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+The Project Gutenberg EBook of Kurze Aufsätze, by Annette Kolb
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Kurze Aufsätze
+
+Author: Annette Kolb
+
+Release Date: November 21, 2013 [EBook #44251]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZE AUFSÄTZE ***
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+
+Produced by Jens Sadowski
+
+
+
+
+
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+
+
+ KURZE
+ AUFSÄTZE
+ VON
+ ANNETTE KOLB.
+
+
+ MÜNCHEN 1899.
+ ZU BEZIEHEN DURCH
+ ULRICH PUTZE,
+ BRIENNERSTRASSE 8.
+
+ Bruckmann'sche Buch- und Kunstdruckerei, München.
+
+
+
+
+INHALT.
+
+
+ 1. Der Zufall Seite 5
+ 2. Der Frosch " 15
+ 3. Adam und Eva " 19
+ 4. Le revenant " 23
+ 5. L'Oracle " 29
+ 6. Herbstlied " 33
+ 7. Der Walchensee " 35
+ 8. Die Heruntergekommenen " 39
+ 9. Skizze " 43
+ 10. Das Traumbuch " 49
+
+
+Musikalisches:
+
+ 11. Eine musikalische Betrachtung " 57
+ 12. Nemesis " 63
+ 13. Skizze über die Stellung des heutigen Pianisten " 67
+ 14. Epilog " 75
+
+
+
+
+DER ZUFALL?
+
+
+Was giebt es unvermeidlicheres, berechneteres und dabei natürlicheres wie
+den Zufall?
+
+Was ist abgefeimter und grausamer oder gütiger? Wir können ihn weder
+anklagen, noch ihm danken. -- Nie können wir ihn überführen, ihm die Maske
+entreissen und sagen: »Dies hast du gewollt und über mich gebracht.« --
+Denn die natürlichste Verkettung der Dinge hat es herbeigeführt.
+
+Was sollen wir mit diesem raffinierten Zufall anfangen, der unsere Schritte
+lenkt und doch nur als ein leerer Schleier in unsern Händen bleibt? -- Am
+besten ist es wohl, ihm zu vertrauen; allein man lernt dies nur nach
+Jahren, und nach geprüften Jahren. Erst treibt es uns, ihn gewaltsam
+herbeizuführen, unsern Willen dem seinen gegenüberzustellen, und dann erst
+wird der Zufall so recht feindselig und allmächtig!
+
+Was hängt er nicht alles an eine Begegnung? Ob wir eine Minute früher oder
+später in diese Gasse bogen, mag über eine unbeschreibliche Reihe von
+Unglückstagen entscheiden -- sie von uns abwenden oder über uns bringen.
+
+»Es giebt keinen Zufall!« -- sagt Schillers Wallenstein. Aber damit sagte
+er schon zu viel; denn der Zufall entzieht sich uns so fern, dass er nicht
+einmal _diese_ Behauptung ermöglicht.
+
+Als ich in Paris anfing, mit dem Gedanken umzugehen, ich wäre am liebsten
+wieder zu Hause, erhielten wir eines Tages aus Marseille einen sorgfältig
+verpackten Schlüssel und einen Brief. Es war ein Angebot, die Wohnung einer
+Dame zu beziehen, währenddem diese im Süden weilte und ihr schöner Flügel
+wurde ganz besonders gerühmt, aber wir machten von all dem keinen Gebrauch,
+denn es kam so vieles dazwischen.
+
+Da plagte mich eines Morgens ein unverkennbares Heimweh. Wir wohnten in
+einer jener engen Strassen, die den Himmel versperren und die Menschen
+zusammendrängen wie auf einem Schiff. Draussen war es regnerisch und
+schwül, und ich sehnte mich fort; da fühlte ich zufällig unter meinen
+Fingern den Schlüssel jener Wohnung, und um mich gewaltsam aus der Stimmung
+zu reissen, in der ich mich befand, machte ich mich zur Stelle auf den Weg
+nach diesem Hause. --
+
+Als ich aber dort die ziemlich hochgelegene Wohnung betrat, lag sie in so
+rabenschwarzer Nacht, dass ich alsbald wieder hinunterging, um mir bei dem
+Concierge ein Licht zu verschaffen.
+
+Dieser hatte indes seine Loge verlassen, und ohne auf ihn zu warten,
+zündete ich mir eine Kerze an und eilte wieder hinauf. --
+
+Auch nicht ein Schimmer des Tageslichtes drang in diese Räume! Eiserne,
+verriegelte Läden schlossen es gänzlich ab, und der Lärm von Paris klang da
+gar seltsam herein, denn öde war es hier! -- Als hätte ein Unglück die
+Bewohner plötzlich vertrieben, so dass sie alles liessen wie es war, nur
+dem Lichte wehrend, bevor sie flohen. Denn nichts war aufgeräumt. Im ersten
+Zimmer stand ein blauseidnes Bett aufgeschlagen und bestaubt, vom Baldachin
+hing eine lange Kordel zerrissen herab. Die Kerze beleuchtete nur immer
+dürftig eine einzige Stelle, aber im Vorübergehen sah ich Gegenstände
+verwahrlost herumliegen, zertrümmertes Krystall, zierliche Louis XV.-Möbel
+und einen offenen Schrank. Es war, als ob hier Diebe gehaust hätten, und
+als seien sie dann in der Hast über alles davongestiegen. So unheimlich war
+der Anblick all dieser Zimmer, dass ich, ohne mich länger umzusehen, den
+Salon suchte, wo der Flügel stehen musste, um dann schleunigst wieder
+fortzukommen. Ich entdeckte ihn denn auch, zwischen zwei Fenstern stehend
+und von einer Decke geschützt. Als ich diese zurückschob, hob sich ein
+Schwarm von vielleicht tausend Flöhen und stieb in gerader Linie auf mich
+los.
+
+Ich fuhr zurück -- wahrscheinlich zu rasch -- die Kerze verlosch! --
+
+Was dies für mich bedeutete, war mir sofort klar. Denn ich hatte im
+unverantwortlichen und unbegreiflichen Leichtsinn die Zündhölzer unten
+gelassen. --
+
+Nie aber würde ich in dieser Finsternis die Hausthüre finden, und wenn ich
+sie fände, niemals unterscheiden -- den Weg zurück wusste ich nicht. Es
+waren so viele Zimmer gewesen und kein Gang. Alles ineinand geschachtelt,
+wie es in französischen Wohnungen oft ist. Ich tastete nach dem Schlüssel,
+aber der Schrecken hatte mir alle Erinnerung benommen. Ich fand ihn nicht
+mehr.
+
+Mit den Händen fuhr ich der Wand entlang bis zum Fenster, allein die Läden
+mussten einen eigenen Verschluss haben und schnitten mir in die Finger,
+ohne zu rücken. Behutsam ging ich vorwärts, vielleicht drang doch in irgend
+eine Kammer ein Schimmer von Licht und war von dort aus ein Zeichen
+möglich, aber überall war Finsternis und Staubgeruch als läge ich tief
+unter der Erde.
+
+Der Concierge würde den Leuchter kaum vermissen, den ich unter vielen
+andern aus seiner Loge fortnahm, keinesfalls aber auf mich geraten und die
+Meinen hatten keine Ahnung wohin ich gegangen war, denn als ich von Hause
+fortging war ich allein gewesen. -- So war zwar meine Rettung lange noch
+möglich, noch grösser aber die Gefahr, dass ich hier verschlossen und
+vergessen bliebe.
