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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-14 18:40:01 -0700 |
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| committer | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-14 18:40:01 -0700 |
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diff --git a/44366-0.txt b/44366-0.txt new file mode 100644 index 0000000..c9ae8ba --- /dev/null +++ b/44366-0.txt @@ -0,0 +1,3172 @@ +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44366 *** + +Anmerkungen zur Transkription: + +Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; +lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste +der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes. Folgende +Zeichen sind für die verschiedene Schriftformen benutzt: + + _Kleinschrift_ + =fett gedruckter Text= + +kursiv gedruckter Text+ + ~gesperrt gedruckter Text~ + ^{hochgestellter Text} + + + + + Das Abendmahl + + im + + Zusammenhang mit dem Leben Jesu + + und der + + Geschichte des Urchristentums + + von + + Lic. Dr. Albert Schweitzer + + in Strassburg i. E. + + + Erstes Heft. + + Das Abendmahlsproblem + + auf Grund + der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts + und der historischen Berichte. + + [Illustration] + + =Tübingen= und =Leipzig=. + Verlag von ~J. C. B. Mohr~ (Paul Siebeck). + 1901. + + + + + +Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die + Verlagsbuchhandlung vor.+ + + + C. A. Wagner's Universitätsbuchdruckerei in Freiburg i. B. + + + + + Seinem Lehrer + + Herrn Prof. D. Dr. =H. J. Holtzmann= + + gewidmet + + in aufrichtiger Verehrung und treuer Anhänglichkeit + + von seinem dankbaren Schüler + + =Albert Schweitzer=. + + + + +=~Vorrede~ zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl.= + + +Der Anstoss zu der vorliegenden Arbeit ging von SCHLEIERMACHER aus. +Im Jahre 1897 erhielt ich nämlich als Thema für meine schriftliche +Examensarbeit folgende Aufgabe gestellt: Die Abendmahlslehre +SCHLEIERMACHER's soll dargestellt und mit den im neuen Testament und in +den Bekenntnisschriften niedergelegten Auffassungen verglichen werden. + +Ich hatte mich bis dahin mit der Abendmahlsfrage gar nicht beschäftigt +und war über die neuesten Forschungen in keiner Weise orientiert, +hatte auch keine Zeit dies nachzuholen, weil die Arbeit innerhalb acht +Wochen abgeliefert werden musste. So war ich einzig auf die Texte und +die bekenntnismässigen Formulierungen der verschiedenen Konfessionen +angewiesen. + +Die SCHLEIERMACHER'sche Dialektik ersetzte mir aber alles. Sie +zergliedert nämlich das Problem so, dass es als Ganzes und zugleich in +allen Details vor einem steht. Man braucht nur geschichtlich Ernst zu +machen mit dem dialektischen Spiel, das er mit vollendeter Kunst zur +Beruhigung und Versöhnung der Geister und zugleich zu seinem eigenen +ästhetischen Ergötzen aufführt, dann ist man genau auf dem Standpunkt +der modernen historischen Forschung angekommen. + +Ein Satz besonders ist hier entscheidend. In § 139 _3_ der +Glaubenslehre redet er vom äusseren Verlauf unserer Feier und +zeigt, wie wir uns bei der Reproduktion der historischen Umstände +naturgemäss auf das Wesentliche beschränken müssen. Wollte man z. +B. einen bedeutenden Nachdruck auf den Zusammenhang, in welchem das +historische Mahl mit dem Passahmahl stand, legen, so würde man alsbald +zur Folgerung gedrängt werden, »dass das Abendmahl jetzt nicht mehr +das sein könne, als was es Christus gestiftet habe und also auch +wohl nicht könne von ihm als eine selbständige und immer dauernde +Institution für die Kirche verordnet sein«. »Dieses Bedenken«, so fährt +er dann fort, »liegt so nahe, ~dass es sich leicht in der evangelischen +Kirche lautbarer machen kann, als bisher der Fall gewesen~, und +veranlasst natürlich die Frage, worauf unser Glaube in dieser Sache +eigentlich beruhe. Schwerlich wird sich behaupten lassen, dass aus +den uns aufbewahrten Worten Christi ~diese Absicht ganz bestimmt +hervorgehe.~ Vielmehr enthalten einige unserer Erzählungen gar ~keinen +solchen Befehl~ (Markus und Matthäus), und in den andern ist er nur +unbestimmt ausgedrückt (Lukas und Paulus); und da die Apostel aus den +Worten Christi beim Fusswaschen keinen solchen Befehl entnommen haben, +so ~hätten sie auch Recht gehabt, aus dem Abendmahl ebensowenig eine +bestimmte und allgemeine Institution zu machen!~ Da nun aber offenbar +ist, dass sie das eine gethan haben und das andere nicht, so können +wir uns an das halten, ~was sie eingerichtet haben,~, ohne dass wir +zu entscheiden brauchten, ob Christus ihnen über das Abendmahl noch +andere ausdrückliche Anweisungen gegeben, oder ob sie dieselben aus +seinen Worten gefolgert oder nur durch den unmittelbaren Eindruck der +Sache und durch die begleitenden Umstände anders bestimmt worden sind +in Bezug auf das Abendmahl als in Bezug auf das Fusswaschen. In dem +letzten Fall würden wir dann das Abendmahl nur nicht ganz in demselben +Sinn als eine unmittelbare Einsetzung Christi ansehen können, immer +aber doch glauben müssen, dass sie in seinem Sinn gehandelt haben, wenn +wir nicht auch in ihrem ~engsten Berufskreise ihr kanonisches Ansehen +aufgeben wollen~«. + +Unsere Abendmahlsfeier beruht in letzter Linie nicht auf einer +ausdrücklichen Verordnung Jesu! GRAFE ist also ganz unschuldig! Was er +als ehrlicher Historiker in der Nachfolge anderer Historiker, von der +Wucht der Thatsachen gedrängt, bedächtig und schonungsvoll aussprach, +das hat SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre keck hingeworfen. +Während man aber dem eleganten Spiel des Dialektikers verständnisvoll +zunickte, nahm man es dem ehrsamen Historiker gar übel, als er ungefähr +dasselbe zu sagen wagte. Vielleicht auch haben die temperamentvollen +Gegner GRAFE's diese Seite in ihrem SCHLEIERMACHER überschlagen oder +sie hielten dafür, dass der betreffende Abschnitt, weil er zeitlich +schon einige gute Jahrzehnte zurückliegt, auch in zweideutigen Dingen +als rechtgläubig passieren dürfe. Es ist merkwürdig: In der Theologie +darf heutzutage einer fast alles sagen, was er will, wenn er es nur +vornehm und geistreich mit einem gewissen eleganten Skeptizismus thut. +Für den ehrlichen Menschen, der redet, weil sein Gewissen ihn zwingt, +ist man aber unnachsichtlich. + +Die Behauptung, die SCHLEIERMACHER zum erstenmal vollständig klar +ausgesprochen hat, die dann aber für Jahrzehnte ganz unter den +Tisch fiel, ist dazu angethan, einen im kantischen Sinn »aus dem +dogmatischen Schlummer zu wecken«. Sie zeigt nämlich, dass nicht +nur die kirchlichen, sondern geradesogut die wissenschaftlichen +Abendmahlsauffassungen dem wirklichen Thatbestand nicht gerecht werden. +Die kirchlichen Auffassungen setzen voraus, dass Jesus die Feier zur +Wiederholung bestimmt habe, können aber nicht nachweisen, dass er es +wirklich angeordnet hat, da der betreffende Befehl bei den ältesten +Zeugen fehlt. Eine Reihe wissenschaftlicher Auffassungen gehen davon +aus, dass die Feier nicht zur Wiederholung bestimmt war, können aber +dann nicht erklären, warum sie doch schon in der allerersten Gemeinde +aufkam — und das ist doch auch eine unbedingt feststehende Thatsache. + +Der Zusammenhang zwischen den beiden Feiern, der historischen und der +Gemeindefeier, bleibt also gleich unbegreiflich, ob man sie durch den +Wiederholungsbefehl direkt kausal miteinander verbindet oder ob man +sich mit der Konstatierung der reinen zeitlichen Aufeinanderfolge +begnügt und die Kausalität dahingestellt sein lässt. ~SCHLEIERMACHER +ist der Hume der Kausalitätsfrage im Abendmahlsproblem.~ + +Der Vergleich der verschiedensten und zeitlich so weit +auseinanderliegenden Abendmahlslehren mit der SCHLEIERMACHER'schen +Ansicht führte mich vor die Frage, was denn das Beharrende bei diesem +steten Wechsel der Auffassungen sei. Ist es nicht denkbar, dass alle +Phasen, in denen sich das Abendmahlsproblem auswirkt, durch dieselben +Gesetze beherrscht sind und dass also an diesen Gesetzen die wahre +historische Auffassung sich zu erproben hat? + +Nachdem ich daher meine Examensarbeit zu Ende geführt und die mir +in Umrissen schon vorschwebende neue Auffassung in allgemeinen +Strichen angedeutet hatte, machte ich mich daran, alle Epochen +der Abendmahlsfrage — die altchristliche, die mittelalterliche, +die reformatorische und die moderne — gründlich zu studieren, +fest entschlossen, nicht eher mit der neuen Auffassung an die +Oeffentlichkeit zu treten, als bis ich sie für alle Epochen +durchgeführt hätte und so die Gewissheit besässe, dass sie die ganze +Geschichte des Abendmahls von der historischen Feier bis in die +neueste Zeit erklärt. Zu dieser Arbeit habe ich vier Jahre gebraucht. +Darum veröffentliche ich, was mir schon im Herbst 1897, ~unabhängig +von der modernen Forschung, feststand~, erst im Herbst 1901, im +Zusammenhang mit der Darstellung und Beurteilung der historischen +Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert. + +Ich habe die Stellung des Problems an der wissenschaftlichen +Abendmahlsforschung im 19. Jahrhundert entwickelt, weil uns diese +Periode am nächsten liegt. Man hätte aber geradesogut jede andere Phase +dazu benutzen können, da die Gesetze in allen dieselben sind. + +Die Absicht dieser Arbeit geht weiter als auf die Aufstellung einer +neuen historischen Abendmahlsauffassung. Sie verfolgt den praktischen +Zweck, ~die historische Grundlage unserer modernen Abendmahlsfeier +abzugeben und das Bestehende geschichtlich zu rechtfertigen.~ Es ist +nämlich nicht zu leugnen, dass unsere Gemeindefeier, nach dem jetzigen +Stand der Wissenschaft, in der Luft hängt. Wenn der Wiederholungsbefehl +historisch nicht fundiert ist, was soll dann unsere Wiederholung +bedeuten? + +Den Gläubigen zwar ficht diese Sorge vorerst wenig an und soll ihn +wenig berühren. Es ist nicht die Sache der Leute, welche über die +Brücke gehen, sich ängstlich darum zu kümmern, ob durch die Fluten die +Fundamente nicht langsam unterwaschen worden sind, sondern das liegt +den Architekten ob. Diese müssen, wenn sie eine Senkung auch nur von +einem Millimeter wahrnehmen, unverzüglich einer eventuellen Katastrophe +entgegenarbeiten, sogar wenn den Passanten die Sache vorerst ganz +belanglos scheint. So muss auch die theologische Wissenschaft auf +das Fundament des Glaubens sehen und darauf achten, ob nicht die +historische Grundlage der Institution, welche gleichsam die Brücke vom +Vergänglichen zum Unvergänglichen bildet, durch den Strom der Zeit +unterwaschen ist und ob nicht durch die historische Weltanschauung eine +ganz andere Fundierung unserer Abendmahlsfeier notwendig wird als +bisher. + +SCHLEIERMACHER hat gesagt, dass das Bedenken, die Berechtigung der +Wiederholung betreffend, sich leicht in der evangelischen Kirche +lautbarer machen könnte, als bisher der Fall gewesen. Und wenn dies +nun eintritt, was dann? Solange das Problem der Berechtigung und +Notwendigkeit unserer Abendmahlsfeier wissenschaftlich nicht gelöst +ist, kann durch den geringfügigsten Umstand eine die öffentliche +Meinung aufs äusserste aufregende und unerquickliche dogmatische +Erörterung dieser Frage eintreten, zu der der Fall GRAFE nur ein kurzes +idyllisches Vorspiel wäre. + +Das Schlimmste dabei wäre, dass diese Erörterung, einmal in die +Oeffentlichkeit gezerrt, notwendig resultatlos bliebe. Denn der +wissenschaftlich denkende Mensch wird diese Frage immer wieder +aufwerfen müssen, während derjenige, der sich mehr auf den Standpunkt +des kirchlichen Glaubens stellt, sie notwendig niederschlagen wird, +in dem richtigen Empfinden, dass solche theoretische Bedenken eine +so heilige und erhebende und durch den urchristlichen Usus in +ihrer Art wieder so geschichtlich fundierte Feier nicht gefährden +dürfen. Der Verteidiger wird sogar eigentlich die Geschichte auf +seiner Seite haben. Denn, wenn das Abendmahl von Anfang an in der +christlichen Gemeinde gefeiert worden ist, so ist doch diese Thatsache, +vollständig objektiv betrachtet, viel entscheidender als das Fehlen +des Wiederholungsbefehls in zwei alten Berichten. Wir haben es eben +mit einer ganz unerklärlichen Antinomie zu thun, bei der man sich sehr +hüten muss, irgend welche Folgerungen gegen unsere Feier zu ziehen, +besonders wenn man bedenkt, dass man damit ein Stück des ältesten +und heiligsten Bestandes des christlichen Glaubens angreift. Nehmen +wir vorerst lieber an, dass uns der Schlüssel zur Erklärung der +historischen und der urchristlichen Feier und zum Verständnis ihres +Zusammenhangs fehlt. + +Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, gefährliche Fragen in Angriff zu +nehmen, ehe sie die öffentliche urteilslose Meinung in Unruhe bringen, +den Zündstoff zu beseitigen und in der Stille segensreiche Arbeit zu +thun. + +Als SCHLEIERMACHER in seiner Glaubenslehre die damals nur in seiner +dialektischen Phantasie existierenden Parteien vor sich beschied, +mutete er ihnen zu, sich auf »die Anerkennung des kanonischen Ansehens +der Apostel in ihrem engsten Berufskreise« zu vergleichen. Auf diesen +Vergleich kann man aber im Ernst nicht eingehen. Das Sprüchlein bannt +das Gespenst nicht. Wir wollen den Aposteln die gebührende Ehrfurcht +sicher gern erweisen, aber unsere Abendmahlsfeier auf ihr kanonisches +Ansehen allein gründen, das dürfen wir nicht. + +Rücken wir die Frage ins rechte Licht. Unsere Abendmahlsfeier +entspringt dem Vorgehen der ersten Gemeinde, zu der die Apostel +gehören. In die Geschichte übersetzt, lautet die Frage nach dem +»kanonischen Ansehen der Apostel in ihrem engsten Berufskreise« also +folgendermassen: Welches waren die Motive, durch welche die erste +Gemeinde bestimmt wurde, eine derartige im Zusammenhang mit dem letzten +Mahl Jesu stehende Feier zu begehen? War das Willkür oder Notwendigkeit? + +Daran schliesst sich eine zweite Frage, die SCHLEIERMACHER +unberücksichtigt gelassen hat. Wenn die erste Gemeinde aus bestimmten +Gründen die Feier wiederholt hat, gelten diese auch noch für uns? +Besteht in der historischen Feier als solcher auch für uns eine direkte +Notwendigkeit, dass wir daraus irgendwie eine Feier ableiten, oder +handelt es sich nur um etwas Ueberkommenes? + +Darauf lautet die Antwort der Geschichte: es war eine absolute +Notwendigkeit, dass das Abendmahl trotz des Fehlens des +Wiederholungsbefehls bei der ersten Gemeinde in Aufnahme kam, und +diese Notwendigkeit besteht auch noch für uns zu Recht. Unsere Feier +gründet sich nicht auf die geschichtliche Ueberlieferung oder auf die +unkontrollierbare Autorität bestimmter Persönlichkeiten, sondern direkt +auf die historische Feier. So ist unser Abendmahl berechtigt, geboten +und notwendig von sich selbst aus. + +Die neue geschichtliche Erkenntnis führt aber nicht nur die Versöhnung +hinsichtlich der Berechtigungsfrage herbei, sondern auch hinsichtlich +der Frage nach der Bedeutung der Feier. + +Niemand kann sich der Einsicht verschliessen, dass unsere Feier +eigentlich sehr dürftig und unlebendig ist, wenn sie nur auf die +Darstellung eines Doppelgleichnisses durch die Reproduktion einer +historischen Situation geht, wo der Pfarrer die Stelle Jesu und die +Gläubigen die Stelle der Jünger einnehmen. Andererseits stellen die +konfessionellen Auffassungen Zumutungen an ernste Christen, die sie +entweder zur Gedankenlosigkeit oder zur Gewissenlosigkeit erziehen und +den Zweifel und Spott geradezu herausfordern. + +Könnten beide Auffassungen aus ihrer Sprache heraustreten, dann +würden sie darin übereinkommen, dass der Sinn der Feier etwas +Geheimnisvolles ist, wo der Einzelne mit der feiernden Gemeinschaft +und der Persönlichkeit unseres Herrn in ein besonders heiliges +Verhältnis tritt. Nun zwingen aber die unglücklichen Einsetzungsworte +den Einen durch die rein symbolische Deutung hinter diesem Geheimnis +zurückzubleiben, den Andern durch die wörtliche Deutung über dieses +Geheimnis hinauszugehen und das Unfassbare zu behaupten. Die +Vermittlungsversuche sind am schlimmsten daran. In der Sache und dem +religiösen Gehalt nach mögen sie richtig sein, aber in der Deutung +der Gleichnisse sind sie gequetscht und gekünstelt, dass ein Mensch +mit ehrlichem Verstand sie nicht zu ertragen vermag. So wie die +»Einsetzungsworte« liegen und nach der Rolle, die man ihnen bisher +in der Feier zuwies, sind nur die rein symbolische oder die krass +realistische Deutung zulässig. Was dazwischen ist, ist vom Uebel. + +Auch hier bringt die wahre geschichtliche Erkenntnis die Befreiung +von der unnatürlichen Alternative, indem sie zeigt, dass die +Stellung, die man den Gleichnissen in dem Ganzen der Feier anwies, +geschichtlich falsch ist. Die urchristliche Feier beruht nicht auf +den »Einsetzungsworten« — dies ist mein Leib, dies ist mein Blut — +obwohl diese Worte bei der historischen Feier gesprochen worden sind. +Also ist auch unsere Auffassung unabhängig von diesen rätselhaften +Gleichnisworten. + +Diese kurzen Andeutungen mögen zeigen, dass diese Arbeit in einem +praktisch aufbauenden und versöhnenden Geiste geschrieben ist. +Zwar wird man, von den gewohnten Auffassungen herkommend, zunächst +mannigfach an dieser Untersuchung Anstoss nehmen, da sie die Versöhnung +nicht durch eine neue Vermengung oder Verdunkelung, sondern einzig +und allein durch geschichtliche Wahrhaftigkeit und Unbefangenheit +herbeiführen will. ~Wir müssen an die Geschichte glauben~, d. +h. wir müssen der Zuversicht sein, dass mit dem Fortschritt der +geschichtlichen Erkenntnis zugleich die Vertiefung und Einigung im +Glauben notwendig verbunden ist, obwohl es manchmal vorerst nicht den +Anschein hat. In diesem Glauben habe ich diese Untersuchung begonnen +und zu Ende geführt. + +Diese Arbeit erscheint in drei Heften. ~Das erste~ behandelt das +Problem, wie es sich aus der Forschung des 19. Jahrhunderts und aus den +Berichten ergibt. ~Das zweite~ sucht die Grundlage der historischen +Feier in dem Leben und in den Gedanken Jesu. Es stellt sich dar als die +Skizze einer neuen Auffassung des Lebens Jesu. Das ~dritte~ behandelt +das Abendmahl in der urchristlichen und in der altchristlichen Epoche +und zeigt, wie sich daraus die römische Messe und das griechische +Mysterium mit gleicher Berechtigung und Notwendigkeit entwickelt haben. +Das erste und das zweite Heft erscheinen miteinander. Das dritte wird +denselben in thunlichster Bälde folgen. + +Zum Schluss fühle ich mich gedrungen, allen meinen Freunden, die mir +bei dieser Arbeit behülflich gewesen sind, den Herrn Pfarrern A. ERNST +und R. WILL zu Strassburg, A. HUCK und ED. UNSINGER zu Schiltigheim und +dem Herrn Vikar ALFRED ERICHSON in Strassburg, meinen tiefgefühlten +Dank auszusprechen. + + ~Strassburg~, im August 1901. + + + + +=Inhaltsangabe des ersten Heftes.= + + + Seite + + ~Vorrede zu einer neuen Untersuchung über das Abendmahl~ V-XII + + + =Erster Teil.= + + =Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des + 19. Jahrhunderts= 1-44 + + + +Erstes Kapitel+ 1-5 + + =Einleitung.= + + 1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung 1-2 + + 2. Der Ansatzpunkt 2-3 + + 3. Die Einzelfragen 3-5 + + 4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen 5 + + + +Zweites Kapitel+ 5-7 + + =Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.= + + + +Drittes Kapitel+ 7-10 + + =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des + Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.= + + 1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. DE WETTE, EBRARD und RÜCKERT + 7-8 + + 2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. TH. KEIM, K. V. WEIZSÄCKER, + WILLIBALD BEYSCHLAG, H. HOLTZMANN, PAUL LOBSTEIN, W. SCHMIEDEL + 8-10 + + + +Viertes Kapitel+ 10 + + =Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung des + Genussmoments.= + + + +Fünftes Kapitel+ 11-21 + + =Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.