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Epilog " 75 + + + + +DER ZUFALL? + + +Was giebt es unvermeidlicheres, berechneteres und dabei natürlicheres wie +den Zufall? + +Was ist abgefeimter und grausamer oder gütiger? Wir können ihn weder +anklagen, noch ihm danken. -- Nie können wir ihn überführen, ihm die Maske +entreissen und sagen: »Dies hast du gewollt und über mich gebracht.« -- +Denn die natürlichste Verkettung der Dinge hat es herbeigeführt. + +Was sollen wir mit diesem raffinierten Zufall anfangen, der unsere Schritte +lenkt und doch nur als ein leerer Schleier in unsern Händen bleibt? -- Am +besten ist es wohl, ihm zu vertrauen; allein man lernt dies nur nach +Jahren, und nach geprüften Jahren. Erst treibt es uns, ihn gewaltsam +herbeizuführen, unsern Willen dem seinen gegenüberzustellen, und dann erst +wird der Zufall so recht feindselig und allmächtig! + +Was hängt er nicht alles an eine Begegnung? Ob wir eine Minute früher oder +später in diese Gasse bogen, mag über eine unbeschreibliche Reihe von +Unglückstagen entscheiden -- sie von uns abwenden oder über uns bringen. + +»Es giebt keinen Zufall!« -- sagt Schillers Wallenstein. Aber damit sagte +er schon zu viel; denn der Zufall entzieht sich uns so fern, dass er nicht +einmal _diese_ Behauptung ermöglicht. + +Als ich in Paris anfing, mit dem Gedanken umzugehen, ich wäre am liebsten +wieder zu Hause, erhielten wir eines Tages aus Marseille einen sorgfältig +verpackten Schlüssel und einen Brief. Es war ein Angebot, die Wohnung einer +Dame zu beziehen, währenddem diese im Süden weilte und ihr schöner Flügel +wurde ganz besonders gerühmt, aber wir machten von all dem keinen Gebrauch, +denn es kam so vieles dazwischen. + +Da plagte mich eines Morgens ein unverkennbares Heimweh. Wir wohnten in +einer jener engen Strassen, die den Himmel versperren und die Menschen +zusammendrängen wie auf einem Schiff. Draussen war es regnerisch und +schwül, und ich sehnte mich fort; da fühlte ich zufällig unter meinen +Fingern den Schlüssel jener Wohnung, und um mich gewaltsam aus der Stimmung +zu reissen, in der ich mich befand, machte ich mich zur Stelle auf den Weg +nach diesem Hause. -- + +Als ich aber dort die ziemlich hochgelegene Wohnung betrat, lag sie in so +rabenschwarzer Nacht, dass ich alsbald wieder hinunterging, um mir bei dem +Concierge ein Licht zu verschaffen. + +Dieser hatte indes seine Loge verlassen, und ohne auf ihn zu warten, +zündete ich mir eine Kerze an und eilte wieder hinauf. -- + +Auch nicht ein Schimmer des Tageslichtes drang in diese Räume! Eiserne, +verriegelte Läden schlossen es gänzlich ab, und der Lärm von Paris klang da +gar seltsam herein, denn öde war es hier! -- Als hätte ein Unglück die +Bewohner plötzlich vertrieben, so dass sie alles liessen wie es war, nur +dem Lichte wehrend, bevor sie flohen. Denn nichts war aufgeräumt. Im ersten +Zimmer stand ein blauseidnes Bett aufgeschlagen und bestaubt, vom Baldachin +hing eine lange Kordel zerrissen herab. Die Kerze beleuchtete nur immer +dürftig eine einzige Stelle, aber im Vorübergehen sah ich Gegenstände +verwahrlost herumliegen, zertrümmertes Krystall, zierliche Louis XV.-Möbel +und einen offenen Schrank. Es war, als ob hier Diebe gehaust hätten, und +als seien sie dann in der Hast über alles davongestiegen. So unheimlich war +der Anblick all dieser Zimmer, dass ich, ohne mich länger umzusehen, den +Salon suchte, wo der Flügel stehen musste, um dann schleunigst wieder +fortzukommen. Ich entdeckte ihn denn auch, zwischen zwei Fenstern stehend +und von einer Decke geschützt. Als ich diese zurückschob, hob sich ein +Schwarm von vielleicht tausend Flöhen und stieb in gerader Linie auf mich +los. + +Ich fuhr zurück -- wahrscheinlich zu rasch -- die Kerze verlosch! -- + +Was dies für mich bedeutete, war mir sofort klar. Denn ich hatte im +unverantwortlichen und unbegreiflichen Leichtsinn die Zündhölzer unten +gelassen. -- + +Nie aber würde ich in dieser Finsternis die Hausthüre finden, und wenn ich +sie fände, niemals unterscheiden -- den Weg zurück wusste ich nicht. Es +waren so viele Zimmer gewesen und kein Gang. Alles ineinand geschachtelt, +wie es in französischen Wohnungen oft ist. Ich tastete nach dem Schlüssel, +aber der Schrecken hatte mir alle Erinnerung benommen. Ich fand ihn nicht +mehr. + +Mit den Händen fuhr ich der Wand entlang bis zum Fenster, allein die Läden +mussten einen eigenen Verschluss haben und schnitten mir in die Finger, +ohne zu rücken. Behutsam ging ich vorwärts, vielleicht drang doch in irgend +eine Kammer ein Schimmer von Licht und war von dort aus ein Zeichen +möglich, aber überall war Finsternis und Staubgeruch als läge ich tief +unter der Erde. + +Der Concierge würde den Leuchter kaum vermissen, den ich unter vielen +andern aus seiner Loge fortnahm, keinesfalls aber auf mich geraten und die +Meinen hatten keine Ahnung wohin ich gegangen war, denn als ich von Hause +fortging war ich allein gewesen. -- So war zwar meine Rettung lange noch +möglich, noch grösser aber die Gefahr, dass ich hier verschlossen und +vergessen bliebe. + +Meine Wanderungen nach der Hausthüre begannen von neuem. Griffe ich sie, so +wollte ich dort stehen und rufen. Allein ich fand sie nicht! + +Es liess sich keine Thüre von der andern erkennen, kein Zimmer, keine +Kammer. Einige waren versperrt. Wie in einer Falle irrte ich blind umher +und wurde immer unfähiger, mich zu orientieren; denn von den Räumlichkeiten +hatte ich die Verhältnisse nicht entnommen, und der Ausgangspunkt war mir +längs verloren. + +So musste ich mich meinem Schicksal ergeben. Die Zeit verging, und wie +rings um mich, so war es jetzt auch in meinem Herzen Nacht. Aber statt der +Verzweiflung kamen mir da plötzlich Gedanken: Was für einen Sinn hätte denn +ein solcher Abschluss? Welche Deutung konnte ich meinem Tode abgewinnen? + +In meinem Leben konnte ich nichts entdecken, aber dies Leben selbst +erschien mir da merkwürdigerweise wie ein arger Schuldbrief, und ich werde +wohl nie mehr so tief und ruhig zu denken vermögen, wie in jenem so hoch +über der Erde gelegenem Grab! + +Wie spät es geworden sein mochte ahnte ich nicht. Immer wieder begannen +meine finsteren Wanderungen, mein Tasten nach Thüren und mein Rufen. Meine +eigne Stimme versetzte mich in solche Angst, dass es wie wahnsinnig in +meinen Schläfen pochte. Den Hunger sah ich schon als meinen Gefährten, und +heiss und blutig drang mir's nun ins Gehirn. -- Und wie betäubt stiess ich +zuletzt gegen eine scharfe Kante und empfand etwas Kaltes unter meinen +Händen. + +Daraus schloss ich, dass ich mich wieder in einem Zimmer befand, denn dies +fühlte sich wie ein marmorner Tisch. Ich fasste ihn mit der andern Hand: da +durchzuckte mich jäh eine wilde, triumphierende Lebensfreude. Was da meine +suchenden Finger ergriffen hatten, war -- eine Zündholzschachtel! + +Zitternd fachte ich eines an und starrte jetzt auf ein gespenstiges Wesen, +das mit hohlen Augen unvergesslich auf mich blickte. + +Allein bevor die Angst noch ihre Klammern auf mich legen konnte, gewahrte +ich den hohen Spiegel, vor dem ich stand, woran die schmale Marmorplatte +angebracht war, an die ich stiess. Lange Kerzen stacken da in Kandelabern, +und mechanisch zündete ich sie an; von meinem eignen Bilde keinen Blick +verwendend, denn wie von einem Drama war ich hier gefesselt. + +Das Entsetzen auf meiner Stirne, die trostlose Ergebenheit meiner Züge, die +Todesahnung war auf meinem Gesichte geblieben. Obwohl ich mich gerettet +wusste, immer starrte ich noch wie eine Verlorene. + +Was hinter diesen weitgeöffneten Augen vorgegangen war, wusste ich so wohl, +der schon wie eingefallene Mund, warum er so bitter geschlossen war, das +herabgezogene Kinn, der zurückgehaltene Grimm. -- Und dabei war mir's als +erschaute ich das Selbsterlebte nun zum erstenmale. + +So blieb ich vor dem Spiegel gebannt, bis meine Augen sich verkleinerten +und die Farbe, als sei nichts geschehen, sich allmählich wieder einstellte. +-- + +Der Raum, in dem ich mich befand, war ein kleines Durchgangszimmer, und die +Begebenheit so einfach und natürlich! + +Es hatte hier jemand eine Schachtel Streichhölzer vergessen. Weiter nichts! + +Es war eben jener blinde und hundertäugige Zufall, jener unberechenbare +Stern, der über unser Leben waltet und es erhält oder vernichtet. + +Den Schlüssel, die Thür und den Weg ins Freie hatte ich nun bald gefunden; +wieder hinab in das rege Paris. + +Die Boulevards schimmerten im Abendrot, und die Knospen der Bäume waren +nach dem Regen hold geschwellt. + + + + +DER FROSCH. + + +Ein Frosch sass im nassen Grase, befriedigt und wohl aufgeblähet, denn er +hatte eben gespeist, und da ihm das Verschmauste wohl bekam, so fühlte er +sich nicht ungeneigt zu philosophieren, zwinkerte behaglich mit seinen +feuchten Augen und dachte: + +»Was ist doch die Welt so seriöse! -- und machen sie alle so fatale Mienen, +statt das Leben frisch zu nehmen wie es ist! Ich bin zufrieden, und mir +geht es gut; auch nehme ich die Dinge wie sie kommen!« + +Und obwohl er schon zu viel gegessen hatte, schnappte er noch im Übermute +nach einer Fliege, die des Weges flog, und verzog dann sein breites Maul zu +einem superiorem Lächeln: Es war doch wirklich alles zu dumm! + +So hockte er froh an des Teiches Rand, blickte in die laue Luft und hiess +die Weltordnung gut. Libellen hingen und schwirrten, dicke Waldschnecken +schleppten sich fort, ein Vöglein jammerte und eine hagere Katze schlich +umher. Alles beobachtete und genoss der Frosch als heitrer Skeptiker und +Bon-vivant und plumpste dann wieder in den Teich. + +Von Tag zu Tag aber gedieh er, zum Verderben zahlloser Mückchen, die +enthusiastisch in der Sonne schillerten. -- Kein Wunder, wenn sich der +Frosch da »hatte« und seine Lebensanschauung sich zu einem immer +insolenterem System abrundete! + +Und unumwölkt floss sein Dasein dahin, denn jeder ist selbst seines Glückes +Schmied. + + + + +ADAM UND EVA. + + +Die Nacht senkte sich vor der Vertriebnen Augen, und nach harter Tagesmühe +ruhten sie. + +Trauer umfloss der Gefallenen Antlitz, und ob des Menschengeschlechtes +drang eiserne Schwermut auf sie ein. Keine Thräne hatte noch das Weib; es +barg und vertiefte sich das Weh der Erde in ihrem Schosse zur Melancholie, +und wortescheu verblieb der Mann, als er sich hingewiesen sah an die harte, +unbekannte Scholle, an die unerbittliche Sonne und dem süssen Mond; aber +der Welt Zukunft und Not starrte in seinem Geist. + +Dies Paar, ach! war der Atlas! + +Das Echo seiner Qual durchdrang den hellen Sinn der Griechen, und eine +Weltkugel wälzten sie dem GOTTE auf die Schulter, allein ein Menschenpaar +ist es gewesen, das einst die Last des Werdens kostete und trug. + + + + +LE REVENANT. + + +Une nuit je crus errer eu rève dans des siècles passés, et je vis des +hommes et des femmes dans leur vie journalière. Je vis des enfants joner, +un laquais endormi sur un siège, puis des fruits dans une coupe étrange et +soudain sur un balcon trempé de pluie une jeune dame enveloppée dans une +grande robe rose et une mante noire. + +Mon esprit alors fut pris d'un vertige! -- et sentant mon rève, je voulus +m'en soustraire en le secouant; mais lui aussi-tôt, se faisant plus confus, +devint si pesant, que le coeur oppressé, je le subis. -- + +Alors je me vis appuyé contre une fenêtre à ogives à la nuit tombante dans +une salle. Brusquement tout au fond une porte s'entr'ouvrit, et un chien +s'élança, de ces beaux chiens de chasse! il s'arrèta inquiet, les yeux +flambants; puis d'un mouvement jeune et violent, fou de vie et de joie, il +se retourna, se jeta vers la porte, et frappant le parquet bruyamment de sa +queue, il attendit, guetta plutôt, pour s'élancer sur un homme qui entrait. +-- + +Lorsque je vis cet homme qui entrait, je sentis mes lèvres trembler de +tristesse. L'on eut dit la vie même, et c'était un mort! -- + +Ah! si vous l'aviez vu s'avancer d'un pas rapide en tournant vers sou chien +une figure d'un contour si vif et d'une ciselure si étroite, que cette tête +si noire se détachait des ténèbres comme une tache blanche, tant elle était +ardente! l'illusion, je vous assure, vous eut gagné, tout comme moi: cas la +vie _affluait_ dans chacun de ses gestes; ses yeux étaient chargés et +lourds comme certaines fleurs, et sur cette figure fougueuse, le regard +était préocupé et rentré, comme pour se poser très-loin sur une vision qui +revenait toujours, et faisait sourire malgré lui, sa bouche songeuse et +cruelle! -- La mort, me disai-je, la mort! -- + +Je me sentais si chétif près de cet être si beau, pourtant je vivais moi! +n'était-ce pas mieux que ce splendide mirage? + +La mort!? -- mais ce mot même tombait vide devant un pareil revenant! + +Ce fut alors, qu'il marcha droit vers la fenêtre, où je me tenais et que +mes yeux purent plonger dans les siens pour, en chercher l'énigme. Mais +hélas! qu'ils étaient loins, et comme mon coeur se serra! une grande +douleur fit tomber mes paupières qui brûlaient, et je sentis alors +s'approcher de moi, et m'envelopper comme l'haleine du Printemps; je crus +respirer toutes les aubépines des bois, et sentir un ciel, des sapins, et +des ruisseaux clairs: je vis une truite tachetée de rose, et de l'herbe +fraîche et mouillée; et une si afreuse nostalgie passa dans mes veines, que +j'étendis un bras éploré vers le spectre, dont la vie m'avait ainsi +troublé. Mais lui, quoique sa main pesât sur mon épaule, son regard, qui +semblait déborder, se détournait toujours. -- Et, voulant jeter un cri d' +angoisse, qui ne fut qu'un souffle, je lui dis: «Je suis lá!» et tout mon +être passa dans ces pauvres paroles! L'homme tressaillit, et changeant +d'attitude, sa main tomba. Mais en ce moment même il y eut un bruit dans la +cour, et je le vis se retourner, faire signe à son chien, et sortir. Ni +l'un ni l'autre ne m'avaient vu. -- + +Et alors la Nuit se fit plus profonde, et mon coeur plus froid. Seul mon +cerveau s'allumait et marcha. + +Regarde! dit-il à mes yeux devenus fixes de terreur, regarde sous ces +ténèbres croissans cette salle inconnue, et vois ces meubles bizarres! Que +peuvent ils te rappeler? + +Rien! sonna-t-il. Puis toutes les roues de mon cerveau s'ébranlérent avec +une vitesse infernale, et j'entendis un glas frapper au fond de moi-même: +LE REVENANT, C'ÉTAIT MOI! + +1893 + + + + +L'ORACLE. + + +Elle était grande et laide, une roche informe et nue, qu'elle hit éclairée +ou à l'ombre, toujours triste. + +Un homme s'y égara un soir, mais perdant pied aussitôt il mourut victime, +lui fort et pensant, de cette grande chose inerte et brute, et personne ne +la montait plus. Elle demenrait à l'ombre le plus souvent des grandes cimes +autour, et le soleil ni la lune ne l'aimaient. Seule la neige s'y plaquait +lourde et compacte! + +Or en une nuit de lune et de Vent (le monde déjà était vieux) quelque chose +remua au fond du rocher, et l'emplit soudain, comme d'un profond soupir. Ce +ne fut qu'un instant! quelques caillons roulèrent et un peu de neige +bleuâtre se détacha. Ce fut tout. + +Mais en cet instant si vague, et d'infinie lourdeur -- le rocher subit sa +propre tristesse sourdement, comme la plante comme s'éveille l'aloès du +fond de sa torpeur, c'est ainsi que sa propre Enigme vint saisir la +montagne et lui révéla son Mystère, les liens occultes, qui la liaient aux +longs chagrins et aux incurables misères, à tout ce qui est noir ou navrant +dans la création. + +Tout cela l'enveloppa comme d'une Ombre Géante. Et un accord vibra en ce +domaine silencieux! Une source s'agita affolée! elle mouta brûlante et +profonde jusque à l'ivresse, pour tarir aussitôt. + +Mais la Terre -- si rèveuse en ces nuits de Lune et de Vent tressaillit et +appela. Alors des milliers d'ombres se dégagèrent des plis de Ténèbres et +s'agitèrent autour du rocher éteint pour saluer l'Idée -- le Symbole -- +l'Oracle enfin qui venait de parler. + +1893 + + + + +HERBSTLIED. + + + Herbstlich sinkt der Tag nun. + Herbstfarb'nes Licht, so sanft wie süsser Ton, + Zart wie bedeutsamer Traum, + Der uns beglückend streifte in der Flucht. + Ach weile, guter Herbst! + Dein ist der tönendste Ton im Jahr! + Musik der Dämmerung ist deine Stunde, + Beruhigte Leidenschaft dein tiefer Blick. + Ist Verfall dein Sinn? + Oder lächelst du über den Tod? -- + + + + +DER WALCHENSEE. + + +Die Berge zogen ihre hohen, sanften Linien in der bleichen Dämmerung. +Ahnungsvoll schien jede Senkung, jede Matte, jeder Schatten, und stumm +hielten die Tannen hart am Ufer Wacht. Und Luna zog langsam mit ihrem +Gefolge weissgeballter Wolken hinter den Spitzen der Berge einher. + +Kein Sternengefunkel störte noch des Himmels Ruh'! Und wie tief kündete +sich da die Nacht, wie fern schien da Aurora, als käme nimmer der frühe +Tau, noch die strahlende Sonne zurück. + +»Ach!« seufzte da eines Menschen Stimme, »käme nimmer der Morgen!« + +Doch plötzliches Entsetzen fasste ihn alsbald, und starre Angst trieb ihn +dem Gestade entlang, war es ihm doch, als hätte er hier Schatten ins +Bewusstsein gerufen und aufgescheucht, als sei ihm das verhängnisvolle Wort +entfahren, das diesem See und dieser Natur geheimnisvoll zu Grunde lag, und +als seufzte nun alles rings um ihn, von jeder Felswand rauschend und vom +Strande wiederhallend, ein traumversunkenes und im Traum gefundenes Echo: + + Ach, käme nimmer der Morgen! + Käme nimmer der Morgen! + + + + +DIE HERUNTERGEKOMMENEN. + + +Als die Nacht hereingebrochen war und der kalte Zug durch die +Fensterspalten blies, da wurde es auch stille in dem langen Gang, wo die +Ahnenbilder hingen unverrückt an der dunklen Wand und die Finsternis über +sich ergehen liessen wie über ihre Gräber. Allein die Nachkommen dieser +längst verblichnen Leute wohnten noch in dem alten Schloss und fanden keine +Ruhe, denn sie wollten und wünschten mit der wilden Kraft, die sie von den +Vätern geerbt! Währenddem die Nacht sich immer tiefer senkte, schlief da +Keins. Alle hofften, fürchteten und sehnten sich zu sehr in diesen alten +Mauern, als dass der Schlaf sich ihnen rettend nähern konnte. Den hielt der +Hass und den die Liebe, alle aber hielt der Lebensdrang, die Heftigkeit des +Wunsches und die trübe Ahnung des Unerfüllbaren wach. + +Die Väter hatten so froh genossen und so wilden Auges gelebt! Sie glichen +sich alle in Miene und Blick, und Generationen hindurch verzehrten sich die +schönsten Frauen in Liebe um dies Haus! + +Das Glück aber hielt treue Wacht und zog goldene Gitter um seine +Günstlinge. + +Einem breiten glänzenden Strome glich dies Geschlecht, der schimmernd die +schönsten Lande durchzieht, Wälder und hohe Gipfel, glänzende Städte und +den ganzen Himmel lachend wiederspiegelt. + +Zöge sich doch mein Herz nicht zusammen, als ich dieses Vergleichs gedenke! +Denn nach hundert Jahren erlosch ein Stern: der herrliche Fluss rauschte +weiter; da veränderte sich sein Bett. Hoch und furchtbar drangen kahle +Felsenwände auf ihn ein, qualvoll türmte sich da das tiefe Gewässer und +wütete gegen die hemmende Wand. + +Sein schrecklicher Schall tönte betäubend durch die Welt. Unerbittlich aber +verengten sich noch die Thore, und der Fluss brach sich heulend seine Bahn. +Als wilder umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- + + + + +SKIZZE. + + +Vor Jahren fiel mir ein Buch in die Hände, dessen Titel ich mich nicht mehr +entsinnen kann, es war eine Übersetzung aus dem Griechischen und mit vielen +Anmerkungen versehen, wovon eine einen alten Spruch citierte, der mir immer +im Gedächtnisse blieb. Die Worte erinnere ich mir nicht, nur den Sinn, und +der war folgender. + +»Nicht der Mann ist die Weisheit, nicht die Frau ist die Liebe: Die Frau +ist Weisheit, der Mann ist Liebe. Des scheinbaren Umtausches sich nicht +bewusst, sucht der Mann in der Frau seine eigne Liebe, die Frau im Manne +ihre Weisheit wieder.« + +Dieser Spruch schien mir nach und nach so manches Unerklärliche und +Unvereinbare, das in jenen Beziehungen nicht zu begleichen schien, schärfer +zu beleuchten. + +Ein »ganzer Mann« wird einer Frau in so entscheidenden Punkten überlegen +sein, dass nur die tiefere Weisheit des schwächeren Teils ein Gleichgewicht +herzustellen vermag und in jener Weisheit allein die Möglichkeit liegt, den +Blick dieses Mannes ganz wiederzuspiegeln. + +Ist dieser Spiegel getrübt oder zu stürmisch oder zu seicht, so wendet der +Blick sich ermüdet ab und sehnt und sucht nach andern Augen, die wieder +versprechen und wieder enttäuschen. + +Umgekehrt sehen wir oft ganz unbedeutende Männer von einem weiblichen Wesen +dauernd gefesselt, von dem sie nie Kenntnis gewinnen können, in dem aber +die Weisheit verborgen liegt, die sie mit dumpfer Sehnsucht erfüllt. Eine +solche Frau, deren innere Entwicklung ihren eigenen Weg zu folgen bestimmt +war, sieht oft zu ihrem stillen Befremden einen ihr so fremden Mann so treu +an ihrer Seite. + +Was nun mit jener Weisheit in dem alten Spruche gemeint war, ist sicher +nicht die Lebensklugheit noch Schärfe oder Kraft des Geistes, denn die +wohnen alle dem Manne viel thätiger inne. Sie wird wohl eher dem +Meeresspiegel vergleichbar sein, der tiefer und beschaulicher wird, je mehr +sich darin versenkt. -- + +Jeder kennt jenes eigentümliche Gefühl, das ihn angesichts der +gleichgültigsten Dinge anwandeln kann, ihn zwingt, innezuhalten und +Gedanken einzulassen, die von aussen auf ihn einzudrängen scheinen und +deren Bewandtnis er noch nicht erfasst. + +So stand ich einmal auf einem weiten, freien Feld und dachte an die +Druiden, wie die Welt in ihnen wiederhallte, in sie drängend wie ein Strom, +so dass sie ihr das Rätsel fast entrieten und, von ihrer Ahnung +überwältigt, Wahrheiten stammelten -- in undurchdringlichen Worten. + +Da fiel mir -- anscheinend schauerlich unzusammenhängend -- der Don Juan +ein! + +War etwa _hier_ ein Gegensatz? -- War hier _etwas_, was sich deckte? + +Ich weiss es nicht. -- Aber mit einem Male begriff ich, wie sich der Zauber +und die Tragik im Dasein zweier Geschlechter in jener dunklen Gestalt und +ihren Opfern sublimieren konnte, und ich begriff den klärenden Schein, den +Mozart um sie wob. + +Trat in diesem Wesen irgend ein verborgenes Gesetz in Kraft und blieb das +nie Erreichte auf weit abliegender Bahn und keinem füglichem Gebiet +verwiesen? -- + +Lag etwa im Blicke der Veleda jene Ruh', die Don Juan in jedem schönen Auge +suchte, jenem andern Zuge folgend, der die Liebe so unendlich adelt? -- Und +lag seine eigne Gewalt in seiner eignen Sehnsucht? -- + + + + +DAS TRAUMBUCH. + + +Man wirft mir so gerne vor, dass ich nicht schreibe! -- + +Aber erstens! -- -- -- + +Und zweitens gehört hiezu doch auch eine leidliche Erfindungsgabe, und ich +bin nur deshalb so leichtgläubig, weil ich auf das Gegenteil von dem, was +man mir sagt, von selbst gar nicht gerate, eine solche Veranlagung ist +nicht eben produktiv! + +Über Gegebenes, Menschen wie Dinge, kann ich lange und eindringlich +nachdenken, nur muss ich sie haben! -- Aus der Luft greife ich nichts, denn +eine unübersteigbare Kluft trennt mich von jener Fähigkeit zu schaffen, die +so beglückend und erhebend sein muss und wohl deshalb so selten ist. + +Die einzige Genugthuung jedoch, welche mir diese endlich errungene +Erkenntnis bot, war, dass ich mich frei sprechen konnte von aller Schuld, +wenn keine Gedichte und keine Romane aus meiner Feder flossen, denn wie +viel besser wusste ich als alle andern, dass ich keine zu stande brachte! + +Als ich aber hierüber noch nicht im Reinen war und mir die Menschen so +manches versicherten, was mich nicht überzeugen konnte und doch sehr +verdross -- fasste ich einmal einen verzweifelten Plan, den ich auf die +äusserste Spitze treiben wollte und einem Mann von Fach zu eröffnen +beschloss. + +Ich liess mich bei ihm melden und erhielt einige Tage darauf ein zierliches +Briefchen, worin er mich auf sein Landgut zu einer Unterredung berief. + +Nun hatte ich nachts bevor, folgenden Traum: Ich, die nie im Leben geritten +war, sass plötzlich hoch zu Ross, ritt andern Reitern, die mich beschworen +einzuhalten, voran, liess mich dann langsam herabgleiten und stieg die +Treppe zu unserm Hause hinauf. + +Dann erwachte ich. -- Da jedoch dieser Traum sehr lebhaft in meinem +Gedächtnisse haften blieb, so schlug ich in meinem Traumbuch nach, ob eine +Deutung darauf stünde und las folgendes: »Unterlasse nicht, was du +vorhast!« Mir aber kam diese Weisung wirklich wie gerufen, denn schon lange +wollte ich einen recht flagranten Beweis in Händen haben, der mich von +meiner Leichtgläubigkeit endgültig kurierte. Derselbe Abend sollte mich ja +noch belehren! + +Dann verliess ich mein Haus und nahm den Zug. + +Das Wetter war leuchtend, und zuletzt führte mein Weg auf einem schmalen +Fusspfad durch ein hohes Kornfeld. + +Ganz ergriffen hielt ich da inne; denn die Welt war an diesem Tage zu +schön, ihr Schein zu unbeschreiblich! + +Ovid's Verwandlungen berührten mich mit einemmale als naturgemäss, und mir +war, als würde ich selbst zu jenem singenden, summenden Kornfeld, so sehr +entzückte mich gerade an dieser Stelle das goldene Leben unserer Erde. + +Doch nur wenig Schritte trennten mich von der Besitzung, in der meine +Autorität hauste, und nun erschien mir mein Plan erst recht in seiner +ganzen Unausführbarkeit. + +Eine Stunde später ging ich denn auch sehr gemessen denselben Weg wieder +zurück: Zuerst war der Mann von Fach sehr ernsthaft drei Schritte +zurückgewichen und hatte mich angestarrt. -- Aber in sein langes herzliches +und eindringliches Lachen musste ich am Ende doch einstimmen. + +Träume! dachte ich nun und wurde nachdenklicher mit jedem Schritt, denn +manches schien mir doch recht befremdend auf der Welt. + +Wie kam es zum Beispiel, dass die Alten, diese klugen, spöttischen +Griechen, denen die Wirklichkeit so voll genügte, solche Acht auf ihre +Träume hielten, dass die Geschichte selbst sie uns ganz ernsthaft mit Daten +und Thatsachen bringt? Vor jedem Schlachtenberichte stehen sie da als +Avantgarde, und jeder Feldherr klügelt über den seinen! + +Nun denke man sich nur einen modernen Geschichtsschreiber Napoleon's oder +Bismarck's Träume und dann zum Schluss noch seine eignen verzeichnend. Und +das mit der gebietenden Miene eines Plutarch! + +Wäre es möglich, dass hier etwas dahintersteckte und es uns verloren ging? + +Sonst dienen uns doch die Alten so gerne als Vorbild. + +Wer aber würde sich heutzutage mit derlei befassen? Die eigentliche +Bibliothek des Traumbuchs ist die Küche geworden und geschwätziges oder +ungebildetes Volk beratschlagen es. Nur ich besass noch eins, kraft jener +Erfindungsunfähigkeit, jener Sucht zu glauben, und auf glaubwürdiges zu +lauern. Alle Exzesse und Irrtümer stehen da offen. + +So dachte ich, von dem wogenden Kornfeld nicht länger impressioniert, im +Dämmerlichte des sinkenden Tages einhergehend und eignem Grübeln. + +Da plötzlich unerwartet, ungeahnt -- stand vor meinen bestürzten Augen +nicht das Gelingen meines Planes -- eine andre Erfüllung, die meinen Traum +wachrief wie mit einem langgedehnten Ruf, und wie einen kalten Hauch +empfand ich meine eigne Blässe. + + + + +MUSIKALISCHES. + + +MOTTO: Wollen wir hoffen? + +Richard Wagner, X. Band. + + + + +EINE MUSIKALISCHE BETRACHTUNG. + + +Vor einem mit Plakaten reich übersäten Kioske innehaltend, sagte kürzlich +einer zu seinem Freunde: + +»Sieh doch die vielen Konzerte! Bis über die Wände hinaus klettern die +Annoncen!