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-The Project Gutenberg EBook of Geld und Erfahrung, by Max Eyth
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Geld und Erfahrung
-
-Author: Max Eyth
-
-Annotator: Carl Müller-Rastatt
-
-Illustrator: Theodor Herrmann
-
-Release Date: October 30, 2015 [EBook #50344]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GELD UND ERFAHRUNG ***
-
-
-
-
-Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net
-
-
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-
- Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Im Original gesperrter Text ist +so dargestellt+.
-
- Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so dargestellt~.
-
- Im Original kursiver Text ist _so dargestellt_.
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des
- Buches.
-
-
-
-
- Hausbücherei
-
- 32
-
-
-
-
- Hausbücherei
-
- der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung
-
- 32. Band
-
- [Illustration]
-
- Hamburg-Großborstel
- Verlag der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung
- 1910
-
- 11.-20. Tausend
-
-
-
-
- Geld und Erfahrung
-
- von
-
- Max Eyth
-
- Mit einem Bildnis Eyths, einer Einleitung
- von ~Dr.~ +Carl Müller+-Rastatt und Bildern
- von +Theodor Herrmann+ in Hamburg
-
- [Illustration]
-
- Hamburg-Großborstel
- Verlag der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung
- 1910
-
- 11.-20. Tausend
-
-
-
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Inhalt
-
-
- Seite
-
- Einleitung von ~Dr.~ Carl Müller-Rastatt 5-- 10
-
- +Max Eyth:+ Geld und Erfahrung 11--176
-
-[Illustration]
-
-Für die Abdruckserlaubnis dieser Erzählung schulden wir der Deutschen
-Verlagsanstalt in Stuttgart Dank. Die Erzählung ist dem zweiten Bande
-des Max Eythschen Werkes »Hinter Pflug und Schraubstock« entnommen.
-
-[Illustration]
-
- Ein Bild Max Eyths ist hinter Seite 4 eingeheftet.
-
-[Illustration]
-
-Ein ausführliches Verzeichnis der früher erschienenen Bände der
-»Hausbücherei« sowie der »Volksbücher« befindet sich am Schluß des
-Bandes.
-
-[Illustration]
-
-[Illustration: M. Eyth]
-
-
-
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-Einleitung.
-
-
-+Geld und Erfahrung!+ Man kennt das Geschichtchen von den beiden
-Männern, die zusammen ein Geschäft begründeten. Der eine brachte das
-nötige Geld dazu mit, der andere die Erfahrung. Als aber ein paar Jahre
-ins Land gegangen waren und die beiden sich wieder trennten, da hatten
-sie die Rollen getauscht: der das Geld mitgebracht hatte, der hatte
-jetzt die Erfahrung; aber der andere hatte das Geld.
-
-Das Geschichtchen ist eines von denen, die ewig neu bleiben und
-die sich in der Welt immer wieder abspielen. Umsonst ist der Tod,
-und Erfahrung gewinnt man nicht, ohne Lehrgeld dafür zu zahlen. Es
-hilft nichts, daß man darüber klagt und jammert. Man wird am besten
-damit fertig, wenn man gute Miene zum bösen Spiel macht und sich mit
-fröhlichem Humor in sein Schicksal findet. Das haben wenige so gut
-verstanden wie +Max Eyth+. Sein ganzes Jünglings- und Mannesalter ist
-ein einziges Sammeln von Erfahrungen gewesen, und er hat sie alle
-redlich bezahlen müssen. Aber statt sich darüber zu grämen, hat er aus
-all seinen Erlebnissen lustige und unterhaltsame Geschichten gemacht,
-von denen dieses Buch eine treffliche Probe gibt.
-
-Es gibt Schriftsteller, die sich ihre Bücher zusammenfabeln, weil sie
-uns recht absonderliche Dinge erzählen wollen, ohne Rücksicht darauf,
-ob sie wahr sind oder nicht. Und es gibt andere, die sich ihre Bücher
-zusammenträumen, während sie irgendwo in der schlichten Alltäglichkeit
-sitzen und sich heimlich hinaussehnen in Abenteuer, in fremde Länder
-und zu fremden Menschen. Max Eyth hat nicht gefabelt und nicht
-geträumt: er hat erlebt. Und das, was er erlebt hat, hat er mit klarem
-Auge und fröhlichem Wesen beobachtet und dann niedergeschrieben, andern
-zur Belehrung und zur Freude.
-
-+Max Eyth+ ist im Jahr 1836 im Pfarrhaus des Städtchens Kirchheim
-unter Teck geboren worden. Die Kunst, mit der Feder umzugehen, war ihm
-von seinen Eltern überkommen, die sich beide dichterisch betätigten.
-Daneben hatte er schon in seinen Kinderjahren besonderes Interesse an
-praktischen Dingen, an Maschinen. Und so entschied er sich dafür, das
-Stuttgarter Polytechnikum zu besuchen, um Maschinenbauer zu werden.
-Das war damals, wo die Maschinen erst ganz allmählich anfingen, die
-Bedeutung zu gewinnen, die sie jetzt in der Welt haben, noch ein kühnes
-Unterfangen. Aber Max Eyth hat Zeit seines Lebens frischen Wagemut
-besessen und darauf vertraut, daß dem Kühnen das Glück lächelt und der
-Erfolg hold ist. Mit diesem Wagemut begann er sein Studium: mit diesem
-Wagemut beschloß er, als es glücklich beendet war, ins Ausland zu
-ziehen und sich draußen den Wind um die Nase wehen zu lassen.
-
-Der Anfang war nicht vielversprechend. Er zog rheinabwärts und klopfte
-in all den großen Fabriken an, die sich links und rechts des schönen
-Stroms aufgetan hatten. Aber auf seine Frage nach einer Anstellung fand
-er von Mainz bis Antwerpen nur ein Achselzucken. Und es beweist seine
-Energie, daß er nicht reumütig umkehrte, sondern über See nach England
-ging, um dort sein Heil zu versuchen. Auch hier wiederholte sich
-zunächst, was er auf seiner Rheinfahrt erlebt hatte: Monat für Monat
-wurde er abgewiesen, wo er anklopfte. Endlich aber kam der Tag, an dem
-sein Ausharren belohnt wurde: sein guter Stern führte ihn mit +John
-Fowler+ zusammen, einem der größten englischen Maschinenfabrikanten,
-der hauptsächlich Dampfpflüge baute.
-
-Fowler berief Eyth in seine Fabrik. Ein Schraubstock, an dem er
-arbeiten sollte, und dreißig Schilling Wochenlohn: viel war es
-nicht, was dem jungen Ingenieur geboten wurde. Aber er griff rasch
-entschlossen zu und hatte es nicht zu bereuen. Bald fand er an
-den Dampfpflügen Gefallen und Fowler an ihm. Auf der Londoner
-Weltausstellung hatte er schon als Vertreter der Firma die dort
-arbeitenden Dampfpflüge zu leiten. Da er sich dabei ausgezeichnet
-bewährte, entsandte man ihn im Anschluß daran nach Ägypten. Halim
-Pascha, der Oheim des damaligen Vizekönigs des Pyramidenlandes,
-einer der größten Grundbesitzer in der ungeheuren Nilebene, wollte
-seine Güter besser ausnützen, als dies bei der bis dahin üblichen,
-altväterlichen Weise des Ackerbaues möglich war. Er bestellte bei
-Fowler ein paar Dampfpflüge und Eyth wurde ausersehen, sie ins Nildelta
-zu bringen, dort aufzustellen und aus der eingeborenen Bevölkerung die
-nötige Bedienungsmannschaft heranzubilden.
-
-Es war keine Kleinigkeit, die hier gestellte Aufgabe in einem
-halb zivilisierten Lande zu lösen. Aber Eyth fand sich in die
-fremdländischen Verhältnisse so glücklich hinein und stand so wacker
-seinen Mann, daß Halim Pascha ihm den Antrag machte, als Oberingenieur
-ganz in seine Dienste zu treten. Eyth ging darauf ein und blieb vier
-Jahre in Ägypten.
-
-Dann trat er wieder in die Dienste der Fowlerschen Fabrik, aber
-nicht, um in England hinter Zeichentisch und Schraubstock zu sitzen,
-sondern um das in Ägypten begonnene Wanderleben weiter fortzusetzen.
-Zunächst sandte man ihn in die Vereinigten Staaten von Nordamerika,
-um hier den Dampfpflug einzuführen. Es war bald nach der Beendigung
-des Sezessionskrieges und der Niederwerfung der Südstaaten, als er
-den Boden der Neuen Welt betrat. Wie es ihm dort erging, das hat er
-in »Geld und Erfahrung« ebenso anschaulich wie humorvoll geschildert.
-Der Kontrast zwischen Nord- und Südstaatlern, das übertriebene
-Selbstgefühl des Nordamerikaners, sein Drang, Geld zu »machen« um
-jeden Preis, kurz, das ganze, seltsam zusammengesetzte Wesen tritt
-uns in der Geschichte lebenswahr entgegen. Und Eyth verhehlt dabei
-nicht, wie er, der so stolz war, in Ägypten sich durchgesetzt zu haben,
-dieser amerikanischen Art zunächst ziemlich hilflos gegenübersteht,
-wie er erst allmählich sie begreift und festen Boden unter die Füße
-bekommt. Schließlich gelang es ihm auch hier, seinem Auftrag gerecht
-zu werden. Aber schon harrten seiner neue Aufgaben in der alten Welt.
-In Deutschland, Österreich, Belgien hatte er zunächst tätig zu sein.
-Dann ging er mit seinen Pflügen ins Innere des heiligen Rußland, das er
-verließ, um Fowlers Maschinen in Rumänien einzubürgern. Von Rumänien
-zog er nach Italien, und weiter übers Mittelmeer in die heißen Gefilde
-Algiers. Dann beorderte man ihn in die Türkei, die er nur verließ, um
-nach Westindien zu fahren. Als seine Aufgabe da erfüllt war, schickte
-Fowler ihn nach Peru und von dort wieder nordwärts nach Kalifornien.
-Wahrlich, ein buntes, wechselvolles Wanderleben. Und er lebte es nicht
-in gemütlichem Behagen als Vergnügungsreisender: wohin er ging, folgte
-ihm als treue Reisegefährtin die Arbeit.
-
-Aber nach zwanzig Jahren solcher Tätigkeit war seine Wanderlust
-befriedigt. Er gab seine Stellung bei Fowler auf und kehrte nach
-Deutschland zurück. Freilich war er nicht der Mann dazu, sich hier
-ruhig auf die Bärenhaut zu legen: Erstens gründete er die große
-Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, deren Leitung ihm bis 1896
-oblag. Und dann ging er jetzt daran, was er erlebt und erfahren
-hatte, schriftstellerisch festzuhalten und andern mitzuteilen. Damit
-beschäftigte er sich, bis ihn am 25. August 1906 der Tod abberief.
-
-Eyths Erzählungen dürfen also nicht als freie Erfindungen
-angesehen werden. Er hat in ihnen nur Bruchstücke seines eigenen,
-abwechslungsreichen Lebens aufgefangen und dargestellt. Er hat
-sich aber nicht damit begnügt, die Wirklichkeit so peinlich treu
-wiederzugeben, wie etwa ein Photograph es tun würde, sondern er
-hat jedes Stück in einheitlichen Fluß gebracht und geschickt
-abgerundet, wie ein Maler die darzustellende Landschaft abrundet. Und
-er hat seine Erlebnisse nicht rein sachlich, trocken und nüchtern
-heruntererzählt, sondern er hat die Erzählung mit seinem köstlichen,
-herzerquickenden Humor gewürzt. Er sieht all die kleinen Schwächen und
-Absonderlichkeiten der Menschen, mit denen er zu tun hat. Aber sie
-machen ihn nicht zum Griesgram und nicht zum bissigen Spötter. Er freut
-sich an ihnen und möchte die Menschen gar nicht ohne sie sehen. Er
-lacht über sie ein gesundes, herzhaftes Lachen und weiß uns dies Lachen
-durch seine Darstellung mitzuteilen. Seine Bücher sind voll gesunder
-Lebenskraft und Lebensfreude. Das macht sie dem Leser lieb und wert,
-und das ist der Grund, daß sie eine so große Verbreitung gefunden haben.
-
- +Hamburg.+
-
- +~Dr.~ Carl Müller-Rastatt.+
-
-
-
-
-1. Im Süden
-
-
-[Illustration]
-
-»Passen Sie auf, Mister Eyth, wenn ich Ihnen die Geschichte noch nicht
-erzählt haben sollte: Vor drei Jahren begegnete mir im Broadway in
-New York ein junger Engländer, frisch und grün, wie sie die Alte Welt
-manchmal noch liefert. Er hatte schon drei Wochen in der Metropole der
-Neuen verbummelt und darüber nachgedacht, wie er es angreifen könne,
-sein Glück zu machen, und hatte sogar mich darüber befragt, obgleich
-ich damals so wenig wie jetzt danach aussah, als ob ich das Problem
-gelöst hätte. Ein Bürschchen aus guter Familie, dem seine Mama tausend
-Pfund in die Tasche gesteckt hatte, um ihm den Anfang zu erleichtern.
-Er strahlte vor Vergnügen, als ich ihn zum zweitenmal sah. Er hatte
-einen entfernten Vetter gefunden, der Amerika seit fünfundzwanzig
-Jahren kannte und schon ein halber Yankee geworden sein mußte, scharf
-und hell wie ein Eingeborener. Sie wollten sich assoziieren, ein
-Agenturgeschäft gründen, Zucker, Baumwolle, Tabak verkaufen -- was weiß
-ich! Mein Engländer hatte das Geld, der entfernte Vetter die Erfahrung.
-Das mußte gehen! In fünf Jahren konnten sie Millionen verdient haben!
--- Zwei Jahre darauf begegnete ich ihm wieder, fast am gleichen Fleck;
-aber er war traurig. ›Nun, wie geht's mit der Agentur?‹ frage ich. --
-›Mittelmäßig‹, sagt er zögernd. -- ›Was!‹ rufe ich, ›Ihr Vetter mit der
-Erfahrung und Sie mit dem Geld -- das mußte ja gehen!‹ -- ›Wir haben
-uns gestern getrennt, mein Partner und ich‹, -- erklärte er seufzend.
-›Jetzt hat +er+ das Geld und +ich+ die Erfahrung!‹ -- Passen Sie auf,
-Mister Eyth, daß ich mit Ihnen in kurzer Zeit nicht etwas Ähnliches
-erlebe. Seit dem Krieg sind wir alle zweimal so scharf geworden als vor
-fünf Jahren.«
-
-»Gehört habe ich die Geschichte schon, aber nicht von Ihnen«, sagte
-ich lachend. »Doch bange machen gilt nicht. Ein Mensch, der in Ägypten
-vier Jahre lang unter Mamelucken und Eunuchen gepumpt und dampfgepflügt
-hat und aus dem großen Baumwollkrach vor zwei Jahren lebendig
-herausgekrochen kommt, ist so grün nicht mehr wie Ihr Engländer.
-Die Griechen und Armenier von Alexandrien sind keine schlechten
-Lehrmeister.«
-
-»Mag sein«, nickte der Oberst, indem er nachdenklich an seinem
-zweiten Frühstücksei herumknusperte. »Ich wünsche Ihnen alles Glück
-zu Ihrem Glauben und Ihrer Schlauheit und wollte nur, der nächste
-Dampfer brächte auch mir einen Dampfpflug, der achttausend Golddollar
-wert wäre. Ich wollte ihn geschwind genug losgeschlagen haben, unter
-Kostpreis, wenn nötig.«
-
-Wir saßen beim Frühstück an einem der grünen Tischchen im Garten
-des deutschen Restaurants und Biersalons von Breitling, in der
-Tschapatulastraße von New Orleans, Louisiana. Der Garten war eine
-Schöpfung nach Erinnerungen Breitlings aus seiner deutschen Heimat
-und bestand aus sechs Tischchen und einem alten, knorrigen, schlecht
-belaubten Hickorybaum, an dem als natürlicher Festschmuck zerlumpte
-Fetzen hängenden Mooses klunkerten. Der Baum stammte ersichtlich
-aus der Zeit, in der der Mississippi an dieser Stelle noch wildes
-Swampland anzuschwemmen pflegte, und stand jetzt trübselig zwischen
-vier hohen Backsteinmauern, die ihm und uns den stets willkommenen
-Schatten gaben. Die Luft war dumpf und schwül; doch war man sozusagen
-im Freien. Die Mittagsglut, welche über die große Stadt hereinzog, war
-morgens um acht Uhr noch nicht bis in diesen Winkel gedrungen, so daß
-schon seit vierzehn Tagen, seitdem ich in der Nähe wohnte, mir diese
-Frühstücksstunde zu den angenehmeren des Tags gehörte. Breitlings
-Figur, die seinem Namen, sonderlich von hinten, Ehre machte, und eine
-zerrissene, etwas bierbefleckte »Gartenlaube« sorgten dafür, daß man
-sich halb in Deutschland fühlen konnte.
-
-Auch der Oberst, den ich hier kennen gelernt hatte, trug dazu bei.
-Es war ein großer, hagerer, vierzigjähriger Mann, dem man allerdings
-ansah, daß er einiges erlebt hatte. Schmettkow, Herr von Schmettkow
-erlaube ich mir ihn aus Rücksicht für seine Familie zu nennen. Er
-erzählte gerne von seinen leichteren Jugendstreichen, die er in die
-Zeit verlegte, in welcher er Rittmeister in der preußischen Garde zu
-Berlin gewesen sein wollte. Dies hatte wohl seine Richtigkeit; ich
-hatte wenigstens keinen Grund, daran zu zweifeln. Dagegen beobachtete
-er ein tiefes Schweigen darüber, wie es kam, daß er aufgehört hatte,
-es zu sein. Nach seiner eignen, etwas unzusammenhängenden Lebensskizze
-befand er sich plötzlich in Amerika, den üblichen Kampf ums Dasein
-fechtend, und zwar von der Pike auf; und von was für einer Pike! Der
-Ausbruch des Bürgerkriegs fand ihn bei Baltimore als Buchhalter einer
-Baumwollplantage, auf der Südseite der Sezessionsgrenze. Politische
-Grundsätze beeinflußten ihn sichtlich wenig. Er focht mit als braver
-Soldat und biederer Landsknecht, wo ihn der Zufall hingestellt
-hatte, und schied als Oberst von seinem nur noch aus vierundzwanzig
-Mann, meist Majoren, bestehenden Regiment, als die große Sache der
-Aristokratie des Südens zusammenbrach. Bei Atlanta, im letzten Gefecht,
-in dem sich das Regiment auszeichnete, hatte er einen Sergeanten der
-föderierten Armee unter Sherman samt der Kompagnie, welche dieser
-zufällig befehligte, beim Frühstück überrascht und gefangen genommen,
-oder vielleicht richtiger gesagt: er hatte Breitlings Frühstück
-gefangen genommen und diesen, der ihm sofort wieder entwischte,
-hierdurch unangenehm überrascht. Die beiden Herren konnten sich über
-den Hergang der Waffentat nie völlig einigen. Breitling war nach dem
-Friedensschluß mit andern politischen Kräften gen Süden gewandert und
-besaß nach kurzer amtlicher Tätigkeit als Steuereinnehmer genügende
-Mittel, seinen Biersalon in der Tschapatulastraße zu eröffnen. Dort
-überraschte ihn Oberst von Schmettkow zum zweitenmal, den ein rauhes
-Schicksal ebenfalls nach Louisiana verschlug. Es war hohe Zeit, denn
-der Oberst, einer der wenigen Deutschen, die auf der verlorenen Seite
-des großen Bürgerkriegs gefochten hatten, war dem Versinken nahe.
-Breitling hatte ein gutes, dickes Herz und zwei Töchterchen von elf und
-neun Jahren, die während der Kriegsjahre in ihren Elementarkenntnissen
-etwas zurückgeblieben waren. Das paßte vortrefflich. Der Oberst wurde
-Haus- und Mädchenschullehrer, hatte bereits sechs höhere Töchter und
-bei Breitling freie Kost gefunden. Das Dameninstitut befand sich im
-Tanzsalon hinter der Bierwirtschaft. Wo der Herr Professor wohnte,
-wußte niemand. Aber seine Schnurrbartspitzen hoben sich aufs neue, und
-der auf »Ä« gestimmte Ton des einstigen Offiziers vom Tempelhofer Feld
-klang leise und gedämpft wieder durch. Ganz war er ja auch im größten
-Elend nicht verschwunden, denn er war hörbar waschecht.
-
-Ich selbst hatte vor zwei Wochen das Sankt Charleshotel verlassen
-und war in eine Privatwohnung in der benachbarten Tschapatulastraße
-übergesiedelt. Es war mir im Gasthof etwas zu unruhig geworden. Ein
-Senator von Alabama hatte am Hotelschenktisch nach dem Mittagsmahl
-im ruhigsten Gespräch sechs Schritte von mir einen Richter aus
-Texas niedergeschossen. Man hatte zwar den toten Richter sofort auf
-die benachbarte Polizeistation und den Senator, nach einem kleinen
-Wortwechsel mit den Umstehenden, nach seinem Zimmer gebracht. Auch
-ließ man dessen Tür von zwei nach und nach herbeigeholten Schutzleuten
-zur allgemeinen Genugtuung der ängstlicheren Hotelbewohner streng
-bewachen, nachdem der Senator kurz zuvor durch das Fenster abgereist
-war. Da ich diesen Herrn aus Alabama persönlich nicht kannte, mit
-ihm also auch nicht sympathisieren konnte, dagegen mit dem Richter,
-der gleichzeitig großer Grundbesitzer war, schon mehrere Cocktails
-getrunken und intime Beziehungen betreffs der Dampfkultur in Texas
-angeknüpft hatte, ärgerte mich dieser Zwischenfall lebhaft und
-veranlaßte, neben anderm, meinen Umzug nach der Tschapatulastraße. Auch
-fand ich, daß meine augenblickliche Beschäftigung, das Warten auf den
-englischen Frachtdampfer »Wild-West«, in einer Privatwohnung ebenso
-wirkungsvoll gefördert werden konnte als in dem in ganz Louisiana,
-wenn auch nicht wegen seiner Billigkeit, berühmten Sankt Charleshotel.
-Meinen anderweitigen leiblichen Bedürfnissen genügte das Nachbarhaus,
-Breitlings Restaurant und Biersalon, vollständig. Und so genoß ich
-nach etlichen bewegten Reisewochen in unerwarteter Weise eine kleine,
-wohlverdiente Ruhepause während meines ersten Aufenthalts in der
-Crescent City, der »Mondsichelstadt«, wie der poetische Amerikaner New
-Orleans zu nennen liebt, und konnte mir Land und Leute ansehen, ehe ich
-mit ihnen handgemein werden sollte.
-
-Das heutige Frühstück war der letzte Takt dieser Pause. Ich hatte schon
-gestern abend einen Zettel von General Longstreet, dem Haupt der jungen
-Firma Longstreet, Owen & Co., erhalten, der mich benachrichtigte, daß
-der »Wilde Westen« signalisiert sei und an der Barre, der achtzig
-Meilen entfernten Mündung des Mississippi, nur auf die Flut warte, um
-heraufzukommen. Ich segnete meine Sterne und war schon in einem kleinen
-Arbeitsfieber, ohne etwas Greifbares tun zu können; denn es war hohe
-Zeit, daß ich meines Dampfpflugs habhaft wurde, wenn ausgeführt werden
-sollte, was ich mit Longstreet geplant hatte.
-
-»Nur kühl!« rief mein Oberst, indem er auf die Uhr und die zwei
-internen Zöglinge seines Dameninstituts sah, die am Nachbartisch Lotto
-spielten. »Und passen Sie auf! Die Geschichte mit Ihrem Obersten in
-Washington -- wie heißt er?«
-
-»Olcott, Oberst Olcott, Kongreßmitglied aus Ohio«, antwortete ich mit
-Betonung, um meinen schwankenden Glauben zu stärken.
-
-»Ich möchte vor allen Dingen wissen,« fragte sich Schmettkow
-nachdenklich, »ob er schon Pulver gerochen hat, Ihr Oberst, oder nur
-das riecht, das Sie mitbringen. Die Geschichte gefällt mir nur halb.«
-
-»Aber sie kann kaum schief gehen, so wie sie jetzt eingeleitet ist«,
-meinte ich zuversichtlich.
-
-»Es kann in Washington alles schief gehen, seitdem die große Sache
-schief gegangen ist«, versetzte der Oberst mit einiger Wärme. »Sie
-kennen die Yankees noch nicht. Ein Kongreßmitglied in Washington!
-Guter Gott! Ehe Sie sich umsehen, hat man Ihnen die Augen von Ihrem
-Wassersüppchen geschöpft. Vollends ein Kongreßmann, den man Ihnen in
-der Quäker-City angehängt hat, in der Sie am Sonntag in Gegenwart von
-sechshunderttausend Mitmenschen verdursten können! Lieber Herr Eyth, es
-mag ziemlich heiß sein in Ihrem Ägypten, aber Sie sind trotzdem grüner
-geblieben, als Sie es selbst ahnen. Passen Sie mal auf!«
-
-»Hexen können Sie hier auch nicht«, meinte ich, etwas verstimmt. »Ich
-sehe wirklich nicht ein, wie --«
-
-»Einsehen! Das ist gar nicht nötig. Das Einsehen kommt immer erst
-später. Sie werden Ihr Lehrgeld bezahlen wie jeder andre. Zum Glück
-haben Sie, wie es scheint, einen soliden Kassierer im Hintergrund.
-Lernen Sie wenigstens +den+ benutzen! -- Übrigens gebe ich zu, um Sie
-nicht zu ärgern, daß Sie die Sache nicht ganz ungeschickt angegriffen
-haben. Wenn Sie so fortfahren, werde ich Ihnen auch künftig gewogen
-bleiben.«
-
-Er sagte dies im Ton gutmütiger Bevormundung, den wir bei unsern
-abendlichen Schachpartien unter dem Hickorybaum gegenseitig
-gebrauchten, um eine drohende Niederlage zu beschönigen. Die Sache
-aber, um die es sich handelte, war die folgende:
-
-Ich war vor zwei Monaten mit dem Auftrag der Fowlerschen Fabrik ans
-Land gestiegen, unsre Dampfpflüge in Amerika einzuführen. Das war fast
-die einzige Weisung, die ich mitbrachte. Man steht mit einer solchen
-Aufgabe etwas zweifelnd am Strande eines neuen Weltteils; doch scheint
-der Zeitpunkt, aus der Ferne gesehen, nicht ungünstig. Die Südstaaten,
-die nach dem furchtbaren Krieg und nach der Befreiung der Sklaven in
-irgendwelcher Weise weiterleben mußten, hatten sich irgendwie den neuen
-Verhältnissen anzupassen. Für die Sklavenarbeit auf den Plantagen mußte
-ein Ersatz gefunden werden. Hier konnte die Dampfkraft eingreifen und
-nach der blutigen eine friedliche Revolution einleiten; wieder aufbauen
-helfen, was jene zerstört hatte. Ich war nicht ohne einige Begeisterung
-bei diesem Gedanken, wenn auch sehr seekrank, über den Atlantischen
-Ozean gekommen und suchte so rasch als möglich Angriffspunkte für
-meine Aufgabe zu finden. Leicht fand ich es nicht -- nach einigen
-Wochen --, einen Weltteil zu erschließen; man mußte offenbar an die
-Arbeit im kleinen und einzelnen gehen. Doch hatte die Firma Fowler
-Freunde und sogar Verwandte in New York und Philadelphia, ein Haus, das
-»in Blei« groß geworden war und zur alten Aristokratie der Quäkerstadt
-gehörte. Hier fand ich wenigstens Ratschläge, auf die ich mich
-verlassen konnte.
-
-Eins wurde mir sofort klar: mit einem Eingangszoll von fünfundvierzig
-Prozent des Maschinenwertes, der für jeden Dampfpflug viertausend
-Dollar in Gold, siebentausend Dollar in Papier jener Tage
-ausmachte, war die Einführung der Dampfkultur von England aus eine
-augenscheinliche Unmöglichkeit. Dieses Verhältnis mußte vor allen
-Dingen geändert werden. Mit einem Brief der Gebrüder Tatham, meiner
-Berater in Philadelphia, ging ich nach Washington und stellte mich am
-Schenktisch des Hotels Villard einem Herrn Oberst Olcott vor. Ich fand
-in ihm einen klugen, energischen Mann, der im Tone biederer Offenheit
-den kitzlichsten Verhandlungen den wohltuenden Schein der Ehrlichkeit
-zu geben wußte. »Der Zweck heiligt die Mittel« war für ihn ein über
-alle Zweifel erhabener Grundsatz. Es schien ihm völlig ausgeschlossen
-zu sein, daß in unsrer Zeit noch Menschen geboren werden könnten, die
-in diesem Punkt nicht völlig kapitelfest waren. Was aber die Heiligkeit
-des Zwecks anbelangt, so kam es eben hauptsächlich darauf an, wieviel
-dabei zu verdienen war.
-
-Ein gemeinsames Frühstück, zu dem ich mir erlaubte, ihn sofort
-einzuladen, genügte, ihm das Wesen und die Vorzüge eines Fowlerschen
-Dampfpflugs zu erklären, ein Mittagsmahl, ihn von der Notwendigkeit
-der Einführung und Verbreitung dieses großartigen Fortschritts auf dem
-Gebiet der landwirtschaftlichen Technik zu überzeugen. Mit Papieren
-aller Art war ich wohl vorbereitet. Ein begeisterter Aufsatz, noch
-im Manuskript, stellte fest, daß namentlich der wirtschaftliche
-Wiederaufbau des Südens, dem durch die Sklavenbefreiung die Hauptquelle
-von Kraft und Arbeit entzogen worden war, nur durch Fowlers Dampfpflüge
-möglich sei, die in Ägypten in der Hand halbwilder Fellachin Wunder
-geschaffen hätten und in Indien -- hier dichtete ich beträchtlich
--- die vertrockneten Riesenflächen entlang des Ganges in blühende
-Teegärten zu verwandeln in Begriff stünden. Ist es nicht die
-patriotische Pflicht einer erleuchteten Gesetzgebung, fragte ich in
-einem Wald von Ausrufungszeichen, die Einführung eines derartigen
-menschenbeglückenden Apparates mit allen zu Gebot stehenden Mitteln zu
-fördern? jeden Schritt freudig zu begrüßen, der den von ihren Irrtümern
-befreiten, aber heute daniederliegenden Bruderstaaten ihre materielle
-Wohlfahrt wiedergibt und sie gleichzeitig dem Fluch einer sündhaften
-Ausbeutung der Menschenkraft entzieht? Darf nicht erwartet werden, daß
-die weitsichtige Vertretung des größten Volkes unsrer Zeit mit Freuden
-das einzige Hindernis entfernt, das der Erreichung dieses herrlichen
-Zieles Schwierigkeiten bereitet, und ohne Verzug die Abschaffung
-oder wenigstens die zeitweise Aufhebung eines Prohibitivzolls auf
-Dampfpflüge beschließen wird?
-
-»Sehr gut!« sagte Olcott, als ich ihm mein Memorandum vorgelesen hatte;
-»was bezahlen Sie dafür?«
-
-Obgleich selbst nicht Amerikaner, war ich in einen patriotischen
-Schwung geraten, dem ich so rasch als möglich Einhalt tun mußte, um
-antworten zu können.
-
-»Wofür?« fragte ich, ein wenig nach Luft schnappend, um Zeit zu
-gewinnen.
-
-»Nun -- für das Spezialgesetz, für die Aufhebung des Zolls auf
-Dampfpflüge, sagen wir auf ein Jahr.«
-
-»Sagen wir auf fünf Jahre«, schlug ich vor, nach Fassung ringend.
-
-»Gut! Nehmen wir an auf fünf Jahre. Wieviel?«
-
-Ich schwieg. So nahe hatte ich mir das Ziel nicht gedacht. Das schien
-ja über alles Erwarten einfach zu sein. Aber die Frage kam mir doch mit
-gar zu betäubender Wucht über den Kopf.
-
-Olcott sah mich verwundert an. Nach einer Pause bemerkte er:
-
-»Ihr Dampfpflug mag vortrefflich sein. Das müssen Sie am besten wissen.
-Auch was Sie da auf Ihrem Papier haben, ist nicht übel. Jedenfalls
-läßt sich etwas damit machen. Aber Sie glauben doch wohl selbst nicht,
-daß man eine wertvolle Verordnung wie die, die Sie brauchen, durch den
-Kongreß drückt ohne Schmiermaterial. Da hat man zunächst alle möglichen
-Kosten: Druckkosten, Trinkkosten, Reisekosten, Konferenzkosten,
-Reklamekosten -- alle möglichen Kosten, die sich nicht spezifizieren
-lassen! -- Doch kommen wir zum Geschäft -- Zeit ist Geld -- Wieviel?«
-
-So rasch ging es nun doch nicht, wie ich es voreiligerweise vermutet
-hatte. Die Verhandlungen dauerten drei Tage. Ich wand und krümmte mich,
-so gut ich konnte; Olcott hatte viel Geduld mit mir. Am zweiten Tag
-war ich nahe daran, in einem Anfall heiligen Zorns abzureisen; er half
-mir selbst meinen Koffer wieder auspacken. Ich sei furchtbar grün; das
-sei kein Wunder, meinte er, mich entschuldigend, bei meiner kurzen
-Anwesenheit in diesem großen und freien Lande; aber ich sei sichtlich
-ehrlich. Beides würde sich wohl mit der Zeit geben; dann könne noch ein
-tüchtiger Mann aus mir werden. Jedenfalls werde er meine Laufbahn mit
-großer Teilnahme verfolgen. Ich habe ihm vorläufig viel Spaß gemacht.
-Das einzige, was er bedaure, sei, daß ich mit ihm auf politischem
-Gebiet nicht ganz übereinzustimmen scheine. Dann formulierte er den
-zehnten Vorschlag eines Abkommens, das ihm die Dampfkultur Amerikas
-zinspflichtig machen sollte.
-
-Schließlich waren wir am Ziel; wo ein Wille ist, findet sich ein
-Weg. »Oberst Olcott verpflichtet sich,« lautete die geheimnisvolle
-Vereinbarung, »nach Kräften dahin zu wirken, daß der Kongreß der
-Vereinigten Staaten von Nordamerika innerhalb der nächsten zwölf
-Monate die zollfreie Einfuhr von Dampfpflügen auf eine Reihe von
-Jahren, jedoch nicht unter drei, zum Gesetz erhebt. Für die hierdurch
-entstehenden Geschäftskosten und Bemühungen erhält Oberst Olcott von
-der durch Herrn Eyth vertretenen Firma zunächst zur Einleitung der
-erforderlichen Schritte tausend Dollar bar, sodann 7½ Prozent von
-jedem unter dem Gesetz eingeführten Dampfpflug, bis die erhaltene
-Summe zehntausend Dollar beträgt, und später 2½ Prozent bis zur
-Wiedereinführung des gesetzlichen Normalzolls für landwirtschaftliche
-Maschinen.« Damit konnten wir beide zufrieden sein. Ich oder vielmehr
-Olcott hatte mich überzeugt, daß man auch in der größten der Republiken
-dem Lande nicht umsonst Wohltaten erweisen kann. Ich fühlte eine
-gewisse Dankbarkeit gegen den Biedermann, der mit seinem offenen
-Lächeln der ganzen Verhandlung jeden bösen Schein abzustreifen gewußt
-hatte und mit Eifer an die Arbeit zu gehen versprach. Wir schieden
-an den Marmorstufen des Kapitols mit lebhaften Versicherungen
-gegenseitiger Hochachtung. Mir jedenfalls war es um tausend Dollar
-leichter zumute, was auch aus der Sache weiter werden sollte.
-
-»Und seitdem haben Sie nichts mehr von Ihrem Oberst und Gesetzgeber
-gehört?« lachte Schmettkow etwas verächtlich, nachdem ich ihm die
-Geschichte zu meiner eignen Beruhigung beim dritten Male etwas
-ausführlicher mitgeteilt hatte. »Na, das wird schon kommen. Mit tausend
-Dollar ist mein Herr Kamerad im Norden nicht zufrieden. Ich kenne meine
-Pappenheimer.«
-
-»Wir werden ja sehen,« meinte ich etwas kleinlaut; »unter tausend
-Dollar konnte ich wohl kaum erwarten, mit dieser Aufgabe durch
-Washington zu kommen. So weit kennen glücklicherweise auch meine
-englischen Freunde das Land. Im übrigen soll mich das alles wenig
-kümmern, wenn ich in ein paar Tagen meinen Dampfpflug zwischen die
-Finger bekomme. Dann sollen die Herren Amerikaner schon die Augen
-aufmachen.«
-
-»Na, na!« machte der Oberst, in dessen Seele der Stolz des werdenden
-Yankees mit dem Ärger, in Amerika zu sein, in fortwährendem Kampfe lag.
-Wir hatten, wie es die Unsitte des Landes will, halb deutsch, halb
-englisch gesprochen und kaum bemerkt, daß sich auch am Nachbartisch
-jemand niedergelassen und zu frühstücken begonnen hatte: ein älterer,
-gutmütig aussehender Herr mit einem furchtbaren Knotenstock.
-
-»Na, na!« sagte auch der neue Gast, sichtlich bestrebt, deutsch zu
-sprechen, fuhr aber dann sogleich auf englisch fort: »Entschuldigen Sie
-mich, Gentlemen; ich bin Mister Lawrences Bruder; Mister Lawrence,
-Magnoliaplantage, Plagueminegrafschaft, Louisiana -- Sie kennen ihn?« --
-
-Wir kannten nichts von all dem, glaubten ihm aber aufs Wort. Der Mann
-hatte ein so ehrliches, zutrauliches Aussehen, nahm seinen Knotenstock,
-ein wunderbares Naturerzeugnis, zwischen die Knie, stützte sein Kinn
-darauf und sah uns freundlich an.
-
-»Dampfpflüge!« fuhr er nach einer Pause fort, »Dampfpflüge -- das
-interessiert mich. Wir haben in diesem großen Land Dampfpflüge in
-Menge. In Vicksburg läuft einer seit drei Jahren -- in Cincinnati -- in
-Chikago --«
-
-»Mein lieber Herr!« sagte ich etwas erregt, denn er hatte mich an
-einer wunden Stelle berührt, »das geht nicht! Ich bin noch nicht
-lange in Ihrem großen und ruhmgekrönten Land, aber eins weiß ich: den
-amerikanischen Dampfpflug, von dem mir jedermann erzählt, hat noch
-niemand gesehen. Haben Sie ihn schon gesehen?«
-
-»In Baltimore ist einer,« fuhr Herrn Lawrences Bruder ausweichend,
-aber eifrig fort, »in Saint Louis hat erst vor wenig Wochen ein
-außerordentlich talentvoller Milchhändler einen Pflug erfunden, der mit
-dem Wind segelt. Warten Sie ein wenig; sehen Sie, hier!« -- Er zog aus
-seinem geräumigen Rock ein großes, blaues Heft hervor, nachdem er sechs
-kleine Tüten, die mit Zuckerproben gefüllt waren, auf den Tisch gelegt
-hatte. Das blaue Heft enthielt zahllose, in kreuz und quer eingeklebte
-Zeitungsausschnitte, unter denen er eifrig nach dem gewünschten
-segelnden Pflug suchte.
-
-»Haben Sie ihn gesehen?« fragte ich hartnäckig. »Nein? -- Nun will ich
-Ihnen erzählen, wie es mir in diesem großen und erleuchteten Land damit
-ging. Auf der Überfahrt von Liverpool nach Boston sagte mir die ganze
-Schiffsgesellschaft, soweit sie amerikanisch war, daß es bei ihnen
-von Dampfpflügen wimmeln müsse. Ein Herr aus Boston meinte, in seiner
-Vaterstadt seien allein drei, wahrscheinlich in vollem Gang, denn er
-erinnere sich, schon als Schuljunge davon gehört zu haben. Ich hielt
-mich zwei Tage auf, um sie zu finden. Niemand wußte etwas davon. Aber
-in Philadelphia sei ein blühendes Geschäft, das sie fabriziere. Ich
-interessiere mich ein wenig dafür; es ist mein Handwerk. Ich gehe also
-nach Philadelphia und finde mit Müh' und Not die Adresse eines Herrn
-in New York, der einmal mit einem englischen Geschäft korrespondiert
-habe, um sich einen kommen zu lassen. Es wurde nichts daraus wegen
-des hohen Eingangszolls. Aber in Cincinnati sei ein Mister Fox; der
-mache amerikanische Dampfpflüge, hauptsächlich fürs Präriepflügen,
-höre ich in der Metropole der Welt. Ich gehe nach Cincinnati. Mister
-Fox war tot. In einem Schuppen fand ich eine alte Straßenlokomotive,
-die seiner armen Schwester gehörte und aussah, als ob sie Noah gebaut
-hätte. Pflüge wolle ich sehen? Nein, das sei nicht zum Pflügen; das
-sei ein Lastwagen mit Dampfbetrieb, erklärte mir die Schwester. Aber
-in Chikago: dort werden für die Maisfelder von Illinois Hunderte von
-Dampfpflügen gebaut. Ich war auf dem Weg nach dem Süden, aber ich ließ
-mich's nicht verdrießen: ich gehe nach Chikago. Die Firma Thompson &
-Smith, von der ich in Cincinnati gehört hatte, war bankrott. Einen
-Dampfpflug habe sie nie gebaut. Dagegen habe allerdings Mister Thompson
-einen erfunden, der zehn Morgen in drei Minuten aufbreche. Nur der
-Bankrott sei ungeschickterweise dazwischen gekommen, die epochemachende
-Erfindung auszuführen. Jetzt sei er in Kalifornien, um das Geschäft
-fortzusetzen. Dort werde eigentlich nur noch mit amerikanischen
-Dampfpflügen gearbeitet. So werde es in Louisiana wahrscheinlich auch
-sein, namentlich in New Orleans, seitdem die Sklavenarbeit aufgehört
-habe. Hier bin ich jetzt, Mister Lawrence,« schloß ich, ganz warm
-von meinem Bericht, »und Sie schicken mich nach Vicksburg. Bei Gott,
-es ist ein großes Land, Ihr Amerika! Aber die Geschichte von seinen
-Dampfpflügen fängt an, etwas monoton zu werden.«
-
-Lawrence tat, als ob er mir nicht zugehört hätte, und suchte eifrig in
-seinem blauen Heft.
-
-»Sehen Sie hier!« rief er triumphierend. »Vicksburg, den 2. November
-1866 -- na nu! Das ist eigentlich etwas andres, aber nicht weniger
-interessant, und zeigt Ihnen, was unsre Erfinder leisten. Ein Land
-mit solchen geistigen Kräften ist nicht umzubringen, darauf können
-Sie wetten! Hören Sie zu. ›Vicksburg, den 2. November. Wir vernehmen
-mit Vergnügen, daß es einem unsrer Mitbürger, einem genialen jungen
-Erfinder, Mr. Hodgekiß, nach langem Studium und kostspieligen Versuchen
-gelungen ist, einen Dampfneger zu konstruieren. Derselbe kann
-bereits Holz sägen, Maiskolben raspeln und Zuckerrohr kauen. In der
-gegenwärtigen verzweifelten Lage unsers Südens ist diese Erfindung von
-der höchsten Bedeutung. Der Neger ist gegen ein Eintrittsgeld von 50
-Cents zu New York, 218 Fultonstreet, zu sehen. Der geniale Erfinder ist
-nunmehr eifrig damit beschäftigt, auch ein Dampfmaultier anzufertigen,
-teilt uns jedoch in der liebenswürdigsten Weise mit, daß dies eine
-sehr viel schwierigere Aufgabe sei als die von ihm bereits glücklich
-gelöste. Es wird dies jedermann, auch der Nicht-Techniker, begreifen,
-wenn man bedenkt, daß ein Maultier gewöhnlich vier artikulierte Beine
-in Bewegung setzen muß, während der Neger nur zweibeinig ist. Mr.
-Hodgekiß ist übrigens noch nicht zweiundzwanzig Jahre alt und im
-Begriff, sich mit der reizenden Miß Evelin Sharp aus Warrenton zu
-verheiraten. Er geht mit dem Plane um, auf Grund seiner Erfindungen
-eine Dampfneger- und -maultier-Aktiengesellschaft mit beschränkter
-Haftpflicht zu gründen, worauf wir Kapitalisten und Freunde der
-Regeneration des Südens besonders aufmerksam machen.‹«
-
-»Wieviel Aktien haben Sie genommen?« fragte Oberst von Schmettkow
-Herrn Lawrence, der sich siegreich umsah.
-
-»Vorläufig noch keine«, sagte Lawrence, ohne eine Miene zu verziehen.
-»Mein Bruder befindet sich augenblicklich im Norden und will sich den
-Neger erst ansehen. Das ist jetzt nicht mehr so einfach als früher. Sie
-wissen, mein Bruder ist ein vortrefflicher Geschäftsmann und läßt sich
-nicht leicht einseifen. Man muß sich mit den Yankees in acht nehmen.
-Auch in der guten alten Zeit haben wir keine Neger gekauft, ohne sie
-anzusehen. Und wenn Sie uns Ihren Dampfpflug zeigen, wer weiß, dann
-läßt mein Bruder am Ende den Dampfneger fahren und läuft Ihnen nach. Es
-sollte mich freuen, Mister -- Mister -- wie heißen Sie?«
-
-Ich befriedigte seine Neugierde.
-
-Wir schüttelten uns heftig die Hände, während ich mich zum Fortgehen
-anschickte. »Mister Lawrences Bruder« gefiel mir, obgleich mir noch
-nicht ganz klar war, was ich aus ihm machen sollte. Jedenfalls war
-er ein lebender Beweis der Zuträglichkeit des Klimas von Louisiana,
-über das man mir in der Ferne viel Böses gesagt hatte. Sein breites
-Gesicht lachte harmlos, seine Äuglein blinzelten listig hinter
-den roten Wangen und unter den struppigen weißen Augenbrauen. Ein
-kindlicher Glaube an die unbegrenzten Möglichkeiten des menschlichen
-Fortschritts schien der leitende Gedanke, die Poesie seines Lebens
-zu sein und ihn häufig, nach Art der Poesie, in etwas nebelhafte
-Regionen zu entführen. Wenn jedoch von Dollars die Rede war, hatte
-er plötzlich festen Grund unter den Füßen. Er hoffte, mich wieder
-zu sehen. Wenn mein Dampfpflug ankäme, wolle er der erste sein, der
-seinen Ruhm in der Crescent City verkündige. Und seinen Bruder wolle er
-mitbringen! »Sie wissen, wir haben dreitausend Acker Land in Zucker.
-Das ist kein Kinderspiel ein Jahr nach dem Krieg, wenn alles die Arme
-hängen läßt und die verfluchten Reisesäckler[1] dem Süden den letzten
-Blutstropfen aussaugen. -- General Longstreet, sagten Sie? Sie gehen
-zu General Longstreet? Das ist ein Mann, wie er sein soll, Mister
-Eyth, unser bester Soldat und heute der ehrlichste Baumwollmakler in
-ganz Louisiana. Ich werde Sie begleiten. Es ist mir eine Ehre, Sie zu
-General Longstreet zu begleiten.«
-
-»Passen Sie auf!« flüsterte mir Schmettkow zu, der sich's zur
-Lebensaufgabe gemacht zu haben schien, mich vor den üblichen Gefahren
-des Landes zu schützen.
-
-Dann gingen wir in die glühende Helle der Kanalstraße hinaus.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-2. Eine Generalversammlung
-
-
-Die Geschäftszimmer der Firma Longstreet, Owen & Co. in der
-Jacksonstraße bestanden aus zwei geräumigen, hellen Gemächern mit dem
-freundlichen Ausblick auf einen etwas verwilderten Garten, in welchem
-Palmetten, Kaktusbirnen und Aloes in der weißen Vormittagssonne
-schimmerten. Er mußte vor fünf Jahren ein prachtvolles Bild südlicher
-Pflanzenüppigkeit geboten haben. Jetzt schien er sich selbst überlassen
-zu sein, und seine Lianen machten ernstlich Anstalt, über das Haus
-wegzukriechen, um sich dessen Straßenfront anzusehen. Im äußeren,
-größeren Zimmer hausten die zwei jungen Owen, von denen der eine
-Major, der andre Kapitän genannt wurde. Dies waren sichtlich keine
-bloßen Ehrentitel: der Major hinkte infolge eines Schusses im Bein,
-der Kapitän hatte einen tiefen Säbelhieb in der im übrigen rosigen
-Wange. Das zweite, kleinere Gelaß war das Geschäftszimmer des Generals
-Longstreet, den Freund und Feind im Süden mit sichtlicher Hochachtung
-die rechte Hand des Generals Lee zu nennen pflegten, seitdem Longstreet
-selbst nur noch eine linke hatte. Seine eigne Rechte lag auf dem
-Schlachtfeld bei Chattanooga begraben. Alle drei waren jetzt ehrsame
-Baumwollmakler und Generalagenten für alles mögliche, was der Süden
-brauchen oder nicht brauchen konnte, auch für unsre Dampfpflüge. Ich
-selbst bin ein Mann des Friedens, und als mich der junge Owen mit der
-liebenswürdigen Höflichkeit des Südländers bat, ein wenig zu warten,
-da sich General Beauregard und General Taylor augenblicklich bei
-General Longstreet befänden, wurde es mir doch etwas schwül in dieser
-kriegerischen Umgebung, trotz der Baumwollproben, die auf allen Tischen
-und Gesimsen umherstanden. Doch so ist nun einmal das amerikanische
-Leben. Gestern standen die drei Männer, die im Nebenzimmer das Sinken
-der Baumwollpreise besprachen, an der Spitze von Armeen und schrieben
-in blutigen Schriftzügen an der Geschichte der Neuen Welt. Beauregard
-hatte zur Eröffnung des großen Bürgerkriegs die ersten Schüsse bei
-Fort Sumter abgefeuert, Taylor war vier blutige Jahre lang der
-Soldatenliebling aller Damen Louisianas gewesen, und Longstreet, eine
-mächtige, echt ritterliche Gestalt, hatte bis zum bitteren Ende beim
-Appomatox-Courthouse mit seiner verstümmelten Rechten an der Seite
-seines großen Chefs gefochten, wobei ihm die beiden Owen als seine
-persönlichen Adjutanten zur Seite standen. Der Kapitän hatte mir schon
-davon erzählt, wie es ihm und den Tausenden seiner halbverhungerten
-und halbverbluteten Kameraden am Abend bei der Übergabe der Armee,
-die den furchtbaren Krieg beendete, zumute gewesen war, wie ihm und
-allen andern eine Zentnerlast vom Herzen gefallen sei, an der sie
-seit Monaten geschleppt hatten, und wie er in der nächsten halben
-Stunde sein armes, halbtotes Pferd um 32000 Dollar in konföderiertem
-Papiergeld verkauft und ein Paar Stiefel um 430 Dollar gekauft habe.
-So stand es damals um Stiefel, Pferde und Geld. -- Etwas besser war's
-nun doch schon geworden. Taylor war Präsident des kleinen versumpften
-Kanals, der von New Orleans nach dem Pont Chartrin führt, Beauregard
-geschäftlicher Leiter einer im Bau begriffenen Bahn nach Texas,
-Longstreet und seine einstigen Adjutanten Baumwollhändler. Der Major
-war nicht anwesend. Er sagte mir, sein jüngerer Bruder sei auch in
-kaufmännischen Dingen noch heute Longstreets rechte Hand. »Lauter
-rechte Hände,« dachte ich, »und doch ist die ›große Sache‹ schief
-gegangen.«
-
-Während mein neuer Freund Lawrence sofort in lebhaftem Gespräch
-mit dem jungen Owen seine Zuckertüten aus der Tasche holte, sie
-auf den Tisch schüttete und ihn für die herrlichen Kristalle der
-Magnoliaplantage zu begeistern suchte, öffnete sich die Tür des
-Nebenzimmers, und Longstreets breites, treuherziges Soldatengesicht
-winkte mir zu, einzutreten. Die beiden andern Heerführer standen
-um ein Tischchen und zupften mit jener langsamen, sachverständigen
-Handbewegung Baumwollflocken auseinander, die bewies, daß sie wußten,
-was sie taten. Jedes Gewerbe hat gewisse zünftige Bewegungen, an denen
-sich die Eingeweihten sofort erkennen: man weiß, wie der richtige
-Getreidehändler das Korn von einer Hand in die andre rollen läßt, der
-Zuckersieder den zähflüssigen Zucker zwischen Daumen und Zeigefinger
-ausspinnt und der Gastwirt seinen Kaviar empfiehlt, indem er Daumen
-und Zeigefinger zusammendrückt und mit halbgeschlossenen Augen den
-Mund zuspitzt, als ob er küssen oder pfeifen wollte. So wußte ich nun
-auch, daß sämtliche drei Generale aus Familien stammten, die große
-Baumwollplantagen besessen hatten.
-
-Longstreet stellte mich vor: »Herr Eyth, Ingenieur und Vertreter der
-berühmten Firma John Fowler & Co. aus Leeds in England; Herr Eyth
-ist im Begriff, Gentlemen, einen Ersatz für unsre Neger in Louisiana
-einzuführen, so daß die farbigen Gentlemen sich in Zukunft mit größerer
-Ruhe der Anfertigung unsrer neuen Konstitution widmen können.«
-
-Beauregard, ein schweigsamer Mann mit weißen Haaren, machte ein
-finsteres Gesicht und zeigte keine Lust, auf Longstreets Witzchen
-einzugehen. Der kleine, elastische General Taylor dagegen lachte.
-
-»Was hilft das Zähneknirschen, Beauregard?« sagte er munter. »Wir
-sind geschlagen. Darüber ist kein Zweifel. Man muß sehen, wie man
-sich daran gewöhnt. -- Waren Sie schon in unserm Abgeordnetenhaus?«
-wandte er sich an mich. »Dorthin müssen Sie gehen. Alles schwarz. So
-etwas hat man nicht gesehen, seit sich der Erdball um die Sonne dreht.
-Mein Plantagenhufschmied, der mich seinerzeit dreizehnhundert Dollars
-kostete, ist erster Schriftführer. Aber reden sollten Sie den Mann
-hören! Alle sechs Wochen erhöhen die Herren in namentlicher Abstimmung
-ihre Tagegelder. Bis jetzt war dies ihre einzige gesetzgeberische
-Tätigkeit. Aber reden muß man sie hören. O Jerusalem!« ...
-
-»Mittlerweile müssen wir jetzt danach sehen, wie man Maulesel
-beschlägt«, meinte Longstreet, »und den Boden aufreißt, Kanalschiffe
-durch die alten Swamps schleppt und Schienen im Sand von Texas begräbt.
-Das ist Beauregards Spezialität. -- Sie also wollen uns pflügen helfen,
-Herr Eyth?«
-
-»Ich hoffe so, General«, antwortete ich mit erwachender Zuversicht
-und fühlte mich den drei Helden des großen Bürgerkriegs mit jeder
-Minute menschlich näher. »Der Dampf hat schon größere Schwierigkeiten
-überwunden.«
-
-»Sie scheinen einen guten Glauben an den Dampf zu haben«, meinte
-Beauregard grimmig. »Vor fünf Jahren ging mir's ähnlich: mit dem
-Pulverdampf!«
-
-»Wenn einmal die erste Lokomotive über seine ›Texasstrandlinie‹ läuft,
-wird sein Glaube wieder lebendig werden«, sagte Taylor tröstend.
-»Nehmen Sie ihm ein paar hundert Aktien ab, Herr Eyth, wenn Sie den
-alten Bären lachen sehen wollen. Ich habe leider mit dem größeren
-Teil meines Vermögens meinen Salon tapezieren lassen: alles echte
-konföderierte Tausenddollarnoten, die die Yankees für uns fabrizierten.
-Das müssen Sie sich ansehen, ehe Sie uns verlassen. Verstehen Sie etwas
-von Kanalschiffahrt? Ich nicht; und ein unbehagliches Gefühl ist es für
-einen Soldaten und Kanaldirektor.«
-
-Als in diesem Augenblick Major Owen eintrat, verabschiedeten sich die
-Herren mir gegenüber mit allgemeinem Händeschütteln, untereinander
-mit halb militärischen Grüßen und kaum bemerkbaren Blicken, die
-jedoch erraten ließen, daß sich unter der Oberfläche einer zu lauten
-Heiterkeit manches regte, das der Fremde nicht zu sehen brauchte.
-
-»Galgenhumor!« sagte Longstreet, von der Tür zurückkommend, mit einem
-leichten Schatten auf seinem guten, wohlwollenden Gesicht. »Taylor
-hat sein ganzes, großes Vermögen endgültig verloren. Er hat zwei
-Schwestern, vor fünf Jahren die ersten Damen von New Orleans, die
-eine Nähschule anfangen wollen, um zu leben. Übrigens geht es uns
-allen nicht viel besser. Doch es wird wieder anders kommen! Bei Gott,
-schlechter kann's nicht werden! -- Ihr Schiff, der ›Wilde Westen‹, muß
-jeden Augenblick hier sein, Herr Eyth. Der Major ist auf dem Zollamt,
-um den Betrag des Zolls festzustellen. Er hofft, Ihren Pflug um
-fünfzehnhundert Dollars hereinzubekommen. Natürlich muß er erklären,
-daß die ganze Sendung aus rohem Gußeisen besteht. Das wird ihm um so
-leichter, als er noch nichts davon gesehen hat und einen Dampfpflug von
-einem Bienenkorb nicht unterscheiden kann, wenigstens zollamtlich. Sie
-sehen, wir haben schon einiges von unsern nordischen Freunden gelernt.
-Im schlimmsten Fall müßten Sie allerdings beschwören, daß die Angaben
-meines Geschäftsteilhabers ihre Richtigkeit haben.«
-
-Ich schnappte nach Luft. Jedermann kannte Longstreet als einen
-Ehrenmann ohne Furcht und Tadel, und seine treuherzigen blauen Augen
-sahen so kindlich in die Welt hinaus, daß ihm der größte europäische
-Spitzbube aufs Wort geglaubt hätte.
-
-»Aber, General, das geht wirklich etwas zu weit«, stotterte ich.
-»Gußeisen! Seit zehn Jahren trompeten wir in Wort und Schrift in alle
-Welt hinaus, daß wir den besten Stahl an Stelle jedes Stückchens
-Gußeisen anwenden, das durch Stahl zu ersetzen ist. Ich habe erst
-gestern einen Zeitungsartikel an den ›New Orleans Picayune‹ gesandt, in
-dem ich mit Nachdruck darauf hinweise.«
-
-»Und ist das alles, was Sie da geschrieben haben, so ganz wörtlich
-zu nehmen?« fragte Longstreet, indem er mich zutraulich anblinzelte.
-»Sehen Sie, lieber Herr Eyth, Sie müssen sich in unsre Sitten einleben.
-Geschworen wird bei uns das Blaue vom Himmel herunter; an das müssen
-Sie sich vor allen Dingen gewöhnen. Auf dem hiesigen Zollamt werden
-an guten Tagen etliche fünfzig Eide geleistet. Schweinefleisch,
-Baumwollballen, Stockfische, Seidenkleider, Guß- und Schmiedeeisen,
-alles, was die Barre passiert, wird im Namen des allmächtigen Gottes
-für das erklärt, was es meist nicht ist. Die ganze Union ist entlang
-ihrer zwölftausend Meilen langen Grenze von einem Schnellfeuer von
-Meineiden beschützt, die jahraus jahrein ununterbrochen, außer am
-Sabbat, gen Himmel knallen. Das verlangt die Konstitution dieses
-großen und erleuchteten Landes und gehört zum Segen des Schutzzolls.
-Sie sehen, wir sind ein religiöses und gesetzliebendes Volk, seitdem
-wir wieder zur glorreichen, unteilbaren Republik gehören und ein
-Rudel Schwarzer unsre Gesetze macht. Auch uns, den alten Herren von
-Louisiana, wird es nicht immer ganz leicht, im neuen Fahrwasser zu
-schwimmen, das kann ich Ihnen unter der Hand versichern.«
-
-Major Owen trat ein, ein noch junger, hübscher Mann, dem man übrigens
-die Strapazen einer harten Zeit deutlich ansah, und bei dem unter
-der höflich lächelnden Oberfläche häufiger als bei Longstreet der
-verhaltene Grimm, die kochende Bitterkeit gegen die Verhältnisse
-durchbrach, in denen wir lebten. Der kurze Gruß der beiden zeigte
-deutlich die soldatischen Beziehungen der kaum vergangenen Zeit und
-zugleich von seiten des jüngeren Mannes eine fast schwärmerische
-Verehrung für den älteren. Man weiß in langen Friedenszeiten so viel
-von der Verrohung zu erzählen, die der Krieg mit sich bringt. Mitten im
-Kampf und oft genug nach demselben sieht man nicht selten auch Blüten
-und Früchte andrer Art.
-
-Nein, es sei nichts mit den 1500 Dollars, berichtete der Major. Der
-Zolldirektor, ein regelrechter Reisesackpolitiker aus dem Norden,
-bestehe auf dem vollen Zoll von 4200 Dollars in Gold, wenn ich nicht
-vielleicht bereit sei, andre Überredungskünste in Bewegung zu setzen.
-
-»Wieviel?« fragte ich. Diese Form der Frage begann mir schon geläufiger
-zu werden.
-
-»Ich denke, mit 500 Dollars ließe sich der Gußeisenzoll erreichen«,
-sagte der Major nachdenklich. »Das wären noch immer 2200 Dollars in
-Ihre Tasche. Aber bei Jupiter! das müssen Sie selbst regeln, Herr Eyth.
-Ich habe die Spitzbubengeschichte satt.«
-
-»Und ich bin für eine solche Verhandlung noch nicht lange genug in
-Ihrem großen und erleuchteten Lande gewesen!« rief ich in einer
-Aufwallung moralischer Entrüstung, die beide Herren höchlich belustigte.
-
-»Aber Sie kommen doch aus der Türkei oder aus Ägypten«, meinte
-Longstreet nach einer Pause.
-
-»Wohl wahr, und ich überlege selbst gelegentlich, worin eigentlich
-der Unterschied liegt. Das tröstliche Wort Bakschisch erklärt ihn
-vielleicht teilweise. Dort, einem schmunzelnden Effendi gegenüber,
-hat man das Gefühl, als sei dies alles, wie es der Schöpfer gewollt
-hat, als habe man es mit einer andern Gattung von Säugetieren zu tun,
-die nun einmal nicht leben können, wenn sie nicht geschmiert werden.
-Hier, im Verkehr mit Herren in schwarzen Sonntagshosen, mit einem
-Gesicht ernst und ehrenfest und wie aus Holz geschnitzt, finde ich den
-richtigen Ton noch nicht.«
-
-»Das wird kommen, Herr Eyth,« meinte Longstreet, »ich fürchte, das
-wird rasch genug kommen. Eine im Grunde aufrichtige Natur wie Sie
-findet sich bei uns bald zurecht. Man muß uns nur verstehen. Sie haben
-noch keinen Begriff davon, mit welcher Ehrlichkeit unsre Spitzbuben
-zu Werke gehen. Lesen Sie die Verhandlungen, in denen der große Boß
-des Tammanyrings, Mister Tweed, in New York seit ein paar Wochen
-glänzt. Sie kommen gerade zur rechten Zeit hierher. Wir wissen das
-alles schon seit fünf Jahren: für Sie ist es eine gute Anfangslektion.
-Bitte, beachten Sie die Ehrlichkeit, mit der der Mann seine fünfzig
-Millionen aus dem Steuerbeutel der New Yorker gestohlen hat. Keine
-Intriguen wie in der alten, verrotteten Welt, aus der Sie kommen,
-keine Heimlichkeiten, keine Hintertreppengemeinheiten. Alles offen und
-geradeaus, was man auf beiden Seiten des Wassers ›~fair play~‹ nennt.
-›Ich greife in die Stadtkasse und hole mir eine Million heraus --
-ungezählt. Sie, Mister Schatzmeister, drücken die Augen zu und erhalten
-hierfür dreimalhunderttausend Dollars. Abgemacht?‹ sagt der eine. --
-›Abgemacht!‹ sagt der andre. Das war die Formel für alle Geschäfte des
-großen Mannes, der New York bis gestern regierte. Möglich, daß er jetzt
-ins Zuchthaus wandert. Alle zwölf Jahre schüttelt sich das unglaublich
-faule Volk der wirklich achtbaren Leute, und das Geschmeiß fällt ab.
-Wahrscheinlicher ist aber, daß er das Geschäft nach einigen Monaten
-wieder aufnimmt. Ein andrer, wenn nicht er, tut es sicher.«
-
-Ich erzählte, was ich mit Olcott in Washington vereinbart hatte.
-
-»Sehr schön,« sagte Longstreet, »für einen Anfang sogar recht brav
-gemacht! -- Olcott? -- Olcott? -- Ich erinnere mich des Namens. --
-Major, wissen Sie, wo wir einem Olcott begegnet sind?«
-
-»Wenn es der Artilleriehauptmann ist, der uns bei Chattanooga
-gegenüberstand,« sagte Owen, »so ist es wenigstens ein braver Soldat.
-Der Mann stand bei seinen zerschossenen Kanonen, bis der letzte
-Artillerist am Boden lag. James Olcott. Ich ließ mir den Namen von ein
-paar Gefangenen sagen, die zu seiner Batterie gehört hatten. Er selber
-entwischte uns schließlich doch.«
-
-»James Olcott!« rief ich erfreut, »das stimmt! Da glauben Sie wohl
-auch, daß ich an den richtigen Mann geraten bin, der unsre Sache
-ehrlich vertreten wird?«
-
-»Was das betrifft,« meinte Longstreet gedehnt, »warten wir's ab!
-Bei Chattanooga hätte ich dem Mann mein Vermögen samt Weib und Kind
-anvertraut, in Washington würde ich keinen roten Cent an ihn wagen.
-Für den Augenblick hilft uns Ihr Freund jedenfalls nichts. Sie müssen
-sich entscheiden: entweder bleibt der Pflug unter Zollverschluß, bis
-der Kongreß zu einer Entscheidung kommt -- das mag sechs Wochen dauern
-oder sechs Monate oder sechs Jahre, kein Mensch kann es wissen -- oder
-Sie entschließen sich, die 4200 Dollars zu zahlen. Einen dritten Ausweg
-sehe ich nicht, wenn Sie dem Zolldirektor keinen Privatbesuch machen
-mögen. Was wollen Sie tun?«
-
-»Aber so viel Geld habe ich nicht hier«, bemerkte ich sorgenvoll.
-
-»Natürlich, doch das ist einfach!« tröstete Longstreet. »Ein Wechsel
-auf Ihre Freunde in London regelt die Sache in drei Minuten.«
-
-Kapitän Owens rosiges Gesicht sah zu der sich leise öffnenden Tür
-herein:
-
-»Kann Sie Mister Lawrence sprechen, General? Der Bruder des Mister
-Lawrence von der Magnoliaplantage. Es betrifft den Dampfpflug.«
-
-»Sicherlich!« rief Longstreet fröhlich. »Wie geht es Ihnen, Mister
-Lawrence?« Mister Lawrence stand nämlich schon mitten im Zimmer, den
-Hut auf dem Hinterkopf, beide Hände auf dem Knotenstock, die stämmigen
-Beinchen ausgespreizt wie eine kleine Kopie des Kolosses von Rhodos,
-und lächelte uns der Reihe nach verständnisvoll an.
-
-»Wie geht es Ihnen, General?« rief er eifrig. »Ich bin Mister
-Lawrences Bruder von Magnoliaplantage, Plagueminegrafschaft; Sie
-wissen, General? Ein guter Südländer in der Zeit der Sezession. Aber
-wir müssen mit den Wölfen heulen und schließlich auch dampfpflügen,
-wenn unsre farbigen Herren es wünschen. Übrigens bin ich im Ausschuß
-der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana und habe Ihnen einen
-Vorschlag zu machen.«
-
-»Was, sind Sie noch nicht bankrott?« fragte Longstreet verwundert.
-
-»Die Landwirtschaftsgesellschaft? Noch nicht, im Gegenteil! Wir haben
-bloß kein Geld. Aber hier, dieser Gentleman aus der Alten Welt hat
-mir eine Idee eingegeben, aus der sich etwas machen läßt. Wir haben
-unsern Ausstellungspark vor der Stadt, einen prächtigen Platz. Die
-Herren Owen kennen ihn; Rennbahn, Tribüne, alles. Wir machen den
-nötigen Lärm, dafür lassen Sie mich sorgen. Herr Eyth läßt dort seinen
-Dampfpflug laufen, und die ganze Welt strömt zusammen, das Weltwunder
-anzustaunen. Überall hört man vom Dampfpflug; kein Mensch hat das Ding
-je gesehen. Das muß ziehen. Die Landwirtschaftsgesellschaft nimmt das
-Eintrittsgeld; Sie, General, haben die Ehre, den Süden zum zweitenmal
-zu retten; das heißt« -- Lawrence wurde sichtlich verlegen -- »das
-heißt zum erstenmal, und Mister Eyth verkauft ungezählte Apparate an
-die Yankees, die unsre Plantagen in Besitz genommen haben und nicht
-wissen, was sie jetzt weiter tun sollen.«
-
-»Und die Kosten?« fragte ich nicht ganz ohne Bedenken, obgleich
-Lawrences Plan wie ein Lichtstrahl in das zweifelhafte Dunkel fiel,
-in dem ich bis jetzt gelebt hatte. Denn auch ich wußte kaum, wie ich
-weiterkommen sollte. »Es kostet ein rundes Sümmchen, Herr Lawrence, den
-großen Apparat, sagen wir, eine Woche lang auf Ihrem Ausstellungsplatz
-in Gang zu erhalten.«
-
-»Ganz einfach!« sprudelte mein neuer Freund. »Die
-Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana schreibt einen glänzenden
-Preis für den besten Dampfpflug aus. Sie erhalten den Preis, den wir
-aus den Eintrittsgeldern bezahlen. Was kostet der Rummel, wenn wir acht
-Tage arbeiten?«
-
-»Ich denke, ich sollte mindestens 500 Dollars haben, um die Kosten
-zu decken«, sagte ich, mit höchst unnötiger Gewissenhaftigkeit
-kopfrechnend.
-
-»Sagen wir 750!« meinte Lawrence. »Gut! Morgen schreibt unser Komitee
-einen Preis von 750 Dollars aus; dafür lassen Sie mich sorgen.«
-
-»Sie können nichts Gescheiteres tun, als ja sagen, Herr Eyth«, sagte
-Longstreet, sichtlich erstaunt über mein Zaudern. »Mister Lawrences
-Bruder ist ein praktischer Mann, das sieht man auf den ersten Blick.
--- Ich gratuliere Ihnen, Herr Lawrence! Sie sind ein würdiges
-Ausschußmitglied unsrer großen Landwirtschaftsgesellschaft von
-Louisiana!«
-
-»Wann kann die Prüfung losgehen, Mister Eyth?« fragte Lawrence, ohne
-des Generals Komplimente zu beachten, indem er seinen Hut noch weiter
-auf den Hinterkopf schob, der vor Eifer zu dampfen schien.
-
-Das war der rasche Pulsschlag des amerikanischen Lebens, der uns
-langsame Europäer manchmal fast betäubt. Ich hatte, wie es schien,
-zehn Sekunden Zeit, mir alles zu überlegen. Der Pflug, in etlichen
-fünfzig gewaltigen Kisten, schwamm noch wohlverpackt und unverzollt auf
-dem Mississippi. Ich wußte nicht, ob der unentbehrliche Monteur und
-Dampfpflüger mitgekommen war, ohne den es nahezu unmöglich war, eine
-öffentliche Vorstellung mit dem neuen Apparat und einer Bemannung von
-völlig unerfahrenen Heizern und Pflügern zu geben. Dann, wer weiß, in
-welch unpflügbarem Zustand sich der gerühmte Ausstellungspark befand,
-in dem das Experiment stattfinden sollte. Doch es war nicht mein erster
-rascher Entschluß. Frisch gewagt ist halb gewonnen, und die vierzehn
-Tage Wartens in der schwülen Luft des Mississippideltas hatten mich ein
-wenig ungeduldig und tatendurstig gemacht.
-
-»Haben Sie ein Wechselformular zur Hand?« fragte ich.
-
-Major Owen reichte mir die Feder; das Papier lag bereits säuberlich
-ausgeschrieben auf des Generals Schreibtisch, der es in wundersam
-wackligen, nach links fallenden Schriftzügen mit seiner noch
-vorhandenen Hand ausgefüllt hatte, während wir uns unterhielten. Ich
-unterzeichnete das Dokument, demzufolge die Herren John Fowler & Co.
-sich verpflichteten, vierzehn Tage nach Sicht dem Überbringer 4200
-Dollars in Gold auszuzahlen.
-
-Der Major verabschiedete sich mit dem kleinen Zettel, um ihn zu
-versilbern. Es war keine Zeit zu verlieren. Ein Junge stand im äußeren
-Bureau mit der Nachricht, daß der »Wilde Westen« soeben am Fuße der
-Tschapatulastraße anlege. Der Kapitän wolle wissen, was mit den fünfzig
-Maschinenkisten geschehen solle, die sofort ausgeladen werden müßten,
-da der Pflug als Deckladung verschifft sei.
-
-Und damit hatte ich ja meinen Pflug und konnte die Neue Welt fünfzehn
-Zoll tief aufbrechen, wann und wo ich wollte!
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-3. Die erste Großmacht unsrer Zeit
-
-
-Herrn Lawrences Bruder nahm seinen Knotenstock unter den Arm und rieb
-sich die Hände vor Vergnügen, als wir Longstreets Bureau verließen.
-»Sehen Sie, das freut mich!« rief er noch unter der Türe. »Seit sechs
-Monaten gebe ich mir alle erdenkliche Mühe, den Dampfnigger hierher
-zu bekommen. Aber der Kerl will zu viel Geld und verlangt dazu noch
-Vorausbezahlung. Das geht nicht. Der Erfinder ist kein Südländer,
-darauf können Sie wetten, und wenn er zehnmal in Vicksburg geboren
-wäre. Ein kniffiger Yankee, ohne Zweifel, der kein Herz unter den
-Rippen hat wie alle. Nun haben wir dafür einen Dampfpflug und Sie! Und
-Sie -- Sie sind« -- er suchte offenbar nach einem schmeichelhaften
-Ausdruck, doch was ihm einfiel, schien diesem löblichen Streben kaum
-zu entsprechen, so kam schließlich nicht viel dabei heraus -- »Sie
-sind ein vernünftiger Mensch, ein ganz vernünftiger Mensch! Wenn ich
-etwas für Sie tun kann, Mister Eyth, rechnen Sie auf mich und auf
-meinen Bruder, der in vierzehn Tagen zurückkommt. Sie müssen sich die
-Magnoliaplantage ansehen, wenn Sie Land sehen wollen und Zucker. Haben
-Sie die hiesigen Zeitungsredaktionen schon besucht?«
-
-»Nein. Wozu?«
-
-»Was! Sie haben die Redaktionen nicht besucht und einen Dampfpflug
-am Fuß der Tschapatulastraße? Sie sind wohl nicht bei Trost! -- das
-heißt -- verzeihen Sie -- Sie kennen dieses große Land noch zu wenig,
-lieber Freund. Das erste ist, allen Redakteuren von New Orleans Ihre
-Aufwartung zu machen. Es ist weitaus billiger als jeder andre Weg. Ich
-werde Sie begleiten.«
-
-»Sehr gütig, Herr Lawrence,« versetzte ich, »aber ich wollte vor allen
-Dingen nach meinen Kisten sehen und hauptsächlich auch nach meinem
-Monteur, der im ›Wilden Westen‹ mitgekommen sein muß und sich nicht zu
-helfen weiß.«
-
-»Das ist alles Nebensache«, erklärte mein hitziger Freund. »Die
-Redaktionen müssen Sie besuchen, ohne eine Minute zu verlieren.
-Ich werde Sie vorstellen. Und dann gehen wir zum Sekretär der
-Landwirtschaftsgesellschaft. -- Donnerwetter!« -- er blieb stehen;
-es schien ihm plötzlich etwas einzufallen -- »ich glaube, ich habe
-Ihnen versprochen, daß die Gesellschaft morgen einen Preis von
-siebenhundertfünfzig Dollars für den besten Dampfpflug aussetzen wird.
-Wir müssen doch wohl eine Komiteesitzung abhalten.«
-
-Der Hickorystock setzte sich in Bewegung, Lawrence, flink wie ein
-Wiesel, hinterher. Ich folgte fast willenlos: die kleine dicke
-Verkörperung eines Wirbelwinds riß mich mit. Ich mußte mich zum
-wenigsten vergewissern, ob es mit der Komiteesitzung ernst werden
-würde, von deren doch noch sehr zweifelhaften Beschlüssen meine
-nächsten Schritte abhingen.
-
-In der St. Charlesstraße fanden wir das übliche Gewimmel von Menschen
-und Tieren. Es war kaum möglich, meinem übereifrigen Führer zu folgen.
-Da plötzlich, hinter dem Rücken eines vierschrötigen Negers, war er
-verschwunden, als hätte ihn vor meinen Augen die Erde verschlungen,
-ohne sich zu öffnen. Ich stand etwas erschrocken und völlig ratlos
-da, ging auf dem Fußsteig der Straße, vom Strom der Vorübergehenden
-geschoben und gestoßen, zehn Schritte weiter, dann zehn Schritte
-zurück und wiederholte dies mit wachsendem Staunen. Lawrence blieb
-verschwunden. War die ganze Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana
-samt ihrem Ausschußmitglied eine amerikanische Sinnestäuschung gewesen,
-deren Bedeutung ich noch nicht begreifen konnte?
-
-Plötzlich hörte ich aus dem Dunkel eines kleinen Tunnels, der
-unmittelbar von der Straße in ein altes, finsteres Gebäude führte,
-die mir wohlbekannte Stimme: »Wo stecken Sie denn? Hier haust der
-›Picayune‹! Kommen Sie! Schnell!«
-
-Ich stürzte mich erfreut in die stockfinstere Nacht, in der mein
-wiedergefundener Freund völlig zu Hause zu sein schien, erwischte ihn
-am Rockärmel und war entschlossen, ihn nicht mehr zu verlieren, bis der
-Preis für den besten Dampfpflug schwarz auf weiß ausgeschrieben war.
-
-»Dies sind die Geschäftsräume des Picayune,« sagte er, mich an der
-Wand des Tunnels vorwärtstreibend; »das älteste Blatt der Stadt. Die
-größte Zeitung im Süden. Nehmen Sie sich in acht, was Sie sagen. Guter
-Demokrat. Südliche Sympathien. Der Redakteur ist Oberst, hat in Texas
-kommandiert, aber nicht viele Schlachten gewonnen. Mehr Federmann. Hier
-sind wir!«
-
-Es dämmerte in der Wand, die sich teilweise auf meinen Rock übertragen
-hatte. Seitlich ging es eine schmale, steile Treppe empor, die den
-letzten Grad der Abnutzung erreicht zu haben schien, den eine Treppe
-erreichen kann. Mehrere Herren kamen uns hastig entgegen; auch Arbeiter
-mit Setzkästen. Es war nicht leicht, hinaufzudringen. Oben summten und
-rasselten die Pressen. Dort in dem schwülen Halbdunkel eines großen,
-niederen Saals wurden in allen Richtungen feuchte Zeitungsblätter
-von wunderlich zuckenden und rollenden Maschinen in beängstigendem
-Takte ausgespieen. Lawrence zog mich weiter, durch den Setzersaal.
-Es war jetzt nicht an der Zeit, Maschinenbewegungen zu studieren. In
-der kleinen, aber fürchterlichen Höhle, die wir ohne jede Zeremonie
-betraten, hauste der Geist, der diese halbdämonische Welt regierte.
-
-Ein Räuberhauptmann, dem Aussehen nach, braun wie ein Mulatte,
-mit gewaltigem Schnurrbart und einer imponierenden, unzweifelhaft
-rötlichen Adlernase, maß uns während des energischen Händeschüttelns
-mit schwarzen, stechenden Augen, machte jedoch gleichzeitig mit einer
-nicht unhöflichen Bewegung zwei Stühle frei, indem er die Berge von
-Manuskripten, Zeitungsschnipfeln und Fahnenabzügen, die sie bedeckten,
-auf den Boden fegte. Dann deutete er uns mit einer riesigen Schere an,
-Platz zu nehmen, wenn uns unser Leben lieb sei.
-
-»Mit was ist Ihnen gedient, Mister Lawrence?« fragte er, indem er mit
-seiner Waffe nach der Wand wies, wo auf einem langen Papierstreifen in
-roten Buchstaben der Zauberspruch »~Time is money!~«[2] prangte. Über
-der Inschrift waren zwei sich kunstreich kreuzende Revolver angebracht,
-der einzige Schmuck an den im übrigen kahlen Wänden. Man hatte den
-Eindruck, daß man sich hier nicht am richtigen Ort für ein gemütliches
-Plauderstündchen befand.