= + + 1. Die Vorperiode. FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN 11-13 + + 2. Die modernen Versuche. W. BRANDT, FR. SPITTA, A. EICHHORN 13-14 + + 3. W. BRANDT 14-15 + + 4. FR. SPITTA 15-16 + + 5. Kritik der Auffassung SPITTA's 16-18 + + 6. A. EICHHORN 18-19 + + 7. Die neue »Thatsache« 19-20 + + 8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des + Genussmoments 20 + + 9. Der logische Grund der Skepsis 20-21 + + + +Sechstes Kapitel+ 21-26 + + =Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments + und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.= + + AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN. + + 1. Allgemeines 21-22 + + 2. AD. HARNACK 22-23 + + 3. ERICH HAUPT 23-24 + + 4. FR. SCHULTZEN 24-25 + + 5. R. A. HOFFMANN 25-26 + + + +Siebentes Kapitel+ 26-31 + + =Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.= + + 1. Der Wiederholungsbefehl 26-27 + + 2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit 27-30 + + 3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen Feier + 30-31 + + + +Achtes Kapitel+ 31-37 + + =Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des + Darstellungsmoments.= + + 1. Das Gefechtsfeld 31-32 + + 2. Der Verteidigungsplan. P. W. SCHMIEDEL 32-34 + + 3. Die Offensive. ADOLF JÜLICHER 34-36 + + 4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des + Darstellungsmoments 36-37 + + + +Neuntes Kapitel+ 37-44 + + =Die neue Problemstellung.= + + 1. Das Ergebnis der Untersuchung 37-40 + + 2. Der neue Weg 40-44 + + + =Zweiter Teil.= + + =Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte= 45-62 + + + +Zehntes Kapitel+ 45-48 + + =Die textkritischen Fragen.= + + 1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage 45-46 + + 2. Abweichende Lesarten 47 + + 3. Das Ergebnis der Textkritik 47-48 + + + +Elftes Kapitel+ 48-50 + + =Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_). + + + +Zwölftes Kapitel+ 50-56 + + =Der Vergleich der Berichte.= + + 1. Das Prinzip der Gleichbildung 50 + + 2. Der matthäische Bericht (Mt 26 _26-29_) 50-51 + + 3. Der paulinische Bericht (I Kor 11 _23-26_) 51-53 + + 4. Der lukanische Bericht (Lk 22 _14-20_) 53-55 + + 5. Der justinische Bericht (I Apol 66) 55-56 + + + +Dreizehntes Kapitel+ 56-62 + + =Die Authentie des Markusberichts.= + + 1. Der Beweis 56-60 + + 2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts 60 + + 3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl 60-62 + + + + +=Erster Teil.= + +=Das Abendmahlsproblem auf Grund der wissenschaftlichen Forschung des +19. Jahrhunderts.= + + +Erstes Kapitel. + +=Einleitung.= + + +=1. Der Skeptizismus in der Abendmahlsforschung.= + +Es gibt Fragen, welche in dem Denken der Menschheit auftauchen, das +volle geistige Interesse einer Epoche in Anspruch nehmen und dann +wieder zurücktreten, ohne ihre Lösung gefunden zu haben und ohne dass +es klar ist, wie sie ungelöst an Interesse verlieren konnten. + +Jahrhunderte gehen darüber hin. Dann, durch eine Wendung in der +Geschichte, wird dieselbe Frage wieder in den Vordergrund geschoben und +das Spiel wiederholt sich. + +Zu diesen intermittierenden Vulkanen gehört die ~Abendmahlsfrage.~ +Drei Aktionsperioden sind bis jetzt zu verzeichnen. Die erste ist die +längste. Sie dauert ungefähr zehn Jahrhunderte. Mit der Dauer steht die +Intensität im umgekehrten Verhältnis. Wir haben keinen feuerspeienden +Berg, sondern einen Krater mit langsamem Lavaausfluss. Einige Erdstösse +— die fränkischen Abendmahlskontroversen — bezeichnen den Schluss der +Aktionsperiode. + +Die Art, wie die Frage in der Reformationszeit neu auftaucht, ist +in höchstem Grade überraschend. Man sollte meinen, dass, in dem +gemeinsamen Gegensatz aller reformatorischen Auffassungen zur römischen +Theorie, die innerprotestantischen Gegensätze gerade in dieser +Frage Aussicht hatten, bis auf weiteres latent zu bleiben. Statt +dessen wird gerade die Abendmahlsfrage der Pol, nach dem sich die +Gedanken orientieren. Diese zweite, dogmatische Periode, war in ihrem +eigentlichen Verlauf ebenso kurz wie heftig. Sie umfasst kaum drei +Jahrzehnte. Dann wird die Abendmahlsfrage für die Dogmatik eine Frage +neben andern. SCHLEIERMACHER's Glaubenslehre, die wissenschaftliche +Begründung der Vermittlungsversuche, behandelt sie fast anhangsweise. + +Die dritte Periode wird durch die historisch-kritische Forschung +heraufgeführt. Wir stehen mitten darin, so aber, dass die Mittagszeit +bereits hinter uns liegt. Schon kündigt sich nämlich die Erschöpfung +an. Nachdem eine Reihe der letzterschienenen Abhandlungen die +Zuversicht, das Problem durch die historische Kritik lösen zu können, +nicht mehr so entschieden zur Geltung kommen liessen, wie dies früher +der Fall war, greift jetzt eine ausgesprochen skeptische Stimmung +Platz, deren Sprache man in dem Aufsatz EICHHORNS's[1] vernehmen kann. + +An diesem Skeptizismus ist etwas unbedingt Berechtigtes. Er geht +nämlich von der Thatsache aus, dass durch die ganze Forschung des 19. +Jahrhunderts die Lösung des Problems ferner gerückt ist als je. Die +Schwierigkeiten sind gerade durch die historisch-kritische Methode in +viel stärkerem Masse hervorgetreten, als man früher jemals ahnen konnte. + +Unberechtigt daran ist aber die Art, der historischen gewissenhaften +Kritik gegenüber vornehm zu thun und aus der Thatsache, dass sie bis +jetzt in dem Problem nicht zum Ziele geführt hat, ihre Inferiorität +einer excentrischen überkritischen Unkritik gegenüber zu proklamieren. +Statt dessen sollte man eher nach den Gründen forschen, warum die +historische Kritik die Lösung dieser Frage bisher nicht herbeiführen +konnte. + + +=2. Der Ansatzpunkt.= + +Das Abendmahlsproblem setzt sich aus einer Reihe von Einzelfragen +zusammen, die in den verschiedenen Auffassungen verschieden beantwortet +und verschieden mit einander in Zusammenhang gebracht werden. +Gewöhnlich dreht sich nun die Kritik um diese Einzelfragen. Man +untersucht, ob die Fassung der Einsetzungsworte haltbar ist, ob die +Exegese der Gleichnisse richtig ist, wie die betreffende Abhandlung +sich zur chronologischen Frage stellt, auf welche Art sie den +behaupteten oder verneinten Zusammenhang zwischen Abendmahl und Passah +begründet und dergleichen. + +~Der folgenden Untersuchung kommt es mehr auf die Gesamtauffassung +an und auf den Zusammenhang, in welchem die Einzelfragen unter +einander stehen.~ Wächst eine Abendmahlsanschauung aus einer Reihe von +selbständigen Entscheidungen über die schwebenden Einzelfragen heraus, +oder sind nicht diese Einzelfragen durch einen inneren verborgenen +Mechanismus so mit einander verbunden, dass mit der einen zugleich über +die andern entschieden wird? Welches sind die Gesetze, nach denen sich +die Einzelfragen im Abendmahlsproblem gegenseitig bedingen? Das ist +die Frage, welche uns beschäftigt. Nur sie kann uns darüber Aufschluss +geben, warum die historisch-kritische Methode nicht zum Ziele führen +konnte. + + +=3. Die Einzelfragen.= + +Liegt die Bedeutung der Gleichnisse darin, dass Jesus das Brot bricht +und den Wein im Kelch herumreicht? Oder beruht sie darin, dass die +Jünger dieses Brot essen und diesen Wein trinken? + +Hat er die Worte über Brot und Wein als Gleichnisse gemeint, oder will +er damit andeuten, dass die Jünger seinen Leib und sein Blut durch den +Genuss sich irgendwie aneignen? + +Fand das Mahl im Zusammenhang mit dem Passahmahl statt, sodass für die +Worte Jesu und ihr Verständnis Passahgedanken vorausgesetzt werden +dürfen? + +Erlaubt es die Chronologie der Evangelien, Jesum noch am Passahabend im +Kreise seiner Jünger zu sehen? + +Hat er den Jüngern befohlen, die Feier zu wiederholen? + +Was hat er ihnen zu wiederholen geboten? + +Ist es möglich, dass der »Stifter« ihnen zumutet, seine eigenen Worte +zu wiederholen, die nur in seinem Munde und in jenem historischen +Momente einen Sinn haben? + +Angenommen, der Wiederholungsbefehl ist nicht historisch, wie kommen +denn die Jünger dazu, die Feier dennoch zu wiederholen? + +Wie ist es möglich, dass im Urchristentum Paulus die Wiederholung als +auf den Herrn zurückgehend in die Darstellung der historischen Feier +einträgt? + +Wie erklärt sich das Fehlen des historischen Berichts im vierten +Evangelium, da doch Kap. 6 die Feier voraussetzt? + +Steht es im allgemeinen nicht so, dass mit der Annahme des +Wiederholungsbefehls das psychologische Verständnis der historischen +Feier unmöglich wird, während unter Voraussetzung seines Fehlens die +Wiederholung in der ersten Gemeinde ganz unbegreiflich ist? + +Hat sich das Abendmahl an ein Passahmahl angeschlossen, wie ist +dann, mit oder ohne Wiederholungsbefehl, die ~tägliche Feier~ in der +urchristlichen Zeit begreiflich? + +Waren Agape und Herrenmahl getrennt, standen sie in irgend einem +Zusammenhang, oder waren sie identisch? + +Wie verlief überhaupt die Herrenmahlsfeier im Urchristentum? Wie +sind die Angaben der Didache mit den paulinischen Schilderungen und +Forderungen in I Kor 11 zu vereinigen? + +In welchem Verhältnis stehen die Kunde und die Auffassung der +historischen Feier, welche die Didache und Paulus voraussetzen, zu dem +Bilde der historischen Feier in den Synoptikern? + +Wie erklärt sich das gänzliche Zurücktreten des Leidensgedankens und +der Situation der historischen Feier in der Didache? + +Welche Bedeutung kam dem eschatologischen Moment in der urchristlichen +Abendmahlsfeier zu? + +In welchem Zusammenhang steht das eschatologische Schlusswort Jesu von +dem Neutrinken im Reich des Vaters mit dem Verlauf der historischen +Feier? + +Wie lassen sich die Abweichungen der synoptischen Berichte erklären? + +Die paulinische Darstellung ist die chronologisch älteste; der +Lukastext nach Cod. D der kürzeste; der Markustext steht im +Zusammenhang mit der einfachsten und glaubwürdigsten evangelischen +Geschichtsdarstellung, und der justinische Bericht ist möglicherweise +unabhängig von unseren Evangelien. Welchem der vier grundverschiedenen +Texte gebührt der Vorzug? + +In welche Verbindung stellte das Urchristentum die Teilnahme am +Herrenmahl mit der Vorstellung von der Erlösung? + +Wir nehmen an, die Reproduktion der Herrenworte bei der urchristlichen +Feier ist eine freie gewesen; die Bedeutung dieser Worte konnte aber +nur eine einzige sein. Wie ist es erklärlich, dass wir aus der ganzen +urchristlichen Zeit, ja eigentlich bis ins beginnende Mittelalter +hinein keine Kunde von Auseinandersetzungen über den Sinn dieser Worte +haben? Die Einsicht, dass die Vorstellungen im Urchristentum noch +einen gewissen Grad der Flüssigkeit aufweisen, reicht zur Erklärung der +obigen Thatsache nicht aus. + + +=4. Die vier Typen der Abendmahlsauffassungen.= + +Bei der Darstellung der wissenschaftlichen Abendmahlsdebatte +unterscheiden wir zunächst zwei Hauptströmungen. Wir teilen die +Abhandlungen danach ein, ob sie für ihre Auffassung das ~Darstellungs-~ +oder das ~Genussmoment~ zu Grunde legen. ~Unter dem Darstellungsmoment +verstehen wir das Handeln und Reden Jesu während der historischen +Feier; unter dem Genussmoment die Bedeutung des Essens und Trinkens +der Teilnehmer, wie sie sich aus dem Wesen der Feier ergeben soll.~ +Neben den Darstellungen, die eines dieser beiden Momente mit +Ausserachtlassung des andern einseitig herausarbeiten, gibt es noch +andere, doppelseitige, die eines der Momente zu Grunde legen, dabei +aber dem zweiten nebensächliche Geltung zugestehen. Wir haben also im +ganzen vier Haupttypen, zwischen denen die mannigfachsten Vermittlungen +möglich sind. + + 1. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des + Darstellungsmoments.~ + + 2. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des + Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des + Genussmoments.~ + + 3. ~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~ + + 4. ~Doppelseitige Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments + und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.~ + +Im folgenden werden diese Auffassungen dargestellt in der Ordnung, wie +sie geschichtlich in die Erscheinung getreten sind. + + +Fussnoten: + +[1] »Das Abendmahl im Neuen Testament« von ALBERT EICHHORN, (Leipzig +1898), Hefte zur »Christlichen Welt« No. 36. + + + + +Zweites Kapitel. + +=Das Vorspiel. Zwingli und Calvin.= + + +Das Verdienst, das Abendmahlsproblem zuerst wissenschaftlich behandelt +zu haben, gebührt ZWINGLI. Die Bedeutung der historischen Feier beruht +nach ihm auf dem symbolischen Handeln Jesu. Durch das Brechen des +Brotes und das Darbieten des Weines kündigt der Herr seinen Tod an. +Er verordnet die Wiederholung der Feier, damit die Christen bei dem +gebrochenen Brot und dem vergossenen Wein seines Todes gedenken. + +Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, dass ZWINGLI den +Hauptnachdruck allein auf das Handeln Jesu legt. Er kann die +historische Feier erklären, — ~aber nicht die Wiederholung~, bei +welcher notwendig der Nachdruck nicht auf dem Handeln Jesu, sondern +auf dem der Teilnehmer, dem Genuss des Brotes und des Weines, +ruht. Es gelingt nicht begreiflich zu machen, warum die Jünger +die Gleichniselemente genossen und noch viel weniger, warum auch +spätere Geschlechter bei der Wiederholung noch essen und trinken und +nicht bloss ~anschauen~, um sich an dem erzählten und dargestellten +Abendmahlshandeln Jesu zu erbauen. Dass ZWINGLI's Lehre dogmatisch +nicht befriedigen konnte, lag in letzter Linie an der Einseitigkeit +seiner wissenschaftlichen Exegese. + +So musste seine Auffassung auch wissenschaftlich durch diejenige +verdrängt werden, welche dem Genuss der Teilnehmer einen Platz neben +dem darstellenden Abendmahlshandeln Jesu anweisen konnte. Dies leistete +die Abendmahlslehre CALVIN's. + +Bei ihm liegt die Symbolik zu gleichen Teilen in dem begründet, was +Jesus mit den Elementen vornimmt (Brechen des Brotes und Ausgiessen +des Weines), und in dem, was die Teilnehmer mit den Elementen beginnen +(Essen des Brotes und Trinken des Weines). In dieser Betonung der +Darbietung und der Aneignung als der beiden Grundmomente des Abendmahls +beruht die wissenschaftliche Stärke der calvinischen Abendmahlslehre. +Die historische Feier kann er weniger gut erklären, als es ZWINGLI +gethan; dafür ist es ihm aber möglich, ihre Wiederholung als notwendig +darzuthun, indem die ~Wertung des Genusses~, nicht allein ~der Befehl +Jesu~, den Zusammenhang zwischen der historischen und der wiederholten +Feier aufrecht erhält. + +Es waren also nicht nur ~dogmatische~, sondern auch ~wissenschaftliche~ +Interessen, welche den Sieg der calvinischen Abendmahlsauffassung +über die zwinglische bedingten. Die zum Teil auf wissenschaftlicher +Grundlage beruhende Auseinandersetzung zwischen diesen beiden +Ansichten bildete ein kurzes Vorspiel zu der grossen historischen +Abendmahlsdebatte im 19. Jahrhundert. + +Da die doppelseitige Auffassung durch den Sieg CALVIN's über +ZWINGLI allgemein verbreitet war, setzte die historische Forschung +die Doppelseitigkeit voraus. Sie betonte hauptsächlich das +Darstellungsmoment, weil die exegetische Anschaulichkeit dafür sprach. +So wurden zunächst die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung +des Darstellungsmoments wissenschaftlich ausgeprägt. + + + + +Drittes Kapitel. + +=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des +Darstellungsmoments und abgeleiteter Geltendmachung des Genussmoments.= + + +=1. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. De Wette, Ebrard und +Rückert.= + +DE WETTE vertritt die doppelseitige Auffassung in seinen +Kommentaren.[2] Das Brechen und das Essen des Brotes, das Ausgiessen +und das Trinken des Weins bedingen zusammen die Bedeutung der Elemente +bei der Feier. Der Hauptnachdruck liegt aber auf dem Brechen, dem +darstellenden Moment. Die Betonung des Genussmoments ist mehr +nebensächlicher Art. + +Von AUGUST EBRARD[3] wird auf den Genuss der gleiche Wert gelegt wie +auf das Brechen und Ausgiessen. Beide Momente gehören zusammen und +bedingen sich gegenseitig. Jesus reicht das gebrochene Brot zum Essen +und den ausgegossenen Wein zum Trinken dar.[4] + +Bei EBRARD ist die energische Betonung des Genussmoments durch seinen +Zusammenhang mit der reformiert-calvinischen Auffassung begreiflich. +Aus rein wissenschaftlichen Gründen findet sich das stärkere +Herausarbeiten desselben Moments bei IMMANUEL RÜCKERT.[5] Seine +klassische Schrift fasst den ganzen Ertrag der wissenschaftlichen +Diskussion der Abendmahlsfrage in der ersten Hälfte des 19. +Jahrhunderts zusammen. Die Handlung Jesu und der Genuss von seiten +der Teilnehmer werden in gleicher Weise betont. In jedem dieser beiden +Momente liegt eine besondere Symbolik. Jesus bricht das Brot und gibt +es zum Essen, er giesst den Wein ein und bietet ihn zum Trinken dar.[6] + + +=2. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Th. Keim, K. v. Weizsäcker, +W. Beyschlag, H. Holtzmann, P. Lobstein, W. Schmiedel.= + +In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich eine breite und +ruhige Strömung verfolgen, welche beide Momente mit sich führt, jedoch +so, dass das Darstellungsmoment die Grundströmung, das Genussmoment die +Oberströmung bildet. Folgende Aussprüche geben die Richtung des Stromes +an. + + TH. KEIM. ~Geschichte Jesu von Nazara.~ 1872 Bd. III S. 232 bis 290 + (Das Nachtmahl Jesu). + +»Man hat den Eindruck, dass es sich für Jesus doch um etwas mehr +handelte, als nur um ein sprechendes Sinnbild seines irgendwie zum +Heil der Jünger zu brechenden und zu tötenden Leibes vor den Gästen +aufzustellen, man hat den Eindruck einer Gabe; diese Gabe liegt +erstlich darin, dass er in nachdrücklicher, in endgültiger Weise als +den Zweck seines bevorstehenden Todes das Heil der Jünger nennt, +sodann, dass er im Zusammenhang damit die Sinnbilder dieses Heils den +Erben dieses Heils nicht nur zum ~Anschauen~, sondern ~geradezu zum +Nehmen und Geniessen~ übergibt, das Besitztum des Heilstodes und seine +Früchte in ihre Hände deponiert.« S. 272. + + KARL V. WEIZSÄCKER. ~Apostolisches Zeitalter.~ 1886 S. 596 bis 602. + +WEIZSÄCKER vertritt eine interessante Differenzierung in der Symbolik +der beiden Akte. Das Brot ist das Sinnbild der ~Gegenwart Christi~ in +der Gemeinde, der Wein aber das Sinnbild ~seines Todes~, durch welchen +er das neue Passahopfer geworden ist. S. 598. + + W. BEYSCHLAG. ~Das Leben Jesu.~ 1893 Bd. II S. 434-442. + +»Der Sinn der Abendmahlsstiftung ist vollkommen klar: Sein Leib, +der für uns gebrochen, sein Blut, das für uns vergossen wird, ist +sein Leben, das er für uns in den Tod gibt, — für uns dahingibt, +damit es in uns wirksam werde; damit es, vom inwendigen Menschen +~angeeignet~, wie der äussere Mensch Speise und Trank in sich aufnimmt, +ihm Speise und Trank ewigen Lebens werde, und so die in Ihm gekommene +Erlösung, den in Ihm gekommenen neuen Bund der Gottgemeinschaft in uns +vollziehe.« S. 439. + + H. HOLTZMANN. ~Biblische Theologie.~ 1897 Bd. I S. 296-304. + +»Geschichtliche Voraussetzung und übereinstimmendes Resultat der +letzten Forschungen ist, dass Jesus seinen Jüngern Brot und Wein zum +Genusse dargereicht und dabei mit Beziehung auf das gebrochene Brot von +seinem Leib, mit Beziehung auf den ausgegossenen Wein von seinem Blut +gesprochen, letzteres insonderheit zugleich als Bundesblut bezeichnet +hat.« S. 296. + + PAUL LOBSTEIN. ~La doctrine de la sainte cène.~ Lausanne 1899. + +»Ceci est mon corps«, dit Jésus en rompant le pain qu'il distribue à +ses disciples; »cette coupe est la nouvelle alliance dans mon sang +versé pour vous«, leur dit-il en faisant circuler la coupe. S. 46. Le +pain que Jésus rompt pour les disciples et qu'il leur distribue, ils +doivent s'en nourrir: »De même que je vous convie à manger de ce pain, +ainsi vous êtes appelés à vous assimiler le fruit de ma mort, les +effets salutaires de ce don de moi-même, de ce corps brisé et livré +pour vous.