« + +»Das ist schön!« rief der andere. »Da hast du unser liebes kunstsinniges +München!« + +»Ja, da hast du's!« brummte wieder der eine. + +Und wie es so geht auf dieser Welt, als sie eine kleine Strecke weiter +gegangen waren, fingen sie fürchterlich zu streiten an. In der Hitze jedoch +gebieten wir selten über die überzeugenden Worte, selbst wenn wir im Rechte +sind, und grad ein Philister hat da oft leichtes Spiel. + +Hier siegte denn auch der, dem beim Anblick der vielen Plakate das Herz +freudiger schlug, und selbstbewusst und heiter kehrte er nach Hause zur +Gattin. + +Aber wie verdrossen ging der andre heim! Fiel ihm doch jetzt erst alles +ein, was er im Eifer nicht fand; und wie sicher gestaltet sich nun seine +Rede in den dunklen Strassen! + +Immer feuriger ging er einher, als müsste er Schritt halten mit seinen +Gedanken, und sah recht närrisch dabei aus! + +Hier sei auch mir eine Bemerkung gestattet: Wage ich mich zwar jetzt mit +dem Sprüchwort: Kinder und Narren etc. vor, so werde ich allerdings dem +Vorwurf grosser Alltäglichkeit nicht entgehen, bringt uns heute doch fast +jeder Plato's finstre Höhle (die Höhle, ach, du lieber Gott, in der wir +alle so gemütlich sitzen!), oder citiert jene grosse Neuigkeit von dem +grössten Tragiker, nicht wahr, der zugleich etc. . . . . Denn nur in +solchen und ähnlichen Reminiscenzen ergehen sich nunmehr unsere gewandten +Bücher und halten streng an die Devise unsres Jahrzehnts: + +»Kaviar für Alle.« + +Vollends Sprüchwörter! + +Gut, so will auch ich das meine nicht zu Ende sagen, doch bitte ich euch, +lasst uns hören, was der Narr erzählte: + +»Wie alt«, rief er, »wie alt ist doch die Klage nach entschwundenen Zeiten! +Kein Zauber beschwört Vergangnes herauf! Wie der Regen, den die Erde so +begierig trinkt, um dann wieder trocken zu werden und hart, so verschwinden +spurlos nicht geträumte, ach! _erfüllte_ Ideale von der Welt! + +Wer ist es gewahr, dass Schritt für Schritt das Licht fällt, dass Kühle und +Dunkelheit überall einbrechen, dass rasch und unbemerkt eine Epoche von uns +scheidet? -- Erst wenn sie sich ganz unsern Augen entrückte, erst dann wird +die Verlorne im wahren Relief vor uns stehen. Aber wie Walther von der +Vogelweide um zartere Minne, so werden wir umsonst darum klagen! Und +inzwischen stellen wir uns blind und taub und lassen die Verwilderung um +sich greifen! Nur ein sehendes Auge sieht die verlöschenden Fackeln, und +nur dem feinen Ohre ist das wirre Gekreische vernehmbar.« + +(Schade, dass der Mann seine Reden nicht schön und symmetrisch aufzubauen +wusste! Seine Gedanken machten wilde Sprünge, und kamen dann im Bogen +wieder.) + +»Wisst ihr,« rief er da plötzlich, »dass jener thatsächliche Plan, sich per +Eisenbahn bequem auf die Jungfrau zu begeben, nichts anderes ist als ein +Symbol unsrer Zeit? + +Denn nichts Höheres bedeuten unsre täglichen Konzerte, unsre +Drehorgelorchester, und unsre ganze nivellierte Kunst. Überall ist der +Pöbel ausgebrochen, zwar ein wohlgenährter, gut gekleideter und siegreicher +Pöbel, aber erst recht der des Coriolan! + +Es haben uns doch die Besten gesagt und die wenig Grossen bewiesen, wie +aristokratisch die Natur verführt, wie scheu und sparsam sie ihre +vornehmste Blume, die der Kunst, auf ihren höchsten Gipfeln treibt, nur +ganz Bevorzugten nach harter Mühe erreichbar. + +Was deutet uns ein zusammengepresster staubiger Büschel Edelweiss, an einer +Strassenecke schreiend feilgeboten? Aber steil wie das Edelweiss und +geheimnissvoll wie die Aloë ist die Kunst! Pöbelhaft war es daher von uns, +sie mit Gewalt erstürmen zu wollen, und ein grober und hässlicher Wahn lag +dieser »Massenbewegung« zu Grunde. -- + +Denn als wir allesamt anfingen sie zu duzen, was war da natürlicher, als +dass uns die Kunst entfloh? Ihren letzten müden Strahl, an dem wir zehren, +halten wir nun für den »Morgenschein kommender Aeren!«, und keiner sieht, +keiner weist auch nur von fern auf unsern deutlichen Verfall. + +Ob wohl je die Menschen vor einem solchen Wendepunkt gestanden sind? + +Ob ein ähnliches Phänomen die Griechen einst zu Grabe läutete? und ob nach +Überwucherung der damaligen Kräfte ein ähnliches Schlingkraut die Erde +überzog? + +Wer wüsste es zu sagen!? Blühten nicht damals die Redner und Bildhauer +plötzlich in frecher Überzahl, just wie jetzt Kapellmeister und Solisten? + +Ehe man sich dann versah, verklang das ganze hohe Lied in Düsterkeit und +Barbarei. Sind wir etwa wieder da angelangt? -- Das wäre wohl auch hier die +Frage! + +»Aber nichts wiederholt sich«, murmelte der Mann. + +Er war auf der Brücke angelangt, und der rasche Fluss schien ihm neue +Einfälle zuzutreiben, denn er stand lange und sann, wie wohl der Mann +beschaffen sein musste, der unsre abwärts gehende Fahrt zu hemmen vermöchte +und neues Land eroberte. + +Über diesen gewaltigen Geist dachte der gute Kerl lange nach und ging dann +brav nach Hause. + + + + +NEMESIS. + +Eine zeitgemässe Betrachtung. + + +Dass die Welt ihre grossen Menschen so vielfach verkannte, trug besonders +für die Kleinen schlimme Folgen. + +Denn die Grossen kommen über kurz oder lang darüber hinweg (sei's nur, +indem sie das Leben überwinden!), und ihre Landsleute halten dann +frohlockend an ihre Namen als an ihr Eigentum fest; und starben diese +Grossen im Elend, so trägt das Schicksal und der Einzelne die Schuld, denn +die Allgemeinheit rettet sich ja stets. + +Dass es das ewig selbe Spiel bleibt, übersieht man, und klüger wähnen sich +die Menschen jedesmal geworden, wenn sie pietätvoll ihren grossen Toten +Säulen, Monumente und Brunnen errichten. + +Aber die Rache gräbt unermüdlich, und alles rächt sich tausendfach! + +Weil der Flecken nun so klar am Tage liegt, wie taub und blind wir für +unsre Helden waren -- glaubt ihr, darum sei er getilgt und der urteilslose +Unverstand samt seinen Folgen abgeschafft? + +_Ein_ Unterschied ist freilich da: der Vielbescholtne krankt nunmehr an +seinem üblen Ruf, darf nicht mehr schelten -- wagt es nicht -- und lässt +geschehen. Flugs dehnen sich da kleine Menschen himmellang, und bleibt die +Menge scheu vor ihren Produktionen, so verzagen sie nicht mehr, denn die +berühmtesten Vorbilder schweben ihnen vor, und die Tradition der Verkannten +haben sie ja für sich! + +»Wirklich?« fragen sie mit einem unendlichen Lächeln, »mein Werk gefällt +euch nicht?« + +Da blickt einer zaghaft zum andern, und einer nickt, und kleinmütig nicken +sie alle, denn sie sind die junge Generation und büssen für den Unverstand +der alten _umgekehrt_! + +Das grosse eine Merkmal des Schönen, dass es zwanglos um sich greifen und +unfehlbar, sei ihre Zahl vorerst noch so gering, die Herzen treffen _muss_ +-- auf dieses eine Merkmal, das doch zugleich auch unsre eigne Würde +rettet, auf dies pochen wir nicht mehr, denn unsre Augen sind nicht +unschuldig genug, und unsre Vergangenheit ist zu sehr getrübt! + +Den Lohn tragen wir nun davon! Auf dem schönen Erdreich, dem wir keine +Frucht entnahmen, schiesst das Unkraut so munter wie nur je empor, und auf +geweihtem Acker kauert dieselbe alte Schlange! + +Und die grossen Menschen? + +Je nun, man weiss vorerst nie, wo sie stecken, und sie haben nach wie vor +ihre Müh'. Auch sind die Zeichen nicht günstig. Aber vielleicht wirft uns +die Flut der Zeit wieder einen ans Land, der den Weg wüsste aus all den +verschlungenen Pfaden heraus und sich zur Stunde grämt, weil ihn der breite +Fluss des Irrtums überrauscht! + + + + +EINE SKIZZE ÜBER DIE STELLUNG DES KLAVIERS UND DER HEUTIGEN PIANISTEN. + + +Es ist in jüngster Zeit förmlich zur Redensart geworden, die Pianistenfrage +kurz damit abzufertigen, indem man sagt. »Das Klavier interessiert mich +nicht.« Was aber schlimmer ist wie Redensarten, und was mancher +wohlgeschulte Pianist in München zu seinem bitteren Nachteil erfahren +musste: Das Wort wird zur negativen That: er sieht nämlich sein Konzert mit +knapper Not von Freunden und Bekannten, etlichen alten Leuten und den +obligaten Kritikern besucht, die am nächsten Morgen ihr Bedauern über den +»leeren Raum« zu Drucke bringen -- und das eigentliche Publikum bleibt weg. + +Der Künstler selbst wird diese seine moderne Unpopularität natürlich nicht +ohne Erbitterung wahrnehmen und sich nicht sehr erbaulich über die alte +Musikstadt und ihr gepriesenes Entgegenkommen äussern. + +Nun gehe ich von jener alten paradoxalen Wahrheit aus, dass sich zwar in +der Masse Irrtum und Unverstand wie von selbst potenzieren, dass aber +trotzdem das Publikum in seinen Sympathien recht behält, und es sich +jedenfalls der Mühe lohnt, nach dem Grunde zu forschen, wenn es sich einer +öffentlichen Kundgebung gegenüber hartnäckig abgeneigt verhält. Ich möchte +hierin für das Münchner Publikum sogar eine gewisse Unbeirrbarkeit +beanspruchen, und gewiss birgt diese Stadt ein nennenswertes Kontingent +wirklicher Musikkenner. Ohne mit dem Finger darauf weisen zu können, fühlt +man es bei Gelegenheit deutlich durch, und dieses Kontingent sichert dort +dem Grossen und Echten, selbst wenn es neu und ungewohnt ist, fast immer +den Sieg. + +Nun ist München merkwürdigerweise eine geradezu pianistenfeindliche Stadt +geworden, und ohne die Gründe ihrer Abneigung lange zu analysieren, ist sie +ihnen im vornherein abhold; ja, die Pianisten zählen dort allgemach zu den +verdrossenen Typen, und es ist jetzt Mode, die einst so Gefeierten trotz +ihrer bedeutsamen Haartracht zu ignorieren. + +Da jedoch eine Abneigung, um sich selbst gerecht zu werden, stets motiviert +werden sollte, so sei hier der Versuch gemacht, die eigentümliche Stellung +zu bezeichnen, welche das Klavier heutzutage in künstlerischer Hinsicht +einnimmt, und welche wir am besten gleich im voraus eine »schiefe Stellung« +nennen wollen, um das Wort später erläutert zu sehen. + +In der Musik sind wir anerkanntermassen das erste Volk der Welt. Was wir +aber mit dem Klavier angefangen haben, oder vielmehr, was wir daraus werden +liessen, damit ist wieder einmal ein Beweis geliefert, wie leicht, uns der +simple gute Geschmack im Stiche lässt! + +Wir Deutsche stehen überhaupt mit dem Geschmack und was er im höheren Sinne +bedeutet: Formensinn und Grazie, auf etwas gespanntem, misstrauischem Fusse +und fühlen uns nicht ungeneigt, dies alles als frivol zu taxieren. Kommt +uns aber dann einmal der künstlerische Takt abhanden, so sind wir uns zwar +wohl unsres künstlerischen Ernstes, aber eben weil wir des Taktes +vergassen, unsrer Schwerfälligkeit nicht bewusst -- und nur so ist es +möglich, dass ein Übel, ein grober Irrtum, der sonst unsrer ganzen Richtung +widerspricht, sich auf eine wirklich ungeheuerliche Art auswachsen und +verbreiten konnte. + +Auf besagte Weise ist nun in dem musikalischen Deutschland das Klavier von +seiner ursprünglichen Bestimmung abgekommen, hat sich eine Stellung +angemasst, die ganz und gar nicht die seine ist, und wurde, nachdem es auf +diesem neuen Boden das Publikum eine Weile verblüffte, von demselben +verpönt. -- + +Diesem beklagenswerten Verfall -- die Folge rein äusserlicher Gründe -- +sollten wir nach Kräften entgegenwirken. + +Unsre grössten Klassiker haben nicht umsonst in edler Würdigung dieses +Instruments ihre herrlichen Meisterwerke dafür geschaffen. Aber leider ist +es ebenso wahr, dass sie dabei kaum einen unsrer modernen Pianisten, wie +sie jetzt landläufig sind, als Exekutant im Auge hatten, noch dass sie +dieselbe Idee vom Klavierspiele hatten wie er! Eine ganz kleine Sylbe +trennt hierin die alte von der neuen Zeit: Sahen unsre Meister im Klavier +ein stets verfügbares! Mittel, die mannigfachsten reichsten Tongebilde auf +dem dürftigen Holze zu resümieren und zur Wiedergabe zu bringen -- ein +ideales Abstraktum -- ein unschätzbares Mittel zum Zwecke musikalischer +_Re_produktion, so sieht hingegen der moderne Virtuos in seinem Instrument +lediglich ein _Pro_duktionsfeld. Nicht Mittel ist es ihm, sondern Zweck, +und zwar sich selbst will er produzieren! Über einen so unkünstlerischen +Standpunkt ist weiter kein Wort zu verlieren. + +Nennt man mir aber Franz Liszt als Beleg für die Berechtigung des modernen +Pianisten, so werde ich erwidern, dass er eine Einzelerscheinung, ein ganz +für sich gehendes musikalisches Phänomen vorstellt wie die Duse etwa für +die Bühne, beide aber in dieser Hinsicht gleich wenig berufen, Bahnen zu +eröffnen, denn es sind künstlerische Typen, deren Wert und Reiz eben in +ihrer Eigentümlichkeit beruhen. Liszt's Mähne auf einem anderen Köpflein +ist ebenso unbefugt, als es vermutlich die Mimik der Duse bei einer anderen +Schauspielerin wäre, denn auch diese findet ihre Berechtigung in einer ganz +individuellen künstlerischen Beschaffenheit, aber gewiss nicht als +künstlerisches Moment! -- + +Und dieser Vergleich, wenn er sich nicht vollkommen deckt, mag immerhin +dazu dienen, den Fall näher zu beleuchten: So wie die grosse Tragödin ihre +_eigne_ Individualität auf der Bühne in tausend Nuancen schillern und +erklingen lässt, mithin nicht die eigentlichen Heldencharaktere, wie sie +unsre grossen Geister schufen, zur Gestaltung bringt, sondern auf dem +nächsten, oft sogar dem nächstbesten Wege ihre ganz persönliche +Empfindungsweise, ihre moderne Seele zur Mitteilung bringt, so verlässt +auch der Pianist auf dem klassischsten aller Instrumente das ursprüngliche +Gebiet, und nicht so sehr musikalische Werke, als seine eigne Person führt +er uns vor, um sie unsrer Aufmerksamkeit aufzudrängen. Die moderne +Klavierlitteratur ist nicht anders als im engsten Bündniss mit jenem Irrtum +entstanden, den Virtuosen als Alleinherrscher vor seinem dadurch fraglich +gewordenen Instrument hinzustellen, und beide hiemit zu vernichten. + +Denn wie thatsächlich das schönste Klavier unter den Jonglerien und der +schaudervollen Gewandtheit eines Virtuosen zur unmusikalischen Plage wird, +so denkt man auch heute unwillkürlich bei dem Worte »Musiker« an einen +Geiger, Cellisten oder Sänger und nicht sobald an den Pianisten, der +mitsamt seinem Instrument und seiner pompösen Spezial-Litteratur aus diesem +Bunde ausgetreten zu sein scheint, seitdem er sich auf dem kolossalen +Irrtum einschiffte, ein eignes, selbständiges Gebiet -- die künstlich +angelegte Klaviersee, zu befahren wähnte, und nun auf einer Sandbank +festgesessen liegt, von der er nicht sobald wieder flott fährt, es sei +denn, dass ihn die Musiker selbst wieder zu Ehren bringen und aus dem +unförmlichen, verunglückten Dampfer wieder jenes ideale Schifflein bauen, +als welches es einst an einem mächtigen Baue festgeankert lag, und mit ihm +und durch ihn das unendliche Meer der Töne zu befahren, die Fähigkeit +erhielt. In diese seine ursprüngliche so edle und produktive Abhängigkeit +sollten wir es zurückführen, da es in »Demut« so viel erreicht. Nur so +könnte es seine alte Würde wieder erhalten, und in uns die alte Freude und +die alte Begeisterung wieder erwecken. + + + + +EPILOG. + + +Was auch kommen mag auf dieser Welt, immer gestaltet sich eine Zeit neu und +ungeahnt. Unsre Erde trägt keine Propheten, und nur durch ihre +Unergründlichkeit sind die Orakel so wahr. Wer erträumte wohl je das +nächste Geschlecht? Woran keiner dachte, das geschieht, wo der Fluss am +ruhigsten floss, dort tritt er über. + +Tausende von Jahren belehren uns nicht über ein einziges, das sich noch +nicht entrollte, unzählige von Schicksalen lassen unser eigenes stets neu. +Die Notwendigkeit schafft mit ihren blinden Augen zu Tage, andre Mächte +fordern wieder, was ihr trotzt, und so liegt die Welt unausgefochten im +Kampf. + +Oft schon, glaube ich, wurde als das grösste Unheil des Christentums das +Pharisäertum erwiesen, jene unheilvolle Macht, die von Grund auf, +anscheinend auf alle Zeiten, den Charakter verunstaltete, den das neue +Zeitalter erhielt. Wie unendlich viel, und wie unendlich wenig das Dogma +verrät, diese These wurde nie aufgestellt, die Pharisäer umstanden das +neue, wie das alte Testament; und so wurde es uns verdunkelt bis zur +Unkenntlichkeit und entfremdet. + +Jenes Unwesen selbst, verlor aber im Laufe der Zeit alle Macht; und da es +tief in der Erde sitzt und in den Menschen wohnt, sann es auf eine neue +Stätte. Wo aber fand es den Boden, den es nun zu sterilisieren, das Ding, +das uns nun zu entfremden galt? Wo anders, als da, wo das Gute +hingeflüchtet war, unangetastet, köstlich und steil, hoch über unsren +Häuptern, und doch verborgen. Mit schlauem Zerstörungssinn erblühte es da +inmitten der Kunst! + +Gut meinende Seelen, die aber vom Schweigen des Pythagoras nichts ahnten, +hatten selbst dem verderblichen Heere die schmale Bresche verraten und +wurden die ersten Pfähle auf jenem schrecklichem »chemin battu«, den jetzt +die Mode so verwegen und unbefangen betritt. + +Hier müssen wir einen Augenblick zurückgreifen. Bekanntlich war es +Grillparzer, der Beethoven's Grabrede hielt; nun wurden ihm +kurzsichtigerweise und nach Wagner's Erscheinen folgende Worte daraus noch +nachträglich verwiesen: + +»Beethoven's Nachfolger«, schloss der unmusikalische Dichter, wird von vorn +anheben müssen, denn er selbst hat geendet, wo die Kunst endet.« Und dabei +ahnte Grillparzer wohl gar nicht, wie wahr er sprach! + +In der That hub Beethoven's Nachfolger von vorne an und erklomm einen Berg, +um auch er -- und dies ist bedeutsam -- zu enden, wo die Kunst endigt. + +Wo sie aber zu Ende ist, dort behauptet wie eine wahnsinnige tote +Karrikatur die heutige Musik ihren unredlichen Platz. + +Wagner, dieser einfache Mann, der ohne Stil, nur von Gedanken gedrängt, sie +so gross und unschuldig niederschrieb, hätte er doch den Missbrauch seiner +tiefen, weittragenden Worte geahnt. -- Mit Siegeln nur hätte er dann seine +Bücher vermacht! + +Denn die göttlich stillen Seen, die ein Adler erschaute, sind nun ihrer +Einsamkeit entweiht und von der lauten Menge umlagert. Eine so +schauderhafte Vulgarisation, eine so triviale Gier, hohe Gefilde zu +umlärmen, hat sich ihrer bemächtigt, dass alles Urteil befangen liegt, und +keiner seine eignen Worte mehr spricht. Die Halbgebildeten, die +Ungebildeten, sie stürzen alle voran. In dieser eitlen Wut ist jedes +Unterscheidungsvermögen gelähmt, einer ist der schwächere Abdruck des +andern, und alle halten sich krampfhaft an dieselbe Schnur. Nie aber +verklingt das letzte hohle Wort! + +Ein Abhang im Schatten, ein Fels in der Dämmerung tönt voller als heutige +Musik! + +Ach! käme doch einer, der unsre Geheimnisse in ihre alten Schleier hülle, +bis wir gelernt haben, sie wieder zu verschweigen. + +Vielleicht werden wir dann die Früchte ernten, die wir so jäh +herunterrissen, vielleicht gelangen wir dann auf Umwegen ans Ziel, +vielleicht erschliessen sich uns dann neue Aussichten, ein neues Land und +neue Bewandtnisse. + +Betrachten wir es genau: Das hehrste Sujet der Menschheit haben unsre +grossen Geister scheu umschifft, und ihre unbeschreiblich zarte +Jüngerschaft haben sie nicht gesagt oder nicht zu sagen vermocht. + +Wir aber wissen wohl in aller Stille, dass durch sie von Ferne eine Gestalt +sich uns nähert, die uns so unerklärlich und unfassbar bleibt. + +Wir fühlen in der beglückenden Harmonie eines Plato, in Shakespeare's +Tiefe, in Goethe's Erhabenheit, im Fluge Beethoven's, in Mozart's Klang, in +Wagner's Blick, in der Sensibilität eines Schopenhauer (um einmal all die +armen Abgedroschenen zu nennen!); wir fühlen, dass aus allen grossen +Gemütern etwas ausgeht, was uns mit einer seltsamen Ahnung durchschauert +betreffs eines, Gott sei Dank, noch nicht zu oft genannten Namens. + +Aber welches Genie schwänge sich auf eine so schwindliche Brücke und +ergriffe den intangibelsten aller Fäden?! -- + + + + +Anmerkungen zur Transkription + + +Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt +(vorher/nachher): + + [p. 17]: + ... Ein Frosch sass im nassen Grasse, befriedigt und ... + ... Ein Frosch sass im nassen Grase, befriedigt und ... + + [p. 42]: + ... wilder undunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- ... + ... wilder umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- ... + + [p. 60]: + ... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit überrall einbrechen, ... + ... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit überall einbrechen, ... + + [p. 61]: + ... symetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ... + ... symmetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ... + + [p. 78]: + ... Dichter«, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ... + ... Dichter, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ... + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Kurze Aufsätze, by Annette Kolb + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44251 *** diff --git a/44251-h/44251-h.htm b/44251-h/44251-h.htm new file mode 100644 index 0000000..baea68c --- /dev/null +++ b/44251-h/44251-h.htm @@ -0,0 +1,1825 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" +"http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" lang="de" xml:lang="de"> +<head> +<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=UTF-8" /> +<title>The Project Gutenberg eBook of Kurze Aufsätze, by Annette Kolb</title> + <link rel="coverpage" href="images/cover-page.jpg" /> + <!-- TITLE="Kurze Aufsätze" --> + <!-- AUTHOR="Annette Kolb" --> + <!-- LANGUAGE="de" --> + <!-- PUBLISHER="Ulrich Putze, München" --> + <!-- DATE="1899" --> + <!-- COVER="images/cover-page.jpg" --> + +<style type='text/css'> + +body { margin-left:15%; 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allein man lernt dies +nur nach Jahren, und nach geprüften Jahren. Erst +treibt es uns, ihn gewaltsam herbeizuführen, unsern +Willen dem seinen gegenüberzustellen, und dann erst +wird der Zufall so recht feindselig und allmächtig! +</p> + +<p> +Was hängt er nicht alles an eine Begegnung? Ob +wir eine Minute früher oder später in diese Gasse +bogen, mag über eine unbeschreibliche Reihe von Unglückstagen +entscheiden — sie von uns abwenden oder +über uns bringen. +</p> + +<p> +»Es giebt keinen Zufall!« — sagt Schillers Wallenstein. +Aber damit sagte er schon zu viel; denn der +<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a> +Zufall entzieht sich uns so fern, dass er nicht einmal +<em class="em">diese</em> Behauptung ermöglicht. +</p> + +<p> +Als ich in Paris anfing, mit dem Gedanken umzugehen, +ich wäre am liebsten wieder zu Hause, erhielten +wir eines Tages aus Marseille einen sorgfältig +verpackten Schlüssel und einen Brief. Es war ein +Angebot, die Wohnung einer Dame zu beziehen, währenddem +diese im Süden weilte und ihr schöner Flügel wurde +ganz besonders gerühmt, aber wir machten von all dem +keinen Gebrauch, denn es kam so vieles dazwischen. +</p> + +<p> +Da plagte mich eines Morgens ein unverkennbares +Heimweh. Wir wohnten in einer jener engen Strassen, +die den Himmel versperren und die Menschen zusammendrängen +wie auf einem Schiff. Draussen war es +regnerisch und schwül, und ich sehnte mich fort; da +fühlte ich zufällig unter meinen Fingern den Schlüssel +jener Wohnung, und um mich gewaltsam aus der +Stimmung zu reissen, in der ich mich befand, machte +ich mich zur Stelle auf den Weg nach diesem Hause. — +</p> + +<p> +Als ich aber dort die ziemlich hochgelegene +Wohnung betrat, lag sie in so rabenschwarzer Nacht, +dass ich alsbald wieder hinunterging, um mir bei dem +Concierge ein Licht zu verschaffen. +</p> + +<p> +Dieser hatte indes seine Loge verlassen, und ohne +auf ihn zu warten, zündete ich mir eine Kerze an +und eilte wieder hinauf. — +</p> + +<p> +Auch nicht ein Schimmer des Tageslichtes drang +in diese Räume! Eiserne, verriegelte Läden schlossen +es gänzlich ab, und der Lärm von Paris klang da +<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a> +gar seltsam herein, denn öde war es hier! — Als hätte +ein Unglück die Bewohner plötzlich vertrieben, so dass sie +alles liessen wie es war, nur dem Lichte wehrend, bevor +sie flohen. Denn nichts war aufgeräumt. Im ersten +Zimmer stand ein blauseidnes Bett aufgeschlagen und bestaubt, +vom Baldachin hing eine lange Kordel zerrissen +herab. Die Kerze beleuchtete nur immer dürftig eine einzige +Stelle, aber im Vorübergehen sah ich Gegenstände verwahrlost +herumliegen, zertrümmertes Krystall, zierliche +Louis XV.