-
-»Ich wünsche, Ihnen diesen Gentleman vorzustellen,« sagte Lawrence
-eifrig: »Mister Eyth, Mister Rawley; Mister Rawley, Mister Eyth,
--- mit dessen Ankunft eine neue Zeit für unsern unglücklichen
-Süden beginnen wird. Mister Eyth ist der Vertreter der größten und
-berühmtesten englischen Fabrik für Dampfkulturgeräte: Dampfpflüge,
-Dampfkultivatoren, Dampfeggen, Dampfwalzen, Dampfsäemaschinen,
-Dampfzuckerrohrschneider und Dampfbaumwollpicker. Sie machen doch
-auch Dampferntemaschinen jeder Art, Herr Eyth? -- versteht sich --
-natürlich!« -- wandte er sich an mich im Ton unerschütterlichen
-Glaubens an seine Inspiration. »Kurzum, Mister Rawley, die Negerfrage
-existiert nicht mehr, wenn wir Herrn Eyth in Louisiana aufnehmen, wie
-er es verdient.«
-
-Rawley brummte mürrisch: »Hm! sehr angenehm! Immer noch lieber von
-England als von jenseits des Potomaks. -- Sehr angenehm, Mister Eyth.
-Ich nehme an, daß Ihr Dampfpflug uns besser hilft, als Ihre Landsleute
-es getan haben. Ah so -- Sie sind kein Engländer; um so besser! --
-Wie gefällt Ihnen unser schönes Land in seinem jetzigen, jammervollen
-Zustand? Nicht übel -- wie?«
-
-»Longstreet, der General, hat die Agentur für die Sache übernommen«,
-fiel Lawrence ein.
-
-»Der General Longstreet, die rechte Hand von Lee? Das ist etwas andres!
-Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« fragte Rawley, während sich
-seine Räuberhauptmannszüge in etwas menschlichere Falten legten.
-»Wir werden Sie mit Interesse beobachten, Mister Eyth! Wann soll es
-losgehen?«
-
-»Was meinen Sie, Herr Rawley?« fragte ich, etwas Mut schöpfend.
-
-»Die Rettung des Südens, das Gepflüge«, versetzte der Redakteur. »Sie
-geben doch ein Frühstück, um die Sache einzuleiten? Wir werden einen
-Berichterstatter hinschicken, wenn ich nicht selbst kommen kann. Sie
-wünschen ohne Zweifel eine redaktionelle Notiz schon vor dem Frühstück?
-Natürlich! Wollen Sie die Gefälligkeit haben, mir einige Anhaltspunkte
-zu geben. Wie alt sind Sie? verheiratet? glücklich verheiratet? Wo
-wurden Sie erzogen? Bitte, teilen Sie mir alles mit, was zur Sache
-gehört. General Longstreet ist mein Freund, ein Mann, den ich hoch
-verehre. Nehmen wir einen Tropfen Rum -- echten Jamaika -- wie, Herr
-Lawrence?«
-
-Sie winkten sich, verständnisinnig. Eine geschäftige Freundlichkeit
-durchbrach endlich die rauhe Schale des Räuberhauptmanns. Es gelang
-mir zwar nicht, seine Aufmerksamkeit von meinem ~curriculum vitae~
-auf die Vorzüge des Fowlerschen Doppelmaschinensystems zu übertragen.
-Auch Lawrence half mit, meinem Jugendleben und meinen persönlichen
-Wünschen und Hoffnungen auf den Grund zu kommen, und fügte, gegen
-Rawley gewendet, von Zeit zu Zeit die Versicherung bei, daß ich von
-Kindesbeinen an ein wirklicher Gentleman und ein unzweifelhafter
-Demokrat -- im amerikanischen Sinne des Wortes -- gewesen sei. In
-der Sklavenfrage halte ich noch jetzt »mit Zähnen und Klauen« an
-den geheiligten Gesetzen unsrer Vorfahren fest. Dies brachte mir
-jedesmal einen stummen, schmerzhaften Händedruck des Redakteurs ein,
-der seinerzeit selbst fünf Neger besessen hatte. Dazwischen wurde
-festgesetzt, daß Longstreet ein großes Frühstück geben müsse, zu dem
-die gesamte zu rettende Gesellschaft Louisianas sowie die Vertreter
-der Presse, in erster Linie aber des Picayune, einzuladen seien.
-Daran werde sich das Pflügen in würdiger Weise anschließen. Bezahlen
-werde ich es ja mit Vergnügen; eine solche Einführung des englischen
-Dampfpflugs sei etwas mehr wert, sollte man denken, als ein paar
-Dutzend Hummern und das erforderliche Zubehör. Ich selbst mußte dies
-zugeben und bekämpfte mannhaft eine vorübergehende Trübung meiner
-Stimmung. »Noch einen Tropfen Rum, Herr Eyth!« rief der finstere
-Redakteur, indem er nach der steinernen Flasche griff, die neben seinem
-Tintenfaß stand. »Nein? Das müssen Sie noch besser lernen, wenn Sie uns
-retten wollen. Das oder Temperenzler werden. Dazwischen liegt nichts.
-Adieu! Schicken Sie mir, was Sie gedruckt haben wollen, schon vor dem
-Frühstück!«
-
-[Illustration]
-
-Wir gingen. Lawrence nahm im Tunnel den Knotenstock wieder unter den
-Arm. Ich bemerkte es, weil er mich damit heftig in die Magengegend
-stieß. Es war der Ausdruck seiner Befriedigung. Dann lief er weiter,
-als ob er feurige Kohlen in den Stiefeln hätte. »Jetzt rasch, solange
-wir noch warm sind, in die Konkurrenzbude!« sagte er, mehr für sich als
-zu mir. Unser Ziel befand sich in derselben Straße, nur zwei »Blocks«,
-zwei Häuserviertel, entfernt; ein prächtiger, noch im Bau begriffener
-Palast, an dessen Steinfront der Titel der Zeitung: »~The Crescent City
-News~« in goldenen, riesengroßen Buchstaben prangte. Eine prachtvolle
-Marmortreppe, deren vergoldete Eisengeländer man anzuschrauben im
-Begriff stand, führte in die hellen, luftigen Drucksäle. Alles glänzte
-und funkelte hier, und selbst das Maschinengerassel hatte einen
-schärferen Klang als beim Nachbar. Auch flogen die Abendzeitungen nicht
-unordentlich aus allen Winkeln heraus wie dort. Ein schwarz gekleideter
-Herr empfing uns an der Tür eines geräumigen Bureaus, wohlwollend und
-würdig, so daß ich ihn für einen Geistlichen zu halten geneigt war. Es
-war Herr Smithson, der erste Redakteur der »Crescent City News«. Er war
-entzückt, Herrn Lawrence zu sehen, entzückt, daß Herr Lawrence mich
-mitgebracht hatte, direkt aus England. Er rang mit meiner Hand, als ob
-er sie aus dem Gelenke schütteln wollte. »Entzückt, Herr Eyth, Ihre
-Bekanntschaft zu machen. Ein Deutscher aus England, höchst interessant!
-Wie gefällt Ihnen dieses herrliche Land?«
-
-Mister Smithson bot uns zwei große, mit braunrotem Leder überzogene
-Armstühle, aber keinen Rum an. Ich war ihm wahrhaft dankbar
-dafür, Lawrence dagegen ließ seine Blicke fragend im Zimmer
-umherschweifen: nirgends die Spur einer Flasche. Die Tatsache war
-in die Augen springend: Smithson war nicht bloß ein Yankee, er war
-ein Mäßigkeitsapostel. Zum erstenmal glaubte ich durchzufühlen, daß
-Lawrences überwallendes Herz ein wenig sank.
-
-Der Redakteur dagegen blieb freudig erregt. »Dampfpflüge!« rief er,
-mir nochmals die Hand schüttelnd, »und schon auf dem Wege! Sehr schön!
-Im Begriff zu arbeiten; ausgezeichnet! Dem unglücklichen Neger, dem
-bedrückten Mitbruder die Last der Arbeit abzunehmen, welch glücklicher
-Gedanke; welch großes Ziel Ihres Wirkens, Herr Eyth! Die Rasse bedarf
-der Erziehung; unter uns muß ich dies zugeben. Aber wie kann sie
-erzogen werden, wenn sie nach wie vor vor den Pflug gespannt bleibt,
-um der alten verkommenen Aristokratie des Landes Sklavendienste zu
-leisten? Ich frage Sie, Herr Lawrence, als Mann den Mann, als Christ
-den Christen: Wie wollen Sie den Neger erziehen, solange er am Pflug
-zieht? Da kommt Herr Eyth mit seinem Dampfpflug, und die Sache ist
-gemacht. Große Gesichtspunkte; ich halte mich an große Gesichtspunkte!
-Nur indem wir an großen Gesichtspunkten festhalten, können wir
-den fürchterlichen Bürgerkrieg zu einem Segen für unsern teuren
-Süden ausgestalten. Nur so wird einem Volke von Brüdern die Kraft
-wiederkehren, das sternbesäte Banner der Union über dem unteilbaren
-Kontinent zu schwingen.«
-
-»Das war Mister Eyths Ansicht schon von Kindesbeinen an!« rief Lawrence
-mit Überzeugung.
-
-Smithson drückte auch ihm die Hand. »Dampfpflüge!« fuhr er fort, fast
-ohne Atem zu schöpfen. »Ich habe sie längst mit Spannung erwartet.
-Allerdings habe ich noch nie einen gesehen, aber in unserm Norden,
-in Philadelphia, in Cincinnati, in Chikago sind in diesem Augenblick
-Hunderte im Gang! Meine Landsleute, Herr Eyth, sind ziemlich
-erfinderisch und warten gewöhnlich nicht darauf, was Sie drüben in der
-Alten Welt machen; -- Hunderte!«
-
-»Das heißt,« -- begann ich, bestrebt, ein paar Worte einzuschalten, kam
-aber nicht weiter.
-
-»Das soll uns natürlich nicht hindern, den vortrefflichen Apparat
-gebührend zu würdigen, den Sie uns bringen. Sie wünschen natürlich eine
-präliminare, eine hervorragende präliminare Anzeige Ihrer Bestrebungen
-im redaktionellen Teil der ›Crescent City News‹. Vortrefflich! Fünfzig
-Cents die Zeile. Die Sache muß diesen Herren im Süden eindringlich ans
-Herz gelegt werden. Wie alt sind Sie? Wo sind Sie geboren? Sind Sie
-verheiratet?«
-
-Ich kämpfte abermals, und sichtlich ebenso vergebens, gegen diese
-Art, die Dampfkultur dem Publikum näher zu bringen. Auch hier ließ
-mich Lawrence völlig im Stich und hetzte den sprachseligen Redakteur
-nur noch tiefer in seine Forschungen nach meinem Stammbaum und nach
-andern Einzelheiten, die für ihn von Interesse gewesen wären, wenn ich
-seine Tochter hätte heiraten wollen. Ich ergab mich schließlich und
-erzählte ihm alles, was mir aus meinen Jugendjahren einfiel. Er schien
-befriedigt.
-
-»Sehr schön! Höchst interessant!« rief er schließlich. Als ich selbst
-im besten Zuge war und ihm die Herkunft meiner Mutter aus einer
-Schweizer Adelsfamilie erklären wollte, glaubte er genug zu wissen und
-steuerte plötzlich rückwärts. »General Longstreet steht an der Spitze
-der Sache, wie Sie mir sagen; ein vortrefflicher Mann, der leider auf
-die falsche Seite geraten ist. Nehmen Sie sich ein wenig in acht,
-Herr Eyth, daß Ihr Dampfpflug nicht allzu konföderiert wird. Mister
-Lawrence versteht mich; er kennt beide Seiten; ein vortrefflicher
-Mann, Mister Lawrence! -- Also Longstreet wird ein großes Frühstück
-geben, ehe Sie zu pflügen anfangen. Ausgezeichnet! Wir werden einen
-Berichterstatter schicken, wenn ich nicht selbst kommen kann. Ich
-hoffe, ich werde selbst kommen können! Doch möchte ich um Limonade
-bitten; nur Limonade für mich! Adieu, Herr Eyth. ~Time is money!~ Die
-Rechnung für die heutige redaktionelle Anzeige werde ich Ihnen schon
-morgen zusenden können. Es war mir höchst angenehm! Adieu! Adieu!«
-
-Damit komplimentierte er uns durch die Druckerei.
-
-»Verfluchter Yankee!« brummte Lawrence schon auf der Prunktreppe.
-»Trinkt nur Wasser und schwatzt wie ein altes Brunnenrohr. Vor
-dem müssen Sie sich in acht nehmen, Herr Eyth: der regelrechte
-Reisesackpolitikus. Aber es hilft nichts, wir brauchen sie alle,
-solange sie mit Kind und Kegel auf unserm Land herumsitzen wie die
-Heuschrecken. Uff! Mister Eyth, wenn Sie vor fünf Jahren zu uns
-gekommen wären, hätten wir anders mit dem Herrn geredet. Aber wir
-brauchen sie, Gott sei's geklagt, wir brauchen sie alle!«
-
-Lawrence schleppte mich weiter. Wir besuchten die hochdemokratische,
-das heißt aristokratische »Biene«, die republikanischen »Louisiana
-Times«, die neutralen, leicht nach Süden hängenden »Commercial News«.
-Mein treuer Führer schien unermüdlich, bis sie alle wußten, wie alt
-ich sei, wo ich geboren wurde und daß ich mich vorläufig nicht zu
-verheiraten gedenke. Zuletzt kamen wir auch über die Kanalstraße, in
-das alte französische Viertel der Stadt. Dort, vor einem unansehnlichen
-Hause in der St. Louisstraße, blieb er stehen, wartete, bis ich ihn
-erreicht hatte, denn er war mir gewöhnlich zehn Schritte voraus, und
-sagte:
-
-»So! da können Sie allein hinaufgehen, Herr Eyth. Hier hausen Ihre
-Landsleute, die ›Deutsche Zeitung‹. Ich muß jetzt nach meinem Komitee
-und nach Ihrem Preis sehen. Die Sache bekommt Hände und Füße, wenn Sie
-so noch ein paar Stunden fortmachen.«
-
-Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne, und wahrhaftig, er
-hatte das Recht dazu. Es war glühend heiß geworden. Sein Eifer hatte
-mich jedoch angesteckt. Ich wußte jetzt, wie man Redakteure besucht,
-und machte mir nichts daraus, auch meinen Landsleuten die offenbar
-landesübliche Aufwartung zu machen.
-
-»Und glauben Sie wirklich, daß Sie das Preisausschreiben seitens Ihrer
-Gesellschaft so rasch zustande bringen werden?« fragte ich Lawrence,
-ehe wir uns trennten. Ich konnte meine Zweifel noch immer nicht los
-werden; es ging alles so verblüffend geschwind. »Man muß doch wohl eine
-Art Programm ausarbeiten, Bedingungen beraten, eine Prüfungskommission
-aufstellen --«
-
-Er unterbrach mich: »Verlassen Sie sich darauf, Herr Eyth! Morgen früh
-lesen Sie das Ausschreiben in allen Zeitungen. Was wetten Sie?«
-
-Dies zu hören, war mir außerordentlich lieb. Wenn ein Amerikaner so
-fragt, ist ihm die Sache ernst.
-
-»Zehn Dollar!« sagte ich deshalb ohne langes Bedenken.
-
-»Sie scheinen kein großes Vertrauen in Ihre Zweifel zu haben«,
-versetzte er lachend und fuhr dann mit einer gewissen Feierlichkeit
-fort: »Gut, zehn gegen zehn; Sie lesen das Preisausschreiben morgen
-in allen Zeitungen der Stadt, die täglich erscheinen. Eine ehrliche,
-gradlinige Wette. Ich kann sie verlieren, wenn ein Drucker Dummheiten
-macht oder ein Redakteur zu tief in die Whiskyflasche sieht, anders
-nicht. In Hunderten wäre mir die Wette lieber gewesen.«
-
-Er machte mit einem Bleistift von einem halben Zentimeter Länge eine
-Notiz auf eine seiner Zuckertüten und war schon um die Straßenecke
-verschwunden, als ich die mit Papierfetzen reich geschmückte Treppe
-der »Deutschen Zeitung« hinaufkletterte und mit einer Beilage um das
-linke Bein oben anlangte. Es war alles etwas klebrig im Hause, trotz
-der Hitze. In der Druckerei, die kleiner war als die andern, die ich
-heute kennen gelernt hatte, standen die Maschinen still. Dagegen schien
-eine Art Volksversammlung stattzufinden. An einen Setztisch gelehnt,
-stand eine teutonische Gestalt von echtem Schrot und Korn, mit blonden,
-wallenden Haaren, blauen Augen, einem mächtigen roten Bart. Auch der
-Schnitt ihres Anzugs, namentlich die Weite der Beinkleider, verriet
-etwas vom deutschen Studenten der älteren Generation, die noch Ideale
-kannte. Der Herr schien mitten in einer Volksrede für fünftausend
-Zuhörer zu schwimmen und ließ sich durch mich, der ich etwa der
-sechzehnte war, nicht unterbrechen.
-
-»Ich wende mich an Sie, meine Herren«, rief er, »vertrauensvoll,
-schmerzbewegt! Wir haben ein gemeinsames Ziel: unsre Grundsätze
-der Wahrheit und Freiheit der deutschen Welt unsers großen neuen
-Vaterlandes täglich zu verkündigen, das Panier der Gleichheit und
-Brüderlichkeit, ohne Ansehen der Farbe unsrer Leser, im Süden
-voranzutragen. Wir haben dieselben Freuden, dieselben Sorgen. Im
-Schweiß unsers Angesichts haben wir wieder vierzehn Tage lang der
-großen Sache gedient. Die Zahl unsrer Abonnenten ist um fünf gestiegen;
-das Ergebnis des Straßenverkaufs hat jedoch bedauerlicherweise
-abgenommen, da unser tätigster Austräger samt seinen Freitagsexemplaren
-spurlos verschwunden ist; Fritz Kleile ist mit einem kleinen Vorschuß
-aus unsrer Mitte geschieden, ich fürchte, für immer. Sie, meine Herren,
-waren schon gestern berechtigt, den sauer verdienten Lohn für Ihr
-aufopferungsvolles Wirken aus meiner Hand zu empfangen. Ich mußte Sie
-auf heute vertrösten. Meine Herren, auch heute ist unsre Kasse« --
-der Redner hob ein Blechkästchen, das neben ihm stand, in die Höhe,
-öffnete es feierlich und zeigte nach allen Seiten das glänzende Vakuum
-seiner Innenseite -- »diese unsre Kasse ist leer! Wollen Sie sich
-gefälligst selbst überzeugen«, fügte er in vertraulichem Tone bei,
-indem er sich an seine nächsten Nachbarn, einen grimmigen alten Setzer
-und zwei schmächtige zwölfjährige Jungen, wandte, die ihn hungrig
-ansahen.
-
-»Aber wo der Teufel ist das Geld von gestern?« fragte einer der
-fünfzehn, dessen trockene Kehle eigentümlich krächzende Laute
-hervorbrachte. Der Mann war sichtlich übermäßig durstig.
-
-»Sie haben ein Recht, diese Frage aufzuwerfen, verehrter Freund!«
-entgegnete der Redakteur mit einem mitleidigen Blick auf den Sprecher.
-»Ich werde sie beantworten. Wir hatten das Unglück, gestern abend den
-Besuch des Geschäftsführers unsres Papierlieferanten zu empfangen. Ich
-stand vor der peinlichen Gewißheit, der heutigen Ausgabe der ›Deutschen
-Zeitung von Louisiana‹ papierlos entgegensehen zu müssen. Ich hatte die
-Wahl, den nicht ganz unberechtigten Forderungen des unerbittlichen,
-ich darf sagen, herzlosen Geschäftsmenschen zu trotzen und damit uns
-alle zu vernichten oder ihm den Inhalt unsrer Kasse einzuhändigen. Da
-gedachte ich Ihrer Seelenstärke, meine Herren, gedachte der deutschen
-Treue, die sich in schweren Zeiten seit zwei Jahrtausenden bewährt
-hat. ›Besser,‹ sagte ich, ›noch einmal ohne Geld vor meinen Freunden
-zu erscheinen als ohne Papier.‹ Und nun« -- der Ton des Redners wurde
-um eine halbe Oktave tiefer, seine Stirne legte sich in Falten und
-sein blonder Haarbusch schien in die Höhe zu steigen -- »und nun,
-meine Leidensgenossen, frage ich Sie. Sie selber werden entscheiden.
-In Ihre Hand lege ich das Panier unsrer großen Sache. Wollen Sie -- ja
-oder nein -- wollen Sie nochmals zwei Wochen ungelohnt in alter Treue
-Ihre Pflicht erfüllen? Oder wollen wir gemeinsam das sinkende Schiff
-verlassen und jeder für sich an unbekanntem Strande eine zweifelhafte
-Rettung suchen? Im ersteren Falle« -- er verfiel plötzlich wieder in
-den gemütlichsten Gesprächston, in welchem er alle wichtigeren Teile
-seiner Rede vorzutragen schien -- »im ersteren Falle bekommen Sie
-vorläufig allerdings noch einmal nichts, aber es wird ohne Verzug
-weitergedruckt. Im zweiten Falle schließe ich die Bude, und Sie
-bekommen auch nichts.«
-
-»Weiterdrucken!« riefen die zwei hungrigen Jungen mit vor Begeisterung
-glänzenden Augen.
-
-»Abstimmen!« stöhnte der Durstige.
-
-»Abstimmen!« riefen noch drei oder vier der Älteren, und so kam es
-nach den besten Regeln eines in Trübsal geläuterten Parlamentarismus
-zur namentlichen Abstimmung. »Herr Faktor Müller?« -- »Weiterdrucken!«
--- »Herr Setzer Kunze?« -- »Der Teufel hole die ganze Bude samt dem
-Herrn Redakteur; schließen!« -- »Der nächste?« -- »Weiterdrucken! --
-Weiterdrucken! -- Schließen! -- Weiterdrucken!« und so weiter.
-
-Die Abstimmung war rasch beendet. Der Redakteur tat einen tiefen,
-theatralischen Atemzug und begann wieder: »Meine Herren und Freunde!
-Das Ergebnis unsrer Abstimmung ist das erwartete. Die deutsche Treue
-hat auch auf fremder Erde abermals glänzend gesiegt. Sieben Stimmen
-sind für den Schluß der Bude, acht fürs Weiterdrucken. Die gute Sache
-ist gerettet. Wie ein Phönix wird das Panier der ›Deutschen Zeitung von
-Louisiana‹ aus der Asche dieser vorübergehenden Prüfung erstehen, und
-Arm in Arm mit dem sternbesäten Banner dieses großen und freien Landes«
--- er hielt plötzlich an, wie wenn ihm etwas Wichtiges eingefallen wäre
--- »Meine Herren! Ich bitte die Herren Setzer, sich an ihre Plätze zu
-begeben. Es ist die höchste Zeit, wenn die Abendzeitung rechtzeitig auf
-die Straße kommen soll. Und, bei Gott, wir müssen heute abend etwas
-Geld haben. Was eingeht, wird verteilt. Rasch an die Arbeit, meine
-Kinder! -- Was wünschen Sie?«
-
-Das galt mir. Der kleine Bienenkorb war in einer halben Minute in
-voller Tätigkeit. Der Redakteur, Herausgeber und Eigentümer der
-»Deutschen Zeitung von Louisiana« trocknete sich den Schweiß von der
-Stirne und gab mir vorsichtig die Hand. Ich war ein Landsmann. Sollte
-ich gekommen sein, ihn anzupumpen?
-
-»Sie kommen in einem nicht ganz glücklichen Augenblick, verehrter
-Herr!« sagte er, ohne jedoch im geringsten verlegen zu sein. »Das
-nennen wir den Kampf ums Dasein. Er ist Ihnen vielleicht aus den
-neuesten Schriften eines gewissen Darwin bekannt. Hier sehen Sie die
-Theorien des großen Naturforschers ~in natura~.«
-
-»Es war mir höchst interessant, und ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrem
-Siege«, sagte ich höflich. »Ich verstehe und würdige Ihre freudige
-Erregung, denn auch ich, Herr Doktor, --«
-
-Er nickte freundlich.
-
-»-- auch ich bin damit beschäftigt, im Kampf ums Dasein ein kleines
-Gemetzel vorzubereiten.«
-
-»Was? Doch nicht hier bei uns?« rief der Redakteur. »Sie haben gehört,
-wie es augenblicklich bei uns steht. Augenblicklich? Der Zustand ist
-chronisch, Verehrtester. Ich kann Sie nicht brauchen!«
-
-»Vielleicht doch«, entgegnete ich zuversichtlich und erklärte ihm, um
-was es sich handle. Jetzt erst schüttelte er mir die Hand nach gut
-amerikanischer Art, und dann beide Hände wie ein Deutscher, der seinen
-längst erwarteten Schutzengel gefunden hat. Um fünfzig Dollar wollte
-er meinen Dampfpflug über alle Himmel erheben. Um die Hälfte, wenn ich
-sofort bar bezahle. Zwei Artikel von je zwei Spalten, die ich morgen
-selbst liefern könne, wenn ich wolle. Dies war in der Tat billig. Die
-Zeitung hatte ohne Zweifel wenig Einfluß und keine Abonnenten. Aber
--- wer weiß? -- ein geschickt geschriebener Artikel aus dem Süden
-ging in andre Zeitungen über. Man war gegenwärtig in der ganzen Union
-neugierig, was in New Orleans vorging. Ich legte fünfundzwanzig Dollar
-auf den Tisch, lud den Redakteur zum kommenden Dampfpflugfrühstück ein
-und hatte in Doktor Wurzler nach seiner Versicherung den treuesten
-Freund gewonnen, den ich in diesem -- ebenfalls nach Doktor Wurzler --
-gottverfluchten Süden finden konnte.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-4. Wolken
-
-
-Mit all diesen Seitensprüngen war es spät am Tage und höchste Zeit
-geworden, nach der Hauptsache zu sehen, von der alles andre abhing.
-Ein hastiges Gabelfrühstück, Mittag- und Abendessen, in einheitlicher
-Zusammensetzung, die eine Wirtschaft in der Kanalstraße bot, setzte
-die menschliche Maschine wieder in arbeitsfähigen Zustand. Aber es war
-fast Dämmerung, ehe ich auf die Levees einbog, um nach dem »Wilden
-Westen« zu fahnden. Der gewaltige, halbkreisförmige Landungsplatz, den
-der Mississippi gegen die Stadt hin ausgegraben und vertieft hat, lag
-schon in seiner Feierabendstille vor mir. Für eingeborene Landratten
-bleibt ein Seehafen, in welcher Form er sich auch darstellt, zeitlebens
-ein Anblick, der das Blut in lebhaftere Wallung bringt. Der Bogen der
-»Levees« von New Orleans, der zu einem großartigen Staden ausgebauten
-Schutzdämme der Stadt, macht hiervon keine Ausnahme. Man sieht, wie
-der gewaltige Strom schon hier, achtzig Meilen von der See, einen
-großen Kontinent mit den Meeren aller Weltteile verbindet. Gegen Norden
-reiht sich, enggedrängt, nur mit den Vorderteilen das Ufer berührend,
-Boot an Boot: die phantastisch verzierten, schwimmenden Paläste
-des Mississippi, des Missouri, des Ohio mit ihren Riesenrädern und
-ihren barock gekrönten Doppelschornsteinen; dazwischen auch kleinere
-Dampfer, unter ihrer Last von Baumwollballen und Zuckerfässern fast
-versinkend. Nach Süden liegen die Seeschiffe, schwarze, wuchtige
-Massen, die volle Breitseite gegen das Ufer gekehrt, haushoch aus dem
-Wasser ragend, die roten Schraubenflügel, unheimlichen Seeungeheuern
-gleichend, halb in der Luft, ihre stumpfen, trutzigen Kamine kaum über
-der Brüstung sichtbar. Noch weiter unten liegen die Segelschiffe:
-Schoner, Brigantinen und Dreimaster jeder Art und Größe, die mit ihren
-Rahen und Tauen eine zierliche, wenn auch unentwirrbare Filigranarbeit
-in den goldenen Abendhimmel zeichnen. Das sind die Gäste aus der
-Havanna und New York, aus Rio und Quebek, aus Genua und Stockholm, aus
-Liverpool und Southampton und vor allem aus der eignen Heimat, aus
-Bremen und Hamburg. Auf den Levees selbst, der riesigen Holzplattform,
-die sich in stattlicher Breite und mehrere Meilen lang zwischen Fluß
-und Stadt hinzieht, liegen Hunderte von Zuckerfässern, Tausende von
-Baumwollballen, Pyramide an Pyramide von Fäßchen mit gesalzenem
-Schweinefleisch aus Kentucky und Illinois, Berge von Mais aus Illinois
-und Missouri, alles hübsch geordnet und aufgestellt wie die Bataillone
-einer Armee, die vor dem Abmarsch ins Feld ihre letzte Parade erwartet.
-Dieses Bild beleben trotz der Abendstunde Gruppen von Negern, auf den
-Ballen umherlungernd, unermüdlich schwatzend und lachend, und da und
-dort ein paar Matrosen, die der Stadt zueilen, sichtlich entschlossen,
-mit leeren Taschen und schwerem Kopfe zurückzukehren. Doch der Lärm der
-Tagesarbeit war verstummt. Eine schwüle Stille lag über dem Ganzen, und
-der Mond, eine blutrote Riesenscheibe, stieg hinter der Stadt zwischen
-den Türmen der Kathedrale des heiligen Ludwig auf dem Jacksonsquare
-langsam in die Höhe.
-
-Wo die Tschapatulastraße in den Landungsplatz einmündet, ragte
-ein gewaltiger, pechschwarzer Dampfer über die kleineren Schiffe
-heraus, die ihn umgaben, und sendete noch zarte Rauchwölkchen in
-den Abendhimmel empor. Er hatte die schmucklosen, trotzigen Formen
-englischer Frachtschiffe, die man überall auf den ersten Blick erkennt:
-keinen Bogen, keine Krümmung, die nicht unbedingt erforderlich war,
-keinen Farbenfleck, der seine dunkle Geschäftsjacke verunziert hätte.
-Das war mein »Wilder Westen«; es war unmöglich, sich zu irren.
-
-[Illustration]
-
-Und in der Tat, am Fuß der haushohen Schiffswand, die fensterlos und
-senkrecht von der Landungsplattform aufstieg, standen schon in wildem
-Gewirr etliche dreißig wuchtige Kisten, ein Lokomotivkessel, ein
-halbes Dutzend schmiedeeiserner, walzenförmiger Riesenräder, wie
-sie auf dem leichten Bretterboden der Levees noch nie gesehen worden
-waren. Der »Wilde Westen«, das war klar, ließ sich nicht viel Zeit.
-Die Kisten und Räder gehörten mir; mein Dampfpflug war schon halb
-ausgeladen. Da er als Deckladung herüberkam, war er das erste, was das
-Schiff ans Land setzen mußte. In reiner Freude kletterte ich über die
-Kisten und feierte ein kleines Wiedersehen; ich war zu Hause in diesem
-zyklopischen Wirrwarr.
-
-»Hallo! Wer ist da drunten?« schallte plötzlich hoch über mir eine
-scharfe Stimme, und ein Kopf erschien über der Schiffsbrüstung. »Wozu
-krabbeln Sie auf den Kisten herum?«
-
-»Eigentümer der Kisten!« schrie ich hinauf.
-
-»Gut, daß Sie kommen!« rief es zurück. »Wir brauchen Platz. Morgen früh
-müssen sie abgefahren sein.«
-
-»Na, so geschwind schießen die Preußen nicht!« rief ich hinauf, mich in
-meinem Kistenheimatsgefühl ein wenig vergessend.
-
-»Was?« brüllte es herunter.
-
-»So schnell werden die Nigger von Louisiana nicht kutschieren«,
-übersetzte ich dem Mann, der jetzt am Nachthimmel etwas deutlicher zu
-sehen war. »Haben Sie einen Engländer mitgebracht, einen Monteur?«
-
-»Nicht daß ich wüßte«, war die Antwort.
-
-»Was!« schrie ich entsetzt, »keinen Monteur von Fowler aus Leeds? Einen
-Passagier, James Parker. Sie +müssen+ einen Passagier mitgebracht
-haben.«
-
-»Wir führen keine Passagiere. Nur manchmal -- aus Gefälligkeit --
-ausnahmsweise!« erklärte der Mann von oben.
-
-»Dann ausnahmsweise! Sie müssen James Parker an Bord haben! Den Mann,
-der zu den Maschinen gehört!« Ich bestand darauf und fühlte, daß ich
-zornig wurde.
-
-»Mein guter Herr,« rief es begütigend zurück, »ich bin der Zahlmeister
-des ›Wilden Westens‹ und sollte es wissen. Wir haben ausnahmsweise
-einen Methodistenpfarrer mitgenommen und seine zwei Töchter. Wenn Ihnen
-mit diesen gedient ist -- aber sie sind aus Bradford.«
-
-»Also keinen Monteur, der zu den Kisten gehört?« rief ich nochmals
-hinauf und fühlte, daß mich die Kraft meiner Lungen verließ.
-
-»Keinen Monteur!« tönte es wie aus weiter Ferne zurück. Der Kopf des
-Zahlmeisters war verschwunden.
-
-Ich setzte mich und dachte nach. Also kein Monteur, kein Brief, keine
-Erklärung nach der feierlichen Zusage, daß Parker mit den Kisten
-ankommen solle! Was konnten sie in Leeds gedacht haben? Wußten sie doch
-so gut als ich, daß kein einzelner Mann mit seinen zwei Händen einen
-Doppelmaschinendampfpflug in Bewegung setzen kann, der sich vom ersten
-Tag an wenigstens leidlich präsentieren sollte. Es handelte sich hier,
-wenn der Himmel nicht eingriff, um eine physische Unmöglichkeit.
-
-Die Kisten um mich her, die jetzt der Mond grell beleuchtete, wuchsen
-mit ihren schwarzen, viereckigen Schatten ins Ungeheure; um das offene,
-rot angestrichene Feuerloch des ausgeladenen Kessels spielte ein
-dämonisches Lächeln. Ich kochte vor Zorn. Was konnten sie in Leeds
-gedacht haben? Mich so hinzusetzen! Aber ich kam nicht über die Frage
-hinaus. Über mir begannen die Sterne zu funkeln, still und friedlich,
-als ob hier unten alles in Ordnung wäre. Der reinste Hohn!
-
-»Was machen Sie da droben?« näselte jetzt eine grätige Yankeestimme
-von unten, die zu einem herumlungernden Schutzmann gehörte, der
-wahrscheinlich an der Nachtwache der Levees beteiligt war.
-
-»Luft schöpfen! Eigentümer!« brummte ich, ohne Anstrengung, so mürrisch
-als möglich.
-
-»Gut, daß Sie kommen!« sagte auch dieser Mann. »Die Kisten müssen
-morgen früh von der Levee abgefahren werden, Mister! Und so schnell als
-möglich. Die Levees sind für Baumwolle gebaut, nicht für vierschrötige
-Eisenklumpen wie diese Engländer.« -- Er klopfte entrüstet auf meine
-Kisten. -- »Die Fundamentpfähle sind heute abend schon um drei Zoll
-gesunken, sagt der Levee-Inspektor. Sie werden eine gesalzene Rechnung
-bekommen, Mister Eigentümer! Wenn die Bohlen brechen, ist der Teufel
-los.«
-
-Ich hütete mich, zu antworten, und schlüpfte lautlos von meiner
-mondbeglänzten Höhe auf der andern Seite des Kistengebirgs in die Tiefe.
-
-Fünf Minuten später sah man entlang der finsteren Schattenseite der
-Tschapatulastraße einen Mann, den Hut über die Augen gedrückt, mit
-gesenktem Kopfe langsam seiner Wohnung zusteuern. Manchmal murmelte er
-halblaut vor sich hin. Dann versank er wieder in stummes Nachdenken.
-Der Mann war ich.
-
-Und ich fühlte nur eins: noch ehe ich heute einschlief, mußte ich
-wissen, was am nächsten Morgen zu geschehen hatte.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-5. Arbeitstage
-
-
-Ein kurzer, tiefer Schlaf tat das übrige.
-
-Mit beiden Füßen sprang ich in den jungen Tag; ich wußte jetzt, was
-zu tun war. Zuerst mußte Kapitän Owen aufgefunden werden. Die seine
-war die einzige Adresse einer Privatwohnung in der Stadt, die ich
-kannte. Auf dem Wege sang ich eine meiner Schlachthymnen, aber nur
-und wiederholt, den ernsten Zeiten entsprechend, ihren dritten Vers:
-»Und wenn die Welt voll Teufel wär'!« Er war mir schon als kleiner,
-ahnungsloser Junge der liebste gewesen und hat mir im späteren Leben
-mehr als einmal treulich gedient, wenn ich nicht mehr genau wußte, wo
-hinaus? Warum auch nicht? Hatte ich nicht ein Recht zu dem Vers, so
-gut als ein andrer? Stand ich nicht seit Jahren mitten in einer Art von
-Bodenreformation, in der »der arg' böse Feind« oft genug sein Wesen
-trieb?
-
-Sie sind im allgemeinen keine Langschläfer in New Orleans. Der frühe
-Morgen ist der beste Teil des Tages an den Bayous des Mississippi. Doch
-schlief Owen noch, als ich versuchte, ihm die Adresse der nächsten
-besten Maschinenfabrik zu entlocken, und war, sich die Augen reibend,
-über meinen Besuch nicht wenig erstaunt. Eine halbe Stunde später stand
-ich in einem fast leeren Fabrikhof, der müde und lebenssatt aussah. Wie
-alles in der Stadt, war das Geschäft halb bankrott und hatte keinen
-Mangel an müßigen Arbeitern. Man ließ mir die Wahl. Nach weiteren
-dreißig Minuten hatte ich zwei junge Monteure ausgesucht -- der eine
-war allerdings, wie sich später herausstellte, ein gelernter Schneider
---, die mit Brechstangen, Hämmern und Meißeln bewaffnet hinter mir
-drein liefen. Auf den Levees war alles schon voll Leben. Zuckerfässer
-rollten hin und her, Baumwollballen flogen durch die Lüfte. Dampfer
-rauchten und spieen Wasser und Feuer aus. Geschrei, Gerassel und
-dröhnendes Gepolter auf dem hohlen Bretterboden in allen Richtungen.
-Hunderte von Negern aller Schattierungen, darunter wahre Herkulesse,
-rollten im Eifer der Arbeit lachend über die Ballen oder sprangen
-singend hinter den Fässern her. Es wurde viel und kräftig geflucht;
-aber auch des Herrn Lob erschallte in wundersamen Liedern unter Lachen
-und Gejauchze. »Wir gehen alle über den Jordan -- o Jerusalem!« war ein
-besonders beliebter Kehrreim der Ernstergesinnten. Den Schwarzen war
-es in diesen Morgenstunden sichtlich wohler als ihren einstigen weißen
-Herren.
-
-Auch auf dem Deck des »Wilden Westen« war schon alles in Bewegung.
-Mein zweiter Kessel schwebte an einem kräftigen Schiffskranen hoch
-in der Luft, machte eine elegante Schwenkung über Bord, als sei ihm
-das Fliegen zeitlebens eine liebe Gewohnheit gewesen, und sank in der
-nächsten Minute auf die krachende Levee nieder. In zehn Minuten hatte
-ich sechs Neger, Jem, Jo, Jack, Kato, Alexander und Bucephalus, in
-meine Dienste genommen. Neugierig und energisch machten sie sich daran,
-die Deckel der Kisten aufzureißen, die ich den Monteuren bezeichnete,
-und die blanken Stangen und Wellen, die schweren Lager und Ständer aus
-den Spänen herauszuschälen, welche sich in gewaltigen Haufen um uns
-auftürmten. Vor der Frühstücksstunde noch war mein Trüpplein im besten
-Zuge; mir selbst begann es ganz leicht ums Herz zu werden. Dazu kam
-noch »Lawrences Bruder«, der schon in der Ferne eine Zeitung in der
-Luft schwenkte, als er den »Wilden Westen« und mich entdeckt hatte.
-
-»Sie haben verloren, Mister Eyth, Sie haben verloren!« rief er aus
-weiter Ferne. »Geben Sie mir zehn Dollar und hören Sie zu!«
-
-Er kletterte auf eine der Kisten, setzte sich, entfaltete die nasse
-Morgenzeitung und las:
-
-»›Die berühmte und stets auf das Wohl unsres Staates bedachte
-Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana hat sich entschlossen, den
-beträchtlichen Preis von siebenhundertundfünfzig Dollar für den besten
-Dampfpflug zur Bearbeitung von Baumwoll- und Zuckerland auszusetzen.
-Man hofft mit Recht, auf diese Weise der unglaublichen Not des Südens,
-dem Mangel an Arbeitskräften jeder Art, für alle Zeiten abhelfen zu
-können. Wie wir hören, soll sich bereits ein Bewerber für diesen
-ansehnlichen Preis eingestellt und am Fuß der Tschapatulastraße seine
-Vorbereitungen begonnen haben. Ehre einer Gesellschaft, die auch in
-den schwersten Zeiten Mut und Tatkraft bewahrt, an dem Wiederaufbau
-und der Wohlfahrt unsres glorreichen Südens weiterarbeiten zu können!‹
--- Wie gefällt Ihnen das? Sie brauchen die andern Zeitungen nicht
-nachzusehen. Sie bringen alle denselben packenden Artikel, den ich
-und unser Geschäftsführer noch gestern nacht ausgebrütet haben. Er
-wollte zuerst nicht recht dran; die Komiteesitzung kann erst übermorgen
-stattfinden, und so ist eigentlich noch nichts beschlossen. Merken Sie
-allmählich, daß Sie in Amerika sind?«
-
-»Merken Sie, daß Sie auf einer englischen Maschine sitzen?« antwortete
-ich vergnügt, indem ich gleichzeitig Bucephalus anwies, meinem Freund
-eine Brechstange zwischen die Beine zu stoßen, denn er saß auf der
-Kiste, die ich vor allen andern geöffnet haben wollte. Bucephalus
-war energisch, aber etwas ungeschickt. Lawrence sprang deshalb mit
-jugendlicher Behendigkeit in die Höhe, um dem gefährlichen Stoß zu
-entgehen.
-
-»Und sehen Sie, da kommen Sie selbst!« rief er aus der Zeitung heraus,
-seinen Knotenstock schwingend, ohne jedoch den Zwischenfall eines
-weiteren Wortes zu würdigen.
-
-»Frühstück, Frühstück!« schrieen die Neger, während ein halbes
-Dutzend Glocken und hundert heulende Dampfpfeifen entlang der ganzen
-Levee einen infernalischen Lärm erhoben. Ein paar Stunden nüchterner
-Morgenbeschäftigung mit dreiundfünfzig Kisten eines demontierten
-Dampfpflugs verfehlen ihre appetiterregende Wirkung auch in einem
-halbtropischen Lande nicht. Ich war deshalb mit den Negern völlig
-einverstanden und bat Lawrence, mir Gesellschaft zu leisten. Er kannte
-eine Wirtschaft in unmittelbarer Nähe, wo wir unter Schiffskapitänen,
-Baumwollmaklern und Zuckerbörsenleuten rasch ein Tischchen und ein
-»elegantes« Frühstück fanden. Als Beilage las er mir eifrig die
-Morgenzeitungen vor, deren Inhalt, soweit er unsre Sache betraf, ihn
-sichtlich mit dem erhebenden Gefühl der Vaterschaft beglückte.
-
-Der »Picayune« erzählte in Sperrdruck:
-
-»Wir hatten gestern das Vergnügen, den Besuch des Herrn Eyth, des
-gentlemännlichen Vertreters der großen englischen Firma John Fowler &
-Co. von Leeds und London, zu erhalten, der uns von dem Bruder unsres
-großen Zuckerplantagenbesitzers, Herrn Henry Lawrence, freundlich
-zugeführt wurde. Herr Eyth beabsichtigt, durch die Einführung der
-weltberühmten Dampfpflüge seiner Firma, die alles bisher Dagewesene
-übertreffen sollen, an der Regeneration des Südens mitzuwirken, und
-wird damit voraussichtlich in wenigen Tagen im Ausstellungspark der
-Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana den Anfang machen. General
-Longstreet und die hervorragendsten Männer unsres Staats nehmen den
-lebhaftesten Anteil an seiner Tätigkeit. Sein Pflug soll stündlich fünf
-Acker des schwersten Zuckerbodens auf eine Tiefe umbrechen, die nach
-der Versicherung unsres Freundes, Herrn Lawrence, von sechs Paar Ochsen
-nicht erreicht wird. In liebenswürdigster Weise teilte uns Herr Eyth
-mit, daß er ein Deutscher von Geburt und, im Gegensatz zur Mehrzahl
-seiner übrigens hochachtbaren Landsleute, der Sache der Südstaaten
-stets aufs wärmste zugetan gewesen sei. Hochinteressant finden wir,
-daß Herr Eyth aus einer alten Schweizer Fürstenfamilie abstammt und
-daß er in einem mittelalterlichen Männerkloster seines Vaterlandes
-das Licht der Welt erblickte. Der letztere Punkt bedarf jedoch noch
-der Aufklärung. Trotz dieser geheimnisvollen und hochromantischen
-Vergangenheit scheint Herr Eyth ein lebhaftes Verständnis für die
-modernen Verhältnisse unsres glorreichen Vaterlandes mit nicht
-gewöhnlicher Geschäftsenergie zu verbinden. Unsre geschätzten
-Leserinnen dürfte es jedoch mehr interessieren, zu vernehmen, daß Herr
-Eyth durch keine zarten Bande an den alten Kontinent geknüpft ist und
-nicht unweigerlich an den klösterlichen Grundsätzen seiner Jugend
-festzuhalten gedenkt. Wir wünschen ihm in dieser und jeder andern
-Beziehung einen erfolgreichen Aufenthalt in den wieder auflebenden
-Golfstaaten.«
-
-»Das ist gut, das ist sehr gut für einen Anfang!« meinte Lawrence. »Sie
-werden sehen, unsre schönen Kreolinnen werden sich nach Ihnen umsehen;
-das kann nichts schaden. -- Weiter!«
-
-Er griff nach dem »Crescent City News«. Der Anfang des Artikels der
-republikanischen Zeitung, den er mit raschem Kennerblick gefunden
-hatte, war nahezu der gleiche. Auch hier war der Vertreter der großen
-Firma von John Fowler & Co. vor allen Dingen »gentlemanly«, ein
-Ausdruck südlichen Zeitungsstils, dem kaum jemand entgeht, und den ich
-oben in der Not mit »gentlemännlich« zu übersetzen suchte. Geboren
-war ich hier, nach meinen eignen liebenswürdigen Mitteilungen, in den
-Tiefen des Schwarzwalds und der Rauhen Alb, wo mein Vater, »wenn wir
-Herrn Eyth, der ein Deutscher ist, richtig verstanden haben, teils dem
-Holzhandel, teils der schon von Tacitus erwähnten Jagd auf Bären und
-Wölfe oblag. Schon von Jugend an hatte deshalb Herr Eyth eine fast
-schwärmerische Zuneigung für das große Amerika, namentlich aber für
-unsern lebenskräftigen Norden, der in dem soeben glorreich zu Ende
-geführten Kampf seine Stärke und seinen gesunden Sinn zum Wohle des
-Ganzen mit blutiger Energie bewährt hat. Die Jugendzeit, verbracht
-in der finsteren Einsamkeit primitiver Wälder, mag auch die Ursache
-gewesen sein, daß der übrigens nicht unsympathische Vertreter der
-englischen Firma, dessen politische Ansichten im Gegensatz zu der in
-England herrschenden bedauerlichen Stimmung durchaus korrekt zu sein
-scheinen, sein Geschick noch nicht mit dem Rosenband einer glücklichen
-Liebe umwunden hat. Eigentümlicher ist, daß die englische Firma es für
-nötig hält, dem erfindungsreichen Amerika, das in nichts, somit auch
-nicht in Dampfpflügen, hinter irgendwelchem Lande zurücksteht -- wir
-machen nur auf die Dampfkulturgeräte in Pennsylvanien, in Ohio, in
-Illinois und neuerdings auch in Kalifornien aufmerksam --, derartige
-Apparate uns zusenden zu müssen glaubt. Ihre Nützlichkeit bleibe
-hierbei unbestritten. Wir zweifeln keinen Augenblick, daß Herr Eyth,
-dessen offener Blick uns sofort sympathisch berührte, mannigfach und
-reichlich belehrt zu seinen englischen Freunden zurückkehren wird, und
-wünschen ihm hierzu wie in jeder andern Beziehung den besten Erfolg.«
-
-»Ein verfluchter Yankee!« meinte Lawrence, ohne große Aufregung,
-während ich, etwas grimmiger als er, ein Beefsteak von landesüblicher
-Zähigkeit zersäbelte. Sämtliche sieben Morgenblätter brachten ähnliche
-Aufsätze, so daß sich seitdem sieben verschiedene Städte um die Ehre
-streiten können, meine Wiege beherbergt zu haben. Alle aber waren in
-einem Punkte einig: daß meinem armen, unschuldigen Dampfpflug eine
-hervorragende politische Rolle zukomme. Ein unverkennbarer, wenn auch
-leichter Hang gegen den demokratischen Süden schien von der einen Seite
-das höchste Lob, von der andern den schärfsten Tadel zu verdienen.
-Nur mit Rücksicht auf das noch nicht ganz ausgesprochene pekuniäre
-Verhalten des sympathischen Vertreters der Firma John Fowler & Co.
-legten sich die kleineren Blätter noch einige Zurückhaltung auf. Das
-Beefsteak aus Texas war wirklich zu zäh; ich warf Messer und Gabel weg
-und stand auf.
-
-»Lieber Herr Eyth,« sagte Lawrence, der meine Verstimmung
-kopfschüttelnd bemerkte, »an das müssen Sie sich gewöhnen, wenn es
-Ihnen bei uns wohl werden soll. Es tut nicht weh, sobald man's gewöhnt
-ist. Was Sie zu tun haben, ist, Ihren Pflug auszupacken. Je mehr man
-über Sie schimpft, um so besser. Man wird auf Sie aufmerksam; das ist
-alles, was Sie brauchen, und kostet Sie nichts. Übrigens läßt sich
-die Sache auch sehr leicht in Ihrem Sinn regeln. Ich will Ihnen das
-besorgen. Wieviel wollen Sie an die ›Crescent City News‹ rücken?«
-
-»Keinen roten Cent!« rief ich grimmig, indem ich unser Frühstück
-bezahlte.
-
-»Sie sind aufgeregt!« meinte Lawrence begütigend. »Das ist nicht gut.
-Kühl bleiben ist die erste Regel des Lebens, namentlich im Süden und
-heutzutage. Wir wären alle besser dran, wenn wir sie vor fünf Jahren
-mehr beherzigt hätten.«
-
-Ich ging wieder nach den Levees, dem »Wilden Westen« zu. Ein gewaltiger
-Menschenhaufen umstand jetzt die Ausladestelle des Schiffs. Im Kern
-des Knäuels schien es lebhaft zuzugehen. Meine sechs Neger hatten sich
-auf die übereinandergetürmten Kisten geflüchtet und verteidigten ihre
-günstige Stellung mit rühmlicher Hartnäckigkeit. Zoll- und Leveebeamte
-waren die Angreifer. Das unparteiische Publikum begrüßte jede Wendung
-des Wortgefechts mit lauten Lachsalven.
-
-»Herunter von den Kisten!« schrie ein bärtiger Mann, der in Reste einer
-unbekannten Uniform gekleidet war. »Herunter, verdammte Nigger! Die
-ganze Bagage muß in dreißig Minuten verschwunden sein. Nichts darf auf
-den Levees ausgepackt werden. Fort mit dem Zeug!«
-
-Der aufgeregte Herr hatte eine Hilfstruppe von drei Mann in Zivil,
-die nach den nackten Beinen meiner Neger griffen. Eine Brechstange,
-welche zufällig auf die Finger eines der Angreifer fiel, veranlaßte die
-heftige Fortsetzung des bloßen Wortgefechts. Ich drängte mich durch.
-
-»Hier ist unser Herr!« schrieen die Neger triumphierend. »Hurra für
-Alt-Dixies Land!«
-
-Der Levee-Inspektor wandte sich zornig an mich.
-
-»Wissen Sie nicht, Mister, daß nichts auf den Levees montiert werden
-darf?« fragte er mich mit ausgesprochener Unhöflichkeit. »Wollen Sie
-Ihren Kram fortführen?«
-
-»Wollen +Sie+ ihn fortführen?« fragte ich mit völlig wiedergewonnener
-Ruhe, seitdem ich die Zeitungen nicht mehr sah. »Soll ich ein paar
-Kesselwagen und zwanzig Pferde auf Ihren Tanzboden bringen lassen und
-die alten Bohlen durchbrechen?«
-
-Er starrte mich an.
-
-»Seien Sie vernünftig und lassen Sie mich machen«, fuhr ich zutraulich
-fort. »Ich vermute, ich verstehe mein Geschäft besser als Sie. Zum
-Vergnügen bleibe ich nicht hier. Ich bringe meine Sachen weg, so
-schnell ich kann. Mehr kann auch ein Yankee nicht tun, soviel ich weiß.«
-
-»Aber es ist gegen das Gesetz; es darf auf den Levees nichts montiert
-werden«, erklärte mein Gegner.
-
-»Was wollen Sie machen?« fragte ich ruhig. »Es gibt nur einen Weg, die
-Sachen fortzuschaffen: ich montiere meine Maschinen, mache Dampf in den
-Kesseln und fahre davon, wie es bis jetzt überall gehalten wurde. Haben
-Sie noch nie von einem Dampfpflug gehört? Wenn Sie's besser wissen,
-greifen Sie zu. Ich werde Ihnen sehr dankbar sein.«
-
-»Aber die Instruktionen, das Gesetz!« rief er, etwas kleinlauter.
-»Donnerwetter, ich bin hier, um Ordnung zu halten.«
-
-»Was wollen Sie machen?« wiederholte ich. »Ich stelle die Ordnung auf
-dem schnellsten Weg her, der überhaupt möglich ist. Sehen Sie das
-nicht?«
-
-Er starrte mich aufs neue fragend an, dann die Kessel, dann die
-dreiundfünfzig Kisten.
-
-»Was will ich machen?« fragte er endlich, sehr nachdenklich werdend.
-
-»Ich will Ihnen das andeuten!« antwortete ich und drückte ihm zwei
-Fünfdollarscheine in die Hand. »Dort an der Ecke ist ein Biersalon.
-Von dort aus können Sie die Fortschritte, die wir machen, genau
-kontrollieren. Wenn Ihnen die Sache nicht flott genug zu gehen scheint,
-so wenden Sie sich nur gütigst an mich. Wir wollen schon Ordnung
-halten, Sie und ich.«
-
-Er lachte befriedigt. »Vorwärts, Jungen!« rief er seinen Hilfstruppen
-zu. »Dieser Herr ist ein Gentleman. Guten Morgen, Sir!«
-
-Die vier Mann des Gesetzes marschierten in geradester Linie dem
-angedeuteten Biersalon zu und erschienen erst am folgenden Morgen
-wieder, um sich weitere Instruktionen zu holen, die mich fünf Dollars
-täglich kosteten. »Billig!« meinte Lawrence. »Sie machen Fortschritte.
-Aus Ihnen kann schon noch etwas werden.«
-
-Gegen Abend stand der erste der zwei Kessel auf seinen vier
-Straßenrädern. Meine Negertruppe hatte sich auf zwölf Mann vermehrt,
-die mit wachsendem Stolz ihr eignes Werk betrachtete. Auch die
-Zeitungsartikel hatten sichtlich schon gewirkt. Wir bekamen Besuche von
-Herren, denen der »Picayune« aus der hinteren Rocktasche sah, und die
-viertelstundenlang still beobachtend unter meinen Kisten und Kasten
-herumstöberten. Keiner versäumte, die Breite der mächtigen Fahrräder
-mit den ausgespreizten Fingern beider Hände abzugreifen. Die meisten
-zogen hierauf verstohlen einen Maßstab aus der Tasche, steckten ihn
-aber rasch wieder ein, wenn sie bemerkten, daß sie beobachtet wurden.
-Dann kamen sie gewöhnlich etwas verlegen an mich heran.
-
-»Dies soll wohl der neue englische Dampfpflug sein?« begann die
-Unterhaltung.
-
-»Jawohl!« antwortete ich zuvorkommend. »In einigen Tagen werden Sie
-deutlicher sehen, wie das alles zusammenhängt. Vorläufig sind es nur
-zerbrochene Kisten.«
-
-»Ich denke, ich könnte wesentliche Verbesserungen in Vorschlag
-bringen«, war fast regelmäßig die nächste Bemerkung, und dann, wenn
-ich hierauf nicht einging, studierte der Mann mit dem Ausdruck
-wohlwollenden Mitleids in seinem intelligenten Gesicht weiter.
-
-Einer derselben hatte in dieser Weise mehrere Stunden des Nachmittags
-zugebracht, ehe er sich an mich wandte, ein Mann von mittleren Jahren,
-in schwarzem Anzug, mit einem scharfen Yankeegesicht, das seinen
-nördlichen Ursprung nicht verleugnete. Erst am Schluß der Arbeit,
-als ich die Neger unsre Winden, Hebel und Brechstangen für die Nacht
-zusammenstellen ließ, kam auch dieser Herr mit seinem: »Dies ist wohl
-der neue englische Dampfpflug?« an mich heran.
-
-»Jawohl,« sagte ich, »in einigen Tagen werden Sie deutlicher --«
-
-Er unterbrach mich mit einem leisen, nicht unfeinen Lächeln um den
-zusammengepreßten Mund. Er hatte meine Antwort wohl schon mehrmals
-gehört und wollte mir die weitere Mühe ersparen.
-
-»Ich bin Maschinenbauer«, sagte er, »und habe eine Stellung bei den
-städtischen Wasserwerken in Aussicht. Augenblicklich habe ich nichts zu
-tun und Langeweile. Lassen Sie mich mitarbeiten.«
-
-»Aber ich habe die Leute, die ich gebrauche«, bemerkte ich.
-
-»Ohne Lohn«, antwortete er. »Ich habe genügend Geld und muß fünf Wochen
-warten, ehe ich bei den Wasserwerken eintreten kann. Ihr Pflug würde
-mich unterhalten.«
-
-»Sehr hübsch!« sagte ich, etwas mißtrauisch. »Sie wollen ihn wohl
-verbessern?«
-
-Er lächelte wieder, kaum merklich.
-
-»Ich bin ein praktischer Maschinenbauer von Beruf«, versicherte er,
-»und mit dem Verbessern nicht so rasch bei der Hand. Aber ich möchte
-sehen, was sie im alten Land drüben zuwege gebracht haben, und will
-dafür arbeiten. Versuchen Sie mich.«
-
-»Ich lasse niemand gerne umsonst für mich arbeiten; das bezahlt sich
-nicht«, versetzte ich. »Und ich bin nicht in der Lage, Ihnen so viel
-zu geben, als Sie, wie mir scheint, beanspruchen können. Die zwei
-Monteure der Ankerwerke, die Sie hier sehen, werde ich zurücksenden,
-sobald die Maschinen zusammengestellt sind. Dann will und werde ich mit
-den Schwarzen auskommen. Ich kann Ihnen deshalb nicht mehr zahlen, als
-ich einem dieser Leute gebe: zwei Dollars den Tag.«
-
-»Ganz vernünftig!« sagte der Amerikaner trocken. »Ich heiße Stone.
-Morgen früh werde ich hier sein.«
-
-Der Mann in seiner ruhigen, geraden Weise gefiel mir wohl. Es gibt
-doch auch in diesem kuriosen Lande vernünftige Menschen, überlegte
-ich. Wenn sie Dampfpflügen lernen wollen, um so besser; Hunderte
-müssen es lernen, ehe ich hier fertig sein kann. Geheimnisse gibt es
-bei der Dampfpflügerei kaum. Die es gibt, lernt man nur in ein paar
-Jahren harter Arbeit, zu der mir jeder Yankee willkommen sein soll.
--- Der Horizont fing an sich ein wenig aufzuhellen und der Mut mir
-fühlbar zu wachsen, als ich in der Abenddämmerung einen letzten Blick
-über die Levees warf und den Schornstein der ersten meiner Maschinen
-über die Baumwollballengebirge hervorragen sah. Ich hatte ihn bloß zu
-diesem Zweck im letzten Augenblick noch aufstellen lassen. Es war unsre
-Standarte, die ich auf dem Boden von Louisiana aufgepflanzt sah, und
-die Hoffnungen, die ein solches Zeichen weckt, erfrischen, auch wenn
-sie niemals in Erfüllung gehen.
-
-Die nächsten fünf Tage verliefen in gewohnter Arbeit, wenn auch in
-etwas ungewohntem Geleise. Stone war eine große Errungenschaft und
-arbeitete fleißig mit Kopf und Händen. Bei den Negern war die Neugierde
-und der Eifer des ersten Tages allerdings rasch verdampft, aber die
-gutmütige und gutwillige Kraft des Herrn Bucephalus und die naseweise
-Intelligenz des kleinen Jem, der als der Schlauste der Bande die andern
-mit komischer Überhebung kommandierte, förderte die Zusammenstellung
-der Maschinen so, daß die Arbeit hinter dem üblichen Tempo nicht
-zurückblieb. Der junge Owen besuchte uns gelegentlich, beschäftigte
-sich aber allerdings ausschließlich mit dem geplanten Frühstück,
-mit dem der erste englische Dampfpflug auf dem Boden der Südstaaten
-seine rettende Tätigkeit beginnen sollte. Ich war hierfür von Herzen
-dankbar und überließ ihm mit Freuden die ganze Sorge für diesen, wie
-es schien, hochwichtigen Teil unsrer Aufgabe. -- Lawrence stattete
-mir täglich zweimal seinen Besuch ab. Sein Bruder war noch immer im
-Norden. Er selbst wohnte im Hause seiner Schwägerin, einer reichen
-Kreolin, und war damit beschäftigt, Verkaufsverträge für den Zucker
-der nächsten Ernte abzuschließen. Dies hielt ihn noch auf mehrere
-Wochen in der Stadt zurück und gab ihm Zeit, sich dem Dampfpflug
-zu widmen, den er mehr und mehr als seine Schöpfung ansah und mit
-wachsendem Eifer unter seinen Schutz nahm. Seine Sonderaufgabe blieb
-die Leitung der Presse. Der »Picayune« machte schon zum drittenmal
-auf die bevorstehende Rettung des Südens aufmerksam, während die mir
-persönlich weniger bekannte »Tribüne« laut auf die großartige Feier
-hinwies, die bei dieser Gelegenheit im Ausstellungspark stattfinden
-und voraussichtlich die ganze landbesitzende Aristokratie Louisianas
-an festlicher Tafel vereinigen werde. Wohl zum erstenmal, nach langer,
-bitterer Unterbrechung, dürfte in greifbarer Weise die Erinnerung an
-den alten Glanz des Südens wieder auftauchen. Ohne indiskret zu sein,
-glaubte die »Tribüne« darauf hinweisen zu können, daß Monsieur Mercier,
-der ~Chef de cuisine~ des ersten Restaurants der Kanalstraße, seit
-Wochen mit der Zusammenstellung eines exquisiten Menüs beschäftigt sei,
-und daß eine schwere Sendung Sekt mit dem nächsten Dampfer von New York
-erwartet werde; Nachrichten, die ich nicht ohne Besorgnis entgegennahm.
-Nur die »Crescent City News« blieben weniger guter Laune und erzählten
-von den riesigen Eisenmassen des englischen Dampfpflugs, »die unsre
-herrlichen Levees am Fuß der Tschapatulastraße mit Zerstörung
-bedrohten«. »Geduld!« meinte Lawrence, »bis wir den Redakteur bei
-dem Eröffnungsschmaus gehabt haben. Er ist von Natur kein schlechter
-Mensch, aber hungrig, wie alle Reisesackpolitiker.« -- Ich selbst kam
-jeden Abend müde genug nach Hause und war mit der Arbeitsteilung,
-die sich wie von selbst unter meinen unerwartet heranwachsenden
-Mitarbeitern vollzogen hatte, höchlich befriedigt. Es kam sichtlich ein
-gewisser Zug in die Sache; auch gewöhnt man sich's ab, in derartigen
-Lagen allzu weit in die Zukunft sehen zu wollen. Jeder Tag bringt
-schließlich von selbst seine Aufgabe und die Zeit deren Lösung.
-
-Auch den Geschäftsführer der Landwirtschaftsgesellschaft, Herrn Delano,
-lernte ich in diesen Tagen kennen; einen spanisch aussehenden, kleinen,
-gelbbraunen Herrn, der sehr elegant gekleidet war, sieben Ringe an
-jeder Hand trug und durchbohrte Ohrläppchen besaß, die in seiner
-Jugendzeit wohl auch mit Ringen geschmückt gewesen waren. Trotzdem
-gefiel er mir nicht allzu sehr. Die Komiteesitzung seines Vereins hatte
-mittlerweile stattgefunden und nach einer stürmischen Beratung den
-Preis von 750 Dollars für den besten Dampfpflug nachträglich bewilligt.
-Herr Lawrence hatte mit dem Austritt seines Bruders drohen müssen, der
-im fernen Norden von der ganzen Sache natürlich nichts wußte, um die
-Opposition der Herren zu überwinden, die mürrisch auf die völlige Ebbe
-in der Gesellschaftskasse hinwiesen. Aber mein Freund hatte einen guten
-Tropfen echten Yankeebluts in den Adern und damit ein unzerstörbares
-Vertrauen in die Zukunft.
-
-»Kein Geld?« rief er; »Unsinn! wir brauchen kein Geld. Dieser gute
-Eyth pflügt uns acht Tage lang im Ausstellungspark. Unser Herr Delano
-rührt die Trommel, was er meisterlich versteht. Wir lassen uns fünfzig
-Cents Eintrittsgeld bezahlen. Ganz Louisiana will den Dampfpflug sehen.
-In zwei Tagen -- was! in einem halben Tag hat sich Eyth seinen Preis
-selbst verdient. Alles übrige fließt in die Gesellschaftskasse.«
-
-»Und wenn der ganze Dampfpflug ein verflixter englischer Humbug ist?«
-warf der mürrische Geschäftsführer ein. »Fragen Sie einmal im Bureau
-der ›Crescent City News‹ nach, Herr Lawrence.«
-
-»Um so besser!« rief Lawrence, entrüstet über Delanos böswillige
-Kurzsichtigkeit. »Dann will jedermann den englischen Humbug sehen; wir
-brauchen keinen Preis zu bezahlen und das ganze Eintrittsgeld gehört
-der Gesellschaft!«
-
-Die Opposition war vernichtet. Lawrences Vorschlag wurde einstimmig
-angenommen, worauf er mir mit der größten Zutraulichkeit den Verlauf
-der Verhandlung mitteilte. Er hatte die große Gabe, jedermann davon zu
-überzeugen, daß er unter einer Decke mit mir stecke. »Da der Beschluß
-schon zwei Tage zuvor in allen Zeitungen gestanden hat, war mir's doch
-nicht unangenehm, daß wir durchdrangen«, schloß er seinen Bericht.
-»Wann kann die Vorstellung losgehen, Herr Eyth?«
-
-Die zwei Straßenlokomotiven mit ihren Drahtseiltrommeln, ein
-Sechsfurchenkippflug, ein Kultivator, eine Egge und zwei Wasserwagen
-standen fast fertig um uns her, als mir Lawrence all dies erzählte.
-Ich fuhr nun zum erstenmal mit ihm nach dem Ausstellungspark im Osten
-der Stadt, um unser künftiges Schlachtfeld anzusehen. Etliche sechzig
-Hektar leidlich flachen Landes waren dort von einem eleganten weißen
-Zaun und einem tiefen Entwässerungskanal umgeben, über den eine
-breite hölzerne Brücke führte. Da und dort standen malerische Gruppen
-von Akazien und uralten Hickorybäumen, deren knorrige, teilweise
-kahle Äste die wirren Guirlanden des »hängenden Mooses« schmückten,
-das den Sumpflandschaften des Mississippis eigentümlich ist. Da und
-dort staken aus dem Boden noch verkohlte Stämme und Wurzeln; ein
-nicht unbedenklicher Anblick für einen Dampfpflüger. Ob der Boden,
-der an vielen Stellen unter unsern Tritten fühlbar schwankte, meine
-Maschinen tragen würde, mußte ebenfalls erst die Erfahrung zeigen.
-Aber all diese Bedenken konnten das rollende Rad des Geschicks jetzt
-nicht mehr aufhalten. Im stillen nagte eine viel schwerere Sorge an
-meinem Herzen. Wie wird vor der ganzen Aristokratie Louisianas, von
-der ich fortwährend hören mußte, das Pflügen gehen, mit nicht einem
-Manne, außer mir selbst, der die Behandlung der Maschinen und die
-notwendigsten Handgriffe bei ihrer Bedienung kannte? Wenigstens an drei
-Punkten, die Hunderte von Metern auseinanderliegen: auf dem Pflug und
-auf jeder der zwei Dampfmaschinen, war ein Mann dringend erforderlich,
-der wußte, was er zu tun hatte, wenn nicht alles in Stücke gehen
-sollte. Aber es wäre Wahnsinn gewesen, diese Sorgen meinen neuen
-Freunden anzuvertrauen. Ihr Glaube mußte aufrecht erhalten werden,
-solange noch eine Möglichkeit vorhanden war, in diesen herrlichen Park
-hinein und mit heiler Haut wieder herauszukommen. Mit einer nagenden
-Angst auf der Seele mutig zu lächeln, will gelernt sein. Ich hatte zum
-Glück diese Kunst nicht zum erstenmal geübt. --
-
-Die Herren, die meinen Pflug zu verbessern wünschten, hatten sich mit
-der Zeit stetig vermehrt und waren unerschöpflich in ihren Vorschlägen.
-Als ich am sechsten Tage die Kessel mit Wasser füllen ließ, und die
-ersten weißen Rauchwölkchen schüchtern aus den Schornsteinen stiegen,
-waren sie in Scharen versammelt und prophezeiten allerhand Unheil. Ich
-hatte beschlossen, zuerst nur eine Maschine mit dem Pflug nach dem
-Ausstellungsplatz zu führen und die zweite am folgenden Tag zu holen.
-Deshalb nahm ich zunächst Stone und den kleinen Jem auf den Tender,
-um ihnen den ersten Unterricht im Führen einer Straßenlokomotive
-zu geben. Dies beleidigte Bucephalus aufs schwerste. Der riesige
-Neger konnte nur durch das Versprechen getröstet werden, daß er am
-folgenden Tage die zweite Maschine führen solle und heute mit einer
-roten Flagge vorauslaufen dürfe, um uns die Straße frei zu halten.
-Mit fast übermäßigem Eifer stellte er sich auf seinen Posten, wo er
-seine Tätigkeit damit begann, an die sich ansammelnde, hundertköpfige
-Volksmenge erklärende Anreden zu halten. Als aber nach einer Stunde,
-die wir zur Dampfentwicklung brauchten, die Maschine ihre ersten
-Bewegungen machte, und das Ungetüm langsam über die krachende Levee
-hinschlich, erschrak er so heftig, daß er eine halbe Stunde lang
-still, mit gesenktem Kopfe und in achtbarer Entfernung von der
-Maschine voranging, ohne sich seiner führenden Stellung bewußt zu
-werden. Später kam er wieder zu sich und begann aufs neue der Menge
-zu predigen, wobei er alte Bibelsprüche und seine jüngst erworbenen,
-noch etwas wirren technischen Kenntnisse wundersam zu mischen verstand.
-Beim Einbiegen in die Kanalstraße liefen einige Droschkenpferde in
-wildem Schrecken davon. Dies setzte die Stadtpolizei in Bewegung. Fünf
-Dollars genügten auch hier, ihr wohlwollendes Interesse an uns zu
-fesseln, so daß der brausende Festzug ohne Zwischenfall von Bedeutung
-nach drei Stunden einer ermüdenden Fahrt mitten durch die große
-Stadt im Ausstellungspark anlangte. Nur in der äußersten Vorstadt,
-nicht weit von unserm Ziele, wo ich Jem seinen ersten Versuch machen
-ließ, die Maschine allein zu steuern, hatten wir den Eckpfeiler
-eines unbedeutenden Biersalons mitgenommen. Da sich jedoch infolge
-dieser kleinen Verirrung die Kundschaft des Wirts für den Augenblick
-verzehnfachte, fand derselbe zu unliebsamen Auseinandersetzungen weder
-Zeit noch Lust. Die Sache wäre völlig unbemerkt geblieben, wenn nicht
-am folgenden Morgen die »Crescent City News« eine Notiz gebracht
-hätten, die bewies, daß der Redakteur noch immer hungrig war. Sie
-lautete:
-
-»Der englische Dampfpflug begann gestern seine Tätigkeit damit,
-den eleganten Biersalon des Herrn Henry Cooper an der Ecke der 42.
-Avenue und der Show Park Road mitzunehmen. Menschenleben sind nicht
-zu beklagen. Im Gegenteil. Die Frau des Gastwirts, eines unsrer
-geschätztesten Mitbürger, die sich zur Zeit der Katastrophe im oberen
-Stockwerk des mitgenommenen Hotels befand, soll unsrer großen Republik
-fast gleichzeitig, wenn auch in etwas überstürzter Weise, einen
-gesunden kleinen Mitbürger geschenkt haben. Wir wünschen dem achtbaren
-Ehepaar von Herzen Glück zu dieser Wendung der Dinge, möchten es dem
-unförmlichen englischen Dampfpflug aber trotzdem nahelegen, namentlich
-mit Rücksicht auf unsre Damen, seine Tätigkeit für die Regeneration des
-Südens in etwas weniger gewaltsamer Weise auszuüben.«
-
-Als wir am Abend des folgenden Tags mit der zweiten Maschine an dem
-erschütterten Salon vorüberkamen, unterließ ich nicht, einzutreten,
-um auch meinerseits der Familie meine Glückwünsche darzubringen. Ich
-fand den Salon schon provisorisch genügend gestützt und in blühendem
-Geschäftsschwung. Herr Cooper war vollständig befriedigt, denn meine
-Maschinen brachten ihm Gäste, wie er sie in seiner bescheidenen
-Trinkstube noch nicht gesehen hatte. Im übrigen versicherte er mir,
-er sei kein Amerikaner, sondern ein Irländer, sei nie verheiratet
-gewesen und denke nicht daran, es zu werden. Und da der Salon kein
-zweites Stockwerk besaß, in dem das interessante Ereignis, von dem
-die »Crescent City News« berichtete, hätte stattfinden können, so
-mußten wir wohl annehmen, daß die Nachrichten auf einem kleinen
-Mißverständnis beruhten. Erfreut hierüber trank ich mit meinem
-auf diese Weise gewonnenen neuesten Freund zwei Gläschen seines
-schauderhaften Whiskys und versprach, ihm auch künftig meine Kundschaft
-zuzuwenden, sobald ich körperlich genügend gekräftigt sein würde.
-
-Doch eine weit größere Freude und Überraschung stand mir an jenem
-sichtlich glückbringenden Tage bevor. Es war schon Abenddämmerung,
-als Bucephalus mit seiner roten Flagge über die Holzbrücke des
-Ausstellungsparks einzog. Er hatte nämlich selbst vorgezogen,
-ständiger Bannerträger der Dampfkultur zu bleiben, nachdem ihm tags
-zuvor der kleine Jem, schwärzer als je und halb gebrochen, die Leiden
-eines Heizers geschildert hatte. Da bemerkte ich schon aus der Ferne
-und mit wachsender Entrüstung auf der ersten Maschine, die gestern
-unter einem Hickorybaum mitten im Park stehen geblieben war, eine
-geheimnisvolle Gestalt. Der Mann hatte die die Maschine schützende
-geteerte Leinwanddecke halb zurückgeschlagen und schien, auf dem
-Tender knieend, in seine Arbeit versunken zu sein. Als wir näher
-kamen, bemerkte ich sogar, daß der Werkzeugkasten vor der Rauchkammer
-jener Maschine geöffnet war. Das war denn doch zu bunt, selbst für
-die Neugier eines verbesserungssüchtigen Yankees. Ich gab Stone den
-Anlaßhebel unsrer Maschine in die Hand, sprang ab und lief auf die
-andre zu, um den Eindringling womöglich ~in flagranti~ abzufangen.
-Er bemerkte mich nicht, so fleißig war er an der Arbeit, und mein
-Erstaunen wuchs, als ich wahrnahm, daß der Mann damit beschäftigt war,
-ein neues Wasserstandsglas einzusetzen, das er in dem Werkzeugkasten
-gefunden haben mußte. Das alte war nämlich bei dem Zusammenstoß mit
-dem Biersalon schon gestern zerbrochen. Unerklärlich! aber dennoch,
-welche Unverschämtheit! Der Fremde kniete mit gesenktem Kopf vor der
-Kesselwand, noch immer ohne aufzusehen. Ich sprang auf den Tender,
-entschlossen, ihn an den Ohren zu packen, was auch aus der Begegnung
-werden würde. Da, nicht eine Sekunde zu früh, hob er den Kopf auf. Ein
-rundes, mir wohlbekanntes Gesicht mit treuherzigen blauen Augen, aber
-mit der mir ebenso bekannten steinernen Ruhe, sah mir entgegen und
-sprach: »Guten Abend, Sir!« Dann fuhr der Fremde in seinen Versuchen
-fort, einen eigensinnigen kleinen Kautschukring über die neue Glasröhre
-zu schlüpfen, die er an Stelle der zerbrochenen einschalten wollte.
-
-Es war Jem! Jem Parker, der Monteur und Dampfpflüger, den ich mit dem
-»Wilden Westen« erwartet hatte. Er hatte sich in Schottland bei der
-Aufstellung eines andern Dampfpflugs verspätet, wurde mit einem der
-nächsten Schiffe nach New York geschickt und kam von dort über Land
-mit der Bahn nach New Orleans. Er hatte heute früh nach viertägiger
-Eisenbahnfahrt die Stadt erreicht, hatte sich nach dem Ausstellungspark
-durchgefragt und dort die einsame Maschine gefunden. Und da er bei
-näherer Betrachtung das zerbrochene Wasserstandsglas entdeckte und
-der Werkzeugkastenschlüssel tags zuvor stecken geblieben war, hatte
-er in aller Gemütsruhe angefangen, ein neues Glas einzusetzen, wie
-wenn nicht viertausend Meilen zwischen seiner heutigen und seiner
-letzten Beschäftigung lägen. Er habe gedacht, es werde schon jemand
-kommen und nach ihm sehen. Das alles kam in kurzen, trockenen Sätzchen
-heraus, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Jetzt saß das Glas zu seiner
-Zufriedenheit an der richtigen Stelle; er probierte die Hahnen und
-schüttelte, wegen des niederen Wasserstands, vorwurfsvoll den Kopf.
-Dann richtete er sich auf, zog wortlos einen Brief aus der Jacke, die
-er unter dem Rock trug, und gab ihn mir. Derselbe war von Herrn Fowler
-in London und erklärte, wie es kam, daß Parker erst mit einem späteren
-Schiff abgereist sei. Zwei Leute könne er mir zu seinem Bedauern
-nicht schicken. Es seien alle verfügbaren, brauchbaren Kräfte vollauf
-beschäftigt. Ich müsse mich mit Parker behelfen, so gut ich könne.
-Ich habe mich in Ägypten ja auch schon in ähnlichen Lagen glücklich
-herausgewunden.
-
-Dies war richtig; und zugleich war mir ein förmlicher Stein vom
-Herzen gefallen. Stone und der kleine schwarze Jem, wenn sie auch
-noch gelegentlich einen Biersalon umfahren mochten, waren anstellige
-Leute. Nun hatte ich noch den weißen Jem, der das Handwerk verstand,
-und mich. So konnte die Sache doch nicht völlig schief gehen und die
-»Regeneration des Südens«, von der seit acht Tagen halb New Orleans
-sprach, allen Ernstes beginnen.