« S. 47. + + WILHELM SCHMIEDEL. ~Die neuesten Ansichten über den Ursprung des + Abendmahls.~ Protestantische Monatshefte, III. Jahrgang Heft 4 1899. + +»Das Bedeutsame ist in erster Linie im ~Brechen des Brotes und +Ausgiessen~ des Weines aus dem Krug in den Becher zu sehen. Die +Austeilung dieser Speisen zum Genuss schliesst sich als etwas zweites +an. ~Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig gewesen: aber da man +einmal beim Mahle sass, war es naturgemäss.~« S. 147. + +Die gemeinsamen Grundzüge dieser Darstellungen sind also folgende: +Brot und Wein sind Leib und Blut Christi, weil er an ihnen seinen +Tod und dessen Heilswert versinnbildlicht hat. Dabei fordert er die +Jünger zum Genuss auf; das soll bedeuten, dass ihnen die Wohlthaten +seines Leidens zu gute kommen, wenn sie verstehen, sich dieselben +anzueignen. Die Wiederholung ist erfolgt zum Teil, weil der religiöse +Wert dieser Handlung von den Teilnehmern eingesehen wurde, zum Teil, +weil Jesus durch einen Befehl oder eine Andeutung dazu aufforderte. Auf +den Zusammenhang mit dem Passah wird Wert gelegt, ohne dass er jedoch +für die Auffassung als absolut notwendig erklärt würde. Ueberhaupt +haben diese Darstellungen etwas Schwankendes. Sie vereinigen die +mannigfachsten Gesichtspunkte mit einander, sodass es fast unmöglich +ist, sie in kurzen Sätzen präcis wiederzugeben. + +Deshalb ist es auch nicht ratsam von ihnen auszugehen, um die Gesetze +des Zusammenhangs zwischen den Einzelfragen aufzustellen. Die Krisis in +diesem Zustand wurde erst durch die Auffassungen mit Zugrundelegung des +Genussmoments heraufgeführt. + + +Fussnoten: + +[2] Vgl. DE WETTE's Commentar zu Matthäus (1836) und zu Johannes (1837). + +[3] »Das Dogma vom heiligen Abendmahl und seine Geschichte« von Dr. +AUGUST EBRARD. 2 Bde., 1845. + +[4] Vgl. Bd. I S. 79-120. + +[5] »Das Abendmahl, sein Wesen und seine Geschichte in der alten +Kirche« von Dr. LEOPOLD IMMANUEL RÜCKERT, Professor in Jena, 1856. + +[6] Vgl. Bd. I S. 61-131. + + + + +Viertes Kapitel. + +=Ueberblick über die Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments.= + + +Greift man aus der Geschichte der wissenschaftlichen +Abendmahlsuntersuchung die Werke heraus, welche in allgemeiner Weise +das Genussmoment zu Grunde legen, so fügen sich folgende Namen in +bunter, zusammenhangsloser Reihe aneinander: DAVID FR. STRAUSS, BRUNO +BAUER, E. RENAN, ADOLF HARNACK, FR. SPITTA, W. BRANDT, ERICH HAUPT, +FRIEDRICH SCHULTZEN, RICH. AD. HOFFMANN und ALBERT EICHHORN. In dieser +Reihe haben wir keine natürliche Kontinuität, wie in der vorher +betrachteten. Bei näherem Zusehen ergeben sich zwei Epochen. Die erste +fällt in die Mitte des Jahrhunderts (FR. STRAUSS, BRUNO BAUER, E. +RENAN). Die zweite beginnt am Anfang der neunziger Jahre (HARNACK und +SPITTA) und kommt noch vor Ablauf des Jahrzehnts zu ihrem naturgemässen +Abschluss (A. EICHHORN). + +STRAUSS, BRUNO BAUER, E. RENAN, W. BRANDT, SPITTA und EICHHORN bieten +~Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.~ ADOLF +HARNACK, ERICH HAUPT, FRIEDRICH SCHULTZEN und R. A. HOFFMANN vertreten +die ~doppelseitigen Darstellungen~ mit Zugrundelegung des Genussmoments +und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments. + + + + +Fünftes Kapitel. + +=Die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments.= + + +=1. Die Vorperiode. Fr. Strauss, Bruno Bauer, E. Renan.= + +Für die Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments +gibt es zwei Perioden. Die erste liegt gegen die Mitte des 19. +Jahrhunderts zu, die zweite gegen das Ende. FRIEDRICH STRAUSS +bezeichnet die erste, FRIEDRICH SPITTA die zweite. + +STRAUSS[7] führt aus, dass die Uebersetzung »dies bedeutet«, wenn +sie sich auf das, was Jesus mit den Elementen thut, beziehen soll, +bei weitem nicht ausreicht, ja gar nicht im Sinne der Verfasser der +Evangelien gelegen haben kann. »Den Schreibern unserer Evangelien ~war~ +das Brot im Abendmahl der Leib Christi ... hätte man geschlossen, +dass das Brot den Leib bloss ~bedeute~, so würden sie sich dadurch +nicht befriedigt haben« (S. 436 ff.). Es ist kritisch nicht zulässig, +dass Jesus seinen gewaltsamen Tod mit Bestimmtheit vor sich gesehen +habe. Daher kann sich für ihn die Symbolik bei der letzten Mahlzeit +mit den Jüngern gar nicht auf seinen Tod beziehen. Ebenso ist der +Wiederholungsbefehl für unhistorisch zu halten; dafür spricht das +Schweigen der beiden ersten Evangelien und die Erwägung, dass +überhaupt eine Gedächtnisfeier natürlicher aus dem Bedürfnis der +Zurückbleibenden, als aus dem Plan des Scheidenden hervorgeht. Ein +Passahmahl war diese letzte Mahlzeit mit den Jüngern auch nicht. +Das eigentlich Historische an der ganzen Ueberlieferung ist das +eschatologische Schlusswort beim Becher: ich werde davon nicht mehr +trinken, bis ich ihn neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. +In Jesu Gedanken bezieht es sich auf den nächsten Passahwein, nicht +allgemein auf das Essen und Trinken. Von Mahlzeiten im messianischen +Reich sprach er, gemäss den Vorstellungen seiner Zeit, öfters, und so +mag er erwartet haben, das in demselben namentlich das Passahmahl mit +besonderer Feierlichkeit werde begangen werden. Wenn er nun versichert, +dieses Mahl nicht mehr in ~diesem~, sondern erst in ~jenem~ Aeon zu +geniessen, so muss, nach seiner Erwartung, bis zur Feier des Passah +das messianische Reich eintreten. Es ist dabei nicht nötig, dass Jesus +das Erscheinen des Reiches an seinen Tod geknüpft dachte. Die ganze +urchristliche Abendmahlsauffassung erklärt sich daraus, dass statt des +messianischen Reiches und seiner Passahfeier — ~der Tod Jesu eintrat.~ + +Die Gemeinde feierte das Passah. Es war natürlich, dass sich der +Versuch darbieten musste, demselben durch die Beziehung auf den Tod +und das letzte Mahl Jesu (welches kein Passahmahl gewesen) eine +~christliche~ Deutung zu geben. So erklärt sich das Eindringen des +Leidensgedankens und der Leidensweissagung in die historischen +Abendmahlsberichte. Die Elemente erhielten eine Beziehung auf den +Leib und auf das Blut Christi; dabei wurde das Wort Jesu, den Genuss +des Passahweines betreffend, allgemein auf das Essen und das Trinken +bezogen und mit Brot und Wein als seinem Leib und Blut in Verbindung +gebracht. So entstand die Vorstellung von dem Wiederholungsbefehl. +Die Neigung, das Gedächtnismahl vom Passah loszulösen und öfters zu +begehen, erklärt das Aufkommen eines derartigen Wortes. + +Diese geniale Auffassung von FR. STRAUSS enthält bereits alle +Faktoren, welche die späteren, das Genussmoment einseitig betonenden +Abendmahlsdarstellungen kennzeichnen. Vor allem kommen hier in +Betracht die Loslösung der historischen Feier vom Passahmahl, das +Ausscheiden der Leidensanspielungen aus den Worten Jesu, die Erklärung +der Wiederholung der Feier ohne Annahme des Wiederholungsbefehles +und die Notwendigkeit, alle als unhistorisch erkannten Züge in +den neutestamentlichen Abendmahlsdarstellungen (Anschluss an das +Passahfest, Beziehung auf den Tod Christi und Wiederholungsbefehl) aus +der Entwicklung der urchristlichen Feier in einem Zeitraum von nicht +einmal zwei Jahrzehnten zu erklären. + +Will man diese Rückbildung nicht durch eine gewagte +Geschichtskonstruktion erweisen, so bleibt nur wissenschaftliche +Skepsis in irgend einer Form übrig. Diesen Weg hat BRUNO BAUER[8] +betreten. Er setzt voraus, dass die Berichte besagen wollen: ~der +Herr reichte seinen Jüngern seinen Leib und sein Blut zum Genuss +dar.~ Der Wiederholungsbefehl ist eine Zuthat aus späterer Zeit mit +abschwächender Tendenz. Man fühlte, dass man für die historische +Feier den Genuss so nicht aufrecht erhalten könne. Darum hob man +die Beziehung auf die Zukunft, die der Formel an sich zu Grunde +liegt, hervor. Jesus kann seinen Jüngern nicht sein Fleisch und Blut +dargereicht haben,[9] damit sie es assen; also ist der Bericht des +Markus Phantasie, und alle andern Berichte sind Nachbildungen dieser +Erfindung. + +Wie sehr gerade die Vollziehung des Genusses Voraussetzung der +BAUER'schen Auffassung ist, zeigt sich darin, dass er dem Matthäus +vorwirft, er habe das bei Markus konstatierte Faktum des Trinkens von +seiten der Jünger eigenmächtig in einen Befehl Jesu umgesetzt, was +schon eine Milderung bedeute. Das eschatologische Schlusswort lässt +er unbeachtet und schneidet sich so den Weg ab, der STRAUSS aus den +Schwierigkeiten, welche die einseitige Betonung des Genussmomentes nach +sich zieht, herausführte. + +Nach E. RENAN[10] hat Jesus am letzten Abend die gewöhnliche gemeinsame +Mahlzeit mit dem Brotbrechen im Kreise seiner Jünger gefeiert. »Dans +ce repas, ainsi que dans beaucoup d'autres, Jésus pratique son rite +mystérieux de la fraction du pain.« Das eschatologische Schlusswort +ist für RENAN zweifelhaft und ohne Bedeutung. Die synoptischen +Abendmahlsberichte erklären sich nur aus der Entwicklung der späteren +Anschauungen, für welche das letzte Mahl ein Passahmahl war; dadurch +drangen der Leidensgedanke, die Beziehung der Elemente auf den Leib +Jesu und die Anordnung der Wiederholung in die Darstellung des letzten +Mahles ein. + + +=2. Die modernen Versuche. W. Brandt, Fr. Spitta, A. Eichhorn.= + + Vergleiche zum Folgenden den verhängnisvollen Vortrag von E. GRAFE + (Die neuesten Forschungen über die ursprüngliche Abendmahlsfeier. + Zeitschrift für Theologie und Kirche 1895) und die klare + Zusammenfassung von RUD. SCHÄFER (Das Herrenmahl nach Ursprung und + Bedeutung 1897). + +Erst das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bietet eine Abhandlung, +in der die bei STRAUSS, BAUER und RENAN angedeuteten Gedanken +sich in voller Schärfe und Konsequenz zu einem einheitlichen Bilde +entwickeln. Es ist die epochemachende Arbeit SPITTA's. Die Werke von +AD. HARNACK und W. BRANDT gehen ihr zeitlich in der Hervorhebung des +ausschliesslichen Mahlzeitscharakters der historischen Feier voraus. +Da jedoch HARNACK schon mehr zu den doppelseitigen Darstellungen +mit Zugrundelegung des Genussmoments überleitet, ist es rätlich, +ihn erst dort zu behandeln. Zudem hat er in der 3. Auflage seiner +Dogmengeschichte (Bd. I S. 64) zu dem Lösungsversuch SPITTA's Stellung +genommen und seine eigene Ansicht daraufhin neu formuliert. + + +=3. W. Brandt.= + + Die evangelische Geschichte und der Ursprung des Christentums. + Leipzig 1893 S. 283 ff. + +Die Hauptbedeutung der historischen Feier liegt in dem +~gemeinschaftlichen Genuss.~ Durch das Gleichnis beim Abendmahl hat +Jesus die gemeinsamen Mahlzeiten zum ~Symbol der Gemeinschaft~ gemacht. +In der Bedeutung dieses Symbols ist der Grund der Wiederholung zu +sehen. Eine Anspielung auf den Tod ist, wenn sie sich in dem Wort, +welches das Brotbrechen begleitete, findet, für das Wesen der Feier +bedeutungslos. + +Die Aufnahme des Leidensgedankens und die Eintragung des +Wiederholungsbefehls in unsere Berichte gehen auf eine Verschiebung +in der urchristlichen Feier zurück. Diese ist dadurch bedingt, dass +nach dem Jahre 70 wegen des Fehlens des Lammes Brot und Becher +die vornehmsten Ingredienzen des jüdischen Passahmahls bildeten; +dadurch wurde eine Gleichgestaltung desselben mit der urchristlichen +Herrenmahlsfeier angebahnt. So erklärt es sich, dass die letztere durch +das erstere im äusserlichen Verlauf und im Gedankengehalt beeinflusst +wurde. + +In dieser ansprechenden Skizze finden wir die schon bei STRAUSS +bemerkten Eigentümlichkeiten der das Genussmoment ausschliesslich +betonenden Auffassungen wieder. Der Wiederholungsbefehl fehlt, und +es kommt darauf an, den Leidenshinweis in unseren Berichten auf die +Einwirkung späterer Gemeindevorstellungen zurückzuführen. Ob der von +dem Verfasser angezeigte Weg wirklich zum Ziele führt, ist fraglich. +Sicher ist, dass er eine grosse Schwierigkeit nicht berücksichtigt hat. +Wie konnten die Jünger die Worte des Meisters in dem oben gebotenen +Sinn verstehen? Wie konnten sie überhaupt begreifen, dass er bei der +Darreichung von Brot und Wein sie aufforderte, seinen Leib und sein +Blut zu geniessen? + +Es ist das unschätzbare Verdienst SPITTA's, diese Frage in den +Vordergrund geschoben zu haben. + + +=4. Fr. Spitta.= + + Die urchristlichen Traditionen über Ursprung und Sinn des + Abendmahls (zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums). 1893 + S. 207 bis 337. + +Der Sinn der Worte Jesu liegt einzig und allein in der Aufforderung zum +Genuss. Das Genossene ist nach seinen Worten sein Leib und sein Blut, +gerade ~dadurch, dass es genossen wird~! Das Brechen und Ausgiessen als +die darstellende Handlung, welche den Elementen eine veranschaulichende +Beziehung auf seinen Tod geben soll, lag seinen Gedanken fern. Die +historische Feier war eine ~Mahlzeit~, bei welcher nach dem gemeinsamen +Inhalt aller Berichte die Jünger auf seine Aufforderung hin die +dargereichte Speise als seinen Leib essen und den eingegossenen Wein +als sein Blut trinken sollten und dies auch thaten. + +STRAUSS und BRUNO BAUER hatten denselben Thatbestand als von den +Quellen geboten konstatiert, wurden aber von hier aus gezwungen, die +historische Thatsächlichkeit des geschilderten Vorganges in Frage zu +stellen und das Zustandekommen der Berichte sei es aus der Geschichte +des Urchristentums (STRAUSS), sei es aus der Geschichte der Entstehung +der christlichen Ueberlieferung überhaupt (BRUNO BAUER) zu erklären. +Dass die Jünger auf die Aufforderung Jesu hin damals seinen Leib und +sein Blut genossen haben sollen, ist für sie eine unvollziehbare +Vorstellung. + +SPITTA kann den Vorgang als historisch aufrecht erhalten durch +Zuhülfenahme ~eschatologischer Gedankengänge.~ Anknüpfend +an die Vorstellung des messianischen Bundes, hat Jesus, wie +die übereinstimmenden Züge aller Berichte zeigen, bei den +»Einsetzungsworten« an das Essen und Trinken beim messianischen +Mahl gedacht. In der prophetischen und in der apokalyptischen, in +der Sapientia- und in der rabbinischen Litteratur stellt sich die +Vollendung des Reiches in dem messianischen Mahl dar, ~wobei die +genossene Speise der Messias selbst ist~! Auf Grund dieser Vorstellung +konnte Jesus voraussetzen, dass die Jünger ihn verstehen würden, wenn +er sie aufforderte, beim Essen ihn selbst zu geniessen. Was er ihnen +bietet, ist eine Vorwegnahme des grossen messianischen Mahles der +Endzeit. In diesem Gedanken konnten sie den Leib des Messias essen und +ihn in seinem Blut, dem Saft der Trauben, trinken. + +Das letzte Mahl war kein Passahmahl, der Leidensgedanke kam für die +Symbolik der Elemente nicht in Betracht, und der Wiederholungsbefehl +ist unhistorisch. Diese Anschauungen sind späterer Art und nur dadurch +verständlich, dass infolge des inzwischen eingetretenen Todes Jesu +die Auffassung seiner Worte bei der letzten Mahlzeit sich notwendig +ändern musste. Die Feier wurde in Analogie zu dem Passahmahl gesetzt, +weil jetzt die Deutung der Worte vom Leib und Blut auf seine Leiden +unabweislich war. Damit drang die Vorstellung einer Stiftung notwendig +mit ein. + +Bei Paulus halten sich die ursprüngliche und die auf das Leiden +bezogene Auffassung noch das Gleichgewicht. I Kor 10 _1_ ff. und I +Kor 10 _14_ ff. kennen den Leidensgedanken noch nicht und betonen das +Genussmoment. I Kor 11 _23_ ff. tritt das neue Moment in Sicht, welches +Paulus bei der Bekämpfung der korinthischen Agapenskandale in die Feier +einträgt: ~die Feier hat es mit dem Tode Jesu zu thun.~ + +Das Neue ist also bei SPITTA die Heranziehung eigentümlich +eschatologischer Gedankengänge, durch welche er eine Feier als +historisch aufrecht erhält, bei der der Meister den zu Tische Liegenden +Brot und Wein reichte mit der Aufforderung, seinen Leib zu essen und +sein Blut zu trinken. In dem Wesen dieser Feier lag es begründet, dass +sie ohne ausgesprochenen Wiederholungsbefehl Aufnahme in der ersten +Gemeinde fand. Von hier aus scheint es dann nicht unmöglich, in der nun +folgenden Entwicklung das Eintreten der Faktoren begreiflich zu machen, +welche die neuen Züge in der Auffassung und Wertung der Feier bedingten. + + +=5. Kritik der Auffassung Spitta's.= + +Die grosse Bedeutung der Untersuchung SPITTA's beruht darin, dass er +die Abendmahlsfrage nach einem einheitlichen Gesichtspunkt aufgefasst +und zu lösen unternommen hat. Alle Einzelfragen stehen bei ihm in +einer gegenseitigen, engen Wechselverbindung. Seine Abhandlung bildet +eine geschlossene Kette, bei der jedes Glied nur im Zusammenhang mit +den andern in Betracht kommt. Darin besteht der grosse Fortschritt in +seiner Untersuchung den früheren gegenüber. Die textkritischen und die +exegetischen Erörterungen sind bei ihm sowohl ~Grundlage~ als auch +~Folge~ der Gesamtauffassung. + +Man hat seine Auffassung eine ~eschatologische~ genannt, weil er, wie +FR. STRAUSS, den Gedanken der Mahlzeit im messianischen Reich zu Hülfe +nimmt, um die historische Feier verständlich zu machen. STRAUSS ging +dabei vom synoptisch-eschatologischen Schlusswort aus, in welchem +Jesus die Jünger auf das grosse Mahl der Endzeit verweist, wo er +wieder mit ihnen vereint sein wird. Der eschatologische Charakter +der SPITTA'schen Auffassung aber beruht nicht auf dem synoptischen +Wort, ~sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl, +welche aus den Apokryphen und der Weisheitslitteratur zusammengetragen +ist.~ Dabei ergeben sich eine Reihe schwerer Widersprüche mit dem +synoptisch-eschatologischen Schlusswort. + +Nach ~Spitta~ bietet sich der Messias beim Mahle der Endzeit den Seinen +zur Speise und zum Trank an. Nach den Synoptikern weist Jesus auf das +Endmahl hin, wo er mit ihnen vom Gewächs des Weinstocks geniesst. +Bei SPITTA will er also ~Speise und Trank~, bei den Synoptikern +~mitgeniessender Tischgenosse sein~! + +Bei SPITTA wird der eschatologische Hinweis sowohl ~für die Speise als +für den Trank vorausgesetzt.~ Historisch ist aber das eschatologische +Schlusswort ~nur beim Becher~! + +SPITTA's Eschatologie bezieht sich auf die ~Aufforderung zum Genuss~ +des Leibes und Blutes. Das synoptisch-eschatologische Wort steht damit +in keinem Zusammenhang, ~sondern folgt erst auf den Genuss.~ + +SPITTA's Auffassung ist also ganz unabhängig vom +synoptisch-eschatologischen Schlusswort. Es figuriert auch nicht in +seiner kürzesten Form der Einsetzungsworte, sondern diese lauten +einfach: + +»Nehmet, esset, das ist mein Leib.« + +»Trinket alle daraus. Das ist das Blut meines Bundes, das für viele +vergossen wird.« + +Diese Worte konstituieren die Feier, denn »in der Gemeinde wurde immer +daran gedacht, wie er damals darauf hingewiesen, ~er sei jetzt und in +alle Ewigkeit~ die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele« (S. 289). +So wird das synoptisch-eschatologische Schlusswort zum ~wehmütigen +Abschiedswort~, welches von dem Jubelklang der eschatologisch +siegesgewissen Stimmung zum Todesgang überleitet. + +~Christus die rechte Seelenspeise:~ dieser Gedanke ist modern. +Die Eschatologie SPITTA's zielt dahin, diesen Gedanken durch eine +Zusammenstellung von alttestamentlichen und apokryphischen Sprüchen in +künstlich-antikem Licht spielen zu lassen, damit er die Aufforderung +Jesu zum Genuss seines Leibes und Blutes für die historische Situation +erkläre. Verzichtet man auf dieses künstliche Licht, dann bleibt nur +das skeptische Dunkel. Das ist bei EICHHORN der Fall. + + +=6. A. Eichhorn.= + + Das Abendmahl im Neuen Testament. Hefte zur christlichen Welt No. + 36. 