kurz, das Leben ist fern, weit und fern: -besser so, — denn — nein — besser so — ach! kein Sehnen -mehr, kein Schmerz mehr, — die Freude war schon -lange todt. -</p> - -<p> -Sie verstummte: er horchte, er wiederholte die Striche -und verstärkte seine innere Aufmerksamkeit, aber die Entschlafene -sprach nicht. Da sein Bemühen heut, was noch -nie gewesen, vergeblich war, so strich er mit den Händen in -entgegengesetzter Richtung, um sie wieder zu erwecken, aber -eben so fruchtlos, sie erwachte nicht wieder, denn sie war -gestorben. -</p> - -<p> -Als er sich nach manchen vergeblichen Bemühungen, sie -wieder ins Leben zu rufen, von der Wirklichkeit ihres Todes -<a id="page-270" class="pagenum" title="270"></a> -überzeugen mußte, warf er sich verzweifelnd zu ihren Füßen -nieder, und wüthete gegen sich selber. Wie er etwas mehr -zur Besinnung gekommen war, rief er aus: ja, du, du Unglückseligster, -hast die Aermste ermordet! Was ist mir alles -Leben nun ohne sie? Ohne sie, für die ich mir Glanz und -Wohlstand wünschte? Wie schaal und abgenutzt liegt jetzt -mein ganzes Dasein vor mir, wie arm, was ich etwa noch -erstreben kann. Und wie liebte sie, die Aermste, mich Unwürdigen! -Als sie damals, wie ihre Krankheit zuerst sich -verkündigte, von der langen Ohnmacht erwachte, war ihr -erstes Lebenszeichen, daß ihr redlicher Blick mich gleich suchte. -Sie hatte alles Andre vergessen, aber nicht, daß ich um sie -bekümmert war. Sie hätte mir ja auf unsern Spaziergängen -gern jeden rauhen Stein aus dem Wege geräumt. Und -mein Dank für alle diese Hingebung? — Daß ich ihre Gesundheit -durch diese magnetischen Künste vernichtete, daß ich -ihren Geist verwirrte, daß ich muthwillig ihr liebendes Herz -zerbrach. Nein es giebt keine größere Sünde, es giebt gar -keine andre, als die der Mensch gegen die Liebe begeht. — -Ach! Du Süßeste! wo ist jetzt Deine blühende Jugend? Wo -sind die Rosenwangen, und das Grübchen des freundlichen -Lächelns, mit dem ich Dich neckte, wenn wir im kleinen -Garten Deiner Eltern zwischen den Rosenbüschen saßen? -Wo sind nun alle die Träume der Liebe? Wo die Pläne, -die wir für das Leben entwarfen? Diese blasse Hülle, die -hagre Gestalt ist von all der Lust und Freude übrig geblieben, -um mir zu sagen, wie armselig und kläglich das menschliche -Leben sei, um mir zuzurufen, daß ich ein Bösewicht, -ein Verworfner bin, der trotzig durch das Leben geht, und -Dich, süße Blume, roh zertreten hat. -</p> - -<p> -Er setzte sich wieder zum Leichnam nieder, faßte die -dürre Hand, bedeckte sie mit Küssen, und weinte bitterlich. -</p> - -<p> -<a id="page-271" class="pagenum" title="271"></a> -Wort müssen, Wort werden sie mir halten, sagte er -nach einer Weile zu sich selber; mein Elend wäre zu unermeßlich, -wenn sich auch diese Hoffnung in Tod und Leiche -verwandelte. Was bliebe mir? Die nackte, kahle Lüge, der -verächtliche Betrug. Dem könnte, dem möchte ich nicht ferner -leben. Ist denn sterben so schwer? Sie ist erloschen, -wie die Kerze, wie der letzte still verborgne Funke in der -Asche. Wenn ich verloren bin, so will ich kein Dasein erbetteln, -und in Lumpen und dem Auskehricht des Lebens -Kleinodien suchen, die ich wirklich besaß und wegschleuderte, -als ich noch wie ein König glücklich war. Jenseit will ich -sie dann wieder aufsuchen und das keck verachten, was Verachtung -verdient. — — -</p> - -<p> -Bei ihrem Begräbniß folgten die vertrautesten der Brüder. -Er schien seine Fassung wieder errungen zu haben. In -fester Stellung, mit edlem Schmerz stand er am Grabe der -Geliebten und sah die theuern Ueberreste versenken. Freilich -war es ihm oft, als wenn alles Leben nur ein Traum sei, -oder ein Schauspiel, in welchem er mit Anstand seine Rolle -zu Ende führen müsse. -</p> - -<p> -Als er nach Hause kam, fand er folgenden Brief, den -er hastig erbrach: -</p> - -<p> -Die — — sind mit Euch, mein Freund, nichts weniger, -als zufrieden, denn Ihr setzt ihr Geheimniß, ihren -Ruf und ihre Ehre auf ein zu leichtsinniges Spiel. Das ist -es nicht, was Ihr verheißen habt, und was man von Euch -erwartete. Es hat sich erwiesen, daß der Rath — —, dessen -Ihr so sicher zu seyn glaubtet, sich kalt zurückgezogen -hat, daß Ihr jene Stadt meiden mußtet. Und wie lange -werdet Ihr in der jetzigen Euer Spiel noch forttreiben können? -Man verwundert sich, man forscht nach, und, was das -schlimmste ist, man lacht. Wie schlecht seid Ihr dem Charlatan, -<a id="page-272" class="pagenum" title="272"></a> -dem Feliciano, gegenüber bestanden! Wer solche plumpe -Angriffe nicht einmal zurück zu schlagen versteht, der ist zum -Missionar verdorben. Auf die Anfragen, auf Eure Forderungen, -kann ich nichts Bestimmtes erwiedern. Es heißt, -die Loge wird verlegt werden: wenn es geschieht, so ist noch -nicht entschieden, wohin. — — -</p> - -<p> -Sangerheim knirschte. Mit Todesschweiß schrieb er -schnell einige drängende, fordernde, beschwörende und beredte -Briefe, um das Aeußerste und Letzte zu versuchen, denn -seine Hoffnung, ein wahrer Magier zu werden, war nun -fast schon verschwunden. -</p> - -<p> -Wenn sie mich so um mein Leben betrogen hätten! rief -er aus, büßen sollten sie es! — Doch nein, ich zittre vor -mir selber: weiß ich ja doch, daß sie jeden Laut in der Ferne -vernehmen, und daß sie jeden meiner Gedanken kennen. Drum -muß ich, will ich alle meine Gefühle unterdrücken, und nur -das Beste, Edelste von ihnen erwarten. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Im Hause des Geheimenrathes war Alles so ziemlich -wieder zur Ordnung zurückgekehrt. Die Hochzeit der Tochter -näherte sich, und Schmaling war im Bewußtsein seines -Glückes in solcher Stimmung, daß er selbst die Namen Feliciano -oder Sangerheim nur ungern nennen hörte. Er verdammte -den Trieb, sich vom Wunderbaren und Geheimnißvollen -anlocken zu lassen, so unbedingt, daß selbst Clara ihn -tadelte, wenn er auf Geistergeschichten oder Erzählungen schalt, -die durch ein gewisses Grauen die Aufmerksamkeit spannen, und -die Phantasie in Thätigkeit setzen. Er wollte kein unschuldiges -Spiel hierin mehr erkennen, sondern meinte, diese Anlage und -Stimmung unseres Geistes sei durchaus verderblicher Natur, -und könne nur zum Unheil führen, es sei daher die Pflicht -<a id="page-273" class="pagenum" title="273"></a> -eines jeden Verständigen, diesen Trieb in sich völlig auszurotten. -</p> - -<p> -Der Vater hatte unterdessen an seinen Sohn Anton -geschrieben, um ihn zu bewegen, zu seiner Familie zurückzukehren. -Nur Einiges hatte er ihm von jenen Geständnissen -gemeldet, die der trunkene Magier gegen Schmaling halb -unbewußt gethan hatte; er hatte ihn auf die Gefährlichkeit -dieser Verbindung, auf seine bedenkliche Stellung zur Welt -aufmerksam gemacht, er hatte ganz den Vater und die väterliche -Autorität, so milde der Brief war, sprechen lassen, -aber vergeblich. Der Sohn antwortete in einem scharfen, -höhnenden Tone: wie sonderbar es sei, daß der Vater jetzt -gegen Geheimnisse spreche und große Charaktere verfolge, da -doch er, der Sohn, von Jugend auf so viel von diesen Geschichten -in seiner Familie habe vernehmen müssen. Es sei -ja bekannt genug, wie er selbst früher gegen alle leere Schwärmerei, -Geistersucht und dergleichen gesprochen habe, er habe -sich nie blenden lassen, und wenn er jetzt einer andern Ueberzeugung -folge, so könne man ihm wohl zutrauen, daß er geprüft -und untersucht habe, und nicht leichtsinnig einem unreifen -Gelüste folge. Wenn Verleumder seinen großen Meister -lästerten, so geschehe nur, was sich seit den ältesten Zeiten -ereignet habe, daß der Pöbel die Wohlthäter der Menschen -und die leuchtenden Genien verfolge. Was seinen Schwager -Schmaling betreffe, so verachte er einen solchen Elenden -zu tief, um irgend noch Worte über ihn zu verlieren. Sein -Meister habe ihm diesen Lügner und dessen Verächtlichkeit -hinlänglich geschildert. Er hoffe übrigens, in der Lage zu -seyn und zu bleiben, daß er weder auf einen Theil des -väterlichen Vermögens, noch auf irgend eine Unterstützung -Ansprüche zu machen brauche, wünsche aber dagegen, daß -<a id="page-274" class="pagenum" title="274"></a> -man ihn nicht hofmeistere, als ein Kind behandle, das der -Zurechtweisung noch bedürfe. Er werde in Zukunft, wenn -er der Familie selbst zu Glanz und Ehre verhelfe, übrigens -gern vergessen, daß er früher einmal von seinen allernächsten -Verwandten so sei verkannt worden. -</p> - -<p> -Der Vater, der Obrist und Alle erstaunten über die -ungeheure Verblendung des Sohnes, vorzüglich, wenn sie -seiner früheren Art gedachten. -</p> - -<p> -Die Zeit war indessen herangekommen, in welcher Sangerheim -versprochen hatte, durch Rückzahlung des letzten Capitals -seine geheimnißvollen Papiere auszulösen. Geschah es -nicht, so gehörten dem Rathe diese Mysterien, die von der -höchsten Wichtigkeit seyn sollten, und von denen selbst das -Leben Sangerheims, wie er geäußert hatte, abhinge. Der -geheime Rath machte sich also mit jenen wichtigen, fest verschlossenen -und vielfach seltsam versiegelten Dokumenten auf -den Weg nach jener Stadt, in welcher der Magier seitdem -seinen Sitz aufgeschlagen hatte. Der Professor Ferner begleitete -ihn. Sie reiseten in der Nacht, und wechselten vielfältige -Gespräche, indem sie sich alter Zeiten und vieler Erfahrungen -erinnerten. Der Professor sagte endlich: Sei der -Mensch auch so ruhig und fest, wie er immer wolle, er hat -eine Stimmung, einen Moment der Schwäche, wo ihn doch -Dasjenige wiederum ergreifen und beherrschen kann, was er -längst abgeschüttelt zu haben glaubt. Und so ist es mit Zeiten -und Völkern auch. Wer kann unterscheiden oder bestimmt -verneinen, ob es nicht physische Krankheit sey? Ob es oft -nicht in der Luft liege, und wie jede Seuche anstecke? Es -scheint zu Zeiten unmöglich, sich gegen den Einfluß der Thorheit -zu schützen, so wie wenn der Körper erst durch Mangel -an Diät oder Zufälligkeiten so gestimmt ist, man der Erkältung -<a id="page-275" class="pagenum" title="275"></a> -durchaus nicht ausweichen kann, verwahre man sich -auch, wie man will. Jetzt ist es mir völlig unbegreiflich, -wie ich mein geliebtes Kind jenem Wunderthäter hingeben -konnte, es erscheint mir jetzt als ein völliger Wahnsinn, als -gottlose Sünde; und doch pries ich mein Geschick (und seitdem -sind nicht viele Monde verflossen), daß jener große -Mann den Knaben würdigen wollte, ihn in die Schule und -sich seiner anzunehmen. Ist aber unsre Schwäche so groß, -oder ist es zuweilen ein Fatum, das uns ergreift, eine unausweichliche -Nothwendigkeit, so sollten wir wohl im Leben -gegen unsre Nächsten, oder in der Geschichte gegen merkwürdige -Verirrungen billiger und nachsichtiger seyn, als wir -uns bewußt sind, diese Nachsicht auszuüben. -</p> - -<p> -Es muß sich austoben, erwiederte der Rath; das ist -ein Ausdruck, den ich mir seit einiger Zeit angewöhnt habe. -Das ist der einzige trostlose Trost, den ich mir in Ansehung -meines Sohnes geben kann, den ich für verloren achten -muß. — — -</p> - -<p> -Sangerheim war indessen in einer Stimmung und Gemüthsverfassung, -die sich schwerlich darstellen läßt. Auf seine -vielen und dringenden Schreiben hatte er noch einmal eine -kurze Antwort von einem Manne erhalten, der sich früher -seinen Freund nannte, und der ihm jetzt meldete, dies sei -der letzte Brief, den er ihm senden könne, indem er eben in -den Wagen steige, um nach Italien, und von dort nach -Griechenland und Constantinopel zu reisen. Von Geldsendungen -war keine Rede, und doch hatte Sangerheim auf -diese, und zwar auf sehr bedeutende, gerechnet. Er meinte, -er dürfe es, nach allen früheren Betheuerungen und Versprechungen. -Er war von Schulden bedrängt; um glänzend -aufzutreten, hatte er Alles wieder ausgegeben, was ihm von -<a id="page-276" class="pagenum" title="276"></a> -Freunden und Schülern zugeflossen war. Um sein Ansehn -zu vergrößern, und sich mehr Zutrauen zu erwerben, war -er in der Wohlthätigkeit ein Verschwender gewesen. Er schrieb -noch einmal, und zwar unmittelbar an einen Mann, den er -für einen jener Obern halten mußte, aber indem er in Angst -die Sekunden auf seiner Uhr zählte, und der Antwort Flügel -wünschte, kam sein eigner Brief ihm zurück, mit der Anweisung -vom Postamt, kein Mann von dem Namen sei in -der Stadt zu finden. -</p> - -<p> -Nun sah er, daß man ihn völlig verlassen, daß man -ihn ausgestoßen hatte. Es wurde ihm hell in allen Sinnen, -daß er gebraucht sei, eine Büberei auszuführen, und daß -man jetzt diese nothgedrungen aufgegeben habe, oder ihn -wenigstens für unpassend halte, sie zu vollbringen. Er war -bis dahin überzeugt gewesen, wenn er auch die Pläne seiner -Obern nicht ganz durchschaute, daß er etwas Gutes und -Edles wirke, wenn auch durch Mittel, die sich nicht vor der -strengen Moral rechtfertigen ließen. Ihm war ein brennender -Haß gegen die sogenannte Aufklärung, gegen jenen Indifferentismus, -der seine Zeit charakterisirte, beigebracht -worden. Er hielt es für nothwendig, daß jene Freimaurer, -die sich der Rosenkreuzerei, dem Goldmachen und Geisterrufen -widersetzten, als Schädliche und Verderbliche ausgerottet -werden müßten, weil sie hauptsächlich durch ihren -Einfluß und ihre Logen jene lebentödtende Aufklärung verbreiteten. -Er glaubte wohl, daß ein Werben für die katholische -Kirche auch eine Aufgabe seiner Sendung sei, unterzog -sich aber auch diesem gern, weil er in dieser Lehre auferzogen -war, und sie, ohne sie zu prüfen, oder die protestantische -zu kennen, für die bessere hielt. Mit seinem Wunderglauben -und seiner Schwärmerei hatte er sich eine eigne -<a id="page-277" class="pagenum" title="277"></a> -Lehre ausgebildet, die der orthodoxe Katholik gewiß nicht -gebilligt hätte. So hin und her geworfen von Leidenschaften -und chimärischen Hoffnungen, wähnend, ganz nahe an die -Erfüllungen seiner höchsten Wünsche zu reichen, durch sophistische -Ausreden über sein trügendes Thun beruhigt, sich als -Lügner kennend, und sich dennoch für einen wahren Wunderthäter -haltend, seine Gattin liebend, und sie doch seinen -verdächtigen Zwecken aufopfernd, war er in allen diesen tollen -Widersprüchen fast in ein gespenstisches Wesen verwandelt -worden, das ohne innern Halt jeden Tag nur so hingaukelte, -von Neuem täuschte und getäuscht wurde, und nie zur Besinnung -kam. Jetzt fielen alle diese Larven von ihm ab, er -lernte sich selbst erst kennen, und entsetzte sich vor dem Auge -der Wahrheit und seiner eignen Nacktheit. -</p> - -<p> -So bin ich denn, sagte er zu sich selbst, zugleich der -Unglückseligste und Verworfenste aller Menschen. Der Inhalt -meines Lebens ist ein Possenspiel, über das man lachen -möchte, und zugleich so tragisch und entsetzlich, daß sich mir -die Haare aufrichten. Wie können jene Menschen, die sich -gut und weise nennen, es irgend mit ihrem Herzen ausgleichen, -daß sie mich geschlachtet, und mir Geist und Leib zu -Grunde gerichtet haben. So einsam, so ganz zernichtet war -noch nie ein Mensch. Die Freunde, Beschützer, Mächtigen, -auf die ich mich so sicher mit meinem ganzen Glücke lehnte, -sind gar nicht da in aller weiten Welt, nirgend zu erfragen, -wie Traumgestalten, wie Wolken verschwunden. Jeder Mensch, -dem ich meine Noth klagen wollte, müßte es für wahnwitzige -Lüge halten. — Ach Theodora! wie Recht hattest du. Warum -vernahm ich denn deine Bitten und Warnungen nicht? Auch -sie ist zertreten worden, so wie ich. O wenn sie noch da -wäre, wie gern würde ich mit ihr als Tagelöhner, als Bettler -<a id="page-278" class="pagenum" title="278"></a> -leben. Und Nichts bleibt mir; nicht die elendeste Hülfe, -nicht der kümmerlichste Trost. -</p> - -<p> -Er sann hin und her, was er beginnen könne, aber jede -Aussicht war verschlossen. Sein Trug mußte entdeckt werden, -dem Manche schon auf die Spur gekommen waren. -Die prophetische Gabe seiner unglücklichen Gattin konnte ihm -auch Nichts mehr fruchten, um seine künstlichen Lügen mit -halber Wahrheit oder seltsamen Entdeckungen zu unterstützen. -Er dachte wohl daran, ob er nicht einige von Denen um -Hülfe ansprechen sollte, denen er, als ihm große Summen -zu Gebote standen, reichlich geholfen hatte, aber er verwarf -diesen Gedanken sogleich als unstatthaft, weil er einsah, daß -Dieselben, die ihn in der Noth als ein göttliches Wesen behandelt -hatten, ihm jetzt kalt den Rücken kehren würden. -Und so, dachte er, habe ich von meinem verlornen Leben -nicht einmal den Nutzen, den jeder Dieb genießt, bevor er -zum Galgen geführt wird, daß er Geld und Gut besitzt, -oder mit seinen Spießgesellen schwelgt, und Wein und Wollust -ihn übersättigen. -</p> - -<p> -Er fiel darauf, sich dem geheimen Rath ganz zu entdecken. -Dachte er aber an das Auge des ernsten Mannes, -und wie viel er von ihm gezogen hatte, so verwarf er auch -diesen Gedanken. Nein, rief er, die Ehre verbietet mir -diese schmähliche Auskunft, die mich zu sehr erniedrigen -würde. -</p> - -<p> -Sonderbar, daß in der Verzweiflung und tiefsten Selbstverachtung -die Menschen noch von diesem Phantom regiert -werden können, das nur Wesenheit erhält, wenn der Edle, -Tugendhafte sich von Rücksichten lenken läßt, um die gute -Meinung seiner Zeitgenossen, sei es auch im Vorurtheil, zu -erhalten. Der Lügner will aber oft mit den abscheulichsten -<a id="page-279" class="pagenum" title="279"></a> -Lügen die Erde lieber verlassen, als durch eine Handlung -der Tugend, seine erste vielleicht, indem er die Wahrheit -bekennt, vor der Menge beschämt werden. Diese Ehre hielt -ihn von dem edlen, mitleidigen Manne zurück, und stellte -sich zwischen ihn und diesen wie eine Mauer. -</p> - -<p> -Denn mit den besten Gesinnungen für den Unglücklichen -langte der alte Seebach an. Er kannte zwar Sangerheims -Verbindungen nicht, und wußte eben so <a id="corr-12"></a>wenig, wie diese jetzt -so ganz von ihm abgefallen waren, aber er war der Ueberzeugung, -daß Sangerheim sein Versprechen nicht halten -könne, und er war darauf gefaßt, die große Summe schwinden -zu lassen, ohne ihm seine Schriften zurückzuhalten, oder -ihn öffentlich zu beschimpfen, wozu der Magier ihm ein Recht -gegeben hatte, wenn er seinem Worte untreu würde. Wie -erstaunte daher der Rath, als ihm Sangerheim mit großem -Vertrauen und fester Sicherheit entgegentrat, und auf übermorgen -mit leichtem Sinn die Auslösung der Schriften verhieß. -Er war selbst heiter, obgleich er mit Schmerz von -dem Tode seiner geliebten Gattin sprach. Dies Betragen -war so, daß der Rath selbst wieder unsicher wurde, und -dem schönen großen Manne gegenüber sich im Stillen Vorwürfe -machte, daß er ihm so sehr Unrecht gethan habe. -</p> - -<p> -Der Tag ging hin unter Besuchen und Zerstreuungen. -Der Arzt Huber, dieser fanatische Anhänger Sangerheims, -erzählte viel von seinen Hoffnungen, deren Erfüllung er in -kurzer Zeit zu erleben gedachte. -</p> - -<p> -Am andern Morgen machte der Rath mit dem Arzte, -Sangerheim, Ferner und noch einigen Vertrauten einen -Spaziergang. Als sie die Stadt im Rücken hatten, entspann -sich in der Kühlung des schönen Morgens ein sonderbares -Gespräch. Sangerheim sprach von der Flüchtigkeit des -<a id="page-280" class="pagenum" title="280"></a> -Lebens, das, gegen die unerschöpflichen Tiefen der Kunst -und Wissenschaft gehalten, viel zu kurz sei. -</p> - -<p> -Sie gingen einem Bach vorüber. Alle diese Wellen, -sagte Sangerheim, gelangen in den Ocean, der dadurch nicht -voller wird. Ist es nicht eben so mit unsern Seelen? Der -Tod entführt sie — wohin? Zu Gott, der keinen Mangel -kennt, und durch sie nicht größer wird. -</p> - -<p> -In der Einsamkeit sagte er endlich: Nur zu sehr hatte -jener Feliciano Recht, daß ich schwere Kämpfe mit den Geistern, -die nur ungern gehorchen, würde zu bestehn haben. -Sie wollen es nicht dulden, daß ein Sterblicher so große -Gewalt über sie erringe. In jeder Minute muß ich wachsam -seyn. Verabsäume ich gewisse Gebete, könnte ich diese -oder jene unerläßlichen Vorkehrungen vergessen, so wäre mein -Leben Augenblicks in Gefahr. Von wie vielen ausgezeichneten -Männern, die das Reich der Geister sich unterwürfig -gemacht, wissen wir es nicht, daß sie eines unnatürlichen -oder gewaltsamen Todes gestorben sind. Oft war es auch -die Veranstaltung dieser rebellischen Geister, daß die weltliche -Macht sich eines dieser Männer als eines solchen bemächtigte, -der mit der Hölle im Bunde stehe, und ihn nach -dieser falschen Beschuldigung auf den Scheiterhaufen setzte. -</p> - -<p> -Hin und her wurde über diese Behauptung gestritten. -Plötzlich rief Sangerheim: Still! meine Freunde. — Er -blieb stehn, als wenn er auf Etwas horchte, dann nickte er, -schüttelte mit dem Kopfe, murmelte einige Worte, und machte -wieder die Geberde, als wenn er gespannt einer Rede zuhöre. -Nach einer Weile sagte er: Warten Sie hier einen -Augenblick. Wovon ich eben sprach, hat leider stattgefunden. -Eine Kleinigkeit habe ich heute beim Aufstehn unterlassen, -das Zeichen vor meinem Bette und an der Thür meines -<a id="page-281" class="pagenum" title="281"></a> -Schlafzimmers ist nicht in rechter Weise aufgelöset worden, -nun jagen mir die Ungestümen nach und wagen es, zu drohen. -Warten Sie hier einen Augenblick, dort in der Einsamkeit -werde ich sie schon zu zwingen wissen, sie sollen zitternd -ihren Meister erkennen, und mir nicht zum zweiten -Male drohen. -</p> - -<p> -Er entfernte sich mit triumphirender Miene und in -stolzer Zuversicht. Als er hinter den Gebüschen verschwunden -war, hörte man Zank und Streit von vielen verschiedenen -Stimmen, und Sangerheims donnernden Ton abwechselnd -dazwischen, dann einen Knall, wie einen Schuß. Hierauf -Stille. -</p> - -<p> -Alle sahen sich erwartend an. Der Rath ging ahndungsvoll -zuerst nach dem Platz. Der Unglückliche lag todt -am Boden, das Pistol neben ihm. -</p> - -<p> -Die Geister haben ihn ermordet! schrie der Arzt heftig: -o die Elenden, Schändlichen! O Liebster, so bist Du denn -doch das Opfer Deines Enthusiasmus, Deines brennenden -Eifers für die Wissenschaft geworden! -</p> - -<p> -Der Rath sagte kein Wort; jedes schien ihm überflüssig. -— Man machte in der Stadt eine Anzeige von diesem Vorfall, -und am folgenden Tage ward der Leichnam beerdigt. -</p> - -<p> -Seltsam genug, daß manche der aufgeklärten Freimaurer, -die von diesem Sangerheim so schlimm waren verfolgt worden, -jetzt auch die Meinung aussprachen, er sei von seinen -Geistern, die aber bösartige wären, zur Strafe aller seiner -Frevel vernichtet worden. — -</p> - -<p> -Am andern Tage versammelte der geheime Rath die -vertrautesten Freunde des Abgeschiedenen in seiner Wohnung. -Man lösete langsam und bedächtig die Siegel des geheimnißreichen -Paketes, eine Scheide nach der andern, und wickelte -<a id="page-282" class="pagenum" title="282"></a> -einen Umschlag aus dem andern. Jener Knall, der schon -einmal den Rath erschreckt hatte, ließ sich wieder hören. -Keiner von Allen war in solcher Spannung, als der Arzt -Huber. Endlich war Nichts mehr aufzuknüpfen und kein -Petschaft mehr aufzubrechen, und offen lag vor Aller Augen -der Inhalt. — Eine alte französische Grammatik, drei alte -Kalender, viel Makulatur. -</p> - -<p> -Die Erbschaft eines Wunderthäters, sagte der Rath -kalt. Erst jetzt verachtete er den Magier völlig. Nein! rief -Huber in großem Eifer; die boshaften Geister haben auch -seine wichtigen Geheimnisse scheinbar verwandelt, um unser -Aller Augen auf eine Zeitlang zu blenden. Wenn wir uns -nicht thören lassen, so müssen bald die ächten Skripturen an -die Stelle dieser Makulatur zurückkehren. Und so bemächtige -ich mich, im Namen der Kunst, dieser unscheinbaren Papiere, -um sie vom Untergange zu retten. Kann auch seyn, daß im -Bande, zwischen den Blättern, oder in Punkten und unterstrichenen -Buchstaben das Mysterium niedergelegt ist. Ich -werde wenigstens Tag und Nacht studiren. -</p> - -<p> -Man ließ ihn gewähren und würdigte ihn keiner Antwort. — -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Das Schicksal Sangerheims war beschlossen, und die -meisten seiner ehemaligen Bewunderer gaben ihre Bestrebungen -auf, retteten Geld und Zeit und kehrten zu besseren Beschäftigungen -zurück. Nur Huber saß unermüdet bei seinen -Makulaturen, den alten Kalendern und seiner französischen -Grammatik, suchte und rechnete, und glaubte, nachdem er -lange studirt hatte, auch viel Wichtiges gefunden zu haben. -</p> - -<p> -Schmaling und Clara waren verheirathet. Ihr Glück -<a id="page-283" class="pagenum" title="283"></a> -ward durch gute und gesunde Kinder erhöht und man konnte -die Familie des Rathes eine glückliche nennen, wenn nicht -Anton in ihr gefehlt hätte, von dem man seit Jahren gar -keine Nachricht hatte. Auch Feliciano, nachdem er lange an -verschiedenen Orten in Europa mit mehr oder minder Glück -seine Rolle gespielt hatte, war endlich, da