-
-Seit ich Amerika betreten hatte, war ich nie so müd und wohlgemut nach
-Hause gekommen als an jenem Abend, spielte zum erstenmal wieder ein
-Schach mit Oberst Schmettkow und gewann's.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-6. Ein Fest
-
-
-Niemand hat übrige Zeit in Amerika. Lawrence, obgleich um eine volle
-Generation der ältere der beiden, war ungeduldiger als selbst der junge
-Owen, seitdem der letztere die Speisenfolge seines Gabelfrühstücks mit
-Hilfe Monsieur Merciers und mehrerer Privatgelehrter auf diesem Gebiet
-festgestellt hatte. Sie ließen mir kaum einige Stunden zu, wie es ihnen
-schien, nutzlosen Proben meiner Maschinen. Delano, dem mürrischen
-Geschäftsführer der Landwirtschaftsgesellschaft, wurde überdies um
-seinen Park bange, als ich die erste Furche durch den jungfräulichen
-Grasboden zog, der nie zuvor mehr als leise gekratzt worden war, und
-mein Pflug den schwarzen Urschlamm des verschwundenen Sumpfwaldes
-ans Tageslicht förderte. Nach seiner Ansicht sei es um so besser,
-je weniger ich ihnen von meiner Kunst zeige, an der er nicht mehr
-zweifelte, seitdem er im ersten Schrecken über das gespannte Drahtseil
-gefallen war. So wurde der nächste Donnerstag, zwei Tage, nachdem der
-Dampfpflug sein Arbeitsfeld erreicht hatte, für die Eröffnungsfeier
-bestimmt.
-
-Das Programm war einfach. Zwischen zehn und elf Uhr sollten die
-geladenen Gäste erwartet werden. Von elf Uhr an hatte ich eine halbe
-Stunde lang den Pflug, eine weitere halbe Stunde den Kultivator laufen
-zu lassen. Um zwölf Uhr mußte in dem Pavillon, der sich neben der
-Rennbahn befand, das Gabelfrühstück bereit stehen. Um zwei Uhr sollte
-das Publikum gegen ein Eintrittsgeld von einem Dollar zugelassen und
-das Pflügen bis gegen Abend fortgesetzt werden. Am folgenden Tag
-konnte die Presse sodann erklären, daß der Dampfpflug den seitens
-der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana ausgesetzten großen
-Preis von 750 Dollar nach eingehender Prüfung errungen habe, und ich
-sollte in der Freude meines Herzens drei Tage lang und mit häufigen
-Ruhepausen, um den Park nicht allzusehr zu ruinieren, weiterpflügen.
-Während dieser Zeit hatte die herbeiströmende Volksmenge ihre fünfzig
-Cents an der Parktorkasse abzuliefern, teils um die Gesellschaft in die
-Lage zu versetzen, mir möglichst schmerzlos 750 Dollar auszubezahlen,
-teils um ihr selbst eine sorglosere Zukunft anzubahnen. Im ganzen ließ
-sich gegen diesen Plan nichts einwenden. Er kostete mich ein, wie mir
-schien, allzu üppiges Frühstück, verschaffte dagegen, wenn alles gut
-ging, dem Dampfpflug, was er vor allen Dingen brauchte: eine tüchtige,
-gut amerikanische Reklame.
-
-Die kurzen Versuche, die ich anstellen konnte, verliefen erträglich.
-Der Pflug rannte nur zweimal in die Dampfmaschine, die Herrn Stone und
-seinem Heizer Kato anvertraut werden mußte, während auf der andern
-Lokomotive der weiße und der schwarze Jem als Lehrer und Schüler gut
-miteinander auskamen; abgesehen davon, daß der schwarze sich laut und
-lebhaft beschwerte, durch seinen Ehrgeiz in eine hervorragende Stellung
-gedrängt worden zu sein, die unerwartet viel Mühe und Arbeit mit sich
-brachte. Ich selbst saß mit Bucephalus auf dem Pflug und suchte ihm das
-Steuern des Gerätes und den Begriff einer geraden Linie im allgemeinen
-beizubringen. Der Mann hatte eine Riesenkraft und ließ sich mit großer
-Gutmütigkeit an den Ohren ziehen, wenn er gar zu krumm dreinfuhr.
-Ich tat dies zwar energisch, da er sonst nichts bemerkt hätte, aber
-doch stets mit der Miene väterlichen Wohlwollens; denn es war von
-der höchsten Bedeutung, meine rohen Hilfstruppen bei guter Laune zu
-erhalten. Das erkannte Bucephalus auch grinsend an und hatte bald die
-Genugtuung, mich wiederholt darauf aufmerksam zu machen, wie gerade
-seine krummen Furchen ausfielen. -- Übrigens hielt ich es selbst für
-gut, nicht allzuviele Proben abzuhalten. Jeder Augenblick, wenn das
-böse Schicksal es wollte, konnte, während ich an einem Ende des Feldes
-das Drahtseil regulierte oder dem mangelnden Wasserstand im Kessel
-nachhalf, am andern Ende eine zerschmetternde Katastrophe herbeiführen
-und uns unter Umständen auf Wochen und Monate das Handwerk legen.
-Das wichtigste blieb zunächst, wenigstens mit heiler Haut und ganzen
-Gliedern über das drohende Frühstück hinwegzukommen.
-
-Eine prachtvolle Frühlingssonne strahlte über dem lieblichen Park
-mit seinen moosbehangenen Baumgruppen und den noch nicht verbrannten
-Grasflächen, die in dem Untergrund des Mississippideltas reichlich
-Wasser finden. Die beiden Maschinen standen kampfbereit an den Enden
-eines dreihundert Meter langen Feldstücks und sandten weiße, senkrechte
-Rauchsäulen friedlich in den blauen Himmel empor. Jem, Bucephalus,
-Kato und ein halbes Dutzend weiterer Nigger, die als Extrahilfskräfte
-im Wege standen, waren nicht nur infolge der Wichtigkeit des
-Tages und ihrer eignen Person, sondern auch durch das Versprechen
-eines königlichen Trinkgeldes, wenn alles gut gehe, in gehobener
-Stimmung. Zwischen Stone und Parker war eine gewisse ehrgeizige
-Wettbewerbstimmung entstanden, die sich in kleinen trockenen Neckereien
-äußerte und mir im Interesse der Sache so wohl gefiel, daß ich sie bei
-beiden heimlich schürte. Es war das instinktive Gefühl zwischen jung
-und alt; zwischen Amerika und Europa. Beide waren stille, wortkarge
-Leute und sich kaum bewußt, was sie reizte. Aber ich sah das Gefühl
-deutlich in ihnen arbeiten, und in beiden arbeitete es für mich. --
-Im Pavillon hinter unserm Felde deckten sechs schwarze Kellner in
-tadellosen Fräcken und weißen Halsbinden eine hufeisenförmige Tafel,
-und geheimnisvolle, angenehm duftende Korbwagen fuhren durch das
-Parktor. Lawrence hing seit dem frühen Morgen an meinen Fersen, und
-Kapitän Owen erwartete in fieberhafter Aufregung den Champagnerwagen,
-der irgendwo aufgehalten, wenn nicht umgeworfen worden war.
-
-Dann kamen in leichten, eleganten Kabrioletts und Buggies die
-vornehmeren, in den maultierbespannten Tramwagen die einfacheren der
-geladenen Gäste: Longstreet mit Beauregard, Taylor mit Burnside und
-Jackson, leider nicht der berühmte Stonewall Jackson, der wenige Wochen
-zuvor gestorben war. Auch General Lee hatte zum allgemeinen Bedauern
-abgesagt. Doch fehlte es nicht an Generalen, Regimentskommandeuren,
-Majoren und Kapitänen in verwirrender Menge; dann aber kamen auch große
-Grundbesitzer vom oberen und unteren Mississippi und weltbekannte
-Politiker aus der alten Zeit, die heute von ihren Erinnerungen lebten
-und jeden einluden, sie mit ihnen aufzufrischen; kurz, es sammelte
-sich rasch eine zahlreiche, fröhlich belebte Gesellschaft, in der sich
-jedermann zu kennen schien und in deren Mitte der wackere Longstreet
-den liebenswürdigen Wirt spielte, während mir Owen die Heldentaten
-jedes einzelnen ins Ohr flüsterte. Auch unbekannte Gestalten erschienen
-zur Genüge. Ich selbst hatte nur dafür gesorgt, daß Oberst Schmettkow
-nicht fehlte und der teutonische Redakteur der »Deutschen Zeitung«
-seine Einladung erhielt. An alles übrige ließ ich Owen denken, der
-seinerseits vertrauensvoll auf meine Fähigkeit baute, mit einem
-Check auf meine englischen Freunde am Tag der Abrechnung die kleinen
-Schwierigkeiten auszugleichen, die etwa entstehen sollten.
-
-Alles sammelte sich in dem Felde, in welchem der Dampfpflug kampfbereit
-aufgestellt war. Noch nie hatte dieser friedliche Träger der Kultur
-ein so kriegerisches Publikum um sich gesehen. Die alten Haudegen des
-großen Bürgerkriegs standen entlang dem ausgespannten Drahtseil und
-sahen verständnisvoll, oder auch anders, in die tiefe Furche hinab, die
-gestern abend noch gezogen worden war. Longstreet erklärte, mich von
-Zeit zu Zeit zu Hilfe rufend, was er von der Sache wußte, sichtlich
-bemüht, das Interesse dem Pflug zuzulenken; aber unwillkürlich
-verirrte er sich samt seinen Freunden jeden Augenblick wieder in
-die Erinnerungen an ein abenteuerliches Gefecht, in die Beurteilung
-einer strategischen Bewegung und vor allem in die Betrachtung der
-jammervollen politischen Lage der »alten und wahren« Herren des Landes.
-Alle Stimmungen kamen zum lebhaften Ausdruck, vom Galgenhumor völliger
-Hoffnungslosigkeit bis zur finsteren Entschlossenheit, sich knirschend
-zermalmen zu lassen. Der Dampfpflug schien mit jeder Minute mehr vor
-den Augen der ganzen Gesellschaft zu verschwinden.
-
-Da ließ ich pfeifen. Das Drahtseil schnellte in die Höhe und zog an.
-Die lange Reihe der leidenschaftlich gestikulierenden Herren sprang
-mit Entsetzen und militärischer Präzision auf die Seite. Der Pflug
-setzte sich in Bewegung, die schweren, schwarzbraunen Schollen in
-sechs glatten geradlinigen Reihen aufstellend. Dies brachte meine
-Gäste zur Sache zurück. Eifrig liefen die meisten hinter dem Pfluge
-her, nachdenklich maßen andre die Tiefe der Furche. Es ging in der Tat
-nicht schlecht, wenn man den Umständen einigermaßen Rechnung trug.
-Stone und Kato auf der fernen Maschine übertrafen sich selbst. Stolz
-saß Bucephalus auf dem Pflug und steuerte ihn in sanftem Zickzack über
-das Feld. Er war überglücklich, da er unter den Eingeladenen seinen
-alten Herrn aus der Sklavenzeit entdeckt hatte und ihm die Geheimnisse
-seiner neuen Würde, als erster Dampfpflüger Amerikas, auseinandersetzen
-konnte. Nachdem der Pflug sechs- bis siebenmal auf und ab gefahren
-war, ohne Schiffbruch zu leiden, näherte sich allerdings das Aussehen
-der letzten Furche den Windungen eines durch ein Wiesental sich
-hinschlängelnden Bächleins. General Burnside tröstete mich. Die Linie
-erinnerte ihn lebhaft an seinen ersten Sieg: an die Schlachtlinie der
-Föderierten bei Bull Run. Dank seiner südlichen Lebhaftigkeit hatte
-General Taylor mittlerweile alles begriffen und hielt den Augenblick
-für gekommen, tatkräftig einzugreifen. Er schob Bucephalus von seinem
-Sitz, setzte sich auf das Geräte und erfaßte das Steuerrad. Dreißig
-Schritte weit ging alles gut. Der Pflug blieb in seinem durch die
-Furche gegebenen Geleise, und Taylor sah sich triumphierend um. Dann
-aber nahm das Instrument plötzlich eine Wendung nach dem ungepflügten
-Teil des Feldes und lief, als sei es verrückt geworden, trotz der
-verzweifelten Steuerbewegungen des Generals, querfeldein. Kein Pfeifen
-von Parkers Maschine half. Stone, dessen Maschine am andern Ende des
-Feldes während der Katastrophe den Pflug zog, war mit seinem Feuer
-beschäftigt und merkte zu spät, welches Unheil vor sich ging, so daß
-er erst dazu kam, anzuhalten, als sich der General mit dem entlaufenen
-Pflug mitten auf ungepflügtem Felde befand, hundert Schritte von dem
-Platz, wo er hätte sein sollen. Er hatte allerdings eine merkwürdig
-gerade Linie diagonal zur Pflugrichtung über das Feld gezogen. Beschämt
-stieg er ab und betrachtete sein Werk. Seine alten Kriegskameraden
-waren außer sich vor Vergnügen. Selbst der unehrerbietige Bucephalus,
-der staunend dem Pflug nachgesehen hatte, lachte mit, daß sein roter
-Mund das schwarze Gesicht von Ohr zu Ohr spaltete. Der Erfolg -- der
-Heiterkeitserfolg des Dampfpflugs war großartig. Der ältere Owen,
-der mehr Verständnis für die wahre Lage der Dinge zu haben schien
-als alle andern, sagte leise zu mir: »Lassen Sie aufhören! -- Die
-Schildkrötenbouillon wird sonst kalt!« Longstreet nahm Burnside unter
-den Arm. Taylor wurde von den andern im Triumph herbeigeholt und als
-preisgekrönter Dampfpflüger Louisianas fast auf den Händen getragen.
-Alles strömte dem Gartenpavillon zu, wo sich das blinkende Hufeisen im
-Nu gefüllt hatte und die Sektflaschen zu knallen begannen.
-
-Es ging hier noch brillanter als im Felde. Die Not der Zeit löste
-sich fühlbar in dem warmen Sonnenschein, der durch den luftigen
-kleinen Saal, und im perlenden Wein, der kühlend durch unsre Adern
-strömte. Longstreet hielt eine prächtige kleine Rede: ernst, männlich,
-geradeaus: Die große Sache sei verloren; wozu die Augen schließen und
-die Hände sinken lassen? Die Männer seien noch da, die ehrlich für
-sie geblutet hätten; sie würden sich nicht erdrücken lassen. Die alte
-Kraft rege sich wieder und werde auf andern Feldern neue Siege bringen.
-»Das Schwert ist in unsrer Hand zerbrochen«, schloß er. »In Gottes
-Namen -- nehmen wir die Lage, die uns der Himmel geschickt hat. Es
-lebe der Pflug!« Darauf verlangte es der Anstand, daß ich etwas sagte.
-Der Staub der Pflugfurchen steckte mir noch in der Kehle und die Angst
-vor dem jeden Augenblick möglichen Zusammenbruch der einen oder der
-andern Maschine in der Seele; aber ich ließ getrost den Süden leben,
-dessen tropische Lebenskraft schon mehr als einmal aus den Sümpfen
-um den Mississippi ein Paradies geschaffen habe. Dann kamen andre,
-weniger harmlos, manchmal bitter und zornig, manchmal allzu laut der
-wiederkeimenden Hoffnung entgegenjubelnd. Der Pflug war vergessen. Die
-politischen Phrasen rollten mächtig über die erhitzten Köpfe weg. Doch
-fühlte ich mich ziemlich beruhigt, als ich unter den letzten, die das
-Gartenhaus verließen, den Chefredakteur des »Picayune« Arm in Arm mit
-seinem Feind, dem Chefredakteur der »Crescent City News«, bemerkte,
-die abwechslungsweise versuchten, föderierte und konföderierte
-Kriegslieder zweistimmig zu singen. Ein erstaunlicher Grad mangelhaften
-musikalischen Sinns und der gute Wille, mit dem sie sich gegenseitig
-unterstützten, ergab eine Verschmelzung von Dissonanzen, die das
-Beste für die Zukunft hoffen ließ. Nur ein einziger Mißton trübte den
-Schluß der schönen Feier. Meine zwei deutschen Freunde waren sich
-in die Haare geraten. Oberst Schmettkow versuchte den Redakteur der
-»Deutschen Zeitung« über die Irrtümer seiner politischen Auffassung des
-Zustandes der Südstaaten aufzuklären. Doktor Wurzler machte vergebliche
-Anstrengungen, den Obersten zu überzeugen, daß ein verunglückter
-Jarde-Offizier von der Sache nichts verstehen könne. Sie wurden laut
-und heftig, und nur mit Mühe konnte ich sie bewegen, in zwei getrennten
-Trambahnwagen nach der Stadt zurückzukehren.
-
-[Illustration]
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-[Illustration]
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-[Illustration]
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-7. Rettungspläne
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-Regen nach Sonnenschein -- können wir mehr fordern vom wechselnden
-Leben? Aber allerdings, es brauchte nicht gerade ein Donnerwetter
-zu sein, mit der Aussicht, in einen vierwöchentlichen Landregen
-überzugehen.
-
-Am folgenden Morgen brachten die »Crescent City News« einen zornigen
-Aufsatz über England und die heimtückische Art und Weise, wie John Bull
-die Einführung der sonst nicht ganz nutzlosen Dampfkultur benutze,
-um einer verderblichen und verlorenen Sache neue Lebenshoffnungen
-einzuflößen, die nie in Erfüllung gehen können. Doppelt bedauerlich
-sei, daß der in andrer Beziehung anständige und nicht unintelligente
-Leiter des unförmlichen englischen Dampfpflugs sich zu Kundgebungen
-mißbrauchen lasse, die einem förmlichen Wiedererwachen der alten
-sezessionistischen Bestrebungen gleichkämen. Der Herr möge sich
-nicht täuschen: neuer Wein, auch der, den er zu verzapfen wünsche,
-lasse sich nicht in alte Schläuche füllen. Weder Dampf noch Sekt
-werde die verbrauchten Männer einer verlorenen Partei zu neuem Leben
-erwecken. Die Sezession sei tot. Den Dampfpflug an die tote Sezession
-binden zu wollen, sei sicherlich das törichtste, was dieser fremde
-Herr jemals versucht habe. Es wäre ihm vielleicht nützlich gewesen,
-wenn er sich zuvor über die Verhältnisse des Südens etwas eingehender
-belehrt hätte. Als charakteristisch sei zu erwähnen, wie ein gewisser,
-in Louisiana sehr überschätzter General, der sich neuerdings mit
-Kanalschiffahrt beschäftige, den Pflug quer über das Feld gesteuert
-und das unglückselige englische Instrument in einer Lage stecken
-gelassen habe, über die mehrere Sachverständige sich heute noch den
-Kopf zerbrächen. Übrigens sei Wohlwollen und Gerechtigkeit auch
-dem Gegner gegenüber stets der Grundsatz der »Crescent City News«
-gewesen. Die Schriftleitung stehe deshalb nicht an, ihren Lesern die
-vortreffliche Speisenfolge des Gabelfrühstücks mitzuteilen, das den
-Kern der Eröffnungsfeier des englischen Dampfpflugs gebildet habe:
-Schildkrötensuppe mit Heydsik usw.
-
-Der freundlicher gesinnte »Picayune« begann mit der Speisekarte,
-brachte eine enthusiastische Beschreibung des Dampfpflugs, die kein
-Mensch verstehen konnte, und war überzeugt, daß der erste Stein
-zum Wiederaufbau des Südens gestern gelegt worden sei, »dank den
-Männern,« schloß er, »die entschlossen den großen Aufgaben unsrer Zeit
-entgegentreten und die Not der Gegenwart mit den glänzenden Waffen der
-Zukunft zu bekämpfen wissen.«
-
-Da Lawrence, der energisch mitgekämpft hatte, ebenso wie Schmettkow
-am folgenden Tag etwas unwohl waren, hörte ich von dem kleinen
-Zeitungskrieg, der um meinen Dampfpflug entbrannt war, zunächst so
-viel wie nichts. Die ruhigere, planmäßige Arbeit nahm ihren Fortgang.
-Ich pflügte in den nächsten Tagen jeden Morgen und Abend für das
-Fünfzigcentpublikum ein paar Stunden lang. Meine Leute kamen nach
-und nach in Übung, es ging mit jedem Versuch etwas besser; nur der
-Strom der erwarteten Volksmassen blieb aus. Der Geschäftsführer der
-Landwirtschaftsgesellschaft war mein getreuester Zuschauer, und sein
-Gesicht wurde nach jeder Vorstellung um einen Zoll länger. Am zweiten
-Tag wurde der zweite Kassierer am Eingangstor als völlig überflüssig
-eingezogen, und am dritten konnte auch der noch im Dienst stehende
-seine Siesta, die um die Mittagsstunden in seinem kleinen Brathäuschen
-verzeihlich war, über den Rest des Tages ausdehnen, ohne seine
-Amtspflichten zu vernachlässigen.
-
-Am Abend dieses dritten Tages kam Lawrence mit Delano in ungewöhnlicher
-Eile über das Feld, als ich soeben die Vorstellung, die wir den zwei
-Söhnchen des eingeschlafenen Kassierers gegeben hatten, abzuschließen
-im Begriff war. Man sah es dem Gang der beiden Herren an, daß sie
-ein neuer, belebender Gedanke trug. Lawrence grüßte vergnügt, der
-Geschäftsführer grämlich, und betrachtete sodann kopfschüttelnd
-die beiden Knäblein, die eifrig auf dem stillstehenden Pflug
-herumkletterten und nach Yankeejungenart versuchten, ob nicht da oder
-dort eine Mutter loszuschrauben, eine Schraube abzudrehen war.
-
-»Nun, wie ging's heute, Herr Eyth? Mehr Publikum hier gewesen?« rief
-Lawrence, als ob alles, was er sah, seine höchste Befriedigung erregt
-hätte.
-
-»Sie sehen, welches Interesse die Bevölkerung an unserm Pfluge nimmt«,
-antwortete ich, auf die zwei Jungen weisend, die wirklich eine
-lose Mutter gefunden hatten und emsig an der Arbeit waren. »Heute
-Vormittag war auch ein alter Herr hier, der sich ernstlich nach der
-Leistungsfähigkeit der Maschinen erkundigte. Er brauche eine billige
-Lokomobile zum Wasserpumpen, erzählte er mir.«
-
-»Der Kassierer behauptet, er müsse am Ostende des Platzes über den
-Parkzaun gestiegen sein«, bemerkte Delano, die zwei Bürschchen mit
-finsteren Blicken messend. »Das kann so nicht fortgehen, Herr Lawrence.
-Wir müssen den Zaun am Ostende reparieren lassen. Wenn nur Geld in der
-Kasse wäre! Guter Gott, wenn nur etwas Geld in der Kasse wäre!«
-
-»Man wird doch deshalb den Mut nicht sinken lassen!« rief Lawrence,
-ohne den Geschäftsführer zu beachten. »Zweifellos haben wir den
-richtigen Weg noch nicht gefunden, das gesamte Interesse des Südens
-auf unsre Sache zu lenken, Herr Eyth. Die »Crescent City News« fahren
-allerdings fort, Ihnen Opposition zu machen. Das ist gut; das regt an.«
-
-Er holte das widerwärtige Blatt aus der Tasche.
-
-»Mir scheint es eher abzuschrecken«, meinte ich. »Der Lump von
-Redakteur schrieb gestern wieder ein paar Zeilen über den plumpen
-englischen Dampfelefanten, der in blinder Arbeitswut unsern schönen
-Ausstellungspark aufwühle.«
-
-»Sehr gut! Sehr gut!« rief Lawrence. »Sehen Sie, Herr Eyth, Sie
-verstehen unsre Sprache noch nicht völlig. Das ist ja verzeihlich; aber
-Sie sollten mit sich selber etwas Geduld haben. Wir müssen den Mann
-bezahlen, wenn er verspricht, kräftiger zu schimpfen. Hören Sie einmal,
-was der »Picayune« heute früh sagt. Es gefällt Ihnen vielleicht besser;
-aber es ist nicht halb so wirksam.«
-
-Er zog eine zweite Zeitung hervor, setzte sich auf den Pflug und las
-mit pathetischem Feuer:
-
-»Der glänzende Erfolg der großen englischen Erfindung, welche uns
-einen Ersatz für die wohl für immer verlorene Arbeit unsrer farbigen
-Mitbürger zu schaffen bestimmt ist, zieht täglich Tausende von
-Schaulustigen nach dem Ausstellungspark der Landwirtschaftsgesellschaft
-von Louisiana. Die Prüfungskommission dieses wahrhaft patriotischen
-Vereins, bestehend aus den Herren Lawrence -- hier folgten
-zehn weitere, mir völlig unbekannte Namen -- hat dem riesigen
-Kulturinstrument einstimmig den ausgesetzten Ehrenpreis von 750 Dollar
-zuerkannt. Wenn in Indien der Elefant am Pfluge des Rajahs Wunder der
-Kraft und Klugheit verrichtet, so arbeitet in unserm erleuchteteren
-Lande die elefantine Kraft des Dampfes an der neu erstehenden Wohlfahrt
-unsres zu Boden getretenen Südens. Ein Volk, das im Handumdrehen
-den Pflug mit dem Schwert zu vertauschen weiß, wie unser wackerer
-Longstreet so wahr bemerkte, kann nicht untergehen.«
-
-»Wenn ich nur wüßte, wo ich die 750 Dollar auftreiben sollte, mit
-denen mir das verehrliche Komitee seit acht Tagen in den Ohren liegt«,
-brummte der Geschäftsführer.
-
-»Deshalb kommen wir zu Ihnen, Herr Eyth«, sagte Lawrence mit
-wachsendem Frohsinn. »Die Elefantenidee hat gezündet; ich weiß es von
-verschiedenen Seiten. Wenn Sie uns ein wenig die Hand bieten, so wird
-sich alles zum besten wenden.«
-
-»Aber was kann ich mehr tun, als Ihren Park vierzehn Zoll tief
-aufreißen?« fragte ich, ziemlich ratlos um mich blickend. »Wenn dies
-Ihren ruhmbedeckten Süden nicht interessiert, so bleibt mir schließlich
-nichts andres übrig, als ihn seinem Schicksal zu überlassen.«
-
-»Fangen Sie nicht auch an, die Flügel hängen zu lassen!« mahnte
-Lawrence. »Das tut unser Geschäftsführer schon hinreichend für uns
-alle. Aber hören Sie mir zu! Das Pflügen interessiert die Stadtleute
-nicht; zugegeben! Die großen Gutsbesitzer sind keine Volksmasse; auch
-kommen sie nicht in die Stadt. Sie haben kein Geld mehr, wie vor fünf
-Jahren. Wir müssen es anders angreifen. Wenn Sie damit einverstanden
-sind, lasse ich heute abend in alle Zeitungen eine Anzeige einrücken.
-Ich habe sie schon im Entwurf in der Tasche. Hören Sie! Passen Sie auf,
-Delano!«
-
-Er zog einen Bogen Papier aus der Brusttasche, auf dem in viel
-korrigierter Schrift folgendes zu lesen war:
-
-»Große Sensation! Wettrennen der zwei Dampfelefanten John Bull
-und Jonathan; John Bull, geritten von dem berühmten englischen
-Dampfelefantenjockey Mister Jem Parker; Jonathan von dem amerikanischen
-Gentlemanreiter Mister Eleazar Stone. An die gesamte Bevölkerung,
-Damen und Herren, groß und klein, alt und jung der Staaten Louisiana,
-Alabama, Mississippi und Texas! Nachdem die berühmten Dampfelefanten
-John Bull und sein Bruder Jonathan während der vergangenen Woche in
-gewaltiger Arbeit den Urgrund des Mississippitals aufgewühlt haben,
-beabsichtigen diese gewandten und zu heiterem Spiel geneigten Tierchen
-ihre angeborene Munterkeit in einem kleinen Wettlauf zum Ausdruck zu
-bringen, der auf der Rennbahn des Parks der Landwirtschaftsgesellschaft
-von Louisiana am Donnerstag, den 4. März, nachmittags fünf Uhr
-stattfinden wird. Besondere Anziehung wird das Rennen dadurch ausüben,
-daß der Elefant Jonathan von dem amerikanischen Amateur Mister Stone,
-John Bull dagegen von dem berühmten englischen Berufsjockey Parker
-gesteuert werden wird. Es sollen bereits beträchtliche Wetten auf den
-Erfolg des einen oder andern der kühnen Reiter angeboten und angenommen
-worden sein. Herr Stone stammt aus einer alten Familie Virginiens und
-wird die Ehre des neuen Kontinents aufrecht zu erhalten wissen, während
-Parker vor einigen Tagen aus England eintraf, so daß ihm die ganze
-Geschicklichkeit und Erfahrung der älteren Kulturwelt zur Verfügung
-steht.
-
-»Achtung, Bürger von Louisiana, Alabama, Texas und Mississippi,
-Achtung! -- Der Riesenmammutwettkampf zweier Welten, in Arbeit und
-Sport! Amerika gegen England! England gegen Amerika! Wer wird der
-Sieger bleiben? Parkkassenöffnung um zwei Uhr. Eintritt einen Dollar.
-Tribünenkarten drei Dollar.«
-
-Lawrence sah sich um, als habe er zu eigner Verwunderung das Ei des
-Kolumbus auf den Kopf gestellt; die trüben Augen des Geschäftsführers
-blitzten, eine hektische Röte war in seine gelben Wangen gestiegen. Mir
-standen die Haare zu Berge.
-
-»Das ist ja aber rein unmöglich, mein lieber Herr Lawrence«, rief ich,
-nach Luft schnappend.
-
-»Unmöglich?« schrie Lawrence stürmisch. »Unmöglich! Mein bester Gedanke
-seit dreißig Jahren! Aber warum denn, mein lieber Herr Eyth?«
-
-Ich suchte mich zu fassen und ruhig zu sprechen.
-
-»Ich kann doch ganz unmöglich meinen Dampfpflug zu einem solchen
-Karnevalsstreich, zu einer so verrückten Barnumiade hergeben.«
-
-»Ich bitte Sie! Barnum ist einer der geachtetsten Bürger unsrer
-großen Republik. Ein Charakter! Ein Charakter, Herr Eyth! Er hat
-kleiner angefangen als Sie und hat heute das größte Museum der Welt.
-Er ist Millionen wert, Millionen, hat schon drei Kirchen gebaut, ist
-dreifacher Kirchenältester in seinen eignen Gotteshäusern und kann sich
-den Degen umschnallen, den Napoleon bei Waterloo verlor, wenn es ihm
-beliebt. Ich bitte Sie, warum denn nicht?«
-
-»Meine Dampfpflugmaschinen -- wettrennen!« rief ich mit neu erwachendem
-Entsetzen. »Die plumpen englischen Dampfelefanten, wie die ›Crescent
-City News‹ sagen! Sie laufen ja keine vier Meilen in der Stunde, beim
-besten Willen.«
-
-»Das ist ja eben das Pikante! Ein Elefantenwettrennen, ein
-Dampfmammutwettrennen! Nichts von Ihren windigen Vollblutskniffen der
-Alten Welt; keine brutale Tierquälerei ihrer barbarischen Vergangenheit
--- das Ganze elegant, human, würdig -- Zukunftsmusik! Der ›Picayune‹
-wird jubeln; der ›Crescent City News‹-Redakteur wird sich die Haare
-ausreißen. Die ganze Stadt wird auf unsrer Seite sein. Und diese
-Reklame! Diese Reklame! Bedenken Sie doch!«
-
-»Vor der ganzen Welt werden wir dastehen wie blamierte Hanswurste«,
-sagte ich düster, denn ich fühlte, daß etwas in mir nachgab, daß eine
-Feder meines Innersten brechen wollte, die ich bis jetzt für stahlhart
-gehalten hatte. Lawrence merkte es ebenfalls, setzte sich wieder auf
-den Pflug, von dem er in der Hitze des Gefechts aufgesprungen war, und
-fuhr ruhiger und eindringlich fort:
-
-»Sie verstehen dieses Land nicht. Sie können den mächtigen Strom des
-Fortschritts nicht fassen, der uns über solch kleinliche Bedenken
-wegträgt und uns größer gemacht hat als alle andern Nationen des
-Erdballs. Aber Sie müssen einsehen, was ich Ihnen hier biete. Jetzt
-sitzen Sie da vor zwei kleinen Jungen, die Sie auslachen. In ein paar
-Tagen haben Sie fünfzigtausend Menschen hier, die Sie anstaunen.«
-
-»Ich glaube gar nicht, daß ich Jem Parker bewegen kann, den Narren zu
-spielen,« brummte ich.
-
-»Dafür lassen Sie mich sorgen!« rief Lawrence freudig, denn er sah, wie
-schwach ich wurde. »Sechs Glas Jamaikarum und fünfzig Dollar Trinkgeld!
-Damit zieht er uns eine brennrote Jockeyjacke an. Stone, der ein Vater
-von sieben Kindern ist und Professor an einem Technikum in Buffalo war,
-will in grünem Spenzer und gelben Hosen antreten. Er denkt wie ich.
-Aber wohlgemerkt, Sie müssen es ihn gewinnen lassen. Er repräsentiert
-Amerika.«
-
-»Das ist ein weiterer Punkt«, warf ich ein. »Die beiden Maschinen
-gleichen sich wie ein Ei dem andern und laufen genau gleichschnell.
-Von einem Wettrennen ist also nicht die Rede.«
-
-»Kann man dies nicht machen wie man will?« fragte Lawrence, fast wieder
-aufgebracht über meine Borniertheit. »Das wird mit Stone und Parker
-ganz genau verabredet. Dreimal über die Bahn, denke ich mir; zuerst
-Stone voraus; dann Parker voraus, immer weiter voraus, eine halbe
-Bahnlänge zwischen beiden. Stone in Nöten -- Parker lachend. Dann auf
-einmal Stone hinterher wie der Teufel, mit offenen Zylinderhähnen,
-damit man sieht, daß sein Elefant sich anstrengt. Parker pustet
-und keucht. Vergeblich. Fünfzig Schritte vom Ziel sind sie beide
-Schornstein an Schornstein. Parker hat die Innenseite der Bahn; noch
-immer kann er gewinnen -- aber in den letzten drei Sekunden, unter dem
-donnernden Jubel von fünfzigtausend Menschen, siegt Amerika mit einer
-Nasen- oder Rüssel- oder Kessellänge, ganz wie Sie wollen. Was sagen
-Sie jetzt?«
-
-»Die einzige Rettung für uns alle!« stöhnte Delano, der mich ängstlich
-betrachtete. Es mußte mit der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana
-in der Tat schlecht stehen.
-
-»Ich will mir's überlegen!« sagte ich zögernd und fühlte, wie die
-scharfe Luft Amerikas mein Lungengewebe durchdrang und das schwere,
-deutsche Blut rascher oxydierte. Die Empfindung steigender Wärme war
-nicht unangenehm. Auch leichter fühlte ich mich, wie ein Ballon,
-dem plötzlich mit weiteren fünfzig Kubikmetern Gas unter die Arme
-gegriffen wird.
-
-»Und ich«, rief Lawrence, indem er mir rasch die Hand drückte, »laufe
-auf die Redaktionen. Für die Morgenblätter wird es gerade noch Zeit
-sein. Aus Ihnen, Herr Eyth, kann immer noch etwas werden. Ich gebe Sie
-nicht ganz verloren. Adieu!«
-
-Er lief, den nächsten Weg über das gepflügte Feld nehmend, dem Parktor
-zu und zwar so eifrig, daß er, über die mächtigen Furchen stolpernd,
-zweimal auf die Knie fiel, ohne Zeit zu verlieren.
-
-Delano und ich sahen einander an, zaghaft, trübselig, ich noch immer
-in einem unbeendeten Seelenkampf, in dem die Neue und die Alte Welt
-miteinander rangen und mich qualvoll hin und her zerrten; Delano mich
-mißtrauisch betrachtend, als ob er fürchtete, es könne doch noch alles
-schief gehen.
-
-»Es ist gut, daß Sie sich entschieden haben«, sagte er endlich mit dem
-ersten Lächeln auf seinem gelben Gesicht. »Wenn Sie nein gesagt hätten,
-wäre ich morgen früh nach Kuba abgereist. Ohne die Gesellschaftskasse.
-Die ist leer.«
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-8. Neue Hoffnung
-
-
-Die »Crescent City News« waren besiegt, sogar vor dem großen Tage, auf
-den Lawrence seine ganze Hoffnung setzte. Wie er dies zuwege gebracht
-hatte, blieb ein Geheimnis. Die spaltenlangen Inserate, in denen das
-kommende Wettrennen zur Anzeige kam, konnten den Stimmungswechsel kaum
-hervorgebracht haben, dafür waren sie trotz der fetten Buchstaben nicht
-groß genug. Aber die spitzen Bemerkungen über die plumpen Dampfpflüge
-hörten plötzlich auf. Die löbliche Absicht, ein Wettrennen abzuhalten,
-wurde laut und dankbar anerkannt, die beiden Dampfelefanten John Bull
-und Jonathan in begeisterten Farben geschildert, ihre merkwürdige
-äußerliche Ähnlichkeit nicht verschwiegen, jedoch darauf hingewiesen,
-daß in ihrem Innern wesentliche Verschiedenheiten bestehen dürften.
-Das Verhältnis von Heiz- und Rostfläche, vom Zylinderraum zum
-Dampfraum im Kessel, eine künstliche Zugvorrichtung, ein heimlicher
-Expansionsschieber, kurz das eigentliche Seelenleben beider Maschinen
-lasse den Ausgang des Kampfes durchaus zweifelhaft erscheinen. Übrigens
-komme es, wie bei jedem Rennen, doch auch wesentlich auf die Jockeys
-an, und da Jonathan von dem berühmten Amerikaner Stone (grün und gelb),
-John Bull von einem nicht minder hervorragenden Engländer, Jem Parker
-(rot und blau) geritten werde -- der Berichterstatter entschuldigte
-sich hier, daß er beim Anblick der eleganten Dampfrenner unwillkürlich
-in die Sprache des Turfs verfalle --, so sei der Sieg des einen oder
-des andern keineswegs eine leicht vorauszusehende Sache. An den
-Schenktischen der Hotels und Salons von St. Charles- und Kanalstraße
-sei das Wetten bereits in lebhaftem Gang. Im allgemeinen sei in
-den Kanalstraßenrestaurants Jonathan der Favorite, während im St.
-Charleshotel Wetten von zwei gegen eins auf John Bull, dessen Jockey
-man größere Erfahrung zuschreibe, bereitwillig angenommen werden.
-
-Unser nutzloses Pflügen im Ausstellungspark wurde nicht wieder
-aufgenommen. Das amerikanische Fieber, das den wohlakklimatisierten
-Lawrence in einen jungen Mann voll Feuer und Energie verwandelt
-hatte, packte auch mich mit jeder Stunde mehr. Am Morgen nach unsrer
-Besprechung im Park, nachdem ich nicht ohne Herzbeklemmung die bekannte
-Anzeige in fünf Zeitungen gesehen und mich an deren Aussehen ein wenig
-gewöhnt hatte, schlug ich mit einer entschlossenen Aufwallung alle
-Bedenken in den Wind. Ein Trost blieb mir ja immer: Louisiana war
-viertausend Meilen vom würdevollen England entfernt. Wenn es nun einmal
-sein mußte und mein ernster, ehrbarer Dampfpflug auf ein paar Stunden
-den Narren spielen sollte, nun, dann lieber auch recht! -- General
-Longstreet fand nichts Bedenkliches in der Sache. Im Gegenteil; er
-lobte mich, daß ich Land und Volk so rasch begreifen lerne. Persönlich
-wünsche er allerdings in diesem Fall mehr in den Hintergrund zu treten.
-Um so tätiger waren seine jungen Geschäftsteilnehmer, die beiden Owen,
-die das Wetten unter ihren Freunden in einen Schwung brachten, der mich
-kleinen Anwandlungen von Gewissensbissen aussetzte. Lawrence lachte
-mich aus: »Ist es unsre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die jungen Leute
-ihr Geld in der Tasche behalten?« fragte er. »Ist es für das gemeine
-Wohl von irgend welcher Bedeutung, in wessen Tasche des Volkes es
-schließlich sitzen bleibt?« Ich mußte ihm recht geben.
-
-Parker machte keine Schwierigkeiten. In seiner trockenen Weise sagte
-er: »Mister Fowler schickte mich hierher und befahl mir, zu tun,
-was +Sie+ befehlen. Das sind meine Anweisungen. Wenn ich mit meiner
-Maschine wettrennen soll, so wettrenne ich; das ist einfach!« -- Ich
-klopfte ihm auf die Schulter und begann, etwas zögernd, von der roten
-Jacke zu sprechen. Aber auch hier kam mir ein unerwarteter Zwischenfall
-zu Hilfe. Der ruhige Jem hatte bereits die intime Bekanntschaft
-einer jungen Dame gemacht, der hübschen, wenn auch etwas bronzierten
-Tochter eines Handelsgärtners, der in der Nähe des Parks einen
-stattlichen Bananen- und Orangenwald pflegte. Der Engländer teilte
-die amerikanische Abneigung gegen leichte Farbenmischungen nicht, und
-die junge Dame war Feuer und Flamme für den hübschen, kräftigen, wenn
-auch stummen Liebhaber, dessen ehrliche Augen die besten Absichten
-verrieten. Fräulein Sally war begeistert für die rote Jacke, half sie
-anmessen und setzte Goldborten auf den Kragen. Ihr Jem sah prächtig
-aus, wie ein Kakadu! Jetzt erst war sie wirklich überzeugt, eine
-glückliche Frau zu werden. Er brummte, aber er war ein herziger Junge,
-ihr Jem, wenn er die Kakadujacke anhatte.
-
-Die Ackergeräte blieben im Felde stehen, wo sie standen, verstaubt
-und verachtet. Beide Dampfmaschinen dagegen wurden drei Tage lang
-geputzt und geschmirgelt, daß sie in der Sonne blitzten. Auf der
-Rückseite des Tenders und auf dem Deckel der Rauchkammer ließ ich durch
-einen hervorragenden Künstler aus Deutschland, der drüben mehrere
-Malerschulen besucht hatte und dementsprechend am Hungertuch nagte, die
-eine mit den Worten »John Bull«, die andre mit dem Namen »Jonathan«
-bemalen, so daß ich nun auch selbst wußte, welches die eine und
-welches die andre war. Stone brachte auf eigne Kosten nationalfarbene,
-besternte Tücher, mit welchen er Jonathan schmückte. John Bull fand
-sich am Mittwoch nachmittag mit Guirlanden über und über bedeckt, in
-denen sich reife Orangen besonders reizend ausnahmen. Das war Sallys
-Werk. Ich selbst sorgte dafür, daß am Tender jeder Maschine zwei
-Banner befestigt wurden: Parker erhielt die englische Union-Jack, die
-er mit ruhigem Stolz aufsteckte, Stone die sternbesäte Flagge seiner
-amerikanischen Heimat. Das eigentümliche Verhältnis beider war auch
-nach längerem Zusammenarbeiten das gleiche geblieben. Sie sprachen
-nicht viel und nicht höflich, wenn sie sich etwas zu sagen hatten,
-aber die magnetische Antipathie, mit der sie sich betrachteten, war
-im Wachsen. Parker verachtete Stone, Stone ärgerte sich über Parker.
-Das geschah aus nationalem Instinkt. Hätten sie sich als Individuen
-gegenübergestanden, so wäre das umgekehrte Verhältnis natürlicher
-gewesen. Stone, der ältere, verhältnismäßig gebildetere Mann, hätte
-Jem verachten, Jem sich über Stone ärgern sollen. Aber das unbewußte
-Rassengefühl ist meist stärker als das bewußte Empfinden des einzelnen.
-Zum Glück hatten sie bis jetzt nicht viel Gelegenheit gehabt, sich
-aneinander zu reiben. Es ist dies schwierig, wenn jeder den ganzen Tag
-an einem der beiden Enden eines vierhundert Meter langen Drahtseils
-beschäftigt ist.
-
-Auch Delano hatte nun genügend zu tun und wurde deshalb etwas heiterer.
-Er ließ die Tribüne abstäuben und stützen, da sie sich gefährlich
-nach hinten neigte, und ein drittes Kassenhäuschen aufstellen.
-Man sah, meine amerikanischen Freunde glaubten an die englischen
-Elefanten. Ich selbst war sehr beschäftigt und warf kaum einen Blick
-auf die Zeitungsnotiz, die mir Lawrence, der jetzt alle Taschen
-voll Fahnenabzüge und Ausschnitte hatte, am Dienstag vor dem Rennen
-auf die Maschine heraufreichte. Einen Augenblick später sprang ich
-jedoch erregt zur Erde. Der Himmel klärte sich. Es regnet auch im
-Mississippidelta nicht immer. Dann las ich mit gespannter, aber
-freudiger Aufregung:
-
-»Washington, den 1. März 1867. Der unerwartete Schluß der Sitzungen des
-Kongresses war in den letzten Tagen die Veranlassung, eine ganze Reihe
-weniger bedeutender Vorlagen, namentlich auf wirtschaftlichem Gebiete,
-zur Beratung zu bringen, die meist ohne längere Diskussion zur Annahme
-kamen. Die sichtliche, die Arbeit fördernde Ermüdung der würdigen
-Vertreter des souveränen Volkes mag hierbei ebenso kräftig mitgewirkt
-haben wie die sachlichen Interessen, die von einzelnen Mitgliedern
-mit Gewandtheit und Umsicht vertreten wurden. Namentlich war dies am
-letzten Tage der Session der Fall, an dem die folgenden neun Anträge
-die Zustimmung des hohen Hauses erhielten.« Dann folgte die Liste
-von acht mir völlig gleichgültigen Bestimmungen, die sich auf die
-Gewährung von Pensionen, die Bezahlung von Komitees, die Erhöhung von
-Beiträgen zu verschiedenen Verkehrsunternehmungen bezogen. Dem neunten
-Paragraphen sah man es fast an, wie hastig er im letzten Augenblick
-noch angehängt worden war. Er lautete:
-
-Ferner wird beschlossen, daß Geräte und Maschinen, die zur Bearbeitung
-des Bodens mittels Dampfkraft bestimmt sind, zoll- und steuerfrei
-eingeführt werden können, und soll diese Zollbefreiung auf die Dauer
-von drei Jahren festgesetzt sein. Auch soll die Bestimmung rückwirkende
-Kraft besitzen und vom 1. Januar 1867 an Geltung haben. --
-
-»So hat mein zweifelhafter Freund Olcott doch nicht umsonst gearbeitet,
-und Schmettkow wird mir beschämt zugestehen müssen, daß auch im Norden
-noch Menschen wohnen, auf die man sich verlassen kann!« rief ich
-innerlich hocherfreut und schickte Stone in die Stadt, um noch zwei
-Banner zu bestellen, mit denen ich Jonathans Schornstein schmücken
-wollte. Die Sterne und Streifen waren nicht so schlimm, als ich seit
-einigen Wochen zu fürchten begonnen hatte.
-
-Noch am gleichen Nachmittag, als meine zwei Renner blank und glänzend,
-mit Kohlen, Wasser und Öl versorgt, hinter der geschmückten Tribüne
-aufgestellt waren, fuhr ich nach dem Zollamt und überreichte dem
-Generalzolldirektor von New Orleans den »Picayune« und die »Crescent
-City News« mit ihren Telegrammen aus Washington. Der Herr, ein dünner,
-schwarzgekleideter Yankee mit der Miene eines Kirchenältesten, schien
-in eifrigem Geschäftsgespräch mit einem seiner Unterbeamten. Beide
-hatten zerrissene Taschenbücher in der Hand und ließen sich durch
-meinen Eintritt kaum stören. Zwei gegen eins auf Jonathan; so weit
-wollte der Zolldirektor gehen, während der Assistent zögernd an seinem
-Bleistift kaute. Beide Herren empfingen mich unwirsch, als ich eintrat,
-und sehr höflich, als ich mich zu erkennen gab. Mit sichtlichem
-Widerstreben entfernte sich der Assistent auf einen energischen Wink
-seines Vorgesetzten. Ich zog den »Picayune« hervor und zeigte ihm den
-dickunterstrichenen Paragraphen.
-
-»Sehr gut, sehr gut, Sir!« sagte er mit unerwarteter Zuvorkommenheit.
-»Ich gratuliere Ihnen, Herr -- Herr Jed! Nebenbei: würden Sie
-vielleicht die Güte haben, mir den Unterschied, die wesentlichen
-inneren Eigenschaften von Jonathan und John Bull zu erklären? Ich
-verstehe nicht viel von Dampfmaschinen, interessiere mich aber doch
-außerordentlich für die Fortschritte der Technik. Die beiden Elefanten
-seien äußerlich ziemlich ähnlich, habe ich mir von sachverständiger
-Seite sagen lassen. Welchen -- ganz unter uns -- welchen halten Sie bei
-einem Viereinhalbmeilen-Rennen für den leistungsfähigeren? Sie wissen,
-die Bahn ist anderthalb Meilen lang.«
-
-Hier handelte es sich offenbar um ein unerwartet glückliches
-Zusammentreffen von Umständen, das ich nicht ungenützt vorübergehen
-lassen durfte.
-
-»Ich komme, verehrter Herr,« sagte ich, »um Sie auf den Paragraphen
-bezüglich der rückwirkenden Kraft dieser Zollbestimmung aufmerksam zu
-machen.«
-
-»Sehr interessant!« rief der Zöllner. »Ich höre, Jonathans Feuerbüchse
-sei um zehn Zoll länger. Wenn dies der Fall ist, muß er ein verdammt
-guter Dampfer sein --«
-
-»Wie Sie wissen,« unterbrach ich ihn mit großer Ruhe, »haben
-wir, unsre Vertreter Longstreet, Owen & Co., in meinem Namen
-viertausendzweihundert Dollar Zollgebühren für den Dampfpflug bezahlt,
-der sich augenblicklich im Ausstellungspark befindet.«
-
-»Gewiß, gewiß! ich erinnere mich. Dagegen habe ich gehört, daß John
-Bull größere Straßenräder hat. Das müßte man aber doch sehen, und mein
-Sohn, den ich gestern nacht hinausschickte, konnte einen Unterschied
-nicht mehr feststellen; es war allerdings schon dunkel. Niemand kann
-mich nun hierüber so gut aufklären als Sie, mein werter Herr Jed. Ich
-betrachte es als eine ganz besondere Vergünstigung, daß ich die Ehre
-habe, Sie heute bei mir zu sehen.«
-
-»Nun denke ich,« fuhr ich mit Beharrlichkeit fort, »werden wir wohl
-die viertausendzweihundert Dollar ohne weiteres zurückerhalten
-können. Etwas Bargeld wäre mir augenblicklich nicht unangenehm, Herr
-Generalzolldirektor! Jonathan frißt, wie Sie richtig vermuten, eine
-erstaunliche Menge Kohlen.«
-
-»Sie glauben also auch, daß Jonathan, namentlich auf viereinhalb
-Meilen, die Wahrscheinlichkeit für sich hat?« drängte der
-Kirchenälteste.
-
-»Ich kann natürlich nichts Bestimmtes sagen, Sir«, sagte ich
-zurückhaltend. »Jonathan ist ein feiner, junger Dampfelefant, dem ich
-viel zutraue -- viel zutraue, Herr Direktor, und John Bull ist nicht
-schlecht für sein Alter. Beide sind am gleichen Tage geboren. Es wäre
-nicht ehrlich, wenn ich mehr plaudern wollte. Auch kann man ja nie
-wissen, wie es geht. Der Zustand der Bahn, das Wetter, Wasser und
-Kohle, die Jockeys, alles hat seinen Einfluß. Von den Elefanten als
-Renner wissen wir alle nicht zuviel. Was die viertausendzweihundert
-Dollar betrifft -- --«
-
-»Das genügt«, unterbrach mich der Direktor mit schlauem Augenblinzeln.
-»Jonathan ist fein und jung. Sie sagen, Jonathan kann man viel
-zutrauen. Mehr als einen Wink darf ich von Ihnen nicht verlangen. Ich
-hoffe, Sie zu verstehen.«
-
-»Und was die viertausendzweihundert Dollar betrifft«, mahnte ich,
-zutraulich lächelnd, als ob wir jetzt unter einer Decke steckten.
-
-»Ja, sehen Sie,« sagte der Kirchenälteste mit der wohlwollendsten
-Freundlichkeit, »das ist so eine Sache! Das Geld werden Sie ohne
-Zweifel bekommen, namentlich -- namentlich wenn Jonathan gewinnt. Aber
-ich muß doch erst Weisungen von Washington haben; direkte Anweisung. So
-geschwind wie mit Ihren Dampfelefanten geht es in den Regierungsbureaux
-gewöhnlich doch nicht. Besuchen Sie mich in einer Woche wieder, Herr
-Jed. Da soll die Summe auf dem Tisch liegen, wenn der ›Picayune‹ nicht
-gelogen hat; mein Wort darauf! -- Also Jonathan? Sie denken wirklich
-Jonathan?«
-
-»Wie Sie sagen: ich denke Jonathan«, bestätigte ich halblaut, sinnend,
-wie wenn ich meine eignen Gedanken belauschte, und dachte dabei an
-das Orakel von Delphi. Dann verabschiedeten wir uns mit lebhaftem
-Händeschütteln. Ich kann es nicht leugnen, so unerklärlich es ist:
-noch nach Jahren meines amerikanischen Lebens machte dieses biedere
-Händeschütteln einen gewissen Eindruck auf mich.
-
-In dem dunklen Gange vor der Tür kam der kleine, aber greisenhafte
-Assistent aus einer Nische hervor. Er hatte auf mich gelauert und
-schüttelte mir noch heftiger die Hand.
-
-»Sie kommen wegen des Zolls auf Ihren Dampfpflug«, sagte er leise und
-eifrig. »Ich weiß, ich weiß! Ich las die Nachricht selbst heute früh
-in den ›Crescent City News‹ und dachte sofort: hier gibt es etwas für
-mich zu tun. Ohne mich geht das nämlich nicht. Er ist zäh wie ein
-Hickorystock, wenn er herauszahlen soll« -- dabei deutete der Kleine
-auf die Zimmertür des Großen. -- »Eine höchst wichtige Nachricht für
-Ihr Geschäft. Gratuliere, gratuliere! Die viertausendzweihundert Dollar
-werden Sie übrigens im Handumdrehen bekommen, wenn ich die Sache in
-die Hand nehme, und das habe ich zu tun im Sinn, Mister Eyth! Nebenbei
--- was halten Sie von John Bull? Ich glaube nicht, daß die beiden
-Elefanten so verschieden sind, als sie aussehen. Sie sehen verschieden
-aus, höre ich von sachverständiger Seite, aber nicht so verschieden,
-daß man daraus seine Schlüsse ziehen könnte. Auf die Jockeys wird es
-wohl ankommen -- unter uns --«
-
-»Die Jockeys sind allerdings auch bei wirklichen Elefanten ein
-wichtiges Element«, sagte ich zustimmend.
-
-»Herr Eyth, ich heiße Smith und habe die Geldanweisungen
-auszuschreiben. Es wird mir das größte Vergnügen machen, Ihnen gefällig
-zu sein. Ich weiß, die Engländer lieben einen prompten Geschäftsgang;
-ich war selbst drei Wochen in England. Und da John Bulls Jockey,
-wie ich höre, ein Engländer ist und natürlich besser mit diesen
-Dampfelefanten umzugehen weiß --«
-
-»So würde ich selbst vermuten,« unterbrach ich ihn entgegenkommend,
-»daß John Bull die größere Wahrscheinlichkeit für sich hat, als Sieger
-aus dem Rennen herauszukommen.«
-
-»Das genügt, das genügt!« rief der Kleine stürmisch. »Natürlich, es
-wäre unrecht, Sie zu veranlassen, weiter aus der Schule zu schwatzen.
-Aber kommen Sie nach dem Wettrennen wieder. Sie sollen Ihr Geld haben,
-ehe wir ein Schnippchen schlagen. Mein Chef?« -- Herr Smith machte eine
-unehrerbietige Grimasse -- »er läßt niemand in Ruhe, die alte Schraube!
-Er hat mir bei unsrer letzten Wette meinen halben Jahresgehalt
-abgeschwindelt, und ich bin ein verheirateter Mann mit einer kleinen
-Familie von sieben. Diesmal soll er mir einmal bluten! -- John Bull;
-natürlich! Sie werden es den Amerikaner nicht gewinnen lassen; das kann
-ja ein Kind sehen. -- Diesmal soll er geschröpft werden. Besten Dank,
-wertester Herr Eyth!«
-
-Er klopfte mit schneidiger Schärfe an die Zimmertür seines
-Vorgesetzten. Ein freudiges Herein! der etwas krächzenden Stimme
-des kirchenältesten Zöllners drang bis zu mir. Ich konnte noch auf
-der Treppe an dem heiteren Ton ihres Gesprächs hören, wie sie beide
-glaubten, sich gegenseitig in der Tasche zu haben. Ein schöneres
-Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen konnte es doch wohl
-kaum geben. Und hierfür, sagte ich mir mit heimlichem Stolze, sind mir
-beide jetzt gleich dankbar.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-9. Das Elefantenrennen
-
-
-Ein kurzer, scharfer Regenguß, der in der Nacht gefallen war und die
-Frühlingsregenzeit einleitete, konnte unsrer Rennbahn zwar nicht
-sonderlich zuträglich sein, doch trocknete der sonnige Morgen die
-Wege, die Tribüne und deren etwas spärliche Dekoration genügend,
-so daß alles glänzte und prangte, wie es sich für einen großen
-Tag geziemt. In der Stadt war für ein kundiges Auge eine gewisse
-Bewegung deutlich erkennbar. Gruppen umstanden die Anschlagsäulen
-und die Bretterwände der im Bau begriffenen Häuser, an denen sich
-das von Lawrence gedichtete Plakat in Riesenbuchstaben breit machte:
-»Unerhörte Sensation! Amerika gegen England; England gegen Amerika! Das
-Mammutwettrennen der zwei Dampfelefanten Jonathan und John Bull« usw.
-An Straßenecken wurden von zweifelhaften Gestalten Wetten angeboten und
-angenommen. Gegen nachmittag war die Trambahnlinie in der Richtung des
-Ausstellungsparks belagert, und von vier Uhr an hingen aufgeregte und
-im allgemeinen fröhliche Menschen in lebensgefährlicher Weise an den
-Geländern und Treppen der Wagen, von denen alle acht Minuten fünf und
-sechs unmittelbar hintereinander nach Osten fuhren.
-
-Schon um elf Uhr hatten wir bei verschlossenen Türen im Parkpavillon
-eine geheime Sitzung abgehalten: Lawrence, Delano, ich und die
-zwei Elefantenjockeys Parker und Stone. Es handelte sich um genaue
-Anweisungen für die beiden letztgenannten. Flüsternd ersuchte ich sie,
-nachdem die Türen verriegelt waren, ihr heiliges Ehrenwort abzugeben,
-daß nichts -- aber auch nichts! --, was sie in dieser feierlichen
-Stunde hören sollten, jemals über ihre Lippen kommen werde. »~I will
-be blown~,« sagte der Engländer bereitwillig, aber ernst, »wenn ich je
-etwas ausplaudere.« -- »~I will be darned!~« schwur der Amerikaner.
-Wörtlich übersetzt heißt das eine: »ich will geblasen«, das andre
-»ich will gestopft sein« und ist in der Heimat der Betreffenden die
-landesübliche Umschreibung für den Wunsch, in der untersten Hölle zu
-braten. Ich konnte beruhigt fortfahren:
-
-»Sie wissen, meine Herren, daß, was wir heute zu tun haben, die Grenze
-eines kleinen, heiteren Humbugs nicht überschreitet. Ich brauche Ihnen,
-bei Ihrer Intelligenz, nicht mitzuteilen, daß unsre Elefanten keine
-wirklichen Elefanten, unser Wettrennen kein wirkliches Wettrennen ist.
-Herr Lawrence wird Ihnen vielleicht auseinandersetzen, wenn Sie dies
-wünschen sollten, wie weit unser Vorgehen vom ethischen Standpunkte
-aus haltbar ist. Ich überlasse ihm diesen Punkt, da derselbe
-ausschließlich die Anschauungsweise der großen und erleuchteten Nation
-betrifft, die wir heute zu erfreuen und zu belehren hoffen, und für
-deren hervorragenden Vertreter ich ihn ansehe. Ich beschränke mich
-darauf, Ihnen die Versicherung zu geben, daß Herr Lawrence in diesem
-Punkte völlig beruhigt ist.«
-
-Stone nickte mit einem kaum merklichen Anflug eines Lächelns um seine
-dünnen Lippen, Parker in stummem Staunen.
-
-»Die Sache ist also einfach die,« begann ich wieder in
-geschäftsmäßigerem Ton, »Punkt halb fünf Uhr haben Sie sechs
-Atmosphären Dampf im Kessel, Wasser und Kohle in Ordnung, alle Lager
-gut geölt -- vergessen Sie das Bremsband auf der Hinterachse nicht,
-Herr Stone --, kurz, die Maschine zur Abfahrt vollständig bereit zu
-halten. Sie fahren dann vor die Tribüne, wo ich Ihnen Ihre Plätze
-anweisen werde. Punkt fünf Uhr gibt Herr Delano ein Zeichen; er wird
-einen Revolver abschießen, wenn ich recht weiß, und Sie, meine Herren,
-fahren dann dreimal auf dem großen Ring herum. Keine Übereilung; keine
-unnötige Anstrengung. Zuerst bitte ich Herrn Stone, vorauszufahren, --
-dann, nach etwa hundert Schritt, muß Parker ihn überholen und einen
-ziemlichen Vorsprung beibehalten, bis bei der dritten Umfahrt, kurz vor
-dem Ziel, Herr Stone ihn wieder einholt und eine halbe Minute, oder
-besser nur ein paar Sekunden, vor Parker durchs Ziel fährt. Hier zum
-Schluß müssen Sie natürlich ein wenig aufpassen, daß die Sache nicht
-umgekehrt ausfällt. Sie haben mich verstanden?«
-
-Parkers rundes, harmloses Gesicht verdüsterte sich. »Aber« -- fing er
-an.
-
-»Kein ›Aber‹, Parker,« sagte ich bestimmt, »Sie tun, wie ich Ihnen
-sagte. Wir sind in Amerika und müssen den Herren Amerikanern zeigen,
-daß ein englischer Gentleman höflich sein kann.«
-
-Stone lächelte mitleidig; Parker hing den Kopf. »Ich möchte mit Ihnen
-allein sprechen«, murmelte er in sichtlicher Seelennot.
-
-Wir traten in eine Fensternische, und Jem flüsterte, während sein Kopf
-purpurrot wurde:
-
-»Mir wäre es ja gleichgültig, Sir, wer am Schluß vorausfährt; aber
-Sally -- ich habe Sally versprochen --«
-
-»Weibergeschichten! Dummheiten! Schämen Sie sich, Parker!« sagte ich
-entrüstet. »Ich hoffe -- die Herren Fowler in England hoffen, daß Sie
-Ihre Pflicht tun werden.«
-
-Er schwieg und schämte sich. Hiermit konnte die geheime Konferenz
-geschlossen werden. Stone und Parker entfernten sich, um ihren
-Maschinen, die hinter der Tribüne und einer provisorischen Zeltwand
-friedlich nebeneinander rauchten, vor dem großen Kampfe die letzten
-liebevollen Handreichungen angedeihen zu lassen und sich sodann in
-den dunklen Hohlräumen der Tribüne in ihr schmuckes Jockeykostüm zu
-werfen. Delano eilte in fieberhafter Stimmung nach den Kassenhäuschen
-am Eingang, wo bereits zwei Kassierer auf ihre kommende Tätigkeit
-warteten. Sie kam auch, mit jeder Viertelstunde sichtlich wachsend. Der
-Ausstellungspark, sonst ein Bild tiefer, melancholischer Einsamkeit,
-begann sich zu beleben. Lawrence strahlte wie eine zweite Sonne über
-dem Platz, Freunde begrüßend, Fremde zurechtweisend. Es war sein Werk,
-das sich ringsumher entwickelte, und er fühlte, daß die Augen von zwei
-Weltteilen auf ihm ruhten.
-
-Die Tribüne füllte sich langsam; um die Barrieren des großen Rings
-schloß sich ein Menschenring in Form einer dünnen riesigen Mondsichel,
-deren Hörner sich bereits zu einem Kreis zusammenschlossen. Daß das
-Sonntagspublikum der Stadt in Bewegung geraten könnte, hatte ich halb
-und halb gehofft; daß aber auch die Aristokratie der Crescent City
-erscheinen werde, war mehr, als ich erwartete. Longstreet kam --
-man hörte sein vergnügliches lautes Lachen schon von weitem --, der
-ernste Beauregard, Taylor, unruhig wie ein Wiesel, nach allen Seiten
-auf Jonathan und gegen John Bull wettend. Die Owens mit der jüngeren
-Generation belebten das Innere des Rings und brachten ganze Scharen von
-Damen in glänzenden Toiletten. Es gab doch noch schwarze leuchtende
-Augen und blitzende Diamanten in der Stadt. Gelegentlich sah man Delano
-mit einem Leinwandbeutel im Arm vom Eingangstor nach dem Pavillon
-laufen. Es waren Geldsäcke, die er in Longstreets Bureau entlehnt
-hatte. Er lachte förmlich, zum erstenmal seit dem Bürgerkriege, wie
-mir Owen, ebenfalls lachend, versicherte. Eine heitere Aufregung
-bemächtigte sich der Menge in steigendem Grade. Der improvisierte
-Zeltverschlag, hinter dem in stoischer Ruhe die zwei Maschinen ihre
-Rauchwolken zum Himmel sandten, war von hundert Jungen umdrängt, die
-die Leinwandwände einzudrücken versuchten und von Zeit zu Zeit von
-Bucephalus und dem schwarzen Jem mit entrüsteter Beredsamkeit verjagt
-wurden. Es half wenig, da der eine eine riesige amerikanische, der
-andre eine englische Kokarde trug, die sofort der Mittelpunkt jubelnder
-Bewunderung wurden.
-
-So wurde es halb fünf Uhr. Aus einem Loch in der Rückwand der Tribüne
-schlüpfte jetzt Stone in hellgrüner Jacke und gelben Beinkleidern und
-marschierte, von dreißig Jungen geleitet, ernst, als ob er in einer
-grünen Jacke geboren wäre, dem Maschinenzelt zu. Keine Muskel rührte
-sich in seinem steinernen Gesicht. Er war der echte Jockey, der mit
-zusammengebissenen Zähnen einem Kampf auf Leben und Tod entgegengeht.
-
-Vor dem Loch in der Tribüne wartete in sichtlicher Ungeduld eine
-junge Dame in feuerrotem Seidenkleid und einem wogenden Federhut
-von erstaunlicher Größe. Als Parker in seinem prachtvollen
-Kakadugefieder, rot und blau, in der Öffnung erschien, wollte er
-wieder zurückschlüpfen. Der große Junge war so rot wie seine Jacke.
-Aber es half ihm nichts; die begeisterte Sally erfaßte ihn beim Arm,
-zog ihn heraus und begleitete ihn stolz nach dem Maschinenzelt, wo sie
-mit Bucephalus in ein entrüstetes Zwiegespräch geriet, der ihr rund
-erklärte, daß hier Damen nicht zugelassen würden.
-
-Fünfzehn Minuten vor fünf öffneten sich die Zeltwände mit erfreulicher
-Pünktlichkeit. Es ging alles wie am Schnürchen. Die beiden Elefanten
-dampften keuchend und rasselnd, aber mit feierlichem Ernste, aus
-der Hütte hervor und wälzten sich in den Ring, der Tribüne zu. Die
-Aufregung wuchs; die Volksmenge umringte sie schreiend, manchmal
-in jähem Schreck auseinanderstiebend, dann wieder sich gefährlich
-zusammenballend. »Das ist Jonathan!« -- »Das ist John Bull!« erklärten
-sie sich hundertstimmig. »Ein feiner Bursche, John Bull!« -- »Sehen
-Sie, die Räder! diese Breite!« -- »Und wie Jonathan dampft! Das
-heiß' ich ein paar Lungen!« -- »Aufpassen! Aus dem Weg!« -- »Vier
-gegen drei auf Jonathan!« -- »Zwei gegen eins auf John Bull!« --
-»Hipp, hipp, hurra für Amerika!« -- »Zwei gegen eins auf Jonathan!«
-So schwirrte es durcheinander, bis die beiden Maschinen vor der
-Tribüne angelangt waren und nebeneinander zum Stillstand kamen. Der
-kleine schwarze Jem, der bei Jonathan, und Bucephalus, welcher bei
-John Bull Heizerdienste versah, grinsten sich an. Parker und Stone
-lehnten auf ihren Steuerrädern und sahen ernst und schweigend auf die
-brausende Volksmenge herab, die zögernd die Rennbahn freigab und,
-heftig protestierend, von sechs Schutzleuten unter die Barrieren
-durchgejagt wurde, wobei abgestreifte Zylinderhüte die Heiterkeit
-wieder herstellten. Das Ganze schien einen durchaus würdigen Verlauf
-nehmen zu wollen. Lawrence, der an alles zu denken schien, hatte selbst
-für Komiteemitglieder gesorgt, die in amerikanischen und englischen
-Schärpen um die Maschinen herumliefen, sichtlich ohne zu wissen, was
-sie zu tun hatten, und dadurch dem Publikum zu denken gaben.
-
-Auf der Pavillonuhr schlug es fünf. Atemlos kam Delano aus der Richtung
-des Kassentors herbei, eine riesige Pistole in der Hand. Er wechselte
-mit Parker und Stone einige hastige Worte, um sicher zu sein, ob er das
-Zeichen geben könne. Beide nickten. Fräulein Sally, die ihre nächste
-Umgebung nur mit Mühe verhindern konnte, die Barriere zu überklettern,
-rief ihrem Jem ermunternde Zärtlichkeiten zu. Dann knallte der
-Schuß. Sally stieß einen gellenden Schrei aus, sank in die Arme
-ihres Nachbars, raffte sich aber ebenso rasch wieder empor. Mit acht
-offenen Zylinderhähnen, Dampf und Feuer speiend, beide Pfeifen schrill
-trompetend, hatten sich die zwei Maschinen in Bewegung gesetzt. Das war
-nicht der Augenblick für weibliche Schwächen. »Hurra, Jonathan!« --
-»Hurra, John Bull!« brüllte die beglückte Menge. »Vorwärts, vorwärts!«
--- »Hurra, Jonathan!« -- »Amerika für immer!« -- »Hurra, Jonathan!«
-
-Der Start war untadelhaft; das Wettrennen hatte durchaus programmgemäß
-begonnen. Beide Maschinen liefen in behaglicher Ruhe hintereinander her
-die Rennbahn entlang. Da aber sämtliche Zylinderhähne geöffnet blieben
-und sie demgemäß unter lautem Zischen Wolken von Wasser und Dampf
-ausspieen, machten sie den Eindruck außerordentlicher Kraftanstrengung,
-so daß das Publikum hochbefriedigt war. »Hurra, John!« -- »Vorwärts,
-vorwärts, Jonathan!« schrie es in steigender Erregung. Ich wunderte
-mich anfänglich, daß der England repräsentierende John Bull mindestens
-ebenso viele brüllende Freunde zu haben schien als Jonathan. Aber
-eine große Anzahl Wetten waren zugunsten Johns abgeschlossen worden.
-Der schlauere Teil der Wettlustigen traute der Sache doch nicht ganz
-und vermutete, daß ich, der Leiter und Besitzer der Elefanten, dem
-Engländer geheime Vorteile verschaffen werde. Daß ich weder Engländer
-noch Amerikaner, sondern »nur« -- wir schrieben, wie erwähnt, noch
-nicht 1870 -- ein ehrlicher Deutscher war, wußten natürlich die
-wenigsten. -- Eine schrille, den größeren Teil des Ringes beherrschende
-Stimme leitete den Chor der Rotblauen. Es war Sally, die den
-Tribünenaufgang erklettert hatte, auf dem ich selbst stand und mich
-vergebens bemühte, unberechtigte, aber enthusiastische Zuschauer
-hinunterzujagen. Sally sah mir mit ihren blitzenden, kohlschwarzen
-Augen lachend ins Gesicht, ohne ihr Schreien einzustellen, und
-klammerte sich fest ans Geländer an. Man sah, sie war entschlossen,
-nicht zu weichen, ohne das Gebälke mitzunehmen. Ich kapitulierte ohne
-weiteres. Diese Lungen! Ein gewaltiger Perlmutterknopf über ihrem
-königlichen Busen sprang mit einem hörbaren Knall ab und flog in
-großem Bogen in die untenstehende Volksmenge. »Hurra, Jonathan!« --
-»Hurra, Jem!« Ihre Gefühle für die Lokomotive mischten sich bereits
-bis zur Unkenntlichkeit mit denen für den Lokomotivführer, und als die
-Maschinen die Bahn zum erstenmal umkreist hatten und John Bull sechs
-Maschinenlängen vor Jonathan durch das Ziel dampfte, kannte ihre Freude
-und ihr Stolz keine Grenzen mehr. »Hurra, Jem! Hurra, Jem!« jubelte sie
-dem Blauroten zu, der in stoischer Ruhe, den Anlaßhebel in der einen,
-den Regulator in der andern Hand, auf seinem Tender stand und sich
-sichtlich bemühte, die Freudenrufe seiner jungen tropischen Liebe nicht
-zu hören. Zu unsern Füßen sahen Leute entrüstet herauf und suchten ihre
-Chorführerin zu belehren, daß ihr Elefant nicht Jem heiße, sondern
-John, John Bull. Aber nichts in der Welt hätte Sally irre gemacht.
-»Hurra, Jem! Hurra, Jem!«
-
-[Illustration]
-
-Höhnend behandelte sie Jonathan, der eine halbe Minute später an uns
-vorüberdampfte. Auch Stone sah ruhig und trocken, wie sich's geziemt,
-von seiner Maschine herab. Das Brüllen der Grüngelben, aus dem schon
-Angst und Zorn deutlich durchklang: »Vorwärts, Jonathan!« -- »Nicht
-nachlassen, nicht nachlassen!« -- »Schneller!« -- »Hurra für Amerika!«
--- »Schneller, schneller!« schien an seinem starren Yankeegesicht
-abzuprallen wie ein tosender Gebirgsbach an einem Felsblock. Dagegen
-konnte ich jetzt mit meinem Opernglas bemerken, daß der schwarze Jem,
-sein Heizer, in sichtlicher Aufregung große Klumpen Kohle in das Feuer
-warf und dazu zornig in das Feuerloch hineinschrie. Trotzdem erweiterte
-sich die Entfernung zwischen den beiden Rennern mehr und mehr.
-
-»Donnerwetter, der Amerikaner verliert's!« sagte Longstreet, der
-unmittelbar hinter mir auf der Tribüne stand, zu seinem Freund
-Beauregard. Die Aufregung und das Geschrei der tausendköpfigen Menge
-hatte seine bekannte, magnetische Wirkung. Selbst die beiden, damals
-weltberühmten Generale der konföderierten Armee, die in blutigen
-Schlachten kühl ihre Befehle gegeben hatten, begannen den Einfluß der
-wunderlichen Nervenströmung zu fühlen, die in solchen Augenblicken
-durch die schwüle, brausende Luft zieht. »Was wetten Sie, Beauregard,
-der Amerikaner verliert's?«
-
-»Zwei gegen eins, in Zehndollarnoten«, sagte der andre trocken. »Vor
-dem Krieg hätten wir mit Hundertdollarnoten gespielt, Longstreet, aber
-es geht auch so.«
-
-»Und es geht ehrlich zu, da drunten?« fragte Longstreet, sich über
-meine Schulter neigend.
-
-»So ehrlich wie irgendwo in diesem großen und erleuchteten Lande!«
-antwortete ich, in der Hoffnung, er werde mich verstehen. »Es ist alles
-aufs beste geordnet und geregelt, General!«
-
-Aber Longstreet war zu ehrlich für sein großes und erleuchtetes
-Vaterland und verstand mich nicht. Die beiden notierten die Wette und
-verfolgten jetzt das behagliche Elefantenrennen mit derselben Teilnahme
-wie die Volksmasse unter uns, deren brausendes Geschrei mit den
-Maschinen zum zweitenmal um den Ring lief.
-
-Jonathan, welcher keuchend schwarze Rauchwolken ausblies, war jetzt
-über hundert Schritte hinter John Bull geblieben, mehr, als ich für
-gut hielt. War nicht alles in Ordnung? Wollte Stone den Schlußeffekt
-um so glänzender gestalten? Schon bewegte sich seine Maschine in einem
-Sturm von Entrüstung entlang der Barriere. Höhnische Zurufe, zornige
-Mahnungen, sein Vaterland nicht zu verraten, wurden ihm zugeschleudert.
-Der schwarze Jem, in heftigem Wortwechsel mit seinem Vorgesetzten, warf
-eine Schaufel Kohle nach der andern ins Feuer. Und wirklich, jetzt
-endlich schien die Maschine sich aufzuraffen. Rasselnd und klappernd
-brauste sie ihrer Genossin nach. Der Zwischenraum nahm sichtlich ab.
-»Hurra, Jonathan! Hurra, Jonathan!« Die Grüngelben gewannen wieder Mut.
-
-Bei der zweiten Vorbeifahrt am Ziel war Jonathan eine halbe
-Elefantenlänge voraus! Dies war gegen das verabredete Programm. Als sie
-aneinander vorübergefahren waren, hatte Parker seinem Kollegen zornige
-Blicke zugeworfen. Stone sah nach der andern Seite, als ob er allein
-in der Welt wäre. Die beiden Heizer dagegen, der schwarze Jem und
-Bucephalus, hatten ein lebhaftes Zwiegespräch eröffnet, sobald sie sich
-hören konnten.
-
-»Glaubst du in den Himmel zu kommen mit deinem Gekeuch, du großer
-Maulesel?« erkundigte sich Jem.
-
-»Wir alle gehen über den Jordan, o Jerusalem!« sang Bucephalus mit
-lauter Stimme, indem er das alte Baptistennegerlied benutzte, um
-seinen schwarzen Mitbruder außer sich zu bringen. Aber auch er
-tanzte vor Wut auf dem Tender, als seine Maschine wirklich langsam
-zurückblieb. Es war für den Augenblick nicht zu ändern. Parkers Dampf
-war um etwas gesunken, während bei Stone beide Sicherheitsventile
-abbliesen wie toll. Der weiße Jem unterbrach die nutzlosen Wutausbrüche
-seines Heizers mit einer gelinden Ohrfeige und stieß ihm den Kopf gegen
-das Feuerloch. Diesen Wink billigte der Schwarze und begann wie wütend
-Kohlen in die Feuerbüchse zu schaufeln.
-
-Sally war zum erstenmal seit Beginn des Rennens still geworden und
-starrte mit weit aufgerissenen Augen dem Unheil entgegen, das ihren
-Jem betroffen hatte. Jetzt riß sie ihren prachtvollen Federhut vom
-Kopf und schwenkte ihn an den Bändern wie ein Rad in der Luft, um
-den Geliebten aufzumuntern. »Hurra, Jem! Schnell, schnell! Vorwärts!
-Hurra!« Der Chor der Blauroten, der etwas schwächer geworden war,
-brauste unter diesem Gefühlssturm seiner Führerin wieder auf, die sich
-durch das Hutschwenken rasch Platz verschafft hatte und jetzt auf der
-Tribünentreppe eine hervorragende Stellung einnahm. Aber Jonathan
-gewann noch immer. Fünf Minuten mußten vergehen, ehe Parker Dampf genug
-hatte, um das verlorene Terrain wiederzugewinnen.
-
-Nun aber war es an mir, etwas bange zu werden. Mein Opernglas war gut,
-so daß ich die Bewegungen der zwei Leute auf jeder Maschine genau
-beobachten und fast sehen konnte, was sie sich sagten. Es war klar,
-sowohl Stone als Parker hatte das Programm völlig vergessen. Vielleicht
-hatte der erstere den Hohn seiner Landsleute nicht länger ertragen
-können, vielleicht war der Stoizismus Parkers den leidenschaftlichen
-Ausbrüchen seiner hitzigen Geliebten erlegen. Tatsache war: die
-Maschinen liefen nicht mehr hintereinander her, wie es der Würde eines
-braven Dampfpflugs entspricht; sie stießen zornige Rauchwolken aus, sie
-rannten, sie suchten sich zu überholen. Beide Maschinenführer hatten
-die eine Hand auf den Sicherheitsventilhebeln -- ein böses Zeichen --,
-die erregbaren Heizer drohten sich mit den Kohlenschaufeln und stimmten
-jauchzend in das Geschrei der Menge ein. -- Das Wettrennen war ernst
-geworden, und von allen Beteiligten wußte eigentlich nur Parker genau,
-was er tat. Wenn es so fortging, konnte der Spaß jeden Augenblick mit
-einer Katastrophe enden, und die Zeichen mehrten sich, daß wir einem
-tragischen Ende entgegentrieben.
-
-Auch der Himmel hatte sich plötzlich verdüstert. Eine schwarze
-Regenwolke trieb mitten durch den Sonnenschein über den Park hin, eine
-im März gewöhnliche Erscheinung des Klimas von Louisiana. Das helle
-Bild lag plötzlich in tiefem Schatten, und eine Minute später schüttete
-der Himmel Wasser in Strömen auf die Rennbahn. Doch dauerte der
-sündflutartige Guß nur zwei Minuten lang, dann glänzte die Abendsonne
-wieder durch das dampfende Gewölke, und alles strahlte und funkelte in
-frischen Farben.