-Möbel und einen offenen Schrank. Es war, +als ob hier Diebe gehaust hätten, und als seien sie +dann in der Hast über alles davongestiegen. So unheimlich +war der Anblick all dieser Zimmer, dass ich, +ohne mich länger umzusehen, den Salon suchte, wo +der Flügel stehen musste, um dann schleunigst wieder +fortzukommen. Ich entdeckte ihn denn auch, zwischen +zwei Fenstern stehend und von einer Decke geschützt. +Als ich diese zurückschob, hob sich ein Schwarm von +vielleicht tausend Flöhen und stieb in gerader Linie +auf mich los. +</p> + +<p> +Ich fuhr zurück — wahrscheinlich zu rasch — +die Kerze verlosch! — +</p> + +<p> +Was dies für mich bedeutete, war mir sofort klar. +Denn ich hatte im unverantwortlichen und unbegreiflichen +Leichtsinn die Zündhölzer unten gelassen. — +</p> + +<p> +Nie aber würde ich in dieser Finsternis die Hausthüre +finden, und wenn ich sie fände, niemals unterscheiden +— den Weg zurück wusste ich nicht. Es +waren so viele Zimmer gewesen und kein Gang. Alles +<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a> +ineinand geschachtelt, wie es in französischen Wohnungen +oft ist. Ich tastete nach dem Schlüssel, aber der +Schrecken hatte mir alle Erinnerung benommen. Ich +fand ihn nicht mehr. +</p> + +<p> +Mit den Händen fuhr ich der Wand entlang bis +zum Fenster, allein die Läden mussten einen eigenen +Verschluss haben und schnitten mir in die Finger, ohne +zu rücken. Behutsam ging ich vorwärts, vielleicht +drang doch in irgend eine Kammer ein Schimmer von +Licht und war von dort aus ein Zeichen möglich, aber +überall war Finsternis und Staubgeruch als läge ich +tief unter der Erde. +</p> + +<p> +Der Concierge würde den Leuchter kaum vermissen, +den ich unter vielen andern aus seiner Loge fortnahm, +keinesfalls aber auf mich geraten und die Meinen +hatten keine Ahnung wohin ich gegangen war, denn +als ich von Hause fortging war ich allein gewesen. — +So war zwar meine Rettung lange noch möglich, noch +grösser aber die Gefahr, dass ich hier verschlossen und +vergessen bliebe. +</p> + +<p> +Meine Wanderungen nach der Hausthüre begannen +von neuem. Griffe ich sie, so wollte ich dort stehen +und rufen. Allein ich fand sie nicht! +</p> + +<p> +Es liess sich keine Thüre von der andern erkennen, +kein Zimmer, keine Kammer. Einige waren versperrt. +Wie in einer Falle irrte ich blind umher und wurde +immer unfähiger, mich zu orientieren; denn von den +Räumlichkeiten hatte ich die Verhältnisse nicht entnommen, +und der Ausgangspunkt war mir längs verloren. +</p> + +<p> +<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a> +So musste ich mich meinem Schicksal ergeben. Die +Zeit verging, und wie rings um mich, so war es jetzt +auch in meinem Herzen Nacht. Aber statt der Verzweiflung +kamen mir da plötzlich Gedanken: Was für +einen Sinn hätte denn ein solcher Abschluss? Welche +Deutung konnte ich meinem Tode abgewinnen? +</p> + +<p> +In meinem Leben konnte ich nichts entdecken, aber +dies Leben selbst erschien mir da merkwürdigerweise +wie ein arger Schuldbrief, und ich werde wohl nie +mehr so tief und ruhig zu denken vermögen, wie in +jenem so hoch über der Erde gelegenem Grab! +</p> + +<p> +Wie spät es geworden sein mochte ahnte ich nicht. +Immer wieder begannen meine finsteren Wanderungen, +mein Tasten nach Thüren und mein Rufen. Meine +eigne Stimme versetzte mich in solche Angst, dass es +wie wahnsinnig in meinen Schläfen pochte. Den Hunger +sah ich schon als meinen Gefährten, und heiss und +blutig drang mir’s nun ins Gehirn. — Und wie betäubt +stiess ich zuletzt gegen eine scharfe Kante und +empfand etwas Kaltes unter meinen Händen. +</p> + +<p> +Daraus schloss ich, dass ich mich wieder in einem +Zimmer befand, denn dies fühlte sich wie ein marmorner +Tisch. Ich fasste ihn mit der andern Hand: da durchzuckte +mich jäh eine wilde, triumphierende Lebensfreude. +Was da meine suchenden Finger ergriffen hatten, war +— eine Zündholzschachtel! +</p> + +<p> +Zitternd fachte ich eines an und starrte jetzt auf +ein gespenstiges Wesen, das mit hohlen Augen unvergesslich +auf mich blickte. +</p> + +<p> +<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a> +Allein bevor die Angst noch ihre Klammern auf +mich legen konnte, gewahrte ich den hohen Spiegel, vor +dem ich stand, woran die schmale Marmorplatte angebracht +war, an die ich stiess. Lange Kerzen stacken +da in Kandelabern, und mechanisch zündete ich sie an; +von meinem eignen Bilde keinen Blick verwendend, denn +wie von einem Drama war ich hier gefesselt. +</p> + +<p> +Das Entsetzen auf meiner Stirne, die trostlose Ergebenheit +meiner Züge, die Todesahnung war auf meinem +Gesichte geblieben. Obwohl ich mich gerettet wusste, +immer starrte ich noch wie eine Verlorene. +</p> + +<p> +Was hinter diesen weitgeöffneten Augen vorgegangen +war, wusste ich so wohl, der schon wie eingefallene +Mund, warum er so bitter geschlossen war, das herabgezogene +Kinn, der zurückgehaltene Grimm. — Und +dabei war mir’s als erschaute ich das Selbsterlebte nun +zum erstenmale. +</p> + +<p> +So blieb ich vor dem Spiegel gebannt, bis meine +Augen sich verkleinerten und die Farbe, als sei nichts +geschehen, sich allmählich wieder einstellte. — +</p> + +<p> +Der Raum, in dem ich mich befand, war ein +kleines Durchgangszimmer, und die Begebenheit so einfach +und natürlich! +</p> + +<p> +Es hatte hier jemand eine Schachtel Streichhölzer +vergessen. Weiter nichts! +</p> + +<p> +Es war eben jener blinde und hundertäugige Zufall, +jener unberechenbare Stern, der über unser Leben waltet +und es erhält oder vernichtet. +</p> + +<p> +Den Schlüssel, die Thür und den Weg ins Freie +<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a> +hatte ich nun bald gefunden; wieder hinab in das +rege Paris. +</p> + +<p> +Die Boulevards schimmerten im Abendrot, und die +Knospen der Bäume waren nach dem Regen hold geschwellt. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-2"> +<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a> +<span class="line1">DER FROSCH.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a> +<span class="firstchar">E</span>in Frosch sass im nassen <a id="corr-0"></a>Grase, befriedigt und +wohl aufgeblähet, denn er hatte eben gespeist, und da +ihm das Verschmauste wohl bekam, so fühlte er sich +nicht ungeneigt zu philosophieren, zwinkerte behaglich +mit seinen feuchten Augen und dachte: +</p> + +<p> +»Was ist doch die Welt so seriöse! — und machen +sie alle so fatale Mienen, statt das Leben frisch zu +nehmen wie es ist! Ich bin zufrieden, und mir geht +es gut; auch nehme ich die Dinge wie sie kommen!« +</p> + +<p> +Und obwohl er schon zu viel gegessen hatte, +schnappte er noch im Übermute nach einer Fliege, die +des Weges flog, und verzog dann sein breites Maul zu +einem superiorem Lächeln: Es war doch wirklich alles +zu dumm! +</p> + +<p> +So hockte er froh an des Teiches Rand, blickte +in die laue Luft und hiess die Weltordnung gut. Libellen +hingen und schwirrten, dicke Waldschnecken schleppten +sich fort, ein Vöglein jammerte und eine hagere Katze +schlich umher. Alles beobachtete und genoss der Frosch +als heitrer Skeptiker und Bon-vivant und plumpste +dann wieder in den Teich. +</p> + +<p> +Von Tag zu Tag aber gedieh er, zum Verderben +zahlloser Mückchen, die enthusiastisch in der Sonne +<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a> +schillerten. — Kein Wunder, wenn sich der Frosch da +»hatte« und seine Lebensanschauung sich zu einem +immer insolenterem System abrundete! +</p> + +<p> +Und unumwölkt floss sein Dasein dahin, denn jeder +ist selbst seines Glückes Schmied. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-3"> +<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a> +<span class="line1">ADAM UND EVA.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a> +<span class="firstchar">D</span>ie Nacht senkte sich vor der Vertriebnen Augen, +und nach harter Tagesmühe ruhten sie. +</p> + +<p> +Trauer umfloss der Gefallenen Antlitz, und ob +des Menschengeschlechtes drang eiserne Schwermut auf +sie ein. Keine Thräne hatte noch das Weib; es barg +und vertiefte sich das Weh der Erde in ihrem Schosse +zur Melancholie, und wortescheu verblieb der Mann, +als er sich hingewiesen sah an die harte, unbekannte +Scholle, an die unerbittliche Sonne und dem süssen Mond; +aber der Welt Zukunft und Not starrte in seinem Geist. +</p> + +<p> +Dies Paar, ach! war der Atlas! +</p> + +<p> +Das Echo seiner Qual durchdrang den hellen +Sinn der Griechen, und eine Weltkugel wälzten sie dem +GOTTE auf die Schulter, allein ein Menschenpaar ist +es gewesen, das einst die Last des Werdens kostete +und trug. +</p> + +<div class="fr" lang="fr"> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-4"> +<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a> +<span class="line1">LE REVENANT.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a> +<span class="firstchar">U</span>ne nuit je crus errer eu rève dans des siècles +passés, et je vis des hommes et des femmes dans leur +vie journalière. Je vis des enfants joner, un laquais +endormi sur un siège, puis des fruits dans une coupe +étrange et soudain sur un balcon trempé de pluie +une jeune dame enveloppée dans une grande robe rose +et une mante noire. +</p> + +<p> +Mon esprit alors fut pris d’un vertige! — et sentant +mon rève, je voulus m’en soustraire en le secouant; +mais lui aussi-tôt, se faisant plus confus, devint si +pesant, que le coeur oppressé, je le subis. — +</p> + +<p> +Alors je me vis appuyé contre une fenêtre à ogives +à la nuit tombante dans une salle. Brusquement tout +au fond une porte s’entr’ouvrit, et un chien s’élança, +de ces beaux chiens de chasse! il s’arrèta inquiet, les +yeux flambants; puis d’un mouvement jeune et violent, +fou de vie et de joie, il se retourna, se jeta vers la +porte, et frappant le parquet bruyamment de sa queue, +il attendit, guetta plutôt, pour s’élancer sur un homme +qui entrait. — +</p> + +<p> +Lorsque je vis cet homme qui entrait, je sentis mes +lèvres trembler de tristesse. L’on eut dit la vie même, +et c’était un mort! — +</p> + +<p> +<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a> +Ah! si vous l’aviez vu s’avancer d’un pas rapide +en tournant vers sou chien une figure d’un contour si +vif et d’une ciselure si étroite, que cette tête si noire se +détachait des ténèbres comme une tache blanche, tant +elle était ardente! l’illusion, je vous assure, vous eut +gagné, tout comme moi: cas la vie <em class="em">affluait</em> dans chacun +de ses gestes; ses yeux étaient chargés et lourds comme +certaines fleurs, et sur cette figure fougueuse, le regard +était préocupé et rentré, comme pour se poser très-loin +sur une vision qui revenait toujours, et faisait sourire +malgré lui, sa bouche songeuse et cruelle! — La mort, +me disai-je, la mort! — +</p> + +<p> +Je me sentais si chétif près de cet être si beau, +pourtant je vivais moi! n’était-ce pas mieux que ce +splendide mirage? +</p> + +<p> +La mort!? — mais ce mot même tombait vide +devant un pareil revenant! +</p> + +<p> +Ce fut alors, qu’il marcha droit vers la fenêtre, +où je me tenais et que mes yeux purent plonger dans +les siens pour, en chercher l’énigme. Mais hélas! qu’ils +étaient loins, et comme mon coeur se serra! une grande +douleur fit tomber mes paupières qui brûlaient, et je +sentis alors s’approcher de moi, et m’envelopper +comme l’haleine du Printemps; je crus respirer toutes +les aubépines des bois, et sentir un ciel, des sapins, +et des ruisseaux clairs: je vis une truite tachetée de +rose, et de l’herbe fraîche et mouillée; et une si +afreuse nostalgie passa dans mes veines, que j’étendis +un bras éploré vers le spectre, dont la vie m’avait +<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a> +ainsi troublé. Mais lui, quoique sa main pesât sur +mon épaule, son regard, qui semblait déborder, se détournait +toujours. — Et, voulant jeter un cri d’ angoisse, +qui ne fut qu’un souffle, je lui dis: «Je suis +lá!» et tout mon être passa dans ces pauvres paroles! +L’homme tressaillit, et changeant d’attitude, sa main +tomba. Mais en ce moment même il y eut un bruit +dans la cour, et je le vis se retourner, faire signe à son +chien, et sortir. Ni l’un ni l’autre ne m’avaient vu. — +</p> + +<p> +Et alors la Nuit se fit plus profonde, et mon coeur +plus froid. Seul mon cerveau s’allumait et marcha. +</p> + +<p> +Regarde! dit-il à mes yeux devenus fixes de terreur, +regarde sous ces ténèbres croissans cette salle inconnue, +et vois ces meubles bizarres! Que peuvent ils te rappeler? +</p> + +<p> +Rien! sonna-t-il. Puis toutes les roues de mon +cerveau s’ébranlérent avec une vitesse infernale, et j’entendis +un glas frapper au fond de moi-même: LE +REVENANT, C’ÉTAIT MOI! +</p> + +<p class="right"> +1893 +</p> + +</div> + +<div class="fr" lang="fr"> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-5"> +<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a> +<span class="line1">L’ORACLE.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a> +<span class="firstchar">E</span>lle était grande et laide, une roche informe et +nue, qu’elle hit éclairée ou à l’ombre, toujours triste. +</p> + +<p> +Un homme s’y égara un soir, mais perdant pied +aussitôt il mourut victime, lui fort et pensant, de cette +grande chose inerte et brute, et personne ne la montait +plus. Elle demenrait à l’ombre le plus souvent des +grandes cimes autour, et le soleil ni la lune ne l’aimaient. +Seule la neige s’y plaquait lourde et compacte! +</p> + +<p> +Or en une nuit de lune et de Vent (le monde déjà +était vieux) quelque chose remua au fond du rocher, +et l’emplit soudain, comme d’un profond soupir. Ce +ne fut qu’un instant! quelques caillons roulèrent et un +peu de neige bleuâtre se détacha. Ce fut tout. +</p> + +<p> +Mais en cet instant si vague, et d’infinie lourdeur +— le rocher subit sa propre tristesse sourdement, comme +la plante comme s’éveille l’aloès du fond de sa torpeur, +c’est ainsi que sa propre Enigme vint saisir la montagne +et lui révéla son Mystère, les liens occultes, qui la +liaient aux longs chagrins et aux incurables misères, +à tout ce qui est noir ou navrant dans la création. +</p> + +<p> +Tout cela l’enveloppa comme d’une Ombre Géante. +Et un accord vibra en ce domaine silencieux! Une +source s’agita affolée! elle mouta brûlante et profonde +jusque à l’ivresse, pour tarir aussitôt. +</p> + +<p> +<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a> +Mais la Terre — si rèveuse en ces nuits de Lune +et de Vent tressaillit et appela. Alors des milliers +d’ombres se dégagèrent des plis de Ténèbres et s’agitèrent +autour du rocher éteint pour saluer l’Idée — le +Symbole — l’Oracle enfin qui venait de parler. +</p> + +<p class="right"> +1893 +</p> + +</div> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-6"> +<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a> +<span class="line1">HERBSTLIED.</span> +</h2> + +<div class="poem"> + <p class="line">Herbstlich sinkt der Tag nun.</p> + <p class="line">Herbstfarb’nes Licht, so sanft wie süsser Ton,</p> + <p class="line">Zart wie bedeutsamer Traum,</p> + <p class="line">Der uns beglückend streifte in der Flucht.</p> + <p class="line">Ach weile, guter Herbst!</p> + <p class="line">Dein ist der tönendste Ton im Jahr!</p> + <p class="line">Musik der Dämmerung ist deine Stunde,</p> + <p class="line">Beruhigte Leidenschaft dein tiefer Blick.</p> + <p class="line">Ist Verfall dein Sinn?</p> + <p class="line">Oder lächelst du über den Tod? —</p> +</div> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-7"> +<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a> +<span class="line1">DER WALCHENSEE.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a> +<span class="firstchar">D</span>ie Berge zogen ihre hohen, sanften Linien in der +bleichen Dämmerung. Ahnungsvoll schien jede Senkung, +jede Matte, jeder Schatten, und stumm hielten die Tannen +hart am Ufer Wacht. Und Luna zog langsam mit +ihrem Gefolge weissgeballter Wolken hinter den Spitzen +der Berge einher. +</p> + +<p> +Kein Sternengefunkel störte noch des Himmels Ruh’! +Und wie tief kündete sich da die Nacht, wie fern +schien da Aurora, als käme nimmer der frühe Tau, +noch die strahlende Sonne zurück. +</p> + +<p> +»Ach!« seufzte da eines Menschen Stimme, »käme +nimmer der Morgen!« +</p> + +<p> +Doch plötzliches Entsetzen fasste ihn alsbald, und +starre Angst trieb ihn dem Gestade entlang, war es +ihm doch, als hätte er hier Schatten ins Bewusstsein +gerufen und aufgescheucht, als sei ihm das verhängnisvolle +Wort entfahren, das diesem See und dieser Natur +geheimnisvoll zu Grunde lag, und als seufzte nun alles +rings um ihn, von jeder Felswand rauschend und vom +Strande wiederhallend, ein traumversunkenes und im +Traum gefundenes Echo: +</p> + +<div class="poem"> + <p class="line">Ach, käme nimmer der Morgen!</p> + <p class="line">Käme nimmer der Morgen!</p> +</div> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-8"> +<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a> +<span class="line1">DIE HERUNTERGEKOMMENEN.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a> +<span class="firstchar">A</span>ls die Nacht hereingebrochen war und der kalte +Zug durch die Fensterspalten blies, da wurde es auch +stille in dem langen Gang, wo die Ahnenbilder hingen +unverrückt an der dunklen Wand und die Finsternis +über sich ergehen liessen wie über ihre Gräber. Allein +die Nachkommen dieser längst verblichnen Leute wohnten +noch in dem alten Schloss und fanden keine Ruhe, +denn sie wollten und wünschten mit der wilden Kraft, +die sie von den Vätern geerbt! Währenddem die Nacht +sich immer tiefer senkte, schlief da Keins. Alle hofften, +fürchteten und sehnten sich zu sehr in diesen alten +Mauern, als dass der Schlaf sich ihnen rettend nähern +konnte. Den hielt der Hass und den die Liebe, alle +aber hielt der Lebensdrang, die Heftigkeit des Wunsches +und die trübe Ahnung des Unerfüllbaren wach. +</p> + +<p> +Die Väter hatten so froh genossen und so wilden +Auges gelebt! Sie glichen sich alle in Miene und Blick, +und Generationen hindurch verzehrten sich die schönsten +Frauen in Liebe um dies Haus! +</p> + +<p> +Das Glück aber hielt treue Wacht und zog goldene +Gitter um seine Günstlinge. +</p> + +<p> +Einem breiten glänzenden Strome glich dies Geschlecht, +der schimmernd die schönsten Lande durchzieht, +<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a> +Wälder und hohe Gipfel, glänzende Städte und +den ganzen Himmel lachend wiederspiegelt. +</p> + +<p> +Zöge sich doch mein Herz nicht zusammen, als +ich dieses Vergleichs gedenke! Denn nach hundert +Jahren erlosch ein Stern: der herrliche Fluss rauschte +weiter; da veränderte sich sein Bett. Hoch und furchtbar +drangen kahle Felsenwände auf ihn ein, qualvoll +türmte sich da das tiefe Gewässer und wütete gegen +die hemmende Wand. +</p> + +<p> +Sein schrecklicher Schall tönte betäubend durch die +Welt. Unerbittlich aber verengten sich noch die Thore, +und der Fluss brach sich heulend seine Bahn. Als +wilder <a id="corr-1"></a>umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. — +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-9"> +<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a> +<span class="line1">SKIZZE.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a> +<span class="firstchar">V</span>or Jahren fiel mir ein Buch in die Hände, dessen +Titel ich mich nicht mehr entsinnen kann, es war +eine Übersetzung aus dem Griechischen und mit vielen +Anmerkungen versehen, wovon eine einen alten Spruch +citierte, der mir immer im Gedächtnisse blieb. Die +Worte erinnere ich mir nicht, nur den Sinn, und +der war folgender. +</p> + +<p> +»Nicht der Mann ist die Weisheit, nicht die Frau +ist die Liebe: Die Frau ist Weisheit, der Mann ist +Liebe. Des scheinbaren Umtausches sich nicht bewusst, +sucht der Mann in der Frau seine eigne Liebe, +die Frau im Manne ihre Weisheit wieder.« +</p> + +<p> +Dieser Spruch schien mir nach und nach so +manches Unerklärliche und Unvereinbare, das in jenen +Beziehungen nicht zu begleichen schien, schärfer zu +beleuchten. +</p> + +<p> +Ein »ganzer Mann« wird einer Frau in so entscheidenden +Punkten überlegen sein, dass nur die tiefere +Weisheit des schwächeren Teils ein Gleichgewicht herzustellen +vermag und in jener Weisheit allein die +Möglichkeit liegt, den Blick dieses Mannes ganz wiederzuspiegeln. +</p> + +<p> +<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a> +Ist dieser Spiegel getrübt oder zu stürmisch oder +zu seicht, so wendet der Blick sich ermüdet ab und +sehnt und sucht nach andern Augen, die wieder versprechen +und wieder enttäuschen. +</p> + +<p> +Umgekehrt sehen wir oft ganz unbedeutende Männer +von einem weiblichen Wesen dauernd gefesselt, von +dem sie nie Kenntnis gewinnen können, in dem aber +die Weisheit verborgen liegt, die sie mit dumpfer Sehnsucht +erfüllt. Eine solche Frau, deren innere Entwicklung +ihren eigenen Weg zu folgen bestimmt war, sieht +oft zu ihrem stillen Befremden einen ihr so fremden +Mann so treu an ihrer Seite. +</p> + +<p> +Was nun mit jener Weisheit in dem alten Spruche +gemeint war, ist sicher nicht die Lebensklugheit noch +Schärfe oder Kraft des Geistes, denn die wohnen alle +dem Manne viel thätiger inne. Sie wird wohl eher +dem Meeresspiegel vergleichbar sein, der tiefer und +beschaulicher wird, je mehr sich darin versenkt. — +</p> + +<p> +Jeder kennt jenes eigentümliche Gefühl, das ihn +angesichts der gleichgültigsten Dinge anwandeln kann, +ihn zwingt, innezuhalten und Gedanken einzulassen, +die von aussen auf ihn einzudrängen scheinen und +deren Bewandtnis er noch nicht erfasst. +</p> + +<p> +So stand ich einmal auf einem weiten, freien Feld +und dachte an die Druiden, wie die Welt in ihnen +wiederhallte, in sie drängend wie ein Strom, so dass +sie ihr das Rätsel fast entrieten und, von ihrer Ahnung +überwältigt, Wahrheiten stammelten — in undurchdringlichen +Worten. +</p> + +<p> +<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a> +Da fiel mir — anscheinend schauerlich unzusammenhängend +— der Don Juan ein! +</p> + +<p> +War etwa <em class="em">hier</em> ein Gegensatz? — War hier +<em class="em">etwas</em>, was sich deckte? +</p> + +<p> +Ich weiss es nicht. — Aber mit einem Male begriff +ich, wie sich der Zauber und die Tragik im Dasein +zweier Geschlechter in jener dunklen Gestalt und ihren +Opfern sublimieren konnte, und ich begriff den klärenden +Schein, den Mozart um sie wob. +</p> + +<p> +Trat in diesem Wesen irgend ein verborgenes Gesetz +in Kraft und blieb das nie Erreichte auf weit abliegender +Bahn und keinem füglichem Gebiet verwiesen? — +</p> + +<p> +Lag etwa im Blicke der Veleda jene Ruh’, die +Don Juan in jedem schönen Auge suchte, jenem andern +Zuge folgend, der die Liebe so unendlich adelt? — Und +lag seine eigne Gewalt in seiner eignen Sehnsucht? — +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-10"> +<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a> +<span class="line1">DAS TRAUMBUCH.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a> +<span class="firstchar">M</span>an wirft mir so gerne vor, dass ich nicht +schreibe! — +</p> + +<p> +Aber erstens! — — — +</p> + +<p> +Und zweitens gehört hiezu doch auch eine leidliche +Erfindungsgabe, und ich bin nur deshalb so leichtgläubig, +weil ich auf das Gegenteil von dem, was man +mir sagt, von selbst gar nicht gerate, eine solche Veranlagung +ist nicht eben produktiv! +</p> + +<p> +Über Gegebenes, Menschen wie Dinge, kann ich +lange und eindringlich nachdenken, nur muss ich sie +haben! — Aus der Luft greife ich nichts, denn eine +unübersteigbare Kluft trennt mich von jener Fähigkeit +zu schaffen, die so beglückend und erhebend sein muss +und wohl deshalb so selten ist. +</p> + +<p> +Die einzige Genugthuung jedoch, welche mir diese +endlich errungene Erkenntnis bot, war, dass ich mich +frei sprechen konnte von aller Schuld, wenn keine +Gedichte und keine Romane aus meiner Feder flossen, +denn wie viel besser wusste ich als alle andern, dass +ich keine zu stande brachte! +</p> + +<p> +Als ich aber hierüber noch nicht im Reinen war +und mir die Menschen so manches versicherten, was +mich nicht überzeugen konnte und doch sehr verdross — +<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a> +fasste ich einmal einen verzweifelten Plan, den ich auf +die äusserste Spitze treiben wollte und einem Mann von +Fach zu eröffnen beschloss. +</p> + +<p> +Ich liess mich bei ihm melden und erhielt einige +Tage darauf ein zierliches Briefchen, worin er mich +auf sein Landgut zu einer Unterredung berief. +</p> + +<p> +Nun hatte ich nachts bevor, folgenden Traum: Ich, +die nie im Leben geritten war, sass plötzlich hoch zu +Ross, ritt andern Reitern, die mich beschworen einzuhalten, +voran, liess mich dann langsam herabgleiten +und stieg die Treppe zu unserm Hause hinauf. +</p> + +<p> +Dann erwachte ich. — Da jedoch dieser Traum +sehr lebhaft in meinem Gedächtnisse haften blieb, so +schlug ich in meinem Traumbuch nach, ob eine Deutung +darauf stünde und las folgendes: »Unterlasse nicht, +was du vorhast!« Mir aber kam diese Weisung wirklich +wie gerufen, denn schon lange wollte ich einen recht +flagranten Beweis in Händen haben, der mich von +meiner Leichtgläubigkeit endgültig kurierte. Derselbe +Abend sollte mich ja noch belehren! +</p> + +<p> +Dann verliess ich mein Haus und nahm den Zug. +</p> + +<p> +Das Wetter war leuchtend, und zuletzt führte mein +Weg auf einem schmalen Fusspfad durch ein hohes +Kornfeld. +</p> + +<p> +Ganz ergriffen hielt ich da inne; denn die Welt +war an diesem Tage zu schön, ihr Schein zu unbeschreiblich! +</p> + +<p> +Ovid’s Verwandlungen berührten mich mit einemmale +als naturgemäss, und mir war, als würde ich +<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a> +selbst zu jenem singenden, summenden Kornfeld, so sehr +entzückte mich gerade an dieser Stelle das goldene Leben +unserer Erde. +</p> + +<p> +Doch nur wenig Schritte trennten mich von der +Besitzung, in der meine Autorität hauste, und nun +erschien mir mein Plan erst recht in seiner ganzen +Unausführbarkeit. +</p> + +<p> +Eine Stunde später ging ich denn auch sehr gemessen +denselben Weg wieder zurück: Zuerst war der +Mann von Fach sehr ernsthaft drei Schritte zurückgewichen +und hatte mich angestarrt. — Aber in sein +langes herzliches und eindringliches Lachen musste ich +am Ende doch einstimmen. +</p> + +<p> +Träume! dachte ich nun und wurde nachdenklicher +mit jedem Schritt, denn manches schien mir doch recht +befremdend auf der Welt. +</p> + +<p> +Wie kam es zum Beispiel, dass die Alten, diese +klugen, spöttischen Griechen, denen die Wirklichkeit so voll +genügte, solche Acht auf ihre Träume hielten, dass die +Geschichte selbst sie uns ganz ernsthaft mit Daten und +Thatsachen bringt? Vor jedem Schlachtenberichte stehen +sie da als Avantgarde, und jeder Feldherr klügelt über +den seinen! +</p> + +<p> +Nun denke man sich nur einen modernen Geschichtsschreiber +Napoleon’s oder Bismarck’s Träume +und dann zum Schluss noch seine eignen verzeichnend. +Und das mit der gebietenden Miene eines Plutarch! +</p> + +<p> +Wäre es möglich, dass hier etwas dahintersteckte +und es uns verloren ging? +</p> + +<p> +<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a> +Sonst dienen uns doch die Alten so gerne als +Vorbild. +</p> + +<p> +Wer aber würde sich heutzutage mit derlei befassen? +Die eigentliche Bibliothek des Traumbuchs +ist die Küche geworden und geschwätziges oder ungebildetes +Volk beratschlagen es. Nur ich besass noch +eins, kraft jener Erfindungsunfähigkeit, jener Sucht zu +glauben, und auf glaubwürdiges zu lauern. Alle +Exzesse und Irrtümer stehen da offen. +</p> + +<p> +So dachte ich, von dem wogenden Kornfeld nicht +länger impressioniert, im Dämmerlichte des sinkenden +Tages einhergehend und eignem Grübeln. +</p> + +<p> +Da plötzlich unerwartet, ungeahnt — stand vor +meinen bestürzten Augen nicht das Gelingen meines +Planes — eine andre Erfüllung, die meinen Traum +wachrief wie mit einem langgedehnten Ruf, und wie +einen kalten Hauch empfand ich meine eigne Blässe. +</p> + +<h1 class="part" id="part-2"> +<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a> +MUSIKALISCHES. +</h1> + +<p class="motto"> +MOTTO: Wollen wir hoffen? +</p> + +<p class="signature"> +Richard Wagner, X. Band. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-1"> +<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a> +<span class="line1">EINE MUSIKALISCHE BETRACHTUNG.