Keiner mehr, auch -der erst Verblendete nicht, an seinem Betruge zweifelte, nach -manchen Abentheuern untergegangen. -</p> - -<p> -Die Gattin des Rathes pflegte ihre Enkel, und Clara, -die jetzt Nichts mehr zu bekämpfen hatte, durfte mit Sicherheit -ihren Charakter, so wie die Anlagen ihres Geistes ausbilden. -Sie fürchtete nun nicht mehr die Bilder der Phantasie, -die poetischen Mährchen, oder das Geheimnißvolle in -dieser oder jener Dichtung, weil es ihr nicht mehr feindlich -gegenüber stand, und sie über den Charakter ihres liebenswürdigen -Gatten beruhigt war. Dieser, einmal enttäuscht, -fühlte niemals die Versuchung wieder, sich in jenes Labyrinth -zu begeben, dessen Irrgänge er hatte kennen lernen, und -denen er so glücklich entflohen war. -</p> - -<p> -So waren im ruhigen Glücke mehr als zwölf Jahre -verflossen, als sich an einem Morgen früh beim geheimen -Rathe ein Fremder anmelden ließ, der darauf bestand, den -Herrn selbst zu sprechen, und sich vom Diener nicht wollte -abweisen lassen. Die Thüre des Arbeitszimmers ward ihm -endlich geöffnet, und es trat ein Mann von mittlerem Alter -hinein, verwildert, ohne Haltung und Betragen, der, als -ihn der Rath fragte, was er begehre, nur kurz antwortete: -Und Sie kennen mich wirklich nicht mehr? Eine Ahndung -ergriff den Vater: Sie sind doch nicht — Du bist doch nicht -Anton? — Er schwankte und der unkenntlich gewordene Sohn -fing ihn in seinen Armen auf. Sie umfingen sich zärtlich -<a id="page-284" class="pagenum" title="284"></a> -und gerührt, dann setzten sich Beide, um sich von ihrer -Erschütterung zu erholen. -</p> - -<p> -Bist Du wieder da? fing der Vater nach einer Weile -an; aber es ist Dir, wie es scheint, nicht gut ergangen. -</p> - -<p> -Ja, lieber Vater, sagte Anton, Ihr Kind, wenn Sie -es noch dafür erkennen wollen, tritt fast wie der verlorne -Sohn in sein väterliches Haus wieder ein. Mein Schicksal -ist ein elendes, mein Leben ein verlornes. Wenn Sie mich -verstoßen, so bin ich aller Schmach wieder dahin gegeben, -dem kläglichsten Jammer, dem ich freilich gern entfliehn -möchte. -</p> - -<p> -Wenn ich Dich Sohn, Anton nenne, sagte der Vater, -so heißt das, daß Du mir eben das seyn wirst, was Du -mir ehemals warst. Du hattest Dich verblenden lassen, und -ich wenigstens kann Dir kein strenger Richter seyn. -</p> - -<p> -Wohl war ich verblendet, erwiederte Anton, und wie -sehr! so, daß ich noch jetzt immer vor diesem Zustande meiner -Seele zurück schaudre. Das gemeinste Kunststück, die -elendeste Kundschafterei hatte damals den Charlatan in den -Besitz meines Geheimnisses gesetzt, das ich vor Ihnen und -vor allen meinen Freunden sorgsam verborgen hielt. Ich -gestand mir meine eigne Schlechtigkeit nicht, und hoffte, -thöricht genug, Alles solle sich wieder zurecht finden und -ohne Spur vorüber gehn. Denn der Gedanke war mir -fürchterlich, Ihnen oder gar meiner Mutter eine solche -Schwiegertochter vorzuführen, in der Stadt alle meine Verbindungen -zu zerstören, und durch diese auffallende That mir -selbst jeden Vorschritt im bürgerlichen Leben unmöglich zu -machen. Wie jener Feliciano nun mein Gemüth so durch -eine plötzliche Erschütterung, durch ein scheinbares Wunder -<a id="page-285" class="pagenum" title="285"></a> -in seine Gewalt bekommen hatte, war ich ihm unbedingt -und leibeigen angehörig. Er war mir kein Sterblicher mehr, -und dieselben Künste und Studien, die ich noch kürzlich verlacht -hatte, schienen mir jetzt die einzigen würdigen. Ich wollte mein -Leben an ihre Erforschung setzen. Auch bildete ich mir ein, der -Lieblingsschüler meines großen Meisters zu seyn, der mich -verachtete, weil mein hartes einfaches Wesen für seine Absichten -unbrauchbar erschien. — Welche Gaukeleien er hier trieb, -wie sich selbst meine verständige Mutter eine Zeitlang von ihm -bethören ließ, von allen diesen Dingen sind Sie selbst Zeuge -gewesen. Aber wie wundersam vielgestaltig ist die menschliche -Natur. So unbegreiflich, und doch wieder so verständlich. -Meine Gattin, dieses schlichte Bauernmädchen, dieses -ehrliche Wesen, dem früher meine Liebe das Höchste, ja das -einzige Gut des Lebens gewesen war, ward bald ein Liebling -meines großen Lehrers. Er behauptete, sie sei von der -Natur ganz eigen begabt, um der wichtigsten Geheimnisse -theilhaftig zu werden, sie würde in den weiblichen Logen -bald die höchsten Grade ersteigen, und dann ebenso wie seine -eigne Gattin, das Mysterium finden, Jahrhunderte zu überleben, -und mit Geistern und Abgeschiedenen Gemeinschaft zu -haben. Ich glaubte Alles und erwartete von jeder Woche, -dann von jedem Monat, ebenfalls ein Eingeweihter zu werden. -Mein Lehrer spielte indessen dort im Norden eine wichtige -Rolle und ein großes Spiel. Gold und Juwelen, die -größten Summen, schienen ihm, wie er damit umging, nur -Tand. Was verhieß er mir, welche Aussichten eröffnete er -meinen trunkenen Hoffnungen. Aber auch Opfer begehrte -er von mir. Um mich zur Weihe vorzubereiten, mußte ich -die Gesellschaft meiner Gattin vermeiden, fasten, jede weltliche -Lust und Zerstreuung fliehen. Meine Frau, die mir -<a id="page-286" class="pagenum" title="286"></a> -schon im Wissen vorgeschritten war, drang jetzt darauf, damit -sie kein Hinderniß mehr fände, sich mit den Geistern in -Verbindung zu setzen und selbst eine Unsterbliche zu werden, -ich sollte einwilligen, daß wir durch die Gerichte förmlich -wieder getrennt und geschieden würden. Man hatte meine -Phantasie so erhitzt, ich erwartete selbst so wundersame -Dinge zu erfahren, sie strebte so eifrig nach dem höchsten -Grade, daß ich mich endlich überreden ließ, ja daß ich endlich -die Nothwendigkeit dieser Scheidung selber einsahe. -Bald darauf war sie verschwunden. Der Meister erklärte -sich nicht, sondern sprach nur in geheimnißvollen Winken, -und gab zu verstehen, daß sie in diesen Augenblicken eines -großen Glückes genösse. Meine Einweihung zu den höheren -Graden lehrte mich aber nichts Neues, und ohnerachtet -meiner blinden Ergebenheit und meines Aberglaubens fing -ich doch an, ungeduldig zu werden. Man beschwichtigte -mich wieder. Eine Thorheit löste die andere ab und so verging -die Zeit. -</p> - -<p> -Wir mußten uns endlich schnell entfernen, und unsere -Abreise glich fast einer Flucht. Der Magier sagte mir -zwar, daß große Begebenheiten und Operationen, die sich -nicht länger aufschieben ließen, ihn nach einem fernen Lande -riefen, indessen sah ich doch die Angst des Meisters, ich -bemerkte, wie seine wichtigsten Anhänger sich von ihm entfernten, -und die Binde fiel allgemach von meinen Augen -nieder. Da ich aufmerksam geworden war und ihn nicht -mehr so, wie bisher fürchtete, konnte ich ihn auch beobachten. -Auf unsrer übereilten Reise gab er mir Bücher und Papiere, -auch viele offene Briefe, die, wie er mir sagte, keinen Werth -hätten, und die ich gelegentlich verbrennen könne. Für mich -waren diese aber sehr bedeutend, denn da ich, indem ich -<a id="page-287" class="pagenum" title="287"></a> -vorangeschickt wurde, um sein Quartier zu machen, nur -einen flüchtigen Blick in einige Blätter gethan, sah ich wohl, -daß der Weiseste der Menschen in Angst und Uebereilung -einen dummen Streich gemacht hatte. Er dachte nicht daran, -die Sachen zu vernichten, und Zeit mangelte ihm, sie -anzusehn. Viele Briefe enthielten die Geschichte meiner Frau. -Sie war einem reichen Fürsten geradezu verkauft worden. -Sie hatte um die ganze Verhandlung gewußt und sich mit -der größten Feinheit und List betragen, und zwar so sehr, -daß sie den bethörten Fürsten vermocht hatte, sie zu seiner -Gemahlin zu erheben. Dieser aber, so wie sie, hatten dem -Magier dafür, daß er mich zur Scheidung bewogen und daß -er den Fürsten ebenfalls verblendet hatte, große Summen -zahlen müssen. So war sie denn, was die Welt so nennt, -glücklich geworden. Gegen mich hatte sie sich schlecht betragen, -indessen verzieh ich ihr, da ich früher gegen sie nicht -besser gewesen war, und ich empfand einen tiefen Schmerz -und Reue, indem ich die Veranlassung gewesen, daß ein -schlichtes einfaches Wesen so die Talente zu List und Betrug -zur Verderbniß ihrer Seele entwickelt hatte. Denn aus den -Briefen ging hervor, daß sie und der Graf sich völlig verstanden, -daß sie mit ihm über die Einfalt der Menschen, -vorzüglich über die meinige, lachte. -</p> - -<p> -Als ich mit meinem großen Beschützer an Ort und -Stelle gelangt war, blieb ich noch eine Zeitlang in seiner -Nähe, um seine Künste zu beobachten, zu denen er mich -oft gebrauchte. Ich lebte im Ueberfluß, aber ich kam mir -vor, als sei ich der Croupier eines falschen Spielers. -</p> - -<p> -Ich konnte es nicht länger ertragen. Ich schrieb ihm -Alles, was ich von ihm wußte und dachte, und verließ ihn. -<a id="page-288" class="pagenum" title="288"></a> -Und gut, daß ich es gethan, denn sonst wäre ich mit in -jene Prozesse verwickelt worden, die sich bald gegen ihn erhoben. -Ich war nun frei, aber auch Nichts als frei, das -heißt, der armseligste Sclave, der Tyrannei eines jeden -Augenblicks Preis gegeben, vom Mangel und den Bedürfnissen -der Natur gemißhandelt. Mich Ihnen zu nähern, -zurückzukehren, verbot mir eine mächtige Scham, wohl eine -falsche, denn Nichts wird so sehr mißverstanden, als das -Wort und der Begriff Ehre. Bald war ich Schreiber, bald -Aufseher in einem Hause, einigemal Comödiant, auch versuchte -ich mich als Schriftsteller. Ich konnte mich nie ganz -fallen lassen und zu jener naiven Niederträchtigkeit hinunter -steigen, die ich an andern meines Gelichters wahrnahm. -Endlich nun, an mir und allen Menschen verzweifelnd, thu’ -ich den Schritt, den ich vor manchem Jahre hätte wagen -sollen. -</p> - -<p> -Der Vater tröstete, beruhigte den Sohn. Er ließ ihm -Kleider und Wäsche holen, damit die Mutter nicht zu sehr -erschreckt würde, wenn sie ihn in dieser Gestalt wieder sehn -sollte. Freude und Trauer war über seine Rückkehr zugleich -in der Familie, indessen fand man sich nach und nach wieder -zurecht und in einander und Anton zog auf das väterliche -Gut hinaus. Hier arbeitete er redlich mit dem Verwalter, -lernte die Landwirthschaft kennen und konnte nach -einigen Jahren selber die Bewirthschaftung desselben übernehmen. -Er gewann die Liebe eines reichen Fräuleins, mit -der er als nützlicher Landmann glücklich lebte. -</p> - -<p> -Ferner hatte indessen von seinem verlorenen Sohne nie -wieder Etwas erfahren, so sehr er sich auch bemüht und -nach allen Gegenden geschrieben hatte. Er war verschollen -<a id="page-289" class="pagenum" title="289"></a> -und der Vater glaubte, er sei gestorben. Der Gelehrte -mußte in Familienangelegenheiten eine Reise nach dem südlichen -Deutschland unternehmen. In einer mäßigen Stadt -zeigte ein Italiener, ein Taschenspieler, seine Künste. Der -Professor war sonst kein Freund dieser Gaukeleien, indessen -ist auch der strenge Mann in der Fremde leichteren Sinnes, -als zu Hause, und da man von dem jungen Mann als -einem wahren Wunderthäter sprach, der Dinge zeige, die -selbst andre Spieler nicht begreifen könnten, so ging Ferner -mit einer Gesellschaft, neugierig gemacht, nach dem Saale. -Was der junge Künstler ausführte, war in der That bewunderungswürdig, -besonders durch die leichte Sicherheit, -mit der er das Schwierigste scherzend zu Stande brachte. -Indem der Professor die schönen leichtfertigen Hände des -Spielers betrachtete, fiel ihm ein kleines braunes Mal am -rechten Zeigefinger auf, er ward aufmerksamer, betrachtete -das Gesicht und forschte in den Augen, und glaubte endlich -überzeugt seyn zu können, dieser Taschenspieler sei sein -verlorener Sohn. Sein Herz war bewegt, und er konnte -an den vielen wunderbaren Erscheinungen keinen Antheil mehr -nehmen. -</p> - -<p> -Als das Schauspiel vorüber war, und sich die Zuschauer -vergnügt und befriedigt entfernten, blieb er, unbeobachtet, -allein im Saale zurück. Als dieser ganz leer -war, redete er den fremden Künstler italienisch an, um seine -Frage vorzubereiten, dieser aber antwortete gleich deutsch, -und warf sich dem Vater in die Arme. -</p> - -<p> -Nach einigen Reden, in welchen der Vater die Verlornen -Jahre des Sohnes beklagte, sagte dieser: Liebster Vater, -ich erkannte Sie sogleich, als Sie in den Saal traten, -und alsbald nahm ich mir auch vor, mich Ihnen zu erkennen -<a id="page-290" class="pagenum" title="290"></a> -zu geben, ob ich gleich bis jetzt gezögert habe, an Sie -zu schreiben, und mich Ihnen wieder zu nähern. Schelten -Sie mein Handwerk nicht, denn es nährt seinen Mann. -Sie sehn auch, daß ich mich Professor schreibe. Zwar habe -ich Ihren geehrten Namen nicht beibehalten wollen, sondern -spiegle dem Volke vor, ich sei ein Italiener. Glauben Sie -nur, was ich jetzt treibe, ist ehrsam und achtenswürdig gegen -das, was ich bei jenem berühmten Grafen spielen mußte. -Es ist Gnade des Himmels, daß ich kein Bösewicht geworden, -und noch so mit einem blauen Auge davon gekommen -bin. In der Hinsicht habe ich bei meinem Wunderthäter -meine Zeit nicht ganz verloren, indem ich ihm sehr scharf -auf die Hände gesehn habe. Ich habe Vieles von ihm gelernt, -und so zeige ich unschuldig für Geld so Manches, -was er zu schlimmen Absichten und Betrug gebrauchte. Ich -unterhalte die Menschen, er plünderte sie, indem er sie zugleich -wahnsinnig machte. — Ich verspreche Ihnen, nie nach -Ihrer Stadt zu kommen, aber besuchen Sie mich, wenn ich -einmal in Ihrer Nähe bin. Schreiben wir uns, Liebster, -damit wir in Verbindung bleiben. -</p> - -<p> -Diese Abrede wurde genommen und man führte sie aus. -Der Vater war über seinen Sohn beruhigt, und dieser gewann -durch die Leichtigkeit seiner Hand ein ziemliches Vermögen. — -</p> - -<p> -In Seebachs Hause wäre Alles glücklich und heiter gewesen, -wenn der neunzigjährige Obrist nicht Clara, die -Mutter und Schmaling neuerdings geängstigt hätte. Gegen -ihn, der schwach wurde, ließ sich der Rath am meisten gehn, -und so war der Greis der Vertraute von so manchem kleinen -Geheimniß, das den Uebrigen verschwiegen wurde. Diesen -<a id="page-291" class="pagenum" title="291"></a> -erzählte der Obrist in vertrauten Stunden, daß sein -Schwiegersohn sich wiederum in eine Correspondenz eingelassen -habe, die ihm gar nicht gefallen wolle. Der Ton -dieser Briefe sei sehr fromm und mysteriös: Anfangs habe -der Rath Alles von sich gewiesen, dann habe er nach und -nach Interesse gefaßt, sei gläubiger geworden, und hoffe -nun doch noch von ehrbaren Männern, die sich ihm in jedem -Briefe näherten und bestimmter bezeichneten, etwas -Großes zu erfahren. Und so ist es merkwürdig, schloß der -Alte seinen Bericht, daß eine bestimmte Leidenschaft zwar -schlafen, aber bei den meisten Menschen nie ganz vertilgt -werden kann. -</p> - -<p> -Diese Briefe kamen aus dem südlichen Deutschland und -sprachen von Geheimnissen, die nicht entweiht werden dürften, -die sich aber doch wohl allgemach geprüften Männern -mittheilen ließen. Der Rath war unvermerkt in eine gläubige -Stimmung gekommen, und war in seinen Antworten -auf Manches näher eingegangen, was jene Unbekannten erwähnten. -So hatte er sein Abentheuer mit Sangerheim -und seine Beobachtungen und Erfahrungen über ihn mitgetheilt, -auch alle seine Zweifel und was ihm dunkel geblieben. -Auf diese Punkte antwortete der neueste Brief. -</p> - -<p class="adr"> -<span class="line1">Geliebter Bruder in dem Herrn!</span> -</p> - -<p> -Was Sie uns von jenem verlorenen Bruder Sangerheim -melden, war uns nicht neu. Allerdings stand der Unglückliche -mit uns in Verbindung, ihm wurde, als einem -hoffnungsvollen Lehrlinge, Einiges mitgetheilt. Als er von -uns schied, bemächtigten sich andre Menschen seiner, die in -weltlichen Planen handthieren und das himmlische Kleinod -entweihen. Er verrieth uns diesen, so viel er es vermochte, -<a id="page-292" class="pagenum" title="292"></a> -und hat sich so selbst sein tragisches Schicksal bereitet, da er -der Lüge und dem Betruge anheim gefallen war. Auch jene -Weltlichen sahen seinen Sturz gern und entzogen sich ihm, -weil sie fürchten mußten, daß er sie ebenfalls verrathen könne. -Kommen wir uns näher, so wird Ihnen, Geehrter, Nichts -dunkel bleiben und größere Dinge werden sich Ihnen erschließen. -Zwar sind Sie nicht für unsre Kirche, aber doch -nicht unbedingt gegen sie, und wir gehn Ihnen mit dem -größten Vertrauen entgegen. Kommt Jemand zu Ihnen, -der Ihnen das Wort Emanuel sendet, so nehmen Sie ihn -auf, als von uns. Er wird das erste Kleinod Ihren treuen -Händen übergeben. — -</p> - -<p> -Der Rath war in großer Spannung. Nach zehn Tagen -etwa trat der Diener ein und meldete, ein sonderbarer -Fremder stehe draußen und sage, er möge nur Emanuel -sprechen. Der Rath ließ den alten Mann ein, der feierlich -die Thür verschloß und dann ein seltsames Gespräch begann. -Der Rath fühlte sich erbaut und gestärkt, in diesen Gesichtspunkt -waren ihm manche Gedanken von Wunderfähigkeit, -Glauben und einer einzigen herrschenden Kirche noch niemals -gerückt worden. Beim Abschied nahm der Fremde ein Paket -aus dem Busen, küßte es mit Salbung und überreichte es -demüthig und feierlich dem Rathe, indem er sagte: Geliebter -Bruder, dieses ist das erste Pfand der hohen, den gewöhnlichen -Menschen unsichtbaren Gesellschaft. Achten Sie noch -die Siegel und erbrechen Sie sie nur in geweihter Stunde -nach Mitternacht. Doch thun Sie gut, sich durch Gebet vorzubereiten. -Zwar wird Ihnen das Geheimniß des Kleinodes -noch unverständlich seyn, aber schon die bloße Gegenwart -desselben schützt Sie. Die Erklärung selbst wird in vier -Wochen folgen. Aber: Finger auf den Mund. Wir zeigen -<a id="page-293" class="pagenum" title="293"></a> -mindestens, wie wir Sie ehren, wie groß wir von Ihnen -denken. -</p> - -<p> -Eine feierliche Umarmung beschloß das seltsame Gespräch. -Geheimnißvoll entfernte sich der Unbekannte, und -der Rath mußte sich gestehn, daß noch niemals ein Mensch -einen solchen Eindruck auf ihn gemacht habe. Seine Umgebung -bemerkte seine wunderbare Stimmung, aber er -schwieg gegen Alle, auch gegen den Obristen. Clara fürchtete -eine Krankheit, aber der rauhere Soldat, der seither so -Manches mit dem Schwiegersohn durchgesprochen hatte, sagte: -Dieser Mann ist einer der verständigsten, und Ihr werdet -sehn, sie übertölpeln ihn doch, den Einen fangen sie auf -die, den Zweiten auf eine andre Weise. -</p> - -<p> -Am Abend schloß sich der Rath ein und entfernte alle -Diener. Seine Stimmung war erhoben. Er betete und -las in Andachtsbüchern. Er nahm das Evangelium und erschien -sich so verjüngt, so jugendlich glaubend, so fromm -und lauter, daß er die Thränen der Rührung nicht unterdrücken -konnte und wollte. Endlich schlug es Mitternacht, -und er eröffnete behutsam und zitternd die Siegel, ohne die -geheimnißvollen Zeichen zu zerbrechen. Als er den innern -Umschlag geöffnet hatte, fiel ihm in die Augen — — jene -abgeschmackte Figur mit dem vielfältigen <span class="antiqua">Abracadabra</span>, die -er damals an abergläubische Brüder nach der nahen Residenz -gesendet hatte. Er lachte laut auf, und wurde plötzlich ernst, -denn er bedachte, wie in jenem Lande dort der als Monarch -herrsche, der damals nur nächster Erbe gewesen war, und -welche Thorheiten dort in der Nähe des Thrones getrieben -wurden. -</p> - -<p> -Er rief seine Familie zusammen, die noch, um ihn besorgt, -wachte. Er erzählte Alles, las einige Briefe, auch -<a id="page-294" class="pagenum" title="294"></a> -den letzten, und zeigte dann das magische, von damals dem -Schwiegervater noch wohlbekannte Blatt. -</p> - -<p> -Nun endlich, schloß er, habe ich Alles, was mich immer -stört, von mir abgeschüttelt. O wie leicht ist mir, ihr -Geliebten, daß ich nun noch einmal mit euch den fröhlichen -Entschluß fassen, das vielsinnige Wort mit euch ausrufen -kann: laßt uns, da es uns vergönnt ist, vernünftig seyn! — -</p> - -<p> -Auf Emanuel durften nun die Bedienten nicht wieder -achten, und jetzt erst hatten alle Mitglieder der Familie diese -Krankheit der Wundersucht überwunden. -</p> - -<h2 class="part" id="part-4"> -<a id="page-295" class="pagenum" title="295"></a> -<span class="line1">Pietro von Abano</span><br /> -<span class="line2">oder</span><br /> -<span class="line3">Petrus Apone.</span><br /> -<span class="line4">Eine Zaubergeschichte.</span><br /> -<span class="line5">1838.</span> -</h2> - -<p class="pbb first"> -<a id="page-297" class="pagenum" title="297"></a> -<span class="firstchar">D</span>ie untergehende Sonne warf schon ihre rothen Strahlen -an die Thürme, und über die Häuser von Padua, als -ein junger Fremder, der eben angekommen war, durch ein -Volksgewühl, ein Eilen, ein Rennen aufmerksam gemacht, -und auf seinem Wege von der Menge mit fortgerissen wurde. -Er fragte ein junges Mädchen, welches ihm ebenfalls schnell -vorüber ging, was denn alle diese Menschen in so ungewohnte -Bewegung setze. Wißt Ihr es denn nicht? antwortete -diese, die schöne Crescentia, das junge Kind, wird jetzt -beerdigt; alle wollen sie noch einmal sehn, da sie immer für -die anmuthigste Jungfrau in der ganzen Stadt gegolten hat. -Die Eltern sind trostlos. Die letzten Worte rief sie schon -aus der Entfernung zurück. -</p> - -<p> -Der Fremde beugte um den finstern Palast in die große -Straße hinein, und ihm tönte schon Leichengesang, ihm wehte -der Schein der blaßrothen Fackeln entgegen. Als er näher -kam, sah er, nachdem das Gedränge des Volkes ihn vorgeschoben -hatte, ein Gerüst, mit schwarzem Tuche verdeckt. Um -dieses waren Sitze, ebenfalls schwarz, erhöht, auf welchem -die traurenden Eltern und Verwandten saßen, alle im finsteren -Ernst, einige Gesichter mit dem Ausdruck der Trostlosigkeit. -Jetzt bewegten sich Figuren aus der Thür des -Hauses, Priester und schwarze Gestalten trugen einen offenen -Sarg, aus welchem Blumenkränze und grüne Gewinde niederhingen. -<a id="page-298" class="pagenum" title="298"></a> -Zwischen den blühenden bunten Pflanzen lag auf -Kissen die weibliche Gestalt, blaß, im weißen Kleide, die zarten -lieblichen Hände gefaltet, die ein Crucifix hielten, die -Augen geschlossen, dunkle schwarze Ringellocken voll und schwer -um das Haupt, auf welchem ein Kranz von Rosen, Cypressen -und Myrthen prangte. Man stellte den Sarg mit seiner -schönen Leiche auf das Gerüst, die Priester warfen sich zum -Beten nieder, die Eltern erhuben sich wie verzweifelnd, noch -klagender ertönten die Hymnen, und alles umher, die Fremden -selbst, schluchzten und weinten. Der Reisende glaubte -noch nie ein so schönes weibliches Wesen gesehn zu haben, -als diese Leiche, die so wehmüthig an die Vergänglichkeit und -den nichtigen Reiz des Lebens erinnerte. -</p> - -<p> -Jetzt ertönte das feierliche Geläute der Glocken, und die -Träger wollten eben den Sarg erheben, um die Leiche in -das gewölbte Grab der großen Kirche zu tragen, als ein -lauter tobender Jubelruf, schallendes Gelächter und das Geschrei -einer ausgelassenen Freude, die Eltern, Verwandten, -Priester und Leidtragende störte und erschreckte. Alles sah -unwillig umher, und aus der andern Gasse schwärmte ein -froher Zug junger Leute heran, singend, jauchzend, ihrem -ehrwürdigen Lehrer immer wieder von neuem ein Lebehoch -zurufend. Es waren die Studirenden der Universität, die -auf einem Sessel hoch auf den Schultern einen bejahrten -Mann von dem edelsten Ansehn trugen, der wie in einem -Throne saß, mit einem Purpurmantel bedeckt, das Haupt -mit dem Doktorhute geschmückt, unter welchem weiße Silberlocken -hervor quollen, so wie ein weißer langer Bart auf das -schwarzsammtne Wamms majestätisch herabfloß. Ein begleitender -Narr mit Schellen und in bunter Tracht sprang umher, -und wollte schlagend und scherzend dem Zuge durch das -Volk und die Trauerleute Platz machen, doch auf einen Wink -<a id="page-299" class="pagenum" title="299"></a> -des ehrwürdigen Alten senkten die Schüler die Trage, er -stieg herab und näherte sich gerührt und mit feierlichem Anstande -den weinenden Eltern. Vergebt, sagte er ernst und -mit einer Thräne im Auge, daß dieses wilde Geschrei so -eure Leichenfeier stört, die mich innigst erschüttert und entsetzt. -Ich komme von meiner Reise endlich zurück, meine Schüler -wollen meinen Einzug durch ihre Freude verherrlichen, ich -gebe ihren Bitten und Anstalten nach, und finde nun, — -wie? eure Crescentia, das Musterbild aller Holdseligkeit und -Tugend, hier vor euch im Sarge? Umher diesen düstern -Prunk und jene Trauergestalten, um sie mit Thränen und -Herzensweh zu ihrer Ruhestelle zu geleiten? — Er winkte -seinen Begleitern und sprach einige Worte. Alles war schon -längst still und stumm geworden, und die meisten entfernten -sich jetzt, um die Leichenfeier nicht zu stören. Da kam die -Mutter zitternd näher und sank an der Gestalt des Alten -nieder, indem sie im krampfhaften Schmerze