-
-Auf die Volksmenge hatte das gewohnte Zwischenspiel kaum einen
-merklichen Eindruck gemacht. Lachend wurden tausend triefende
-Regenschirme wieder zugeklappt und der gefüllte Rand von hundert
-Hüten dem zu nahe stehenden Nachbar in den Nacken geschüttet. Dagegen
-hatten die Elefanten mit einer neuen und jedem, außer mir und Parker,
-unerwarteten Schwierigkeit zu kämpfen. Während des Regens war John
-Bull wieder vorgeeilt und hatte Jonathan um zwanzig Schritte überholt.
-Beide rangen jetzt mit allen Mitteln um den Sieg. Sie waren noch
-hundert Schritte vom Ziel, aber auf dem nassen Rasen, auf dem der
-kurze stürmische Regen da und dort kleine Seen zurückgelassen hatte,
-glitten und glitschten jetzt die Triebräder in hilflosem Eifer. Auch
-die Vorderräder, durch deren Stellung die Maschine gesteuert wird,
-hatten keinen Halt mehr und schlüpften nach rechts oder links mit
-unberechenbarer Willkür. Die wuchtigen Lokomotiven schwankten hin und
-her wie Betrunkene, blieben stecken, schossen vorwärts, versuchten sich
-quer zur Bahn zu stellen. Es war ein tolles Ringen mit den Elementen,
-die sich gegen beide Renner gleichmäßig verschworen hatten.
-
-Da hielt Parker plötzlich still und sprang von seiner Maschine,
-Bucephalus ihm nach. Zischend heulte der gepreßte Dampf durch die
-sich weit öffnenden Sicherheitsventile. Stone, wenn auch mühselig
-und in unregelmäßigen Stößen sich fortbewegend, fuhr an der stehenden
-Maschine vorüber. England brüllte vor Wut; Amerika brach in brausenden
-Siegesjubel aus. Sally verlor den zweiten Perlmutterknopf über dem
-gepreßten Herzen: »Vorwärts, Jem! Vorwärts! O Jerusalem, vorwärts!«
-
-Parker, der noch hundert Meter der überfluteten Rennbahn vor sich
-sah, war nicht stehen geblieben, um Luft zu schöpfen, und verstand
-sein Geschäft. Mit aller Macht, aber stumm drauf los arbeitend, den
-willigen, aber ungeschickten Bucephalus nur mit Rippenstößen anleitend,
-seine rotblaue Jacke mit Schmutz und Lehm bedeckend, befestigte
-er an den Triebradreifen ein halbes Dutzend sogenannter »Sporen«,
-gewaltige eiserne Schaufeln, die, in den Boden einhauend, auch auf
-nassem, schlüpfrigem Felde die Maschine vorwärts bringen. Stone hatte
-trotz seiner Nöte sechzig Schritte Vorsprung gewonnen, ehe Parker mit
-dieser Arbeit fertig war. Er war nur noch vierzig Schritte vom Ziel,
-aber seine Maschine, kaum mehr steuerbar, die Räder handhoch mit Lehm
-bedeckt, taumelte hilflos hin und her. Jetzt sprang Parker wieder auf
-den Tender, ließ die Dampfpfeife spielen, und stolz und ruhig hieb sich
-die Maschine vorwärts.
-
-Das Geschrei wurde betäubend. John Bull klatschte mit einer Sicherheit
-durch das Wasser, als sei er darin geboren. Sally warf ihren Federhut
-in die Luft, der einen wild gestikulierenden, achtbaren Geistlichen
-unter ihr zudeckte. »Hurra, Jem! Hurra, Jem!« So dampfte Parker an uns
-vorüber. Noch zwanzig Schritte, und England hatte gesiegt.
-
-Doch plötzlich stockte auch John Bull wieder. Die Hinterräder drehten
-sich, aber die Maschine ging nicht vorwärts. Auf einen Augenblick wurde
-die tausendstimmige Menge fast still; das Interesse war aufs höchste
-gestiegen. Wasser spritzte nach allen Seiten; große Klumpen Erde flogen
-in die Luft. Die Nächststehenden stoben entsetzt auseinander; sie
-wußten nicht, was vorging. Ich wußte es nur zu gut: Parkers Maschine
-war auf eine besonders weiche Stelle geraten; die Sporen, anstatt
-einzuhauen und die Maschine vorwärts zu treiben, warfen den Boden nach
-hinten und begannen nach den besten Regeln der Kunst der Maschine ihr
-eignes Grab zu graben. Parker sprang wieder herab und riß Bucephalus
-mit. Beide hoben mit Anstrengung aller Kräfte, Bucephalus laut heulend
-vor Wut, ein Stück der nächstgelegenen Barriere aus dem Boden und
-warfen das gewonnene Gebälk unter die Räder. Aber es half nichts.
-Knirschend, alles zermalmend arbeiteten die Sporen das Holz in die
-tiefer und tiefer werdende Grube. Die Maschine sank -- sank! -- Der
-Schornstein neigte sich wie zum Sterben. Im nächsten Augenblick saß der
-Tender auf dem Boden, und alle weiteren Versuche, vorwärts zu kommen,
-waren zu Ende.
-
-Und langsam, bedächtig, durch nichts entmutigt, kroch Stones Maschine
-hinterher. Jetzt passierte sie Parker. »Hipp, hipp, hurra!« schrie
-der kleine Jem, ganz außer sich vor Freude, obgleich ihm Bucephalus
-ein Stück Kohle an den Kopf warf. Glitschend und gleitend, oft fast
-quer über die Bahn stehend, quälte sich Jonathan weiter. Drei Minuten
-brauchte er zu den letzten zehn Schritten. Aber keuchend und röchelnd,
-platschend und scheinbar halb schwimmend, über und über mit Schmutz
-bedeckt, glitt er endlich durch das heiß erkämpfte Ziel.
-
-Jonathan hatte gewonnen -- programmgemäß.
-
-Stone sprang ab. »Hurra für Amerika!« schrie er laut und schwenkte
-feierlich seine Mütze. »Hurra für Amerika!« heulten tausend Stimmen
-in dem rasch sich füllenden Ring. Dreißig Schritte davon stand Parker
-trotzig und stumm neben seiner versunkenen Maschine und versuchte
-vergeblich, sich Sallys zu erwehren, die laut schluchzend an seinem
-Halse hing.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-10. Hans im Glück
-
-
-Leider verläuft nicht alles programmgemäß unter diesem wechselnden Mond.
-
-Die drei folgenden Tage waren der Aufgabe gewidmet, meist unter
-strömendem Regen, die beiden Maschinen aus dem Sumpf herauszuschleppen,
-in den sich der Ausstellungspark der Landwirtschaftsgesellschaft von
-Louisiana verwandelte. Dabei galt es, nicht bloß die Maschinen, sondern
-auch den Mut meiner farbigen Hilfstruppe aufrecht zu erhalten, die an
-derartige Zwischenfälle nicht gewöhnt war und in den entscheidenden
-Augenblicken mehrfach davonzulaufen drohte. Nur fröhliches,
-persönliches Zugreifen konnte hier eine schwere Katastrophe verhindern.
-Nachdem wir mehrere Klafter Holz in dem schwarzen Untergrund des
-Mississippideltas begraben und den Weg von der Rennbahn zum Parktor in
-den Zustand des Chaos vor der Scheidung von Wasser und Feste verwandelt
-hatten; nachdem schließlich auch die Holzbrücke, welche über den
-den Park umgebenden Kanal führt, unter der Last John Bulls zermalmt
-zusammengebrochen war -- ein großartiger Augenblick für die nicht
-unmittelbar Beteiligten -- und wir uns selbst täglich zweimal mit einer
-klebrigen Schichte aus den Urbestandteilen der Schöpfung überzogen
-hatten, standen endlich am Abend des dritten Tages die beiden berühmt
-gewordenen Renner erschöpft und mannigfach zerstoßen und verwundet auf
-dem festen Straßendamm, der nach der Stadt führt.
-
-Während ich so drei harte Tage lang mit den Mächten der Unterwelt rang
-und mich damit tröstete, daß in dem einsamen, sturmgepeitschten Park
-wenigstens keine Seele diesen Kampf mit ansah, erschienen glänzende
-Beschreibungen des großen Rennens in der Presse der Stadt. Selbst
-die »Crescent City News« erklärten sich für überwunden. Wenn in der
-Alten Welt, sagten sie, der plumpe indische Elefant den Pflug einer
-modernden Kultur mühselig durch den entkräfteten Boden schleppe, so
-mache die Neue Welt in unsrer Zeit, der Zeit des Fortschritts und der
-Intelligenz, sich die Arbeit des Dampfes nutzbar. An Stelle der rohen
-tierischen Kraft trete der Genius der Menschheit und schaffe sich aus
-Kohle und Wasser die Diener seiner Macht. Für seine Bedürfnisse, für
-sein Wohlergehen, für seinen Genuß, ja selbst für jene Verbindung
-von höchster Arbeitsleistung und höchstem Genuß, die in jedem Sport
-zum Ausdruck komme, dienen ihm heute wunderbare, selbstersonnene
-Werkzeuge. Das Wettrennen der beiden Dampfelefanten Jonathan und John
-Bull sei ein Beweis dieser jedes Herz mit freudigem Stolz erfüllenden
-Tatsache. Dann folgte eine lange, etwas konfuse Beschreibung des großen
-Ereignisses, in welcher meist richtige Sportausdrücke, meist falsche
-maschinentechnische Erörterungen und die dem Konversationslexikon
-entnommene Zoologie des Elefanten wundersam gemischt waren. Einen
-kleinen Stoßseufzer konnte zum Schluß die Schriftleitung des Blattes
-nicht unterdrücken: daß die zwei Elefanten von England importiert
-seien, sei zwar bedauerlich, aber, bei Licht betrachtet, nebensächlich.
-Hier erst, auf amerikanischem Boden, sei ihnen Gelegenheit gegeben
-worden, ihre Kraft im Dienste der Menschheit völlig zu entwickeln, und
-doppelt erfreulich sei es, daß dies mit dem Sieg des zäh ausdauernden,
-froh einherbrausenden Jonathan über den schwerfälligen John Bull
-geendet habe. Während jener spielend das Ziel erreichte, habe sich
-dieser unter dem Jubel einer tausendstimmigen Volksmenge mit den
-hinterlistig benutzten Radsporen sein eignes Grab gegraben.
-
-Der glänzend geschriebene Artikel ging durch alle Zeitungen von Alaska
-bis Texas. Noch zwei Wochen später bekam ich ihn aus entlegenen Wald-
-und Prairiegegenden zugesandt, mit dem gedruckten Winke, mich doch auf
-die »Bluff Creek Times« oder den »Jacksonville Herald« zu abonnieren,
-die in so aufopferungsvoller Weise meine Bestrebungen unterstützten.
-Ich war für die Zeit meines irdischen Daseins mit -- allerdings
-brüchigem -- Packpapier überreichlich versorgt.
-
-Was aber nun? Todmüde und mit Schmutz bedeckt war ich am Abend
-des dritten Tags nach dem Rennen nach Hause gekommen. Der ganze
-Apparat stand gerettet, aber wie ein großes Fragezeichen,
-dazu nach europäischen Begriffen völlig polizeiwidrig auf der
-muschelgepflasterten Chaussee drei Kilometer vor der Stadt. Parker,
-Stone und die schwarze Gesellschaft brauchten, so gut wie ich, zunächst
-ein paar Ruhetage. Soweit war die Sache gut. Aber was dann?
-
-Doch die Welt steht nicht still, wenn wir selbst keinen Weg mehr sehen.
-Während ich, alle Fragen und Sorgen des Daseins vergessend, noch in
-tiefem Schlafe lag, war ein ereignisvoller Tag angebrochen.
-
-Mein erster Gang galt dem Hauptzollamt und seinem Direktor. Der Herr
-empfing mich mit einer Herzlichkeit, welche keiner der mir bekannten
-europäischen Zollbeamten, deren Herzlichkeit gemäßigt zu sein pflegt,
-auch nur entfernt erreicht hätte.
-
-»Sehr angenehm, Herr Eyth! Entzückt, Sie zu sehen, Herr Eyth!« rief
-er mir entgegen, indem er gleichzeitig seinen Assistenten aus dem
-Zimmer jagte, der ein Gesicht schnitt wie die letzten Regennächte gegen
-zwei Uhr morgens. »Ich gratuliere Ihnen zum Sieg Jonathans! Das wird
-Ihr Glück machen; ich bin fest überzeugt, das muß Ihr Glück machen.
-Mein Assistent hat zwar ein verteufeltes Häufchen Geld verloren; der
-wird Ihnen nicht gratulieren. Aber er hat mir die Wette förmlich
-aufgedrängt. Geschieht ihm recht, dem Querkopf! Er konnte sich doch
-denken, daß ich Elefanten besser beurteilen kann als er. Ich und Sie,
-Herr Eyth! Ha, ha!«
-
-Er lachte mit einer Stimme, die dem Klang eines zersprungenen
-Zinntellers nicht unähnlich war.
-
-»Sie haben wohl Nachrichten von Washington, Herr Generaldirektor?«
-bemerkte ich, um etwas rascher zur Sache zu kommen.
-
-»Von Washington, Herr Eyth?« fragte er, mich groß ansehend. »Alle
-Zeitungen sind voll! Natürlich, auch dort. Es soll mich nicht wundern,
-wenn Sie bald Anträge bekommen, mit Ihren Doppelelefanten in allen
-größeren Städten der Union aufzutreten. Bei Zeus, das wäre keine
-schlechte Spekulation. Wie ich sage: alle Zeitungen sind voll! Der Sieg
-des amerikanischen Dampfrenners Jonathan -- Mister Harris, bringen Sie
-uns doch die neuesten Zeitungen von Washington!«
-
-»Ich meinte eigentlich unsre Zollangelegenheiten«, warf ich ein.
-
-»Ach -- das!« rief der Direktor mit einem leichten Schatten auf den
-mehr und mehr in Leder übergehenden Zügen. »Gewiß! Ich habe für
-Sie telegraphiert. Soeben Antwort erhalten; interessant -- etwas
-unerklärlich.«
-
-»Weshalb? Die Sache schien mir doch ziemlich einfach«, bemerkte ich.
-
-»In der Hauptsache ist alles in Ordnung, gewiß!« versetzte der Zollmann
-mit unangenehmem Zaudern. »Sie bekommen die viertausendzweihundert
-Dollars zurück, die Sie für den Pflug bezahlt haben. Ich garantierte
-Ihnen dies schon vor dem Rennen. Kongreßbeschluß unzweifelhaft und ganz
-klar. Sie müssen sie zurückbekommen.«
-
-»Sehr schön«, sagte ich freudig. »Können Sie mir gleich eine Anweisung
-ausstellen? Bargeld wäre mir augenblicklich nicht unangenehm.
-Elefantenrennen kosten runde Sümmchen.«
-
-»Bringen auch hübsch Geld«, lachte der Direktor mit einem Wink auf die
-Tür, hinter der der Assistent verschwunden war. »Ja, ja, Herr Eyth, die
-Sache ist ganz in Ordnung. Sie sollen die viertausendzweihundert Dollar
-zurückerhalten. Aber --«
-
-»Was aber?« drängte ich ungeduldig.
-
-»Der Generalzolldirektor von Washington schreibt mir, daß am Tage nach
-dem Kongreßbeschluß einer Ihrer Freunde die ganze Summe für Sie in
-Washington erhoben habe.«
-
-»Olcott!« rief ich, während mein ganzes Innere von einem elektrischen
-Gedankenblitz erhellt wurde.
-
-»Oberst Olcott. Wissen Sie es schon?« bestätigte der Direktor. »Sie
-sehen, daß sich alles bei uns ziemlich prompt und flink abwickelt. Ein
-andres Tempo als in Ihrer alten Heimat, das müssen Sie zugeben. Oberst
-Olcott, einer unsrer schneidigsten Kongreßleute -- ich gratuliere Ihnen
-dazu, daß Sie mit +dem+ befreundet sind. Ich habe schon öfter von ihm
-gehört und wollte, er wäre mein Freund!«
-
-»Und dagegen ist nichts zu machen?« fragte ich halb betäubt.
-
-»Zu machen? Was wollen Sie dagegen machen?« fragte der Direktor. »Ich
-gratuliere Ihnen zu Ihrem Freund, und Sie wollen etwas dagegen machen?«
-
-»Aber das Geld sollte nicht Olcott, sondern ich erheben! Olcott hatte
-nicht entfernt die Berechtigung --«
-
-»Was, ist er nicht Ihr Freund?«
-
-»Gewiß, aber wie bekomme ich jetzt das Geld von dem Obersten?« fragte
-ich, aufs tiefste beunruhigt.
-
-»Ja, das ist eine ganz andre Sache, lieber Herr Eyth«, versetzte der
-Direktor und preßte einen leisen, dünnen Pfiff durch seine schmalen
-Lippen. »Dies geht das Zollamt eigentlich nichts an. Ich würde ihm
-schreiben.«
-
-»Donnerwetter!« rief ich mit überwallendem Gefühl, »das will ich auch.
-Einen gepfefferten Brief!«
-
-»Freilich, es wird seine Häkchen haben. Ich würde mit dem Pfeffer
-vorläufig recht sorgfältig umgehen«, sagte mein Berater sehr
-nachdenklich. »Ein Kongreßmann, der vierundzwanzig Stunden nach der
-Annahme einer derartigen Verordnung viertausendzweihundert Dollars
-aus der Hauptzollamtskasse gabelt und für seinen Freund in die Tasche
-steckt, versteht das Geschäft. Aber schreiben Sie nur. Ich würde ihm
-sehr höflich schreiben. Und wenn er nicht antwortet, telegraphieren
-Sie, am sichersten mit bezahlter Antwort. Die Herren haben nicht immer
-bar Geld bei der Hand.«
-
-Er lachte vergnügt mit seiner dünnen, zersprungenen Stimme und schob
-mich höflich zur Tür hinaus. Ich war selbst in Eile. Der Brief an
-Olcott brannte mir unter den Fersen. Diese Unverschämtheit!
-
-Eine Stunde später war die Epistel im Briefkasten, leidlich gesalzen,
-trotz der Warnung des Direktors, und ich auf dem Wege nach dem
-Bureau der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana. Das Ereignis
-des Morgens hatte mich aufgeweckt. Ich wollte wenigstens zunächst
-die siebenhundertundfünfzig Dollar sichern -- meinen Ehrenpreis für
-den besten Dampfpflug, den ich mir wettrennend redlich verdient
-hatte. ›Wer weiß,‹ dachte ich, ›ob mein zweiter Freund Delano mit dem
-bescheidenen Betrag nicht schon auf dem Wege nach der Havanna ist!‹
-
-Doch nein, Delano war noch in Amt und Würden. Seine trübselige Stimmung
-hatte ihn allerdings wieder erfaßt; auch war er gelber als je und
-empfing mich mit dem hoffnungslosen Lächeln, das ihm eigen war. Ich
-begrüßte ihn mit künstlicher Fröhlichkeit. Es war für meine Zwecke
-notwendig, seinen Mut aufzurichten.
-
-»Ich besuche Sie hauptsächlich, Verehrtester, um Ihnen zu den
-glänzenden Einnahmen Glück zu wünschen, die uns der Donnerstag gebracht
-hat«, log ich, mit derselben Absicht, munter. Es machte mir nicht die
-geringsten moralischen Bedenken, denn Delano durchschaute mich, trotz
-seines trüben Blicks, ohne alle Schwierigkeit, und ich wußte dies.
-
-»Glänzende Einnahmen!« stöhnte er. »Wenn Sie nur wüßten! Es reichte
-gerade, um die dringendsten Schulden zu bezahlen, wenn wir weiter
-existieren wollen. Fünf Minuten vor Ihnen war ein Mann hier, der
-die zweite Anzahlung für die Holzbrücke haben wollte, die Sie uns
-zusammengefahren haben. Sieht das wie Kredit aus? Ah, dieser Krieg,
-dieser Krieg! Das war anders vor fünf Jahren, und ich fürchte, selbst
-Ihr Dampfpflug wird uns nicht herausreißen.«
-
-»Fassen Sie Mut, Herr Delano«, sagte ich mit steigender Besorgnis;
-»selbst in den alten Sklavenzeiten haben Sie sicherlich nie
-einen besseren Tag gehabt als den letzten Donnerstag. Sie müssen
-fünfzigtausend Dollar eingenommen haben, nach dem Gesicht zu urteilen,
-mit dem Sie abends in Ihrer Gelddroschke saßen. Seinen Ehrenpreis hat
-der Dampfpflug zehnmal verdient.«
-
-»Mein Gesicht!« rief Delano mit schmerzlicher Entrüstung. »Kann ich
-dafür, daß ich mit einer heiteren Miene geboren wurde? Sie täuschen
-sich bitter. Mein Gesicht wird noch mein Tod sein. Alle Welt zieht mich
-mit meinem vergnügten Gesicht auf, wenn ich vor Sorgen zusammenbreche.
-Dieser Krieg hat uns alle ruiniert. Nichts aus der guten alten Zeit
-ist übrig geblieben als mein Gesicht; glauben Sie mir das. Aber daraus
-Schlüsse zu ziehen auf unsre Kasseneinnahmen, das ist grausam!«
-
-Delano war offenbar kein Freund seines Rasierspiegels. Er hätte sich
-sonst besser kennen müssen. Ich suchte jetzt ohne Umschweife auf mein
-Ziel loszugehen.
-
-»Jedenfalls wird es Ihnen Vergnügen machen, mir meinen Ehrenpreis
-auszuhändigen. Ich wenigstens könnte mir keinen größeren Genuß
-für den Generalsekretär einer Landwirtschaftsgesellschaft denken.
-Siebenhundertundfünfzig Dollar ist wahrhaftig ein bescheidenes
-Sümmchen, alles in Betracht gezogen! Mir selbst liegt eigentlich mehr
-an der Ehre. Es ist der erste Preis, den unser Dampfpflug in Amerika
-erringt.«
-
-»Das freut mich, Herr Eyth, das freut mich in der Tat«, sagte Delano
-mit ungewohnter Wärme. »Ich dachte mir's übrigens sogleich, daß Ihnen
-die Ehre genüge. Die Sache wird in der ganzen Welt Aufsehen erregen und
-Ihnen tausendfältige Früchte bringen, davon bin ich fest überzeugt.«
-
-»Ich auch. Aber doch wäre mir's lieb, wenn Sie mir, der Ordnung wegen,
-die siebenhundertundfünfzig Dollars einhändigen wollten, Herr Delano!«
-drängte ich mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig ließ.
-
-»Und an die Parkwege, die Sie uns zerfahren haben, denken Sie nicht,
-Herr Eyth«, entgegnete Delano vorwurfsvoll. »Sie hätten gestern unser
-Rennkomitee schimpfen hören sollen über den Zustand, in den Sie den
-großen Ring versetzt haben. Was glauben Sie wohl, was es uns kosten
-wird, die Löcher und Gruben, die Berge und Täler wieder einzuebnen, die
-Ihre Elefanten auf meinem Rasen angelegt haben? Von den zwei Klaftern
-Holz will ich gar nicht sprechen, die ich für Sie anfahren ließ und die
-spurlos versunken sind. Sagen Sie einmal, wie ging das denn eigentlich
-zu? wie machten Sie es? Der Erdboden in Louisiana hat doch kein Loch,
-so daß zwei Klafter Holz spurlos unten durchfallen könnten?«
-
-Unser Gespräch nahm eine bedenkliche Wendung. Ich fühlte, daß ich
-zornig wurde. Je düsterer ich aber dreinsah, um so heiterer wurde
-Delano, während er mir die Not der letzten drei Tage mit wachsender
-Beredsamkeit vorhielt. Zum Glück trat in diesem Augenblick Lawrence
-ein, guter Dinge und voller Geschäfte, wie immer. Ich weihte ihn sofort
-in unser Gespräch ein, während Delano wieder gelb und traurig wurde.
-
-»Natürlich! selbstverständlich!« rief mein Freund und Gönner, »Ihren
-Ehrenpreis müssen Sie haben. Die Landwirtschaftsgesellschaft von
-Louisiana läßt sich nicht lumpen; dafür stehe ich Ihnen, ich, Mister
-Lawrences Bruder! Machen Sie keine Umstände, Delano! Heraus mit der
-Kasse!«
-
-Mit allen Anzeichen hoffnungsloser Gebrochenheit wandte sich Delano
-zögernd nach dem Kassenschrank. Auf dem Wege machte er einen letzten
-Versuch, sich an die zwei Klafter Holz anzuklammern, und wollte von
-Lawrence wissen, wie zwei ganze Kubikmeter wertvoller Hickoryscheiter
-spurlos verschwinden können. Lachend half ihm Lawrence den Schrank
-öffnen und erklärte, daß sie beide nichts von Elefanten verstünden.
-Dann zählten sie siebenhundertundfünfzig Dollar in Papierscheinen
-auf den Tisch, wobei Delano mit der peinlichsten Vorsicht, Lawrence
-mit jugendlicher Unbesonnenheit darauf los arbeitete. Ich hatte in
-meinem ganzen Leben eine solche Lumpensammlung nicht gesehen. Ein
-halbes Dutzend völlig entwerteter konföderierter Papiere wurde von
-Lawrence mit ehrlicher Entrüstung auf den Boden geworfen und von Delano
-sorgfältig wieder aufgehoben.
-
-»Aber das ist ja lauter Stadtgeld«, sagte ich, als die beiden Herren
-fertig zu sein schienen und Lawrence mich triumphierend heranwinkte,
-um die Kolonnen zu bewundern, die er mit militärischer Präzision
-aufgestellt hatte.
-
-»Stadtgeld!« rief er, mich mit einem Anflug von Verstimmung ansehend.
-Delano brach in ein bitteres Lachen aus.
-
-»Guter Gott!« rief er, »Herr Eyth wünscht ohne Zweifel Golddollars zu
-sehen; Golddollars in New Orleans.«
-
-»Das nicht«, entgegnete ich etwas niedergeschlagen. »Aber Greenbacks,
-Unionsgeld glaube ich beanspruchen zu dürfen. Das steht wahrhaftig
-schlecht genug. Bedenken Sie, meine Herren, meine Dampfelefanten
-fressen gute englische Pfunde, und nicht wenige.«
-
-Delano und Lawrence sahen sich an, Lawrence etwas verlegen, Delano mit
-dem Mephistogesicht aus der Papiergeldszene im zweiten Teil des Faust,
-boshaft, höhnisch und voll Profits.
-
-»Ihr Stadtgeld nimmt kein Mensch außerhalb New Orleans,« fuhr ich fort,
-»und auch hier weiß niemand, was er in der Hand hat. Vorige Woche waren
-Ihre Kommunalwahlen. Die Zeitungen sagen, daß die ›Crescent City‹ nun
-auch mit ihrem Tweed gesegnet sei, wie das glückliche New York.[3]
-Am Tag nach der Entscheidung fiel das Stadtgeld um zwanzig Prozent,
-gestern wieder um fünf. Siebenhundertundfünfzig Dollar sind heute
-keine dreihundertundfünfzig Dollars in Gold wert, keine fünfhundert
-in Greenbacks! Ich glaubte mit einer achtbaren, zahlungsfähigen
-Körperschaft zu tun zu haben, Herr Lawrence, als wir unser Abkommen
-besprachen.«
-
-Meine Stimme zitterte vor innerer Bewegung.
-
-»Achtbar ohne allen Zweifel,« antwortete Delano für ihn mit einiger
-Schärfe, »zahlungsfähig, lieber Herr Eyth, solvent, wie Sie noch
-entdecken werden, ist nichts in der Welt, in der Sie sich seit
-einiger Zeit bewegen. Glauben Sie, wir haben Golddollars am Parktor
-eingenommen? Glauben Sie, die achtbaren Bürger dieses blühenden
-Gemeinwesens haben sich verdammte Greenbacks gekauft, um Ihre Elefanten
-ansehen zu können? Waren übrigens, wenn ich mir die Frage erlauben
-darf, diese Elefanten echte Elefanten, oder, unter uns, auch nur halb
-so echt, als unser Stadtgeld echtes Geld ist? Wir bezahlen in dem Geld,
-das wir empfingen. Wenn Sie klug sind, machen Sie es bei der nächsten
-Gelegenheit auch so. Nebenbei -- zahlen Sie Ihre Nigger in englischen
-Sovereigns?«
-
-Der Geschäftsführer war warm geworden, und ich schwieg. Ich schweige
-immer, wenn die Währungsfrage in irgendwelcher Form auftaucht. Auch
-wäre es nicht weise gewesen, um siebenhundertundfünfzig Dollars mit
-der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana in ernstlichen Streit zu
-geraten, wenn man an den Ufern des Mississippi dampfpflügen will.
-
-»Delano hat recht«, sagte Lawrence begütigend und klopfte mir tröstend
-auf die Schulter. »Man muß das Leben nehmen, wie man es findet. Auch
-die Menschen. Auch das Geld. Packen Sie die Papierpäckchen zusammen,
-Herr Eyth. Gehen Sie in Frieden, und preisen Sie mit uns den Herrn,
-der das alles geschaffen hat. -- Bei Gott, Mann!« rief er plötzlich,
-als ob ihn der glücklichste Gedanke beseelt hätte, »bei der nächsten
-Kommunalwahl steigt der Plunder wieder um fünfzig Prozent. Das geht wie
-die Wassereimer in einem Ziehbrunnen, seitdem die Reisesäckler unsern
-Staat regieren. Packen Sie ein, Sie Glücksvogel!«
-
-Es war sichtlich das klügste, was ich tun konnte. Delano gab mir
-mit großer Zuvorkommenheit ein mächtiges Kuvert, das ich mit
-meinem ungefähr um die Hälfte geschwundenen Sieges- und Ehrenpreis
-vollstopfte. Es war noch immer ein sehr ansehnliches Paket. Dann
-unterzeichnete ich eine Empfangsbescheinigung, die der Geschäftsführer
-seufzend in den Kassenschrank legte, und verabschiedete mich von den
-Herren mit dem unbehaglichen Gefühl, den amerikanischen Verhältnissen
-vielleicht doch noch nicht ganz gewachsen zu sein.
-
-Nachdenklich ging ich die schöne Kanalstraße hinunter, ohne sie zu
-sehen. Anstatt ruhiger zu werden, fühlte ich, wie mein Zorn wuchs und
-sich langsam gegen mich selbst wendete. Als ich um die Ecke in die St.
-Charlesstraße biegen wollte, stieß ich mit Oberst Schmettkow zusammen,
-der in seinem abgeschabten Schulmeistersröcklein mit gewohnter
-Sorglosigkeit daher geschlendert kam. Es war mir lieb. Er war, soweit
-ich ihn kannte, eine ehrliche Haut und ein Landsmann. Ich brauchte
-jemand, um mein Herz auszuschütten, jemand, mit dem ich über Amerika
-schimpfen konnte, und der Oberst war hierzu wie geschaffen. Wir gingen
-langsam die St. Charlesstraße entlang und taten es.
-
-Ich erzählte ihm, was ich erlebt hatte. Er wurde mit einemmal sehr
-nachdenklich, tiefsinniger, als ich ihn je gesehen hatte. Er ließ mich
-sogar fünf Minuten lang sprechen, ohne mir zu widersprechen. Auch das
-war noch nie vorgekommen, denn trotz all der bunten Erlebnisse, die
-sein Gesicht gefurcht und seine Haare gebleicht hatten, war er doch
-immer noch ein halber Berliner. Plötzlich blieb er stehen.
-
-»Herr Eyth!« sagte er, war dann wieder still und atmete, wie wenn es
-ihm schwer würde, weiter zu sprechen. Ich sah ihn verwundert an; es
-wurde auch mir etwas unbehaglich. Einen so tiefen Eindruck hatte ich
-mit meinem leidvollen Bericht kaum hervorzubringen gehofft. Nach einer
-qualvollen Pause begann er mit gedämpfter Stimme aufs neue:
-
-»Herr Eyth, wollen Sie mir --«
-
-So kam es endlich! Ich hatte es schon längst erwartet.
-
-»Herr Eyth, wollen Sie ein altes Menschenleben retten?«
-
-»Eine meiner Liebhabereien, Oberst!« antwortete ich, in dem Bestreben,
-die Schärfe des Angriffs durch einen schlechten Witz zu mildern.
-
-»Ohne Scherz«, fuhr Schmettkow rasch fort; seine Worte überstürzten
-sich jetzt. »Gestern abend begegnete ich dem Kapitän eines deutschen
-Schoners, der morgen nach Bremen absegelt. Ein braver Kerl, der aus
-Danzig stammt und die Schmettkows kennt. Er will mich für achtzig
-Dollars -- Greenbacks -- mitnehmen. Ich habe einige Schulden hier, die
-bezahlt sein wollen: zweihundertundfünfzig Dollars bei unserm Wirt
-in der Tschapatulastraße, ungefähr fünfzig Dollars in dem deutschen
-Zigarrenladen an der Ecke dort, fünfundsiebzig bei meinem Schneider.
-Man sieht mir das nicht an. Die Leute sollen nicht glauben, ich habe
-sie um ihr Geld gebracht. Die Schulden müssen bezahlt werden, ehe
-ich abreise. Dann, das werden Sie einsehen, Herr Eyth, muß ich mich
-ein wenig ausstatten, Kleider, Koffer kaufen; ich kann nicht wie ein
-fechtender Handwerksbursche in Bremen ankommen. Hundert Dollars laufen
-Ihnen hierbei wie Wasser durch die Finger.«
-
-Er schwieg und rechnete, in der Stille, mit aller Macht. Dabei stieg
-seine Aufregung.
-
-»Ungefähr siebenhundert Dollars -- Stadtgeld, Herr Eyth, nur Stadtgeld
--- muß ich haben. Sobald ich deutschen Boden berühre, bin ich gerettet.
-Ich habe reiche Verwandte, die mich nicht stecken lassen, wenn sie mich
-wieder sehen. Mein Onkel, wenn er noch lebt, ist Rittergutsbesitzer
-bei Bromberg. Alte Streiche sind längst vergessen. An alte Zeiten
-denkt er noch. Ist er tot, so hat mein Vetter das Gut, dem fünfhundert
-Dollars von jeher eine Prise Tabak waren, wie mir seinerzeit auch. Mein
-Bruder muß jetzt Generalleutnant sein, zum mindesten. Sie müssen nicht
-glauben, daß ich bettle; so weit hat es noch kein Schmettkow gebracht.
-Drei Tage nach meiner Ankunft in Bremen schicke ich Ihnen fünfhundert
-Dollars in Gold. Leihen Sie mir die siebenhundertundfünfzig Lumpen, die
-Sie in der Tasche haben. Sie machen ein gutes Geschäft, und Sie retten
-einen Mann, der nicht schlechter ist als andre, aber am Zugrundegehen.
-Der Schoner heißt ›Die Hoffnung‹, Kapitän Petersen; wie das stimmt!«
-
-Seine Stimme bebte. Er faßte meine Hand; die seine war heiß und naß.
-Daß es ihm ernst war mit meinem Geld, war nicht zweifelhaft; er keuchte
-fast, indem er fortfuhr:
-
-»Was riskieren Sie, wenn ich mein heiliges Ehrenwort gebe, daß die
-Summe mit der nächsten Post Ihnen zurückgeschickt wird? Fünfhundert
-Dollars in Gold; die kleine Differenz ist unter Freunden nicht
-erwähnenswert. Wollen Sie? Sie schinden sich die Haut ab für diese
-Engländer; tun Sie einmal ein gutes Werk für einen Deutschen. Wollen
-Sie?«
-
-Wir standen vor einem der eleganten Austernsalons der Charlesstraße.
-Er zog mich am Arm hinein und rief dem Austernmann zu, uns Tinte
-und Papier zu geben. Dann, leiser und dringender, setzte er seine
-Auseinandersetzungen fort: wie er sich fünfzehn Jahre lang in Amerika
-herumgeschlagen, bald im Elend, bald in ehrenhaften Verhältnissen,
-gleich tausend andern, die dazu bestimmt scheinen, aus unerklärlichen
-Gründen im Leben auf keinen grünen Zweig zu kommen; wie er jetzt
-in seinem achtundvierzigsten Jahr als Oberst und Schulmeister sich
-ermatten fühle und wisse, daß er auf Stroh sterben werde, wenn es noch
-länger so weitergehe. Da sende ihm der Himmel diese Möglichkeit!
-
-Wieder drückte er mir die Hand. Seine matten Augen glänzten; seine
-etwas rote Nase glühte. Was mich aber mehr als alles bewegte,
-war die geheime Angst, die aus seinen zitternden Gesichtszügen
-sprach; die Sorge, ob es ihm gelingen werde, mich bis zum Jasagen
-hinaufzuschrauben, denn ich hatte noch immer nicht zugestimmt.
-
-Er nahm den großen weißen Bogen, den ihm der Wirt reichte, und schrieb
-leise murmelnd, aber mit großer Gewandtheit eine Schuldverschreibung,
-indem er mich von Zeit zu Zeit ansah. Sie lautete:
-
-New Orleans, den 14. März 1867. Der Unterzeichnete bekennt sich zum
-Empfang eines Anlehens von siebenhundertundfünfzig Dollars in New
-Orleans Stadtgeld zum heutigen Kurse von fünfundvierzig Prozent und
-verpflichtet sich, in Bezahlung dieser Schuld drei Tage nach seiner
-Ankunft in Bremen fünfhundert Dollars in Gold an Herrn Ingenieur Eyth
-zu New Orleans, Tschapatulastraße Nr. 21, abzusenden.
-
-»Genügt uns das?« fragte er, aufblickend und mich mit einer Miene
-ansehend, wie wenn ich der Schuldner und er der Gläubiger werden sollte.
-
-Ich hatte meinen Entschluß gefaßt.
-
-»Sie brauchen das Geld nicht hierher zu schicken«, sagte ich.
-»Senden Sie nicht fünfhundert Dollars, sondern den richtigen Betrag,
-dreihundertsiebenunddreißig Dollars fünfzig Cents an meinen Vater in
-Württemberg, mit dem ich die Sache dann leicht regeln kann.«
-
-»Sehr gut, sehr gut!« rief er, fröhlich aufatmend, bestellte zwei
-Dutzend Austern der besten Sorte und eine Flasche englisches Stout,
-öffnete das Paket, das ich ihm überreicht hatte, nahm zwei Dollars
-heraus und bezahlte die Zeche. Wir aßen plaudernd die prachtvollen
-Seetiere des Golfs. Dann unterzeichnete er die Schuldverschreibung mit
-fester Hand und einer Handschrift, die an energischer Entschlossenheit
-von keiner Keilschrift übertroffen wird. Ich steckte das wertvolle
-Schriftstück sorgfältig in meine Brusttasche, an Stelle des
-beschwerlichen Pakets. Erklärlicherweise war er jetzt etwas in Eile. Er
-mußte vor Abend Schulden bezahlen, Koffer und Ausstattung einkaufen,
-das Dameninstitut auflösen! So schied ich von Oberst von Schmettkow
-mit einem warmen Händedruck an der Tür des Austernsalons. Ich habe
-ihn nie wieder gesehen, auch nie mehr von ihm gehört; weder von
-ihm noch von den dreihundertsiebenunddreißig Dollars in Gold, eine
-Summe, die ich so gewissenhaft ausgerechnet hatte. Möglich, daß die
-»Hoffnung« untergegangen ist oder aus andern Gründen nie in Bremen
-ankam. Zur Ehre des Menschengeschlechts habe ich das schon längst als
-selbstverständlich angenommen.
-
-Es war ziemlich spät am Tage geworden, als ich selbst nach
-Hause kam; noch nachdenklicher als zuvor. Ich legte Schmettkows
-Schuldverschreibung in ein geheimes Fach meines Blechkoffers neben
-die Kopie meines Briefs an Olcott. Noch nie und nirgends, seit dem
-ersten Kanonenschuß bei Fort Sumter, lagen ein föderierter und ein
-konföderierter Oberst so friedlich und einträchtig beisammen wie diese
-beiden. Und was mich anbelangt, so war das friedliche Zusammenwirken
-der zwei Herren von gleich erfreulichem Erfolg für sie. Eine
-geheimnisvolle Ahnung sagte mir dies schon in jener Dämmerstunde;
-ich fühlte mich deshalb so ziemlich wie Hans im Glück in modern
-umgearbeiteter Auflage, nur etwas weniger vergnügt. Was sollte nun aber
-werden? Wie sollte die Sache weiter gehen? Wo konnte ich, für teures
-Geld, meinen Pflug einsetzen? Es war offenbar nicht so leicht, als
-ich mir vorgestellt hatte, diesen starren Kontinent aufzureißen. Ich
-sammelte allerdings Erfahrungen in erstaunlichem Grad, und keine von
-den billigen. Aber das Ergebnis war vorläufig nicht ermutigend, es war
-nicht zu verhehlen.
-
-Ich war müde -- schon amerikamüde! -- und starrte wohl eine Stunde lang
-über die Dächer der Nachbarhäuser hinweg in den glänzenden Abendhimmel,
-die ungelesenen »Crescent City News« auf den Knien, ohne Ziel und
-Zweck, denn ich wußte wirklich nicht, was dabei herauskommen sollte.
-Doch ist es manchmal auch gut, die Ruder sinken zu lassen und ruhig zu
-warten, bis sich das müde Segel wieder rührt.
-
-Da klopfte es. Ich schreckte auf, denn ich war halb eingeschlafen in
-trübseliger Erschöpfung. »Herein!«
-
-Es war Lawrence, munter und quecksilbern wie immer -- wurde dieser Mann
-nie müde? --, und hinter ihm ein Fremder, ein großer, stattlicher Herr,
-der wie gewohnheitsmäßig sich bückte, um zur Tür hereinzukommen und,
-gut amerikanisch, erst den Hut abnahm, als er mitten im Zimmer stand.
-
-»Frederic, hier ist Herr Eyth!« sagte der kleine Lawrence. »Herr
-Eyth, ich bringe Ihnen meinen Bruder, Herrn Frederic Lawrence von
-Magnoliaplantage.«
-
-Es wäre nicht leicht gewesen, unähnlichere Brüder zu finden. Herr
-Lawrence der Ältere war eine schöne, imponierende Gestalt mit schwarzen
-Haaren, gebräuntem Gesicht und hellen, durchdringenden Augen, elegant
-gekleidet, sehr bestimmt in seinem Auftreten und klug und klar in dem,
-was er sagte. Man hatte das Gefühl, jemand vor sich zu haben, der
-wußte, was er wollte, und es gewöhnlich auch bekam. Der Mann gefiel mir
-auf den ersten Blick.
-
-»Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte er, mir die Hand schüttelnd.
-»Ich kam gestern aus dem Norden zurück und sah heute Ihren Dampfpflug
-vor dem Ausstellungspark. In Baltimore hatte ich schon von den
-Dampfelefanten gelesen und hielt sie für einen Humbug. Natürlich.
-Aber ich muß sagen, die Art, wie Sie die Maschinen aus dem Sumpf
-herausgezogen haben, in den Sie den Park verwandelt haben, hat mir
-imponiert. Damit läßt sich bei uns etwas machen. Ich bin jetzt
-überzeugt, daß Ihre Maschinen mehr können als wettrennen. Der Park
-sieht aus, wie wenn sich hundert Riesenschweine drin herumgewälzt
-hätten. Meine Glückwünsche, Herr Eyth!«
-
-Er lachte ermunternd. Ich wußte kaum, sollte ich es für Spott
-oder Ernst nehmen, und sagte ausweichend: »Leider finden Sie mich
-augenblicklich in einiger Verlegenheit, ein weiteres Feld der Tätigkeit
-für meine Elefanten zu finden.«
-
-»Deshalb komme ich zu Ihnen, Herr Eyth«, sagte Frederic. »Schon in
-Baltimore, wo ich von dem Wettrennen las und nachträglich von dem
-Pflügen hörte -- der Unsinn läuft immer flinker als der Sinn --, war es
-meine Absicht, Sie aufzusuchen. Für einen bloßen Schwindel sah mir die
-Sache selbst von der Ferne zu groß aus. Aber fix war es von Ihnen, das
-Wettrennen zu veranstalten. Man muß Lärm machen in unserm großen Land,
-wenn man gehört werden will; ob die Trommel rot oder blau lackiert ist,
-die Sie benutzen, tut nichts zur Sache.«
-
-»Den Lärm verdanke ich Ihrem Bruder, Herr Lawrence,« bemerkte ich,
-»ganz allein Ihrem Herrn Bruder. Und ich beginne zu glauben, daß ich
-ihm mehr zu danken habe, als ich ahnte.«
-
-»Fangen Sie an zu begreifen?« lachte Henry, sich vergnügt die Hände
-reibend. »Es ist einfach phänomenal, Frederic, wie langsam die
-Deutschen sind. Er fängt an zu begreifen!«
-
-»Kurz, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen«, fuhr Lawrence der
-Ältere fort, ohne sich um seinen Bruder zu kümmern, was diesem ganz
-natürlich vorkam. »Sie packen Ihren ganzen Apparat morgen zusammen und
-bringen ihn nach der Magnoliaplantage, sechzig Meilen stromabwärts.
-Ich stelle Ihnen einen Flußdampfer zur Verfügung. Drunten finden Sie
-tausend Acker Ratoons[4], in denen Sie pflügen können, solange Sie Lust
-haben. Ebensolange sind Sie mein Gast. Ihre Leute finden ein bequemes
-Unterkommen auf dem Gut. Alle Auslagen bezahle ich. Wenn mir nach einem
-Monat Ihr Pflügen gefällt, so behalte ich den Pflug und bin und bleibe
-der erste Dampfpflüger in Louisiana. Was kostet er?«
-
-»Magnolia liegt im besten Zuckerdistrikt des Staats«, fuhr er fort,
-als ob er mich überreden müßte. »Eine stolze Plantage, Sir, trotz
-des Kriegs. Aber nur eine von fünfzig, entlang dem Strom. Und alle
-wissen nicht mehr, wie sie pflügen sollen, seitdem die Schwarzen in
-die Stadt zu laufen anfangen. Ein Feld für Sie, ein kolossales Feld.
-Aber den Anfang müssen Sie bei mir machen. Ich biete Ihnen, was ich
-vernünftigerweise bieten kann.«
-
-Ob ich einschlug?!
-
-Es wurde wie Sonnenschein um mich her, trotz der Dämmerung. Hurra!
-sagte ich im tiefsten Innern und war kaum imstande, es nicht laut zu
-rufen. Endlich kommt die ehrliche, einfache Ochsenarbeit, um die ich
-seit einem Monat kämpfe! Dem Himmel sei's getrommelt und gepfiffen; das
-Elefantenrennen hat ein Ende!
-
-
-[Illustration: Ende gut -- Alles gut.]
-
- Buchdruckerei Richard Hahn (H. Otto), Leipzig.
-
-
-
-
- Fußnoten
-
-
- [1] Carpet-baggers -- politische Intriganten, die nach der
- Sklavenbefreiung aus den Nordstaaten in die Südstaaten reisten, um
- dort im Trüben zu fischen.
-
- (Anm. der Stiftung.)
-
- [2] Zeit ist Geld.
-
- [3] Der Gauner Tweed beutete damals die New Yorker Stadtverwaltung
- furchtbar aus.
-
- [4] Zuckerrohrschößling, der aus der Wurzel des abgeschnittenen
- Rohrs wächst.
-
-
-
-
-[Illustration: ~F 1506b X 10~: 100.000]
-
-Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung.
-
-Die Stiftung ist ein rein gemeinnütziges Unternehmen unter Ausschluß
-aller privaten Erwerbsinteressen. Ihr Zweck ist, »hervorragenden
-Dichtern durch Verbreitung ihrer Werke ein Denkmal im Herzen des
-deutschen Volkes zu setzen« und durch Verbreitung guter Bücher der
-schlechten Literatur den Boden abzugraben. Seit dem Jahre 1903 verteilt
-sie alljährlich an eine stetig wachsende Zahl von Volksbibliotheken
-sorgfältig ausgewählte Zusammenstellungen guter volkstümlicher Bücher.
-Bis Ende 1909 wurden 245.954 Bücher an Volksbibliotheken verteilt.
-
-Die Auflage der von der Stiftung herausgegebenen Sammlungen
-»Hausbücherei« und »Volksbücher« betrug bis Oktober 1910: 1.220.000
-Exemplare.
-
-Abzüge des +Werbeblatts+, des letzten Jahresberichts, auch des
-Aufrufs und der Satzungen usw. werden von der Kanzlei der Deutschen
-Dichter-Gedächtnis-Stiftung in Hamburg-Großborstel gern unentgeltlich
-übersandt.
-
-Die Stiftung erbittet jährliche oder einmalige Beiträge. +Für Beiträge
-von 2 Mk.+ an gewährt die Stiftung durch Übersendung eines Einzelbandes
-ihrer »Hausbücherei« oder »Volksbücher« Gegenleistung.
-
-
-Gute und billige Bücher
-
-Unter den mancherlei billigen Sammlungen, die in den letzten Jahren
-zur Verbreitung guter Literatur geschaffen wurden, zeichnen sich die
-Bücher der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung durch sorgfältige
-literarische Auswahl und ausgezeichnete Ausstattung aus: holzfreies
-Papier, schönen und großen Druck, abwaschbaren, geschmackvollen
-Einband. Diese Eigenschaften haben in Verbindung mit dem äußerst
-billigen Preise den beiden Sammlungen der Stiftung schnell große
-Verbreitung verschafft.
-
-Bisher sind erschienen:
-
-
- Hausbücherei
-
- (gebunden, jeder Band 1 Mark)
-
- Bd. 1. +Heinrich von Kleist+: Michael Kohlhaas. Mit Bild
- Kleists. 7 Vollbilder von Ernst Liebermann. Einleitung
- von ~Dr.~ Ernst Schultze. _11.-20. Taus._ 170 S.
-
- Bd. 2. +Goethe+: Götz von Berlichingen. Mit Bild Goethes.
- Einleitung v. ~Dr.~ W. Bode. _6.-10. Taus._ 178 S.
-
- Bd. 3. +Deutsche Humoristen.+ _1. ~Bd.~_: Ausgew. humor. Erzählungen
- v. P. Rosegger, W. Raabe, Fr. Reuter und
- A. Roderich. _40.-45. Taus._ 221 S.
-
- Bd. 4. +Deutsche Humoristen.+ _2. ~Bd.~_: Cl. Brentano, E.
- Th. A. Hoffmann, H. Zschokke. _20.-25. Taus._ 222 S.
-
- Bd. 5. +Deutsche Humoristen.+ _3. ~Bd.~_: Hans Hoffmann,
- Otto Ernst, Max Eyth, Helene Böhlau. _30.-35. T._
- 196 S.
-
- Bd. 6/7. +Balladenbuch.+ _1. ~Bd.~_: Neuere Dichter. _16.-20. T._
- 498 S. 2 Mark.
-
- Bd. 8. +Herm. Kurz+: Der Weihnachtsfund. Eine Volkserzählung.
- Mit Bild Kurz'. Einleitung v. Prof. Sulger-Gebing.
- _6.-10. Taus._ 209 S.
-
- Bd. 9. +Novellenbuch.+ _1. ~Bd.~_: C. F. Meyer, E. v. Wildenbruch,
- Fr. Spielhagen, Detl. v. Liliencron. _26.-35. Taus._
- 194 S.
-
- Bd. 10. +Novellenbuch.+ _2. ~Bd.~_ (Dorfgeschichten): E. Wichert,
- H. Sohnrey, W. v. Polenz, R. Greinz. _16.-20. T._ 199 S.
-
- Bd. 11. +Schiller+: Philosophische Gedichte. Ausgew. u. eingel. v.
- Prof. E. Kühnemann. Mit Bild Schillers. _6.-10. T._
- 230 S.
-
- Bd. 12/13. +Schiller+: Briefe. Ausgew. und eingel. von Prof.
- E. Kühnemann. Mit 2 Bildern Schillers. 2 Bände
- in 1 Bande. _6.-10. Taus._ 226 u. 302 S. 2 Mark.
-
- Bd. 14. +Novellenbuch.+ _3. ~Bd.~_ (Geschichten aus deutscher
- Vorzeit): A. Schmitthenner, J. J. David, W. Hauff.
- _11.-20. Taus._ 246 S.
-
- Bd. 15. +Novellenbuch.+ _4. ~Bd.~_ (Seegeschichten): Joachim
- Nettelbeck, W. Hauff, Hans Hoffmann, W. Jensen,
- Wilh. Poeck, Johs. Wilda. _16.-20. Taus._ 179 S.
-
- Bd. 16. Auswahl aus den Dichtungen +Eduard Mörikes+.
- Herausgeg. u. eingel. v. Dr. J. Loewenberg-Hamburg.
- Mit Bild u. Silhouette Mörikes. _11.-20. Taus._ 235 S.
-
- Bd. 17. +Heine-Buch.+ Eine Auswahl aus Heinrich Heines
- Dichtungen. Herausgeg. und eingel. von Otto Ernst-Hamburg.
- Mit Bild Heines. _6.-10. Taus._ 203 S.
-
- Bd. 18 u. 19. +Goethes+ ausgewählte Briefe. Herausgeg. u.
- eingel. v. Dr. Wilh. Bode-Weimar. Mit Bildern Goethes.
- 2 Bände. _11.-15. Taus._ 169 u. 197 S.
-
- Bd. 20/21. +Deutsches Weihnachtsbuch.+ Eine Sammlung
- der schönsten u. beliebtesten Weihnachtsdichtungen in
- Poesie u. Prosa. _16.-20. Taus._ 413 S. 2 Mark.
-
- Bd. 22. +Novellenbuch.+ _5. ~Bd.~_ (Frauennovellen): Cl. Viebig,
- L. v. Strauß u. Torney, Lou Andreas-Salomé, M. R.
- Fischer. _11.-20. Taus._ 198 Seiten.
-
- Bd. 23. +Novellenbuch.+ _6. ~Band.~_ (Kindheitsgeschichten):
- A. Schmitthenner, H. Aeckerle, M. Lienert, M. v. Rentz,
- Hans Land, A. Bayersdorfer, Ch. Niese, Th. Mann.
- _11.-20. Taus._ 199 S.
-
- Bd. 24. +Novellenbuch.+ _7. ~Bd.~_ (Kriegsgeschichten): Carl
- Beyer, H. v. Kleist, W. v. Conrady, M. v. La Roche,
- D. v. Liliencron, Th. Fontane. _11.-20. Taus._ 177 S.
-
- Bd. 25/26. +Balladenbuch.+ _2. ~Bd.~_: Ältere Dichter. _6.-10. T._
- 518 S. 2 Mark.
-
- Bd. 27. +Karl Immermann+: Preußische Jugend zur Zeit
- Napoleons. Herausgeg. u. eingeleitet von ~Dr.~ Wilhelm
- Bode-Weimar. Mit Bild Immermanns und 3 Bildern
- Magdeburgs. _6.-10. Taus._ 171 Seiten.
-
- Bd. 28. +Martin Luther als deutscher Klassiker+, nebst
- einer Einführung von ~Dr.~ Eugen Lessing. Mit Bild
- Luthers. 176 Seiten. _6.-10. Taus._
-
- Bd. 29/30. +Deutsche Humoristen.+ _4. ~und~ 5. ~Bd.~_ (Humoristische
- Gedichte.) 351 Seiten. 2 Mark. _6.-10. Taus._
-
- Bd. 31. +Deutsche Humoristen.+ _6. ~Bd.~_: E. Th. A. Hoffmann,
- B. v. Arnim, Fr. Th. Vischer, A. Bayersdorfer, Henry
- F. Urban, Ludw. Thoma. 160 S. _11.-20. Taus._
-
- Bd. 32. +Max Eyth+: Geld und Erfahrung (humoristische Erzählung).
- Mit Original-Illustrationen von Th. Herrmann
- und Einleitung von ~Dr.~ C. Müller-Rastatt,
- Hamburg. 176 Seiten. _6.-10. Taus._
-
- Bd. 33. +Ludwig Uhland+: Ausgewählte Balladen und Romanzen.
- Mit Einleitung von K. Küchler, Altona, und
- Illustrationen von H. Schroedter, Karlsruhe. 160 S.
-
- Bd. 34. +J. J. David+: Ruzena Capek. Cyrill Wallenta.
- Mit Einleitung von A. v. Weilen und Bild Davids.
- 146 S.
-
- Bd. 35. +Ludwig Finckh+: Rapunzel. Mit Bild L. Finckhs
- und Einleitung von M. Lang. 159 S.
-
- Bd. 36. +Grethe Auer+: Marraksch. Mit Bild Gr. Auers und
- Einleitung von Dr. H. Bloesch. 192 S.
-
-
- Geschenkausgaben
-
-+in prächtigem, biegsamem Einband+ mit Goldschnitt sind +zum Preise von
-je 4 Mark+ hergestellt von:
-
- Bd. 6/7 (rot, Ganzleder)
- Bd. 12/13 (grün, Ganzleder)
- Bd. 18/19 (grau, Ganzleder)
- Bd. 20/21 (weiß, Dermatoid)
- Bd. 25/26 (rot, Ganzleder)
- Bd. 29/30 (rot, Ganzleder).
-
-Schillerbuch, enth. Einltg. über Schillers Leben, die Glocke, Balladen,
-Tell. Mit Bild Schillers. 346 S. _21.-30. T._ Geb. 1 M.
-
-
- Volksbücher.
-
-Heft 1. 50 Gedichte v. +Goethe+. 95 S. Geh. 20, geb. 50 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 2. +Schiller+: Tell. _11.-20. T._ 19 S. Geh. 30, geb. 60 Pf.
-
-Heft 3. +Schiller+: Balladen. _31.-40. T._ 108 S. Geh. 20, geb. 50 Pf.
-
-Heft 4. +Schiller+: Wallensteins Lager. Die Piccolomini. 215 S. Geh.
-30, geb. 60 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 5. +Schiller+: Wallensteins Tod. 222 S. Geh. 30, geb. 60 Pf.
-_11.-20. T._
-
-_Heft 4 und 5 in einen Band gebunden 1 Mark._ _11.-20. T._
-
-Heft 6. +Brentano+: Die Geschichte vom braven Kasperl u. dem schönen
-Annerl. Ill. v. W. Schulz. 59 S. Geh. 15, geb. 40 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 7. +E. Th. A. Hoffmann+: Das Fräulein von Scuderi. 113 S. Geh. 20,
-geb. 50 Pf.
-
-Heft 8. +Fr. Halm+: Die Marzipanliese. Die Freundinnen. Ill. v. H.
-Amberg. 124 S. Geh. 20, geb. 50 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 9. +Fritz Reuter+: Woans ick tau 'ne Fru kamm. 61 S. Geh. 15, geb.
-40 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 10. +Max Eyth+: Der blinde Passagier. Ill. v. Th. Herrmann.
-_21.-30. T._ 68 S. Geh. 20, geb. 50 Pf.
-
-Heft 11. +Marie von Ebner-Eschenbach+: Die Freiherren von Gemperlein.
-_11.-20. T._ 82 S. Geh. 20, geb. 50 Pf.
-
-Heft 12. +Wilhelm Jensen+: Über der Heide. _11.-20. T._ 127 S. Geh. 25,
-geb. 55 Pf.
-
-Heft 13. +Ernst Wichert+: Der Wilddieb. 144 S. Geh. 30, geb. 60 Pf.
-_11.-20. T._
-
-Heft 14. +Levin Schücking+: Die drei Großmächte. Illustr. v. H.
-Schroedter. 96 S. Geh. 25, geb. 55 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 15. +Ludwig Anzengruber+: Der Erbonkel u. andere Geschichten.
-_11.-20. T._ 86 S. Geh. 25, geb. 55 Pf.
-
-Heft 16. +Helene Böhlau+: Kußwirkungen. _11.-20. T._ 68 S. Geh. 20,
-geb. 50 Pf.
-
-Heft 17. +Ilse Frapan-Akunian+: Die Last. _11.-20. T._ 87 S. Geh. 25,
-geb. 55 Pf.
-
-Heft 18. +H. v. Kleist+: Die Verlobung in St. Domingo. Das Erdbeben in
-Chili. Der Zweikampf. 142 S. Geh. 30, geb. 60 Pf.
-
-Heft 19. +Peter Rosegger+: Der Adlerwirt von Kirchbrunn. 139 S. Geh.
-30, geb. 60 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 20. +Ernst Zahn+: Die Mutter. _11.-20. T._ 66 S. Geh. 20, geb. 50
-Pf.
-
-Heft 21. +E. J. Groth+: Die Kuhhaut (Humoreske). Mit Illustr. v. Gg. O.
-Erler. 40 S. Geh. 15, geb. 40 Pf. _11.-20. T._
-
-Heft 22. +A. Schmitthenner+: Die Frühglocke. Mit Illustr. v. Wilh.
-Schulz. ~11.-20. T.~ 64 S. Geh. 20, geb. 50 Pf.
-
-Heft 23. +G. Freytag+: Karl d. Große. -- Friedrich Barbarossa.
-Minnesang und Minnedienst zur Hohenstaufenzeit. 80 S. Geh. 25, geb. 55
-Pf.
-
-Heft 24. +Fr. Spielhagen+: Hans u. Grete. Mit Illustr. v. Th. Herrmann.
-_11.-20. T._ 174 S. Geh. 40, geb. 75 Pf.
-
-Heft 25. +St. v. Kotze+: Geschichten aus Australien. 88 S. Geh. 25,
-geb. 55 Pf.
-
-Heft 26. +Paul Heyse+: Andrea Delfin. 136 S. Geh. 30, geb. 60 Pf.
-
-Heft 27. +H. Villinger+: Leodegar, der Hirtenschüler. Mit Ill. v. H.
-Eichrodt. 72 S. Geh. 20, geb. 50 Pf.
-
-Heft 28. +Otto Ludwig+: Aus dem Regen in die Traufe. Ill. v. H.
-Schroedter. 123 S. Geh. 25, geb. 55 Pf.
-
-Heft 29. +Richard Huldschiner+: Fegefeuer. Mit Buchschmuck v. H.
-Amberg. 250 S. Geh. 70 Pf., geb. 1 Mark.
-
-Heft 30. +Franz Grillparzer+: Weh dem, der lügt! 132 S. Geh. 25, geb.
-55 Pf.
-
-
- Druck von Grimme & Trömel in Leipzig.
-
-
-
-
- Weitere Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend
- korrigiert.
-
- Sofern nicht unter den Korrekturen aufgeführt, wurde die
- Originalschreibweise beibehalten.
-
- Korrekturen (das korrigierte Wort ist in {} eingeschlossen):
-
- S. 18: ihnen → Ihnen
- Vollends ein Kongreßmann, den man {Ihnen}
-
- S. 31: Jaksonstraße → Jacksonstraße
- in der {Jacksonstraße} bestanden aus zwei geräumigen
-
- S. 49: vorwärtsreibend → vorwärtstreibend
- mich an der Wand des Tunnels {vorwärtstreibend}
-
- S. 77: ihnen → Ihnen
- Wie gefällt {Ihnen} das?
-
- S. 88: aufgeflanzt → aufgepflanzt
- auf dem Boden von Louisiana {aufgepflanzt} sah
-
- S. 97: Ueberraschung → Überraschung
- Doch eine weit größere Freude und {Überraschung} stand mir
-
- S. 101: Dampfflug → Dampfpflug
- nachdem der {Dampfpflug} sein Arbeitsfeld erreicht hatte
-
- S. 107: zur → zu
- das schwarze Gesicht von Ohr {zu} Ohr spaltete
-
- S. 129: mußte → müßte
- Das {müßte} man aber doch sehen
-
- S. 150: Nöten → Nöte
- Stone hatte trotz seiner {Nöte} sechzig
-
- S. 154: jäh → zäh
- mit dem Sieg des {zäh} ausdauernden
-
- S. 157: Sie → sie
- Sie müssen {sie} zurückbekommen
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Geld und Erfahrung, by Max Eyth
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GELD UND ERFAHRUNG ***
-
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-obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm
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-additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms
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- The Project Gutenberg eBook of Geld und Erfahrung, by Max Eyth.
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-
-
-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Geld und Erfahrung, by Max Eyth
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Geld und Erfahrung
-
-Author: Max Eyth
-
-Annotator: Carl Müller-Rastatt
-
-Illustrator: Theodor Herrmann
-
-Release Date: October 30, 2015 [EBook #50344]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GELD UND ERFAHRUNG ***
-
-
-
-
-Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="transnote">
-
-<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so dargestellt</em>.</p>
-
-<p>Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so dargestellt</em>.</p>
-
-<p>Im Original kursiver Text ist <i>so dargestellt</i>.</p>
-
-<p>Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am
-<a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p>
-</div>
-
-<p class="h2">
-Hausbücherei<br />
-32
-</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p class="h2">
-Hausbücherei</p>
-<p class="center p2">
-der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung</p>
-<p class="center p2">
-32. Band</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/signet.png" alt="Signet" />
-</div>
-<p class="center p2">
-Hamburg-Großborstel<br />
-Verlag der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung<br />
-1910
-<br />
-11.-20. Tausend<br />
-</p>
-<hr class="chap" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<h1>
-Geld und Erfahrung</h1>
-<p class="center">
-von</p>
-<p class="h2">
-Max Eyth</p>
-<p class="smblock">
-Mit einem Bildnis Eyths, einer Einleitung
-von <em class="antiqua">Dr.</em> <em class="gesperrt">Carl Müller</em>-Rastatt und Bildern
-von <em class="gesperrt">Theodor Herrmann</em> in Hamburg</p>
-<div class="figcenter">
-<img src="images/signet.png" alt="Signet" />
-</div>
-<p class="center p2">
-Hamburg-Großborstel<br />
-Verlag der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung<br />
-1910<br />
-11.-20. Tausend
-</p>
-<hr class="chap" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Inhalt">
-<img src="images/rule1.png" alt="" /><br />
-Inhalt</h2>
-</div>
-
-<table summary="Inhalt">
-<tr>
-<td></td>
-<td class="tdr">Seite</td>
-</tr>
-<tr>
-<td>Einleitung von <em class="antiqua">Dr.</em> Carl Müller-Rastatt</td>
- <td class="tdr"><a href="#Einleitung">5&ndash;10</a></td>
-</tr>
-<tr>
-<td><em class="gesperrt">Max Eyth:</em> Geld und Erfahrung</td>
- <td class="tdr"><a href="#Im_Sueden">11&ndash;176</a></td>
-</tr>
-</table>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/tb.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Für die Abdruckserlaubnis dieser Erzählung schulden wir
-der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart Dank. Die
-Erzählung ist dem zweiten Bande des Max Eythschen
-Werkes »Hinter Pflug und Schraubstock« entnommen.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/tb.png" alt="" />
-</div>
-
-<p class="smblock">Ein Bild Max Eyths ist
-hinter Seite 4 eingeheftet.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/tb.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Ein ausführliches Verzeichnis der früher erschienenen
-Bände der »Hausbücherei« sowie der »Volksbücher«
-befindet sich am Schluß des Bandes.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule1.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-005.jpg" alt="M. Eyth" />
-</div>
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_5">[5]</a></span></p>
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Einleitung">
-<img src="images/rule1.png" alt="" /><br />
-Einleitung.</h2>
-</div>
-
-<p><em class="gesperrt">Geld und Erfahrung!</em> Man kennt das
-Geschichtchen von den beiden Männern, die zusammen
-ein Geschäft begründeten. Der eine brachte
-das nötige Geld dazu mit, der andere die Erfahrung.
-Als aber ein paar Jahre ins Land gegangen
-waren und die beiden sich wieder trennten, da
-hatten sie die Rollen getauscht: der das Geld mitgebracht
-hatte, der hatte jetzt die Erfahrung; aber
-der andere hatte das Geld.</p>
-
-<p>Das Geschichtchen ist eines von denen, die
-ewig neu bleiben und die sich in der Welt immer
-wieder abspielen. Umsonst ist der Tod, und Erfahrung
-gewinnt man nicht, ohne Lehrgeld dafür
-zu zahlen. Es hilft nichts, daß man darüber klagt
-und jammert. Man wird am besten damit fertig,
-wenn man gute Miene zum bösen Spiel macht und
-sich mit fröhlichem Humor in sein Schicksal findet.
-Das haben wenige so gut verstanden wie <em class="gesperrt">Max
-Eyth</em>. Sein ganzes Jünglings- und Mannesalter
-ist ein einziges Sammeln von Erfahrungen gewesen,
-und er hat sie alle redlich bezahlen müssen. Aber
-statt sich darüber zu grämen, hat er aus all seinen
-Erlebnissen lustige und unterhaltsame Geschichten
-gemacht, von denen dieses Buch eine treffliche
-Probe gibt.</p>
-
-<p>Es gibt Schriftsteller, die sich ihre Bücher zusammenfabeln,<span class="pagenum"><a id="Seite_6">[6]</a></span>
-weil sie uns recht absonderliche Dinge
-erzählen wollen, ohne Rücksicht darauf, ob sie wahr
-sind oder nicht. Und es gibt andere, die sich ihre
-Bücher zusammenträumen, während sie irgendwo
-in der schlichten Alltäglichkeit sitzen und sich heimlich
-hinaussehnen in Abenteuer, in fremde Länder
-und zu fremden Menschen. Max Eyth hat nicht
-gefabelt und nicht geträumt: er hat erlebt. Und
-das, was er erlebt hat, hat er mit klarem Auge
-und fröhlichem Wesen beobachtet und dann niedergeschrieben,
-andern zur Belehrung und zur Freude.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Max Eyth</em> ist im Jahr 1836 im Pfarrhaus
-des Städtchens Kirchheim unter Teck geboren worden.
-Die Kunst, mit der Feder umzugehen, war
-ihm von seinen Eltern überkommen, die sich beide
-dichterisch betätigten. Daneben hatte er schon in
-seinen Kinderjahren besonderes Interesse an praktischen
-Dingen, an Maschinen. Und so entschied er
-sich dafür, das Stuttgarter Polytechnikum zu besuchen,
-um Maschinenbauer zu werden. Das war
-damals, wo die Maschinen erst ganz allmählich
-anfingen, die Bedeutung zu gewinnen, die sie jetzt
-in der Welt haben, noch ein kühnes Unterfangen.
-Aber Max Eyth hat Zeit seines Lebens frischen
-Wagemut besessen und darauf vertraut, daß dem
-Kühnen das Glück lächelt und der Erfolg hold ist.
-Mit diesem Wagemut begann er sein Studium:
-mit diesem Wagemut beschloß er, als es glücklich
-beendet war, ins Ausland zu ziehen und sich
-draußen den Wind um die Nase wehen zu lassen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_7">[7]</a></span></p>
-
-<p>Der Anfang war nicht vielversprechend. Er
-zog rheinabwärts und klopfte in all den großen
-Fabriken an, die sich links und rechts des schönen
-Stroms aufgetan hatten. Aber auf seine Frage
-nach einer Anstellung fand er von Mainz bis Antwerpen
-nur ein Achselzucken. Und es beweist seine
-Energie, daß er nicht reumütig umkehrte, sondern
-über See nach England ging, um dort sein Heil
-zu versuchen. Auch hier wiederholte sich zunächst,
-was er auf seiner Rheinfahrt erlebt hatte: Monat
-für Monat wurde er abgewiesen, wo er anklopfte.
-Endlich aber kam der Tag, an dem sein Ausharren
-belohnt wurde: sein guter Stern führte ihn mit
-<em class="gesperrt">John Fowler</em> zusammen, einem der größten englischen
-Maschinenfabrikanten, der hauptsächlich
-Dampfpflüge baute.</p>
-
-<p>Fowler berief Eyth in seine Fabrik. Ein
-Schraubstock, an dem er arbeiten sollte, und dreißig
-Schilling Wochenlohn: viel war es nicht, was dem
-jungen Ingenieur geboten wurde. Aber er griff
-rasch entschlossen zu und hatte es nicht zu bereuen.
-Bald fand er an den Dampfpflügen Gefallen und
-Fowler an ihm. Auf der Londoner Weltausstellung
-hatte er schon als Vertreter der Firma die dort
-arbeitenden Dampfpflüge zu leiten. Da er sich
-dabei ausgezeichnet bewährte, entsandte man ihn
-im Anschluß daran nach Ägypten. Halim Pascha,
-der Oheim des damaligen Vizekönigs des Pyramidenlandes,
-einer der größten Grundbesitzer in
-der ungeheuren Nilebene, wollte seine Güter besser<span class="pagenum"><a id="Seite_8">[8]</a></span>
-ausnützen, als dies bei der bis dahin üblichen,
-altväterlichen Weise des Ackerbaues möglich war.
-Er bestellte bei Fowler ein paar Dampfpflüge und
-Eyth wurde ausersehen, sie ins Nildelta zu bringen,
-dort aufzustellen und aus der eingeborenen Bevölkerung
-die nötige Bedienungsmannschaft heranzubilden.</p>
-
-<p>Es war keine Kleinigkeit, die hier gestellte
-Aufgabe in einem halb zivilisierten Lande zu lösen.
-Aber Eyth fand sich in die fremdländischen Verhältnisse
-so glücklich hinein und stand so wacker
-seinen Mann, daß Halim Pascha ihm den Antrag
-machte, als Oberingenieur ganz in seine Dienste zu
-treten. Eyth ging darauf ein und blieb vier Jahre
-in Ägypten.</p>
-
-<p>Dann trat er wieder in die Dienste der
-Fowlerschen Fabrik, aber nicht, um in England
-hinter Zeichentisch und Schraubstock zu sitzen, sondern
-um das in Ägypten begonnene Wanderleben
-weiter fortzusetzen. Zunächst sandte man ihn in
-die Vereinigten Staaten von Nordamerika, um
-hier den Dampfpflug einzuführen. Es war bald
-nach der Beendigung des Sezessionskrieges und
-der Niederwerfung der Südstaaten, als er den
-Boden der Neuen Welt betrat. Wie es ihm dort
-erging, das hat er in »Geld und Erfahrung« ebenso
-anschaulich wie humorvoll geschildert. Der Kontrast
-zwischen Nord- und Südstaatlern, das übertriebene
-Selbstgefühl des Nordamerikaners, sein Drang,
-Geld zu »machen« um jeden Preis, kurz, das<span class="pagenum"><a id="Seite_9">[9]</a></span>
-ganze, seltsam zusammengesetzte Wesen tritt uns in
-der Geschichte lebenswahr entgegen. Und Eyth
-verhehlt dabei nicht, wie er, der so stolz war, in
-Ägypten sich durchgesetzt zu haben, dieser amerikanischen
-Art zunächst ziemlich hilflos gegenübersteht,
-wie er erst allmählich sie begreift und festen Boden
-unter die Füße bekommt. Schließlich gelang es
-ihm auch hier, seinem Auftrag gerecht zu werden.
-Aber schon harrten seiner neue Aufgaben in der
-alten Welt. In Deutschland, Österreich, Belgien
-hatte er zunächst tätig zu sein. Dann ging er mit
-seinen Pflügen ins Innere des heiligen Rußland,
-das er verließ, um Fowlers Maschinen in Rumänien
-einzubürgern. Von Rumänien zog er nach
-Italien, und weiter übers Mittelmeer in die heißen
-Gefilde Algiers. Dann beorderte man ihn in die
-Türkei, die er nur verließ, um nach Westindien zu
-fahren. Als seine Aufgabe da erfüllt war, schickte
-Fowler ihn nach Peru und von dort wieder nordwärts
-nach Kalifornien. Wahrlich, ein buntes,
-wechselvolles Wanderleben. Und er lebte es nicht
-in gemütlichem Behagen als Vergnügungsreisender:
-wohin er ging, folgte ihm als treue Reisegefährtin
-die Arbeit.</p>
-
-<p>Aber nach zwanzig Jahren solcher Tätigkeit
-war seine Wanderlust befriedigt. Er gab seine
-Stellung bei Fowler auf und kehrte nach Deutschland
-zurück. Freilich war er nicht der Mann dazu,
-sich hier ruhig auf die Bärenhaut zu legen: Erstens
-gründete er die große Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft,<span class="pagenum"><a id="Seite_10">[10]</a></span>
-deren Leitung ihm bis 1896 oblag.
-Und dann ging er jetzt daran, was er erlebt und
-erfahren hatte, schriftstellerisch festzuhalten und andern
-mitzuteilen. Damit beschäftigte er sich, bis ihn
-am 25. August 1906 der Tod abberief.</p>
-
-<p>Eyths Erzählungen dürfen also nicht als freie
-Erfindungen angesehen werden. Er hat in ihnen
-nur Bruchstücke seines eigenen, abwechslungsreichen
-Lebens aufgefangen und dargestellt. Er hat sich
-aber nicht damit begnügt, die Wirklichkeit so peinlich
-treu wiederzugeben, wie etwa ein Photograph
-es tun würde, sondern er hat jedes Stück in einheitlichen
-Fluß gebracht und geschickt abgerundet,
-wie ein Maler die darzustellende Landschaft abrundet.
-Und er hat seine Erlebnisse nicht rein sachlich,
-trocken und nüchtern heruntererzählt, sondern
-er hat die Erzählung mit seinem köstlichen, herzerquickenden
-Humor gewürzt. Er sieht all die
-kleinen Schwächen und Absonderlichkeiten der Menschen,
-mit denen er zu tun hat. Aber sie machen
-ihn nicht zum Griesgram und nicht zum bissigen
-Spötter. Er freut sich an ihnen und möchte die
-Menschen gar nicht ohne sie sehen. Er lacht über
-sie ein gesundes, herzhaftes Lachen und weiß uns
-dies Lachen durch seine Darstellung mitzuteilen.
-Seine Bücher sind voll gesunder Lebenskraft und
-Lebensfreude. Das macht sie dem Leser lieb und
-wert, und das ist der Grund, daß sie eine so große
-Verbreitung gefunden haben.</p>
-
-<p>
-<em class="gesperrt">Hamburg.</em></p>
-<p class="right">
-<em class="gesperrt"><em class="antiqua">Dr.</em> Carl Müller-Rastatt.</em>
-</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_11">[11]</a></span></p>
-
-<h2 id="Im_Sueden">1. Im Süden</h2>
-</div>
-
-<p>
-<img src="images/illu-013.png" alt="" />
-</p>
-
-<p class="pkap1">»Passen Sie auf, Mister Eyth, wenn ich Ihnen
-die Geschichte noch nicht erzählt haben sollte: Vor
-drei Jahren begegnete mir im Broadway in New
-York ein junger Engländer, frisch und grün, wie
-sie die Alte Welt manchmal noch liefert. Er hatte
-schon drei Wochen in der Metropole der Neuen
-verbummelt und darüber nachgedacht, wie er es
-angreifen könne, sein Glück zu machen, und hatte
-sogar mich darüber befragt, obgleich ich damals so
-wenig wie jetzt danach aussah, als ob ich das Problem
-gelöst hätte. Ein Bürschchen aus guter Familie,
-dem seine Mama tausend Pfund in die
-Tasche gesteckt hatte, um ihm den Anfang zu erleichtern.
-Er strahlte vor Vergnügen, als ich ihn
-zum zweitenmal sah. Er hatte einen entfernten
-Vetter gefunden, der Amerika seit fünfundzwanzig<span class="pagenum"><a id="Seite_12">[12]</a></span>
-Jahren kannte und schon ein halber Yankee geworden
-sein mußte, scharf und hell wie ein Eingeborener.
-Sie wollten sich assoziieren, ein Agenturgeschäft
-gründen, Zucker, Baumwolle, Tabak verkaufen
-&ndash; was weiß ich! Mein Engländer hatte
-das Geld, der entfernte Vetter die Erfahrung. Das
-mußte gehen! In fünf Jahren konnten sie Millionen
-verdient haben! &ndash; Zwei Jahre darauf begegnete
-ich ihm wieder, fast am gleichen Fleck;
-aber er war traurig. ›Nun, wie geht's mit der
-Agentur?‹ frage ich. &ndash; ›Mittelmäßig‹, sagt er
-zögernd. &ndash; ›Was!‹ rufe ich, ›Ihr Vetter mit der
-Erfahrung und Sie mit dem Geld &ndash; das mußte
-ja gehen!‹ &ndash; ›Wir haben uns gestern getrennt,
-mein Partner und ich‹, &ndash; erklärte er seufzend.