1898. + +»Wenn wir unseren Berichten trauen dürfen«, hat Jesus das erste +Abendmahl mit seinen Jüngern so gehalten, dass er ihnen Brot und Wein +ausgeteilt und sie seinen Leib und sein Blut gegessen und getrunken +haben. Aller Nachdruck fällt auf den Genuss. Eine auf Jesu Handeln sich +gründende Symbolik kann bei der Betonung des Genusses nicht bestehen. +~Man darf nicht sagen, dass das Brechen des Brotes auf das Zerbrechen +des Leibes und das Trinken des Weins auf das Vergiessen des Bluts~ +hindeutet. Die Handlung, die in Wirklichkeit vorgenommen wird, ist +einfach das Essen und Trinken. + +Ist dies nun der durch die Quellen gebotene Sachverhalt, so gibt es +vorläufig keine Möglichkeit, die historische Feier und das Aufkommen +ihrer Wiederholung zu verstehen. Was auch Jesus gesagt und gethan haben +mag an jenem Abend, ~das Kultmahl der Gemeinde mit dem sakramentalen +Essen und Trinken des Leibes und Blutes Christi~, wie es in der +ältesten Christenheit ziemlich von Anfang an sich ausgebildet hat, +~ist von da aus nicht zu verstehen.~ So wird EICHHORN, weil er bei +der eingestandenen Bedeutung des Genussmomentes von der Heranziehung +eschatologischer oder moderner Anschauungen absieht, notwendig zur +Skepsis gedrängt. + +Sie besteht in dem ausgesprochenen Verzicht, auf Grund der vorhandenen +Berichte die historische und die wiederholte Feier in ihrem +Zusammenhang zu begreifen, wenn nicht eine neue, von unseren Berichten +unabhängige Thatsache ein Datum liefert, welches den Ausgangspunkt +der uns unverständlichen Entwicklung kenntlich macht. — Gelingt es +nicht, in der gnostischen Gedankenwelt ein ~sakramentales Essen~, +welches das Vorbild des Abendmahls abgeben könnte, nachzuweisen, +sodass für die älteste Christenheit nicht das supranaturale Essen +und Trinken als solches, sondern nur die Ersetzung einer andern +übernatürlichen Substanz durch Christi Leib und Blut neu ist, ~dann +muss auf ein Verständnis der historischen Feier und ihrer Entwicklung +zur Gemeindefeier endgültig verzichtet werden.~ + + +=7. Die neue »Thatsache«.= + +Um dem Skeptizismus zu entgehen, postuliert EICHHORN eine neue, über +den Bestand unserer Quellen hinausgehende Thatsache. Seine Vorgänger, +die mit ihm die ausschliessliche Betonung des Genusses gemein haben, +ersetzen dieses Postulat durch eine ~angenommene~ Thatsache. + +D. FR. STRAUSS erklärt das Aufkommen der Abendmahlsfeier im +Urchristentum, und damit die Entstehung unserer Berichte, durch das +Missverständnis eines von Jesu bei dem letzten Mahl gesprochenen +eschatologischen Wortes von seiten der Jünger. + +BRUNO BAUER verlegt die ganze Entwicklung, da er sie anders nicht +erklären kann, in die Phantasie des Urevangelisten. RENAN behilft +sich mit der Annahme eines schon früher von Jesu geübten, den Jüngern +bekannten geheimnisvollen Ritus des Brotbrechens. SPITTA bringt +eine eigenartige, im Grunde moderne eschatologische Vorstellung +an die synoptischen Berichte heran, welche mit dem dort gebotenen +eschatologischen Schlusswort in gar keiner Beziehung steht. + +W. BRANDT überträgt moderne Anschauungsweisen in die Gedankenwelt Jesu +und seiner Jünger, ohne diese Uebertragung aus den Berichten begründen +zu können. + +So bildet die Untersuchung EICHHORN's den natürlichen Schlusspunkt der +scheinbar so zusammenhangslosen Reihe der Auffassungen mit einseitiger +Herausarbeitung des Genussmoments. Durch die dialektische Behandlung +des Problems entzieht er jeder künftigen Darstellung von vornherein +die Berechtigung, wenn sie nicht eine neue geschichtliche Thatsache +aufbringen kann, die erklärt, wie die Anschauung aufkam, dass Jesus den +Jüngern zumutete, seinen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken. + + +=8. Die Skepsis in der Folge der einseitigen Herausarbeitung des +Genussmoments.= + +EICHHORN's ~Postulat~ trägt auch nicht weiter als die behaupteten +Thatsachen seiner Vorgänger. Er verlangt, dass die Vorstellung +des supranaturalen Essens und Trinkens in einer schon vorhandenen +religiösen Gedankenwelt nachgewiesen werde. Die nähere Kenntnis des +»Gnostizismus« könnte nach seiner Ansicht dazu führen. + +Zugegeben, dass ein solches supranaturales Essen und Trinken schon +existiert hätte, so müsste dargethan werden, wie man im Urchristentum +dazu kam, diesen Gedanken ins Abendmahl ~herüberzunehmen.~ Inwiefern +gab die historische Feier Ansatzpunkte dazu? Die von EICHHORN +vorgeschlagene Operation hängt ganz in der Luft, denn unsere Berichte +stehen einem solchen Beginnen vollständig fremd und ablehnend gegenüber. + +Nun wäre die Umsetzung seines Postulats in eine dementsprechende +historische Thatsache der einzige Ausweg aus der Skepsis. Gleich beim +ersten Schritt zeigt sich aber, dass er völlig aussichtslos ist. Also +muss eine Darstellung, welche von der Voraussetzung ausgeht, Jesus +habe die Seinen bei Brot und Wein zum Genuss seines Leibes und Blutes +aufgefordert, ~von vornherein, unter allen Umständen auf die Lösung des +Problems verzichten! Die konsequente Herausarbeitung des Genussmoments +führt notwendig zur Skepsis: das ist der Ertrag dieser Darstellungen.~ + + +=9. Der logische Grund der Skepsis.= + +Wenn in der wissenschaftlichen Behandlung einer Frage die Skepsis sich +einstellt, so liegt dies immer daran, dass ~sich in den Voraussetzungen +eine unbegründete Behauptung versteckt hat~, welche von da aus das +menschliche Denken neckt und in die Irre führt. Die Wissenschaft an +sich kann nie zur Skepsis führen. Mit der Aufdeckung der ~unerwiesenen +Voraussetzungsbehauptung~ ist die Skepsis gehoben. + +Worin besteht diese nun in den obigen Abhandlungen? Der Fehler kann +nicht in der ausschliesslichen Geltendmachung des Genussmoments +beruhen. Dass das Abendmahl von der urchristlichen Gemeinde als +~Mahlzeit~ übernommen und gefeiert wurde, dass die Handlung, welche +die urchristliche mit der historischen Feier verbindet, nicht in dem +symbolischen ~Handeln des »Stifters«~, sondern in der ~Handlung der +Teilnehmer~, dem Essen und Trinken besteht: diese Thatsachen werden +durch die Quellen geboten und durch das Urchristentum bestätigt. + +Nicht in der ~Thatsache~, sondern in der ~Art~ der Wertung des +Genussmoments ist der Fehler zu suchen. Sämtliche obige Darstellungen +formulieren sie dahin, dass Jesus die Jünger bei der Darreichung von +Brot und Wein ~aufgefordert~ habe, seinen Leib zu essen und sein +Blut zu trinken. ~Die Skepsis beruht also in der Verbindung des +Mahlzeitcharakters der Feier mit den Gleichnisworten~, denn damit ist +eine Aussage gegeben, in der Subjekt und Objekt identisch sind: der +Darbietende ist zugleich der Genossene. Hier hört das Denken auf. ~Das +üppige Schlinggewächs historischer und exegetischer Einfälle ist keine +Brücke über den Abgrund des Selbstwiderspruchs!~ + +Statt also von der Konstatierung auszugehen, dass Jesus den Seinen +seinen Leib und sein Blut zum Genuss dargereicht habe, muss man damit +beginnen, diese Voraussetzung selbst zu prüfen. Ist es wirklich eine +aus der urchristlichen Feier und aus den Berichten unumstösslich +feststehende Thatsache, dass Jesus ihnen dies in irgend einer Form +zugemutet hat? Wenn ja, dann ist die Lösung der Abendmahlsfrage +unmöglich, da wir dabei das »wie« aus unseren Texten nie erklären +können und jede freie Deutung bei unseren Berichten ohne Rückhalt +bleibt. + + +Fussnoten: + +[7] DAVID FR. STRAUSS, Das Leben Jesu. 1. Ausgabe, Tübingen 1836. Bd. +I, S. 396-442: Das Abendmahl. + +[8] BRUNO BAUER, Kritik der evangelischen Geschichte, 1842. Kritik der +Evangelien, 1850, Bd. III S. 191-213. + +[9] Kritik der evangelischen Geschichte, Bd. III S. 241: »Ein Mensch, +der leiblich und individuell dasitzt, kann nicht auf den Gedanken +kommen andern seinen Leib und sein Blut zum Genuss anzubieten.« + +[10] E. RENAN, La vie de Jésus 1863, S. 385 ff. + + + + +Sechstes Kapitel. + +=Die doppelseitigen Auffassungen mit Zugrundelegung des Genussmoments +und abgeleiteter Geltendmachung des Darstellungsmoments.= + +AD. HARNACK, ERICH HAUPT, FR. SCHULTZEN, R. A. HOFFMANN. + + +=1. Allgemeines.= + +Diese doppelseitige Reihe steht unter dem Einfluss der Auffassungen mit +einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments. Während die Richtung, +die durch die Namen RÜCKERT, LOBSTEIN und HOLTZMANN gekennzeichnet +wird, von dem Handeln Jesu ausgehend den Genuss der Teilnehmer zu +erklären versuchte, verfahren die neuen doppelseitigen Auffassungen +umgekehrt. Sie stellen den Genuss in den Vordergrund und suchen dieses +Moment nun so zu formulieren und so zur Geltung zu bringen, dass auch +das auf den Tod hinweisende Handeln Jesu damit in irgend einer Weise +vereinbar ist und daraus seine Erklärung empfangt. Das Schwergewicht +hat sich also von der einen auf die andere Seite verschoben. + +In letzter Linie sind es exegetische Bedenken, welche die betreffenden +Verfasser dazu führen, auch dem Leidensgedanken und dem Handeln Jesu +Rechnung zu tragen. »~Die Worte sind mir zu mächtig~«, sagt HARNACK bei +der Würdigung der Auffassung SPITTA's, deren Grundgedanke ihm zusagt, +während die Exegese ihn nicht befriedigt. Es ist das Motto auch der +übrigen doppelseitigen Darstellungen. + + +=2. Ad. Harnack.= + + Brot und Wasser: die eucharistischen Elemente bei JUSTIN (Texte + und Untersuchungen Bd. VII S. 117 ff. 1891). Theologische + Litteraturzeitung 1892 S. 373-378. Dogmengeschichte (3. Aufl.) Bd. + I S. 64. + +Durch eine Untersuchung, ob Wasser oder ob Wein das eucharistische +Genusselement in der alten Kirche waren, kam HARNACK im Jahre 1891 +dazu, in entschiedener Weise zu betonen, dass in jener älteren Zeit +die Symbolik sich nicht auf das Wesen der Elemente habe beziehen +können, sondern dass die ganze Bedeutung der historischen und der +urchristlichen Feier ~auf der Mahlzeit als solcher~ beruht habe. + +Das Abendmahl muss eine wirkliche Mahlzeit gewesen sein; die in Frage +kommende Handlung ist das Essen und Trinken. Jesu Worte beziehen sich +auf den Genuss. »Die wichtigste Funktion des natürlichen Lebens hat +der Herr geheiligt, indem er die Nahrung als seinen Leib und sein +Blut bezeichnet hat. So hat er sich für die Seinen ~auf immer~ mitten +hineingestellt in ihr natürliches Leben und sie angewiesen, die +Erhaltung und das Wachstum dieses natürlichen Lebens zur Kraft des +Wachstums des geistigen Lebens zu machen.« + +Mit diesem Moment sucht nun HARNACK noch ein anderes in Beziehung zu +setzen und dadurch diese allgemeine religiöse Wertung des Genusses +zu spezifizieren. »Der Herr hat ein Gedächtnismahl seines Todes +eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat die leibliche Nahrung als sein +Fleisch und sein Blut, d. h. als die Nahrung der Seele, bezeichnet +(durch die Sündenvergebung), ~wenn~ sie mit Danksagung in Erinnerung +seines Todes genossen wird.« + +Dieser Satz ist für HARNACK's Auffassung entscheidend. »Oder vielmehr«, +»d. h.« und »wenn« sind die Rangiergeleise, auf denen man von dem +allgemeinen, wunderbar tiefen Gedanken herkommend, »dass der Herr die +wichtigste Funktion des natürlichen Lebens geheiligt habe«, umsetzt, +um die Einfahrt zur historischen Feier, mit dem dort ausgedrückten +Leidensgedanken, zu gewinnen. Der allgemeine Mahlzeitcharakter seiner +Auffassung wird also näher bestimmt durch folgende Sätze: + + 1. Es handelt sich um eine Stiftung. + + 2. Der Wiederholungsbefehl ist irgendwie in der historischen + Situation enthalten. + + 3. Die Feier hat eine Beziehung auf den Tod des Stifters. + + +=3. Erich Haupt.= + + Ueber die ursprüngliche Form und Bedeutung der Abendmahlsworte. + Halle, Universitätsprogramm 1894. + +Indem Jesus die zu Tische liegenden Jünger bei der Darreichung +des Brotes und des Weines auffordert, seinen Leib und sein Blut +zu geniessen, will er sagen: »Meine Person ist Träger der Kräfte +eines höheren Lebens, welches so angeeignet werden und so zu einem +Bestandteil eurer Personen werden will, wie dies bei der irdischen +Nahrung der Fall ist. Dies gilt aber ~ganz besonders~ von meinem +bevorstehenden Tode; gerade die Dahingabe meiner ~Persönlichkeit~ wird +euch die in ihr beschlossenen Lebens- und Heilskräfte in vollstem Masse +erschliessen und zu gute kommen lassen.« Dieser Grundgedanke deckt sich +vollständig mit dem SPITTA's. Während aber letzterer ihm im Munde Jesu +eine eschatologische Wendung gab, überträgt HAUPT diesen durch den +Ausdruck »Persönlichkeit« als modern gekennzeichneten Gedankengang auf +die historische Feier durch Zuhülfenahme des Leidensgedankens. + +Die Eschatologie tritt dabei ganz zurück. Jesus hatte bei dem letzten +Mahle auch von dem grossen Mahl der Vollendung gesprochen. Indem nun +das ganze Mahl nachgebildet wurde, fanden auch diese eschatologischen +Gedanken ihre Stelle. So ist bei HAUPT das eschatologische Moment +nicht zur Erklärung der Wiederholung benutzt, sondern erst aus der +Wiederholung selbst verständlich. + +Durch die nebenhergehende Geltendmachung des Todesgedankens für die +Erklärung der Feier ist die Beibehaltung des Wiederholungsbefehls +gegeben. In der Nacht des Verrats hat der Herr das ganze Mahl unter den +Gesichtspunkt eines Abschiedsmahls gestellt. Er will sein ~Gedächtnis +für die Zeit der Trennung~ wachhalten. »Somit ist nicht nur kein +Gegengrund dagegen, dass Jesus die Wiederholung der Handlung seinen +Jüngern anbefohlen hat, sondern ein dahin zielendes Wort ist sogar +aus inneren Gründen ~höchst wahrscheinlich.~« Diese vorsichtige und +zurückhaltende Begründung der Beibehaltung des Wiederholungsbefehls +gibt den genauen Gradmesser ab für die Beeinflussung des zu Grunde +gelegten Genussmoments durch das Darstellungsmoment und den +Leidensgedanken. + +Mit derselben Vorsicht äussert HAUPT sich auch über das Verhältnis +zwischen dem wiederholten Herrenmahl und der Agape. »Nicht zwei Teile +sollen diese gemeinsamen Mahlzeiten haben, einen profanen, welcher der +äusseren Sättigung dient, und einen religiösen, welcher der Erinnerung +an Christi Tod gewidmet ist, sondern ihre ganze Zusammenkunft soll +religiösen Charakter tragen, und das Herrenmahl ~im engeren Sinne~ ist +nur der ~Höhepunkt des Ganzen.~« + + +=4. Fr. Schultzen.= + + Das Abendmahl im Neuen Testament. Göttingen 1895. + +In dieser Darstellung ist die Hervorhebung des Leidensgedankens und +damit die Bedeutung des darstellenden Moments im Handeln Jesu aus der +Nebenstellung fast bis zur Gleichstellung mit dem Genussmoment gerückt, +wobei aber letzteres immer noch den Ausgangspunkt bildet. »Es spricht +nichts dafür, dass etwa Jesus nur auf das Essen Gewicht gelegt habe und +die Beziehung auf seinen Tod späterer Zusatz sei. Umgekehrt ist es aber +auch nicht wahrscheinlich, dass Jesus nur eine symbolische Handlung bei +jenem letzten Mahl vorgenommen hat, und dass die Verbindung mit dem +Mahle nur durch den äusseren Anlass entstanden ist.« Auch das Brot ist +nicht blosses Symbol, sondern auf ~Grund des Symbols~ zum wenigsten +~Repräsentant und Vermittler~ des Leibes Jesu. + +Das Genussmoment und das darstellende Moment werden durch den Begriff +~des Opfermahls~ zusammengehalten. Den Jüngern waren Jesu Gedanken +aus der religiösen Vorstellungswelt Israels bekannt und fasslich. In +dem Begriff des Opfermahls war die Wiederholung unmittelbar gegeben +und ebenso der Empfang der in ihm gespendeten Gabe. So hat, trotz des +Fehlens des Wiederholungsbefehls, Jesus auch nach dem Bericht des +Markus an eine Wiederholung gedacht, weil er eine Gabe spendet, die +auch für ~die fernsten~ Zeiten Wert hat. + +Wie bei ERICH HAUPT vermögen die eschatologischen Gedanken auch +bei FR. SCHULTZEN sich nur anhangsweise Geltung zu verschaffen, +nachdem die Wiederholung der Feier schon anderweitig feststeht. »Die +Parousiegedanken bei dieser Feier erklären sich bei der lebhaften +Sehnsucht der Gemeinde nach der Parousie leicht, da das Abendmahl auch +nach I Kor 11 _26_ eine Feier ist, die in der Wiederkunft Christi ihr +Ziel erreicht hat.« + +Die Trennung von Mahlzeit und Abendmahl wird bereits für die Urgemeinde +vorausgesetzt. Paulus prägt schon Vorhandenes schärfer aus. Die später +erfolgte Abtrennung der »Eucharistie« von dem Mahle erklärt sich viel +einfacher, wenn sie bereits ein besonderer Teil derselben war, als wenn +man das ihr besonders Eigentümliche gar nicht erkennen konnte. + + +=5. R. A. Hoffmann.= + + Die Abendmahlsgedanken Jesu Christi. Königsberg 1896. + +Bei HOFFMANN tritt das Darstellungsmoment noch stärker hervor als +bei SCHULTZEN. Es wird geradezu eine zweifache Art von Teilnehmern +vorausgesetzt. Das darstellende Handeln geht auf die einen, der Genuss +ist für die andern bestimmt. »~Vergossen~ wurde sein Blut für ~das +ungläubige Volk~, zu ~trinken~ gab er es den ~Seinen.~« + +Mit letzterem will er sagen, dass, da das ~Blut die Seele ist~, seine +Seele in sie übergehen werde, um ihnen zu ihrer bevorstehenden hohen +Mission Kraft zu geben, sie zu stärken, damit auch sie, wenn der Fall +an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele als Lösegeld +für andere dahinzugeben. Nicht seinen Leichnam reicht er ihnen dar, +sondern seinen lebendigen Leib als den Träger des ihm innewohnenden +göttlichen Geistes. + +»In der urchristlichen Feier kommt, neben dem Essen und Trinken, +auch dem, was Jesus gethan hat, dem Brechen und Danken — ~in +entsprechender Wiederholung~ — Bedeutung zu.« Dies war der Standpunkt +von SCHULTZEN. HOFFMANN geht noch weiter. »~Das Wesentliche der ersten +Mahlzeit war ohne weiteres nicht zu wiederholen~, eben die Handlung des +Herrn, wie sich in ihr seine überragende Geistesgrösse, seine Kraft und +Leben ausströmende Gegenwart noch zum letztenmal ihnen dokumentiert +hatte« (S. 106). + +Eine Wiederholung ohne Wiederholungsbefehl ist also ~undenkbar.~ Der +Wiederholungsbefehl muss sich vor allem auf den Genuss bezogen haben, +da Jesus zur Erinnerung an ihn ein ~Mahl~ eingesetzt hat. Es lässt sich +nicht mehr ausmachen, wie sich in der ersten Zeit das Abendmahl des +näheren zur Gemeindemahlzeit verhalten habe. Für Paulus jedenfalls war +die feierliche Gemeindemahlzeit mit dem Abendmahl untrennbar verbunden. + +Der Eschatologie kommt in der Darstellung HOFFMANN's keine Bedeutung zu. + + + + +Siebentes Kapitel. + +=Der gesetzmässige Zusammenhang zwischen den Einzelfragen.= + + +=1. Der Wiederholungsbefehl.= + +Die historische Feier ist eine Mahlzeit: darin liegt ihre Wiederholung +von selbst begründet. Wenn Jesus dem Essen und dem Trinken im +gemeinsamen Kreis der Seinigen eine besondere, irgendwie segensreiche +Bedeutung verleiht, so ist hiermit ohne weiteres die Wiederholung +gefordert. Er braucht das nicht in einem Befehl ausgesprochen zu haben. + +Dies ist der Standpunkt der das Genussmoment ausschliesslich betonenden +Darstellungen. Auch die doppelseitigen Auffassungen, welche das +Genussmoment zu Grunde legen, stimmen damit überein. Wenn die Jünger +Jesum verstanden haben, mussten sie von selbst diese Feier wiederholen. +Sofern hingegen das ~Darstellungsmoment~ nebenbei betont wird, ist nun +aber die Wiederholung gar nicht selbstverständlich. Was Jesus gethan, +das kann eigentlich nicht wiederholt werden. + +So gehen diese doppelseitigen Darstellungen von dem Gedanken aus, dass +der Wiederholungsbefehl eigentlich überflüssig ist, kommen aber dann +dazu, ihn doch irgendwie als möglich oder notwendig anzunehmen. + +Die Frage bleibt für sie also in der Schwebe. Je stärker der +Leidensgedanke und das Darstellungsmoment für die historische Feier +geltend gemacht werden, mit desto grösserer Entschiedenheit wird zur +Erklärung der eingetretenen Wiederholung eine darauf hinzielende +Anweisung gefordert. + + +=2. Das Abendmahl und die urchristliche Gemeindemahlzeit.