summaryrefslogtreecommitdiff
diff options
context:
space:
mode:
authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-14 18:38:03 -0700
committerRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-14 18:38:03 -0700
commitdfffd0018b9972d115549ec75be31067ee119ee3 (patch)
treeb8d0ea935045de86d51821883d38a875853b04ef
initial commit of ebook 44250HEADmain
-rw-r--r--.gitattributes3
-rw-r--r--44250-0.txt4321
-rw-r--r--44250-h/44250-h.htm5349
-rw-r--r--44250-h/images/cover_ebook.jpgbin0 -> 75124 bytes
-rw-r--r--LICENSE.txt11
-rw-r--r--README.md2
-rw-r--r--old/44250-8.txt4711
-rw-r--r--old/44250-8.zipbin0 -> 51653 bytes
-rw-r--r--old/44250-h.zipbin0 -> 117239 bytes
-rw-r--r--old/44250-h/44250-h.htm5762
-rw-r--r--old/44250-h/images/cover_ebook.jpgbin0 -> 75124 bytes
11 files changed, 20159 insertions, 0 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes
new file mode 100644
index 0000000..6833f05
--- /dev/null
+++ b/.gitattributes
@@ -0,0 +1,3 @@
+* text=auto
+*.txt text
+*.md text
diff --git a/44250-0.txt b/44250-0.txt
new file mode 100644
index 0000000..66c84b3
--- /dev/null
+++ b/44250-0.txt
@@ -0,0 +1,4321 @@
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44250 ***
+
+RABINDRANATH TAGORE
+
+ DER KÖNIG
+ DER DUNKLEN
+ KAMMER
+
+ MÜNCHEN
+ KURT WOLFF VERLAG
+
+
+Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der von Rabindranath Tagore
+selbst veranstalteten englischen Ausgabe ins Deutsche übertragen von
+Hedwig Lachmann und Gustav Landauer
+
+ * * * * *
+
+Das Recht der Aufführung ist zu erwerben durch die Vereinigten
+Bühnenvertriebe: Drei Masken Georg Müller * Erich Reiß * Kurt Wolff
+Verlag, Berlin W 30
+
+14.--18. Tausend
+Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig
+Gedruckt im Frühjahr 1921 bei Poeschel & Trepte in Leipzig * Einbände
+von der Leipziger Buchbinderei A.-G., vorm. Gust. Fritzsche in Leipzig
+
+
+
+
+PERSONEN
+
+
+ Der König
+
+ Königin Sudarschana
+
+ König von Kanya Kubja, ihr Vater
+
+ Avanti }
+ }
+ Koschala }
+ }
+ Kantschi }
+ }
+ Vidarbha } Könige
+ }
+ Kalinga }
+ }
+ Pantschala }
+ }
+ Virat }
+
+ Surangama } Ehrendamen der
+ }
+ Rohini } Königin
+
+ Virupakscha }
+ } Bürger
+ Vischu }
+
+ Janardan }
+ }
+ Kaundilya } Reisende
+ }
+ Bhavadatta }
+
+ Kumbha }
+ }
+ Madhav } Landleute
+ }
+ Vivajadatta }
+
+ Der Großvater
+
+ Der tolle Freund
+
+ Minister }
+ }
+ Bote } des Königs Kanya Kubja
+ }
+ Türhüter }
+
+ Dienerin der Königin Sudarschana
+
+ Erster }
+ } Gärtner
+ Zweiter }
+
+ Stadtwächter
+
+ Suvarna, der falsche König
+
+ Erster }
+ } Herold des »Königs«
+ Zweiter }
+
+ Bürger, Landleute, Gärtner, Knaben
+
+ Reisende, Wachen.
+
+
+
+
+I.
+
+
+Eine Straße.
+
+Etliche Reisende und ein Stadtwächter.
+
+_Erster Mann_
+
+He, Mann!
+
+_Stadtwächter_
+
+Was wollt ihr?
+
+_Zweiter Mann_
+
+Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind hier fremd. Bitte, sage uns,
+welches die rechte Straße ist.
+
+_Stadtwächter_
+
+Wohin wollt ihr gehn?
+
+_Dritter Mann_
+
+Wo dieses große Fest stattfinden soll, weißt du. Welchen Weg gehen wir?
+
+_Stadtwächter_
+
+Eine Straße ist hier genau so gut wie die andre. Jede Straße wird euch
+hinführen. Geht geradeaus, und ihr könnt den Ort nicht verfehlen.
+
+Ab.
+
+_Erster Mann_
+
+Hört nur, was der Narr sagt: »Jede Straße wird euch hinführen!« Was
+hätte das dann für einen Sinn, so viele Straßen zu haben?
+
+_Zweiter Mann_
+
+Du brauchst darüber nicht so außer dir zu sein, mein Lieber. Es steht
+einem Land frei, seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten. Was
+Straßen betrifft in unserm Land -- nun, so sind so gut wie keine
+vorhanden; enge, krumme Gäßchen, ein Labyrinth von Wagen- und Fußspuren.
+Unser König glaubt nicht an freie Fahrstraßen; er meint, so viele
+Straßen im Land, so viele Ausgänge für seine Untertanen, seinem
+Königreich zu entfliehen. Hier ist es gerade das Umgekehrte; niemand
+steht einem im Weg, niemand hat etwas dagegen, daß man anderswohin geht,
+wenn man Lust hat; und doch denken die Leute nicht daran, dieses Reich
+zu verlassen. Bei solchen Straßen wäre unser Land sicher in kürzester
+Frist entvölkert.
+
+_Erster Mann_
+
+Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt, daß das ein großer Fehler
+an deinem Charakter ist.
+
+_Janardan_
+
+Was denn?
+
+_Erster Mann_
+
+Daß du immer auf dein Land sticheln mußt. Wie kannst du glauben, freie
+Landstraßen könnten für ein Land gut sein? Sieh einmal, Kaundilya,
+da ist ein Mann, der tatsächlich glaubt, freie Landstraßen seien die
+Rettung für ein Land.
+
+_Kaundilya_
+
+Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst von neuem festzustellen,
+daß Janardan mit einem merkwürdig schiefen Verstand gesegnet ist, der
+ihn sicher eines Tages in Gefahr bringen wird. Wenn der König von unserm
+werten Freund zu hören bekommt, wird er es ihm nicht gerade leicht
+machen, einen zu finden, der für sein Begräbnis sorgt, wenn er tot ist.
+
+_Bhavadatta_
+
+Man hat doch das Gefühl, daß das Leben in diesem Lande recht schwer sein
+muß; man vermißt die Freuden der Einsamkeit in diesen Straßen -- dieses
+Drängen und Schulterstreifen mit fremden Menschen bei Tag und Nacht läßt
+einen nach einem Bad verlangen. Und mit was für einer Sorte Menschen mag
+man auf diesen öffentlichen Wegen zusammenkommen -- puh!
+
+_Kaundilya_
+
+Und gerade Janardan hat uns überredet, in dieses kostbare Land zu
+kommen! Wir hatten nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer Familie.
+Du hast meinen Vater natürlich gekannt; er war ein großer Mann, ein
+frommer Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes Leben innerhalb
+eines Kreises von 49 Ellen Radius, der mit peinlicher Befolgung der
+Gebote der heiligen Schriften gezogen war, und nie überschritt er diesen
+Kreis auch nur ein einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich eine
+ernsthafte Schwierigkeit -- wie sollte man ihn innerhalb der Grenzen
+der 49 Ellen und doch außerhalb des Hauses verbrennen? Schließlich
+entschieden die Priester, daß wir zwar nicht über die Schriftzahl
+hinausgehen durften, daß es aber einen Weg aus der Schwierigkeit gab,
+die Ziffer umzukehren und 94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn
+außerhalb des Hauses verbrennen, ohne die heiligen Bücher zu verletzen.
+Auf mein Wort, _das_ war genaue Befolgung! Unser Land hat wirklich nicht
+leicht seinesgleichen.
+
+_Bhavadatta_
+
+Und doch will Janardan, der dem nämlichen Boden entstammt, uns
+weismachen, freie Landstraßen seien das beste für ein Land.
+
+Die Fremden gehen ab.
+
+Der Großvater mit einer Knabenschar tritt auf.
+
+_Großvater_
+
+Jungen, heute müssen wir es mit dem wilden Südwind aufnehmen -- und wir
+wollen uns nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis wir mit unsern
+Jubelliedern alle Straßen überflutet haben.
+
+_Lied_
+
+ Das Südtor ist entriegelt. Komm, mein Frühling, komm!
+ Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frühling, komm!
+ Komm in den lispelnden Blättern, in den Blüten, die froh sich
+ verschwenden;
+ Komm in den Flötenliedern und den sehnenden Seufzern der Wälder!
+ Laß dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein
+ Frühling, komm!
+
+Ab.
+
+Eine Schar von Bürgern tritt auf.
+
+_Erster Bürger_
+
+Schließlich kann man nur wünschen, daß der König sich wenigstens an
+diesem einen Tag hätte sehen lassen. Es ist doch sehr schade: man lebt
+in seinem Königreich und hat ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen!
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses Geheimnisses! Ich könnte ihn
+dir sagen, wenn du schweigen könntest.
+
+_Erster Bürger_
+
+Lieber Freund, wir wohnen beide im nämlichen Stadtviertel, aber hast
+du je gehört, daß ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert hätte?
+Natürlich, die Sache damals, als dein Bruder beim Graben eines Brunnens
+einen Schatz gefunden hatte -- nun, du weißt ganz gut, warum ich darüber
+reden mußte. Du kennst den ganzen Zusammenhang.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Natürlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn kenne, frage ich, könntest du
+schweigen? Weißt du, es könnte Verderben für uns alle bedeuten, wenn du
+ein einziges Mal davon sprächest.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha! Warum brennst du darauf, ein
+Unheil herbeizuführen, das bis jetzt nur geschehen _kann_? Wer wird die
+Verantwortung auf sich nehmen wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben
+lang zu wahren?
+
+_Virupakscha_
+
+Es war nur, weil die Rede darauf kam -- also gut, ich werde nichts
+sagen. Ich bin nicht der Mann, der unnütz redet. Ihr hattet selbst
+die Frage aufs Tapet gebracht, daß der König sich nie zeigt; und ich
+bemerkte bloß, es sei nicht umsonst, daß der König sich vor dem Blick
+der Öffentlichkeit verschließt.
+
+_Erster Bürger_
+
+Bitte, sag uns, warum, Virupakscha.
+
+_Virupakscha_
+
+Natürlich nehme ich keinen Anstand, es euch zu sagen -- wir sind ja
+alle gute Freunde, nicht wahr? Das kann nicht gefährlich sein. (_Mit
+leiser Stimme:_) Der König -- ist -- häßlich --, so hat er den Entschluß
+gefaßt, sich seinen Untertanen nie zu zeigen.
+
+_Erster Bürger_
+
+Hah! Das ist es! Das muß es sein. Wir haben uns immer gewundert..., der
+bloße Anblick eines Königs läßt die Menschen in allen Ländern vor Furcht
+zittern wie Espenlaub; warum sollte da _unser_ König sich von keinem
+sterblichen Auge je sehen lassen? Selbst wenn er nur herauskäme, um uns
+alle zum Galgen zu verdammen, könnten wir sicher sein, daß unser König
+kein Trug ist. Schließlich scheint mir Virupakschas Erklärung doch ganz
+einleuchtend.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Nicht die Spur -- ich glaube keine Silbe davon.
+
+_Virupakscha_
+
+Wie, Vischu, willst du sagen, ich wäre ein Lügner?
+
+_Vischu_
+
+Das gerade nicht -- aber ich kann deine Theorie nicht annehmen.
+Entschuldige mich, ich kann nichts dafür, wenn ich ein bißchen grob und
+plump scheine.
+
+_Virupakscha_
+
+Kein Wunder, daß du an meine Worte nicht glauben kannst -- wo du dich
+weise genug dünkst, die Meinungen deiner Eltern und Oberen zu verwerfen.
+Wie lange, glaubst du, hättest du in diesem Lande bleiben dürfen, wenn
+der König nicht im Verborgenen bliebe? Du bist nicht besser als ein
+offenkundiger Ketzer.
+
+_Vischu_
+
+Mein lieber Pfeiler der Rechtgläubigkeit! Glaubst du, irgendein anderer
+König hätte gezögert, dir die Zunge abschneiden und sie den Hunden zum
+Fraß vorwerfen zu lassen? Und du hast die Stirne, zu sagen, unser König
+wäre den Augen ein Greuel?
+
+_Virupakscha_
+
+Hör einmal, Vischu, willst du deine Zunge im Zaum halten?
+
+_Vischu_
+
+Man braucht wohl nicht erst festzustellen, wessen Zunge einen Zaum
+braucht.
+
+_Erster Bürger_
+
+Jetzt wird die Sache gefährlich. Da mache ich lieber nicht mit.
+
+Ab.
+
+Eine Zahl Männer tritt auf, die in lärmendem Übermut _Großvater_ mit
+sich schleppen.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Großpapa, etwas fällt mir heute auf...
+
+_Großvater_
+
+Was ist es?
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu unserm Fest entsandt, doch
+jedweder fragt: »Alles ist reizend und schön -- wo aber ist euer König?«
+und wir wissen nicht, was wir antworten sollen. Das ist die eine große
+Lücke, die sich jedem in unserm Lande fühlbar machen muß.
+
+_Großvater_
+
+»Lücke«, sagst du! Wie, das ganze Land ist ganz erfüllt und geladen und
+gestopft voll von dem König: und du nennst ihn eine »Lücke«! Wie, er hat
+jeden einzigen unter uns zum gekrönten König gemacht!
+
+_Gesang_
+
+ Wir sind alle Könige im Königreich unsres Königs.
+ Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+ Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will;
+ Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Füßen.
+ Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+ Unser König ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst.
+ Keine Armseligkeit kann uns für immer umschließen mit ihren Wällen
+ der Lüge.
+ Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+ Wir bahnen uns mühsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am
+ Ende.
+ Wir können nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht.
+ Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+
+_Dritter Bürger_
+
+Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen nicht mit anhören, die die
+Leute über unsern König sagen, bloß weil er sich nicht öffentlich zeigt.
+
+_Erster Bürger_
+
+Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt, kann bestraft werden,
+während niemand einem Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfällt,
+auf den König zu schimpfen.
+
+_Großvater_
+
+Der Schimpf kann den König nicht treffen. Mit einem bloßen Hauch kannst
+du die Flamme ausblasen, die eine Lampe von der Sonne borgt, aber
+wenn auch die ganze Welt versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr
+strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwächt wie zuvor.
+
+Vischu und Virupakscha treten auf.
+
+_Vischu_
+
+Da ist der Großvater! Hör doch, dieser Mann geht herum und erzählt
+jedem, unser König käme nicht heraus, weil er häßlich wäre.
+
+_Großvater_
+
+Aber warum macht dich das ärgerlich, Vischu? _Sein_ König muß häßlich
+sein, denn wie könnte sonst Virupakscha in seinem Königreich so ein
+Gesicht haben? Er formt seinen König nach seinem Bilde, wie er es im
+Spiegel sieht.
+
+_Virupakscha_
+
+Großvater, ich will keine Namen nennen, aber keinem würde es einfallen,
+dem nicht zu glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute.
+
+_Großvater_
+
+Bist du selbst denn nicht die beste Autorität?!
+
+_Virupakscha_
+
+Aber ich könnte dir Beweise geben...
+
+_Erster Bürger_
+
+Die Unverschämtheit dieses Burschen kennt keine Grenzen! Nicht
+zufrieden, mit dreister Stirn ein abscheuliches Gerücht zu verbreiten,
+will er seine Lügen mit Frechheit aufwägen.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Länge das Maß hier am Boden?
+
+_Großvater_
+
+Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl feiert sein Fest auf seine Art,
+indem er die Häßlichkeit seines Königs besingt. Geh nur, Virupakscha,
+du wirst eine Menge Leute finden, die bereit sind, dir zu glauben! Viel
+Glück in ihrer Gesellschaft.
+
+Sie gehen ab.
+
+Die _Gesellschaft der Fremden_ tritt wieder auf.
+
+_Bhavadatta_
+
+Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, daß dieses Volk überhaupt keinen König
+hat. Sie haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gerücht in Umlauf zu
+halten.
+
+_Kaundilya_
+
+Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle, daß das Höchste, was einem
+in jedem Lande ins Auge fällt, der König ist, der natürlich keine
+Gelegenheit versäumt, sich sehen zu lassen.
+
+_Janardan_
+
+Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in dem ganzen Orte herrscht --
+wie erklärst du das ohne einen König?
+
+_Bhavadatta_
+
+So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen bist, und hast so
+lange unter einem Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen König, wenn
+man schon Zucht und Ordnung hätte?
+
+_Janardan_
+
+All diese Menschen sind versammelt, um auf diesem Fest froh zu sein.
+Meinst du, sie könnten dergestalt in einem Lande der Anarchie zusammen
+kommen?
+
+_Bhavadatta_
+
+Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewöhnlich, worum es sich in
+Wirklichkeit handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da gibt es keine
+Frage und auch die Festesfreude ist klar genug: soweit besteht keine
+Schwierigkeit. Aber wo ist der König? Hast du ihn gesehen? Das mußt du
+uns sagen.
+
+_Janardan_
+
+Was ich zu sagen habe, ist dieses: man weiß aus Erfahrung, daß Chaos und
+Anarchie sein kann, selbst wo ein König da ist: aber was sehen wir hier?
+
+_Kaundilya_
+
+Immer kommst du mit deinen Ausflüchten. Warum kannst du nicht auf
+Bhavadattas Frage eine gerade Antwort geben -- Hast du den König
+gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen! Ja oder nein?
+
+Sie gehen ab.
+
+Eine Schar von Männern tritt auf und singt.
+
+_Lied_
+
+ Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen,
+ Darum erblick ich ihn allüberall,
+ Er wohnt in der Tiefe meiner Augen,
+ Darum erblick ich ihn allüberall.
+ Ich wanderte weit, seine Worte zu hören,
+ Ach, aber vergebens!
+ Als ich heimkam, hörte ich sie
+ In meinen eigenen Liedern.
+ Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tür zu Tür!
+ Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Tränen meiner
+ Augen!
+
+_Herolde_ und _Leibwächter_ des _Königs_ treten auf.
+
+_Erster Herold_
+
+Platz da! Räumt die Straße, allesamt!
+
+_Erster Bürger_
+
+Oho, Mann, wofür hältst du dich? Angeboren scheint dir dieser stolze
+Schritt nicht gerade zu sein, mein Freund. -- Warum Platz da, werter
+Herr? Warum sollen wir von der Stelle weichen? Sind wir Straßenhunde,
+oder was sonst?
+
+_Zweiter Herold_
+
+Der König kommt dieses Wegs.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+König? Was für ein König?
+
+_Erster Herold_
+
+Unser König, der König dieses Landes.
+
+_Erster Bürger_
+
+Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehört, daß unser König herauskam
+und sich solche Schreier zu Herolden wählte.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Der König will sich nicht länger seinen Untertanen entziehen. Er kommt,
+um das Fest selbst zu leiten.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Bruder, verhält sich das so?
+
+_Zweiter Herold_
+
+Sieh hin, dort flattert sein Banner.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Ah, wirklich, das ist eine Fahne.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Siehst du die rote _Kimschuk_-Blüte darauf gemalt?
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Ja, ja, es ist wirklich der _Kimschuk_! -- welch strahlende
+Scharlachblüte!
+
+_Erster Herold_
+
+Nun also, glaubst du uns nun?
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht. Der Bursche da, Kumbha, hat
+den ganzen Lärm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt?
+
+_Erster Herold_
+
+Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist er vielleicht ganz leer; du
+weißt, ein leerer Topf dröhnt am lautesten.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Was ist das für einer? Ist er irgendwie mit euch verwandt?
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter vom Schwiegervater
+unsres Dorfschulzen, und er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres
+Dorfes wie wir.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten Grades von irgend
+jemandes Schwiegervater, und sein Verständnis scheint auch den Stempel
+der Schwiegeronkelschaft zu tragen.
+
+_Kumbha_
+
+Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer hat meinem armen Geist einen
+Stoß versetzt, bis er so geworden ist. Erst unlängst kam ein König
+und prunkte in den Straßen und sandte so viele Titel vor sich her wie
+Trommeln, die durch ihren Lärm den Aufenthalt in der Stadt unerträglich
+machten... Was tat ich nicht alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen
+zu sein! Ich überschüttete ihn mit Geschenken, ich hing mich an ihn wie
+ein Bettler -- und schließlich fand ich den Druck auf meine Einnahmen
+zu schwer zu tragen. Aber was war das Ende der ganzen Pracht und
+Majestät? Als man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte, da konnte er im
+Kalender keinen einzigen günstigen Tag entdecken: obschon alle Tage rot
+angestrichen waren, wenn _wir_ unsre Steuern zu zahlen hatten!
+
+_Zweiter Herold_
+
+Willst du etwa zu verstehen geben, unser König wäre ein falscher König
+wie der, den du beschrieben hast?
+
+_Erster Herold_
+
+Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der Zeit für dich, dem
+Schwiegertantchen Adieu zu sagen.
+
+_Kumbha_
+
+Bitte, ihr Herren, seid nicht böse. Ich bin ein armes Geschöpf -- ich
+bitte ergebenst um Entschuldigung, ihr Herren: ich will alles dazu tun.
+Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen, wie es euch beliebt.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier. Der König wird gleich
+kommen -- wir wollen gehen und ihm den Weg bereiten.
+
+Sie gehen weiter.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch einmal dein Tod sein.
+
+_Kumbha_
+
+Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es ist Schicksal. Als der
+falsche König auftrat, sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das
+nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen der Unschuld über meine
+eigenen Füße zu stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche König
+gekommen ist, muß ich glattweg Hochverrat in den Tag reden. Es ist
+Schicksal, lieber Freund!
+
+_Madhav_
+
+Mein Grundsatz ist, dem König immer zu gehorchen -- es macht nichts aus,
+ob er ein echter oder falscher ist. Was wissen wir von Königen, daß wir
+über sie urteilen sollten! Es ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine
+wirft -- man ist fast sicher, sein Ziel zu treffen. Ich gehorche immerzu
+und huldige -- ist es ein richtiger König, gut und schön; wenn nicht,
+was schadet es?
+
+_Kumbha_
+
+Mir wäre es schon einerlei, wenn die Steine nichts weiter als Steine
+wären. Aber es sind oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, führt uns
+Verschwendung schließlich zu Armut, mein Freund.
+
+_Madhav_
+
+Da sieh! Da kommt der König! Ah, ein König wahrhaftig! Was für eine
+Gestalt, was für ein Gesicht! Wer hat je solch eine Schönheit gesehen
+-- weiß wie eine Lilie und sanft wie ein Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was
+meinst du nun?
+
+_Kumbha_
+
+Er sieht schon recht aus -- ja, soviel ich beurteilen kann, mag er schon
+der rechte König sein.
+
+_Madhav_
+
+Er sieht aus, als wäre er fürs Königsein gegossen und geschnitzt, diese
+Gestalt ist zu zart und erlesen für das gemeine Licht des Tages.
+
+Der »König« tritt auf.
+
+_Madhav_
+
+Heil und Sieg geleite dich, o König! Wir stehen hier seit dem frühen
+Morgen, um dich zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestät zu Gnaden, vergeßt
+uns nicht!
+
+_Kumbha_
+
+Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen und Großvater holen.
+
+Ab.
+
+Eine andere Schar Männer tritt auf.
+
+_Erster Mann_
+
+Der König, der König! Kommt her, schnell, der König geht dieses Wegs.
+
+_Zweiter Mann_
+
+Vergiß mich nicht, o König! Ich bin Vivajadatta, der Enkel Udayadattas
+von Kushalivastu. Ich bin auf die erste Kunde, daß du kämest, hierher
+geeilt -- ich hielt nicht an, um zu hören, was die Leute sagten: all die
+Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o Monarch, und brachte mich
+her.
+
+_Dritter Mann_
+
+Unsinn! Ich bin früher hier gewesen als du -- vor dem Hahnenschrei. Wo
+stecktest du denn da? O König, ich bin Bhadrasena, von Vikramasthali.
+Geruhe, deinen Diener in deinem Gedächtnis zu bewahren!
+
+_König_
+
+Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und Ergebenheit.
+
+_Vivajadatta_
+
+Majestät, groß ist die Zahl der Klagen und Beschwerden, die wir dir
+vorzutragen haben: an wen hätten wir uns so lange mit unsern Gesuchen
+wenden sollen, solange wir deiner erhabenen Gegenwart nicht nahen
+durften?
+
+_König_
+
+All euren Beschwerden soll abgeholfen werden.
+
+Ab.
+
+_Erster Mann_
+
+Es führt zu nichts, uns hinten herumzudrücken, Jungen -- der König wird
+uns aus den Augen verlieren, wenn wir uns in den Pöbel mischen.
+
+_Zweiter Mann_
+
+Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut! Er hat sich durch uns alle
+hindurchgedrängt und fächelt jetzt dem König eifrig mit einem Palmblatt
+Kühlung zu!
+
+_Madhav_
+
+Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses Menschen nimmt einem den
+Atem.
+
+_Zweiter Mann_
+
+Wir sollten den Kerl anpacken und von der Stelle schaffen -- ist er
+berufen, neben dem König zu stehen?
+
+_Madhav_
+
+Bildest du dir ein, der König durchschaut ihn nicht? Seine
+Untertänigkeit ist doch ein bißchen zu dick aufgetragen.
+
+_Erster Mann_
+
+Unsinn! Könige können Heuchler nicht wittern wie unsereins -- es sollte
+mich nicht wundern, wenn der König sich von dem unermüdlichen Fächeln
+dieses Narren einfangen ließe.
+
+Kumbha und Großvater treten auf.
+
+Ich sage dir -- er ist jetzt eben durch diese Straße gekommen.
+
+_Großvater_
+
+Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines Königtums?
+
+_Kumbha_
+
+O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht einer oder zwei, sondern
+Hunderte und Tausende auf beiden Seiten der Straße haben ihn mit eigenen
+Augen gesehen.
+
+_Großvater_
+
+Das eben macht die ganze Sache verdächtig. Wann wäre _unser_ König
+je drauf ausgegangen, die Augen des Volks durch Pomp und Gepränge zu
+blenden? Er ist nicht der König, solch einen Spektakel zu erregen, wenn
+er durch das Land reist.
+
+_Kumbha_
+
+Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser wichtigen Gelegenheit zu
+tun: das kann man nicht sicher wissen.
+
+_Großvater_
+
+O ja, man kann! Mein König kennt keine Wetterfahnenlaune und neigt nicht
+zu phantastischen Einfällen.
+
+_Kumbha_
+
+Aber Großvater, ich wollte nur, ich könnte ihn dir beschreiben! So
+sanft, so zart und fein wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte
+es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen, ihn mit meinem ganzen Leibe zu
+schützen.
+
+_Großvater_
+
+Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist! _Mein_ König eine
+Wachspuppe, und _du_ ihn schützen!
+
+_Kumbha_
+
+Aber im Ernst, Großpapa, er ist ein herrlicher Gott, ein Wunder an
+Schönheit: ich finde keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung,
+die neben seiner unvergleichlichen Lieblichkeit bestehen könnte.
+
+_Großvater_
+
+Wenn es meinem König beliebte, sich zu zeigen, würden deine Augen ihn
+nicht bemerken. Er würde nicht dergestalt über die andern hervorragen --
+er ist einer aus dem Volk, er mischt sich unter den gemeinen Pöbel.
+
+_Kumbha_
+
+Aber sagte ich dir nicht, daß ich sein Banner gesehen habe?
+
+_Großvater_
+
+Was für ein Zeichen trug sein Banner?
+
+_Kumbha_
+
+Es war eine rote _Kimschuk_-Blüte darauf gemalt -- das hell leuchtende
+Rot blendete meine Augen.
+
+_Großvater_
+
+_Mein_ König führt einen Donnerkeil in einem Lotus in seinem Banner.