-›Jetzt hat <em class="gesperrt">er</em> das Geld und <em class="gesperrt">ich</em> die Erfahrung!‹
-&ndash; Passen Sie auf, Mister Eyth, daß ich mit Ihnen
-in kurzer Zeit nicht etwas Ähnliches erlebe. Seit
-dem Krieg sind wir alle zweimal so scharf geworden
-als vor fünf Jahren.«</p>
-
-<p>»Gehört habe ich die Geschichte schon, aber
-nicht von Ihnen«, sagte ich lachend. »Doch bange
-machen gilt nicht. Ein Mensch, der in Ägypten
-vier Jahre lang unter Mamelucken und Eunuchen
-gepumpt und dampfgepflügt hat und aus dem
-großen Baumwollkrach vor zwei Jahren lebendig
-herausgekrochen kommt, ist so grün nicht mehr wie
-Ihr Engländer. Die Griechen und Armenier von
-Alexandrien sind keine schlechten Lehrmeister.«</p>
-
-<p>»Mag sein«, nickte der Oberst, indem er nachdenklich<span class="pagenum"><a id="Seite_13">[13]</a></span>
-an seinem zweiten Frühstücksei herumknusperte.
-»Ich wünsche Ihnen alles Glück zu
-Ihrem Glauben und Ihrer Schlauheit und wollte
-nur, der nächste Dampfer brächte auch mir einen
-Dampfpflug, der achttausend Golddollar wert wäre.
-Ich wollte ihn geschwind genug losgeschlagen haben,
-unter Kostpreis, wenn nötig.«</p>
-
-<p>Wir saßen beim Frühstück an einem der grünen
-Tischchen im Garten des deutschen Restaurants und
-Biersalons von Breitling, in der Tschapatulastraße
-von New Orleans, Louisiana. Der Garten war
-eine Schöpfung nach Erinnerungen Breitlings aus
-seiner deutschen Heimat und bestand aus sechs
-Tischchen und einem alten, knorrigen, schlecht belaubten
-Hickorybaum, an dem als natürlicher Festschmuck
-zerlumpte Fetzen hängenden Mooses klunkerten.
-Der Baum stammte ersichtlich aus der Zeit,
-in der der Mississippi an dieser Stelle noch wildes
-Swampland anzuschwemmen pflegte, und stand jetzt
-trübselig zwischen vier hohen Backsteinmauern, die
-ihm und uns den stets willkommenen Schatten
-gaben. Die Luft war dumpf und schwül; doch war
-man sozusagen im Freien. Die Mittagsglut, welche
-über die große Stadt hereinzog, war morgens um
-acht Uhr noch nicht bis in diesen Winkel gedrungen,
-so daß schon seit vierzehn Tagen, seitdem ich in der
-Nähe wohnte, mir diese Frühstücksstunde zu den
-angenehmeren des Tags gehörte. Breitlings Figur,
-die seinem Namen, sonderlich von hinten, Ehre
-machte, und eine zerrissene, etwas bierbefleckte<span class="pagenum"><a id="Seite_14">[14]</a></span>
-»Gartenlaube« sorgten dafür, daß man sich halb
-in Deutschland fühlen konnte.</p>
-
-<p>Auch der Oberst, den ich hier kennen gelernt
-hatte, trug dazu bei. Es war ein großer, hagerer,
-vierzigjähriger Mann, dem man allerdings ansah,
-daß er einiges erlebt hatte. Schmettkow, Herr von
-Schmettkow erlaube ich mir ihn aus Rücksicht für
-seine Familie zu nennen. Er erzählte gerne von
-seinen leichteren Jugendstreichen, die er in die Zeit
-verlegte, in welcher er Rittmeister in der preußischen
-Garde zu Berlin gewesen sein wollte. Dies hatte
-wohl seine Richtigkeit; ich hatte wenigstens keinen
-Grund, daran zu zweifeln. Dagegen beobachtete er
-ein tiefes Schweigen darüber, wie es kam, daß er
-aufgehört hatte, es zu sein. Nach seiner eignen,
-etwas unzusammenhängenden Lebensskizze befand
-er sich plötzlich in Amerika, den üblichen Kampf ums
-Dasein fechtend, und zwar von der Pike auf; und
-von was für einer Pike! Der Ausbruch des
-Bürgerkriegs fand ihn bei Baltimore als Buchhalter
-einer Baumwollplantage, auf der Südseite
-der Sezessionsgrenze. Politische Grundsätze beeinflußten
-ihn sichtlich wenig. Er focht mit als braver
-Soldat und biederer Landsknecht, wo ihn der Zufall
-hingestellt hatte, und schied als Oberst von
-seinem nur noch aus vierundzwanzig Mann, meist
-Majoren, bestehenden Regiment, als die große Sache
-der Aristokratie des Südens zusammenbrach. Bei
-Atlanta, im letzten Gefecht, in dem sich das Regiment
-auszeichnete, hatte er einen Sergeanten der<span class="pagenum"><a id="Seite_15">[15]</a></span>
-föderierten Armee unter Sherman samt der Kompagnie,
-welche dieser zufällig befehligte, beim Frühstück
-überrascht und gefangen genommen, oder vielleicht
-richtiger gesagt: er hatte Breitlings Frühstück
-gefangen genommen und diesen, der ihm sofort
-wieder entwischte, hierdurch unangenehm überrascht.
-Die beiden Herren konnten sich über den Hergang
-der Waffentat nie völlig einigen. Breitling war nach
-dem Friedensschluß mit andern politischen Kräften
-gen Süden gewandert und besaß nach kurzer amtlicher
-Tätigkeit als Steuereinnehmer genügende
-Mittel, seinen Biersalon in der Tschapatulastraße
-zu eröffnen. Dort überraschte ihn Oberst von
-Schmettkow zum zweitenmal, den ein rauhes Schicksal
-ebenfalls nach Louisiana verschlug. Es war
-hohe Zeit, denn der Oberst, einer der wenigen
-Deutschen, die auf der verlorenen Seite des großen
-Bürgerkriegs gefochten hatten, war dem Versinken
-nahe. Breitling hatte ein gutes, dickes Herz und
-zwei Töchterchen von elf und neun Jahren, die
-während der Kriegsjahre in ihren Elementarkenntnissen
-etwas zurückgeblieben waren. Das paßte
-vortrefflich. Der Oberst wurde Haus- und Mädchenschullehrer,
-hatte bereits sechs höhere Töchter und
-bei Breitling freie Kost gefunden. Das Dameninstitut
-befand sich im Tanzsalon hinter der Bierwirtschaft.
-Wo der Herr Professor wohnte, wußte
-niemand. Aber seine Schnurrbartspitzen hoben sich
-aufs neue, und der auf »Ä« gestimmte Ton des
-einstigen Offiziers vom Tempelhofer Feld klang<span class="pagenum"><a id="Seite_16">[16]</a></span>
-leise und gedämpft wieder durch. Ganz war er ja
-auch im größten Elend nicht verschwunden, denn
-er war hörbar waschecht.</p>
-
-<p>Ich selbst hatte vor zwei Wochen das Sankt
-Charleshotel verlassen und war in eine Privatwohnung
-in der benachbarten Tschapatulastraße
-übergesiedelt. Es war mir im Gasthof etwas zu
-unruhig geworden. Ein Senator von Alabama
-hatte am Hotelschenktisch nach dem Mittagsmahl
-im ruhigsten Gespräch sechs Schritte von mir einen
-Richter aus Texas niedergeschossen. Man hatte
-zwar den toten Richter sofort auf die benachbarte
-Polizeistation und den Senator, nach einem kleinen
-Wortwechsel mit den Umstehenden, nach seinem
-Zimmer gebracht. Auch ließ man dessen Tür von
-zwei nach und nach herbeigeholten Schutzleuten zur
-allgemeinen Genugtuung der ängstlicheren Hotelbewohner
-streng bewachen, nachdem der Senator kurz
-zuvor durch das Fenster abgereist war. Da ich
-diesen Herrn aus Alabama persönlich nicht kannte,
-mit ihm also auch nicht sympathisieren konnte, dagegen
-mit dem Richter, der gleichzeitig großer
-Grundbesitzer war, schon mehrere Cocktails getrunken
-und intime Beziehungen betreffs der Dampfkultur
-in Texas angeknüpft hatte, ärgerte mich
-dieser Zwischenfall lebhaft und veranlaßte, neben
-anderm, meinen Umzug nach der Tschapatulastraße.
-Auch fand ich, daß meine augenblickliche Beschäftigung,
-das Warten auf den englischen Frachtdampfer
-»Wild-West«, in einer Privatwohnung ebenso wirkungsvoll<span class="pagenum"><a id="Seite_17">[17]</a></span>
-gefördert werden konnte als in dem in
-ganz Louisiana, wenn auch nicht wegen seiner Billigkeit,
-berühmten Sankt Charleshotel. Meinen
-anderweitigen leiblichen Bedürfnissen genügte das
-Nachbarhaus, Breitlings Restaurant und Biersalon,
-vollständig. Und so genoß ich nach etlichen bewegten
-Reisewochen in unerwarteter Weise eine kleine,
-wohlverdiente Ruhepause während meines ersten
-Aufenthalts in der Crescent City, der »Mondsichelstadt«,
-wie der poetische Amerikaner New Orleans
-zu nennen liebt, und konnte mir Land und Leute
-ansehen, ehe ich mit ihnen handgemein werden sollte.</p>
-
-<p>Das heutige Frühstück war der letzte Takt
-dieser Pause. Ich hatte schon gestern abend einen
-Zettel von General Longstreet, dem Haupt der
-jungen Firma Longstreet, Owen &amp; Co., erhalten,
-der mich benachrichtigte, daß der »Wilde Westen«
-signalisiert sei und an der Barre, der achtzig Meilen
-entfernten Mündung des Mississippi, nur auf die
-Flut warte, um heraufzukommen. Ich segnete meine
-Sterne und war schon in einem kleinen Arbeitsfieber,
-ohne etwas Greifbares tun zu können; denn
-es war hohe Zeit, daß ich meines Dampfpflugs
-habhaft wurde, wenn ausgeführt werden sollte, was
-ich mit Longstreet geplant hatte.</p>
-
-<p>»Nur kühl!« rief mein Oberst, indem er auf
-die Uhr und die zwei internen Zöglinge seines
-Dameninstituts sah, die am Nachbartisch Lotto
-spielten. »Und passen Sie auf! Die Geschichte mit
-Ihrem Obersten in Washington &ndash; wie heißt er?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_18">[18]</a></span></p>
-
-<p>»Olcott, Oberst Olcott, Kongreßmitglied aus
-Ohio«, antwortete ich mit Betonung, um meinen
-schwankenden Glauben zu stärken.</p>
-
-<p>»Ich möchte vor allen Dingen wissen,« fragte
-sich Schmettkow nachdenklich, »ob er schon Pulver
-gerochen hat, Ihr Oberst, oder nur das riecht, das
-Sie mitbringen. Die Geschichte gefällt mir nur
-halb.«</p>
-
-<p>»Aber sie kann kaum schief gehen, so wie sie
-jetzt eingeleitet ist«, meinte ich zuversichtlich.</p>
-
-<p>»Es kann in Washington alles schief gehen,
-seitdem die große Sache schief gegangen ist«, versetzte
-der Oberst mit einiger Wärme. »Sie kennen
-die Yankees noch nicht. Ein Kongreßmitglied in
-Washington! Guter Gott! Ehe Sie sich umsehen,
-hat man Ihnen die Augen von Ihrem Wassersüppchen
-geschöpft. Vollends ein Kongreßmann,
-den man <span id="corr018">Ihnen</span> in der Quäker-City angehängt hat,
-in der Sie am Sonntag in Gegenwart von sechshunderttausend
-Mitmenschen verdursten können!
-Lieber Herr Eyth, es mag ziemlich heiß sein in
-Ihrem Ägypten, aber Sie sind trotzdem grüner geblieben,
-als Sie es selbst ahnen. Passen Sie
-mal auf!«</p>
-
-<p>»Hexen können Sie hier auch nicht«, meinte
-ich, etwas verstimmt. »Ich sehe wirklich nicht ein,
-wie&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Einsehen! Das ist gar nicht nötig. Das Einsehen
-kommt immer erst später. Sie werden Ihr
-Lehrgeld bezahlen wie jeder andre. Zum Glück haben<span class="pagenum"><a id="Seite_19">[19]</a></span>
-Sie, wie es scheint, einen soliden Kassierer im Hintergrund.
-Lernen Sie wenigstens <em class="gesperrt">den</em> benutzen! &ndash;
-Übrigens gebe ich zu, um Sie nicht zu ärgern, daß
-Sie die Sache nicht ganz ungeschickt angegriffen
-haben. Wenn Sie so fortfahren, werde ich Ihnen
-auch künftig gewogen bleiben.«</p>
-
-<p>Er sagte dies im Ton gutmütiger Bevormundung,
-den wir bei unsern abendlichen Schachpartien
-unter dem Hickorybaum gegenseitig gebrauchten,
-um eine drohende Niederlage zu beschönigen. Die
-Sache aber, um die es sich handelte, war die
-folgende:</p>
-
-<p>Ich war vor zwei Monaten mit dem Auftrag
-der Fowlerschen Fabrik ans Land gestiegen, unsre
-Dampfpflüge in Amerika einzuführen. Das war
-fast die einzige Weisung, die ich mitbrachte. Man
-steht mit einer solchen Aufgabe etwas zweifelnd am
-Strande eines neuen Weltteils; doch scheint der
-Zeitpunkt, aus der Ferne gesehen, nicht ungünstig.
-Die Südstaaten, die nach dem furchtbaren Krieg
-und nach der Befreiung der Sklaven in irgendwelcher
-Weise weiterleben mußten, hatten sich irgendwie
-den neuen Verhältnissen anzupassen. Für
-die Sklavenarbeit auf den Plantagen mußte ein
-Ersatz gefunden werden. Hier konnte die Dampfkraft
-eingreifen und nach der blutigen eine friedliche
-Revolution einleiten; wieder aufbauen helfen,
-was jene zerstört hatte. Ich war nicht ohne einige
-Begeisterung bei diesem Gedanken, wenn auch sehr
-seekrank, über den Atlantischen Ozean gekommen<span class="pagenum"><a id="Seite_20">[20]</a></span>
-und suchte so rasch als möglich Angriffspunkte für
-meine Aufgabe zu finden. Leicht fand ich es nicht
-&ndash; nach einigen Wochen &ndash;, einen Weltteil zu erschließen;
-man mußte offenbar an die Arbeit im
-kleinen und einzelnen gehen. Doch hatte die Firma
-Fowler Freunde und sogar Verwandte in New
-York und Philadelphia, ein Haus, das »in Blei«
-groß geworden war und zur alten Aristokratie der
-Quäkerstadt gehörte. Hier fand ich wenigstens Ratschläge,
-auf die ich mich verlassen konnte.</p>
-
-<p>Eins wurde mir sofort klar: mit einem Eingangszoll
-von fünfundvierzig Prozent des Maschinenwertes,
-der für jeden Dampfpflug viertausend Dollar
-in Gold, siebentausend Dollar in Papier jener Tage
-ausmachte, war die Einführung der Dampfkultur
-von England aus eine augenscheinliche Unmöglichkeit.
-Dieses Verhältnis mußte vor allen Dingen geändert
-werden. Mit einem Brief der Gebrüder
-Tatham, meiner Berater in Philadelphia, ging ich
-nach Washington und stellte mich am Schenktisch
-des Hotels Villard einem Herrn Oberst Olcott vor.
-Ich fand in ihm einen klugen, energischen Mann,
-der im Tone biederer Offenheit den kitzlichsten Verhandlungen
-den wohltuenden Schein der Ehrlichkeit
-zu geben wußte. »Der Zweck heiligt die Mittel«
-war für ihn ein über alle Zweifel erhabener Grundsatz.
-Es schien ihm völlig ausgeschlossen zu sein,
-daß in unsrer Zeit noch Menschen geboren werden
-könnten, die in diesem Punkt nicht völlig kapitelfest
-waren. Was aber die Heiligkeit des Zwecks<span class="pagenum"><a id="Seite_21">[21]</a></span>
-anbelangt, so kam es eben hauptsächlich darauf an,
-wieviel dabei zu verdienen war.</p>
-
-<p>Ein gemeinsames Frühstück, zu dem ich mir
-erlaubte, ihn sofort einzuladen, genügte, ihm das
-Wesen und die Vorzüge eines Fowlerschen Dampfpflugs
-zu erklären, ein Mittagsmahl, ihn von der
-Notwendigkeit der Einführung und Verbreitung
-dieses großartigen Fortschritts auf dem Gebiet der
-landwirtschaftlichen Technik zu überzeugen. Mit
-Papieren aller Art war ich wohl vorbereitet. Ein
-begeisterter Aufsatz, noch im Manuskript, stellte fest,
-daß namentlich der wirtschaftliche Wiederaufbau des
-Südens, dem durch die Sklavenbefreiung die Hauptquelle
-von Kraft und Arbeit entzogen worden war,
-nur durch Fowlers Dampfpflüge möglich sei, die in
-Ägypten in der Hand halbwilder Fellachin Wunder
-geschaffen hätten und in Indien &ndash; hier dichtete ich
-beträchtlich &ndash; die vertrockneten Riesenflächen entlang
-des Ganges in blühende Teegärten zu verwandeln
-in Begriff stünden. Ist es nicht die patriotische
-Pflicht einer erleuchteten Gesetzgebung,
-fragte ich in einem Wald von Ausrufungszeichen,
-die Einführung eines derartigen menschenbeglückenden
-Apparates mit allen zu Gebot stehenden Mitteln
-zu fördern? jeden Schritt freudig zu begrüßen, der
-den von ihren Irrtümern befreiten, aber heute daniederliegenden
-Bruderstaaten ihre materielle Wohlfahrt
-wiedergibt und sie gleichzeitig dem Fluch einer
-sündhaften Ausbeutung der Menschenkraft entzieht?
-Darf nicht erwartet werden, daß die weitsichtige<span class="pagenum"><a id="Seite_22">[22]</a></span>
-Vertretung des größten Volkes unsrer Zeit mit
-Freuden das einzige Hindernis entfernt, das der
-Erreichung dieses herrlichen Zieles Schwierigkeiten
-bereitet, und ohne Verzug die Abschaffung oder
-wenigstens die zeitweise Aufhebung eines Prohibitivzolls
-auf Dampfpflüge beschließen wird?</p>
-
-<p>»Sehr gut!« sagte Olcott, als ich ihm mein
-Memorandum vorgelesen hatte; »was bezahlen Sie
-dafür?«</p>
-
-<p>Obgleich selbst nicht Amerikaner, war ich in
-einen patriotischen Schwung geraten, dem ich so
-rasch als möglich Einhalt tun mußte, um antworten
-zu können.</p>
-
-<p>»Wofür?« fragte ich, ein wenig nach Luft
-schnappend, um Zeit zu gewinnen.</p>
-
-<p>»Nun &ndash; für das Spezialgesetz, für die Aufhebung
-des Zolls auf Dampfpflüge, sagen wir auf
-ein Jahr.«</p>
-
-<p>»Sagen wir auf fünf Jahre«, schlug ich vor,
-nach Fassung ringend.</p>
-
-<p>»Gut! Nehmen wir an auf fünf Jahre. Wieviel?«</p>
-
-<p>Ich schwieg. So nahe hatte ich mir das Ziel
-nicht gedacht. Das schien ja über alles Erwarten
-einfach zu sein. Aber die Frage kam mir doch mit
-gar zu betäubender Wucht über den Kopf.</p>
-
-<p>Olcott sah mich verwundert an. Nach einer
-Pause bemerkte er:</p>
-
-<p>»Ihr Dampfpflug mag vortrefflich sein. Das
-müssen Sie am besten wissen. Auch was Sie da<span class="pagenum"><a id="Seite_23">[23]</a></span>
-auf Ihrem Papier haben, ist nicht übel. Jedenfalls
-läßt sich etwas damit machen. Aber Sie
-glauben doch wohl selbst nicht, daß man eine wertvolle
-Verordnung wie die, die Sie brauchen, durch
-den Kongreß drückt ohne Schmiermaterial. Da
-hat man zunächst alle möglichen Kosten: Druckkosten,
-Trinkkosten, Reisekosten, Konferenzkosten,
-Reklamekosten &ndash; alle möglichen Kosten, die sich
-nicht spezifizieren lassen! &ndash; Doch kommen wir zum
-Geschäft &ndash; Zeit ist Geld &ndash; Wieviel?«</p>
-
-<p>So rasch ging es nun doch nicht, wie ich es
-voreiligerweise vermutet hatte. Die Verhandlungen
-dauerten drei Tage. Ich wand und krümmte mich,
-so gut ich konnte; Olcott hatte viel Geduld mit
-mir. Am zweiten Tag war ich nahe daran, in
-einem Anfall heiligen Zorns abzureisen; er half
-mir selbst meinen Koffer wieder auspacken. Ich
-sei furchtbar grün; das sei kein Wunder, meinte
-er, mich entschuldigend, bei meiner kurzen Anwesenheit
-in diesem großen und freien Lande; aber ich
-sei sichtlich ehrlich. Beides würde sich wohl mit
-der Zeit geben; dann könne noch ein tüchtiger
-Mann aus mir werden. Jedenfalls werde er meine
-Laufbahn mit großer Teilnahme verfolgen. Ich
-habe ihm vorläufig viel Spaß gemacht. Das einzige,
-was er bedaure, sei, daß ich mit ihm auf
-politischem Gebiet nicht ganz übereinzustimmen
-scheine. Dann formulierte er den zehnten Vorschlag
-eines Abkommens, das ihm die Dampfkultur
-Amerikas zinspflichtig machen sollte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_24">[24]</a></span></p>
-
-<p>Schließlich waren wir am Ziel; wo ein Wille
-ist, findet sich ein Weg. »Oberst Olcott verpflichtet
-sich,« lautete die geheimnisvolle Vereinbarung,
-»nach Kräften dahin zu wirken, daß der Kongreß
-der Vereinigten Staaten von Nordamerika innerhalb
-der nächsten zwölf Monate die zollfreie Einfuhr
-von Dampfpflügen auf eine Reihe von Jahren,
-jedoch nicht unter drei, zum Gesetz erhebt. Für
-die hierdurch entstehenden Geschäftskosten und Bemühungen
-erhält Oberst Olcott von der durch Herrn
-Eyth vertretenen Firma zunächst zur Einleitung der
-erforderlichen Schritte tausend Dollar bar, sodann
-7½ Prozent von jedem unter dem Gesetz eingeführten
-Dampfpflug, bis die erhaltene Summe
-zehntausend Dollar beträgt, und später 2½ Prozent
-bis zur Wiedereinführung des gesetzlichen Normalzolls
-für landwirtschaftliche Maschinen.« Damit
-konnten wir beide zufrieden sein. Ich oder vielmehr
-Olcott hatte mich überzeugt, daß man auch
-in der größten der Republiken dem Lande nicht
-umsonst Wohltaten erweisen kann. Ich fühlte eine
-gewisse Dankbarkeit gegen den Biedermann, der
-mit seinem offenen Lächeln der ganzen Verhandlung
-jeden bösen Schein abzustreifen gewußt hatte
-und mit Eifer an die Arbeit zu gehen versprach.
-Wir schieden an den Marmorstufen des Kapitols
-mit lebhaften Versicherungen gegenseitiger Hochachtung.
-Mir jedenfalls war es um tausend Dollar
-leichter zumute, was auch aus der Sache weiter
-werden sollte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_25">[25]</a></span></p>
-
-<p>»Und seitdem haben Sie nichts mehr von
-Ihrem Oberst und Gesetzgeber gehört?« lachte
-Schmettkow etwas verächtlich, nachdem ich ihm die
-Geschichte zu meiner eignen Beruhigung beim dritten
-Male etwas ausführlicher mitgeteilt hatte. »Na,
-das wird schon kommen. Mit tausend Dollar ist
-mein Herr Kamerad im Norden nicht zufrieden.
-Ich kenne meine Pappenheimer.«</p>
-
-<p>»Wir werden ja sehen,« meinte ich etwas kleinlaut;
-»unter tausend Dollar konnte ich wohl kaum
-erwarten, mit dieser Aufgabe durch Washington zu
-kommen. So weit kennen glücklicherweise auch
-meine englischen Freunde das Land. Im übrigen
-soll mich das alles wenig kümmern, wenn ich in
-ein paar Tagen meinen Dampfpflug zwischen die
-Finger bekomme. Dann sollen die Herren Amerikaner
-schon die Augen aufmachen.«</p>
-
-<p>»Na, na!« machte der Oberst, in dessen Seele
-der Stolz des werdenden Yankees mit dem Ärger,
-in Amerika zu sein, in fortwährendem Kampfe lag.
-Wir hatten, wie es die Unsitte des Landes will,
-halb deutsch, halb englisch gesprochen und kaum
-bemerkt, daß sich auch am Nachbartisch jemand
-niedergelassen und zu frühstücken begonnen hatte:
-ein älterer, gutmütig aussehender Herr mit einem
-furchtbaren Knotenstock.</p>
-
-<p>»Na, na!« sagte auch der neue Gast, sichtlich
-bestrebt, deutsch zu sprechen, fuhr aber dann sogleich
-auf englisch fort: »Entschuldigen Sie mich,
-Gentlemen; ich bin Mister Lawrences Bruder;<span class="pagenum"><a id="Seite_26">[26]</a></span>
-Mister Lawrence, Magnoliaplantage, Plagueminegrafschaft,
-Louisiana &ndash; Sie kennen ihn?«&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Wir kannten nichts von all dem, glaubten
-ihm aber aufs Wort. Der Mann hatte ein so ehrliches,
-zutrauliches Aussehen, nahm seinen Knotenstock,
-ein wunderbares Naturerzeugnis, zwischen
-die Knie, stützte sein Kinn darauf und sah uns
-freundlich an.</p>
-
-<p>»Dampfpflüge!« fuhr er nach einer Pause fort,
-»Dampfpflüge &ndash; das interessiert mich. Wir haben
-in diesem großen Land Dampfpflüge in Menge.
-In Vicksburg läuft einer seit drei Jahren &ndash; in
-Cincinnati &ndash; in Chikago&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Mein lieber Herr!« sagte ich etwas erregt,
-denn er hatte mich an einer wunden Stelle berührt,
-»das geht nicht! Ich bin noch nicht lange in Ihrem
-großen und ruhmgekrönten Land, aber eins weiß
-ich: den amerikanischen Dampfpflug, von dem mir
-jedermann erzählt, hat noch niemand gesehen. Haben
-Sie ihn schon gesehen?«</p>
-
-<p>»In Baltimore ist einer,« fuhr Herrn Lawrences
-Bruder ausweichend, aber eifrig fort, »in Saint
-Louis hat erst vor wenig Wochen ein außerordentlich
-talentvoller Milchhändler einen Pflug erfunden,
-der mit dem Wind segelt. Warten Sie ein wenig;
-sehen Sie, hier!« &ndash; Er zog aus seinem geräumigen
-Rock ein großes, blaues Heft hervor, nachdem er
-sechs kleine Tüten, die mit Zuckerproben gefüllt
-waren, auf den Tisch gelegt hatte. Das blaue Heft
-enthielt zahllose, in kreuz und quer eingeklebte<span class="pagenum"><a id="Seite_27">[27]</a></span>
-Zeitungsausschnitte, unter denen er eifrig nach dem
-gewünschten segelnden Pflug suchte.</p>
-
-<p>»Haben Sie ihn gesehen?« fragte ich hartnäckig.
-»Nein? &ndash; Nun will ich Ihnen erzählen,
-wie es mir in diesem großen und erleuchteten Land
-damit ging. Auf der Überfahrt von Liverpool nach
-Boston sagte mir die ganze Schiffsgesellschaft, soweit
-sie amerikanisch war, daß es bei ihnen von
-Dampfpflügen wimmeln müsse. Ein Herr aus Boston
-meinte, in seiner Vaterstadt seien allein drei, wahrscheinlich
-in vollem Gang, denn er erinnere sich,
-schon als Schuljunge davon gehört zu haben. Ich
-hielt mich zwei Tage auf, um sie zu finden. Niemand
-wußte etwas davon. Aber in Philadelphia
-sei ein blühendes Geschäft, das sie fabriziere. Ich
-interessiere mich ein wenig dafür; es ist mein Handwerk.
-Ich gehe also nach Philadelphia und finde
-mit Müh' und Not die Adresse eines Herrn in New
-York, der einmal mit einem englischen Geschäft
-korrespondiert habe, um sich einen kommen zu
-lassen. Es wurde nichts daraus wegen des hohen
-Eingangszolls. Aber in Cincinnati sei ein Mister
-Fox; der mache amerikanische Dampfpflüge, hauptsächlich
-fürs Präriepflügen, höre ich in der Metropole
-der Welt. Ich gehe nach Cincinnati. Mister
-Fox war tot. In einem Schuppen fand ich eine
-alte Straßenlokomotive, die seiner armen Schwester
-gehörte und aussah, als ob sie Noah gebaut hätte.
-Pflüge wolle ich sehen? Nein, das sei nicht zum
-Pflügen; das sei ein Lastwagen mit Dampfbetrieb,<span class="pagenum"><a id="Seite_28">[28]</a></span>
-erklärte mir die Schwester. Aber in Chikago: dort
-werden für die Maisfelder von Illinois Hunderte
-von Dampfpflügen gebaut. Ich war auf dem Weg
-nach dem Süden, aber ich ließ mich's nicht verdrießen:
-ich gehe nach Chikago. Die Firma Thompson
-&amp; Smith, von der ich in Cincinnati gehört
-hatte, war bankrott. Einen Dampfpflug habe sie
-nie gebaut. Dagegen habe allerdings Mister Thompson
-einen erfunden, der zehn Morgen in drei Minuten
-aufbreche. Nur der Bankrott sei ungeschickterweise
-dazwischen gekommen, die epochemachende
-Erfindung auszuführen. Jetzt sei er in Kalifornien,
-um das Geschäft fortzusetzen. Dort werde eigentlich
-nur noch mit amerikanischen Dampfpflügen gearbeitet.
-So werde es in Louisiana wahrscheinlich
-auch sein, namentlich in New Orleans, seitdem die
-Sklavenarbeit aufgehört habe. Hier bin ich jetzt,
-Mister Lawrence,« schloß ich, ganz warm von
-meinem Bericht, »und Sie schicken mich nach Vicksburg.
-Bei Gott, es ist ein großes Land, Ihr
-Amerika! Aber die Geschichte von seinen Dampfpflügen
-fängt an, etwas monoton zu werden.«</p>
-
-<p>Lawrence tat, als ob er mir nicht zugehört
-hätte, und suchte eifrig in seinem blauen
-Heft.</p>
-
-<p>»Sehen Sie hier!« rief er triumphierend.
-»Vicksburg, den 2. November 1866 &ndash; na nu!
-Das ist eigentlich etwas andres, aber nicht weniger
-interessant, und zeigt Ihnen, was unsre Erfinder
-leisten. Ein Land mit solchen geistigen Kräften ist<span class="pagenum"><a id="Seite_29">[29]</a></span>
-nicht umzubringen, darauf können Sie wetten!
-Hören Sie zu. ›Vicksburg, den 2. November. Wir
-vernehmen mit Vergnügen, daß es einem unsrer
-Mitbürger, einem genialen jungen Erfinder, Mr.
-Hodgekiß, nach langem Studium und kostspieligen
-Versuchen gelungen ist, einen Dampfneger zu konstruieren.
-Derselbe kann bereits Holz sägen, Maiskolben
-raspeln und Zuckerrohr kauen. In der gegenwärtigen
-verzweifelten Lage unsers Südens ist diese
-Erfindung von der höchsten Bedeutung. Der Neger
-ist gegen ein Eintrittsgeld von 50 Cents zu New
-York, 218 Fultonstreet, zu sehen. Der geniale Erfinder
-ist nunmehr eifrig damit beschäftigt, auch ein
-Dampfmaultier anzufertigen, teilt uns jedoch in der
-liebenswürdigsten Weise mit, daß dies eine sehr
-viel schwierigere Aufgabe sei als die von ihm bereits
-glücklich gelöste. Es wird dies jedermann,
-auch der Nicht-Techniker, begreifen, wenn man bedenkt,
-daß ein Maultier gewöhnlich vier artikulierte
-Beine in Bewegung setzen muß, während der Neger
-nur zweibeinig ist. Mr. Hodgekiß ist übrigens noch
-nicht zweiundzwanzig Jahre alt und im Begriff,
-sich mit der reizenden Miß Evelin Sharp aus
-Warrenton zu verheiraten. Er geht mit dem Plane
-um, auf Grund seiner Erfindungen eine Dampfneger-
-und -maultier-Aktiengesellschaft mit beschränkter
-Haftpflicht zu gründen, worauf wir Kapitalisten
-und Freunde der Regeneration des Südens besonders
-aufmerksam machen.‹«</p>
-
-<p>»Wieviel Aktien haben Sie genommen?« fragte<span class="pagenum"><a id="Seite_30">[30]</a></span>
-Oberst von Schmettkow Herrn Lawrence, der sich
-siegreich umsah.</p>
-
-<p>»Vorläufig noch keine«, sagte Lawrence, ohne
-eine Miene zu verziehen. »Mein Bruder befindet
-sich augenblicklich im Norden und will sich den
-Neger erst ansehen. Das ist jetzt nicht mehr so
-einfach als früher. Sie wissen, mein Bruder ist ein
-vortrefflicher Geschäftsmann und läßt sich nicht leicht
-einseifen. Man muß sich mit den Yankees in acht
-nehmen. Auch in der guten alten Zeit haben wir
-keine Neger gekauft, ohne sie anzusehen. Und
-wenn Sie uns Ihren Dampfpflug zeigen, wer weiß,
-dann läßt mein Bruder am Ende den Dampfneger
-fahren und läuft Ihnen nach. Es sollte mich freuen,
-Mister &ndash; Mister &ndash; wie heißen Sie?«</p>
-
-<p>Ich befriedigte seine Neugierde.</p>
-
-<p>Wir schüttelten uns heftig die Hände, während
-ich mich zum Fortgehen anschickte. »Mister Lawrences
-Bruder« gefiel mir, obgleich mir noch nicht
-ganz klar war, was ich aus ihm machen sollte.
-Jedenfalls war er ein lebender Beweis der Zuträglichkeit
-des Klimas von Louisiana, über das
-man mir in der Ferne viel Böses gesagt hatte.
-Sein breites Gesicht lachte harmlos, seine Äuglein
-blinzelten listig hinter den roten Wangen und unter
-den struppigen weißen Augenbrauen. Ein kindlicher
-Glaube an die unbegrenzten Möglichkeiten des
-menschlichen Fortschritts schien der leitende Gedanke,
-die Poesie seines Lebens zu sein und ihn
-häufig, nach Art der Poesie, in etwas nebelhafte<span class="pagenum"><a id="Seite_31">[31]</a></span>
-Regionen zu entführen. Wenn jedoch von Dollars
-die Rede war, hatte er plötzlich festen Grund unter
-den Füßen. Er hoffte, mich wieder zu sehen. Wenn
-mein Dampfpflug ankäme, wolle er der erste sein,
-der seinen Ruhm in der Crescent City verkündige.
-Und seinen Bruder wolle er mitbringen! »Sie
-wissen, wir haben dreitausend Acker Land in Zucker.
-Das ist kein Kinderspiel ein Jahr nach dem Krieg,
-wenn alles die Arme hängen läßt und die verfluchten
-Reisesäckler<a id="FNAnker_1_1"></a><a href="#Fussnote_1_1" class="fnanchor">1</a> dem Süden den letzten Blutstropfen
-aussaugen. &ndash; General Longstreet, sagten
-Sie? Sie gehen zu General Longstreet? Das ist
-ein Mann, wie er sein soll, Mister Eyth, unser bester
-Soldat und heute der ehrlichste Baumwollmakler in
-ganz Louisiana. Ich werde Sie begleiten. Es ist mir
-eine Ehre, Sie zu General Longstreet zu begleiten.«</p>
-
-<p>»Passen Sie auf!« flüsterte mir Schmettkow zu,
-der sich's zur Lebensaufgabe gemacht zu haben schien,
-mich vor den üblichen Gefahren des Landes zu schützen.</p>
-
-<p>Dann gingen wir in die glühende Helle der Kanalstraße
-hinaus.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Eine_Generalversammlung">2. Eine Generalversammlung</h2>
-</div>
-
-<p>Die Geschäftszimmer der Firma Longstreet,
-Owen &amp; Co. in der <span id="corr031">Jacksonstraße</span> bestanden aus
-zwei geräumigen, hellen Gemächern mit dem freundlichen<span class="pagenum"><a id="Seite_32">[32]</a></span>
-Ausblick auf einen etwas verwilderten Garten,
-in welchem Palmetten, Kaktusbirnen und Aloes in
-der weißen Vormittagssonne schimmerten. Er mußte
-vor fünf Jahren ein prachtvolles Bild südlicher
-Pflanzenüppigkeit geboten haben. Jetzt schien er
-sich selbst überlassen zu sein, und seine Lianen
-machten ernstlich Anstalt, über das Haus wegzukriechen,
-um sich dessen Straßenfront anzusehen.
-Im äußeren, größeren Zimmer hausten die zwei
-jungen Owen, von denen der eine Major, der
-andre Kapitän genannt wurde. Dies waren sichtlich
-keine bloßen Ehrentitel: der Major hinkte infolge
-eines Schusses im Bein, der Kapitän hatte
-einen tiefen Säbelhieb in der im übrigen rosigen
-Wange. Das zweite, kleinere Gelaß war das Geschäftszimmer
-des Generals Longstreet, den Freund
-und Feind im Süden mit sichtlicher Hochachtung
-die rechte Hand des Generals Lee zu nennen
-pflegten, seitdem Longstreet selbst nur noch eine
-linke hatte. Seine eigne Rechte lag auf dem
-Schlachtfeld bei Chattanooga begraben. Alle drei
-waren jetzt ehrsame Baumwollmakler und Generalagenten
-für alles mögliche, was der Süden brauchen
-oder nicht brauchen konnte, auch für unsre Dampfpflüge.
-Ich selbst bin ein Mann des Friedens,
-und als mich der junge Owen mit der liebenswürdigen
-Höflichkeit des Südländers bat, ein wenig
-zu warten, da sich General Beauregard und General
-Taylor augenblicklich bei General Longstreet befänden,
-wurde es mir doch etwas schwül in dieser<span class="pagenum"><a id="Seite_33">[33]</a></span>
-kriegerischen Umgebung, trotz der Baumwollproben,
-die auf allen Tischen und Gesimsen umherstanden.
-Doch so ist nun einmal das amerikanische Leben.
-Gestern standen die drei Männer, die im Nebenzimmer
-das Sinken der Baumwollpreise besprachen,
-an der Spitze von Armeen und schrieben in blutigen
-Schriftzügen an der Geschichte der Neuen Welt.
-Beauregard hatte zur Eröffnung des großen Bürgerkriegs
-die ersten Schüsse bei Fort Sumter abgefeuert,
-Taylor war vier blutige Jahre lang der
-Soldatenliebling aller Damen Louisianas gewesen,
-und Longstreet, eine mächtige, echt ritterliche Gestalt,
-hatte bis zum bitteren Ende beim Appomatox-Courthouse
-mit seiner verstümmelten Rechten an
-der Seite seines großen Chefs gefochten, wobei ihm
-die beiden Owen als seine persönlichen Adjutanten
-zur Seite standen. Der Kapitän hatte mir schon
-davon erzählt, wie es ihm und den Tausenden
-seiner halbverhungerten und halbverbluteten Kameraden
-am Abend bei der Übergabe der Armee, die
-den furchtbaren Krieg beendete, zumute gewesen
-war, wie ihm und allen andern eine Zentnerlast
-vom Herzen gefallen sei, an der sie seit Monaten
-geschleppt hatten, und wie er in der nächsten halben
-Stunde sein armes, halbtotes Pferd um 32&nbsp;000
-Dollar in konföderiertem Papiergeld verkauft und
-ein Paar Stiefel um 430 Dollar gekauft habe.
-So stand es damals um Stiefel, Pferde und Geld.
-&ndash; Etwas besser war's nun doch schon geworden.
-Taylor war Präsident des kleinen versumpften<span class="pagenum"><a id="Seite_34">[34]</a></span>
-Kanals, der von New Orleans nach dem Pont
-Chartrin führt, Beauregard geschäftlicher Leiter
-einer im Bau begriffenen Bahn nach Texas, Longstreet
-und seine einstigen Adjutanten Baumwollhändler.
-Der Major war nicht anwesend. Er sagte
-mir, sein jüngerer Bruder sei auch in kaufmännischen
-Dingen noch heute Longstreets rechte Hand. »Lauter
-rechte Hände,« dachte ich, »und doch ist die ›große
-Sache‹ schief gegangen.«</p>
-
-<p>Während mein neuer Freund Lawrence sofort
-in lebhaftem Gespräch mit dem jungen Owen seine
-Zuckertüten aus der Tasche holte, sie auf den Tisch
-schüttete und ihn für die herrlichen Kristalle der
-Magnoliaplantage zu begeistern suchte, öffnete sich
-die Tür des Nebenzimmers, und Longstreets breites,
-treuherziges Soldatengesicht winkte mir zu, einzutreten.
-Die beiden andern Heerführer standen um
-ein Tischchen und zupften mit jener langsamen,
-sachverständigen Handbewegung Baumwollflocken
-auseinander, die bewies, daß sie wußten, was sie
-taten. Jedes Gewerbe hat gewisse zünftige Bewegungen,
-an denen sich die Eingeweihten sofort
-erkennen: man weiß, wie der richtige Getreidehändler
-das Korn von einer Hand in die andre
-rollen läßt, der Zuckersieder den zähflüssigen Zucker
-zwischen Daumen und Zeigefinger ausspinnt und
-der Gastwirt seinen Kaviar empfiehlt, indem er
-Daumen und Zeigefinger zusammendrückt und mit
-halbgeschlossenen Augen den Mund zuspitzt, als ob
-er küssen oder pfeifen wollte. So wußte ich nun<span class="pagenum"><a id="Seite_35">[35]</a></span>
-auch, daß sämtliche drei Generale aus Familien
-stammten, die große Baumwollplantagen besessen
-hatten.</p>
-
-<p>Longstreet stellte mich vor: »Herr Eyth, Ingenieur
-und Vertreter der berühmten Firma John
-Fowler &amp; Co. aus Leeds in England; Herr Eyth
-ist im Begriff, Gentlemen, einen Ersatz für unsre
-Neger in Louisiana einzuführen, so daß die farbigen
-Gentlemen sich in Zukunft mit größerer Ruhe der
-Anfertigung unsrer neuen Konstitution widmen
-können.«</p>
-
-<p>Beauregard, ein schweigsamer Mann mit weißen
-Haaren, machte ein finsteres Gesicht und zeigte keine
-Lust, auf Longstreets Witzchen einzugehen. Der
-kleine, elastische General Taylor dagegen lachte.</p>
-
-<p>»Was hilft das Zähneknirschen, Beauregard?«
-sagte er munter. »Wir sind geschlagen. Darüber
-ist kein Zweifel. Man muß sehen, wie man sich
-daran gewöhnt. &ndash; Waren Sie schon in unserm
-Abgeordnetenhaus?« wandte er sich an mich. »Dorthin
-müssen Sie gehen. Alles schwarz. So etwas
-hat man nicht gesehen, seit sich der Erdball um die
-Sonne dreht. Mein Plantagenhufschmied, der mich
-seinerzeit dreizehnhundert Dollars kostete, ist erster
-Schriftführer. Aber reden sollten Sie den Mann
-hören! Alle sechs Wochen erhöhen die Herren in
-namentlicher Abstimmung ihre Tagegelder. Bis
-jetzt war dies ihre einzige gesetzgeberische Tätigkeit.
-Aber reden muß man sie hören. O Jerusalem!«&nbsp;...</p>
-
-<p>»Mittlerweile müssen wir jetzt danach sehen,<span class="pagenum"><a id="Seite_36">[36]</a></span>
-wie man Maulesel beschlägt«, meinte Longstreet,
-»und den Boden aufreißt, Kanalschiffe durch die
-alten Swamps schleppt und Schienen im Sand von
-Texas begräbt. Das ist Beauregards Spezialität.
-&ndash; Sie also wollen uns pflügen helfen, Herr Eyth?«</p>
-
-<p>»Ich hoffe so, General«, antwortete ich mit
-erwachender Zuversicht und fühlte mich den drei
-Helden des großen Bürgerkriegs mit jeder Minute
-menschlich näher. »Der Dampf hat schon größere
-Schwierigkeiten überwunden.«</p>
-
-<p>»Sie scheinen einen guten Glauben an den
-Dampf zu haben«, meinte Beauregard grimmig.
-»Vor fünf Jahren ging mir's ähnlich: mit dem
-Pulverdampf!«</p>
-
-<p>»Wenn einmal die erste Lokomotive über seine
-›Texasstrandlinie‹ läuft, wird sein Glaube wieder
-lebendig werden«, sagte Taylor tröstend. »Nehmen
-Sie ihm ein paar hundert Aktien ab, Herr Eyth,
-wenn Sie den alten Bären lachen sehen wollen.
-Ich habe leider mit dem größeren Teil meines
-Vermögens meinen Salon tapezieren lassen: alles
-echte konföderierte Tausenddollarnoten, die die
-Yankees für uns fabrizierten. Das müssen Sie
-sich ansehen, ehe Sie uns verlassen. Verstehen Sie
-etwas von Kanalschiffahrt? Ich nicht; und ein unbehagliches
-Gefühl ist es für einen Soldaten und
-Kanaldirektor.«</p>
-
-<p>Als in diesem Augenblick Major Owen eintrat,
-verabschiedeten sich die Herren mir gegenüber
-mit allgemeinem Händeschütteln, untereinander mit<span class="pagenum"><a id="Seite_37">[37]</a></span>
-halb militärischen Grüßen und kaum bemerkbaren
-Blicken, die jedoch erraten ließen, daß sich unter
-der Oberfläche einer zu lauten Heiterkeit manches
-regte, das der Fremde nicht zu sehen brauchte.</p>
-
-<p>»Galgenhumor!« sagte Longstreet, von der Tür
-zurückkommend, mit einem leichten Schatten auf
-seinem guten, wohlwollenden Gesicht. »Taylor hat
-sein ganzes, großes Vermögen endgültig verloren.
-Er hat zwei Schwestern, vor fünf Jahren die ersten
-Damen von New Orleans, die eine Nähschule anfangen
-wollen, um zu leben. Übrigens geht es uns
-allen nicht viel besser. Doch es wird wieder anders
-kommen! Bei Gott, schlechter kann's nicht werden!
-&ndash; Ihr Schiff, der ›Wilde Westen‹, muß jeden
-Augenblick hier sein, Herr Eyth. Der Major ist
-auf dem Zollamt, um den Betrag des Zolls festzustellen.
-Er hofft, Ihren Pflug um fünfzehnhundert
-Dollars hereinzubekommen. Natürlich muß er erklären,
-daß die ganze Sendung aus rohem Gußeisen
-besteht. Das wird ihm um so leichter, als er
-noch nichts davon gesehen hat und einen Dampfpflug
-von einem Bienenkorb nicht unterscheiden
-kann, wenigstens zollamtlich. Sie sehen, wir haben
-schon einiges von unsern nordischen Freunden gelernt.
-Im schlimmsten Fall müßten Sie allerdings
-beschwören, daß die Angaben meines Geschäftsteilhabers
-ihre Richtigkeit haben.«</p>
-
-<p>Ich schnappte nach Luft. Jedermann kannte
-Longstreet als einen Ehrenmann ohne Furcht und
-Tadel, und seine treuherzigen blauen Augen sahen<span class="pagenum"><a id="Seite_38">[38]</a></span>
-so kindlich in die Welt hinaus, daß ihm der größte
-europäische Spitzbube aufs Wort geglaubt hätte.</p>
-
-<p>»Aber, General, das geht wirklich etwas zu
-weit«, stotterte ich. »Gußeisen! Seit zehn Jahren
-trompeten wir in Wort und Schrift in alle Welt
-hinaus, daß wir den besten Stahl an Stelle jedes
-Stückchens Gußeisen anwenden, das durch Stahl
-zu ersetzen ist. Ich habe erst gestern einen Zeitungsartikel
-an den ›New Orleans Picayune‹ gesandt,
-in dem ich mit Nachdruck darauf hinweise.«</p>
-
-<p>»Und ist das alles, was Sie da geschrieben
-haben, so ganz wörtlich zu nehmen?« fragte Longstreet,
-indem er mich zutraulich anblinzelte. »Sehen
-Sie, lieber Herr Eyth, Sie müssen sich in unsre
-Sitten einleben. Geschworen wird bei uns das
-Blaue vom Himmel herunter; an das müssen Sie
-sich vor allen Dingen gewöhnen. Auf dem hiesigen
-Zollamt werden an guten Tagen etliche fünfzig Eide
-geleistet. Schweinefleisch, Baumwollballen, Stockfische,
-Seidenkleider, Guß- und Schmiedeeisen, alles,
-was die Barre passiert, wird im Namen des allmächtigen
-Gottes für das erklärt, was es meist
-nicht ist. Die ganze Union ist entlang ihrer zwölftausend
-Meilen langen Grenze von einem Schnellfeuer
-von Meineiden beschützt, die jahraus jahrein
-ununterbrochen, außer am Sabbat, gen Himmel
-knallen. Das verlangt die Konstitution dieses großen
-und erleuchteten Landes und gehört zum Segen
-des Schutzzolls. Sie sehen, wir sind ein religiöses
-und gesetzliebendes Volk, seitdem wir wieder zur<span class="pagenum"><a id="Seite_39">[39]</a></span>
-glorreichen, unteilbaren Republik gehören und ein
-Rudel Schwarzer unsre Gesetze macht. Auch uns,
-den alten Herren von Louisiana, wird es nicht
-immer ganz leicht, im neuen Fahrwasser zu
-schwimmen, das kann ich Ihnen unter der Hand
-versichern.«</p>
-
-<p>Major Owen trat ein, ein noch junger, hübscher
-Mann, dem man übrigens die Strapazen einer
-harten Zeit deutlich ansah, und bei dem unter der
-höflich lächelnden Oberfläche häufiger als bei Longstreet
-der verhaltene Grimm, die kochende Bitterkeit
-gegen die Verhältnisse durchbrach, in denen
-wir lebten. Der kurze Gruß der beiden zeigte
-deutlich die soldatischen Beziehungen der kaum vergangenen
-Zeit und zugleich von seiten des jüngeren
-Mannes eine fast schwärmerische Verehrung für
-den älteren. Man weiß in langen Friedenszeiten
-so viel von der Verrohung zu erzählen, die der
-Krieg mit sich bringt. Mitten im Kampf und oft
-genug nach demselben sieht man nicht selten auch
-Blüten und Früchte andrer Art.</p>
-
-<p>Nein, es sei nichts mit den 1500 Dollars, berichtete
-der Major. Der Zolldirektor, ein regelrechter
-Reisesackpolitiker aus dem Norden, bestehe
-auf dem vollen Zoll von 4200 Dollars in Gold,
-wenn ich nicht vielleicht bereit sei, andre Überredungskünste
-in Bewegung zu setzen.</p>
-
-<p>»Wieviel?« fragte ich. Diese Form der Frage
-begann mir schon geläufiger zu werden.</p>
-
-<p>»Ich denke, mit 500 Dollars ließe sich der<span class="pagenum"><a id="Seite_40">[40]</a></span>
-Gußeisenzoll erreichen«, sagte der Major nachdenklich.
-»Das wären noch immer 2200 Dollars in
-Ihre Tasche. Aber bei Jupiter! das müssen Sie
-selbst regeln, Herr Eyth. Ich habe die Spitzbubengeschichte
-satt.«</p>
-
-<p>»Und ich bin für eine solche Verhandlung noch
-nicht lange genug in Ihrem großen und erleuchteten
-Lande gewesen!« rief ich in einer Aufwallung moralischer
-Entrüstung, die beide Herren höchlich belustigte.</p>
-
-<p>»Aber Sie kommen doch aus der Türkei oder
-aus Ägypten«, meinte Longstreet nach einer Pause.</p>
-
-<p>»Wohl wahr, und ich überlege selbst gelegentlich,
-worin eigentlich der Unterschied liegt. Das
-tröstliche Wort Bakschisch erklärt ihn vielleicht teilweise.
-Dort, einem schmunzelnden Effendi gegenüber,
-hat man das Gefühl, als sei dies alles, wie
-es der Schöpfer gewollt hat, als habe man es mit
-einer andern Gattung von Säugetieren zu tun, die
-nun einmal nicht leben können, wenn sie nicht geschmiert
-werden. Hier, im Verkehr mit Herren in
-schwarzen Sonntagshosen, mit einem Gesicht ernst
-und ehrenfest und wie aus Holz geschnitzt, finde
-ich den richtigen Ton noch nicht.«</p>
-
-<p>»Das wird kommen, Herr Eyth,« meinte Longstreet,
-»ich fürchte, das wird rasch genug kommen.
-Eine im Grunde aufrichtige Natur wie Sie findet
-sich bei uns bald zurecht. Man muß uns nur verstehen.
-Sie haben noch keinen Begriff davon, mit
-welcher Ehrlichkeit unsre Spitzbuben zu Werke<span class="pagenum"><a id="Seite_41">[41]</a></span>
-gehen. Lesen Sie die Verhandlungen, in denen der
-große Boß des Tammanyrings, Mister Tweed, in
-New York seit ein paar Wochen glänzt. Sie
-kommen gerade zur rechten Zeit hierher. Wir wissen
-das alles schon seit fünf Jahren: für Sie ist es
-eine gute Anfangslektion. Bitte, beachten Sie die
-Ehrlichkeit, mit der der Mann seine fünfzig Millionen
-aus dem Steuerbeutel der New Yorker gestohlen
-hat. Keine Intriguen wie in der alten, verrotteten
-Welt, aus der Sie kommen, keine Heimlichkeiten,
-keine Hintertreppengemeinheiten. Alles
-offen und geradeaus, was man auf beiden Seiten
-des Wassers ›<em class="antiqua">fair play</em>‹ nennt. ›Ich greife in die
-Stadtkasse und hole mir eine Million heraus &ndash;
-ungezählt. Sie, Mister Schatzmeister, drücken die
-Augen zu und erhalten hierfür dreimalhunderttausend
-Dollars. Abgemacht?‹ sagt der eine. &ndash;
-›Abgemacht!‹ sagt der andre. Das war die Formel
-für alle Geschäfte des großen Mannes, der New
-York bis gestern regierte. Möglich, daß er jetzt ins
-Zuchthaus wandert. Alle zwölf Jahre schüttelt sich
-das unglaublich faule Volk der wirklich achtbaren
-Leute, und das Geschmeiß fällt ab. Wahrscheinlicher
-ist aber, daß er das Geschäft nach einigen Monaten
-wieder aufnimmt. Ein andrer, wenn nicht er, tut
-es sicher.«</p>
-
-<p>Ich erzählte, was ich mit Olcott in Washington
-vereinbart hatte.</p>
-
-<p>»Sehr schön,« sagte Longstreet, »für einen Anfang
-sogar recht brav gemacht! &ndash; Olcott? &ndash;<span class="pagenum"><a id="Seite_42">[42]</a></span>
-Olcott? &ndash; Ich erinnere mich des Namens. &ndash; Major,
-wissen Sie, wo wir einem Olcott begegnet sind?«</p>
-
-<p>»Wenn es der Artilleriehauptmann ist, der
-uns bei Chattanooga gegenüberstand,« sagte Owen,
-»so ist es wenigstens ein braver Soldat. Der Mann
-stand bei seinen zerschossenen Kanonen, bis der letzte
-Artillerist am Boden lag. James Olcott. Ich ließ
-mir den Namen von ein paar Gefangenen sagen,
-die zu seiner Batterie gehört hatten. Er selber entwischte
-uns schließlich doch.«</p>
-
-<p>»James Olcott!« rief ich erfreut, »das stimmt!
-Da glauben Sie wohl auch, daß ich an den richtigen
-Mann geraten bin, der unsre Sache ehrlich
-vertreten wird?«</p>
-
-<p>»Was das betrifft,« meinte Longstreet gedehnt,
-»warten wir's ab! Bei Chattanooga hätte ich dem
-Mann mein Vermögen samt Weib und Kind anvertraut,
-in Washington würde ich keinen roten
-Cent an ihn wagen. Für den Augenblick hilft uns
-Ihr Freund jedenfalls nichts. Sie müssen sich entscheiden:
-entweder bleibt der Pflug unter Zollverschluß,
-bis der Kongreß zu einer Entscheidung
-kommt &ndash; das mag sechs Wochen dauern oder
-sechs Monate oder sechs Jahre, kein Mensch kann
-es wissen &ndash; oder Sie entschließen sich, die 4200
-Dollars zu zahlen. Einen dritten Ausweg sehe ich
-nicht, wenn Sie dem Zolldirektor keinen Privatbesuch
-machen mögen. Was wollen Sie tun?«</p>
-
-<p>»Aber so viel Geld habe ich nicht hier«, bemerkte
-ich sorgenvoll.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_43">[43]</a></span></p>
-
-<p>»Natürlich, doch das ist einfach!« tröstete Longstreet.
-»Ein Wechsel auf Ihre Freunde in London
-regelt die Sache in drei Minuten.«</p>
-
-<p>Kapitän Owens rosiges Gesicht sah zu der sich
-leise öffnenden Tür herein:</p>
-
-<p>»Kann Sie Mister Lawrence sprechen, General?
-Der Bruder des Mister Lawrence von der Magnoliaplantage.
-Es betrifft den Dampfpflug.«</p>
-
-<p>»Sicherlich!« rief Longstreet fröhlich. »Wie
-geht es Ihnen, Mister Lawrence?« Mister Lawrence
-stand nämlich schon mitten im Zimmer, den Hut
-auf dem Hinterkopf, beide Hände auf dem Knotenstock,
-die stämmigen Beinchen ausgespreizt wie eine
-kleine Kopie des Kolosses von Rhodos, und lächelte
-uns der Reihe nach verständnisvoll an.</p>
-
-<p>»Wie geht es Ihnen, General?« rief er eifrig.
-»Ich bin Mister Lawrences Bruder von Magnoliaplantage,
-Plagueminegrafschaft; Sie wissen, General?
-Ein guter Südländer in der Zeit der Sezession.
-Aber wir müssen mit den Wölfen heulen und schließlich
-auch dampfpflügen, wenn unsre farbigen Herren
-es wünschen. Übrigens bin ich im Ausschuß der
-Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana und habe
-Ihnen einen Vorschlag zu machen.«</p>
-
-<p>»Was, sind Sie noch nicht bankrott?« fragte
-Longstreet verwundert.</p>
-
-<p>»Die Landwirtschaftsgesellschaft? Noch nicht,
-im Gegenteil! Wir haben bloß kein Geld. Aber
-hier, dieser Gentleman aus der Alten Welt hat mir
-eine Idee eingegeben, aus der sich etwas machen<span class="pagenum"><a id="Seite_44">[44]</a></span>
-läßt. Wir haben unsern Ausstellungspark vor der
-Stadt, einen prächtigen Platz. Die Herren Owen
-kennen ihn; Rennbahn, Tribüne, alles. Wir machen
-den nötigen Lärm, dafür lassen Sie mich sorgen.
-Herr Eyth läßt dort seinen Dampfpflug laufen,
-und die ganze Welt strömt zusammen, das Weltwunder
-anzustaunen. Überall hört man vom Dampfpflug;
-kein Mensch hat das Ding je gesehen. Das
-muß ziehen. Die Landwirtschaftsgesellschaft nimmt
-das Eintrittsgeld; Sie, General, haben die Ehre,
-den Süden zum zweitenmal zu retten; das heißt«
-&ndash; Lawrence wurde sichtlich verlegen &ndash; »das heißt
-zum erstenmal, und Mister Eyth verkauft ungezählte
-Apparate an die Yankees, die unsre Plantagen in
-Besitz genommen haben und nicht wissen, was sie
-jetzt weiter tun sollen.«</p>
-
-<p>»Und die Kosten?« fragte ich nicht ganz ohne
-Bedenken, obgleich Lawrences Plan wie ein Lichtstrahl
-in das zweifelhafte Dunkel fiel, in dem ich
-bis jetzt gelebt hatte. Denn auch ich wußte kaum,
-wie ich weiterkommen sollte. »Es kostet ein rundes
-Sümmchen, Herr Lawrence, den großen Apparat,
-sagen wir, eine Woche lang auf Ihrem Ausstellungsplatz
-in Gang zu erhalten.«</p>
-
-<p>»Ganz einfach!« sprudelte mein neuer Freund.
-»Die Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana schreibt
-einen glänzenden Preis für den besten Dampfpflug
-aus. Sie erhalten den Preis, den wir aus den
-Eintrittsgeldern bezahlen. Was kostet der Rummel,
-wenn wir acht Tage arbeiten?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_45">[45]</a></span></p>
-
-<p>»Ich denke, ich sollte mindestens 500 Dollars
-haben, um die Kosten zu decken«, sagte ich, mit
-höchst unnötiger Gewissenhaftigkeit kopfrechnend.</p>
-
-<p>»Sagen wir 750!« meinte Lawrence. »Gut!
-Morgen schreibt unser Komitee einen Preis von
-750 Dollars aus; dafür lassen Sie mich sorgen.«</p>
-
-<p>»Sie können nichts Gescheiteres tun, als ja
-sagen, Herr Eyth«, sagte Longstreet, sichtlich erstaunt
-über mein Zaudern. »Mister Lawrences
-Bruder ist ein praktischer Mann, das sieht man
-auf den ersten Blick. &ndash; Ich gratuliere Ihnen,
-Herr Lawrence! Sie sind ein würdiges Ausschußmitglied
-unsrer großen Landwirtschaftsgesellschaft
-von Louisiana!«</p>
-
-<p>»Wann kann die Prüfung losgehen, Mister
-Eyth?« fragte Lawrence, ohne des Generals Komplimente
-zu beachten, indem er seinen Hut noch
-weiter auf den Hinterkopf schob, der vor Eifer zu
-dampfen schien.</p>
-
-<p>Das war der rasche Pulsschlag des amerikanischen
-Lebens, der uns langsame Europäer manchmal
-fast betäubt. Ich hatte, wie es schien, zehn Sekunden
-Zeit, mir alles zu überlegen. Der Pflug, in etlichen
-fünfzig gewaltigen Kisten, schwamm noch wohlverpackt
-und unverzollt auf dem Mississippi. Ich wußte
-nicht, ob der unentbehrliche Monteur und Dampfpflüger
-mitgekommen war, ohne den es nahezu unmöglich
-war, eine öffentliche Vorstellung mit dem neuen
-Apparat und einer Bemannung von völlig unerfahrenen
-Heizern und Pflügern zu geben. Dann,<span class="pagenum"><a id="Seite_46">[46]</a></span>
-wer weiß, in welch unpflügbarem Zustand sich der
-gerühmte Ausstellungspark befand, in dem das
-Experiment stattfinden sollte. Doch es war nicht
-mein erster rascher Entschluß. Frisch gewagt ist
-halb gewonnen, und die vierzehn Tage Wartens
-in der schwülen Luft des Mississippideltas hatten
-mich ein wenig ungeduldig und tatendurstig gemacht.</p>
-
-<p>»Haben Sie ein Wechselformular zur Hand?«
-fragte ich.</p>
-
-<p>Major Owen reichte mir die Feder; das Papier
-lag bereits säuberlich ausgeschrieben auf des
-Generals Schreibtisch, der es in wundersam wackligen,
-nach links fallenden Schriftzügen mit seiner
-noch vorhandenen Hand ausgefüllt hatte, während
-wir uns unterhielten. Ich unterzeichnete das Dokument,
-demzufolge die Herren John Fowler &amp; Co.
-sich verpflichteten, vierzehn Tage nach Sicht dem
-Überbringer 4200 Dollars in Gold auszuzahlen.</p>
-
-<p>Der Major verabschiedete sich mit dem kleinen
-Zettel, um ihn zu versilbern. Es war keine Zeit
-zu verlieren. Ein Junge stand im äußeren Bureau
-mit der Nachricht, daß der »Wilde Westen« soeben
-am Fuße der Tschapatulastraße anlege. Der Kapitän
-wolle wissen, was mit den fünfzig Maschinenkisten
-geschehen solle, die sofort ausgeladen werden
-müßten, da der Pflug als Deckladung verschifft sei.</p>
-
-<p>Und damit hatte ich ja meinen Pflug und
-konnte die Neue Welt fünfzehn Zoll tief aufbrechen,
-wann und wo ich wollte!</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_47">[47]</a></span></p>
-
-<h2 id="Die_erste_Grossmacht_unsrer_Zeit">3. Die erste Großmacht unsrer Zeit</h2>
-</div>
-
-<p>Herrn Lawrences Bruder nahm seinen Knotenstock
-unter den Arm und rieb sich die Hände vor
-Vergnügen, als wir Longstreets Bureau verließen.
-»Sehen Sie, das freut mich!« rief er noch unter
-der Türe. »Seit sechs Monaten gebe ich mir alle
-erdenkliche Mühe, den Dampfnigger hierher zu bekommen.
-Aber der Kerl will zu viel Geld und
-verlangt dazu noch Vorausbezahlung. Das geht
-nicht. Der Erfinder ist kein Südländer, darauf
-können Sie wetten, und wenn er zehnmal in Vicksburg
-geboren wäre. Ein kniffiger Yankee, ohne
-Zweifel, der kein Herz unter den Rippen hat wie
-alle. Nun haben wir dafür einen Dampfpflug und
-Sie! Und Sie &ndash; Sie sind« &ndash; er suchte offenbar
-nach einem schmeichelhaften Ausdruck, doch was
-ihm einfiel, schien diesem löblichen Streben kaum
-zu entsprechen, so kam schließlich nicht viel dabei
-heraus &ndash; »Sie sind ein vernünftiger Mensch, ein
-ganz vernünftiger Mensch! Wenn ich etwas für Sie
-tun kann, Mister Eyth, rechnen Sie auf mich und
-auf meinen Bruder, der in vierzehn Tagen zurückkommt.
-Sie müssen sich die Magnoliaplantage ansehen,
-wenn Sie Land sehen wollen und Zucker.
-Haben Sie die hiesigen Zeitungsredaktionen schon
-besucht?«</p>
-
-<p>»Nein. Wozu?«</p>
-
-<p>»Was! Sie haben die Redaktionen nicht besucht
-und einen Dampfpflug am Fuß der Tschapatulastraße?<span class="pagenum"><a id="Seite_48">[48]</a></span>
-Sie sind wohl nicht bei Trost! &ndash; das
-heißt &ndash; verzeihen Sie &ndash; Sie kennen dieses große
-Land noch zu wenig, lieber Freund. Das erste ist,
-allen Redakteuren von New Orleans Ihre Aufwartung
-zu machen. Es ist weitaus billiger als
-jeder andre Weg. Ich werde Sie begleiten.«</p>
-
-<p>»Sehr gütig, Herr Lawrence,« versetzte ich,
-»aber ich wollte vor allen Dingen nach meinen
-Kisten sehen und hauptsächlich auch nach meinem
-Monteur, der im ›Wilden Westen‹ mitgekommen
-sein muß und sich nicht zu helfen weiß.«</p>
-
-<p>»Das ist alles Nebensache«, erklärte mein
-hitziger Freund. »Die Redaktionen müssen Sie besuchen,
-ohne eine Minute zu verlieren. Ich werde
-Sie vorstellen. Und dann gehen wir zum Sekretär
-der Landwirtschaftsgesellschaft. &ndash; Donnerwetter!«
-&ndash; er blieb stehen; es schien ihm plötzlich etwas
-einzufallen &ndash; »ich glaube, ich habe Ihnen versprochen,
-daß die Gesellschaft morgen einen Preis
-von siebenhundertfünfzig Dollars für den besten
-Dampfpflug aussetzen wird. Wir müssen doch wohl
-eine Komiteesitzung abhalten.«</p>
-
-<p>Der Hickorystock setzte sich in Bewegung, Lawrence,
-flink wie ein Wiesel, hinterher. Ich folgte
-fast willenlos: die kleine dicke Verkörperung eines
-Wirbelwinds riß mich mit. Ich mußte mich zum
-wenigsten vergewissern, ob es mit der Komiteesitzung
-ernst werden würde, von deren doch noch sehr
-zweifelhaften Beschlüssen meine nächsten Schritte abhingen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_49">[49]</a></span></p>
-
-<p>In der St. Charlesstraße fanden wir das übliche
-Gewimmel von Menschen und Tieren. Es
-war kaum möglich, meinem übereifrigen Führer zu
-folgen. Da plötzlich, hinter dem Rücken eines vierschrötigen
-Negers, war er verschwunden, als hätte
-ihn vor meinen Augen die Erde verschlungen, ohne
-sich zu öffnen. Ich stand etwas erschrocken und völlig
-ratlos da, ging auf dem Fußsteig der Straße, vom
-Strom der Vorübergehenden geschoben und gestoßen,
-zehn Schritte weiter, dann zehn Schritte zurück
-und wiederholte dies mit wachsendem Staunen.
-Lawrence blieb verschwunden. War die ganze Landwirtschaftsgesellschaft
-von Louisiana samt ihrem Ausschußmitglied
-eine amerikanische Sinnestäuschung
-gewesen, deren Bedeutung ich noch nicht begreifen
-konnte?</p>
-
-<p>Plötzlich hörte ich aus dem Dunkel eines
-kleinen Tunnels, der unmittelbar von der Straße
-in ein altes, finsteres Gebäude führte, die mir wohlbekannte
-Stimme: »Wo stecken Sie denn? Hier
-haust der ›Picayune‹! Kommen Sie! Schnell!«</p>
-
-<p>Ich stürzte mich erfreut in die stockfinstere Nacht,
-in der mein wiedergefundener Freund völlig zu
-Hause zu sein schien, erwischte ihn am Rockärmel
-und war entschlossen, ihn nicht mehr zu verlieren,
-bis der Preis für den besten Dampfpflug schwarz
-auf weiß ausgeschrieben war.</p>
-
-<p>»Dies sind die Geschäftsräume des Picayune,«
-sagte er, mich an der Wand des Tunnels <span id="corr049">vorwärtstreibend</span>;
-»das älteste Blatt der Stadt. Die größte<span class="pagenum"><a id="Seite_50">[50]</a></span>
-Zeitung im Süden. Nehmen Sie sich in acht, was
-Sie sagen. Guter Demokrat. Südliche Sympathien.
-Der Redakteur ist Oberst, hat in Texas kommandiert,
-aber nicht viele Schlachten gewonnen. Mehr
-Federmann. Hier sind wir!«</p>
-
-<p>Es dämmerte in der Wand, die sich teilweise
-auf meinen Rock übertragen hatte. Seitlich ging
-es eine schmale, steile Treppe empor, die den letzten
-Grad der Abnutzung erreicht zu haben schien, den
-eine Treppe erreichen kann. Mehrere Herren kamen
-uns hastig entgegen; auch Arbeiter mit Setzkästen.
-Es war nicht leicht, hinaufzudringen. Oben summten
-und rasselten die Pressen. Dort in dem schwülen
-Halbdunkel eines großen, niederen Saals wurden
-in allen Richtungen feuchte Zeitungsblätter von
-wunderlich zuckenden und rollenden Maschinen in
-beängstigendem Takte ausgespieen. Lawrence zog
-mich weiter, durch den Setzersaal. Es war jetzt
-nicht an der Zeit, Maschinenbewegungen zu studieren.
-In der kleinen, aber fürchterlichen Höhle,
-die wir ohne jede Zeremonie betraten, hauste der
-Geist, der diese halbdämonische Welt regierte.</p>
-
-<p>Ein Räuberhauptmann, dem Aussehen nach,
-braun wie ein Mulatte, mit gewaltigem Schnurrbart
-und einer imponierenden, unzweifelhaft rötlichen
-Adlernase, maß uns während des energischen
-Händeschüttelns mit schwarzen, stechenden Augen,
-machte jedoch gleichzeitig mit einer nicht unhöflichen
-Bewegung zwei Stühle frei, indem er die Berge
-von Manuskripten, Zeitungsschnipfeln und Fahnenabzügen,<span class="pagenum"><a id="Seite_51">[51]</a></span>
-die sie bedeckten, auf den Boden fegte.
-Dann deutete er uns mit einer riesigen Schere an,
-Platz zu nehmen, wenn uns unser Leben lieb sei.</p>
-
-<p>»Mit was ist Ihnen gedient, Mister Lawrence?«
-fragte er, indem er mit seiner Waffe nach der Wand
-wies, wo auf einem langen Papierstreifen in roten
-Buchstaben der Zauberspruch »<em class="antiqua">Time is money!</em>«<a id="FNAnker_2_2"></a><a href="#Fussnote_2_2" class="fnanchor">2</a>
-prangte. Über der Inschrift waren zwei sich kunstreich
-kreuzende Revolver angebracht, der einzige
-Schmuck an den im übrigen kahlen Wänden. Man
-hatte den Eindruck, daß man sich hier nicht am richtigen
-Ort für ein gemütliches Plauderstündchen befand.</p>
-
-<p>»Ich wünsche, Ihnen diesen Gentleman vorzustellen,«
-sagte Lawrence eifrig: »Mister Eyth,
-Mister Rawley; Mister Rawley, Mister Eyth, &ndash;
-mit dessen Ankunft eine neue Zeit für unsern unglücklichen
-Süden beginnen wird. Mister Eyth ist
-der Vertreter der größten und berühmtesten englischen
-Fabrik für Dampfkulturgeräte: Dampfpflüge,
-Dampfkultivatoren, Dampfeggen, Dampfwalzen,
-Dampfsäemaschinen, Dampfzuckerrohrschneider und
-Dampfbaumwollpicker. Sie machen doch auch Dampferntemaschinen
-jeder Art, Herr Eyth? &ndash; versteht
-sich &ndash; natürlich!« &ndash; wandte er sich an mich im
-Ton unerschütterlichen Glaubens an seine Inspiration.
-»Kurzum, Mister Rawley, die Negerfrage
-existiert nicht mehr, wenn wir Herrn Eyth in
-Louisiana aufnehmen, wie er es verdient.«</p>
-
-<p>Rawley brummte mürrisch: »Hm! sehr angenehm!<span class="pagenum"><a id="Seite_52">[52]</a></span>
-Immer noch lieber von England als von
-jenseits des Potomaks. &ndash; Sehr angenehm, Mister
-Eyth. Ich nehme an, daß Ihr Dampfpflug uns
-besser hilft, als Ihre Landsleute es getan haben.
-Ah so &ndash; Sie sind kein Engländer; um so besser!
-&ndash; Wie gefällt Ihnen unser schönes Land in seinem
-jetzigen, jammervollen Zustand? Nicht übel &ndash; wie?«</p>
-
-<p>»Longstreet, der General, hat die Agentur für
-die Sache übernommen«, fiel Lawrence ein.</p>
-
-<p>»Der General Longstreet, die rechte Hand von
-Lee? Das ist etwas andres! Warum haben Sie
-das nicht gleich gesagt?« fragte Rawley, während
-sich seine Räuberhauptmannszüge in etwas menschlichere
-Falten legten. »Wir werden Sie mit Interesse
-beobachten, Mister Eyth! Wann soll es losgehen?«</p>
-
-<p>»Was meinen Sie, Herr Rawley?« fragte ich,
-etwas Mut schöpfend.</p>
-
-<p>»Die Rettung des Südens, das Gepflüge«,
-versetzte der Redakteur. »Sie geben doch ein Frühstück,
-um die Sache einzuleiten? Wir werden einen
-Berichterstatter hinschicken, wenn ich nicht selbst
-kommen kann. Sie wünschen ohne Zweifel eine
-redaktionelle Notiz schon vor dem Frühstück? Natürlich!
-Wollen Sie die Gefälligkeit haben, mir
-einige Anhaltspunkte zu geben. Wie alt sind Sie?
-verheiratet? glücklich verheiratet? Wo wurden Sie
-erzogen? Bitte, teilen Sie mir alles mit, was zur
-Sache gehört. General Longstreet ist mein Freund,
-ein Mann, den ich hoch verehre. Nehmen wir einen<span class="pagenum"><a id="Seite_53">[53]</a></span>
-Tropfen Rum &ndash; echten Jamaika &ndash; wie, Herr
-Lawrence?«</p>
-
-<p>Sie winkten sich, verständnisinnig. Eine geschäftige
-Freundlichkeit durchbrach endlich die rauhe
-Schale des Räuberhauptmanns. Es gelang mir
-zwar nicht, seine Aufmerksamkeit von meinem <em class="antiqua">curriculum
-vitae</em> auf die Vorzüge des Fowlerschen
-Doppelmaschinensystems zu übertragen. Auch Lawrence
-half mit, meinem Jugendleben und meinen
-persönlichen Wünschen und Hoffnungen auf den
-Grund zu kommen, und fügte, gegen Rawley gewendet,
-von Zeit zu Zeit die Versicherung bei, daß
-ich von Kindesbeinen an ein wirklicher Gentleman
-und ein unzweifelhafter Demokrat &ndash; im amerikanischen
-Sinne des Wortes &ndash; gewesen sei. In der
-Sklavenfrage halte ich noch jetzt »mit Zähnen und
-Klauen« an den geheiligten Gesetzen unsrer Vorfahren
-fest. Dies brachte mir jedesmal einen
-stummen, schmerzhaften Händedruck des Redakteurs
-ein, der seinerzeit selbst fünf Neger besessen hatte.
-Dazwischen wurde festgesetzt, daß Longstreet ein
-großes Frühstück geben müsse, zu dem die gesamte
-zu rettende Gesellschaft Louisianas sowie die Vertreter
-der Presse, in erster Linie aber des Picayune,
-einzuladen seien. Daran werde sich das Pflügen in
-würdiger Weise anschließen. Bezahlen werde ich es
-ja mit Vergnügen; eine solche Einführung des englischen
-Dampfpflugs sei etwas mehr wert, sollte
-man denken, als ein paar Dutzend Hummern und
-das erforderliche Zubehör. Ich selbst mußte dies<span class="pagenum"><a id="Seite_54">[54]</a></span>
-zugeben und bekämpfte mannhaft eine vorübergehende
-Trübung meiner Stimmung. »Noch einen
-Tropfen Rum, Herr Eyth!« rief der finstere Redakteur,
-indem er nach der steinernen Flasche griff, die
-neben seinem Tintenfaß stand. »Nein? Das müssen
-Sie noch besser lernen, wenn Sie uns retten wollen.
-Das oder Temperenzler werden. Dazwischen liegt
-nichts. Adieu! Schicken Sie mir, was Sie gedruckt
-haben wollen, schon vor dem Frühstück!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_55">[55]</a></span></p>
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-057.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Wir gingen. Lawrence nahm im Tunnel den
-Knotenstock wieder unter den Arm. Ich bemerkte
-es, weil er mich damit heftig in die Magengegend
-stieß. Es war der Ausdruck seiner Befriedigung.
-Dann lief er weiter, als ob er feurige Kohlen in
-den Stiefeln hätte. »Jetzt rasch, solange wir noch
-warm sind, in die Konkurrenzbude!« sagte er, mehr
-für sich als zu mir. Unser Ziel befand sich in derselben
-Straße, nur zwei »Blocks«, zwei Häuserviertel,
-entfernt; ein prächtiger, noch im Bau begriffener
-Palast, an dessen Steinfront der Titel der
-Zeitung: »<em class="antiqua">The Crescent City News</em>« in goldenen,
-riesengroßen Buchstaben prangte. Eine prachtvolle
-Marmortreppe, deren vergoldete Eisengeländer man
-anzuschrauben im Begriff stand, führte in die hellen,
-luftigen Drucksäle. Alles glänzte und funkelte hier,
-und selbst das Maschinengerassel hatte einen schärferen
-Klang als beim Nachbar. Auch flogen die
-Abendzeitungen nicht unordentlich aus allen Winkeln
-heraus wie dort. Ein schwarz gekleideter Herr
-empfing uns an der Tür eines geräumigen Bureaus,<span class="pagenum"><a id="Seite_56">[56]</a></span>
-wohlwollend und würdig, so daß ich ihn für einen
-Geistlichen zu halten geneigt war. Es war Herr
-Smithson, der erste Redakteur der »Crescent City
-News«. Er war entzückt, Herrn Lawrence zu
-sehen, entzückt, daß Herr Lawrence mich mitgebracht
-hatte, direkt aus England. Er rang mit
-meiner Hand, als ob er sie aus dem Gelenke
-schütteln wollte. »Entzückt, Herr Eyth, Ihre Bekanntschaft
-zu machen. Ein Deutscher aus England,
-höchst interessant! Wie gefällt Ihnen dieses herrliche
-Land?«</p>
-
-<p>Mister Smithson bot uns zwei große, mit
-braunrotem Leder überzogene Armstühle, aber
-keinen Rum an. Ich war ihm wahrhaft dankbar
-dafür, Lawrence dagegen ließ seine Blicke fragend
-im Zimmer umherschweifen: nirgends die Spur
-einer Flasche. Die Tatsache war in die Augen
-springend: Smithson war nicht bloß ein Yankee,
-er war ein Mäßigkeitsapostel. Zum erstenmal
-glaubte ich durchzufühlen, daß Lawrences überwallendes
-Herz ein wenig sank.</p>
-
-<p>Der Redakteur dagegen blieb freudig erregt.