dessen Knie umschlang. -Ach! warum seid Ihr nicht zugegen gewesen? rief -sie verzweifelnd; Eure Kunst, Euer Wissen hätte sie gerettet. -O Pietro! Pietro! Ihr, der Freund unsers Hauses! habt -Ihr denn so Euren Liebling, Euren Augapfel können untergehn -lassen? Kommt! Erweckt sie noch jetzt! Flößt ihr noch -jetzt von den Wunderessenzen ein, die Ihr zu bereiten wißt, -und nehmt dafür zum Dank alles, was wir besitzen, wenn -sie nur wieder da ist, unter uns wandelt und mit uns spricht! -</p> - -<p> -Laßt eure Verzweiflung nicht das Wort führen, antwortete -Pietro: der Herr hatte sie euch geliehen, er hat sie euch -wieder abgefordert; der Mensch vermesse sich nie, in den Arm -seines weisen Rathschlusses zu greifen. Wer sind wir, daß -wir gegen ihn murren sollten? Will der Sohn des Staubes, -der im Winde verweht, mit seinem schwachen Athem -gegen die ewigen Beschlüsse zürnen? Nein, meine Geliebten, -<a id="page-300" class="pagenum" title="300"></a> -fühlt als Eltern und Freunde ganz euren Schmerz: er soll -unserm Herzen so einheimisch wie Lust und Freude seyn, auch -er wird von dem Vater zu uns gesendet, der jede unsrer -Thränen sieht, der wohl unsre Herzen kennt und prüft, und -weiß, was der schwache Mensch ertragen kann. So traget -denn dieses große übermächtige Leid um seinetwillen, aus -Liebe zu ihm, denn nur Liebe ist es, was er euch auch auferlegen -mag. Ist denn der Schmerz, das Herz in seiner -Zerknirschung, die Seele, die in Wehmuth zerrinnen will, -sind sie nicht ein heiliges göttliches Opfer, welches ihr in -euren brennenden Thränen der höchsten, der ewigen Liebe als -euer Köstlichstes darbringt? So rechnet es auch jener dort, -der alle eure Seufzer und Thränen zählt. Aber der böse -Feind, der immer an unsrer Seite lauert, beneidet uns die -Heiligkeit dieser himmlischen Schmerzen, er ist es, der sie -euch zur Verzweiflung, zum Zorn gegen den Schöpfer der -Liebe und des Leides erhöhen will, damit ihr im Jammer -nicht jener höchsten Liebe noch inniger verbunden werdet, sondern -in den Abgrund des Hasses untergeht. Er, dieser Geist -der Lüge, täuscht euch jetzt, und raunt euch boshaft seine Fabeln -zu, als wenn ihr sie auf ewig verloren hättet, die doch -nur in Geist und Seele und Liebe eins mit euch war, und -euch nur als Unsichtbare zugehörte. Er will, daß ihr es -vergessen sollt, wie diese schöne Hülle nur ihr Kleid war, -dem Staube verwandt, zum Staube jetzt wiederkehrend. -Werft ihn zurück, diesen Lügengeist, daß er sich vor der -ewigen allmächtigen Wahrheit schämen muß, die ihr ihm -entgegen haltet, daß sie noch euer ist, noch neben, nah um -euch, ja weit mehr, weit inniger euer, als da euch diese -Schranken des sterblichen Fleisches noch trennten, und euch -in der Liebe selbst einander entfremdeten. Alle euere Erinnerung, -Hoffnung, Schmerz und Lust ist sie von heute an; -<a id="page-301" class="pagenum" title="301"></a> -sie leuchtet euch in jedem erfreulichen Lichte, sie tröstet euch -in den Blumen des Frühlings, sie küßt euch im zarten Hauch, -der eure Wangen rührt, und jedes Entzücken, das fortan in -euren Herzen aufblüht, ist ihr Herz und ihre Liebe zu euch, -und dieses Entzücken, und diese ewige, unsterbliche Liebe sind -eins mit Gott. So tragt sie denn zu ihrer Ruhestelle, und -folgt ihr in stiller, gottergebner Demuth, damit durch euch -nicht ihr Geist im Aufenthalt des ewigen Friedens gestört -und geängstigt werde. -</p> - -<p> -Alle schienen mehr beruhigt, der Vater reichte ihm stumm -die Hand mit dem Ausdruck der Herzlichkeit und des gefühlten -Trostes. Man ordnete sich, der Zug setzte sich in Bewegung, -die Verlarvten, die Brüderschaften, die es sich zur -Pflicht machen, die Leichen zu begleiten, reihten sich in ihren -weißen Gewändern, und mit verdecktem Antlitz, von welchem -nur die Augen sichtbar waren. Stumm bewegte sich der Zug -fort, sie hatten jetzt fast schon die Kirche erreicht, als ihnen -ein Reiter auf schäumendem Rosse entgegen sprengte. Was -giebt es? schrie der Jüngling. Er warf einen Blick in den -Sarg, und mit einem Ausruf der Verzweiflung wandte er -das Roß, stürzte fort, und verlor in wilder Hast den Hut, -so daß ihm die langen Locken im Abendwinde nachflatterten. -Er war der Bräutigam, der zur Hochzeit kam. -</p> - -<p> -Die Finsterniß umgab das Trauergefolge und die stille -Feier, indem die schöne Leiche in das Gewölbe ihrer Familie -hinabgesenkt wurde. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Als sich alle zerstreut hatten, wendete sich der junge -Fremdling, der in staunendem Schmerze dem Zuge gefolgt -war, an einen alten Priester, der allein am Grabe betend -verweilte. Er brannte zu erfahren, wer jener majestätische -<a id="page-302" class="pagenum" title="302"></a> -Greis sei, der ihm wie mit göttlichen Kräften und überirdischer -Weisheit begabt erschien. Als der Jüngling dem Geistlichen -die bescheidene Frage vortrug, stand dieser still, und -sah ihm beim Scheine eines Lichtes, das aus einem Fenster -auf sie schien, scharf ins Auge. Der Alte war eine kleine -magere Gestalt, ein blasses schmales Antlitz erhob das Feuer -der Augen um so mehr, und die eingekniffenen Lippen zitterten, -als er ihm in heiserem Tone antwortete: Wie? Ihr -kennt ihn nicht? Unsern weltberühmten Petrus von Apone, -oder Abano, von dem man in Paris, London, dem deutschen -Reiche und ganz Italien spricht? Kennt nicht den größten -Weltweisen und Arzt, den Astronomen und Astrologen, von -dem zu lernen und ihn zu schauen die wilde Jugend aus -dem fernen Polenlande hieher schwärmt? -</p> - -<p> -Der junge Spanier, Alfons, war im entzückten Erstaunen -einen Schritt zurück getreten, denn der Ruhm dieses -großen Lehrers hatte auch ihn von Barcelona über die See -getrieben. Also er war es, er war es selbst? rief er begeistert -aus: darum war auch mein Herz so tief bewegt. Mein -Geist erkannte den seinigen. O edler, frommer Mann, wie -lieb’ ich Euch darum, daß Ihr ihn nicht minder verehrt, wie -alle Edlen und Guten der christlichen Welt. -</p> - -<p> -Wollt wohl auch unter ihm studiren? fragte der Priester -im grimmigen Ton. -</p> - -<p> -Gewiß, antwortete jener, wenn er mich würdiget, sich -meiner anzunehmen. -</p> - -<p> -Der Alte stand still, legte seine Hand auf die Schulter -des Jünglings und sagte dann milder: Lieber junger Freund, -noch ist es Zeit, hört noch meine väterliche Warnung, bevor -es zu spät ist. Täuscht Euch nicht selbst, wie es so Viele, -Unzählige schon gethan haben, seid auf Eurer Hut und wahret -Eurer Seele. Seid Ihr denn Eurer Ruhe und künftigen -<a id="page-303" class="pagenum" title="303"></a> -Seligkeit schon im voraus überdrüssig, wollt Ihr dem Heiland -seine Liebe damit vergelten, daß Ihr ihm abtrünnig -werdet, ihn leugnet, und als ein Rebell die Waffen gegen -ihn schwingt? -</p> - -<p> -Ich verstehe Euch nicht, alter Mann, erwiederte Alfonso: -habt Ihr nicht selbst gesehn und gehört, wie fromm, wie -christlich, mit welcher eindringlichen Majestät der Herrliche -sprach, und den verirrten Schmerz der Liebe durch himmlischen -Trost wieder in seine rechte Bahn lenkte? -</p> - -<p> -Was vermag, was kann der nicht alles! dieser Künstler -und Zauberer! rief der alte Priester bewegt aus. -</p> - -<p> -Zauberer? fragte Alfonso. Ihr wollt also auch den -Wahn des Pöbels theilen, der die Wissenschaft hoher Geister -nicht zu würdigen weiß und lieber das Abgeschmackte glauben, -als die eigne Seele an der Erhabenheit des Mitbruders -stärken will? -</p> - -<p> -Fahrt nur so fort, sagte der Priester erzürnt, so habt -Ihr kaum nöthig, in seine weltberühmte Schule zu treten. -Es ist augenscheinlich, sein Zauber hat Euch schon umstrickt, -so wie er jedes Herz bezwingt, das nur in seiner Nähe schlägt. -Ja wohl, der Heide, hat er heut wie ein Priester gesprochen -und geweissagt, und seiner Lüge auch einmal diese Farbe -angestrichen. So regiert er auch das Haus des Podesta’s. -Die arme Crescentia konnte kaum in ihren letzten Stunden -den Rückweg zur heiligen Kirche wieder finden, so war ihre -Seele in den Irrlehren befangen, die der böse Heuchler wie -giftige Netze um den jungen Geist geworfen hatte. Jetzt ist -sie ihm entronnen, der Herr hat sie zu sich gerufen, und -sandte diese Krankheit, um ihre Seele mit dem Verluste des -Leibes zu retten. -</p> - -<p> -Die Sprechenden waren auf den großen Platz gekommen. -Der Jüngling war empört und sagte jetzt, um seinem Gefühle -<a id="page-304" class="pagenum" title="304"></a> -Luft zu machen: wozu nur, geistlicher Herr, diesen grimmigen -Neid? Seht ihr denn, erkennt ihr es denn nicht, -wie die Welt nur um so mehr von euch abfällt, um so mehr -ihr mit Bann und Fluch und Verfolgung den neuen Geist -ersticken wollt? den Geist der ewigen Wahrheit, der jetzt -alle Landschaften erregt? Der nicht wieder, trotz eurer Künste, -untertauchen wird, um gläubig euren Legenden zu horchen. -</p> - -<p> -Wohl, sagte der Alte im hohen Zorne; haben wir doch -jetzt Averroes statt Christus, und Aristoteles statt des Allmächtigen, -und diesen Euren Pietro, diesen Ischarioth, statt -des Geistes! Nicht wahr, der Erdgeist hat ihn groß und -schlank auferbaut, und ihm ein feuriges Auge, edle Stirn, -schönen Mund der Ueberredung, und majestätische Geberden -geliehen, um zu gaukeln und zu täuschen: indeß ich, der unwürdige -Diener des Herrn, hier krank, schwach und unansehnlich -wandle, und nur mein Bekenntniß, meinen Glauben -habe, um darzuthun, daß ich ein Christ sei. Ich kann nicht -so in die Tiefen glänzender Weisheit hinabsteigen, nicht den -Lauf der Sterne berechnen, Glück und Unglück vorhersagen, -ich werde von den Ueberklugen geschmäht und verachtet, aber -ich trage es demüthig, ihm zu Liebe, der mir alles auferlegt -hat. Doch erwartet das Ende, und seht, ob ihn seine sieben -Geister, die er im Zauberbanne hält, erretten können, ob ihm -sein Famulus, das Höllengebild, dann zur Hülfe seyn wird. -</p> - -<p> -War sein Famulus zugegen? fragte Alfonso neugierig. -</p> - -<p> -Habt Ihr das Gespenst nicht bemerkt, antwortete der -Mönch, das sich als Narr ausstaffirt hatte? die Mißgeburt -mit dem Höcker, den verdrehten Händen und Armen, den -krummen Beinen, den schielenden Augen und der ungeheuren -Nase in dem Fratzengesicht? -</p> - -<p> -Ich hielt alles dies für Maske. -</p> - -<p> -Nein, dieser, erwiederte der Alte, braucht sich nicht zu -<a id="page-305" class="pagenum" title="305"></a> -verlarven. So wie er da ist, ist er Larve und Gespenst, ein -Geist der Hölle, dieser Beresynth, wie sie ihn nennen. — -Wollt Ihr die Nacht in meinem Kloster zubringen, junger -Mensch, bis Ihr eine Wohnung gefunden habt? -</p> - -<p> -Nein, antwortete dieser sehr entschlossen, ich mag die -Gastfreundschaft dem Manne nicht schuldig seyn, der so den -Herrlichen durch Verläumdung schmäht, dessen Name mich -schon im Vaterlande entzückt hat, der mir hier als Vorbild -wandeln und leuchten soll. Schlimm genug, daß ich dergleichen -von Euch habe anhören müssen, von einem Manne, dessen -Stand und Alter mir verbeut, ihn dafür zur Rechenschaft -zu ziehn. Soll der nur fromm heißen, der die Wissenschaft -verachtet, nur der ein Christ, der im wachen Schlummer die -Tage seines Lebens und die Kräfte seiner Seele hinwegträumt, -so trete ich aus dieser dumpfen Gemeinschaft. Aber -dem ist nicht so, und nicht der Mensch, der Christ oder -Priester haben aus Euch gesprochen, sondern nur die Zunft. -Lebt wohl, wenn Ihr es mit diesen Gesinnungen könnt. -</p> - -<p> -Sie trennten sich, beide verstimmt. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Der junge Florentiner, welcher in der Stadt dem Leichenzuge -begegnet war, sprengte wie rasend durch das Thor und -rannte dann in ungemessener Eil durch Feld und Wald. Als -er sich im Freien sah, stieß er Verwünschungen gegen Welt -und Schicksal aus, raufte sein Haar, fluchte seinen Sternen -und seiner Jugend und eilte dann wie bewußtlos weiter. -Er spornte dem Winde entgegen, der sich nächtlicherweise -aufmachte, als wenn er die Glut seiner Wangen abkühlen -wollte. Als es später ward, sank das Roß, das schon oft -gestolpert war und das er knirschend immer wieder aufriß, -ermattet nieder, und er war gezwungen, seinen Weg zu Fuß -<a id="page-306" class="pagenum" title="306"></a> -fortzusetzen. Er wußte nicht, wo er war, noch weniger, wohin -er wollte; nur sein Elend stand mit unauslöschlichen -Zügen vor ihm, die Nichtigkeit der Welt, die Unbeständigkeit -alles Glücks. Verruchter Wahnsinn des Lebens! rief er -verzweifelnd durch die Nacht; so, so grausam erweckst du mich -aus meinem Schlummer? Tödtlich muß ich dich hassen um -deine Gaukeleien, deinen Aberwitz, um alle jene unsinnigen -Hoffnungen, die unsre Jugend anlachen, so freundlich auf -unserm Wege mit uns gehn, und wenn sie uns in die Wüste -geführt, grinsend und höhnend davon fliegen. Leben! Was -ist dieses thörichte Gespinnst, dieser alberne Traum eines -Fieberkranken? Ein matter Schauer folgt auf den andern, -ein verrücktes Gebild verjagt das andre, unsre Wünsche springen -in der kahlen Einöde umher, und erkennen sich selber -nicht. O Tod, o Ruhe, o Nichtsein, komm zu mir, laß dich -umarmen, und löse dieses stürmende Herz. Könnt’ ich nur -gleich meine letzten Minuten in Krämpfen verknirschen, daß -die Morgensonne meine Stätte nicht mehr fände, daß kein -Gedanke in mir ihrem neuen Strahl entgegen grüßte. Bin -ich denn nicht das elendeste Geschöpf, das athmet? Um so -ärmer, wie ich nur vor wenigen Stunden mich das glücklichste -dünkte. Wehe der Jugend, wehe der Liebe, wehe dem -Gefühl des Herzens, die sich so leicht, so gröblich täuschen -lassen. -</p> - -<p> -Ein Regen stöberte jetzt durch die kalte Luft, und bald -wurden die Tropfen größer und dichter. Der Jüngling -wußte nicht, wohin er gerathen war, der Wald lag schon fern -hinter ihm, kein Obdach war in der Nähe. Er fing an, -seine Erinnerungen wieder zu sammeln, sein Schmerz ward -milder, Thränen flossen aus seinen Augen. Er haßte das -Leben schon weniger, ihm war, als wenn die Nacht selbst ihn -trösten und seinen Kummer lindern wollte. Ungewiß, ob er -<a id="page-307" class="pagenum" title="307"></a> -das gestürzte Roß wieder aufsuchen, ob er sich in einem -Graben vor dem Unwetter bergen sollte, sah er noch einmal -um sich, und entdeckte endlich, weit, weit hinab, hinter Thal -und Busch ein hüpfend Lichtlein, welches ihn wie ein freundliches -Auge durch die dicke Finsterniß zu sich winkte. Er -eilte dem ungewissen Scheine nach, der bald verschwand, bald -wieder erglänzte. Alle seine Kräfte, seine Gefühle waren -wie in einem Schlummer gebunden, sein ganzes Dasein war -wie in einen Traum zergangen. -</p> - -<p> -Ein Sturm machte sich auf, und schwere, tiefhangende -Gewitterwolken wälzten sich langsam herbei. Schon kam er -Bäumen näher, wie es ihm dünkte, aber die Finsterniß machte -es ihm unmöglich, irgend etwas zu unterscheiden. Er stürzte -in eine Grube, als ein Blitz ihn blendete und ein lauter -Donnerschlag betäubte; wie er sich wieder aufraffte, war das -Licht, welches ihn gelockt hatte, schon nahe. Er klopfte an -das kleine Fenster, welches sich hinter einigen Bäumen zeigte, -und bat um Einlaß gegen Sturm und Ungewitter. Eine -laute heisere Stimme antwortete von innen, doch vernahm -der Jüngling kein Wort, denn Sturm und Gewitter und -Regen, das Rauschen der Bäume, alles tobte jetzt so heftig -durcheinander, daß jeder andre Laut erstarb. -</p> - -<p> -Die Thür des kleinen Hauses ging nach dem Garten, -er mußte durch diesen eilen, dann faßte ihn eine weibliche -Hand, leitete ihn durch einen finstern Gang, und eröffnete -eine kleine Stube, aus welcher ihm der Schein einer Lampe -und das Feuer auf dem Heerde entgegen schimmerte. In -der Ecke saß bei der Lampe eine häßliche Alte und spann, -das junge Mädchen, das ihn hereingeführt hatte, machte sich -am Heerde zu thun, und lange konnte er vor dem ungewissen -wankenden Schein die Gestalten nicht näher prüfen, lange -<a id="page-308" class="pagenum" title="308"></a> -konnte kein Gespräch gangbar werden, weil das Getöse des -Donners alles übertäubte. -</p> - -<p> -Das ist ein grausames Unwetter, sagte in einer Pause -die Alte mit krächzender Stimme. Woher seid Ihr denn, -junger Mensch? -</p> - -<p> -Ich komme von Padua, seit heut Abend. -</p> - -<p> -Weither, rief die Alte, liegt ja sechs Stunden von hier. -Wo wollt Ihr denn hin, da hier keine Landstraße geht? -</p> - -<p> -Weiß es nicht, mag es auch nicht wissen. Der Unglückliche -ist nicht fähig, einen Plan zu entwerfen, oder für -die Zukunft zu sorgen. Wie wohl würde mir seyn, wenn es -für mich gar keine Zukunft gäbe. -</p> - -<p> -Sprecht irre, junger Mensch, und das muß nicht seyn. — -Ei! rief sie aus, indem sie die Lampe erhob und ihn näher -betrachtete, ja gar ein Florentiner! Das Wamms und den -Kragen habe ich lange nicht gesehn. Je nun, das hat mir -wohl auch was Gutes zu bedeuten. Hat mir das garstige -Gewitter also einen lieben Gast bescheert; denn wißt nur, -mein junger Herr, ich bin auch aus dem gesegneten Lande. -Ja, Florenz! Ach, wer doch einmal wieder auf deinen Boden -treten und die theuren Berge und Gärten wieder sehn könnte! -Und Euer Name, lieber, junger Herr? -</p> - -<p> -Antonio Cavalcanti, sagte der Jüngling, der wegen der -Landsmannschaft zu der häßlichen Alten mehr Vertrauen -faßte. -</p> - -<p> -O welcher Ton, rief sie wie begeistert aus: ja Cavalcanti, -so einen habe ich vor Jahren wohl auch gekannt, einen -Guido. -</p> - -<p> -Der war mein Vater, rief Antonio. -</p> - -<p> -Und lebt nicht mehr? -</p> - -<p> -Nein, sagte der junge Mann, auch meine Mutter ist -mir schon seit lange entrissen. -</p> - -<p> -<a id="page-309" class="pagenum" title="309"></a> -Weiß es, weiß es, liebes, schönes, junges Kind. Ja, -ja, es werden jetzt schon fünfzehn Jahre seyn, daß sie gestorben -ist. Ach ja, sie mußte wohl dazumal in der bösen -Zeit den Geist aufgeben. Und Euer lieber, guter Vater, dem -habe ich es einzig zu verdanken, daß die Richter mich nicht einige -Jahre nachher auf den Scheiterhaufen setzten, sie hatten sich’s -einmal in den Kopf genommen, ich sei eine Hexe, und da -half kein Widersprechen. Aber der Herr Guido kämpfte mich -durch, mit Vernunft und Drohung, mit Bitten und Zorn, -und sie haben mich denn bloß aus dem lieben Lande verbannt. -Und nun bringt mir das Donnerwetter den Sohn -meines Wohlthäters in meine kleine, arme Hütte. Gebt mir -doch auch die Hand darauf, junges Blut. -</p> - -<p> -Antonio gab sie der Alten schaudernd, die er jetzt erst -näher betrachten konnte. Sie grinste ihn freundlich an, und -zeigte zwei schwarze, lange Zähne, die einen widerwärtigen -Mund noch häßlicher machten, die Augen waren klein und -scharf, die Stirn gefurcht, das Kinn lang, sie streckte zwei -dürre Arme nach ihm aus, und als er sie wider Willen umfassen -mußte, fühlte er den Höcker, der die Häßlichkeit noch -abscheulicher machte. Nicht wahr? sagte sie mit erzwungenem -Lachen, ich bin nicht sonderlich hübsch, war es auch in meiner -Jugend nicht. Es ist mit der Schönheit etwas Besonderes, -man kann eigentlich niemals sagen und beschreiben, worin sie -besteht, es ist immer nur eine Abwesenheit von gewissen Dingen, -die, wenn sie in ihrer Bestimmtheit da sind, das ausmachen, -was die Leute die Häßlichkeit nennen. Sagt mir -einmal, was findet Ihr denn nun so an mir wohl am widerwärtigsten? -</p> - -<p> -Liebe Alte, sagte der Jüngling verlegen — -</p> - -<p> -Nein, rief sie, rund mit der Wahrheit heraus, ohne alle -Schmeichelei! Jeder Mensch hat doch nun einmal die oder -<a id="page-310" class="pagenum" title="310"></a> -jene Gabe, und so bilde ich mir nicht wenig darauf ein, -daß mir alles das abgeht, was sie in der Welt schön nennen. -Nun, zeigt einmal Euren Geschmack. Sprecht! -</p> - -<p> -Wenn ich muß, stotterte Antonio, dem trotz seiner Trauer -ein Lächeln jetzt auf die Lippen trat, die beiden Zähne wollen -mir — -</p> - -<p> -Ha, ha! rief die Alte laut lachend, die beiden guten -lieben alten schwarzen Zähne wollen Euch am wenigsten gefallen. -Ich glaub’ es wohl, sie stehen wie zwei verbrannte -Palisaden an einer zerstörten Vestung da in dem weiten leeren -Raum. Aber Ihr hättet mich vor zehn Jahren sehn sollen, -da war das Ding noch viel schlimmer. Dazumal hatt’ ich -den ganzen Mund voll solcher entsetzlichen Hauer, und die -mich lieb hatten, wollten mir sagen, es sähe gräßlich aus. -So fielen sie denn nach und nach aus, und die beiden -Stammhalter sind nur noch übrig geblieben. Wenn sie einmal -abgehn, so klappt das Maul völlig zu, die Oberlippe -wird dreimal so lang, und man kann wieder nicht wissen, -was für ein Bildniß dadurch zu Stande kommt. Die Zeit, -mein lieber junger Freund, ist, wie schon vor vielen Jahren -einer gesagt hat, eine thörichte Künstlerin, sie macht ein Bild -leidlich hübsch, dann künstelt, schnitzelt, reckt und stümpert sie -am Menschen herum, zieht Nase und Kinn in die Länge, -drückt die Backen ein, pinselt die Stirn voller Falten, bis -sie ein Fratzengesicht zu Stande gebracht hat; dann schämt -sie sich am Ende, schmeißt den ganzen Bettel hin und deckt -ihn mit Erde zu, damit nicht alle Welt ihre Schande sehe. -So glatt bleibt Ihr auch nicht, wie Ihr jetzt in Eurer Politur -glänzt. Ah! zeigt! freilich, Ihr habt Zähnchen wie die -reinsten Perlen. Schade, daß die müssen gebraucht werden, -um Brod und Rinderbraten zu kauen. Ei, ei, — zeigt — -<a id="page-311" class="pagenum" title="311"></a> -weiter auf den Mund — die stehn aber so sonderbar, — -hm! und der Augenzahn! Nun, das ist zu bedenken. -</p> - -<p> -Antonio wußte nicht, ob er schelten oder lachen sollte; -doch zwang er sich heiter zu seyn, und dem Geschwätz der -Alten nachzugeben, die gleichsam wegen früher Bekanntschaft -mit der Familie eine sonderbare Gewalt an ihm ausübte. -Wie fuhr er aber entsetzt zusammen, als sie plötzlich: Crescentia! -ausrief. -</p> - -<p> -Ums Himmels willen! sprach er erschüttert, kennt Ihr -sie? Saht Ihr sie? wißt Ihr von ihr? -</p> - -<p> -Was ist Euch? heulte die Alte, muß ich sie doch wohl -kennen, da sie meine eigne Tochter ist. Seht nur selbst, -wie die träge Dirne da eingeschlafen sitzt, das Feuer ausgehn -und die Suppe verkühlen läßt. -</p> - -<p> -Sie nahm die Lampe und näherte sich dem Heerde; -aber wie ward dem Jünglinge, als er seine Geliebte heute -zum zweitenmale wiedersah, fast eben so, wie am Abend. -Das blasse Haupt lag gesenkt, die Augen geschlossen, alle -Lineamente, auch die dunkeln Locken seiner Braut, eben so -hatte sie die kleinen Händchen gefaltet, zwischen welchen sie -ebenfalls ein Christusbild hielt. Das weiße Gewand half -die Täuschung erhöhen, nur fehlten die Blumen, doch webte -die Dämmerung wie Kränze schweren dunkeln Laubes um -ihre Locken. Sie ist todt, seufzte Antonio, sie starr betrachtend. -— Faul ist sie, die träge Dirne, sagte die Alte, und -schüttelte die schöne Schläferin wach; nichts als beten und -schlummern kann das unnütze Geschöpf. -</p> - -<p> -Crescentia ermunterte sich, und ihre Verwirrung erhöhte -noch ihre Anmuth. Antonio fühlte sich dem Wahnsinne -nahe, daß er diejenige wieder vor sich sah, die er doch -auf ewig verloren hatte. Alte Zauberin! rief er heftig aus, -wo bin ich? Und welche Gebilde führst Du vor die irren -<a id="page-312" class="pagenum" title="312"></a> -Sinne? Sprich, wer ist jenes holdselige Wesen? Crescentia, -bist Du wieder da? Erkennst Du mich noch als den Deinen? -Wie bist Du hieher gerathen? -</p> - -<p> -Holla! mein junger Prinz, schrie die Alte, Ihr faselt -ja, als wenn Ihr Euer bischen Verstand verloren hättet. -Rumort Euch das Gewitter im Kopf herum? Hat der Blitz -etwa in Euern Witz geschlagen? Es ist meine Tochter, und -ist es von je an gewesen. -</p> - -<p> -Ich kenne Euch nicht, sagte die bleiche Crescentia hold -erröthend. Ich bin nie in der Stadt gewesen. -</p> - -<p> -Setzt Euch, unterbrach sie die Alte, genießt, was da -ist. Die Suppe wurde aufgetragen, einige Früchte, und aus -einem kleinen Wandschrank nahm die Alte eine Flasche köstlichen -florentinischen Weins. Antonio konnte nur wenig genießen, -sein Auge war auf Crescentia hingebannt, und seine -verwirrte und erschütterte Phantasie wollte ihn immer wieder -von Neuem bereden, diese sei seine gestorbene Braut. -Oft glaubte er dann wieder, in einem schweren Traum gefesselt -zu liegen, oder von einem Wahnsinn befangen zu seyn, -der alle Gegenstände um ihn verwandele, daß er vielleicht in -der Stadt, oder in seiner Heimath weile, nur seine Einbildungen -sehe, und keinen seiner Freunde erkenne und vernehme, -die wohl tröstend oder klagend um ihn stehn möchten. -</p> - -<p> -Das Gewitter hatte ausgetobt, und die Sterne glänzten -am beruhigten dunkeln Himmel. Die Alte aß mit Begier -und trank noch eifriger von dem süßen Weine. Nun endlich, -junger Antonio, fing sie nach einiger Zeit an, erzählet -uns doch, was Euch nach Padua, was Euch hieher getrieben -hat. -</p> - -<p> -Antonio fuhr wie erwachend auf. Ihr könnt wohl, erwiederte -er, einige Nachrichten von Eurem Gaste verlangen, -<a id="page-313" class="pagenum" title="313"></a> -da Ihr obenein meinen Vater, und vielleicht auch meine -Mutter gekannt habt. -</p> - -<p> -Wohl habe ich sie gekannt, sagte die Alte schmunzelnd, -kein Mensch so gut als ich. Ja, ja, sie starb sechs Monat -zuvor, ehe Euer Vater seine zweite Ehe mit der Marchese -Manfredi stiftete. -</p> - -<p> -Also das wißt Ihr auch? -</p> - -<p> -Ist mir doch, fuhr jene fort, als sähe ich das schmucke -Püppchen noch immer vor mir. Nun, lebt die schöne Stiefmutter -denn noch? Als sie mich aus dem Lande jagten, war -sie noch in ihrer schönsten Blüthe. -</p> - -<p> -Ich mag es Euch nicht wiederholen, sagte Antonio mit -einem Seufzer, was ich durch diese mir fremde Mutter litt; -sie hatte meinen Vater wie bezaubert, der lieber allen seinen -alten Freunden, lieber seinem Sohne Unrecht thun, als sie -irgend beleidigen wollte. Endlich aber änderte sich dieses -Verhältniß, doch brach mein Herz fast beim Anblick dieses -Hasses, wenn es früher nur über erlittene Kränkungen geblutet -hatte. -</p> - -<p> -Also recht bitter böse, fragte die Alte mit widerwärtigem -Lächeln, ging es in der Haushaltung zu? -</p> - -<p> -Antonio betrachtete sie mit scharfem Blicke und sagte -verwirrt: Ich weiß nicht, wie ich dazu komme, hier von -meinem und dem Elend meiner Eltern zu erzählen. -</p> - -<p> -Die Alte leerte ein Glas rothen Wein, der wie Blut -im Glase stand. Mit lautem Lachen sagte sie dann: weiß -ich mir doch kein herrlicheres Vergnügen, versteht, was man -so recht Wonne und Seligkeit nennen kann, als wenn so -zwei Ehehälften, die früher einmal zwei Liebesleute waren, -sich wie Katze und Hund, oder wie zwei Tigerthiere herumbeißen, -schelten, einander verfluchen, und Herz und Seele -dem Satan opfern möchten, um eins das andere zu kränken, -<a id="page-314" class="pagenum" title="314"></a> -oder seiner los zu werden. Das, junger Fant, ist die wahre -Herrlichkeit des sterblichen Lebens. Besonders aber, wenn -die beiden Verbündeten vorher aus Liebe recht geraset haben, -alles, auch das Ungewöhnliche für einander gethan, wohl -gar manches begangen, was andre fromme Leutchen Verbrechen -nennen, um nur zu einander zu kommen, um nur -endlich und endlich das nun so verhaßte Band zu schlingen. -Glaubt mir, das ist alsdann für den Satan und die ganze -Hölle ein hohes Fest, ein Jubeln und Cymbelnklang der -Unterirdischen. Und hier nun gar, — doch, ich schweige, -ich könnte leicht zu viel sagen. -</p> - -<p> -Crescentia sah den Erstaunten wehmüthig an. Verzeiht -ihr, sagte sie lispelnd, Ihr seht, sie ist trunken, die -Unglückliche. -</p> - -<p> -In Antonio’s Seele aber erwachte die Vorzeit und alle -ihre trüben Scenen mit frischer Kraft. Der trübe Tag kam -ihm zurück, als er seine Stiefmutter auf ihrem Sterbebette -sah, als sein Vater verzweifelte und sich und die Stunde -seiner Geburt verfluchte, als er den Geist seiner ersten Gattin -anrief und um Vergebung flehte. -</p> - -<p> -Habt Ihr nichts mehr zu erzählen? fragte die Alte, -und weckte ihn dadurch aus seiner staunenden Träumerei. -</p> - -<p> -Was soll’s? sagte Antonio im tiefsten Schmerz, scheint -Ihr doch alles zu wissen, oder durch Weissagung erfahren -zu haben. Brauche ich es Euch zu sagen, daß ein alter -Diener, Roberto, sie vergiftet hatte, von ihrem Haß verfolgt -und zur Rache angespornt? Daß dieser boshaft und -verrucht meinem Vater das Verbrechen zuwälzen wollte? -Er entsprang aus dem Gefängnisse, übersteigt die Gartenmauer -und stößt in der Grotte meinem Vater den Dolch in -die Brust! -</p> - -<p> -Der alte Roberto? Roberto? rief die Alte, fast wie im -<a id="page-315" class="pagenum" title="315"></a> -frohen Jubel; ei, sieh doch! was man an den Leuten nicht -erlebt! Ja, ja, der Schleicher war in jüngern Jahren so -ein rechter Tuckmäuser, ein scheinheiliger Hund, ist aber -nachher ein resoluter Bursche geworden, wie ich höre. In -der Grotte also? Wie sich alles so wunderbar fügen muß. -Da saß Euer Vater in frühern Jahren so oft mit der ersten -Gattin, dort hat er ihr zuerst, als ihr Bräutigam, ewige -Liebe geschworen. Dazumal trug Roberto gewiß schon jenen -Dolch, wußte aber nicht, daß er ihn erst nach zwanzig Jahren -so sonderbar brauchen sollte. Dort hat auch die zweite -Gemahlin oft bei dem kühlen Brunnen geschlummert, da lag -der Mann wieder zu ihren Füßen. Nicht wahr, Antonio, -Kind, das Leben ist ein recht buntes, recht dummes, recht -abgeschmacktes und recht grauliches Fabelgemisch? Kein Mensch -kann sagen: dahin will ich nicht! Die Schmerzen und Gefühle, -die Stacheln und das Rasen, die die schwarzen Gesellen in -der Hölle schmieden, das alles kommt und kommt langsam, -wunderlich, näher und immer näher, mit einemmale ist das -Entsetzliche im Hause, und der Verzweifelte sitzt dann damit -im Winkel und nagt daran, so wie der Hund am Knochen. -Trink, trink, mein Söhnchen, durch diesen Saft wird alles -besser, wenn seine Geister in die Seele steigen. — Nun, und -Du? Erzähle doch weiter. -</p> - -<p> -Ich schwur dem Vater Rache, sagte Antonio. -</p> - -<p> -So ist es recht, erwiederte die Alte; sieh, mein Kind, -wann so ein Brand erst in ein Haus geschleudert ist, so -muß er niemals, niemals wieder erlöschen. Von Geschlecht -zu Geschlecht, zum Enkel und zum Vetter erbt das Gift, die -Kinder rasen schon, die Wunde blutet immer wieder, ein -neuer Aderlaß muß wieder das Unglück retten und auf die -Beine bringen, das sonst vielleicht gar verscheiden könnte. -O Rache, Rache ist ein köstliches Wort. -</p> - -<p> -<a id="page-316" class="pagenum" title="316"></a> -Aber Roberto, sagte Antonio, war entflohen und nirgends -zu finden. -</p> - -<p> -Schade, Schade, rief die Alte aus. Nun trieb Dich -Deine Rache wohl in die Welt? -</p> - -<p> -Ja wohl, ich erwuchs, ich sah Italien, forschte in allen -Städten, konnte aber keine Spur des Mörders entdecken. -Der Ruf Pietro’s von Abano hielt mich endlich in Padua -fest. Ich wollte von ihm Weisheit lernen, aber als ich in -das Haus des Podesta kam — -</p> - -<p> -Nun? sprich heraus, Kind! -</p> - -<p> -Was soll ich sagen? Ich weiß nicht, ob ich rase oder -träume. Dort sah ich die Tochter, die holde, die liebreizende -Crescentia. Und ich sehe sie jetzt wieder vor mir, ja sie ist -es selbst, jener Leichenzug war ein böser, ungeziemender -Scherz, und diese Verkleidung, diese Flucht in die Wüste -hieher ist wieder eine unziemliche Verlarvung. Gieb Dich -endlich, endlich zu erkennen, theure, holdselige Crescentia. -Weißt Du es ja doch, daß mein Herz nur in Deinem Busen -lebt. Wozu diese grausamen Proben? Sind Deine Eltern -vielleicht dort in der Kammer, und hören alles, was wir -sprechen? Laß sie nun endlich, endlich herein treten, es sei -nun der grausamen Prüfung, die mich wahnsinnig machen -kann, genug geschehn. -</p> - -<p> -Die bleiche Crescentia sah ihn mit einem unbeschreiblichen -Blicke an, eine solche Wehmuth im Angesicht, daß ihm -die Thränen aus den Augen stürzten. Er ist wahrlich schon -betrunken! heulte die Alte. Sprecht, sagt, ist denn die Tochter -des Podesta todt? Gestorben wäre sie? und wann? -</p> - -<p> -Heut Abend, sagte der Weinende, bin ich ihrer Leiche -begegnet. -</p> - -<p> -Also auch die? fuhr die Alte lustig fort, indem sie wieder -<a id="page-317" class="pagenum" title="317"></a> -einschenkte. Nun, da wird sich ja die Familie Markone -in Venedig freuen. -</p> - -<p> -Warum? -</p> - -<p> -Weil sie nun die einzigen Erben des reichen Mannes -sind. Das haben die Klugen immer gewünscht, es aber -niemals hoffen können. -</p> - -<p> -Weib! rief Antonio mit neuem Entsetzen aus, Du weißt -ja Alles. -</p> - -<p> -Nicht Alles, erwiederte Jene, aber Etwas. Und manches -läßt sich dann auch wohl errathen. Und freilich, etwas -Hexerei ist auch im Spiele. Erschreckt nur nicht gar zu sehr. -Es war auch nicht so ganz um gar nichts, daß mich die -Herren Florentiner auf den Holzstoß setzen wollten, einige -kleine unbedeutende Ursächelchen konnten sie immer für diesen -Wunsch anführen. — Schau mir ins Gesicht, Knabe, streiche -die Locken aus der Stirn: gut! Nun gieb die linke Hand: -die rechte; ei! ei! sonderbar und wunderlich! Ja, ja, Dir -steht ein nahes Unglück bevor, aber wenn Du es überlebst, -wirst Du Deine Geliebte noch wiedersehn. -</p> - -<p> -Jenseit! seufzte Antonio. -</p> - -<p> -Jenseit? was ist Jenseit? rief die Alte im Taumel; -nein, diesseit, was wir hier auf Erden nennen. Was die -Narren für Worte brauchen. Es giebt kein Jenseit, alberner -Kindskopf, wer hier nicht schon das Fett von der Brühe -abschöpft, der ist übel betrogen. Aber damit kirren sie die -Gelbschnäbel, daß sie hübsch im Geleise bleiben, wohin man -sie lenken will, wer aber ihren Fabeln nicht glaubt, der ist -auch dafür frei, und kann thun, was ihn gelüstet. -</p> - -<p> -Antonio sah sie zürnend an, und wollte ihr heftig erwiedern, -aber die blasse Crescentia legte einen so demüthig -flehenden Blick für ihre Mutter ein, daß <a id="corr-13"></a>sein Zorn entwaffnet -wurde. Die Alte gähnte und rieb sich die Augen, und -<a id="page-318" class="pagenum" title="318"></a> -es währte nicht lange, so war sie, vom häufigen Genuß des -starken Weins betäubt, fest eingeschlafen. Das Feuer auf -dem Heerde war erloschen, und die Lampe warf nur noch -matte Schimmer. Antonio fiel in ein tiefes Nachsinnen, -und Crescentia saß am Fenster auf einem niedrigen Schemel. -Kann ich wo schlafen? sagte der erschöpfte Jüngling -endlich. -</p> - -<p> -Oben ist noch eine Kammer, sagte Crescentia schluchzend, -und er bemerkte nun erst, daß sie die ganze Zeit über -heftig geweint hatte. Sie putzte die Lampe, daß sie heller -brenne, und ging schweigend voran. Er folgte eine schmale -Treppe hinauf, und als sie oben in dem engen finstern Behältnisse -waren, setzte das Mädchen die Leuchte auf einen -kleinen Tisch und war im Begriff sich zu entfernen. Doch -schon an der Thür kehrte sie noch einmal um, betrachtete -den jungen Mann wie mit einem Todtenblicke, stand bebend -vor ihm, und fiel dann laut schluchzend und in unverständlichen -heftigen Klagen wie in Krämpfen zu seinen Füßen -nieder. Was ist Dir, mein holdes Kind? rief er aus, und -wollte sie aufheben; beruhige Dich: sage mir Dein Leid. -</p> - -<p> -Nein, laßt mich hier liegen, rief die Klagende, ach! -wenn ich doch hier zu Euren Füßen, wenn ich doch jetzt -sterben könnte! Nein, es ist zu entsetzlich! Und daß ich nichts -thun, nichts hindern kann, daß ich den Gräuel nur stumm -und ohnmächtig anschauen muß. Aber Ihr müßt es erfahren. -</p> - -<p> -So sammle Dich nur, sagte tröstend Antonio, daß Du -nur Deine Stimme, daß Du nur die Worte wieder findest. -</p> - -<p> -Ich sehe, sprach jene vom Weinen unterbrochen heftig -fort, Eurer gestorbenen Geliebten ähnlich, und ich bin es, -die Euch an der Hand in die Mördergrube führen muß. -Meine Mutter kann leicht prophezeien, daß Euch ein nahes -<a id="page-319" class="pagenum" title="319"></a> -Unglück bevorsteht: kennt sie doch die Gesellen, die allnächtlich -hier einkehren. Dieser Höhle ist noch Keiner lebendig -entronnen. Jede Minute führt ihn näher und näher, den -greulichen Ildefons, oder den verruchten Andrea, mit ihren -Knechten und Gehülfen. Ach! und ich kann nur der Herold -Eures Todes seyn, Euch keine Hülfe, Euch keine Rettung -bieten. -</p> - -<p> -Antonio entsetzte sich. Bleich und zitternd faßte er -nach seinem Schwert, versuchte seinen Dolch, und sammelte -Muth und Entschlossenheit wieder. So sehr er den Tod -erst gewünscht hatte, so war es ihm doch zu furchtbar, in -einer Räuberhöhle endigen zu müssen. Du aber, fing er -an, Du mit diesem Angesichte, mit dieser Gestalt, kannst es -über Dich gewinnen, eine Gesellin, eine Gehülfin der Verruchten -zu seyn? -</p> - -<p> -Ich kann nicht entfliehen, seufzte die Trostlose, wie gern -entwiche ich diesem Hause. Ach! und diese Nacht, morgen -soll ich von hier und über das Meer geschleppt werden, die -Gattin des Andrea oder Ildefons soll ich seyn. Ist es nicht -besser, jetzt zu sterben? -</p> - -<p> -Komm, rief Antonio, die Thür ist offen, entflieh mit -mir, die Nacht, der Wald werden uns ihren Schutz verleihen. -</p> - -<p> -Seht Euch nur um, sagte das Mädchen, seht nur, wie -hier und im untern Gemache die Fenster mit starken Eisenstäben -verwahrt sind, die Thür des Hauses ist mit einem -großen Schlüssel versperrt, den die Mutter nicht von sich -giebt. Saht Ihr nicht, wie sie die Thür ins Schloß warf, -als Ihr hereingetreten wart? -</p> - -<p> -So falle die Alte zuerst, rief Antonio, wir entreißen -ihr den Schlüssel — -</p> - -<p> -Meine Mutter sterben! schrie die blasse Mädchengestalt, -<a id="page-320" class="pagenum" title="320"></a> -und klammerte sich mit Heftigkeit an ihn, um ihn fest zu -halten. -</p> - -<p> -Antonio beruhigte sie. Er schlug ihr vor, der Alten, -da sie berauscht sei, und fest schlafe, den großen Schlüssel -der Thüre leise von ihrer Seite zu nehmen, dann zu öffnen -und zu entfliehen. Von diesem Plane schien Crescentia -einige Hoffnung zu fassen, sie gingen still wieder in das -untere Gemach und fanden die Alte noch fest schlafend. Crescentia -machte sich zitternd an sie, suchte und fand den Schlüssel, -und es gelang ihr nach einiger Zeit, ihn vom Bande -des Gürtels abzulösen. Sie winkte dem Jüngling, behutsam -näherten sie sich der Thür, mit Vorsicht brachten sie den -eisernen Schlüssel in das Schloß, mit fester Hand wollte -Antonio jetzt ohne Geräusch den Riegel zurückschieben, als -er fühlte, daß draußen eben so geräuschlos ein andrer am -Schlosse arbeite. Die Thür öffnete sich sacht und herein -trat, Antlitz an Antlitz dem Antonio, ein großer wilder -Mann. Ildefonso! schrie das Mädchen auf, und der Jüngling -erkannte in ihm auf den ersten Blick den Mörder Roberto. -</p> - -<p> -Was ist das? sagte dieser mit dumpfer Stimme; woher -habt Ihr den Schlüssel? Wohin? -</p> - -<p> -Roberto! schrie Antonio und faßte den ungeheuren Mann -wüthend an der Kehle. Sie rangen heftig mit einander, doch -gelang es der Kraft des Jünglings, den Bösewicht auf den -Boden zu werfen, dann kniete er ihm auf die Brust und -senkte seinen Dolch ihm in das Herz. Mit lautem Geschrei -war indessen die Alte erwacht, sie sprang auf, als sie den -Kampf sah und riß unter Geheul und Verwünschungen die -Tochter hinweg, sie schleppte sie zur Kammer hinauf, und -verriegelte von innen die Thür. Jetzt wollte Antonio hinauf, -um sich die Kammer mit Gewalt zu öffnen, als mehrere -<a id="page-321" class="pagenum" title="321"></a> -dunkle Gestalten herein traten, und nicht wenig erstaunten, -ihren Anführer todt am Boden zu finden. Jetzt bin ich Euer -Hauptmann! rief eine breite, bärtige Figur, indem dieser -das Schwert zog. Wenn Crescentia mein ist! antwortete -trotzig ein jüngerer Räuber. Beide, auf ihrem Sinne bestehend, -fielen sich mörderisch an. Die Lampe ward umgestürzt, -und unter Geheul und Fluchen wälzte sich der Kampf -in der Finsterniß von einer Ecke zur andern. Seid ihr unsinnig? -schrie eine andre Stimme dazwischen; ihr laßt den -Fremden entfliehn, schlagt ihn zuerst darnieder und fechtet -dann eure Händel aus! Doch jene, vor Wuth blind, vernahmen -ihn nicht. Schon dämmerte der erste graue ungewisse -Strahl des frühen Morgens. Da fühlte Antonio die -Mörderfaust an seiner Brust, aber schnell und rüstig stieß -er den Angreifenden nieder. Ich bin erschlagen, rief dieser, -auf den Boden fallend: Wahnsinnige, besetzt die Thür, laßt -ihn nicht entrinnen. Antonio hatte indessen diese gefunden, -er sprang durch den kleinen Garten und über den Zaun, die -Räuber, welchen unterdeß die Besinnung gekommen war, -eilten ihm nach. Er war nur um wenige Schritte voraus, -und sie suchten ihm die Bahn abzugewinnen. Einer warf -mit Feldsteinen nach ihm, die aber ihres Ziels verfehlten. -Unter Geschrei und Drohworten waren sie in den Wald gekommen. -Hier zeigten sich verschiedene Richtungen, und -Antonio war ungewiß, welche er wählen sollte. Da sah er -zurück und die Räuber getrennt, er stellte sich dem nächsten -und verwundete ihn im Kampf, daß jener das Schwert mußte -sinken lassen. Doch zugleich vernahm er Geschrei und sah -von einem Seitenwege neue Gestalten daher eilen, die ihm -den Weg bald verrennen mußten. In dieser höchsten Noth -traf er auf einer kleinen Waldwiese sein Roß wieder an. -Es schien sich von der gestrigen Uebermüdung erholt zu haben. -<a id="page-322" class="pagenum" title="322"></a> -Er schwang sich hinauf, nachdem er schnell den Zaum ergriffen -und geordnet hatte, und mit der größten Schnelle, -als wenn das Thier seine Gefahr gefühlt hätte, trug es ihn -auf einem gebahnten Pfade aus dem Walde. Nach und -nach ertönte das Geschrei seiner Verfolger immer ferner und -ferner, der Wald lichtete sich, und als er schon glauben -mußte, nichts mehr befürchten zu dürfen, sah er die Stadt -im Sonnenglanze vor sich liegen. -</p> - -<p> -Menschen begegneten ihm, Landleute gingen dieselbe -Straße zur Stadt, Reisende gesellten sich zu ihm, und so -kam er nach Padua zurück, indem er nur weniges auf die -vielfachen Fragen und Erkundigungen antwortete, warum -sein Anzug so verwildert, warum er ohne Hut sei. Die -Bürger sahen ihn mit Verwunderung an, als er vor dem -großen Hause des Podesta abstieg. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -In der Stadt hatte sich in derselben Nacht etwas Wunderbares -zugetragen, was bis jetzt noch allen Menschen ein -Geheimniß war. Kaum hatte sich die Finsterniß dicht und -dichter verbreitet, als Pietro, den man gemeiniglich nur von -seiner Geburtsstadt Apone, oder Abano nannte, im innersten -Zimmer seines Hauses alle Geräthe, alle seine künstlichen -Instrumente zu einer geheimen und seltsamen Operation in -Ordnung richtete. Er selbst war in lange Gewänder gekleidet, -die mit wunderlichen Hieroglyphen bezeichnet waren, -in seinem Saal hatte er die magischen Kreise beschrieben, -und alles kunstreich geordnet, um seiner Wirkung gewiß zu -seyn. Er hatte den Stand der Gestirne genau erforscht, und -erwartete jetzt den günstigsten Augenblick. -</p> - -<p> -Sein Gefährte, der häßliche Beresynth, war auch mit -magischen Kleidern angethan. Er holte und stellte auf den -<a id="page-323" class="pagenum" title="323"></a> -Befehl seines Gebieters alles so, wie dieser es nöthig erachtete. -Bemalte Decken waren an den Wänden verbreitet, der -Boden des Zimmers verkleidet, der große Zauberspiegel aufgerichtet, -und näher rückte und näher der Moment, den der -Magier für den glücklichsten erachtete. -</p> - -<p> -Hast Du die Kristalle in die Kreise gestellt? rief jetzt -Pietro. Ja, antwortete der geschäftige Gesell, dessen Fratze -sich zwischen den Phiolen, Spiegeln, menschlichen Gerippen -und allen dem seltsamen Hausrath munter und unermüdlich -tummelte. Jetzt wurde das Räuchwerk gebracht, eine Flamme -entzündete sich auf dem Altar, und der Magier nahm vorsichtig, -fast bebend, aus seinem geheimsten Schranke das -große Buch. Geht’s los? rief Beresynth. — Schweig, erwiederte -der Alte feierlich, und störe die heilige Handlung -durch keine frevelnden, durch keine unnützen Worte. Er las, -erst leise, dann lauter und eifriger, indem er mit gemessenen -Schritten auf und nieder, dann im Kreise wandelte. -Nach einer Weile hielt er inne und befahl: schau hinaus, -wie sich der Himmel gestaltet. -</p> - -<p> -Dichte Finsterniß, sagte der rückkehrende Diener, hat -den Himmel umzogen, Wolken jagen sich, ein Regen fängt -an zu träufeln. — Sie sind mir günstig, rief der Alte, es -muß gelingen! Jetzt kniete er nieder, und berührte oft, die -Beschwörung murmelnd, mit der Stirn den Boden. Sein -Gesicht war erhitzt, seine Augen funkelten. Man hörte ihn -die heiligen Namen nennen, die verboten sind auszusprechen, -und er sandte nach langer Zeit seinen Diener wieder hinaus, -um nach dem Firmament zu schauen. Indessen vernahm -man den heranbrausenden Sturm, Blitz und Donner jagten -sich, und das Haus schien in seinen Grundfesten zu erbeben. -Hört das Wetter, rief Beresynth, eilig zurückkehrend. Die -Hölle hat sich von unten herauf gemacht, und wüthet mit -<a id="page-324" class="pagenum" title="324"></a> -Feuer und wilden krachenden Donnerschlägen, ein Sturm -braust dazwischen, und die Erde zittert. Haltet inne mit -Beschwören, daß nicht die Speichen brechen, und die Fugen, -die die Welt zusammen halten, zerspringen. -</p> - -<p> -Thörichter! Blödsinniger! rief der Magier; genug der -unnützen Worte! Alle Thüren reiß auf, eröffne auch das -Thor des Hauses. -</p> - -<p> -Der Zwerg entfernte sich, um die Gebote seines Herrn -auszurichten. Dieser entzündete indeß die geweihten Kerzen, -mit Schaudern nahte er sich der großen Fackel, die auf dem -hohen Leuchter stand, auch sie brannte endlich, dann wand -er sich auf dem Boden und beschwor lauter und lauter. -Seine Augen funkelten, seine Glieder bebten alle, zuckten -wie in Krämpfen, und ein kalter Schweiß der Angst floß -von seinem Haupte. Mit wilder Geberde sprang der Zwerg -wie entsetzt wieder herein und rettete sich in die Kreise. Die -Welt geht unter, schrie er bleich und mit den Zähnen klappernd, -die Gewitter ziehn fort, aber alles ist in der stillen -Nacht Entsetzen und Graus, jedes Geschöpf hat sich in das -innerste Gemach und die Kissen des Bettes geflüchtet, um -der Angst zu entweichen. -</p> - -<p> -Der Alte erhob vom Boden ein todtenbleiches Antlitz, -und verzerrt und unkenntlich schrie er mit fremdem Laute: -Schweig, Unglückseliger, und störe das Werk nicht. Gieb -Acht, und behalte Deine Sinne. Das Größte ist noch -zurück. -</p> - -<p> -Mit einer Stimme, als wollte er seine Brust zersprengen, -las und beschwor er wieder, der Athem schien ihm oft -zu fehlen, es war, als müsse die ungeheure Anstrengung ihn -tödten. Da hörte man plötzlich Stimmen durcheinander, wie -im Streit, dann wie Gespräch, sie flüsterten, sie tobten und -lachten, Gesang ertönte, und verworrener Klang von wundersamen -<a id="page-325" class="pagenum" title="325"></a> -Instrumenten. Alle Geräthe wurden lebendig und -schritten vor und gingen wieder zurück, und aus den Wänden -in allen Gemächern quollen Wesen aller Art, Gethier -und Ungeheuer und abentheuerliche Fratzen im buntesten Gewirre. -</p> - -<p> -Herr! schrie Beresynth, das Haus wird zu enge! Wohin -mit allen diesen Geistern? Einer muß den andern fressen. -O weh! o weh! Immer greulicher, immer toller wickelt -sich einer aus dem andern: ich verliere den Verstand! Und -diese Musik dazu, dies Gellen und Pfeifen, Gelächter dazwischen, -und rührende Klagegesänge. Seht, Herr! seht! -die Wände, die Zimmer dehnen sich aus: alles wird zu unermeßlichen -Sälen, zu hohen Gewölben, und noch schießen -die Creaturen hervor, und vermehren sich mit dem wachsenden -Raume. Könnt Ihr nicht rathen, könnt Ihr nicht -helfen? -</p> - -<p> -Ganz ermattet erhob sich jetzt Pietro, er war verwandelt -und wie sterbend. Schau noch einmal hinaus, sprach -er leise, wende Dein Auge nach dem Dom, und berichte -mir, was Du siehst. -</p> - -<p> -Ich trete dem Gesindel hier auf den Kopf, schrie der -verwirrte Beresynth, sie winden sich spielend wie die Schlangen -um mich her, und lachen höhnisch über mich. Sind es -Geister? sind es Kobolde oder leere Phantome? Ei was! wenn -ihr nicht aus dem Wege gehn wollt, so trete ich euch in -die grünlichen und blauen Schnauzen hinein! Jeder ist sich -selbst der Nächste. Er polterte murrend hinaus. -</p> - -<p> -Jetzt ward es still, und Pietro stand auf. Er winkte, -und alle jene Wundergestalten, die sich am Boden gekrümmt, -die sich in der Luft durcheinander gewunden hatten, verschwanden -wieder. Er trocknete Schweiß und Thränen ab -und holte freier Athem. Sein Diener kam zurück und sagte: -<a id="page-326" class="pagenum" title="326"></a> -Herr! alles ist ruhig und gut, aber lichte Gebilde zogen mir -vorüber und verschwanden in den dunklen Himmel hinein: -darauf, wie ich unverwandt nach dem Dom hinschaue, ertönt -ein gewaltiger Klang, wie wenn alle Saiten einer Harfe zugleich -rissen, und ein Schlag geschah, daß die Straße und -alle Häuser zitterten. So riß sich dann die große Thür der -Kirche auf, Flöten erklangen süß und lieblich, und eine -sanfte lichte Klarheit ergoß sich aus dem Innern der Kirche. -Gleich darauf trat ein weibliches Gebild in den Schein, -blaß, aber glänzend, mit Blumenkronen geschmückt, sie -schwebte aus dem Thor und Lichtstrahlen bereiteten ihr eine -Straße, auf welcher sie wandeln sollte. Das Haupt gerade, -die Hände gefaltet, so schwebt sie heran, auf unsre Wohnung -zu. Ist es denn diese, auf welche Ihr gewartet habt? -</p> - -<p> -Nimm den goldnen Schlüssel, antwortete Pietro, und -eröffne mit ihm das innerste kostbarste Gemach meines Hauses. -Die Purpurdecke ist ausgebreitet, die Wohlgerüche duften. -Dann fort und lege Dich nieder. Forsche nicht weiter -nach, was geschieht. Sei gehorsam und verschwiegen, wenn -Du Dein Leben achtest. -</p> - -<p> -Kenne ich Euch doch, antwortete der Zwerg und entfernte -sich mit dem Schlüssel, indem er noch einmal wie -einen schadenfrohen Blick zurück warf. -</p> - -<p> -Indem kam ein liebliches Gesäusel näher, Pietro ging -nach dem Vorsaal, und herein schwebte die blasse Leichengestalt -der Crescentia, in ihrem Todtenschmucke, das Crucifix -noch in den gefaltenen Händen haltend. Er stand vor ihr, -sie schlug die großen Augen auf und schauderte in lebhafter -Bewegung vor ihm zurück, so daß vom schüttelnden Haupte -die Blumenkränze niedersanken. Stumm bog er die festgeschlossenen -Hände auseinander, in der linken aber behielt sie -das Kreuz fest eingeklemmt. An der rechten Hand führte er -<a id="page-327" class="pagenum" title="327"></a> -sie durch seine Gemächer, und sie ging neben ihm, starr und -ohne Theilnahme, ohne sich umzusehn. -</p> - -<p> -Das fernste Gemach empfing sie. Purpur und Gold, -Seide und Sammet schmückten es kostbar aus. Durch die -schweren Vorhänge schimmerte am Tage das Licht nur matt -herein. Er deutete hin auf das Lager, und die Bewußtlose, -wunderbar Belebte senkte und neigte sich wie eine Lilienblume, -die der Wind bewegt, sie fiel auf die rothen Decken -und athmete schmerzlich. Aus einem goldnen Fläschchen goß -der Alte eine kostbare Essenz in eine kleine Schale von Kristall -und legte ihr diese an den Mund. Die blassen Lippen -schlürften den wunderbaren Trank, sie schlug noch einmal -das Auge auf, betrachtete ihren vormaligen Freund, wandte -sich mit dem Ausdruck des Abscheues um, und fiel in einen -tiefen Schlaf. -</p> - -<p> -Sorgfältig verschloß der Alte wieder das Gemach. Alles -im Hause war ruhig. Er begab sich auf sein Zimmer, um -unter seinen Büchern und Zaubergeräthen den Aufgang der -Sonne und die Geschäfte des Tages zu erwarten. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Als der unglückliche Jüngling Antonio geruht hatte, ritt -der Podesta am folgenden Tage mit ihm und einem großen -bewaffneten Gefolge aus, um jene Hütte, die häßliche Alte -und die Räuber aufzusuchen und zu fangen. Nach der Erzählung -Antonio’s war der trostlose Vater sehr begierig geworden, -jenes Mädchen zu sehn, welches seiner verstorbenen -Tochter so ähnlich seyn sollte. Kann es seyn, sagte der Alte -unterwegs, daß ein Traum, dem ich mich nur zu oft überlassen -habe, wirklich werden sollte? -</p> - -<p> -Der Vater war so eilig, daß er dem Jüngling nicht -weiter Rede stand. Sie kamen in den benachbarten Wald, -<a id="page-328" class="pagenum" title="328"></a> -und hier glaubte sich Antonio noch zu erkennen, und die -Spuren wieder zu finden. Aber jene Nacht hatte ihn so -verwirrt, und seine Lebensgeister so heftig erschüttert, daß er -nachher seinen Weg nicht entdecken konnte, den er während des -Sturmes und dem Krachen des Donners, betäubt, zu Fuß, -und über Acker und Feld irrend, fortgesetzt hatte. Sie -kreuzten das weite Gefilde nach allen Richtungen; wo nur -Bäume oder Gebüsche sich entdecken ließen, dahin spornte -Antonio, um die Räuberhütte und in ihr jene wundersame -Erscheinung wieder anzutreffen, oder wenigstens, wenn die -Einwohner auch verschwunden seyn sollten, wie er wohl -glauben mußte, irgend eine Nachweisung zu erhalten. Der -Podesta glaubte endlich, als man schon einen großen Theil -des Tages so umgeirrt war, die erhitzte Einbildung des -Jünglings habe nur in der Verwilderung seines Schmerzes -diese Erscheinungen gesehn. Das Glück, rief er aus, wäre -zu groß, und ich bin nur zum Unglück geboren. -</p> - -<p> -In einem Dorfe mußte man die Pferde und die Diener -verschnaufen lassen. Die Bewohner wollten nichts von so -verdächtigen Nachbarn wissen, auch hatte man in der Umgegend -die Leichname der Erschlagenen nicht gefunden. Nach -kurzer Frist machte sich Antonio wieder auf den Weg, obgleich -der Podesta ihm mit größerem Mißtrauen folgte. -Bei jedem Bauer, der ihnen aufstieß, wurden Erkundigungen -eingezogen, doch keiner wußte irgend eine bestimmte -Nachricht zu geben. Gegen Abend traf man auf einen scheinbar -zerstörten Platz, Asche und Schutt lag umher, einige -verkohlte Balken zeigten sich zwischen den Steinen: Bäume, -die nahe standen, waren verbrannt. Jetzt schien sich der -Jüngling wieder zu erkennen. Hier, so meinte er mit Bestimmtheit, -sei der Aufenthalt der Mörder und jener wunderbaren -Crescentia gewesen. Man machte Halt. Weit und -<a id="page-329" class="pagenum" title="329"></a> -breit war in der wüsten Gegend kein Haus zu sehn, kein -Mensch war zu errufen. Ein Diener ritt zum nächsten Ort -und brachte nach einer Stunde einen Alten zu Pferde mit -sich. Dieser wollte wissen, daß schon seit einem Jahre eine -Hütte hier abgebrannt sei, von Soldaten angezündet, der -Eigenthümer des Feldes sei schon seit zehn Jahren in Rom, -wo er ein versprochenes geistliches Amt erwarte, der Verwalter -desselben aber nach Ravenna gereist, um eine alte -Schuld einzukassiren. -</p> - -<p> -Verdrossen und ermüdet begaben sich die Reisenden zur -Stadt zurück. Der Podesta Ambrosio ging damit um, seine -Stelle aufzugeben, sich von allen Geschäften zurück zu ziehn, -und selbst Padua zu verlassen, wo ihn alles nur an sein -Unglück erinnerte. Antonio wollte in der Schule des berühmten -Apone sein Elend ertragen und vielleicht vergessen -lernen. Er zog in das Haus dieses großen Mannes, welcher -ihm schon seit lange gewogen war. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Also auch Ihr, sagte nach einiger Zeit der kleine Priester -zum tiefsinnigen Antonio, habt Euch diesem unglücklichen -Studio und jenem verderblichen Manne ergeben, der Eure -Seele verführen wird? -</p> - -<p> -Warum zürnt Ihr, antwortete Antonio freundlich, Ihr -frommer Mann? Soll Religion und Wissenschaft sich nicht -freundlich die Hand bieten dürfen, wie es in diesem trefflichen -Lehrer geschieht? Er, den die ganze Welt verehrt, den -die Fürsten schätzen und lieben, den der heilige Vater selber -bald zu einer geistlichen Würde erheben will? Warum haßt -Ihr den, der Euch und jedermann mit Liebe entgegen kommt? -Wüßtet Ihr, wie seine Lehre mich tröstet, wie er meinen -Geist erhebt und zum Himmel richtet, wie in seinem Munde -<a id="page-330" class="pagenum" title="330"></a> -Frömmigkeit und Religion die begeisterten Worte und Bilder -finden, die seine Schüler, wie mit Schwingen des Geistes, -in die überirdischen Regionen führen, Ihr würdet nicht so -unbillig von ihm denken und sprechen. Lernt ihn näher kennen, -sucht seinen Umgang, kommt dem, der keinen zurück -weiset, freundlich entgegen, und Ihr werdet mit Reue und -in Liebe Euren Haß, Euer voreiliges Urtheil über ihn widerrufen. -</p> - -<p> -Ihm? rief der Priester, nein nimmermehr! Wahrt -Euch selbst, Jüngling, vor ihm und seinem höllenbezeichneten -Diener, der keinen so arglistig, wie sein Meister, belügen -kann. -</p> - -<p> -Es ist wahr, erwiederte Antonio, der kleine Beresynth -ist eine lächerliche und auch häßliche Figur, mich wundert -selbst, daß ihn der edle Pietro so beständig in allen seinen -Zimmern und Geschäften um sich dulden mag: aber sollen -Höcker und andre häßliche Abzeichen uns gegen einen Armen, -den die Natur vernachlässigt hat, grausam machen? -</p> - -<p> -Schöne Worte, herrliche Redensarten! rief der Priester -ungeduldig aus: bei diesen Gesinnungen gedeihen freilich -Zauberer und Betrüger. Seht! da kommt das Scheusal, -das ich nicht anschauen, viel weniger mit ihm etwas verhandeln -mag. Wen der Herr auf diese Weise gezeichnet -hat, der ist kenntlich genug, und jedermann, in dem noch -nicht alles Gefühl erloschen ist, gehe ihm aus dem Wege. -</p> - -<p> -Beresynth, der die letzten Worte gehört hatte, machte -sich in einigen seltsamen Sprüngen herbei. Hochwürdiger -Herr, rief er aus, seid Ihr denn etwa selbst von so ausbündiger -Schönheit, daß Ihr so unbillig urtheilen dürft? -Mein Herr ist von Jugend auf ein majestätischer herrlicher -Mann gewesen, und der denkt doch von mir und meines -gleichen ganz anders. Was? Ihr kleiner, untersetzter, verstumpfter, -<a id="page-331" class="pagenum" title="331"></a> -kollriger Mann, dem die Nase vor Zorne fast -immer roth anläuft? Ihr mit Euren krummen Mundwinkeln, -mit den verzwickten Falten in der kleinen Stirn, Ihr wollt -von meiner Häßlichkeit rumoren? Kuckt das Zwerglein doch -kaum über die Kanzel hinaus, wenn es dorten handthiert, -und ist so schmalbeinig und schmächtig, daß er nicht über den -großen Platz gehn darf, wenn der Wind einmal stark weht; -den die Gemeine kaum erkennt, wenn er vor dem Altar gestikulirt, -wobei ihr der christliche Glaube nachhelfen muß, in -der Hoffnung, er sei wirklich zugegen: — wie, ein solcher -Knirps und geistlicher Nirgendgesehn will hier wie Goliath -Rede führen? Laßt Euch dienen, unansehnlich Gottseliger, -daß man aus meiner Nase allein einen solchen Glaubenshelden, -wie Ihr seid, formiren könnte, wobei ich meinen doppelten -Höcker vorn und hinten noch gar nicht einmal in die Rechnung -bringe. -</p> - -<p> -Der erzürnte Priester Theodor hatte sich schon vor dem -Schluß dieser Rede entfernt, und der melancholische Antonio -verwies dem kleinen Gesellen seinen Muthwillen; doch dieser -rief aus: fangt Ihr nur nicht auch an zu moralisiren! das -leide ich einmal von keinem andern als meinem Herrn, denn -der ist dazu in der Welt, die Moral, die Philosophie und -dergleichen zu doziren. Aber diese Windfahne von Mönch -da, die nur von Neid und Bosheit so knarrend herum gedreht -wird, weil er meint, ihm geschieht durch meinen herrlichen -Meister ein Abbruch an Autorität, Geld und Gut, -der soll nicht den zahnlosen Mund aufthun, wo ich mein -ungewaschnes Maul nur irgend brauchen kann; und von -einem jungen Studenten leide ich auch keine Widerrede, denn -ich habe mir schon den Bart verschneiden lassen, als Euer -Vater noch im Westerhemdchen lief; Prügel in der Schule -und den Esel bekam ich schon umgehängt, als sie Eurem erlauchten -<a id="page-332" class="pagenum" title="332"></a> -Großvater die ersten Hosen anthaten, darum erzeigt -den Respect da, wo er hingehört und vergeßt niemals, wen -Ihr vor Euch habt. -</p> - -<p> -Erzürne Dich nicht, kleiner Mann, sagte Antonio, ich -meine es gut mit Dir. -</p> - -<p> -Meint’s, wie Ihr wollt, rief jener. Mein Herr wird -Prälat, wißt Ihr das schon? Und Rektor der Universität! -Und eine neue goldne Gnadenkette hat er von Paris erhalten! -Und Ihr sollt zu ihm kommen, weil er verreisen und -Euch vorher noch einmal sprechen will. Schleppt Euch nicht -mit Pfaffen so herum, wenn Ihr ein Philosoph seyn wollt. -</p> - -<p> -In krummen, wunderlichen Sätzen sprang er wieder die -Straße hinüber, und Antonio sagte zu Alfonso, der jetzt -hinzutrat, und seit einiger Zeit sich oft freundlich zu ihm -gesellte: ich weiß niemals, wenn ich mit der kleinen Mißgeburt -rede, ob sie ihre Worte ernsthaft, oder nur im -Scherze meint. Scheint er doch über sich selbst und alle -Creatur zu spotten. -</p> - -<p> -Das ist ihm, antwortete Alfonso, ein nothwendiger Ersatz, -um sich über seine Ungestalt zu trösten, denn durch seinen -Hohn macht er in seiner Einbildung alle übrigen Geschöpfe -sich gleich. Aber wißt Ihr schon von den neuen -Ehren, die unserm herrlichen Lehrer und Meister zugetheilt -sind? -</p> - -<p> -Die Welt, erwiederte Antonio, erkennt sein hohes Verdienst, -und daß auch der Papst, unser heiliger Vater, ihn -jetzt zum Prälaten macht, das wird den neidischen Priestern -und Mönchen, die den tugendhaften und frommen Mann -immerdar verketzern wollen, endlich Schweigen gebieten. -</p> - -<p> -Sie trennten sich, und Antonio eilte, von seinem Lehrer -auf einige Tage Abschied zu nehmen. Der kleine Zwerg -<a id="page-333" class="pagenum" title="333"></a> -Beresynth erwartete ihn schon in der Thür mit grinsender -Freundlichkeit. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -In den Zimmern war es schon trübe, und da Beresynth -den Jüngling verließ, so ging dieser, der seinen Lehrer im -Saale, auch in seiner Bücherstube nicht traf, durch die vielen -Gemächer, und gelangte so bis in das innerste, welches -er noch niemals betreten hatte. Bei einer dämmernden Lampe -saß hier Pietro und verwunderte sich nicht wenig, den Florentiner -eintreten zu sehn, der über die Gerippe, seltsamen -Instrumente und den wunderlichen Hausrath des Greises -erstaunt war. Nicht ohne Verlegenheit näherte sich der Alte. -Ich hatte Euch hier nicht erwartet, sagte er, sondern dachte -Euch draußen zu treffen, oder Euch oben in Eurem eigenen -Zimmer aufzusuchen. Ich soll dem Abgesandten des Papstes, -unsers heiligen Vaters, entgegen reisen, um sein Schreiben -und die neue Würde, die seine Gnade und väterliche Güte -mir mittheilt, demüthig und dankbar vom Prälaten dort -anzunehmen. -</p> - -<p> -Antonio war befangen, und schien die Instrumente und -den unbekannten Apparat genau zu betrachten. Ihr verwundert -Euch, sagte der Alte endlich, über alle diese Dinge, -die mir zu meinen Studien nöthig sind; wenn Ihr einmal -meine Vorlesungen über die Natur besucht habt, werde ich -Euch in Zukunft alles erklären können, was Euch jetzt vielleicht -unbegreiflich erscheint. -</p> - -<p> -Doch in diesem Augenblicke ereignete sich etwas, das -Antonio’s Aufmerksamkeit von allen diesen Gegenständen abzog. -Eine Thür, die verschlossen schien, war nur angelehnt, -sie that sich auf, und der Jüngling sah in ein Gemach, das -mit purpurrothem Lichte erfüllt war, aber in dieser Rosengluth -<a id="page-334" class="pagenum" title="334"></a> -stand an der Thür ein bleiches Gespenst, welches winkte -und lächelte. Mit Blitzesschnelle wendete der Alte sich um, -warf donnernd die Thür in das Schloß, und verriegelte sie -mit einem goldenen Schlüssel. Zitternd und leichenblaß warf -er sich dann in einen Sessel, indem ihm große Schweißtropfen -von der Stirne rannen. Als er sich etwas erholt -hatte, winkte er, noch immer zitternd, Antonio herbei und -sagte mit bebender Stimme: auch dieses Geheimniß, mein -junger Freund, wird Euch einmal deutlich werden; denke, -mein geliebter Sohn, das Beste von mir. Dich vor allen, -Du Leidender, Du Vielgeliebter, will ich in mein tiefstes -Wissen dringen lassen, Du sollst mein wahrer Schüler, mein -Erbe werden. Aber laß mich jetzt, geh nun hinauf zu Deinem -einsamen Zimmer und rufe im brünstigen Gebete den -Himmel und seine heiligen Kräfte zu Deinem Beistande auf. -</p> - -<p> -Antonio konnte nicht antworten, so war er von der Erscheinung -überrascht und entsetzt, so hatte ihn die Rede seines -verehrten Lehrers verwirrt, denn ihm schien, als müsse -dieser einen Zorn unterdrücken, als leuchte ein verhaltener -Grimm aus seinen feurigen Augen, die nach dem plötzlichen -Erlöschen schnell einen stärkern Glanz ausstrahlten. -</p> - -<p> -Er ging und im Vorzimmer fand er Beresynth, der -mit grinsendem Gesicht Fliegen haschte, die er dann einem -Affen zuwarf. Beide schienen im Wettstreit begriffen, wer -die ärgsten Fratzen hervorbringen könnte. Der Meister rief -jetzt laut den Diener, und die Mißgestalt hüpfte hinein. -Antonio vernahm einen lauten Wortwechsel, und Pietro -schien sehr zornig. Weinend und heulend kam Beresynth -aus dem Zimmer, ein Blutstrom floß über die ungeheure -Nase hinab. Kann er nicht selbst seine Thüren verschließen, -krächzte die Mißgeburt, der Allerweltsweise und Allmächtige? -Ist der Herr dumm, so muß der Diener die Schuld tragen. -<a id="page-335" class="pagenum" title="335"></a> -Scheert Ihr Euch, Allverehrtester, auf Eure Dachkammer -hinauf, und laßt mich mit meinem guten Freund, dem lieben -Pavian da, in Ruhe. Der hat noch ein menschliches -Herz, der liebe, getreue. Ein lustiger Bruder, wie er ist, -und doch in der Zartheit ein recht ausbündiger Kerl. Marsch -da! Der Pylades will wieder Fliegen speisen, die ihm sein -Orest zusammenfangen muß. -</p> - -<p> -Antonio verließ wie betäubt den Saal. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Der florentinische Jüngling war in das Haus seines -Lehrers gezogen, um ganz ungestört seinen Leiden und Studien -leben zu können. Oben im entferntesten und höchsten -Gemache des Hauses hatte er sich eingerichtet, um recht einsam -und von Menschen unbesucht zu leben. Wenn er von -hier die schönen und fruchtbaren Gefilde des Landes übersah -und dem Laufe des Stromes mit den Blicken folgte, so -dachte er um so inniger seiner entschwundenen Geliebten. -Er hatte ihr Bild von den Eltern bekommen, und einiges -Geräth, mit welchem sie als Kind gespielt hatte; vorzüglich -lieb war ihm eine Nachtigall, die ihm in ihren rührenden -Klagegesängen nur sein eigenes Leid auszutönen schien. Dieser -Vogel war von Crescentien mit Sorgfalt und Liebe gepflegt -worden, und der schwärmende Jüngling bewahrte ihn -als ein Heiligthum, als den letzten Ueberrest seines irdischen -Glückes. -</p> - -<p> -Andre Jünglinge seines Alters sahe er nicht, außer -dem Spanier Alfonso, mit welchem ihn der gleiche Enthusiasmus -für die Größe des Pietro Abano vereinigte. Der -Podesta Ambrosio hatte seine Stelle niedergelegt und die -Stadt verlassen, er wollte in Rom seine letzten Tage verleben, -um sich seinen Verwandten in Venedig zu entziehn. -<a id="page-336" class="pagenum" title="336"></a> -Er hatte es aufgegeben, die frühgeraubte Zwillingstochter -wieder zu finden, und es schmerzte ihn um so inniger, daß -Antonio ihm diese Hoffnung so erschütternd wieder in seine -Seele gerufen hatte. Er war überzeugt, der Jüngling habe -ihn und sich selbst mit den Fieber-Phantasien jener Nacht -getäuscht. -</p> - -<p> -Am Morgen reiste Pietro mit seinem getreuen Diener -ab. Antonio war ganz allein im großen Hause, dessen Zimmer -alle verschlossen waren. Die Nacht war ihm schlaflos -hingegangen. Immer stand ihm das entsetzliche Gebild vor -Augen, das ihm, wie es ihn erschüttert hatte, doch die -schönsten Empfindungen zurück rief. Ihm war, als wenn -jede Kraft zu denken in ihm erstorben sei, Gebilde, die er -nicht festhalten konnte, bewegten sich in ewig umschwingenden -Kreisen vor seiner Phantasie. Die Empfindung war ihm -fürchterlich, daß er an seinem verehrten Lehrer irre wurde, -daß er unerlaubte Geheimnisse und ein Entsetzen ahndete, -das seit jenem Blick ins Gemach hinein auf ihn zu warten -schien, um ihm allen Lebensmuth zu rauben, oder ihn einem -verzweifelnden Wahnsinn zu überliefern. -</p> - -<p> -Die Nachtigall sang eben vor seinem Fenster, und er -sah, daß es stürmte und regnete. Vorsorglich nahm er sie -herein und stellte sie hoch auf einen alten Wandschrank hinauf. -Indem er sich überbog, um den Käfig sicher zu stellen, -riß die Kette, an welcher er das Bildniß seiner Geliebten -trug, und das Gemälde rollte nach der Wand zu, und hinter -den eichenen alten Brettern hinab. Der Unglückliche -wird auch von Kleinigkeiten erschreckt. Eilig stieg er hinunter, -um sein geliebtes Kleinod wieder zu suchen. Er bückte -sich, aber so sehr er auch forschte, war es unter dem großen -schweren Schranke nicht anzutreffen. Alles, das Große wie -das Kleine in seinem Leben, schien ihn wie eine Bezauberung -<a id="page-337" class="pagenum" title="337"></a> -zu verfolgen. Er schüttelte an dem alten Gerüste, und -wollte es aus der Stelle schieben, aber es war in der Mauer -verfestigt. Sein Ungestüm wurde mit jedem Hinderniß heftiger. -Er faßte eine alte Eisenstange, die er im Vorzimmer -fand, und arbeitete mit aller Anstrengung seiner Kräfte, den -Schrein zu rücken, und endlich, nach vielem Heben, Stemmen -und hundert vergeblichen Bemühungen geschah ein Riß -mit lautem Krachen, als wenn eine eiserne Klammer oder -Kette gesprungen wäre. Jetzt wich allmählig das Gebäude -und Antonio vermochte es endlich, sich zwischen dieses und -die Wand einzudrängen. Er sah sogleich sein geliebtes Bildniß. -Es lag auf dem breiten Knauf einer Thür, die in der -Mauer war. Er küßte es, und drehte den Griff, welcher -nachgab. Die Thür öffnete sich, und er fiel darauf, den großen -Schrank noch etwas mehr zurück zu schieben, um diese -Seltsamkeit näher zu untersuchen, denn er glaubte, daß der -Besitzer des Hauses diese geheime Oeffnung, die mit so vieler -Sorgfalt, und wie es schien, seit so langer Zeit verdeckt -war, selber nicht kenne. Als er sich mehr Raum verschafft -hatte, sah er, daß hinter der Thür eine enge gewundene -Stiege sich hinabsenkte. Er stieg einige Stufen hinunter, -die dichteste Finsterniß umgab ihn. Er schritt weiter und -immer weiter, die Treppe schien bis in die untern Gemächer -hinabzuführen. Schon wollte er umkehren, als er auf eine -Hemmung stieß, denn die Wendelstiege war nun zu Ende. -Indem er in der Dunkelheit auf und nieder tastete, traf seine -Hand auf einen erznen Ring, den er anzog, und sogleich -öffnete sich die Mauer und ein rother Glanz quoll ihm entgegen. -Noch ehe er in die Oeffnung hineintrat, untersuchte -er die Thür und fand, daß eine Feder, die der Ring in -Bewegung gesetzt, sie ihm aufgethan hatte. Er lehnte sie -an und schritt behutsam in das Gemach. Rothe kostbare -<a id="page-338" class="pagenum" title="338"></a> -Teppiche schmückten es, mit Purpurdecken von schwerer Seide -waren die Fenster verhängt, ein Bett, von glänzendem -Scharlach mit Gold verziert, stand im Zimmer. Alles war -still, man hörte das Getöse der Straße nicht, die Fenster -gingen nach dem kleinen Garten. Mit beklemmter Brust -stand der Jüngling im Gemach, er horchte aufmerksam und -endlich dünkte ihm, er vernähme das Säuseln des Athems, -wie von einem Schlafenden. Mit klopfendem Herzen wandte -er sich um, und ging vor, um zu spähn, ob auf dem Bette -jemand ruhe, er schlug die seidenen Vorhänge zurück — und -glaubte nur zu träumen, denn vor ihm lag, leichenblaß, -aber süß schlummernd, das Bildniß seiner geliebtesten Crescentia. -Der Busen hob sich sichtlich, wie eine leichte Röthe -war den blassen Lippen angeflogen, die, zart geschlossen, von -einem sanften Lächeln unmerklich bewegt wurden. Das Haar -war aufgelöst und lag in seinen schweren dunkeln Locken auf -den Schultern. Das Kleid war weiß, der Gürtel eine goldne -Spange. Lange stand Antonio im Anschauen versenkt, endlich, -wie von einer übernatürlichen Gewalt getrieben, faßte -er die weiße, schöne Hand, und wollte die Schläferin gewaltsam -emporziehen. Diese stieß einen klagenden Schrei -aus, und erschreckt ließ er den Arm wieder fahren, der ermüdet -in die Kissen sank. Doch war der Traum, so schien -es, entflogen, das Netz des Schlummers, welches das wundersame -Bildniß umschlossen hielt, war zerrissen, und wie -Wolken und Nebel sich im leisen Morgenwinde in wallenden -Gestaltungen an den Bergen hinbewegen und wechselnd auf -und nieder sinken, so rührte sich die Schläferin, dehnte sich -wie ohnmächtig, und strebte in langsamen anmuthigen Bewegungen -dem Erwachen entgegen. Die Arme streckten sich -empor, so daß die weiten Aermel zurück fielen und die volle -schöne Rundung zeigten, die Hände falteten sich und sanken -<a id="page-339" class="pagenum" title="339"></a> -dann wieder nieder; das Haupt erhob sich und der glänzende -Nacken richtete sich frei auf, doch waren die Augen immer -noch geschlossen, die Locken fielen schwarz in das Gesicht hinein, -doch strichen die feinen langen Finger sie zurück; ganz -aufrecht sitzend kreuzte die Schöne nun die Arme über die -Brust, stieß einen schweren Seufzer aus und plötzlich standen -die großen Augen weit offen und glänzend. -</p> - -<p> -Sie betrachtete den Jüngling, als sähe sie ihn nicht, -sie schüttelte das Haupt und ergriff jetzt die goldne Quaste, -die über ihr am Bette befestigt war, richtete sich kräftig auf, -und auf den Füßen stand jetzt in der purpurnen Umhüllung -hoch aufgerichtet die große schlanke Gestalt, sie schritt dann -sicher und fest vom Lager herunter, ging auf Antonio, der -zurück gewichen war, einige Schritte zu, und mit einem kindischen -Ausruf der Ueberraschung, wie wenn Kinder sich -plötzlich über ein neues Spielzeug erfreuen, legte sie ihm die -Hand auf die Schulter, lächelte ihn holdselig an und rief -mit sanfter Stimme: Antonio! -</p> - -<p> -Dieser von Furcht, Entsetzen, Freude, Ueberraschung -und dem tiefsten Mitleiden durchdrungen, wußte nicht, ob -er fliehen, sie umarmen, zu ihren Füßen stürzen, oder in -Thränen aufgelöst sterben sollte. Das war derselbe Ton, -den er sonst so oft und so gern vernommen hatte, bei dem -sich sein ganzes Herz umwendete. Du lebst? rief er mit -einer Stimme, die sein überschwellendes Gefühl erstickte. -</p> - -<p> -Das süße Lächeln, das von den blassen Lippen aus -über die Wangen bis in die strahlenden Augen aufgegangen -war, zerbrach plötzlich und ging in einen starren Ausdruck -des tiefsten, des unsäglichsten