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a> +<span class="firstchar">V</span>or einem mit Plakaten reich übersäten Kioske +innehaltend, sagte kürzlich einer zu seinem Freunde: +</p> + +<p> +»Sieh doch die vielen Konzerte! Bis über die +Wände hinaus klettern die Annoncen!« +</p> + +<p> +»Das ist schön!« rief der andere. »Da hast du +unser liebes kunstsinniges München!« +</p> + +<p> +»Ja, da hast du’s!« brummte wieder der eine. +</p> + +<p> +Und wie es so geht auf dieser Welt, als sie eine +kleine Strecke weiter gegangen waren, fingen sie fürchterlich +zu streiten an. In der Hitze jedoch gebieten wir selten +über die überzeugenden Worte, selbst wenn wir im Rechte +sind, und grad ein Philister hat da oft leichtes Spiel. +</p> + +<p> +Hier siegte denn auch der, dem beim Anblick der +vielen Plakate das Herz freudiger schlug, und selbstbewusst +und heiter kehrte er nach Hause zur Gattin. +</p> + +<p> +Aber wie verdrossen ging der andre heim! Fiel +ihm doch jetzt erst alles ein, was er im Eifer nicht +fand; und wie sicher gestaltet sich nun seine Rede in +den dunklen Strassen! +</p> + +<p> +Immer feuriger ging er einher, als müsste er +Schritt halten mit seinen Gedanken, und sah recht +närrisch dabei aus! +</p> + +<p> +Hier sei auch mir eine Bemerkung gestattet: Wage +<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a> +ich mich zwar jetzt mit dem Sprüchwort: Kinder und +Narren etc. vor, so werde ich allerdings dem Vorwurf +grosser Alltäglichkeit nicht entgehen, bringt uns heute +doch fast jeder Plato’s finstre Höhle (die Höhle, ach, +du lieber Gott, in der wir alle so gemütlich sitzen!), +oder citiert jene grosse Neuigkeit von dem grössten +Tragiker, nicht wahr, der zugleich etc. . . . . Denn +nur in solchen und ähnlichen Reminiscenzen ergehen +sich nunmehr unsere gewandten Bücher und halten +streng an die Devise unsres Jahrzehnts: +</p> + +<p class="center"> +»Kaviar für Alle.« +</p> + +<p> +Vollends Sprüchwörter! +</p> + +<p> +Gut, so will auch ich das meine nicht zu Ende +sagen, doch bitte ich euch, lasst uns hören, was der +Narr erzählte: +</p> + +<p> +»Wie alt«, rief er, »wie alt ist doch die Klage +nach entschwundenen Zeiten! Kein Zauber beschwört +Vergangnes herauf! Wie der Regen, den die Erde so +begierig trinkt, um dann wieder trocken zu werden +und hart, so verschwinden spurlos nicht geträumte, +ach! <em class="em">erfüllte</em> Ideale von der Welt! +</p> + +<p> +Wer ist es gewahr, dass Schritt für Schritt das +Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit <a id="corr-2"></a>überall einbrechen, +dass rasch und unbemerkt eine Epoche von uns +scheidet? — Erst wenn sie sich ganz unsern Augen +entrückte, erst dann wird die Verlorne im wahren Relief +vor uns stehen. Aber wie Walther von der Vogelweide +um zartere Minne, so werden wir umsonst darum klagen! +Und inzwischen stellen wir uns blind und taub und +<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a> +lassen die Verwilderung um sich greifen! Nur ein +sehendes Auge sieht die verlöschenden Fackeln, und nur +dem feinen Ohre ist das wirre Gekreische vernehmbar.« +</p> + +<p> +(Schade, dass der Mann seine Reden nicht schön und +<a id="corr-3"></a>symmetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten +wilde Sprünge, und kamen dann im Bogen wieder.) +</p> + +<p> +»Wisst ihr,« rief er da plötzlich, »dass jener thatsächliche +Plan, sich per Eisenbahn bequem auf die +Jungfrau zu begeben, nichts anderes ist als ein Symbol +unsrer Zeit? +</p> + +<p> +Denn nichts Höheres bedeuten unsre täglichen Konzerte, +unsre Drehorgelorchester, und unsre ganze nivellierte +Kunst. Überall ist der Pöbel ausgebrochen, zwar +ein wohlgenährter, gut gekleideter und siegreicher Pöbel, +aber erst recht der des Coriolan! +</p> + +<p> +Es haben uns doch die Besten gesagt und die +wenig Grossen bewiesen, wie aristokratisch die Natur verführt, +wie scheu und sparsam sie ihre vornehmste Blume, +die der Kunst, auf ihren höchsten Gipfeln treibt, nur +ganz Bevorzugten nach harter Mühe erreichbar. +</p> + +<p> +Was deutet uns ein zusammengepresster staubiger +Büschel Edelweiss, an einer Strassenecke schreiend feilgeboten? +Aber steil wie das Edelweiss und geheimnissvoll +wie die Aloë ist die Kunst! Pöbelhaft war es daher +von uns, sie mit Gewalt erstürmen zu wollen, und ein +grober und hässlicher Wahn lag dieser »Massenbewegung« +zu Grunde. — +</p> + +<p> +Denn als wir allesamt anfingen sie zu duzen, was +war da natürlicher, als dass uns die Kunst entfloh? +<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a> +Ihren letzten müden Strahl, an dem wir zehren, halten +wir nun für den »Morgenschein kommender Aeren!«, +und keiner sieht, keiner weist auch nur von fern auf +unsern deutlichen Verfall. +</p> + +<p> +Ob wohl je die Menschen vor einem solchen Wendepunkt +gestanden sind? +</p> + +<p> +Ob ein ähnliches Phänomen die Griechen einst +zu Grabe läutete? und ob nach Überwucherung der +damaligen Kräfte ein ähnliches Schlingkraut die Erde +überzog? +</p> + +<p> +Wer wüsste es zu sagen!? Blühten nicht damals +die Redner und Bildhauer plötzlich in frecher Überzahl, +just wie jetzt Kapellmeister und Solisten? +</p> + +<p> +Ehe man sich dann versah, verklang das ganze +hohe Lied in Düsterkeit und Barbarei. Sind wir etwa +wieder da angelangt? — Das wäre wohl auch hier +die Frage! +</p> + +<p> +»Aber nichts wiederholt sich«, murmelte der Mann. +</p> + +<p> +Er war auf der Brücke angelangt, und der rasche +Fluss schien ihm neue Einfälle zuzutreiben, denn er +stand lange und sann, wie wohl der Mann beschaffen +sein musste, der unsre abwärts gehende Fahrt zu hemmen +vermöchte und neues Land eroberte. +</p> + +<p> +Über diesen gewaltigen Geist dachte der gute Kerl +lange nach und ging dann brav nach Hause. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-2"> +<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a> +<span class="line1">NEMESIS.</span><br /> +<span class="line2">Eine zeitgemässe Betrachtung.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a> +<span class="firstchar">D</span>ass die Welt ihre grossen Menschen so vielfach verkannte, +trug besonders für die Kleinen schlimme Folgen. +</p> + +<p> +Denn die Grossen kommen über kurz oder lang +darüber hinweg (sei’s nur, indem sie das Leben überwinden!), +und ihre Landsleute halten dann frohlockend an +ihre Namen als an ihr Eigentum fest; und starben diese +Grossen im Elend, so trägt das Schicksal und der Einzelne +die Schuld, denn die Allgemeinheit rettet sich ja stets. +</p> + +<p> +Dass es das ewig selbe Spiel bleibt, übersieht man, +und klüger wähnen sich die Menschen jedesmal geworden, +wenn sie pietätvoll ihren grossen Toten Säulen, Monumente +und Brunnen errichten. +</p> + +<p> +Aber die Rache gräbt unermüdlich, und alles rächt +sich tausendfach! +</p> + +<p> +Weil der Flecken nun so klar am Tage liegt, wie +taub und blind wir für unsre Helden waren — glaubt +ihr, darum sei er getilgt und der urteilslose Unverstand +samt seinen Folgen abgeschafft? +</p> + +<p> +<em class="em">Ein</em> Unterschied ist freilich da: der Vielbescholtne +krankt nunmehr an seinem üblen Ruf, darf nicht +mehr schelten — wagt es nicht — und lässt geschehen. +Flugs dehnen sich da kleine Menschen himmellang, und +bleibt die Menge scheu vor ihren Produktionen, so verzagen +sie nicht mehr, denn die berühmtesten Vorbilder +<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a> +schweben ihnen vor, und die Tradition der Verkannten +haben sie ja für sich! +</p> + +<p> +»Wirklich?« fragen sie mit einem unendlichen +Lächeln, »mein Werk gefällt euch nicht?« +</p> + +<p> +Da blickt einer zaghaft zum andern, und einer +nickt, und kleinmütig nicken sie alle, denn sie sind die +junge Generation und büssen für den Unverstand der +alten <em class="em">umgekehrt</em>! +</p> + +<p> +Das grosse eine Merkmal des Schönen, dass es +zwanglos um sich greifen und unfehlbar, sei ihre Zahl +vorerst noch so gering, die Herzen treffen <em class="em">muss</em> — auf +dieses eine Merkmal, das doch zugleich auch unsre +eigne Würde rettet, auf dies pochen wir nicht mehr, +denn unsre Augen sind nicht unschuldig genug, und +unsre Vergangenheit ist zu sehr getrübt! +</p> + +<p> +Den Lohn tragen wir nun davon! Auf dem schönen +Erdreich, dem wir keine Frucht entnahmen, schiesst +das Unkraut so munter wie nur je empor, und auf +geweihtem Acker kauert dieselbe alte Schlange! +</p> + +<p> +Und die grossen Menschen? +</p> + +<p> +Je nun, man weiss vorerst nie, wo sie stecken, und +sie haben nach wie vor ihre Müh’. Auch sind die +Zeichen nicht günstig. Aber vielleicht wirft uns die +Flut der Zeit wieder einen ans Land, der den Weg +wüsste aus all den verschlungenen Pfaden heraus und +sich zur Stunde grämt, weil ihn der breite Fluss des +Irrtums überrauscht! +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-3"> +<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a> +<span class="line1">EINE SKIZZE ÜBER DIE STELLUNG DES KLAVIERS UND DER HEUTIGEN PIANISTEN.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a> +<span class="firstchar">E</span>s ist in jüngster Zeit förmlich zur Redensart +geworden, die Pianistenfrage kurz damit abzufertigen, +indem man sagt. »Das Klavier interessiert mich nicht.« +Was aber schlimmer ist wie Redensarten, und was +mancher wohlgeschulte Pianist in München zu seinem +bitteren Nachteil erfahren musste: Das Wort wird zur +negativen That: er sieht nämlich sein Konzert mit +knapper Not von Freunden und Bekannten, etlichen +alten Leuten und den obligaten Kritikern besucht, die +am nächsten Morgen ihr Bedauern über den »leeren +Raum« zu Drucke bringen — und das eigentliche +Publikum bleibt weg. +</p> + +<p> +Der Künstler selbst wird diese seine moderne Unpopularität +natürlich nicht ohne Erbitterung wahrnehmen +und sich nicht sehr erbaulich über die alte +Musikstadt und ihr gepriesenes Entgegenkommen äussern. +</p> + +<p> +Nun gehe ich von jener alten paradoxalen Wahrheit +aus, dass sich zwar in der Masse Irrtum und +Unverstand wie von selbst potenzieren, dass aber trotzdem +das Publikum in seinen Sympathien recht behält, +und es sich jedenfalls der Mühe lohnt, nach dem +Grunde zu forschen, wenn es sich einer öffentlichen +Kundgebung gegenüber hartnäckig abgeneigt verhält. +<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a> +Ich möchte hierin für das Münchner Publikum sogar +eine gewisse Unbeirrbarkeit beanspruchen, und gewiss +birgt diese Stadt ein nennenswertes Kontingent wirklicher +Musikkenner. Ohne mit dem Finger darauf +weisen zu können, fühlt man es bei Gelegenheit deutlich +durch, und dieses Kontingent sichert dort dem +Grossen und Echten, selbst wenn es neu und ungewohnt +ist, fast immer den Sieg. +</p> + +<p> +Nun ist München merkwürdigerweise eine geradezu +pianistenfeindliche Stadt geworden, und ohne die Gründe +ihrer Abneigung lange zu analysieren, ist sie ihnen im +vornherein abhold; ja, die Pianisten zählen dort allgemach +zu den verdrossenen Typen, und es ist jetzt +Mode, die einst so Gefeierten trotz ihrer bedeutsamen +Haartracht zu ignorieren. +</p> + +<p> +Da jedoch eine Abneigung, um sich selbst gerecht +zu werden, stets motiviert werden sollte, so sei hier der +Versuch gemacht, die eigentümliche Stellung zu bezeichnen, +welche das Klavier heutzutage in künstlerischer +Hinsicht einnimmt, und welche wir am besten gleich +im voraus eine »schiefe Stellung« nennen wollen, um +das Wort später erläutert zu sehen. +</p> + +<p> +In der Musik sind wir anerkanntermassen das +erste Volk der Welt. Was wir aber mit dem Klavier +angefangen haben, oder vielmehr, was wir daraus +werden liessen, damit ist wieder einmal ein Beweis geliefert, +wie leicht, uns der simple gute Geschmack im +Stiche lässt! +</p> + +<p> +Wir Deutsche stehen überhaupt mit dem Geschmack +<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a> +und was er im höheren Sinne bedeutet: Formensinn +und Grazie, auf etwas gespanntem, misstrauischem Fusse +und fühlen uns nicht ungeneigt, dies alles als frivol +zu taxieren. Kommt uns aber dann einmal der künstlerische +Takt abhanden, so sind wir uns zwar wohl +unsres künstlerischen Ernstes, aber eben weil wir des +Taktes vergassen, unsrer Schwerfälligkeit nicht bewusst — +und nur so ist es möglich, dass ein Übel, ein grober +Irrtum, der sonst unsrer ganzen Richtung widerspricht, +sich auf eine wirklich ungeheuerliche Art auswachsen +und verbreiten konnte. +</p> + +<p> +Auf besagte Weise ist nun in dem musikalischen +Deutschland das Klavier von seiner ursprünglichen Bestimmung +abgekommen, hat sich eine Stellung angemasst, +die ganz und gar nicht die seine ist, und wurde, nachdem +es auf diesem neuen Boden das Publikum eine Weile +verblüffte, von demselben verpönt. — +</p> + +<p> +Diesem beklagenswerten Verfall — die Folge rein +äusserlicher Gründe — sollten wir nach Kräften entgegenwirken. +</p> + +<p> +Unsre grössten Klassiker haben nicht umsonst in +edler Würdigung dieses Instruments ihre herrlichen +Meisterwerke dafür geschaffen. Aber leider ist es ebenso +wahr, dass sie dabei kaum einen unsrer modernen +Pianisten, wie sie jetzt landläufig sind, als Exekutant +im Auge hatten, noch dass sie dieselbe Idee vom Klavierspiele +hatten wie er! Eine ganz kleine Sylbe trennt +hierin die alte von der neuen Zeit: Sahen unsre Meister +im Klavier ein stets verfügbares! Mittel, die mannigfachsten +<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a> +reichsten Tongebilde auf dem dürftigen Holze +zu resümieren und zur Wiedergabe zu bringen — ein +ideales Abstraktum — ein unschätzbares Mittel zum +Zwecke musikalischer <em class="em">Re</em>produktion, so sieht hingegen +der moderne Virtuos in seinem Instrument lediglich ein +<em class="em">Pro</em>duktionsfeld. Nicht Mittel ist es ihm, sondern +Zweck, und zwar sich selbst will er produzieren! +Über einen so unkünstlerischen Standpunkt ist weiter +kein Wort zu verlieren. +</p> + +<p> +Nennt man mir aber Franz Liszt als Beleg für +die Berechtigung des modernen Pianisten, so werde ich +erwidern, dass er eine Einzelerscheinung, ein ganz +für sich gehendes musikalisches Phänomen vorstellt +wie die Duse etwa für die Bühne, beide aber in dieser +Hinsicht gleich wenig berufen, Bahnen zu eröffnen, +denn es sind künstlerische Typen, deren Wert und Reiz +eben in ihrer Eigentümlichkeit beruhen. Liszt’s Mähne +auf einem anderen Köpflein ist ebenso unbefugt, als es vermutlich +die Mimik der Duse bei einer anderen Schauspielerin +wäre, denn auch diese findet ihre Berechtigung +in einer ganz individuellen künstlerischen Beschaffenheit, +aber gewiss nicht als künstlerisches Moment! — +</p> + +<p> +Und dieser Vergleich, wenn er sich nicht vollkommen +deckt, mag immerhin dazu dienen, den Fall +näher zu beleuchten: So wie die grosse Tragödin ihre +<em class="em">eigne</em> Individualität auf der Bühne in tausend Nuancen +schillern und erklingen lässt, mithin nicht die eigentlichen +Heldencharaktere, wie sie unsre grossen Geister +schufen, zur Gestaltung bringt, sondern auf dem nächsten, +<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a> +oft sogar dem nächstbesten Wege ihre ganz persönliche +Empfindungsweise, ihre moderne Seele zur Mitteilung +bringt, so verlässt auch der Pianist auf dem +klassischsten aller Instrumente das ursprüngliche Gebiet, +und nicht so sehr musikalische Werke, als seine eigne +Person führt er uns vor, um sie unsrer Aufmerksamkeit +aufzudrängen. Die moderne Klavierlitteratur ist +nicht anders als im engsten Bündniss mit jenem Irrtum +entstanden, den Virtuosen als Alleinherrscher vor +seinem dadurch fraglich gewordenen Instrument hinzustellen, +und beide hiemit zu vernichten. +</p> + +<p> +Denn wie thatsächlich das schönste Klavier unter +den Jonglerien und der schaudervollen Gewandtheit +eines Virtuosen zur unmusikalischen Plage wird, so +denkt man auch heute unwillkürlich bei dem Worte +»Musiker« an einen Geiger, Cellisten oder Sänger und +nicht sobald an den Pianisten, der mitsamt seinem +Instrument und seiner pompösen Spezial-Litteratur aus +diesem Bunde ausgetreten zu sein scheint, seitdem er +sich auf dem kolossalen Irrtum einschiffte, ein eignes, +selbständiges Gebiet — die künstlich angelegte Klaviersee, +zu befahren wähnte, und nun auf einer Sandbank +festgesessen liegt, von der er nicht sobald wieder flott +fährt, es sei denn, dass ihn die Musiker selbst wieder +zu Ehren bringen und aus dem unförmlichen, verunglückten +Dampfer wieder jenes ideale Schifflein bauen, +als welches es einst an einem mächtigen Baue festgeankert +lag, und mit ihm und durch ihn das unendliche +Meer der Töne zu befahren, die Fähigkeit erhielt. +<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a> +In diese seine ursprüngliche so edle und produktive +Abhängigkeit sollten wir es zurückführen, da es in +»Demut« so viel erreicht. Nur so könnte es seine alte +Würde wieder erhalten, und in uns die alte Freude und +die alte Begeisterung wieder erwecken. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-4"> +<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a> +<span class="line1">EPILOG.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a> +<span class="firstchar">W</span>as auch kommen mag auf dieser Welt, immer +gestaltet sich eine Zeit neu und ungeahnt. Unsre Erde +trägt keine Propheten, und nur durch ihre Unergründlichkeit +sind die Orakel so wahr. Wer erträumte wohl +je das nächste Geschlecht? Woran keiner dachte, das +geschieht, wo der Fluss am ruhigsten floss, dort tritt +er über. +</p> + +<p> +Tausende von Jahren belehren uns nicht über ein +einziges, das sich noch nicht entrollte, unzählige von +Schicksalen lassen unser eigenes stets neu. Die Notwendigkeit +schafft mit ihren blinden Augen zu Tage, +andre Mächte fordern wieder, was ihr trotzt, und so +liegt die Welt unausgefochten im Kampf. +</p> + +<p> +Oft schon, glaube ich, wurde als das grösste Unheil +des Christentums das Pharisäertum erwiesen, jene +unheilvolle Macht, die von Grund auf, anscheinend +auf alle Zeiten, den Charakter verunstaltete, den das +neue Zeitalter erhielt. Wie unendlich viel, und wie +unendlich wenig das Dogma verrät, diese These wurde +nie aufgestellt, die Pharisäer umstanden das neue, wie +das alte Testament; und so wurde es uns verdunkelt +bis zur Unkenntlichkeit und entfremdet. +</p> + +<p> +<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a> +Jenes Unwesen selbst, verlor aber im Laufe der +Zeit alle Macht; und da es tief in der Erde sitzt und +in den Menschen wohnt, sann es auf eine neue Stätte. +Wo aber fand es den Boden, den es nun zu sterilisieren, +das Ding, das uns nun zu entfremden galt? Wo +anders, als da, wo das Gute hingeflüchtet war, unangetastet, +köstlich und steil, hoch über unsren Häuptern, +und doch verborgen. Mit schlauem Zerstörungssinn +erblühte es da inmitten der Kunst! +</p> + +<p> +Gut meinende Seelen, die aber vom Schweigen des +Pythagoras nichts ahnten, hatten selbst dem verderblichen +Heere die schmale Bresche verraten und wurden die +ersten Pfähle auf jenem schrecklichem »chemin battu«, +den jetzt die Mode so verwegen und unbefangen betritt. +</p> + +<p> +Hier müssen wir einen Augenblick zurückgreifen. +Bekanntlich war es Grillparzer, der Beethoven’s Grabrede +hielt; nun wurden ihm kurzsichtigerweise und +nach Wagner’s Erscheinen folgende Worte daraus noch +nachträglich verwiesen: +</p> + +<p> +»Beethoven’s Nachfolger«, schloss der unmusikalische +Dichter<a id="corr-4"></a>, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst +hat geendet, wo die Kunst endet.« Und dabei ahnte +Grillparzer wohl gar nicht, wie wahr er sprach! +</p> + +<p> +In der That hub Beethoven’s Nachfolger von vorne +an und erklomm einen Berg, um auch er — und dies +ist bedeutsam — zu enden, wo die Kunst endigt. +</p> + +<p> +Wo sie aber zu Ende ist, dort behauptet wie eine +wahnsinnige tote Karrikatur die heutige Musik ihren +unredlichen Platz. +</p> + +<p> +<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a> +Wagner, dieser einfache Mann, der ohne Stil, nur +von Gedanken gedrängt, sie so gross und unschuldig +niederschrieb, hätte er doch den Missbrauch seiner tiefen, +weittragenden Worte geahnt. — Mit Siegeln nur hätte +er dann seine Bücher vermacht! +</p> + +<p> +Denn die göttlich stillen Seen, die ein Adler erschaute, +sind nun ihrer Einsamkeit entweiht und von der +lauten Menge umlagert. Eine so schauderhafte Vulgarisation, +eine so triviale Gier, hohe Gefilde zu umlärmen, +hat sich ihrer bemächtigt, dass alles Urteil befangen +liegt, und keiner seine eignen Worte mehr spricht. +Die Halbgebildeten, die Ungebildeten, sie stürzen alle +voran. In dieser eitlen Wut ist jedes Unterscheidungsvermögen +gelähmt, einer ist der schwächere Abdruck +des andern, und alle halten sich krampfhaft an dieselbe +Schnur. Nie aber verklingt das letzte hohle +Wort! +</p> + +<p> +Ein Abhang im Schatten, ein Fels in der Dämmerung +tönt voller als heutige Musik! +</p> + +<p> +Ach! käme doch einer, der unsre Geheimnisse +in ihre alten Schleier hülle, bis wir gelernt haben, sie +wieder zu verschweigen. +</p> + +<p> +Vielleicht werden wir dann die Früchte ernten, +die wir so jäh herunterrissen, vielleicht gelangen wir +dann auf Umwegen ans Ziel, vielleicht erschliessen sich +uns dann neue Aussichten, ein neues Land und neue +Bewandtnisse. +</p> + +<p> +Betrachten wir es genau: Das hehrste Sujet der +Menschheit haben unsre grossen Geister scheu umschifft, +<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a> +und ihre unbeschreiblich zarte Jüngerschaft haben sie +nicht gesagt oder nicht zu sagen vermocht. +</p> + +<p> +Wir aber wissen wohl in aller Stille, dass durch +sie von Ferne eine Gestalt sich uns nähert, die uns so +unerklärlich und unfassbar bleibt. +</p> + +<p> +Wir fühlen in der beglückenden Harmonie eines +Plato, in Shakespeare’s Tiefe, in Goethe’s Erhabenheit, +im Fluge Beethoven’s, in Mozart’s Klang, in Wagner’s +Blick, in der Sensibilität eines Schopenhauer (um einmal +all die armen Abgedroschenen zu nennen!); wir +fühlen, dass aus allen grossen Gemütern etwas ausgeht, +was uns mit einer seltsamen Ahnung durchschauert +betreffs eines, Gott sei Dank, noch nicht zu oft genannten +Namens. +</p> + +<p> +Aber welches Genie schwänge sich auf eine so +schwindliche Brücke und ergriffe den intangibelsten +aller Fäden?! — +</p> + + +<div class="trnote"> +<p id="trnote"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> + +<p> +Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher): +</p> + +<ul> + +<li> +... Ein Frosch sass im nassen <span class="underline">Grasse</span>, befriedigt und ...<br /> +... Ein Frosch sass im nassen <a href="#corr-0"><span class="underline">Grase</span></a>, befriedigt und ...<br /> +</li> + +<li> +... wilder <span class="underline">un</span>dunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. — ...<br /> +... wilder <a href="#corr-1"><span class="underline">um</span></a>dunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. — ...<br /> +</li> + +<li> +... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit <span class="underline">überrall</span> einbrechen, ...<br /> +... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit <a href="#corr-2"><span class="underline">überall</span></a> einbrechen, ...<br /> +</li> + +<li> +... <span class="underline">symetrisch</span> aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ...<br /> +... <a href="#corr-3"><span class="underline">symmetrisch</span></a> aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ...<br /> +</li> + +<li> +... Dichter<span class="underline">«</span>, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ...<br /> +... Dichter<a href="#corr-4"></a>, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ...<br /> +</li> +</ul> +</div> + +<div>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44251 ***</div> +</body> +</html> diff --git a/44251-h/images/cover-page.jpg b/44251-h/images/cover-page.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..fe28357 --- /dev/null +++ b/44251-h/images/cover-page.jpg diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Kurze Aufsätze + +Author: Annette Kolb + +Release Date: November 21, 2013 [EBook #44251] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZE AUFSÄTZE *** + + + + +Produced by Jens Sadowski + + + + + + + + + KURZE + AUFSÄTZE + VON + ANNETTE KOLB. + + + MÜNCHEN 1899. + ZU BEZIEHEN DURCH + ULRICH PUTZE, + BRIENNERSTRASSE 8. + + Bruckmann'sche Buch- und Kunstdruckerei, München. + + + + +INHALT. + + + 1. Der Zufall Seite 5 + 2. Der Frosch " 15 + 3. Adam und Eva " 19 + 4. Le revenant " 23 + 5. L'Oracle " 29 + 6. Herbstlied " 33 + 7. Der Walchensee " 35 + 8. Die Heruntergekommenen " 39 + 9. Skizze " 43 + 10. Das Traumbuch " 49 + + +Musikalisches: + + 11. Eine musikalische Betrachtung " 57 + 12. Nemesis " 63 + 13. Skizze über die Stellung des heutigen Pianisten " 67 + 14. Epilog " 75 + + + + +DER ZUFALL? + + +Was giebt es unvermeidlicheres, berechneteres und dabei natürlicheres wie +den Zufall? + +Was ist abgefeimter und grausamer oder gütiger? Wir können ihn weder +anklagen, noch ihm danken. -- Nie können wir ihn überführen, ihm die Maske +entreissen und sagen: »Dies hast du gewollt und über mich gebracht.« -- +Denn die natürlichste Verkettung der Dinge hat es herbeigeführt. + +Was sollen wir mit diesem raffinierten Zufall anfangen, der unsere Schritte +lenkt und doch nur als ein leerer Schleier in unsern Händen bleibt? -- Am +besten ist es wohl, ihm zu vertrauen; allein man lernt dies nur nach +Jahren, und nach geprüften Jahren. Erst treibt es uns, ihn gewaltsam +herbeizuführen, unsern Willen dem seinen gegenüberzustellen, und dann erst +wird der Zufall so recht feindselig und allmächtig! + +Was hängt er nicht alles an eine Begegnung? Ob wir eine Minute früher oder +später in diese Gasse bogen, mag über eine unbeschreibliche Reihe von +Unglückstagen entscheiden -- sie von uns abwenden oder über uns bringen. + +»Es giebt keinen Zufall!