+
+Meine Wanderungen nach der Hausthüre begannen von neuem. Griffe ich sie, so
+wollte ich dort stehen und rufen. Allein ich fand sie nicht!
+
+Es liess sich keine Thüre von der andern erkennen, kein Zimmer, keine
+Kammer. Einige waren versperrt. Wie in einer Falle irrte ich blind umher
+und wurde immer unfähiger, mich zu orientieren; denn von den Räumlichkeiten
+hatte ich die Verhältnisse nicht entnommen, und der Ausgangspunkt war mir
+längs verloren.
+
+So musste ich mich meinem Schicksal ergeben. Die Zeit verging, und wie
+rings um mich, so war es jetzt auch in meinem Herzen Nacht. Aber statt der
+Verzweiflung kamen mir da plötzlich Gedanken: Was für einen Sinn hätte denn
+ein solcher Abschluss? Welche Deutung konnte ich meinem Tode abgewinnen?
+
+In meinem Leben konnte ich nichts entdecken, aber dies Leben selbst
+erschien mir da merkwürdigerweise wie ein arger Schuldbrief, und ich werde
+wohl nie mehr so tief und ruhig zu denken vermögen, wie in jenem so hoch
+über der Erde gelegenem Grab!
+
+Wie spät es geworden sein mochte ahnte ich nicht. Immer wieder begannen
+meine finsteren Wanderungen, mein Tasten nach Thüren und mein Rufen. Meine
+eigne Stimme versetzte mich in solche Angst, dass es wie wahnsinnig in
+meinen Schläfen pochte. Den Hunger sah ich schon als meinen Gefährten, und
+heiss und blutig drang mir's nun ins Gehirn. -- Und wie betäubt stiess ich
+zuletzt gegen eine scharfe Kante und empfand etwas Kaltes unter meinen
+Händen.
+
+Daraus schloss ich, dass ich mich wieder in einem Zimmer befand, denn dies
+fühlte sich wie ein marmorner Tisch. Ich fasste ihn mit der andern Hand: da
+durchzuckte mich jäh eine wilde, triumphierende Lebensfreude. Was da meine
+suchenden Finger ergriffen hatten, war -- eine Zündholzschachtel!
+
+Zitternd fachte ich eines an und starrte jetzt auf ein gespenstiges Wesen,
+das mit hohlen Augen unvergesslich auf mich blickte.
+
+Allein bevor die Angst noch ihre Klammern auf mich legen konnte, gewahrte
+ich den hohen Spiegel, vor dem ich stand, woran die schmale Marmorplatte
+angebracht war, an die ich stiess. Lange Kerzen stacken da in Kandelabern,
+und mechanisch zündete ich sie an; von meinem eignen Bilde keinen Blick
+verwendend, denn wie von einem Drama war ich hier gefesselt.
+
+Das Entsetzen auf meiner Stirne, die trostlose Ergebenheit meiner Züge, die
+Todesahnung war auf meinem Gesichte geblieben. Obwohl ich mich gerettet
+wusste, immer starrte ich noch wie eine Verlorene.
+
+Was hinter diesen weitgeöffneten Augen vorgegangen war, wusste ich so wohl,
+der schon wie eingefallene Mund, warum er so bitter geschlossen war, das
+herabgezogene Kinn, der zurückgehaltene Grimm. -- Und dabei war mir's als
+erschaute ich das Selbsterlebte nun zum erstenmale.
+
+So blieb ich vor dem Spiegel gebannt, bis meine Augen sich verkleinerten
+und die Farbe, als sei nichts geschehen, sich allmählich wieder einstellte.
+--
+
+Der Raum, in dem ich mich befand, war ein kleines Durchgangszimmer, und die
+Begebenheit so einfach und natürlich!
+
+Es hatte hier jemand eine Schachtel Streichhölzer vergessen. Weiter nichts!
+
+Es war eben jener blinde und hundertäugige Zufall, jener unberechenbare
+Stern, der über unser Leben waltet und es erhält oder vernichtet.
+
+Den Schlüssel, die Thür und den Weg ins Freie hatte ich nun bald gefunden;
+wieder hinab in das rege Paris.
+
+Die Boulevards schimmerten im Abendrot, und die Knospen der Bäume waren
+nach dem Regen hold geschwellt.
+
+
+
+
+DER FROSCH.
+
+
+Ein Frosch sass im nassen Grase, befriedigt und wohl aufgeblähet, denn er
+hatte eben gespeist, und da ihm das Verschmauste wohl bekam, so fühlte er
+sich nicht ungeneigt zu philosophieren, zwinkerte behaglich mit seinen
+feuchten Augen und dachte:
+
+»Was ist doch die Welt so seriöse! -- und machen sie alle so fatale Mienen,
+statt das Leben frisch zu nehmen wie es ist! Ich bin zufrieden, und mir
+geht es gut; auch nehme ich die Dinge wie sie kommen!«
+
+Und obwohl er schon zu viel gegessen hatte, schnappte er noch im Übermute
+nach einer Fliege, die des Weges flog, und verzog dann sein breites Maul zu
+einem superiorem Lächeln: Es war doch wirklich alles zu dumm!
+
+So hockte er froh an des Teiches Rand, blickte in die laue Luft und hiess
+die Weltordnung gut. Libellen hingen und schwirrten, dicke Waldschnecken
+schleppten sich fort, ein Vöglein jammerte und eine hagere Katze schlich
+umher. Alles beobachtete und genoss der Frosch als heitrer Skeptiker und
+Bon-vivant und plumpste dann wieder in den Teich.
+
+Von Tag zu Tag aber gedieh er, zum Verderben zahlloser Mückchen, die
+enthusiastisch in der Sonne schillerten. -- Kein Wunder, wenn sich der
+Frosch da »hatte« und seine Lebensanschauung sich zu einem immer
+insolenterem System abrundete!
+
+Und unumwölkt floss sein Dasein dahin, denn jeder ist selbst seines Glückes
+Schmied.
+
+
+
+
+ADAM UND EVA.
+
+
+Die Nacht senkte sich vor der Vertriebnen Augen, und nach harter Tagesmühe
+ruhten sie.
+
+Trauer umfloss der Gefallenen Antlitz, und ob des Menschengeschlechtes
+drang eiserne Schwermut auf sie ein. Keine Thräne hatte noch das Weib; es
+barg und vertiefte sich das Weh der Erde in ihrem Schosse zur Melancholie,
+und wortescheu verblieb der Mann, als er sich hingewiesen sah an die harte,
+unbekannte Scholle, an die unerbittliche Sonne und dem süssen Mond; aber
+der Welt Zukunft und Not starrte in seinem Geist.
+
+Dies Paar, ach! war der Atlas!
+
+Das Echo seiner Qual durchdrang den hellen Sinn der Griechen, und eine
+Weltkugel wälzten sie dem GOTTE auf die Schulter, allein ein Menschenpaar
+ist es gewesen, das einst die Last des Werdens kostete und trug.
+
+
+
+
+LE REVENANT.
+
+
+Une nuit je crus errer eu rève dans des siècles passés, et je vis des
+hommes et des femmes dans leur vie journalière. Je vis des enfants joner,
+un laquais endormi sur un siège, puis des fruits dans une coupe étrange et
+soudain sur un balcon trempé de pluie une jeune dame enveloppée dans une
+grande robe rose et une mante noire.