Schmerzes unter. Antonio -konnte den Blick dieser Augen nicht aushalten, er bedeckte -mit den Händen sein Gesicht und schrie: bist Du ein Gespenst? -</p> - -<p> -<a id="page-340" class="pagenum" title="340"></a> -Die Erscheinung trat noch näher, drückte mit ihren -Händen seine Arme nieder, so daß sein Antlitz frei wurde, -und sagte mit sanft bebender Stimme: Nein, sieh mich an, -ich bin nicht todt, und lebe doch nicht. Reich’ mir die -Schaale dort. -</p> - -<p> -Eine duftende Flüssigkeit schwebte in dem kristallenen -Gefäß, er reichte es ihr zitternd, sie setzte es an den Mund -und schlürfte den Trank in langsamen Zügen. Ach, mein armer -Antonio! sagte sie dann, ich will nur diese irdischen Kräfte -erborgen, um Dir den ungeheuersten Frevel kund zu thun, -um Hülfe von Dir zu erflehen, um Dich zu vermögen, mir -zu der Ruhe zu verhelfen, nach welcher sich alle meine Gefühle -so inbrünstig sehnen. -</p> - -<p> -Sie war wieder in den Armstuhl gesunken, und Antonio -saß zu ihren Füßen. Höllische Künste, fing sie wieder an, -haben mich scheinbar vom Tode erweckt. Derselbe Mann, -den meine unerfahrene Jugend wie einen Apostel verehrte, -ist ein Geist des Abgrunds. Er gab mir den Schatten -dieses Lebens. Er liebt mich, wie er sagt. Wie schauderte -mein Gefühl vor ihm zurück, als ihn mein erwachendes Auge -erkannte. Ich schlummere, ich athme, ich kann ganz, wenn -ich will, zum Leben wieder genesen, so hat es mir der Böse -verheißen, wenn ich mich ihm mit ganzem Herzen ergebe, -wenn er, in geheimer Verborgenheit, mein Gatte werden -darf. — O Antonio, wie schwer wird mir jedes Wort, jeder -Gedanke. Alle seine Kunst zerbricht an meiner Sehnsucht -zum Tode. Das war fürchterlich, als mein Geist, schon in -der Ruhe, schon in der Entwickelung neuer Anschauungen, -aus dem stillen Frieden so gräßlich zurückgerissen wurde. -Mein Leib war mir schon fremd, feindlich und verhaßt worden. -Zurück kam ich, wie der befreite Sklave zu Ketten und -Gefängniß. Hilf mir, Treuer, rette mich. -</p> - -<p> -<a id="page-341" class="pagenum" title="341"></a> -Wie? sagte Antonio: Gott im Himmel! was erleb’ ich? -Wie muß ich Dich wieder finden? Und Du kannst, Du -darfst nicht ganz zum Leben zurückkehren? Du kannst nicht -mir und Deinen Eltern wieder angehören? -</p> - -<p> -Unmöglich! rief Crescentia mit einem ängstlichen Ton, -und ihre Blässe wurde vor Entsetzen noch bleicher. Ach! das -Leben! Wie kann der es wieder suchen, der schon davon gelöst -war? Du Armer fassest die tiefe Sehnsucht nicht, die -Liebe, das Entzücken, womit ich den Tod denke und wünsche. -Noch inniger, wie ich Dich ehemals liebte, noch brünstiger, -wie meine Lippen am Osterfeste nach der heiligen Hostie -schmachteten, ist mein Wunsch zu ihm. Dann liebe ich Dich -freier und inniger in Gott. Dann bin ich meinen Eltern -wiedergegeben. Dann leb’ ich, sonst war ich gestorben, jetzt -bin ich Nebel und Schatten, mir und Dir ein Räthsel. Ach, -wenn Deine Liebe und unsre Jugend in mein jetziges Dasein -hinein schien, wenn ich von oben herab die wohlbekannte -Nachtigall hier in meiner Einsamkeit schlagen hörte, welch -süßes Grauen, welche finstre Freude und Angst rieselte dann -durch die Dämmerung meines Wesens. O hilf mir los -von der Kette. -</p> - -<p> -Was kann ich für Dich thun? fragte Antonio. -</p> - -<p> -Die Reden hatten wieder die Kraft der Erscheinung -gebrochen: sie ruhte eine Weile mit geschlossenen Augenliedern, -dann sagte sie matt: Ach! wenn ich eine Kirche betreten -könnte, wenn ich zugegen wäre, indem der Herr im Sakrament -erhoben wird und der Gemeinde erscheint, dann würde -ich in diesem seligen Augenblicke vor Entzücken sterben. -</p> - -<p> -Was hindert mich, sprach Antonio, den Bösewicht anzugeben, -ihn den Gerichten und der Inquisition zu überliefern? -</p> - -<p> -Nein! nein! nein! ächzte das Bildniß in der höchsten -<a id="page-342" class="pagenum" title="342"></a> -Angst: Du kennst ihn nicht, er ist zu mächtig, er würde entfliehn -und mich wieder mit sich in den Kreis seiner Bosheit -reißen. Stille, ruhig nur kann es gelingen, wenn er sicher -ist. Ein Zufall hat Dich zu mir geführt. Du mußt ihn -ganz sicher machen, alles verschweigen. -</p> - -<p> -Der Jüngling sammelte seine Sinne, er sprach viel mit -seiner vormaligen Braut, ihr ward das Reden immer schwerer, -die Augen fielen ihr zu, sie trank noch einmal von dem -Wundertrank, dann ließ sie sich nach dem Lager führen. -Lebe wohl, rief sie schon wie träumend, vergiß mich nicht. — -Sie bestieg das Bett, legte sich ruhig nieder, die Hände -suchten das Crucifix, das sie mit geschlossenen Augen küßte, -dann reichte sie dem Liebenden die Hand, und winkte ihn -hinweg, indem sie sich zum Schlummer hinstreckte. Antonio -betrachtete sie noch, dann ließ er die Feder die unsichtbare -Thür wieder einfugen, schlich die enge Wendeltreppe bis zu -seinem Gemache wieder hinan, stellte den Schrank an seine -vorige Stelle, und brach in heiße Thränen aus, als ihn der -Gesang der Nachtigall mit seinen schwellenden Klagetönen -bewillkommte. Auch er sehnte sich nach dem Tode, und -wünschte nur vorher diejenige, die noch vor wenigen Wochen -seine irdische Braut gewesen war, von ihrem wundersamen -schrecklichen Zustande zu erlösen. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Um seinem Lehrer auszuweichen, wenn er von seiner -Reise zurück käme, hatte Antonio die Schritte nach der einsamsten -Stelle des Waldes gelenkt. Es war ihm ungelegen, -daß ihm hier sein Freund, der Spanier, begegnete, denn er -war nicht gestimmt, ein Gespräch zu führen. Doch konnte -er dem Gespielen nicht mehr ausweichen, und so ergab er -sich in stiller Trauer der Gesellschaft, die ihm sonst erfreulich -<a id="page-343" class="pagenum" title="343"></a> -und tröstend gewesen war. Nur halb hörte er auf dessen -Reden, und erwiederte nur sparsam. Wie fast immer war -wieder Pietro der Gegenstand von Alfonso’s ungemessener -Bewunderung. Warum seid Ihr heut so karglaut? fing er -endlich verdrüßlich an: ist Euch meine Gesellschaft zuwider, -oder seid Ihr nicht mehr wie sonst fähig, unsern erhabenen -Lehrer zu verehren, und ihm den Preis zu geben, den er -verdient? -</p> - -<p> -Antonio mußte sich sammeln, um nicht ganz in seinen -träumenden Zustand zu versinken. Was ist Euch? fragte Alfonso -wieder, es scheint, daß ich Euch beleidigt habe. — -Ihr habt es nicht, rief der Florentiner, aber wenn Ihr -mich irgend liebt, wenn Ihr nicht meinen Zorn erregen -wollt, wenn nicht die bittersten Gefühle mein Herz zerreißen -sollen, so unterlaßt heut das Lobpreisen Eures vergötterten -Pietro. Sprechen wir von andern Gegenständen. -</p> - -<p> -Ha! bei Gott! rief Alfonso aus, die Pfaffen haben -Euch doch noch den schwachen Sinn umgewendet. Geht nur -fernerhin Eures Weges, junger Mensch, denn die Weisheit, -das seh’ ich nun wohl ein, ist Euch ein zu erhabenes Gut. -Euer Kopf ist dieser Kost zu schwach, und Ihr sehnt Euch -wieder nach den Kinderspeisen Eurer ehemaligen Seelenwärter. -Bleibt nur bei diesen so lange, bis Euch die Milchzähne -ausgefallen sind. -</p> - -<p> -Ihr sprecht übermüthig, rief Antonio erzürnt, oder vielmehr -wißt Ihr gar nicht, was Ihr sagt, und ich verdiene -das nicht um Euch. -</p> - -<p> -Wodurch verdient es unser Lehrer, sagte der Spanier -eifrig, der Euch wie ein Vater aufgenommen hat, der Euch -vor allen Jünglingen dieser Universität so hoch würdiget, -daß Ihr in seinem Hause wohnen dürft, der Euch sein innigstes -<a id="page-344" class="pagenum" title="344"></a> -Vertrauen schenkt, wodurch hat dieser es verschuldet, -daß Ihr ihn so kleinmüthig verleugnet? -</p> - -<p> -Wenn ich nun antworte, sprach Antonio zornig, daß -Ihr ihn nicht kennt, daß ich Ursache, und die vollständigste -habe, anders von ihm zu denken, so würdet Ihr mich wieder -nicht verstehn. -</p> - -<p> -Ihr seid wohl schon, sagte Alfonso höhnisch, so hoch in -seine geheime Philosophie hinein gestiegen, daß der gewöhnliche, -unbegünstigte Erdensohn Euch nicht zu folgen vermag? -Wieder zeigt es sich, daß das halbe und Viertel-Verdienst -sich am höchsten aufbläht. Pietro Abano ist demüthiger, als -Ihr, seine schwächliche Copie. -</p> - -<p> -Ihr seid ungezogen, rief der junge Florentiner in der -höchsten Erbitterung aus. Wenn ich Euch nun bei meiner -Ehre, bei meinem Glauben, beim Himmel und bei allem, -was mir und Euch heilig und ehrenwerth seyn muß, versichere, -daß es in ganz Italien, in Europa, keinen so -argen Bösewicht, keinen so verruchten Heuchler giebt als -diesen — -</p> - -<p> -Wen? schrie Alfonso. -</p> - -<p> -Pietro Abano, sagte Antonio gemäßigt: was würdet -Ihr dann sagen? -</p> - -<p> -Nichts, rief jener wüthend, der ihn nicht hatte endigen -lassen, als daß Ihr und jedermann, der dergleichen zu sprechen -wagt, der nichtswürdigste Schurke sei, der je das Heilige -zu lästern sich erfrechte. Zieht, wenn Ihr nicht eine -eben so verächtliche Memme, als ein niederträchtiger Verleumder -heißen wollt. -</p> - -<p> -Das gezogene Eisen begegnete dem Ausfordernden schon -eben so schnell, und es half nichts, daß ihnen eine heisere -ängstliche Stimme: Halt! zurief. Alfonso war in der Brust -verwundet, und zu gleicher Zeit rann Blut aus dem Arm -<a id="page-345" class="pagenum" title="345"></a> -Antonio’s. Der alte Priester, der die Erbitterten hatte -trennen wollen, eilte nun herbei, er verband die Wunden -und stillte das Blut, darauf rief er andere Studirende herzu, -die er in der Nähe schon gesehen hatte, die den ermatteten -Alfonso nach der Stadt führen sollten. Ehe sich dieser entfernte, -ging Antonio noch einmal zu ihm, und raunte ihm -ins Ohr: wenn Ihr ein Edelmann seid, so kommt von der -Ursache unsers Zwistes kein Wort über Eure Lippen. In -vier Tagen sprechen wir uns wieder, und wenn Ihr dann -nicht meiner Ueberzeugung seid, bin ich zu jeder Genugthuung -erbötig. -</p> - -<p> -Alfonso versprach feierlich, auch alle Umstehenden versicherten, -daß die Wunde so wie das Gefecht selbst verschwiegen -bleiben sollten, um den jungen Florentiner keiner Gefahr -auszusetzen. Als sich alle entfernt hatten, ging Antonio mit -dem Priester Theodor tiefer in den Wald. Warum, fing -dieser an, wollt Ihr Euch, eines Verdammten wegen, selber -der Hölle überliefern? Ich sehe, daß Ihr jetzt anderer Meinung -seid; aber ist das Schwert wohl der Redner, der andre -bekehren darf? — Antonio war ungewiß, in wie weit er sich -dem Mönche entdecken sollte, doch verschwieg er ihm noch -die wunderbare Begebenheit, welche er erlebt hatte, und bedung -sich nur die Erlaubniß aus, bei dem nahe bevorstehenden -Osterfeste, während des Hochamtes, durch die Sakristei -in der Nähe des Altars zum großen Tempel eingehen zu -dürfen. Nach einigen Einwürfen gab Theodor nach, ob er -gleich nicht begriff, was der Jüngling mit dieser Erlaubniß -bezwecken könne. Ich will einen Gast so in die Kirche einführen, -sagte dieser nur noch, dem man am großen Thor -den Eingang vielleicht versagen würde. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -<a id="page-346" class="pagenum" title="346"></a> -Alle Glocken der Stadt läuteten, um das heilige Osterfest -in Freuden und Andacht zu begehn. Das Volk strömte -nach dem Dom, um das froheste christliche Fest zu feiern, -und auch den berühmten Apone in seiner neuen Würde zu -erblicken. Die Studirenden begleiteten ihren berühmten Lehrer, -der vom Adel, dem Rath und der Bürgerschaft ehrfurchtvoll -begrüßt in anscheinender Frömmigkeit und Demuth -dahin wandelte, Allen ein Beispiel, der Stolz der Stadt, -das begeisternde Vorbild der Jugend. An der Thür des -Tempels wich das Gedränge in scheuer Verehrung zurück, -um dem Gefeierten Platz zu machen, der in der Tracht des -Prälaten, mit der goldenen Kette geschmückt, im weißen -Bart und lockigen Haupthaar einem Kaiser oder einem alten -Lehrer der Kirche in seinem majestätischen Anstande zu vergleichen -war. -</p> - -<p> -In der Nähe des Altars war dem berühmten Manne -ein erhobener Sitz zubereitet, daß Schüler und Volk ihn -sehn konnten, und als die Menge der Andächtigen in den -Tempel hereingeströmt war, begann das Hochamt. Theodor, -der kleine Priester, las an diesem Tage die Messe, und Jung -und Alt, Vornehm und Geringe war in Freudigkeit, das -Fest der Auferstehung des Herrn würdig zu begehn, den -wiederkehrenden Glanz zu schauen, und sich nach den Tagen -der strengen Fasten, nach den betrübenden Vorstellungen der -Leiden und des Schmerzes an dem Gefühl des wieder erwachten -Lebens zu trösten. -</p> - -<p> -Schon war der erste Theil des Gottesdienstes geendigt, -da sah man mit Erstaunen an der Seite des Altars Antonio -Cavalcanti in die Kirche treten, der eine dicht verschleierte -Figur an seiner Hand führte. Er stellte diese auf die Erhöhung, -dem Pietro dicht gegenüber, und warf sich dann -betend am Altare nieder. Die Verschleierte stand starr und -<a id="page-347" class="pagenum" title="347"></a> -hoch da, und man sah unter der Verhüllung die brennend -schwarzen Augen. Pietro erhob sich vom Sessel, und sank -bleich und zitternd in denselben zurück. Die Musik der Messe -strömte und wogte in volleren Accorden, jetzt wickelte sich die -Verhüllte langsam aus ihren Schleiern, das Antlitz war frei, -und die Nächsten erkannten mit Entsetzen die gestorbene -Crescentia. Ein Schauder ging durch die ganze Kirche, auch -die Fernsten faßte ein heimliches Grauen, das todtenbleiche -Bild so hoch dort stehn zu sehn, das so andächtig betete und -die großen feurigen Augen nicht vom Priester am Altar verwendete. -Auch der große mächtige Pietro schien in eine -Leiche verwandelt, man hätte ihn den entstellten Zügen nach -für todt halten können, wenn sich sein Leben nicht im heftigen -Zittern verrathen hätte. Nun wendete sich der Priester, -und erhob die geweihte Hostie, Trompeten verkündigten die -erneute Gegenwart des Herrn, und mit einem Jubelton, -mit hochentzücktem Antlitz, die Arme weit ausgebreitet, indem -sie laut Hosiannah! rief, daß die Kirche wiedertönte, -brach nun die bleiche Erscheinung zusammen, und lag todt, -starr und bewegungslos zu Pietro’s Füßen hingestürzt. Das -Volk lief hinzu, die Musik verstummte, Fragen, Verwundern, -Entsetzen und Schreck sprach und forschte aus jeder Miene, -der Adel und die Studirenden wollten den ehrwürdigen -Greis, der so tief erschüttert schien, trösten und unterstützen, -als Antonio mit gellendem Tone: Zeter! Zeter! schrie, und -die furchtbarste Anklage, die schrecklichste Erzählung begann, -die höllische Kunst, die verworfene Magie des zagenden Sünders -aufdeckte, von sich und Crescentia und ihrem schaudervollen -Wiederfinden sprach, so daß Zorn, Wuth, Verwünschung, -Abscheu und Fluch, wie ein stürmendes Meer, um -den Geängsteten tobte und ihn zu vernichten, im Wahnsinn -des Grimmes zu zerreißen drohte. Man sprach von Schergen -<a id="page-348" class="pagenum" title="348"></a> -und Fesseln, die Inquisitoren nahten, als sich Pietro -wie rasend erhub, mit geballten Fäusten um sich stieß und -schlug, und riesenhaft sich auszudehnen schien. Er trat zu -Crescentia’s Leichnam, der lächelnd wie das Bild einer Heiligen -dalag, betrachtete sie noch einmal, und ging dann -brüllend und mit funkelnden Augen durch die Menge. Ein -neues Entsetzen ergriff das Volk, man machte dem Ungeheuren -Platz, alles wich zurück. So kam Pietro auf die -freie Straße, doch nun besann sich der Pöbel, und mit Geschrei, -Verfluchung und Schimpfreden verfolgte er den Fliehenden, -der in Eil dahin rannte, indem sein Talar ihm -weit nachflog, und die goldne Kette schallend auf Brust und -Schultern schlug. Das Gesindel grub die Steine aus dem -Boden und warf nach ihm, da es ihn nicht einholen konnte, -und verwundet, blutend, triefend von Schweiß, die Zähne -klappend vor Angst erreichte Pietro endlich die Schwelle -seines Hauses. -</p> - -<p> -Er verbarg sich in den innersten Gemächern, und der -neugierige Beresynth trat fragend und forschend dem Pöbel -und dem Andrang des Volkes entgegen. Nehmt die Teufelslarve, -den Famulus, schrieen alle, zerreißt den Gottvergessenen, -der nie eine Kirche besucht hat! Er wurde in die Straße -geführt und gestoßen, auf seine Fragen, Bitten, auf sein -Heulen und Schreien ward ihm keine Antwort, auch vernahm -man in dem stürmenden Getümmel nichts anders als Flüche -und Todesdrohung. Bringt mich ins Verhör! schrie endlich -der Zwerg, da wird meine Unschuld offenbar werden! Die -herbeigerufenen Schergen ergriffen ihn, und führten ihn -nach dem Gefängniß. Alles Volk drängte sich nach. Hier -hinein! rief der Anführer der Häscher, Ketten und Holzstoß -warten Deiner. Er wollte sich losreißen, die Schergen packten -ihn und stießen ihn hin und her, der faßte ihn am -<a id="page-349" class="pagenum" title="349"></a> -Kragen, jener am Arm, der hing sich an sein Bein, um -ihn fest zu halten, ein anderer packte den Kopf, um seiner -gewiß zu werden. Indem sie ihn so unter Geschrei, Fluchen -und Lachen hin und wieder zerrten, fuhren alle plötzlich auseinander, -denn jeder hatte nur ein Kleidungsstück, Aermel, -Mütze oder Schuh des Mißgeschaffenen, er selbst war nirgend -zu sehn. Entflohen konnte er nicht seyn, er schien verschwunden, -doch keiner begriff wie. -</p> - -<p> -Als man Apone’s Zimmer erbrochen hatte, fanden ihn -die Eindringenden todt und verblutet auf seinem Bette liegen. -Man plünderte das Haus, die magischen Instrumente, -die Bücher, der seltsame Hausrath, alles wurde den Flammen -übergeben, und durch die ganze Stadt erscholl nichts -als Verfluchung des Mannes, den gestern noch alle wie einen -Abgesandten der Gottheit verehrt hatten. Der Abscheu, mit -welchem sie sich von dem Trugbild wendeten, war nun um -so größer. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Als sich das Getümmel des aufgeregten Volkes etwas -beruhigt hatte, wurde der Leichnam Pietro’s still in der -Nacht, außerhalb des geweihten Kirchhofes, beigesetzt. Antonio -und Alfonso versöhnten sich wieder, und schlossen sich -dem frommen Theodor an, der zum zweitenmal, mit Feierlichkeit -und einer andächtigen Rede, den Leichnam der schönen -Crescentia in die ihr bestimmte Gruft legen ließ. Antonio -konnte nun nicht länger in Padua bleiben, er wollte -seine Vaterstadt wieder besuchen, um seine Angelegenheiten -zu ordnen, und sich dann vielleicht in einem Kloster aufnehmen -zu lassen. Alfonso faßte den Entschluß, nach Rom zu -wallfahrten, wohin der heilige Vater ein Jubeljahr und Ablaß -von Sünden ausgeschrieben hatte. Nicht nur in Italien -<a id="page-350" class="pagenum" title="350"></a> -regte sich alles, sondern auch aus Frankreich, Deutschland -und Spanien kamen viele Züge von Pilgrimmen an, um -diese bis dahin unerhörte Feierlichkeit, dieses große Kirchenfest -in der heiligen Stadt zu begehn. -</p> - -<p> -Nachdem die Freunde sich getrennt hatten, verfolgte -Antonio seine einsame Bahn, denn er vermied die große -Straße, theils um seiner Schwermuth desto ungestörter nachhängen -zu können, theils um die Schwärme zu vermeiden, -die sich auf dem großen Wege drängten, und in den Nachtlagern -beschwerlich fielen. -</p> - -<p> -So seiner Laune folgend, streifte er durch die Fluren -und die Thäler des Apennins. Einst ging die Sonne unter, -und keine Herberge wollte sich zeigen. Indem die Schatten -dichter wuchsen, hörte er seitwärts im Walde das Glöcklein -eines Einsiedlers schallen. Er ging dem Tone nach und gelangte, -als die Dunkelheit der Nacht schon hereingebrochen -war, an die kleine Hütte, zu welcher ein schmaler Steg von -Brettern über den Bach in das Buschwerk hinein führte. -Er fand einen alten gebrechlichen Greis in tiefster Andacht -vor einem Crucifixe betend. Der Einsiedler nahm den Jüngling, -der ihn freundlich begrüßte, mit Wohlwollen auf, bereitete -ihm im Felsen, der durch eine Thür von der Einsiedelei -getrennt war, ein Lager auf Moos, und setzte ihm -von seinen Früchten, Wasser und etwas Wein vor. Als -Antonio erquickt war, erfreute er sich am Gespräche des -Mönchs, der früher in der Welt gelebt und als Soldat -manchen Feldzug mitgemacht hatte. So war es tiefe Nacht -geworden, und der Jüngling begab sich zur Ruhe, indem -ein anderer kranker und schwacher Mönch hereintrat, der mit -dem Einsiedler in Gebeten die Nacht zubringen wollte. -</p> - -<p> -Als Antonio eine Stunde geruht hatte, fuhr er plötzlich -aus dem Schlafe auf. Ihm dünkte, er vernähme laute -<a id="page-351" class="pagenum" title="351"></a> -Stimmen und Streit. Er richtete sich empor, und es blieb -ihm über das Gezänk und den Wortwechsel kein Zweifel -übrig. Auch die Töne schienen ihm bekannt, und er fragte -sich selber, ob er nicht träume. Er näherte sich der Thüre -und entdeckte eine Spalte, durch welche er in den vordern -Raum schauen konnte. Wie erstaunte er, als er Pietro -Abano gewahr wurde, den er für gestorben halten mußte, -der mit zornigen Augen und rothem Antlitz laut sprach und -sich in heftigen Geberden bewegte. Ihm gegenüber stand die -Fratze des kleinen Beresynth. Also Euren Verfolger, rief -dieser mit krächzender Stimme, der Euch unglücklich gemacht, -den verliebten frommen Narren, habt Ihr hier in Eurem -Hause? der ist von selbst, wie ein Kaninchen, zu Euch in -die Grube gefallen? Und Ihr zögert noch, ihn abzuschlachten? -— Schweig, rief die große Figur, ich habe mich schon -mit meinen Geistern berathen, sie wollen nicht einwilligen, -ich kann ihm nichts anhaben, denn er ist in keiner Sünde -befangen. — So schlagt ihn, sagte der Kleine, ohne Eure -Geister, mit Euren eigenen huldreichen Händen todt, so -wird ihm seine Tugend und Sündenlosigkeit nicht viel helfen, -und ich müßte ein elender Diener seyn, wenn ich Euch -in so löblicher That nicht beistehen sollte. — So laß uns, -rief Pietro, an das Werk gehn, nimm den Hammer Du, -ich führe das Beil, jetzt schläft er fest. — Sie näherten sich -der Thür, doch Antonio riß diese auf, um den Bösewichtern -muthig entgegen zu treten. Er hatte sein Schwert gezogen, -aber er blieb wie eine Bildsäule, mit aufgehobenem Arme -stehn, als er zwei kranke, gebrechliche Einsiedler auf den -Knieen vor dem Kreuze liegend fand, die ihre Gebete murmelten. -Wollt Ihr etwas? fragte ihn sein Wirth, der sich -mühsam vom Boden erhob. Antonio konnte verwundert keine -Antwort geben. Warum das Schwert? fragte der gebückte, -<a id="page-352" class="pagenum" title="352"></a> -schwache Eremit; wozu diese feindlichen Blicke? Antonio zog -sich zurück mit der Entschuldigung, daß ihn ein böser Traum -erschreckt und geängstigt habe. Er konnte nicht wieder einschlafen, -so verstört waren seine Sinne. Da vernahm er -wieder deutlich Beresynths krähende Stimme, und Pietro -sagte mit vollem klaren Tone: laß ab, denn Du siehst, er -ist bewaffnet und gewarnt, er wird sich dem Schlafe nicht -von neuem überlassen. — Wir müssen ihn überwältigen! -schrie der Kleine, da er uns nun wieder erkannt hat, sind -wir ja auf alle Weise verloren! Der Knecht giebt uns morgen -der Inquisition an, und das Volk ist auch dann gleich -mit dem Verbrennen bei der Hand. -</p> - -<p> -Durch die zerrissene Thür erkannte er die beiden Zauberer. -Er stürzte wieder mit gezogenem Schwerte hinein, -und fand wieder zwei kranke Alte, im Gebete flehend, am -Boden liegen. Erbittert über die Truggestalten ergriff er -sie in seine Arme, und rang kräftig mit ihnen, sie wehrten -sich verzweifelnd, bald war es Pietro, bald der Eremit, bald -das Gespenst Beresynth, bald ein kranker Greis. Unter -Geschrei, Toben, Fluchen und Wehklagen gelang es ihm -endlich, sie aus der Zelle zu werfen, die er dann fest verriegelte. -Nun hörte er draußen Gewinsel, Bitten und Aechzen, -dazwischen ein Flüstern von vielen Stimmen, Gesang -und Geheul, nachher schien Regen und Sturm sich aufzumachen -und ein fernes Gewitter grollte zwischen das mannigfache -Getöse. Betäubt schlief endlich Antonio, auf sein -Schwert gelehnt, vor dem Crucifixe ruhend ein, und als ihn -der kalte Morgenwind erweckte, fand er sich auf der höchsten -Spitze einer schmalen Klippe, mitten im dicken Walde wieder, -und glaubte, hinter sich ein Hohngelächter zu vernehmen. -Nur mit Lebensgefahr gelang es ihm, von der schroffen -Höhe hinab zu klimmen, indem er die Kleider zerriß und -<a id="page-353" class="pagenum" title="353"></a> -Antlitz und Hand und Fuß verwundete. Mühselig mußte -er durch die Wälder irren, kein Mensch war zu errufen, -keine Hütte, so oft er auch die Anhöhe bestieg, weit umher -zu entdecken. Erst in der Nacht traf er, von Müdigkeit, -Hunger und Erschöpfung aufgelöst, auf einen alten Köhler, -der ihn in seiner kleinen Hütte erquickte. Er erfuhr, daß -er von jener Einsiedelei, die er gestern getroffen hatte, wohl -zwölf Meilen und mehr entfernt sei. Erst spät am folgenden -Tage konnte er, etwas gestärkt und ermuntert, seine Reise -nach Florenz wieder fortsetzen. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Antonio hatte sich nach Florenz begeben, um seine Verwandten -und sein väterliches Haus wieder zu besuchen. Er -konnte sich nicht entscheiden, welchen Lebenslauf er beginnen -sollte, da ihm alles Glück des Daseins so treulos geworden -war, da sich die Wirklichkeit ihm nur als ein wilder Traum -erwiesen hatte. Er ordnete seine Angelegenheiten und ergab -sich in dem großen väterlichen Palaste dem Gram, um in -jener Grotte, in den wohlbekannten Zimmern sein Unglück -und das seiner Eltern sich recht lebhaft zu vergegenwärtigen. -Er gedachte jener scheußlichen Hexe, die in sein Verhängniß -verflochten, und jener Crescentia, die ihm eben so wunderbar -wie seine Braut erschienen und wieder verschwunden -war. Hätte er nur irgend eine Hoffnung fassen können, so -wäre es ihm möglich gewesen, sich mit dem Leben wieder -auszusöhnen. Endlich ging ihm der Wunsch, wie ein blasser -Stern, in seiner Seele auf, nach Rom zu wallfahrten, welches -er noch nicht kannte, dort an den Gnaden der Gläubigen -Theil zu nehmen, die berühmten Kirchen und Heiligthümer -zu besuchen, sich in der wogenden Volksmenge, in -dem Gedränge der unzähligen Fremden, die aus allen Theilen -<a id="page-354" class="pagenum" title="354"></a> -der Erde dorthin zogen, zu <a id="corr-14"></a>zerstreuen, und seinen Freund -Alfonso auszuforschen. Er vermuthete auch, den alten Ambrosio -in der großen Stadt anzutreffen, sich von diesem Leidenden, -der ihm Vater hatte werden wollen, trösten zu lassen, -und dem Bekümmerten wohl auch Trost gewähren zu -können. Mit diesen Gesinnungen und Erwartungen machte -er sich auf den Weg und langte nach einiger Zeit in Rom an. -</p> - -<p> -Er erstaunte, als er in die große Stadt eintrat. So -hatte er sich ihre Macht, ihre Denkmäler, und das Getümmel -der unzähligen Fremden nicht vorgestellt. Hier war es -ein Wunder zu nennen, einen Freund oder Bekannten aufzufinden, -wenn man seine Wohnung nicht schon genau bezeichnen -konnte. Und doch begegnete ihm dieser wunderbare -Zufall, daß er den Ambrosio plötzlich antraf, indem er das -Kapitol hinaufsteigen wollte, von welchem der Alte niederschritt. -Der Podesta nahm ihn sogleich mit in seine Wohnung, -in welcher Antonio die trauernde Mutter begrüßte. -Der Ruf von dem seltsamen Ende Pietro’s, von der Wiederbelebung -Crescentia’s und ihrem Hinscheiden war schon bis -Rom erschollen, diese wunderbare Geschichte war im Munde -aller Pilger, entstellt, mit verworrenen Zusätzen und Widersprüchen, -von der oftmaligen Wiederholung bis zu ihrem -eigenen Gegentheil ausgebildet. Die Eltern hörten mit -Freude und Schmerz die Begebenheit aus Antonio’s Munde, -so furchtbar das Entsetzen auch beide, vorzüglich die Mutter, -ergriff, die mit Abscheu den alten scheinheiligen Magier verwünschte, -von dem sie in ihrer Erbitterung selbst zu glauben -schien, daß er den Tod ihrer Tochter, vielleicht sogar von -der Familie Markoni erkauft, herbeigeführt habe, um die -Leiche nur wieder zu seinem wahnsinnigen Frevel erwecken -zu können. -</p> - -<p> -Ueberlassen wir, sagte der Alte, alles dem Himmel; -<a id="page-355" class="pagenum" title="355"></a> -was geschah und stadt- und landkundig wurde, ist erschrecklich -genug, um nicht andere, die doch vielleicht unschuldig -sind, in diese ungeheure Bosheit zu verwickeln. Mag es -sich mit den Markonis verhalten, wie es wolle, so bin ich -wenigstens dahin entschlossen, ihnen das Erbe meines Vermögens -zu entziehen. Durch meine Beschützer hier werde ich -es möglich machen, meine Besitzungen Klöstern oder frommen -Stiftungen zu übertragen, und mein Lebensüberdruß -bewegt mich vielleicht, selbst als Mönch oder Klausner mein -Leben zu enden. -</p> - -<p> -Wie aber, wandte die Mutter mit Thränen ein, wenn es -doch noch möglich wäre, jene zweite Crescentia, von der uns -Antonio erzählt hat, wieder aufzufinden? Das Kind wurde -mir in Deiner Abwesenheit auf eine unbegreifliche Art geraubt, -jene Hexe, die die Markonis in jener Nacht genannt -hat, die Aehnlichkeit, alles, alles trifft ja so seltsam überein, -daß wir die Hoffnung, das allerhöchste Gut des Lebens, nicht -zu früh, nicht übereilt aus Verzweiflung aufgeben sollen. -</p> - -<p> -Gute Eudoxia, sagte der Vater, laß, laß alle jene -Träume, Sagen und Einbildungen fahren, für uns ist auf -dieser Erde nichts mehr gewiß, als der Tod, und daß dieser -fromm und sanft sei, müssen wir wünschen und vom Himmel -erflehen. -</p> - -<p> -Und wenn nun nachher, und zu spät, rief die Mutter -aus, unser armes verwaistes Kind sich wieder finden sollte, -dürfte uns die Unglückselige nicht mit Recht schelten, daß -wir der Barmherzigkeit des Himmels nicht vertraut, und -ihr Wiederkommen mit etwas mehr Ruhe und Geduld abgewartet -haben? -</p> - -<p> -Ambrosio warf einen finstern Blick auf den Jüngling -und sagte dann: es gehört noch zur Vergrößerung unsers -Elends, daß Ihr die Arme mit Euren kranken Einbildungen -<a id="page-356" class="pagenum" title="356"></a> -angesteckt, und ihr dadurch die letzte Ruhe des Lebens geraubt -habt. -</p> - -<p> -Wie meint Ihr das? fragte Antonio. -</p> - -<p> -Junger Mann, antwortete der Vater, schon seit jenem -Ritt durch Feld und Wald, wo Ihr mir jenes Mährchen -aufgeheftet, das Euch in der vorigen Nacht begegnet seyn -sollte — -</p> - -<p> -Herr Ambrosio! rief Antonio, und seine Hand fiel unwillkührlich -auf sein Schwert. -</p> - -<p> -Laßt das, fuhr der Alte gelassen fort, fern sei es von -mir, Euch einer Lüge bezüchtigen zu wollen, ich kenne ja seit -lange Euren Edelmuth, wie Eure Wahrheitsliebe. Aber ist -es Euch denn nicht, armer Jüngling, ohne meine Erinnerung -beigefallen, daß seit jener Nacht, als Ihr dem Sarge meiner -Tochter begegnetet, die Ihr am folgenden Tage als Braut -heimzuführen gedachtet, Eure Sinne in Unordnung gerathen -sind, Eure Vernunft geschwächt ist? In der einsamen Nacht, -im Gewitter, in aufgeregter Leidenschaft, glaubtet Ihr die -Gestorbene wieder zu sehen, daran knüpfte sich die Erinnerung -an Euren unglücklichen Vater, an Eure früh gestorbene Mutter. -So entstanden Euch jene Gebilde, und setzten sich in -Eurem Gehirn fest. Fanden wir denn wohl eine Spur jener -Hütte? Wußte uns irgend ein Mensch in der Umgegend von -jenen getödteten Bewohnern zu sagen? Jenes furchtbare Erscheinen -meiner wahren Tochter, an welches ich wohl glauben -muß, ist allein hinreichend, auch das kälteste Gefühl bis zum -Wahnsinn zu treiben, und soll ich mich nun verwundern, -wenn Ihr wieder etwas Unmögliches erlebt haben wollt, daß -Ihr im Gebirge den gestorbenen Pietro wiedergefunden, und -ihn nicht erkannt habt, daß jenes fast lächerliche Gaukelspiel -mit Euch vorgenommen sei, das Ihr uns eben so bestimmt -erzählt habt? Nein, junger Freund, Gram und Schmerz -<a id="page-357" class="pagenum" title="357"></a> -haben Euren gesunden Sinn zerrüttet, daß Ihr nun Dinge -seht und glaubt, die nicht in der Wirklichkeit sind. -</p> - -<p> -Antonio war verlegen und wußte nicht, was er antworten -sollte. Wie sehr ihn der Verlust seiner Geliebten in -allen seinen Seelenkräften erschüttert hatte, so war er sich -doch der erlebten Begebenheiten zu deutlich bewußt, um sie -auf diese Weise in Zweifel ziehen zu können. Er fühlte einen -neuen Trieb zur Thätigkeit, er wünschte wenigstens darthun -zu können, daß die Geschichte jener Nacht kein Traumbild, -daß jene zweite Crescentia ein wirkliches Wesen sei, und -darum war es sein lebhaftester Wunsch, sie wiederzufinden, -um sie den trauernden Eltern zurück zu geben, oder Ambrosio -wenigstens beschämen zu können. In dieser Stimmung -verließ er den alten Freund, und streifte durch die -Stadt, allenthalben vom Gewühl des Volks gedrängt und -vom mannigfaltigen Geschrei, Fragen und Erzählen in allen -Sprachen betäubt. So war er von den Massen geschoben -und gestoßen bis zum Lateran fortgetrieben worden, als er -ganz deutlich, aber fern, so wie sich zu Zeiten das Gewühl -etwas öffnete, jene häßliche Alte wahrzunehmen glaubte, die -Mutter des schönen Mädchens, die ebenfalls Crescentia -genannt wurde. Er strebte nun in ihre Nähe zu kommen, -und es schien ihm schon zu gelingen, als ein entgegenströmender -Zug von Pilgern ihn wieder völlig von jener Erscheinung -abschnitt, und alles weitere Vordringen unmöglich -machte. Indem er am heftigsten kämpfte und sich auf die -Stufen des Tempels des heiligen Johannes empor arbeitete, -um weiter um sich sehn zu können, fühlte er einen freundlichen -Schlag einer Hand auf seiner Schulter, und eine bekannte -Stimme nannte seinen Namen. Es war der Spanier -Alfonso. So finde ich Dich also genau an der Stelle, -sagte er freudig, wo ich Dich zu finden hoffte? -</p> - -<p> -<a id="page-358" class="pagenum" title="358"></a> -Wie meinst Du das? fragte Antonio. -</p> - -<p> -Laß uns nur aus dem Gedränge und dieser Strömung -kommen, rief jener, hier vernimmt man vor tausendfältigem -Sprechen, und vor dem Gesumme der ungeheuren babylonischen -Verwirrung kein Wort. -</p> - -<p> -Sie begaben sich in das Gefilde, und hier eröffnete ihm -Alfonso, daß, seitdem er sich in Rom befinde, er sich der -Wissenschaft der Astrologie, der Wahrsagekunst und ähnlichen -Dingen ergeben habe, die er vormals gehaßt, weil er der -Ueberzeugung gewesen, sie könnten nur durch verdammliche -Mittel und Hülfe der bösen Geister errungen werden. Seit -ich aber, fuhr er fort, die Bekanntschaft des unvergleichlichen -Castalio gemacht habe, erscheint mir dies Wissen in einem -gar höheren und verklärteren Lichte. -</p> - -<p> -Ist es möglich, rief Antonio aus, daß nach jener furchtbaren -Begebenheit in Padua Du Deine Seele doch wieder -der Gefahr bloß stellen kannst? Dir leuchtet nicht ein, daß -dasjenige, was auf natürlichem Wege und mittelst der Vernunft -zu erreichen steht, nicht der Mühe verlohnt, weil es -geringfügige Künste sind, die nur Scherz und Gelächter veranlassen -können; alles Höhere aber, welches nicht auf leere -Täuschung hinausgeht, allerdings nur durch böse und verdammliche -Kräfte aufzuregen ist? -</p> - -<p> -Eifern, sagte der Spanier, ist kein Beweisen; wir sind -noch zu jung, um unsere Natur ganz zu verstehn, viel weniger -die übrige Welt und alle Geheimnisse zu fassen. Siehst -Du den Mann, dem ich so viel zu verdanken habe, so werden -alle Deine Zweifel verschwinden. Fromm, einfach, ja -kindlich, wie er ist, leuchtet uns aus jedem seiner Blicke das -schönste Vertrauen entgegen. -</p> - -<p> -Und wie war es mit jenem Apone? warf Antonio ein. -</p> - -<p> -Der, erwiederte der Freund, wollte ja doch wie ein -<a id="page-359" class="pagenum" title="359"></a> -überirdisches Wesen auftreten, er bestrebte sich mit Kunst und -Bewußtsein, als ein Abgesandter des Himmels zu erscheinen, -und mit erkünsteltem Glanz die gewöhnlichen Söhne der -Menschen zu blenden. Er erfreute sich des Pompes, er ließ -sich zwar herab, aber nur, um den ungeheuren Abstand zwischen -ihm und uns noch fühlbarer zu machen. Schwelgte er -nicht in der Bewunderung, die ihm Vornehm und Gering, -Jugend und Alter zollen mußten? Aber mein jetziger Freund -(denn das ist er, weil er sich mir ganz gleich stellt) will -nicht groß und erhaben erscheinen, er belächelt dies Bestreben -so vieler Menschen, und meint, schon dies leiste Gewähr, -daß etwas Unächtes, Gebrechliches verhüllt werden solle, denn -ein klares Bewußtsein wolle nur gelten als das, was es sich -fühlt, und der größte der Sterblichen müsse sich ja doch gestehn, -daß er eben so, wie der blödsinnige Bettler auch, nur -ein Sohn des Staubes sei. -</p> - -<p> -Du machst mich begierig, sagte Antonio: er kennt also -Zukunft und Vergangenheit? Die Schicksale der Menschen? -Und weiß mir zu sagen, wie glücklich oder unglücklich noch -meine Verhängnisse seyn werden? Ob gewisse, geheimnißvolle -Wünsche sich erfüllen können? Kann er denn errathen -und entziffern, was mir selbst in meiner eigenen Geschichte -undeutlich ist? -</p> - -<p> -Das eben ist seine Weisheit, sagte Alfonso begeistert, -daß er durch Buchstaben und Zahlen auf die einfachste und -unschuldigste Weise alles erfährt, wozu jene Unglückseligen -Beschwörungen, Formeln, Heulen, Geschrei und Todesangst -anwenden müssen. Darum findest Du auch jenen widerwärtigen -Zauberapparat nicht bei ihm: keine Kristalle und -eingesperrte Geister, keine Spiegel und Gerippe, kein Rauchwerk -und keine fratzenhaften Phantome, sondern er ist sich -selbst genug. Ich sagte ihm von Dir, und er fand in seiner -<a id="page-360" class="pagenum" title="360"></a> -Rechnung, daß ich Dich heut, in dieser Stunde auf den -Stufen der Lateranskirche ganz gewiß antreffen würde. So -ist es nun auch in derselben Minute geschehn. -</p> - -<p> -Antonio wurde begierig, den wunderbegabten Mann -kennen zu lernen, und von ihm sein eigenes Schicksal zu erfahren. -Sie speisten in einem Garten und gingen gegen -Abend zur Stadt zurück. Die Straßen waren etwas mehr -beruhigt, sie konnten ungestörter ihren Weg fortsetzen. In -der Dämmerung kamen sie in die Gassen, die sich eng hinter -dem Grabmal des Augustus zogen. Sie schritten durch -ein Gärtchen: ein freundliches Licht schimmerte ihnen aus -den Fenstern eines kleinen Hauses entgegen. Sie zogen die -Glocke, die Thür öffnete sich, und mit den sonderbarsten und -gespanntesten Erwartungen trat Antonio mit seinem Freunde -in den Saal. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Antonio war verwundert, einen schlichten, nicht großen -jungen Mann vor sich zu sehen, der noch, dem Anschein -nach, nicht viel über dreißig Jahre alt seyn konnte. Mit -einfacher Geberde begrüßte er den eintretenden Jüngling wie -einen alten Bekannten. Seid mir willkommen, sprach er mit -wohllautender Stimme, Euer spanischer Freund hat mir so viel -Gutes von Euch gesagt, daß ich mich schon längst auf Euren -Umgang gefreut habe. Nur müßt Ihr freilich nicht wähnen, -daß Ihr zu einem Weisen, zu einem Adepten gekommen seid, -oder gar zu einem Manne, vor welchem die Hölle in ihren -Grundfesten zittert, sondern Ihr findet hier einen Sterblichen, -wie Ihr seid und werden könnt, so wie jeder, den -die ernsten Studien und die Entfernung vom eitlen Weltgetümmel -nicht abschrecken. -</p> - -<p> -Antonio fühlte sich wohl und behaglich, so sehr er auch -<a id="page-361" class="pagenum" title="361"></a> -überrascht war, er musterte die Stube, die, außer einigen -Büchern und einer Laute, nichts Ungewöhnliches aufwies. -Er verglich in Gedanken dieses kleine Haus und seinen schlichten -Bewohner mit dem Palaste und Gepränge, den Instrumenten -und den Geheimnissen seines ehemaligen Lehrers und -sagte: freilich sieht man hier keine Spuren jener hohen und -geheimen Weisheit, die mir mein Freund gerühmt und in -welcher Ihr untrüglich seyn sollt. -</p> - -<p> -Castalio lachte herzlich und sagte dann: Nein, mein -junger Freund, nicht untrüglich, denn so weit kommt kein -Sterblicher. Seht Euch nur um, dieses ist mein Wohnzimmer, -dort in jener kleinen Kammer steht mein Bett; hier -ist weder Raum noch Möglichkeit, trügerische Anstalten zu -verbergen, oder künstliche Maschinen in Thätigkeit zu setzen. -Alle jene Kreise, Gläser, Himmelsgloben und Sternbilder, -die jene Beschwörer zu ihren Künsten nöthig haben, finden -hier keinen Platz, und jene Elenden werden auch nur vom -Geist der Lüge hintergangen, weil sie die Kräfte ihres eignen -Geistes nicht wollen kennen lernen. Wer aber in die Tiefen -seiner Seele, von Demuth und frommen Sinn geleitet, steigt, -wem es Ernst ist, sich selbst zu erkennen, der findet auch -hier alles, was er vergebens durch künstliche und verzweifelte -Mittel von Himmel und Hölle erzwingen will. „Werdet -wie die Kinder!“ In diesem Aufruf liegt das ganze Geheimniß -verborgen. Ist unser Gemüth ungefälscht, können -wir, wenn auch nur auf Stunden und Augenblicke, das -wieder von uns werfen, welches unsre ersten Eltern mit -frevlem Muthwillen an sich zogen, so wandeln wir wieder -im Paradiese und die Natur mit allen ihren Kräften tritt -wie damals, im bräutlichen Jugendalter der Welt, dem verklärten -Menschen entgegen. Ist denn unser Geist nicht eben -dadurch Geist, daß körperliche Schranken, verwirrender Raum -<a id="page-362" class="pagenum" title="362"></a> -und Zeit, ihn nicht hemmen sollen? Er schwingt sich ja schon, -von Sehnsucht und Andacht beflügelt, über alle Sternenräume -hinaus, nichts hemmt seinen Flug, als jene Erdengewalt, -die sich in der Sünde erst auf ihn geworfen, und -ihn zu ihrem Knechte gemacht hat. Diese können und sollen -wir aber wieder bezwingen, durch Gebet, durch Zerknirschung -vor dem Herrn, durch Erkennen unsrer großen Schuld und -durch ungemessene Dankbarkeit für seine überschwengliche Liebe, -und dann sehn und hören wir, was sich uns durch Raum -und Zeit entzieht, wir sind dort und hier, die Zukunft tritt -heran, und schüttet, so wie die Vergangenheit, ihre Geheimnisse -vor uns aus, das ganze Reich des Wissens, Begreifens -steht uns offen, die himmlischen Kräfte werden freiwillig -unsre Diener; und dennoch ist dem ächten Weisen Ein Blick -in die Geheimnisse der Gottheit, Eine Rührung seines Herzens, -indem er ihre Liebe fühlt, mehr und wünschenswerther, -als alle Schätze, die sich dem forschenden Geiste bieten, als -alle Enthüllungen der Geschichte und Gegenwart, als die -Kniebeugungen von tausend Engeln, die ihn ihren Meister -nennen wollen. -</p> - -<p> -Alfonso sah seinen Freund mit begeisterten Blicken an, -und Antonio konnte sich nicht erwehren, sich zu gestehn, daß -ihm hier im Gewande einfacher Demuth mehr entgegen komme, -als ihn aus Apone’s Munde, zur Zeit seiner größten Verehrung -des prunkenden Weltweisen, jemals angesprochen hatte. -Faßte er doch jetzt die Ueberzeugung, daß die Weisheit, welche -man die übernatürliche nennt, sich wohl mit Frömmigkeit -und der völligen Ergebung in den Herrn vereinigen lasse. -</p> - -<p> -Wißt Ihr nun von meinen Schicksalen? fragte der -Jüngling bewegt; könnt Ihr mir von meiner Zukunft etwas -sagen? -</p> - -<p> -Wenn ich das Jahr, den Tag und die Stunde Eurer -<a id="page-363" class="pagenum" title="363"></a> -Geburt weiß, antwortete Castalio, mit dem Horoskop, das -ich dann stelle, die Lineamente Eures Antlitzes und die Züge -Eurer Hand vergleiche, nachher mit meinem freien Geiste -mich der Anschauung ergebe, so zweifle ich kaum, Euch etwas -davon offenbaren zu können. -</p> - -<p> -Antonio übergab ihm ein Taschenbuch, in welchem sein -Vater selbst seine Geburtsstunde bemerkt hatte. Castalio -schenkte den Jünglingen Wein ein, indem er selber ein wenig -von diesem genoß, schlug einige Bücher auf und setzte -sich alsdann zum Rechnen nieder, ohne nebenher seine Gespräche -mit den Jünglingen völlig abzubrechen. Es schien -nur, als wenn der junge heitre Mann ein ganz gewöhnliches -Geschäft vornehme, das bei weitem nicht seine ganze Aufmerksamkeit -erfordere. So mochte unter Lachen und fröhlichen -Gesprächen eine Stunde verflossen seyn, als Castalio -aufstand und Antonio zu sich in ein Fenster winkte. Ich -weiß nicht, fing er an, wie viel Ihr Eurem Freunde dort -vertraut, was Ihr ihm etwa verschweigen wollt. Er betrachtete -hierauf Antonio’s Gesicht, so wie seine Hände sehr -aufmerksam, und erzählte ihm dann zusammenhängend die -Geschichte und das Unglück seiner Eltern, den frühen gewaltsamen -Tod der Mutter, die verirrte Leidenschaft des Vaters, -dessen Ermordung durch seinen frevelhaften Mitschuldigen: -hierauf kam er auf Antonio’s eigne Begebenheiten, wie er -den Mörder gesucht und verfolgt, und selbst von einer Leidenschaft -in Padua sei festgehalten worden. Ihr seid also, -beschloß er, was ich nicht ohne Erstaunen erfahren habe, jener -Jüngling, der jüngst die Bosheit des verruchten Apone -auf wunderbare Weise entdeckt hat, der den Schändlichen -seiner Strafe überlieferte, obgleich er selbst nur um so unglücklicher -wurde, weil er seine Geliebte zweimal auf entsetzliche -Weise verlieren mußte. -</p> - -<p> -<a id="page-364" class="pagenum" title="364"></a> -Antonio bestätigte dem freundlichen Manne alles, und -hatte ein solches Zutrauen zu ihm gewonnen, daß es ihm -war, als wenn er nur mit sich selber spräche. Er erzählte -ihm hierauf noch von den Abentheuern jener Nacht, der -zweiten Crescentia und jener widerlichen Hexe, die ihm, wie -er glauben müsse, heute von neuem erschienen sei. Könnt -Ihr mir nun, fragte er eifrig, sagen, ob dieses Wahrheit -sei, wer jene Crescentia ist, ob ich sie wiedersehn und ihren -Eltern zuführen werde? -</p> - -<p> -Castalio war nachdenklicher als zuvor. Wenn jener -abentheuerliche Beresynth, die Fratze, welche den Zauberer -begleitete, sich nicht als Weib verstellt hat, um den Nachforschungen -zu entgehn, so getraue ich mir dieses Weib aufzufinden. -Geduldet Euch nur bis morgen und ich sage Euch -Bescheid. Uebrigens sind die Begebenheiten jener Nacht keine -Phantasien Eures Innern, sondern Wirklichkeit gewesen, damit -mögt Ihr fürs Erste Euch und Euren ältern Freund beruhigen. -</p> - -<p> -Nachdenkend verließen die jungen Leute den wunderbaren -Mann, und Antonio dankte dem Spanier herzlich, daß er -ihm diese Bekanntschaft verschafft hatte. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Antonio hatte sich aber nicht getäuscht. Es war wirklich -die Alte, die er im Gedränge wahrgenommen hatte. -Sie wohnte in einer kleinen Hütte, hinter verfallenen Häusern, -unweit des Laterans. Verfolgt, dürftig, von aller -Welt verlassen, gehaßt und gefürchtet, war sie hier, im -Aufenthalte des Elendes, der Verzweiflung nahe. Sie wagte -es nur selten, sich zu zeigen, und war auch nur an diesem -Tage gezwungen worden, auszugehn, um ihre Crescentia, -die ihr entlaufen war, wieder zu finden. Da jedermann ihr -scheu aus dem Wege ging, da es ihr selbst schwer wurde, -nur hie und da ein Almosen zu erhalten, und ihre ehemaligen -<a id="page-365" class="pagenum" title="365"></a> -Künste keine Liebhaber fanden, so war sie nicht wenig -erstaunt, als sie am Abend an ihre Thür klopfen hörte, indem -draußen Geschrei und Lärmen tobte. Sie nahm ihre -Lampe und machte auf, und sah draußen ein Rudel Gassenjungen -und Pöbel, die eine kleine bucklige Figur, die in -rothem Sammet mit Gold phantastisch gekleidet war, verfolgten. -Wohnt hier nicht die würdige Frau Pankrazia? schrie -der mißgestalte Zwerg. — So ist es, sagte die Alte, indem sie -mit Gewalt die Thür zuschlug und das Volk draußen mit -Schimpfreden zu vertreiben suchte. — Wer seid Ihr? würdiger -Herr, was sucht Ihr bei einer alten verlassenen Frau? -</p> - -<p> -Setzt Euch nieder, sagte der Kleine, und zündet etwas -mehr Licht an, damit wir uns schauen und betrachten können, -und weil Ihr Euch arm nennt, so nehmt diese Goldstücke, -und wir wollen auf bessere Bekanntschaft ein Gläschen Wein -mit einander leeren. -</p> - -<p> -Die Alte schmunzelte, zündete einige Wachskerzen an, -die sie in einer Schieblade verwahrte und sagte: ich habe -noch ein Fläschchen guten Florentiner, ehrwürdiger Herr, -der uns schmecken soll. Sie öffnete einen kleinen Schrank -und setzte die rothe Labung auf den Tisch, dem Unbekannten -zuerst einschenkend. -</p> - -<p> -Warum nennt Ihr mich ehrwürdig? fragte dieser. -</p> - -<p> -Sagen es die Goldstücke nicht aus, antwortete sie, Euer -Wamms, die Tressen darauf, die Feder auf dem Hut? Seid -Ihr kein Prinz, kein Magnat? -</p> - -<p> -Nein, schrie der Kleine: ei poz tausend, Muhme, kennt -Ihr mich denn gar nicht? hat man mir doch schon in der -Jugend damit schmeicheln wollen, daß wir uns einigermaßen -ähnlich sehen, und wahrlich, wenn ich so Eure Statur, Physiognomie, -den Ausdruck, das Lächeln und das Blinzeln der -Augen unpartheiisch betrachte und erwäge, so sind die Muhme -<a id="page-366" class="pagenum" title="366"></a> -Pankrazia, aus dem Hause Posaterrena aus Florenz, und -der kleine Beresynth, aus der Familie Fuocoterrestro aus -Mailand, so in Verwandtschaftszügen, wie Muhme und -Vetter, sich ähnlich genug. -</p> - -<p> -Jemine! schrie die Alte erfreut, so seid Ihr der Beresynth -aus Mailand, von dem ich in meiner Kindheit wohl -habe reden hören? Ei! ei! so muß ich so spät, im hohen Alter, -noch einen so liebwerthen Vetter von Angesicht zu Angesicht -kennen lernen! -</p> - -<p> -Ja, sagte der Kleine, recht von Nase zu Nase, denn -die aufgeworfene hohe Schanze ist doch das größte Knochenstück -in unsrem Gesicht. Curiosität halber, liebe Muhme, -probiren wir einmal, ob wir uns wohl einen vetterlichen Kuß -geben können. — Nein, pur unmöglich, die weit ausgestreckten -Vorgebirge rasseln gleich aneinander, und schließen unsre -demüthigen Lippen von jeder sanften Begrüßung aus. Man -müßte mit beiden Fäusten die edlen Römernasen seitwärts -zwängen. So. Laßt nicht abschnappen, Frau Muhme, ich -möchte eine Ohrfeige kriegen, daß mir die letzten Zähne -ausfielen. -</p> - -<p> -Unter herzlichem Lachen rief die Alte: Ei! so fröhlich -bin ich lange nicht