« -- sagt Schillers Wallenstein. Aber damit sagte +er schon zu viel; denn der Zufall entzieht sich uns so fern, dass er nicht +einmal _diese_ Behauptung ermöglicht. + +Als ich in Paris anfing, mit dem Gedanken umzugehen, ich wäre am liebsten +wieder zu Hause, erhielten wir eines Tages aus Marseille einen sorgfältig +verpackten Schlüssel und einen Brief. Es war ein Angebot, die Wohnung einer +Dame zu beziehen, währenddem diese im Süden weilte und ihr schöner Flügel +wurde ganz besonders gerühmt, aber wir machten von all dem keinen Gebrauch, +denn es kam so vieles dazwischen. + +Da plagte mich eines Morgens ein unverkennbares Heimweh. Wir wohnten in +einer jener engen Strassen, die den Himmel versperren und die Menschen +zusammendrängen wie auf einem Schiff. Draussen war es regnerisch und +schwül, und ich sehnte mich fort; da fühlte ich zufällig unter meinen +Fingern den Schlüssel jener Wohnung, und um mich gewaltsam aus der Stimmung +zu reissen, in der ich mich befand, machte ich mich zur Stelle auf den Weg +nach diesem Hause. -- + +Als ich aber dort die ziemlich hochgelegene Wohnung betrat, lag sie in so +rabenschwarzer Nacht, dass ich alsbald wieder hinunterging, um mir bei dem +Concierge ein Licht zu verschaffen. + +Dieser hatte indes seine Loge verlassen, und ohne auf ihn zu warten, +zündete ich mir eine Kerze an und eilte wieder hinauf. -- + +Auch nicht ein Schimmer des Tageslichtes drang in diese Räume! Eiserne, +verriegelte Läden schlossen es gänzlich ab, und der Lärm von Paris klang da +gar seltsam herein, denn öde war es hier! -- Als hätte ein Unglück die +Bewohner plötzlich vertrieben, so dass sie alles liessen wie es war, nur +dem Lichte wehrend, bevor sie flohen. Denn nichts war aufgeräumt. Im ersten +Zimmer stand ein blauseidnes Bett aufgeschlagen und bestaubt, vom Baldachin +hing eine lange Kordel zerrissen herab. Die Kerze beleuchtete nur immer +dürftig eine einzige Stelle, aber im Vorübergehen sah ich Gegenstände +verwahrlost herumliegen, zertrümmertes Krystall, zierliche Louis XV.-Möbel +und einen offenen Schrank. Es war, als ob hier Diebe gehaust hätten, und +als seien sie dann in der Hast über alles davongestiegen. So unheimlich war +der Anblick all dieser Zimmer, dass ich, ohne mich länger umzusehen, den +Salon suchte, wo der Flügel stehen musste, um dann schleunigst wieder +fortzukommen. Ich entdeckte ihn denn auch, zwischen zwei Fenstern stehend +und von einer Decke geschützt. Als ich diese zurückschob, hob sich ein +Schwarm von vielleicht tausend Flöhen und stieb in gerader Linie auf mich +los. + +Ich fuhr zurück -- wahrscheinlich zu rasch -- die Kerze verlosch! -- + +Was dies für mich bedeutete, war mir sofort klar. Denn ich hatte im +unverantwortlichen und unbegreiflichen Leichtsinn die Zündhölzer unten +gelassen. -- + +Nie aber würde ich in dieser Finsternis die Hausthüre finden, und wenn ich +sie fände, niemals unterscheiden -- den Weg zurück wusste ich nicht. Es +waren so viele Zimmer gewesen und kein Gang. Alles ineinand geschachtelt, +wie es in französischen Wohnungen oft ist. Ich tastete nach dem Schlüssel, +aber der Schrecken hatte mir alle Erinnerung benommen. Ich fand ihn nicht +mehr. + +Mit den Händen fuhr ich der Wand entlang bis zum Fenster, allein die Läden +mussten einen eigenen Verschluss haben und schnitten mir in die Finger, +ohne zu rücken. Behutsam ging ich vorwärts, vielleicht drang doch in irgend +eine Kammer ein Schimmer von Licht und war von dort aus ein Zeichen +möglich, aber überall war Finsternis und Staubgeruch als läge ich tief +unter der Erde. + +Der Concierge würde den Leuchter kaum vermissen, den ich unter vielen +andern aus seiner Loge fortnahm, keinesfalls aber auf mich geraten und die +Meinen hatten keine Ahnung wohin ich gegangen war, denn als ich von Hause +fortging war ich allein gewesen. -- So war zwar meine Rettung lange noch +möglich, noch grösser aber die Gefahr, dass ich hier verschlossen und +vergessen bliebe. + +Meine Wanderungen nach der Hausthüre begannen von neuem. Griffe ich sie, so +wollte ich dort stehen und rufen. Allein ich fand sie nicht! + +Es liess sich keine Thüre von der andern erkennen, kein Zimmer, keine +Kammer. Einige waren versperrt. Wie in einer Falle irrte ich blind umher +und wurde immer unfähiger, mich zu orientieren; denn von den Räumlichkeiten +hatte ich die Verhältnisse nicht entnommen, und der Ausgangspunkt war mir +längs verloren. + +So musste ich mich meinem Schicksal ergeben. Die Zeit verging, und wie +rings um mich, so war es jetzt auch in meinem Herzen Nacht. Aber statt der +Verzweiflung kamen mir da plötzlich Gedanken: Was für einen Sinn hätte denn +ein solcher Abschluss? Welche Deutung konnte ich meinem Tode abgewinnen? + +In meinem Leben konnte ich nichts entdecken, aber dies Leben selbst +erschien mir da merkwürdigerweise wie ein arger Schuldbrief, und ich werde +wohl nie mehr so tief und ruhig zu denken vermögen, wie in jenem so hoch +über der Erde gelegenem Grab! + +Wie spät es geworden sein mochte ahnte ich nicht. Immer wieder begannen +meine finsteren Wanderungen, mein Tasten nach Thüren und mein Rufen. Meine +eigne Stimme versetzte mich in solche Angst, dass es wie wahnsinnig in +meinen Schläfen pochte. Den Hunger sah ich schon als meinen Gefährten, und +heiss und blutig drang mir's nun ins Gehirn. -- Und wie betäubt stiess ich +zuletzt gegen eine scharfe Kante und empfand etwas Kaltes unter meinen +Händen. + +Daraus schloss ich, dass ich mich wieder in einem Zimmer befand, denn dies +fühlte sich wie ein marmorner Tisch. Ich fasste ihn mit der andern Hand: da +durchzuckte mich jäh eine wilde, triumphierende Lebensfreude. Was da meine +suchenden Finger ergriffen hatten, war -- eine Zündholzschachtel! + +Zitternd fachte ich eines an und starrte jetzt auf ein gespenstiges Wesen, +das mit hohlen Augen unvergesslich auf mich blickte. + +Allein bevor die Angst noch ihre Klammern auf mich legen konnte, gewahrte +ich den hohen Spiegel, vor dem ich stand, woran die schmale Marmorplatte +angebracht war, an die ich stiess. Lange Kerzen stacken da in Kandelabern, +und mechanisch zündete ich sie an; von meinem eignen Bilde keinen Blick +verwendend, denn wie von einem Drama war ich hier gefesselt. + +Das Entsetzen auf meiner Stirne, die trostlose Ergebenheit meiner Züge, die +Todesahnung war auf meinem Gesichte geblieben. Obwohl ich mich gerettet +wusste, immer starrte ich noch wie eine Verlorene. + +Was hinter diesen weitgeöffneten Augen vorgegangen war, wusste ich so wohl, +der schon wie eingefallene Mund, warum er so bitter geschlossen war, das +herabgezogene Kinn, der zurückgehaltene Grimm. -- Und dabei war mir's als +erschaute ich das Selbsterlebte nun zum erstenmale. + +So blieb ich vor dem Spiegel gebannt, bis meine Augen sich verkleinerten +und die Farbe, als sei nichts geschehen, sich allmählich wieder einstellte. +-- + +Der Raum, in dem ich mich befand, war ein kleines Durchgangszimmer, und die +Begebenheit so einfach und natürlich! + +Es hatte hier jemand eine Schachtel Streichhölzer vergessen. Weiter nichts! + +Es war eben jener blinde und hundertäugige Zufall, jener unberechenbare +Stern, der über unser Leben waltet und es erhält oder vernichtet. + +Den Schlüssel, die Thür und den Weg ins Freie hatte ich nun bald gefunden; +wieder hinab in das rege Paris. + +Die Boulevards schimmerten im Abendrot, und die Knospen der Bäume waren +nach dem Regen hold geschwellt. + + + + +DER FROSCH. + + +Ein Frosch sass im nassen Grase, befriedigt und wohl aufgeblähet, denn er +hatte eben gespeist, und da ihm das Verschmauste wohl bekam, so fühlte er +sich nicht ungeneigt zu philosophieren, zwinkerte behaglich mit seinen +feuchten Augen und dachte: + +»Was ist doch die Welt so seriöse! -- und machen sie alle so fatale Mienen, +statt das Leben frisch zu nehmen wie es ist! Ich bin zufrieden, und mir +geht es gut; auch nehme ich die Dinge wie sie kommen!« + +Und obwohl er schon zu viel gegessen hatte, schnappte er noch im Übermute +nach einer Fliege, die des Weges flog, und verzog dann sein breites Maul zu +einem superiorem Lächeln: Es war doch wirklich alles zu dumm! + +So hockte er froh an des Teiches Rand, blickte in die laue Luft und hiess +die Weltordnung gut. Libellen hingen und schwirrten, dicke Waldschnecken +schleppten sich fort, ein Vöglein jammerte und eine hagere Katze schlich +umher. Alles beobachtete und genoss der Frosch als heitrer Skeptiker und +Bon-vivant und plumpste dann wieder in den Teich. + +Von Tag zu Tag aber gedieh er, zum Verderben zahlloser Mückchen, die +enthusiastisch in der Sonne schillerten. -- Kein Wunder, wenn sich der +Frosch da »hatte« und seine Lebensanschauung sich zu einem immer +insolenterem System abrundete! + +Und unumwölkt floss sein Dasein dahin, denn jeder ist selbst seines Glückes +Schmied. + + + + +ADAM UND EVA. + + +Die Nacht senkte sich vor der Vertriebnen Augen, und nach harter Tagesmühe +ruhten sie. + +Trauer umfloss der Gefallenen Antlitz, und ob des Menschengeschlechtes +drang eiserne Schwermut auf sie ein. Keine Thräne hatte noch das Weib; es +barg und vertiefte sich das Weh der Erde in ihrem Schosse zur Melancholie, +und wortescheu verblieb der Mann, als er sich hingewiesen sah an die harte, +unbekannte Scholle, an die unerbittliche Sonne und dem süssen Mond; aber +der Welt Zukunft und Not starrte in seinem Geist. + +Dies Paar, ach! war der Atlas! + +Das Echo seiner Qual durchdrang den hellen Sinn der Griechen, und eine +Weltkugel wälzten sie dem GOTTE auf die Schulter, allein ein Menschenpaar +ist es gewesen, das einst die Last des Werdens kostete und trug. + + + + +LE REVENANT. + + +Une nuit je crus errer eu rève dans des siècles passés, et je vis des +hommes et des femmes dans leur vie journalière. Je vis des enfants joner, +un laquais endormi sur un siège, puis des fruits dans une coupe étrange et +soudain sur un balcon trempé de pluie une jeune dame enveloppée dans une +grande robe rose et une mante noire. + +Mon esprit alors fut pris d'un vertige! -- et sentant mon rève, je voulus +m'en soustraire en le secouant; mais lui aussi-tôt, se faisant plus confus, +devint si pesant, que le coeur oppressé, je le subis. -- + +Alors je me vis appuyé contre une fenêtre à ogives à la nuit tombante dans +une salle. Brusquement tout au fond une porte s'entr'ouvrit, et un chien +s'élança, de ces beaux chiens de chasse! il s'arrèta inquiet, les yeux +flambants; puis d'un mouvement jeune et violent, fou de vie et de joie, il +se retourna, se jeta vers la porte, et frappant le parquet bruyamment de sa +queue, il attendit, guetta plutôt, pour s'élancer sur un homme qui entrait. +-- + +Lorsque je vis cet homme qui entrait, je sentis mes lèvres trembler de +tristesse. L'on eut dit la vie même, et c'était un mort! -- + +Ah! si vous l'aviez vu s'avancer d'un pas rapide en tournant vers sou chien +une figure d'un contour si vif et d'une ciselure si étroite, que cette tête +si noire se détachait des ténèbres comme une tache blanche, tant elle était +ardente! l'illusion, je vous assure, vous eut gagné, tout comme moi: cas la +vie _affluait_ dans chacun de ses gestes; ses yeux étaient chargés et +lourds comme certaines fleurs, et sur cette figure fougueuse, le regard +était préocupé et rentré, comme pour se poser très-loin sur une vision qui +revenait toujours, et faisait sourire malgré lui, sa bouche songeuse et +cruelle! -- La mort, me disai-je, la mort! -- + +Je me sentais si chétif près de cet être si beau, pourtant je vivais moi! +n'était-ce pas mieux que ce splendide mirage? + +La mort!? -- mais ce mot même tombait vide devant un pareil revenant! + +Ce fut alors, qu'il marcha droit vers la fenêtre, où je me tenais et que +mes yeux purent plonger dans les siens pour, en chercher l'énigme. Mais +hélas! qu'ils étaient loins, et comme mon coeur se serra! une grande +douleur fit tomber mes paupières qui brûlaient, et je sentis alors +s'approcher de moi, et m'envelopper comme l'haleine du Printemps; je crus +respirer toutes les aubépines des bois, et sentir un ciel, des sapins, et +des ruisseaux clairs: je vis une truite tachetée de rose, et de l'herbe +fraîche et mouillée; et une si afreuse nostalgie passa dans mes veines, que +j'étendis un bras éploré vers le spectre, dont la vie m'avait ainsi +troublé. Mais lui, quoique sa main pesât sur mon épaule, son regard, qui +semblait déborder, se détournait toujours. -- Et, voulant jeter un cri d' +angoisse, qui ne fut qu'un souffle, je lui dis: «Je suis lá!» et tout mon +être passa dans ces pauvres paroles! L'homme tressaillit, et changeant +d'attitude, sa main tomba. Mais en ce moment même il y eut un bruit dans la +cour, et je le vis se retourner, faire signe à son chien, et sortir. Ni +l'un ni l'autre ne m'avaient vu. -- + +Et alors la Nuit se fit plus profonde, et mon coeur plus froid. Seul mon +cerveau s'allumait et marcha. + +Regarde! dit-il à mes yeux devenus fixes de terreur, regarde sous ces +ténèbres croissans cette salle inconnue, et vois ces meubles bizarres! Que +peuvent ils te rappeler? + +Rien! sonna-t-il. Puis toutes les roues de mon cerveau s'ébranlérent avec +une vitesse infernale, et j'entendis un glas frapper au fond de moi-même: +LE REVENANT, C'ÉTAIT MOI! + +1893 + + + + +L'ORACLE. + + +Elle était grande et laide, une roche informe et nue, qu'elle hit éclairée +ou à l'ombre, toujours triste. + +Un homme s'y égara un soir, mais perdant pied aussitôt il mourut victime, +lui fort et pensant, de cette grande chose inerte et brute, et personne ne +la montait plus. Elle demenrait à l'ombre le plus souvent des grandes cimes +autour, et le soleil ni la lune ne l'aimaient. Seule la neige s'y plaquait +lourde et compacte! + +Or en une nuit de lune et de Vent (le monde déjà était vieux) quelque chose +remua au fond du rocher, et l'emplit soudain, comme d'un profond soupir. Ce +ne fut qu'un instant! quelques caillons roulèrent et un peu de neige +bleuâtre se détacha. Ce fut tout. + +Mais en cet instant si vague, et d'infinie lourdeur -- le rocher subit sa +propre tristesse sourdement, comme la plante comme s'éveille l'aloès du +fond de sa torpeur, c'est ainsi que sa propre Enigme vint saisir la +montagne et lui révéla son Mystère, les liens occultes, qui la liaient aux +longs chagrins et aux incurables misères, à tout ce qui est noir ou navrant +dans la création. + +Tout cela l'enveloppa comme d'une Ombre Géante. Et un accord vibra en ce +domaine silencieux! Une source s'agita affolée! elle mouta brûlante et +profonde jusque à l'ivresse, pour tarir aussitôt. + +Mais la Terre -- si rèveuse en ces nuits de Lune et de Vent tressaillit et +appela. Alors des milliers d'ombres se dégagèrent des plis de Ténèbres et +s'agitèrent autour du rocher éteint pour saluer l'Idée -- le Symbole -- +l'Oracle enfin qui venait de parler. + +1893 + + + + +HERBSTLIED. + + + Herbstlich sinkt der Tag nun. + Herbstfarb'nes Licht, so sanft wie süsser Ton, + Zart wie bedeutsamer Traum, + Der uns beglückend streifte in der Flucht. + Ach weile, guter Herbst! + Dein ist der tönendste Ton im Jahr! + Musik der Dämmerung ist deine Stunde, + Beruhigte Leidenschaft dein tiefer Blick. + Ist Verfall dein Sinn? + Oder lächelst du über den Tod? -- + + + + +DER WALCHENSEE. + + +Die Berge zogen ihre hohen, sanften Linien in der bleichen Dämmerung. +Ahnungsvoll schien jede Senkung, jede Matte, jeder Schatten, und stumm +hielten die Tannen hart am Ufer Wacht. Und Luna zog langsam mit ihrem +Gefolge weissgeballter Wolken hinter den Spitzen der Berge einher. + +Kein Sternengefunkel störte noch des Himmels Ruh'! Und wie tief kündete +sich da die Nacht, wie fern schien da Aurora, als käme nimmer der frühe +Tau, noch die strahlende Sonne zurück. + +»Ach!« seufzte da eines Menschen Stimme, »käme nimmer der Morgen!« + +Doch plötzliches Entsetzen fasste ihn alsbald, und starre Angst trieb ihn +dem Gestade entlang, war es ihm doch, als hätte er hier Schatten ins +Bewusstsein gerufen und aufgescheucht, als sei ihm das verhängnisvolle Wort +entfahren, das diesem See und dieser Natur geheimnisvoll zu Grunde lag, und +als seufzte nun alles rings um ihn, von jeder Felswand rauschend und vom +Strande wiederhallend, ein traumversunkenes und im Traum gefundenes Echo: + + Ach, käme nimmer der Morgen! + Käme nimmer der Morgen! + + + + +DIE HERUNTERGEKOMMENEN. + + +Als die Nacht hereingebrochen war und der kalte Zug durch die +Fensterspalten blies, da wurde es auch stille in dem langen Gang, wo die +Ahnenbilder hingen unverrückt an der dunklen Wand und die Finsternis über +sich ergehen liessen wie über ihre Gräber. Allein die Nachkommen dieser +längst verblichnen Leute wohnten noch in dem alten Schloss und fanden keine +Ruhe, denn sie wollten und wünschten mit der wilden Kraft, die sie von den +Vätern geerbt! Währenddem die Nacht sich immer tiefer senkte, schlief da +Keins. Alle hofften, fürchteten und sehnten sich zu sehr in diesen alten +Mauern, als dass der Schlaf sich ihnen rettend nähern konnte. Den hielt der +Hass und den die Liebe, alle aber hielt der Lebensdrang, die Heftigkeit des +Wunsches und die trübe Ahnung des Unerfüllbaren wach. + +Die Väter hatten so froh genossen und so wilden Auges gelebt! Sie glichen +sich alle in Miene und Blick, und Generationen hindurch verzehrten sich die +schönsten Frauen in Liebe um dies Haus! + +Das Glück aber hielt treue Wacht und zog goldene Gitter um seine +Günstlinge. + +Einem breiten glänzenden Strome glich dies Geschlecht, der schimmernd die +schönsten Lande durchzieht, Wälder und hohe Gipfel, glänzende Städte und +den ganzen Himmel lachend wiederspiegelt. + +Zöge sich doch mein Herz nicht zusammen, als ich dieses Vergleichs gedenke! +Denn nach hundert Jahren erlosch ein Stern: der herrliche Fluss rauschte +weiter; da veränderte sich sein Bett. Hoch und furchtbar drangen kahle +Felsenwände auf ihn ein, qualvoll türmte sich da das tiefe Gewässer und +wütete gegen die hemmende Wand. + +Sein schrecklicher Schall tönte betäubend durch die Welt. Unerbittlich aber +verengten sich noch die Thore, und der Fluss brach sich heulend seine Bahn. +Als wilder umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- + + + + +SKIZZE. + + +Vor Jahren fiel mir ein Buch in die Hände, dessen Titel ich mich nicht mehr +entsinnen kann, es war eine Übersetzung aus dem Griechischen und mit vielen +Anmerkungen versehen, wovon eine einen alten Spruch citierte, der mir immer +im Gedächtnisse blieb. Die Worte erinnere ich mir nicht, nur den Sinn, und +der war folgender. + +»Nicht der Mann ist die Weisheit, nicht die Frau ist die Liebe: Die Frau +ist Weisheit, der Mann ist Liebe. Des scheinbaren Umtausches sich nicht +bewusst, sucht der Mann in der Frau seine eigne Liebe, die Frau im Manne +ihre Weisheit wieder.« + +Dieser Spruch schien mir nach und nach so manches Unerklärliche und +Unvereinbare, das in jenen Beziehungen nicht zu begleichen schien, schärfer +zu beleuchten. + +Ein »ganzer Mann« wird einer Frau in so entscheidenden Punkten überlegen +sein, dass nur die tiefere Weisheit des schwächeren Teils ein Gleichgewicht +herzustellen vermag und in jener Weisheit allein die Möglichkeit liegt, den +Blick dieses Mannes ganz wiederzuspiegeln. + +Ist dieser Spiegel getrübt oder zu stürmisch oder zu seicht, so wendet der +Blick sich ermüdet ab und sehnt und sucht nach andern Augen, die wieder +versprechen und wieder enttäuschen. + +Umgekehrt sehen wir oft ganz unbedeutende Männer von einem weiblichen Wesen +dauernd gefesselt, von dem sie nie Kenntnis gewinnen können, in dem aber +die Weisheit verborgen liegt, die sie mit dumpfer Sehnsucht erfüllt. Eine +solche Frau, deren innere Entwicklung ihren eigenen Weg zu folgen bestimmt +war, sieht oft zu ihrem stillen Befremden einen ihr so fremden Mann so treu +an ihrer Seite. + +Was nun mit jener Weisheit in dem alten Spruche gemeint war, ist sicher +nicht die Lebensklugheit noch Schärfe oder Kraft des Geistes, denn die +wohnen alle dem Manne viel thätiger inne. Sie wird wohl eher dem +Meeresspiegel vergleichbar sein, der tiefer und beschaulicher wird, je mehr +sich darin versenkt. -- + +Jeder kennt jenes eigentümliche Gefühl, das ihn angesichts der +gleichgültigsten Dinge anwandeln kann, ihn zwingt, innezuhalten und +Gedanken einzulassen, die von aussen auf ihn einzudrängen scheinen und +deren Bewandtnis er noch nicht erfasst. + +So stand ich einmal auf einem weiten, freien Feld und dachte an die +Druiden, wie die Welt in ihnen wiederhallte, in sie drängend wie ein Strom, +so dass sie ihr das Rätsel fast entrieten und, von ihrer Ahnung +überwältigt, Wahrheiten stammelten -- in undurchdringlichen Worten. + +Da fiel mir -- anscheinend schauerlich unzusammenhängend -- der Don Juan +ein! + +War etwa _hier_ ein Gegensatz? -- War hier _etwas_, was sich deckte? + +Ich weiss es nicht. -- Aber mit einem Male begriff ich, wie sich der Zauber +und die Tragik im Dasein zweier Geschlechter in jener dunklen Gestalt und +ihren Opfern sublimieren konnte, und ich begriff den klärenden Schein, den +Mozart um sie wob. + +Trat in diesem Wesen irgend ein verborgenes Gesetz in Kraft und blieb das +nie Erreichte auf weit abliegender Bahn und keinem füglichem Gebiet +verwiesen? -- + +Lag etwa im Blicke der Veleda jene Ruh', die Don Juan in jedem schönen Auge +suchte, jenem andern Zuge folgend, der die Liebe so unendlich adelt? -- Und +lag seine eigne Gewalt in seiner eignen Sehnsucht? -- + + + + +DAS TRAUMBUCH. + + +Man wirft mir so gerne vor, dass ich nicht schreibe! -- + +Aber erstens! -- -- -- + +Und zweitens gehört hiezu doch auch eine leidliche Erfindungsgabe, und ich +bin nur deshalb so leichtgläubig, weil ich auf das Gegenteil von dem, was +man mir sagt, von selbst gar nicht gerate, eine solche Veranlagung ist +nicht eben produktiv! + +Über Gegebenes, Menschen wie Dinge, kann ich lange und eindringlich +nachdenken, nur muss ich sie haben! -- Aus der Luft greife ich nichts, denn +eine unübersteigbare Kluft trennt mich von jener Fähigkeit zu schaffen, die +so beglückend und erhebend sein muss und wohl deshalb so selten ist. + +Die einzige Genugthuung jedoch, welche mir diese endlich errungene +Erkenntnis bot, war, dass ich mich frei sprechen konnte von aller Schuld, +wenn keine Gedichte und keine Romane aus meiner Feder flossen, denn wie +viel besser wusste ich als alle andern, dass ich keine zu stande brachte! + +Als ich aber hierüber noch nicht im Reinen war und mir die Menschen so +manches versicherten, was mich nicht überzeugen konnte und doch sehr +verdross -- fasste ich einmal einen verzweifelten Plan, den ich auf die +äusserste Spitze treiben wollte und einem Mann von Fach zu eröffnen +beschloss. + +Ich liess mich bei ihm melden und erhielt einige Tage darauf ein zierliches +Briefchen, worin er mich auf sein Landgut zu einer Unterredung berief. + +Nun hatte ich nachts bevor, folgenden Traum: Ich, die nie im Leben geritten +war, sass plötzlich hoch zu Ross, ritt andern Reitern, die mich beschworen +einzuhalten, voran, liess mich dann langsam herabgleiten und stieg die +Treppe zu unserm Hause hinauf. + +Dann erwachte ich. -- Da jedoch dieser Traum sehr lebhaft in meinem +Gedächtnisse haften blieb, so schlug ich in meinem Traumbuch nach, ob eine +Deutung darauf stünde und las folgendes: »Unterlasse nicht, was du +vorhast!« Mir aber kam diese Weisung wirklich wie gerufen, denn schon lange +wollte ich einen recht flagranten Beweis in Händen haben, der mich von +meiner Leichtgläubigkeit endgültig kurierte. Derselbe Abend sollte mich ja +noch belehren! + +Dann verliess ich mein Haus und nahm den Zug. + +Das Wetter war leuchtend, und zuletzt führte mein Weg auf einem schmalen +Fusspfad durch ein hohes Kornfeld. + +Ganz ergriffen hielt ich da inne; denn die Welt war an diesem Tage zu +schön, ihr Schein zu unbeschreiblich! + +Ovid's Verwandlungen berührten mich mit einemmale als naturgemäss, und mir +war, als würde ich selbst zu jenem singenden, summenden Kornfeld, so sehr +entzückte mich gerade an dieser Stelle das goldene Leben unserer Erde. + +Doch nur wenig Schritte trennten mich von der Besitzung, in der meine +Autorität hauste, und nun erschien mir mein Plan erst recht in seiner +ganzen Unausführbarkeit. + +Eine Stunde später ging ich denn auch sehr gemessen denselben Weg wieder +zurück: Zuerst war der Mann von Fach sehr ernsthaft drei Schritte +zurückgewichen und hatte mich angestarrt. -- Aber in sein langes herzliches +und eindringliches Lachen musste ich am Ende doch einstimmen. + +Träume! dachte ich nun und wurde nachdenklicher mit jedem Schritt, denn +manches schien mir doch recht befremdend auf der Welt. + +Wie kam es zum Beispiel, dass die Alten, diese klugen, spöttischen +Griechen, denen die Wirklichkeit so voll genügte, solche Acht auf ihre +Träume hielten, dass die Geschichte selbst sie uns ganz ernsthaft mit Daten +und Thatsachen bringt? Vor jedem Schlachtenberichte stehen sie da als +Avantgarde, und jeder Feldherr klügelt über den seinen! + +Nun denke man sich nur einen modernen Geschichtsschreiber Napoleon's oder +Bismarck's Träume und dann zum Schluss noch seine eignen verzeichnend. Und +das mit der gebietenden Miene eines Plutarch! + +Wäre es möglich, dass hier etwas dahintersteckte und es uns verloren ging? + +Sonst dienen uns doch die Alten so gerne als Vorbild. + +Wer aber würde sich heutzutage mit derlei befassen? Die eigentliche +Bibliothek des Traumbuchs ist die Küche geworden und geschwätziges oder +ungebildetes Volk beratschlagen es. Nur ich besass noch eins, kraft jener +Erfindungsunfähigkeit, jener Sucht zu glauben, und auf glaubwürdiges zu +lauern. Alle Exzesse und Irrtümer stehen da offen. + +So dachte ich, von dem wogenden Kornfeld nicht länger impressioniert, im +Dämmerlichte des sinkenden Tages einhergehend und eignem Grübeln. + +Da plötzlich unerwartet, ungeahnt -- stand vor meinen bestürzten Augen +nicht das Gelingen meines Planes -- eine andre Erfüllung, die meinen Traum +wachrief wie mit einem langgedehnten Ruf, und wie einen kalten Hauch +empfand ich meine eigne Blässe. + + + + +MUSIKALISCHES. + + +MOTTO: Wollen wir hoffen? + +Richard Wagner, X. Band. + + + + +EINE MUSIKALISCHE BETRACHTUNG. + + +Vor einem mit Plakaten reich übersäten Kioske innehaltend, sagte kürzlich +einer zu seinem Freunde: + +»Sieh doch die vielen Konzerte! Bis über die Wände hinaus klettern die +Annoncen!« + +»Das ist schön!« rief der andere. »Da hast du unser liebes kunstsinniges +München!« + +»Ja, da hast du's!« brummte wieder der eine. + +Und wie es so geht auf dieser Welt, als sie eine kleine Strecke weiter +gegangen waren, fingen sie fürchterlich zu streiten an. In der Hitze jedoch +gebieten wir selten über die überzeugenden Worte, selbst wenn wir im Rechte +sind, und grad ein Philister hat da oft leichtes Spiel. + +Hier siegte denn auch der, dem beim Anblick der vielen Plakate das Herz +freudiger schlug, und selbstbewusst und heiter kehrte er nach Hause zur +Gattin. + +Aber wie verdrossen ging der andre heim! Fiel ihm doch jetzt erst alles +ein, was er im Eifer nicht fand; und wie sicher gestaltet sich nun seine +Rede in den dunklen Strassen! + +Immer feuriger ging er einher, als müsste er Schritt halten mit seinen +Gedanken, und sah recht närrisch dabei aus! + +Hier sei auch mir eine Bemerkung gestattet: Wage ich mich zwar jetzt mit +dem Sprüchwort: Kinder und Narren etc. vor, so werde ich allerdings dem +Vorwurf grosser Alltäglichkeit nicht entgehen, bringt uns heute doch fast +jeder Plato's finstre Höhle (die Höhle, ach, du lieber Gott, in der wir +alle so gemütlich sitzen!), oder citiert jene grosse Neuigkeit von dem +grössten Tragiker, nicht wahr, der zugleich etc. . . . . Denn nur in +solchen und ähnlichen Reminiscenzen ergehen sich nunmehr unsere gewandten +Bücher und halten streng an die Devise unsres Jahrzehnts: + +»Kaviar für Alle.