+
+Mon esprit alors fut pris d'un vertige! -- et sentant mon rève, je voulus
+m'en soustraire en le secouant; mais lui aussi-tôt, se faisant plus confus,
+devint si pesant, que le coeur oppressé, je le subis. --
+
+Alors je me vis appuyé contre une fenêtre à ogives à la nuit tombante dans
+une salle. Brusquement tout au fond une porte s'entr'ouvrit, et un chien
+s'élança, de ces beaux chiens de chasse! il s'arrèta inquiet, les yeux
+flambants; puis d'un mouvement jeune et violent, fou de vie et de joie, il
+se retourna, se jeta vers la porte, et frappant le parquet bruyamment de sa
+queue, il attendit, guetta plutôt, pour s'élancer sur un homme qui entrait.
+--
+
+Lorsque je vis cet homme qui entrait, je sentis mes lèvres trembler de
+tristesse. L'on eut dit la vie même, et c'était un mort! --
+
+Ah! si vous l'aviez vu s'avancer d'un pas rapide en tournant vers sou chien
+une figure d'un contour si vif et d'une ciselure si étroite, que cette tête
+si noire se détachait des ténèbres comme une tache blanche, tant elle était
+ardente! l'illusion, je vous assure, vous eut gagné, tout comme moi: cas la
+vie _affluait_ dans chacun de ses gestes; ses yeux étaient chargés et
+lourds comme certaines fleurs, et sur cette figure fougueuse, le regard
+était préocupé et rentré, comme pour se poser très-loin sur une vision qui
+revenait toujours, et faisait sourire malgré lui, sa bouche songeuse et
+cruelle! -- La mort, me disai-je, la mort! --
+
+Je me sentais si chétif près de cet être si beau, pourtant je vivais moi!
+n'était-ce pas mieux que ce splendide mirage?
+
+La mort!? -- mais ce mot même tombait vide devant un pareil revenant!
+
+Ce fut alors, qu'il marcha droit vers la fenêtre, où je me tenais et que
+mes yeux purent plonger dans les siens pour, en chercher l'énigme. Mais
+hélas! qu'ils étaient loins, et comme mon coeur se serra! une grande
+douleur fit tomber mes paupières qui brûlaient, et je sentis alors
+s'approcher de moi, et m'envelopper comme l'haleine du Printemps; je crus
+respirer toutes les aubépines des bois, et sentir un ciel, des sapins, et
+des ruisseaux clairs: je vis une truite tachetée de rose, et de l'herbe
+fraîche et mouillée; et une si afreuse nostalgie passa dans mes veines, que
+j'étendis un bras éploré vers le spectre, dont la vie m'avait ainsi
+troublé. Mais lui, quoique sa main pesât sur mon épaule, son regard, qui
+semblait déborder, se détournait toujours. -- Et, voulant jeter un cri d'
+angoisse, qui ne fut qu'un souffle, je lui dis: «Je suis lá!» et tout mon
+être passa dans ces pauvres paroles! L'homme tressaillit, et changeant
+d'attitude, sa main tomba. Mais en ce moment même il y eut un bruit dans la
+cour, et je le vis se retourner, faire signe à son chien, et sortir. Ni
+l'un ni l'autre ne m'avaient vu. --
+
+Et alors la Nuit se fit plus profonde, et mon coeur plus froid. Seul mon
+cerveau s'allumait et marcha.
+
+Regarde! dit-il à mes yeux devenus fixes de terreur, regarde sous ces
+ténèbres croissans cette salle inconnue, et vois ces meubles bizarres! Que
+peuvent ils te rappeler?
+
+Rien! sonna-t-il. Puis toutes les roues de mon cerveau s'ébranlérent avec
+une vitesse infernale, et j'entendis un glas frapper au fond de moi-même:
+LE REVENANT, C'ÉTAIT MOI!
+
+1893
+
+
+
+
+L'ORACLE.
+
+
+Elle était grande et laide, une roche informe et nue, qu'elle hit éclairée
+ou à l'ombre, toujours triste.
+
+Un homme s'y égara un soir, mais perdant pied aussitôt il mourut victime,
+lui fort et pensant, de cette grande chose inerte et brute, et personne ne
+la montait plus. Elle demenrait à l'ombre le plus souvent des grandes cimes
+autour, et le soleil ni la lune ne l'aimaient. Seule la neige s'y plaquait
+lourde et compacte!
+
+Or en une nuit de lune et de Vent (le monde déjà était vieux) quelque chose
+remua au fond du rocher, et l'emplit soudain, comme d'un profond soupir. Ce
+ne fut qu'un instant! quelques caillons roulèrent et un peu de neige
+bleuâtre se détacha. Ce fut tout.
+
+Mais en cet instant si vague, et d'infinie lourdeur -- le rocher subit sa
+propre tristesse sourdement, comme la plante comme s'éveille l'aloès du
+fond de sa torpeur, c'est ainsi que sa propre Enigme vint saisir la
+montagne et lui révéla son Mystère, les liens occultes, qui la liaient aux
+longs chagrins et aux incurables misères, à tout ce qui est noir ou navrant
+dans la création.
+
+Tout cela l'enveloppa comme d'une Ombre Géante. Et un accord vibra en ce
+domaine silencieux! Une source s'agita affolée! elle mouta brûlante et
+profonde jusque à l'ivresse, pour tarir aussitôt.
+
+Mais la Terre -- si rèveuse en ces nuits de Lune et de Vent tressaillit et
+appela. Alors des milliers d'ombres se dégagèrent des plis de Ténèbres et
+s'agitèrent autour du rocher éteint pour saluer l'Idée -- le Symbole --
+l'Oracle enfin qui venait de parler.
+
+1893
+
+
+
+
+HERBSTLIED.
+
+
+ Herbstlich sinkt der Tag nun.
+ Herbstfarb'nes Licht, so sanft wie süsser Ton,
+ Zart wie bedeutsamer Traum,
+ Der uns beglückend streifte in der Flucht.
+ Ach weile, guter Herbst!
+ Dein ist der tönendste Ton im Jahr!
+ Musik der Dämmerung ist deine Stunde,
+ Beruhigte Leidenschaft dein tiefer Blick.
+ Ist Verfall dein Sinn?
+ Oder lächelst du über den Tod? --
+
+
+
+
+DER WALCHENSEE.
+
+
+Die Berge zogen ihre hohen, sanften Linien in der bleichen Dämmerung.
+Ahnungsvoll schien jede Senkung, jede Matte, jeder Schatten, und stumm
+hielten die Tannen hart am Ufer Wacht. Und Luna zog langsam mit ihrem
+Gefolge weissgeballter Wolken hinter den Spitzen der Berge einher.
+
+Kein Sternengefunkel störte noch des Himmels Ruh'! Und wie tief kündete
+sich da die Nacht, wie fern schien da Aurora, als käme nimmer der frühe
+Tau, noch die strahlende Sonne zurück.
+
+»Ach!« seufzte da eines Menschen Stimme, »käme nimmer der Morgen!«
+
+Doch plötzliches Entsetzen fasste ihn alsbald, und starre Angst trieb ihn
+dem Gestade entlang, war es ihm doch, als hätte er hier Schatten ins
+Bewusstsein gerufen und aufgescheucht, als sei ihm das verhängnisvolle Wort
+entfahren, das diesem See und dieser Natur geheimnisvoll zu Grunde lag, und
+als seufzte nun alles rings um ihn, von jeder Felswand rauschend und vom
+Strande wiederhallend, ein traumversunkenes und im Traum gefundenes Echo:
+
+ Ach, käme nimmer der Morgen!
+ Käme nimmer der Morgen!
+
+
+
+
+DIE HERUNTERGEKOMMENEN.