-»Dampfpflüge!« rief er, mir nochmals die Hand
-schüttelnd, »und schon auf dem Wege! Sehr schön!
-Im Begriff zu arbeiten; ausgezeichnet! Dem unglücklichen
-Neger, dem bedrückten Mitbruder die
-Last der Arbeit abzunehmen, welch glücklicher Gedanke;
-welch großes Ziel Ihres Wirkens, Herr
-Eyth! Die Rasse bedarf der Erziehung; unter uns
-muß ich dies zugeben. Aber wie kann sie erzogen<span class="pagenum"><a id="Seite_57">[57]</a></span>
-werden, wenn sie nach wie vor vor den Pflug gespannt
-bleibt, um der alten verkommenen Aristokratie
-des Landes Sklavendienste zu leisten? Ich
-frage Sie, Herr Lawrence, als Mann den Mann,
-als Christ den Christen: Wie wollen Sie den Neger
-erziehen, solange er am Pflug zieht? Da kommt
-Herr Eyth mit seinem Dampfpflug, und die Sache
-ist gemacht. Große Gesichtspunkte; ich halte mich
-an große Gesichtspunkte! Nur indem wir an
-großen Gesichtspunkten festhalten, können wir den
-fürchterlichen Bürgerkrieg zu einem Segen für
-unsern teuren Süden ausgestalten. Nur so wird
-einem Volke von Brüdern die Kraft wiederkehren,
-das sternbesäte Banner der Union über dem unteilbaren
-Kontinent zu schwingen.«</p>
-
-<p>»Das war Mister Eyths Ansicht schon von
-Kindesbeinen an!« rief Lawrence mit Überzeugung.</p>
-
-<p>Smithson drückte auch ihm die Hand. »Dampfpflüge!«
-fuhr er fort, fast ohne Atem zu schöpfen.
-»Ich habe sie längst mit Spannung erwartet. Allerdings
-habe ich noch nie einen gesehen, aber in
-unserm Norden, in Philadelphia, in Cincinnati, in
-Chikago sind in diesem Augenblick Hunderte im
-Gang! Meine Landsleute, Herr Eyth, sind ziemlich
-erfinderisch und warten gewöhnlich nicht darauf,
-was Sie drüben in der Alten Welt machen; &ndash;
-Hunderte!«</p>
-
-<p>»Das heißt,« &ndash; begann ich, bestrebt, ein paar
-Worte einzuschalten, kam aber nicht weiter.</p>
-
-<p>»Das soll uns natürlich nicht hindern, den<span class="pagenum"><a id="Seite_58">[58]</a></span>
-vortrefflichen Apparat gebührend zu würdigen, den
-Sie uns bringen. Sie wünschen natürlich eine
-präliminare, eine hervorragende präliminare Anzeige
-Ihrer Bestrebungen im redaktionellen Teil
-der ›Crescent City News‹. Vortrefflich! Fünfzig
-Cents die Zeile. Die Sache muß diesen Herren
-im Süden eindringlich ans Herz gelegt werden.
-Wie alt sind Sie? Wo sind Sie geboren? Sind
-Sie verheiratet?«</p>
-
-<p>Ich kämpfte abermals, und sichtlich ebenso
-vergebens, gegen diese Art, die Dampfkultur dem
-Publikum näher zu bringen. Auch hier ließ mich
-Lawrence völlig im Stich und hetzte den sprachseligen
-Redakteur nur noch tiefer in seine Forschungen
-nach meinem Stammbaum und nach
-andern Einzelheiten, die für ihn von Interesse gewesen
-wären, wenn ich seine Tochter hätte heiraten
-wollen. Ich ergab mich schließlich und erzählte
-ihm alles, was mir aus meinen Jugendjahren einfiel.
-Er schien befriedigt.</p>
-
-<p>»Sehr schön! Höchst interessant!« rief er schließlich.
-Als ich selbst im besten Zuge war und ihm
-die Herkunft meiner Mutter aus einer Schweizer
-Adelsfamilie erklären wollte, glaubte er genug zu
-wissen und steuerte plötzlich rückwärts. »General
-Longstreet steht an der Spitze der Sache, wie Sie
-mir sagen; ein vortrefflicher Mann, der leider auf
-die falsche Seite geraten ist. Nehmen Sie sich ein
-wenig in acht, Herr Eyth, daß Ihr Dampfpflug
-nicht allzu konföderiert wird. Mister Lawrence<span class="pagenum"><a id="Seite_59">[59]</a></span>
-versteht mich; er kennt beide Seiten; ein vortrefflicher
-Mann, Mister Lawrence! &ndash; Also Longstreet
-wird ein großes Frühstück geben, ehe Sie zu
-pflügen anfangen. Ausgezeichnet! Wir werden
-einen Berichterstatter schicken, wenn ich nicht selbst
-kommen kann. Ich hoffe, ich werde selbst kommen
-können! Doch möchte ich um Limonade bitten; nur
-Limonade für mich! Adieu, Herr Eyth. <em class="antiqua">Time is
-money!</em> Die Rechnung für die heutige redaktionelle
-Anzeige werde ich Ihnen schon morgen zusenden
-können. Es war mir höchst angenehm! Adieu!
-Adieu!«</p>
-
-<p>Damit komplimentierte er uns durch die
-Druckerei.</p>
-
-<p>»Verfluchter Yankee!« brummte Lawrence schon
-auf der Prunktreppe. »Trinkt nur Wasser und
-schwatzt wie ein altes Brunnenrohr. Vor dem
-müssen Sie sich in acht nehmen, Herr Eyth: der
-regelrechte Reisesackpolitikus. Aber es hilft nichts,
-wir brauchen sie alle, solange sie mit Kind und
-Kegel auf unserm Land herumsitzen wie die Heuschrecken.
-Uff! Mister Eyth, wenn Sie vor fünf
-Jahren zu uns gekommen wären, hätten wir
-anders mit dem Herrn geredet. Aber wir brauchen
-sie, Gott sei's geklagt, wir brauchen sie alle!«</p>
-
-<p>Lawrence schleppte mich weiter. Wir besuchten
-die hochdemokratische, das heißt aristokratische
-»Biene«, die republikanischen »Louisiana Times«,
-die neutralen, leicht nach Süden hängenden »Commercial
-News«. Mein treuer Führer schien unermüdlich,<span class="pagenum"><a id="Seite_60">[60]</a></span>
-bis sie alle wußten, wie alt ich sei, wo
-ich geboren wurde und daß ich mich vorläufig nicht
-zu verheiraten gedenke. Zuletzt kamen wir auch
-über die Kanalstraße, in das alte französische Viertel
-der Stadt. Dort, vor einem unansehnlichen Hause
-in der St. Louisstraße, blieb er stehen, wartete, bis
-ich ihn erreicht hatte, denn er war mir gewöhnlich
-zehn Schritte voraus, und sagte:</p>
-
-<p>»So! da können Sie allein hinaufgehen, Herr
-Eyth. Hier hausen Ihre Landsleute, die ›Deutsche
-Zeitung‹. Ich muß jetzt nach meinem Komitee und
-nach Ihrem Preis sehen. Die Sache bekommt
-Hände und Füße, wenn Sie so noch ein paar Stunden
-fortmachen.«</p>
-
-<p>Er trocknete sich den Schweiß von der Stirne,
-und wahrhaftig, er hatte das Recht dazu. Es war
-glühend heiß geworden. Sein Eifer hatte mich
-jedoch angesteckt. Ich wußte jetzt, wie man Redakteure
-besucht, und machte mir nichts daraus,
-auch meinen Landsleuten die offenbar landesübliche
-Aufwartung zu machen.</p>
-
-<p>»Und glauben Sie wirklich, daß Sie das
-Preisausschreiben seitens Ihrer Gesellschaft so rasch
-zustande bringen werden?« fragte ich Lawrence,
-ehe wir uns trennten. Ich konnte meine Zweifel
-noch immer nicht los werden; es ging alles so verblüffend
-geschwind. »Man muß doch wohl eine
-Art Programm ausarbeiten, Bedingungen beraten,
-eine Prüfungskommission aufstellen&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Er unterbrach mich: »Verlassen Sie sich darauf,<span class="pagenum"><a id="Seite_61">[61]</a></span>
-Herr Eyth! Morgen früh lesen Sie das Ausschreiben
-in allen Zeitungen. Was wetten Sie?«</p>
-
-<p>Dies zu hören, war mir außerordentlich lieb.
-Wenn ein Amerikaner so fragt, ist ihm die Sache
-ernst.</p>
-
-<p>»Zehn Dollar!« sagte ich deshalb ohne langes
-Bedenken.</p>
-
-<p>»Sie scheinen kein großes Vertrauen in Ihre
-Zweifel zu haben«, versetzte er lachend und fuhr
-dann mit einer gewissen Feierlichkeit fort: »Gut,
-zehn gegen zehn; Sie lesen das Preisausschreiben
-morgen in allen Zeitungen der Stadt, die täglich
-erscheinen. Eine ehrliche, gradlinige Wette. Ich
-kann sie verlieren, wenn ein Drucker Dummheiten
-macht oder ein Redakteur zu tief in die Whiskyflasche
-sieht, anders nicht. In Hunderten wäre mir
-die Wette lieber gewesen.«</p>
-
-<p>Er machte mit einem Bleistift von einem halben
-Zentimeter Länge eine Notiz auf eine seiner Zuckertüten
-und war schon um die Straßenecke verschwunden,
-als ich die mit Papierfetzen reich geschmückte
-Treppe der »Deutschen Zeitung« hinaufkletterte und
-mit einer Beilage um das linke Bein oben anlangte.
-Es war alles etwas klebrig im Hause, trotz der
-Hitze. In der Druckerei, die kleiner war als die
-andern, die ich heute kennen gelernt hatte, standen
-die Maschinen still. Dagegen schien eine Art Volksversammlung
-stattzufinden. An einen Setztisch gelehnt,
-stand eine teutonische Gestalt von echtem
-Schrot und Korn, mit blonden, wallenden Haaren,<span class="pagenum"><a id="Seite_62">[62]</a></span>
-blauen Augen, einem mächtigen roten Bart. Auch
-der Schnitt ihres Anzugs, namentlich die Weite
-der Beinkleider, verriet etwas vom deutschen Studenten
-der älteren Generation, die noch Ideale
-kannte. Der Herr schien mitten in einer Volksrede
-für fünftausend Zuhörer zu schwimmen und ließ
-sich durch mich, der ich etwa der sechzehnte war,
-nicht unterbrechen.</p>
-
-<p>»Ich wende mich an Sie, meine Herren«, rief
-er, »vertrauensvoll, schmerzbewegt! Wir haben ein
-gemeinsames Ziel: unsre Grundsätze der Wahrheit
-und Freiheit der deutschen Welt unsers großen
-neuen Vaterlandes täglich zu verkündigen, das
-Panier der Gleichheit und Brüderlichkeit, ohne Ansehen
-der Farbe unsrer Leser, im Süden voranzutragen.
-Wir haben dieselben Freuden, dieselben
-Sorgen. Im Schweiß unsers Angesichts haben wir
-wieder vierzehn Tage lang der großen Sache gedient.
-Die Zahl unsrer Abonnenten ist um fünf
-gestiegen; das Ergebnis des Straßenverkaufs hat
-jedoch bedauerlicherweise abgenommen, da unser
-tätigster Austräger samt seinen Freitagsexemplaren
-spurlos verschwunden ist; Fritz Kleile ist mit einem
-kleinen Vorschuß aus unsrer Mitte geschieden, ich
-fürchte, für immer. Sie, meine Herren, waren
-schon gestern berechtigt, den sauer verdienten Lohn
-für Ihr aufopferungsvolles Wirken aus meiner
-Hand zu empfangen. Ich mußte Sie auf heute
-vertrösten. Meine Herren, auch heute ist unsre
-Kasse« &ndash; der Redner hob ein Blechkästchen, das<span class="pagenum"><a id="Seite_63">[63]</a></span>
-neben ihm stand, in die Höhe, öffnete es feierlich
-und zeigte nach allen Seiten das glänzende Vakuum
-seiner Innenseite &ndash; »diese unsre Kasse ist leer!
-Wollen Sie sich gefälligst selbst überzeugen«, fügte er
-in vertraulichem Tone bei, indem er sich an seine
-nächsten Nachbarn, einen grimmigen alten Setzer
-und zwei schmächtige zwölfjährige Jungen, wandte,
-die ihn hungrig ansahen.</p>
-
-<p>»Aber wo der Teufel ist das Geld von gestern?«
-fragte einer der fünfzehn, dessen trockene Kehle
-eigentümlich krächzende Laute hervorbrachte. Der
-Mann war sichtlich übermäßig durstig.</p>
-
-<p>»Sie haben ein Recht, diese Frage aufzuwerfen,
-verehrter Freund!« entgegnete der Redakteur
-mit einem mitleidigen Blick auf den Sprecher.
-»Ich werde sie beantworten. Wir hatten das Unglück,
-gestern abend den Besuch des Geschäftsführers
-unsres Papierlieferanten zu empfangen. Ich stand
-vor der peinlichen Gewißheit, der heutigen Ausgabe
-der ›Deutschen Zeitung von Louisiana‹ papierlos
-entgegensehen zu müssen. Ich hatte die Wahl, den
-nicht ganz unberechtigten Forderungen des unerbittlichen,
-ich darf sagen, herzlosen Geschäftsmenschen
-zu trotzen und damit uns alle zu vernichten oder
-ihm den Inhalt unsrer Kasse einzuhändigen. Da
-gedachte ich Ihrer Seelenstärke, meine Herren, gedachte
-der deutschen Treue, die sich in schweren
-Zeiten seit zwei Jahrtausenden bewährt hat. ›Besser,‹
-sagte ich, ›noch einmal ohne Geld vor meinen Freunden
-zu erscheinen als ohne Papier.‹ Und nun« &ndash;<span class="pagenum"><a id="Seite_64">[64]</a></span>
-der Ton des Redners wurde um eine halbe Oktave
-tiefer, seine Stirne legte sich in Falten und sein
-blonder Haarbusch schien in die Höhe zu steigen &ndash;
-»und nun, meine Leidensgenossen, frage ich Sie.
-Sie selber werden entscheiden. In Ihre Hand lege
-ich das Panier unsrer großen Sache. Wollen Sie
-&ndash; ja oder nein &ndash; wollen Sie nochmals zwei
-Wochen ungelohnt in alter Treue Ihre Pflicht erfüllen?
-Oder wollen wir gemeinsam das sinkende
-Schiff verlassen und jeder für sich an unbekanntem
-Strande eine zweifelhafte Rettung suchen? Im
-ersteren Falle« &ndash; er verfiel plötzlich wieder in den
-gemütlichsten Gesprächston, in welchem er alle wichtigeren
-Teile seiner Rede vorzutragen schien &ndash; »im
-ersteren Falle bekommen Sie vorläufig allerdings
-noch einmal nichts, aber es wird ohne Verzug
-weitergedruckt. Im zweiten Falle schließe ich die
-Bude, und Sie bekommen auch nichts.«</p>
-
-<p>»Weiterdrucken!« riefen die zwei hungrigen
-Jungen mit vor Begeisterung glänzenden Augen.</p>
-
-<p>»Abstimmen!« stöhnte der Durstige.</p>
-
-<p>»Abstimmen!« riefen noch drei oder vier der
-Älteren, und so kam es nach den besten Regeln
-eines in Trübsal geläuterten Parlamentarismus zur
-namentlichen Abstimmung. »Herr Faktor Müller?«
-&ndash; »Weiterdrucken!« &ndash; »Herr Setzer Kunze?« &ndash;
-»Der Teufel hole die ganze Bude samt dem Herrn
-Redakteur; schließen!« &ndash; »Der nächste?« &ndash; »Weiterdrucken!
-&ndash; Weiterdrucken! &ndash; Schließen! &ndash; Weiterdrucken!«
-und so weiter.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_65">[65]</a></span></p>
-
-<p>Die Abstimmung war rasch beendet. Der Redakteur
-tat einen tiefen, theatralischen Atemzug und
-begann wieder: »Meine Herren und Freunde! Das
-Ergebnis unsrer Abstimmung ist das erwartete. Die
-deutsche Treue hat auch auf fremder Erde abermals
-glänzend gesiegt. Sieben Stimmen sind für den
-Schluß der Bude, acht fürs Weiterdrucken. Die
-gute Sache ist gerettet. Wie ein Phönix wird das
-Panier der ›Deutschen Zeitung von Louisiana‹ aus
-der Asche dieser vorübergehenden Prüfung erstehen,
-und Arm in Arm mit dem sternbesäten Banner
-dieses großen und freien Landes« &ndash; er hielt plötzlich
-an, wie wenn ihm etwas Wichtiges eingefallen
-wäre &ndash; »Meine Herren! Ich bitte die Herren
-Setzer, sich an ihre Plätze zu begeben. Es ist die
-höchste Zeit, wenn die Abendzeitung rechtzeitig auf
-die Straße kommen soll. Und, bei Gott, wir müssen
-heute abend etwas Geld haben. Was eingeht,
-wird verteilt. Rasch an die Arbeit, meine Kinder!
-&ndash; Was wünschen Sie?«</p>
-
-<p>Das galt mir. Der kleine Bienenkorb war
-in einer halben Minute in voller Tätigkeit. Der
-Redakteur, Herausgeber und Eigentümer der »Deutschen
-Zeitung von Louisiana« trocknete sich den
-Schweiß von der Stirne und gab mir vorsichtig
-die Hand. Ich war ein Landsmann. Sollte ich
-gekommen sein, ihn anzupumpen?</p>
-
-<p>»Sie kommen in einem nicht ganz glücklichen
-Augenblick, verehrter Herr!« sagte er, ohne jedoch
-im geringsten verlegen zu sein. »Das nennen wir<span class="pagenum"><a id="Seite_66">[66]</a></span>
-den Kampf ums Dasein. Er ist Ihnen vielleicht
-aus den neuesten Schriften eines gewissen Darwin
-bekannt. Hier sehen Sie die Theorien des großen
-Naturforschers <em class="antiqua">in natura</em>.«</p>
-
-<p>»Es war mir höchst interessant, und ich wünsche
-Ihnen Glück zu Ihrem Siege«, sagte ich höflich.
-»Ich verstehe und würdige Ihre freudige Erregung,
-denn auch ich, Herr Doktor,&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Er nickte freundlich.</p>
-
-<p>»&ndash; auch ich bin damit beschäftigt, im Kampf
-ums Dasein ein kleines Gemetzel vorzubereiten.«</p>
-
-<p>»Was? Doch nicht hier bei uns?« rief der
-Redakteur. »Sie haben gehört, wie es augenblicklich
-bei uns steht. Augenblicklich? Der Zustand ist
-chronisch, Verehrtester. Ich kann Sie nicht brauchen!«</p>
-
-<p>»Vielleicht doch«, entgegnete ich zuversichtlich
-und erklärte ihm, um was es sich handle. Jetzt
-erst schüttelte er mir die Hand nach gut amerikanischer
-Art, und dann beide Hände wie ein Deutscher,
-der seinen längst erwarteten Schutzengel gefunden
-hat. Um fünfzig Dollar wollte er meinen
-Dampfpflug über alle Himmel erheben. Um die
-Hälfte, wenn ich sofort bar bezahle. Zwei Artikel
-von je zwei Spalten, die ich morgen selbst liefern
-könne, wenn ich wolle. Dies war in der Tat billig.
-Die Zeitung hatte ohne Zweifel wenig Einfluß und
-keine Abonnenten. Aber &ndash; wer weiß? &ndash; ein
-geschickt geschriebener Artikel aus dem Süden ging
-in andre Zeitungen über. Man war gegenwärtig
-in der ganzen Union neugierig, was in New Orleans<span class="pagenum"><a id="Seite_67">[67]</a></span>
-vorging. Ich legte fünfundzwanzig Dollar auf den
-Tisch, lud den Redakteur zum kommenden Dampfpflugfrühstück
-ein und hatte in Doktor Wurzler
-nach seiner Versicherung den treuesten Freund gewonnen,
-den ich in diesem &ndash; ebenfalls nach Doktor
-Wurzler &ndash; gottverfluchten Süden finden konnte.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Wolken">4. Wolken</h2>
-</div>
-
-<p>Mit all diesen Seitensprüngen war es spät am
-Tage und höchste Zeit geworden, nach der Hauptsache
-zu sehen, von der alles andre abhing. Ein
-hastiges Gabelfrühstück, Mittag- und Abendessen,
-in einheitlicher Zusammensetzung, die eine Wirtschaft
-in der Kanalstraße bot, setzte die menschliche Maschine
-wieder in arbeitsfähigen Zustand. Aber es
-war fast Dämmerung, ehe ich auf die Levees einbog,
-um nach dem »Wilden Westen« zu fahnden.
-Der gewaltige, halbkreisförmige Landungsplatz, den
-der Mississippi gegen die Stadt hin ausgegraben
-und vertieft hat, lag schon in seiner Feierabendstille
-vor mir. Für eingeborene Landratten bleibt ein
-Seehafen, in welcher Form er sich auch darstellt,
-zeitlebens ein Anblick, der das Blut in lebhaftere
-Wallung bringt. Der Bogen der »Levees« von
-New Orleans, der zu einem großartigen Staden
-ausgebauten Schutzdämme der Stadt, macht hiervon
-keine Ausnahme. Man sieht, wie der gewaltige
-Strom schon hier, achtzig Meilen von der See,<span class="pagenum"><a id="Seite_68">[68]</a></span>
-einen großen Kontinent mit den Meeren aller Weltteile
-verbindet. Gegen Norden reiht sich, enggedrängt,
-nur mit den Vorderteilen das Ufer berührend,
-Boot an Boot: die phantastisch verzierten,
-schwimmenden Paläste des Mississippi, des Missouri,
-des Ohio mit ihren Riesenrädern und ihren barock
-gekrönten Doppelschornsteinen; dazwischen auch kleinere
-Dampfer, unter ihrer Last von Baumwollballen
-und Zuckerfässern fast versinkend. Nach Süden
-liegen die Seeschiffe, schwarze, wuchtige Massen,
-die volle Breitseite gegen das Ufer gekehrt, haushoch
-aus dem Wasser ragend, die roten Schraubenflügel,
-unheimlichen Seeungeheuern gleichend, halb
-in der Luft, ihre stumpfen, trutzigen Kamine kaum
-über der Brüstung sichtbar. Noch weiter unten
-liegen die Segelschiffe: Schoner, Brigantinen und
-Dreimaster jeder Art und Größe, die mit ihren
-Rahen und Tauen eine zierliche, wenn auch unentwirrbare
-Filigranarbeit in den goldenen Abendhimmel
-zeichnen. Das sind die Gäste aus der
-Havanna und New York, aus Rio und Quebek,
-aus Genua und Stockholm, aus Liverpool und
-Southampton und vor allem aus der eignen Heimat,
-aus Bremen und Hamburg. Auf den Levees
-selbst, der riesigen Holzplattform, die sich in stattlicher
-Breite und mehrere Meilen lang zwischen
-Fluß und Stadt hinzieht, liegen Hunderte von
-Zuckerfässern, Tausende von Baumwollballen, Pyramide
-an Pyramide von Fäßchen mit gesalzenem
-Schweinefleisch aus Kentucky und Illinois, Berge<span class="pagenum"><a id="Seite_69">[69]</a></span>
-von Mais aus Illinois und Missouri, alles hübsch
-geordnet und aufgestellt wie die Bataillone einer
-Armee, die vor dem Abmarsch ins Feld ihre letzte
-Parade erwartet. Dieses Bild beleben trotz der
-Abendstunde Gruppen von Negern, auf den Ballen
-umherlungernd, unermüdlich schwatzend und lachend,
-und da und dort ein paar Matrosen, die der Stadt
-zueilen, sichtlich entschlossen, mit leeren Taschen und
-schwerem Kopfe zurückzukehren. Doch der Lärm
-der Tagesarbeit war verstummt. Eine schwüle
-Stille lag über dem Ganzen, und der Mond, eine
-blutrote Riesenscheibe, stieg hinter der Stadt zwischen
-den Türmen der Kathedrale des heiligen Ludwig
-auf dem Jacksonsquare langsam in die Höhe.</p>
-
-<p>Wo die Tschapatulastraße in den Landungsplatz
-einmündet, ragte ein gewaltiger, pechschwarzer
-Dampfer über die kleineren Schiffe heraus, die ihn
-umgaben, und sendete noch zarte Rauchwölkchen
-in den Abendhimmel empor. Er hatte die schmucklosen,
-trotzigen Formen englischer Frachtschiffe, die
-man überall auf den ersten Blick erkennt: keinen
-Bogen, keine Krümmung, die nicht unbedingt erforderlich
-war, keinen Farbenfleck, der seine dunkle
-Geschäftsjacke verunziert hätte. Das war mein
-»Wilder Westen«; es war unmöglich, sich zu irren.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_70">[70]</a></span></p>
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-072.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Und in der Tat, am Fuß der haushohen
-Schiffswand, die fensterlos und senkrecht von der
-Landungsplattform aufstieg, standen schon in wildem
-Gewirr etliche dreißig wuchtige Kisten, ein Lokomotivkessel,
-ein halbes Dutzend schmiedeeiserner,<span class="pagenum"><a id="Seite_71">[71]</a></span>
-walzenförmiger Riesenräder, wie sie auf dem leichten
-Bretterboden der Levees noch nie gesehen worden
-waren. Der »Wilde Westen«, das war klar, ließ
-sich nicht viel Zeit. Die Kisten und Räder gehörten
-mir; mein Dampfpflug war schon halb ausgeladen.
-Da er als Deckladung herüberkam, war er das
-erste, was das Schiff ans Land setzen mußte. In
-reiner Freude kletterte ich über die Kisten und
-feierte ein kleines Wiedersehen; ich war zu Hause
-in diesem zyklopischen Wirrwarr.</p>
-
-<p>»Hallo! Wer ist da drunten?« schallte plötzlich
-hoch über mir eine scharfe Stimme, und ein Kopf
-erschien über der Schiffsbrüstung. »Wozu krabbeln
-Sie auf den Kisten herum?«</p>
-
-<p>»Eigentümer der Kisten!« schrie ich hinauf.</p>
-
-<p>»Gut, daß Sie kommen!« rief es zurück.
-»Wir brauchen Platz. Morgen früh müssen sie
-abgefahren sein.«</p>
-
-<p>»Na, so geschwind schießen die Preußen nicht!«
-rief ich hinauf, mich in meinem Kistenheimatsgefühl
-ein wenig vergessend.</p>
-
-<p>»Was?« brüllte es herunter.</p>
-
-<p>»So schnell werden die Nigger von Louisiana
-nicht kutschieren«, übersetzte ich dem Mann, der
-jetzt am Nachthimmel etwas deutlicher zu sehen
-war. »Haben Sie einen Engländer mitgebracht,
-einen Monteur?«</p>
-
-<p>»Nicht daß ich wüßte«, war die Antwort.</p>
-
-<p>»Was!« schrie ich entsetzt, »keinen Monteur
-von Fowler aus Leeds? Einen Passagier, James<span class="pagenum"><a id="Seite_72">[72]</a></span>
-Parker. Sie <em class="gesperrt">müssen</em> einen Passagier mitgebracht
-haben.«</p>
-
-<p>»Wir führen keine Passagiere. Nur manchmal
-&ndash; aus Gefälligkeit &ndash; ausnahmsweise!« erklärte
-der Mann von oben.</p>
-
-<p>»Dann ausnahmsweise! Sie müssen James
-Parker an Bord haben! Den Mann, der zu den
-Maschinen gehört!« Ich bestand darauf und fühlte,
-daß ich zornig wurde.</p>
-
-<p>»Mein guter Herr,« rief es begütigend zurück,
-»ich bin der Zahlmeister des ›Wilden Westens‹ und
-sollte es wissen. Wir haben ausnahmsweise einen
-Methodistenpfarrer mitgenommen und seine zwei
-Töchter. Wenn Ihnen mit diesen gedient ist &ndash; aber
-sie sind aus Bradford.«</p>
-
-<p>»Also keinen Monteur, der zu den Kisten gehört?«
-rief ich nochmals hinauf und fühlte, daß
-mich die Kraft meiner Lungen verließ.</p>
-
-<p>»Keinen Monteur!« tönte es wie aus weiter
-Ferne zurück. Der Kopf des Zahlmeisters war
-verschwunden.</p>
-
-<p>Ich setzte mich und dachte nach. Also kein
-Monteur, kein Brief, keine Erklärung nach der
-feierlichen Zusage, daß Parker mit den Kisten ankommen
-solle! Was konnten sie in Leeds gedacht
-haben? Wußten sie doch so gut als ich, daß kein
-einzelner Mann mit seinen zwei Händen einen
-Doppelmaschinendampfpflug in Bewegung setzen
-kann, der sich vom ersten Tag an wenigstens leidlich
-präsentieren sollte. Es handelte sich hier, wenn<span class="pagenum"><a id="Seite_73">[73]</a></span>
-der Himmel nicht eingriff, um eine physische Unmöglichkeit.</p>
-
-<p>Die Kisten um mich her, die jetzt der Mond
-grell beleuchtete, wuchsen mit ihren schwarzen, viereckigen
-Schatten ins Ungeheure; um das offene,
-rot angestrichene Feuerloch des ausgeladenen Kessels
-spielte ein dämonisches Lächeln. Ich kochte vor
-Zorn. Was konnten sie in Leeds gedacht haben?
-Mich so hinzusetzen! Aber ich kam nicht über die
-Frage hinaus. Über mir begannen die Sterne zu
-funkeln, still und friedlich, als ob hier unten alles
-in Ordnung wäre. Der reinste Hohn!</p>
-
-<p>»Was machen Sie da droben?« näselte jetzt
-eine grätige Yankeestimme von unten, die zu einem
-herumlungernden Schutzmann gehörte, der wahrscheinlich
-an der Nachtwache der Levees beteiligt war.</p>
-
-<p>»Luft schöpfen! Eigentümer!« brummte ich,
-ohne Anstrengung, so mürrisch als möglich.</p>
-
-<p>»Gut, daß Sie kommen!« sagte auch dieser
-Mann. »Die Kisten müssen morgen früh von der
-Levee abgefahren werden, Mister! Und so schnell
-als möglich. Die Levees sind für Baumwolle gebaut,
-nicht für vierschrötige Eisenklumpen wie diese
-Engländer.« &ndash; Er klopfte entrüstet auf meine
-Kisten. &ndash; »Die Fundamentpfähle sind heute abend
-schon um drei Zoll gesunken, sagt der Levee-Inspektor.
-Sie werden eine gesalzene Rechnung bekommen,
-Mister Eigentümer! Wenn die Bohlen
-brechen, ist der Teufel los.«</p>
-
-<p>Ich hütete mich, zu antworten, und schlüpfte<span class="pagenum"><a id="Seite_74">[74]</a></span>
-lautlos von meiner mondbeglänzten Höhe auf der
-andern Seite des Kistengebirgs in die Tiefe.</p>
-
-<p>Fünf Minuten später sah man entlang der
-finsteren Schattenseite der Tschapatulastraße einen
-Mann, den Hut über die Augen gedrückt, mit gesenktem
-Kopfe langsam seiner Wohnung zusteuern.
-Manchmal murmelte er halblaut vor sich hin. Dann
-versank er wieder in stummes Nachdenken. Der
-Mann war ich.</p>
-
-<p>Und ich fühlte nur eins: noch ehe ich heute
-einschlief, mußte ich wissen, was am nächsten Morgen
-zu geschehen hatte.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Arbeitstage">5. Arbeitstage</h2>
-</div>
-
-<p>Ein kurzer, tiefer Schlaf tat das übrige.</p>
-
-<p>Mit beiden Füßen sprang ich in den jungen
-Tag; ich wußte jetzt, was zu tun war. Zuerst
-mußte Kapitän Owen aufgefunden werden. Die
-seine war die einzige Adresse einer Privatwohnung
-in der Stadt, die ich kannte. Auf dem Wege sang
-ich eine meiner Schlachthymnen, aber nur und
-wiederholt, den ernsten Zeiten entsprechend, ihren
-dritten Vers: »Und wenn die Welt voll Teufel
-wär'!« Er war mir schon als kleiner, ahnungsloser
-Junge der liebste gewesen und hat mir im
-späteren Leben mehr als einmal treulich gedient,
-wenn ich nicht mehr genau wußte, wo hinaus?
-Warum auch nicht? Hatte ich nicht ein Recht zu<span class="pagenum"><a id="Seite_75">[75]</a></span>
-dem Vers, so gut als ein andrer? Stand ich nicht
-seit Jahren mitten in einer Art von Bodenreformation,
-in der »der arg' böse Feind« oft genug
-sein Wesen trieb?</p>
-
-<p>Sie sind im allgemeinen keine Langschläfer in
-New Orleans. Der frühe Morgen ist der beste
-Teil des Tages an den Bayous des Mississippi.
-Doch schlief Owen noch, als ich versuchte, ihm die
-Adresse der nächsten besten Maschinenfabrik zu entlocken,
-und war, sich die Augen reibend, über
-meinen Besuch nicht wenig erstaunt. Eine halbe
-Stunde später stand ich in einem fast leeren Fabrikhof,
-der müde und lebenssatt aussah. Wie alles
-in der Stadt, war das Geschäft halb bankrott und
-hatte keinen Mangel an müßigen Arbeitern. Man
-ließ mir die Wahl. Nach weiteren dreißig Minuten
-hatte ich zwei junge Monteure ausgesucht &ndash; der
-eine war allerdings, wie sich später herausstellte,
-ein gelernter Schneider &ndash;, die mit Brechstangen,
-Hämmern und Meißeln bewaffnet hinter mir drein
-liefen. Auf den Levees war alles schon voll Leben.
-Zuckerfässer rollten hin und her, Baumwollballen
-flogen durch die Lüfte. Dampfer rauchten und
-spieen Wasser und Feuer aus. Geschrei, Gerassel
-und dröhnendes Gepolter auf dem hohlen Bretterboden
-in allen Richtungen. Hunderte von Negern
-aller Schattierungen, darunter wahre Herkulesse,
-rollten im Eifer der Arbeit lachend über die Ballen
-oder sprangen singend hinter den Fässern her. Es
-wurde viel und kräftig geflucht; aber auch des<span class="pagenum"><a id="Seite_76">[76]</a></span>
-Herrn Lob erschallte in wundersamen Liedern unter
-Lachen und Gejauchze. »Wir gehen alle über den
-Jordan &ndash; o Jerusalem!« war ein besonders beliebter
-Kehrreim der Ernstergesinnten. Den Schwarzen war
-es in diesen Morgenstunden sichtlich wohler als ihren
-einstigen weißen Herren.</p>
-
-<p>Auch auf dem Deck des »Wilden Westen« war
-schon alles in Bewegung. Mein zweiter Kessel
-schwebte an einem kräftigen Schiffskranen hoch in
-der Luft, machte eine elegante Schwenkung über
-Bord, als sei ihm das Fliegen zeitlebens eine liebe
-Gewohnheit gewesen, und sank in der nächsten
-Minute auf die krachende Levee nieder. In zehn
-Minuten hatte ich sechs Neger, Jem, Jo, Jack,
-Kato, Alexander und Bucephalus, in meine Dienste
-genommen. Neugierig und energisch machten sie
-sich daran, die Deckel der Kisten aufzureißen, die
-ich den Monteuren bezeichnete, und die blanken
-Stangen und Wellen, die schweren Lager und
-Ständer aus den Spänen herauszuschälen, welche
-sich in gewaltigen Haufen um uns auftürmten.
-Vor der Frühstücksstunde noch war mein Trüpplein
-im besten Zuge; mir selbst begann es ganz leicht
-ums Herz zu werden. Dazu kam noch »Lawrences
-Bruder«, der schon in der Ferne eine Zeitung in
-der Luft schwenkte, als er den »Wilden Westen«
-und mich entdeckt hatte.</p>
-
-<p>»Sie haben verloren, Mister Eyth, Sie haben
-verloren!« rief er aus weiter Ferne. »Geben Sie
-mir zehn Dollar und hören Sie zu!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_77">[77]</a></span></p>
-
-<p>Er kletterte auf eine der Kisten, setzte sich,
-entfaltete die nasse Morgenzeitung und las:</p>
-
-<p>»›Die berühmte und stets auf das Wohl unsres
-Staates bedachte Landwirtschaftsgesellschaft von
-Louisiana hat sich entschlossen, den beträchtlichen
-Preis von siebenhundertundfünfzig Dollar für den
-besten Dampfpflug zur Bearbeitung von Baumwoll-
-und Zuckerland auszusetzen. Man hofft mit Recht,
-auf diese Weise der unglaublichen Not des Südens,
-dem Mangel an Arbeitskräften jeder Art, für alle
-Zeiten abhelfen zu können. Wie wir hören, soll
-sich bereits ein Bewerber für diesen ansehnlichen
-Preis eingestellt und am Fuß der Tschapatulastraße
-seine Vorbereitungen begonnen haben. Ehre einer
-Gesellschaft, die auch in den schwersten Zeiten Mut
-und Tatkraft bewahrt, an dem Wiederaufbau und
-der Wohlfahrt unsres glorreichen Südens weiterarbeiten
-zu können!‹ &ndash; Wie gefällt <span id="corr077">Ihnen</span> das?
-Sie brauchen die andern Zeitungen nicht nachzusehen.
-Sie bringen alle denselben packenden Artikel,
-den ich und unser Geschäftsführer noch gestern
-nacht ausgebrütet haben. Er wollte zuerst nicht
-recht dran; die Komiteesitzung kann erst übermorgen
-stattfinden, und so ist eigentlich noch nichts
-beschlossen. Merken Sie allmählich, daß Sie in
-Amerika sind?«</p>
-
-<p>»Merken Sie, daß Sie auf einer englischen
-Maschine sitzen?« antwortete ich vergnügt, indem
-ich gleichzeitig Bucephalus anwies, meinem Freund
-eine Brechstange zwischen die Beine zu stoßen, denn<span class="pagenum"><a id="Seite_78">[78]</a></span>
-er saß auf der Kiste, die ich vor allen andern geöffnet
-haben wollte. Bucephalus war energisch,
-aber etwas ungeschickt. Lawrence sprang deshalb
-mit jugendlicher Behendigkeit in die Höhe, um dem
-gefährlichen Stoß zu entgehen.</p>
-
-<p>»Und sehen Sie, da kommen Sie selbst!« rief
-er aus der Zeitung heraus, seinen Knotenstock
-schwingend, ohne jedoch den Zwischenfall eines
-weiteren Wortes zu würdigen.</p>
-
-<p>»Frühstück, Frühstück!« schrieen die Neger,
-während ein halbes Dutzend Glocken und hundert
-heulende Dampfpfeifen entlang der ganzen Levee
-einen infernalischen Lärm erhoben. Ein paar Stunden
-nüchterner Morgenbeschäftigung mit dreiundfünfzig
-Kisten eines demontierten Dampfpflugs verfehlen
-ihre appetiterregende Wirkung auch in einem halbtropischen
-Lande nicht. Ich war deshalb mit den
-Negern völlig einverstanden und bat Lawrence, mir
-Gesellschaft zu leisten. Er kannte eine Wirtschaft in
-unmittelbarer Nähe, wo wir unter Schiffskapitänen,
-Baumwollmaklern und Zuckerbörsenleuten rasch ein
-Tischchen und ein »elegantes« Frühstück fanden.
-Als Beilage las er mir eifrig die Morgenzeitungen
-vor, deren Inhalt, soweit er unsre Sache betraf,
-ihn sichtlich mit dem erhebenden Gefühl der Vaterschaft
-beglückte.</p>
-
-<p>Der »Picayune« erzählte in Sperrdruck:</p>
-
-<p>»Wir hatten gestern das Vergnügen, den Besuch
-des Herrn Eyth, des gentlemännlichen Vertreters
-der großen englischen Firma John Fowler &amp; Co.<span class="pagenum"><a id="Seite_79">[79]</a></span>
-von Leeds und London, zu erhalten, der uns
-von dem Bruder unsres großen Zuckerplantagenbesitzers,
-Herrn Henry Lawrence, freundlich zugeführt
-wurde. Herr Eyth beabsichtigt, durch die
-Einführung der weltberühmten Dampfpflüge seiner
-Firma, die alles bisher Dagewesene übertreffen
-sollen, an der Regeneration des Südens mitzuwirken,
-und wird damit voraussichtlich in wenigen
-Tagen im Ausstellungspark der Landwirtschaftsgesellschaft
-von Louisiana den Anfang machen. General
-Longstreet und die hervorragendsten Männer unsres
-Staats nehmen den lebhaftesten Anteil an seiner
-Tätigkeit. Sein Pflug soll stündlich fünf Acker des
-schwersten Zuckerbodens auf eine Tiefe umbrechen,
-die nach der Versicherung unsres Freundes, Herrn
-Lawrence, von sechs Paar Ochsen nicht erreicht
-wird. In liebenswürdigster Weise teilte uns Herr
-Eyth mit, daß er ein Deutscher von Geburt und,
-im Gegensatz zur Mehrzahl seiner übrigens hochachtbaren
-Landsleute, der Sache der Südstaaten
-stets aufs wärmste zugetan gewesen sei. Hochinteressant
-finden wir, daß Herr Eyth aus einer
-alten Schweizer Fürstenfamilie abstammt und daß
-er in einem mittelalterlichen Männerkloster seines
-Vaterlandes das Licht der Welt erblickte. Der
-letztere Punkt bedarf jedoch noch der Aufklärung.
-Trotz dieser geheimnisvollen und hochromantischen
-Vergangenheit scheint Herr Eyth ein lebhaftes Verständnis
-für die modernen Verhältnisse unsres glorreichen
-Vaterlandes mit nicht gewöhnlicher Geschäftsenergie<span class="pagenum"><a id="Seite_80">[80]</a></span>
-zu verbinden. Unsre geschätzten Leserinnen
-dürfte es jedoch mehr interessieren, zu vernehmen,
-daß Herr Eyth durch keine zarten Bande an den
-alten Kontinent geknüpft ist und nicht unweigerlich
-an den klösterlichen Grundsätzen seiner Jugend festzuhalten
-gedenkt. Wir wünschen ihm in dieser und
-jeder andern Beziehung einen erfolgreichen Aufenthalt
-in den wieder auflebenden Golfstaaten.«</p>
-
-<p>»Das ist gut, das ist sehr gut für einen Anfang!«
-meinte Lawrence. »Sie werden sehen, unsre
-schönen Kreolinnen werden sich nach Ihnen umsehen;
-das kann nichts schaden. &ndash; Weiter!«</p>
-
-<p>Er griff nach dem »Crescent City News«.
-Der Anfang des Artikels der republikanischen Zeitung,
-den er mit raschem Kennerblick gefunden
-hatte, war nahezu der gleiche. Auch hier war der
-Vertreter der großen Firma von John Fowler &amp; Co.
-vor allen Dingen »gentlemanly«, ein Ausdruck südlichen
-Zeitungsstils, dem kaum jemand entgeht, und
-den ich oben in der Not mit »gentlemännlich« zu
-übersetzen suchte. Geboren war ich hier, nach meinen
-eignen liebenswürdigen Mitteilungen, in den Tiefen
-des Schwarzwalds und der Rauhen Alb, wo mein
-Vater, »wenn wir Herrn Eyth, der ein Deutscher
-ist, richtig verstanden haben, teils dem Holzhandel,
-teils der schon von Tacitus erwähnten Jagd auf
-Bären und Wölfe oblag. Schon von Jugend an
-hatte deshalb Herr Eyth eine fast schwärmerische
-Zuneigung für das große Amerika, namentlich aber
-für unsern lebenskräftigen Norden, der in dem soeben<span class="pagenum"><a id="Seite_81">[81]</a></span>
-glorreich zu Ende geführten Kampf seine
-Stärke und seinen gesunden Sinn zum Wohle des
-Ganzen mit blutiger Energie bewährt hat. Die
-Jugendzeit, verbracht in der finsteren Einsamkeit
-primitiver Wälder, mag auch die Ursache gewesen
-sein, daß der übrigens nicht unsympathische Vertreter
-der englischen Firma, dessen politische Ansichten
-im Gegensatz zu der in England herrschenden
-bedauerlichen Stimmung durchaus korrekt zu sein
-scheinen, sein Geschick noch nicht mit dem Rosenband
-einer glücklichen Liebe umwunden hat. Eigentümlicher
-ist, daß die englische Firma es für nötig
-hält, dem erfindungsreichen Amerika, das in nichts,
-somit auch nicht in Dampfpflügen, hinter irgendwelchem
-Lande zurücksteht &ndash; wir machen nur auf
-die Dampfkulturgeräte in Pennsylvanien, in Ohio,
-in Illinois und neuerdings auch in Kalifornien aufmerksam
-&ndash;, derartige Apparate uns zusenden zu
-müssen glaubt. Ihre Nützlichkeit bleibe hierbei unbestritten.
-Wir zweifeln keinen Augenblick, daß
-Herr Eyth, dessen offener Blick uns sofort sympathisch
-berührte, mannigfach und reichlich belehrt zu
-seinen englischen Freunden zurückkehren wird, und
-wünschen ihm hierzu wie in jeder andern Beziehung
-den besten Erfolg.«</p>
-
-<p>»Ein verfluchter Yankee!« meinte Lawrence,
-ohne große Aufregung, während ich, etwas grimmiger
-als er, ein Beefsteak von landesüblicher
-Zähigkeit zersäbelte. Sämtliche sieben Morgenblätter
-brachten ähnliche Aufsätze, so daß sich seitdem sieben<span class="pagenum"><a id="Seite_82">[82]</a></span>
-verschiedene Städte um die Ehre streiten können,
-meine Wiege beherbergt zu haben. Alle aber
-waren in einem Punkte einig: daß meinem armen,
-unschuldigen Dampfpflug eine hervorragende politische
-Rolle zukomme. Ein unverkennbarer, wenn
-auch leichter Hang gegen den demokratischen Süden
-schien von der einen Seite das höchste Lob, von
-der andern den schärfsten Tadel zu verdienen. Nur
-mit Rücksicht auf das noch nicht ganz ausgesprochene
-pekuniäre Verhalten des sympathischen Vertreters
-der Firma John Fowler &amp; Co. legten sich die
-kleineren Blätter noch einige Zurückhaltung auf.
-Das Beefsteak aus Texas war wirklich zu zäh;
-ich warf Messer und Gabel weg und stand auf.</p>
-
-<p>»Lieber Herr Eyth,« sagte Lawrence, der meine
-Verstimmung kopfschüttelnd bemerkte, »an das
-müssen Sie sich gewöhnen, wenn es Ihnen bei uns
-wohl werden soll. Es tut nicht weh, sobald man's
-gewöhnt ist. Was Sie zu tun haben, ist, Ihren
-Pflug auszupacken. Je mehr man über Sie schimpft,
-um so besser. Man wird auf Sie aufmerksam; das
-ist alles, was Sie brauchen, und kostet Sie nichts.
-Übrigens läßt sich die Sache auch sehr leicht in
-Ihrem Sinn regeln. Ich will Ihnen das besorgen.
-Wieviel wollen Sie an die ›Crescent City News‹
-rücken?«</p>
-
-<p>»Keinen roten Cent!« rief ich grimmig, indem
-ich unser Frühstück bezahlte.</p>
-
-<p>»Sie sind aufgeregt!« meinte Lawrence begütigend.
-»Das ist nicht gut. Kühl bleiben ist die<span class="pagenum"><a id="Seite_83">[83]</a></span>
-erste Regel des Lebens, namentlich im Süden und
-heutzutage. Wir wären alle besser dran, wenn wir
-sie vor fünf Jahren mehr beherzigt hätten.«</p>
-
-<p>Ich ging wieder nach den Levees, dem »Wilden
-Westen« zu. Ein gewaltiger Menschenhaufen umstand
-jetzt die Ausladestelle des Schiffs. Im Kern
-des Knäuels schien es lebhaft zuzugehen. Meine
-sechs Neger hatten sich auf die übereinandergetürmten
-Kisten geflüchtet und verteidigten ihre günstige
-Stellung mit rühmlicher Hartnäckigkeit. Zoll-
-und Leveebeamte waren die Angreifer. Das unparteiische
-Publikum begrüßte jede Wendung des
-Wortgefechts mit lauten Lachsalven.</p>
-
-<p>»Herunter von den Kisten!« schrie ein bärtiger
-Mann, der in Reste einer unbekannten Uniform
-gekleidet war. »Herunter, verdammte Nigger! Die
-ganze Bagage muß in dreißig Minuten verschwunden
-sein. Nichts darf auf den Levees ausgepackt werden.
-Fort mit dem Zeug!«</p>
-
-<p>Der aufgeregte Herr hatte eine Hilfstruppe
-von drei Mann in Zivil, die nach den nackten
-Beinen meiner Neger griffen. Eine Brechstange,
-welche zufällig auf die Finger eines der Angreifer
-fiel, veranlaßte die heftige Fortsetzung des bloßen
-Wortgefechts. Ich drängte mich durch.</p>
-
-<p>»Hier ist unser Herr!« schrieen die Neger
-triumphierend. »Hurra für Alt-Dixies Land!«</p>
-
-<p>Der Levee-Inspektor wandte sich zornig an mich.</p>
-
-<p>»Wissen Sie nicht, Mister, daß nichts auf den
-Levees montiert werden darf?« fragte er mich mit<span class="pagenum"><a id="Seite_84">[84]</a></span>
-ausgesprochener Unhöflichkeit. »Wollen Sie Ihren
-Kram fortführen?«</p>
-
-<p>»Wollen <em class="gesperrt">Sie</em> ihn fortführen?« fragte ich mit
-völlig wiedergewonnener Ruhe, seitdem ich die Zeitungen
-nicht mehr sah. »Soll ich ein paar Kesselwagen
-und zwanzig Pferde auf Ihren Tanzboden
-bringen lassen und die alten Bohlen durchbrechen?«</p>
-
-<p>Er starrte mich an.</p>
-
-<p>»Seien Sie vernünftig und lassen Sie mich
-machen«, fuhr ich zutraulich fort. »Ich vermute,
-ich verstehe mein Geschäft besser als Sie. Zum
-Vergnügen bleibe ich nicht hier. Ich bringe meine
-Sachen weg, so schnell ich kann. Mehr kann auch
-ein Yankee nicht tun, soviel ich weiß.«</p>
-
-<p>»Aber es ist gegen das Gesetz; es darf auf
-den Levees nichts montiert werden«, erklärte mein
-Gegner.</p>
-
-<p>»Was wollen Sie machen?« fragte ich ruhig.
-»Es gibt nur einen Weg, die Sachen fortzuschaffen:
-ich montiere meine Maschinen, mache Dampf in
-den Kesseln und fahre davon, wie es bis jetzt überall
-gehalten wurde. Haben Sie noch nie von einem
-Dampfpflug gehört? Wenn Sie's besser wissen,
-greifen Sie zu. Ich werde Ihnen sehr dankbar
-sein.«</p>
-
-<p>»Aber die Instruktionen, das Gesetz!« rief er,
-etwas kleinlauter. »Donnerwetter, ich bin hier, um
-Ordnung zu halten.«</p>
-
-<p>»Was wollen Sie machen?« wiederholte ich.
-»Ich stelle die Ordnung auf dem schnellsten Weg<span class="pagenum"><a id="Seite_85">[85]</a></span>
-her, der überhaupt möglich ist. Sehen Sie das
-nicht?«</p>
-
-<p>Er starrte mich aufs neue fragend an, dann
-die Kessel, dann die dreiundfünfzig Kisten.</p>
-
-<p>»Was will ich machen?« fragte er endlich,
-sehr nachdenklich werdend.</p>
-
-<p>»Ich will Ihnen das andeuten!« antwortete
-ich und drückte ihm zwei Fünfdollarscheine in die
-Hand. »Dort an der Ecke ist ein Biersalon. Von
-dort aus können Sie die Fortschritte, die wir
-machen, genau kontrollieren. Wenn Ihnen die Sache
-nicht flott genug zu gehen scheint, so wenden Sie
-sich nur gütigst an mich. Wir wollen schon Ordnung
-halten, Sie und ich.«</p>
-
-<p>Er lachte befriedigt. »Vorwärts, Jungen!« rief
-er seinen Hilfstruppen zu. »Dieser Herr ist ein
-Gentleman. Guten Morgen, Sir!«</p>
-
-<p>Die vier Mann des Gesetzes marschierten in
-geradester Linie dem angedeuteten Biersalon zu und
-erschienen erst am folgenden Morgen wieder, um
-sich weitere Instruktionen zu holen, die mich fünf
-Dollars täglich kosteten. »Billig!« meinte Lawrence.
-»Sie machen Fortschritte. Aus Ihnen kann schon
-noch etwas werden.«</p>
-
-<p>Gegen Abend stand der erste der zwei Kessel
-auf seinen vier Straßenrädern. Meine Negertruppe
-hatte sich auf zwölf Mann vermehrt, die mit wachsendem
-Stolz ihr eignes Werk betrachtete. Auch die
-Zeitungsartikel hatten sichtlich schon gewirkt. Wir
-bekamen Besuche von Herren, denen der »Picayune«<span class="pagenum"><a id="Seite_86">[86]</a></span>
-aus der hinteren Rocktasche sah, und die viertelstundenlang
-still beobachtend unter meinen Kisten
-und Kasten herumstöberten. Keiner versäumte, die
-Breite der mächtigen Fahrräder mit den ausgespreizten
-Fingern beider Hände abzugreifen. Die
-meisten zogen hierauf verstohlen einen Maßstab aus
-der Tasche, steckten ihn aber rasch wieder ein, wenn
-sie bemerkten, daß sie beobachtet wurden. Dann
-kamen sie gewöhnlich etwas verlegen an mich
-heran.</p>
-
-<p>»Dies soll wohl der neue englische Dampfpflug
-sein?« begann die Unterhaltung.</p>
-
-<p>»Jawohl!« antwortete ich zuvorkommend. »In
-einigen Tagen werden Sie deutlicher sehen, wie
-das alles zusammenhängt. Vorläufig sind es nur
-zerbrochene Kisten.«</p>
-
-<p>»Ich denke, ich könnte wesentliche Verbesserungen
-in Vorschlag bringen«, war fast regelmäßig
-die nächste Bemerkung, und dann, wenn ich hierauf
-nicht einging, studierte der Mann mit dem Ausdruck
-wohlwollenden Mitleids in seinem intelligenten
-Gesicht weiter.</p>
-
-<p>Einer derselben hatte in dieser Weise mehrere
-Stunden des Nachmittags zugebracht, ehe er sich
-an mich wandte, ein Mann von mittleren Jahren,
-in schwarzem Anzug, mit einem scharfen Yankeegesicht,
-das seinen nördlichen Ursprung nicht verleugnete.
-Erst am Schluß der Arbeit, als ich die
-Neger unsre Winden, Hebel und Brechstangen für
-die Nacht zusammenstellen ließ, kam auch dieser<span class="pagenum"><a id="Seite_87">[87]</a></span>
-Herr mit seinem: »Dies ist wohl der neue englische
-Dampfpflug?« an mich heran.</p>
-
-<p>»Jawohl,« sagte ich, »in einigen Tagen werden
-Sie deutlicher&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>Er unterbrach mich mit einem leisen, nicht unfeinen
-Lächeln um den zusammengepreßten Mund.
-Er hatte meine Antwort wohl schon mehrmals gehört
-und wollte mir die weitere Mühe ersparen.</p>
-
-<p>»Ich bin Maschinenbauer«, sagte er, »und
-habe eine Stellung bei den städtischen Wasserwerken
-in Aussicht. Augenblicklich habe ich nichts zu tun
-und Langeweile. Lassen Sie mich mitarbeiten.«</p>
-
-<p>»Aber ich habe die Leute, die ich gebrauche«,
-bemerkte ich.</p>
-
-<p>»Ohne Lohn«, antwortete er. »Ich habe genügend
-Geld und muß fünf Wochen warten, ehe
-ich bei den Wasserwerken eintreten kann. Ihr
-Pflug würde mich unterhalten.«</p>
-
-<p>»Sehr hübsch!« sagte ich, etwas mißtrauisch.
-»Sie wollen ihn wohl verbessern?«</p>
-
-<p>Er lächelte wieder, kaum merklich.</p>
-
-<p>»Ich bin ein praktischer Maschinenbauer von
-Beruf«, versicherte er, »und mit dem Verbessern
-nicht so rasch bei der Hand. Aber ich möchte sehen,
-was sie im alten Land drüben zuwege gebracht
-haben, und will dafür arbeiten. Versuchen Sie mich.«</p>
-
-<p>»Ich lasse niemand gerne umsonst für mich
-arbeiten; das bezahlt sich nicht«, versetzte ich. »Und
-ich bin nicht in der Lage, Ihnen so viel zu geben,
-als Sie, wie mir scheint, beanspruchen können.<span class="pagenum"><a id="Seite_88">[88]</a></span>
-Die zwei Monteure der Ankerwerke, die Sie hier
-sehen, werde ich zurücksenden, sobald die Maschinen
-zusammengestellt sind. Dann will und werde ich
-mit den Schwarzen auskommen. Ich kann Ihnen
-deshalb nicht mehr zahlen, als ich einem dieser
-Leute gebe: zwei Dollars den Tag.«</p>
-
-<p>»Ganz vernünftig!« sagte der Amerikaner
-trocken. »Ich heiße Stone. Morgen früh werde
-ich hier sein.«</p>
-
-<p>Der Mann in seiner ruhigen, geraden Weise
-gefiel mir wohl. Es gibt doch auch in diesem
-kuriosen Lande vernünftige Menschen, überlegte ich.
-Wenn sie Dampfpflügen lernen wollen, um so besser;
-Hunderte müssen es lernen, ehe ich hier fertig sein
-kann. Geheimnisse gibt es bei der Dampfpflügerei
-kaum. Die es gibt, lernt man nur in ein paar
-Jahren harter Arbeit, zu der mir jeder Yankee
-willkommen sein soll. &ndash; Der Horizont fing an sich
-ein wenig aufzuhellen und der Mut mir fühlbar
-zu wachsen, als ich in der Abenddämmerung einen
-letzten Blick über die Levees warf und den Schornstein
-der ersten meiner Maschinen über die Baumwollballengebirge
-hervorragen sah. Ich hatte ihn
-bloß zu diesem Zweck im letzten Augenblick noch
-aufstellen lassen. Es war unsre Standarte, die ich
-auf dem Boden von Louisiana <span id="corr088">aufgepflanzt</span> sah, und
-die Hoffnungen, die ein solches Zeichen weckt, erfrischen,
-auch wenn sie niemals in Erfüllung gehen.</p>
-
-<p>Die nächsten fünf Tage verliefen in gewohnter
-Arbeit, wenn auch in etwas ungewohntem Geleise.<span class="pagenum"><a id="Seite_89">[89]</a></span>
-Stone war eine große Errungenschaft und arbeitete
-fleißig mit Kopf und Händen. Bei den Negern
-war die Neugierde und der Eifer des ersten Tages
-allerdings rasch verdampft, aber die gutmütige und
-gutwillige Kraft des Herrn Bucephalus und die
-naseweise Intelligenz des kleinen Jem, der als der
-Schlauste der Bande die andern mit komischer Überhebung
-kommandierte, förderte die Zusammenstellung
-der Maschinen so, daß die Arbeit hinter dem üblichen
-Tempo nicht zurückblieb. Der junge Owen
-besuchte uns gelegentlich, beschäftigte sich aber allerdings
-ausschließlich mit dem geplanten Frühstück,
-mit dem der erste englische Dampfpflug auf dem
-Boden der Südstaaten seine rettende Tätigkeit beginnen
-sollte. Ich war hierfür von Herzen dankbar
-und überließ ihm mit Freuden die ganze Sorge
-für diesen, wie es schien, hochwichtigen Teil unsrer
-Aufgabe. &ndash; Lawrence stattete mir täglich zweimal
-seinen Besuch ab. Sein Bruder war noch immer
-im Norden. Er selbst wohnte im Hause seiner
-Schwägerin, einer reichen Kreolin, und war damit
-beschäftigt, Verkaufsverträge für den Zucker der
-nächsten Ernte abzuschließen. Dies hielt ihn noch
-auf mehrere Wochen in der Stadt zurück und gab
-ihm Zeit, sich dem Dampfpflug zu widmen, den er
-mehr und mehr als seine Schöpfung ansah und mit
-wachsendem Eifer unter seinen Schutz nahm. Seine
-Sonderaufgabe blieb die Leitung der Presse. Der
-»Picayune« machte schon zum drittenmal auf die
-bevorstehende Rettung des Südens aufmerksam,<span class="pagenum"><a id="Seite_90">[90]</a></span>
-während die mir persönlich weniger bekannte »Tribüne«
-laut auf die großartige Feier hinwies, die
-bei dieser Gelegenheit im Ausstellungspark stattfinden
-und voraussichtlich die ganze landbesitzende
-Aristokratie Louisianas an festlicher Tafel vereinigen
-werde. Wohl zum erstenmal, nach langer, bitterer
-Unterbrechung, dürfte in greifbarer Weise die Erinnerung
-an den alten Glanz des Südens wieder
-auftauchen. Ohne indiskret zu sein, glaubte die
-»Tribüne« darauf hinweisen zu können, daß Monsieur
-Mercier, der <em class="antiqua">Chef de cuisine</em> des ersten
-Restaurants der Kanalstraße, seit Wochen mit der
-Zusammenstellung eines exquisiten Menüs beschäftigt
-sei, und daß eine schwere Sendung Sekt mit dem
-nächsten Dampfer von New York erwartet werde;
-Nachrichten, die ich nicht ohne Besorgnis entgegennahm.
-Nur die »Crescent City News« blieben
-weniger guter Laune und erzählten von den riesigen
-Eisenmassen des englischen Dampfpflugs, »die unsre
-herrlichen Levees am Fuß der Tschapatulastraße
-mit Zerstörung bedrohten«. »Geduld!« meinte
-Lawrence, »bis wir den Redakteur bei dem Eröffnungsschmaus
-gehabt haben. Er ist von Natur
-kein schlechter Mensch, aber hungrig, wie alle Reisesackpolitiker.«
-&ndash; Ich selbst kam jeden Abend müde
-genug nach Hause und war mit der Arbeitsteilung,
-die sich wie von selbst unter meinen unerwartet
-heranwachsenden Mitarbeitern vollzogen hatte, höchlich
-befriedigt. Es kam sichtlich ein gewisser Zug
-in die Sache; auch gewöhnt man sich's ab, in derartigen<span class="pagenum"><a id="Seite_91">[91]</a></span>
-Lagen allzu weit in die Zukunft sehen zu
-wollen. Jeder Tag bringt schließlich von selbst
-seine Aufgabe und die Zeit deren Lösung.</p>
-
-<p>Auch den Geschäftsführer der Landwirtschaftsgesellschaft,
-Herrn Delano, lernte ich in diesen Tagen
-kennen; einen spanisch aussehenden, kleinen, gelbbraunen
-Herrn, der sehr elegant gekleidet war,
-sieben Ringe an jeder Hand trug und durchbohrte
-Ohrläppchen besaß, die in seiner Jugendzeit wohl
-auch mit Ringen geschmückt gewesen waren. Trotzdem
-gefiel er mir nicht allzu sehr. Die Komiteesitzung
-seines Vereins hatte mittlerweile stattgefunden
-und nach einer stürmischen Beratung den
-Preis von 750 Dollars für den besten Dampfpflug
-nachträglich bewilligt. Herr Lawrence hatte mit
-dem Austritt seines Bruders drohen müssen, der
-im fernen Norden von der ganzen Sache natürlich
-nichts wußte, um die Opposition der Herren zu
-überwinden, die mürrisch auf die völlige Ebbe in
-der Gesellschaftskasse hinwiesen. Aber mein Freund
-hatte einen guten Tropfen echten Yankeebluts in
-den Adern und damit ein unzerstörbares Vertrauen
-in die Zukunft.</p>
-
-<p>»Kein Geld?« rief er; »Unsinn! wir brauchen
-kein Geld. Dieser gute Eyth pflügt uns acht Tage
-lang im Ausstellungspark. Unser Herr Delano
-rührt die Trommel, was er meisterlich versteht.
-Wir lassen uns fünfzig Cents Eintrittsgeld bezahlen.
-Ganz Louisiana will den Dampfpflug sehen. In
-zwei Tagen &ndash; was! in einem halben Tag hat sich<span class="pagenum"><a id="Seite_92">[92]</a></span>
-Eyth seinen Preis selbst verdient. Alles übrige
-fließt in die Gesellschaftskasse.«</p>
-
-<p>»Und wenn der ganze Dampfpflug ein verflixter
-englischer Humbug ist?« warf der mürrische
-Geschäftsführer ein. »Fragen Sie einmal im Bureau
-der ›Crescent City News‹ nach, Herr Lawrence.«</p>
-
-<p>»Um so besser!« rief Lawrence, entrüstet über
-Delanos böswillige Kurzsichtigkeit. »Dann will
-jedermann den englischen Humbug sehen; wir brauchen
-keinen Preis zu bezahlen und das ganze Eintrittsgeld
-gehört der Gesellschaft!«</p>
-
-<p>Die Opposition war vernichtet. Lawrences
-Vorschlag wurde einstimmig angenommen, worauf
-er mir mit der größten Zutraulichkeit den Verlauf
-der Verhandlung mitteilte. Er hatte die große
-Gabe, jedermann davon zu überzeugen, daß er
-unter einer Decke mit mir stecke. »Da der Beschluß
-schon zwei Tage zuvor in allen Zeitungen
-gestanden hat, war mir's doch nicht unangenehm,
-daß wir durchdrangen«, schloß er seinen Bericht.
-»Wann kann die Vorstellung losgehen, Herr Eyth?«</p>
-
-<p>Die zwei Straßenlokomotiven mit ihren Drahtseiltrommeln,
-ein Sechsfurchenkippflug, ein Kultivator,
-eine Egge und zwei Wasserwagen standen
-fast fertig um uns her, als mir Lawrence all dies
-erzählte. Ich fuhr nun zum erstenmal mit ihm
-nach dem Ausstellungspark im Osten der Stadt,
-um unser künftiges Schlachtfeld anzusehen. Etliche
-sechzig Hektar leidlich flachen Landes waren dort
-von einem eleganten weißen Zaun und einem tiefen<span class="pagenum"><a id="Seite_93">[93]</a></span>
-Entwässerungskanal umgeben, über den eine breite
-hölzerne Brücke führte. Da und dort standen malerische
-Gruppen von Akazien und uralten Hickorybäumen,
-deren knorrige, teilweise kahle Äste die
-wirren Guirlanden des »hängenden Mooses« schmückten,
-das den Sumpflandschaften des Mississippis
-eigentümlich ist. Da und dort staken aus dem
-Boden noch verkohlte Stämme und Wurzeln; ein
-nicht unbedenklicher Anblick für einen Dampfpflüger.
-Ob der Boden, der an vielen Stellen unter unsern
-Tritten fühlbar schwankte, meine Maschinen tragen
-würde, mußte ebenfalls erst die Erfahrung zeigen.
-Aber all diese Bedenken konnten das rollende Rad
-des Geschicks jetzt nicht mehr aufhalten. Im stillen
-nagte eine viel schwerere Sorge an meinem Herzen.
-Wie wird vor der ganzen Aristokratie Louisianas,
-von der ich fortwährend hören mußte, das Pflügen
-gehen, mit nicht einem Manne, außer mir selbst,
-der die Behandlung der Maschinen und die notwendigsten
-Handgriffe bei ihrer Bedienung kannte?
-Wenigstens an drei Punkten, die Hunderte von
-Metern auseinanderliegen: auf dem Pflug und auf
-jeder der zwei Dampfmaschinen, war ein Mann
-dringend erforderlich, der wußte, was er zu tun
-hatte, wenn nicht alles in Stücke gehen sollte.
-Aber es wäre Wahnsinn gewesen, diese Sorgen
-meinen neuen Freunden anzuvertrauen. Ihr Glaube
-mußte aufrecht erhalten werden, solange noch eine
-Möglichkeit vorhanden war, in diesen herrlichen
-Park hinein und mit heiler Haut wieder herauszukommen.<span class="pagenum"><a id="Seite_94">[94]</a></span>
-Mit einer nagenden Angst auf der
-Seele mutig zu lächeln, will gelernt sein. Ich hatte
-zum Glück diese Kunst nicht zum erstenmal geübt.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>Die Herren, die meinen Pflug zu verbessern
-wünschten, hatten sich mit der Zeit stetig vermehrt
-und waren unerschöpflich in ihren Vorschlägen. Als
-ich am sechsten Tage die Kessel mit Wasser füllen
-ließ, und die ersten weißen Rauchwölkchen schüchtern
-aus den Schornsteinen stiegen, waren sie in
-Scharen versammelt und prophezeiten allerhand
-Unheil. Ich hatte beschlossen, zuerst nur eine Maschine
-mit dem Pflug nach dem Ausstellungsplatz
-zu führen und die zweite am folgenden Tag zu
-holen. Deshalb nahm ich zunächst Stone und den
-kleinen Jem auf den Tender, um ihnen den ersten
-Unterricht im Führen einer Straßenlokomotive zu
-geben. Dies beleidigte Bucephalus aufs schwerste.
-Der riesige Neger konnte nur durch das Versprechen
-getröstet werden, daß er am folgenden Tage die
-zweite Maschine führen solle und heute mit einer
-roten Flagge vorauslaufen dürfe, um uns die
-Straße frei zu halten. Mit fast übermäßigem Eifer
-stellte er sich auf seinen Posten, wo er seine Tätigkeit
-damit begann, an die sich ansammelnde, hundertköpfige
-Volksmenge erklärende Anreden zu
-halten. Als aber nach einer Stunde, die wir zur
-Dampfentwicklung brauchten, die Maschine ihre
-ersten Bewegungen machte, und das Ungetüm langsam
-über die krachende Levee hinschlich, erschrak
-er so heftig, daß er eine halbe Stunde lang still,<span class="pagenum"><a id="Seite_95">[95]</a></span>
-mit gesenktem Kopfe und in achtbarer Entfernung
-von der Maschine voranging, ohne sich seiner führenden
-Stellung bewußt zu werden. Später kam
-er wieder zu sich und begann aufs neue der Menge
-zu predigen, wobei er alte Bibelsprüche und seine
-jüngst erworbenen, noch etwas wirren technischen
-Kenntnisse wundersam zu mischen verstand. Beim
-Einbiegen in die Kanalstraße liefen einige Droschkenpferde
-in wildem Schrecken davon. Dies setzte die
-Stadtpolizei in Bewegung. Fünf Dollars genügten
-auch hier, ihr wohlwollendes Interesse an uns zu
-fesseln, so daß der brausende Festzug ohne Zwischenfall
-von Bedeutung nach drei Stunden einer ermüdenden
-Fahrt mitten durch die große Stadt im
-Ausstellungspark anlangte. Nur in der äußersten
-Vorstadt, nicht weit von unserm Ziele, wo ich Jem
-seinen ersten Versuch machen ließ, die Maschine
-allein zu steuern, hatten wir den Eckpfeiler eines
-unbedeutenden Biersalons mitgenommen. Da sich
-jedoch infolge dieser kleinen Verirrung die Kundschaft
-des Wirts für den Augenblick verzehnfachte,
-fand derselbe zu unliebsamen Auseinandersetzungen
-weder Zeit noch Lust. Die Sache wäre völlig unbemerkt
-geblieben, wenn nicht am folgenden Morgen
-die »Crescent City News« eine Notiz gebracht hätten,
-die bewies, daß der Redakteur noch immer hungrig
-war. Sie lautete:</p>
-
-<p>»Der englische Dampfpflug begann gestern seine
-Tätigkeit damit, den eleganten Biersalon des Herrn
-Henry Cooper an der Ecke der 42. Avenue und<span class="pagenum"><a id="Seite_96">[96]</a></span>
-der Show Park Road mitzunehmen. Menschenleben
-sind nicht zu beklagen. Im Gegenteil. Die
-Frau des Gastwirts, eines unsrer geschätztesten
-Mitbürger, die sich zur Zeit der Katastrophe im
-oberen Stockwerk des mitgenommenen Hotels befand,
-soll unsrer großen Republik fast gleichzeitig,
-wenn auch in etwas überstürzter Weise, einen gesunden
-kleinen Mitbürger geschenkt haben. Wir
-wünschen dem achtbaren Ehepaar von Herzen Glück
-zu dieser Wendung der Dinge, möchten es dem
-unförmlichen englischen Dampfpflug aber trotzdem
-nahelegen, namentlich mit Rücksicht auf unsre Damen,
-seine Tätigkeit für die Regeneration des Südens in
-etwas weniger gewaltsamer Weise auszuüben.«</p>
-
-<p>Als wir am Abend des folgenden Tags mit
-der zweiten Maschine an dem erschütterten Salon
-vorüberkamen, unterließ ich nicht, einzutreten, um
-auch meinerseits der Familie meine Glückwünsche
-darzubringen. Ich fand den Salon schon provisorisch
-genügend gestützt und in blühendem Geschäftsschwung.
-Herr Cooper war vollständig befriedigt, denn meine
-Maschinen brachten ihm Gäste, wie er sie in seiner
-bescheidenen Trinkstube noch nicht gesehen hatte.
-Im übrigen versicherte er mir, er sei kein Amerikaner,
-sondern ein Irländer, sei nie verheiratet gewesen
-und denke nicht daran, es zu werden. Und
-da der Salon kein zweites Stockwerk besaß, in
-dem das interessante Ereignis, von dem die »Crescent
-City News« berichtete, hätte stattfinden können,
-so mußten wir wohl annehmen, daß die Nachrichten<span class="pagenum"><a id="Seite_97">[97]</a></span>
-auf einem kleinen Mißverständnis beruhten. Erfreut
-hierüber trank ich mit meinem auf diese Weise
-gewonnenen neuesten Freund zwei Gläschen seines
-schauderhaften Whiskys und versprach, ihm auch
-künftig meine Kundschaft zuzuwenden, sobald ich
-körperlich genügend gekräftigt sein würde.</p>
-
-<p>Doch eine weit größere Freude und <span id="corr097">Überraschung</span>
-stand mir an jenem sichtlich glückbringenden
-Tage bevor. Es war schon Abenddämmerung, als
-Bucephalus mit seiner roten Flagge über die Holzbrücke
-des Ausstellungsparks einzog. Er hatte
-nämlich selbst vorgezogen, ständiger Bannerträger
-der Dampfkultur zu bleiben, nachdem ihm tags
-zuvor der kleine Jem, schwärzer als je und halb
-gebrochen, die Leiden eines Heizers geschildert hatte.
-Da bemerkte ich schon aus der Ferne und mit
-wachsender Entrüstung auf der ersten Maschine, die
-gestern unter einem Hickorybaum mitten im Park
-stehen geblieben war, eine geheimnisvolle Gestalt.
-Der Mann hatte die die Maschine schützende geteerte
-Leinwanddecke halb zurückgeschlagen und
-schien, auf dem Tender knieend, in seine Arbeit versunken
-zu sein. Als wir näher kamen, bemerkte
-ich sogar, daß der Werkzeugkasten vor der Rauchkammer
-jener Maschine geöffnet war. Das war
-denn doch zu bunt, selbst für die Neugier eines verbesserungssüchtigen
-Yankees. Ich gab Stone den
-Anlaßhebel unsrer Maschine in die Hand, sprang
-ab und lief auf die andre zu, um den Eindringling
-womöglich <em class="antiqua">in flagranti</em> abzufangen. Er bemerkte<span class="pagenum"><a id="Seite_98">[98]</a></span>
-mich nicht, so fleißig war er an der Arbeit, und
-mein Erstaunen wuchs, als ich wahrnahm, daß der
-Mann damit beschäftigt war, ein neues Wasserstandsglas
-einzusetzen, das er in dem Werkzeugkasten
-gefunden haben mußte. Das alte war
-nämlich bei dem Zusammenstoß mit dem Biersalon
-schon gestern zerbrochen. Unerklärlich! aber dennoch,
-welche Unverschämtheit! Der Fremde kniete mit
-gesenktem Kopf vor der Kesselwand, noch immer
-ohne aufzusehen. Ich sprang auf den Tender, entschlossen,
-ihn an den Ohren zu packen, was auch
-aus der Begegnung werden würde. Da, nicht eine
-Sekunde zu früh, hob er den Kopf auf. Ein rundes,
-mir wohlbekanntes Gesicht mit treuherzigen blauen
-Augen, aber mit der mir ebenso bekannten steinernen
-Ruhe, sah mir entgegen und sprach: »Guten Abend,
-Sir!« Dann fuhr der Fremde in seinen Versuchen
-fort, einen eigensinnigen kleinen Kautschukring über
-die neue Glasröhre zu schlüpfen, die er an Stelle
-der zerbrochenen einschalten wollte.</p>
-
-<p>Es war Jem! Jem Parker, der Monteur
-und Dampfpflüger, den ich mit dem »Wilden Westen«
-erwartet hatte. Er hatte sich in Schottland bei
-der Aufstellung eines andern Dampfpflugs verspätet,
-wurde mit einem der nächsten Schiffe nach New
-York geschickt und kam von dort über Land mit
-der Bahn nach New Orleans. Er hatte heute
-früh nach viertägiger Eisenbahnfahrt die Stadt
-erreicht, hatte sich nach dem Ausstellungspark
-durchgefragt und dort die einsame Maschine gefunden.<span class="pagenum"><a id="Seite_99">[99]</a></span>
-Und da er bei näherer Betrachtung das zerbrochene
-Wasserstandsglas entdeckte und der Werkzeugkastenschlüssel
-tags zuvor stecken geblieben war, hatte er
-in aller Gemütsruhe angefangen, ein neues Glas
-einzusetzen, wie wenn nicht viertausend Meilen
-zwischen seiner heutigen und seiner letzten Beschäftigung
-lägen. Er habe gedacht, es werde schon
-jemand kommen und nach ihm sehen. Das alles
-kam in kurzen, trockenen Sätzchen heraus, ohne
-seine Arbeit zu unterbrechen. Jetzt saß das Glas
-zu seiner Zufriedenheit an der richtigen Stelle; er
-probierte die Hahnen und schüttelte, wegen des
-niederen Wasserstands, vorwurfsvoll den Kopf.
-Dann richtete er sich auf, zog wortlos einen Brief
-aus der Jacke, die er unter dem Rock trug, und
-gab ihn mir. Derselbe war von Herrn Fowler in
-London und erklärte, wie es kam, daß Parker erst
-mit einem späteren Schiff abgereist sei. Zwei Leute
-könne er mir zu seinem Bedauern nicht schicken.
-Es seien alle verfügbaren, brauchbaren Kräfte vollauf
-beschäftigt. Ich müsse mich mit Parker behelfen,
-so gut ich könne. Ich habe mich in Ägypten
-ja auch schon in ähnlichen Lagen glücklich herausgewunden.</p>
-
-<p>Dies war richtig; und zugleich war mir ein
-förmlicher Stein vom Herzen gefallen. Stone und
-der kleine schwarze Jem, wenn sie auch noch gelegentlich
-einen Biersalon umfahren mochten, waren
-anstellige Leute. Nun hatte ich noch den weißen
-Jem, der das Handwerk verstand, und mich. So<span class="pagenum"><a id="Seite_100">[100]</a></span>
-konnte die Sache doch nicht völlig schief gehen und
-die »Regeneration des Südens«, von der seit acht
-Tagen halb New Orleans sprach, allen Ernstes beginnen.</p>
-
-<p>Seit ich Amerika betreten hatte, war ich nie
-so müd und wohlgemut nach Hause gekommen als
-an jenem Abend, spielte zum erstenmal wieder ein
-Schach mit Oberst Schmettkow und gewann's.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Ein_Fest">6. Ein Fest</h2>
-</div>
-
-<p>Niemand hat übrige Zeit in Amerika. Lawrence,
-obgleich um eine volle Generation der ältere
-der beiden, war ungeduldiger als selbst der junge
-Owen, seitdem der letztere die Speisenfolge seines
-Gabelfrühstücks mit Hilfe Monsieur Merciers und
-mehrerer Privatgelehrter auf diesem Gebiet festgestellt
-hatte. Sie ließen mir kaum einige Stunden
-zu, wie es ihnen schien, nutzlosen Proben meiner
-Maschinen. Delano, dem mürrischen Geschäftsführer
-der Landwirtschaftsgesellschaft, wurde überdies um
-seinen Park bange, als ich die erste Furche durch
-den jungfräulichen Grasboden zog, der nie zuvor
-mehr als leise gekratzt worden war, und mein Pflug
-den schwarzen Urschlamm des verschwundenen
-Sumpfwaldes ans Tageslicht förderte. Nach seiner
-Ansicht sei es um so besser, je weniger ich ihnen
-von meiner Kunst zeige, an der er nicht mehr
-zweifelte, seitdem er im ersten Schrecken über das<span class="pagenum"><a id="Seite_101">[101]</a></span>
-gespannte Drahtseil gefallen war. So wurde der
-nächste Donnerstag, zwei Tage, nachdem der <span id="corr101">Dampfpflug</span>
-sein Arbeitsfeld erreicht hatte, für die Eröffnungsfeier
-bestimmt.</p>
-
-<p>Das Programm war einfach. Zwischen zehn
-und elf Uhr sollten die geladenen Gäste erwartet
-werden. Von elf Uhr an hatte ich eine halbe Stunde
-lang den Pflug, eine weitere halbe Stunde den
-Kultivator laufen zu lassen. Um zwölf Uhr mußte
-in dem Pavillon, der sich neben der Rennbahn befand,
-das Gabelfrühstück bereit stehen. Um zwei
-Uhr sollte das Publikum gegen ein Eintrittsgeld
-von einem Dollar zugelassen und das Pflügen bis
-gegen Abend fortgesetzt werden. Am folgenden
-Tag konnte die Presse sodann erklären, daß der
-Dampfpflug den seitens der Landwirtschaftsgesellschaft
-von Louisiana ausgesetzten großen Preis von
-750 Dollar nach eingehender Prüfung errungen
-habe, und ich sollte in der Freude meines Herzens
-drei Tage lang und mit häufigen Ruhepausen, um
-den Park nicht allzusehr zu ruinieren, weiterpflügen.