« + +Vollends Sprüchwörter! + +Gut, so will auch ich das meine nicht zu Ende sagen, doch bitte ich euch, +lasst uns hören, was der Narr erzählte: + +»Wie alt«, rief er, »wie alt ist doch die Klage nach entschwundenen Zeiten! +Kein Zauber beschwört Vergangnes herauf! Wie der Regen, den die Erde so +begierig trinkt, um dann wieder trocken zu werden und hart, so verschwinden +spurlos nicht geträumte, ach! _erfüllte_ Ideale von der Welt! + +Wer ist es gewahr, dass Schritt für Schritt das Licht fällt, dass Kühle und +Dunkelheit überall einbrechen, dass rasch und unbemerkt eine Epoche von uns +scheidet? -- Erst wenn sie sich ganz unsern Augen entrückte, erst dann wird +die Verlorne im wahren Relief vor uns stehen. Aber wie Walther von der +Vogelweide um zartere Minne, so werden wir umsonst darum klagen! Und +inzwischen stellen wir uns blind und taub und lassen die Verwilderung um +sich greifen! Nur ein sehendes Auge sieht die verlöschenden Fackeln, und +nur dem feinen Ohre ist das wirre Gekreische vernehmbar.« + +(Schade, dass der Mann seine Reden nicht schön und symmetrisch aufzubauen +wusste! Seine Gedanken machten wilde Sprünge, und kamen dann im Bogen +wieder.) + +»Wisst ihr,« rief er da plötzlich, »dass jener thatsächliche Plan, sich per +Eisenbahn bequem auf die Jungfrau zu begeben, nichts anderes ist als ein +Symbol unsrer Zeit? + +Denn nichts Höheres bedeuten unsre täglichen Konzerte, unsre +Drehorgelorchester, und unsre ganze nivellierte Kunst. Überall ist der +Pöbel ausgebrochen, zwar ein wohlgenährter, gut gekleideter und siegreicher +Pöbel, aber erst recht der des Coriolan! + +Es haben uns doch die Besten gesagt und die wenig Grossen bewiesen, wie +aristokratisch die Natur verführt, wie scheu und sparsam sie ihre +vornehmste Blume, die der Kunst, auf ihren höchsten Gipfeln treibt, nur +ganz Bevorzugten nach harter Mühe erreichbar. + +Was deutet uns ein zusammengepresster staubiger Büschel Edelweiss, an einer +Strassenecke schreiend feilgeboten? Aber steil wie das Edelweiss und +geheimnissvoll wie die Aloë ist die Kunst! Pöbelhaft war es daher von uns, +sie mit Gewalt erstürmen zu wollen, und ein grober und hässlicher Wahn lag +dieser »Massenbewegung« zu Grunde. -- + +Denn als wir allesamt anfingen sie zu duzen, was war da natürlicher, als +dass uns die Kunst entfloh? Ihren letzten müden Strahl, an dem wir zehren, +halten wir nun für den »Morgenschein kommender Aeren!«, und keiner sieht, +keiner weist auch nur von fern auf unsern deutlichen Verfall. + +Ob wohl je die Menschen vor einem solchen Wendepunkt gestanden sind? + +Ob ein ähnliches Phänomen die Griechen einst zu Grabe läutete? und ob nach +Überwucherung der damaligen Kräfte ein ähnliches Schlingkraut die Erde +überzog? + +Wer wüsste es zu sagen!? Blühten nicht damals die Redner und Bildhauer +plötzlich in frecher Überzahl, just wie jetzt Kapellmeister und Solisten? + +Ehe man sich dann versah, verklang das ganze hohe Lied in Düsterkeit und +Barbarei. Sind wir etwa wieder da angelangt? -- Das wäre wohl auch hier die +Frage! + +»Aber nichts wiederholt sich«, murmelte der Mann. + +Er war auf der Brücke angelangt, und der rasche Fluss schien ihm neue +Einfälle zuzutreiben, denn er stand lange und sann, wie wohl der Mann +beschaffen sein musste, der unsre abwärts gehende Fahrt zu hemmen vermöchte +und neues Land eroberte. + +Über diesen gewaltigen Geist dachte der gute Kerl lange nach und ging dann +brav nach Hause. + + + + +NEMESIS. + +Eine zeitgemässe Betrachtung. + + +Dass die Welt ihre grossen Menschen so vielfach verkannte, trug besonders +für die Kleinen schlimme Folgen. + +Denn die Grossen kommen über kurz oder lang darüber hinweg (sei's nur, +indem sie das Leben überwinden!), und ihre Landsleute halten dann +frohlockend an ihre Namen als an ihr Eigentum fest; und starben diese +Grossen im Elend, so trägt das Schicksal und der Einzelne die Schuld, denn +die Allgemeinheit rettet sich ja stets. + +Dass es das ewig selbe Spiel bleibt, übersieht man, und klüger wähnen sich +die Menschen jedesmal geworden, wenn sie pietätvoll ihren grossen Toten +Säulen, Monumente und Brunnen errichten. + +Aber die Rache gräbt unermüdlich, und alles rächt sich tausendfach! + +Weil der Flecken nun so klar am Tage liegt, wie taub und blind wir für +unsre Helden waren -- glaubt ihr, darum sei er getilgt und der urteilslose +Unverstand samt seinen Folgen abgeschafft? + +_Ein_ Unterschied ist freilich da: der Vielbescholtne krankt nunmehr an +seinem üblen Ruf, darf nicht mehr schelten -- wagt es nicht -- und lässt +geschehen. Flugs dehnen sich da kleine Menschen himmellang, und bleibt die +Menge scheu vor ihren Produktionen, so verzagen sie nicht mehr, denn die +berühmtesten Vorbilder schweben ihnen vor, und die Tradition der Verkannten +haben sie ja für sich! + +»Wirklich?« fragen sie mit einem unendlichen Lächeln, »mein Werk gefällt +euch nicht?« + +Da blickt einer zaghaft zum andern, und einer nickt, und kleinmütig nicken +sie alle, denn sie sind die junge Generation und büssen für den Unverstand +der alten _umgekehrt_! + +Das grosse eine Merkmal des Schönen, dass es zwanglos um sich greifen und +unfehlbar, sei ihre Zahl vorerst noch so gering, die Herzen treffen _muss_ +-- auf dieses eine Merkmal, das doch zugleich auch unsre eigne Würde +rettet, auf dies pochen wir nicht mehr, denn unsre Augen sind nicht +unschuldig genug, und unsre Vergangenheit ist zu sehr getrübt! + +Den Lohn tragen wir nun davon! Auf dem schönen Erdreich, dem wir keine +Frucht entnahmen, schiesst das Unkraut so munter wie nur je empor, und auf +geweihtem Acker kauert dieselbe alte Schlange! + +Und die grossen Menschen? + +Je nun, man weiss vorerst nie, wo sie stecken, und sie haben nach wie vor +ihre Müh'. Auch sind die Zeichen nicht günstig. Aber vielleicht wirft uns +die Flut der Zeit wieder einen ans Land, der den Weg wüsste aus all den +verschlungenen Pfaden heraus und sich zur Stunde grämt, weil ihn der breite +Fluss des Irrtums überrauscht! + + + + +EINE SKIZZE ÜBER DIE STELLUNG DES KLAVIERS UND DER HEUTIGEN PIANISTEN. + + +Es ist in jüngster Zeit förmlich zur Redensart geworden, die Pianistenfrage +kurz damit abzufertigen, indem man sagt. »Das Klavier interessiert mich +nicht.« Was aber schlimmer ist wie Redensarten, und was mancher +wohlgeschulte Pianist in München zu seinem bitteren Nachteil erfahren +musste: Das Wort wird zur negativen That: er sieht nämlich sein Konzert mit +knapper Not von Freunden und Bekannten, etlichen alten Leuten und den +obligaten Kritikern besucht, die am nächsten Morgen ihr Bedauern über den +»leeren Raum« zu Drucke bringen -- und das eigentliche Publikum bleibt weg. + +Der Künstler selbst wird diese seine moderne Unpopularität natürlich nicht +ohne Erbitterung wahrnehmen und sich nicht sehr erbaulich über die alte +Musikstadt und ihr gepriesenes Entgegenkommen äussern. + +Nun gehe ich von jener alten paradoxalen Wahrheit aus, dass sich zwar in +der Masse Irrtum und Unverstand wie von selbst potenzieren, dass aber +trotzdem das Publikum in seinen Sympathien recht behält, und es sich +jedenfalls der Mühe lohnt, nach dem Grunde zu forschen, wenn es sich einer +öffentlichen Kundgebung gegenüber hartnäckig abgeneigt verhält. Ich möchte +hierin für das Münchner Publikum sogar eine gewisse Unbeirrbarkeit +beanspruchen, und gewiss birgt diese Stadt ein nennenswertes Kontingent +wirklicher Musikkenner. Ohne mit dem Finger darauf weisen zu können, fühlt +man es bei Gelegenheit deutlich durch, und dieses Kontingent sichert dort +dem Grossen und Echten, selbst wenn es neu und ungewohnt ist, fast immer +den Sieg. + +Nun ist München merkwürdigerweise eine geradezu pianistenfeindliche Stadt +geworden, und ohne die Gründe ihrer Abneigung lange zu analysieren, ist sie +ihnen im vornherein abhold; ja, die Pianisten zählen dort allgemach zu den +verdrossenen Typen, und es ist jetzt Mode, die einst so Gefeierten trotz +ihrer bedeutsamen Haartracht zu ignorieren. + +Da jedoch eine Abneigung, um sich selbst gerecht zu werden, stets motiviert +werden sollte, so sei hier der Versuch gemacht, die eigentümliche Stellung +zu bezeichnen, welche das Klavier heutzutage in künstlerischer Hinsicht +einnimmt, und welche wir am besten gleich im voraus eine »schiefe Stellung« +nennen wollen, um das Wort später erläutert zu sehen. + +In der Musik sind wir anerkanntermassen das erste Volk der Welt. Was wir +aber mit dem Klavier angefangen haben, oder vielmehr, was wir daraus werden +liessen, damit ist wieder einmal ein Beweis geliefert, wie leicht, uns der +simple gute Geschmack im Stiche lässt! + +Wir Deutsche stehen überhaupt mit dem Geschmack und was er im höheren Sinne +bedeutet: Formensinn und Grazie, auf etwas gespanntem, misstrauischem Fusse +und fühlen uns nicht ungeneigt, dies alles als frivol zu taxieren. Kommt +uns aber dann einmal der künstlerische Takt abhanden, so sind wir uns zwar +wohl unsres künstlerischen Ernstes, aber eben weil wir des Taktes +vergassen, unsrer Schwerfälligkeit nicht bewusst -- und nur so ist es +möglich, dass ein Übel, ein grober Irrtum, der sonst unsrer ganzen Richtung +widerspricht, sich auf eine wirklich ungeheuerliche Art auswachsen und +verbreiten konnte. + +Auf besagte Weise ist nun in dem musikalischen Deutschland das Klavier von +seiner ursprünglichen Bestimmung abgekommen, hat sich eine Stellung +angemasst, die ganz und gar nicht die seine ist, und wurde, nachdem es auf +diesem neuen Boden das Publikum eine Weile verblüffte, von demselben +verpönt. -- + +Diesem beklagenswerten Verfall -- die Folge rein äusserlicher Gründe -- +sollten wir nach Kräften entgegenwirken. + +Unsre grössten Klassiker haben nicht umsonst in edler Würdigung dieses +Instruments ihre herrlichen Meisterwerke dafür geschaffen. Aber leider ist +es ebenso wahr, dass sie dabei kaum einen unsrer modernen Pianisten, wie +sie jetzt landläufig sind, als Exekutant im Auge hatten, noch dass sie +dieselbe Idee vom Klavierspiele hatten wie er! Eine ganz kleine Sylbe +trennt hierin die alte von der neuen Zeit: Sahen unsre Meister im Klavier +ein stets verfügbares! Mittel, die mannigfachsten reichsten Tongebilde auf +dem dürftigen Holze zu resümieren und zur Wiedergabe zu bringen -- ein +ideales Abstraktum -- ein unschätzbares Mittel zum Zwecke musikalischer +_Re_produktion, so sieht hingegen der moderne Virtuos in seinem Instrument +lediglich ein _Pro_duktionsfeld. Nicht Mittel ist es ihm, sondern Zweck, +und zwar sich selbst will er produzieren! Über einen so unkünstlerischen +Standpunkt ist weiter kein Wort zu verlieren. + +Nennt man mir aber Franz Liszt als Beleg für die Berechtigung des modernen +Pianisten, so werde ich erwidern, dass er eine Einzelerscheinung, ein ganz +für sich gehendes musikalisches Phänomen vorstellt wie die Duse etwa für +die Bühne, beide aber in dieser Hinsicht gleich wenig berufen, Bahnen zu +eröffnen, denn es sind künstlerische Typen, deren Wert und Reiz eben in +ihrer Eigentümlichkeit beruhen. Liszt's Mähne auf einem anderen Köpflein +ist ebenso unbefugt, als es vermutlich die Mimik der Duse bei einer anderen +Schauspielerin wäre, denn auch diese findet ihre Berechtigung in einer ganz +individuellen künstlerischen Beschaffenheit, aber gewiss nicht als +künstlerisches Moment! -- + +Und dieser Vergleich, wenn er sich nicht vollkommen deckt, mag immerhin +dazu dienen, den Fall näher zu beleuchten: So wie die grosse Tragödin ihre +_eigne_ Individualität auf der Bühne in tausend Nuancen schillern und +erklingen lässt, mithin nicht die eigentlichen Heldencharaktere, wie sie +unsre grossen Geister schufen, zur Gestaltung bringt, sondern auf dem +nächsten, oft sogar dem nächstbesten Wege ihre ganz persönliche +Empfindungsweise, ihre moderne Seele zur Mitteilung bringt, so verlässt +auch der Pianist auf dem klassischsten aller Instrumente das ursprüngliche +Gebiet, und nicht so sehr musikalische Werke, als seine eigne Person führt +er uns vor, um sie unsrer Aufmerksamkeit aufzudrängen. Die moderne +Klavierlitteratur ist nicht anders als im engsten Bündniss mit jenem Irrtum +entstanden, den Virtuosen als Alleinherrscher vor seinem dadurch fraglich +gewordenen Instrument hinzustellen, und beide hiemit zu vernichten. + +Denn wie thatsächlich das schönste Klavier unter den Jonglerien und der +schaudervollen Gewandtheit eines Virtuosen zur unmusikalischen Plage wird, +so denkt man auch heute unwillkürlich bei dem Worte »Musiker« an einen +Geiger, Cellisten oder Sänger und nicht sobald an den Pianisten, der +mitsamt seinem Instrument und seiner pompösen Spezial-Litteratur aus diesem +Bunde ausgetreten zu sein scheint, seitdem er sich auf dem kolossalen +Irrtum einschiffte, ein eignes, selbständiges Gebiet -- die künstlich +angelegte Klaviersee, zu befahren wähnte, und nun auf einer Sandbank +festgesessen liegt, von der er nicht sobald wieder flott fährt, es sei +denn, dass ihn die Musiker selbst wieder zu Ehren bringen und aus dem +unförmlichen, verunglückten Dampfer wieder jenes ideale Schifflein bauen, +als welches es einst an einem mächtigen Baue festgeankert lag, und mit ihm +und durch ihn das unendliche Meer der Töne zu befahren, die Fähigkeit +erhielt. In diese seine ursprüngliche so edle und produktive Abhängigkeit +sollten wir es zurückführen, da es in »Demut« so viel erreicht. Nur so +könnte es seine alte Würde wieder erhalten, und in uns die alte Freude und +die alte Begeisterung wieder erwecken. + + + + +EPILOG. + + +Was auch kommen mag auf dieser Welt, immer gestaltet sich eine Zeit neu und +ungeahnt. Unsre Erde trägt keine Propheten, und nur durch ihre +Unergründlichkeit sind die Orakel so wahr. Wer erträumte wohl je das +nächste Geschlecht? Woran keiner dachte, das geschieht, wo der Fluss am +ruhigsten floss, dort tritt er über. + +Tausende von Jahren belehren uns nicht über ein einziges, das sich noch +nicht entrollte, unzählige von Schicksalen lassen unser eigenes stets neu. +Die Notwendigkeit schafft mit ihren blinden Augen zu Tage, andre Mächte +fordern wieder, was ihr trotzt, und so liegt die Welt unausgefochten im +Kampf. + +Oft schon, glaube ich, wurde als das grösste Unheil des Christentums das +Pharisäertum erwiesen, jene unheilvolle Macht, die von Grund auf, +anscheinend auf alle Zeiten, den Charakter verunstaltete, den das neue +Zeitalter erhielt. Wie unendlich viel, und wie unendlich wenig das Dogma +verrät, diese These wurde nie aufgestellt, die Pharisäer umstanden das +neue, wie das alte Testament; und so wurde es uns verdunkelt bis zur +Unkenntlichkeit und entfremdet. + +Jenes Unwesen selbst, verlor aber im Laufe der Zeit alle Macht; und da es +tief in der Erde sitzt und in den Menschen wohnt, sann es auf eine neue +Stätte. Wo aber fand es den Boden, den es nun zu sterilisieren, das Ding, +das uns nun zu entfremden galt? Wo anders, als da, wo das Gute +hingeflüchtet war, unangetastet, köstlich und steil, hoch über unsren +Häuptern, und doch verborgen. Mit schlauem Zerstörungssinn erblühte es da +inmitten der Kunst! + +Gut meinende Seelen, die aber vom Schweigen des Pythagoras nichts ahnten, +hatten selbst dem verderblichen Heere die schmale Bresche verraten und +wurden die ersten Pfähle auf jenem schrecklichem »chemin battu«, den jetzt +die Mode so verwegen und unbefangen betritt. + +Hier müssen wir einen Augenblick zurückgreifen. Bekanntlich war es +Grillparzer, der Beethoven's Grabrede hielt; nun wurden ihm +kurzsichtigerweise und nach Wagner's Erscheinen folgende Worte daraus noch +nachträglich verwiesen: + +»Beethoven's Nachfolger«, schloss der unmusikalische Dichter, wird von vorn +anheben müssen, denn er selbst hat geendet, wo die Kunst endet.« Und dabei +ahnte Grillparzer wohl gar nicht, wie wahr er sprach! + +In der That hub Beethoven's Nachfolger von vorne an und erklomm einen Berg, +um auch er -- und dies ist bedeutsam -- zu enden, wo die Kunst endigt. + +Wo sie aber zu Ende ist, dort behauptet wie eine wahnsinnige tote +Karrikatur die heutige Musik ihren unredlichen Platz. + +Wagner, dieser einfache Mann, der ohne Stil, nur von Gedanken gedrängt, sie +so gross und unschuldig niederschrieb, hätte er doch den Missbrauch seiner +tiefen, weittragenden Worte geahnt. -- Mit Siegeln nur hätte er dann seine +Bücher vermacht! + +Denn die göttlich stillen Seen, die ein Adler erschaute, sind nun ihrer +Einsamkeit entweiht und von der lauten Menge umlagert. Eine so +schauderhafte Vulgarisation, eine so triviale Gier, hohe Gefilde zu +umlärmen, hat sich ihrer bemächtigt, dass alles Urteil befangen liegt, und +keiner seine eignen Worte mehr spricht. Die Halbgebildeten, die +Ungebildeten, sie stürzen alle voran. In dieser eitlen Wut ist jedes +Unterscheidungsvermögen gelähmt, einer ist der schwächere Abdruck des +andern, und alle halten sich krampfhaft an dieselbe Schnur. Nie aber +verklingt das letzte hohle Wort! + +Ein Abhang im Schatten, ein Fels in der Dämmerung tönt voller als heutige +Musik! + +Ach! käme doch einer, der unsre Geheimnisse in ihre alten Schleier hülle, +bis wir gelernt haben, sie wieder zu verschweigen. + +Vielleicht werden wir dann die Früchte ernten, die wir so jäh +herunterrissen, vielleicht gelangen wir dann auf Umwegen ans Ziel, +vielleicht erschliessen sich uns dann neue Aussichten, ein neues Land und +neue Bewandtnisse. + +Betrachten wir es genau: Das hehrste Sujet der Menschheit haben unsre +grossen Geister scheu umschifft, und ihre unbeschreiblich zarte +Jüngerschaft haben sie nicht gesagt oder nicht zu sagen vermocht. + +Wir aber wissen wohl in aller Stille, dass durch sie von Ferne eine Gestalt +sich uns nähert, die uns so unerklärlich und unfassbar bleibt. + +Wir fühlen in der beglückenden Harmonie eines Plato, in Shakespeare's +Tiefe, in Goethe's Erhabenheit, im Fluge Beethoven's, in Mozart's Klang, in +Wagner's Blick, in der Sensibilität eines Schopenhauer (um einmal all die +armen Abgedroschenen zu nennen!); wir fühlen, dass aus allen grossen +Gemütern etwas ausgeht, was uns mit einer seltsamen Ahnung durchschauert +betreffs eines, Gott sei Dank, noch nicht zu oft genannten Namens. + +Aber welches Genie schwänge sich auf eine so schwindliche Brücke und +ergriffe den intangibelsten aller Fäden?! -- + + + + +Anmerkungen zur Transkription + + +Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt +(vorher/nachher): + + [p. 17]: + ... Ein Frosch sass im nassen Grasse, befriedigt und ... + ... Ein Frosch sass im nassen Grase, befriedigt und ... + + [p. 42]: + ... wilder undunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- ... + ... wilder umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. -- ... + + [p. 60]: + ... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit überrall einbrechen, ... + ... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit überall einbrechen, ... + + [p. 61]: + ... symetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ... + ... symmetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ... + + [p. 78]: + ... Dichter«, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ... + ... Dichter, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ... + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Kurze Aufsätze, by Annette Kolb + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZE AUFSÄTZE *** + +***** This file should be named 44251-8.txt or 44251-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/4/4/2/5/44251/ + +Produced by Jens Sadowski + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation information page at www.gutenberg.org + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at 809 +North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email +contact links and up to date contact information can be found at the +Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/44251-8.zip b/old/44251-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..337a3b6 --- /dev/null +++ b/old/44251-8.zip diff --git a/old/44251-h.zip b/old/44251-h.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..9e1c13e --- /dev/null +++ b/old/44251-h.zip diff --git a/old/44251-h/44251-h.htm b/old/44251-h/44251-h.htm new file mode 100644 index 0000000..82c80bd --- /dev/null +++ b/old/44251-h/44251-h.htm @@ -0,0 +1,2232 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" +"http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" lang="de" xml:lang="de"> +<head> +<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=iso-8859-1" /> +<title>The Project Gutenberg eBook of Kurze Aufsätze, by Annette Kolb</title> + <link rel="coverpage" href="images/cover-page.jpg" /> + <!-- TITLE="Kurze Aufsätze" --> + <!-- AUTHOR="Annette Kolb" --> + <!-- LANGUAGE="de" --> + <!-- PUBLISHER="Ulrich Putze, München" --> + <!-- DATE="1899" --> + <!-- COVER="images/cover-page.jpg" --> + +<style type='text/css'> + +body { margin-left:15%; 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Kurze Aufsätze + +Author: Annette Kolb + +Release Date: November 21, 2013 [EBook #44251] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZE AUFSÄTZE *** + + + + +Produced by Jens Sadowski + + + + + +</pre> + + +<div class="titlematter"> + +<h1 class="tit" id="part-1"> +<span class="line1">KURZE</span><br /> +<span class="line2">AUFSÄTZE</span><br /> +<span class="line3">VON</span><br /> +<span class="line4">ANNETTE KOLB.</span> +</h1> + +<p class="pub"> +<span class="line1">MÜNCHEN 1899.</span><br /> +<span class="line2">ZU BEZIEHEN DURCH</span><br /> +<span class="line3">ULRICH PUTZE,</span><br /> +<span class="line4">BRIENNERSTRASSE 8.</span> +</p> + +</div> + +<p class="printer"> +Bruckmann’sche Buch- und Kunstdruckerei, München. +</p> + + +<h2 class="chapter">INHALT.</h2> + +<table class="toc" summary="TOC"> +<tbody> +<tr><td class="right">1.</td><td class="left">Der Zufall</td><td class="center">Seite</td><td class="right"><a href="#chapter-1-1">5</a></td></tr> +<tr><td class="right">2.</td><td class="left">Der Frosch</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-2">15</a></td></tr> +<tr><td class="right">3.</td><td class="left">Adam und Eva</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-3">19</a></td></tr> +<tr><td class="right">4.</td><td class="left">Le revenant</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-4">23</a></td></tr> +<tr><td class="right">5.</td><td class="left">L'Oracle</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-5">29</a></td></tr> +<tr><td class="right">6.</td><td class="left">Herbstlied</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-6">33</a></td></tr> +<tr><td class="right">7.</td><td class="left">Der Walchensee</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-7">35</a></td></tr> +<tr><td class="right">8.</td><td class="left">Die Heruntergekommenen</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-8">39</a></td></tr> +<tr><td class="right">9.</td><td class="left">Skizze</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-9">43</a></td></tr> +<tr><td class="right">10.</td><td class="left">Das Traumbuch</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-1-10">49</a></td></tr> + +<tr><td class="sub" colspan="4">Musikalisches:</td></tr> + +<tr><td class="right">11.</td><td class="left">Eine musikalische Betrachtung</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-2-1">57</a></td></tr> +<tr><td class="right">12.</td><td class="left">Nemesis</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-2-2">63</a></td></tr> +<tr><td class="right">13.</td><td class="left">Skizze über die Stellung des heutigen Pianisten</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-2-3">67</a></td></tr> +<tr><td class="right">14.</td><td class="left">Epilog</td><td class="center">"</td><td class="right"><a href="#chapter-2-4">75</a></td></tr> +</tbody> +</table> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-1"> +<a id="page-5" class="pagenum" title="5"></a> +<span class="line1">DER ZUFALL?</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a> +<span class="firstchar">W</span>as giebt es unvermeidlicheres, berechneteres und +dabei natürlicheres wie den Zufall? +</p> + +<p> +Was ist abgefeimter und grausamer oder gütiger? +Wir können ihn weder anklagen, noch ihm danken. — +Nie können wir ihn überführen, ihm die Maske entreissen +und sagen: »Dies hast du gewollt und über +mich gebracht.« — Denn die natürlichste Verkettung +der Dinge hat es herbeigeführt. +</p> + +<p> +Was sollen wir mit diesem raffinierten Zufall anfangen, +der unsere Schritte lenkt und doch nur als ein +leerer Schleier in unsern Händen bleibt? — Am besten +ist es wohl, ihm zu vertrauen; allein man lernt dies +nur nach Jahren, und nach geprüften Jahren. Erst +treibt es uns, ihn gewaltsam herbeizuführen, unsern +Willen dem seinen gegenüberzustellen, und dann erst +wird der Zufall so recht feindselig und allmächtig! +</p> + +<p> +Was hängt er nicht alles an eine Begegnung? Ob +wir eine Minute früher oder später in diese Gasse +bogen, mag über eine unbeschreibliche Reihe von Unglückstagen +entscheiden — sie von uns abwenden oder +über uns bringen. +</p> + +<p> +»Es giebt keinen Zufall!« — sagt Schillers Wallenstein. +Aber damit sagte er schon zu viel; denn der +<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a> +Zufall entzieht sich uns so fern, dass er nicht einmal +<em class="em">diese</em> Behauptung ermöglicht. +</p> + +<p> +Als ich in Paris anfing, mit dem Gedanken umzugehen, +ich wäre am liebsten wieder zu Hause, erhielten +wir eines Tages aus Marseille einen sorgfältig +verpackten Schlüssel und einen Brief. Es war ein +Angebot, die Wohnung einer Dame zu beziehen, währenddem +diese im Süden weilte und ihr schöner Flügel wurde +ganz besonders gerühmt, aber wir machten von all dem +keinen Gebrauch, denn es kam so vieles dazwischen. +</p> + +<p> +Da plagte mich eines Morgens ein unverkennbares +Heimweh. Wir wohnten in einer jener engen Strassen, +die den Himmel versperren und die Menschen zusammendrängen +wie auf einem Schiff. Draussen war es +regnerisch und schwül, und ich sehnte mich fort; da +fühlte ich zufällig unter meinen Fingern den Schlüssel +jener Wohnung, und um mich gewaltsam aus der +Stimmung zu reissen, in der ich mich befand, machte +ich mich zur Stelle auf den Weg nach diesem Hause. — +</p> + +<p> +Als ich aber dort die ziemlich hochgelegene +Wohnung betrat, lag sie in so rabenschwarzer Nacht, +dass ich alsbald wieder hinunterging, um mir bei dem +Concierge ein Licht zu verschaffen. +</p> + +<p> +Dieser hatte indes seine Loge verlassen, und ohne +auf ihn zu warten, zündete ich mir eine Kerze an +und eilte wieder hinauf. — +</p> + +<p> +Auch nicht ein Schimmer des Tageslichtes drang +in diese Räume! Eiserne, verriegelte Läden schlossen +es gänzlich ab, und der Lärm von Paris klang da +<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a> +gar seltsam herein, denn öde war es hier! — Als hätte +ein Unglück die Bewohner plötzlich vertrieben, so dass sie +alles liessen wie es war, nur dem Lichte wehrend, bevor +sie flohen. Denn nichts war aufgeräumt. Im ersten +Zimmer stand ein blauseidnes Bett aufgeschlagen und bestaubt, +vom Baldachin hing eine lange Kordel zerrissen +herab. Die Kerze beleuchtete nur immer dürftig eine einzige +Stelle, aber im Vorübergehen sah ich Gegenstände verwahrlost +herumliegen, zertrümmertes Krystall, zierliche +Louis XV.