+
+
+Als die Nacht hereingebrochen war und der kalte Zug durch die
+Fensterspalten blies, da wurde es auch stille in dem langen Gang, wo die
+Ahnenbilder hingen unverrückt an der dunklen Wand und die Finsternis über
+sich ergehen liessen wie über ihre Gräber. Allein die Nachkommen dieser
+längst verblichnen Leute wohnten noch in dem alten Schloss und fanden keine
+Ruhe, denn sie wollten und wünschten mit der wilden Kraft, die sie von den
+Vätern geerbt! Währenddem die Nacht sich immer tiefer senkte, schlief da
+Keins. Alle hofften, fürchteten und sehnten sich zu sehr in diesen alten
+Mauern, als dass der Schlaf sich ihnen rettend nähern konnte. Den hielt der
+Hass und den die Liebe, alle aber hielt der Lebensdrang, die Heftigkeit des
+Wunsches und die trübe Ahnung des Unerfüllbaren wach.
+
+Die Väter hatten so froh genossen und so wilden Auges gelebt! Sie glichen
+sich alle in Miene und Blick, und Generationen hindurch verzehrten sich die
+schönsten Frauen in Liebe um dies Haus!
+
+Das Glück aber hielt treue Wacht und zog goldene Gitter um seine
+Günstlinge.
+
+Einem breiten glänzenden Strome glich dies Geschlecht, der schimmernd die
+schönsten Lande durchzieht, Wälder und hohe Gipfel, glänzende Städte und
+den ganzen Himmel lachend wiederspiegelt.
+
+Zöge sich doch mein Herz nicht zusammen, als ich dieses Vergleichs gedenke!
+Denn nach hundert Jahren erlosch ein Stern: der herrliche Fluss rauschte
+weiter; da veränderte sich sein Bett. Hoch und furchtbar drangen kahle
+Felsenwände auf ihn ein, qualvoll türmte sich da das tiefe Gewässer und
+wütete gegen die hemmende Wand.
+
+Sein schrecklicher Schall tönte betäubend durch die Welt. Unerbittlich aber
+verengten sich noch die Thore, und der Fluss brach sich heulend seine Bahn.
+Als wilder umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. --
+
+
+
+
+SKIZZE.
+
+
+Vor Jahren fiel mir ein Buch in die Hände, dessen Titel ich mich nicht mehr
+entsinnen kann, es war eine Übersetzung aus dem Griechischen und mit vielen
+Anmerkungen versehen, wovon eine einen alten Spruch citierte, der mir immer
+im Gedächtnisse blieb. Die Worte erinnere ich mir nicht, nur den Sinn, und
+der war folgender.
+
+»Nicht der Mann ist die Weisheit, nicht die Frau ist die Liebe: Die Frau
+ist Weisheit, der Mann ist Liebe. Des scheinbaren Umtausches sich nicht
+bewusst, sucht der Mann in der Frau seine eigne Liebe, die Frau im Manne
+ihre Weisheit wieder.«
+
+Dieser Spruch schien mir nach und nach so manches Unerklärliche und
+Unvereinbare, das in jenen Beziehungen nicht zu begleichen schien, schärfer
+zu beleuchten.
+
+Ein »ganzer Mann« wird einer Frau in so entscheidenden Punkten überlegen
+sein, dass nur die tiefere Weisheit des schwächeren Teils ein Gleichgewicht
+herzustellen vermag und in jener Weisheit allein die Möglichkeit liegt, den
+Blick dieses Mannes ganz wiederzuspiegeln.
+
+Ist dieser Spiegel getrübt oder zu stürmisch oder zu seicht, so wendet der
+Blick sich ermüdet ab und sehnt und sucht nach andern Augen, die wieder
+versprechen und wieder enttäuschen.
+
+Umgekehrt sehen wir oft ganz unbedeutende Männer von einem weiblichen Wesen
+dauernd gefesselt, von dem sie nie Kenntnis gewinnen können, in dem aber
+die Weisheit verborgen liegt, die sie mit dumpfer Sehnsucht erfüllt. Eine
+solche Frau, deren innere Entwicklung ihren eigenen Weg zu folgen bestimmt
+war, sieht oft zu ihrem stillen Befremden einen ihr so fremden Mann so treu
+an ihrer Seite.
+
+Was nun mit jener Weisheit in dem alten Spruche gemeint war, ist sicher
+nicht die Lebensklugheit noch Schärfe oder Kraft des Geistes, denn die
+wohnen alle dem Manne viel thätiger inne. Sie wird wohl eher dem
+Meeresspiegel vergleichbar sein, der tiefer und beschaulicher wird, je mehr
+sich darin versenkt. --
+
+Jeder kennt jenes eigentümliche Gefühl, das ihn angesichts der
+gleichgültigsten Dinge anwandeln kann, ihn zwingt, innezuhalten und
+Gedanken einzulassen, die von aussen auf ihn einzudrängen scheinen und
+deren Bewandtnis er noch nicht erfasst.
+
+So stand ich einmal auf einem weiten, freien Feld und dachte an die
+Druiden, wie die Welt in ihnen wiederhallte, in sie drängend wie ein Strom,
+so dass sie ihr das Rätsel fast entrieten und, von ihrer Ahnung
+überwältigt, Wahrheiten stammelten -- in undurchdringlichen Worten.
+
+Da fiel mir -- anscheinend schauerlich unzusammenhängend -- der Don Juan
+ein!
+
+War etwa _hier_ ein Gegensatz? -- War hier _etwas_, was sich deckte?
+
+Ich weiss es nicht. -- Aber mit einem Male begriff ich, wie sich der Zauber
+und die Tragik im Dasein zweier Geschlechter in jener dunklen Gestalt und
+ihren Opfern sublimieren konnte, und ich begriff den klärenden Schein, den
+Mozart um sie wob.
+
+Trat in diesem Wesen irgend ein verborgenes Gesetz in Kraft und blieb das
+nie Erreichte auf weit abliegender Bahn und keinem füglichem Gebiet
+verwiesen? --
+
+Lag etwa im Blicke der Veleda jene Ruh', die Don Juan in jedem schönen Auge
+suchte, jenem andern Zuge folgend, der die Liebe so unendlich adelt? -- Und
+lag seine eigne Gewalt in seiner eignen Sehnsucht? --
+
+
+
+
+DAS TRAUMBUCH.
+
+
+Man wirft mir so gerne vor, dass ich nicht schreibe! --
+
+Aber erstens! -- -- --
+
+Und zweitens gehört hiezu doch auch eine leidliche Erfindungsgabe, und ich
+bin nur deshalb so leichtgläubig, weil ich auf das Gegenteil von dem, was
+man mir sagt, von selbst gar nicht gerate, eine solche Veranlagung ist
+nicht eben produktiv!
+
+Über Gegebenes, Menschen wie Dinge, kann ich lange und eindringlich
+nachdenken, nur muss ich sie haben! -- Aus der Luft greife ich nichts, denn
+eine unübersteigbare Kluft trennt mich von jener Fähigkeit zu schaffen, die
+so beglückend und erhebend sein muss und wohl deshalb so selten ist.
+
+Die einzige Genugthuung jedoch, welche mir diese endlich errungene
+Erkenntnis bot, war, dass ich mich frei sprechen konnte von aller Schuld,
+wenn keine Gedichte und keine Romane aus meiner Feder flossen, denn wie
+viel besser wusste ich als alle andern, dass ich keine zu stande brachte!