-Während dieser Zeit hatte die herbeiströmende
-Volksmenge ihre fünfzig Cents an der Parktorkasse
-abzuliefern, teils um die Gesellschaft in die
-Lage zu versetzen, mir möglichst schmerzlos 750
-Dollar auszubezahlen, teils um ihr selbst eine sorglosere
-Zukunft anzubahnen. Im ganzen ließ sich
-gegen diesen Plan nichts einwenden. Er kostete
-mich ein, wie mir schien, allzu üppiges Frühstück,
-verschaffte dagegen, wenn alles gut ging, dem<span class="pagenum"><a id="Seite_102">[102]</a></span>
-Dampfpflug, was er vor allen Dingen brauchte:
-eine tüchtige, gut amerikanische Reklame.</p>
-
-<p>Die kurzen Versuche, die ich anstellen konnte,
-verliefen erträglich. Der Pflug rannte nur zweimal
-in die Dampfmaschine, die Herrn Stone und seinem
-Heizer Kato anvertraut werden mußte, während
-auf der andern Lokomotive der weiße und der
-schwarze Jem als Lehrer und Schüler gut miteinander
-auskamen; abgesehen davon, daß der schwarze
-sich laut und lebhaft beschwerte, durch seinen Ehrgeiz
-in eine hervorragende Stellung gedrängt worden
-zu sein, die unerwartet viel Mühe und Arbeit mit
-sich brachte. Ich selbst saß mit Bucephalus auf
-dem Pflug und suchte ihm das Steuern des Gerätes
-und den Begriff einer geraden Linie im allgemeinen
-beizubringen. Der Mann hatte eine
-Riesenkraft und ließ sich mit großer Gutmütigkeit
-an den Ohren ziehen, wenn er gar zu krumm
-dreinfuhr. Ich tat dies zwar energisch, da er sonst
-nichts bemerkt hätte, aber doch stets mit der Miene
-väterlichen Wohlwollens; denn es war von der
-höchsten Bedeutung, meine rohen Hilfstruppen bei
-guter Laune zu erhalten. Das erkannte Bucephalus
-auch grinsend an und hatte bald die Genugtuung,
-mich wiederholt darauf aufmerksam zu machen, wie
-gerade seine krummen Furchen ausfielen. &ndash; Übrigens
-hielt ich es selbst für gut, nicht allzuviele Proben
-abzuhalten. Jeder Augenblick, wenn das böse
-Schicksal es wollte, konnte, während ich an einem
-Ende des Feldes das Drahtseil regulierte oder dem<span class="pagenum"><a id="Seite_103">[103]</a></span>
-mangelnden Wasserstand im Kessel nachhalf, am
-andern Ende eine zerschmetternde Katastrophe herbeiführen
-und uns unter Umständen auf Wochen
-und Monate das Handwerk legen. Das wichtigste
-blieb zunächst, wenigstens mit heiler Haut und
-ganzen Gliedern über das drohende Frühstück hinwegzukommen.</p>
-
-<p>Eine prachtvolle Frühlingssonne strahlte über
-dem lieblichen Park mit seinen moosbehangenen
-Baumgruppen und den noch nicht verbrannten Grasflächen,
-die in dem Untergrund des Mississippideltas
-reichlich Wasser finden. Die beiden Maschinen
-standen kampfbereit an den Enden eines dreihundert
-Meter langen Feldstücks und sandten weiße, senkrechte
-Rauchsäulen friedlich in den blauen Himmel
-empor. Jem, Bucephalus, Kato und ein halbes
-Dutzend weiterer Nigger, die als Extrahilfskräfte
-im Wege standen, waren nicht nur infolge der
-Wichtigkeit des Tages und ihrer eignen Person,
-sondern auch durch das Versprechen eines königlichen
-Trinkgeldes, wenn alles gut gehe, in gehobener
-Stimmung. Zwischen Stone und Parker
-war eine gewisse ehrgeizige Wettbewerbstimmung
-entstanden, die sich in kleinen trockenen Neckereien
-äußerte und mir im Interesse der Sache so wohl gefiel,
-daß ich sie bei beiden heimlich schürte. Es war das
-instinktive Gefühl zwischen jung und alt; zwischen
-Amerika und Europa. Beide waren stille, wortkarge
-Leute und sich kaum bewußt, was sie reizte. Aber
-ich sah das Gefühl deutlich in ihnen arbeiten, und<span class="pagenum"><a id="Seite_104">[104]</a></span>
-in beiden arbeitete es für mich. &ndash; Im Pavillon
-hinter unserm Felde deckten sechs schwarze Kellner
-in tadellosen Fräcken und weißen Halsbinden eine
-hufeisenförmige Tafel, und geheimnisvolle, angenehm
-duftende Korbwagen fuhren durch das Parktor.
-Lawrence hing seit dem frühen Morgen an
-meinen Fersen, und Kapitän Owen erwartete in
-fieberhafter Aufregung den Champagnerwagen, der
-irgendwo aufgehalten, wenn nicht umgeworfen
-worden war.</p>
-
-<p>Dann kamen in leichten, eleganten Kabrioletts
-und Buggies die vornehmeren, in den maultierbespannten
-Tramwagen die einfacheren der geladenen
-Gäste: Longstreet mit Beauregard, Taylor mit
-Burnside und Jackson, leider nicht der berühmte
-Stonewall Jackson, der wenige Wochen zuvor gestorben
-war. Auch General Lee hatte zum allgemeinen
-Bedauern abgesagt. Doch fehlte es nicht
-an Generalen, Regimentskommandeuren, Majoren
-und Kapitänen in verwirrender Menge; dann aber
-kamen auch große Grundbesitzer vom oberen und
-unteren Mississippi und weltbekannte Politiker aus
-der alten Zeit, die heute von ihren Erinnerungen
-lebten und jeden einluden, sie mit ihnen aufzufrischen;
-kurz, es sammelte sich rasch eine zahlreiche,
-fröhlich belebte Gesellschaft, in der sich jedermann
-zu kennen schien und in deren Mitte der wackere
-Longstreet den liebenswürdigen Wirt spielte, während
-mir Owen die Heldentaten jedes einzelnen ins Ohr
-flüsterte. Auch unbekannte Gestalten erschienen zur<span class="pagenum"><a id="Seite_105">[105]</a></span>
-Genüge. Ich selbst hatte nur dafür gesorgt, daß
-Oberst Schmettkow nicht fehlte und der teutonische
-Redakteur der »Deutschen Zeitung« seine Einladung
-erhielt. An alles übrige ließ ich Owen denken, der
-seinerseits vertrauensvoll auf meine Fähigkeit baute,
-mit einem Check auf meine englischen Freunde am
-Tag der Abrechnung die kleinen Schwierigkeiten
-auszugleichen, die etwa entstehen sollten.</p>
-
-<p>Alles sammelte sich in dem Felde, in welchem
-der Dampfpflug kampfbereit aufgestellt war. Noch
-nie hatte dieser friedliche Träger der Kultur ein so
-kriegerisches Publikum um sich gesehen. Die alten
-Haudegen des großen Bürgerkriegs standen entlang
-dem ausgespannten Drahtseil und sahen verständnisvoll,
-oder auch anders, in die tiefe Furche
-hinab, die gestern abend noch gezogen worden war.
-Longstreet erklärte, mich von Zeit zu Zeit zu Hilfe
-rufend, was er von der Sache wußte, sichtlich bemüht,
-das Interesse dem Pflug zuzulenken; aber
-unwillkürlich verirrte er sich samt seinen Freunden
-jeden Augenblick wieder in die Erinnerungen an
-ein abenteuerliches Gefecht, in die Beurteilung
-einer strategischen Bewegung und vor allem in die
-Betrachtung der jammervollen politischen Lage der
-»alten und wahren« Herren des Landes. Alle
-Stimmungen kamen zum lebhaften Ausdruck, vom
-Galgenhumor völliger Hoffnungslosigkeit bis zur finsteren
-Entschlossenheit, sich knirschend zermalmen zu
-lassen. Der Dampfpflug schien mit jeder Minute mehr
-vor den Augen der ganzen Gesellschaft zu verschwinden.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_106">[106]</a></span></p>
-
-<p>Da ließ ich pfeifen. Das Drahtseil schnellte
-in die Höhe und zog an. Die lange Reihe der
-leidenschaftlich gestikulierenden Herren sprang mit
-Entsetzen und militärischer Präzision auf die Seite.
-Der Pflug setzte sich in Bewegung, die schweren,
-schwarzbraunen Schollen in sechs glatten geradlinigen
-Reihen aufstellend. Dies brachte meine
-Gäste zur Sache zurück. Eifrig liefen die meisten
-hinter dem Pfluge her, nachdenklich maßen andre
-die Tiefe der Furche. Es ging in der Tat nicht
-schlecht, wenn man den Umständen einigermaßen
-Rechnung trug. Stone und Kato auf der fernen
-Maschine übertrafen sich selbst. Stolz saß Bucephalus
-auf dem Pflug und steuerte ihn in sanftem
-Zickzack über das Feld. Er war überglücklich, da
-er unter den Eingeladenen seinen alten Herrn aus
-der Sklavenzeit entdeckt hatte und ihm die Geheimnisse
-seiner neuen Würde, als erster Dampfpflüger
-Amerikas, auseinandersetzen konnte. Nachdem
-der Pflug sechs- bis siebenmal auf und ab
-gefahren war, ohne Schiffbruch zu leiden, näherte
-sich allerdings das Aussehen der letzten Furche den
-Windungen eines durch ein Wiesental sich hinschlängelnden
-Bächleins. General Burnside tröstete
-mich. Die Linie erinnerte ihn lebhaft an seinen
-ersten Sieg: an die Schlachtlinie der Föderierten
-bei Bull Run. Dank seiner südlichen Lebhaftigkeit
-hatte General Taylor mittlerweile alles begriffen
-und hielt den Augenblick für gekommen, tatkräftig
-einzugreifen. Er schob Bucephalus von seinem Sitz,<span class="pagenum"><a id="Seite_107">[107]</a></span>
-setzte sich auf das Geräte und erfaßte das Steuerrad.
-Dreißig Schritte weit ging alles gut. Der
-Pflug blieb in seinem durch die Furche gegebenen
-Geleise, und Taylor sah sich triumphierend um.
-Dann aber nahm das Instrument plötzlich eine
-Wendung nach dem ungepflügten Teil des Feldes
-und lief, als sei es verrückt geworden, trotz der
-verzweifelten Steuerbewegungen des Generals, querfeldein.
-Kein Pfeifen von Parkers Maschine half.
-Stone, dessen Maschine am andern Ende des Feldes
-während der Katastrophe den Pflug zog, war mit
-seinem Feuer beschäftigt und merkte zu spät, welches
-Unheil vor sich ging, so daß er erst dazu kam, anzuhalten,
-als sich der General mit dem entlaufenen
-Pflug mitten auf ungepflügtem Felde befand, hundert
-Schritte von dem Platz, wo er hätte sein
-sollen. Er hatte allerdings eine merkwürdig gerade
-Linie diagonal zur Pflugrichtung über das Feld
-gezogen. Beschämt stieg er ab und betrachtete sein
-Werk. Seine alten Kriegskameraden waren außer
-sich vor Vergnügen. Selbst der unehrerbietige Bucephalus,
-der staunend dem Pflug nachgesehen hatte,
-lachte mit, daß sein roter Mund das schwarze Gesicht
-von Ohr <span id="corr107">zu</span> Ohr spaltete. Der Erfolg &ndash;
-der Heiterkeitserfolg des Dampfpflugs war großartig.
-Der ältere Owen, der mehr Verständnis für
-die wahre Lage der Dinge zu haben schien als alle
-andern, sagte leise zu mir: »Lassen Sie aufhören!
-&ndash; Die Schildkrötenbouillon wird sonst kalt!«
-Longstreet nahm Burnside unter den Arm. Taylor<span class="pagenum"><a id="Seite_108">[108]</a></span>
-wurde von den andern im Triumph herbeigeholt
-und als preisgekrönter Dampfpflüger Louisianas fast
-auf den Händen getragen. Alles strömte dem Gartenpavillon
-zu, wo sich das blinkende Hufeisen im Nu
-gefüllt hatte und die Sektflaschen zu knallen begannen.</p>
-
-<p>Es ging hier noch brillanter als im Felde.
-Die Not der Zeit löste sich fühlbar in dem warmen
-Sonnenschein, der durch den luftigen kleinen Saal,
-und im perlenden Wein, der kühlend durch unsre
-Adern strömte. Longstreet hielt eine prächtige kleine
-Rede: ernst, männlich, geradeaus: Die große Sache
-sei verloren; wozu die Augen schließen und die
-Hände sinken lassen? Die Männer seien noch da,
-die ehrlich für sie geblutet hätten; sie würden sich
-nicht erdrücken lassen. Die alte Kraft rege sich
-wieder und werde auf andern Feldern neue Siege
-bringen. »Das Schwert ist in unsrer Hand zerbrochen«,
-schloß er. »In Gottes Namen &ndash; nehmen
-wir die Lage, die uns der Himmel geschickt hat.
-Es lebe der Pflug!« Darauf verlangte es der Anstand,
-daß ich etwas sagte. Der Staub der Pflugfurchen
-steckte mir noch in der Kehle und die Angst
-vor dem jeden Augenblick möglichen Zusammenbruch
-der einen oder der andern Maschine in der
-Seele; aber ich ließ getrost den Süden leben, dessen
-tropische Lebenskraft schon mehr als einmal aus
-den Sümpfen um den Mississippi ein Paradies geschaffen
-habe. Dann kamen andre, weniger harmlos,
-manchmal bitter und zornig, manchmal allzu
-laut der wiederkeimenden Hoffnung entgegenjubelnd.<span class="pagenum"><a id="Seite_109">[109]</a></span>
-Der Pflug war vergessen. Die politischen Phrasen
-rollten mächtig über die erhitzten Köpfe weg. Doch
-fühlte ich mich ziemlich beruhigt, als ich unter den
-letzten, die das Gartenhaus verließen, den Chefredakteur
-des »Picayune« Arm in Arm mit seinem
-Feind, dem Chefredakteur der »Crescent City News«,
-bemerkte, die abwechslungsweise versuchten, föderierte
-und konföderierte Kriegslieder zweistimmig
-zu singen. Ein erstaunlicher Grad mangelhaften
-musikalischen Sinns und der gute Wille, mit dem
-sie sich gegenseitig unterstützten, ergab eine Verschmelzung
-von Dissonanzen, die das Beste für die
-Zukunft hoffen ließ. Nur ein einziger Mißton
-trübte den Schluß der schönen Feier. Meine zwei
-deutschen Freunde waren sich in die Haare geraten.
-Oberst Schmettkow versuchte den Redakteur
-der »Deutschen Zeitung« über die Irrtümer seiner
-politischen Auffassung des Zustandes der Südstaaten
-aufzuklären. Doktor Wurzler machte vergebliche
-Anstrengungen, den Obersten zu überzeugen, daß
-ein verunglückter Jarde-Offizier von der Sache nichts
-verstehen könne. Sie wurden laut und heftig, und nur
-mit Mühe konnte ich sie bewegen, in zwei getrennten
-Trambahnwagen nach der Stadt zurückzukehren.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule1.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_110">[110]</a></span></p>
-
-<h2 id="Rettungsplaene">
-<img src="images/illu-112.png" alt="" /><br />
-7. Rettungspläne</h2>
-</div>
-
-<p>Regen nach Sonnenschein &ndash; können wir mehr
-fordern vom wechselnden Leben? Aber allerdings,
-es brauchte nicht gerade ein Donnerwetter zu sein,
-mit der Aussicht, in einen vierwöchentlichen Landregen
-überzugehen.</p>
-
-<p>Am folgenden Morgen brachten die »Crescent
-City News« einen zornigen Aufsatz über England
-und die heimtückische Art und Weise, wie John
-Bull die Einführung der sonst nicht ganz nutzlosen
-Dampfkultur benutze, um einer verderblichen und
-verlorenen Sache neue Lebenshoffnungen einzuflößen,
-die nie in Erfüllung gehen können. Doppelt
-bedauerlich sei, daß der in andrer Beziehung anständige
-und nicht unintelligente Leiter des unförmlichen
-englischen Dampfpflugs sich zu Kundgebungen
-mißbrauchen lasse, die einem förmlichen Wiedererwachen
-der alten sezessionistischen Bestrebungen<span class="pagenum"><a id="Seite_111">[111]</a></span>
-gleichkämen. Der Herr möge sich nicht täuschen:
-neuer Wein, auch der, den er zu verzapfen wünsche,
-lasse sich nicht in alte Schläuche füllen. Weder
-Dampf noch Sekt werde die verbrauchten Männer
-einer verlorenen Partei zu neuem Leben erwecken.
-Die Sezession sei tot. Den Dampfpflug an die
-tote Sezession binden zu wollen, sei sicherlich das
-törichtste, was dieser fremde Herr jemals versucht
-habe. Es wäre ihm vielleicht nützlich gewesen,
-wenn er sich zuvor über die Verhältnisse des Südens
-etwas eingehender belehrt hätte. Als charakteristisch
-sei zu erwähnen, wie ein gewisser, in Louisiana
-sehr überschätzter General, der sich neuerdings mit
-Kanalschiffahrt beschäftige, den Pflug quer über das
-Feld gesteuert und das unglückselige englische Instrument
-in einer Lage stecken gelassen habe, über
-die mehrere Sachverständige sich heute noch den
-Kopf zerbrächen. Übrigens sei Wohlwollen und
-Gerechtigkeit auch dem Gegner gegenüber stets der
-Grundsatz der »Crescent City News« gewesen. Die
-Schriftleitung stehe deshalb nicht an, ihren Lesern
-die vortreffliche Speisenfolge des Gabelfrühstücks
-mitzuteilen, das den Kern der Eröffnungsfeier des
-englischen Dampfpflugs gebildet habe: Schildkrötensuppe
-mit Heydsik usw.</p>
-
-<p>Der freundlicher gesinnte »Picayune« begann
-mit der Speisekarte, brachte eine enthusiastische Beschreibung
-des Dampfpflugs, die kein Mensch verstehen
-konnte, und war überzeugt, daß der erste
-Stein zum Wiederaufbau des Südens gestern gelegt<span class="pagenum"><a id="Seite_112">[112]</a></span>
-worden sei, »dank den Männern,« schloß er,
-»die entschlossen den großen Aufgaben unsrer Zeit
-entgegentreten und die Not der Gegenwart mit
-den glänzenden Waffen der Zukunft zu bekämpfen
-wissen.«</p>
-
-<p>Da Lawrence, der energisch mitgekämpft hatte,
-ebenso wie Schmettkow am folgenden Tag etwas
-unwohl waren, hörte ich von dem kleinen Zeitungskrieg,
-der um meinen Dampfpflug entbrannt war,
-zunächst so viel wie nichts. Die ruhigere, planmäßige
-Arbeit nahm ihren Fortgang. Ich pflügte
-in den nächsten Tagen jeden Morgen und Abend
-für das Fünfzigcentpublikum ein paar Stunden
-lang. Meine Leute kamen nach und nach in Übung,
-es ging mit jedem Versuch etwas besser; nur der
-Strom der erwarteten Volksmassen blieb aus. Der
-Geschäftsführer der Landwirtschaftsgesellschaft war
-mein getreuester Zuschauer, und sein Gesicht wurde
-nach jeder Vorstellung um einen Zoll länger. Am
-zweiten Tag wurde der zweite Kassierer am Eingangstor
-als völlig überflüssig eingezogen, und am
-dritten konnte auch der noch im Dienst stehende
-seine Siesta, die um die Mittagsstunden in seinem
-kleinen Brathäuschen verzeihlich war, über den
-Rest des Tages ausdehnen, ohne seine Amtspflichten
-zu vernachlässigen.</p>
-
-<p>Am Abend dieses dritten Tages kam Lawrence
-mit Delano in ungewöhnlicher Eile über das Feld,
-als ich soeben die Vorstellung, die wir den zwei
-Söhnchen des eingeschlafenen Kassierers gegeben<span class="pagenum"><a id="Seite_113">[113]</a></span>
-hatten, abzuschließen im Begriff war. Man sah
-es dem Gang der beiden Herren an, daß sie ein
-neuer, belebender Gedanke trug. Lawrence grüßte
-vergnügt, der Geschäftsführer grämlich, und betrachtete
-sodann kopfschüttelnd die beiden Knäblein,
-die eifrig auf dem stillstehenden Pflug herumkletterten
-und nach Yankeejungenart versuchten, ob
-nicht da oder dort eine Mutter loszuschrauben, eine
-Schraube abzudrehen war.</p>
-
-<p>»Nun, wie ging's heute, Herr Eyth? Mehr
-Publikum hier gewesen?« rief Lawrence, als ob alles,
-was er sah, seine höchste Befriedigung erregt hätte.</p>
-
-<p>»Sie sehen, welches Interesse die Bevölkerung
-an unserm Pfluge nimmt«, antwortete ich, auf die
-zwei Jungen weisend, die wirklich eine lose Mutter
-gefunden hatten und emsig an der Arbeit waren.
-»Heute Vormittag war auch ein alter Herr hier,
-der sich ernstlich nach der Leistungsfähigkeit der
-Maschinen erkundigte. Er brauche eine billige Lokomobile
-zum Wasserpumpen, erzählte er mir.«</p>
-
-<p>»Der Kassierer behauptet, er müsse am Ostende
-des Platzes über den Parkzaun gestiegen sein«,
-bemerkte Delano, die zwei Bürschchen mit finsteren
-Blicken messend. »Das kann so nicht fortgehen,
-Herr Lawrence. Wir müssen den Zaun am Ostende
-reparieren lassen. Wenn nur Geld in der Kasse
-wäre! Guter Gott, wenn nur etwas Geld in der
-Kasse wäre!«</p>
-
-<p>»Man wird doch deshalb den Mut nicht sinken
-lassen!« rief Lawrence, ohne den Geschäftsführer<span class="pagenum"><a id="Seite_114">[114]</a></span>
-zu beachten. »Zweifellos haben wir den richtigen
-Weg noch nicht gefunden, das gesamte Interesse
-des Südens auf unsre Sache zu lenken, Herr Eyth.
-Die »Crescent City News« fahren allerdings fort,
-Ihnen Opposition zu machen. Das ist gut; das
-regt an.«</p>
-
-<p>Er holte das widerwärtige Blatt aus der Tasche.</p>
-
-<p>»Mir scheint es eher abzuschrecken«, meinte
-ich. »Der Lump von Redakteur schrieb gestern
-wieder ein paar Zeilen über den plumpen englischen
-Dampfelefanten, der in blinder Arbeitswut unsern
-schönen Ausstellungspark aufwühle.«</p>
-
-<p>»Sehr gut! Sehr gut!« rief Lawrence. »Sehen
-Sie, Herr Eyth, Sie verstehen unsre Sprache noch
-nicht völlig. Das ist ja verzeihlich; aber Sie sollten
-mit sich selber etwas Geduld haben. Wir müssen
-den Mann bezahlen, wenn er verspricht, kräftiger
-zu schimpfen. Hören Sie einmal, was der »Picayune«
-heute früh sagt. Es gefällt Ihnen vielleicht
-besser; aber es ist nicht halb so wirksam.«</p>
-
-<p>Er zog eine zweite Zeitung hervor, setzte sich
-auf den Pflug und las mit pathetischem Feuer:</p>
-
-<p>»Der glänzende Erfolg der großen englischen
-Erfindung, welche uns einen Ersatz für die wohl
-für immer verlorene Arbeit unsrer farbigen Mitbürger
-zu schaffen bestimmt ist, zieht täglich Tausende
-von Schaulustigen nach dem Ausstellungspark
-der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana. Die
-Prüfungskommission dieses wahrhaft patriotischen
-Vereins, bestehend aus den Herren Lawrence &ndash;<span class="pagenum"><a id="Seite_115">[115]</a></span>
-hier folgten zehn weitere, mir völlig unbekannte
-Namen &ndash; hat dem riesigen Kulturinstrument einstimmig
-den ausgesetzten Ehrenpreis von 750
-Dollar zuerkannt. Wenn in Indien der Elefant
-am Pfluge des Rajahs Wunder der Kraft und
-Klugheit verrichtet, so arbeitet in unserm erleuchteteren
-Lande die elefantine Kraft des Dampfes
-an der neu erstehenden Wohlfahrt unsres zu Boden
-getretenen Südens. Ein Volk, das im Handumdrehen
-den Pflug mit dem Schwert zu vertauschen
-weiß, wie unser wackerer Longstreet so wahr bemerkte,
-kann nicht untergehen.«</p>
-
-<p>»Wenn ich nur wüßte, wo ich die 750 Dollar
-auftreiben sollte, mit denen mir das verehrliche
-Komitee seit acht Tagen in den Ohren liegt«,
-brummte der Geschäftsführer.</p>
-
-<p>»Deshalb kommen wir zu Ihnen, Herr Eyth«,
-sagte Lawrence mit wachsendem Frohsinn. »Die
-Elefantenidee hat gezündet; ich weiß es von verschiedenen
-Seiten. Wenn Sie uns ein wenig die
-Hand bieten, so wird sich alles zum besten wenden.«</p>
-
-<p>»Aber was kann ich mehr tun, als Ihren
-Park vierzehn Zoll tief aufreißen?« fragte ich,
-ziemlich ratlos um mich blickend. »Wenn dies
-Ihren ruhmbedeckten Süden nicht interessiert, so
-bleibt mir schließlich nichts andres übrig, als ihn
-seinem Schicksal zu überlassen.«</p>
-
-<p>»Fangen Sie nicht auch an, die Flügel hängen
-zu lassen!« mahnte Lawrence. »Das tut unser Geschäftsführer
-schon hinreichend für uns alle. Aber<span class="pagenum"><a id="Seite_116">[116]</a></span>
-hören Sie mir zu! Das Pflügen interessiert die
-Stadtleute nicht; zugegeben! Die großen Gutsbesitzer
-sind keine Volksmasse; auch kommen sie nicht
-in die Stadt. Sie haben kein Geld mehr, wie vor
-fünf Jahren. Wir müssen es anders angreifen.
-Wenn Sie damit einverstanden sind, lasse ich heute
-abend in alle Zeitungen eine Anzeige einrücken.
-Ich habe sie schon im Entwurf in der Tasche.
-Hören Sie! Passen Sie auf, Delano!«</p>
-
-<p>Er zog einen Bogen Papier aus der Brusttasche,
-auf dem in viel korrigierter Schrift folgendes
-zu lesen war:</p>
-
-<p>»Große Sensation! Wettrennen der zwei
-Dampfelefanten John Bull und Jonathan; John
-Bull, geritten von dem berühmten englischen Dampfelefantenjockey
-Mister Jem Parker; Jonathan von
-dem amerikanischen Gentlemanreiter Mister Eleazar
-Stone. An die gesamte Bevölkerung, Damen und
-Herren, groß und klein, alt und jung der Staaten
-Louisiana, Alabama, Mississippi und Texas! Nachdem
-die berühmten Dampfelefanten John Bull und
-sein Bruder Jonathan während der vergangenen
-Woche in gewaltiger Arbeit den Urgrund des Mississippitals
-aufgewühlt haben, beabsichtigen diese gewandten
-und zu heiterem Spiel geneigten Tierchen
-ihre angeborene Munterkeit in einem kleinen Wettlauf
-zum Ausdruck zu bringen, der auf der Rennbahn
-des Parks der Landwirtschaftsgesellschaft von
-Louisiana am Donnerstag, den 4. März, nachmittags
-fünf Uhr stattfinden wird. Besondere Anziehung<span class="pagenum"><a id="Seite_117">[117]</a></span>
-wird das Rennen dadurch ausüben, daß
-der Elefant Jonathan von dem amerikanischen
-Amateur Mister Stone, John Bull dagegen von
-dem berühmten englischen Berufsjockey Parker gesteuert
-werden wird. Es sollen bereits beträchtliche
-Wetten auf den Erfolg des einen oder andern
-der kühnen Reiter angeboten und angenommen
-worden sein. Herr Stone stammt aus einer alten
-Familie Virginiens und wird die Ehre des neuen
-Kontinents aufrecht zu erhalten wissen, während
-Parker vor einigen Tagen aus England eintraf,
-so daß ihm die ganze Geschicklichkeit und Erfahrung
-der älteren Kulturwelt zur Verfügung steht.</p>
-
-<p>»Achtung, Bürger von Louisiana, Alabama,
-Texas und Mississippi, Achtung! &ndash; Der Riesenmammutwettkampf
-zweier Welten, in Arbeit und
-Sport! Amerika gegen England! England gegen
-Amerika! Wer wird der Sieger bleiben? Parkkassenöffnung
-um zwei Uhr. Eintritt einen Dollar.
-Tribünenkarten drei Dollar.«</p>
-
-<p>Lawrence sah sich um, als habe er zu eigner
-Verwunderung das Ei des Kolumbus auf den Kopf
-gestellt; die trüben Augen des Geschäftsführers
-blitzten, eine hektische Röte war in seine gelben
-Wangen gestiegen. Mir standen die Haare zu Berge.</p>
-
-<p>»Das ist ja aber rein unmöglich, mein lieber
-Herr Lawrence«, rief ich, nach Luft schnappend.</p>
-
-<p>»Unmöglich?« schrie Lawrence stürmisch. »Unmöglich!
-Mein bester Gedanke seit dreißig Jahren!
-Aber warum denn, mein lieber Herr Eyth?«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_118">[118]</a></span></p>
-
-<p>Ich suchte mich zu fassen und ruhig zu sprechen.</p>
-
-<p>»Ich kann doch ganz unmöglich meinen Dampfpflug
-zu einem solchen Karnevalsstreich, zu einer
-so verrückten Barnumiade hergeben.«</p>
-
-<p>»Ich bitte Sie! Barnum ist einer der geachtetsten
-Bürger unsrer großen Republik. Ein Charakter!
-Ein Charakter, Herr Eyth! Er hat kleiner
-angefangen als Sie und hat heute das größte
-Museum der Welt. Er ist Millionen wert, Millionen,
-hat schon drei Kirchen gebaut, ist dreifacher Kirchenältester
-in seinen eignen Gotteshäusern und kann
-sich den Degen umschnallen, den Napoleon bei
-Waterloo verlor, wenn es ihm beliebt. Ich bitte
-Sie, warum denn nicht?«</p>
-
-<p>»Meine Dampfpflugmaschinen &ndash; wettrennen!«
-rief ich mit neu erwachendem Entsetzen. »Die
-plumpen englischen Dampfelefanten, wie die ›Crescent
-City News‹ sagen! Sie laufen ja keine vier
-Meilen in der Stunde, beim besten Willen.«</p>
-
-<p>»Das ist ja eben das Pikante! Ein Elefantenwettrennen,
-ein Dampfmammutwettrennen! Nichts
-von Ihren windigen Vollblutskniffen der Alten
-Welt; keine brutale Tierquälerei ihrer barbarischen
-Vergangenheit &ndash; das Ganze elegant, human,
-würdig &ndash; Zukunftsmusik! Der ›Picayune‹ wird
-jubeln; der ›Crescent City News‹-Redakteur wird
-sich die Haare ausreißen. Die ganze Stadt wird
-auf unsrer Seite sein. Und diese Reklame! Diese
-Reklame! Bedenken Sie doch!«</p>
-
-<p>»Vor der ganzen Welt werden wir dastehen<span class="pagenum"><a id="Seite_119">[119]</a></span>
-wie blamierte Hanswurste«, sagte ich düster, denn
-ich fühlte, daß etwas in mir nachgab, daß eine
-Feder meines Innersten brechen wollte, die ich bis
-jetzt für stahlhart gehalten hatte. Lawrence merkte
-es ebenfalls, setzte sich wieder auf den Pflug, von
-dem er in der Hitze des Gefechts aufgesprungen
-war, und fuhr ruhiger und eindringlich fort:</p>
-
-<p>»Sie verstehen dieses Land nicht. Sie können
-den mächtigen Strom des Fortschritts nicht fassen,
-der uns über solch kleinliche Bedenken wegträgt
-und uns größer gemacht hat als alle andern Nationen
-des Erdballs. Aber Sie müssen einsehen,
-was ich Ihnen hier biete. Jetzt sitzen Sie da vor
-zwei kleinen Jungen, die Sie auslachen. In ein
-paar Tagen haben Sie fünfzigtausend Menschen
-hier, die Sie anstaunen.«</p>
-
-<p>»Ich glaube gar nicht, daß ich Jem Parker
-bewegen kann, den Narren zu spielen,« brummte ich.</p>
-
-<p>»Dafür lassen Sie mich sorgen!« rief Lawrence
-freudig, denn er sah, wie schwach ich wurde. »Sechs
-Glas Jamaikarum und fünfzig Dollar Trinkgeld!
-Damit zieht er uns eine brennrote Jockeyjacke an.
-Stone, der ein Vater von sieben Kindern ist und
-Professor an einem Technikum in Buffalo war,
-will in grünem Spenzer und gelben Hosen antreten.
-Er denkt wie ich. Aber wohlgemerkt, Sie
-müssen es ihn gewinnen lassen. Er repräsentiert
-Amerika.«</p>
-
-<p>»Das ist ein weiterer Punkt«, warf ich ein.
-»Die beiden Maschinen gleichen sich wie ein Ei dem<span class="pagenum"><a id="Seite_120">[120]</a></span>
-andern und laufen genau gleichschnell. Von einem
-Wettrennen ist also nicht die Rede.«</p>
-
-<p>»Kann man dies nicht machen wie man will?«
-fragte Lawrence, fast wieder aufgebracht über meine
-Borniertheit. »Das wird mit Stone und Parker
-ganz genau verabredet. Dreimal über die Bahn,
-denke ich mir; zuerst Stone voraus; dann Parker
-voraus, immer weiter voraus, eine halbe Bahnlänge
-zwischen beiden. Stone in Nöten &ndash; Parker
-lachend. Dann auf einmal Stone hinterher wie
-der Teufel, mit offenen Zylinderhähnen, damit man
-sieht, daß sein Elefant sich anstrengt. Parker pustet
-und keucht. Vergeblich. Fünfzig Schritte vom Ziel
-sind sie beide Schornstein an Schornstein. Parker
-hat die Innenseite der Bahn; noch immer kann er
-gewinnen &ndash; aber in den letzten drei Sekunden,
-unter dem donnernden Jubel von fünfzigtausend
-Menschen, siegt Amerika mit einer Nasen- oder
-Rüssel- oder Kessellänge, ganz wie Sie wollen.
-Was sagen Sie jetzt?«</p>
-
-<p>»Die einzige Rettung für uns alle!« stöhnte
-Delano, der mich ängstlich betrachtete. Es mußte
-mit der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana in
-der Tat schlecht stehen.</p>
-
-<p>»Ich will mir's überlegen!« sagte ich zögernd
-und fühlte, wie die scharfe Luft Amerikas mein
-Lungengewebe durchdrang und das schwere, deutsche
-Blut rascher oxydierte. Die Empfindung steigender
-Wärme war nicht unangenehm. Auch leichter fühlte
-ich mich, wie ein Ballon, dem plötzlich mit weiteren<span class="pagenum"><a id="Seite_121">[121]</a></span>
-fünfzig Kubikmetern Gas unter die Arme gegriffen
-wird.</p>
-
-<p>»Und ich«, rief Lawrence, indem er mir rasch
-die Hand drückte, »laufe auf die Redaktionen. Für
-die Morgenblätter wird es gerade noch Zeit sein.
-Aus Ihnen, Herr Eyth, kann immer noch etwas
-werden. Ich gebe Sie nicht ganz verloren. Adieu!«</p>
-
-<p>Er lief, den nächsten Weg über das gepflügte
-Feld nehmend, dem Parktor zu und zwar so eifrig,
-daß er, über die mächtigen Furchen stolpernd, zweimal
-auf die Knie fiel, ohne Zeit zu verlieren.</p>
-
-<p>Delano und ich sahen einander an, zaghaft,
-trübselig, ich noch immer in einem unbeendeten
-Seelenkampf, in dem die Neue und die Alte Welt
-miteinander rangen und mich qualvoll hin und her
-zerrten; Delano mich mißtrauisch betrachtend, als
-ob er fürchtete, es könne doch noch alles schief gehen.</p>
-
-<p>»Es ist gut, daß Sie sich entschieden haben«,
-sagte er endlich mit dem ersten Lächeln auf seinem
-gelben Gesicht. »Wenn Sie nein gesagt hätten,
-wäre ich morgen früh nach Kuba abgereist. Ohne
-die Gesellschaftskasse. Die ist leer.«</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Neue_Hoffnung">8. Neue Hoffnung</h2>
-</div>
-
-<p>Die »Crescent City News« waren besiegt, sogar
-vor dem großen Tage, auf den Lawrence seine
-ganze Hoffnung setzte. Wie er dies zuwege gebracht
-hatte, blieb ein Geheimnis. Die spaltenlangen<span class="pagenum"><a id="Seite_122">[122]</a></span>
-Inserate, in denen das kommende Wettrennen
-zur Anzeige kam, konnten den Stimmungswechsel
-kaum hervorgebracht haben, dafür waren
-sie trotz der fetten Buchstaben nicht groß genug.
-Aber die spitzen Bemerkungen über die plumpen
-Dampfpflüge hörten plötzlich auf. Die löbliche
-Absicht, ein Wettrennen abzuhalten, wurde laut
-und dankbar anerkannt, die beiden Dampfelefanten
-John Bull und Jonathan in begeisterten Farben
-geschildert, ihre merkwürdige äußerliche Ähnlichkeit
-nicht verschwiegen, jedoch darauf hingewiesen, daß
-in ihrem Innern wesentliche Verschiedenheiten bestehen
-dürften. Das Verhältnis von Heiz- und
-Rostfläche, vom Zylinderraum zum Dampfraum im
-Kessel, eine künstliche Zugvorrichtung, ein heimlicher
-Expansionsschieber, kurz das eigentliche Seelenleben
-beider Maschinen lasse den Ausgang des Kampfes
-durchaus zweifelhaft erscheinen. Übrigens komme
-es, wie bei jedem Rennen, doch auch wesentlich auf
-die Jockeys an, und da Jonathan von dem berühmten
-Amerikaner Stone (grün und gelb), John
-Bull von einem nicht minder hervorragenden Engländer,
-Jem Parker (rot und blau) geritten werde
-&ndash; der Berichterstatter entschuldigte sich hier, daß
-er beim Anblick der eleganten Dampfrenner unwillkürlich
-in die Sprache des Turfs verfalle &ndash;, so
-sei der Sieg des einen oder des andern keineswegs
-eine leicht vorauszusehende Sache. An den Schenktischen
-der Hotels und Salons von St. Charles-
-und Kanalstraße sei das Wetten bereits in lebhaftem<span class="pagenum"><a id="Seite_123">[123]</a></span>
-Gang. Im allgemeinen sei in den Kanalstraßenrestaurants
-Jonathan der Favorite, während im
-St. Charleshotel Wetten von zwei gegen eins auf
-John Bull, dessen Jockey man größere Erfahrung
-zuschreibe, bereitwillig angenommen werden.</p>
-
-<p>Unser nutzloses Pflügen im Ausstellungspark
-wurde nicht wieder aufgenommen. Das amerikanische
-Fieber, das den wohlakklimatisierten Lawrence
-in einen jungen Mann voll Feuer und Energie
-verwandelt hatte, packte auch mich mit jeder Stunde
-mehr. Am Morgen nach unsrer Besprechung im
-Park, nachdem ich nicht ohne Herzbeklemmung die
-bekannte Anzeige in fünf Zeitungen gesehen und
-mich an deren Aussehen ein wenig gewöhnt hatte,
-schlug ich mit einer entschlossenen Aufwallung alle
-Bedenken in den Wind. Ein Trost blieb mir ja
-immer: Louisiana war viertausend Meilen vom
-würdevollen England entfernt. Wenn es nun einmal
-sein mußte und mein ernster, ehrbarer Dampfpflug
-auf ein paar Stunden den Narren spielen
-sollte, nun, dann lieber auch recht! &ndash; General
-Longstreet fand nichts Bedenkliches in der Sache.
-Im Gegenteil; er lobte mich, daß ich Land und
-Volk so rasch begreifen lerne. Persönlich wünsche
-er allerdings in diesem Fall mehr in den Hintergrund
-zu treten. Um so tätiger waren seine jungen
-Geschäftsteilnehmer, die beiden Owen, die das
-Wetten unter ihren Freunden in einen Schwung
-brachten, der mich kleinen Anwandlungen von Gewissensbissen
-aussetzte. Lawrence lachte mich aus:<span class="pagenum"><a id="Seite_124">[124]</a></span>
-»Ist es unsre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die
-jungen Leute ihr Geld in der Tasche behalten?«
-fragte er. »Ist es für das gemeine Wohl von
-irgend welcher Bedeutung, in wessen Tasche des
-Volkes es schließlich sitzen bleibt?« Ich mußte
-ihm recht geben.</p>
-
-<p>Parker machte keine Schwierigkeiten. In
-seiner trockenen Weise sagte er: »Mister Fowler
-schickte mich hierher und befahl mir, zu tun, was
-<em class="gesperrt">Sie</em> befehlen. Das sind meine Anweisungen.
-Wenn ich mit meiner Maschine wettrennen soll, so
-wettrenne ich; das ist einfach!« &ndash; Ich klopfte ihm
-auf die Schulter und begann, etwas zögernd, von
-der roten Jacke zu sprechen. Aber auch hier kam
-mir ein unerwarteter Zwischenfall zu Hilfe. Der
-ruhige Jem hatte bereits die intime Bekanntschaft
-einer jungen Dame gemacht, der hübschen, wenn
-auch etwas bronzierten Tochter eines Handelsgärtners,
-der in der Nähe des Parks einen stattlichen
-Bananen- und Orangenwald pflegte. Der Engländer
-teilte die amerikanische Abneigung gegen
-leichte Farbenmischungen nicht, und die junge Dame
-war Feuer und Flamme für den hübschen, kräftigen,
-wenn auch stummen Liebhaber, dessen ehrliche
-Augen die besten Absichten verrieten. Fräulein
-Sally war begeistert für die rote Jacke, half sie
-anmessen und setzte Goldborten auf den Kragen.
-Ihr Jem sah prächtig aus, wie ein Kakadu! Jetzt
-erst war sie wirklich überzeugt, eine glückliche
-Frau zu werden. Er brummte, aber er war ein<span class="pagenum"><a id="Seite_125">[125]</a></span>
-herziger Junge, ihr Jem, wenn er die Kakadujacke
-anhatte.</p>
-
-<p>Die Ackergeräte blieben im Felde stehen, wo
-sie standen, verstaubt und verachtet. Beide Dampfmaschinen
-dagegen wurden drei Tage lang geputzt
-und geschmirgelt, daß sie in der Sonne blitzten.
-Auf der Rückseite des Tenders und auf dem Deckel
-der Rauchkammer ließ ich durch einen hervorragenden
-Künstler aus Deutschland, der drüben
-mehrere Malerschulen besucht hatte und dementsprechend
-am Hungertuch nagte, die eine mit den
-Worten »John Bull«, die andre mit dem Namen
-»Jonathan« bemalen, so daß ich nun auch selbst
-wußte, welches die eine und welches die andre
-war. Stone brachte auf eigne Kosten nationalfarbene,
-besternte Tücher, mit welchen er Jonathan
-schmückte. John Bull fand sich am Mittwoch nachmittag
-mit Guirlanden über und über bedeckt, in
-denen sich reife Orangen besonders reizend ausnahmen.
-Das war Sallys Werk. Ich selbst sorgte
-dafür, daß am Tender jeder Maschine zwei Banner
-befestigt wurden: Parker erhielt die englische Union-Jack,
-die er mit ruhigem Stolz aufsteckte, Stone
-die sternbesäte Flagge seiner amerikanischen Heimat.
-Das eigentümliche Verhältnis beider war auch nach
-längerem Zusammenarbeiten das gleiche geblieben.
-Sie sprachen nicht viel und nicht höflich, wenn sie
-sich etwas zu sagen hatten, aber die magnetische
-Antipathie, mit der sie sich betrachteten, war im
-Wachsen. Parker verachtete Stone, Stone ärgerte<span class="pagenum"><a id="Seite_126">[126]</a></span>
-sich über Parker. Das geschah aus nationalem
-Instinkt. Hätten sie sich als Individuen gegenübergestanden,
-so wäre das umgekehrte Verhältnis
-natürlicher gewesen. Stone, der ältere, verhältnismäßig
-gebildetere Mann, hätte Jem verachten, Jem
-sich über Stone ärgern sollen. Aber das unbewußte
-Rassengefühl ist meist stärker als das bewußte
-Empfinden des einzelnen. Zum Glück hatten sie
-bis jetzt nicht viel Gelegenheit gehabt, sich aneinander
-zu reiben. Es ist dies schwierig, wenn jeder
-den ganzen Tag an einem der beiden Enden eines
-vierhundert Meter langen Drahtseils beschäftigt ist.</p>
-
-<p>Auch Delano hatte nun genügend zu tun und
-wurde deshalb etwas heiterer. Er ließ die Tribüne
-abstäuben und stützen, da sie sich gefährlich nach
-hinten neigte, und ein drittes Kassenhäuschen aufstellen.
-Man sah, meine amerikanischen Freunde
-glaubten an die englischen Elefanten. Ich selbst
-war sehr beschäftigt und warf kaum einen Blick
-auf die Zeitungsnotiz, die mir Lawrence, der jetzt
-alle Taschen voll Fahnenabzüge und Ausschnitte
-hatte, am Dienstag vor dem Rennen auf die Maschine
-heraufreichte. Einen Augenblick später sprang
-ich jedoch erregt zur Erde. Der Himmel klärte
-sich. Es regnet auch im Mississippidelta nicht
-immer. Dann las ich mit gespannter, aber freudiger
-Aufregung:</p>
-
-<p>»Washington, den 1. März 1867. Der unerwartete
-Schluß der Sitzungen des Kongresses war
-in den letzten Tagen die Veranlassung, eine ganze<span class="pagenum"><a id="Seite_127">[127]</a></span>
-Reihe weniger bedeutender Vorlagen, namentlich
-auf wirtschaftlichem Gebiete, zur Beratung zu
-bringen, die meist ohne längere Diskussion zur Annahme
-kamen. Die sichtliche, die Arbeit fördernde
-Ermüdung der würdigen Vertreter des souveränen
-Volkes mag hierbei ebenso kräftig mitgewirkt haben
-wie die sachlichen Interessen, die von einzelnen Mitgliedern
-mit Gewandtheit und Umsicht vertreten
-wurden. Namentlich war dies am letzten Tage
-der Session der Fall, an dem die folgenden neun
-Anträge die Zustimmung des hohen Hauses erhielten.«
-Dann folgte die Liste von acht mir völlig
-gleichgültigen Bestimmungen, die sich auf die Gewährung
-von Pensionen, die Bezahlung von Komitees,
-die Erhöhung von Beiträgen zu verschiedenen
-Verkehrsunternehmungen bezogen. Dem
-neunten Paragraphen sah man es fast an, wie
-hastig er im letzten Augenblick noch angehängt
-worden war. Er lautete:</p>
-
-<p>Ferner wird beschlossen, daß Geräte und Maschinen,
-die zur Bearbeitung des Bodens mittels
-Dampfkraft bestimmt sind, zoll- und steuerfrei eingeführt
-werden können, und soll diese Zollbefreiung
-auf die Dauer von drei Jahren festgesetzt sein.
-Auch soll die Bestimmung rückwirkende Kraft besitzen
-und vom 1. Januar 1867 an Geltung haben.&nbsp;&ndash;</p>
-
-<p>»So hat mein zweifelhafter Freund Olcott doch
-nicht umsonst gearbeitet, und Schmettkow wird mir
-beschämt zugestehen müssen, daß auch im Norden
-noch Menschen wohnen, auf die man sich verlassen<span class="pagenum"><a id="Seite_128">[128]</a></span>
-kann!« rief ich innerlich hocherfreut und schickte
-Stone in die Stadt, um noch zwei Banner zu bestellen,
-mit denen ich Jonathans Schornstein schmücken
-wollte. Die Sterne und Streifen waren nicht so
-schlimm, als ich seit einigen Wochen zu fürchten
-begonnen hatte.</p>
-
-<p>Noch am gleichen Nachmittag, als meine zwei
-Renner blank und glänzend, mit Kohlen, Wasser
-und Öl versorgt, hinter der geschmückten Tribüne
-aufgestellt waren, fuhr ich nach dem Zollamt und
-überreichte dem Generalzolldirektor von New Orleans
-den »Picayune« und die »Crescent City News«
-mit ihren Telegrammen aus Washington. Der Herr,
-ein dünner, schwarzgekleideter Yankee mit der Miene
-eines Kirchenältesten, schien in eifrigem Geschäftsgespräch
-mit einem seiner Unterbeamten. Beide
-hatten zerrissene Taschenbücher in der Hand und
-ließen sich durch meinen Eintritt kaum stören. Zwei
-gegen eins auf Jonathan; so weit wollte der Zolldirektor
-gehen, während der Assistent zögernd an
-seinem Bleistift kaute. Beide Herren empfingen
-mich unwirsch, als ich eintrat, und sehr höflich, als
-ich mich zu erkennen gab. Mit sichtlichem Widerstreben
-entfernte sich der Assistent auf einen energischen
-Wink seines Vorgesetzten. Ich zog den
-»Picayune« hervor und zeigte ihm den dickunterstrichenen
-Paragraphen.</p>
-
-<p>»Sehr gut, sehr gut, Sir!« sagte er mit unerwarteter
-Zuvorkommenheit. »Ich gratuliere Ihnen,
-Herr &ndash; Herr Jed! Nebenbei: würden Sie vielleicht<span class="pagenum"><a id="Seite_129">[129]</a></span>
-die Güte haben, mir den Unterschied, die
-wesentlichen inneren Eigenschaften von Jonathan
-und John Bull zu erklären? Ich verstehe nicht
-viel von Dampfmaschinen, interessiere mich aber
-doch außerordentlich für die Fortschritte der Technik.
-Die beiden Elefanten seien äußerlich ziemlich ähnlich,
-habe ich mir von sachverständiger Seite sagen
-lassen. Welchen &ndash; ganz unter uns &ndash; welchen
-halten Sie bei einem Viereinhalbmeilen-Rennen für
-den leistungsfähigeren? Sie wissen, die Bahn ist
-anderthalb Meilen lang.«</p>
-
-<p>Hier handelte es sich offenbar um ein unerwartet
-glückliches Zusammentreffen von Umständen,
-das ich nicht ungenützt vorübergehen lassen durfte.</p>
-
-<p>»Ich komme, verehrter Herr,« sagte ich, »um
-Sie auf den Paragraphen bezüglich der rückwirkenden
-Kraft dieser Zollbestimmung aufmerksam zu
-machen.«</p>
-
-<p>»Sehr interessant!« rief der Zöllner. »Ich
-höre, Jonathans Feuerbüchse sei um zehn Zoll
-länger. Wenn dies der Fall ist, muß er ein verdammt
-guter Dampfer sein&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Wie Sie wissen,« unterbrach ich ihn mit großer
-Ruhe, »haben wir, unsre Vertreter Longstreet, Owen
-&amp; Co., in meinem Namen viertausendzweihundert
-Dollar Zollgebühren für den Dampfpflug bezahlt,
-der sich augenblicklich im Ausstellungspark befindet.«</p>
-
-<p>»Gewiß, gewiß! ich erinnere mich. Dagegen
-habe ich gehört, daß John Bull größere Straßenräder
-hat. Das <span id="corr129">müßte</span> man aber doch sehen, und<span class="pagenum"><a id="Seite_130">[130]</a></span>
-mein Sohn, den ich gestern nacht hinausschickte,
-konnte einen Unterschied nicht mehr feststellen; es
-war allerdings schon dunkel. Niemand kann mich
-nun hierüber so gut aufklären als Sie, mein werter
-Herr Jed. Ich betrachte es als eine ganz besondere
-Vergünstigung, daß ich die Ehre habe, Sie
-heute bei mir zu sehen.«</p>
-
-<p>»Nun denke ich,« fuhr ich mit Beharrlichkeit
-fort, »werden wir wohl die viertausendzweihundert
-Dollar ohne weiteres zurückerhalten können. Etwas
-Bargeld wäre mir augenblicklich nicht unangenehm,
-Herr Generalzolldirektor! Jonathan frißt, wie Sie
-richtig vermuten, eine erstaunliche Menge Kohlen.«</p>
-
-<p>»Sie glauben also auch, daß Jonathan, namentlich
-auf viereinhalb Meilen, die Wahrscheinlichkeit
-für sich hat?« drängte der Kirchenälteste.</p>
-
-<p>»Ich kann natürlich nichts Bestimmtes sagen,
-Sir«, sagte ich zurückhaltend. »Jonathan ist ein
-feiner, junger Dampfelefant, dem ich viel zutraue
-&ndash; viel zutraue, Herr Direktor, und John Bull ist
-nicht schlecht für sein Alter. Beide sind am gleichen
-Tage geboren. Es wäre nicht ehrlich, wenn ich
-mehr plaudern wollte. Auch kann man ja nie
-wissen, wie es geht. Der Zustand der Bahn, das
-Wetter, Wasser und Kohle, die Jockeys, alles hat
-seinen Einfluß. Von den Elefanten als Renner
-wissen wir alle nicht zuviel. Was die viertausendzweihundert
-Dollar betrifft&nbsp;&ndash;&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Das genügt«, unterbrach mich der Direktor
-mit schlauem Augenblinzeln. »Jonathan ist fein<span class="pagenum"><a id="Seite_131">[131]</a></span>
-und jung. Sie sagen, Jonathan kann man
-viel zutrauen. Mehr als einen Wink darf ich
-von Ihnen nicht verlangen. Ich hoffe, Sie zu verstehen.«</p>
-
-<p>»Und was die viertausendzweihundert Dollar
-betrifft«, mahnte ich, zutraulich lächelnd, als ob wir
-jetzt unter einer Decke steckten.</p>
-
-<p>»Ja, sehen Sie,« sagte der Kirchenälteste mit
-der wohlwollendsten Freundlichkeit, »das ist so eine
-Sache! Das Geld werden Sie ohne Zweifel bekommen,
-namentlich &ndash; namentlich wenn Jonathan
-gewinnt. Aber ich muß doch erst Weisungen von
-Washington haben; direkte Anweisung. So geschwind
-wie mit Ihren Dampfelefanten geht es in
-den Regierungsbureaux gewöhnlich doch nicht. Besuchen
-Sie mich in einer Woche wieder, Herr Jed.
-Da soll die Summe auf dem Tisch liegen, wenn
-der ›Picayune‹ nicht gelogen hat; mein Wort
-darauf! &ndash; Also Jonathan? Sie denken wirklich
-Jonathan?«</p>
-
-<p>»Wie Sie sagen: ich denke Jonathan«, bestätigte
-ich halblaut, sinnend, wie wenn ich meine eignen
-Gedanken belauschte, und dachte dabei an das
-Orakel von Delphi. Dann verabschiedeten wir uns
-mit lebhaftem Händeschütteln. Ich kann es nicht
-leugnen, so unerklärlich es ist: noch nach Jahren
-meines amerikanischen Lebens machte dieses biedere
-Händeschütteln einen gewissen Eindruck auf mich.</p>
-
-<p>In dem dunklen Gange vor der Tür kam
-der kleine, aber greisenhafte Assistent aus einer<span class="pagenum"><a id="Seite_132">[132]</a></span>
-Nische hervor. Er hatte auf mich gelauert und
-schüttelte mir noch heftiger die Hand.</p>
-
-<p>»Sie kommen wegen des Zolls auf Ihren
-Dampfpflug«, sagte er leise und eifrig. »Ich weiß,
-ich weiß! Ich las die Nachricht selbst heute früh in
-den ›Crescent City News‹ und dachte sofort: hier
-gibt es etwas für mich zu tun. Ohne mich geht
-das nämlich nicht. Er ist zäh wie ein Hickorystock,
-wenn er herauszahlen soll« &ndash; dabei deutete der
-Kleine auf die Zimmertür des Großen. &ndash; »Eine
-höchst wichtige Nachricht für Ihr Geschäft. Gratuliere,
-gratuliere! Die viertausendzweihundert Dollar
-werden Sie übrigens im Handumdrehen bekommen,
-wenn ich die Sache in die Hand nehme, und das
-habe ich zu tun im Sinn, Mister Eyth! Nebenbei
-&ndash; was halten Sie von John Bull? Ich glaube
-nicht, daß die beiden Elefanten so verschieden sind,
-als sie aussehen. Sie sehen verschieden aus, höre
-ich von sachverständiger Seite, aber nicht so verschieden,
-daß man daraus seine Schlüsse ziehen
-könnte. Auf die Jockeys wird es wohl ankommen
-&ndash; unter uns&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Die Jockeys sind allerdings auch bei wirklichen
-Elefanten ein wichtiges Element«, sagte ich
-zustimmend.</p>
-
-<p>»Herr Eyth, ich heiße Smith und habe die
-Geldanweisungen auszuschreiben. Es wird mir das
-größte Vergnügen machen, Ihnen gefällig zu sein.
-Ich weiß, die Engländer lieben einen prompten
-Geschäftsgang; ich war selbst drei Wochen in England.<span class="pagenum"><a id="Seite_133">[133]</a></span>
-Und da John Bulls Jockey, wie ich höre,
-ein Engländer ist und natürlich besser mit diesen
-Dampfelefanten umzugehen weiß&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»So würde ich selbst vermuten,« unterbrach
-ich ihn entgegenkommend, »daß John Bull die
-größere Wahrscheinlichkeit für sich hat, als Sieger
-aus dem Rennen herauszukommen.«</p>
-
-<p>»Das genügt, das genügt!« rief der Kleine
-stürmisch. »Natürlich, es wäre unrecht, Sie zu
-veranlassen, weiter aus der Schule zu schwatzen.
-Aber kommen Sie nach dem Wettrennen wieder.
-Sie sollen Ihr Geld haben, ehe wir ein Schnippchen
-schlagen. Mein Chef?« &ndash; Herr Smith machte
-eine unehrerbietige Grimasse &ndash; »er läßt niemand
-in Ruhe, die alte Schraube! Er hat mir bei
-unsrer letzten Wette meinen halben Jahresgehalt
-abgeschwindelt, und ich bin ein verheirateter Mann
-mit einer kleinen Familie von sieben. Diesmal
-soll er mir einmal bluten! &ndash; John Bull; natürlich!
-Sie werden es den Amerikaner nicht gewinnen
-lassen; das kann ja ein Kind sehen. &ndash; Diesmal
-soll er geschröpft werden. Besten Dank, wertester
-Herr Eyth!«</p>
-
-<p>Er klopfte mit schneidiger Schärfe an die
-Zimmertür seines Vorgesetzten. Ein freudiges
-Herein! der etwas krächzenden Stimme des kirchenältesten
-Zöllners drang bis zu mir. Ich konnte
-noch auf der Treppe an dem heiteren Ton ihres
-Gesprächs hören, wie sie beide glaubten, sich gegenseitig
-in der Tasche zu haben. Ein schöneres Verhältnis<span class="pagenum"><a id="Seite_134">[134]</a></span>
-zwischen Vorgesetzten und Untergebenen
-konnte es doch wohl kaum geben. Und hierfür,
-sagte ich mir mit heimlichem Stolze, sind mir beide
-jetzt gleich dankbar.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Das_Elefantenrennen">9. Das Elefantenrennen</h2>
-</div>
-
-<p>Ein kurzer, scharfer Regenguß, der in der Nacht
-gefallen war und die Frühlingsregenzeit einleitete,
-konnte unsrer Rennbahn zwar nicht sonderlich zuträglich
-sein, doch trocknete der sonnige Morgen
-die Wege, die Tribüne und deren etwas spärliche
-Dekoration genügend, so daß alles glänzte und
-prangte, wie es sich für einen großen Tag geziemt.
-In der Stadt war für ein kundiges Auge eine
-gewisse Bewegung deutlich erkennbar. Gruppen
-umstanden die Anschlagsäulen und die Bretterwände
-der im Bau begriffenen Häuser, an denen sich das
-von Lawrence gedichtete Plakat in Riesenbuchstaben
-breit machte: »Unerhörte Sensation! Amerika gegen
-England; England gegen Amerika! Das Mammutwettrennen
-der zwei Dampfelefanten Jonathan und
-John Bull« usw. An Straßenecken wurden von
-zweifelhaften Gestalten Wetten angeboten und angenommen.
-Gegen nachmittag war die Trambahnlinie
-in der Richtung des Ausstellungsparks belagert,
-und von vier Uhr an hingen aufgeregte und im
-allgemeinen fröhliche Menschen in lebensgefährlicher
-Weise an den Geländern und Treppen der Wagen,<span class="pagenum"><a id="Seite_135">[135]</a></span>
-von denen alle acht Minuten fünf und sechs unmittelbar
-hintereinander nach Osten fuhren.</p>
-
-<p>Schon um elf Uhr hatten wir bei verschlossenen
-Türen im Parkpavillon eine geheime Sitzung abgehalten:
-Lawrence, Delano, ich und die zwei Elefantenjockeys
-Parker und Stone. Es handelte sich
-um genaue Anweisungen für die beiden letztgenannten.
-Flüsternd ersuchte ich sie, nachdem die
-Türen verriegelt waren, ihr heiliges Ehrenwort
-abzugeben, daß nichts &ndash; aber auch nichts! &ndash;, was
-sie in dieser feierlichen Stunde hören sollten, jemals
-über ihre Lippen kommen werde. »<em class="antiqua">I will be blown</em>,«
-sagte der Engländer bereitwillig, aber ernst, »wenn
-ich je etwas ausplaudere.« &ndash; »<em class="antiqua">I will be darned!</em>«
-schwur der Amerikaner. Wörtlich übersetzt heißt
-das eine: »ich will geblasen«, das andre »ich will
-gestopft sein« und ist in der Heimat der Betreffenden
-die landesübliche Umschreibung für den Wunsch,
-in der untersten Hölle zu braten. Ich konnte beruhigt
-fortfahren:</p>
-
-<p>»Sie wissen, meine Herren, daß, was wir
-heute zu tun haben, die Grenze eines kleinen, heiteren
-Humbugs nicht überschreitet. Ich brauche
-Ihnen, bei Ihrer Intelligenz, nicht mitzuteilen, daß
-unsre Elefanten keine wirklichen Elefanten, unser
-Wettrennen kein wirkliches Wettrennen ist. Herr
-Lawrence wird Ihnen vielleicht auseinandersetzen,
-wenn Sie dies wünschen sollten, wie weit unser
-Vorgehen vom ethischen Standpunkte aus haltbar
-ist. Ich überlasse ihm diesen Punkt, da derselbe<span class="pagenum"><a id="Seite_136">[136]</a></span>
-ausschließlich die Anschauungsweise der großen und
-erleuchteten Nation betrifft, die wir heute zu erfreuen
-und zu belehren hoffen, und für deren hervorragenden
-Vertreter ich ihn ansehe. Ich beschränke
-mich darauf, Ihnen die Versicherung zu
-geben, daß Herr Lawrence in diesem Punkte völlig
-beruhigt ist.«</p>
-
-<p>Stone nickte mit einem kaum merklichen Anflug
-eines Lächelns um seine dünnen Lippen, Parker
-in stummem Staunen.</p>
-
-<p>»Die Sache ist also einfach die,« begann ich
-wieder in geschäftsmäßigerem Ton, »Punkt halb
-fünf Uhr haben Sie sechs Atmosphären Dampf im
-Kessel, Wasser und Kohle in Ordnung, alle Lager
-gut geölt &ndash; vergessen Sie das Bremsband auf
-der Hinterachse nicht, Herr Stone &ndash;, kurz, die
-Maschine zur Abfahrt vollständig bereit zu halten.
-Sie fahren dann vor die Tribüne, wo ich Ihnen
-Ihre Plätze anweisen werde. Punkt fünf Uhr gibt
-Herr Delano ein Zeichen; er wird einen Revolver
-abschießen, wenn ich recht weiß, und Sie, meine
-Herren, fahren dann dreimal auf dem großen Ring
-herum. Keine Übereilung; keine unnötige Anstrengung.
-Zuerst bitte ich Herrn Stone, vorauszufahren,
-&ndash; dann, nach etwa hundert Schritt, muß
-Parker ihn überholen und einen ziemlichen Vorsprung
-beibehalten, bis bei der dritten Umfahrt,
-kurz vor dem Ziel, Herr Stone ihn wieder einholt
-und eine halbe Minute, oder besser nur ein paar
-Sekunden, vor Parker durchs Ziel fährt. Hier zum
-Schluß müssen Sie natürlich ein wenig aufpassen,<span class="pagenum"><a id="Seite_137">[137]</a></span>
-daß die Sache nicht umgekehrt ausfällt. Sie haben
-mich verstanden?«</p>
-
-<p>Parkers rundes, harmloses Gesicht verdüsterte
-sich. »Aber« &ndash; fing er an.</p>
-
-<p>»Kein ›Aber‹, Parker,« sagte ich bestimmt,
-»Sie tun, wie ich Ihnen sagte. Wir sind in Amerika
-und müssen den Herren Amerikanern zeigen,
-daß ein englischer Gentleman höflich sein kann.«</p>
-
-<p>Stone lächelte mitleidig; Parker hing den
-Kopf. »Ich möchte mit Ihnen allein sprechen«,
-murmelte er in sichtlicher Seelennot.</p>
-
-<p>Wir traten in eine Fensternische, und Jem
-flüsterte, während sein Kopf purpurrot wurde:</p>
-
-<p>»Mir wäre es ja gleichgültig, Sir, wer am
-Schluß vorausfährt; aber Sally &ndash; ich habe Sally
-versprochen&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Weibergeschichten! Dummheiten! Schämen
-Sie sich, Parker!« sagte ich entrüstet. »Ich hoffe
-&ndash; die Herren Fowler in England hoffen, daß Sie
-Ihre Pflicht tun werden.«</p>
-
-<p>Er schwieg und schämte sich. Hiermit konnte
-die geheime Konferenz geschlossen werden. Stone
-und Parker entfernten sich, um ihren Maschinen,
-die hinter der Tribüne und einer provisorischen
-Zeltwand friedlich nebeneinander rauchten, vor dem
-großen Kampfe die letzten liebevollen Handreichungen
-angedeihen zu lassen und sich sodann in den dunklen
-Hohlräumen der Tribüne in ihr schmuckes Jockeykostüm
-zu werfen. Delano eilte in fieberhafter
-Stimmung nach den Kassenhäuschen am Eingang,
-wo bereits zwei Kassierer auf ihre kommende<span class="pagenum"><a id="Seite_138">[138]</a></span>
-Tätigkeit warteten. Sie kam auch, mit jeder
-Viertelstunde sichtlich wachsend. Der Ausstellungspark,
-sonst ein Bild tiefer, melancholischer Einsamkeit,
-begann sich zu beleben. Lawrence strahlte
-wie eine zweite Sonne über dem Platz, Freunde
-begrüßend, Fremde zurechtweisend. Es war sein
-Werk, das sich ringsumher entwickelte, und er
-fühlte, daß die Augen von zwei Weltteilen auf ihm
-ruhten.</p>
-
-<p>Die Tribüne füllte sich langsam; um die Barrieren
-des großen Rings schloß sich ein Menschenring
-in Form einer dünnen riesigen Mondsichel,
-deren Hörner sich bereits zu einem Kreis zusammenschlossen.
-Daß das Sonntagspublikum der Stadt
-in Bewegung geraten könnte, hatte ich halb und
-halb gehofft; daß aber auch die Aristokratie der
-Crescent City erscheinen werde, war mehr, als ich
-erwartete. Longstreet kam &ndash; man hörte sein vergnügliches
-lautes Lachen schon von weitem &ndash;, der
-ernste Beauregard, Taylor, unruhig wie ein Wiesel,
-nach allen Seiten auf Jonathan und gegen John
-Bull wettend. Die Owens mit der jüngeren Generation
-belebten das Innere des Rings und brachten
-ganze Scharen von Damen in glänzenden Toiletten.
-Es gab doch noch schwarze leuchtende Augen und
-blitzende Diamanten in der Stadt. Gelegentlich sah
-man Delano mit einem Leinwandbeutel im Arm
-vom Eingangstor nach dem Pavillon laufen. Es
-waren Geldsäcke, die er in Longstreets Bureau entlehnt
-hatte. Er lachte förmlich, zum erstenmal seit
-dem Bürgerkriege, wie mir Owen, ebenfalls lachend,<span class="pagenum"><a id="Seite_139">[139]</a></span>
-versicherte. Eine heitere Aufregung bemächtigte sich
-der Menge in steigendem Grade. Der improvisierte
-Zeltverschlag, hinter dem in stoischer Ruhe die zwei
-Maschinen ihre Rauchwolken zum Himmel sandten,
-war von hundert Jungen umdrängt, die die Leinwandwände
-einzudrücken versuchten und von Zeit
-zu Zeit von Bucephalus und dem schwarzen Jem
-mit entrüsteter Beredsamkeit verjagt wurden. Es
-half wenig, da der eine eine riesige amerikanische,
-der andre eine englische Kokarde trug, die
-sofort der Mittelpunkt jubelnder Bewunderung
-wurden.</p>
-
-<p>So wurde es halb fünf Uhr. Aus einem Loch
-in der Rückwand der Tribüne schlüpfte jetzt Stone
-in hellgrüner Jacke und gelben Beinkleidern und
-marschierte, von dreißig Jungen geleitet, ernst, als
-ob er in einer grünen Jacke geboren wäre, dem
-Maschinenzelt zu. Keine Muskel rührte sich in
-seinem steinernen Gesicht. Er war der echte Jockey,
-der mit zusammengebissenen Zähnen einem Kampf
-auf Leben und Tod entgegengeht.</p>
-
-<p>Vor dem Loch in der Tribüne wartete in sichtlicher
-Ungeduld eine junge Dame in feuerrotem
-Seidenkleid und einem wogenden Federhut von
-erstaunlicher Größe. Als Parker in seinem prachtvollen
-Kakadugefieder, rot und blau, in der Öffnung
-erschien, wollte er wieder zurückschlüpfen. Der große
-Junge war so rot wie seine Jacke. Aber es half
-ihm nichts; die begeisterte Sally erfaßte ihn beim
-Arm, zog ihn heraus und begleitete ihn stolz nach
-dem Maschinenzelt, wo sie mit Bucephalus in ein<span class="pagenum"><a id="Seite_140">[140]</a></span>
-entrüstetes Zwiegespräch geriet, der ihr rund erklärte,
-daß hier Damen nicht zugelassen würden.</p>
-
-<p>Fünfzehn Minuten vor fünf öffneten sich die
-Zeltwände mit erfreulicher Pünktlichkeit. Es ging
-alles wie am Schnürchen. Die beiden Elefanten
-dampften keuchend und rasselnd, aber mit feierlichem
-Ernste, aus der Hütte hervor und wälzten
-sich in den Ring, der Tribüne zu. Die Aufregung
-wuchs; die Volksmenge umringte sie schreiend,
-manchmal in jähem Schreck auseinanderstiebend,
-dann wieder sich gefährlich zusammenballend. »Das
-ist Jonathan!« &ndash; »Das ist John Bull!« erklärten
-sie sich hundertstimmig. »Ein feiner Bursche, John
-Bull!« &ndash; »Sehen Sie, die Räder! diese Breite!«
-&ndash; »Und wie Jonathan dampft! Das heiß' ich
-ein paar Lungen!« &ndash; »Aufpassen! Aus dem Weg!«
-&ndash; »Vier gegen drei auf Jonathan!« &ndash; »Zwei
-gegen eins auf John Bull!« &ndash; »Hipp, hipp, hurra
-für Amerika!« &ndash; »Zwei gegen eins auf Jonathan!«
-So schwirrte es durcheinander, bis die
-beiden Maschinen vor der Tribüne angelangt waren
-und nebeneinander zum Stillstand kamen. Der
-kleine schwarze Jem, der bei Jonathan, und Bucephalus,
-welcher bei John Bull Heizerdienste versah,
-grinsten sich an. Parker und Stone lehnten auf
-ihren Steuerrädern und sahen ernst und schweigend
-auf die brausende Volksmenge herab, die zögernd
-die Rennbahn freigab und, heftig protestierend, von
-sechs Schutzleuten unter die Barrieren durchgejagt
-wurde, wobei abgestreifte Zylinderhüte die Heiterkeit
-wieder herstellten. Das Ganze schien einen<span class="pagenum"><a id="Seite_141">[141]</a></span>
-durchaus würdigen Verlauf nehmen zu wollen.
-Lawrence, der an alles zu denken schien, hatte
-selbst für Komiteemitglieder gesorgt, die in amerikanischen
-und englischen Schärpen um die Maschinen
-herumliefen, sichtlich ohne zu wissen, was sie zu tun
-hatten, und dadurch dem Publikum zu denken gaben.</p>
-
-<p>Auf der Pavillonuhr schlug es fünf. Atemlos
-kam Delano aus der Richtung des Kassentors herbei,
-eine riesige Pistole in der Hand. Er wechselte
-mit Parker und Stone einige hastige Worte, um
-sicher zu sein, ob er das Zeichen geben könne.
-Beide nickten. Fräulein Sally, die ihre nächste
-Umgebung nur mit Mühe verhindern konnte, die
-Barriere zu überklettern, rief ihrem Jem ermunternde
-Zärtlichkeiten zu. Dann knallte der
-Schuß. Sally stieß einen gellenden Schrei aus,
-sank in die Arme ihres Nachbars, raffte sich aber
-ebenso rasch wieder empor. Mit acht offenen Zylinderhähnen,
-Dampf und Feuer speiend, beide
-Pfeifen schrill trompetend, hatten sich die zwei
-Maschinen in Bewegung gesetzt. Das war nicht
-der Augenblick für weibliche Schwächen. »Hurra,
-Jonathan!« &ndash; »Hurra, John Bull!« brüllte die
-beglückte Menge. »Vorwärts, vorwärts!« &ndash; »Hurra,
-Jonathan!« &ndash; »Amerika für immer!« &ndash; »Hurra,
-Jonathan!«</p>
-
-<p>Der Start war untadelhaft; das Wettrennen
-hatte durchaus programmgemäß begonnen. Beide
-Maschinen liefen in behaglicher Ruhe hintereinander
-her die Rennbahn entlang. Da aber sämtliche Zylinderhähne
-geöffnet blieben und sie demgemäß<span class="pagenum"><a id="Seite_142">[142]</a></span>
-unter lautem Zischen Wolken von Wasser und
-Dampf ausspieen, machten sie den Eindruck außerordentlicher
-Kraftanstrengung, so daß das Publikum
-hochbefriedigt war. »Hurra, John!« &ndash; »Vorwärts,
-vorwärts, Jonathan!« schrie es in steigender Erregung.
-Ich wunderte mich anfänglich, daß der
-England repräsentierende John Bull mindestens
-ebenso viele brüllende Freunde zu haben schien als
-Jonathan. Aber eine große Anzahl Wetten waren
-zugunsten Johns abgeschlossen worden. Der schlauere
-Teil der Wettlustigen traute der Sache doch nicht
-ganz und vermutete, daß ich, der Leiter und Besitzer
-der Elefanten, dem Engländer geheime Vorteile
-verschaffen werde. Daß ich weder Engländer
-noch Amerikaner, sondern »nur« &ndash; wir schrieben,
-wie erwähnt, noch nicht 1870 &ndash; ein ehrlicher
-Deutscher war, wußten natürlich die wenigsten. &ndash;
-Eine schrille, den größeren Teil des Ringes beherrschende
-Stimme leitete den Chor der Rotblauen.
-Es war Sally, die den Tribünenaufgang erklettert
-hatte, auf dem ich selbst stand und mich vergebens
-bemühte, unberechtigte, aber enthusiastische Zuschauer
-hinunterzujagen. Sally sah mir mit ihren blitzenden,
-kohlschwarzen Augen lachend ins Gesicht, ohne
-ihr Schreien einzustellen, und klammerte sich fest
-ans Geländer an. Man sah, sie war entschlossen,
-nicht zu weichen, ohne das Gebälke mitzunehmen.
-Ich kapitulierte ohne weiteres. Diese Lungen!
-Ein gewaltiger Perlmutterknopf über ihrem königlichen
-Busen sprang mit einem hörbaren Knall ab
-und flog in großem Bogen in die untenstehende<span class="pagenum"><a id="Seite_144">[144]</a></span>
-Volksmenge. »Hurra, Jonathan!« &ndash; »Hurra,
-Jem!« Ihre Gefühle für die Lokomotive mischten
-sich bereits bis zur Unkenntlichkeit mit denen für
-den Lokomotivführer, und als die Maschinen die
-Bahn zum erstenmal umkreist hatten und John
-Bull sechs Maschinenlängen vor Jonathan durch
-das Ziel dampfte, kannte ihre Freude und ihr
-Stolz keine Grenzen mehr. »Hurra, Jem! Hurra,
-Jem!« jubelte sie dem Blauroten zu, der in stoischer
-Ruhe, den Anlaßhebel in der einen, den Regulator
-in der andern Hand, auf seinem Tender stand und
-sich sichtlich bemühte, die Freudenrufe seiner jungen
-tropischen Liebe nicht zu hören. Zu unsern Füßen
-sahen Leute entrüstet herauf und suchten ihre Chorführerin
-zu belehren, daß ihr Elefant nicht Jem
-heiße, sondern John, John Bull. Aber nichts in
-der Welt hätte Sally irre gemacht. »Hurra, Jem!
-Hurra, Jem!«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_143">[143]</a></span></p>
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-145.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Höhnend behandelte sie Jonathan, der eine
-halbe Minute später an uns vorüberdampfte. Auch
-Stone sah ruhig und trocken, wie sich's geziemt,
-von seiner Maschine herab. Das Brüllen der Grüngelben,
-aus dem schon Angst und Zorn deutlich
-durchklang: »Vorwärts, Jonathan!« &ndash; »Nicht
-nachlassen, nicht nachlassen!« &ndash; »Schneller!« &ndash;
-»Hurra für Amerika!« &ndash; »Schneller, schneller!«
-schien an seinem starren Yankeegesicht abzuprallen
-wie ein tosender Gebirgsbach an einem Felsblock.
-Dagegen konnte ich jetzt mit meinem Opernglas
-bemerken, daß der schwarze Jem, sein Heizer, in
-sichtlicher Aufregung große Klumpen Kohle in das<span class="pagenum"><a id="Seite_145">[145]</a></span>
-Feuer warf und dazu zornig in das Feuerloch
-hineinschrie. Trotzdem erweiterte sich die Entfernung
-zwischen den beiden Rennern mehr und mehr.</p>
-
-<p>»Donnerwetter, der Amerikaner verliert's!«
-sagte Longstreet, der unmittelbar hinter mir auf
-der Tribüne stand, zu seinem Freund Beauregard.
-Die Aufregung und das Geschrei der tausendköpfigen
-Menge hatte seine bekannte, magnetische Wirkung.