gewesen. Was wollte man denn von -Euch da draußen, Vetter? -</p> - -<p> -Was? schrie der Kleine: mich ansehn, sich über mich -freuen, weiter nichts. Ist der Mensch nicht, werthgeschätzte -Frau Muhme, eine ganz dumme Figur? Hier in Rom sind -nun seit Monaten Hunderttausende versammelt, ihrem Erlöser -zu Ehren, so wie sie vorgeben, und ihre Sünden abzubüßen, -und, so wie ich nur aus dem Fenster kucke (ich bin -erst seit vorgestern hier), sei es auch nur in der Schlafmütze, -oder gar mit ganzer Figur und in meinem besten Anzuge -auf den Markt hinaus trete, so müßte man doch schwören, -<a id="page-367" class="pagenum" title="367"></a> -daß das ganze Gezeug bloß meinetwegen von allen Ecken -Europa’s ausgezogen sei, so kucken, äugeln, forschen, fragen -sie, lachen und freuen sich. Reich, so scheint es, könnte ich -werden, wenn ich mich die Zeit hier für Geld wollte sehen -lassen, und wenn ich ihnen nun einmal umsonst die Freude -mache, so schreit und lärmt das dumme Volk hinter mir -drein. Eine Meerkatze, Affen oder Seehunde zu beschauen, -müßten sie sich in Unkosten setzen, und statt meine Großmuth -ruhig und wie gesetzte Leute zu genießen, tobt und schimpft -der Pöbel um mich her, und sucht alle Ekelnamen aus der -Naturgeschichte zusammen, um seine krasse Ignoranz an den -Tag zu geben. -</p> - -<p> -Ja wohl, ja wohl, seufzte die Alte: es geht mir nicht -besser. Sind die Thiere wohl so dumm? Da mag einer -Nase, Augen und Kinn nach Gutdünken haben, und es geht -ihm ruhig hin. -</p> - -<p> -Seht nur die sonst einfältigen Fische an, fuhr Beresynth -fort, welche philosophische Toleranz! Und unter denen sind -manche Kerle doch ganz Schnauze, und halten den Forschern -der Tiefe eine Physiognomie entgegen, ernst, kalt, ruhig im -Bewußtsein ihrer Originalität, und umher krümmelt und -wimmelt es von andren seltsamen Angesichtern, Kiefern, Zähnen, -vorgequollnen Augen und von frappantem Ausdruck -aller Art, aber ruhig und still wandelt jedes Ungeheuer dort -seinen Gang, ungeschoren und unmolestirt. Nur der Mensch ist -so thöricht, daß er über das Nebengeschöpf lacht und spottet. -</p> - -<p> -Und worauf, sagte die Alte, läuft denn nun der mächtige -Unterschied hinaus? Ich habe doch noch keine Nase gesehn, -die nur eine einzige Elle lang wäre, ein Zoll, höchstens -zwei, kaum drei ist der Unterschied zwischen der sogenannten -Mißgeburt und dem, was sie Schönheit nennen. Und auf -den Höcker zu kommen. Wenn er im Bett nicht manchmal -<a id="page-368" class="pagenum" title="368"></a> -unbequem wäre, nicht wahr, so ist er eigentlich viel angenehmer, -als so ein dummer, gerader Rücken, wo sich bei -manchem großgewachsenen Schlingel die langweilige gerade -Linie, ohne Verzierung und Schnörkel, bis ins Unermeßliche -hinauf erstreckt. -</p> - -<p> -Recht habt Ihr, Frau Muhme, rief der schon trunkne -Beresynth der Trunknen entgegen. Was macht denn die -Natur, wenn sie solche gerade Katze, solche sogenannte Schönheit -von der Töpferscheibe laufen läßt? Das ist ja kaum der -Mühe werth, die Arbeit nur anzufangen. Aber solche Kabinetstücke, -wie wir, da kann die schaffende Kraft, oder das -Naturprinzip, oder Weltgeist, oder wie man das Ding nennen -will, doch mit einer gewissen Beruhigung und Befriedigung -seine Produktion anschauen. Das rundet sich doch, das -bricht in merkwürdige Ecken aus, das zackt sich wie Korallen, -springt hervor in Kristallen, formirt sich wie Basalt, und -rennt und springt und hüpfelt in allen Linien um unsern -Körper. Wir, Base, sind die verzognen, verhätschelten Kinder -der Formation, und darum ist der Pöbel der Natur -auch so boshaft und neidisch auf uns. Das schlanke miserable -Wesen gränzt an den kläglichen Aal, da ist keine Auferbauung. -Von der dummen Figur zur Seespinne ist schon -sehr weit, und wie fern dann Meerkalb, wie übertreffen wir -dieses, so wie den Seestern, Krebs und Hummer, getreuste -Cousine, mit unsern Abnormitäten, die sich in keine Rechnung -bringen lassen. — Wo habt Ihr nur die herrlichen beiden -Zähne her? Diese unvergleichlichen Mordanten figuriren so -recht schwarz und düster in der tiefsinnigen Fugirung Eures -unergründlichen Mundes. -</p> - -<p> -O Schäker, o Schmeichler, lachte die Alte, aber Euer -liebes Kinn, das sich so huldreich und dienstfertig hervordrängt -und tischartig umbeugt. Könntet Ihr nicht einen ziemlichen -Teller bequem darauf setzen, und von ihm ungestört mit den -<a id="page-369" class="pagenum" title="369"></a> -Lippen herunter naschen, indessen Eure Hände anderswo Arbeit -suchten? Das nenne ich ökonomische Einrichtung. -</p> - -<p> -Wir wollen uns nicht durch Lobeserhebungen verderben, -sagte der Zwerg, sind wir ja doch schon auf unsre Vorzüge -eitel genug, die wir uns nicht selbst gegeben haben. -</p> - -<p> -Ihr habt Recht, sagte sie, aber, was treibt Ihr, Vetter? -Wo lebt Ihr? -</p> - -<p> -Kurios genug, antwortete Beresynth, bald hier, bald -dort, wie ein Vagabund; jetzt aber will ich mich zur Ruhe -setzen, und da ich hörte, daß noch eine nahe Verwandte von -mir lebte, so wollte ich die aufsuchen, und sie bitten, mit -mir zu ziehn. So komm ich zu Euch. In meiner Jugend -war ich Apotheker in Calabrien, da jagten sie mich fort, weil -sie meinten, ich fabrizire Liebespulver. Du liebe Zeit! als -wenn es deren noch bedürfte. Dann war ich einmal Schneider, -es hieß, ich stöhle zu arg; als Pastetenbäcker wieder die -Beschuldigung, daß ich Katzen und Hunden nachstellte. Ich -wollte Mönch werden, aber kein Kloster wollte mich einlassen. -Als Doctor sollt’ ich verbrannt werden, denn sie sprachen -gar von Hexerei. Ich wurde gelehrt; schrieb, dichtete, das -Volk meinte, ich lästre Gott und die Christenheit. Nach vielen -Jahren kam ich zum weltberühmten Pietro Apone, und wurde -dessen Famulus, nachher Eremit, und was nicht Alles; am -besten, daß ich in jedem Stande Geld gemacht und zurückgelegt -habe, so daß ich meine alten Tage ohne Noth und -Sorge beschließen kann. — Und Ihr, Muhme, Eure Geschichte? -</p> - -<p> -Wie die Eurige, antwortete die Base: man wird immer -unschuldig verfolgt. Ich habe etlichemal am Pranger stehn -müssen, aus einigen Ländern bin ich verwiesen, sie wollten -mich unter andern auch verbrennen: es hieß, ich hexte, ich -stöhle Kinder, ich verzauberte die Leute, ich kochte Gift. -</p> - -<p> -Nicht wahr, sagte Beresynth treuherzig, es war auch -<a id="page-370" class="pagenum" title="370"></a> -etwas an diesem Gerede? Ich muß es wenigstens von mir -bekennen, und vielleicht liegt es in der Familie, daß ich -manche dem ähnliche Künste getrieben habe. Zarte Freundin, -wer einmal vom lieben Hexen ein Bischen weg hat, der -kann es nachher Zeitlebens nicht wieder lassen. Das Ding -ist wie mit dem Weintrinken. Einmal den Geschmack gewonnen, -und Zunge, Kehle, Gaumen, ja Lung und Leber -lassen von dem Dinge nicht wieder los. -</p> - -<p> -Ihr seid ein Menschenkenner, lieber Vetter, sagte die -Alte mit selbstgefälligem Lächeln. So etwas Mord und -Hexerei, Gift und Diebstahl läuft auch beim Unschuldigsten -mit unter. Das Kuppeln hat mir nie einschlagen wollen. -Und was soll man sagen, wenn man an eignen Kindern -Undank und Unheil erlebt? Meine Tochter, die nun gesehn -hat, wie ich Hunger und Kummer leiden muß, wie ich mir -an meinem alten Munde absparte, um sie nur schön in Kleidung -zu setzen, die ungerathne Dirne hat sich nie von mir -erweichen lassen, auch nur einen Groschen zu verdienen. Früher -konnte sie gute Heirathen treffen: Ildefons, Andrea und -noch einige andere tapfere Männer, die unser ganzes Haus -und sie mit erhielten; da brauchte sie den armseligen Vorwand, -daß die Herren Räuber und Mörder wären, denen -sie ihr Herz verschließen müsse. Die Männer waren so großmüthig, -daß sie sich wirklich die Dirne wollten antrauen lassen, -aber die dumme Jugend hat weder Verstand noch Tugend. -Nun ruhen sie im Grabe, die vorzüglichen Männer, und sind -auf eine schnöde Art umgekommen. Doch das rührt sie so -wenig, wie mein Kummer und Elend, so daß sie nicht drein -willigen mochte, mit einem jungen reichen vornehmen Herrn, -dem Neffen eines Cardinals, zu leben, der unsre ganze -Stube mit Gold überziehen konnte. Weggelaufen ist die -einfältige Dirne, und man will sie mir gar nicht wieder -ausliefern. So werden heut zu Tage die Eltern verachtet. -</p> - -<p> -<a id="page-371" class="pagenum" title="371"></a> -Laßt sie laufen, die Verächtliche, sagte Beresynth, wir -wollen ohne sie schon glücklich miteinander leben, denn unsre -Neigungen und Gemüther sind sich gleich. -</p> - -<p> -Warum aber weglaufen, sagte die Alte, wie eine ungetreue, -geprügelte Katze? Wir hätten uns ja wie Liebende, -wie vernünftige Wesen trennen können. Es fand sich gewiß -Gelegenheit, die bleichsüchtige Dirne vortheilhaft zu verkaufen, -an Alt oder an Jung, und das hätte auch wohl gelingen -können, wenn sie sich nicht einen einfältigen jungen Burschen -ins Herz geschlossen hätte, den sie liebt, wie sie sagt. -</p> - -<p> -O hört auf, schrie Beresynth, taumelnd, und schon halb -im Schlaf, wenn Ihr von Liebe sprecht, Base, so verfalle -ich in so konvulsivisches Lachen, daß ich mich in drei Tagen -nicht wieder erhole. Liebe! das dumme Wort hat meinem berühmten -Meister Pietro den Hals gebrochen. Ohne den -Taranteltanz säße die große Habichtsnase noch als Professor -auf seinem Katheder, und kraute die jungen Gänse mit Philosophie -und Tiefsinn an ihren dummen Köpfen, die ihm die -Gelbschnäbel entgegen reckten. Ja, ja, Alte, das Affenthum -von Liebe und platonischer Seelentrunkenheit hätte uns beiden, -Euch und mir, nur noch gefehlt, um die Wunderthat -unsrer heroischen Existenz vollständig zu machen. — Nun -lebt wohl, Alte, morgen in der Nacht um diese Zeit hole -ich Euch ab, und dann trennen wir uns nie wieder. -</p> - -<p> -Vetter, sagte Pankrazia, auf Wiedersehn. Seit Ihr -zu mir eingetreten seid, bin ich ein ganz andres Wesen -geworden. Wir wollen in Zukunft eine herrliche Haushaltung -führen. -</p> - -<p> -Haben wir unser Jubeljahr doch nun auch gefeiert, lallte -Beresynth, der schon auf der Straße stand, und in dunkler -Nacht nach seiner Wohnung taumelte. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -<a id="page-372" class="pagenum" title="372"></a> -Antonio hatte indessen den alten Ambrosio und dessen -Gattin schon darauf vorbereitet, daß er gewiß jene widerwärtige -Alte, und so auch deren Tochter Crescentia wieder -auffinden würde. Die Mutter glaubte ihm gern, aber der -Vater blieb bei seinen Zweifeln. Noch vor Sonnenuntergang -begab sich der Jüngling mit seinem Freunde wieder zum weisen -Castalio. Dieser kam ihnen schon lächelnd entgegen und -sagte: Hier, Antonio, nehmt dieses Blatt, Ihr findet auf -ihm verzeichnet, in welcher Gasse, in welchem Hause Ihr jene -Unholdin antreffen werdet. Wenn Ihr sie aufgefunden habt, -werdet Ihr an meiner Wissenschaft nicht mehr zweifeln. -</p> - -<p> -Schon jetzt bin ich überzeugt, sagte Antonio, ich war es -schon gestern. Ihr seid der weiseste der Sterblichen, und werdet -mich durch Eure Kunst zum glücklichsten machen. Ich gehe, die -böse Alte aufzusuchen, und wenn Crescentia nicht gestorben, -oder verloren ist, so führe ich sie in die Arme ihrer Eltern. -</p> - -<p> -Bewegt und voller Erwartung wollte er sich eilig entfernen, -er hatte schon den Drücker der Thür in der Hand, -als sich ein leises ängstliches Klopfen draußen ankündigte, -von einem heisern Husten und Scharren der Füße begleitet. -Wer ist da? rief Castalio, und da die Freunde öffneten, trat -Beresynth herein, der sich gleich in die Mitte des Zimmers -stellte, und unter vielen fratzenhaften Verbeugungen, so wie -Verzerrungen des Gesichtes dem weisen Manne seine Dienste -anbot. -</p> - -<p> -Wer seid Ihr? rief Castalio, der sich verfärbt hatte und -mit blassem Angesicht einige Schritte zurückgewichen war. -</p> - -<p> -Ein Bösewicht ist der Verruchte! rief Antonio, ein Zauberer, -den wir der Inquisition überliefern müssen, der verruchte -Beresynth selbst ist es, dessen Namen Ihr, verehrter -Mann, schon kennt, und von dem ich Euch erzählt habe. -</p> - -<p> -Meint Ihr, junges Blut? sagte Beresynth mit dem Ausdruck -der tiefsten Verachtung. Mit Euch, ihr Kinder, habe -<a id="page-373" class="pagenum" title="373"></a> -ich nichts zu schaffen. Kennt Ihr mich nicht? rief er zu Castalio -gewendet, und könnt auch meine Dienste nicht brauchen? -</p> - -<p> -Wie sollt ich? sagte Castalio mit ungewisser Stimme, -ich habe Euch nie gesehn. Entfernt Euch, ich muß Eure -Dienste ablehnen. In meinem kleinen Hause bedarf ich keines -fremden Wesens. -</p> - -<p> -Beresynth ging mit großen Schritten auf und ab. Also, -Ihr kennt mich nicht? Kann seyn; man verändert sich manchmal, -denn der Mensch bleibt nicht in seiner Blüthe. Doch, mein’ ich, -sollte man mich nicht so bald vergessen, oder mit andern verwechseln, -wie so manchen glatten, fein gemalten, unbedeutenden -Tropfen. — Und ihr, indem er sich zu den jungen Leuten -wendete, kennt wohl jenen Weisheitsfinder auch nicht? -</p> - -<p> -O ja, sagte Antonio, er ist unser Freund, der treffliche -Castalio. -</p> - -<p> -Da erhub der Kleine ein so ungeheures Lachen, daß -Wände und Fenster des Zimmers erklirrten und wiederhallten. -Castalio! Castalio! schrie er wie besessen; warum nicht -auch Aganippe oder Hippokrene? Also, ihr habt den Brill -vor den Augen, mit Kalbsblicken schaut eure Seele aus dem -runden Kürbis eurer Köpfe dumm heraus? Reibt euch die -Nase, und seht und erkennt doch euren verehrten Pietro von -Abano, den großen Tausendkünstler aus Padua! -</p> - -<p> -Derjenige, der sich Castalio nannte, war wie ohnmächtig -in einen Sessel gesunken, sein Zittern war so heftig, daß -alle Glieder seines Körpers flogen, die Muskeln seines Antlitzes -bebten so gewaltsam, daß kein Zug in ihm wahrzunehmen -war, und nachdem die jungen Leute dies einige Zeit -staunend betrachtet hatten, glaubten sie mit Entsetzen wahrzunehmen, -daß aus den sich verwirrenden Lineamenten die -alte Bildung des bekannten greisen Apone hervorstiege. Laut -schreiend erhub sich der Zauberer vom Sessel, ballte die Fäuste -und schäumte mit dem Munde, er schien in seiner Wuth -<a id="page-374" class="pagenum" title="374"></a> -riesengroß. Nun ja, brüllte er im Donnerton, ich bin es, -jener Pietro, und Du, Knecht, verdirbst mir jetzt mein Spiel, -jene junge Brut dort auf einem neuen Wege zu vernichten. -Was willst Du, Wurm, von mir, der ich, Dein Meister, -Dich nicht mehr anerkenne? Zitterst Du nicht in allen Gebeinen -vor meiner Rache und Strafe? -</p> - -<p> -Beresynth erhub wieder jenes schallende, entsetzliche Gelächter. -Strafe? Rache? wiederholte er grinsend; Dummkopf -ohne Gleichen! Mußt Du denn jetzt erst merken, daß Dir -diese Sprache zu mir nicht geziemt? Daß Du, Gaukler, Dich vor -mir im Staube krümmen mußt? daß ein Blick meines Auges, -ein Griff meines erznen Armes Dich zerschmettert, Du erdgebornes -Larvenspiel elender Künste, die nur ich gelingen ließ? -</p> - -<p> -Ein Scheusal stand im Saal. Seine Augen sprühten -Feuer, seine Arme dehnten sich wie zwei Adlerschwingen aus, -das Haupt berührte die Decke; Pietro lag winselnd und heulend -zu seinen Füßen. Ich war es, fuhr der Dämon fort, -der Deine arme Gaukelei beförderte, der die Menschen täuschte, -der den Frevel durch meine Macht erschuf. Du tratst mich -mit Füßen, ich war Dein Hohn, Deine hochmüthige Weisheit -triumphirte ob meinem Blödsinn. Nun bin ich Dein -Herr! Jetzt folgst Du mir als mein leibeigner Knecht in mein -Gebiet. — Entfernt euch, ihr Elenden! rief er den Jünglingen -zu, was wir noch verhandeln, geziemt euch nicht zu schauen! -Und ein ungeheurer Donnerschlag erschütterte das Haus in -seinen Tiefen, geblendet, entsetzt stürzten Antonio und Alfonso -hinaus, ihre Knie wankten, ihre Zähne klappten. Ohne zu -wissen wie, befanden sie sich wieder auf der Straße, sie flüchteten -in einen nahen Tempel, denn eine heulende Windsbraut -erhob sich mit Donner und Blitzen, und die Wohnung, als -sie hinter sich sahen, brannte in zerfallenen Trümmern, zwei -dunkle Schatten schwebten über dem Brande, kämpfend, so -schien es, und sich in Verschlingungen hin und her werfend -<a id="page-375" class="pagenum" title="375"></a> -und ringend, Geheul der Verzweiflung und lautes Lachen -des Hohnes erklangen abwechselnd zwischen den Pausen des -lautrasenden Sturmwinds. -</p> - -<p class="tb"> -——— -</p> - -<p class="noindent"> -Erst nach langer Zeit konnte sich Antonio so viel sammeln, -daß er stark genug war, nach der gegebenen Anweisung -das Haus der Alten aufzusuchen. Er fand sie geschmückt -und sie rief ihm frohlockend entgegen: ei! Florentiner! seid -Ihr auch einmal wieder da? -</p> - -<p> -Wo ist Eure Tochter? fragte Antonio, zitternd vor Eil. -</p> - -<p> -Wenn Ihr sie jetzt haben wollt, sagte die Alte, so will -ich sie Euch nicht vorenthalten. Aber bezahlen müßt Ihr -rechtschaffen für sie, oder der Podesta von Padua, wenn er -noch lebt, denn sie ist sein Kind, das ich ihm damals gestohlen -habe, weil mir die Herren Markoni ein ansehnliches -Stück Geld dafür gönnten. -</p> - -<p> -Wenn Ihr es beweisen könnt, sagte der Jüngling, so -fordert. -</p> - -<p> -Beweise, so viel Ihr wollt, rief die Alte, Windeln mit -Wappen, Kleider von damals, ein Maal auf der rechten Schulter, -was ja die Mutter am besten kennen muß. Aber auch -Briefe von den Markonis sollt Ihr haben, Schriften vom -Podesta selbst, die ich damals in der Eile mit wegfischte. -Alles, nur Geld muß da seyn. -</p> - -<p> -Antonio zahlte ihr alles Gold, was er bei sich trug, -und gab ihr noch die Edelsteine, die Hut und Kleidung -schmückten, Perlen und eine goldne Kette. Sie strich alles -lächelnd ein, indem sie sagte: wundert Euch nicht, daß ich so -eilfertig und leicht zu befriedigen bin. Die Dirne ist mir -weggelaufen, weil sie keinen Liebhaber wollte, und steckt im -Nonnenkloster bei der Trajanssäule, die Aebtissin hat sie mir -nicht herausgeben wollen, aber meldet Euch nur dort, das -junge Blut wird Euch von selbst in die Arme springen, denn -<a id="page-376" class="pagenum" title="376"></a> -es träumt und denkt nur von Euch, so habt Ihr ihr thörichtes -Herz bezaubert, daß sie seit jener Nacht, der Ihr Euch wohl -noch erinnern werdet, kein vernünftiges Wort mehr gesprochen -hat, daß sie weder Liebhaber noch Mann mehr leiden konnte. -Froh bin ich, daß ich sie so los werde, ich gehe mit einem -vornehmen Vetter, Herrn Beresynth, der mich eigen dazu -aufgesucht hat, noch heut Nacht auf seine Güter. Lebt wohl, -junger Narr, und seid mit Eurer Crescentia glücklich. -</p> - -<p> -Antonio nahm alle Briefschaften, die Kleidungen des -Kindes, alle Beweise ihrer Geburt. In der Thür begegnete -ihm schon jener Furchtbare, der sich Beresynth nannte. Er -eilte, und war so leichten Herzens, so beflügelt, daß er den -Sturm hinter sich nicht vernahm, der die Gegend zu verwüsten -und die Häuser aus ihren Gründungen zu heben drohte. -</p> - -<p> -Bei nächtlicher Weile untersuchten die überglücklichen Eltern -die Briefe, und diese, so wie die Kleider überzeugten -sie, daß diese zweite Crescentia ihr Kind sei, die Zwillingsschwester -jener gestorbenen, die sie in der Taufe damals Cäcilie -genannt hatten. Der Vater holte am Morgen das -schöne bleiche Mädchen aus dem Kloster, die sich wie im -Himmel fühlte, edlen Eltern anzugehören, und einen Jüngling, -der sie anbetete, wieder gefunden zu haben, dem sie in -jener Nacht auf ewig ihr ganzes Herz hatte schenken müssen. -</p> - -<p> -Rom sprach einige Zeit von den beiden Unglücklichen, -welche das Gewitter erschlagen hatte, und Ambrosio lebte -nachher mit seiner Gattin, der wieder gefundenen Tochter -und seinem Eidam Antonio in der Nähe von Neapel. Der -Jüngling verschmerzte im Glück der Liebe die Leiden seiner -Jugend, und an Kindern und Enkeln trösteten sich die -Eltern über den Verlust der schönen und innig geliebten -Crescentia. -</p> - - -<div class="trnote"> -<p id="trnote" class="part"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p> -Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. <span class="handheld-only">Im Original -g e s p e r r t -hervorgehobener Text wurde in einem <em>anderen Schriftstil</em> markiert.</span> -Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt sind, wurden in einem -<span class="antiqua">anderen Schriftstil</span> markiert. -</p> - -<p> -Die variierende Schreibweise des Originales wurde weitgehend -beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert, -teilweise unter Verwendung weiterer Ausgaben, wie hier aufgeführt -(vorher/nachher): -</p> - -<ul> - -<li> -... Gesprächen zu und wünschte <span class="underline">sowie</span> die Andern über ungesalzene ...<br /> -... Gesprächen zu und wünschte <a href="#corr-0"><span class="underline">so wie</span></a> die Andern über ungesalzene ...<br /> -</li> - -<li> -... in <span class="underline">dieseir</span> Hinsicht so vieles zu verbessern ist. ...<br /> -... in <a href="#corr-1"><span class="underline">dieser</span></a> Hinsicht so vieles zu verbessern ist. ...<br /> -</li> - -<li> -... Schon <span class="underline">n</span> der Nähe des freundlichen Thorschreibers fielen ...<br /> -... Schon <a href="#corr-2"><span class="underline">in</span></a> der Nähe des freundlichen Thorschreibers fielen ...<br /> -</li> - -<li> -... <span class="underline">hatte</span>, hielt, nachdem viel über die Fortschritte in ...<br /> -... <a href="#corr-3"><span class="underline">hatten</span></a>, hielt, nachdem viel über die Fortschritte in ...<br /> -</li> - -<li> -... verließen sie die <span class="underline">Chausse</span>, um auf schlechten Wegen nach dem ...<br /> -... verließen sie die <a href="#corr-4"><span class="underline">Chaussee</span></a>, um auf schlechten Wegen nach dem ...<br /> -</li> - -<li> -... Stücke, die gespielt wurden. Sie waren so <span class="underline">origiginell</span>, ...<br /> -... Stücke, die gespielt wurden. Sie waren so <a href="#corr-5"><span class="underline">originell</span></a>, ...<br /> -</li> - -<li> -... <span class="underline">selsam</span> zu seyn glaubt, die Stellen nachweisen, die er nur ...<br /> -... <a href="#corr-6"><span class="underline">seltsam</span></a> zu seyn glaubt, die Stellen nachweisen, die er nur ...<br /> -</li> - -<li> -... Eulen und Fledermäuse gehören, mit meiner <span class="underline">Nachwelt</span>, die ...<br /> -... Eulen und Fledermäuse gehören, mit meiner <a href="#corr-7"><span class="underline">Nachtwelt</span></a>, die ...<br /> -</li> - -<li> -... und zukneifend, und sucht aus und wählt, hebt auf und <span class="underline">registirt</span>, ...<br /> -... und zukneifend, und sucht aus und wählt, hebt auf und <a href="#corr-8"><span class="underline">registrirt</span></a>, ...<br /> -</li> - -<li> -... kommen, denn Schmaling war zu sehr von <span class="underline">Ehrfurch</span> durchdrungen, ...<br /> -... kommen, denn Schmaling war zu sehr von <a href="#corr-9"><span class="underline">Ehrfurcht</span></a> durchdrungen, ...<br /> -</li> - -<li> -... zu denen ihn aber der forschende Graf in künstlichen <span class="underline">Wendnngen</span> ...<br /> -... zu denen ihn aber der forschende Graf in künstlichen <a href="#corr-10"><span class="underline">Wendungen</span></a> ...<br /> -</li> - -<li> -... Freigeist und Uebervernünftigen so mit beiden <span class="underline">Beiden</span> in die ...<br /> -... Freigeist und Uebervernünftigen so mit beiden <a href="#corr-11"><span class="underline">Beinen</span></a> in die ...<br /> -</li> - -<li> -... Verbindungen nicht, und wußte eben so <span class="underline">wnig</span>, wie diese jetzt ...<br /> -... Verbindungen nicht, und wußte eben so <a href="#corr-12"><span class="underline">wenig</span></a>, wie diese jetzt ...<br /> -</li> - -<li> -... flehenden Blick für ihre Mutter ein, daß <span class="underline">se n</span> Zorn entwaffnet ...<br /> -... flehenden Blick für ihre Mutter ein, daß <a href="#corr-13"><span class="underline">sein</span></a> Zorn entwaffnet ...<br /> -</li> - -<li> -... der Erde dorthin zogen, zu <span class="underline">zersteuen</span>, und seinen Freund ...<br /> -... der Erde dorthin zogen, zu <a href="#corr-14"><span class="underline">zerstreuen</span></a>, und seinen Freund ...<br /> -</li> -</ul> -</div> - - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of Project Gutenberg's Schriften 23: Novellen 7, by Ludwig Tieck - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHRIFTEN 23: NOVELLEN 7 *** - -***** This file should be named 50714-h.htm or 50714-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/0/7/1/50714/ - -Produced by Delphine Lettau, David Jones, Jens Sadowski, -and the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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