= + +In der Gemeindefeier steckt ein Doppeltes. Wiederholt wird eine +gemeinsame Mahlzeit. Dabei soll aber in irgend welchem Masse ein +historischer, an sich einzigartiger Moment reproduziert werden. +In welchem Verhältnis steht das wiederholte »Herrenmahl« zu den +gemeinsamen religiösen Mahlzeiten des Urchristentums? + +Nach den Auffassungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments +sind beide ~identisch~, denn für sie besteht ja auch die historische +Feier nur in der Mahlzeit als solcher. Die doppelseitigen Darstellungen +aber kommen hier in dasselbe Gedränge, wie mit dem Wiederholungsbefehl. +Auch sie, sofern sie den Mahlzeitcharakter zu Grunde legen, sollten +eigentlich die Identität proklamieren. Nun betonen sie aber daneben +auch das Darstellungsmoment. Dann wird aber die Gemeindefeier zur +Wiederholung einer bestimmten ~historischen Situation~, welche nicht +mehr durch die ~gemeinsame Mahlzeit als solche reproduziert wird.~ Das +wiederholte Herrenmahl soll also jetzt von der gemeinsamen religiösen +Mahlzeit irgendwie ~abheben~, jedoch nur soweit, dass die letzthinige +Einheit beider festgehalten wird. Die Schwierigkeit wächst mit der +stärkeren Betonung des Darstellungsmoments. Man erhält folgende +Stufenleiter: + +W. BRANDT: Jesus macht die gemeinsamen Mahlzeiten zum Symbol der +Gemeinschaft. Als nach seinem Tode der Glaube an ihn neu auflebte, +wurde natürlich das vom Herrn selbst gegebene Symbol der Gemeinschaft +besonders gepflegt. Gemeindemahlzeit und »Herrenmahl« sind identisch. + +FR. SPITTA: »Es wurde bei Brot und Wein immer daran gedacht, wie +er damals darauf hingewiesen, dass er jetzt und in alle Ewigkeit +die rechte Speise und Erquickung ihrer Seele sei.« Die Didache +repräsentiert die urchristliche Feier. Herrenmahl und Agape +waren danach identisch. Es ist verfehlt, Didache 9 und 10 als +Einleitungsgebete zur »eigentlichen Abendmahlsfeier« auffassen zu +wollen. + +AD. HARNACK: Hier beginnt die Differenzierung. Sie ist in dem +klassischen Satz mit den Rangiergeleisen enthalten. »Der Herr hat +ein Gedächtnismahl seines Todes eingesetzt, ~oder vielmehr~, er hat +die leibliche Nahrung als sein Fleisch und sein Blut, d. h. als die +Nahrung der Seele bezeichnet (durch die Sündenvergebung), ~wenn~ sie +mit Danksagung in Erinnerung seines Todes genossen wird. So haben +die Apostel seine Stiftung verstanden.« Eine Feier, bei der alle +diese näheren Bestimmungen zum Ausdruck kommen sollen, ist aber keine +einfache gemeinsame Mahlzeit mehr, sondern eine ~Ceremonie.~ »Jesus +verhiess ihnen, dass er mit der Kraft seiner Sündenvergebung bei jeder +Mahlzeit sein werde, die sie zu seinem ~Gedächtnis~ halten würden.« Wie +wurde aber die gemeinsame Mahlzeit als »Gedächtnismahl« gekennzeichnet? +Durch welche Akte, durch welche Reden? Wie wurde die Situation des +historischen Mahls reproduziert, wo doch auch das »Abendmahl« nur ein +besonderer Augenblick im Verlauf der letzten gemeinsamen Mahlzeit +gewesen war? + +ERICH HAUPT: »Die ganze Zusammenkunft soll religiösen Charakter tragen, +und das Herrenmahl ~in engerem Sinn~ ist nur der ~Höhepunkt des +Ganzen.~« Weil HAUPT das Darstellungsmoment stärker betont als HARNACK, +kann er Gemeindemahl und »Abendmahl« nicht irgendwie in einander +übergehen lassen, sondern er muss das Abendmahl als eine besondere +Situation auffassen, die den Höhepunkt der ganzen Mahlvereinigung +repräsentiert. Er kann nicht darum herumkommen, die auf Grund der +Stiftung »wiederholte Handlung« von der religiösen Mahlzeit sich +abheben zu lassen und doch wieder die letzthinige Einheit beider +festzuhalten. So bleibt ihm nur das Verhältnis der Steigerung. + +SPITTA und HARNACK bestreiten, dass in Didache 10 _6_ »wenn einer +heilig ist, trete er herzu« eine besondere Feier beginnt. HAUPT muss +seine Steigerung auch hier wiederfinden und nimmt an, dass diese Worte +die eigentliche Abendmahlsfeier einleiten. Das »Herr, komme doch« +bezieht sich auf die Gegenwart des Herrn im »Sakrament«. + +FR. SCHULTZEN: Durch den Begriff des »Opfermahls« hält er die beiden +auseinanderstrebenden Teile der Feier zusammen. Er kann sie aber nicht +mehr, wie ERICH HAUPT, in das Verhältnis der Steigerung setzen — dazu +ist die Betonung des Darstellungsmoments bei ihm schon viel zu stark +— sondern er muss die Trennung konstatieren. »In dem Begriff des +Opfermahls ist die Wiederholung der Mahlzeit unmittelbar gegeben und +ebenso der stetige Empfang der gespendeten Gabe« (S. 74). Wiederholt +wird aber zweitens die Handlung des Veranstalters der Opfermahlzeit, +als Voraussetzung des Empfangs und des Genusses der Teilnehmer. »Die +Gabe, die er ihnen zuwandte, sollte den Erfolg haben und hat ihn auch +wirklich gehabt, ~dass sie wiederholten, was er gethan~, und damit auch +ferner an dem Segen seines Opfertods Anteil erhielten« (S. 96). + +Wie soll man sich aber vorstellen, dass die Jünger beim gemeinsamen +Mahl »wiederholten, was er gethan?« Das bedeutet nichts anderes, als +dass das Gemeindemahl und das Abendmahl auf die Trennung angelegt +waren. In I Kor 11 macht Paulus die schon vor ihm angebahnte Scheidung +nur stärker geltend. Dass nachher die Eucharistie vom Mahle gänzlich +losgelöst wurde, »ist nur die geschichtliche Vollendung des schon in +der Stiftung enthaltenen Prozesses«. + +R. A. HOFFMANN: Das Darstellungsmoment tritt so stark hervor, dass +HOFFMANN auf die Lösung des Problems verzichtet. »Das Wesentliche +der ersten Abendmahlsfeier war ohne weiteres nicht zu wiederholen, +~eben die Handlung des Herrn~« (S. 106). Auf den von Jesus selbst +vorgenommenen Akt kann der Wiederholungsbefehl nicht gehen. Ihn auf +die Handlung der Teilnehmer, das Essen und Trinken zu beziehen, ist +zwar grammatikalisch sozusagen unmöglich. Da aber nichts anderes übrig +bleibt, müssen wir eben annehmen, Jesus habe zum Mittel der Erinnerung +an ihn »ein Mahl eingesetzt«. + +Wie er das verstanden haben wollte, ist nicht klar. Es ist stark mit +der Möglichkeit zu rechnen, »dass dasjenige, was uns von den Worten +Jesu bei der Einsetzung seines Mahles überliefert worden ist, nicht +alles repräsentiert, was er wirklich zur Aufklärung über seine uns +heutzutage so schwer verständliche Handlung gesprochen hat« (S. 115). + +Wie man es mit der Feier im Urchristentum gehalten hat, darüber ist +keine vollständige Klarheit zu gewinnen. Wir wissen nur, »dass das +Abendmahl in der Urgemeinde eine wirkliche Mahlzeit war, wobei sehr +wahrscheinlich ist, dass das Brotbrechen zugleich Herrenmahl war« (S. +137). + +~Zusammenfassung.~ Die Untersuchung ergibt folgenden Satz: ~Bei +ausschliesslicher Geltendmachung des Genussmoments sind die +Gemeindemahlzeit und das Abendmahl identisch. Mit der nebenhergehenden +Betonung des Darstellungsmoments wird die Differenzierung +zwischen beiden in steigendem Masse notwendig, bis zuletzt beide +auseinanderfallen.~ + + +=3. Die Antinomie zwischen der historischen und der urchristlichen +Feier.= + +Es ist wohl nicht das geringste Verdienst der grossartigen Abhandlung +SPITTA's, in voller Schärfe das Prinzip proklamiert zu haben, dass +eine Abendmahlsauffassung nur dann Wert hat, wenn sie das Wesen der +urchristlichen Feier, wie es uns besonders in der Didache begegnet, +erklärt. Dementsprechend bildet die urchristliche Feier auch den +Hauptstützpunkt seiner Darstellung. Er wird ihr vollkommen gerecht, +da seiner Auffassung zufolge das Abendmahl eine Freudenmahlzeit war. +Indem er von einem Wiederholungsbefehl und von einer Abhebung des +»Abendmahls« von der Gemeindemahlzeit absieht, stimmt er vollständig +mit der urchristlichen Ueberlieferung überein; diese weiss ja auch +nichts davon, dass die Feier eine auf den Befehl Jesu erfolgende +ausgesprochene Reproduktion jener historischen Situation sein soll. + +Während SPITTA so die urchristliche Feier vollkommen erklärt, vermag +er aber der historischen in keiner Weise auch nur annähernd gerecht zu +werden. Das teilt er mit allen Auffassungen, welche das Genussmoment +einseitig herausarbeiten. Inwiefern die Jünger Jesum verstehen mussten +und verstanden haben, als er sie aufforderte, seinen Leib und sein Blut +zu geniessen: das vermögen sie, ohne unerlaubte Kunstgriffe, in keiner +Weise deutlich zu machen. ~Für die historische Situation bleibt ihnen +nur der Skeptizismus übrig~, wobei sie sich trösten dürfen, wenigstens +der urchristlichen Feier gerecht zu werden. + +Mit den doppelseitigen Auffassungen steht es folgendermassen: +Je mehr sie das Darstellungsmoment betonen, desto besser und +ansprechender können sie die ~historische Feier~ erklären, da sie +nun den Leidensgedanken und die Symbolik des Handelns Jesu für die +Deutung der Gleichnisse verwerten können. In demselben Masse aber +werden sie ~unfähig, die urchristliche Feier zu erklären.~ Mit dem +Darstellungsmoment ist ja der Wiederholungsbefehl, die Bedeutung +des Leidensgedankens für die Feier und die Differenzierung zwischen +Abendmahl und Gemeindemahlzeit gegeben. Das alles läuft aber der +urchristlichen Ueberlieferung schnurstracks zuwider. Diese weiss nichts +davon, sondern sie beschränkt sich merkwürdigerweise auf den Satz: Das +Abendmahl ist ein Freudenmahl, bei dem das darstellende Handeln Jesu in +keiner Weise irgendwie reproduziert wird. + +Die Antinomie ist also unlösbar. ~Eine doppelseitige Auffassung erklärt +die historische Feier nur in dem Masse, als sie die urchristliche +nicht erklärt und umgekehrt.~ Dieser Satz enthält das Grundresultat +der Untersuchung über die doppelseitigen Darstellungen. Infolge dessen +müssen sie auf die Lösung des Problems verzichten, da keine von ihnen, +und wäre sie noch so geistreich, über diese Antinomie hinauskommen kann. + +Letztere liegt eben in der bisherigen Problemstellung selbst begründet, +welche die urchristliche Feier als eine ~entsprechende Wiederholung~ +der historischen auffassen will. Nun ist aber das Wiederholte +der Geschichte zufolge dem Ursprünglichen gar nicht ähnlich. Die +historische Feier ist eine ~Ceremonie~ im Verlauf einer Mahlzeit, die +urchristliche ist nur eine ~gemeinsame Mahlzeit~ ohne entsprechende +Wiederholung der Ceremonie. Damit ist Antinomie unabweisbar gegeben. + +Nun steht aber fest, dass die urchristliche auf die historische +Feier zurückgeht. Also ist das Problem erst dann gelöst, wenn der +Zusammenhang beider erklärt wird, ohne dass deshalb die Gemeindefeier +irgendwie eine entsprechende Nachbildung der historischen ist. ~Die +urchristliche Abendmahlsfeier ist etwas Selbständiges.~ + + + + +Achtes Kapitel. + +=Die Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des +Darstellungsmoments.= + + +=1. Das Gefechtsfeld.= + +Die Darstellungen mit ausschliesslicher Betonung des Genussmoments +bedeuteten einen kühnen Vorstoss gegen die allgemein verbreitete +Auffassung, welche durch die Namen RÜCKERT, HOLTZMANN und LOBSTEIN +vertreten ist. Es konnte einen Augenblick scheinen, als hätte die +hergebrachte Ansicht durch diesen unerwarteten, geschlossenen Angriff +gegen die Deutung der Gleichnisse aus dem Handeln Jesu alle ihre +Positionen verloren. Jetzt aber, wo die Lage sich langsam klärt, zeigt +sich, dass dies nicht der Fall ist. + +Wohl mussten einige exponierte Stellungen von dem angegriffenen +Teil aufgegeben werden. Dafür hat er sich aber in eine Position +zurückgezogen, die als unüberwindbar gelten darf. Die Sache steht so, +dass der Angreifer darauf verzichten muss, ~diese befestigte Stellung +jemals zu erobern~, der Angegriffene aber auf absehbare Zeit nicht an +eine ~Aktion im freien Felde~ denken kann. + +Zu den aufgegebenen Positionen gehört vor allem die Stellung zur +Frage des Passahmahls. Während bis in die 70er und 80er Jahre das +letzte Mahl den Synoptikern entsprechend fast allgemein als Passahmahl +aufgefasst wurde, sucht man jetzt diese Frage aus dem Zusammenhang +mit der Gesamtauffassung herauszurücken. Man begnügt sich mit einer +vorsichtigen chronologischen Erwägung, ob das synoptische Datum +wahrscheinlich sei oder nicht. + +Aehnlich steht es mit dem Wiederholungsbefehl. Auch die Auffassungen +mit Zugrundelegung des Darstellungsmoments suchen sich von der +Notwendigkeit eines auf die Wiederholung hinweisenden Wortes frei zu +machen. + +Zugleich wird das Genussmoment im ganzen doch entschiedener +hervorgehoben als es bisher der Fall war. Es bleibt jedoch immer in +Abhängigkeit vom Darstellungsmoment und wird erst durch dasselbe +verständlich. + +Diese Verschiebungen in der Position kann man am besten in den +successiven Kundgebungen LOBSTEIN's und HOLTZMANN's verfolgen, soweit +sie die Abendmahlsfrage betreffen. Sie haben die Verteidigungsstellung +eingerichtet. + + +=2. Der Verteidigungsplan. P. W. Schmiedel.= + + Protestantische Monatshefte 1899: Die neuesten Ansichten über den + Ursprung des Abendmahls. + +Dem etwas forschen Vorgehen EICHHORN's gegenüber unternahm es SCHMIEDEL +darzuthun, wie die Sachen eigentlich liegen. Er zeigt zunächst, dass +die chronologischen Gründe gegen die Möglichkeit, dass das letzte Mahl +ein Passahmahl war, zusammengenommen allerdings einen grossen Eindruck +machen. Betrachtet man sie aber einen nach dem andern, so verlieren sie +bedeutend an Energie. Die Annahme, dass Jesus das gesetzliche Passah +feierte, ist also nicht von der Hand zu weisen, da die entschiedenen +Aussagen der Synoptiker den chronologischen Einwürfen wohl das +Gleichgewicht halten können. + +Ueberdies lässt sich der Passahgedanke in ansprechender Weise zur +Erklärung der historischen Feier heranziehen, wobei mit der Möglichkeit +zu rechnen ist, dass in Jesu Seele Passah- und Bundesgedanken +zusammenflossen. + +Was die Handlung betrifft, die er vorgenommen haben soll, ist +anzunehmen, dass das ~Bedeutsame~ mindestens in erster Linie das +Brechen des Brotes und ~das Ausgiessen des Weines aus dem Krug in den +Becher~ sei. Das Austeilen dieser Speisen zum Genuss schliesst sich +als etwas ~Zweites~ an. »~Um der Hauptsache willen wäre es nicht nötig +gewesen; aber da man einmal beim Mahle sass, war es naturgemäss.~« Es +dient demselben Zwecke wie das einem Bundesopfer oder dem Passahopfer +nachfolgende Mahl überhaupt, der gemeinsamen Aneignung und Pflege des +in dem Opfer vorkommenden Gedankens. + +Die Frage, ob der Wiederholungsbefehl historisch ist oder nicht, +bleibt hier in der Schwebe. Wäre er sicher überliefert, so wäre er +verständlich. Aber ebenso begreiflich ist es, dass Jesus an eine +Wiederholung nicht dachte. + +Der genialen Unbesonnenheit gegenüber ist ruhiges Abwägen absolut +notwendig. S. 148: »Wir müssen noch darauf aufmerksam machen, wie +dringend es sich empfiehlt, auf jeden dem unsrigen ähnlichen Versuch +wohlwollend einzugehen, wenn man nicht in ~unlösbare Schwierigkeiten~ +kommen will.« Der hohe Wert dieser Stellung beruht nämlich in der +Stütze, die sie in einer natürlichen Exegese unserer neutestamentlichen +Abendmahlsberichte findet. Durch seine Geltendmachung des +Darstellungsmoments kann SCHMIEDEL jeden einzelnen Zug der historischen +Situation, jeden durch die Exegese angedeuteten Nebengedanken in seiner +Gesamtauffassung unterbringen. Es ist gelungen, ~»die Möglichkeit, +dass Jesus eine der Beschreibung ungefähr entsprechende Feier wirklich +gehalten habe«, auf einen sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit +zu bringen.~ Die Herleitung der Berichte aus der späteren +Gemeindetheologie, etwa gar mit Benutzung ausserchristlicher Analogien, +wird von selbst gegenstandslos. Jede derartige Konstruktion muss zuerst +den Nachweis erbringen, dass die von ihr behauptete Umbildung sich in +so kurzer Zeit nach Jesu Tod habe einbürgern können. + +~Damit erschöpft sich aber~ der Wert dieser Verteidigungsstellung: +sie verfügt über sicher schiessende, gut placierte Geschütze, die +aber nicht sehr weit tragen, sodass vor den Augen der Belagerten die +Reiterschwärme der Belagerer sich auf dem unbestrichenen Terrain +vergnügt und unbehelligt tummeln. Es ist nämlich unmöglich, dass jemals +eine mit der SCHMIEDEL'schen verwandte Auffassung erklären könne, wie +die von ihnen ~bis ins einzelne verstandene historische Feier~ im +Urchristentum, etwa noch gar ohne Annahme eines dahinzielenden Befehls +Jesu, ~wiederholt worden ist.~ Denn das Schwergewicht liegt ja für sie +in dem Handeln Jesu. Nun ist dieses Handeln Jesu in der urchristlichen +Feier gar nicht wiederholt worden, weil dies unmöglich ist. Der +Leidensgedanke fehlt ihr ja vollständig. Sie ist eine Mahlzeit, bei +welcher, so viel wir wissen, die Ceremonie der historischen Feier in +keiner Weise reproduziert wurde. Das Nebensächliche, das Essen, ist +also Hauptsache geworden und die Hauptsache ist in der wiederholten +Feier ganz zurückgetreten. + +Ausserhalb des schmalen, von den Festungsgeschützen beherrschten +Terrainstreifens ist also der geringste Reitertrupp des Angreifers +gegen die wohlbewaffnete, aber schwerfällige Besatzung im Vorteil, wenn +sie einen Ausfall wagen sollte. Jede kecke Konstruktion, von STRAUSS +bis auf EICHHORN, kann das Aufkommen und das Wesen der urchristlichen +Feier besser erklären, als die exegetisch gewissenhafte, aus den +Berichten destillierte Auffassung SCHMIEDEL's. Nur halte die erstere +sich ausser Bereich des exegetischen Verteidigungsfeuers, wenn sie +nicht durch den ersten Schuss ausser Gefecht gesetzt sein will. Fürwahr +ein merkwürdiger Kampf, wo es einen nicht Wunder nimmt, dass jeder als +Sieger thut, obwohl der andere unbesiegt ist. + + +=3. Die Offensive. Adolf Jülicher.= + + Zur Geschichte der Abendmahlsfeier in der ältesten Kirche. 1892. + (Theologische Abhandlungen, K. v. WEITZSÄCKER gewidmet.) + +JÜLICHER berührt sich am nächsten mit ZWINGLI, dessen Auffassung er +ins Moderne übersetzt, indem er auf die gegenwärtige Form der Fragen +Rücksicht nimmt. Es handelt sich um die einseitige Geltendmachung des +Darstellungsmoments. + +~Alle auf dem Genussmoment beruhenden Auffassungen legen Jesu moderne +Gedanken unter.~ Was er bei jenem Mahle zuletzt so besonders feierlich +sagte, muss für jeden Anwesenden unmittelbar verständlich gewesen +sein. Der Vergleichspunkt muss also in dem liegen, was er vor den +Augen der Jünger mit den Genusselementen vornimmt: in dem Brechen des +Brots und in dem Ausgiessen des Weins. Der Sinn der begleitenden Worte +bezieht sich auf den bevorstehenden Tod. »So wie dieser Wein alsbald +verschwunden sein wird, so wird alsbald mein Blut vergossen sein, +denn mein Tod ist eine beschlossene Sache; aber«, fügt er tröstend +hinzu, »es wird nicht umsonst vergossen, sondern »für viele« und — +ein bildlicher Ausdruck, der in dem Gedankenkreis des Passahtages lag +— als ein Bundesblut.« Nur den Gegenstand des Geniessens vergleicht +Jesus hier und dort mit seinem Leibe, ~auf das Geniessen reflektiert er +gar nicht.~ Höchstens insofern das Genussmoment aus dem vorhergehenden +darstellenden Moment irgend eine Bedeutung empfängt, kann man ihm +problematische Geltung zugestehen. So hatte die Feier ursprünglich +einen wehmütig schmerzlichen Charakter, welcher nur aus der Situation +begriffen werden kann. + +Nun lässt die älteste Ueberlieferung Jesum durch nichts andeuten, +dass er jene sinnvolle Handlung auch künftighin von seinen Gläubigen +vollzogen sehen möchte. Wie hat man aber dann in der Urkirche aus +dieser historischen Feier so schnell eine zu steter Wiederholung +bestimmte Handlung machen können? Zuerst war es wohl ein inneres +Bedürfnis. Passahgedanken und Abschiedserinnerungen wirkten mit. Bald +fand die Wiederholung im Zusammenhang mit jedem Mahle statt und es kam +die Vorstellung eines ausdrücklichen darauf hinzielenden Gebotes Jesu +auf. »~So weit es irgend ging, wollte man die Situation von ehedem +reproduzieren, nur dass man jetzt auf das zurückblickte, was damals +angekündigt werden sollte~« (S. 247). Diese Feier wurde nach dem ersten +Akt kurz das Brotbrechen genannt. Bei der Austeilung der sakramentalen +Elemente hat man wohl nicht von jeher die Deutungs- respektive +Einsetzungsworte des Herrn verbotenus wiederholt, denn sonst würde +deren Ueberlieferung nicht so viele Differenzen aufweisen. Nach I Kor +11 _26_ hat man dabei nie versäumt, den Tod des Herrn zu verkünden, +also immer wieder das erschütternde Ereignis sich vor Augen zu stellen +und seine Notwendigkeit, wie seine segensreichen Wirkungen zu erörtern; +~aber das geschah in freien Formen.