+
+_Kumbha_
+
+Aber alle sagen sie, der König sei zu diesem Feste gekommen: _alle_.
+
+_Großvater_
+
+Gewiß ist er das: aber er hat keine Herolde, kein Heer, kein Gefolge,
+keine Musikbanden und keine Laternen, die ihn begleiten.
+
+_Kumbha_
+
+So könnte ihn, scheint's, niemand in seinem Inkognito erkennen.
+
+_Großvater_
+
+Vielleicht gibt es ein paar, die es können.
+
+_Kumbha_
+
+Und die ihn erkennen -- gewährt ihnen der König alles, was sie begehren?
+
+_Großvater_
+
+Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird je den König kennen. Der
+größere Bettler sieht in den Augen des kleineren Bettlers wie ein König
+aus. O Narr, der Mann, der heute auf die Straße gegangen ist, in Purpur
+und Gold angetan, um dich anzubetteln -- ihn posaunst du als deinen
+König aus! ... Ah, da kommt mein toller Freund! O kommt, meine Brüder!
+wir dürfen den Tag nicht mit eitlem Streiten und Schwatzen verbringen --
+geben wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzücken hin!
+
+Der tolle Freund tritt auf, singend.
+
+Lächelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brüder? Ich streife herum und suche
+den goldenen Hirsch! Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfuß, und immer
+entwischt er mir!
+
+Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon ist er weg, der wilde
+Waldvagabund! Nahe dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewölk von
+Dunst und Staub bleibt dir zurück! Doch streif ich herum und suche den
+goldenen Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen mag in dieser Wildnis!
+Oh, ich streife und wandre durch Wälder und Felder und namenlose Gefilde
+wie ein rastloser Landstreicher und denk nicht an Umkehr.
+
+Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und kehrt heim mit Waren und
+Vorrat beladen: mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren
+Höhen gestreift und geküßt; ich weiß nicht wann und wo.
+
+All meine Habe hab ich von mir geworfen, um zu erlangen, was nie mein
+worden ist! Und ihr wähnt, mein Klagen und meine Tränen gelten den
+Dingen, die so ich verlor!
+
+Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich Kummer und Gram weit hinten
+gelassen: Oh, ich streife und wandre durch Wälder und Felder und
+namenlose Länder -- und denk nicht daran, meine Fahrt zu enden.
+
+
+
+
+II.
+
+
+Ein dunkles Gemach. Königin Sudarschana. Ihre Ehrendame, Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem Gemach nie die Lampe
+entzündet werden?
+
+_Surangama_
+
+Meine Königin, all deine andern Gemächer sind erleuchtet -- will es
+dich nie verlangen, aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie diesen zu
+entrinnen?
+
+_Sudarschana_
+
+Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten werden?
+
+_Surangama_
+
+Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit kennen würdest.
+
+_Sudarschana_
+
+Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen Kammer bist du dazu gekommen,
+dunkel und seltsam zu reden -- ich kann dich nicht verstehen,
+Surangama. Sag mir aber, in welchem Teil des Palastes liegt dies
+Gemach? Ich kann weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen noch den
+Weg hinaus.
+
+_Surangama_
+
+Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen der Erde. Der König hat
+dies Gemach eigens um deinetwillen gebaut.
+
+_Sudarschana_
+
+Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemächern -- warum brauchte er diese
+dunkle Kammer eigens für mich machen lassen?
+
+_Surangama_
+
+Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen: doch deinen Herrn nur
+in diesem dunklen Gemach.
+
+_Sudarschana_
+
+Nein, nein -- ich kann nicht leben ohne Licht -- ich habe keine Ruhe in
+dieser erstickenden Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in diese
+Kammer bringen kannst, schenke ich dir mein Halsband hier.
+
+_Surangama_
+
+Es steht nicht in meiner Macht, o Königin. Wie kann ich Licht an einen
+Ort bringen, den er immer im Dunkel gehalten haben will!
+
+_Sudarschana_
+
+Seltsame Treue! Und doch -- ist es nicht wahr, daß der König deinen
+Vater bestraft hat?
+
+_Surangama_
+
+Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem Spiel ergeben. Alle jungen
+Leute des Landes pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu kommen --
+und da tranken sie immer und spielten.
+
+_Sudarschana_
+
+Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer Bedrückung, als der König
+deinen Vater in die Verbannung schickte?
+
+_Surangama_
+
+Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf dem Weg zu Untergang und
+Vernichtung: als diese Bahn mir verschlossen war, schien ich mir ohne
+irgendeine Hilfe zurückgeblieben, ohne Beistand noch Schutz. Ich raste
+und tobte wie ein wildes Tier im Käfig -- wie verlangte es mich alles in
+Stücke zu zerreißen in meiner ohnmächtigen Wut!
+
+_Sudarschana_
+
+Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an eben den nämlichen König?
+
+_Surangama_
+
+Wie kann ich es sagen? Vielleicht faßte ich Vertrauen zu ihm, gerade
+_weil_ er so hart, so unbarmherzig war!
+
+_Sudarschana_
+
+Wann trat dieser Stimmungswechsel ein?
+
+_Surangama_
+
+Das könnte ich nicht sagen -- ich weiß das selbst nicht. Es kam ein Tag,
+wo all der Aufruhr in mir sich geschlagen gab, und dann beugte sich
+meine ganze Natur in demütiger Ergebung in den Staub der Erde. Und dann
+sah ich ... ich sah, daß er an Schönheit ebenso ohnegleichen war wie an
+Schrecknis. Oh, ich war gerettet, ich war erlöst.
+
+_Sudarschana_
+
+Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst du mir nicht sagen, wie
+der König aussieht? Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen.
+Er kommt zu mir in Dunkelheit, und läßt mich wieder in diesem dunklen
+Gemach zurück. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt -- aber sie
+geben alle unbestimmte und dunkle Antworten -- es scheint mir, daß sie
+alle mit etwas zurückhalten.
+
+_Surangama_
+
+Die Wahrheit zu sagen, Königin, so könnte ich nicht gut angeben, wie er
+aussieht. Nein -- er ist nicht, was man schön nennt.
+
+_Sudarschana_
+
+Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht schön!
+
+_Surangama_
+
+Nein, meine Königin, er ist nicht schön. Ihn schön zu nennen, wäre viel
+zu wenig von ihm gesagt.
+
+_Sudarschana_
+
+So sind all deine Worte -- dunkel, seltsam und unbestimmt. Ich kann
+nicht verstehen, was du meinst.
+
+_Surangama_
+
+Nein, ich will ihn _nicht_ schön nennen. Und eben weil er nicht
+schön ist, ist er so herrlich, so wunderbar!
+
+_Sudarschana_
+
+Ich verstehe dich nicht ganz -- obwohl ich dich gern von ihm reden höre.
+Aber ich muß ihn um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht einmal
+auf den Tag, wo ich ihm angetraut wurde. Ich hörte Mutter sagen, daß
+vor meiner Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte: »Der eure Tochter
+ehelichen will, ist ohnegleichen auf dieser Erde.« Wie oft habe ich
+sie gebeten, mir sein Äußeres zu beschreiben, aber sie antwortet nur
+unbestimmt und sagt, sie kann es nicht sagen -- sie sah ihn durch einen
+Schleier, schwach und dunkel. Aber wenn er der beste der Menschen ist,
+wie kann ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben.
+
+_Surangama_
+
+Spürst du nicht ein leises Lüftchen wehen?
+
+_Sudarschana_
+
+Ein Lüftchen? Wo?
+
+_Surangama_
+
+Merkst du nicht einen leisen Duft?
+
+_Sudarschana_
+
+Nein!
+
+_Surangama_
+
+Das große Tor hat sich geöffnet ... er kommt; mein König naht.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie kannst du es merken, wenn er kommt?
+
+_Surangama_
+
+Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hörte ich seine Tritte in meinem
+Herzen. Da ich die Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich einen Sinn
+entwickelt -- ich kann erkennen und fühlen, ohne zu sehen.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich wollte, ich hätte diesen Sinn auch, Surangama!
+
+_Surangama_
+
+Du wirst ihn bekommen, o Königin ... dieser Sinn wird in dir eines Tages
+erwachen. Deine Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe, und darum
+ist all dein Sinn gespannt und in die falsche Richtung gelenkt. Wenn du
+diesen Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter dir hast, wird alles
+ganz leicht werden.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie kommt das, daß es dir, der Magd, so leicht ist, und mir, der
+Königin, so schwer?
+
+_Surangama_
+
+Eben weil ich eine bloße Magd bin, hemmt mich keine Schwierigkeit.
+Als er am ersten Tag dies Gemach meiner Obhut vertraute und sagte:
+»Surangama, du wirst diese Kammer immer für mich in Bereitschaft halten,
+das ist deine ganze Aufgabe«, da sagte ich nicht, nicht einmal in
+Gedanken: »Oh, gib mir die Arbeit derer, die für das Licht in den andern
+Gemächern sorgen.« Nein, sondern sowie ich all meinen ganzen Sinn auf
+diese Aufgabe richtete, erwachte eine Gewalt in mir und wuchs und wurde
+ohne Widerstand Herr über jeden Teil von mir... Oh, da kommt er!... er
+steht draußen, vor der Tür. Herr! O König!
+
+_Gesang von außen_
+
+ Öffne die Tür. Ich warte.
+ Die Fähre des Lichts von Dämmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen,
+ Der Abendstern steht am Himmel.
+ Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten,
+ Umfließt dich weiß dein Kleid zur Nacht?
+ Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vögel in ihre Nester.
+ Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht.
+ Öffne die Tür. Ich warte.
+
+_Surangama_
+
+O König, wer kann deine eignen Tore vor dir versperrt halten? Sie sind
+nicht geschlossen oder verriegelt -- sie werden sich weit aufschwingen,
+wenn du sie nur mit dem Finger berührst. Willst du sie nicht nur ein
+wenig berühren? Willst du nicht eintreten, bis ich gehe und die Tore
+öffne?
+
+_Gesang_
+
+ Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lüften, Herr!
+ Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht höre, würdest du
+ warten, bis ich erwache?
+ Würde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines
+ Streitwagens?
+ Würdest du nicht das Tor zertrümmern und ungebeten eingehn in dein
+ eigenes Haus?
+
+Dann geh du, o Königin, und öffne die Tür für ihn: er wird sonst nicht
+eintreten.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich sehe nichts deutlich im Dunkel -- ich weiß nicht, wo die Tür ist. Du
+kennst hier alles -- geh und öffne die Tür für mich.
+
+Surangama öffnet die Tür, verbeugt sich tief vor dem König und geht
+hinaus. Der König bleibt während dieses ganzen Stückes unsichtbar.
+
+_Sudarschana_
+
+Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht zu sehen?
+
+_König_
+
+So willst du mich zwischen tausend Dingen im hellen Tageslicht sehen!
+Warum sollte ich nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit
+fühlen kannst?
+
+_Sudarschana_
+
+Aber ich _muß_ dich sehen -- mich verlangt es brennend nach deinem
+Anblick.
+
+_König_
+
+Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick zu ertragen -- er wird dir
+nur Qual bereiten, brennend heiße Qual.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie kannst du sagen, daß ich deinen Anblick nicht zu ertragen vermöchte!
+Oh, ich kann schon in diesem Dunkel fühlen, wie lieblich und wunderbar
+du bist: warum sollte ich im Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir,
+kannst du mich im Dunkel sehen?
+
+_König_
+
+Ja, ich sehe dich.
+
+_Sudarschana_
+
+Was siehst du?
+
+_König_
+
+Ich sehe, daß die Dunkelheit der unendlichen Himmel, ins Dasein
+geschleudert durch die Gewalt meiner Liebe, das Licht von
+Sternenmyriaden in sich gesogen und sich verkörpert hat in einer Gestalt
+von Fleisch und Blut. Und in dieser Form, was für Äonen von Denken und
+Ringen, was für ungezählte Sehnsüchte grenzenloser himmlischer Räume,
+welche Fülle der Gaben aus dem Meer der Zeiten!
+
+_Sudarschana_
+
+Bin ich so wunderbar, bin ich so schön? Höre ich dich so reden, so
+schwillt mein Herz von Freude und Stolz. Aber wie kann ich die
+wundervollen Dinge glauben, die du mir sagst? Ich kann sie in mir nicht
+finden!
+
+_König_
+
+Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben -- er setzt dich herab,
+beschränkt dich, läßt dich klein und unbedeutend erscheinen. Doch
+könntest du dich in meinem Geist gespiegelt sehen, wie groß erschienest
+du! In meinem Herzen bist du nicht mehr das alltägliche Einzelwesen, das
+du zu sein meinst -- du bist in Wahrheit mein andres Ich.
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, zeig' mir für einen Augenblick, wie man mit deinen Augen sieht! Gibt
+es für dich gar nichts wie Dunkelheit? Ich fürchte mich, wenn ich daran
+denke. Diese Dunkelheit, die für mich wirklich und stark wie der Tod
+ist -- ist sie für dich einfach nichts? Wie kann dann überhaupt eine
+Gemeinschaft zwischen uns sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein --
+es ist unmöglich: es besteht eine Schranke zwischen uns beiden: nicht
+hier, nein, nicht an diesem Ort. Ich muß dich finden und sehen, wo ich
+Bäume und Tiere, Vögel und Steine und die Erde sehe --
+
+_König_
+
+Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden -- aber niemand wird mich
+dir weisen. Du wirst mich erkennen müssen, wenn du kannst, du selbst.
+Und selbst wenn jemand sich anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie
+kannst du gewiß sein, daß er die Wahrheit sagt?
+
+_Sudarschana_
+
+Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen. Ich werde dich aus
+einer Million Menschen herausfinden. Ich kann mich nicht irren.
+
+_König_
+
+Gut also, heute nacht, während des Frühlingsvollmondfestes, magst du
+versuchen, mich von dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden --
+suche nach mir mit deinen eigenen Augen unter der Volksmenge.
+
+_Sudarschana_
+
+Wirst du unter ihr sein?
+
+_König_
+
+Ich werde mich wieder und wieder zeigen, überall unter der Menge.
+Surangama!
+
+Surangama kommt herein.
+
+_Surangama_
+
+Was gebietest du, Herr?
+
+_König_
+
+Heute nacht ist das Frühlingsvollmondfest.
+
+_Surangama_
+
+Was soll ich heute nacht tun?
+
+_König_
+
+Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgärten stehen in voller
+Blüte -- du wirst da an meinem Feste teilnehmen.
+
+_Surangama_
+
+Ich werde tun, was du wünschest, Herr.
+
+_König_
+
+Die Königin will mich heute nacht mit ihren eigenen Augen sehen.
+
+_Surangama_
+
+Wo soll die Königin dich sehen?
+
+_König_
+
+Wo die Musik am süßesten spielt, wo die Luft von Blütenstaub schwer ist
+-- dort im silbernen Hain voll weichem Dämmerlicht.
+
+_Surangama_
+
+Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck spielen, zu sehen sein? Dort
+ist der Wind wild und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung -- wird
+es die Augen nicht verwirren?
+
+_König_
+
+Die Königin ist neugierig, mich herauszufinden.
+
+_Surangama_
+
+Die Neugier wird enttäuscht und in Tränen heimkehren!
+
+_Gesang_
+
+ Ach, sie lüstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die
+ wilden Vögel des Waldes!
+ Doch die Zeit der Ergebung wird für sie kommen, zu Ende ihr Hin- und
+ Herflug, wenn
+ Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt.
+ Ach, die wilden Vögel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis!
+
+
+
+
+III.
+
+
+Vor den Lustgärten.
+
+Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und andere Könige.
+
+_Avanti_
+
+Wird der König dieses Ortes uns nicht empfangen?
+
+_Kantschi_
+
+Was ist das für eine Art, ein Land zu regieren? Der König hält ein Fest
+in einem Wald, wo selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert
+Zutritt hat!
+
+_Koschala_
+
+Wir hätten wohl Anspruch auf einen besonders für uns reservierten und zu
+unserem Empfang hergerichteten Platz.
+
+_Kantschi_
+
+Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet hat, werden wir ihn
+zwingen, einen für uns errichten zu lassen.
+
+_Koschala_
+
+All das macht natürlich zweifelhaft, ob dieses Volk überhaupt einen
+König hat -- es sieht aus, als ob ein unbegründetes Gerücht uns
+irregeführt hätte.
+
+_Avanti_
+
+Das mag sein, was den König angeht, aber Sudarschana, die Königin dieses
+Orts, ist durchaus kein unbegründetes Gerücht.
+
+_Koschala_
+
+Nur um ihretwillen hatte ich überhaupt Lust, hierher zu kommen. Es liegt
+mir nichts daran, jemanden zu sehen, der sich nie sehen läßt, aber es
+wäre ein törichter Fehler, wenn wir fortgingen, ohne das Wesen gesehen
+zu haben, um dessentwillen sich eine Reise im höchsten Grade lohnt.
+
+_Kantschi_
+
+Laßt uns denn einen bestimmten Plan entwerfen.
+
+_Avanti_
+
+Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man sich nicht selbst darein
+verwickelt.
+
+_Kantschi_
+
+Zum Henker, was ist das für ein Geschmeiß, das dort herumschwärmt? He!
+wer seid ihr?
+
+Großvater und die Knaben treten auf.
+
+_Großvater_
+
+Wir sind die lustige Schar der Habenichtse.
+
+_Avanti_
+
+Die Einführung war überflüssig. Aber ihr werdet euch etwas weiter
+zurückziehen und uns in Frieden lassen.
+
+_Großvater_
+
+Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir können es uns leisten, euch
+einen so weiten Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das Wenige, das
+uns genügt, ist nie der Zankapfel zwischen streitenden Parteien. Nicht
+wahr, meine kleinen Freunde?
+
+Sie singen.
+
+_Gesang_
+
+ Wir sind die Habenichtse, fürwahr, wir haben gar nichts!
+ Wir singen lustig trallerala! trallerala!
+ 's gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Häusern
+ Auf Sümpfen mit goldenem Sand.
+ Wir stellen uns vor sie und singen
+ Trallerala! trallerala!
+ Taschendiebe kreisen um uns
+ Und ehren uns mit lüsternen Blicken.
+ Wir schütteln die leeren Taschen und singen
+ Trallerala! trallerala!
+ Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tür,
+ Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen,
+ Und singen im Chor mit fröhlichen Trillern
+ Trallerala! trallerala!
+
+_Kantschi_
+
+Sieh da drüben hin, Koschala, was sind das für Leute, die da des Weges
+kommen? Eine Pantomime? Der eine hat sich als König maskiert.
+
+_Koschala_
+
+Der König dieses Orts mag alle diese Narrenspossen dulden, wir aber
+werden dagegen einschreiten.
+
+_Avanti_
+
+Es ist vielleicht ein Häuptling vom Lande.
+
+Wachen zu Fuß treten auf.
+
+_Kantschi_
+
+Aus welchem Land stammt euer König?
+
+_Erster Soldat_
+
+Er ist der König dieses Landes. Er rüstet sich, das Fest zu leiten.
+
+Sie gehen weiter.
+
+_Koschala_
+
+Wie, der König dieses Landes kommt zum Fest!
+
+_Avanti_
+
+Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem Anblick begnügen und umkehren
+müssen -- ohne die reizvolle Königin gesehen zu haben.
+
+_Kantschi_
+
+Glaubst du wirklich, daß der Bursche die Wahrheit sagte? Jeder kann sich
+als König dieses königlosen Landes aufspielen. Kannst du nicht sehen,
+daß der Mensch wie ein aufgeputzter Maskenkönig aussieht -- viel zu sehr
+herausgeputzt?
+
+_Avanti_
+
+Aber er sieht hübsch aus -- seine Erscheinung ist nicht ohne einen
+gewissen gefälligen Reiz.
+
+_Kantschi_
+
+Er mag deinem Auge gefällig sein, aber wenn du ihn genau genug
+betrachtest, kannst du ihn nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn
+vor euch allen entlarve.
+
+Der falsche »König« tritt auf.
+
+_»König«_
+
+Willkommen, Fürsten, in unserm Reich! Ich hoffe, meine Würdenträger
+haben geziemend für euren Empfang gesorgt?
+
+_Könige_ (mit verstellter Höflichkeit)
+
+O ja -- es fehlte nichts am Empfang.
+
+_Kantschi_
+
+Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich aufgewogen durch die Ehre,
+den Anblick Eurer Majestät genießen zu dürfen.
+
+_»König«_
+
+Wir zeigen uns nicht vor der großen Öffentlichkeit, aber eure große
+Ergebenheit und Treue macht es uns zum Vergnügen, uns euch nicht zu
+entziehen.
+
+_Kantschi_
+
+Die Gnade Euer Majestät ist wahrhaft überwältigend für uns.
+
+_»König«_
+
+Wir fürchten, wir werden hier nicht lange verweilen können.
+
+_Kantschi_
+
+Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus, als ob ihr es lange
+aushieltet.
+
+_»König«_
+
+Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst bitten möchtet --
+
+_Kantschi_
+
+Das möchten wir: aber wir möchten Euch gern vor etwas weniger Zeugen
+sprechen.
+
+_»König«_ (zu seinem Gefolge)
+
+Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurück. (Sie ziehen sich zurück.)
+Nun könnt ihr euer Begehren ohne Rückhalt vorbringen.
+
+_Kantschi_
+
+Wir werden uns schon keine Zurückhaltung auferlegen; wir fürchten nur,
+daß ihr es für euch selbst werdet nötig finden.
+
+_»König«_
+
+O nein, in der Hinsicht könnt ihr unbesorgt sein.
+
+_Kantschi_
+
+Komm also, huldige uns, indem du uns deinen Kopf zu Füßen legst.
+
+_»König«_
+
+Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein in den
+Empfangslagern zu freigiebig verteilt.
+
+_Kantschi_
+
+Falscher Betrüger, du bist es, der sich in einem Rausch der Überhebung
+befindet. Dein Kopf wird bald den Staub küssen.
+
+_»König«_
+
+Ihr Fürsten, solche derben Späße sind eines Königs nicht würdig.
+
+_Kantschi_
+
+Männer, die gebührend mit dir scherzen werden, sind zur Stelle. General!
+
+_»König«_
+
+Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl, ich schulde euch allen
+Huldigung. Der Kopf beugt sich von selbst hernieder -- es bedarf
+nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer Maßnahmen, um ihn zu Boden
+zu legen. So, hier beuge ich mich tief vor euch allen. Wenn ihr mir
+freundlich erlaubt, mich davonzumachen, werde ich euch mit meiner
+Gegenwart nicht länger lästig fallen.
+
+_Kantschi_
+
+Warum solltest du dich davonmachen? Wir werden dich zum König dieses
+Ortes machen -- führen wir unsern Scherz zu seinem regelrechten Ende.
+Hast du irgendwelchen Anhang?
+
+_»König«_
+
+O ja! Alle, die mich auf den Straßen sehen, laufen hinter mir her. Als
+ich ein mageres Gefolge hatte, betrachtete mich erst jeder argwöhnisch,
+aber nun mit dem wachsenden Haufen zerstreuen sich die Zweifel immer
+mehr. Die Menge wird von ihrer eigenen Größe hypnotisiert. Ich brauche
+nun gar nichts weiter zu tun.
+
+_Kantschi_
+
+Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben wir alle, dir zu helfen und
+zu dir zu stehen. Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten müssen.
+
+_»König«_
+
+Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die Krone, die ihr mir aufs
+Haupt setzt.
+
+_Kantschi_
+
+Gegenwärtig wünschen wir weiter nichts, als die Königin Sudarschana zu
+sehen. Du wirst dafür sorgen.
+
+_»König«_
+
+Ich werde mir alle Mühe darum geben.
+
+_Kantschi_
+
+Zu deinen Bemühungen haben wir nicht viel Vertrauen -- du wirst einfach
+dich nach unsern Anweisungen richten. Nun aber kannst du gehen und dich
+mit allem möglichen Glanz und Prunk an dem Fest im königlichen Garten
+beteiligen.
+
+Sie gehen fort.
+
+Großvater und eine Schar von Bürgern treten auf.
+
+_Erster Bürger_
+
+Großvater, ich kann mir nicht helfen -- ja, und fünfhundertmal will ich
+es wiederholen -- unser König ist ein vollkommener Schwindel.
+
+_Großvater_
+
+Warum nur fünfhundertmal? Kein Grund zu so heldenmütiger
+Selbstbeherrschung -- du kannst es fünftausendmal sagen, wenn das dein
+Vergnügen erhöht.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Aber du kannst eine tote Lüge nicht für immer aufrechterhalten.
+
+_Großvater_
+
+Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Wir werden der ganzen Welt verkünden, daß unser König eine Lüge ist, der
+reinste und leerste Schatten!
+
+_Erster Bürger_
+
+Wir werden es alle von unsern Dächern schreien, daß wir keinen König
+haben -- mag er tun, was er will, wenn er existiert.
+
+_Großvater_
+
+Er wird gar nichts tun.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Mein Sohn wurde mit fünfundzwanzig Jahren innerhalb einer Woche von
+einem hitzigen Fieber vorzeitig dahingerafft. Hätte mich solch ein
+Unglück unter der Herrschaft eines tugendhaften Königs betreffen können?
+
+_Großvater_
+
+Aber dir sind immer noch zwei Söhne geblieben: während ich all meine
+fünf Kinder hintereinander verloren habe.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Und was sagst du dazu?
+
+_Großvater_
+
+Was denn? Soll ich meinen König dazu verlieren, weil ich meine Kinder
+verloren habe? Für so einen ungeheuren Narren müßt ihr mich nicht
+halten.
+
+_Erster Bürger_
+
+Eine schöne Sache, zu streiten, ob ein König da ist oder nicht, wenn man
+aus Mangel an Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der König uns retten?
+
+_Großvater_
+
+Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den König suchen, dem all die
+Nahrung gehört. Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn sicher nicht
+finden.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Königs! Dieser Bhadrasen -- ihr wißt
+was es für ein rührender Anblick ist, wenn er von seinem König spricht
+-- der rührselige Dummkopf! Er ist auf einen solchen Grad von Armut
+herabgesunken, daß selbst die Fledermäuse, die bei ihm hausen, den Ort
+zu ungemütlich finden.
+
+_Großvater_
+
+Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre Tag und Nacht für meinen
+König, aber ich habe für meine Mühen noch nicht einen roten Heller
+bekommen.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Nun, und was hältst du davon?
+
+_Großvater_
+
+Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand seine Freunde? Geht,
+Freunde, und sagt, wenn ihr wollt, unsern König gebe es nirgends. Auch
+das gehört mit zur Feier dieses Festes.
+
+
+
+
+IV.
+
+
+Turm des Königspalastes.
+
+Sudarschana und ihre Freundin Rohini.
+
+_Sudarschana_
+
+Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann mich nicht irren: bin ich
+nicht die Königin? Der dort, sicher der dort muß mein König sein.
+
+_Rohini_
+
+Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann nicht lange zögern, sich
+dir zu zeigen.
+
+_Sudarschana_
+
+Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen Vogel im Käfig. Suchtest du,
+dich zu vergewissern, wer er ist?
+
+_Rohini_
+
+Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der König.
+
+_Sudarschana_
+
+Von welchem Land ist er der König?
+
+_Rohini_
+
+Von unserm, König dieses Landes.
+
+_Sudarschana_
+
+Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm aus Blumen über das Haupt
+gehalten wird?
+
+_Rohini_
+
+Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blüte gemalt ist.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich erkannte ihn natürlich sofort, aber du hattest deine Zweifel.
+
+_Rohini_
+
+Wir können uns leicht irren, meine Königin, und wir fürchten dich zu
+erzürnen, falls wir unrecht haben.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich wollte, Surangama wäre da! Dann wäre kein Zweifel mehr möglich.
+
+_Rohini_
+
+Hältst du sie für klüger als uns alle?
+
+_Sudarschana_
+
+O nein, aber sie würde ihn sofort erkennen.
+
+_Rohini_
+
+Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so, als ob sie ihn kennte.
+Niemand kann dafür bürgen, daß sie den König kennt. Wären wir so
+schamlos wie sie, es wäre nicht schwer für uns gewesen, mit unserer
+Bekanntschaft mit dem König zu prahlen.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber nein, sie prahlt niemals.