+
+Als ich aber hierüber noch nicht im Reinen war und mir die Menschen so
+manches versicherten, was mich nicht überzeugen konnte und doch sehr
+verdross -- fasste ich einmal einen verzweifelten Plan, den ich auf die
+äusserste Spitze treiben wollte und einem Mann von Fach zu eröffnen
+beschloss.
+
+Ich liess mich bei ihm melden und erhielt einige Tage darauf ein zierliches
+Briefchen, worin er mich auf sein Landgut zu einer Unterredung berief.
+
+Nun hatte ich nachts bevor, folgenden Traum: Ich, die nie im Leben geritten
+war, sass plötzlich hoch zu Ross, ritt andern Reitern, die mich beschworen
+einzuhalten, voran, liess mich dann langsam herabgleiten und stieg die
+Treppe zu unserm Hause hinauf.
+
+Dann erwachte ich. -- Da jedoch dieser Traum sehr lebhaft in meinem
+Gedächtnisse haften blieb, so schlug ich in meinem Traumbuch nach, ob eine
+Deutung darauf stünde und las folgendes: »Unterlasse nicht, was du
+vorhast!« Mir aber kam diese Weisung wirklich wie gerufen, denn schon lange
+wollte ich einen recht flagranten Beweis in Händen haben, der mich von
+meiner Leichtgläubigkeit endgültig kurierte. Derselbe Abend sollte mich ja
+noch belehren!
+
+Dann verliess ich mein Haus und nahm den Zug.
+
+Das Wetter war leuchtend, und zuletzt führte mein Weg auf einem schmalen
+Fusspfad durch ein hohes Kornfeld.
+
+Ganz ergriffen hielt ich da inne; denn die Welt war an diesem Tage zu
+schön, ihr Schein zu unbeschreiblich!
+
+Ovid's Verwandlungen berührten mich mit einemmale als naturgemäss, und mir
+war, als würde ich selbst zu jenem singenden, summenden Kornfeld, so sehr
+entzückte mich gerade an dieser Stelle das goldene Leben unserer Erde.
+
+Doch nur wenig Schritte trennten mich von der Besitzung, in der meine
+Autorität hauste, und nun erschien mir mein Plan erst recht in seiner
+ganzen Unausführbarkeit.
+
+Eine Stunde später ging ich denn auch sehr gemessen denselben Weg wieder
+zurück: Zuerst war der Mann von Fach sehr ernsthaft drei Schritte
+zurückgewichen und hatte mich angestarrt. -- Aber in sein langes herzliches
+und eindringliches Lachen musste ich am Ende doch einstimmen.
+
+Träume! dachte ich nun und wurde nachdenklicher mit jedem Schritt, denn
+manches schien mir doch recht befremdend auf der Welt.
+
+Wie kam es zum Beispiel, dass die Alten, diese klugen, spöttischen
+Griechen, denen die Wirklichkeit so voll genügte, solche Acht auf ihre
+Träume hielten, dass die Geschichte selbst sie uns ganz ernsthaft mit Daten
+und Thatsachen bringt? Vor jedem Schlachtenberichte stehen sie da als
+Avantgarde, und jeder Feldherr klügelt über den seinen!
+
+Nun denke man sich nur einen modernen Geschichtsschreiber Napoleon's oder
+Bismarck's Träume und dann zum Schluss noch seine eignen verzeichnend. Und
+das mit der gebietenden Miene eines Plutarch!
+
+Wäre es möglich, dass hier etwas dahintersteckte und es uns verloren ging?
+
+Sonst dienen uns doch die Alten so gerne als Vorbild.
+
+Wer aber würde sich heutzutage mit derlei befassen? Die eigentliche
+Bibliothek des Traumbuchs ist die Küche geworden und geschwätziges oder
+ungebildetes Volk beratschlagen es. Nur ich besass noch eins, kraft jener
+Erfindungsunfähigkeit, jener Sucht zu glauben, und auf glaubwürdiges zu
+lauern. Alle Exzesse und Irrtümer stehen da offen.
+
+So dachte ich, von dem wogenden Kornfeld nicht länger impressioniert, im
+Dämmerlichte des sinkenden Tages einhergehend und eignem Grübeln.
+
+Da plötzlich unerwartet, ungeahnt -- stand vor meinen bestürzten Augen
+nicht das Gelingen meines Planes -- eine andre Erfüllung, die meinen Traum
+wachrief wie mit einem langgedehnten Ruf, und wie einen kalten Hauch
+empfand ich meine eigne Blässe.
+
+
+
+
+MUSIKALISCHES.
+
+
+MOTTO: Wollen wir hoffen?
+
+Richard Wagner, X. Band.
+
+
+
+
+EINE MUSIKALISCHE BETRACHTUNG.
+
+
+Vor einem mit Plakaten reich übersäten Kioske innehaltend, sagte kürzlich
+einer zu seinem Freunde:
+
+»Sieh doch die vielen Konzerte! Bis über die Wände hinaus klettern die
+Annoncen!«
+
+»Das ist schön!« rief der andere. »Da hast du unser liebes kunstsinniges
+München!«
+
+»Ja, da hast du's!« brummte wieder der eine.
+
+Und wie es so geht auf dieser Welt, als sie eine kleine Strecke weiter
+gegangen waren, fingen sie fürchterlich zu streiten an. In der Hitze jedoch
+gebieten wir selten über die überzeugenden Worte, selbst wenn wir im Rechte
+sind, und grad ein Philister hat da oft leichtes Spiel.
+
+Hier siegte denn auch der, dem beim Anblick der vielen Plakate das Herz
+freudiger schlug, und selbstbewusst und heiter kehrte er nach Hause zur
+Gattin.
+
+Aber wie verdrossen ging der andre heim! Fiel ihm doch jetzt erst alles
+ein, was er im Eifer nicht fand; und wie sicher gestaltet sich nun seine
+Rede in den dunklen Strassen!
+
+Immer feuriger ging er einher, als müsste er Schritt halten mit seinen
+Gedanken, und sah recht närrisch dabei aus!
+
+Hier sei auch mir eine Bemerkung gestattet: Wage ich mich zwar jetzt mit
+dem Sprüchwort: Kinder und Narren etc. vor, so werde ich allerdings dem
+Vorwurf grosser Alltäglichkeit nicht entgehen, bringt uns heute doch fast
+jeder Plato's finstre Höhle (die Höhle, ach, du lieber Gott, in der wir
+alle so gemütlich sitzen!), oder citiert jene grosse Neuigkeit von dem
+grössten Tragiker, nicht wahr, der zugleich etc. . . . . Denn nur in
+solchen und ähnlichen Reminiscenzen ergehen sich nunmehr unsere gewandten
+Bücher und halten streng an die Devise unsres Jahrzehnts:
+
+»Kaviar für Alle.«
+
+Vollends Sprüchwörter!
+
+Gut, so will auch ich das meine nicht zu Ende sagen, doch bitte ich euch,
+lasst uns hören, was der Narr erzählte:
+
+»Wie alt«, rief er, »wie alt ist doch die Klage nach entschwundenen Zeiten!
+Kein Zauber beschwört Vergangnes herauf! Wie der Regen, den die Erde so
+begierig trinkt, um dann wieder trocken zu werden und hart, so verschwinden
+spurlos nicht geträumte, ach! _erfüllte_ Ideale von der Welt!