~ + + +=4. Die Skepsis in den Auffassungen mit einseitiger Geltendmachung des +Darstellungsmoments.= + +Die Darstellung JÜLICHER's bedeutet für die Abendmahlsauffassungen +mit konsequenter Zugrundelegung des Darstellungsmomentes das, +was die Abhandlung EICHHORN's für die das Genussmoment zu Grunde +legenden Auffassungen war. Beide zeigen durch die Konsequenz ihres +Gedankenaufbaus, dass die alleinige Betonung des von ihnen zu Grunde +gelegten Moments notwendig zum Skeptizismus führt. Dies tritt bei +EICHHORN darin zu Tage, dass er die historische Feier, von der +urchristlichen Gemeindefeier aus betrachtet, nicht zu erklären vermag. +JÜLICHER kann die Gemeindefeier von der historischen Feier aus nicht +erklären. + +Er hat ganz Recht, wenn er sagt, dass die Zugrundelegung des +Genussmoments die Zuhülfenahme moderner Gedanken zur Erklärung der +historischen Worte Jesu fordere. Heisst es aber nicht ebenso sehr +moderne Gedanken auf vergangene Zeiten übertragen, ~wenn man sich die +urchristliche Feier als gewollte, möglichst genaue Reproduktion der +Situation von ehedem begreiflich machen will~? JÜLICHER's Auffassung +könnte die zwinglische Gemeindefeier erklären — und da fehlte ihm noch +der Wiederholungsbefehl — aber niemals die urchristliche religiöse +~Gemeindemahlzeit.~ + +Die Schwierigkeiten werden gerade durch seine scharfe und +logisch einheitliche Gesamtauffassung mit absoluter Deutlichkeit +herausgearbeitet. Er erlaubt sich nicht zwischen dem Abendmahl im +eigentlichen Sinne und der Gemeindemahlzeit zu unterscheiden. Mit +diesem Spielraum hatten die doppelseitigen Darstellungen aller +Schattierungen operiert und damit die grössten Schwierigkeiten +überwunden. ~Die ganze Gemeindefeier ist »Herrenmahlzeit«~ — so sagt +JÜLICHER und stimmt dabei mit niemand so vollkommen überein als mit +SPITTA und EICHHORN. + +Damit ist aber die Antinomie, welche zum Skeptizismus führt, notwendig +gegeben. Die Gemeindefeier, auf die JÜLICHER von seiner Auffassung +der historischen Feier aus kommt, ist eine Fiktion, welche der +wirklichen urchristlichen Mahlfeier geradezu widerspricht, da die +letztere »keine Reproduktion der Situation von ehedem« war. Wie die +Wiederholung aufgekommen, vermag er in keiner Weise darzuthun. »Dass +es zunächst wohl ein inneres Bedürfnis war, bei dem Passahgedanken und +Abschiedserinnerungen mitwirkten«: diese problematische und gewundene +Annahme erklärt für die Wiederholung gar nichts. + +Nun könnte JÜLICHER durch den Wiederholungsbefehl um die Schwierigkeit +herumkommen. Das erlaubt ihm aber sein exegetisches Gewissen nicht. +Obwohl er ihn absolut notwendig brauchte, verzichtet er darauf, +weil er durch die beiden ältesten Synoptiker nicht bezeugt ist. +Seine ansprechende Auffassung ist aus der exegetischen Betrachtung +der Berichte erwachsen. Gerade die Exegese beraubt ihn aber der +einzigen Möglichkeit, die Wiederholung der von ihm geschilderten +Feier im Urchristentum auch nur einigermassen begreiflich zu machen. +Die urchristliche Feier als Reproduktion der historischen Situation +ohne Wiederholungsbefehl ist einfach undenkbar. Also stehen wir +hier vor einer vollständigen Selbstauflösung. Um das Aufkommen der +urchristlichen Feier zu erklären, müsste JÜLICHER eine unabhängig von +den Berichten gegebene Thatsache postulieren — wie EICHHORN es thut, +um das Aufkommen des historischen Berichts fasslich zu machen. + +Die konsequente Geltendmachung des Darstellungsmoments führt also zu +derselben Skepsis, wie die einseitige Herausarbeitung des Genussmoments. + + + + +Neuntes Kapitel. + +=Die neue Problemstellung.= + + +=1. Das Ergebnis der Untersuchung.= + +Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Genussmoments können nur +die ~urchristliche~, nie die ~historische~ Feier erklären. + +Die Auffassungen mit einseitiger Betonung des Darstellungsmoments +können nur die ~historische~, nie die ~urchristliche~ Feier erklären. + +Die doppelseitigen Auffassungen können die ~historische~ Feier nur in +dem Masse erklären als sie die ~urchristliche~ nicht erklären, und +umgekehrt. + +Also vermag keine dieser Auffassungen das Abendmahlsproblem zu lösen, +da dieses gerade verlangt, ~dass beide Feiern in ihrem gegenseitigen +Zusammenhang begriffen werden!~ + +Durch diese Sätze werden nicht bloss die hier besonders analysierten +Auffassungen betroffen. Diese sind nur Typen für so und so viele +andere, die schon veröffentlicht worden sind oder noch im Zeitenschosse +schlummern. Vergangen oder zukünftig: alle werden sie durch die obigen +drei Sätze schon im Vorverfahren abgethan. Ehe sie überhaupt gehört +werden können, müssen sie zuerst nachweisen, dass sie etwas anderes +sind als eine neue Kombination von Darstellungs- und Genussmoment. +Können sie das nicht, so sind sie von vornherein abgewiesen, denn +dann vermögen sie das Problem nicht zu lösen. Es kommt ja nicht auf +ihr bestimmtes Gepräge oder auf die Art, wie sie sich historisch und +exegetisch darstellen, an, ~sondern nur auf das Verhältnis, in dem das +Darstellungs- und das Genussmoment darin zu einander stehen.~ Alles +andere ist Beiwerk. + +Jede Auffassung ist durch die Formel bedingt, welche das von +ihr angenommene Verhältnis des Darstellungs- zum Genussmoment +ausdrückt. Damit ist ja ihre Stellung zu den Einzelfragen — dem +Wiederholungsbefehl, der Deutung der Gleichnisse, der Form der +angenommenen urchristlichen Feier u.s.w. — entschieden. ~Man kann +sie danach geradezu ausrechnen.~ Was die Verfasser dann noch von dem +Ihrigen an geistreichen Einfällen, exegetischen Funden und genialen +Inkonsequenzen hinzuthun, das ist alles ohne Belang. Ohne dass sie es +wissen, folgen sie ja einem inneren Zwang. Weil sie ~müssen~, nehmen +sie die schwersten exegetischen Hindernisse! Weil sie ~nicht anders +können~, übersehen sie schwerwiegende historische Fragen! Weil sie die +Verschnörkelungen am Erker nach freiem Bedünken entwerfen dürfen, sind +sie — und die andern mit ihnen — geneigt zu vergessen, dass ihnen der +Grundriss des Baues aufgegeben ist. + +Unter den gegebenen Voraussetzungen gibt es keine neuen +Abendmahlsauffassungen mehr. Ob auch eine aus einer exegetischen +oder historischen Beobachtung hervorwächst, kann sie im Grunde doch +nichts anderes sein, ~als die Wiederholung oder Modifizierung einer +schon vorhandenen, nämlich der, mit welcher sie die Formel über das +Verhältnis der beiden Momente gemein hat.~ Wollte man sich die Mühe +geben, den Stammbaum der vorhandenen Auffassungen aufzustellen, so +würde es nicht schwer halten, jeder ihre Vorfahren zu entdecken. + +Die Darstellungen mit einseitiger Herausarbeitung des Genussmoments +sind nur die wissenschaftlich-historische Reproduktion der +altgriechischen Auffassung. + +ZWINGLI hat die römische Theorie rationalisiert und ist von JÜLICHER +ins modern-geschichtliche übertragen worden. + +Die doppelseitigen Auffassungen geben die Vermittlungsversuche +zwischen der Messe und dem griechischen Mysterium und diejenigen der +Reformationszeit in historischer Form wieder. Man kann also ruhig +sagen, dass alle möglichen Kombinationen der beiden Momente schon +erschöpft sind. + +Mit »neuen Auffassungen« ist also nichts gethan; neu daran ist immer +nur der Einfall, nie die Formel — ~und auf letztere kommt es allein +an.~ Darum führt die Detailauseinandersetzung mit einer solchen neuen +Auffassung zu gar nichts. Das für »richtig« und das für »falsch« +Befundene hängen ja gesetzmässig zusammen: eins ist nur insofern +richtig, als das andere falsch ist. + +Daran liegt es, dass Arbeiten in der Art, wie sie RUD. SCHÄFER, +CLEMEN[11] und SCHMIEDEL zu den neuesten Aufstellungen geliefert haben, +trotz aller abwägenden Gewissenhaftigkeit die Forschung nicht in dem +Masse des aufgewandten Scharfsinns vorwärts bringen. Aus dem, was sie +anerkennen, lässt sich keine neue Auffassung zusammenbauen, und das, +was sie auszusetzen haben, reicht nicht hin, die andere zu verwerfen, +wenn man nichts Besseres an die Stelle zu setzen hat. + +Diejenigen, welche unter den gegebenen Verhältnissen neue +Abendmahlsauffassungen aufstellen, rechnen ein Exempel, das bisher nie +hat wollen aufgehen, zum so und sovielten Male durch. Ihre Kritiker +rechnen das Exempel zum so und sovielten Male nach. Auf geht es aber +darum doch nicht. + +~Es kann nie aufgehen.~ Darum nützt es nichts, immer mit Eifer und +Sammlung von vorn anzufangen. Man muss den Fehler nicht in der +Rechnung, sondern im Ansatz suchen. Die bisherigen Auffassungen +bringen es nicht über dialektische Behauptungen hinaus, welche als +Ganzes aus den geschichtlichen Thatsachen weder zu beweisen noch zu +widerlegen sind. + +~Es gilt also sich von der bisherigen Problemstellung loszumachen.~ + +~Wo liegt der Grund des Metaphysischen in der Abendmahlsfrage?~ + + +=2. Der neue Weg.= + +Bisher galt der Satz: Um das Abendmahl zu erklären, muss man von der +Deutung der Gleichnisse ~ausgehen~, denn diese konstituieren das Wesen +der Feier. So suchte man sie aus dem Genuss, oder aus dem Handeln, oder +aus beiden zusammen zu deuten — und, wenn man eine plausible Erklärung +gefunden hatte, glaubte man den Schlüssel zum Abendmahl zu besitzen. + +Nun gilt es aber zwei Thüren zu öffnen: der betreffende Schlüssel passt +aber jedesmal nur zu einer. Angenommen SPITTA und die andern deuten die +Gleichnisse richtig auf das Urchristentum: der historischen Situation +entspricht aber ihre Erklärung nicht. Angenommen JÜLICHER und die +andern deuten sie richtig aus der historischen Situation: im Sinne des +Urchristentums ist aber ihre Erklärung nicht, denn dort kommt in keiner +Weise zum Ausdruck, dass die Handlung Jesu den Tod versinnbildlichte. + +Man hat aber allen Grund zu fragen, ob die Gleichnisse aus der sie +begleitenden Handlung ~so ohne weiteres~ deutbar sind. Alle Erklärungen +werden ja auf Umwegen erreicht! Wieso soll das Brechen des Brots die +Kreuzigung des Leibes anzeigen? Ist diese Erklärung etwa deswegen +einleuchtender, weil es die einzige ist, welche die begleitende +Handlung offen lässt? Wer sagt uns, dass es die Jünger so verstanden +haben können? In der urchristlichen und altchristlichen Epoche, ja +eigentlich bis auf ZWINGLI weiss kein Mensch etwas von dieser Deutung. + +Mit dem Wort über dem Kelch steht es noch schlimmer. Hier muss man +nämlich, um dem Gleichnis einen Sinn abzugewinnen, den Vergleichspunkt +zur Handlung ~geradezu hinzuerfinden.~ Berichtet ist nur das +~Herumreichen~ des Kelches. Dieses ist aber für das »~Vergiessen +des Blutes~« nicht charakteristisch. Das einzig Erträgliche wäre +das »~Ausgiessen in den Kelch~«. ~Obwohl nun diese Handlung in +keinem Berichte erwähnt ist~, haben es alle exegetischen Deutungen, +welche auf dem Darstellungsmoment beruhen, mit dem »~Ausgiessen~« +des Weines in den Kelch zu thun. Aus der inneren Zwangslage heraus +schaffen sie frei ein ~Analogon zum Brotbrechen~, ohne sich darüber zu +rechtfertigen, wie sie dazu kommen, die Situation in unerlaubter Weise +zu bereichern. + +Wo steht denn geschrieben, dass Jesus den Wein in den Kelch vor den +Augen der Jünger bedeutungsvoll eingoss, wie er das Brot brach? +Nirgends! Also beruht die exegetische Deutung des zweiten Gleichnisses +~auf reiner Erfindung.~ + +Gestehen wir es offen ein: es fehlt uns jegliche Anleitung zu einer +natürlichen Deutung der Gleichnisse. Ueber Künstelei haben wir es +dabei nicht hinausgebracht. Unser Schlüssel ist nur ein schlechter +Nachschlüssel: er passt zur Not in das eine Schloss, aber nicht in +beide. ~Und aus dieser Notdeutung der Gleichnisse wollen wir die ganze +historische und urchristliche Mahlfeier erklären!~ + +Wenn man in dieser Notlage einmal den noch einzig möglichen Ausweg ins +Auge fasste! Es geht nicht an, ~die Feier durch die Gleichnisse zu +erklären.~ Versuchen wir es mit dem umgekehrten Verfahren, nämlich ~die +Gleichnisse aus der Feier zu erklären~! + +Freilich, am Anfang scheint das nur das letzte verzweifelte Rütteln an +der verschlossenen Thür. Aber überlegen wir die Sache einmal ruhig. + +Beim Abendmahl handelt es sich um die Austeilung von Seiten Jesu, um +den Genuss von Seiten der Jünger und um zwei Gleichnisse, welche mit +dem Vorgang ~zusammenfallen.~ Ich sage ~zusammenfallen~! In einer +~Situation~ können Handlungen und Reden zeitlich zusammenfallen, +während sie in dem Bericht nur in zeitlicher Folge geschildert +werden können, weil die Worte jedes Nebeneinander notwendig in eine +Aufeinanderfolge auseinanderlegen. + +So halten unsere Berichte die Reihenfolge: Austeilung, Gleichnis, +Genuss inne, als hätte Jesus zuerst symbolisch gehandelt, dann +ausgeteilt, dann das erklärende Gleichnis gesprochen, worauf zuletzt +die Jünger verständnisvoll gegessen hätten. + +Versucht man es aber einmal, sich den berichteten Vorgang als Scene +vorzustellen, so merkt man bald, ~dass die säuberliche chronologische +Folge stark illusorisch wird.~ Man denke sich die 12 Menschen, +die wie auf eine innere Verabredung hin mit dem Essen des ihnen +zugeteilten Stückes warten, bis Jesus das Gleichniswort gesprochen! Wie +unnatürlich, ja unmöglich diese Scene in der gedachten chronologischen +Folge der Handlungen ist, kann man in Oberammergau sehen, wenn sie ins +Leben übersetzt wird! Es lässt sich kaum etwas Unnatürlicheres und +Geschraubteres denken. + +Für den, welcher eine berichtete Situation mit dem Blick des Malers in +der Wirklichkeit zu schauen vermag, bleiben nur zwei Möglichkeiten. +Entweder hat Jesus jedem Einzelnen das Brot zugeteilt und dabei +für jeden Einzelnen das Gleichniswort wiederholt: dann ist die +chronologische Folge so haltbar. Oder aber, wie feststeht, er hat allen +zusammen Brot ausgeteilt und das Gleichniswort nur einmal gesprochen: +dann ist die chronologische Folge, mit der wir bisher operierten, +illusorisch geworden. Sie besagt dann nur, dass Jesus im Verlauf der +Austeilung des Brotes und während des Herumreichens des Bechers die +Gleichnisworte vom Leib und vom Blut gesprochen! ~Ob zu Anfang, in der +Mitte oder zu Ende, ob vor, während oder nach dem Essen und Trinken: +das ist nicht auszumachen.~ Unsere Berichte geben uns darüber keinen +Aufschluss. + +Aus der angenommenen ~chronologischen~ Folge haben die bisherigen +Auffassungen ohne weiteres eine ~causale~ gemacht. Man sagte: Die +Austeilung und das dabei vorkommende Brechen und Ausgiessen begründet +das Gleichnis, das Gleichnis soll den Jüngern die Bedeutung des +Genusses erklären, und die Bedeutung des Genusses macht das Wesen der +Feier aus. + +Aus einer angenommenen zeitlichen Folge eine causale zu machen, das ist +ein Fehler, den das menschliche Denken trotz aller Warnungen immer und +immer wieder macht und sich dadurch die grössten Probleme schafft. + +~Nun zeigt die Geschichte, dass gerade diese angenommene causale Folge +das Abendmahlsproblem unlösbar macht.~ Andererseits beschränkt sich +unsere Kenntnis von der Situation darauf, dass Jesus im Verlauf der +Austeilung die Gleichnisse gesprochen hat. Also machen wir uns von dem +Vorurteil los, als ob die Gleichnisse die Feier konstituierten, und +fassen das Problem so, ~dass die Feier die Gleichnisse erklärt.~ Anders +ausgedrückt: Man meinte bisher, dass Jesus die Jünger aufforderte, das +dargereichte Brot und den herumgereichten Wein zu geniessen, ~weil er +sie als seinen Leib und sein Blut bezeichnet hatte~ (wobei freilich +niemand sagen kann, in welchem Sinne sie mit Brot und Wein seinen Leib +und sein Blut assen und tranken). + +Wir aber gehen jetzt davon aus, dass Jesus von dem Brot und dem Wein, +die seine Jünger auf seine Darreichung hin genossen, sagt, sie wären +sein Leib und sein Blut, ~gerade im Hinblick darauf, dass sie es auf +seine Darreichung hin geniessen~! Sie essen also nicht seinen Leib und +trinken nicht sein Blut, sondern, ~weil sie jenes Brot essen und jenen +Wein trinken~, sagt er, es ~sei sein Leib und sein Blut~! Das Gleichnis +konstituiert also die Feier nicht, sondern es erwächst aus ihr! + +Die Feier ist selbständig! Sie besteht darin, dass Jesus unter +Danksagung seinen Jüngern das Brot bricht und den Kelch herumreicht und +sie davon geniessen. Zum Wesen der Feier gehören die Gleichnisse nicht, +sondern Jesus spricht in diesen geheimnisvollen Worten die Bedeutung +aus, welche die Feier für ~ihn~ hat! + +Diese zweite Eventualität liegt gerade so gut in den Berichten wie +die erste. Nur ging man immer an ihr vorüber, weil die chronologische +Folge der Handlungen in der schriftstellerischen Darstellung die +Aufmerksamkeit ganz für die erste gefangen nahm. + +Nun ist aber logisch festgestellt, dass die bisherige Annahme das +Problem vollständig unlösbar macht. Also muss man es notgedrungen mit +der zweiten probieren. + +Ueberdies spricht die Geschichte gerade für die zweite. Es steht fest, +dass die Leidensgleichnisse in der urchristlichen Feier ~keine Rolle~ +spielten. Sie wurden im Verlauf der Feier in keiner Weise reproduziert! +Dafür sprechen Didache und Paulus, denn wenn sie aus dem alltäglichen +Verlauf der Feier bekannt gewesen wären, bliebe I Kor 11 _23_ +unverständlich, da hier dann etwas Bekanntes in geheimnisthuerischer +Weise wiederholt würde! Es stand also im Urchristentum so: Man wusste +wohl, dass diese Gleichnisse bei der historischen Feier gesprochen +worden waren, die Gemeindefeier leitete sich von dieser historischen +Feier ab: ~aber doch fühlte man kein Bedürfnis, die historischen +Gleichnisse Jesu dabei irgendwie zu reproduzieren. Also war die +historische Feier, sofern sie sich in der Gemeindefeier fortsetzte, +von den Gleichnissen unabhängig~, da man sonst auch die Gleichnisse +wiederholt hätte. Das ist durch die Geschichte bezeugt. + +Darum hat es das Abendmahlsproblem gar nicht mehr mit den beiden +unmöglichen Fragen zu thun, wieso Jesus seinen Jüngern seinen Leib zu +essen und sein Blut zu trinken gegeben habe und wie sie diese Feier +später in entsprechender Weise reproduzierten, sondern das Problem +selbst ist ein ganz anderes. Es heisst nicht mehr: ~Was bedeuten die +Gleichnisse~, damit wir die Feier erklären können? sondern: ~Was +bedeutete die Feier~, damit wir die ~Gleichnisse~ erklären können. + +~In welchem Sinne war die Austeilung von Brot und Wein beim letzten +Mahl ein so überaus feierlicher Akt, der sich auf Jesu Tod bezog?~ — +von dieser Frage hat die Untersuchung auszugehen, indem sie die +Gleichnisse vorerst ganz bei Seite lässt. Es ist der einzige Weg zur +Lösung des Problems. + + +Fussnoten: + +[11] Der Ursprung des heil. Abendmahls von Lic. Dr. KARL CLEMEN. 1898. +Hefte zur christl. Welt No. 37. + + + + +Zweiter Teil. + +=Das Abendmahlsproblem auf Grund der historischen Berichte.= + + + + +Zehntes Kapitel. + +=Die textkritischen Fragen.= + + +=1. Cod. D. Die textkritische Hauptfrage.= + +Es handelt sich um den Lukasbericht (Lk 22 _15-20_). In der +gewöhnlichen Fassung zeigt er ein eigentümliches Gepräge. Er bietet +zunächst ein Wort über den Passahgenuss in dem zukünftigen Reiche. +Darauf folgt ein ähnliches Wort, den Becher betreffend, welches mit +dem synoptisch-eschatologischen Schlusswort nach Markus und Matthäus +übereinstimmt. Nachdem so gleichsam ein erster Redegang über das Essen +und Trinken abgeschlossen ist, kommt das Wort über dem gebrochenen +Brot und über dem Wein als Bundesblut; bei letzterem fehlt dann das +bei den beiden älteren Synoptikern den zweiten Akt beschliessende +eschatologische Schlusswort. + +Wir haben also eine merkwürdige Doppelheit: zwei Worte das Essen, und +zwei den Kelch betreffend. Von den beiden auf das Essen bezogenen +Worten handelt nur das zweite von dem Genuss des Brots, während das +erste vom Passah allgemein redet. Die Doppelheit ist also hier nicht so +auffällig, wie in den beiden das Trinken betreffenden Worten, welche +sich beide auf den Kelch beziehen. Das zweite nimmt sich wie ein +Nachtrag zum ersten aus, da es ohne das eschatologische Schlusswort +steht, die Aufforderung zum Genuss nicht enthält und überhaupt in +dieser Form der Feier keinen abrundenden Abschluss gibt, wie es das +altsynoptische Kelchwort thut. + +Als daher diese eigentümliche Doppelheit in dem Lukasbericht auffiel, +war die natürlichste Korrektur schon gegeben: das zweite Kelchwort, +da die Aufforderung zum Genuss schon im ersten enthalten schien, +zu streichen, dagegen das zweite Wort über dem Brot, das in seiner +spezifischen Eigenschaft vorher nicht erwähnt war, zu belassen, weil +es die Aufforderung zum Genuss enthält. Es ist die Korrektur von Cod. +D.