+
+_Rohini_
+
+Bloße Ziererei, weiter nichts; damit kommt man oft weiter als mit
+offenem Prahlen. Sie ist zu allen Streichen fähig: drum mochten wir sie
+nie leiden.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber sag, was du willst, ich hätte sie gern gefragt, wenn sie hier wäre.
+
+_Rohini_
+
+Sehr wohl, Königin. Ich werde sie holen. Sie muß glücklich sein, wenn
+sie der Königin unentbehrlich ist, um den König zu erkennen.
+
+_Sudarschana_
+
+O nein -- es ist nicht darum -- aber ich hörte es gern von aller Welt
+bestätigt.
+
+_Rohini_
+
+Sagt es nicht alle Welt? Da, höre nur hin, die Jubelrufe des Volks
+dringen sogar bis zu dieser Höhe empor.
+
+_Sudarschana_
+
+Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen auf ein Lotusblatt und
+bringe sie ihm.
+
+_Rohini_
+
+Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie sendet?
+
+_Sudarschana_
+
+Du wirst nichts zu sagen brauchen -- er wird es wissen. Er meinte,
+ich würde nicht imstande sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht
+fortlassen, ohne ihm zu zeigen, daß ich ihn herausgefunden habe.
+
+Rohini geht mit den Blumen.
+
+_Sudarschana_
+
+Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so war mir nie zuvor zumute. Das
+weiße, silberne Licht des Vollmonds überflutet den Himmel und perlt nach
+allen Seiten wie der sprudelnde Schaum des Weins... Es faßt mich wie
+ein Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da?
+
+Eine Dienerin tritt auf.
+
+_Dienerin_
+
+Was befehlen Majestät?
+
+_Sudarschana_
+
+Siehst du dort die fröhlichen Knaben, wie sie singend durch die
+Laubgänge und Alleen der Mangobäume ziehen? Rufe sie her, bring sie zu
+mir: ich möchte sie singen hören.
+
+Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben wieder.
+
+Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen Frühlings, hebt euren
+Festgesang an! Meine ganze Seele und mein Leib ist heute abend Gesang
+und Musik -- doch die unaussprechliche Melodie will mir nicht von der
+Zunge: singt ihr denn an meiner Statt!
+
+_Gesang_
+
+ Mein Leid ist mir süß, heut in dieser Frühlingsnacht.
+ Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und läßt sie leise
+ erklingen.
+ Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein
+ dahin.
+ Der Duft aus der Tiefe der Wälder verirrt sich in meine Träume.
+ Worte kommen flüsternd an mein Ohr, ich weiß nicht, woher,
+ Und die Glöckchen an meinen Fußspangen zittern und klingen im Takt zum
+ Tanz meines Herzens.
+
+_Sudarschana_
+
+Genug, genug -- ich ertrag' es nicht länger! Euer Gesang hat meine Augen
+mit Tränen gefüllt... Mich wandelt es an -- Sehnsucht kann nie ihren
+Gegenstand finden -- sie braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher
+Sänger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt? O, daß meine Augen den
+sehen könnten, dessen Gesang meine Ohren gehört haben! Ach, wie ich mich
+sehne -- mich sehne, in Liebesverzückung im Waldesdickicht des Herzens
+mich zu verlieren! Liebe Knaben der Waldwildnis! wie soll ich euch
+lohnen? Dieses Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten Steinen gemacht
+-- ihre Härte wird euch weh tun -- ich besitze nichts dergleichen wie
+die Blumenkränze, die euch zieren.
+
+Die Knaben verbeugen sich und gehen ab.
+
+Rohini tritt auf.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe nicht recht getan -- ich habe nicht recht getan, Rohini. Ich
+schäme mich, dich zu fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt,
+daß keine Hand in Wahrheit die größte der Gaben geben kann. Doch laß
+mich alles hören.
+
+_Rohini_
+
+Als ich dem König die Blumen gab, sah er nicht so aus, als verstünde er
+etwas davon.
+
+_Sudarschana_
+
+Das kann nicht sein! Er verstand nicht --?
+
+_Rohini_
+
+Nein; er saß da wie eine Puppe, ohne ein einziges Wort zu äußern. Ich
+glaube, er wollte nicht zeigen, daß er nichts verstand, daher tat er den
+Mund nicht auf.
+
+_Sudarschana_
+
+Pfui über mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht bestraft worden. Warum
+hast du meine Blumen nicht zurückgebracht?
+
+_Rohini_
+
+Wie konnte ich? Der König von Kantschi, ein sehr gewitzigter Mann, der
+neben ihm saß, begriff alles mit einem Blick, und er lächelte nur eben
+ein bißchen und sagte: »Majestät, die Königin Sudarschana sendet Euch
+ihre Grüße mit diesen Blumen -- mit Blumen, die dem Gott der Liebe
+gehören, dem Freund des Frühlings!« Der König schien mit einem Male
+aufzuwachen und sagte: »Das ist die Krone all meiner Königsherrlichkeit
+heute Nacht.« Ich wandte mich, ganz außer Fassung, zum Gehen, als der
+König von Kantschi dem König dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir
+sagte: »Freundin, dies Königsgeschmeide will zu dir, zum Dank für das
+frohe Glück, das du gebracht hast.«
+
+_Sudarschana_
+
+Wie, Kantschi mußte dem König all das begreiflich machen! Weh mir,
+dies nächtliche Fest hat die Tore der Schmach und Schande weit vor mir
+geöffnet. Was andres konnte ich erwarten? Verlaß mich, Rohini; ich muß
+eine Weile allein sein. (Rohini geht ab.) Ein furchtbarer Schlag hat all
+meinen Stolz zu Staub zerschlagen, und doch ... ich kann diese schöne,
+bezaubernde Gestalt nicht aus dem Gedächtnis löschen! Kein Stolz ist mir
+geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet, gänzlich hilflos ... ich
+kann nicht einmal die Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder und
+wieder der Wunsch kommt, Rohini um diese Kette zu bitten! Aber was würde
+sie denken! Rohini!
+
+Rohini kommt.
+
+_Rohini_
+
+Was ist dein Wunsch?
+
+_Sudarschana_
+
+Welchen Lohn verdienst du für deine heutigen Dienste?
+
+_Rohini_
+
+Nichts von dir -- aber ich bekam meinen Lohn von dem König, wie sich's
+gebührt.
+
+_Sudarschana_
+
+Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene Belohnung. Ich möchte
+nicht etwas an dir sehen, was auf so gleichgültige Art gegeben wurde.
+Leg es ab, ich gebe dir meine Armspangen, wenn du es hier läßt. Nimm
+diese Armspangen und geh nun. (Rohini geht ab.) Welch neue Schmach!
+Ich hätte dieses Halsband wegwerfen sollen -- aber ich kann nicht! Es
+sticht mich, als ob es ein Dornenkranz wäre -- aber ich kann es nicht
+wegwerfen. Das also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert --
+dieses Halsband der Schmach und Schande!
+
+
+
+
+V.
+
+
+Großvater nahe am Tor des Lusthauses.
+
+Eine Gesellschaft von Männern.
+
+_Großvater_
+
+Habt ihr genug davon bekommen, Freunde?
+
+_Erster Mann_
+
+Oh, mehr als genug, Großvater. Sieh nur, sie haben mich über und über
+rot gemacht. Keiner ist davongekommen[A].
+
+_Großvater_
+
+Wirklich? Haben sie die Könige auch mit rotem Puder beworfen?
+
+_Zweiter Mann_
+
+Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie waren alle sicher auf ihrem
+eingehegten Platz.
+
+_Großvater_
+
+So sind sie euch entkommen! Konntet ihr nicht die geringste Spur Farbe
+auf sie werfen? Ihr hättet euch den Weg dahin erzwingen sollen.
+
+_Dritter Mann_
+
+Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte Rot, die ihnen
+vorbehalten ist. Ihre Augen sind rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres
+Gefolges sind auch rot. Und die letztern schwangen ihre Schwerter so
+in der Luft herum, daß eine weitere Annäherung von unserer Seite ein
+reichliches Zutagetreten der grundlegenden roten Farbe bedeutet hätte.
+
+_Großvater_
+
+Wohlgetan, Freunde -- haltet sie immer in einiger Entfernung. Sie sind
+die Verbannten der Erde, und wir haben das Amt, dafür zu sorgen, daß es
+so bleibt.
+
+_Dritter Mann_
+
+Ich gehe heim, Großpapa; Mitternacht ist vorüber.
+
+Geht ab.
+
+Eine Schar Sänger kommt singend herbei.
+
+ Schwarz und Weiß ist nicht mehr geschieden,
+ Ist rot geworden -- rot wie eure Füße gefärbt sind.
+ Rot ist mein Wams und rot meine Träume,
+ Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus.
+
+_Großvater_
+
+Vortrefflich, meine Freunde, glänzend! So hattet ihr wirklich
+genußreiche Stunden!
+
+_Die Sänger_
+
+Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der Mond am Himmel ließ uns im
+Stich: er blieb weiß.
+
+_Großvater_
+
+Er sieht nur von außen so unschuldig drein. Hättet ihr nur seine weiße
+Maske weggenommen, ihr hättet seine Schelmerei schon gesehen. Ich habe
+beobachtet, was für rote Farben er heute nacht auf die Erde wirft. Und
+doch, sollte man es für möglich halten, daß er dabei die ganze Zeit weiß
+und farblos bleibt!
+
+_Gesang._
+
+ Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb!
+ Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt,
+ Meinst du, ungefärbt zu entkommen,
+ Wenn du mich mit rotem Puder rötest?
+ Könnt ich nicht dein Kleid färben mit dem roten Blütenstaub meines
+ Herzens?
+
+Sie gehen ab.
+
+Der »König« und Kantschi treten auf.
+
+_Kantschi_
+
+Du mußt genau tun, was ich dir gesagt habe. Daß du mir nichts
+übersiehst!
+
+_»König«_
+
+Ich werde nichts übersehen.
+
+_Kantschi_
+
+Die Gemächer der Königin Sudarschana liegen in den...
+
+_»König«_
+
+Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt.
+
+_Kantschi_
+
+Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen, und dann wirst
+du aus dem Durcheinander und der Verwirrung Vorteil ziehen, um deine
+Aufgabe zielbewußt zu vollbringen.
+
+_»König«_
+
+Ich werde daran denken.
+
+_Kantschi_
+
+Sieh einmal, Herr Prätendent, ich glaube doch, daß unsere Furcht ganz
+unbegründet ist -- es gibt in Wahrheit keinen König in diesem Lande.
+
+_»König«_
+
+Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie zu retten. Der
+gemeine Mann kann ohne König nicht leben, ob dieser nun echt ist oder
+falsch! Anarchie ist immer eine Quelle der Gefahr.
+
+_Kantschi_
+
+Frommer Wohltäter des Volkes, deine wundervolle Aufopferung sollte
+wirklich uns allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke diesen
+außerordentlichen Dienst in eigener Person zu erweisen.
+
+Sie gehen ab.
+
+
+
+
+VI.
+
+
+Im Garten.
+
+_Rohini_
+
+Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen, was all das ist! (Zu
+den Gärtnern) Wohin geht ihr alle in solcher Eile?
+
+_Erster Gärtner_
+
+Wir gehen aus dem Garten.
+
+_Rohini_
+
+Wohin?
+
+_Zweiter Gärtner_
+
+Wir wissen nicht, wohin -- der König hat uns gerufen.
+
+_Rohini_
+
+Aber der König ist doch hier in diesem Garten. Welcher König hat euch
+gerufen?
+
+_Erster Gärtner_
+
+Das wissen wir nicht.
+
+_Zweiter Gärtner_
+
+Der König, dem wir unser Lebtag gedient haben, natürlich.
+
+_Rohini_
+
+Wollt ihr alle gehen?
+
+_Erster Gärtner_
+
+Ja, alle -- wir müssen sofort gehen. Sonst könnten wir zu Schaden
+kommen.
+
+Sie gehen ab.
+
+_Rohini_
+
+Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich fürchte mich. Sie rennen
+davon wie wilde Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe die Flut
+den Damm durchbricht.
+
+Der König von Koschala tritt auf.
+
+Rohini, weißt du, wo dein König und Kantschi hingegangen
+sind?
+
+_Rohini_
+
+Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann nicht sagen, wo.
+
+_Koschala_
+
+Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben. Ich habe nicht wohl daran
+getan, mein Vertrauen auf Kantschi zu setzen. Ab.
+
+_Rohini_
+
+Was ist das für eine dunkle Sache, mit der sich diese Könige abgeben?
+Etwas Schreckliches bereitet sich vor. Werde ich in diese Sache
+hineingezogen werden?
+
+Avanti tritt auf.
+
+_Avanti_
+
+Rohini, weißt du, wo die andern Fürsten sind?
+
+_Rohini_
+
+Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen sind. Der König von
+Koschala ging jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei.
+
+_Avanti_
+
+Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer König und Kantschi?
+
+_Rohini_
+
+Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen.
+
+_Avanti_
+
+Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewiß, uns alle zu betrügen. Ich
+habe nicht wohl daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu stecken.
+Freundin, könntest du mir freundlich einen Weg aus diesem Garten weisen?
+
+_Rohini_
+
+Ich weiß keinen.
+
+_Avanti_
+
+Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus zeigen kann?
+
+_Rohini_
+
+Die Diener haben alle den Garten verlassen.
+
+_Avanti_
+
+Warum taten sie das?
+
+_Rohini_
+
+Ich konnte nicht genau verstehen, was sie meinten. Sie sagten, der König
+hätte ihnen befohlen, den Garten sofort zu verlassen.
+
+_Avanti_
+
+Der König? Welcher König?
+
+_Rohini_
+
+Sie konnten es nicht genau sagen.
+
+_Avanti_
+
+Das klingt nicht gut. Ich muß um jeden Preis einen Weg hinausfinden. Ich
+kann hier keinen Augenblick länger bleiben.
+
+Geht eilig ab.
+
+_Rohini_
+
+Wo kann ich den König finden? Als ich ihm die Blumen gab, die die
+Königin gesandt hatte, da schien er sich nicht viel um mich zu kümmern;
+aber seit der Stunde hat er Gaben und Geschenke auf mich gehäuft.
+Diese grundlose Freigebigkeit macht mich noch ängstlicher... Wohin
+fliegen die Vögel zu dieser Stunde der Nacht? Was hat sie plötzlich
+aufgeschreckt? Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges, gewiß
+nicht... Warum rennt der Königin zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata!
+Tschapata! Es hört nicht einmal meinen Ruf. Ich habe nie eine Nacht wie
+diese gesehen. Der Horizont wird auf allen Seiten plötzlich rot, wie das
+Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne scheint zu so ungewohnter Stunde auf
+allen Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn des Allmächtigen
+ist dies! ... Oh, ich fürchte mich! ... Wo kann ich den König finden?
+
+
+
+
+VII.
+
+
+Am Tor zum Palast der Königin.
+
+_»König«_
+
+Was hast du getan, Kantschi?
+
+_Kantschi_
+
+Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim Palast in Brand stecken.
+Ich hatte keine Ahnung, daß das Feuer sich so schnell nach allen Seiten
+verbreiten würde. Sag mir schnell den Weg aus diesem Garten.
+
+_»König«_
+
+Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher geführt haben, sind alle
+entflohen.
+
+_Kantschi_
+
+Du bist ein Eingeborner dieses Landes -- du mußt den Weg wissen.
+
+_»König«_
+
+Ich habe diese inneren Königsgärten nie zuvor betreten.
+
+_Kantschi_
+
+Ich will davon nichts hören -- du mußt mir den Weg zeigen, oder ich
+spalte dich in zwei Teile.
+
+_»König«_
+
+Du kannst mir auf diese Weise das Leben nehmen, aber es würde dir wenig
+helfen, den Weg aus diesem Garten zu finden.
+
+_Kantschi_
+
+Warum liefst du dann herum und sagtest, du wärest der König dieses
+Landes?
+
+_»König«_
+
+Ich bin nicht der König -- ich bin nicht der König.
+
+Wirft sich mit gefalteten Händen zu Boden.
+
+Wo bist du, mein König? Rette mich, oh, rette mich! Ich bin ein Empörer
+-- strafe mich, aber töte mich nicht!
+
+_Kantschi_
+
+Was nützt es, sich zu krümmen und in die leere Luft zu schreien? Nutze
+die Zeit lieber und such nach dem Wege!
+
+_»König«_
+
+Ich will mich hierher legen -- ich rühre mich nicht von der Stelle.
+Komme was will, ich werde nicht klagen.
+
+_Kantschi_
+
+Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn ich verbrennen muß, sollst
+du mir zum letzten Ende Gesellschaft leisten.
+
+_Stimme von außen_
+
+Oh, rette uns, rette uns, König! Das Feuer kommt von allen Seiten über
+uns!
+
+_Kantschi_
+
+Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr.
+
+_Sudarschana_ (tritt auf)
+
+König, o mein König! rette mich, rette mich vor dem Tode! Ich bin vom
+Feuer umzingelt.
+
+_»König«_
+
+Wer ist der König? Ich bin kein König.
+
+_Sudarschana_
+
+Du bist nicht der König?
+
+_»König«_
+
+Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft.
+
+Seine Krone zu Boden werfend.
+
+Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben!
+
+Ab mit Kantschi.
+
+_Sudarschana_
+
+Kein König? Er ist nicht der König? Dann, o du Feuergott, verbrenne
+mich, vernichte mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in die Arme
+werfen, o du großer Reiniger; verbrenne meine Schmach, mein Verlangen,
+meine Begierde zu Asche.
+
+_Rohini_ (tritt auf)
+
+Königin, wohin gehst du? All deine innern Gemächer sind in rasendes
+Feuer gehüllt -- geh nicht hinein.
+
+_Sudarschana_
+
+Ja, ich will in diese brennenden Räume hineingehn! Es ist mein
+Totenfeuer!
+
+Sie geht in den Palast.
+
+
+
+
+VIII.
+
+
+Die dunkle Kammer. Der König und Sudarschana.
+
+_König_
+
+Fürchte dich nicht -- du hast keinen Grund zur Angst. Das Feuer wird
+nicht in dies Gemach dringen.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe keine Angst -- aber oh, die Scham verfolgt mich wie ein
+rasendes Feuer. Mein Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil meines
+Körpers wird von ihren Flammen versengt und verbrannt.
+
+_König_
+
+Es wird eine Zeit vergehen, ehe du über diesen Brand hinwegkommst.
+
+_Sudarschana_
+
+Dieses Feuer wird nie aufhören -- wird nie aufhören!
+
+_König_
+
+Verzage nicht, Königin!
+
+_Sudarschana_
+
+O König, ich will dir nichts verbergen... Ich trage eines anderen Kette
+um meinen Hals.
+
+_König_
+
+Auch diese Kette ist mein -- wie sonst hätte er zu ihr kommen sollen? Er
+stahl sie aus meiner Kammer.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber sie ist _sein_ Geschenk an mich: und doch konnte ich diese Kette
+nicht fortschleudern! Als das Feuer brüllend von allen Seiten kam,
+dachte ich daran, diese Kette ins Feuer zu werfen. Aber nein, ich
+konnte nicht. Mein Geist flüsterte: »Behalte diese Kette im Tode an«...
+Was für ein Feuer ist das, o König, in das ich, die hinausgegangen war,
+dich zu sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme nicht widerstehen
+kann! Welch eine Qual ist das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer
+brennt so wild weiter wie je, und doch lebe ich weiter in seinen
+Flammen!
+
+_König_
+
+Aber du hast mich schließlich gesehen -- deine Sehnsucht ist gestillt
+worden.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber suchte ich dich denn mitten in diesem grauenhaften Verderben? Ich
+weiß nicht, was ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor Angst.
+
+_König_
+
+Was sahest du?
+
+_Sudarschana_
+
+Grauenhaft -- oh, es war grauenhaft! Ich fürchte mich, auch nur noch
+daran zu denken. Schwarz, schwarz -- o du bist schwarz wie die ewige
+Nacht! Ich habe dich nur einen einzigen entsetzlichen Augenblick
+gesehen. Der Feuerschein fiel auf deine Züge -- du sahst wie die
+schaudervolle Nacht aus, wenn ein Komet unheilverkündend über uns
+schwebt -- oh, da schloß ich die Augen -- ich konnte deinen Anblick
+nicht mehr ertragen. Schwarz wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie
+das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot des Zwielichts auf seinen
+tosenden Wogen!
+
+_König_
+
+Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß man meinen Anblick nicht ertragen
+kann, wenn man nicht schon darauf vorbereitet ist? Man möchte vor mir
+zum Ende der Welt fliehen. Habe ich das nicht zahllose Male gesehen?
+Darum wollte ich mich dir langsam und allmählich enthüllen, nicht gar zu
+plötzlich.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber es kam die Sünde und vernichtete alle deine Hoffnungen -- die
+bloße Möglichkeit einer Gemeinschaft mit dir ist für mich nun undenkbar
+geworden.
+
+_König_
+
+Sie wird mit der Zeit möglich werden, meine Königin. Die gräßliche
+düstere Schwärze, die dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen
+hat, wird eines Tages dein Trost und dein Heil sein. Wofür sonst kann
+meine Liebe da sein?
+
+_Sudarschana_
+
+Es kann nicht sein, es ist nicht möglich. Was will _deine_ Liebe
+allein noch tun? _Meine_ Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die
+Schönheit hat ihren Zauber auf mich geworfen, diese Raserei, dieser
+Rausch wird mich nie mehr verlassen -- sie hat meine Augen mit ihrem
+Glanz geblendet und entflammt, sie hat ihren goldenen Schimmer bis in
+meine Träume geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt -- strafe mich, wie
+dir beliebt.
+
+_König_
+
+Die Strafe hat schon begonnen.
+
+_Sudarschana_
+
+Doch willst du mich nicht strafen so stoße mich von dir. Ich will dich
+verlassen --
+
+_König_
+
+Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir beliebt.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen! Mein Herz ist böse auf dich.
+Warum warst du -- aber was hast du mir getan?... Warum bist du so?
+Warum haben sie mir gesagt, du wärest stattlich und schön? Du bist
+schwarz, schwarz wie die Nacht -- ich werde dich nie, ich kann dich nie
+liebhaben. Ich habe gesehen, was ich liebe -- es ist sanft und weich wie
+Samt, zart wie die _Schirischa_-Blume, strahlend wie ein Schmetterling.
+
+_König_
+
+Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie eine Seifenblase.
+
+_Sudarschana_
+
+Mag sein -- aber ich kann deine Nähe nicht ertragen -- ich kann einfach
+nicht! Ich muß von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir, das kann
+nicht möglich sein! Sie kann nichts anderes sein als ein falscher Bund
+-- mein Geist muß sich unweigerlich von dir abkehren.
+
+_König_
+
+Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen?
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe es seit gestern versucht -- aber je mehr ich versuche, um so
+mehr empört sich mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich beständig
+von dem Gedanken verfolgt und gehetzt, daß ich unrein bin, daß ich
+falsch und treulos bin.
+
+_König_
+
+Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen, als dir beliebt.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich kann von dir nicht fliehen -- gerade weil du mein Gehen nicht
+hinderst. Warum hältst du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurück
+und sagst: »Du sollst nicht gehen?« Warum schlägst du mich nicht? O
+strafe mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger Hand! Aber dein
+widerstandsloses Schweigen macht mich wild -- oh, ich kann's nicht
+ertragen!
+
+_König_
+
+Warum glaubst du, daß ich in Wirklichkeit still bin? Woher weißt du, daß
+ich nicht versuche, dich zurückzuhalten?
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, nein, nein! -- Ich kann das nicht ertragen -- sag mir laut, befiehl
+mir mit der Stimme des Donners, zwinge mich mit Worten, die alles andere
+übertönen -- laß mich nicht so leicht, so mild von dir!
+
+_König_
+
+Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte ich zulassen, daß du dich
+von mir losreißest?
+
+_Sudarschana_
+
+Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn, ich muß gehen!
+
+_König_
+
+Geh denn!
+
+_Sudarschana_
+
+So bin ich gar nicht zu tadeln. Du hättest mich mit Gewalt zurückhalten
+können, aber du tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert -- und nun
+werde ich fortgehen. Befiehl deinen Wachen, mich nicht gehen zu lassen!
+
+_König_
+
+Niemand wird dir in den Weg treten. Du kannst so frei gehen wie die
+zerrissene Wetterwolke, die vom Sturm gepeitscht wird.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich kann nicht mehr widerstehen -- etwas in mir jagt mich vorwärts -- es
+treibt mich von meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken, aber ich
+werde nie mehr zurückkehren.
+
+Sie stürzt hinaus.
+
+Surangama tritt auf.
+
+_Surangama_ (singt)
+
+Was hat dein Wille mit mir vor, daß er mich in die Weite sendet? Zu
+deinen Füßen werde ich wieder von meiner Wanderschaft zurückkehren.
+
+Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein der Nachlässigkeit
+verbirgt, deine zärtlichen Hände stoßen mich fort, um mich wieder in
+deine Arme zu ziehn! O mein König, was ist's für ein Spiel, das du
+überall in deinem Reiche treibst?
+
+_Sudarschana_ (kehrt zurück)
+
+König, o König!
+
+_Surangama_
+
+Er ist fortgegangen.
+
+_Sudarschana_
+
+Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er mich endgültig verstoßen! Ich
+bin zurückgekehrt, aber er hat nicht einen einzigen kleinen Augenblick
+auf mich warten können! Sehr gut denn, ich bin nun vollkommen frei.
+Surangama, hat er dich geheißen, mich zurückzuhalten?
+
+_Surangama_
+
+Nein, er hat nichts gesagt.
+
+_Sudarschana_
+
+Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte er sich um mich kümmern?
+... Ich bin also frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich wollte
+den König etwas fragen, konnte es aber in seiner Gegenwart nicht
+herausbringen. Sag mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft hat.
+
+_Surangama_
+
+Mit dem Tode? Mein König straft nie mit dem Tode.
+
+_Sudarschana_
+
+Was hat er ihnen denn getan?
+
+_Surangama_
+
+Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat seine Niederlage anerkannt
+und ist in sein Königreich heimgekehrt.
+
+_Sudarschana_
+
+Ach, was für eine Erlösung!
+
+_Surangama_
+
+Meine Königin, ich habe eine einzige Bitte an dich.
+
+_Sudarschana_
+
+Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen, Surangama. Alle Geschmeide
+und Schmucksachen, die der König mir gab, lasse ich dir -- ich bin nicht
+würdig, sie von nun an zu tragen.
+
+_Surangama_
+
+Nein, ich brauche sie nicht, meine Königin. Mein Herr hat mir nie
+irgendwelchen Schmuck zu tragen gegeben -- mein schmuckloses Aussehen
+ist für mich gut genug. Er hat mir nichts gegeben, womit ich vor den
+Leuten prahlen könnte.
+
+_Sudarschana_
+
+Was willst du sonst von mir?
+
+_Surangama_
+
+Ich will mit dir gehn, meine Königin.
+
+_Sudarschana_
+
+Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen Herrn zu verlassen. Was
+für eine Bitte ist das für dich!
+
+_Surangama_
+
+Ich werde nicht weit von ihm fortgehen -- wenn du unbehütet fortgehst,
+wird er bei dir sein, dicht dir zur Seite.
+
+_Sudarschana_
+
+Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini mit mir nehmen, aber sie
+wollte nicht. Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit mir zu kommen?
+
+_Surangama_
+
+Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich werde gehen -- der Mut wird
+von selbst kommen, und auch die Kraft wird kommen.
+
+_Sudarschana_
+
+Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine Gegenwart wird mich beständig
+an meine Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen können.
+
+_Surangama_
+
+O meine Königin, ich habe wie all dein Gutes so auch all dein Böses mir
+zu eigen gemacht; willst du mich noch als Fremde behandeln? Ich muß mit
+dir gehn.
+
+
+
+
+IX.
+
+
+Der König von Kanya Kubja, Vater von Sudarschana, und sein Minister.