-Möbel und einen offenen Schrank. Es war, +als ob hier Diebe gehaust hätten, und als seien sie +dann in der Hast über alles davongestiegen. So unheimlich +war der Anblick all dieser Zimmer, dass ich, +ohne mich länger umzusehen, den Salon suchte, wo +der Flügel stehen musste, um dann schleunigst wieder +fortzukommen. Ich entdeckte ihn denn auch, zwischen +zwei Fenstern stehend und von einer Decke geschützt. +Als ich diese zurückschob, hob sich ein Schwarm von +vielleicht tausend Flöhen und stieb in gerader Linie +auf mich los. +</p> + +<p> +Ich fuhr zurück — wahrscheinlich zu rasch — +die Kerze verlosch! — +</p> + +<p> +Was dies für mich bedeutete, war mir sofort klar. +Denn ich hatte im unverantwortlichen und unbegreiflichen +Leichtsinn die Zündhölzer unten gelassen. — +</p> + +<p> +Nie aber würde ich in dieser Finsternis die Hausthüre +finden, und wenn ich sie fände, niemals unterscheiden +— den Weg zurück wusste ich nicht. Es +waren so viele Zimmer gewesen und kein Gang. Alles +<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a> +ineinand geschachtelt, wie es in französischen Wohnungen +oft ist. Ich tastete nach dem Schlüssel, aber der +Schrecken hatte mir alle Erinnerung benommen. Ich +fand ihn nicht mehr. +</p> + +<p> +Mit den Händen fuhr ich der Wand entlang bis +zum Fenster, allein die Läden mussten einen eigenen +Verschluss haben und schnitten mir in die Finger, ohne +zu rücken. Behutsam ging ich vorwärts, vielleicht +drang doch in irgend eine Kammer ein Schimmer von +Licht und war von dort aus ein Zeichen möglich, aber +überall war Finsternis und Staubgeruch als läge ich +tief unter der Erde. +</p> + +<p> +Der Concierge würde den Leuchter kaum vermissen, +den ich unter vielen andern aus seiner Loge fortnahm, +keinesfalls aber auf mich geraten und die Meinen +hatten keine Ahnung wohin ich gegangen war, denn +als ich von Hause fortging war ich allein gewesen. — +So war zwar meine Rettung lange noch möglich, noch +grösser aber die Gefahr, dass ich hier verschlossen und +vergessen bliebe. +</p> + +<p> +Meine Wanderungen nach der Hausthüre begannen +von neuem. Griffe ich sie, so wollte ich dort stehen +und rufen. Allein ich fand sie nicht! +</p> + +<p> +Es liess sich keine Thüre von der andern erkennen, +kein Zimmer, keine Kammer. Einige waren versperrt. +Wie in einer Falle irrte ich blind umher und wurde +immer unfähiger, mich zu orientieren; denn von den +Räumlichkeiten hatte ich die Verhältnisse nicht entnommen, +und der Ausgangspunkt war mir längs verloren. +</p> + +<p> +<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a> +So musste ich mich meinem Schicksal ergeben. Die +Zeit verging, und wie rings um mich, so war es jetzt +auch in meinem Herzen Nacht. Aber statt der Verzweiflung +kamen mir da plötzlich Gedanken: Was für +einen Sinn hätte denn ein solcher Abschluss? Welche +Deutung konnte ich meinem Tode abgewinnen? +</p> + +<p> +In meinem Leben konnte ich nichts entdecken, aber +dies Leben selbst erschien mir da merkwürdigerweise +wie ein arger Schuldbrief, und ich werde wohl nie +mehr so tief und ruhig zu denken vermögen, wie in +jenem so hoch über der Erde gelegenem Grab! +</p> + +<p> +Wie spät es geworden sein mochte ahnte ich nicht. +Immer wieder begannen meine finsteren Wanderungen, +mein Tasten nach Thüren und mein Rufen. Meine +eigne Stimme versetzte mich in solche Angst, dass es +wie wahnsinnig in meinen Schläfen pochte. Den Hunger +sah ich schon als meinen Gefährten, und heiss und +blutig drang mir’s nun ins Gehirn. — Und wie betäubt +stiess ich zuletzt gegen eine scharfe Kante und +empfand etwas Kaltes unter meinen Händen. +</p> + +<p> +Daraus schloss ich, dass ich mich wieder in einem +Zimmer befand, denn dies fühlte sich wie ein marmorner +Tisch. Ich fasste ihn mit der andern Hand: da durchzuckte +mich jäh eine wilde, triumphierende Lebensfreude. +Was da meine suchenden Finger ergriffen hatten, war +— eine Zündholzschachtel! +</p> + +<p> +Zitternd fachte ich eines an und starrte jetzt auf +ein gespenstiges Wesen, das mit hohlen Augen unvergesslich +auf mich blickte. +</p> + +<p> +<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a> +Allein bevor die Angst noch ihre Klammern auf +mich legen konnte, gewahrte ich den hohen Spiegel, vor +dem ich stand, woran die schmale Marmorplatte angebracht +war, an die ich stiess. Lange Kerzen stacken +da in Kandelabern, und mechanisch zündete ich sie an; +von meinem eignen Bilde keinen Blick verwendend, denn +wie von einem Drama war ich hier gefesselt. +</p> + +<p> +Das Entsetzen auf meiner Stirne, die trostlose Ergebenheit +meiner Züge, die Todesahnung war auf meinem +Gesichte geblieben. Obwohl ich mich gerettet wusste, +immer starrte ich noch wie eine Verlorene. +</p> + +<p> +Was hinter diesen weitgeöffneten Augen vorgegangen +war, wusste ich so wohl, der schon wie eingefallene +Mund, warum er so bitter geschlossen war, das herabgezogene +Kinn, der zurückgehaltene Grimm. — Und +dabei war mir’s als erschaute ich das Selbsterlebte nun +zum erstenmale. +</p> + +<p> +So blieb ich vor dem Spiegel gebannt, bis meine +Augen sich verkleinerten und die Farbe, als sei nichts +geschehen, sich allmählich wieder einstellte. — +</p> + +<p> +Der Raum, in dem ich mich befand, war ein +kleines Durchgangszimmer, und die Begebenheit so einfach +und natürlich! +</p> + +<p> +Es hatte hier jemand eine Schachtel Streichhölzer +vergessen. Weiter nichts! +</p> + +<p> +Es war eben jener blinde und hundertäugige Zufall, +jener unberechenbare Stern, der über unser Leben waltet +und es erhält oder vernichtet. +</p> + +<p> +Den Schlüssel, die Thür und den Weg ins Freie +<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a> +hatte ich nun bald gefunden; wieder hinab in das +rege Paris. +</p> + +<p> +Die Boulevards schimmerten im Abendrot, und die +Knospen der Bäume waren nach dem Regen hold geschwellt. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-2"> +<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a> +<span class="line1">DER FROSCH.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a> +<span class="firstchar">E</span>in Frosch sass im nassen <a id="corr-0"></a>Grase, befriedigt und +wohl aufgeblähet, denn er hatte eben gespeist, und da +ihm das Verschmauste wohl bekam, so fühlte er sich +nicht ungeneigt zu philosophieren, zwinkerte behaglich +mit seinen feuchten Augen und dachte: +</p> + +<p> +»Was ist doch die Welt so seriöse! — und machen +sie alle so fatale Mienen, statt das Leben frisch zu +nehmen wie es ist! Ich bin zufrieden, und mir geht +es gut; auch nehme ich die Dinge wie sie kommen!« +</p> + +<p> +Und obwohl er schon zu viel gegessen hatte, +schnappte er noch im Übermute nach einer Fliege, die +des Weges flog, und verzog dann sein breites Maul zu +einem superiorem Lächeln: Es war doch wirklich alles +zu dumm! +</p> + +<p> +So hockte er froh an des Teiches Rand, blickte +in die laue Luft und hiess die Weltordnung gut. Libellen +hingen und schwirrten, dicke Waldschnecken schleppten +sich fort, ein Vöglein jammerte und eine hagere Katze +schlich umher. Alles beobachtete und genoss der Frosch +als heitrer Skeptiker und Bon-vivant und plumpste +dann wieder in den Teich. +</p> + +<p> +Von Tag zu Tag aber gedieh er, zum Verderben +zahlloser Mückchen, die enthusiastisch in der Sonne +<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a> +schillerten. — Kein Wunder, wenn sich der Frosch da +»hatte« und seine Lebensanschauung sich zu einem +immer insolenterem System abrundete! +</p> + +<p> +Und unumwölkt floss sein Dasein dahin, denn jeder +ist selbst seines Glückes Schmied. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-3"> +<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a> +<span class="line1">ADAM UND EVA.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a> +<span class="firstchar">D</span>ie Nacht senkte sich vor der Vertriebnen Augen, +und nach harter Tagesmühe ruhten sie. +</p> + +<p> +Trauer umfloss der Gefallenen Antlitz, und ob +des Menschengeschlechtes drang eiserne Schwermut auf +sie ein. Keine Thräne hatte noch das Weib; es barg +und vertiefte sich das Weh der Erde in ihrem Schosse +zur Melancholie, und wortescheu verblieb der Mann, +als er sich hingewiesen sah an die harte, unbekannte +Scholle, an die unerbittliche Sonne und dem süssen Mond; +aber der Welt Zukunft und Not starrte in seinem Geist. +</p> + +<p> +Dies Paar, ach! war der Atlas! +</p> + +<p> +Das Echo seiner Qual durchdrang den hellen +Sinn der Griechen, und eine Weltkugel wälzten sie dem +GOTTE auf die Schulter, allein ein Menschenpaar ist +es gewesen, das einst die Last des Werdens kostete +und trug. +</p> + +<div class="fr" lang="fr"> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-4"> +<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a> +<span class="line1">LE REVENANT.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a> +<span class="firstchar">U</span>ne nuit je crus errer eu rève dans des siècles +passés, et je vis des hommes et des femmes dans leur +vie journalière. Je vis des enfants joner, un laquais +endormi sur un siège, puis des fruits dans une coupe +étrange et soudain sur un balcon trempé de pluie +une jeune dame enveloppée dans une grande robe rose +et une mante noire. +</p> + +<p> +Mon esprit alors fut pris d’un vertige! — et sentant +mon rève, je voulus m’en soustraire en le secouant; +mais lui aussi-tôt, se faisant plus confus, devint si +pesant, que le coeur oppressé, je le subis. — +</p> + +<p> +Alors je me vis appuyé contre une fenêtre à ogives +à la nuit tombante dans une salle. Brusquement tout +au fond une porte s’entr’ouvrit, et un chien s’élança, +de ces beaux chiens de chasse! il s’arrèta inquiet, les +yeux flambants; puis d’un mouvement jeune et violent, +fou de vie et de joie, il se retourna, se jeta vers la +porte, et frappant le parquet bruyamment de sa queue, +il attendit, guetta plutôt, pour s’élancer sur un homme +qui entrait. — +</p> + +<p> +Lorsque je vis cet homme qui entrait, je sentis mes +lèvres trembler de tristesse. L’on eut dit la vie même, +et c’était un mort! — +</p> + +<p> +<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a> +Ah! si vous l’aviez vu s’avancer d’un pas rapide +en tournant vers sou chien une figure d’un contour si +vif et d’une ciselure si étroite, que cette tête si noire se +détachait des ténèbres comme une tache blanche, tant +elle était ardente! l’illusion, je vous assure, vous eut +gagné, tout comme moi: cas la vie <em class="em">affluait</em> dans chacun +de ses gestes; ses yeux étaient chargés et lourds comme +certaines fleurs, et sur cette figure fougueuse, le regard +était préocupé et rentré, comme pour se poser très-loin +sur une vision qui revenait toujours, et faisait sourire +malgré lui, sa bouche songeuse et cruelle! — La mort, +me disai-je, la mort! — +</p> + +<p> +Je me sentais si chétif près de cet être si beau, +pourtant je vivais moi! n’était-ce pas mieux que ce +splendide mirage? +</p> + +<p> +La mort!? — mais ce mot même tombait vide +devant un pareil revenant! +</p> + +<p> +Ce fut alors, qu’il marcha droit vers la fenêtre, +où je me tenais et que mes yeux purent plonger dans +les siens pour, en chercher l’énigme. Mais hélas! qu’ils +étaient loins, et comme mon coeur se serra! une grande +douleur fit tomber mes paupières qui brûlaient, et je +sentis alors s’approcher de moi, et m’envelopper +comme l’haleine du Printemps; je crus respirer toutes +les aubépines des bois, et sentir un ciel, des sapins, +et des ruisseaux clairs: je vis une truite tachetée de +rose, et de l’herbe fraîche et mouillée; et une si +afreuse nostalgie passa dans mes veines, que j’étendis +un bras éploré vers le spectre, dont la vie m’avait +<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a> +ainsi troublé. Mais lui, quoique sa main pesât sur +mon épaule, son regard, qui semblait déborder, se détournait +toujours. — Et, voulant jeter un cri d’ angoisse, +qui ne fut qu’un souffle, je lui dis: «Je suis +lá!» et tout mon être passa dans ces pauvres paroles! +L’homme tressaillit, et changeant d’attitude, sa main +tomba. Mais en ce moment même il y eut un bruit +dans la cour, et je le vis se retourner, faire signe à son +chien, et sortir. Ni l’un ni l’autre ne m’avaient vu. — +</p> + +<p> +Et alors la Nuit se fit plus profonde, et mon coeur +plus froid. Seul mon cerveau s’allumait et marcha. +</p> + +<p> +Regarde! dit-il à mes yeux devenus fixes de terreur, +regarde sous ces ténèbres croissans cette salle inconnue, +et vois ces meubles bizarres! Que peuvent ils te rappeler? +</p> + +<p> +Rien! sonna-t-il. Puis toutes les roues de mon +cerveau s’ébranlérent avec une vitesse infernale, et j’entendis +un glas frapper au fond de moi-même: LE +REVENANT, C’ÉTAIT MOI! +</p> + +<p class="right"> +1893 +</p> + +</div> + +<div class="fr" lang="fr"> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-5"> +<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a> +<span class="line1">L’ORACLE.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a> +<span class="firstchar">E</span>lle était grande et laide, une roche informe et +nue, qu’elle hit éclairée ou à l’ombre, toujours triste. +</p> + +<p> +Un homme s’y égara un soir, mais perdant pied +aussitôt il mourut victime, lui fort et pensant, de cette +grande chose inerte et brute, et personne ne la montait +plus. Elle demenrait à l’ombre le plus souvent des +grandes cimes autour, et le soleil ni la lune ne l’aimaient. +Seule la neige s’y plaquait lourde et compacte! +</p> + +<p> +Or en une nuit de lune et de Vent (le monde déjà +était vieux) quelque chose remua au fond du rocher, +et l’emplit soudain, comme d’un profond soupir. Ce +ne fut qu’un instant! quelques caillons roulèrent et un +peu de neige bleuâtre se détacha. Ce fut tout. +</p> + +<p> +Mais en cet instant si vague, et d’infinie lourdeur +— le rocher subit sa propre tristesse sourdement, comme +la plante comme s’éveille l’aloès du fond de sa torpeur, +c’est ainsi que sa propre Enigme vint saisir la montagne +et lui révéla son Mystère, les liens occultes, qui la +liaient aux longs chagrins et aux incurables misères, +à tout ce qui est noir ou navrant dans la création. +</p> + +<p> +Tout cela l’enveloppa comme d’une Ombre Géante. +Et un accord vibra en ce domaine silencieux! Une +source s’agita affolée! elle mouta brûlante et profonde +jusque à l’ivresse, pour tarir aussitôt. +</p> + +<p> +<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a> +Mais la Terre — si rèveuse en ces nuits de Lune +et de Vent tressaillit et appela. Alors des milliers +d’ombres se dégagèrent des plis de Ténèbres et s’agitèrent +autour du rocher éteint pour saluer l’Idée — le +Symbole — l’Oracle enfin qui venait de parler. +</p> + +<p class="right"> +1893 +</p> + +</div> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-6"> +<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a> +<span class="line1">HERBSTLIED.</span> +</h2> + +<div class="poem"> + <p class="line">Herbstlich sinkt der Tag nun.</p> + <p class="line">Herbstfarb’nes Licht, so sanft wie süsser Ton,</p> + <p class="line">Zart wie bedeutsamer Traum,</p> + <p class="line">Der uns beglückend streifte in der Flucht.</p> + <p class="line">Ach weile, guter Herbst!</p> + <p class="line">Dein ist der tönendste Ton im Jahr!</p> + <p class="line">Musik der Dämmerung ist deine Stunde,</p> + <p class="line">Beruhigte Leidenschaft dein tiefer Blick.</p> + <p class="line">Ist Verfall dein Sinn?</p> + <p class="line">Oder lächelst du über den Tod? —</p> +</div> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-7"> +<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a> +<span class="line1">DER WALCHENSEE.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a> +<span class="firstchar">D</span>ie Berge zogen ihre hohen, sanften Linien in der +bleichen Dämmerung. Ahnungsvoll schien jede Senkung, +jede Matte, jeder Schatten, und stumm hielten die Tannen +hart am Ufer Wacht. Und Luna zog langsam mit +ihrem Gefolge weissgeballter Wolken hinter den Spitzen +der Berge einher. +</p> + +<p> +Kein Sternengefunkel störte noch des Himmels Ruh’! +Und wie tief kündete sich da die Nacht, wie fern +schien da Aurora, als käme nimmer der frühe Tau, +noch die strahlende Sonne zurück. +</p> + +<p> +»Ach!« seufzte da eines Menschen Stimme, »käme +nimmer der Morgen!« +</p> + +<p> +Doch plötzliches Entsetzen fasste ihn alsbald, und +starre Angst trieb ihn dem Gestade entlang, war es +ihm doch, als hätte er hier Schatten ins Bewusstsein +gerufen und aufgescheucht, als sei ihm das verhängnisvolle +Wort entfahren, das diesem See und dieser Natur +geheimnisvoll zu Grunde lag, und als seufzte nun alles +rings um ihn, von jeder Felswand rauschend und vom +Strande wiederhallend, ein traumversunkenes und im +Traum gefundenes Echo: +</p> + +<div class="poem"> + <p class="line">Ach, käme nimmer der Morgen!</p> + <p class="line">Käme nimmer der Morgen!</p> +</div> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-8"> +<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a> +<span class="line1">DIE HERUNTERGEKOMMENEN.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a> +<span class="firstchar">A</span>ls die Nacht hereingebrochen war und der kalte +Zug durch die Fensterspalten blies, da wurde es auch +stille in dem langen Gang, wo die Ahnenbilder hingen +unverrückt an der dunklen Wand und die Finsternis +über sich ergehen liessen wie über ihre Gräber. Allein +die Nachkommen dieser längst verblichnen Leute wohnten +noch in dem alten Schloss und fanden keine Ruhe, +denn sie wollten und wünschten mit der wilden Kraft, +die sie von den Vätern geerbt! Währenddem die Nacht +sich immer tiefer senkte, schlief da Keins. Alle hofften, +fürchteten und sehnten sich zu sehr in diesen alten +Mauern, als dass der Schlaf sich ihnen rettend nähern +konnte. Den hielt der Hass und den die Liebe, alle +aber hielt der Lebensdrang, die Heftigkeit des Wunsches +und die trübe Ahnung des Unerfüllbaren wach. +</p> + +<p> +Die Väter hatten so froh genossen und so wilden +Auges gelebt! Sie glichen sich alle in Miene und Blick, +und Generationen hindurch verzehrten sich die schönsten +Frauen in Liebe um dies Haus! +</p> + +<p> +Das Glück aber hielt treue Wacht und zog goldene +Gitter um seine Günstlinge. +</p> + +<p> +Einem breiten glänzenden Strome glich dies Geschlecht, +der schimmernd die schönsten Lande durchzieht, +<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a> +Wälder und hohe Gipfel, glänzende Städte und +den ganzen Himmel lachend wiederspiegelt. +</p> + +<p> +Zöge sich doch mein Herz nicht zusammen, als +ich dieses Vergleichs gedenke! Denn nach hundert +Jahren erlosch ein Stern: der herrliche Fluss rauschte +weiter; da veränderte sich sein Bett. Hoch und furchtbar +drangen kahle Felsenwände auf ihn ein, qualvoll +türmte sich da das tiefe Gewässer und wütete gegen +die hemmende Wand. +</p> + +<p> +Sein schrecklicher Schall tönte betäubend durch die +Welt. Unerbittlich aber verengten sich noch die Thore, +und der Fluss brach sich heulend seine Bahn. Als +wilder <a id="corr-1"></a>umdunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. — +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-9"> +<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a> +<span class="line1">SKIZZE.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a> +<span class="firstchar">V</span>or Jahren fiel mir ein Buch in die Hände, dessen +Titel ich mich nicht mehr entsinnen kann, es war +eine Übersetzung aus dem Griechischen und mit vielen +Anmerkungen versehen, wovon eine einen alten Spruch +citierte, der mir immer im Gedächtnisse blieb. Die +Worte erinnere ich mir nicht, nur den Sinn, und +der war folgender. +</p> + +<p> +»Nicht der Mann ist die Weisheit, nicht die Frau +ist die Liebe: Die Frau ist Weisheit, der Mann ist +Liebe. Des scheinbaren Umtausches sich nicht bewusst, +sucht der Mann in der Frau seine eigne Liebe, +die Frau im Manne ihre Weisheit wieder.« +</p> + +<p> +Dieser Spruch schien mir nach und nach so +manches Unerklärliche und Unvereinbare, das in jenen +Beziehungen nicht zu begleichen schien, schärfer zu +beleuchten. +</p> + +<p> +Ein »ganzer Mann« wird einer Frau in so entscheidenden +Punkten überlegen sein, dass nur die tiefere +Weisheit des schwächeren Teils ein Gleichgewicht herzustellen +vermag und in jener Weisheit allein die +Möglichkeit liegt, den Blick dieses Mannes ganz wiederzuspiegeln. +</p> + +<p> +<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a> +Ist dieser Spiegel getrübt oder zu stürmisch oder +zu seicht, so wendet der Blick sich ermüdet ab und +sehnt und sucht nach andern Augen, die wieder versprechen +und wieder enttäuschen. +</p> + +<p> +Umgekehrt sehen wir oft ganz unbedeutende Männer +von einem weiblichen Wesen dauernd gefesselt, von +dem sie nie Kenntnis gewinnen können, in dem aber +die Weisheit verborgen liegt, die sie mit dumpfer Sehnsucht +erfüllt. Eine solche Frau, deren innere Entwicklung +ihren eigenen Weg zu folgen bestimmt war, sieht +oft zu ihrem stillen Befremden einen ihr so fremden +Mann so treu an ihrer Seite. +</p> + +<p> +Was nun mit jener Weisheit in dem alten Spruche +gemeint war, ist sicher nicht die Lebensklugheit noch +Schärfe oder Kraft des Geistes, denn die wohnen alle +dem Manne viel thätiger inne. Sie wird wohl eher +dem Meeresspiegel vergleichbar sein, der tiefer und +beschaulicher wird, je mehr sich darin versenkt. — +</p> + +<p> +Jeder kennt jenes eigentümliche Gefühl, das ihn +angesichts der gleichgültigsten Dinge anwandeln kann, +ihn zwingt, innezuhalten und Gedanken einzulassen, +die von aussen auf ihn einzudrängen scheinen und +deren Bewandtnis er noch nicht erfasst. +</p> + +<p> +So stand ich einmal auf einem weiten, freien Feld +und dachte an die Druiden, wie die Welt in ihnen +wiederhallte, in sie drängend wie ein Strom, so dass +sie ihr das Rätsel fast entrieten und, von ihrer Ahnung +überwältigt, Wahrheiten stammelten — in undurchdringlichen +Worten. +</p> + +<p> +<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a> +Da fiel mir — anscheinend schauerlich unzusammenhängend +— der Don Juan ein! +</p> + +<p> +War etwa <em class="em">hier</em> ein Gegensatz? — War hier +<em class="em">etwas</em>, was sich deckte? +</p> + +<p> +Ich weiss es nicht. — Aber mit einem Male begriff +ich, wie sich der Zauber und die Tragik im Dasein +zweier Geschlechter in jener dunklen Gestalt und ihren +Opfern sublimieren konnte, und ich begriff den klärenden +Schein, den Mozart um sie wob. +</p> + +<p> +Trat in diesem Wesen irgend ein verborgenes Gesetz +in Kraft und blieb das nie Erreichte auf weit abliegender +Bahn und keinem füglichem Gebiet verwiesen? — +</p> + +<p> +Lag etwa im Blicke der Veleda jene Ruh’, die +Don Juan in jedem schönen Auge suchte, jenem andern +Zuge folgend, der die Liebe so unendlich adelt? — Und +lag seine eigne Gewalt in seiner eignen Sehnsucht? — +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-1-10"> +<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a> +<span class="line1">DAS TRAUMBUCH.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a> +<span class="firstchar">M</span>an wirft mir so gerne vor, dass ich nicht +schreibe! — +</p> + +<p> +Aber erstens! — — — +</p> + +<p> +Und zweitens gehört hiezu doch auch eine leidliche +Erfindungsgabe, und ich bin nur deshalb so leichtgläubig, +weil ich auf das Gegenteil von dem, was man +mir sagt, von selbst gar nicht gerate, eine solche Veranlagung +ist nicht eben produktiv! +</p> + +<p> +Über Gegebenes, Menschen wie Dinge, kann ich +lange und eindringlich nachdenken, nur muss ich sie +haben! — Aus der Luft greife ich nichts, denn eine +unübersteigbare Kluft trennt mich von jener Fähigkeit +zu schaffen, die so beglückend und erhebend sein muss +und wohl deshalb so selten ist. +</p> + +<p> +Die einzige Genugthuung jedoch, welche mir diese +endlich errungene Erkenntnis bot, war, dass ich mich +frei sprechen konnte von aller Schuld, wenn keine +Gedichte und keine Romane aus meiner Feder flossen, +denn wie viel besser wusste ich als alle andern, dass +ich keine zu stande brachte! +</p> + +<p> +Als ich aber hierüber noch nicht im Reinen war +und mir die Menschen so manches versicherten, was +mich nicht überzeugen konnte und doch sehr verdross — +<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a> +fasste ich einmal einen verzweifelten Plan, den ich auf +die äusserste Spitze treiben wollte und einem Mann von +Fach zu eröffnen beschloss. +</p> + +<p> +Ich liess mich bei ihm melden und erhielt einige +Tage darauf ein zierliches Briefchen, worin er mich +auf sein Landgut zu einer Unterredung berief. +</p> + +<p> +Nun hatte ich nachts bevor, folgenden Traum: Ich, +die nie im Leben geritten war, sass plötzlich hoch zu +Ross, ritt andern Reitern, die mich beschworen einzuhalten, +voran, liess mich dann langsam herabgleiten +und stieg die Treppe zu unserm Hause hinauf. +</p> + +<p> +Dann erwachte ich. — Da jedoch dieser Traum +sehr lebhaft in meinem Gedächtnisse haften blieb, so +schlug ich in meinem Traumbuch nach, ob eine Deutung +darauf stünde und las folgendes: »Unterlasse nicht, +was du vorhast!