[12] Er schliesst mit den Worten: τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου (V. _19ª_). + +Entschliesst man sich einmal zu diesem so natürlichen Abstrich, so +liegt gar kein Grund mehr vor, das Kelchwort mit seiner Aufforderung +zum Trinken sich zwischen die beiden auf das Essen bezogenen Aussagen +eindrängen zu lassen und sie unnatürlich auseinanderzureissen; man +moduliert nach der ursprünglichen synoptischen Harmonie zurück, sodass +das eschatologische Schlusswort beim Kelch wieder ans Ende kommt. Tritt +dementsprechend V. _17_ und _18_ hinter _19ª_, so erhält man einen +Bericht, der sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet, +dass er vor dem Brotwort ein Wort über das Passah bringt, welches dem +eschatologischen Schlusswort über dem Kelch nachgebildet ist. Dieses +Verfahren findet sich bei b c.[13] + +~Die Entstehung des Abendmahlsberichtes des Cod. D. beruht auf +Reflexion.~ Ueberhaupt bricht sich die Ueberzeugung immer mehr +Bahn, dass seine Abweichungen durchweg diesen Charakter tragen. +Eine originelle Vorstellung der historischen Feier schwebt dieser +Berichtform gar nicht vor. Daher betrifft die Grundfrage der Textform +des Lukas gar nicht Cod. D, sondern die gewöhnliche Lesart. Wie kommt +Lukas dazu, den Bericht ~so ins Doppelte sich spiegeln zu lassen~, +dass der Versuch, diese Doppelheit als auf ein Versehen zurückgehend +zu korrigieren, sich in Cod. D notwendig einstellen musste? Diese +Frage ist aber gar keine textkritische mehr, sondern sie hängt mit +der Entwicklung der Feier im Urchristentum und der damit gegebenen +Verschiebung des Bildes des historischen Mahles zusammen.[14] + + +=2. Abweichende Lesarten.= + +Die Frage, ob in den einzelnen Fällen εὐλογήσας oder εὐχαριστήσας +zu lesen ist, hat keine Bedeutung. Die beiden älteren Synoptiker +gebrauchen den ersteren, Paulus, Lukas und Justin den letzteren +Ausdruck. + +Der Grund der verschiedenen Lesarten in Mt 26 _26_ ist leicht +einzusehen. Partizipien und erzählende Verben häufen sich in einer +Weise, dass man in keinem Falle eine schwerfällige und ungriechische +Konstruktion vermeiden kann. Ob man nun liest: λαβὼν ὁ Ἰησοῦς ἄρτον καὶ +εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ δοὺς τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν,[15] oder ob man +eines der Partizipien auflöst und die Lesart erhält: λαβὼν ὁ Ἰησοῦς +ἄρτον καὶ εὐλογήσας ἔκλασεν καὶ ἐδίδου τοῖς μαθηταῖς καὶ εἶπεν[16] +bleibt sich gleich. Der Satz ist in jedem Falle formlos, weil er eine +Häufung von Handlungen auf einen Moment enthält, deren zeitlicher und +logischer Zusammenhang sich sprachlich gar nicht wiedergeben lässt. Die +Varianten beruhen auf der empfundenen darstellerischen Schwierigkeit, +die jeder auf eine andere Weise zu überwinden suchte. + +Bei Markus treten die stilistischen Schwierigkeiten nicht so sehr +hervor. Er vermeidet nämlich die namentliche Nennung des Spenders +und der Empfänger, wodurch die matthäische Konstruktion so besonders +ungelenk wird. + +Der paulinische und der justinische Bericht sind von dieser +Schwierigkeit befreit: sie vereinfachen die Situation, indem sie die +Darreichung (ἔδωκεν) und die Aufforderung zum Genuss (λάβετε) auslassen. + +Das φάγετε in Mk 14 _22_[17] ist naive matthäische Nachbildung. Die +alten Zeugen bieten nur λάβετε. + +Der Zusatz καινῆς, den einige Lesarten bei dem Wort über dem Becher in +Mk 14 _24_[18] bieten, beruht auf naiver Nachbildung der paulinischen +Version. + + +=3. Das Ergebnis der Textkritik.= + +Die Verschiedenheit der Lesarten ist nicht darin begründet, dass +die eine mit ihren Wurzeln historisch höher hinaufreicht als die +andere. Sie gehen zum Teil aus der Schwierigkeit hervor, welche die +betreffenden Auffassungen haben, sich ~stilistisch darzustellen.~ +Zum Teil entspringen sie der Tendenz, die Berichte einander +~gleichzubilden.~ Dazu war es aber schon zu spät: die verschiedenen +Typen hatten schon eine zu scharfe historische Ausprägung erhalten, +als dass es den nachbessernden Versuchen hätte gelingen können, den +Einheitstypus herzustellen, an dem die vorhergehende geschichtliche +Epoche sich vergebens abgearbeitet hatte. + +Den letzten Versuch dieser Gleichbildung bietet der textus receptus, +sofern er den ersten Akt bei Paulus nach Analogie mit dem matthäischen +darstellt und dadurch eine Aufforderung zum Genuss einträgt (nehmet, +esset), die in I Kor 11 _24_ ursprünglich fehlt. + +Die Aufgabe der Textkritik in der Abendmahlsfrage besteht darin, dass +sie jeden der Berichte in seiner charakteristischen Eigentümlichkeit +darstellt, indem sie ihn von den Spuren der versuchten litterarischen +Gleichbildung mit andern befreit. Diese Aufgabe, so bescheiden sie +scheint, ist von eminenter Tragweite. ~Hätte sich die Gleichbildung der +Berichte wirklich durchgesetzt, so wäre das Abendmahlsproblem unlösbar.~ + + +Fussnoten: + +[12] D, a, ff². Die Ausgabe von WESTCOTT und HORT hat diese Lesart +adoptiert. + +[13] In derselben Absicht lässt syr^{cu} Vers _20_ aus und setzt dafür +Vers _17_ und _18_ ein. + +[14] Eine eingehende Darlegung der Textfragen, welche den Lukasbericht +betreffen, findet sich in der Abhandlung von ERICH HAUPT. + +[15] So א (sed δούς ex ἐδίδου korrigiert ab אª) BDLZ. + +[16] ΑϹΓΔ. + +[17] Mk 14 _22_: zu λάβετε zugesetzt φάγετε (EFHM²). + +[18] Mk 14 _24_: τῆς διαθήκης (אBCDL). + + + + +Elftes Kapitel. + +=Die Eigenart des Markusberichts= (Mk 14 _22-26_). + + +Der erste Akt besteht einzig darin, dass Jesus unter Gebet das Brot +bricht und es herumreicht; zugleich spricht er das Gleichniswort von +seinem Leib. Es fehlt, wie bei Matthäus, das uns aus Paulus gewohnte +ὑπὲρ ὑμῶν und über Matthäus hinaus das φάγετε. + +Ist so im ersten Akt die ~Aufforderung zum Genuss~ in Hinsicht auf das +Gleichnis nicht ausdrücklich ausgesprochen, ~so fehlt sie im zweiten +vollständig.~ Es wird zuerst berichtet, dass Jesus allen den Kelch nach +dem Gebetswort herumgereicht habe und alle daraus getrunken haben (Mk +14 _23_). ~Darauf erst~ spricht er das Gleichniswort von dem für viele +vergossenen Blut (Mk 14 24). + +BRUNO BAUER war meines Wissens der erste, der darauf hingewiesen, dass +Markus statt der Aufforderung zum Trinken die ~Konstatierung~ bietet, +dass alle getrunken haben. Er sieht darin nur eine Abschwächung gegen +Matthäus, da Markus sich scheue, die Aufforderung Jesu in vollem Umfang +aufrecht zu erhalten. + +Dabei hat aber BRUNO BAUER nicht bemerkt, dass mit dieser Konstatierung +auch die gewöhnliche chronologische Folge vom Gleichnis zum Genuss +sich verschiebt, wodurch zugleich das uns geläufige kausale Verhältnis +zwischen Gleichnis und Genuss aufgehoben wird. Diesem Bericht zufolge +ist es unmöglich, dass Jesus oder die Jünger die Bedeutung des Trinkens +~aus dem Gleichnis herleiten~, weil dieses ja erst ~auf das Trinken +folgt~! + +Zu beachten ist ferner, wie das weihevoll (ἀμήν) und nachdrücklich +gesprochene eschatologische Schlusswort von dem Neutrinken in dem Reich +des Vaters sich eng an das Gleichniswort anschliesst! Es bildet den +Höhepunkt der Feier (V. _25_), worauf alsbald der Aufbruch erfolgt. + +~Diese eigenartigen Züge des Markusberichts sind bisher nicht +herausgearbeitet worden.~ Man hat ihn einfach nach den andern gedeutet. +Alle Berichte, so nahm man ohne weiteres an, bieten dieselbe Thatsache. +Beim letzten Mahl hat Jesus den Jüngern Brot und Wein so dargereicht, +dass sie die Elemente irgendwie als seinen Leib und sein Blut assen und +tranken. Das Fehlen des φάγετε bei Markus erklärte man daraus, dass +es sich von selbst verstehe. Die Eigentümlichkeit des zweiten Akts hob +man nicht einmal hervor, weil man sie — ohne sich davon Rechenschaft +zu geben — nach Matthäus und den andern interpretierte. + +Diese Annahme, dass der Markusbericht im Grunde dasselbe besage wie +die andern, ist ~eine der unbewiesenen Voraussetzungen~, mit denen die +bisherigen Abendmahlsauffassungen operierten. Wenn wir nämlich nur den +Markusbericht hätten, käme niemand auf den Gedanken, dass Jesus seinen +Jüngern Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut ausgeteilt und sie +zum Genuss in diesem Sinne aufgefordert habe. Man würde die zeitliche +Folge im ersten Akt nach der des zweiten auffassen und als Thatbestand +feststellen, dass Jesus ~im Verlauf der Austeilung des Brotes das +Gleichnis von seinem Leib und =nach= der Herumreichung des Bechers +das Gleichnis von seinem Blut gesprochen habe.~ Wenn wir aber einen +Bericht haben, wo Jesus dem strikten Wortlaut zufolge weder seinen +Leib noch sein Blut zum Genuss ausgeteilt hat, so dürfen wir ihn nicht, +als handle es sich um eine gewisse Nachlässigkeit und Sparsamkeit im +Ausdruck, nach den andern auslegen, sondern wir müssen ihn mit ihnen +vergleichen und eine Auseinandersetzung herbeiführen. Daraus ergibt +sich dann die Tragweite der Abweichungen. Entweder handelt es sich +um eine absolut ~unverständliche Schilderung~, die man, weil sie mit +dem feststehenden Thatbestand absolut keine Verwandtschaft hat, als +Kuriosum nicht weiter zu beachten braucht, oder — ~wir haben den +authentischen Bericht vor uns, von dem die Untersuchung ausgehen muss.~ +Diese Alternative ist nicht zu umgehen, sobald man sich die Eigenart +des Markusberichts klar gemacht hat. + + + + +Zwölftes Kapitel. + +=Der Vergleich der Berichte.= + + +=1. Das Prinzip der Gleichbildung.= + +Aeusserlich betrachtet zeigt sich die Eigenart des Markusberichts +darin, dass die beiden Akte an Umfang und Gesichtspunkten verschieden +sind. Der erste ist ganz kurz; er beschränkt sich auf das Gebetswort, +das Brechen zum Austeilen und die Gleichnisrede; der zweite enthält +das Gebetswort, die Austeilung, die Erwähnung des Genusses, die +Gleichnisrede, den Hinweis auf die Heilsbedeutung des Todes und +das eschatologische Schlusswort. Der Vergleich zeigt, dass bei +den andern Berichten die beiden Akte in steigendem Masse einander +~gleichgebildet werden~, sowohl dem Umfang nach, als auch hinsichtlich +der Gesichtspunkte, die sie enthalten. Wir erhalten zwei Parallelakte, +indem die Handlungen und Worte beim Wein genau denen beim Brot +entsprechen. + +Diese Gleichbildung erfolgt entweder so, dass die Momente des zweiten +Akts in den ersten eingetragen werden (Matthäus, Paulus, Lukas), oder +so, dass der zweite Akt nach Analogie des ersten zusammengezogen wird +(Justin). + + +=2. Der matthäische Bericht= (Mt 26 _26-29_). + +Matthäus befindet sich auf dem Wege zur Gleichbildung. Durch das φάγετε +ist die ausdrückliche Erwähnung des Genussmoments in den ersten Akt +aufgenommen. Da im zweiten an Stelle der Konstatierung ebenfalls die +Aufforderung zum Genuss getreten ist, so entsprechen sich beide Akte +in diesem Punkte vollkommen. λάβετε, φάγετε· τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου. +πίετε ἐξ αὐτοῦ πάντες· τοῦτο γάρ ἐστιν τὸ αἷμά μου. Die Gleichbildung +ist aber noch nicht vollständig vollzogen. Dem ersten Akt fehlt ein dem +Wort über die Bedeutung des vergossenen Bluts entsprechender Hinweis +(τὸ περὶ πολλῶν). Auch das eschatologische Wort, welches das Gleichnis +über dem Wein beschliesst, ist beim Brot noch nicht vertreten. + +Zudem zeigt das im zweiten Akt stehen gebliebene πάντες, dass hier +eine Konstatierung in eine Aufforderung umgesetzt worden ist. Bei +der Konstatierung muss ja notwendig erwähnt werden, dass sie alle +davon getrunken haben. Bei der Aufforderung aber ist das πάντες +selbstverständlich, oder — wenn es die Weihe der Aufforderung +nachdrücklich hervorheben soll — wie kann es dann beim Brot fehlen? +Hier wäre es wirklich gefordert, da Jesus nicht ohne weiteres annehmen +kann, dass alle das Stückchen Brot, das er ihnen darbietet, auch +wirklich essen, während er dem Herumgehen des Kelches mit dem Auge +folgt. Bei Paulus, Lukas und Justin ist dann das πάντες, als nicht mehr +von Belang, auch wirklich ausgefallen. + +Die Verbindung des eschatologischen Schlussworts mit dem Kelchwort nach +rückwärts, dem Aufbruch zum Leidensweg nach vorwärts ist bei Matthäus +noch gewahrt. Jedoch ist es mit dem Kelchwort nicht mehr durch das +gewaltige ἀμήν in Steigerung verbunden, so dass es, wie bei Markus, den +~Höhepunkt~ der ganzen Feier bildet, sondern es ist nur mehr eine mit +δέ ~beigeordnete Schlussbemerkung~ (Markus ἀμήν λέγω ὑμῖν, Matthäus +λέγω δέ ὑμῖν). + +So befindet sich die Gleichbildung bei Matthäus noch im Fluss. Bei +Paulus ist sie schon viel weiter fortgeschritten. + + +=3. Der paulinische Bericht= (I Kor 11 _23-26_). + +Hinter jedem Akt ist abschliessend angefügt: τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν +ἐμὴν ἀνάμνησιν. Durch Uebernahme eines auf die Bedeutung des Todes +hinweisenden Worts (τὸ ὑπὲρ ὑμῶν) gleicht sich der erste Akt dem +zweiten an. Nur das ἔκλασεν hat keine Parallele. + +Bei Markus und Matthäus beschloss das Wort von der Wiedervereinigung +beim Mahl im zukünftigen Reich den Spruch über dem Becher. Nur +scheinbar ist es bei Paulus ausgefallen. Er setzt es vielmehr als +Abschluss ~bei beiden Akten voraus:~ ὁσάκις γὰρ ἐὰν ἐσθίητε τόν ἄρτον +τοῦτον καὶ τὸ ποτήριον πίνητε, τὸν θάνατον τοῦ κυρίου καταγγέλλετε, +ἄχρι οὗ ἔλθῃ (V. _26_). + +~Bis dass er kommt~ — darin liegt die Erwartung des Kommens des Herrn +und des Anbruchs des Reiches. Dies darf man für die Erklärung des τοῦτο +ποιεῖτε εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν nicht ausser Acht lassen. Danach ist +die ἀνάμνησις doppelseitig: nach rückwärts eine Erinnerung an den Tod +Jesu, nach vorwärts ein Gedenken an seine Parusie. Die Feier gilt dem +Gekreuzigten, der als Messias bei seiner Ankunft offenbart werden wird, +als welcher er schon jetzt durch die Auferstehung zur Rechten Gottes +erhöht ist. + +Bedenkt man nun, dass die historische Relation des eschatologischen +Schlussworts im zweiten Akt abgefallen ist, dass aber nach der +Vorstellung Pauli beide Akte mit der Erwartung der Parusie in +Zusammenhang stehen, so liegt es nahe, in dem τοῦτο ποιεῖτε, als +Konstatierung oder als Wiederholungsbefehl gefasst, ~die paulinische +Form des beiden Akten beigesetzten eschatologischen Schlussworts zu +sehen.~ + +Für den ersten Akt ist dies eine künstliche Angliederung, da historisch +dieser Hinweis nur mit dem Kelchwort in Beziehung steht, wo der +Genuss konstatiert ist; der erste Akt mit seinem ἔκλασεν ist gar +nicht darauf angelegt. Daraus entsteht bei Paulus eine unerträgliche +grammatikalische Verwirrung. Die Parallele zu dem ὁσάκις ἐὰν πίνητε, +das erwartete ὁσάκις ἐὰν ἐσθίητε, fehlt in der Form des τοῦτο ποιεῖτε +von V. _24_. Unter dem ποιεῖν kann also für den ersten Akt nur das +erwähnte ~Brechen~ verstanden sein. Aus V. _25_ und _26_ geht aber +hervor, dass, dem ποιεῖν des zweiten Akts entsprechend, der Genuss, +nämlich das Essen, darunter verstanden werden muss. Grammatikalisch +allein berechtigt wäre: so oft ihr dieses Brot brechet und diesen Kelch +trinket; thatsächlich aber soll es bedeuten: so oft ihr dieses Brot +esset. So ist auch das γάρ zu verstehen, welches V. _26_ mit V. _24_ +und _25_ zugleich verbindet, sofern es als Wiederholung der dort von +Jesu gemeinten Handlung das Essen und Trinken voraussetzt. + +Die Gleichbildung ist also trotz des latenten Widerstandes des ersten +Aktes erreicht. An beide Gleichnisse schliesst sich das Wort von der +Heilsbedeutung des Todes und der eschatologische Hinweis an. + +Dabei entgeht Paulus durch die Form, in der er diesen Hinweis bietet, +einer grossen Schwierigkeit. Dieses Wort ist in der ursprünglichen +Gestalt ein ~Schlusswort.~ Fügt man es in dieser Form dem ersten Akt +an, so wird die Handlung in der Mitte auseinander gerissen, da dann +Jesus schon beim Brot die Feier beschliesst. Diese Schwierigkeit hat +Lukas gefühlt, als er die paulinische Vorstellung in den synoptischen +Bericht zu übertragen unternahm. + + +=4. Der lukanische Bericht= (Lk 22 _14-20_). + +Lukas bringt zuerst das eschatologische Schlusswort in direkter Rede +für beide Akte. Für das Kelchwort lag die Form der älteren Synoptiker +vor. Er nimmt die Matthäusform, weil er die Aufforderung zum Genuss, +welche Paulus nicht bietet, voraussetzt. Durch die Auslassung des +Wortes vom Blut wird folgendes Kelchwort hergestellt Lk 22 _17_ u. +_18_: καὶ δεξάμενος ποτήριον εὐχαριστήσας εἶπεν· λάβετε τοῦτο καὶ +διαμερίσατε εἰς ἑαυτούς· λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ πίω ἀπὸ τοῦ νῦν ἀπὸ +τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ. + +Der Versuch nimmt sich gut aus; das διαμερίσατε hat zugesetzt werden +müssen, damit man die später folgende Darreichung des Kelches (V. +_20_) nicht vorwegnehme; das eingefügte γάρ stellt in Verbindung mit +dem διαμερίσατε zur Not einen logischen Gedankenzusammenhang her; +das καινόν (vgl. Mt 26 _29_) blieb besser weg, weil dieses Adjektiv +nachher als erklärender Zusatz zu διαθήκη figuriert; der Farbenton der +eschatologischen Aussage ist etwas verblasst (Matthäus ἕως τῆς ἡμέρας +ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω μεθ' ὑμῶν καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ πατρός μου· +Lukas ἕως ὅτου ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔλθῃ). + +Schwieriger war die Formulierung des eschatologischen Schlussworts für +den ersten Akt, da hier kein behauenes Material vorlag und das Wort +über dem Brot seinen Widerstand gegen die aufgezwungene Verbindung mit +irgend einem eschatologischen Hinweis schon bei Paulus hinreichend +bekundet hatte. Ein einziger Ausweg bot sich dar: das eschatologische +Schlusswort, da es einmal für die Handlung des Essens gefordert war, +auf die ganze Mahlzeit zu beziehen. Dieser Fassung kam der Gedanke +zu Hülfe, dass möglicherweise die historische Feier ein Passahmahl +gewesen; das neukonstruierte eschatologische Schlusswort für das Essen +bezieht sich bei Lukas also auf das Passahmahl, das Jesus mit den +Seinen feiert. _15_ καὶ εἶπεν πρὸς αὐτούς· ἐπιθυμίᾳ ἐπεθύμησα τοῦτο τὸ +πάσχα φαγεῖν μεθ' ὑμῶν πρὸ τοῦ με παθεῖν· _16_ λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι οὐ μὴ +φάγω αὐτὸ ἕως ὅτου πληρωθῇ ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ. + +Die Benutzung des Passahgedankens ermöglicht Lukas, eine Mahlfeier +darzustellen, ~bei der sowohl das Essen als das Trinken einen +eschatologischen Hinweis erhalten.