+
+_König von Kanya Kubja_
+
+Ich hörte alles vor ihrer Ankunft.
+
+_Minister_
+
+Die Prinzessin wartet allein außerhalb der Stadttore am Ufer des
+Flusses. Soll ich Leute senden, um sie zu Hause willkommen zu heißen?
+
+_König von Kanya Kubja_
+
+Wie! Für sie, die treulos ihren Gatten verlassen hat -- da willst du
+ihre Schmach und Schande in aller Welt ausposaunen und ein Schaustück
+für sie in Szene setzen?
+
+_Minister_
+
+Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr eine Wohnung im Palaste
+herzurichten?
+
+_König von Kanya Kubja_
+
+Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren Platz als Königin aus eigenem
+Entschluß verlassen -- hier wird sie als Magd arbeiten müssen, wenn sie
+in meinem Hause zu bleiben wünscht.
+
+_Minister_
+
+Es wird schwer und bitter für sie sein, Euer Hoheit.
+
+_König von Kanya Kubja_
+
+Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren, dann bin ich nicht wert,
+ihr Vater zu sein.
+
+_Minister_
+
+Ich werde alles ordnen, wie Ihr wünscht, Euer Hoheit.
+
+_König von Kanya Kubja_
+
+Es soll verborgen bleiben, daß sie meine Tochter ist, sonst geraten wir
+alle in ein entsetzliches Unheil.
+
+_Minister_
+
+Warum fürchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit?
+
+_König von Kanya Kubja_
+
+Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht, dann erscheint sie mit dem
+furchtbaren Unheil beladen. Du weißt nicht, welche tödliche Furcht diese
+meine Tochter mir eingeflößt hat -- sie ist heimgekommen, beladen mit
+Schrecknis und Gefahr.
+
+
+
+
+X.
+
+
+Innere Gemächer des Palastes.
+
+Sudarschana und Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Geh fort von mir, Surangama! Ein tödlicher Zorn rast in mir -- ich
+kann niemanden ertragen -- es macht mich wild, dich so geduldig und
+unterwürfig zu sehn.
+
+_Surangama_
+
+Auf wen bist du zornig?
+
+_Sudarschana_
+
+Ich weiß nicht; aber ich möchte alles vernichtet und unter Trümmern und
+Elend begraben sehn! In einem Augenblick verließ ich meinen Platz als
+Königin auf dem Thron. Gab ich alles hin, um mich in dieser düsteren
+Höhle als Sklavin abzuplagen? Warum flammen für mich nicht die Fackeln
+der Trauer über die ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die Erde?
+Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte Fallen der armseligen
+Bohnenblüte? Ist er nicht eher wie der Fall eines glühenden Sternes,
+dessen flammende Lohe den Himmel in Stücke reißt?
+
+_Surangama_
+
+Ein mächtiger Wald raucht und glimmt innen, ehe er in Flammen ausbricht:
+die Zeit ist noch nicht gekommen.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe Ehre und Ruhm einer Königin in Staub und Winde gestreut -- aber
+gibt es keinen Menschen, der kommen will, um meine trostlose Seele hier
+zu besuchen? Allein -- oh, ich bin furchtbar, grauenvoll allein!
+
+_Surangama_
+
+Du bist nicht allein.
+
+_Sudarschana_
+
+Surangama, ich will nichts vor dir verbergen. Als er den Palast in
+Flammen setzte, konnte ich nicht auf ihn böse sein. Eine große innere
+Freude machte mein Herz erzittern. Was für ein staunenswürdiges
+Verbrechen! Was für eine glorreiche Kühnheit! Dieser Mut machte mich
+stark und befeuerte meine Lebensgeister. Diese furchtbare Freude gab mir
+die Kraft, in einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist das alles
+nur meine Einbildung? Warum ist nirgends ein Zeichen zu sehen, daß er
+kommt?
+
+_Surangama_
+
+Der, an den du denkst, hat den Palast nicht in Brand gesteckt -- der
+König von Kantschi tat es.
+
+_Sudarschana_
+
+Der Feigling! Aber ist es möglich? So schön, so bezaubernd, und doch
+keine Mannheit in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um so eines
+wertlosen Geschöpfes willen? O Schmach! Pfui über mich!... Aber
+Surangama, meinst du nicht, dein König hätte doch kommen müssen, um mich
+zurückzuholen!
+
+(Surangama verharrt in Schweigen.)
+
+Du meinst, ich brenne darauf, zurückzukehren? Niemals. Selbst wenn der
+König in Wirklichkeit käme, ginge ich nicht zurück. Nicht ein einziges
+Mal verbot er mir fortzugehn, und ich fand alle Tore weit geöffnet, um
+mich hinauszulassen! Und die steinige, staubige Straße, auf der ich
+wanderte -- es war ihr nichts, daß eine Königin auf ihr schritt. Sie
+ist hart und gefühllos, wie dein König; der niedrigste Bettler gilt ihr
+ebensoviel wie die höchste Königin. Du schweigst! Nun, ich sage dir,
+deines Königs Benehmen ist -- niedrig, roh, schmählich!
+
+_Surangama_
+
+Jeder weiß, daß mein König hart und unbarmherzig ist -- niemand ist je
+imstande gewesen, ihn zu rühren.
+
+_Sudarschana_
+
+Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und bei Nacht?
+
+_Surangama_
+
+Möge er immer hart und unnachgiebig bleiben wie Stein -- mögen
+meine Tränen und Bitten ihn nie bewegen! Mögen die Leiden nur immer
+_mein_ Teil sein und möge Ruhm und Sieg _ihm_ immerdar bleiben!
+
+_Sudarschana_
+
+Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint dort drüben über den Feldern am
+östlichen Horizont aufzusteigen.
+
+_Surangama_
+
+Ja, ich sehe es.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens?
+
+_Surangama_
+
+In der Tat, es ist ein Banner.
+
+_Sudarschana_
+
+Dann kommt er. Er ist endlich gekommen.
+
+_Surangama_
+
+Wer kommt?
+
+_Sudarschana_
+
+Unser König -- wer sonst! Wie könnte er ohne mich leben! Es ist ein
+Wunder, wie er nur diese Tage her aushalten konnte.
+
+_Surangama_
+
+Nein, nein, das kann nicht der König sein.
+
+_Sudarschana_
+
+»Nein«, in der Tat! Als ob du alles wüßtest! Dein König ist hart, kalt,
+unbarmherzig, nicht wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein kann. Ich
+wußte von Anfang an, daß er kommen würde -- daß er hinter mir herlaufen
+müßte. Aber erinnere dich, Surangama, ich habe ihn nicht ein einziges
+Mal gebeten, daß er käme. Du wirst sehen, wie ich deinen König dazu
+bringe, mir seine Niederlage zu bekennen! Geh nur hinaus, Surangama, und
+laß mich alles wissen.
+
+Surangama geht hinaus.
+
+Aber werde ich gehen, wenn er kommt und mich bittet, mit ihm
+zurückzukehren? Gewiß nicht! Ich will nicht gehen! Niemals!
+
+Surangama kommt zurück.
+
+_Surangama_
+
+Es ist nicht der König, meine Königin.
+
+_Sudarschana_
+
+Nicht der König? Bist du ganz sicher? Wie! er ist noch nicht gekommen?
+
+_Surangama_
+
+Nein, mein König wirbelt nie soviel Staub auf, wenn er kommt. Niemand
+kann wissen, wann er überhaupt kommt.
+
+_Sudarschana_
+
+Dann ist es --
+
+_Surangama_
+
+Eben der: er kommt mit dem König von Kantschi.
+
+_Sudarschana_
+
+Weißt du, wie er heißt?
+
+_Surangama_
+
+Er heißt Suvarna.
+
+_Sudarschana_
+
+Er ist es also. Ich dachte: »Ich liege hier gleich weggeworfenen
+Schlacken und Kehricht, die keiner auch nur anrühren mag.« Aber mein
+Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du Suvarna früher gekannt?
+
+_Surangama_
+
+Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in der Spielhölle --
+
+_Sudarschana_
+
+Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen, ich will nichts hören.
+Er ist mein Held, meine einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen,
+ohne daß du mir Geschichten von ihm erzählst. Aber sieh nur, ein
+netter Mann ist dein König! Er ließ sich nicht einfallen, zu kommen,
+um mich selbst aus dieser Entwürdigung zu retten. Danach kannst du
+mich nicht tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf ihn warten und
+mich schimpflich wie eine Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut und
+Unterwürfigkeit üben wie du.
+
+
+
+
+XI.
+
+
+Lager.
+
+_Kantschi_
+
+Zu Kanya Kubja's Boten.
+
+Sage deinem König, daß er uns nicht gerade als seine Gäste zu empfangen
+braucht. Wir sind auf dem Weg zurück zu unsern Königreichen, aber
+wir verweilen, um die Königin Sudarschana aus der Knechtschaft und
+Entwürdigung zu befreien, zu der sie hier verdammt ist.
+
+_Bote_
+
+Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, daß die Prinzessin in ihres
+Vaters Hause ist.
+
+_Kantschi_
+
+Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres Vaters bleiben, als sie
+unvermählt ist.
+
+_Bote_
+
+Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres Vaters bleiben unverändert
+bestehen.
+
+_Kantschi_
+
+Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden entsagt.
+
+_Bote_
+
+Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann diesseits des Grabes niemals
+entsagt werden: sie mag zu Zeiten außer Kraft treten, kann jedoch nie
+ganz abgebrochen werden.
+
+_Kantschi_
+
+Entschließt sich der König nicht, mir seine Tochter auf friedlichem Wege
+herauszugeben, so wird mich das Gebot der Ritterpflicht nötigen, Gewalt
+anzuwenden. Du kannst das für mein letztes Wort nehmen.
+
+_Bote_
+
+Euer Hoheit wollen nicht vergessen, daß auch unser König an die
+Ritterpflicht gebunden ist. Ihr erwartet umsonst, daß er seine Tochter
+nur auf eure Drohungen hin ausliefern wird.
+
+_Kantschi_
+
+Sag deinem König, daß ich auf solch eine Antwort gefaßt war, als ich
+herkam.
+
+Der Bote geht ab.
+
+_Suvarna_
+
+König von Kantschi, es scheint mir, daß wir zu viel wagen.
+
+_Kantschi_
+
+Was für ein Vergnügen böte dieses Abenteuer, wenn es anders wäre?
+
+_Suvarna_
+
+Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum Kampf herauszufordern --
+aber...
+
+_Kantschi_
+
+Wenn du erst anfängst, dich vor »Aber« zu fürchten, wirst du in dieser
+Welt kaum einen Platz finden, der sicher genug für dich ist.
+
+Ein Soldat tritt auf.
+
+_Soldat_
+
+Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten, daß die Könige von
+Koschala, Avanti und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs kommen.
+(Ab.)
+
+_Kantschi_
+
+Gerade, was ich fürchtete! Die Nachricht von Sudarschanas Flucht hat
+sich überall verbreitet; jetzt wird man sich von allen Seiten um sie
+reißen und schließlich wird alles in Rauch aufgehn.
+
+_Suvarna_
+
+Es führt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind keine guten Nachrichten.
+Ich bin völlig gewiß, daß unser König selbst insgeheim die Kunde
+allenthalben verbreitet hat.
+
+_Kantschi_
+
+Nun, was soll ihm das nützen?
+
+_Suvarna_
+
+Die Gierigen werden einander in der allgemeinen Eifersucht in
+Stücke reißen -- und er wird sich die Lage zunutze machen, die Beute
+heimzuführen.
+
+_Kantschi_
+
+Nun wird es klar, warum euer König sich nie sehen läßt. Sein Kniff
+ist, sich auf allen Seiten zu vervielfachen -- die Furcht sieht ihn
+allenthalben. Aber ich will dabei bleiben, daß euer König von Kopf zu
+Fuß nichts als eitel Schwindel ist.
+
+_Suvarna_
+
+Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Güte haben, mich zu entlassen?
+
+_Kantschi_
+
+Ich kann dich nicht gehen lassen -- ich habe noch eine Verwendung für
+dich in dieser Sache.
+
+Ein Soldat tritt auf.
+
+_Soldat_
+
+Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha sind auch gekommen. Sie haben
+auf der andern Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen. (Ab.)
+
+_Kantschi_
+
+Im Anfang müssen wir alle vereinigt kämpfen. Ist erst die Schlacht mit
+Kanya Kubja vorbei, so werden wir schon einen Weg aus der Schwierigkeit
+finden.
+
+_Suvarna_
+
+Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure Pläne -- ich werde glücklich
+sein, wenn Ihr mich mir selbst überlaßt -- ich bin ein armes, niedriges
+Geschöpf -- nichts kann --
+
+_Kantschi_
+
+Sieh einmal an, König der Heuchler, Mittel und Wege sind nie von so
+hohem Range -- Straßen und Stufen und so weiter sind stets dazu da, mit
+den Füßen getreten zu werden. Der Vorteil, wenn wir Männer deiner Art in
+unsern Plänen verwenden, ist, daß wir keine Maske oder Täuschung nötig
+haben. Wenn ich mich aber mit meinem Minister zu beraten hätte, wäre es
+unsinnig, wollte ich dem Diebstahl einen weniger würdigen Namen geben
+als Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die Fürsten in Bewegung setzen
+wie Bauern auf dem Schachbrett; das Spiel ist nicht möglich, wenn
+_all_ die Schachfiguren sich wie Könige bewegen wollen!
+
+
+
+
+XII.
+
+
+Inneres des Palastes.
+
+_Sudarschana_
+
+Geht die Schlacht noch fort?
+
+_Surangama_
+
+So heftig wie je.
+
+_Sudarschana_
+
+Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater zu mir und sagte: »Du
+bist von einem König fortgelaufen, aber du hast sieben Könige dir
+nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben Stücke zu schneiden und sie
+unter die Fürsten zu verteilen.« Es wäre gut gewesen, wenn er es getan
+hätte. -- Surangama!
+
+_Surangama_
+
+Ja?
+
+_Sudarschana_
+
+Wenn dein König die Macht hätte, mich zu retten, könnte mein jetziger
+Zustand ihn ungerührt gelassen haben?
+
+_Surangama_
+
+Meine Königin, warum fragst du mich? Habe ich die Macht, für meinen
+König zu antworten? Ich weiß, mein Verstand ist nicht hell; darum wage
+ich nie über ihn zu urteilen.
+
+_Sudarschana_
+
+Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt?
+
+_Surangama_
+
+Alle sieben Fürsten.
+
+_Sudarschana_
+
+Sonst keiner?
+
+_Surangama_
+
+Suvarna machte den Versuch zu entfliehen -- insgeheim, ehe der Kampf
+anfing --, aber Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem Lager
+verwahrt.
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, ich hätte vor langer Zeit sterben sollen! Aber, o König, mein König,
+wenn du gekommen wärest und hättest meinem Vater geholfen, dein Ruhm
+wäre darum nicht geringer! Er wäre strahlender und höher geworden. Bist
+du ganz gewiß, Surangama, daß er nicht gekommen ist?
+
+_Surangama_
+
+Ich weiß nichts sicher.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber seit ich hier bin, hatte ich plötzlich manchmal die Empfindung, als
+ob jemand unter meinem Fenster auf einer Laute spielte.
+
+_Surangama_
+
+Es wäre nicht undenkbar, daß jemand dort seiner Liebe zur Musik frönt.
+
+_Sudarschana_
+
+Es ist dort ein dichtes Gebüsch unter meinem Fenster -- ich versuche
+jedesmal, wenn ich die Musik höre, herauszubekommen, wer es ist, aber
+ich kann nichts deutlich unterscheiden.
+
+_Surangama_
+
+Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und spielt auf dem Instrument.
+
+_Sudarschana_
+
+Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast kommt mir ins Gedächtnis
+zurück. Ich kam gewöhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet
+hatte, und stand an meinem Fenster, und aus dem blinden Dunkel
+des lichtlosen Ortes unsrer Begegnungen strömten dann Akkorde und
+Gesänge und Melodien heraus und tanzten und zitterten in endloser
+Folge und überfließender Verschwendung, wie die leidenschaftliche
+Überschwänglichkeit eines unversieglichen Springquells.
+
+_Surangama_
+
+O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles Dunkel, dessen Dienerin ich
+war!
+
+_Sudarschana_
+
+Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach?
+
+_Surangama_
+
+Weil ich wußte, er würde uns folgen und uns zurückholen.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber nein, er wird nicht kommen -- er hat uns für immer verlassen. Warum
+sollte er nicht?
+
+_Surangama_
+
+Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann bedürfen wir seiner nicht.
+Dann ist er für uns nicht da: dann ist jene dunkle Kammer völlig leer
+und öde -- keine Laute hauchte dort je ihre Musik -- niemand rief dich
+oder mich in jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen und ein
+eitler Traum.
+
+Der Türhüter tritt auf.
+
+_Sudarschana_
+
+Wer bist du?
+
+_Türhüter_
+
+Ich bin der Pförtner dieses Palastes.
+
+_Sudarschana_
+
+Sag mir rasch, was du zu sagen hast.
+
+_Türhüter_
+
+Unser König ist gefangen genommen worden.
+
+_Sudarschana_
+
+Gefangen? O Mutter Erde!
+
+Sie wird ohnmächtig.
+
+
+
+
+XIII.
+
+
+König von Kantschi und Suvarna.
+
+_Suvarna_
+
+Ihr sagt also, daß keine Notwendigkeit irgendeines Kampfes unter euch
+selbst mehr besteht?
+
+_Kantschi_
+
+Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe alle Fürsten dazu
+gebracht, sich einverstanden zu erklären, daß der, den die Königin als
+Gemahl erwählt, sie bekommen soll, und die andern werden auf jeden
+weiteren Kampf verzichten.
+
+_Suvarna_
+
+Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr, Euer Hoheit -- so flehe ich Euch
+an: entlaßt mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin, hat die Furcht
+vor drohender Gefahr mich entnervt und meinen Verstand betäubt. Es wird
+Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu verwenden.
+
+_Kantschi_
+
+Du wirst dasitzen und mir als Schirmträger dienen.
+
+_Suvarna_
+
+Euer Diener ist zu allem bereit; aber was für einen Nutzen wird Euch das
+bringen?
+
+_Kantschi_
+
+Mann, ich sehe, daß dein Verstand zu schwach ist, um mit einem hohen
+Ehrgeiz zusammenzugehen. Du hast noch nicht bemerkt, mit welcher
+Gunst die Königin auf dich gesehen hat. Schließlich kann sie in einer
+Gesellschaft von Fürsten einem Schirmträger nicht gut den Brautkranz
+um den Nacken legen, und doch, ich weiß, sie wird nicht imstande sein,
+ihren Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden Fall dieser Kranz unter
+den Schatten meines königlichen Schirmes fallen.
+
+_Suvarna_
+
+Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefährliche Phantasien. Ich
+bitte Euch inständig, verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser
+Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz demütig, setzt mich in
+Freiheit.
+
+_Kantschi_
+
+Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir nicht einen Augenblick mehr
+deine Freiheit vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so ist es
+unnütz, sich mit den Mitteln zu beschweren.
+
+
+
+
+XIV.
+
+
+Sudarschana und Surangama am Fenster.
+
+_Sudarschana_
+
+Muß ich also in die Versammlung der Fürsten gehn? Gibt es kein anderes
+Mittel, meines Vaters Leben zu retten?
+
+_Surangama_
+
+Der König von Kantschi hat es gesagt.
+
+_Sudarschana_
+
+Sind das Worte, die eines Königs würdig sind? Sagte er das mit seinem
+eigenen Munde?
+
+_Surangama_
+
+Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht.
+
+_Sudarschana_
+
+Weh, weh über mich!
+
+_Surangama_
+
+Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor und sagte: »Sag deiner
+Königin, daß diese Andenken an das Frühlingsfest, je trockener und
+verwelkter sie werden, um so frischer und blühender in meinem Herzen
+wachsen.«
+
+_Sudarschana_
+
+Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich nicht länger.
+
+_Surangama_
+
+Sieh! Da sitzen die Fürsten alle in der großen Versammlung. Der keinen
+Schmuck an sich hat, außer dem einzigen Blumenkranz um seine Krone --
+das ist der König von Kantschi. Und der den Schirm über sein Haupt hält
+und hinter ihm steht -- das ist Suvarna.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher?
+
+_Surangama_
+
+Ja, ich kenne ihn gut.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist es möglich, daß das der Mann ist, den ich damals sah? Nein, nein --
+ich sah etwas, das war gemischt aus Licht und Dunkel, aus Windhauch und
+Duft -- nein, nein, er kann es nicht sein; das ist er nicht.
+
+_Surangama_
+
+Aber alle geben zu, daß er ausnehmend schön ist.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie konnte _diese_ Schönheit mich bezaubern? Oh, was soll ich tun, um
+meine Augen von der Befleckung zu reinigen?
+
+_Surangama_
+
+Du wirst sie in jenem unergründlichen Dunkel baden müssen.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber sage mir, Surangama, warum begeht man solche Fehler?
+
+_Surangama_
+
+Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen Vernichtung.
+
+_Bote_ (eintretend)
+
+Prinzessin, die Könige warten in der Halle auf Euch.
+
+Ab.
+
+_Sudarschana_
+
+Surangama, bring mir den Schleier. (Surangama geht hinaus.) O König,
+mein einziger König! Du hast mich allein gelassen, und du hast ganz
+recht daran getan. Aber willst du nicht die innerste Wahrheit meiner
+Seele erfahren?
+
+Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor.
+
+Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen -- ich werde ihn heute im
+Staub der Halle, vor all diesen Fürsten, zum Opfer bringen! Aber werde
+ich dir nie sagen können, daß die geheime Kammer meines Herzens durch
+keine Treulosigkeit befleckt ist? Die dunkle Kammer, wo du mich zu
+besuchen pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem Busen -- doch, o
+mein Herr! keiner hat ihre Tore geöffnet, keiner ist in sie eingegangen
+als du, o König! Wirst du nie mehr kommen, um diese Tore zu öffnen? Dann
+laß den Tod kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine Züge sind schön
+wie deine. Er ist du -- du bist es selbst, o König!
+
+
+
+
+XV.
+
+
+Die Versammlung der Fürsten.
+
+_Vidarbha_
+
+König von Kantschi, wie kommt es, daß du nicht ein einziges Schmuckstück
+an dir hast?
+
+_Kantschi_
+
+Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein Freund. Schmuckstücke würden
+die Schmach meiner Niederlage nur verdoppeln.
+
+_Kalinga_
+
+Aber dein Schirmträger scheint sich dafür ausstaffiert zu haben -- er
+ist über und über mit Gold und Edelsteinen beladen.
+
+_Virat_
+
+Der König von Kantschi will die Nutzlosigkeit und Minderwertigkeit
+äußerer Schönheit und Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine
+Mannestugenden hat ihn vermocht, alle äußeren Verschönerungen von seinen
+Gliedern zu entfernen.
+
+_Koschala_
+
+Ich verstehe seine List schon; er sucht seine eigene Würde zu zeigen,
+indem er unter den mit Edelsteinen übersäten Fürsten eine strenge
+Einfachheit betont.
+
+_Pantschala_
+
+Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht rühmen. Alle Welt weiß,
+daß die Augen eines Weibes wie eine Motte sind, sie stürzen Hals über
+Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von Gold und Steinen.
+
+_Kalinga_
+
+Aber wie lange sollen wir noch warten?
+
+_Kantschi_
+
+Werde nicht ungeduldig, König von Kalinga -- je später die Ernte, desto
+süßer die Frucht.
+
+_Kalinga_
+
+Wäre ich der Frucht sicher, so könnte ich es aushalten. Weil jedoch
+meine Hoffnung, die Frucht zu schmecken, äußerst zweifelhaft ist, will
+sich meine Begier, ihren Anblick zu genießen, nicht zügeln lassen.
+
+_Kantschi_
+
+Aber du bist noch jung -- aufgegebene Hoffnung kommt in deinen Jahren
+wieder und wieder zu dir zurück wie ein schamloses Weib: wir indessen
+haben diese Stufe lange hinter uns.
+
+_Koschala_
+
+Kantschi, spürtest du nicht jetzt eben etwas, als ob jemand an deinem
+Sessel rüttelte? Ist es ein Erdbeben?
+
+_Kantschi_
+
+Erdbeben? Ich weiß nichts davon.
+
+_Vidarbha_
+
+Oder vielleicht zieht noch ein Fürst mit seinen Bewaffneten daher.
+
+_Kalinga_
+
+Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur hätten wir dann vorher die
+Nachricht erst von einem Herold oder Boten vernehmen müssen.
+
+_Vidarbha_
+
+Ich kann dies nicht für ein Zeichen guter Vorbedeutung nehmen.
+
+_Kantschi_
+
+Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte Vorbedeutung aus.
+
+_Vidarbha_
+
+Ich fürchte keinen außer dem Schicksal, vor dem Tapferkeit oder
+Heldenmut so unnütz wie sinnlos ist.
+
+_Pantschala_
+
+Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen nicht einen
+Schatten auf die glücklichen Geschehnisse dieses Tages!
+
+_Kantschi_
+
+Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung, bis es sichtbar geworden ist.
+
+_Vidarbha_
+
+Aber dann könnte es zu spät sein, etwas zu tun.
+
+_Pantschala_
+
+Sind wir nicht alle in einem besonders verheißungsvollen Augenblick ans
+Werk gegangen!?
+
+_Vidarbha_
+
+Glaubst du dadurch, daß du in verheißungsvollen Augenblicken ans Werk
+gehst, gegen jede mögliche Gefahr versichert zu sein? Es sieht aus, als
+ob --
+
+_Kantschi_
+
+Du würdest besser das »Als ob« zu Hause lassen: es ist zwar unsre eigene
+Schöpfung, erweist sich aber oft als unser Verderben und Untergang.
+
+_Kalinga_
+
+Ist da nicht Musik irgendwo draußen?
+
+_Pantschala_
+
+Ja, es klingt wirklich wie Musik.
+
+_Kantschi_
+
+Dann muß es endlich die Königin Sudarschana sein, die naht. (Beiseite
+zu Suvarna.) Suvarna, du mußt dich nicht so hinter mir ducken und dich
+verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner Hand zittert ja!
+
+Großvater tritt ein, in kriegerischer Rüstung.
+
+_Kalinga_
+
+Wer ist das? -- Wer bist du?
+
+_Pantschala_
+
+Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese Halle zu treten?
+
+_Virat_
+
+Unerhörte Frechheit! Kalinga, hindre doch den Kerl, näher heranzukommen.
+
+_Kalinga_
+
+Ihr seid alle älter als ich -- ihr seid berufener das zu tun, als ich.
+
+_Vidarbha_
+
+Wir wollen hören, was er zu sagen hat.
+
+_Großvater_
+
+Der _König_ ist gekommen.
+
+_Vidarbha_ (aufspringend)
+
+Der König?
+
+_Pantschala_
+
+Welcher König?
+
+_Kalinga_
+
+Woher kommt er?
+
+_Großvater_
+
+Mein König!
+
+_Virat_
+
+Dein König?
+
+_Kalinga_
+
+Wer ist das?
+
+_Koschala_
+
+Was meinst du?
+
+_Großvater_
+
+Ihr wißt alle, wen ich meine. Er ist gekommen.
+
+_Vidarbha_
+
+Er ist gekommen?
+
+_Koschala_
+
+In welcher Absicht?
+
+_Großvater_
+
+Er ladet euch alle vor sich.
+
+_Kantschi_
+
+Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher Form hat es ihm beliebt, uns
+vorzuladen?
+
+_Großvater_
+
+Ihr könnt seinen Ruf auf jede Art nehmen, ganz nach Belieben -- niemand
+wird euch hindern -- er ist auf jede Art der Begrüßung gerüstet, um
+jedem Geschmack zu genügen.
+
+_Virat_
+
+Aber wer bist du?
+
+_Großvater_
+
+Ich bin einer seiner Generale.
+
+_Kantschi_
+
+General! Eine Lüge ist es! Denkst du, uns zu schrecken? Bildest du dir
+ein, ich könnte nicht durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir kennen
+dich alle gut -- und du spielst dich vor uns als »General« auf!