+
+Wer ist es gewahr, dass Schritt für Schritt das Licht fällt, dass Kühle und
+Dunkelheit überall einbrechen, dass rasch und unbemerkt eine Epoche von uns
+scheidet? -- Erst wenn sie sich ganz unsern Augen entrückte, erst dann wird
+die Verlorne im wahren Relief vor uns stehen. Aber wie Walther von der
+Vogelweide um zartere Minne, so werden wir umsonst darum klagen! Und
+inzwischen stellen wir uns blind und taub und lassen die Verwilderung um
+sich greifen! Nur ein sehendes Auge sieht die verlöschenden Fackeln, und
+nur dem feinen Ohre ist das wirre Gekreische vernehmbar.«
+
+(Schade, dass der Mann seine Reden nicht schön und symmetrisch aufzubauen
+wusste! Seine Gedanken machten wilde Sprünge, und kamen dann im Bogen
+wieder.)
+
+»Wisst ihr,« rief er da plötzlich, »dass jener thatsächliche Plan, sich per
+Eisenbahn bequem auf die Jungfrau zu begeben, nichts anderes ist als ein
+Symbol unsrer Zeit?
+
+Denn nichts Höheres bedeuten unsre täglichen Konzerte, unsre
+Drehorgelorchester, und unsre ganze nivellierte Kunst. Überall ist der
+Pöbel ausgebrochen, zwar ein wohlgenährter, gut gekleideter und siegreicher
+Pöbel, aber erst recht der des Coriolan!
+
+Es haben uns doch die Besten gesagt und die wenig Grossen bewiesen, wie
+aristokratisch die Natur verführt, wie scheu und sparsam sie ihre
+vornehmste Blume, die der Kunst, auf ihren höchsten Gipfeln treibt, nur
+ganz Bevorzugten nach harter Mühe erreichbar.
+
+Was deutet uns ein zusammengepresster staubiger Büschel Edelweiss, an einer
+Strassenecke schreiend feilgeboten? Aber steil wie das Edelweiss und
+geheimnissvoll wie die Aloë ist die Kunst! Pöbelhaft war es daher von uns,
+sie mit Gewalt erstürmen zu wollen, und ein grober und hässlicher Wahn lag
+dieser »Massenbewegung« zu Grunde. --
+
+Denn als wir allesamt anfingen sie zu duzen, was war da natürlicher, als
+dass uns die Kunst entfloh? Ihren letzten müden Strahl, an dem wir zehren,
+halten wir nun für den »Morgenschein kommender Aeren!«, und keiner sieht,
+keiner weist auch nur von fern auf unsern deutlichen Verfall.
+
+Ob wohl je die Menschen vor einem solchen Wendepunkt gestanden sind?
+
+Ob ein ähnliches Phänomen die Griechen einst zu Grabe läutete? und ob nach
+Überwucherung der damaligen Kräfte ein ähnliches Schlingkraut die Erde
+überzog?
+
+Wer wüsste es zu sagen!? Blühten nicht damals die Redner und Bildhauer
+plötzlich in frecher Überzahl, just wie jetzt Kapellmeister und Solisten?
+
+Ehe man sich dann versah, verklang das ganze hohe Lied in Düsterkeit und
+Barbarei. Sind wir etwa wieder da angelangt? -- Das wäre wohl auch hier die
+Frage!
+
+»Aber nichts wiederholt sich«, murmelte der Mann.
+
+Er war auf der Brücke angelangt, und der rasche Fluss schien ihm neue
+Einfälle zuzutreiben, denn er stand lange und sann, wie wohl der Mann
+beschaffen sein musste, der unsre abwärts gehende Fahrt zu hemmen vermöchte
+und neues Land eroberte.
+
+Über diesen gewaltigen Geist dachte der gute Kerl lange nach und ging dann
+brav nach Hause.
+
+
+
+
+NEMESIS.
+
+Eine zeitgemässe Betrachtung.
+
+
+Dass die Welt ihre grossen Menschen so vielfach verkannte, trug besonders
+für die Kleinen schlimme Folgen.
+
+Denn die Grossen kommen über kurz oder lang darüber hinweg (sei's nur,
+indem sie das Leben überwinden!), und ihre Landsleute halten dann
+frohlockend an ihre Namen als an ihr Eigentum fest; und starben diese
+Grossen im Elend, so trägt das Schicksal und der Einzelne die Schuld, denn
+die Allgemeinheit rettet sich ja stets.
+
+Dass es das ewig selbe Spiel bleibt, übersieht man, und klüger wähnen sich
+die Menschen jedesmal geworden, wenn sie pietätvoll ihren grossen Toten
+Säulen, Monumente und Brunnen errichten.
+
+Aber die Rache gräbt unermüdlich, und alles rächt sich tausendfach!
+
+Weil der Flecken nun so klar am Tage liegt, wie taub und blind wir für
+unsre Helden waren -- glaubt ihr, darum sei er getilgt und der urteilslose
+Unverstand samt seinen Folgen abgeschafft?
+
+_Ein_ Unterschied ist freilich da: der Vielbescholtne krankt nunmehr an
+seinem üblen Ruf, darf nicht mehr schelten -- wagt es nicht -- und lässt
+geschehen. Flugs dehnen sich da kleine Menschen himmellang, und bleibt die
+Menge scheu vor ihren Produktionen, so verzagen sie nicht mehr, denn die
+berühmtesten Vorbilder schweben ihnen vor, und die Tradition der Verkannten
+haben sie ja für sich!
+
+»Wirklich?« fragen sie mit einem unendlichen Lächeln, »mein Werk gefällt
+euch nicht?«
+
+Da blickt einer zaghaft zum andern, und einer nickt, und kleinmütig nicken
+sie alle, denn sie sind die junge Generation und büssen für den Unverstand
+der alten _umgekehrt_!
+
+Das grosse eine Merkmal des Schönen, dass es zwanglos um sich greifen und
+unfehlbar, sei ihre Zahl vorerst noch so gering, die Herzen treffen _muss_
+-- auf dieses eine Merkmal, das doch zugleich auch unsre eigne Würde
+rettet, auf dies pochen wir nicht mehr, denn unsre Augen sind nicht
+unschuldig genug, und unsre Vergangenheit ist zu sehr getrübt!
+
+Den Lohn tragen wir nun davon! Auf dem schönen Erdreich, dem wir keine
+Frucht entnahmen, schiesst das Unkraut so munter wie nur je empor, und auf
+geweihtem Acker kauert dieselbe alte Schlange!
+
+Und die grossen Menschen?
+
+Je nun, man weiss vorerst nie, wo sie stecken, und sie haben nach wie vor
+ihre Müh'. Auch sind die Zeichen nicht günstig. Aber vielleicht wirft uns
+die Flut der Zeit wieder einen ans Land, der den Weg wüsste aus all den
+verschlungenen Pfaden heraus und sich zur Stunde grämt, weil ihn der breite
+Fluss des Irrtums überrauscht!
+
+
+
+
+EINE SKIZZE ÜBER DIE STELLUNG DES KLAVIERS UND DER HEUTIGEN PIANISTEN.
+
+
+Es ist in jüngster Zeit förmlich zur Redensart geworden, die Pianistenfrage
+kurz damit abzufertigen, indem man sagt. »Das Klavier interessiert mich
+nicht.« Was aber schlimmer ist wie Redensarten, und was mancher
+wohlgeschulte Pianist in München zu seinem bitteren Nachteil erfahren
+musste: Das Wort wird zur negativen That: er sieht nämlich sein Konzert mit
+knapper Not von Freunden und Bekannten, etlichen alten Leuten und den
+obligaten Kritikern besucht, die am nächsten Morgen ihr Bedauern über den
+»leeren Raum« zu Drucke bringen -- und das eigentliche Publikum bleibt weg.