~ Dabei wird aber die historische +Feier auseinandergerissen! Zuerst kommen die beiden eschatologischen +Worte; sie werden in den Verlauf der Passahmahlzeit gerückt. Das erste +bildet zugleich eine stimmungsvolle Einleitung. Von dem Wort über dem +Brot wird dadurch nichts vorausgenommen: nur mit dem Wort über dem +Becher hat es seine Schwierigkeit. Um das Kelchwort, welches dann bei +der eigentlichen historischen Feier eintritt, von dem vorhergehenden, +welches im Rahmen des Passahmahls verlief, genau abzuheben, wird es +in der paulinischen Form berichtet: τὸ ποτήριον μετὰ τὸ δειπνῆσαι +λέγων· τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐν τῷ αἵματί μου: soweit +geht die Uebereinstimmung. Nun ist aber der eschatologische Hinweis +nach Paulus (I Kor 11 _24_ u. _25_ τοῦτο ποιεῖτε etc.) schon beim +ersten Passah-Kelchwort verbraucht; deswegen wird hier nach Matthäus +zurückmoduliert und τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενον eingesetzt; aus diesem +Grunde war schon an Stelle des paulinischen ἐν τῷ ἐμῷ αἵματι das +altsynoptische ἐν τῷ αἵματί μου eingetreten. + +Der erste Akt wird nach Paulus beschrieben; aus den Synoptikern ist die +ausdrückliche Erwähnung der Darbietung (ἔδωκεν-διδόμενον) eingedrungen. +Das τοῦτο ποιεῖτε ist stehen geblieben, weil das eschatologische Wort +hinsichtlich des Essens sich auf das Passahmahl allgemein bezieht. + +Der Bericht des Lukas erklärt sich litterarisch einfach als ein +Versuch, die bei Paulus erreichte Gleichbildung der beiden Akte +unter Zuhülfenahme des Zusammenhangs der historischen Feier mit dem +Passahmahl in die synoptische Geschichtserzählung zurückzutragen. +Daraus resultiert dann folgender Verlauf der Feier: Jesus weist zu +Anfang des Passahmahls darauf hin, dass er es erst im Gottesreiche +wieder mit den Jüngern feiern wird. Solches wiederholt er beim ersten +Herumreichen des Kelches. Bei einer Brotdarreichung im Verlaufe der +Feier spricht er das Gleichnis von seinem Leibe, desgleichen beim Kelch +das Gleichnis von seinem Blute. Beide Akte sind absolut gleich durch +die Geltendmachung des Heilswertes der Dahingabe (V. _19_ τὸ ὑπὲρ +ὑμῶν διδόμενον, V. _20_ τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενων). Auch bei dieser +Gleichbildung geht es ohne stilistische Härte nicht ab, sofern nämlich +im zweiten Akt von einem vergossenen Kelch die Rede ist, während das +Blut gemeint ist. + +Wie bei Paulus werden beide Akte durch das τοῦτο ποιεῖτε abgeschlossen. +Wir haben also eine bis auf den gemessenen Rythmus in der Sprache sich +erstreckende Gleichbildung. Freilich ist dabei der Schluss der Feier +verloren gegangen. Das stolze Wort von dem Wiedertrinken in des Vaters +Reich ist schon für den Anfang der Passahfeier verbraucht, statt dass +es, wie bei Markus und Matthäus, zum Aufbruch überleitet. Dafür finden +hier die Episoden von der Bezeichnung des Verräters, dem Rangstreit +und der Verwarnung des Petrus ihren Platz (Lk 22 _21-38_), wobei die +Schilderung des feierlichen Aufbruchs nach dem Lobgesang (Mk 14 _26_ += Mt 26 _30_) unterbleibt. »Er ging nach seiner Gewohnheit an den +Oelberg« (Lk 22 _39_: καὶ ἐξελθὼν ἐπορεύθη κατὰ τὸ ἔθος εἰς τὸ ὄρος τῶν +ἐλαιῶν). + +Eine originelle Auffassung von dem Wesen der historischen Feier liegt +dieser Darstellung nicht zu Grunde. In keinem Falle ist sie aus dem +Bestreben hervorgegangen, die Trennung des »Abendmahls« von der +gemeinsamen religiösen Mahlzeit, welche bei Paulus angebahnt sein +soll, historisch zu begründen! Dieser formlose Bericht ist nur aus dem +Prinzip παρηκολουθηκότι ἄνωθεν πᾶσιν ἀκριβῶς καθεξῆς γράψαι(Lk 1 3) zu +erklären. + +Es ist daher nicht zu erwarten, dass durch Streichung oder +Versversetzung aus der lukanischen Darstellung sich ein Bericht +gewinnen lässt, der auf eine originelle ältere Vorstellung der +historischen Feier zurückgeht. Mehr als durch solche Versuche wird +man dem Wert der lukanischen Darstellung gerecht, wenn man das +schriftstellerische Geschick, das ästhetische Feingefühl und den +liturgischen Schwung würdigt, von denen diese Schilderung Zeugnis gibt. + + +=5. Der justinische Bericht= (I Apol. 66). + +Hier vollzieht sich die Gleichbildung durch Verkürzung des zweiten Akts +nach Analogie des ersten. Die berichtete Feier beschränkt sich auf zwei +rätselhafte Worte Jesu. Nach einem Dankgebet über dem Brot spricht er: +»dies ist mein Leib«, desgleichen beim Kelch: »dies ist mein Blut« +(τὸν Ἰησοῦν λαβόντα ἄρτον εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν +ἀνάμνησίν μου, τοῦτό ἐστι τὸ σῶμά μου. καὶ τὸ ποτήριον ὁμοίως λαβόντα +καὶ εὐχαριστήσαντα εἰπεῖν· τοῦτό ἐστι τὸ αἷμά μου). + +Es fehlt das Brechen des Brots, der Hinweis auf den Wert der Dahingabe +und die Hervorhebung des erwarteten oder erfolgten Genusses im zweiten +Akt. Auch das eschatologische Schlusswort ist ausgefallen. Nur beim +ersten Akt findet sich das τοῦτο ποιεῖτε in der paulinischen Form, +wobei aus τὴν ἐμὴν ἀνάμνησίν (I Kor 11 _24_) τὴν ἀνάμνησίν μου geworden +ist. + +Hier steigert sich aber der Widerstand des ersten Akts gegen einen +derartigen Eintrag bis zur Unerträglichkeit. Worauf soll sich das +ποιεῖν beziehen? Auf das vorausgehende Gebetswort? Das Brechen ist +nicht erwähnt, der Genuss vorausgesetzt, aber nicht hervorgehoben. So +ist das τοῦτο ποιεῖτε hier für die grammatikalische Auslegung sinnlos +und die Erwähnung desselben ~bei dem ersten Akt allein~ unverständlich. + +Bei dieser verkürzten Darstellung ist die ganze historische Situation +interesselos geworden. Zwar erwähnt Justin Dial. 41, 70 und 117, dass +in der Gemeindefeier auch die Erinnerung an Jesu Tod mit hereinspielt. +In seinem Bericht aber fehlt jede Andeutung, dass dieses Mahl in der +Nacht vor dem Tod stattgefunden hat. + +Aus dem »justinischen Bericht« allein wüssten wir also nur, dass Jesus +bei einem Mahle, nachdem er das Dankgebet über dem Brot gesprochen, +seinen Jüngern geboten habe, diesen Brauch zur Erinnerung an ihn +festzuhalten; danach habe er fortfahrend das gesegnete Brot als seinen +Leib und den gesegneten Kelch als sein Blut bezeichnet. + + + + +Dreizehntes Kapitel. + +=Die Authentie des Markusberichts.= + + +=1. Der Beweis.= + +Authentisch ist ein Bericht, ~welcher in keiner Weise durch die +Vorstellung von der Gemeindefeier beeinflusst ist.~ Der Markusbericht +ist authentisch, weil sich dieser Nachweis für ihn führen lässt. + +Worauf beruht die ~Gleichbildung der beiden Akte~, welche alle +andern Berichte, wenn auch der Art und dem Grad nach verschieden, +im Unterschied zu Markus aufweisen? Auf dem Einfluss, welchen die +altchristliche Feier auf die Vorstellung der historischen ausübt. Die +Gemeindefeier war eine Mahlzeit, bei der dem Essen dieselbe Bedeutung +zukam wie dem Trinken. Ganz natürlich übertrug sich dies auf die +historische Feier. Man wusste also nicht anders, als dass Jesus beim +Brot und beim Wein in genau entsprechender Weise gehandelt und geredet +haben musste, sofern in der abgeleiteten Feier die gleiche Wertung des +Essens wie des Trinkens konstatiert wurde. So war die Gleichbildung der +beiden Akte für die historische Feier von der urchristlichen gefordert. + +Besässen wir nun den Markusbericht nicht, so würden wir an der +Gleichheit der beiden Akte nichts Besonderes finden, da dies auch +unserem Empfinden als das Natürlichste erscheint. Alle modernen +Rekonstruktionsversuche der »ursprünglichen Einsetzungsworte« vertreten +die Gleichbildung ebenfalls. Wir sind also auch geneigt, die Gleichheit +der beiden Akte ohne weiteres für selbstverständlich zu halten. + +Nun zeigt aber der Markusbericht, dass die Gleichheit der beiden +Akte nicht selbstverständlich ist. Also muss man entweder für die +Ungleichheit derselben bei ihm oder für die Gleichheit bei den andern +eine Erklärung suchen. Dabei ergibt sich, dass man wohl die andern +aus dem Markusbericht ableiten kann, ~nicht aber umgekehrt.~ Matthäus +und Paulus — der Lukasbericht ist ein rein litterarisches Produkt +— stellen die Feier nach dem zweiten Akt des Markus dar, Justin +nach dem ersten. Bringt man bei jedem die Gleichbildung der beiden +Akte entsprechend in Abrechnung, wozu die grammatikalischen Härten +und Unmöglichkeiten Anweisung geben, ~so erhält man jedesmal den +Markusbericht.~ + +Dabei zeigt sich in der Gleichbildung der beiden Akte noch eine +gewisse Entwicklung. Dass sie bei Matthäus noch nicht vollständig +durchgeführt ist, lässt erkennen, dass die Gleichheit der Akte nicht +das Ursprüngliche ist. Also muss sie ihren Grund in der historischen +Anschauung der alten Zeit haben, welche diese Berichte ~formuliert~ +hat. Da dieser allein in dem Mahlzeitcharakter der Essen und Trinken +gleichwertenden Gemeindefeier gegeben sein kann, steht fest, ~dass +diese Berichte durch das Medium der altchristlichen Auffassung der +Gemeindefeier hindurchgegangen sind. Markus steht ausserhalb dieses +Prozesses, weil er die Gleichbildung nicht aufweist; also ist er +authentisch.~ + +Dass die Vorstellung der historischen Feier bei Paulus und Justin +in einem sehr hohen Masse durch die Auffassung der Gemeindefeier +bedingt ist, liegt auf der Hand. Der historische Bericht ist bei ihnen +ja nur Mittel zum Zweck. Er soll eine bestimmte Anschauung von der +Gemeindefeier vertreten. Die Art, wie sie beide in Verbindung setzen, +geht weit über unsere Begriffe hinaus. Wir verstehen die Gemeindefeier +immer nur als eine entsprechende ~Wiederholung~ der historischen, +sofern sie aus der letzteren begründet wird. Paulus und Justin setzen +beide gleich, indem sie die Gemeindefeier mit der historischen Feier +gegeben sein lassen. Dabei entstehen dann Gedankengänge, die für uns +ganz überraschend sind. + +Es handelt sich um I Kor 11 _26_. In V. _24_ und _25_ vollzieht Jesus +die Einsetzung. Wer redet in V. _26_? Das γάρ, sofern es sich zum +Vorhergehenden begründend verhält, schliesst den Subjektswechsel aus. +Der Ausdruck τὸν θάνατον τοῦ κυρίου zeigt aber an, dass die historische +Situation verlassen ist und Paulus von der Gemeindefeier redet. Dazu +passt aber das γάρ nicht, denn was für die Gemeindefeier gilt, ist +nicht eine ~Begründung~ zu den Worten Jesu, sondern eine ~Folgerung~ +aus dem historischen Spruch. In diesem Satz vollzieht also Paulus den +Uebergang von der historischen Feier zur Gemeindefeier so, dass er +beide für einen Augenblick gleichsam zusammenschiebt. + +Darum schmilzt er zwei Sätze, von denen der erste der historischen +Situation, der zweite der Darlegung über die Gemeindefeier angehört, +ineinander. + + 1. Jesus zu den Jüngern im Anschluss an die Gleichnisse: »denn + (γάρ) so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem Wein + trinket, verkündet ihr meinen Tod, bis dass ich komme.« + + 2. Paulus der Gemeinde das Wesen ihrer Feier aus der historischen + erklärend: »Darum (ὥστε), so oft ihr von diesem Brot esset und + von diesem Wein trinket, verkündet ihr des Herrn Tod, bis dass er + komme.« + +Justin bietet ein Seitenstück zu diesem schillernden Uebergang. Er +fasst in der berühmten Darlegung I Apol. 65 und 66 die historische +Feier und die Gemeindefeier in einem gemeinsamen Ausdruck zusammen, +indem er sie bezeichnet als: ἡ δι' εὐχῆς λόγου τοῦ παρ' αὐτοῦ (sc. +Jesu) εὐχαριστηθεῖσα τροφή. Dieser Ausdruck bekundet eine Gleichsetzung +der beiden Feiern, die weit über unseren Begriff der entsprechenden +Wiederholung hinausgeht. Die Speise bei der Gemeindefeier ist, wie bei +der historischen, durch Jesu Gebetswort geheiligt. Ein Unterschied +besteht also nicht. + +Was die Gleichbildung der beiden Akte anzeigt, wird durch die +Argumentierung, mit welcher Paulus und Justin die Gemeindefeier mit +der historischen Feier verbinden, bestätigt: Sie sehen die historische +Feier nur in der Beleuchtung der Gemeindefeier. + +Solange die Textvergleichung ausschliesslich auf die Entdeckung der +wahrscheinlichsten und ansprechendsten Form der ~Einsetzungsworte~ +ausging, bestand die Vorstellung der Möglichkeit einer paulinischen +oder justinischen Sondertradition zu Recht, da beide »die +Einsetzungsworte« in sowohl unter sich unabhängigen als von den beiden +älteren Synoptikern grundverschiedenen Fassungen boten. Prüft man aber +die ~Berichte als Berichte~, frägt man sie, ohne den verlockenden +Anpreisungen ihrer »Einsetzungsworte« Gehör zu geben, was sie von +dem Verlauf und dem Wesen des gesamten historischen Vorgangs, bei +welchem diese Gleichnisse geredet wurden, wissen, dann ist es mit der +Scheinoriginalität aus. Es zeigt sich, dass sie sich die historische +Feier der ihnen geläufigen Gemeindefeier entsprechend vorstellen, +nur dass Jesus dabei Speise und Trank austeilt und die bekannten +Gleichnisse redet. Also geht auch ihre Fassung »der Einsetzungsworte« +nicht auf eine paulinische oder justinische Sondertradition zurück, +sondern sie ist geschichtlich aus der vorausgesetzten Gemeindefeier zu +erklären. Paulus und Justin differieren in ihren »Einsetzungsworten«, +weil und insofern die justinische von der paulinischen Gemeindefeier +differiert. Zwischen beiden muss in der Auffassung der Feier eine +Wandlung eingetreten sein. + +So führt die neue Problemstellung eine neue Auffassung der Authentie +mit sich, welche sich nicht mehr auf ~Meinungen, sondern auf Gesetze~ +gründet. Als authentisch gilt nicht mehr die kürzeste oder scheinbar +klarste Relation »der Einsetzungsworte«, ~sondern die Darstellung des +gesamten historischen~ Vorgangs, für welche eine Beeinflussung durch +die Gemeindefeier nicht nachgewiesen werden kann, ob uns nun die +betreffende »Einsetzungsformel« zusagt oder nicht. + +Bisher galt es für interessant, mit einer gewissen skeptischen +Nonchalance die Behauptung hinzuwerfen, dass wir über die Authentie +der Berichte niemals etwas wissen können. Selbst wenn unter unseren +Berichten ein authentischer sich befände, so hätten wir doch kein +Mittel, ihn unter den andern herauszufinden. Durch die neue Auffassung +der Authentie ist diese Skepsis abgethan. Wir besitzen einen +authentischen Bericht. Wer es bestreiten will, muss nachweisen, dass +der Markusbericht ein durch die andern Darstellungen desavouiertes +Phantasieprodukt ist. Authentisch oder sinnlos: das ist die einzig +offene Alternative. + + +=2. Die Folgerungen aus der Authentie des Markusberichts.= + +Die neue Auffassung der Authentie bezeichnet den ersten Erfolg der +neuen Problemstellung. Er öffnet dem neuen Lösungsversuch den Weg. +Jesus forderte die Jünger auf, seinen Leib zu essen und sein Blut zu +trinken: dieser angenommene gemeinsame Thatbestand aller Berichte +schien den Weg zu versperren. Durch die Authentie des Markusberichts +wird aber dieser Scheinthatbestand ausser Kraft gesetzt. Es ist +historisch bestätigt, was aus der Kritik der modernen Auffassungen +geschlossen wurde: Jesus hat seine Jünger nicht aufgefordert, seinen +Leib und sein Blut zu geniessen, sondern er hat die Gleichnisworte im +Verlauf, nicht vor dem Genuss gesprochen. Das Kelchwort kommt erst, +nachdem alle getrunken haben! + +Also haben wir einen Bericht, bei dem das Wesen der Feier nicht auf den +Gleichnissen, sondern auf dem feierlichen Vorgang beruht. Das hatte die +neue Problemstellung gefordert. Nun ist es Thatsache geworden. ~Also +ist das Abendmahlsproblem für die historische Kritik lösbar.~ + + +=3. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis im Abendmahl.= + +Die Bedeutung der Darreichung der Genusselemente bleibt vorerst +rätselhaft. Nur das Negative ist klar, dass nämlich die Gleichnisse +nicht aus der symbolischen Handlung des Brechens und aus dem +vorausgesetzten Ausgiessen des Weins an sich erklärt werden dürfen. +Das darstellende Moment spielt in den Berichten keine Rolle und +verschwindet zuletzt ganz, wie der justinische Text zeigt, wo das +Brechen nicht einmal mehr erwähnt wird. + +Wollte man die Gleichnisse nach dem authentischen Markustext deuten, so +müsste man das erste aus dem Brechen, das zweite aus der Thatsache, +dass alle Jünger getrunken haben, erklären. Man bekäme also zwei ganz +verschieden geartete Gleichnisse. + +Die Gleichnisse vom Leib und Blut müssen aber irgendwie den +Leidensgedanken enthalten. Dass Jesus damit das Geheimnis seines +Leidens zum letztenmal ausgesprochen hat, ist in den Umständen dieses +letzten Zusammenseins gegeben. Wenn wir also die Gleichnisse nicht +richtig zu verstehen vermögen, kann dies nur daran liegen, dass wir das +~Geheimnis des Leidensgedankens~ falsch auffassen. + +Nun ist es die Eigentümlichkeit aller modern-historischen +Abendmahlsauffassungen, dass sie in der Feier ~den eschatologischen +Gedanken~ nicht zur Geltung bringen. Sie verwenden das Wort von dem +Neutrinken in des Vaters Reich nicht als eine das Wesen jenes letzten +Mahls mitkonstituierende Aussage, sondern machen daraus bestenfalls ein +Anhangswort. + +Im Markustext nimmt es aber eine Hauptstellung ein. Es ist das mit +erhobener Stimme feierlich und eindringlich gesprochene Schlusswort +der Feier. Dabei hängt es mit dem Wort vom vergossenen Blut eng und +unzertrennlich zusammen, so dass es mit ihm einen einzigen Gedanken +zu bilden scheint. ~Diese enge Verbindung zwischen dem Todes- und +Wiederkunftsgedanken ist charakteristisch für den zweiten Akt der +Situation bei Markus.~ + +Demselben Zusammenhang begegnen wir aber auch bei Paulus und zwar in +beiden Akten. Nach ihm — und er beruft sich dabei ausdrücklich auf den +historischen Hergang — besteht die Bedeutung des Essens und Trinkens +irgendwie in der Verkündigung des Todes des Herrn zugleich mit der +Erwartung seiner Parusie. »So oft ihr dieses Brot esset und diesen Wein +trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis dass er komme.« + +In der authentischen Relation der historischen Feier und in der +ältesten Relation der Gemeindefeier haben wir also beidemal +eine organische Verbindung zwischen dem Leidensgedanken und der +eschatologischen Erwartung. Es ist daher falsch, das Wesen der Feier +in der letzten Aussprache des Todesgedankens allein zu finden. +~Nicht von seinem Tod, sondern von seinem Tod und der baldigen +Wiedervereinigung mit ihnen beim Mahle im neuen Reich~ hat Jesus zu +den Seinen geredet. Das Geheimnis seines Todes, welches bei dieser +Feier in der ergreifendsten und erhebendsten Weise zum letztenmal +von Jesus ausgesprochen wurde, enthält den Leidensgedanken im engsten +Zusammenhang mit der eschatologischen Erwartung. + +Die modern-historischen Abendmahlsauffassungen sind also unhistorisch, +weil der Leidensgedanke, mit dem sie operieren, keinen Zusammenhang +mit der Eschatologie aufweist. Darum können sie den wesentlichen +Grundzug der historischen Feier und der ältesten Gemeindefeier nicht +zum Ausdruck bringen. Um das Wesen des letzten Mahles zu begreifen, +bedarf es daher eines Einblicks in den eschatologischen Charakter des +Leidensgeheimnisses Jesu. Diesen kann man nicht aus der Feier selbst +gewinnen, da Jesus dort das Geheimnis im Gleichnis ausspricht. Das +Gleichnis aber vermögen wir nicht zu deuten. + +~Beim letzten Mahl handelt Jesus als Messias, und zwar als leidender +Messias.~ Wenn wir sein Handeln nicht verstehen, so liegt dies mithin +daran, dass wir sein Messianitäts- und Leidensgeheimnis falsch +verstehen. Das Abendmahl kann nur aus dem Zusammenhang des Lebens Jesu +begriffen werden. Unsere Abendmahlsauffassungen sind falsch — ~also +ist die Auffassung des Lebens Jesu, welche uns dazu geführt hat, auch +falsch.~ + +Das Abendmahlsproblem ist das Problem des Lebens Jesu! Eine neue +Abendmahlsauffassung kann nur aus einer neuen Auffassung des Lebens +Jesu hervorwachsen, welche das Messianitäts- und Leidensgeheimnis so +enthält, dass sein feierliches Handeln beim letzten Mahle begreiflich +und verständlich wird. ~Ein neues Leben Jesu:~ das ist der einzige Weg +zur Lösung des Abendmahlsproblems. + + + + +Anmerkungen zur Transkription: + +Die erste Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthält die +Korrektur. + + +S. XV: + + 3. Das Ergebnis des Textkritik + 3. Das Ergebnis der Textkritik + +S. 13: + + Vergleiche zum folgenden den verhängnisvollen Vortrag + Vergleiche zum Folgenden den verhängnisvollen Vortrag + +S. 17: + + sondern auf einer eschatologichen Vorstellung vom Endmahl + sondern auf einer eschatologischen Vorstellung vom Endmahl + +S. 25: + + wenn der Fall an sie herantritt, im stande seien, ihrerseits ihre Seele + wenn der Fall an sie herantritt, imstande seien, ihrerseits ihre Seele + +S. 54: + + τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαδήκη ἐν τῷ αἵματί μου + τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐν τῷ αἵματί μου + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem +Leben Jesu und der Geschichte des Urc, by Albert Schweitzer + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44366 *** |