+
+_Großvater_
+
+Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist so unwürdig wie ich, Träger
+der Befehle meines Königs zu sein? Und doch ist er es, der mich mit
+dieser Generalsrüstung bekleidet und hierher gesandt hat; er hat mich
+vor größeren Generalen und mächtigeren Kriegern erwählt.
+
+_Kantschi_
+
+Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit kommen und bezeigen,
+was Schicklichkeit und Freundwilligkeit erfordern -- aber gegenwärtig
+sind wir mitten in einem dringenden Geschäft. Er wird warten müssen, bis
+diese kleine Angelegenheit erledigt ist.
+
+_Großvater_
+
+Wenn er seinen Ruf ergehen läßt, wartet er nicht.
+
+_Koschala_
+
+Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort.
+
+_Vidarbha_
+
+Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten, bis diese Angelegenheit
+erledigt ist, nicht zustimmen. Ich gehe.
+
+_Kalinga_
+
+Ihr seid älter als ich -- ich folge euch.
+
+_Pantschala_
+
+Sieh hinter dich, Fürst von Kantschi, dein königlicher Schirm liegt im
+Staub: du hast nicht beachtet, wie dein Schirmträger sich fortgestohlen
+hat.
+
+_Kantschi_
+
+Wohlan, General. Auch ich gehe -- aber nicht, um ihm Huldigung zu
+leisten. Ich gehe, auf dem Schlachtfeld mit ihm zu kämpfen.
+
+_Großvater_
+
+Du wirst meinen König auf dem Schlachtfeld treffen: das ist kein
+unwürdiger Platz für deinen Empfang.
+
+_Virat_
+
+Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle vor einem
+Schreckgespenst -- es sieht so aus, als ob der König von Kantschi den
+Vorteil davon haben sollte.
+
+_Pantschala_
+
+Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist es feige und töricht,
+fortzugehen, ohne sie zu pflücken.
+
+_Kalinga_
+
+Es ist besser, sich dem König von Kantschi anzuschließen. Er muß einen
+bestimmten Plan und Zweck haben, wenn er soviel wagt.
+
+
+
+
+XVI.
+
+
+Sudarschana und Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Der Kampf ist nun aus. Wann wird der König kommen?
+
+_Surangama_
+
+Ich weiß es selbst nicht: ich sehe auch seinem Kommen entgegen.
+
+_Sudarschana_
+
+Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama, daß mir die Brust
+tatsächlich weh tut. Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll ich
+ihm mein Gesicht zeigen?
+
+_Surangama_
+
+Geh zu ihm in äußerster Demut und Entsagung, und alle Scham wird im Nu
+verschwinden.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich muß nun schon bekennen, daß ich die äußerste Demütigung für mein
+ganzes übriges Leben gefunden habe. Aber der Stolz war schuld, daß
+ich so lange den größten Anteil an seiner Liebe begehrte. Alle Welt
+sagte immer, ich besäße eine so wunderbare Schönheit, solche Reize und
+Tugenden; alle Welt sagte immer, der König zeigte unbegrenzte Güte gegen
+mich -- das macht es für mich so schwer, mein Herz in Demut vor ihm zu
+beugen.
+
+_Surangama_
+
+Diese Schwierigkeit, meine Königin, wird vergehen.
+
+_Sudarschana_
+
+O ja, sie wird vergehen -- der Tag ist für mich gekommen, mich vor
+der ganzen Welt zu demütigen. Aber warum kommt der König nicht, mich
+zurückzuholen? Worauf wartet er noch?
+
+_Surangama_
+
+Habe ich dir nicht gesagt, daß mein König grausam und hart ist -- sehr
+hart fürwahr?
+
+_Sudarschana_
+
+Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht von ihm.
+
+_Surangama_
+
+Ich weiß nicht, wohin ich gehen sollte, um etwas von ihm zu erfahren.
+Ich habe Großvater gebeten, zu kommen; vielleicht hören wir, wenn er
+kommt, etwas von ihm.
+
+_Sudarschana_
+
+Ach, mein böses Geschick! Es ist so weit mit mir gekommen, daß ich andre
+fragen muß, um etwas von meinem eignen König zu hören!
+
+Großvater tritt ein.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe gehört, daß du der Freund meines Königs bist, so laß mich dir
+Ehrfurcht bezeugen und gib mir deinen Segen.
+
+_Großvater_
+
+Was tust du, Königin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen an. Ich will
+nichts weiter als jedermanns Kamerad sein.
+
+_Sudarschana_
+
+So schenk mir denn ein freundlich Lächeln -- gib mir gute Kunde. Sag
+mir, wann der König kommt, mich zurückzuholen.
+
+_Großvater_
+
+Du fragst mich eine schwere Frage, fürwahr! Ich verstehe noch kaum die
+Wege meines Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber niemand kann
+sagen, wohin er gegangen ist.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist er denn fortgegangen?
+
+_Großvater_
+
+Ich kann hier keine Spur von ihm finden.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist er gegangen? Und nennst du solch einen deinen Freund?
+
+_Großvater_
+
+Deshalb schmähen und verdächtigen ihn die Leute. Aber mein König kümmert
+sich einfach nicht im geringsten darum.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie grausam, wie grausam! Er ist
+aus Stein, er ist hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem Herzen
+zu bewegen -- es ist zerrissen und blutet -- aber ihn konnte ich nicht
+einen Zoll bewegen! Großvater, sag mir, wie kannst du mit solch einem
+Freund auskommen?
+
+_Großvater_
+
+Ich kenne ihn nun -- ich habe ihn in meinen Leiden und Freuden
+kennengelernt -- er kann mich nicht mehr zum Weinen bringen.
+
+_Sudarschana_
+
+Wird er sich mir nicht auch zu erkennen geben?
+
+_Großvater_
+
+Gewiß wird er das, natürlich. Er wird nicht eher ruhen.
+
+_Sudarschana_
+
+Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er sein kann! Ich werde hier am
+Fenster stehen, ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht einen Zoll
+von der Stelle rühren; ich will sehen, ob er nicht kommt!
+
+_Großvater_
+
+Du bist noch jung -- du kannst es dir leisten, auf ihn zu warten; aber
+für mich alten Mann ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche. Ich
+muß hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn finde oder nicht.
+
+Ab.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich brauche ihn nicht -- ich will ihn nicht suchen! Surangama, ich
+bedarf deines Königs nicht! Warum kämpfte er mit den Fürsten? Geschah es
+überhaupt für mich? Wollte er sein Heldentum und seine Stärke zur Schau
+stellen? Geh fort von hier -- ich kann deinen Anblick nicht ertragen. Er
+hat mich in den Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden!
+
+
+
+
+XVII.
+
+
+Eine Schar von Bürgern.
+
+_Erster Bürger_
+
+Als so viele Könige zusammentrafen, dachten wir, es würde eine rechte
+Kurzweil für uns geben; aber irgendwie nahm alles eine solche Wendung,
+daß niemand weiß, was überhaupt geschehen ist!
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Saht ihr nicht, daß sie untereinander zu keiner Verständigung kommen
+konnten? -- jeder mißtraute dem andern.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Keiner hielt sich an ihre ursprünglichen Pläne; einer wollte vorrücken,
+ein anderer hielt den Rückzug für die bessere Politik; einige wandten
+sich nach rechts, andere liefen Sturm nach links: wie kann man das eine
+Schlacht heißen?
+
+_Erster Bürger_
+
+Sie hatten keinen Sinn für wirklichen Kampf -- jeder hatte seine Augen
+auf den andern.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Jeder dachte: »Warum sollte ich sterben, um es den andern zu
+ermöglichen, die Ernte einzuheimsen?«
+
+_Dritter Bürger_
+
+Aber ihr müßt alle zugeben: Kantschi kämpfte wie ein wirklicher Held.
+
+_Erster Bürger_
+
+Er schien noch lange, nachdem er geschlagen war, nicht gewillt, seine
+Niederlage anzuerkennen.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Zuletzt wurde ihm von einem tödlichen Wurfgeschoß die Brust durchbohrt.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Aber vorher schien er nicht gewahren zu wollen, daß er bei jedem Schritt
+Boden verloren hatte.
+
+_Erster Bürger_
+
+Die andern Könige aber -- nun, keiner weiß, wohin sie geflohen sind; den
+armen Kantschi ließen sie allein auf dem Feld.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Aber ich habe gehört, er sei noch nicht tot.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Nein, die Ärzte haben ihn gerettet -- aber er wird den Stempel seiner
+Niederlage bis zum Tag seines Todes auf der Brust tragen.
+
+_Erster Bürger_
+
+Keiner von den andern Königen, die flohen, ist entkommen; sie sind alle
+gefangengenommen worden. Aber was ist das für eine Sorte Justiz, die an
+ihnen geübt wurde?
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Ich habe gehört, daß jeder bestraft wurde, mit Ausnahme von Kantschi,
+dem der Richter auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz zu seiner
+Rechten anwies und ihm eine Krone aufs Haupt setzte.
+
+_Dritter Bürger_
+
+So etwas Unfaßbares ist noch nicht dagewesen.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt uns launisch und
+grillenhaft vor.
+
+_Erster Bürger_
+
+So ist es. Der größte Sünder ist ganz gewiß der König von Kantschi; die
+andern trieb einmal Gewinngier vorwärts, und das andre Mal zog sie die
+Furcht zurück.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Was für eine Sorte Justiz ist das, frage ich? Es ist, wie wenn der Tiger
+ungestraft davonkäme, während sein Schwanz abgeschnitten würde.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Wenn ich der Richter wäre, glaubt ihr, Kantschi liefe zur Stunde heil
+und gesund herum? Nicht das geringste wäre mehr von ihm übrig.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Das sind große Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne haben ein andres
+Gepräge wie unsre.
+
+_Erster Bürger_
+
+Haben sie überhaupt ein Hirn, möcht' ich wissen? Sie frönen einfach
+ihren Launen, da keiner über ihnen ist, der ihnen etwas sagen dürfte.
+
+_Zweiter Bürger_
+
+Ihr könnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt in unsern
+Händen wäre, hätten wir sicher die Regierung besser geführt als so.
+
+_Dritter Bürger_
+
+Kann darüber überhaupt noch Zweifel bestehen? Das versteht sich
+natürlich von selbst.
+
+
+
+
+XVIII.
+
+
+Die Straße. Großvater und Kantschi.
+
+_Großvater_
+
+Wie, Fürst von Kantschi, du hier?
+
+_Kantschi_
+
+Dein König hat mich auf die Straße geschickt.
+
+_Großvater_
+
+Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm.
+
+_Kantschi_
+
+Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken.
+
+_Großvater_
+
+Auch das gehört zu seinen Vergnügungen.
+
+_Kantschi_
+
+Aber wie lange will er mir noch so ausweichen? Als nichts mich dazu
+bringen konnte, ihn als meinen König anzuerkennen, kam er plötzlich
+daher wie ein schrecklich gewaltiger Sturm -- Gott weiß, woher -- und
+zersprengte meine Leute und Pferde und Banner in einen einzigen wilden
+Aufruhr: nun aber, wo ich die Grenzen der Erde absuche, um ihm meine
+demütige Huldigung zu erweisen, ist er nirgends zu sehen.
+
+_Großvater_
+
+Aber wie groß er als König auch sein mag, er hat sich dem zu fügen, der
+sich unterwirft. Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert, Fürst?
+
+_Kantschi_
+
+Ich kann ein geheimes Gefühl der Angst noch nicht loswerden, die Leute
+könnten mich auslachen, wenn sie sehen, wie ich euerm König demütig
+meine Huldigung darbringe und meine Niederlagen anerkenne.
+
+_Großvater_
+
+So sind die Leute in der Tat. Was andre zu Tränen rühren würde, dient
+nur dazu, ihr leeres Lachen hervorzurufen.
+
+_Kantschi_
+
+Aber du bist auch auf der Straße, Großvater.
+
+_Großvater_
+
+Ich bin auf der fröhlichen Pilgerfahrt zu dem Land, wo man alles
+verliert.
+
+_Gesang des Großvaters_
+
+ Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren.
+ Ich laure am Straßenrand auf den, der einen hinaus auf die Straße
+ schickt,
+ Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt,
+ Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben,
+ Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren.
+
+
+
+
+XIX.
+
+
+Eine Straße. Sudarschana und Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Welche Erlösung, Surangama, welche Freiheit! Meine Niederlage ist es,
+die mir die Freiheit gebracht hat. Oh, was besaß ich für einen ehernen
+Stolz! Nichts konnte ihn rühren oder erweichen. Mein verfinsterter Geist
+konnte auf keine Weise dazu gebracht werden, die schlichte Wahrheit zu
+sehen, daß nicht der König zu kommen hatte, sondern daß ich zu ihm gehen
+sollte. Die ganze Nacht hindurch gestern lag ich allein im Staub auf
+dem Boden am Fenster -- lag da trostlose Stunden lang und weinte! Die
+ganze Nacht bliesen die Südwinde und schrien und stöhnten wie die Qual,
+die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch hörte ich das klagende:
+»Sprich, Weib!« des Nachtvogels, das in dem Aufruhr draußen als Echo
+tönte!... Es war das hilflose Wehklagen der dunklen Nacht, Surangama!
+
+_Surangama_
+
+Die schwere melancholische Weise der letzten Nacht schien eine Ewigkeit
+forttönen zu wollen -- oh, welch trübe düstere Nacht!
+
+_Sudarschana_
+
+Aber willst du es glauben -- mir war, ich hörte die sanften Akkorde
+der Laute durch all den wilden Lärm und Aufruhr strömen! Konnte er so
+süße und zarte Weisen spielen, er, der so grausam und schrecklich ist?
+Die Welt kennt nur meine Entwürdigung und Schmach -- aber keiner als
+mein eigenes Herz konnte diese Akkorde hören, die durch die einsame und
+klagende Nacht hin nach mir riefen. Hörtest du, Surangama, diese Laute
+auch? Oder war das nur ein Traum von mir?
+
+_Surangama_
+
+Aber eben um die Musik dieser Laute zu hören, bin ich ja immer an deiner
+Seite. Auf diesen Ruf der Musik, von dem ich wußte, er würde eines Tages
+kommen und all die Schranken der Liebe zunichte machen, habe ich mit
+gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht.
+
+_Sudarschana_
+
+Schließlich schickte er mich auf die Landstraße -- ich konnte seinem
+Willen nicht widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die ersten Worte
+sein, die ich ihm sage: »Ich bin freiwillig gekommen -- ich habe nicht
+abgewartet, bis du kamst.« Ich werde sagen: »Um deinetwillen bin ich die
+harten beschwerlichen Straßen gewandert, und bitter und unaufhörlich war
+auf dem ganzen Weg mein Weinen.« Ich werde wenigstens diesen Stolz in
+mir haben, wenn ich zu ihm komme.
+
+_Surangama_
+
+Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er kam vor dir -- wer sonst
+hätte dich auf die Straße schicken können?
+
+_Sudarschana_
+
+Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefühl gekränkten Stolzes in
+mir war, mußte ich glauben, er hätte mich für immer verlassen; aber
+als ich meine Würde und meinen Stolz in die Winde schleuderte und auf
+die gemeinen Straßen hinausging, da schien es mir, als wäre auch er
+herausgekommen: ich habe angefangen, ihn zu finden, seit ich auf der
+Straße bin. Ich fürchte nun nichts mehr. All diese Leiden, durch die
+ich um seinetwillen hindurchgegangen bin, gerade die Bitterkeit all
+dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist gekommen, er hat mich
+bei der Hand genommen, gerade wie er es in jener Kammer der Dunkelheit
+gern tat, wo bei seiner Berührung all mein ganzer Leib in plötzlicher
+Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berührung wieder! Wer sagt, er
+sei nicht hier? -- Surangama, kannst du nicht sehen, daß er gekommen
+ist, schweigend und insgeheim?... Wer ist jener dort? Sieh, Surangama,
+dort ist ein dritter Wanderer auf dieser dunklen Straße zu dieser
+nächtlichen Stunde.
+
+_Surangama_
+
+Ich sehe, es ist der König von Kantschi, meine Königin.
+
+_Sudarschana_
+
+Der König von Kantschi!
+
+_Surangama_
+
+Fürchte dich nicht, meine Königin!
+
+_Sudarschana_
+
+Fürchten! Warum sollte ich mich fürchten? Die Tage der Furcht sind für
+mich für immer vorbei.
+
+_Kantschi_ (tritt auf)
+
+Mütterchen Königin, ich sehe euch beide auf dieser Straße! Ich bin ein
+Wanderer auf demselben Weg wie du. Habe keine Furcht vor mir, o Königin!
+
+_Sudarschana_
+
+Es ist gut, König von Kantschi, daß wir zusammen gehen, Seite an Seite
+-- das ist nur in Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst mein
+Heim verließ, und nun begegne ich dir wieder auf dem Rückweg. Wer hätte
+sich träumen lassen, daß diese unsre Begegnung voll so guter Verheißung
+war?
+
+_Kantschi_
+
+Aber, Mütterchen Königin, es gebührt sich nicht, daß du zu Fuß über
+diese Straße wanderst. Willst du mir gestatten, einen Wagen für dich zu
+besorgen?
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, sage das nicht: ich wäre nie wieder glücklich, wenn ich nicht auf
+meinem Rückweg nach Hause auf den Staub der Straße treten könnte, die
+mich von meinem König weggeführt hat. Ich würde mich selbst betrügen,
+wenn ich jetzt in einem Wagen fahren würde.
+
+_Surangama_
+
+König, auch du wanderst heute im Staub: diese Straße hat niemals einen
+gekannt, der Pferd oder Wagen über sie gelenkt hätte.
+
+_Sudarschana_
+
+Als ich die Königin war, schritt ich auf Silber und Gold -- ich habe nun
+für das Unglück meiner königlichen Geburt zu büßen, indem ich auf Staub
+und nackter Erde wandre. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß ich
+heute bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub der Erde meinen König
+finden würde.
+
+_Surangama_
+
+Sieh, meine Königin, dort im Osten dämmert der Morgen. Wir haben nicht
+mehr lange zu wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen Türme des
+Königspalastes.
+
+Der Großvater tritt auf.
+
+_Großvater_
+
+Mein Kind, es tagt -- endlich!
+
+_Sudarschana_
+
+Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben, und hier bin ich nun.
+
+_Großvater_
+
+Aber siehst du, was für schlechte Manieren unser König hat? Er hat
+keinen Wagen geschickt, keine Musik, nichts von Glanz und Pracht.
+
+_Sudarschana_
+
+Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der Himmel ist rosig und
+purpurn über und über, und die Luft ist voll von dem Willkommgruß der
+Blumendüfte.
+
+_Großvater_
+
+Ja, aber so grausam unser König sein mag, dürfen wir doch nicht suchen,
+mit ihm zu wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht erwehren, wenn
+ich dich in diesem Zustand sehe, mein Kind. Wie können wir ertragen,
+dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet in den Königspalast
+eingehn zu sehen? Warte etwas -- ich laufe und hole dir deine
+Königsgewänder.
+
+_Sudarschana_
+
+O nein, nein, nein! Er hat diese Königskleider für immer von mir
+genommen -- er hat mich vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid einer
+Magd gekleidet: welche Erlösung ist das für mich gewesen! Ich bin nun
+seine Magd, nicht länger seine Königin. Heute stehe ich tiefer als alle
+die, die irgendeine Verwandtschaft mit ihm beanspruchen können.
+
+_Großvater_
+
+Aber deine Feinde werden nun über dich lachen: wie kannst du ihren Spott
+ertragen?
+
+_Sudarschana_
+
+Laß ihr Gelächter und ihren Spott unauslöschlich sein -- laß sie auf den
+Straßen Staub nach mir werfen: dieser Staub wird heute der Puder sein,
+mit dem ich mich schmücken will, ehe ich meinem Herrn entgegentrete.
+
+_Großvater_
+
+Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun wollen wir das letzte Spiel
+unsres Frühlingsfestes spielen -- anstatt mit Blütenstaub soll der
+Südwind alles mit dem Staub der Demut überschütten! Wir werden zum Herrn
+gehen, gekleidet in das gemeine Grau des Staubes. Und wir werden auch
+ihn über und über mit Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die Leute
+schonen ihn? Selbst er kann ihren schmutzigen und staubigen Händen
+nicht entgehen, und er denkt nicht einmal daran, den Schmutz von seinen
+Kleidern zu bürsten.
+
+_Kantschi_
+
+Großvater, vergiß mich nicht in deinem Spiel! Ich will auch dies mein
+Königsgewand beschmutzen lassen, bis es nicht mehr zu erkennen ist.
+
+_Großvater_
+
+Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder. Nun du so tief
+heruntergekommen bist, wirst du deine Farbe in kürzester Frist wechseln.
+Sieh nur unsre Königin an -- sie geriet in Zorn gegen sich selbst und
+dachte, sie könnte ihre unvergleichliche Schönheit zerstören, indem
+sie all ihren Schmuck wegwarf: aber diese Beleidigung ihrer Schönheit
+ließ sie in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist sie in dieser
+Schmucklosigkeit zur Vollendung gelangt. Unser König selbst ist
+gestaltlos und ohne Schönheit, darum liebt er sie in seinen mannigfachen
+Erscheinungen als seinen höchsten Schmuck. Und diese Schönheit hat heute
+den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan! Was gäbe ich nicht darum,
+wenn ich die wunderbare Musik und den Gesang hören dürfte, der heute
+meines Königs Palast erfüllt!
+
+_Surangama_
+
+Seht, dort geht die Sonne auf!
+
+
+
+
+XX.
+
+
+Die dunkle Kammer.
+
+_Sudarschana_
+
+Herr, gib mir die Ehre nicht zurück, die du mir einmal genommen hast!
+Ich bin die Magd deiner Füße -- ich suche kein andres Vorrecht, als dir
+zu dienen.
+
+_König_
+
+Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen?
+
+_Sudarschana_
+
+O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stieß mich zurück, weil ich dich
+im Lustgarten, in meinen fürstlichen Gemächern gesucht hatte: da sieht
+noch dein geringster Diener gefälliger aus als du. Dieses Fieber des
+Verlangens hat meine Augen für immer verlassen. Du bist nicht schön, o
+Herr -- du stehst über allem Vergleich!
+
+_König_
+
+Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir selbst.
+
+_Sudarschana_
+
+Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich. Deine Liebe lebt in
+mir -- du wirst gespiegelt in dieser Liebe, und du siehst dein Antlitz
+abgebildet in mir: nichts davon mein, es ist alles dein, o Herr!
+
+_König_
+
+Ich öffne heute die Tür dieser dunklen Kammer -- das Spiel hier ist zu
+Ende! Komm, komm jetzt mit mir, komm hinaus -- _ins Licht_!
+
+_Sudarschana_
+
+Ehe ich gehe, laß mich dir zu Füßen mich beugen, o Herr des Dunkels, du
+Grausamer, Furchtbarer, Unvergleichlicher!
+
+ENDE
+
+
+Fußnote:
+
+[A] Während des indischen Frühlingsfestes bewirft man sich
+gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stück wird der rote Puder als
+Symbol der Liebesleidenschaft genommen.]
+
+
+
+
+Anmerkung zur Transkription:
+Auf Seite 19 wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklärst du du das
+ohne einen König?').
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Der König der dunklen Kammer, by
+Rabindranath Tagore
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44250 ***
diff --git a/44250-h/44250-h.htm b/44250-h/44250-h.htm
new file mode 100644
index 0000000..a1ebaa4
--- /dev/null
+++ b/44250-h/44250-h.htm
@@ -0,0 +1,5349 @@
+<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN"
+ "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd">
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de">
+ <head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=UTF-8" />
+ <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" />
+ <title>
+ The Project Gutenberg eBook of Der König der dunklen Kammer, by Rabindranath Tagore.
+ </title>
+ <link rel="coverpage" href="images/cover_ebook.jpg" />
+ <style type="text/css">
+
+body {
+ max-width: 40em;
+ margin: auto;
+}
+
+h1 {
+ text-align: center;
+ clear: both;
+ line-height: 1.4;
+ letter-spacing: 0.2em;
+ margin-right: -0.2em;
+}
+
+h2 {
+ text-align: center;
+ clear: both;
+}
+
+p {
+ margin-left: 2em;
+ margin-right: 3em;
+ margin-top: .51em;
+ text-align: justify;
+ margin-bottom: .49em;
+}
+
+hr.chap {
+ width: 65%;
+ margin-top: 2em;
+ margin-bottom: 2em;
+ margin-left: auto;
+ margin-right: auto;
+ clear: both;
+}
+
+table {
+ margin-left: auto;
+ margin-right: auto;
+}
+
+a[title].pagenum
+{
+ position: absolute;
+ right: 3%;
+}
+
+a[title].pagenum:after
+{
+ content: attr(title);
+ border: 1px solid silver;
+ display: inline;
+ font-size: x-small;
+ text-align: right;
+ color: #808080;
+ background-color: inherit;
+ font-style: normal;
+ padding: 1px 4px 1px 4px;
+ font-variant: normal;
+ font-weight: normal;
+ text-decoration: none;
+ text-indent: 0;
+ letter-spacing: 0;
+}
+
+.center {text-align: center;}
+
+.gesperrt {
+ letter-spacing: 0.2em;
+ margin-right: -0.2em;
+}
+
+em.gesperrt {
+ font-style: normal;
+}
+
+.title {
+ letter-spacing: 0.2em;
+ text-align: center;
+ font-size: larger;
+ line-height: 1.6;
+ font-weight: bold;
+}
+
+.footnote {margin-left: 10%; margin-right: 10%; font-size: 0.9em;}
+
+.fnanchor {
+ vertical-align: super;
+ font-size: .8em;
+ text-decoration:
+ none;
+}
+
+.verse {
+ text-indent: -2em;
+ margin-left: 4em;
+ text-align: left;
+}
+
+.space-above {
+ margin-top: 8em;
+}
+
+.klammer {
+ border-left: thin solid black;
+ padding:1em;
+}
+
+.character {
+ text-align: center;
+ font-style: italic;
+ page-break-after: avoid;
+}
+
+.character_inline {
+ font-style: italic;
+}
+
+.regie {
+ text-align: center;
+ font-style: normal;
+ font-size: smaller;
+}
+.regie_inline {
+ font-style: italic;
+}
+
+.u {
+ text-decoration: underline;
+}
+
+.transcribers-note {
+ background-color: #fafafa;
+ border: 1px dashed #808080;
+ padding: 0 0.75em;
+ margin: 6em auto;
+ max-width: 100%;
+}
+
+@media handheld {
+ hr.chap {width: 0%}
+}
+
+ </style>
+ </head>
+<body>
+<div>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44250 ***</div>
+
+<p class="title">RABINDRANATH TAGORE</p>
+<h1>DER KÖNIG<br />
+DER DUNKLEN<br />
+KAMMER</h1>
+
+<p class="title space-above">MÜNCHEN<br />
+KURT WOLFF VERLAG</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_1" title="1"> </a></p>
+
+<p class="center space-above">Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der<br />
+von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten<br />
+englischen Ausgabe ins Deutsche übertragen von<br />
+Hedwig Lachmann und Gustav Landauer</p>
+<p class="center">*</p>
+<p class="center">Das Recht der Aufführung ist zu erwerben durch<br />
+die Vereinigten Bühnenvertriebe: Drei Masken<br />
+Georg Müller * Erich Reiß * Kurt Wolff<br />
+Verlag, Berlin W 30</p>
+
+<p class="center space-above">14.&mdash;18. Tausend<br />
+Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig<br />
+Gedruckt im Frühjahr 1921 bei Poeschel &amp; Trepte in<br />
+Leipzig * Einbände von der Leipziger Buchbinderei A.-G.,<br />
+vorm. Gust. Fritzsche in Leipzig</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_2" title="2"> </a></p>
+<hr class="chap" />
+<p><a class="pagenum" name="Page_3" title="3"> </a></p>
+
+<h2><a name="PERSONEN" id="PERSONEN">PERSONEN</a></h2>
+<table id="cast" summary="Personenliste" style="border-spacing:1em;">
+ <tr>
+ <td colspan="2">Der König</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Königin Sudarschana</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">König von Kanya Kubja, ihr Vater</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Avanti<br />Koschala<br />Kantschi<br />Vidarbha<br />Kalinga<br />Pantschala<br />Virat</td>
+ <td class="klammer">Könige</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Surangama<br />Rohini</td>
+ <td class="klammer">Ehrendamen der Königin</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Virupakscha<br />Vischu</td>
+ <td class="klammer">Bürger</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Janardan<br />Kaundilya<br />Bhavadatta</td>
+ <td class="klammer">Reisende</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Kumbha<br />Madhav<br />Vivajadatta</td>
+ <td class="klammer">Landleute<a class="pagenum" name="Page_4" title="4"> </a></td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Der Großvater</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Der tolle Freund</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Minister<br />Bote<br />Türhüter</td>
+ <td class="klammer">des Königs Kanya Kubja</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Dienerin der Königin Sudarschana</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Erster<br />Zweiter</td>
+ <td class="klammer">Gärtner</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Stadtwächter</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Suvarna, der falsche König</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Erster<br />Zweiter</td>
+ <td class="klammer">Herold des „Königs”</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Bürger, Landleute, Gärtner, Knaben</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Reisende, Wachen.</td>
+ </tr>
+</table>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_5" title="5"> </a></p>
+
+
+
+
+<h2><a name="I" id="I">I.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Eine Straße.</p>
+<p class="regie">Etliche Reisende und ein Stadtwächter.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>He, Mann!</p>
+
+<p class="character">Stadtwächter</p>
+
+<p>Was wollt ihr?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind
+hier fremd. Bitte, sage uns, welches die rechte
+Straße ist.</p>
+
+<p class="character">Stadtwächter</p>
+
+<p>Wohin wollt ihr gehn?</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Wo dieses große Fest stattfinden soll, weißt
+du. Welchen Weg gehen wir?</p>
+
+<p class="character">Stadtwächter</p>
+
+<p>Eine Straße ist hier genau so gut wie die
+andre. Jede Straße wird euch hinführen. Geht<a class="pagenum" name="Page_6" title="6"> </a>
+geradeaus, und ihr könnt den Ort nicht verfehlen.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Hört nur, was der Narr sagt: „Jede Straße
+wird euch hinführen!” Was hätte das dann
+für einen Sinn, so viele Straßen zu haben?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Du brauchst darüber nicht so außer dir zu
+sein, mein Lieber. Es steht einem Land frei,
+seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten.