« Mir aber kam diese Weisung wirklich +wie gerufen, denn schon lange wollte ich einen recht +flagranten Beweis in Händen haben, der mich von +meiner Leichtgläubigkeit endgültig kurierte. Derselbe +Abend sollte mich ja noch belehren! +</p> + +<p> +Dann verliess ich mein Haus und nahm den Zug. +</p> + +<p> +Das Wetter war leuchtend, und zuletzt führte mein +Weg auf einem schmalen Fusspfad durch ein hohes +Kornfeld. +</p> + +<p> +Ganz ergriffen hielt ich da inne; denn die Welt +war an diesem Tage zu schön, ihr Schein zu unbeschreiblich! +</p> + +<p> +Ovid’s Verwandlungen berührten mich mit einemmale +als naturgemäss, und mir war, als würde ich +<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a> +selbst zu jenem singenden, summenden Kornfeld, so sehr +entzückte mich gerade an dieser Stelle das goldene Leben +unserer Erde. +</p> + +<p> +Doch nur wenig Schritte trennten mich von der +Besitzung, in der meine Autorität hauste, und nun +erschien mir mein Plan erst recht in seiner ganzen +Unausführbarkeit. +</p> + +<p> +Eine Stunde später ging ich denn auch sehr gemessen +denselben Weg wieder zurück: Zuerst war der +Mann von Fach sehr ernsthaft drei Schritte zurückgewichen +und hatte mich angestarrt. — Aber in sein +langes herzliches und eindringliches Lachen musste ich +am Ende doch einstimmen. +</p> + +<p> +Träume! dachte ich nun und wurde nachdenklicher +mit jedem Schritt, denn manches schien mir doch recht +befremdend auf der Welt. +</p> + +<p> +Wie kam es zum Beispiel, dass die Alten, diese +klugen, spöttischen Griechen, denen die Wirklichkeit so voll +genügte, solche Acht auf ihre Träume hielten, dass die +Geschichte selbst sie uns ganz ernsthaft mit Daten und +Thatsachen bringt? Vor jedem Schlachtenberichte stehen +sie da als Avantgarde, und jeder Feldherr klügelt über +den seinen! +</p> + +<p> +Nun denke man sich nur einen modernen Geschichtsschreiber +Napoleon’s oder Bismarck’s Träume +und dann zum Schluss noch seine eignen verzeichnend. +Und das mit der gebietenden Miene eines Plutarch! +</p> + +<p> +Wäre es möglich, dass hier etwas dahintersteckte +und es uns verloren ging? +</p> + +<p> +<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a> +Sonst dienen uns doch die Alten so gerne als +Vorbild. +</p> + +<p> +Wer aber würde sich heutzutage mit derlei befassen? +Die eigentliche Bibliothek des Traumbuchs +ist die Küche geworden und geschwätziges oder ungebildetes +Volk beratschlagen es. Nur ich besass noch +eins, kraft jener Erfindungsunfähigkeit, jener Sucht zu +glauben, und auf glaubwürdiges zu lauern. Alle +Exzesse und Irrtümer stehen da offen. +</p> + +<p> +So dachte ich, von dem wogenden Kornfeld nicht +länger impressioniert, im Dämmerlichte des sinkenden +Tages einhergehend und eignem Grübeln. +</p> + +<p> +Da plötzlich unerwartet, ungeahnt — stand vor +meinen bestürzten Augen nicht das Gelingen meines +Planes — eine andre Erfüllung, die meinen Traum +wachrief wie mit einem langgedehnten Ruf, und wie +einen kalten Hauch empfand ich meine eigne Blässe. +</p> + +<h1 class="part" id="part-2"> +<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a> +MUSIKALISCHES. +</h1> + +<p class="motto"> +MOTTO: Wollen wir hoffen? +</p> + +<p class="signature"> +Richard Wagner, X. Band. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-1"> +<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a> +<span class="line1">EINE MUSIKALISCHE BETRACHTUNG.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a> +<span class="firstchar">V</span>or einem mit Plakaten reich übersäten Kioske +innehaltend, sagte kürzlich einer zu seinem Freunde: +</p> + +<p> +»Sieh doch die vielen Konzerte! Bis über die +Wände hinaus klettern die Annoncen!« +</p> + +<p> +»Das ist schön!« rief der andere. »Da hast du +unser liebes kunstsinniges München!« +</p> + +<p> +»Ja, da hast du’s!« brummte wieder der eine. +</p> + +<p> +Und wie es so geht auf dieser Welt, als sie eine +kleine Strecke weiter gegangen waren, fingen sie fürchterlich +zu streiten an. In der Hitze jedoch gebieten wir selten +über die überzeugenden Worte, selbst wenn wir im Rechte +sind, und grad ein Philister hat da oft leichtes Spiel. +</p> + +<p> +Hier siegte denn auch der, dem beim Anblick der +vielen Plakate das Herz freudiger schlug, und selbstbewusst +und heiter kehrte er nach Hause zur Gattin. +</p> + +<p> +Aber wie verdrossen ging der andre heim! Fiel +ihm doch jetzt erst alles ein, was er im Eifer nicht +fand; und wie sicher gestaltet sich nun seine Rede in +den dunklen Strassen! +</p> + +<p> +Immer feuriger ging er einher, als müsste er +Schritt halten mit seinen Gedanken, und sah recht +närrisch dabei aus! +</p> + +<p> +Hier sei auch mir eine Bemerkung gestattet: Wage +<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a> +ich mich zwar jetzt mit dem Sprüchwort: Kinder und +Narren etc. vor, so werde ich allerdings dem Vorwurf +grosser Alltäglichkeit nicht entgehen, bringt uns heute +doch fast jeder Plato’s finstre Höhle (die Höhle, ach, +du lieber Gott, in der wir alle so gemütlich sitzen!), +oder citiert jene grosse Neuigkeit von dem grössten +Tragiker, nicht wahr, der zugleich etc. . . . . Denn +nur in solchen und ähnlichen Reminiscenzen ergehen +sich nunmehr unsere gewandten Bücher und halten +streng an die Devise unsres Jahrzehnts: +</p> + +<p class="center"> +»Kaviar für Alle.« +</p> + +<p> +Vollends Sprüchwörter! +</p> + +<p> +Gut, so will auch ich das meine nicht zu Ende +sagen, doch bitte ich euch, lasst uns hören, was der +Narr erzählte: +</p> + +<p> +»Wie alt«, rief er, »wie alt ist doch die Klage +nach entschwundenen Zeiten! Kein Zauber beschwört +Vergangnes herauf! Wie der Regen, den die Erde so +begierig trinkt, um dann wieder trocken zu werden +und hart, so verschwinden spurlos nicht geträumte, +ach! <em class="em">erfüllte</em> Ideale von der Welt! +</p> + +<p> +Wer ist es gewahr, dass Schritt für Schritt das +Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit <a id="corr-2"></a>überall einbrechen, +dass rasch und unbemerkt eine Epoche von uns +scheidet? — Erst wenn sie sich ganz unsern Augen +entrückte, erst dann wird die Verlorne im wahren Relief +vor uns stehen. Aber wie Walther von der Vogelweide +um zartere Minne, so werden wir umsonst darum klagen! +Und inzwischen stellen wir uns blind und taub und +<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a> +lassen die Verwilderung um sich greifen! Nur ein +sehendes Auge sieht die verlöschenden Fackeln, und nur +dem feinen Ohre ist das wirre Gekreische vernehmbar.« +</p> + +<p> +(Schade, dass der Mann seine Reden nicht schön und +<a id="corr-3"></a>symmetrisch aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten +wilde Sprünge, und kamen dann im Bogen wieder.) +</p> + +<p> +»Wisst ihr,« rief er da plötzlich, »dass jener thatsächliche +Plan, sich per Eisenbahn bequem auf die +Jungfrau zu begeben, nichts anderes ist als ein Symbol +unsrer Zeit? +</p> + +<p> +Denn nichts Höheres bedeuten unsre täglichen Konzerte, +unsre Drehorgelorchester, und unsre ganze nivellierte +Kunst. Überall ist der Pöbel ausgebrochen, zwar +ein wohlgenährter, gut gekleideter und siegreicher Pöbel, +aber erst recht der des Coriolan! +</p> + +<p> +Es haben uns doch die Besten gesagt und die +wenig Grossen bewiesen, wie aristokratisch die Natur verführt, +wie scheu und sparsam sie ihre vornehmste Blume, +die der Kunst, auf ihren höchsten Gipfeln treibt, nur +ganz Bevorzugten nach harter Mühe erreichbar. +</p> + +<p> +Was deutet uns ein zusammengepresster staubiger +Büschel Edelweiss, an einer Strassenecke schreiend feilgeboten? +Aber steil wie das Edelweiss und geheimnissvoll +wie die Aloë ist die Kunst! Pöbelhaft war es daher +von uns, sie mit Gewalt erstürmen zu wollen, und ein +grober und hässlicher Wahn lag dieser »Massenbewegung« +zu Grunde. — +</p> + +<p> +Denn als wir allesamt anfingen sie zu duzen, was +war da natürlicher, als dass uns die Kunst entfloh? +<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a> +Ihren letzten müden Strahl, an dem wir zehren, halten +wir nun für den »Morgenschein kommender Aeren!«, +und keiner sieht, keiner weist auch nur von fern auf +unsern deutlichen Verfall. +</p> + +<p> +Ob wohl je die Menschen vor einem solchen Wendepunkt +gestanden sind? +</p> + +<p> +Ob ein ähnliches Phänomen die Griechen einst +zu Grabe läutete? und ob nach Überwucherung der +damaligen Kräfte ein ähnliches Schlingkraut die Erde +überzog? +</p> + +<p> +Wer wüsste es zu sagen!? Blühten nicht damals +die Redner und Bildhauer plötzlich in frecher Überzahl, +just wie jetzt Kapellmeister und Solisten? +</p> + +<p> +Ehe man sich dann versah, verklang das ganze +hohe Lied in Düsterkeit und Barbarei. Sind wir etwa +wieder da angelangt? — Das wäre wohl auch hier +die Frage! +</p> + +<p> +»Aber nichts wiederholt sich«, murmelte der Mann. +</p> + +<p> +Er war auf der Brücke angelangt, und der rasche +Fluss schien ihm neue Einfälle zuzutreiben, denn er +stand lange und sann, wie wohl der Mann beschaffen +sein musste, der unsre abwärts gehende Fahrt zu hemmen +vermöchte und neues Land eroberte. +</p> + +<p> +Über diesen gewaltigen Geist dachte der gute Kerl +lange nach und ging dann brav nach Hause. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-2"> +<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a> +<span class="line1">NEMESIS.</span><br /> +<span class="line2">Eine zeitgemässe Betrachtung.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a> +<span class="firstchar">D</span>ass die Welt ihre grossen Menschen so vielfach verkannte, +trug besonders für die Kleinen schlimme Folgen. +</p> + +<p> +Denn die Grossen kommen über kurz oder lang +darüber hinweg (sei’s nur, indem sie das Leben überwinden!), +und ihre Landsleute halten dann frohlockend an +ihre Namen als an ihr Eigentum fest; und starben diese +Grossen im Elend, so trägt das Schicksal und der Einzelne +die Schuld, denn die Allgemeinheit rettet sich ja stets. +</p> + +<p> +Dass es das ewig selbe Spiel bleibt, übersieht man, +und klüger wähnen sich die Menschen jedesmal geworden, +wenn sie pietätvoll ihren grossen Toten Säulen, Monumente +und Brunnen errichten. +</p> + +<p> +Aber die Rache gräbt unermüdlich, und alles rächt +sich tausendfach! +</p> + +<p> +Weil der Flecken nun so klar am Tage liegt, wie +taub und blind wir für unsre Helden waren — glaubt +ihr, darum sei er getilgt und der urteilslose Unverstand +samt seinen Folgen abgeschafft? +</p> + +<p> +<em class="em">Ein</em> Unterschied ist freilich da: der Vielbescholtne +krankt nunmehr an seinem üblen Ruf, darf nicht +mehr schelten — wagt es nicht — und lässt geschehen. +Flugs dehnen sich da kleine Menschen himmellang, und +bleibt die Menge scheu vor ihren Produktionen, so verzagen +sie nicht mehr, denn die berühmtesten Vorbilder +<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a> +schweben ihnen vor, und die Tradition der Verkannten +haben sie ja für sich! +</p> + +<p> +»Wirklich?« fragen sie mit einem unendlichen +Lächeln, »mein Werk gefällt euch nicht?« +</p> + +<p> +Da blickt einer zaghaft zum andern, und einer +nickt, und kleinmütig nicken sie alle, denn sie sind die +junge Generation und büssen für den Unverstand der +alten <em class="em">umgekehrt</em>! +</p> + +<p> +Das grosse eine Merkmal des Schönen, dass es +zwanglos um sich greifen und unfehlbar, sei ihre Zahl +vorerst noch so gering, die Herzen treffen <em class="em">muss</em> — auf +dieses eine Merkmal, das doch zugleich auch unsre +eigne Würde rettet, auf dies pochen wir nicht mehr, +denn unsre Augen sind nicht unschuldig genug, und +unsre Vergangenheit ist zu sehr getrübt! +</p> + +<p> +Den Lohn tragen wir nun davon! Auf dem schönen +Erdreich, dem wir keine Frucht entnahmen, schiesst +das Unkraut so munter wie nur je empor, und auf +geweihtem Acker kauert dieselbe alte Schlange! +</p> + +<p> +Und die grossen Menschen? +</p> + +<p> +Je nun, man weiss vorerst nie, wo sie stecken, und +sie haben nach wie vor ihre Müh’. Auch sind die +Zeichen nicht günstig. Aber vielleicht wirft uns die +Flut der Zeit wieder einen ans Land, der den Weg +wüsste aus all den verschlungenen Pfaden heraus und +sich zur Stunde grämt, weil ihn der breite Fluss des +Irrtums überrauscht! +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-3"> +<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a> +<span class="line1">EINE SKIZZE ÜBER DIE STELLUNG DES KLAVIERS UND DER HEUTIGEN PIANISTEN.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a> +<span class="firstchar">E</span>s ist in jüngster Zeit förmlich zur Redensart +geworden, die Pianistenfrage kurz damit abzufertigen, +indem man sagt. »Das Klavier interessiert mich nicht.« +Was aber schlimmer ist wie Redensarten, und was +mancher wohlgeschulte Pianist in München zu seinem +bitteren Nachteil erfahren musste: Das Wort wird zur +negativen That: er sieht nämlich sein Konzert mit +knapper Not von Freunden und Bekannten, etlichen +alten Leuten und den obligaten Kritikern besucht, die +am nächsten Morgen ihr Bedauern über den »leeren +Raum« zu Drucke bringen — und das eigentliche +Publikum bleibt weg. +</p> + +<p> +Der Künstler selbst wird diese seine moderne Unpopularität +natürlich nicht ohne Erbitterung wahrnehmen +und sich nicht sehr erbaulich über die alte +Musikstadt und ihr gepriesenes Entgegenkommen äussern. +</p> + +<p> +Nun gehe ich von jener alten paradoxalen Wahrheit +aus, dass sich zwar in der Masse Irrtum und +Unverstand wie von selbst potenzieren, dass aber trotzdem +das Publikum in seinen Sympathien recht behält, +und es sich jedenfalls der Mühe lohnt, nach dem +Grunde zu forschen, wenn es sich einer öffentlichen +Kundgebung gegenüber hartnäckig abgeneigt verhält. +<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a> +Ich möchte hierin für das Münchner Publikum sogar +eine gewisse Unbeirrbarkeit beanspruchen, und gewiss +birgt diese Stadt ein nennenswertes Kontingent wirklicher +Musikkenner. Ohne mit dem Finger darauf +weisen zu können, fühlt man es bei Gelegenheit deutlich +durch, und dieses Kontingent sichert dort dem +Grossen und Echten, selbst wenn es neu und ungewohnt +ist, fast immer den Sieg. +</p> + +<p> +Nun ist München merkwürdigerweise eine geradezu +pianistenfeindliche Stadt geworden, und ohne die Gründe +ihrer Abneigung lange zu analysieren, ist sie ihnen im +vornherein abhold; ja, die Pianisten zählen dort allgemach +zu den verdrossenen Typen, und es ist jetzt +Mode, die einst so Gefeierten trotz ihrer bedeutsamen +Haartracht zu ignorieren. +</p> + +<p> +Da jedoch eine Abneigung, um sich selbst gerecht +zu werden, stets motiviert werden sollte, so sei hier der +Versuch gemacht, die eigentümliche Stellung zu bezeichnen, +welche das Klavier heutzutage in künstlerischer +Hinsicht einnimmt, und welche wir am besten gleich +im voraus eine »schiefe Stellung« nennen wollen, um +das Wort später erläutert zu sehen. +</p> + +<p> +In der Musik sind wir anerkanntermassen das +erste Volk der Welt. Was wir aber mit dem Klavier +angefangen haben, oder vielmehr, was wir daraus +werden liessen, damit ist wieder einmal ein Beweis geliefert, +wie leicht, uns der simple gute Geschmack im +Stiche lässt! +</p> + +<p> +Wir Deutsche stehen überhaupt mit dem Geschmack +<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a> +und was er im höheren Sinne bedeutet: Formensinn +und Grazie, auf etwas gespanntem, misstrauischem Fusse +und fühlen uns nicht ungeneigt, dies alles als frivol +zu taxieren. Kommt uns aber dann einmal der künstlerische +Takt abhanden, so sind wir uns zwar wohl +unsres künstlerischen Ernstes, aber eben weil wir des +Taktes vergassen, unsrer Schwerfälligkeit nicht bewusst — +und nur so ist es möglich, dass ein Übel, ein grober +Irrtum, der sonst unsrer ganzen Richtung widerspricht, +sich auf eine wirklich ungeheuerliche Art auswachsen +und verbreiten konnte. +</p> + +<p> +Auf besagte Weise ist nun in dem musikalischen +Deutschland das Klavier von seiner ursprünglichen Bestimmung +abgekommen, hat sich eine Stellung angemasst, +die ganz und gar nicht die seine ist, und wurde, nachdem +es auf diesem neuen Boden das Publikum eine Weile +verblüffte, von demselben verpönt. — +</p> + +<p> +Diesem beklagenswerten Verfall — die Folge rein +äusserlicher Gründe — sollten wir nach Kräften entgegenwirken. +</p> + +<p> +Unsre grössten Klassiker haben nicht umsonst in +edler Würdigung dieses Instruments ihre herrlichen +Meisterwerke dafür geschaffen. Aber leider ist es ebenso +wahr, dass sie dabei kaum einen unsrer modernen +Pianisten, wie sie jetzt landläufig sind, als Exekutant +im Auge hatten, noch dass sie dieselbe Idee vom Klavierspiele +hatten wie er! Eine ganz kleine Sylbe trennt +hierin die alte von der neuen Zeit: Sahen unsre Meister +im Klavier ein stets verfügbares! Mittel, die mannigfachsten +<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a> +reichsten Tongebilde auf dem dürftigen Holze +zu resümieren und zur Wiedergabe zu bringen — ein +ideales Abstraktum — ein unschätzbares Mittel zum +Zwecke musikalischer <em class="em">Re</em>produktion, so sieht hingegen +der moderne Virtuos in seinem Instrument lediglich ein +<em class="em">Pro</em>duktionsfeld. Nicht Mittel ist es ihm, sondern +Zweck, und zwar sich selbst will er produzieren! +Über einen so unkünstlerischen Standpunkt ist weiter +kein Wort zu verlieren. +</p> + +<p> +Nennt man mir aber Franz Liszt als Beleg für +die Berechtigung des modernen Pianisten, so werde ich +erwidern, dass er eine Einzelerscheinung, ein ganz +für sich gehendes musikalisches Phänomen vorstellt +wie die Duse etwa für die Bühne, beide aber in dieser +Hinsicht gleich wenig berufen, Bahnen zu eröffnen, +denn es sind künstlerische Typen, deren Wert und Reiz +eben in ihrer Eigentümlichkeit beruhen. Liszt’s Mähne +auf einem anderen Köpflein ist ebenso unbefugt, als es vermutlich +die Mimik der Duse bei einer anderen Schauspielerin +wäre, denn auch diese findet ihre Berechtigung +in einer ganz individuellen künstlerischen Beschaffenheit, +aber gewiss nicht als künstlerisches Moment! — +</p> + +<p> +Und dieser Vergleich, wenn er sich nicht vollkommen +deckt, mag immerhin dazu dienen, den Fall +näher zu beleuchten: So wie die grosse Tragödin ihre +<em class="em">eigne</em> Individualität auf der Bühne in tausend Nuancen +schillern und erklingen lässt, mithin nicht die eigentlichen +Heldencharaktere, wie sie unsre grossen Geister +schufen, zur Gestaltung bringt, sondern auf dem nächsten, +<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a> +oft sogar dem nächstbesten Wege ihre ganz persönliche +Empfindungsweise, ihre moderne Seele zur Mitteilung +bringt, so verlässt auch der Pianist auf dem +klassischsten aller Instrumente das ursprüngliche Gebiet, +und nicht so sehr musikalische Werke, als seine eigne +Person führt er uns vor, um sie unsrer Aufmerksamkeit +aufzudrängen. Die moderne Klavierlitteratur ist +nicht anders als im engsten Bündniss mit jenem Irrtum +entstanden, den Virtuosen als Alleinherrscher vor +seinem dadurch fraglich gewordenen Instrument hinzustellen, +und beide hiemit zu vernichten. +</p> + +<p> +Denn wie thatsächlich das schönste Klavier unter +den Jonglerien und der schaudervollen Gewandtheit +eines Virtuosen zur unmusikalischen Plage wird, so +denkt man auch heute unwillkürlich bei dem Worte +»Musiker« an einen Geiger, Cellisten oder Sänger und +nicht sobald an den Pianisten, der mitsamt seinem +Instrument und seiner pompösen Spezial-Litteratur aus +diesem Bunde ausgetreten zu sein scheint, seitdem er +sich auf dem kolossalen Irrtum einschiffte, ein eignes, +selbständiges Gebiet — die künstlich angelegte Klaviersee, +zu befahren wähnte, und nun auf einer Sandbank +festgesessen liegt, von der er nicht sobald wieder flott +fährt, es sei denn, dass ihn die Musiker selbst wieder +zu Ehren bringen und aus dem unförmlichen, verunglückten +Dampfer wieder jenes ideale Schifflein bauen, +als welches es einst an einem mächtigen Baue festgeankert +lag, und mit ihm und durch ihn das unendliche +Meer der Töne zu befahren, die Fähigkeit erhielt. +<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a> +In diese seine ursprüngliche so edle und produktive +Abhängigkeit sollten wir es zurückführen, da es in +»Demut« so viel erreicht. Nur so könnte es seine alte +Würde wieder erhalten, und in uns die alte Freude und +die alte Begeisterung wieder erwecken. +</p> + +<h2 class="chapter" id="chapter-2-4"> +<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a> +<span class="line1">EPILOG.</span> +</h2> + +<p class="first"> +<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a> +<span class="firstchar">W</span>as auch kommen mag auf dieser Welt, immer +gestaltet sich eine Zeit neu und ungeahnt. Unsre Erde +trägt keine Propheten, und nur durch ihre Unergründlichkeit +sind die Orakel so wahr. Wer erträumte wohl +je das nächste Geschlecht? Woran keiner dachte, das +geschieht, wo der Fluss am ruhigsten floss, dort tritt +er über. +</p> + +<p> +Tausende von Jahren belehren uns nicht über ein +einziges, das sich noch nicht entrollte, unzählige von +Schicksalen lassen unser eigenes stets neu. Die Notwendigkeit +schafft mit ihren blinden Augen zu Tage, +andre Mächte fordern wieder, was ihr trotzt, und so +liegt die Welt unausgefochten im Kampf. +</p> + +<p> +Oft schon, glaube ich, wurde als das grösste Unheil +des Christentums das Pharisäertum erwiesen, jene +unheilvolle Macht, die von Grund auf, anscheinend +auf alle Zeiten, den Charakter verunstaltete, den das +neue Zeitalter erhielt. Wie unendlich viel, und wie +unendlich wenig das Dogma verrät, diese These wurde +nie aufgestellt, die Pharisäer umstanden das neue, wie +das alte Testament; und so wurde es uns verdunkelt +bis zur Unkenntlichkeit und entfremdet. +</p> + +<p> +<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a> +Jenes Unwesen selbst, verlor aber im Laufe der +Zeit alle Macht; und da es tief in der Erde sitzt und +in den Menschen wohnt, sann es auf eine neue Stätte. +Wo aber fand es den Boden, den es nun zu sterilisieren, +das Ding, das uns nun zu entfremden galt? Wo +anders, als da, wo das Gute hingeflüchtet war, unangetastet, +köstlich und steil, hoch über unsren Häuptern, +und doch verborgen. Mit schlauem Zerstörungssinn +erblühte es da inmitten der Kunst! +</p> + +<p> +Gut meinende Seelen, die aber vom Schweigen des +Pythagoras nichts ahnten, hatten selbst dem verderblichen +Heere die schmale Bresche verraten und wurden die +ersten Pfähle auf jenem schrecklichem »chemin battu«, +den jetzt die Mode so verwegen und unbefangen betritt. +</p> + +<p> +Hier müssen wir einen Augenblick zurückgreifen. +Bekanntlich war es Grillparzer, der Beethoven’s Grabrede +hielt; nun wurden ihm kurzsichtigerweise und +nach Wagner’s Erscheinen folgende Worte daraus noch +nachträglich verwiesen: +</p> + +<p> +»Beethoven’s Nachfolger«, schloss der unmusikalische +Dichter<a id="corr-4"></a>, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst +hat geendet, wo die Kunst endet.« Und dabei ahnte +Grillparzer wohl gar nicht, wie wahr er sprach! +</p> + +<p> +In der That hub Beethoven’s Nachfolger von vorne +an und erklomm einen Berg, um auch er — und dies +ist bedeutsam — zu enden, wo die Kunst endigt. +</p> + +<p> +Wo sie aber zu Ende ist, dort behauptet wie eine +wahnsinnige tote Karrikatur die heutige Musik ihren +unredlichen Platz. +</p> + +<p> +<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a> +Wagner, dieser einfache Mann, der ohne Stil, nur +von Gedanken gedrängt, sie so gross und unschuldig +niederschrieb, hätte er doch den Missbrauch seiner tiefen, +weittragenden Worte geahnt. — Mit Siegeln nur hätte +er dann seine Bücher vermacht! +</p> + +<p> +Denn die göttlich stillen Seen, die ein Adler erschaute, +sind nun ihrer Einsamkeit entweiht und von der +lauten Menge umlagert. Eine so schauderhafte Vulgarisation, +eine so triviale Gier, hohe Gefilde zu umlärmen, +hat sich ihrer bemächtigt, dass alles Urteil befangen +liegt, und keiner seine eignen Worte mehr spricht. +Die Halbgebildeten, die Ungebildeten, sie stürzen alle +voran. In dieser eitlen Wut ist jedes Unterscheidungsvermögen +gelähmt, einer ist der schwächere Abdruck +des andern, und alle halten sich krampfhaft an dieselbe +Schnur. Nie aber verklingt das letzte hohle +Wort! +</p> + +<p> +Ein Abhang im Schatten, ein Fels in der Dämmerung +tönt voller als heutige Musik! +</p> + +<p> +Ach! käme doch einer, der unsre Geheimnisse +in ihre alten Schleier hülle, bis wir gelernt haben, sie +wieder zu verschweigen. +</p> + +<p> +Vielleicht werden wir dann die Früchte ernten, +die wir so jäh herunterrissen, vielleicht gelangen wir +dann auf Umwegen ans Ziel, vielleicht erschliessen sich +uns dann neue Aussichten, ein neues Land und neue +Bewandtnisse. +</p> + +<p> +Betrachten wir es genau: Das hehrste Sujet der +Menschheit haben unsre grossen Geister scheu umschifft, +<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a> +und ihre unbeschreiblich zarte Jüngerschaft haben sie +nicht gesagt oder nicht zu sagen vermocht. +</p> + +<p> +Wir aber wissen wohl in aller Stille, dass durch +sie von Ferne eine Gestalt sich uns nähert, die uns so +unerklärlich und unfassbar bleibt. +</p> + +<p> +Wir fühlen in der beglückenden Harmonie eines +Plato, in Shakespeare’s Tiefe, in Goethe’s Erhabenheit, +im Fluge Beethoven’s, in Mozart’s Klang, in Wagner’s +Blick, in der Sensibilität eines Schopenhauer (um einmal +all die armen Abgedroschenen zu nennen!); wir +fühlen, dass aus allen grossen Gemütern etwas ausgeht, +was uns mit einer seltsamen Ahnung durchschauert +betreffs eines, Gott sei Dank, noch nicht zu oft genannten +Namens. +</p> + +<p> +Aber welches Genie schwänge sich auf eine so +schwindliche Brücke und ergriffe den intangibelsten +aller Fäden?! — +</p> + + +<div class="trnote"> +<p id="trnote"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> + +<p> +Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher): +</p> + +<ul> + +<li> +... Ein Frosch sass im nassen <span class="underline">Grasse</span>, befriedigt und ...<br /> +... Ein Frosch sass im nassen <a href="#corr-0"><span class="underline">Grase</span></a>, befriedigt und ...<br /> +</li> + +<li> +... wilder <span class="underline">un</span>dunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. — ...<br /> +... wilder <a href="#corr-1"><span class="underline">um</span></a>dunkelter Bach stürzt er im Schatten dahin. — ...<br /> +</li> + +<li> +... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit <span class="underline">überrall</span> einbrechen, ...<br /> +... Licht fällt, dass Kühle und Dunkelheit <a href="#corr-2"><span class="underline">überall</span></a> einbrechen, ...<br /> +</li> + +<li> +... <span class="underline">symetrisch</span> aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ...<br /> +... <a href="#corr-3"><span class="underline">symmetrisch</span></a> aufzubauen wusste! Seine Gedanken machten ...<br /> +</li> + +<li> +... Dichter<span class="underline">«</span>, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ...<br /> +... Dichter<a href="#corr-4"></a>, wird von vorn anheben müssen, denn er selbst ...<br /> +</li> +</ul> +</div> + + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Kurze Aufsätze, by Annette Kolb + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZE AUFSÄTZE *** + +***** This file should be named 44251-h.htm or 44251-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/4/4/2/5/44251/ + +Produced by Jens Sadowski + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. 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