-Selbst die beiden, damals weltberühmten
-Generale der konföderierten Armee, die in blutigen
-Schlachten kühl ihre Befehle gegeben hatten, begannen
-den Einfluß der wunderlichen Nervenströmung
-zu fühlen, die in solchen Augenblicken durch
-die schwüle, brausende Luft zieht. »Was wetten
-Sie, Beauregard, der Amerikaner verliert's?«</p>
-
-<p>»Zwei gegen eins, in Zehndollarnoten«, sagte der
-andre trocken. »Vor dem Krieg hätten wir mit Hundertdollarnoten
-gespielt, Longstreet, aber es geht auch so.«</p>
-
-<p>»Und es geht ehrlich zu, da drunten?« fragte
-Longstreet, sich über meine Schulter neigend.</p>
-
-<p>»So ehrlich wie irgendwo in diesem großen
-und erleuchteten Lande!« antwortete ich, in der
-Hoffnung, er werde mich verstehen. »Es ist alles
-aufs beste geordnet und geregelt, General!«</p>
-
-<p>Aber Longstreet war zu ehrlich für sein großes
-und erleuchtetes Vaterland und verstand mich nicht.
-Die beiden notierten die Wette und verfolgten jetzt
-das behagliche Elefantenrennen mit derselben Teilnahme
-wie die Volksmasse unter uns, deren brausendes
-Geschrei mit den Maschinen zum zweitenmal
-um den Ring lief.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_146">[146]</a></span></p>
-
-<p>Jonathan, welcher keuchend schwarze Rauchwolken
-ausblies, war jetzt über hundert Schritte
-hinter John Bull geblieben, mehr, als ich für gut
-hielt. War nicht alles in Ordnung? Wollte Stone
-den Schlußeffekt um so glänzender gestalten? Schon
-bewegte sich seine Maschine in einem Sturm von
-Entrüstung entlang der Barriere. Höhnische Zurufe,
-zornige Mahnungen, sein Vaterland nicht zu verraten,
-wurden ihm zugeschleudert. Der schwarze
-Jem, in heftigem Wortwechsel mit seinem Vorgesetzten,
-warf eine Schaufel Kohle nach der andern
-ins Feuer. Und wirklich, jetzt endlich schien die
-Maschine sich aufzuraffen. Rasselnd und klappernd
-brauste sie ihrer Genossin nach. Der Zwischenraum
-nahm sichtlich ab. »Hurra, Jonathan! Hurra, Jonathan!«
-Die Grüngelben gewannen wieder Mut.</p>
-
-<p>Bei der zweiten Vorbeifahrt am Ziel war
-Jonathan eine halbe Elefantenlänge voraus! Dies
-war gegen das verabredete Programm. Als sie
-aneinander vorübergefahren waren, hatte Parker
-seinem Kollegen zornige Blicke zugeworfen. Stone
-sah nach der andern Seite, als ob er allein in der
-Welt wäre. Die beiden Heizer dagegen, der schwarze
-Jem und Bucephalus, hatten ein lebhaftes Zwiegespräch
-eröffnet, sobald sie sich hören konnten.</p>
-
-<p>»Glaubst du in den Himmel zu kommen mit
-deinem Gekeuch, du großer Maulesel?« erkundigte
-sich Jem.</p>
-
-<p>»Wir alle gehen über den Jordan, o Jerusalem!«
-sang Bucephalus mit lauter Stimme, indem<span class="pagenum"><a id="Seite_147">[147]</a></span>
-er das alte Baptistennegerlied benutzte, um seinen
-schwarzen Mitbruder außer sich zu bringen. Aber
-auch er tanzte vor Wut auf dem Tender, als seine
-Maschine wirklich langsam zurückblieb. Es war
-für den Augenblick nicht zu ändern. Parkers
-Dampf war um etwas gesunken, während bei Stone
-beide Sicherheitsventile abbliesen wie toll. Der
-weiße Jem unterbrach die nutzlosen Wutausbrüche
-seines Heizers mit einer gelinden Ohrfeige und
-stieß ihm den Kopf gegen das Feuerloch. Diesen
-Wink billigte der Schwarze und begann wie wütend
-Kohlen in die Feuerbüchse zu schaufeln.</p>
-
-<p>Sally war zum erstenmal seit Beginn des
-Rennens still geworden und starrte mit weit aufgerissenen
-Augen dem Unheil entgegen, das ihren
-Jem betroffen hatte. Jetzt riß sie ihren prachtvollen
-Federhut vom Kopf und schwenkte ihn an den
-Bändern wie ein Rad in der Luft, um den Geliebten
-aufzumuntern. »Hurra, Jem! Schnell, schnell!
-Vorwärts! Hurra!« Der Chor der Blauroten, der
-etwas schwächer geworden war, brauste unter diesem
-Gefühlssturm seiner Führerin wieder auf, die sich
-durch das Hutschwenken rasch Platz verschafft hatte
-und jetzt auf der Tribünentreppe eine hervorragende
-Stellung einnahm. Aber Jonathan gewann noch
-immer. Fünf Minuten mußten vergehen, ehe Parker
-Dampf genug hatte, um das verlorene Terrain
-wiederzugewinnen.</p>
-
-<p>Nun aber war es an mir, etwas bange zu
-werden. Mein Opernglas war gut, so daß ich die<span class="pagenum"><a id="Seite_148">[148]</a></span>
-Bewegungen der zwei Leute auf jeder Maschine
-genau beobachten und fast sehen konnte, was sie
-sich sagten. Es war klar, sowohl Stone als Parker
-hatte das Programm völlig vergessen. Vielleicht
-hatte der erstere den Hohn seiner Landsleute nicht
-länger ertragen können, vielleicht war der Stoizismus
-Parkers den leidenschaftlichen Ausbrüchen
-seiner hitzigen Geliebten erlegen. Tatsache war: die
-Maschinen liefen nicht mehr hintereinander her, wie
-es der Würde eines braven Dampfpflugs entspricht;
-sie stießen zornige Rauchwolken aus, sie rannten,
-sie suchten sich zu überholen. Beide Maschinenführer
-hatten die eine Hand auf den Sicherheitsventilhebeln
-&ndash; ein böses Zeichen &ndash;, die erregbaren
-Heizer drohten sich mit den Kohlenschaufeln und
-stimmten jauchzend in das Geschrei der Menge ein.
-&ndash; Das Wettrennen war ernst geworden, und von
-allen Beteiligten wußte eigentlich nur Parker genau,
-was er tat. Wenn es so fortging, konnte der
-Spaß jeden Augenblick mit einer Katastrophe enden,
-und die Zeichen mehrten sich, daß wir einem tragischen
-Ende entgegentrieben.</p>
-
-<p>Auch der Himmel hatte sich plötzlich verdüstert.
-Eine schwarze Regenwolke trieb mitten durch den
-Sonnenschein über den Park hin, eine im März
-gewöhnliche Erscheinung des Klimas von Louisiana.
-Das helle Bild lag plötzlich in tiefem Schatten,
-und eine Minute später schüttete der Himmel Wasser
-in Strömen auf die Rennbahn. Doch dauerte der
-sündflutartige Guß nur zwei Minuten lang, dann<span class="pagenum"><a id="Seite_149">[149]</a></span>
-glänzte die Abendsonne wieder durch das dampfende
-Gewölke, und alles strahlte und funkelte in frischen
-Farben.</p>
-
-<p>Auf die Volksmenge hatte das gewohnte
-Zwischenspiel kaum einen merklichen Eindruck gemacht.
-Lachend wurden tausend triefende Regenschirme
-wieder zugeklappt und der gefüllte Rand
-von hundert Hüten dem zu nahe stehenden Nachbar
-in den Nacken geschüttet. Dagegen hatten die Elefanten
-mit einer neuen und jedem, außer mir und
-Parker, unerwarteten Schwierigkeit zu kämpfen.
-Während des Regens war John Bull wieder vorgeeilt
-und hatte Jonathan um zwanzig Schritte
-überholt. Beide rangen jetzt mit allen Mitteln um
-den Sieg. Sie waren noch hundert Schritte vom
-Ziel, aber auf dem nassen Rasen, auf dem der
-kurze stürmische Regen da und dort kleine Seen
-zurückgelassen hatte, glitten und glitschten jetzt die
-Triebräder in hilflosem Eifer. Auch die Vorderräder,
-durch deren Stellung die Maschine gesteuert
-wird, hatten keinen Halt mehr und schlüpften nach
-rechts oder links mit unberechenbarer Willkür. Die
-wuchtigen Lokomotiven schwankten hin und her
-wie Betrunkene, blieben stecken, schossen vorwärts,
-versuchten sich quer zur Bahn zu stellen. Es war
-ein tolles Ringen mit den Elementen, die sich gegen
-beide Renner gleichmäßig verschworen hatten.</p>
-
-<p>Da hielt Parker plötzlich still und sprang von
-seiner Maschine, Bucephalus ihm nach. Zischend
-heulte der gepreßte Dampf durch die sich weit öffnenden<span class="pagenum"><a id="Seite_150">[150]</a></span>
-Sicherheitsventile. Stone, wenn auch mühselig
-und in unregelmäßigen Stößen sich fortbewegend,
-fuhr an der stehenden Maschine vorüber. England
-brüllte vor Wut; Amerika brach in brausenden
-Siegesjubel aus. Sally verlor den zweiten Perlmutterknopf
-über dem gepreßten Herzen: »Vorwärts,
-Jem! Vorwärts! O Jerusalem, vorwärts!«</p>
-
-<p>Parker, der noch hundert Meter der überfluteten
-Rennbahn vor sich sah, war nicht stehen
-geblieben, um Luft zu schöpfen, und verstand sein
-Geschäft. Mit aller Macht, aber stumm drauf los
-arbeitend, den willigen, aber ungeschickten Bucephalus
-nur mit Rippenstößen anleitend, seine rotblaue
-Jacke mit Schmutz und Lehm bedeckend, befestigte
-er an den Triebradreifen ein halbes Dutzend
-sogenannter »Sporen«, gewaltige eiserne Schaufeln,
-die, in den Boden einhauend, auch auf nassem,
-schlüpfrigem Felde die Maschine vorwärts bringen.
-Stone hatte trotz seiner <span id="corr150">Nöte</span> sechzig Schritte Vorsprung
-gewonnen, ehe Parker mit dieser Arbeit
-fertig war. Er war nur noch vierzig Schritte vom
-Ziel, aber seine Maschine, kaum mehr steuerbar,
-die Räder handhoch mit Lehm bedeckt, taumelte
-hilflos hin und her. Jetzt sprang Parker wieder
-auf den Tender, ließ die Dampfpfeife spielen, und
-stolz und ruhig hieb sich die Maschine vorwärts.</p>
-
-<p>Das Geschrei wurde betäubend. John Bull
-klatschte mit einer Sicherheit durch das Wasser,
-als sei er darin geboren. Sally warf ihren Federhut
-in die Luft, der einen wild gestikulierenden,<span class="pagenum"><a id="Seite_151">[151]</a></span>
-achtbaren Geistlichen unter ihr zudeckte. »Hurra,
-Jem! Hurra, Jem!« So dampfte Parker an uns
-vorüber. Noch zwanzig Schritte, und England
-hatte gesiegt.</p>
-
-<p>Doch plötzlich stockte auch John Bull wieder.
-Die Hinterräder drehten sich, aber die Maschine
-ging nicht vorwärts. Auf einen Augenblick wurde
-die tausendstimmige Menge fast still; das Interesse
-war aufs höchste gestiegen. Wasser spritzte nach
-allen Seiten; große Klumpen Erde flogen in die
-Luft. Die Nächststehenden stoben entsetzt auseinander;
-sie wußten nicht, was vorging. Ich wußte
-es nur zu gut: Parkers Maschine war auf eine
-besonders weiche Stelle geraten; die Sporen, anstatt
-einzuhauen und die Maschine vorwärts zu
-treiben, warfen den Boden nach hinten und begannen
-nach den besten Regeln der Kunst der Maschine
-ihr eignes Grab zu graben. Parker sprang
-wieder herab und riß Bucephalus mit. Beide
-hoben mit Anstrengung aller Kräfte, Bucephalus
-laut heulend vor Wut, ein Stück der nächstgelegenen
-Barriere aus dem Boden und warfen das gewonnene
-Gebälk unter die Räder. Aber es half
-nichts. Knirschend, alles zermalmend arbeiteten die
-Sporen das Holz in die tiefer und tiefer werdende
-Grube. Die Maschine sank &ndash; sank! &ndash; Der Schornstein
-neigte sich wie zum Sterben. Im nächsten
-Augenblick saß der Tender auf dem Boden, und
-alle weiteren Versuche, vorwärts zu kommen, waren
-zu Ende.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_152">[152]</a></span></p>
-
-<p>Und langsam, bedächtig, durch nichts entmutigt,
-kroch Stones Maschine hinterher. Jetzt passierte
-sie Parker. »Hipp, hipp, hurra!« schrie der kleine
-Jem, ganz außer sich vor Freude, obgleich ihm
-Bucephalus ein Stück Kohle an den Kopf warf.
-Glitschend und gleitend, oft fast quer über die Bahn
-stehend, quälte sich Jonathan weiter. Drei Minuten
-brauchte er zu den letzten zehn Schritten. Aber
-keuchend und röchelnd, platschend und scheinbar
-halb schwimmend, über und über mit Schmutz bedeckt,
-glitt er endlich durch das heiß erkämpfte Ziel.</p>
-
-<p>Jonathan hatte gewonnen &ndash; programmgemäß.</p>
-
-<p>Stone sprang ab. »Hurra für Amerika!«
-schrie er laut und schwenkte feierlich seine Mütze.
-»Hurra für Amerika!« heulten tausend Stimmen
-in dem rasch sich füllenden Ring. Dreißig Schritte
-davon stand Parker trotzig und stumm neben seiner
-versunkenen Maschine und versuchte vergeblich, sich
-Sallys zu erwehren, die laut schluchzend an seinem
-Halse hing.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/rule2.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<h2 id="Hans_im_Glueck">10. Hans im Glück</h2>
-</div>
-
-<p>Leider verläuft nicht alles programmgemäß
-unter diesem wechselnden Mond.</p>
-
-<p>Die drei folgenden Tage waren der Aufgabe
-gewidmet, meist unter strömendem Regen, die beiden
-Maschinen aus dem Sumpf herauszuschleppen, in
-den sich der Ausstellungspark der Landwirtschaftsgesellschaft<span class="pagenum"><a id="Seite_153">[153]</a></span>
-von Louisiana verwandelte. Dabei galt
-es, nicht bloß die Maschinen, sondern auch den
-Mut meiner farbigen Hilfstruppe aufrecht zu erhalten,
-die an derartige Zwischenfälle nicht gewöhnt
-war und in den entscheidenden Augenblicken mehrfach
-davonzulaufen drohte. Nur fröhliches, persönliches
-Zugreifen konnte hier eine schwere Katastrophe
-verhindern. Nachdem wir mehrere Klafter
-Holz in dem schwarzen Untergrund des Mississippideltas
-begraben und den Weg von der Rennbahn
-zum Parktor in den Zustand des Chaos vor der
-Scheidung von Wasser und Feste verwandelt hatten;
-nachdem schließlich auch die Holzbrücke, welche über
-den den Park umgebenden Kanal führt, unter der
-Last John Bulls zermalmt zusammengebrochen war
-&ndash; ein großartiger Augenblick für die nicht unmittelbar
-Beteiligten &ndash; und wir uns selbst täglich zweimal
-mit einer klebrigen Schichte aus den Urbestandteilen
-der Schöpfung überzogen hatten, standen
-endlich am Abend des dritten Tages die beiden berühmt
-gewordenen Renner erschöpft und mannigfach
-zerstoßen und verwundet auf dem festen Straßendamm,
-der nach der Stadt führt.</p>
-
-<p>Während ich so drei harte Tage lang mit den
-Mächten der Unterwelt rang und mich damit tröstete,
-daß in dem einsamen, sturmgepeitschten Park wenigstens
-keine Seele diesen Kampf mit ansah, erschienen
-glänzende Beschreibungen des großen Rennens in
-der Presse der Stadt. Selbst die »Crescent City
-News« erklärten sich für überwunden. Wenn in<span class="pagenum"><a id="Seite_154">[154]</a></span>
-der Alten Welt, sagten sie, der plumpe indische
-Elefant den Pflug einer modernden Kultur mühselig
-durch den entkräfteten Boden schleppe, so
-mache die Neue Welt in unsrer Zeit, der Zeit des
-Fortschritts und der Intelligenz, sich die Arbeit des
-Dampfes nutzbar. An Stelle der rohen tierischen
-Kraft trete der Genius der Menschheit und schaffe
-sich aus Kohle und Wasser die Diener seiner Macht.
-Für seine Bedürfnisse, für sein Wohlergehen, für
-seinen Genuß, ja selbst für jene Verbindung von
-höchster Arbeitsleistung und höchstem Genuß, die in
-jedem Sport zum Ausdruck komme, dienen ihm
-heute wunderbare, selbstersonnene Werkzeuge. Das
-Wettrennen der beiden Dampfelefanten Jonathan
-und John Bull sei ein Beweis dieser jedes Herz
-mit freudigem Stolz erfüllenden Tatsache. Dann
-folgte eine lange, etwas konfuse Beschreibung des
-großen Ereignisses, in welcher meist richtige Sportausdrücke,
-meist falsche maschinentechnische Erörterungen
-und die dem Konversationslexikon entnommene
-Zoologie des Elefanten wundersam gemischt
-waren. Einen kleinen Stoßseufzer konnte
-zum Schluß die Schriftleitung des Blattes nicht
-unterdrücken: daß die zwei Elefanten von England
-importiert seien, sei zwar bedauerlich, aber,
-bei Licht betrachtet, nebensächlich. Hier erst, auf
-amerikanischem Boden, sei ihnen Gelegenheit gegeben
-worden, ihre Kraft im Dienste der Menschheit
-völlig zu entwickeln, und doppelt erfreulich sei
-es, daß dies mit dem Sieg des <span id="corr154">zäh</span> ausdauernden,<span class="pagenum"><a id="Seite_155">[155]</a></span>
-froh einherbrausenden Jonathan über den schwerfälligen
-John Bull geendet habe. Während jener
-spielend das Ziel erreichte, habe sich dieser unter
-dem Jubel einer tausendstimmigen Volksmenge mit
-den hinterlistig benutzten Radsporen sein eignes Grab
-gegraben.</p>
-
-<p>Der glänzend geschriebene Artikel ging durch
-alle Zeitungen von Alaska bis Texas. Noch zwei
-Wochen später bekam ich ihn aus entlegenen Wald-
-und Prairiegegenden zugesandt, mit dem gedruckten
-Winke, mich doch auf die »Bluff Creek Times«
-oder den »Jacksonville Herald« zu abonnieren, die
-in so aufopferungsvoller Weise meine Bestrebungen
-unterstützten. Ich war für die Zeit meines irdischen
-Daseins mit &ndash; allerdings brüchigem &ndash; Packpapier
-überreichlich versorgt.</p>
-
-<p>Was aber nun? Todmüde und mit Schmutz
-bedeckt war ich am Abend des dritten Tags nach
-dem Rennen nach Hause gekommen. Der ganze
-Apparat stand gerettet, aber wie ein großes Fragezeichen,
-dazu nach europäischen Begriffen völlig
-polizeiwidrig auf der muschelgepflasterten Chaussee
-drei Kilometer vor der Stadt. Parker, Stone und
-die schwarze Gesellschaft brauchten, so gut wie ich,
-zunächst ein paar Ruhetage. Soweit war die Sache
-gut. Aber was dann?</p>
-
-<p>Doch die Welt steht nicht still, wenn wir selbst
-keinen Weg mehr sehen. Während ich, alle Fragen
-und Sorgen des Daseins vergessend, noch in tiefem
-Schlafe lag, war ein ereignisvoller Tag angebrochen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_156">[156]</a></span></p>
-
-<p>Mein erster Gang galt dem Hauptzollamt und
-seinem Direktor. Der Herr empfing mich mit einer
-Herzlichkeit, welche keiner der mir bekannten europäischen
-Zollbeamten, deren Herzlichkeit gemäßigt
-zu sein pflegt, auch nur entfernt erreicht hätte.</p>
-
-<p>»Sehr angenehm, Herr Eyth! Entzückt, Sie
-zu sehen, Herr Eyth!« rief er mir entgegen, indem
-er gleichzeitig seinen Assistenten aus dem Zimmer
-jagte, der ein Gesicht schnitt wie die letzten Regennächte
-gegen zwei Uhr morgens. »Ich gratuliere
-Ihnen zum Sieg Jonathans! Das wird Ihr Glück
-machen; ich bin fest überzeugt, das muß Ihr Glück
-machen. Mein Assistent hat zwar ein verteufeltes
-Häufchen Geld verloren; der wird Ihnen nicht
-gratulieren. Aber er hat mir die Wette förmlich
-aufgedrängt. Geschieht ihm recht, dem Querkopf!
-Er konnte sich doch denken, daß ich Elefanten
-besser beurteilen kann als er. Ich und Sie, Herr
-Eyth! Ha, ha!«</p>
-
-<p>Er lachte mit einer Stimme, die dem Klang
-eines zersprungenen Zinntellers nicht unähnlich war.</p>
-
-<p>»Sie haben wohl Nachrichten von Washington,
-Herr Generaldirektor?« bemerkte ich, um etwas
-rascher zur Sache zu kommen.</p>
-
-<p>»Von Washington, Herr Eyth?« fragte er,
-mich groß ansehend. »Alle Zeitungen sind voll!
-Natürlich, auch dort. Es soll mich nicht wundern,
-wenn Sie bald Anträge bekommen, mit Ihren
-Doppelelefanten in allen größeren Städten der
-Union aufzutreten. Bei Zeus, das wäre keine<span class="pagenum"><a id="Seite_157">[157]</a></span>
-schlechte Spekulation. Wie ich sage: alle Zeitungen
-sind voll! Der Sieg des amerikanischen Dampfrenners
-Jonathan &ndash; Mister Harris, bringen Sie
-uns doch die neuesten Zeitungen von Washington!«</p>
-
-<p>»Ich meinte eigentlich unsre Zollangelegenheiten«,
-warf ich ein.</p>
-
-<p>»Ach &ndash; das!« rief der Direktor mit einem
-leichten Schatten auf den mehr und mehr in Leder
-übergehenden Zügen. »Gewiß! Ich habe für Sie
-telegraphiert. Soeben Antwort erhalten; interessant
-&ndash; etwas unerklärlich.«</p>
-
-<p>»Weshalb? Die Sache schien mir doch ziemlich
-einfach«, bemerkte ich.</p>
-
-<p>»In der Hauptsache ist alles in Ordnung, gewiß!«
-versetzte der Zollmann mit unangenehmem
-Zaudern. »Sie bekommen die viertausendzweihundert
-Dollars zurück, die Sie für den Pflug bezahlt
-haben. Ich garantierte Ihnen dies schon vor dem
-Rennen. Kongreßbeschluß unzweifelhaft und ganz
-klar. Sie müssen <span id="corr157">sie</span> zurückbekommen.«</p>
-
-<p>»Sehr schön«, sagte ich freudig. »Können Sie
-mir gleich eine Anweisung ausstellen? Bargeld wäre
-mir augenblicklich nicht unangenehm. Elefantenrennen
-kosten runde Sümmchen.«</p>
-
-<p>»Bringen auch hübsch Geld«, lachte der Direktor
-mit einem Wink auf die Tür, hinter der der
-Assistent verschwunden war. »Ja, ja, Herr Eyth,
-die Sache ist ganz in Ordnung. Sie sollen die viertausendzweihundert
-Dollar zurückerhalten. Aber&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Was aber?« drängte ich ungeduldig.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_158">[158]</a></span></p>
-
-<p>»Der Generalzolldirektor von Washington
-schreibt mir, daß am Tage nach dem Kongreßbeschluß
-einer Ihrer Freunde die ganze Summe für
-Sie in Washington erhoben habe.«</p>
-
-<p>»Olcott!« rief ich, während mein ganzes Innere
-von einem elektrischen Gedankenblitz erhellt wurde.</p>
-
-<p>»Oberst Olcott. Wissen Sie es schon?« bestätigte
-der Direktor. »Sie sehen, daß sich alles
-bei uns ziemlich prompt und flink abwickelt. Ein
-andres Tempo als in Ihrer alten Heimat, das
-müssen Sie zugeben. Oberst Olcott, einer unsrer
-schneidigsten Kongreßleute &ndash; ich gratuliere Ihnen
-dazu, daß Sie mit <em class="gesperrt">dem</em> befreundet sind. Ich habe
-schon öfter von ihm gehört und wollte, er wäre
-mein Freund!«</p>
-
-<p>»Und dagegen ist nichts zu machen?« fragte
-ich halb betäubt.</p>
-
-<p>»Zu machen? Was wollen Sie dagegen machen?«
-fragte der Direktor. »Ich gratuliere Ihnen zu
-Ihrem Freund, und Sie wollen etwas dagegen
-machen?«</p>
-
-<p>»Aber das Geld sollte nicht Olcott, sondern
-ich erheben! Olcott hatte nicht entfernt die Berechtigung&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>»Was, ist er nicht Ihr Freund?«</p>
-
-<p>»Gewiß, aber wie bekomme ich jetzt das Geld
-von dem Obersten?« fragte ich, aufs tiefste beunruhigt.</p>
-
-<p>»Ja, das ist eine ganz andre Sache, lieber
-Herr Eyth«, versetzte der Direktor und preßte einen<span class="pagenum"><a id="Seite_159">[159]</a></span>
-leisen, dünnen Pfiff durch seine schmalen Lippen.
-»Dies geht das Zollamt eigentlich nichts an. Ich
-würde ihm schreiben.«</p>
-
-<p>»Donnerwetter!« rief ich mit überwallendem
-Gefühl, »das will ich auch. Einen gepfefferten
-Brief!«</p>
-
-<p>»Freilich, es wird seine Häkchen haben. Ich
-würde mit dem Pfeffer vorläufig recht sorgfältig
-umgehen«, sagte mein Berater sehr nachdenklich.
-»Ein Kongreßmann, der vierundzwanzig Stunden
-nach der Annahme einer derartigen Verordnung
-viertausendzweihundert Dollars aus der Hauptzollamtskasse
-gabelt und für seinen Freund in die
-Tasche steckt, versteht das Geschäft. Aber schreiben
-Sie nur. Ich würde ihm sehr höflich schreiben.
-Und wenn er nicht antwortet, telegraphieren Sie,
-am sichersten mit bezahlter Antwort. Die Herren
-haben nicht immer bar Geld bei der Hand.«</p>
-
-<p>Er lachte vergnügt mit seiner dünnen, zersprungenen
-Stimme und schob mich höflich zur Tür
-hinaus. Ich war selbst in Eile. Der Brief an
-Olcott brannte mir unter den Fersen. Diese Unverschämtheit!</p>
-
-<p>Eine Stunde später war die Epistel im Briefkasten,
-leidlich gesalzen, trotz der Warnung des
-Direktors, und ich auf dem Wege nach dem Bureau
-der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana. Das
-Ereignis des Morgens hatte mich aufgeweckt. Ich
-wollte wenigstens zunächst die siebenhundertundfünfzig
-Dollar sichern &ndash; meinen Ehrenpreis für den besten<span class="pagenum"><a id="Seite_160">[160]</a></span>
-Dampfpflug, den ich mir wettrennend redlich verdient
-hatte. ›Wer weiß,‹ dachte ich, ›ob mein zweiter
-Freund Delano mit dem bescheidenen Betrag nicht
-schon auf dem Wege nach der Havanna ist!‹</p>
-
-<p>Doch nein, Delano war noch in Amt und
-Würden. Seine trübselige Stimmung hatte ihn
-allerdings wieder erfaßt; auch war er gelber als
-je und empfing mich mit dem hoffnungslosen Lächeln,
-das ihm eigen war. Ich begrüßte ihn mit künstlicher
-Fröhlichkeit. Es war für meine Zwecke notwendig,
-seinen Mut aufzurichten.</p>
-
-<p>»Ich besuche Sie hauptsächlich, Verehrtester,
-um Ihnen zu den glänzenden Einnahmen Glück zu
-wünschen, die uns der Donnerstag gebracht hat«,
-log ich, mit derselben Absicht, munter. Es machte
-mir nicht die geringsten moralischen Bedenken, denn
-Delano durchschaute mich, trotz seines trüben Blicks,
-ohne alle Schwierigkeit, und ich wußte dies.</p>
-
-<p>»Glänzende Einnahmen!« stöhnte er. »Wenn
-Sie nur wüßten! Es reichte gerade, um die
-dringendsten Schulden zu bezahlen, wenn wir weiter
-existieren wollen. Fünf Minuten vor Ihnen war
-ein Mann hier, der die zweite Anzahlung für die
-Holzbrücke haben wollte, die Sie uns zusammengefahren
-haben. Sieht das wie Kredit aus? Ah,
-dieser Krieg, dieser Krieg! Das war anders vor
-fünf Jahren, und ich fürchte, selbst Ihr Dampfpflug
-wird uns nicht herausreißen.«</p>
-
-<p>»Fassen Sie Mut, Herr Delano«, sagte ich
-mit steigender Besorgnis; »selbst in den alten<span class="pagenum"><a id="Seite_161">[161]</a></span>
-Sklavenzeiten haben Sie sicherlich nie einen besseren
-Tag gehabt als den letzten Donnerstag. Sie müssen
-fünfzigtausend Dollar eingenommen haben, nach dem
-Gesicht zu urteilen, mit dem Sie abends in Ihrer
-Gelddroschke saßen. Seinen Ehrenpreis hat der
-Dampfpflug zehnmal verdient.«</p>
-
-<p>»Mein Gesicht!« rief Delano mit schmerzlicher
-Entrüstung. »Kann ich dafür, daß ich mit einer
-heiteren Miene geboren wurde? Sie täuschen sich
-bitter. Mein Gesicht wird noch mein Tod sein.
-Alle Welt zieht mich mit meinem vergnügten Gesicht
-auf, wenn ich vor Sorgen zusammenbreche.
-Dieser Krieg hat uns alle ruiniert. Nichts aus der
-guten alten Zeit ist übrig geblieben als mein Gesicht;
-glauben Sie mir das. Aber daraus Schlüsse
-zu ziehen auf unsre Kasseneinnahmen, das ist
-grausam!«</p>
-
-<p>Delano war offenbar kein Freund seines Rasierspiegels.
-Er hätte sich sonst besser kennen müssen.
-Ich suchte jetzt ohne Umschweife auf mein Ziel
-loszugehen.</p>
-
-<p>»Jedenfalls wird es Ihnen Vergnügen machen,
-mir meinen Ehrenpreis auszuhändigen. Ich wenigstens
-könnte mir keinen größeren Genuß für den
-Generalsekretär einer Landwirtschaftsgesellschaft denken.
-Siebenhundertundfünfzig Dollar ist wahrhaftig
-ein bescheidenes Sümmchen, alles in Betracht gezogen!
-Mir selbst liegt eigentlich mehr an der Ehre.
-Es ist der erste Preis, den unser Dampfpflug in
-Amerika erringt.«</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_162">[162]</a></span></p>
-
-<p>»Das freut mich, Herr Eyth, das freut mich
-in der Tat«, sagte Delano mit ungewohnter Wärme.
-»Ich dachte mir's übrigens sogleich, daß Ihnen die
-Ehre genüge. Die Sache wird in der ganzen Welt
-Aufsehen erregen und Ihnen tausendfältige Früchte
-bringen, davon bin ich fest überzeugt.«</p>
-
-<p>»Ich auch. Aber doch wäre mir's lieb, wenn
-Sie mir, der Ordnung wegen, die siebenhundertundfünfzig
-Dollars einhändigen wollten, Herr Delano!«
-drängte ich mit einer Deutlichkeit, die nichts zu
-wünschen übrig ließ.</p>
-
-<p>»Und an die Parkwege, die Sie uns zerfahren
-haben, denken Sie nicht, Herr Eyth«, entgegnete
-Delano vorwurfsvoll. »Sie hätten gestern unser
-Rennkomitee schimpfen hören sollen über den Zustand,
-in den Sie den großen Ring versetzt haben.
-Was glauben Sie wohl, was es uns kosten wird,
-die Löcher und Gruben, die Berge und Täler wieder
-einzuebnen, die Ihre Elefanten auf meinem Rasen
-angelegt haben? Von den zwei Klaftern Holz will
-ich gar nicht sprechen, die ich für Sie anfahren ließ
-und die spurlos versunken sind. Sagen Sie einmal,
-wie ging das denn eigentlich zu? wie machten
-Sie es? Der Erdboden in Louisiana hat doch kein
-Loch, so daß zwei Klafter Holz spurlos unten durchfallen
-könnten?«</p>
-
-<p>Unser Gespräch nahm eine bedenkliche Wendung.
-Ich fühlte, daß ich zornig wurde. Je düsterer
-ich aber dreinsah, um so heiterer wurde Delano,
-während er mir die Not der letzten drei Tage mit<span class="pagenum"><a id="Seite_163">[163]</a></span>
-wachsender Beredsamkeit vorhielt. Zum Glück trat
-in diesem Augenblick Lawrence ein, guter Dinge
-und voller Geschäfte, wie immer. Ich weihte ihn
-sofort in unser Gespräch ein, während Delano wieder
-gelb und traurig wurde.</p>
-
-<p>»Natürlich! selbstverständlich!« rief mein Freund
-und Gönner, »Ihren Ehrenpreis müssen Sie haben.
-Die Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana läßt
-sich nicht lumpen; dafür stehe ich Ihnen, ich, Mister
-Lawrences Bruder! Machen Sie keine Umstände,
-Delano! Heraus mit der Kasse!«</p>
-
-<p>Mit allen Anzeichen hoffnungsloser Gebrochenheit
-wandte sich Delano zögernd nach dem Kassenschrank.
-Auf dem Wege machte er einen letzten
-Versuch, sich an die zwei Klafter Holz anzuklammern,
-und wollte von Lawrence wissen, wie zwei ganze
-Kubikmeter wertvoller Hickoryscheiter spurlos verschwinden
-können. Lachend half ihm Lawrence den
-Schrank öffnen und erklärte, daß sie beide nichts
-von Elefanten verstünden. Dann zählten sie siebenhundertundfünfzig
-Dollar in Papierscheinen auf den
-Tisch, wobei Delano mit der peinlichsten Vorsicht,
-Lawrence mit jugendlicher Unbesonnenheit darauf
-los arbeitete. Ich hatte in meinem ganzen Leben
-eine solche Lumpensammlung nicht gesehen. Ein
-halbes Dutzend völlig entwerteter konföderierter
-Papiere wurde von Lawrence mit ehrlicher Entrüstung
-auf den Boden geworfen und von Delano
-sorgfältig wieder aufgehoben.</p>
-
-<p>»Aber das ist ja lauter Stadtgeld«, sagte ich,<span class="pagenum"><a id="Seite_164">[164]</a></span>
-als die beiden Herren fertig zu sein schienen und
-Lawrence mich triumphierend heranwinkte, um die
-Kolonnen zu bewundern, die er mit militärischer Präzision
-aufgestellt hatte.</p>
-
-<p>»Stadtgeld!« rief er, mich mit einem Anflug
-von Verstimmung ansehend. Delano brach in ein
-bitteres Lachen aus.</p>
-
-<p>»Guter Gott!« rief er, »Herr Eyth wünscht
-ohne Zweifel Golddollars zu sehen; Golddollars in
-New Orleans.«</p>
-
-<p>»Das nicht«, entgegnete ich etwas niedergeschlagen.
-»Aber Greenbacks, Unionsgeld glaube ich
-beanspruchen zu dürfen. Das steht wahrhaftig schlecht
-genug. Bedenken Sie, meine Herren, meine Dampfelefanten
-fressen gute englische Pfunde, und nicht wenige.«</p>
-
-<p>Delano und Lawrence sahen sich an, Lawrence
-etwas verlegen, Delano mit dem Mephistogesicht
-aus der Papiergeldszene im zweiten Teil
-des Faust, boshaft, höhnisch und voll Profits.</p>
-
-<p>»Ihr Stadtgeld nimmt kein Mensch außerhalb
-New Orleans,« fuhr ich fort, »und auch hier weiß
-niemand, was er in der Hand hat. Vorige Woche
-waren Ihre Kommunalwahlen. Die Zeitungen
-sagen, daß die ›Crescent City‹ nun auch mit ihrem
-Tweed gesegnet sei, wie das glückliche New York.<a id="FNAnker_3_3"></a><a href="#Fussnote_3_3" class="fnanchor">3</a>
-Am Tag nach der Entscheidung fiel das Stadtgeld
-um zwanzig Prozent, gestern wieder um fünf.
-Siebenhundertundfünfzig Dollar sind heute keine<span class="pagenum"><a id="Seite_165">[165]</a></span>
-dreihundertundfünfzig Dollars in Gold wert, keine
-fünfhundert in Greenbacks! Ich glaubte mit einer
-achtbaren, zahlungsfähigen Körperschaft zu tun zu
-haben, Herr Lawrence, als wir unser Abkommen
-besprachen.«</p>
-
-<p>Meine Stimme zitterte vor innerer Bewegung.</p>
-
-<p>»Achtbar ohne allen Zweifel,« antwortete Delano
-für ihn mit einiger Schärfe, »zahlungsfähig,
-lieber Herr Eyth, solvent, wie Sie noch entdecken
-werden, ist nichts in der Welt, in der Sie sich seit
-einiger Zeit bewegen. Glauben Sie, wir haben
-Golddollars am Parktor eingenommen? Glauben
-Sie, die achtbaren Bürger dieses blühenden Gemeinwesens
-haben sich verdammte Greenbacks gekauft,
-um Ihre Elefanten ansehen zu können?
-Waren übrigens, wenn ich mir die Frage erlauben
-darf, diese Elefanten echte Elefanten, oder, unter
-uns, auch nur halb so echt, als unser Stadtgeld
-echtes Geld ist? Wir bezahlen in dem Geld, das
-wir empfingen. Wenn Sie klug sind, machen Sie es
-bei der nächsten Gelegenheit auch so. Nebenbei &ndash;
-zahlen Sie Ihre Nigger in englischen Sovereigns?«</p>
-
-<p>Der Geschäftsführer war warm geworden, und
-ich schwieg. Ich schweige immer, wenn die Währungsfrage
-in irgendwelcher Form auftaucht. Auch wäre
-es nicht weise gewesen, um siebenhundertundfünfzig
-Dollars mit der Landwirtschaftsgesellschaft von
-Louisiana in ernstlichen Streit zu geraten, wenn
-man an den Ufern des Mississippi dampfpflügen will.</p>
-
-<p>»Delano hat recht«, sagte Lawrence begütigend<span class="pagenum"><a id="Seite_166">[166]</a></span>
-und klopfte mir tröstend auf die Schulter. »Man
-muß das Leben nehmen, wie man es findet. Auch
-die Menschen. Auch das Geld. Packen Sie die
-Papierpäckchen zusammen, Herr Eyth. Gehen Sie
-in Frieden, und preisen Sie mit uns den Herrn,
-der das alles geschaffen hat. &ndash; Bei Gott, Mann!«
-rief er plötzlich, als ob ihn der glücklichste Gedanke
-beseelt hätte, »bei der nächsten Kommunalwahl
-steigt der Plunder wieder um fünfzig Prozent. Das
-geht wie die Wassereimer in einem Ziehbrunnen,
-seitdem die Reisesäckler unsern Staat regieren.
-Packen Sie ein, Sie Glücksvogel!«</p>
-
-<p>Es war sichtlich das klügste, was ich tun
-konnte. Delano gab mir mit großer Zuvorkommenheit
-ein mächtiges Kuvert, das ich mit meinem ungefähr
-um die Hälfte geschwundenen Sieges- und
-Ehrenpreis vollstopfte. Es war noch immer ein
-sehr ansehnliches Paket. Dann unterzeichnete ich
-eine Empfangsbescheinigung, die der Geschäftsführer
-seufzend in den Kassenschrank legte, und verabschiedete
-mich von den Herren mit dem unbehaglichen
-Gefühl, den amerikanischen Verhältnissen
-vielleicht doch noch nicht ganz gewachsen zu sein.</p>
-
-<p>Nachdenklich ging ich die schöne Kanalstraße
-hinunter, ohne sie zu sehen. Anstatt ruhiger zu
-werden, fühlte ich, wie mein Zorn wuchs und sich
-langsam gegen mich selbst wendete. Als ich um
-die Ecke in die St. Charlesstraße biegen wollte,
-stieß ich mit Oberst Schmettkow zusammen, der in
-seinem abgeschabten Schulmeistersröcklein mit gewohnter<span class="pagenum"><a id="Seite_167">[167]</a></span>
-Sorglosigkeit daher geschlendert kam. Es
-war mir lieb. Er war, soweit ich ihn kannte, eine
-ehrliche Haut und ein Landsmann. Ich brauchte
-jemand, um mein Herz auszuschütten, jemand, mit
-dem ich über Amerika schimpfen konnte, und
-der Oberst war hierzu wie geschaffen. Wir
-gingen langsam die St. Charlesstraße entlang und
-taten es.</p>
-
-<p>Ich erzählte ihm, was ich erlebt hatte. Er
-wurde mit einemmal sehr nachdenklich, tiefsinniger,
-als ich ihn je gesehen hatte. Er ließ mich sogar
-fünf Minuten lang sprechen, ohne mir zu widersprechen.
-Auch das war noch nie vorgekommen,
-denn trotz all der bunten Erlebnisse, die sein Gesicht
-gefurcht und seine Haare gebleicht hatten, war
-er doch immer noch ein halber Berliner. Plötzlich
-blieb er stehen.</p>
-
-<p>»Herr Eyth!« sagte er, war dann wieder still
-und atmete, wie wenn es ihm schwer würde, weiter
-zu sprechen. Ich sah ihn verwundert an; es wurde
-auch mir etwas unbehaglich. Einen so tiefen Eindruck
-hatte ich mit meinem leidvollen Bericht kaum
-hervorzubringen gehofft. Nach einer qualvollen Pause
-begann er mit gedämpfter Stimme aufs neue:</p>
-
-<p>»Herr Eyth, wollen Sie mir&nbsp;&ndash;«</p>
-
-<p>So kam es endlich! Ich hatte es schon längst
-erwartet.</p>
-
-<p>»Herr Eyth, wollen Sie ein altes Menschenleben
-retten?«</p>
-
-<p>»Eine meiner Liebhabereien, Oberst!« antwortete<span class="pagenum"><a id="Seite_168">[168]</a></span>
-ich, in dem Bestreben, die Schärfe des Angriffs
-durch einen schlechten Witz zu mildern.</p>
-
-<p>»Ohne Scherz«, fuhr Schmettkow rasch fort;
-seine Worte überstürzten sich jetzt. »Gestern abend
-begegnete ich dem Kapitän eines deutschen Schoners,
-der morgen nach Bremen absegelt. Ein braver
-Kerl, der aus Danzig stammt und die Schmettkows
-kennt. Er will mich für achtzig Dollars &ndash; Greenbacks
-&ndash; mitnehmen. Ich habe einige Schulden
-hier, die bezahlt sein wollen: zweihundertundfünfzig
-Dollars bei unserm Wirt in der Tschapatulastraße,
-ungefähr fünfzig Dollars in dem deutschen Zigarrenladen
-an der Ecke dort, fünfundsiebzig bei meinem
-Schneider. Man sieht mir das nicht an. Die Leute
-sollen nicht glauben, ich habe sie um ihr Geld gebracht.
-Die Schulden müssen bezahlt werden, ehe
-ich abreise. Dann, das werden Sie einsehen, Herr
-Eyth, muß ich mich ein wenig ausstatten, Kleider,
-Koffer kaufen; ich kann nicht wie ein fechtender
-Handwerksbursche in Bremen ankommen. Hundert
-Dollars laufen Ihnen hierbei wie Wasser durch die
-Finger.«</p>
-
-<p>Er schwieg und rechnete, in der Stille, mit
-aller Macht. Dabei stieg seine Aufregung.</p>
-
-<p>»Ungefähr siebenhundert Dollars &ndash; Stadtgeld,
-Herr Eyth, nur Stadtgeld &ndash; muß ich haben. Sobald
-ich deutschen Boden berühre, bin ich gerettet.
-Ich habe reiche Verwandte, die mich nicht stecken
-lassen, wenn sie mich wieder sehen. Mein Onkel,
-wenn er noch lebt, ist Rittergutsbesitzer bei Bromberg.<span class="pagenum"><a id="Seite_169">[169]</a></span>
-Alte Streiche sind längst vergessen. An alte
-Zeiten denkt er noch. Ist er tot, so hat mein
-Vetter das Gut, dem fünfhundert Dollars von
-jeher eine Prise Tabak waren, wie mir seinerzeit
-auch. Mein Bruder muß jetzt Generalleutnant
-sein, zum mindesten. Sie müssen nicht glauben,
-daß ich bettle; so weit hat es noch kein Schmettkow
-gebracht. Drei Tage nach meiner Ankunft in Bremen
-schicke ich Ihnen fünfhundert Dollars in Gold.
-Leihen Sie mir die siebenhundertundfünfzig Lumpen,
-die Sie in der Tasche haben. Sie machen ein
-gutes Geschäft, und Sie retten einen Mann, der
-nicht schlechter ist als andre, aber am Zugrundegehen.
-Der Schoner heißt ›Die Hoffnung‹, Kapitän
-Petersen; wie das stimmt!«</p>
-
-<p>Seine Stimme bebte. Er faßte meine Hand;
-die seine war heiß und naß. Daß es ihm ernst
-war mit meinem Geld, war nicht zweifelhaft; er
-keuchte fast, indem er fortfuhr:</p>
-
-<p>»Was riskieren Sie, wenn ich mein heiliges
-Ehrenwort gebe, daß die Summe mit der nächsten
-Post Ihnen zurückgeschickt wird? Fünfhundert Dollars
-in Gold; die kleine Differenz ist unter Freunden
-nicht erwähnenswert. Wollen Sie? Sie schinden
-sich die Haut ab für diese Engländer; tun Sie
-einmal ein gutes Werk für einen Deutschen. Wollen
-Sie?«</p>
-
-<p>Wir standen vor einem der eleganten Austernsalons
-der Charlesstraße. Er zog mich am Arm
-hinein und rief dem Austernmann zu, uns Tinte<span class="pagenum"><a id="Seite_170">[170]</a></span>
-und Papier zu geben. Dann, leiser und dringender,
-setzte er seine Auseinandersetzungen fort: wie er
-sich fünfzehn Jahre lang in Amerika herumgeschlagen,
-bald im Elend, bald in ehrenhaften Verhältnissen,
-gleich tausend andern, die dazu bestimmt
-scheinen, aus unerklärlichen Gründen im Leben auf
-keinen grünen Zweig zu kommen; wie er jetzt in
-seinem achtundvierzigsten Jahr als Oberst und
-Schulmeister sich ermatten fühle und wisse, daß er
-auf Stroh sterben werde, wenn es noch länger so
-weitergehe. Da sende ihm der Himmel diese Möglichkeit!</p>
-
-<p>Wieder drückte er mir die Hand. Seine matten
-Augen glänzten; seine etwas rote Nase glühte. Was
-mich aber mehr als alles bewegte, war die geheime
-Angst, die aus seinen zitternden Gesichtszügen sprach;
-die Sorge, ob es ihm gelingen werde, mich bis
-zum Jasagen hinaufzuschrauben, denn ich hatte noch
-immer nicht zugestimmt.</p>
-
-<p>Er nahm den großen weißen Bogen, den ihm
-der Wirt reichte, und schrieb leise murmelnd, aber
-mit großer Gewandtheit eine Schuldverschreibung,
-indem er mich von Zeit zu Zeit ansah. Sie lautete:</p>
-
-<p>New Orleans, den 14. März 1867. Der
-Unterzeichnete bekennt sich zum Empfang eines
-Anlehens von siebenhundertundfünfzig Dollars in
-New Orleans Stadtgeld zum heutigen Kurse von
-fünfundvierzig Prozent und verpflichtet sich, in Bezahlung
-dieser Schuld drei Tage nach seiner Ankunft
-in Bremen fünfhundert Dollars in Gold an<span class="pagenum"><a id="Seite_171">[171]</a></span>
-Herrn Ingenieur Eyth zu New Orleans, Tschapatulastraße
-Nr. 21, abzusenden.</p>
-
-<p>»Genügt uns das?« fragte er, aufblickend und
-mich mit einer Miene ansehend, wie wenn ich der
-Schuldner und er der Gläubiger werden sollte.</p>
-
-<p>Ich hatte meinen Entschluß gefaßt.</p>
-
-<p>»Sie brauchen das Geld nicht hierher zu
-schicken«, sagte ich. »Senden Sie nicht fünfhundert
-Dollars, sondern den richtigen Betrag, dreihundertsiebenunddreißig
-Dollars fünfzig Cents an meinen
-Vater in Württemberg, mit dem ich die Sache
-dann leicht regeln kann.«</p>
-
-<p>»Sehr gut, sehr gut!« rief er, fröhlich aufatmend,
-bestellte zwei Dutzend Austern der besten
-Sorte und eine Flasche englisches Stout, öffnete
-das Paket, das ich ihm überreicht hatte, nahm
-zwei Dollars heraus und bezahlte die Zeche. Wir
-aßen plaudernd die prachtvollen Seetiere des Golfs.
-Dann unterzeichnete er die Schuldverschreibung mit
-fester Hand und einer Handschrift, die an energischer
-Entschlossenheit von keiner Keilschrift übertroffen
-wird. Ich steckte das wertvolle Schriftstück sorgfältig
-in meine Brusttasche, an Stelle des beschwerlichen
-Pakets. Erklärlicherweise war er jetzt etwas
-in Eile. Er mußte vor Abend Schulden bezahlen,
-Koffer und Ausstattung einkaufen, das Dameninstitut
-auflösen! So schied ich von Oberst von
-Schmettkow mit einem warmen Händedruck an
-der Tür des Austernsalons. Ich habe ihn nie
-wieder gesehen, auch nie mehr von ihm gehört;<span class="pagenum"><a id="Seite_172">[172]</a></span>
-weder von ihm noch von den dreihundertsiebenunddreißig
-Dollars in Gold, eine Summe, die ich so
-gewissenhaft ausgerechnet hatte. Möglich, daß die
-»Hoffnung« untergegangen ist oder aus andern
-Gründen nie in Bremen ankam. Zur Ehre des
-Menschengeschlechts habe ich das schon längst als
-selbstverständlich angenommen.</p>
-
-<p>Es war ziemlich spät am Tage geworden, als
-ich selbst nach Hause kam; noch nachdenklicher als
-zuvor. Ich legte Schmettkows Schuldverschreibung
-in ein geheimes Fach meines Blechkoffers neben
-die Kopie meines Briefs an Olcott. Noch nie und
-nirgends, seit dem ersten Kanonenschuß bei Fort
-Sumter, lagen ein föderierter und ein konföderierter
-Oberst so friedlich und einträchtig beisammen
-wie diese beiden. Und was mich anbelangt, so
-war das friedliche Zusammenwirken der zwei Herren
-von gleich erfreulichem Erfolg für sie. Eine geheimnisvolle
-Ahnung sagte mir dies schon in jener
-Dämmerstunde; ich fühlte mich deshalb so ziemlich
-wie Hans im Glück in modern umgearbeiteter Auflage,
-nur etwas weniger vergnügt. Was sollte
-nun aber werden? Wie sollte die Sache weiter
-gehen? Wo konnte ich, für teures Geld, meinen
-Pflug einsetzen? Es war offenbar nicht so leicht,
-als ich mir vorgestellt hatte, diesen starren Kontinent
-aufzureißen. Ich sammelte allerdings Erfahrungen
-in erstaunlichem Grad, und keine von den billigen.
-Aber das Ergebnis war vorläufig nicht ermutigend,
-es war nicht zu verhehlen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_173">[173]</a></span></p>
-
-<p>Ich war müde &ndash; schon amerikamüde! &ndash; und
-starrte wohl eine Stunde lang über die Dächer der
-Nachbarhäuser hinweg in den glänzenden Abendhimmel,
-die ungelesenen »Crescent City News« auf
-den Knien, ohne Ziel und Zweck, denn ich wußte
-wirklich nicht, was dabei herauskommen sollte.
-Doch ist es manchmal auch gut, die Ruder sinken
-zu lassen und ruhig zu warten, bis sich das müde
-Segel wieder rührt.</p>
-
-<p>Da klopfte es. Ich schreckte auf, denn ich
-war halb eingeschlafen in trübseliger Erschöpfung.
-»Herein!«</p>
-
-<p>Es war Lawrence, munter und quecksilbern
-wie immer &ndash; wurde dieser Mann nie müde? &ndash;,
-und hinter ihm ein Fremder, ein großer, stattlicher
-Herr, der wie gewohnheitsmäßig sich bückte, um
-zur Tür hereinzukommen und, gut amerikanisch,
-erst den Hut abnahm, als er mitten im Zimmer
-stand.</p>
-
-<p>»Frederic, hier ist Herr Eyth!« sagte der kleine
-Lawrence. »Herr Eyth, ich bringe Ihnen meinen
-Bruder, Herrn Frederic Lawrence von Magnoliaplantage.«</p>
-
-<p>Es wäre nicht leicht gewesen, unähnlichere
-Brüder zu finden. Herr Lawrence der Ältere war
-eine schöne, imponierende Gestalt mit schwarzen
-Haaren, gebräuntem Gesicht und hellen, durchdringenden
-Augen, elegant gekleidet, sehr bestimmt in
-seinem Auftreten und klug und klar in dem, was
-er sagte. Man hatte das Gefühl, jemand vor sich<span class="pagenum"><a id="Seite_174">[174]</a></span>
-zu haben, der wußte, was er wollte, und es gewöhnlich
-auch bekam. Der Mann gefiel mir auf
-den ersten Blick.</p>
-
-<p>»Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte er,
-mir die Hand schüttelnd. »Ich kam gestern aus
-dem Norden zurück und sah heute Ihren Dampfpflug
-vor dem Ausstellungspark. In Baltimore
-hatte ich schon von den Dampfelefanten gelesen und
-hielt sie für einen Humbug. Natürlich. Aber ich
-muß sagen, die Art, wie Sie die Maschinen aus
-dem Sumpf herausgezogen haben, in den Sie den
-Park verwandelt haben, hat mir imponiert. Damit
-läßt sich bei uns etwas machen. Ich bin jetzt überzeugt,
-daß Ihre Maschinen mehr können als wettrennen.
-Der Park sieht aus, wie wenn sich hundert
-Riesenschweine drin herumgewälzt hätten. Meine
-Glückwünsche, Herr Eyth!«</p>
-
-<p>Er lachte ermunternd. Ich wußte kaum, sollte
-ich es für Spott oder Ernst nehmen, und sagte
-ausweichend: »Leider finden Sie mich augenblicklich
-in einiger Verlegenheit, ein weiteres Feld der
-Tätigkeit für meine Elefanten zu finden.«</p>
-
-<p>»Deshalb komme ich zu Ihnen, Herr Eyth«,
-sagte Frederic. »Schon in Baltimore, wo ich von
-dem Wettrennen las und nachträglich von dem
-Pflügen hörte &ndash; der Unsinn läuft immer flinker
-als der Sinn &ndash;, war es meine Absicht, Sie aufzusuchen.
-Für einen bloßen Schwindel sah mir die
-Sache selbst von der Ferne zu groß aus. Aber fix
-war es von Ihnen, das Wettrennen zu veranstalten.<span class="pagenum"><a id="Seite_175">[175]</a></span>
-Man muß Lärm machen in unserm großen Land,
-wenn man gehört werden will; ob die Trommel
-rot oder blau lackiert ist, die Sie benutzen, tut
-nichts zur Sache.«</p>
-
-<p>»Den Lärm verdanke ich Ihrem Bruder, Herr
-Lawrence,« bemerkte ich, »ganz allein Ihrem Herrn
-Bruder. Und ich beginne zu glauben, daß ich ihm
-mehr zu danken habe, als ich ahnte.«</p>
-
-<p>»Fangen Sie an zu begreifen?« lachte Henry,
-sich vergnügt die Hände reibend. »Es ist einfach
-phänomenal, Frederic, wie langsam die Deutschen
-sind. Er fängt an zu begreifen!«</p>
-
-<p>»Kurz, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu
-machen«, fuhr Lawrence der Ältere fort, ohne sich
-um seinen Bruder zu kümmern, was diesem ganz
-natürlich vorkam. »Sie packen Ihren ganzen
-Apparat morgen zusammen und bringen ihn nach
-der Magnoliaplantage, sechzig Meilen stromabwärts.
-Ich stelle Ihnen einen Flußdampfer zur Verfügung.
-Drunten finden Sie tausend Acker Ratoons<a id="FNAnker_4_4"></a><a href="#Fussnote_4_4" class="fnanchor">4</a>, in
-denen Sie pflügen können, solange Sie Lust haben.
-Ebensolange sind Sie mein Gast. Ihre Leute finden
-ein bequemes Unterkommen auf dem Gut. Alle
-Auslagen bezahle ich. Wenn mir nach einem Monat
-Ihr Pflügen gefällt, so behalte ich den Pflug und
-bin und bleibe der erste Dampfpflüger in Louisiana.
-Was kostet er?«</p>
-
-<p>»Magnolia liegt im besten Zuckerdistrikt des
-Staats«, fuhr er fort, als ob er mich überreden
-müßte. »Eine stolze Plantage, Sir, trotz des Kriegs.
-Aber nur eine von fünfzig, entlang dem Strom.
-Und alle wissen nicht mehr, wie sie pflügen sollen,
-seitdem die Schwarzen in die Stadt zu laufen anfangen.
-Ein Feld für Sie, ein kolossales Feld.
-Aber den Anfang müssen Sie bei mir machen. Ich
-biete Ihnen, was ich vernünftigerweise bieten kann.«</p>
-
-<p>Ob ich einschlug?!</p>
-
-<p>Es wurde wie Sonnenschein um mich her, trotz
-der Dämmerung. Hurra! sagte ich im tiefsten Innern
-und war kaum imstande, es nicht laut zu rufen.
-Endlich kommt die ehrliche, einfache Ochsenarbeit,
-um die ich seit einem Monat kämpfe! Dem Himmel
-sei's getrommelt und gepfiffen; das Elefantenrennen
-hat ein Ende!</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-178.png" alt="Ende gut &ndash; alles gut." />
-</div>
-
-<p class="center p2">
-Buchdruckerei Richard Hahn (H. Otto), Leipzig.<br />
-</p>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="footnotes">
-<h2>Fußnoten</h2>
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_1_1"></a><a href="#FNAnker_1_1"><span class="label">1</span></a> Carpet-baggers &ndash; politische Intriganten, die nach der
-Sklavenbefreiung aus den Nordstaaten in die Südstaaten reisten,
-um dort im Trüben zu fischen.
-</p>
-<p class="right">
-(Anm. der Stiftung.)
-</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_2_2"></a><a href="#FNAnker_2_2"><span class="label">2</span></a> Zeit ist Geld.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_3_3"></a><a href="#FNAnker_3_3"><span class="label">3</span></a> Der Gauner Tweed beutete damals die New Yorker
-Stadtverwaltung furchtbar aus.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_4_4"></a><a href="#FNAnker_4_4"><span class="label">4</span></a> Zuckerrohrschößling, der aus der Wurzel des abgeschnittenen
-Rohrs wächst.</p></div>
-
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<div class="figleft">
-<img src="images/signet.png" alt="" />
-<div class="caption"><em class="antiqua">F 1506b X 10</em>: 100.000</div>
-</div>
-
-<p class="h2"><img src="images/tb.png" alt="" />Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung.</p>
-
-<p>Die Stiftung ist ein rein gemeinnütziges Unternehmen
-unter Ausschluß aller privaten Erwerbsinteressen.
-Ihr Zweck ist, »hervorragenden
-Dichtern durch Verbreitung ihrer Werke ein
-Denkmal im Herzen des deutschen Volkes zu
-setzen« und durch Verbreitung guter Bücher der
-schlechten Literatur den Boden abzugraben. Seit dem Jahre
-1903 verteilt sie alljährlich an eine stetig wachsende Zahl von
-Volksbibliotheken sorgfältig ausgewählte Zusammenstellungen
-guter volkstümlicher Bücher. Bis Ende 1909 wurden 245.954
-Bücher an Volksbibliotheken verteilt.</p>
-
-<p>Die Auflage der von der Stiftung herausgegebenen
-Sammlungen »Hausbücherei« und »Volksbücher« betrug bis
-Oktober 1910: 1.220.000 Exemplare.</p>
-
-<p>Abzüge des <em class="gesperrt">Werbeblatts</em>, des letzten Jahresberichts, auch
-des Aufrufs und der Satzungen usw. werden von der Kanzlei
-der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung in Hamburg-Großborstel
-gern unentgeltlich übersandt.</p>
-
-<p>Die Stiftung erbittet jährliche oder einmalige Beiträge.
-<em class="gesperrt">Für Beiträge von 2 Mk.</em> an gewährt die Stiftung durch
-Übersendung eines Einzelbandes ihrer »Hausbücherei« oder
-»Volksbücher« Gegenleistung.</p>
-
-<p class="h2">Gute und billige Bücher</p>
-
-<p>Unter den mancherlei billigen Sammlungen, die in den
-letzten Jahren zur Verbreitung guter Literatur geschaffen
-wurden, zeichnen sich die Bücher der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung
-durch sorgfältige literarische Auswahl und
-ausgezeichnete Ausstattung aus: holzfreies Papier, schönen
-und großen Druck, abwaschbaren, geschmackvollen Einband.
-Diese Eigenschaften haben in Verbindung mit dem äußerst
-billigen Preise den beiden Sammlungen der Stiftung schnell
-große Verbreitung verschafft.</p>
-</div>
-
-<p>Bisher sind erschienen:</p>
-
-<p class="h2">
-Hausbücherei</p>
-<p class="center">
-(gebunden, jeder Band 1 Mark)
-</p>
-
-<div class="hang">
-
-<p>Bd. 1. <em class="gesperrt">Heinrich von Kleist</em>: Michael Kohlhaas. Mit Bild
-Kleists. 7 Vollbilder von Ernst Liebermann. Einleitung
-von <em class="antiqua">Dr.</em> Ernst Schultze. <i>11.-20. Taus.</i> 170 S.</p>
-
-<p>Bd. 2. <em class="gesperrt">Goethe</em>: Götz von Berlichingen. Mit Bild Goethes.
-Einleitung v. <em class="antiqua">Dr.</em> W. Bode. <i>6.-10. Taus.</i> 178 S.</p>
-
-<p>Bd. 3. <em class="gesperrt">Deutsche Humoristen.</em> <i>1. <em class="antiqua">Bd.</em></i>: Ausgew. humor. Erzählungen
-v. P. Rosegger, W. Raabe, Fr. Reuter und
-A. Roderich. <i>40.-45. Taus.</i> 221 S.</p>
-
-<p>Bd. 4. <em class="gesperrt">Deutsche Humoristen.</em> <i>2. <em class="antiqua">Bd.</em></i>: Cl. Brentano, E.
-Th. A. Hoffmann, H. Zschokke. <i>20.-25. Taus.</i> 222 S.</p>
-
-<p>Bd. 5. <em class="gesperrt">Deutsche Humoristen.</em> <i>3. <em class="antiqua">Bd.</em></i>: Hans Hoffmann,
-Otto Ernst, Max Eyth, Helene Böhlau. <i>30.-35. T.</i>
-196 S.</p>
-
-<p>Bd. 6/7. <em class="gesperrt">Balladenbuch.</em> <i>1. <em class="antiqua">Bd.</em></i>: Neuere Dichter. <i>16.-20. T.</i>
-498 S. 2 Mark.</p>
-
-<p>Bd. 8. <em class="gesperrt">Herm. Kurz</em>: Der Weihnachtsfund. Eine Volkserzählung.
-Mit Bild Kurz'. Einleitung v. Prof. Sulger-Gebing.
-<i>6.-10. Taus.</i> 209 S.</p>
-
-<p>Bd. 9. <em class="gesperrt">Novellenbuch.</em> <i>1. <em class="antiqua">Bd.</em></i>: C. F. Meyer, E. v. Wildenbruch,
-Fr. Spielhagen, Detl. v. Liliencron. <i>26.-35. Taus.</i>
-194 S.</p>
-
-<p>Bd. 10. <em class="gesperrt">Novellenbuch.</em> <i>2. <em class="antiqua">Bd.</em></i> (Dorfgeschichten): E. Wichert,
-H. Sohnrey, W. v. Polenz, R. Greinz. <i>16.-20. T.</i> 199 S.</p>
-
-<p>Bd. 11. <em class="gesperrt">Schiller</em>: Philosophische Gedichte. Ausgew. u. eingel. v.
-Prof. E. Kühnemann. Mit Bild Schillers. <i>6.-10. T.</i>
-230 S.</p>
-
-<p>Bd. 12/13. <em class="gesperrt">Schiller</em>: Briefe. Ausgew. und eingel. von Prof.
-E. Kühnemann. Mit 2 Bildern Schillers. 2 Bände
-in 1 Bande. <i>6.-10. Taus.</i> 226 u. 302 S. 2 Mark.</p>
-
-<p>Bd. 14. <em class="gesperrt">Novellenbuch.</em> <i>3. <em class="antiqua">Bd.</em></i> (Geschichten aus deutscher
-Vorzeit): A. Schmitthenner, J. J. David, W. Hauff.
-<i>11.-20. Taus.</i> 246 S.</p>
-
-<p>Bd. 15. <em class="gesperrt">Novellenbuch.</em> <i>4. <em class="antiqua">Bd.</em></i> (Seegeschichten): Joachim
-Nettelbeck, W. Hauff, Hans Hoffmann, W. Jensen,
-Wilh. Poeck, Johs. Wilda. <i>16.-20. Taus.</i> 179 S.</p>
-
-<p>Bd. 16. Auswahl aus den Dichtungen <em class="gesperrt">Eduard Mörikes</em>.
-Herausgeg. u. eingel. v. Dr. J. Loewenberg-Hamburg.
-Mit Bild u. Silhouette Mörikes. <i>11.-20. Taus.</i> 235 S.</p>
-
-<p>Bd. 17. <em class="gesperrt">Heine-Buch.</em> Eine Auswahl aus Heinrich Heines
-Dichtungen. Herausgeg. und eingel. von Otto Ernst-Hamburg.
-Mit Bild Heines. <i>6.-10. Taus.</i> 203 S.</p>
-
-<p>Bd. 18 u. 19. <em class="gesperrt">Goethes</em> ausgewählte Briefe. Herausgeg. u.
-eingel. v. Dr. Wilh. Bode-Weimar. Mit Bildern Goethes.
-2 Bände. <i>11.-15. Taus.</i> 169 u. 197 S.</p>
-
-<p>Bd. 20/21. <em class="gesperrt">Deutsches Weihnachtsbuch.</em> Eine Sammlung
-der schönsten u. beliebtesten Weihnachtsdichtungen in
-Poesie u. Prosa. <i>16.-20. Taus.</i> 413 S. 2 Mark.</p>
-
-<p>Bd. 22. <em class="gesperrt">Novellenbuch.</em> <i>5. <em class="antiqua">Bd.</em></i> (Frauennovellen): Cl. Viebig,
-L. v. Strauß u. Torney, Lou Andreas-Salomé, M. R.
-Fischer. <i>11.-20. Taus.</i> 198 Seiten.</p>
-
-<p>Bd. 23. <em class="gesperrt">Novellenbuch.</em> <i>6. <em class="antiqua">Band.</em></i> (Kindheitsgeschichten):
-A. Schmitthenner, H. Aeckerle, M. Lienert, M. v. Rentz,
-Hans Land, A. Bayersdorfer, Ch. Niese, Th. Mann.
-<i>11.-20. Taus.</i> 199 S.</p>
-
-<p>Bd. 24. <em class="gesperrt">Novellenbuch.</em> <i>7. <em class="antiqua">Bd.</em></i> (Kriegsgeschichten): Carl
-Beyer, H. v. Kleist, W. v. Conrady, M. v. La Roche,
-D. v. Liliencron, Th. Fontane. <i>11.-20. Taus.</i> 177 S.</p>
-
-<p>Bd. 25/26. <em class="gesperrt">Balladenbuch.</em> <i>2. <em class="antiqua">Bd.</em></i>: Ältere Dichter. <i>6.-10. T.</i>
-518 S. 2 Mark.</p>
-
-<p>Bd. 27. <em class="gesperrt">Karl Immermann</em>: Preußische Jugend zur Zeit
-Napoleons. Herausgeg. u. eingeleitet von <em class="antiqua">Dr.</em> Wilhelm
-Bode-Weimar. Mit Bild Immermanns und 3 Bildern
-Magdeburgs. <i>6.-10. Taus.</i> 171 Seiten.</p>
-
-<p>Bd. 28. <em class="gesperrt">Martin Luther als deutscher Klassiker</em>, nebst
-einer Einführung von <em class="antiqua">Dr.</em> Eugen Lessing. Mit Bild
-Luthers. 176 Seiten. <i>6.-10. Taus.</i></p>
-
-<p>Bd. 29/30. <em class="gesperrt">Deutsche Humoristen.</em> <i>4. <em class="antiqua">und</em> 5. <em class="antiqua">Bd.</em></i> (Humoristische
-Gedichte.) 351 Seiten. 2 Mark. <i>6.-10. Taus.</i></p>
-
-<p>Bd. 31. <em class="gesperrt">Deutsche Humoristen.</em> <i>6. <em class="antiqua">Bd.</em></i>: E. Th. A. Hoffmann,
-B. v. Arnim, Fr. Th. Vischer, A. Bayersdorfer, Henry
-F. Urban, Ludw. Thoma. 160 S. <i>11.-20. Taus.</i></p>
-
-<p>Bd. 32. <em class="gesperrt">Max Eyth</em>: Geld und Erfahrung (humoristische Erzählung).
-Mit Original-Illustrationen von Th. Herrmann
-und Einleitung von <em class="antiqua">Dr.</em> C. Müller-Rastatt,
-Hamburg. 176 Seiten. <i>6.-10. Taus.</i></p>
-
-<p>Bd. 33. <em class="gesperrt">Ludwig Uhland</em>: Ausgewählte Balladen und Romanzen.
-Mit Einleitung von K. Küchler, Altona, und
-Illustrationen von H. Schroedter, Karlsruhe. 160 S.</p>
-
-<p>Bd. 34. <em class="gesperrt">J. J. David</em>: Ruzena Capek. Cyrill Wallenta.
-Mit Einleitung von A. v. Weilen und Bild Davids.
-146 S.</p>
-
-<p>Bd. 35. <em class="gesperrt">Ludwig Finckh</em>: Rapunzel. Mit Bild L. Finckhs
-und Einleitung von M. Lang. 159 S.</p>
-
-<p>Bd. 36. <em class="gesperrt">Grethe Auer</em>: Marraksch. Mit Bild Gr. Auers und
-Einleitung von Dr. H. Bloesch. 192 S.</p>
-</div>
-
-<p class="center large">
-Geschenkausgaben
-</p>
-
-<p><em class="gesperrt">in prächtigem, biegsamem Einband</em> mit Goldschnitt sind
-<em class="gesperrt">zum Preise von je 4 Mark</em> hergestellt von:</p>
-
-<p class="smblock">
-Bd. 6/7 (rot, Ganzleder)<br />
-Bd. 12/13 (grün, Ganzleder)<br />
-Bd. 18/19 (grau, Ganzleder)<br />
-Bd. 20/21 (weiß, Dermatoid)<br />
-Bd. 25/26 (rot, Ganzleder)<br />
-Bd. 29/30 (rot, Ganzleder).<br />
-</p>
-
-<p><span class="large">Schillerbuch</span>, enth. Einltg. über Schillers Leben, die Glocke,
-Balladen, Tell. Mit Bild Schillers. 346 S. <i>21.-30. T.</i> Geb. 1 M.</p>
-
-<p class="h2">
-Volksbücher.</p>
-
-<p>Heft 1. 50 Gedichte v. <em class="gesperrt">Goethe</em>.
-95 S. Geh. 20, geb. 50 Pf.
-<i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 2. <em class="gesperrt">Schiller</em>: Tell.
-<i>11.-20. T.</i> 19 S. Geh. 30, geb.
-60 Pf.</p>
-
-<p>Heft 3. <em class="gesperrt">Schiller</em>: Balladen.
-<i>31.-40. T.</i> 108 S. Geh. 20, geb.
-50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 4. <em class="gesperrt">Schiller</em>: Wallensteins
-Lager. Die Piccolomini. 215 S.
-Geh. 30, geb. 60 Pf. <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 5. <em class="gesperrt">Schiller</em>: Wallensteins
-Tod. 222 S. Geh. 30, geb.
-60 Pf. <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p><i>Heft 4 und 5 in einen Band
-gebunden 1 Mark.</i> <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 6. <em class="gesperrt">Brentano</em>: Die Geschichte
-vom braven Kasperl u.
-dem schönen Annerl. Ill. v. W.
-Schulz. 59 S. Geh. 15, geb. 40 Pf.
-<i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 7. <em class="gesperrt">E. Th. A. Hoffmann</em>:
-Das Fräulein von Scuderi.
-113 S. Geh. 20, geb. 50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 8. <em class="gesperrt">Fr. Halm</em>: Die Marzipanliese.
-Die Freundinnen. Ill.
-v. H. Amberg. 124 S. Geh. 20,
-geb. 50 Pf. <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 9. <em class="gesperrt">Fritz Reuter</em>: Woans
-ick tau 'ne Fru kamm. 61 S.
-Geh. 15, geb. 40 Pf. <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 10. <em class="gesperrt">Max Eyth</em>: Der
-blinde Passagier. Ill. v. Th. Herrmann.
-<i>21.-30. T.</i> 68 S. Geh.
-20, geb. 50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 11. <em class="gesperrt">Marie von Ebner-Eschenbach</em>:
-Die Freiherren
-von Gemperlein. <i>11.-20. T.</i> 82 S.
-Geh. 20, geb. 50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 12. <em class="gesperrt">Wilhelm Jensen</em>:
-Über der Heide. <i>11.-20. T.</i> 127
-S. Geh. 25, geb. 55 Pf.</p>
-
-<p>Heft 13. <em class="gesperrt">Ernst Wichert</em>: Der
-Wilddieb. 144 S. Geh. 30, geb.
-60 Pf. <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 14. <em class="gesperrt">Levin Schücking</em>:
-Die drei Großmächte. Illustr.
-v. H. Schroedter. 96 S. Geh.
-25, geb. 55 Pf. <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 15. <em class="gesperrt">Ludwig Anzengruber</em>:
-Der Erbonkel u. andere
-Geschichten. <i>11.-20. T.</i> 86 S.
-Geh. 25, geb. 55 Pf.</p>
-
-<p>Heft 16. <em class="gesperrt">Helene Böhlau</em>:
-Kußwirkungen. <i>11.-20. T.</i> 68 S.
-Geh. 20, geb. 50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 17. <em class="gesperrt">Ilse Frapan-Akunian</em>:
-Die Last. <i>11.-20. T.</i> 87 S.
-Geh. 25, geb. 55 Pf.</p>
-
-<p>Heft 18. <em class="gesperrt">H. v. Kleist</em>: Die Verlobung
-in St. Domingo. Das
-Erdbeben in Chili. Der Zweikampf.
-142 S. Geh. 30, geb. 60 Pf.</p>
-
-<p>Heft 19. <em class="gesperrt">Peter Rosegger</em>:
-Der Adlerwirt von Kirchbrunn.
-139 S. Geh. 30, geb. 60 Pf.
-<i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 20. <em class="gesperrt">Ernst Zahn</em>: Die
-Mutter. <i>11.-20. T.</i> 66 S. Geh.
-20, geb. 50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 21. <em class="gesperrt">E. J. Groth</em>: Die Kuhhaut
-(Humoreske). Mit Illustr.
-v. Gg. O. Erler. 40 S. Geh. 15,
-geb. 40 Pf. <i>11.-20. T.</i></p>
-
-<p>Heft 22. <em class="gesperrt">A. Schmitthenner</em>:
-Die Frühglocke. Mit Illustr. v.
-Wilh. Schulz. <em class="antiqua">11.-20. T.</em> 64 S.
-Geh. 20, geb. 50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 23. <em class="gesperrt">G. Freytag</em>: Karl d.
-Große. &ndash; Friedrich Barbarossa.
-Minnesang und Minnedienst zur
-Hohenstaufenzeit. 80 S. Geh. 25,
-geb. 55 Pf.</p>
-
-<p>Heft 24. <em class="gesperrt">Fr. Spielhagen</em>:
-Hans u. Grete. Mit Illustr. v.
-Th. Herrmann. <i>11.-20. T.</i> 174 S.
-Geh. 40, geb. 75 Pf.</p>
-
-<p>Heft 25. <em class="gesperrt">St. v. Kotze</em>: Geschichten
-aus Australien. 88 S.
-Geh. 25, geb. 55 Pf.</p>
-
-<p>Heft 26. <em class="gesperrt">Paul Heyse</em>:
-Andrea Delfin. 136 S. Geh. 30,
-geb. 60 Pf.</p>
-
-<p>Heft 27. <em class="gesperrt">H. Villinger</em>: Leodegar,
-der Hirtenschüler. Mit Ill.
-v. H. Eichrodt. 72 S. Geh. 20,
-geb. 50 Pf.</p>
-
-<p>Heft 28. <em class="gesperrt">Otto Ludwig</em>:
-Aus dem Regen in die Traufe.
-Ill. v. H. Schroedter. 123 S.
-Geh. 25, geb. 55 Pf.</p>
-
-<p>Heft 29. <em class="gesperrt">Richard Huldschiner</em>:
-Fegefeuer. Mit Buchschmuck
-v. H. Amberg. 250 S. Geh. 70 Pf.,
-geb. 1 Mark.</p>
-
-<p>Heft 30. <em class="gesperrt">Franz Grillparzer</em>:
-Weh dem, der lügt! 132 S.
-Geh. 25, geb. 55 Pf.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p class="center">
-Druck von Grimme &amp; Trömel in Leipzig.<br />
-</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<div class="transnote" id="tnextra">
-
-<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend korrigiert.</p>
-
-<p>Sofern nicht unter den Korrekturen aufgeführt, wurde die Originalschreibweise
-beibehalten.</p>
-
-<p>Das Ganzseitenbild auf S. 143 musste zwischen die Seiten 144 und 145 verschoben
-werden.</p>
-
-<p>Korrekturen:</p>
-
-<div class="corr">
-<p>
-S. 18: ihnen → Ihnen<br />
-Vollends ein Kongreßmann, den man <a href="#corr018">Ihnen</a></p>
-<p>
-S. 31: Jaksonstraße → Jacksonstraße<br />
-in der <a href="#corr031">Jacksonstraße</a> bestanden aus zwei geräumigen</p>
-<p>
-S. 49: vorwärtsreibend → vorwärtstreibend<br />
-mich an der Wand des Tunnels <a href="#corr049">vorwärtstreibend</a></p>
-<p>
-S. 77: ihnen → Ihnen<br />
-Wie gefällt <a href="#corr077">Ihnen</a> das?</p>
-<p>
-S. 88: aufgeflanzt → aufgepflanzt<br />
-auf dem Boden von Louisiana <a href="#corr088">aufgepflanzt</a> sah</p>
-<p>
-S. 97: Ueberraschung → Überraschung<br />
-Doch eine weit größere Freude und <a href="#corr097">Überraschung</a> stand mir</p>
-<p>
-S. 101: Dampfflug → Dampfpflug<br />
-nachdem der <a href="#corr101">Dampfpflug</a> sein Arbeitsfeld erreicht hatte</p>
-<p>
-S. 107: zur → zu<br />
-das schwarze Gesicht von Ohr <a href="#corr107">zu</a> Ohr spaltete</p>
-<p>
-S. 129: mußte → müßte<br />
-Das <a href="#corr129">müßte</a> man aber doch sehen</p>
-<p>
-S. 150: Nöten → Nöte<br />
-Stone hatte trotz seiner <a href="#corr150">Nöte</a> sechzig</p>
-<p>
-S. 154: jäh → zäh<br />
-mit dem Sieg des <a href="#corr154">zäh</a> ausdauernden</p>
-<p>
-S. 157: Sie → sie<br />
-Sie müssen <a href="#corr157">sie</a> zurückbekommen</p>
-</div>
-</div>
-</div>
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Geld und Erfahrung, by Max Eyth
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GELD UND ERFAHRUNG ***
-
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-things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
-even without complying with the full terms of this agreement. See
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-Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this
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-electronic works. See paragraph 1.E below.
-
-1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the
-Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
-of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual
-works in the collection are in the public domain in the United
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-United States and you are located in the United States, we do not
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-posted with the permission of the copyright holder found at the
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-
-1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
-License terms from this work, or any files containing a part of this
-work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
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-Gutenberg-tm License.
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-of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain
-Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the
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-1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
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