+Was Straßen betrifft in unserm Land &mdash; nun,
+so sind so gut wie keine vorhanden; enge,
+krumme Gäßchen, ein Labyrinth von Wagen-
+und Fußspuren. Unser König glaubt nicht an
+freie Fahrstraßen; er meint, so viele Straßen
+im Land, so viele Ausgänge für seine Untertanen,
+seinem Königreich zu entfliehen. Hier
+ist es gerade das Umgekehrte; niemand steht
+einem im Weg, niemand hat etwas dagegen,
+daß man anderswohin geht, wenn man Lust
+hat; und doch denken die Leute nicht daran,
+dieses Reich zu verlassen. Bei solchen Straßen<a class="pagenum" name="Page_7" title="7"> </a>
+wäre unser Land sicher in kürzester Frist entvölkert.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt,
+daß das ein großer Fehler an deinem
+Charakter ist.</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>Was denn?</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Daß du immer auf dein Land sticheln mußt.
+Wie kannst du glauben, freie Landstraßen
+könnten für ein Land gut sein? Sieh einmal,
+Kaundilya, da ist ein Mann, der tatsächlich
+glaubt, freie Landstraßen seien die Rettung
+für ein Land.</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst
+von neuem festzustellen, daß Janardan mit
+einem merkwürdig schiefen Verstand gesegnet
+ist, der ihn sicher eines Tages in Gefahr
+bringen wird. Wenn der König von unserm
+werten Freund zu hören bekommt, wird er es
+ihm nicht gerade leicht machen, einen zu finden,
+der für sein Begräbnis sorgt, wenn er
+tot ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_8" title="8"> </a></p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Man hat doch das Gefühl, daß das Leben in
+diesem Lande recht schwer sein muß; man
+vermißt die Freuden der Einsamkeit in diesen
+Straßen &mdash; dieses Drängen und Schulterstreifen
+mit fremden Menschen bei Tag und
+Nacht läßt einen nach einem Bad verlangen.
+Und mit was für einer Sorte Menschen mag
+man auf diesen öffentlichen Wegen zusammenkommen
+&mdash; puh!</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Und gerade Janardan hat uns überredet, in
+dieses kostbare Land zu kommen! Wir hatten
+nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer
+Familie. Du hast meinen Vater natürlich gekannt;
+er war ein großer Mann, ein frommer
+Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes
+Leben innerhalb eines Kreises von 49 Ellen
+Radius, der mit peinlicher Befolgung der Gebote
+der heiligen Schriften gezogen war, und
+nie überschritt er diesen Kreis auch nur ein
+einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich
+eine ernsthafte Schwierigkeit &mdash; wie sollte man
+ihn innerhalb der Grenzen der 49 Ellen und<a class="pagenum" name="Page_9" title="9"> </a>
+doch außerhalb des Hauses verbrennen?
+Schließlich entschieden die Priester, daß wir
+zwar nicht über die Schriftzahl hinausgehen
+durften, daß es aber einen Weg aus der
+Schwierigkeit gab, die Ziffer umzukehren und
+94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn
+außerhalb des Hauses verbrennen, ohne die
+heiligen Bücher zu verletzen. Auf mein Wort,
+<em>das</em> war genaue Befolgung! Unser Land hat
+wirklich nicht leicht seinesgleichen.</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Und doch will Janardan, der dem nämlichen
+Boden entstammt, uns weismachen, freie
+Landstraßen seien das beste für ein Land.</p>
+
+<p class="regie">Die Fremden gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Der Großvater mit einer Knabenschar tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Jungen, heute müssen wir es mit dem wilden
+Südwind aufnehmen &mdash; und wir wollen uns
+nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis
+wir mit unsern Jubelliedern alle Straßen überflutet
+haben.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_10" title="10"> </a></p>
+
+<p class="character">Lied</p>
+
+<div class="verse">Das Südtor ist entriegelt. Komm, mein Frühling, komm!</div>
+<div class="verse">Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frühling, komm!</div>
+<div class="verse">Komm in den lispelnden Blättern, in den Blüten, die froh sich verschwenden;</div>
+<div class="verse">Komm in den Flötenliedern und den sehnenden Seufzern der Wälder!</div>
+<div class="verse">Laß dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein Frühling, komm!</div>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Schar von Bürgern tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Schließlich kann man nur wünschen, daß der
+König sich wenigstens an diesem einen Tag
+hätte sehen lassen. Es ist doch sehr schade:
+man lebt in seinem Königreich und hat ihn
+noch nicht ein einziges Mal gesehen!</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses<a class="pagenum" name="Page_11" title="11"> </a>
+Geheimnisses! Ich könnte ihn dir sagen, wenn
+du schweigen könntest.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Lieber Freund, wir wohnen beide im nämlichen
+Stadtviertel, aber hast du je gehört, daß
+ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert
+hätte? Natürlich, die Sache damals, als dein
+Bruder beim Graben eines Brunnens einen
+Schatz gefunden hatte &mdash; nun, du weißt ganz
+gut, warum ich darüber reden mußte. Du
+kennst den ganzen Zusammenhang.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Natürlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn
+kenne, frage ich, könntest du schweigen?
+Weißt du, es könnte Verderben für uns alle
+bedeuten, wenn du ein einziges Mal davon
+sprächest.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha!
+Warum brennst du darauf, ein Unheil herbeizuführen,
+das bis jetzt nur geschehen <em>kann</em>?
+Wer wird die Verantwortung auf sich nehmen
+wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben lang
+zu wahren?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_12" title="12"> </a></p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Es war nur, weil die Rede darauf kam &mdash; also
+gut, ich werde nichts sagen. Ich bin nicht der
+Mann, der unnütz redet. Ihr hattet selbst die
+Frage aufs Tapet gebracht, daß der König sich
+nie zeigt; und ich bemerkte bloß, es sei nicht
+umsonst, daß der König sich vor dem Blick
+der Öffentlichkeit verschließt.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Bitte, sag uns, warum, Virupakscha.</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Natürlich nehme ich keinen Anstand, es euch
+zu sagen &mdash; wir sind ja alle gute Freunde, nicht
+wahr? Das kann nicht gefährlich sein. (<span class="regie_inline">Mit
+leiser Stimme:</span>) Der König &mdash; ist &mdash; häßlich &mdash;,
+so hat er den Entschluß gefaßt, sich seinen
+Untertanen nie zu zeigen.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Hah! Das ist es! Das muß es sein. Wir haben
+uns immer gewundert..., der bloße Anblick
+eines Königs läßt die Menschen in allen Ländern
+vor Furcht zittern wie Espenlaub; warum
+sollte da <em>unser</em> König sich von keinem sterblichen<a class="pagenum" name="Page_13" title="13"> </a> Auge je sehen lassen? Selbst wenn er
+nur herauskäme, um uns alle zum Galgen zu
+verdammen, könnten wir sicher sein, daß
+unser König kein Trug ist. Schließlich scheint
+mir Virupakschas Erklärung doch ganz einleuchtend.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Nicht die Spur &mdash; ich glaube keine Silbe davon.</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Wie, Vischu, willst du sagen, ich wäre ein
+Lügner?</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Das gerade nicht &mdash; aber ich kann deine
+Theorie nicht annehmen. Entschuldige mich,
+ich kann nichts dafür, wenn ich ein bißchen
+grob und plump scheine.</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Kein Wunder, daß du an meine Worte nicht
+glauben kannst &mdash; wo du dich weise genug
+dünkst, die Meinungen deiner Eltern und
+Oberen zu verwerfen. Wie lange, glaubst du,
+hättest du in diesem Lande bleiben dürfen,
+wenn der König nicht im Verborgenen bliebe?<a class="pagenum" name="Page_14" title="14"> </a>
+Du bist nicht besser als ein offenkundiger
+Ketzer.</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Mein lieber Pfeiler der Rechtgläubigkeit!
+Glaubst du, irgendein anderer König hätte gezögert,
+dir die Zunge abschneiden und sie den
+Hunden zum Fraß vorwerfen zu lassen? Und
+du hast die Stirne, zu sagen, unser König wäre
+den Augen ein Greuel?</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Hör einmal, Vischu, willst du deine Zunge im
+Zaum halten?</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Man braucht wohl nicht erst festzustellen,
+wessen Zunge einen Zaum braucht.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Jetzt wird die Sache gefährlich. Da mache ich
+lieber nicht mit.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Zahl Männer tritt auf, die in lärmendem Übermut
+<span class="character_inline">Großvater</span> mit sich schleppen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Großpapa, etwas fällt mir heute auf...</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_15" title="15"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was ist es?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu
+unserm Fest entsandt, doch jedweder fragt:
+„Alles ist reizend und schön &mdash; wo aber ist
+euer König?” und wir wissen nicht, was wir
+antworten sollen. Das ist die eine große Lücke,
+die sich jedem in unserm Lande fühlbar
+machen muß.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>„Lücke”, sagst du! Wie, das ganze Land ist
+ganz erfüllt und geladen und gestopft voll von
+dem König: und du nennst ihn eine „Lücke”!
+Wie, er hat jeden einzigen unter uns zum gekrönten
+König gemacht!</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Wir sind alle Könige im Königreich unsres Königs.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+<div class="verse">Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will;
+<a class="pagenum" name="Page_16" title="16"> </a></div>
+<div class="verse">Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Füßen.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+<div class="verse">Unser König ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst.</div>
+<div class="verse">Keine Armseligkeit kann uns für immer umschließen mit ihren Wällen der Lüge.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+<div class="verse">Wir bahnen uns mühsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am Ende.</div>
+<div class="verse">Wir können nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen
+nicht mit anhören, die die Leute über unsern
+König sagen, bloß weil er sich nicht öffentlich
+zeigt.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt,
+kann bestraft werden, während niemand einem<a class="pagenum" name="Page_17" title="17"> </a>
+Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfällt,
+auf den König zu schimpfen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Der Schimpf kann den König nicht treffen.
+Mit einem bloßen Hauch kannst du die
+Flamme ausblasen, die eine Lampe von der
+Sonne borgt, aber wenn auch die ganze Welt
+versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr
+strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwächt
+wie zuvor.</p>
+
+<p class="regie">Vischu und Virupakscha treten auf.</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Da ist der Großvater! Hör doch, dieser Mann
+geht herum und erzählt jedem, unser König
+käme nicht heraus, weil er häßlich wäre.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber warum macht dich das ärgerlich,
+Vischu? <em>Sein</em> König muß häßlich sein, denn
+wie könnte sonst Virupakscha in seinem Königreich
+so ein Gesicht haben? Er formt seinen
+König nach seinem Bilde, wie er es im Spiegel
+sieht.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_18" title="18"> </a></p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Großvater, ich will keine Namen nennen, aber
+keinem würde es einfallen, dem nicht zu
+glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Bist du selbst denn nicht die beste Autorität?!</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Aber ich könnte dir Beweise geben...</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Die Unverschämtheit dieses Burschen kennt
+keine Grenzen! Nicht zufrieden, mit dreister
+Stirn ein abscheuliches Gerücht zu verbreiten,
+will er seine Lügen mit Frechheit aufwägen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Länge
+das Maß hier am Boden?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl
+feiert sein Fest auf seine Art, indem er die
+Häßlichkeit seines Königs besingt. Geh nur,<a class="pagenum" name="Page_19" title="19"> </a>
+Virupakscha, du wirst eine Menge Leute finden,
+die bereit sind, dir zu glauben! Viel Glück
+in ihrer Gesellschaft.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Die <span class="character_inline">Gesellschaft der Fremden</span> tritt wieder auf.</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, daß
+dieses Volk überhaupt keinen König hat. Sie
+haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gerücht
+in Umlauf zu halten.</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle,
+daß das Höchste, was einem in jedem Lande
+ins Auge fällt, der König ist, der natürlich
+keine Gelegenheit versäumt, sich sehen zu
+lassen.</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in
+dem ganzen Orte herrscht &mdash; wie erklärst
+du das ohne einen König?</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen
+bist, und hast so lange unter einem<a class="pagenum" name="Page_20" title="20"> </a>
+Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen
+König, wenn man schon Zucht und Ordnung
+hätte?</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>All diese Menschen sind versammelt, um auf
+diesem Fest froh zu sein. Meinst du, sie
+könnten dergestalt in einem Lande der Anarchie
+zusammen kommen?</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewöhnlich,
+worum es sich in Wirklichkeit
+handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da
+gibt es keine Frage und auch die Festesfreude
+ist klar genug: soweit besteht keine Schwierigkeit.
+Aber wo ist der König? Hast du ihn gesehen?
+Das mußt du uns sagen.</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>Was ich zu sagen habe, ist dieses: man weiß
+aus Erfahrung, daß Chaos und Anarchie sein
+kann, selbst wo ein König da ist: aber was
+sehen wir hier?</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Immer kommst du mit deinen Ausflüchten.<a class="pagenum" name="Page_21" title="21"> </a>
+Warum kannst du nicht auf Bhavadattas Frage
+eine gerade Antwort geben &mdash; Hast du den
+König gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen!
+Ja oder nein?</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Schar von Männern tritt auf und singt.</p>
+
+<p class="character">Lied</p>
+
+<div class="verse">Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen,</div>
+<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall,</div>
+<div class="verse">Er wohnt in der Tiefe meiner Augen,</div>
+<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall.</div>
+<div class="verse">Ich wanderte weit, seine Worte zu hören,</div>
+<div class="verse">Ach, aber vergebens!</div>
+<div class="verse">Als ich heimkam, hörte ich sie</div>
+<div class="verse">In meinen eigenen Liedern.</div>
+<div class="verse">Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tür zu Tür!</div>
+<div class="verse">Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Tränen meiner Augen!</div>
+
+<p class="regie"><span class="character_inline">Herolde</span> und <span class="character_inline">Leibwächter</span> des <span class="character_inline">Königs</span> treten auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Platz da! Räumt die Straße, allesamt!</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Oho, Mann, wofür hältst du dich? Angeboren<a class="pagenum" name="Page_22" title="22"> </a>
+scheint dir dieser stolze Schritt nicht gerade zu
+sein, mein Freund. &mdash; Warum Platz da, werter
+Herr? Warum sollen wir von der Stelle
+weichen? Sind wir Straßenhunde, oder was
+sonst?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Der König kommt dieses Wegs.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>König? Was für ein König?</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Unser König, der König dieses Landes.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehört,
+daß unser König herauskam und sich solche
+Schreier zu Herolden wählte.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Der König will sich nicht länger seinen Untertanen
+entziehen. Er kommt, um das Fest selbst
+zu leiten.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Bruder, verhält sich das so?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Sieh hin, dort flattert sein Banner.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_23" title="23"> </a></p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ah, wirklich, das ist eine Fahne.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Siehst du die rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ja, ja, es ist wirklich der <i>Kimschuk</i>! &mdash; welch
+strahlende Scharlachblüte!</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Nun also, glaubst du uns nun?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht.
+Der Bursche da, Kumbha, hat den ganzen
+Lärm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt?</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist
+er vielleicht ganz leer; du weißt, ein leerer
+Topf dröhnt am lautesten.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Was ist das für einer? Ist er irgendwie mit
+euch verwandt?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter<a class="pagenum" name="Page_24" title="24"> </a>
+vom Schwiegervater unsres Dorfschulzen, und
+er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres
+Dorfes wie wir.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten
+Grades von irgend jemandes Schwiegervater,
+und sein Verständnis scheint auch den
+Stempel der Schwiegeronkelschaft zu tragen.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer
+hat meinem armen Geist einen Stoß versetzt,
+bis er so geworden ist. Erst unlängst kam ein
+König und prunkte in den Straßen und sandte
+so viele Titel vor sich her wie Trommeln, die
+durch ihren Lärm den Aufenthalt in der
+Stadt unerträglich machten... Was tat ich nicht
+alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen zu
+sein! Ich überschüttete ihn mit Geschenken,
+ich hing mich an ihn wie ein Bettler &mdash; und
+schließlich fand ich den Druck auf meine Einnahmen
+zu schwer zu tragen. Aber was war
+das Ende der ganzen Pracht und Majestät? Als
+man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte,
+da konnte er im Kalender keinen einzigen günstigen<a class="pagenum" name="Page_25" title="25"> </a> Tag entdecken: obschon alle Tage rot
+angestrichen waren, wenn <em>wir</em> unsre Steuern
+zu zahlen hatten!</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Willst du etwa zu verstehen geben, unser
+König wäre ein falscher König wie der, den
+du beschrieben hast?</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der
+Zeit für dich, dem Schwiegertantchen Adieu
+zu sagen.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Bitte, ihr Herren, seid nicht böse. Ich bin ein
+armes Geschöpf &mdash; ich bitte ergebenst um Entschuldigung,
+ihr Herren: ich will alles dazu
+tun. Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen,
+wie es euch beliebt.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier.
+Der König wird gleich kommen &mdash; wir
+wollen gehen und ihm den Weg bereiten.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen weiter.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_26" title="26"> </a></p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch
+einmal dein Tod sein.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es
+ist Schicksal. Als der falsche König auftrat,
+sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das
+nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen
+der Unschuld über meine eigenen Füße zu
+stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche
+König gekommen ist, muß ich glattweg Hochverrat
+in den Tag reden. Es ist Schicksal,
+lieber Freund!</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Mein Grundsatz ist, dem König immer zu gehorchen
+&mdash; es macht nichts aus, ob er ein
+echter oder falscher ist. Was wissen wir von
+Königen, daß wir über sie urteilen sollten! Es
+ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine
+wirft &mdash; man ist fast sicher, sein Ziel zu
+treffen. Ich gehorche immerzu und huldige
+&mdash; ist es ein richtiger König, gut und schön;
+wenn nicht, was schadet es?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_27" title="27"> </a></p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Mir wäre es schon einerlei, wenn die Steine
+nichts weiter als Steine wären. Aber es sind
+oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, führt
+uns Verschwendung schließlich zu Armut,
+mein Freund.</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Da sieh! Da kommt der König! Ah, ein König
+wahrhaftig! Was für eine Gestalt, was für ein
+Gesicht! Wer hat je solch eine Schönheit gesehen
+&mdash; weiß wie eine Lilie und sanft wie ein
+Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was meinst du
+nun?</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Er sieht schon recht aus &mdash; ja, soviel ich beurteilen
+kann, mag er schon der rechte König
+sein.</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Er sieht aus, als wäre er fürs Königsein gegossen
+und geschnitzt, diese Gestalt ist zu zart
+und erlesen für das gemeine Licht des Tages.</p>
+
+<p class="regie">Der „König” tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Heil und Sieg geleite dich, o König! Wir<a class="pagenum" name="Page_28" title="28"> </a>
+stehen hier seit dem frühen Morgen, um dich
+zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestät zu
+Gnaden, vergeßt uns nicht!</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen
+und Großvater holen.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine andere Schar Männer tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Der König, der König! Kommt her, schnell,
+der König geht dieses Wegs.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Vergiß mich nicht, o König! Ich bin Vivajadatta,
+der Enkel Udayadattas von Kushalivastu.
+Ich bin auf die erste Kunde, daß du
+kämest, hierher geeilt &mdash; ich hielt nicht an,
+um zu hören, was die Leute sagten: all die
+Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o
+Monarch, und brachte mich her.</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Unsinn! Ich bin früher hier gewesen als du
+&mdash; vor dem Hahnenschrei. Wo stecktest du
+denn da? O König, ich bin Bhadrasena, von<a class="pagenum" name="Page_29" title="29"> </a>
+Vikramasthali. Geruhe, deinen Diener in
+deinem Gedächtnis zu bewahren!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und
+Ergebenheit.</p>
+
+<p class="character">Vivajadatta</p>
+
+<p>Majestät, groß ist die Zahl der Klagen und
+Beschwerden, die wir dir vorzutragen haben:
+an wen hätten wir uns so lange mit unsern Gesuchen
+wenden sollen, solange wir deiner erhabenen
+Gegenwart nicht nahen durften?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>All euren Beschwerden soll abgeholfen werden.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Es führt zu nichts, uns hinten herumzudrücken,
+Jungen &mdash; der König wird uns aus
+den Augen verlieren, wenn wir uns in den
+Pöbel mischen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut!
+Er hat sich durch uns alle hindurchgedrängt<a class="pagenum" name="Page_30" title="30"> </a>
+und fächelt jetzt dem König eifrig mit einem
+Palmblatt Kühlung zu!</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses
+Menschen nimmt einem den Atem.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Wir sollten den Kerl anpacken und von der
+Stelle schaffen &mdash; ist er berufen, neben dem
+König zu stehen?</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Bildest du dir ein, der König durchschaut ihn
+nicht? Seine Untertänigkeit ist doch ein bißchen
+zu dick aufgetragen.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Unsinn! Könige können Heuchler nicht wittern
+wie unsereins &mdash; es sollte mich nicht wundern,
+wenn der König sich von dem unermüdlichen
+Fächeln dieses Narren einfangen ließe.</p>
+
+<p class="regie">Kumbha und Großvater treten auf.</p>
+
+<p>Ich sage dir &mdash; er ist jetzt eben durch diese
+Straße gekommen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines
+Königtums?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_31" title="31"> </a></p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht
+einer oder zwei, sondern Hunderte und Tausende
+auf beiden Seiten der Straße haben ihn
+mit eigenen Augen gesehen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Das eben macht die ganze Sache verdächtig.
+Wann wäre <em>unser</em> König je drauf ausgegangen,
+die Augen des Volks durch Pomp und Gepränge
+zu blenden? Er ist nicht der König,
+solch einen Spektakel zu erregen, wenn er
+durch das Land reist.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser
+wichtigen Gelegenheit zu tun: das kann man
+nicht sicher wissen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>O ja, man kann! Mein König kennt keine
+Wetterfahnenlaune und neigt nicht zu phantastischen
+Einfällen.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber Großvater, ich wollte nur, ich könnte
+ihn dir beschreiben! So sanft, so zart und fein<a class="pagenum" name="Page_32" title="32"> </a>
+wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte
+es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen,
+ihn mit meinem ganzen Leibe zu schützen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist!
+<em>Mein</em> König eine Wachspuppe, und <em>du</em> ihn
+schützen!</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber im Ernst, Großpapa, er ist ein herrlicher
+Gott, ein Wunder an Schönheit: ich finde
+keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung,
+die neben seiner unvergleichlichen
+Lieblichkeit bestehen könnte.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wenn es meinem König beliebte, sich zu zeigen,
+würden deine Augen ihn nicht bemerken.
+Er würde nicht dergestalt über die andern hervorragen
+&mdash; er ist einer aus dem Volk, er
+mischt sich unter den gemeinen Pöbel.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber sagte ich dir nicht, daß ich sein Banner
+gesehen habe?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_33" title="33"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was für ein Zeichen trug sein Banner?</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Es war eine rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt
+&mdash; das hell leuchtende Rot blendete meine
+Augen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p><em>Mein</em> König führt einen Donnerkeil in einem
+Lotus in seinem Banner.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber alle sagen sie, der König sei zu diesem
+Feste gekommen: <em>alle</em>.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Gewiß ist er das: aber er hat keine Herolde,
+kein Heer, kein Gefolge, keine Musikbanden
+und keine Laternen, die ihn begleiten.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>So könnte ihn, scheint's, niemand in seinem
+Inkognito erkennen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Vielleicht gibt es ein paar, die es können.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_34" title="34"> </a></p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Und die ihn erkennen &mdash; gewährt ihnen der
+König alles, was sie begehren?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird
+je den König kennen. Der größere Bettler sieht
+in den Augen des kleineren Bettlers wie ein
+König aus. O Narr, der Mann, der heute auf
+die Straße gegangen ist, in Purpur und Gold
+angetan, um dich anzubetteln &mdash; ihn posaunst
+du als deinen König aus! ... Ah, da
+kommt mein toller Freund! O kommt, meine
+Brüder! wir dürfen den Tag nicht mit eitlem
+Streiten und Schwatzen verbringen &mdash; geben
+wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzücken
+hin!</p>
+
+<p class="regie">Der tolle Freund tritt auf, singend.</p>
+
+<p>Lächelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brüder? Ich
+streife herum und suche den goldenen Hirsch!
+Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfuß, und
+immer entwischt er mir!</p>
+
+<p>Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon
+ist er weg, der wilde Waldvagabund! Nahe<a class="pagenum" name="Page_35" title="35"> </a>
+dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewölk
+von Dunst und Staub bleibt dir zurück!