+
+Der Künstler selbst wird diese seine moderne Unpopularität natürlich nicht
+ohne Erbitterung wahrnehmen und sich nicht sehr erbaulich über die alte
+Musikstadt und ihr gepriesenes Entgegenkommen äussern.
+
+Nun gehe ich von jener alten paradoxalen Wahrheit aus, dass sich zwar in
+der Masse Irrtum und Unverstand wie von selbst potenzieren, dass aber
+trotzdem das Publikum in seinen Sympathien recht behält, und es sich
+jedenfalls der Mühe lohnt, nach dem Grunde zu forschen, wenn es sich einer
+öffentlichen Kundgebung gegenüber hartnäckig abgeneigt verhält. Ich möchte
+hierin für das Münchner Publikum sogar eine gewisse Unbeirrbarkeit
+beanspruchen, und gewiss birgt diese Stadt ein nennenswertes Kontingent
+wirklicher Musikkenner. Ohne mit dem Finger darauf weisen zu können, fühlt
+man es bei Gelegenheit deutlich durch, und dieses Kontingent sichert dort
+dem Grossen und Echten, selbst wenn es neu und ungewohnt ist, fast immer
+den Sieg.
+
+Nun ist München merkwürdigerweise eine geradezu pianistenfeindliche Stadt
+geworden, und ohne die Gründe ihrer Abneigung lange zu analysieren, ist sie
+ihnen im vornherein abhold; ja, die Pianisten zählen dort allgemach zu den
+verdrossenen Typen, und es ist jetzt Mode, die einst so Gefeierten trotz
+ihrer bedeutsamen Haartracht zu ignorieren.
+
+Da jedoch eine Abneigung, um sich selbst gerecht zu werden, stets motiviert
+werden sollte, so sei hier der Versuch gemacht, die eigentümliche Stellung
+zu bezeichnen, welche das Klavier heutzutage in künstlerischer Hinsicht
+einnimmt, und welche wir am besten gleich im voraus eine »schiefe Stellung«
+nennen wollen, um das Wort später erläutert zu sehen.
+
+In der Musik sind wir anerkanntermassen das erste Volk der Welt. Was wir
+aber mit dem Klavier angefangen haben, oder vielmehr, was wir daraus werden
+liessen, damit ist wieder einmal ein Beweis geliefert, wie leicht, uns der
+simple gute Geschmack im Stiche lässt!
+
+Wir Deutsche stehen überhaupt mit dem Geschmack und was er im höheren Sinne
+bedeutet: Formensinn und Grazie, auf etwas gespanntem, misstrauischem Fusse
+und fühlen uns nicht ungeneigt, dies alles als frivol zu taxieren. Kommt
+uns aber dann einmal der künstlerische Takt abhanden, so sind wir uns zwar
+wohl unsres künstlerischen Ernstes, aber eben weil wir des Taktes
+vergassen, unsrer Schwerfälligkeit nicht bewusst -- und nur so ist es
+möglich, dass ein Übel, ein grober Irrtum, der sonst unsrer ganzen Richtung
+widerspricht, sich auf eine wirklich ungeheuerliche Art auswachsen und
+verbreiten konnte.
+
+Auf besagte Weise ist nun in dem musikalischen Deutschland das Klavier von
+seiner ursprünglichen Bestimmung abgekommen, hat sich eine Stellung
+angemasst, die ganz und gar nicht die seine ist, und wurde, nachdem es auf
+diesem neuen Boden das Publikum eine Weile verblüffte, von demselben
+verpönt. --
+
+Diesem beklagenswerten Verfall -- die Folge rein äusserlicher Gründe --
+sollten wir nach Kräften entgegenwirken.
+
+Unsre grössten Klassiker haben nicht umsonst in edler Würdigung dieses
+Instruments ihre herrlichen Meisterwerke dafür geschaffen. Aber leider ist
+es ebenso wahr, dass sie dabei kaum einen unsrer modernen Pianisten, wie
+sie jetzt landläufig sind, als Exekutant im Auge hatten, noch dass sie
+dieselbe Idee vom Klavierspiele hatten wie er! Eine ganz kleine Sylbe
+trennt hierin die alte von der neuen Zeit: Sahen unsre Meister im Klavier
+ein stets verfügbares! Mittel, die mannigfachsten reichsten Tongebilde auf
+dem dürftigen Holze zu resümieren und zur Wiedergabe zu bringen -- ein
+ideales Abstraktum -- ein unschätzbares Mittel zum Zwecke musikalischer
+_Re_produktion, so sieht hingegen der moderne Virtuos in seinem Instrument
+lediglich ein _Pro_duktionsfeld. Nicht Mittel ist es ihm, sondern Zweck,
+und zwar sich selbst will er produzieren! Über einen so unkünstlerischen
+Standpunkt ist weiter kein Wort zu verlieren.
+
+Nennt man mir aber Franz Liszt als Beleg für die Berechtigung des modernen
+Pianisten, so werde ich erwidern, dass er eine Einzelerscheinung, ein ganz
+für sich gehendes musikalisches Phänomen vorstellt wie die Duse etwa für
+die Bühne, beide aber in dieser Hinsicht gleich wenig berufen, Bahnen zu
+eröffnen, denn es sind künstlerische Typen, deren Wert und Reiz eben in
+ihrer Eigentümlichkeit beruhen. Liszt's Mähne auf einem anderen Köpflein
+ist ebenso unbefugt, als es vermutlich die Mimik der Duse bei einer anderen
+Schauspielerin wäre, denn auch diese findet ihre Berechtigung in einer ganz
+individuellen künstlerischen Beschaffenheit, aber gewiss nicht als
+künstlerisches Moment! --
+
+Und dieser Vergleich, wenn er sich nicht vollkommen deckt, mag immerhin
+dazu dienen, den Fall näher zu beleuchten: So wie die grosse Tragödin ihre
+_eigne_ Individualität auf der Bühne in tausend Nuancen schillern und
+erklingen lässt, mithin nicht die eigentlichen Heldencharaktere, wie sie
+unsre grossen Geister schufen, zur Gestaltung bringt, sondern auf dem
+nächsten, oft sogar dem nächstbesten Wege ihre ganz persönliche
+Empfindungsweise, ihre moderne Seele zur Mitteilung bringt, so verlässt
+auch der Pianist auf dem klassischsten aller Instrumente das ursprüngliche
+Gebiet, und nicht so sehr musikalische Werke, als seine eigne Person führt
+er uns vor, um sie unsrer Aufmerksamkeit aufzudrängen. Die moderne
+Klavierlitteratur ist nicht anders als im engsten Bündniss mit jenem Irrtum
+entstanden, den Virtuosen als Alleinherrscher vor seinem dadurch fraglich
+gewordenen Instrument hinzustellen, und beide hiemit zu vernichten.