+Doch streif ich herum und suche den goldenen
+Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen
+mag in dieser Wildnis! Oh, ich streife
+und wandre durch Wälder und Felder und
+namenlose Gefilde wie ein rastloser Landstreicher
+und denk nicht an Umkehr.</p>
+
+<p>Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und
+kehrt heim mit Waren und Vorrat beladen:
+mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren
+Höhen gestreift und geküßt;
+ich weiß nicht wann und wo.</p>
+
+<p>All meine Habe hab ich von mir geworfen,
+um zu erlangen, was nie mein worden ist! Und
+ihr wähnt, mein Klagen und meine Tränen gelten
+den Dingen, die so ich verlor!</p>
+
+<p>Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich
+Kummer und Gram weit hinten gelassen:
+Oh, ich streife und wandre durch Wälder und
+Felder und namenlose Länder &mdash; und denk
+nicht daran, meine Fahrt zu enden.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_36" title="36"> </a></p>
+
+
+<h2><a name="II" id="II">II.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Ein dunkles Gemach. Königin Sudarschana. Ihre
+Ehrendame, Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem
+Gemach nie die Lampe entzündet werden?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Meine Königin, all deine andern Gemächer
+sind erleuchtet &mdash; will es dich nie verlangen,
+aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie
+diesen zu entrinnen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten
+werden?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit
+kennen würdest.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen
+Kammer bist du dazu gekommen, dunkel und
+seltsam zu reden &mdash; ich kann dich nicht verstehen,<a class="pagenum" name="Page_37" title="37"> </a> Surangama. Sag mir aber, in welchem
+Teil des Palastes liegt dies Gemach? Ich kann
+weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen
+noch den Weg hinaus.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen
+der Erde. Der König hat dies Gemach
+eigens um deinetwillen gebaut.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemächern
+&mdash; warum brauchte er diese dunkle Kammer
+eigens für mich machen lassen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen:
+doch deinen Herrn nur in diesem
+dunklen Gemach.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein, nein &mdash; ich kann nicht leben ohne Licht
+&mdash; ich habe keine Ruhe in dieser erstickenden
+Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in
+diese Kammer bringen kannst, schenke ich dir
+mein Halsband hier.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Es steht nicht in meiner Macht, o Königin. Wie<a class="pagenum" name="Page_38" title="38"> </a>
+kann ich Licht an einen Ort bringen, den er
+immer im Dunkel gehalten haben will!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Seltsame Treue! Und doch &mdash; ist es nicht wahr,
+daß der König deinen Vater bestraft hat?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem
+Spiel ergeben. Alle jungen Leute des Landes
+pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu
+kommen &mdash; und da tranken sie immer und
+spielten.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer
+Bedrückung, als der König deinen Vater in die
+Verbannung schickte?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf
+dem Weg zu Untergang und Vernichtung: als
+diese Bahn mir verschlossen war, schien ich
+mir ohne irgendeine Hilfe zurückgeblieben,
+ohne Beistand noch Schutz. Ich raste und tobte
+wie ein wildes Tier im Käfig &mdash; wie verlangte
+es mich alles in Stücke zu zerreißen in meiner
+ohnmächtigen Wut!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_39" title="39"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an
+eben den nämlichen König?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wie kann ich es sagen? Vielleicht faßte ich
+Vertrauen zu ihm, gerade <em>weil</em> er so hart, so
+unbarmherzig war!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wann trat dieser Stimmungswechsel ein?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Das könnte ich nicht sagen &mdash; ich weiß das
+selbst nicht. Es kam ein Tag, wo all der Aufruhr
+in mir sich geschlagen gab, und dann
+beugte sich meine ganze Natur in demütiger
+Ergebung in den Staub der Erde. Und dann
+sah ich ... ich sah, daß er an Schönheit ebenso
+ohnegleichen war wie an Schrecknis. Oh, ich
+war gerettet, ich war erlöst.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst
+du mir nicht sagen, wie der König aussieht?
+Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen.
+Er kommt zu mir in Dunkelheit, und<a class="pagenum" name="Page_40" title="40"> </a>
+läßt mich wieder in diesem dunklen Gemach
+zurück. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt
+&mdash; aber sie geben alle unbestimmte und
+dunkle Antworten &mdash; es scheint mir, daß sie
+alle mit etwas zurückhalten.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Die Wahrheit zu sagen, Königin, so könnte
+ich nicht gut angeben, wie er aussieht. Nein
+&mdash; er ist nicht, was man schön nennt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht
+schön!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, meine Königin, er ist nicht schön. Ihn
+schön zu nennen, wäre viel zu wenig von ihm
+gesagt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>So sind all deine Worte &mdash; dunkel, seltsam und
+unbestimmt. Ich kann nicht verstehen, was du
+meinst.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, ich will ihn <em class="gesperrt">nicht</em> schön nennen. Und
+eben weil er nicht schön ist, ist er so herrlich,
+so wunderbar!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_41" title="41"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich verstehe dich nicht ganz &mdash; obwohl ich dich
+gern von ihm reden höre. Aber ich muß ihn
+um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht
+einmal auf den Tag, wo ich ihm angetraut
+wurde. Ich hörte Mutter sagen, daß vor meiner
+Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte:
+„Der eure Tochter ehelichen will, ist ohnegleichen
+auf dieser Erde.” Wie oft habe ich
+sie gebeten, mir sein Äußeres zu beschreiben,
+aber sie antwortet nur unbestimmt und sagt,
+sie kann es nicht sagen &mdash; sie sah ihn durch
+einen Schleier, schwach und dunkel. Aber
+wenn er der beste der Menschen ist, wie kann
+ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Spürst du nicht ein leises Lüftchen wehen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ein Lüftchen? Wo?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Merkst du nicht einen leisen Duft?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_42" title="42"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Das große Tor hat sich geöffnet ... er kommt;
+mein König naht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie kannst du es merken, wenn er kommt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hörte
+ich seine Tritte in meinem Herzen. Da ich die
+Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich
+einen Sinn entwickelt &mdash; ich kann erkennen
+und fühlen, ohne zu sehen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich wollte, ich hätte diesen Sinn auch, Surangama!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du wirst ihn bekommen, o Königin ... dieser
+Sinn wird in dir eines Tages erwachen. Deine
+Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe,
+und darum ist all dein Sinn gespannt und in
+die falsche Richtung gelenkt. Wenn du diesen
+Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter
+dir hast, wird alles ganz leicht werden.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_43" title="43"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie kommt das, daß es dir, der Magd, so leicht
+ist, und mir, der Königin, so schwer?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Eben weil ich eine bloße Magd bin, hemmt
+mich keine Schwierigkeit. Als er am ersten Tag
+dies Gemach meiner Obhut vertraute und
+sagte: „Surangama, du wirst diese Kammer
+immer für mich in Bereitschaft halten, das
+ist deine ganze Aufgabe”, da sagte ich nicht,
+nicht einmal in Gedanken: „Oh, gib mir die
+Arbeit derer, die für das Licht in den andern
+Gemächern sorgen.” Nein, sondern sowie ich
+all meinen ganzen Sinn auf diese Aufgabe
+richtete, erwachte eine Gewalt in mir und
+wuchs und wurde ohne Widerstand Herr über
+jeden Teil von mir ... Oh, da kommt er!...
+er steht draußen, vor der Tür. Herr! O König!</p>
+
+<p class="character">Gesang von außen</p>
+
+<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div>
+<div class="verse">Die Fähre des Lichts von Dämmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen,</div>
+<div class="verse">Der Abendstern steht am Himmel.</div>
+<div class="verse">Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten,
+<a class="pagenum" name="Page_44" title="44"> </a></div>
+<div class="verse">Umfließt dich weiß dein Kleid zur Nacht?</div>
+<div class="verse">Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vögel in ihre Nester.</div>
+<div class="verse">Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht.</div>
+<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>O König, wer kann deine eignen Tore vor dir
+versperrt halten? Sie sind nicht geschlossen
+oder verriegelt &mdash; sie werden sich weit aufschwingen,
+wenn du sie nur mit dem Finger
+berührst. Willst du sie nicht nur ein wenig
+berühren? Willst du nicht eintreten, bis ich
+gehe und die Tore öffne?</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lüften, Herr!</div>
+<div class="verse">Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht höre, würdest du warten, bis ich erwache?</div>
+<div class="verse">Würde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines Streitwagens?</div>
+<div class="verse">Würdest du nicht das Tor zertrümmern und ungebeten eingehn in dein eigenes Haus?</div>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_45" title="45"> </a></p>
+
+<p>Dann geh du, o Königin, und öffne die Tür
+für ihn: er wird sonst nicht eintreten.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich sehe nichts deutlich im Dunkel &mdash; ich weiß
+nicht, wo die Tür ist. Du kennst hier alles &mdash;
+geh und öffne die Tür für mich.</p>
+
+<p class="regie">Surangama öffnet die Tür, verbeugt sich tief vor
+dem König und geht hinaus. Der König bleibt während
+dieses ganzen Stückes unsichtbar.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht
+zu sehen?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>So willst du mich zwischen tausend Dingen
+im hellen Tageslicht sehen! Warum sollte ich
+nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit
+fühlen kannst?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber ich <em>muß</em> dich sehen &mdash; mich verlangt es
+brennend nach deinem Anblick.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick
+zu ertragen &mdash; er wird dir nur Qual bereiten,
+brennend heiße Qual.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_46" title="46"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie kannst du sagen, daß ich deinen Anblick
+nicht zu ertragen vermöchte! Oh, ich kann
+schon in diesem Dunkel fühlen, wie lieblich
+und wunderbar du bist: warum sollte ich im
+Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir,
+kannst du mich im Dunkel sehen?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ja, ich sehe dich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Was siehst du?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich sehe, daß die Dunkelheit der unendlichen
+Himmel, ins Dasein geschleudert durch die
+Gewalt meiner Liebe, das Licht von Sternenmyriaden
+in sich gesogen und sich verkörpert
+hat in einer Gestalt von Fleisch und Blut. Und
+in dieser Form, was für Äonen von Denken
+und Ringen, was für ungezählte Sehnsüchte
+grenzenloser himmlischer Räume, welche Fülle
+der Gaben aus dem Meer der Zeiten!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Bin ich so wunderbar, bin ich so schön? Höre
+ich dich so reden, so schwillt mein Herz von<a class="pagenum" name="Page_47" title="47"> </a>
+Freude und Stolz. Aber wie kann ich die wundervollen
+Dinge glauben, die du mir sagst?
+Ich kann sie in mir nicht finden!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben
+&mdash; er setzt dich herab, beschränkt dich,
+läßt dich klein und unbedeutend erscheinen.
+Doch könntest du dich in meinem Geist gespiegelt
+sehen, wie groß erschienest du! In
+meinem Herzen bist du nicht mehr das alltägliche
+Einzelwesen, das du zu sein meinst &mdash;
+du bist in Wahrheit mein andres Ich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, zeig' mir für einen Augenblick, wie man
+mit deinen Augen sieht! Gibt es für dich gar
+nichts wie Dunkelheit? Ich fürchte mich, wenn
+ich daran denke. Diese Dunkelheit, die für
+mich wirklich und stark wie der Tod ist &mdash; ist
+sie für dich einfach nichts? Wie kann dann
+überhaupt eine Gemeinschaft zwischen uns
+sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein &mdash;
+es ist unmöglich: es besteht eine Schranke
+zwischen uns beiden: nicht hier, nein, nicht
+an diesem Ort. Ich muß dich finden und sehen,<a class="pagenum" name="Page_48" title="48"> </a>
+wo ich Bäume und Tiere, Vögel und Steine
+und die Erde sehe &mdash;</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden
+&mdash; aber niemand wird mich dir weisen.
+Du wirst mich erkennen müssen, wenn du
+kannst, du selbst. Und selbst wenn jemand sich
+anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie
+kannst du gewiß sein, daß er die Wahrheit
+sagt?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen.
+Ich werde dich aus einer Million
+Menschen herausfinden. Ich kann mich
+nicht irren.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Gut also, heute nacht, während des Frühlingsvollmondfestes,
+magst du versuchen, mich von
+dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden
+&mdash; suche nach mir mit deinen eigenen
+Augen unter der Volksmenge.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wirst du unter ihr sein?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_49" title="49"> </a></p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich werde mich wieder und wieder zeigen,
+überall unter der Menge. Surangama!</p>
+
+<p class="regie">Surangama kommt herein.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Was gebietest du, Herr?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Heute nacht ist das Frühlingsvollmondfest.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Was soll ich heute nacht tun?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgärten
+stehen in voller Blüte &mdash; du wirst da
+an meinem Feste teilnehmen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich werde tun, was du wünschest, Herr.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Die Königin will mich heute nacht mit ihren
+eigenen Augen sehen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wo soll die Königin dich sehen?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Wo die Musik am süßesten spielt, wo die Luft<a class="pagenum" name="Page_50" title="50"> </a>
+von Blütenstaub schwer ist &mdash; dort im silbernen
+Hain voll weichem Dämmerlicht.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck
+spielen, zu sehen sein? Dort ist der Wind wild
+und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung
+&mdash; wird es die Augen nicht verwirren?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Die Königin ist neugierig, mich herauszufinden.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Die Neugier wird enttäuscht und in Tränen
+heimkehren!</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Ach, sie lüstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die wilden Vögel des Waldes!</div>
+<div class="verse">Doch die Zeit der Ergebung wird für sie kommen, zu Ende ihr Hin- und Herflug, wenn</div>
+<div class="verse">Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt.</div>
+<div class="verse">Ach, die wilden Vögel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis!</div>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_51" title="51"> </a></p>
+
+<h2><a name="III" id="III">III.</a></h2>
+
+<p class="regie">Vor den Lustgärten.</p>
+
+<p class="regie">Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und
+andere Könige.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Wird der König dieses Ortes uns nicht empfangen?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was ist das für eine Art, ein Land zu regieren?
+Der König hält ein Fest in einem Wald, wo
+selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert
+Zutritt hat!</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Wir hätten wohl Anspruch auf einen besonders
+für uns reservierten und zu unserem Empfang
+hergerichteten Platz.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet
+hat, werden wir ihn zwingen, einen für uns
+errichten zu lassen.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>All das macht natürlich zweifelhaft, ob dieses<a class="pagenum" name="Page_52" title="52"> </a>
+Volk überhaupt einen König hat &mdash; es sieht aus,
+als ob ein unbegründetes Gerücht uns irregeführt
+hätte.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Das mag sein, was den König angeht, aber Sudarschana,
+die Königin dieses Orts, ist durchaus
+kein unbegründetes Gerücht.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Nur um ihretwillen hatte ich überhaupt Lust,
+hierher zu kommen. Es liegt mir nichts daran,
+jemanden zu sehen, der sich nie sehen läßt,
+aber es wäre ein törichter Fehler, wenn wir
+fortgingen, ohne das Wesen gesehen zu haben,
+um dessentwillen sich eine Reise im höchsten
+Grade lohnt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Laßt uns denn einen bestimmten Plan entwerfen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man
+sich nicht selbst darein verwickelt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Zum Henker, was ist das für ein Geschmeiß,
+das dort herumschwärmt? He! wer seid ihr?</p>
+
+<p class="regie">Großvater und die Knaben treten auf.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_53" title="53"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wir sind die lustige Schar der Habenichtse.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Die Einführung war überflüssig. Aber ihr
+werdet euch etwas weiter zurückziehen und uns
+in Frieden lassen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir
+können es uns leisten, euch einen so weiten
+Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das
+Wenige, das uns genügt, ist nie der Zankapfel
+zwischen streitenden Parteien. Nicht wahr,
+meine kleinen Freunde?</p>
+
+<p class="regie">Sie singen.</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Wir sind die Habenichtse, fürwahr, wir haben gar nichts!</div>
+<div class="verse">Wir singen lustig trallerala! trallerala!</div>
+<div class="verse">'s gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Häusern</div>
+<div class="verse">Auf Sümpfen mit goldenem Sand.</div>
+<div class="verse">Wir stellen uns vor sie und singen</div>
+<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div>
+<div class="verse">Taschendiebe kreisen um uns</div>
+<div class="verse">Und ehren uns mit lüsternen Blicken.
+<a class="pagenum" name="Page_54" title="54"> </a></div>
+<div class="verse">Wir schütteln die leeren Taschen und singen</div>
+<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div>
+<div class="verse">Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tür,</div>
+<div class="verse">Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen,</div>
+<div class="verse">Und singen im Chor mit fröhlichen Trillern</div>
+<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sieh da drüben hin, Koschala, was sind das
+für Leute, die da des Weges kommen? Eine
+Pantomime? Der eine hat sich als König maskiert.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Der König dieses Orts mag alle diese Narrenspossen
+dulden, wir aber werden dagegen einschreiten.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Es ist vielleicht ein Häuptling vom Lande.</p>
+
+<p class="regie">Wachen zu Fuß treten auf.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aus welchem Land stammt euer König?</p>
+
+<p class="character">Erster Soldat</p>
+
+<p>Er ist der König dieses Landes. Er rüstet sich,
+das Fest zu leiten.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen weiter.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_55" title="55"> </a></p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Wie, der König dieses Landes kommt zum
+Fest!</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem
+Anblick begnügen und umkehren müssen &mdash;
+ohne die reizvolle Königin gesehen zu haben.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Glaubst du wirklich, daß der Bursche die
+Wahrheit sagte? Jeder kann sich als König
+dieses königlosen Landes aufspielen. Kannst
+du nicht sehen, daß der Mensch wie ein aufgeputzter
+Maskenkönig aussieht &mdash; viel zu sehr
+herausgeputzt?</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Aber er sieht hübsch aus &mdash; seine Erscheinung
+ist nicht ohne einen gewissen gefälligen Reiz.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Er mag deinem Auge gefällig sein, aber wenn
+du ihn genau genug betrachtest, kannst du ihn
+nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn
+vor euch allen entlarve.</p>
+
+<p class="regie">Der falsche „König” tritt auf.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Willkommen, Fürsten, in unserm Reich! Ich<a class="pagenum" name="Page_56" title="56"> </a>
+hoffe, meine Würdenträger haben geziemend
+für euren Empfang gesorgt?</p>
+
+<p class="character">Könige <span class="regie">(mit verstellter Höflichkeit)</span></p>
+
+<p>O ja &mdash; es fehlte nichts am Empfang.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich
+aufgewogen durch die Ehre, den Anblick
+Eurer Majestät genießen zu dürfen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wir zeigen uns nicht vor der großen Öffentlichkeit,
+aber eure große Ergebenheit und
+Treue macht es uns zum Vergnügen, uns euch
+nicht zu entziehen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Die Gnade Euer Majestät ist wahrhaft überwältigend
+für uns.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wir fürchten, wir werden hier nicht lange
+verweilen können.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus,
+als ob ihr es lange aushieltet.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_57" title="57"> </a></p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst
+bitten möchtet &mdash;</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Das möchten wir: aber wir möchten Euch
+gern vor etwas weniger Zeugen sprechen.</p>
+
+<p class="character">„König” <span class="regie">(zu seinem Gefolge)</span></p>
+
+<p>Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurück.
+<span class="regie">(Sie ziehen sich zurück.)</span> Nun könnt ihr
+euer Begehren ohne Rückhalt vorbringen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wir werden uns schon keine Zurückhaltung
+auferlegen; wir fürchten nur, daß ihr es für
+euch selbst werdet nötig finden.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>O nein, in der Hinsicht könnt ihr unbesorgt
+sein.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Komm also, huldige uns, indem du uns deinen
+Kopf zu Füßen legst.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein
+in den Empfangslagern zu freigiebig
+verteilt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_58" title="58"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Falscher Betrüger, du bist es, der sich in einem
+Rausch der Überhebung befindet. Dein Kopf
+wird bald den Staub küssen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ihr Fürsten, solche derben Späße sind eines
+Königs nicht würdig.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Männer, die gebührend mit dir scherzen werden,
+sind zur Stelle. General!</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl,
+ich schulde euch allen Huldigung. Der Kopf
+beugt sich von selbst hernieder &mdash; es bedarf
+nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer
+Maßnahmen, um ihn zu Boden zu legen.
+So, hier beuge ich mich tief vor euch allen.
+Wenn ihr mir freundlich erlaubt, mich davonzumachen,
+werde ich euch mit meiner Gegenwart
+nicht länger lästig fallen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Warum solltest du dich davonmachen? Wir
+werden dich zum König dieses Ortes machen<a class="pagenum" name="Page_59" title="59"> </a>
+&mdash; führen wir unsern Scherz zu seinem regelrechten
+Ende. Hast du irgendwelchen Anhang?</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>O ja! Alle, die mich auf den Straßen sehen,
+laufen hinter mir her. Als ich ein mageres Gefolge
+hatte, betrachtete mich erst jeder argwöhnisch,
+aber nun mit dem wachsenden Haufen
+zerstreuen sich die Zweifel immer mehr.
+Die Menge wird von ihrer eigenen Größe hypnotisiert.
+Ich brauche nun gar nichts weiter
+zu tun.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben
+wir alle, dir zu helfen und zu dir zu stehen.
+Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten
+müssen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die
+Krone, die ihr mir aufs Haupt setzt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Gegenwärtig wünschen wir weiter nichts, als
+die Königin Sudarschana zu sehen. Du wirst
+dafür sorgen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_60" title="60"> </a></p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich werde mir alle Mühe darum geben.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Zu deinen Bemühungen haben wir nicht viel
+Vertrauen &mdash; du wirst einfach dich nach unsern
+Anweisungen richten. Nun aber kannst du
+gehen und dich mit allem möglichen Glanz
+und Prunk an dem Fest im königlichen Garten
+beteiligen.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen fort.</p>
+
+<p class="regie">Großvater und eine Schar von Bürgern treten auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Großvater, ich kann mir nicht helfen &mdash; ja,
+und fünfhundertmal will ich es wiederholen
+&mdash; unser König ist ein vollkommener Schwindel.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Warum nur fünfhundertmal? Kein Grund zu
+so heldenmütiger Selbstbeherrschung &mdash; du
+kannst es fünftausendmal sagen, wenn das
+dein Vergnügen erhöht.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Aber du kannst eine tote Lüge nicht für immer
+aufrechterhalten.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_61" title="61"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Wir werden der ganzen Welt verkünden, daß
+unser König eine Lüge ist, der reinste und
+leerste Schatten!</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Wir werden es alle von unsern Dächern
+schreien, daß wir keinen König haben &mdash; mag
+er tun, was er will, wenn er existiert.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Er wird gar nichts tun.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Mein Sohn wurde mit fünfundzwanzig Jahren
+innerhalb einer Woche von einem hitzigen Fieber
+vorzeitig dahingerafft. Hätte mich solch
+ein Unglück unter der Herrschaft eines tugendhaften
+Königs betreffen können?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber dir sind immer noch zwei Söhne geblieben:
+während ich all meine fünf Kinder hintereinander
+verloren habe.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_62" title="62"> </a></p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Und was sagst du dazu?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was denn? Soll ich meinen König dazu verlieren,
+weil ich meine Kinder verloren habe?
+Für so einen ungeheuren Narren müßt ihr
+mich nicht halten.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Eine schöne Sache, zu streiten, ob ein König
+da ist oder nicht, wenn man aus Mangel an
+Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der
+König uns retten?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den
+König suchen, dem all die Nahrung gehört.
+Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn
+sicher nicht finden.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Königs! Dieser
+Bhadrasen &mdash; ihr wißt was es für ein rührender
+Anblick ist, wenn er von seinem König
+spricht &mdash; der rührselige Dummkopf! Er ist
+auf einen solchen Grad von Armut herabgesunken,<a class="pagenum" name="Page_63" title="63"> </a> daß selbst die Fledermäuse, die bei
+ihm hausen, den Ort zu ungemütlich finden.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre
+Tag und Nacht für meinen König, aber ich
+habe für meine Mühen noch nicht einen roten
+Heller bekommen.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Nun, und was hältst du davon?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand
+seine Freunde? Geht, Freunde, und sagt,
+wenn ihr wollt, unsern König gebe es nirgends.
+Auch das gehört mit zur Feier dieses Festes.</p>
+
+<hr class="chap"/>
+
+<h2><a name="IV" id="IV">IV.</a></h2>
+
+<p class="regie">Turm des Königspalastes.</p>
+
+<p class="regie">Sudarschana und ihre Freundin Rohini.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann
+mich nicht irren: bin ich nicht die Königin?
+Der dort, sicher der dort muß mein König
+sein.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_64" title="64"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann
+nicht lange zögern, sich dir zu zeigen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen
+Vogel im Käfig. Suchtest du, dich zu vergewissern,
+wer er ist?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der
+König.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Von welchem Land ist er der König?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Von unserm, König dieses Landes.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm
+aus Blumen über das Haupt gehalten
+wird?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blüte
+gemalt ist.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich erkannte ihn natürlich sofort, aber du
+hattest deine Zweifel.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_65" title="65"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wir können uns leicht irren, meine Königin,
+und wir fürchten dich zu erzürnen, falls wir
+unrecht haben.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich wollte, Surangama wäre da! Dann wäre
+kein Zweifel mehr möglich.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Hältst du sie für klüger als uns alle?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O nein, aber sie würde ihn sofort erkennen.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so,
+als ob sie ihn kennte. Niemand kann dafür
+bürgen, daß sie den König kennt. Wären wir
+so schamlos wie sie, es wäre nicht schwer für
+uns gewesen, mit unserer Bekanntschaft mit
+dem König zu prahlen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber nein, sie prahlt niemals.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Bloße Ziererei, weiter nichts; damit kommt
+man oft weiter als mit offenem Prahlen. Sie<a class="pagenum" name="Page_66" title="66"> </a>
+ist zu allen Streichen fähig: drum mochten
+wir sie nie leiden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber sag, was du willst, ich hätte sie gern gefragt,
+wenn sie hier wäre.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sehr wohl, Königin. Ich werde sie holen. Sie
+muß glücklich sein, wenn sie der Königin unentbehrlich
+ist, um den König zu erkennen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O nein &mdash; es ist nicht darum &mdash; aber ich hörte
+es gern von aller Welt bestätigt.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sagt es nicht alle Welt? Da, höre nur hin,
+die Jubelrufe des Volks dringen sogar bis zu
+dieser Höhe empor.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen
+auf ein Lotusblatt und bringe sie ihm.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie
+sendet?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_67" title="67"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du wirst nichts zu sagen brauchen &mdash; er wird
+es wissen. Er meinte, ich würde nicht imstande
+sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht fortlassen,
+ohne ihm zu zeigen, daß ich ihn herausgefunden
+habe.</p>
+
+<p class="regie">Rohini geht mit den Blumen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so
+war mir nie zuvor zumute. Das weiße, silberne
+Licht des Vollmonds überflutet den Himmel
+und perlt nach allen Seiten wie der sprudelnde
+Schaum des Weins ... Es faßt mich wie ein
+Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da?</p>
+
+<p class="regie">Eine Dienerin tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Dienerin</p>
+
+<p>Was befehlen Majestät?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Siehst du dort die fröhlichen Knaben, wie sie
+singend durch die Laubgänge und Alleen der
+Mangobäume ziehen? Rufe sie her, bring sie
+zu mir: ich möchte sie singen hören.</p>
+
+<p class="regie">Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben
+wieder.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_68" title="68"> </a></p>
+
+<p>Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen
+Frühlings, hebt euren Festgesang an!
+Meine ganze Seele und mein Leib ist heute
+abend Gesang und Musik &mdash; doch die unaussprechliche
+Melodie will mir nicht von der
+Zunge: singt ihr denn an meiner Statt!</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Mein Leid ist mir süß, heut in dieser Frühlingsnacht.</div>
+<div class="verse">Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und läßt sie leise erklingen.</div>
+<div class="verse">Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein dahin.</div>
+<div class="verse">Der Duft aus der Tiefe der Wälder verirrt sich in meine Träume.</div>
+<div class="verse">Worte kommen flüsternd an mein Ohr, ich weiß nicht, woher,</div>
+<div class="verse">Und die Glöckchen an meinen Fußspangen zittern und klingen im Takt zum Tanz meines Herzens.</div>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Genug, genug &mdash; ich ertrag' es nicht länger!
+Euer Gesang hat meine Augen mit Tränen
+gefüllt ... Mich wandelt es an &mdash; Sehnsucht
+kann nie ihren Gegenstand finden &mdash; sie<a class="pagenum" name="Page_69" title="69"> </a>
+braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher
+Sänger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt?
+O, daß meine Augen den sehen könnten,
+dessen Gesang meine Ohren gehört haben!