+
+Denn wie thatsächlich das schönste Klavier unter den Jonglerien und der
+schaudervollen Gewandtheit eines Virtuosen zur unmusikalischen Plage wird,
+so denkt man auch heute unwillkürlich bei dem Worte »Musiker« an einen
+Geiger, Cellisten oder Sänger und nicht sobald an den Pianisten, der
+mitsamt seinem Instrument und seiner pompösen Spezial-Litteratur aus diesem
+Bunde ausgetreten zu sein scheint, seitdem er sich auf dem kolossalen
+Irrtum einschiffte, ein eignes, selbständiges Gebiet -- die künstlich
+angelegte Klaviersee, zu befahren wähnte, und nun auf einer Sandbank
+festgesessen liegt, von der er nicht sobald wieder flott fährt, es sei
+denn, dass ihn die Musiker selbst wieder zu Ehren bringen und aus dem
+unförmlichen, verunglückten Dampfer wieder jenes ideale Schifflein bauen,
+als welches es einst an einem mächtigen Baue festgeankert lag, und mit ihm
+und durch ihn das unendliche Meer der Töne zu befahren, die Fähigkeit
+erhielt. In diese seine ursprüngliche so edle und produktive Abhängigkeit
+sollten wir es zurückführen, da es in »Demut« so viel erreicht. Nur so
+könnte es seine alte Würde wieder erhalten, und in uns die alte Freude und
+die alte Begeisterung wieder erwecken.
+
+
+
+
+EPILOG.
+
+
+Was auch kommen mag auf dieser Welt, immer gestaltet sich eine Zeit neu und
+ungeahnt. Unsre Erde trägt keine Propheten, und nur durch ihre
+Unergründlichkeit sind die Orakel so wahr. Wer erträumte wohl je das
+nächste Geschlecht? Woran keiner dachte, das geschieht, wo der Fluss am
+ruhigsten floss, dort tritt er über.
+
+Tausende von Jahren belehren uns nicht über ein einziges, das sich noch
+nicht entrollte, unzählige von Schicksalen lassen unser eigenes stets neu.
+Die Notwendigkeit schafft mit ihren blinden Augen zu Tage, andre Mächte
+fordern wieder, was ihr trotzt, und so liegt die Welt unausgefochten im
+Kampf.
+
+Oft schon, glaube ich, wurde als das grösste Unheil des Christentums das
+Pharisäertum erwiesen, jene unheilvolle Macht, die von Grund auf,
+anscheinend auf alle Zeiten, den Charakter verunstaltete, den das neue
+Zeitalter erhielt. Wie unendlich viel, und wie unendlich wenig das Dogma
+verrät, diese These wurde nie aufgestellt, die Pharisäer umstanden das
+neue, wie das alte Testament; und so wurde es uns verdunkelt bis zur
+Unkenntlichkeit und entfremdet.
+
+Jenes Unwesen selbst, verlor aber im Laufe der Zeit alle Macht; und da es
+tief in der Erde sitzt und in den Menschen wohnt, sann es auf eine neue
+Stätte. Wo aber fand es den Boden, den es nun zu sterilisieren, das Ding,
+das uns nun zu entfremden galt? Wo anders, als da, wo das Gute
+hingeflüchtet war, unangetastet, köstlich und steil, hoch über unsren
+Häuptern, und doch verborgen. Mit schlauem Zerstörungssinn erblühte es da
+inmitten der Kunst!
+
+Gut meinende Seelen, die aber vom Schweigen des Pythagoras nichts ahnten,
+hatten selbst dem verderblichen Heere die schmale Bresche verraten und
+wurden die ersten Pfähle auf jenem schrecklichem »chemin battu«, den jetzt
+die Mode so verwegen und unbefangen betritt.
+
+Hier müssen wir einen Augenblick zurückgreifen. Bekanntlich war es
+Grillparzer, der Beethoven's Grabrede hielt; nun wurden ihm
+kurzsichtigerweise und nach Wagner's Erscheinen folgende Worte daraus noch
+nachträglich verwiesen:
+
+»Beethoven's Nachfolger«, schloss der unmusikalische Dichter, wird von vorn
+anheben müssen, denn er selbst hat geendet, wo die Kunst endet.« Und dabei
+ahnte Grillparzer wohl gar nicht, wie wahr er sprach!
+
+In der That hub Beethoven's Nachfolger von vorne an und erklomm einen Berg,
+um auch er -- und dies ist bedeutsam -- zu enden, wo die Kunst endigt.
+
+Wo sie aber zu Ende ist, dort behauptet wie eine wahnsinnige tote
+Karrikatur die heutige Musik ihren unredlichen Platz.
+
+Wagner, dieser einfache Mann, der ohne Stil, nur von Gedanken gedrängt, sie
+so gross und unschuldig niederschrieb, hätte er doch den Missbrauch seiner
+tiefen, weittragenden Worte geahnt. -- Mit Siegeln nur hätte er dann seine
+Bücher vermacht!
+
+Denn die göttlich stillen Seen, die ein Adler erschaute, sind nun ihrer
+Einsamkeit entweiht und von der lauten Menge umlagert. Eine so
+schauderhafte Vulgarisation, eine so triviale Gier, hohe Gefilde zu
+umlärmen, hat sich ihrer bemächtigt, dass alles Urteil befangen liegt, und
+keiner seine eignen Worte mehr spricht. Die Halbgebildeten, die
+Ungebildeten, sie stürzen alle voran. In dieser eitlen Wut ist jedes
+Unterscheidungsvermögen gelähmt, einer ist der schwächere Abdruck des
+andern, und alle halten sich krampfhaft an dieselbe Schnur. Nie aber
+verklingt das letzte hohle Wort!
+
+Ein Abhang im Schatten, ein Fels in der Dämmerung tönt voller als heutige
+Musik!
+
+Ach! käme doch einer, der unsre Geheimnisse in ihre alten Schleier hülle,
+bis wir gelernt haben, sie wieder zu verschweigen.
+
+Vielleicht werden wir dann die Früchte ernten, die wir so jäh
+herunterrissen, vielleicht gelangen wir dann auf Umwegen ans Ziel,
+vielleicht erschliessen sich uns dann neue Aussichten, ein neues Land und
+neue Bewandtnisse.
+
+Betrachten wir es genau: Das hehrste Sujet der Menschheit haben unsre
+grossen Geister scheu umschifft, und ihre unbeschreiblich zarte
+Jüngerschaft haben sie nicht gesagt oder nicht zu sagen vermocht.
+
+Wir aber wissen wohl in aller Stille, dass durch sie von Ferne eine Gestalt
+sich uns nähert, die uns so unerklärlich und unfassbar bleibt.
+
+Wir fühlen in der beglückenden Harmonie eines Plato, in Shakespeare's
+Tiefe, in Goethe's Erhabenheit, im Fluge Beethoven's, in Mozart's Klang, in
+Wagner's Blick, in der Sensibilität eines Schopenhauer (um einmal all die
+armen Abgedroschenen zu nennen!); wir fühlen, dass aus allen grossen
+Gemütern etwas ausgeht, was uns mit einer seltsamen Ahnung durchschauert
+betreffs eines, Gott sei Dank, noch nicht zu oft genannten Namens.
+
+Aber welches Genie schwänge sich auf eine so schwindliche Brücke und
+ergriffe den intangibelsten aller Fäden?! --
+
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription
+
+
+Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt
+(vorher/nachher):
+
+ [p. 17]:
+ ... Ein Frosch sass im nassen Grasse, befriedigt und ...
+ ... Ein Frosch sass im nassen Grase, befriedigt und ...
+
+ [p. 42]:
+ ... wilder undunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- ...
+ ... wilder umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- ...
+
+ [p. 60]:
+ ... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit überrall einbrechen, ...
+ ... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit überall einbrechen, ...
+
+ [p. 61]:
+ ... symetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ...
+ ... symmetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ...
+
+ [p. 78]:
+ ... Dichter«, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ...
+ ... Dichter, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ...
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Kurze Aufsätze, by Annette Kolb
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZE AUFSÄTZE ***
+
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+Produced by Jens Sadowski
+
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+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit www.gutenberg.org/donate
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
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+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
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