+Ach, wie ich mich sehne &mdash; mich sehne, in
+Liebesverzückung im Waldesdickicht des Herzens
+mich zu verlieren! Liebe Knaben der
+Waldwildnis! wie soll ich euch lohnen? Dieses
+Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten
+Steinen gemacht &mdash; ihre Härte wird euch
+weh tun &mdash; ich besitze nichts dergleichen wie
+die Blumenkränze, die euch zieren.</p>
+
+<p class="regie">Die Knaben verbeugen sich und gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Rohini tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe nicht recht getan &mdash; ich habe nicht
+recht getan, Rohini. Ich schäme mich, dich zu
+fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt,
+daß keine Hand in Wahrheit die größte
+der Gaben geben kann. Doch laß mich alles
+hören.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Als ich dem König die Blumen gab, sah er
+nicht so aus, als verstünde er etwas davon.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_70" title="70"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das kann nicht sein! Er verstand nicht &mdash;?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Nein; er saß da wie eine Puppe, ohne ein einziges
+Wort zu äußern. Ich glaube, er wollte
+nicht zeigen, daß er nichts verstand, daher tat
+er den Mund nicht auf.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Pfui über mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht
+bestraft worden. Warum hast du meine
+Blumen nicht zurückgebracht?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wie konnte ich? Der König von Kantschi, ein
+sehr gewitzigter Mann, der neben ihm saß, begriff
+alles mit einem Blick, und er lächelte
+nur eben ein bißchen und sagte: „Majestät,
+die Königin Sudarschana sendet Euch ihre
+Grüße mit diesen Blumen &mdash; mit Blumen, die
+dem Gott der Liebe gehören, dem Freund des
+Frühlings!” Der König schien mit einem Male
+aufzuwachen und sagte: „Das ist die Krone
+all meiner Königsherrlichkeit heute Nacht.”
+Ich wandte mich, ganz außer Fassung, zum
+Gehen, als der König von Kantschi dem König<a class="pagenum" name="Page_71" title="71"> </a>
+dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir
+sagte: „Freundin, dies Königsgeschmeide will
+zu dir, zum Dank für das frohe Glück, das du
+gebracht hast.”</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie, Kantschi mußte dem König all das begreiflich
+machen! Weh mir, dies nächtliche
+Fest hat die Tore der Schmach und Schande
+weit vor mir geöffnet. Was andres konnte
+ich erwarten? Verlaß mich, Rohini; ich muß
+eine Weile allein sein. <span class="regie">(Rohini geht ab.)</span> Ein
+furchtbarer Schlag hat all meinen Stolz zu
+Staub zerschlagen, und doch ... ich kann
+diese schöne, bezaubernde Gestalt nicht aus
+dem Gedächtnis löschen! Kein Stolz ist mir
+geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet,
+gänzlich hilflos ... ich kann nicht einmal die
+Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder
+und wieder der Wunsch kommt, Rohini um
+diese Kette zu bitten! Aber was würde sie denken!
+Rohini!</p>
+
+<p class="regie">Rohini kommt.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Was ist dein Wunsch?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_72" title="72"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Welchen Lohn verdienst du für deine heutigen
+Dienste?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Nichts von dir &mdash; aber ich bekam meinen Lohn
+von dem König, wie sich's gebührt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene
+Belohnung. Ich möchte nicht etwas
+an dir sehen, was auf so gleichgültige Art gegeben
+wurde. Leg es ab, ich gebe dir meine
+Armspangen, wenn du es hier läßt. Nimm
+diese Armspangen und geh nun. <span class="regie">(Rohini geht
+ab.)</span> Welch neue Schmach! Ich hätte dieses
+Halsband wegwerfen sollen &mdash; aber ich kann
+nicht! Es sticht mich, als ob es ein Dornenkranz
+wäre &mdash; aber ich kann es nicht wegwerfen. Das
+also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert
+&mdash; dieses Halsband der Schmach und
+Schande!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="V" id="V">V.</a></h2>
+
+<p class="regie">Großvater nahe am Tor des Lusthauses.</p>
+
+<p class="regie">Eine Gesellschaft von Männern.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Habt ihr genug davon bekommen, Freunde?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_73" title="73"> </a></p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Oh, mehr als genug, Großvater. Sieh nur, sie
+haben mich über und über rot gemacht. Keiner
+ist davongekommen<a name="FNanchor_A_1" id="FNanchor_A_1"></a><a href="#Footnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a>.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wirklich? Haben sie die Könige auch mit
+rotem Puder beworfen?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie
+waren alle sicher auf ihrem eingehegten Platz.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>So sind sie euch entkommen! Konntet ihr
+nicht die geringste Spur Farbe auf sie werfen?
+Ihr hättet euch den Weg dahin erzwingen
+sollen.</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte
+Rot, die ihnen vorbehalten ist. Ihre Augen sind
+rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres Gefolges
+sind auch rot. Und die letztern schwangen<a class="pagenum" name="Page_74" title="74"> </a> ihre Schwerter so in der Luft herum, daß
+eine weitere Annäherung von unserer Seite ein
+reichliches Zutagetreten der grundlegenden
+roten Farbe bedeutet hätte.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wohlgetan, Freunde &mdash; haltet sie immer in
+einiger Entfernung. Sie sind die Verbannten
+der Erde, und wir haben das Amt, dafür zu
+sorgen, daß es so bleibt.</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Ich gehe heim, Großpapa; Mitternacht ist vorüber.</p>
+
+<p class="regie">Geht ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Schar Sänger kommt singend herbei.</p>
+
+<div class="verse">Schwarz und Weiß ist nicht mehr geschieden,</div>
+<div class="verse">Ist rot geworden &mdash; rot wie eure Füße gefärbt sind.</div>
+<div class="verse">Rot ist mein Wams und rot meine Träume,</div>
+<div class="verse">Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus.</div>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Vortrefflich, meine Freunde, glänzend! So
+hattet ihr wirklich genußreiche Stunden!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_75" title="75"> </a></p>
+
+<p class="character">Die Sänger</p>
+
+<p>Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der
+Mond am Himmel ließ uns im Stich: er blieb
+weiß.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Er sieht nur von außen so unschuldig drein.
+Hättet ihr nur seine weiße Maske weggenommen,
+ihr hättet seine Schelmerei schon gesehen.
+Ich habe beobachtet, was für rote Farben
+er heute nacht auf die Erde wirft. Und
+doch, sollte man es für möglich halten, daß
+er dabei die ganze Zeit weiß und farblos
+bleibt!</p>
+
+<p class="character">Gesang.</p>
+
+<div class="verse">Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb!</div>
+<div class="verse">Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt,</div>
+<div class="verse">Meinst du, ungefärbt zu entkommen,</div>
+<div class="verse">Wenn du mich mit rotem Puder rötest?</div>
+<div class="verse">Könnt ich nicht dein Kleid färben mit dem roten Blütenstaub meines Herzens?</div>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Der „König” und Kantschi treten auf.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du mußt genau tun, was ich dir gesagt habe.
+Daß du mir nichts übersiehst!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_76" title="76"> </a></p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich werde nichts übersehen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Die Gemächer der Königin Sudarschana liegen
+in den...</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen,
+und dann wirst du aus dem Durcheinander
+und der Verwirrung Vorteil ziehen,
+um deine Aufgabe zielbewußt zu vollbringen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich werde daran denken.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sieh einmal, Herr Prätendent, ich glaube doch,
+daß unsere Furcht ganz unbegründet ist &mdash;
+es gibt in Wahrheit keinen König in diesem
+Lande.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie
+zu retten. Der gemeine Mann kann
+ohne König nicht leben, ob dieser nun echt ist<a class="pagenum" name="Page_77" title="77"> </a>
+oder falsch! Anarchie ist immer eine Quelle
+der Gefahr.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Frommer Wohltäter des Volkes, deine wundervolle
+Aufopferung sollte wirklich uns
+allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke
+diesen außerordentlichen Dienst in eigener
+Person zu erweisen.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="VI" id="VI">VI.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Im Garten.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen,
+was all das ist! <span class="regie">(Zu den Gärtnern)</span>
+Wohin geht ihr alle in solcher Eile?</p>
+
+<p class="character">Erster Gärtner</p>
+
+<p>Wir gehen aus dem Garten.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wohin?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Gärtner</p>
+
+<p>Wir wissen nicht, wohin &mdash; der König hat uns
+gerufen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_78" title="78"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Aber der König ist doch hier in diesem Garten.
+Welcher König hat euch gerufen?</p>
+
+<p class="character">Erster Gärtner</p>
+
+<p>Das wissen wir nicht.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Gärtner</p>
+
+<p>Der König, dem wir unser Lebtag gedient
+haben, natürlich.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wollt ihr alle gehen?</p>
+
+<p class="character">Erster Gärtner</p>
+
+<p>Ja, alle &mdash; wir müssen sofort gehen. Sonst
+könnten wir zu Schaden kommen.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich
+fürchte mich. Sie rennen davon wie wilde
+Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe
+die Flut den Damm durchbricht.</p>
+
+<p class="regie">Der König von Koschala tritt auf.</p>
+
+<p>Rohini, weißt du, wo dein König und Kantschi
+hingegangen sind?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_79" title="79"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann
+nicht sagen, wo.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben.
+Ich habe nicht wohl daran getan, mein Vertrauen
+auf Kantschi zu setzen. <span class="regie">Ab.</span></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Was ist das für eine dunkle Sache, mit der
+sich diese Könige abgeben? Etwas Schreckliches
+bereitet sich vor. Werde ich in diese
+Sache hineingezogen werden?</p>
+
+<p class="regie">Avanti tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Rohini, weißt du, wo die andern Fürsten sind?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen
+sind. Der König von Koschala ging
+jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer
+König und Kantschi?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_80" title="80"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewiß,
+uns alle zu betrügen. Ich habe nicht wohl
+daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu
+stecken. Freundin, könntest du mir freundlich
+einen Weg aus diesem Garten weisen?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich weiß keinen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus
+zeigen kann?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Die Diener haben alle den Garten verlassen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Warum taten sie das?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich konnte nicht genau verstehen, was sie
+meinten. Sie sagten, der König hätte ihnen befohlen,
+den Garten sofort zu verlassen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Der König? Welcher König?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_81" title="81"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sie konnten es nicht genau sagen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Das klingt nicht gut. Ich muß um jeden Preis
+einen Weg hinausfinden. Ich kann hier keinen
+Augenblick länger bleiben.</p>
+
+<p class="regie">Geht eilig ab.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wo kann ich den König finden? Als ich ihm
+die Blumen gab, die die Königin gesandt hatte,
+da schien er sich nicht viel um mich zu kümmern;
+aber seit der Stunde hat er Gaben und
+Geschenke auf mich gehäuft. Diese grundlose
+Freigebigkeit macht mich noch ängstlicher...
+Wohin fliegen die Vögel zu dieser Stunde der
+Nacht? Was hat sie plötzlich aufgeschreckt?
+Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges,
+gewiß nicht... Warum rennt der Königin
+zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata! Tschapata!
+Es hört nicht einmal meinen Ruf. Ich
+habe nie eine Nacht wie diese gesehen. Der
+Horizont wird auf allen Seiten plötzlich rot,
+wie das Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne
+scheint zu so ungewohnter Stunde auf allen<a class="pagenum" name="Page_82" title="82"> </a>
+Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn
+des Allmächtigen ist dies! ... Oh, ich
+fürchte mich! ... Wo kann ich den König
+finden?</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="VII" id="VII">VII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Am Tor zum Palast der Königin.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Was hast du getan, Kantschi?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim
+Palast in Brand stecken. Ich hatte keine
+Ahnung, daß das Feuer sich so schnell nach
+allen Seiten verbreiten würde. Sag mir schnell
+den Weg aus diesem Garten.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher
+geführt haben, sind alle entflohen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du bist ein Eingeborner dieses Landes &mdash; du
+mußt den Weg wissen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich habe diese inneren Königsgärten nie zuvor
+betreten.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_83" title="83"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich will davon nichts hören &mdash; du mußt mir
+den Weg zeigen, oder ich spalte dich in zwei
+Teile.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Du kannst mir auf diese Weise das Leben
+nehmen, aber es würde dir wenig helfen, den
+Weg aus diesem Garten zu finden.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Warum liefst du dann herum und sagtest, du
+wärest der König dieses Landes?</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich bin nicht der König &mdash; ich bin nicht der
+König.</p>
+
+<p class="regie">Wirft sich mit gefalteten Händen zu Boden.</p>
+
+<p>Wo bist du, mein König? Rette mich, oh, rette
+mich! Ich bin ein Empörer &mdash; strafe mich,
+aber töte mich nicht!</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was nützt es, sich zu krümmen und in die
+leere Luft zu schreien? Nutze die Zeit lieber
+und such nach dem Wege!</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich will mich hierher legen &mdash; ich rühre mich<a class="pagenum" name="Page_84" title="84"> </a>
+nicht von der Stelle. Komme was will, ich
+werde nicht klagen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn
+ich verbrennen muß, sollst du mir zum letzten
+Ende Gesellschaft leisten.</p>
+
+<p class="character">Stimme von außen</p>
+
+<p>Oh, rette uns, rette uns, König! Das Feuer
+kommt von allen Seiten über uns!</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(tritt auf)</span></p>
+
+<p>König, o mein König! rette mich, rette mich
+vor dem Tode! Ich bin vom Feuer umzingelt.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wer ist der König? Ich bin kein König.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du bist nicht der König?</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft.</p>
+
+<p class="regie">Seine Krone zu Boden werfend.</p>
+
+<p>Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben!</p>
+
+<p class="regie">Ab mit Kantschi.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_85" title="85"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Kein König? Er ist nicht der König? Dann,
+o du Feuergott, verbrenne mich, vernichte
+mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in
+die Arme werfen, o du großer Reiniger; verbrenne
+meine Schmach, mein Verlangen,
+meine Begierde zu Asche.</p>
+
+<p class="character">Rohini <span class="regie">(tritt auf)</span></p>
+
+<p>Königin, wohin gehst du? All deine innern
+Gemächer sind in rasendes Feuer gehüllt &mdash;
+geh nicht hinein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ja, ich will in diese brennenden Räume hineingehn!
+Es ist mein Totenfeuer!</p>
+
+<p class="regie">Sie geht in den Palast.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="VIII" id="VIII">VIII.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Die dunkle Kammer. Der König und Sudarschana.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Fürchte dich nicht &mdash; du hast keinen Grund
+zur Angst. Das Feuer wird nicht in dies Gemach
+dringen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe keine Angst &mdash; aber oh, die Scham
+verfolgt mich wie ein rasendes Feuer. Mein<a class="pagenum" name="Page_86" title="86"> </a>
+Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil
+meines Körpers wird von ihren Flammen versengt
+und verbrannt.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Es wird eine Zeit vergehen, ehe du über
+diesen Brand hinwegkommst.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dieses Feuer wird nie aufhören &mdash; wird nie
+aufhören!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Verzage nicht, Königin!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O König, ich will dir nichts verbergen... Ich
+trage eines anderen Kette um meinen Hals.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Auch diese Kette ist mein &mdash; wie sonst hätte
+er zu ihr kommen sollen? Er stahl sie aus
+meiner Kammer.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber sie ist <em class="gesperrt">sein</em> Geschenk an mich: und
+doch konnte ich diese Kette nicht fortschleudern!
+Als das Feuer brüllend von allen Seiten
+kam, dachte ich daran, diese Kette ins Feuer<a class="pagenum" name="Page_87" title="87"> </a>
+zu werfen. Aber nein, ich konnte nicht. Mein
+Geist flüsterte: „Behalte diese Kette im Tode
+an”... Was für ein Feuer ist das, o König,
+in das ich, die hinausgegangen war, dich zu
+sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme
+nicht widerstehen kann! Welch eine Qual ist
+das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer
+brennt so wild weiter wie je, und doch lebe
+ich weiter in seinen Flammen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Aber du hast mich schließlich gesehen &mdash; deine
+Sehnsucht ist gestillt worden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber suchte ich dich denn mitten in diesem
+grauenhaften Verderben? Ich weiß nicht, was
+ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor
+Angst.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Was sahest du?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Grauenhaft &mdash; oh, es war grauenhaft! Ich
+fürchte mich, auch nur noch daran zu
+denken. Schwarz, schwarz &mdash; o du bist schwarz
+wie die ewige Nacht! Ich habe dich nur einen<a class="pagenum" name="Page_88" title="88"> </a>
+einzigen entsetzlichen Augenblick gesehen.
+Der Feuerschein fiel auf deine Züge &mdash; du
+sahst wie die schaudervolle Nacht aus, wenn
+ein Komet unheilverkündend über uns schwebt
+&mdash; oh, da schloß ich die Augen &mdash; ich konnte
+deinen Anblick nicht mehr ertragen. Schwarz
+wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie
+das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot
+des Zwielichts auf seinen tosenden Wogen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß man meinen
+Anblick nicht ertragen kann, wenn man
+nicht schon darauf vorbereitet ist? Man möchte
+vor mir zum Ende der Welt fliehen. Habe ich
+das nicht zahllose Male gesehen? Darum wollte
+ich mich dir langsam und allmählich enthüllen,
+nicht gar zu plötzlich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber es kam die Sünde und vernichtete alle
+deine Hoffnungen &mdash; die bloße Möglichkeit
+einer Gemeinschaft mit dir ist für mich nun
+undenkbar geworden.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Sie wird mit der Zeit möglich werden, meine<a class="pagenum" name="Page_89" title="89"> </a>
+Königin. Die gräßliche düstere Schwärze, die
+dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen
+hat, wird eines Tages dein Trost und
+dein Heil sein. Wofür sonst kann meine Liebe
+da sein?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es kann nicht sein, es ist nicht möglich. Was
+will <em class="gesperrt">deine</em> Liebe allein noch tun? <em class="gesperrt">Meine</em>
+Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die
+Schönheit hat ihren Zauber auf mich geworfen,
+diese Raserei, dieser Rausch wird mich
+nie mehr verlassen &mdash; sie hat meine Augen mit
+ihrem Glanz geblendet und entflammt, sie hat
+ihren goldenen Schimmer bis in meine Träume
+geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt &mdash;
+strafe mich, wie dir beliebt.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Die Strafe hat schon begonnen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Doch willst du mich nicht strafen so stoße
+mich von dir. Ich will dich verlassen &mdash;</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir
+beliebt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_90" title="90"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen!
+Mein Herz ist böse auf dich. Warum warst
+du &mdash; aber was hast du mir getan?... Warum
+bist du so? Warum haben sie mir gesagt, du
+wärest stattlich und schön? Du bist schwarz,
+schwarz wie die Nacht &mdash; ich werde dich nie,
+ich kann dich nie liebhaben. Ich habe gesehen,
+was ich liebe &mdash; es ist sanft und weich wie Samt,
+zart wie die <i>Schirischa</i>-Blume, strahlend wie
+ein Schmetterling.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie
+eine Seifenblase.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Mag sein &mdash; aber ich kann deine Nähe nicht
+ertragen &mdash; ich kann einfach nicht! Ich muß
+von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir,
+das kann nicht möglich sein! Sie kann nichts
+anderes sein als ein falscher Bund &mdash; mein
+Geist muß sich unweigerlich von dir abkehren.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_91" title="91"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe es seit gestern versucht &mdash; aber je
+mehr ich versuche, um so mehr empört sich
+mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich
+beständig von dem Gedanken verfolgt und gehetzt,
+daß ich unrein bin, daß ich falsch und
+treulos bin.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen,
+als dir beliebt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich kann von dir nicht fliehen &mdash; gerade weil
+du mein Gehen nicht hinderst. Warum hältst
+du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurück
+und sagst: „Du sollst nicht gehen?”
+Warum schlägst du mich nicht? O strafe
+mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger
+Hand! Aber dein widerstandsloses Schweigen
+macht mich wild &mdash; oh, ich kann's nicht ertragen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Warum glaubst du, daß ich in Wirklichkeit
+still bin? Woher weißt du, daß ich nicht versuche,
+dich zurückzuhalten?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_92" title="92"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, nein, nein! &mdash; Ich kann das nicht ertragen
+&mdash; sag mir laut, befiehl mir mit der Stimme
+des Donners, zwinge mich mit Worten, die
+alles andere übertönen &mdash; laß mich nicht so
+leicht, so mild von dir!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte
+ich zulassen, daß du dich von mir losreißest?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn,
+ich muß gehen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Geh denn!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>So bin ich gar nicht zu tadeln. Du hättest mich
+mit Gewalt zurückhalten können, aber du
+tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert
+&mdash; und nun werde ich fortgehen. Befiehl deinen
+Wachen, mich nicht gehen zu lassen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Niemand wird dir in den Weg treten. Du
+kannst so frei gehen wie die zerrissene Wetterwolke,
+die vom Sturm gepeitscht wird.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_93" title="93"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich kann nicht mehr widerstehen &mdash; etwas in
+mir jagt mich vorwärts &mdash; es treibt mich von
+meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken,
+aber ich werde nie mehr zurückkehren.</p>
+
+<p class="regie">Sie stürzt hinaus.</p>
+
+<p class="regie">Surangama tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Surangama <span class="regie">(singt)</span></p>
+
+<p>Was hat dein Wille mit mir vor, daß er mich
+in die Weite sendet? Zu deinen Füßen werde
+ich wieder von meiner Wanderschaft zurückkehren.</p>
+
+<p>Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein
+der Nachlässigkeit verbirgt, deine zärtlichen
+Hände stoßen mich fort, um mich wieder in
+deine Arme zu ziehn! O mein König, was ist's
+für ein Spiel, das du überall in deinem Reiche
+treibst?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(kehrt zurück)</span></p>
+
+<p>König, o König!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Er ist fortgegangen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er<a class="pagenum" name="Page_94" title="94"> </a>
+mich endgültig verstoßen! Ich bin zurückgekehrt,
+aber er hat nicht einen einzigen kleinen
+Augenblick auf mich warten können! Sehr gut
+denn, ich bin nun vollkommen frei. Surangama,
+hat er dich geheißen, mich zurückzuhalten?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, er hat nichts gesagt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte
+er sich um mich kümmern? ... Ich bin also
+frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich
+wollte den König etwas fragen, konnte es aber
+in seiner Gegenwart nicht herausbringen. Sag
+mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft
+hat.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Mit dem Tode? Mein König straft nie mit dem
+Tode.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Was hat er ihnen denn getan?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat
+seine Niederlage anerkannt und ist in sein
+Königreich heimgekehrt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_95" title="95"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ach, was für eine Erlösung!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Meine Königin, ich habe eine einzige Bitte an
+dich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen,
+Surangama. Alle Geschmeide und Schmucksachen,
+die der König mir gab, lasse ich dir
+&mdash; ich bin nicht würdig, sie von nun an zu
+tragen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, ich brauche sie nicht, meine Königin.
+Mein Herr hat mir nie irgendwelchen Schmuck
+zu tragen gegeben &mdash; mein schmuckloses Aussehen
+ist für mich gut genug. Er hat mir nichts
+gegeben, womit ich vor den Leuten prahlen
+könnte.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Was willst du sonst von mir?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich will mit dir gehn, meine Königin.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen<a class="pagenum" name="Page_96" title="96"> </a>
+Herrn zu verlassen. Was für eine Bitte ist das
+für dich!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich werde nicht weit von ihm fortgehen &mdash;
+wenn du unbehütet fortgehst, wird er bei dir
+sein, dicht dir zur Seite.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini
+mit mir nehmen, aber sie wollte nicht.
+Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit
+mir zu kommen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich
+werde gehen &mdash; der Mut wird von selbst kommen,
+und auch die Kraft wird kommen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine
+Gegenwart wird mich beständig an meine
+Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen
+können.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>O meine Königin, ich habe wie all dein Gutes<a class="pagenum" name="Page_97" title="97"> </a>
+so auch all dein Böses mir zu eigen gemacht;
+willst du mich noch als Fremde behandeln?
+Ich muß mit dir gehn.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="IX" id="IX">IX.</a></h2>
+
+<p class="regie">Der König von Kanya Kubja,
+Vater von Sudarschana, und sein Minister.</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Ich hörte alles vor ihrer Ankunft.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Die Prinzessin wartet allein außerhalb der
+Stadttore am Ufer des Flusses. Soll ich Leute
+senden, um sie zu Hause willkommen zu
+heißen?</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Wie! Für sie, die treulos ihren Gatten verlassen
+hat &mdash; da willst du ihre Schmach und
+Schande in aller Welt ausposaunen und ein
+Schaustück für sie in Szene setzen?</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr
+eine Wohnung im Palaste herzurichten?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_98" title="98"> </a></p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren
+Platz als Königin aus eigenem Entschluß verlassen
+&mdash; hier wird sie als Magd arbeiten
+müssen, wenn sie in meinem Hause zu bleiben
+wünscht.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Es wird schwer und bitter für sie sein, Euer
+Hoheit.</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren,
+dann bin ich nicht wert, ihr Vater
+zu sein.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Ich werde alles ordnen, wie Ihr wünscht,
+Euer Hoheit.</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Es soll verborgen bleiben, daß sie meine Tochter
+ist, sonst geraten wir alle in ein entsetzliches
+Unheil.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Warum fürchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_99" title="99"> </a></p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht,
+dann erscheint sie mit dem furchtbaren Unheil
+beladen. Du weißt nicht, welche tödliche
+Furcht diese meine Tochter mir eingeflößt
+hat &mdash; sie ist heimgekommen, beladen mit
+Schrecknis und Gefahr.</p>
+
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="X" id="X">X.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Innere Gemächer des Palastes.</p>
+
+<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Geh fort von mir, Surangama! Ein tödlicher
+Zorn rast in mir &mdash; ich kann niemanden ertragen
+&mdash; es macht mich wild, dich so geduldig
+und unterwürfig zu sehn.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Auf wen bist du zornig?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich weiß nicht; aber ich möchte alles vernichtet
+und unter Trümmern und Elend begraben
+sehn! In einem Augenblick verließ ich
+meinen Platz als Königin auf dem Thron. Gab<a class="pagenum" name="Page_100" title="100"> </a>
+ich alles hin, um mich in dieser düsteren Höhle
+als Sklavin abzuplagen? Warum flammen für
+mich nicht die Fackeln der Trauer über die
+ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die
+Erde? Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte
+Fallen der armseligen Bohnenblüte?
+Ist er nicht eher wie der Fall eines glühenden
+Sternes, dessen flammende Lohe den Himmel
+in Stücke reißt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ein mächtiger Wald raucht und glimmt innen,
+ehe er in Flammen ausbricht: die Zeit ist noch
+nicht gekommen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe Ehre und Ruhm einer Königin in
+Staub und Winde gestreut &mdash; aber gibt es
+keinen Menschen, der kommen will, um meine
+trostlose Seele hier zu besuchen? Allein &mdash; oh,
+ich bin furchtbar, grauenvoll allein!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du bist nicht allein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Surangama, ich will nichts vor dir verbergen.<a class="pagenum" name="Page_101" title="101"> </a>
+Als er den Palast in Flammen setzte, konnte
+ich nicht auf ihn böse sein. Eine große innere
+Freude machte mein Herz erzittern. Was für
+ein staunenswürdiges Verbrechen! Was für
+eine glorreiche Kühnheit! Dieser Mut machte
+mich stark und befeuerte meine Lebensgeister.
+Diese furchtbare Freude gab mir die Kraft, in
+einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist
+das alles nur meine Einbildung? Warum ist
+nirgends ein Zeichen zu sehen, daß er kommt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Der, an den du denkst, hat den Palast nicht
+in Brand gesteckt &mdash; der König von Kantschi
+tat es.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Der Feigling! Aber ist es möglich? So schön,
+so bezaubernd, und doch keine Mannheit
+in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um
+so eines wertlosen Geschöpfes willen? O
+Schmach! Pfui über mich!... Aber Surangama,
+meinst du nicht, dein König hätte doch
+kommen müssen, um mich zurückzuholen!</p>
+
+<p class="regie">(Surangama verharrt in Schweigen.)</p>
+
+<p>Du meinst, ich brenne darauf, zurückzukehren?<a class="pagenum" name="Page_102" title="102"> </a>
+Niemals. Selbst wenn der König in Wirklichkeit
+käme, ginge ich nicht zurück. Nicht ein
+einziges Mal verbot er mir fortzugehn, und ich
+fand alle Tore weit geöffnet, um mich hinauszulassen!
+Und die steinige, staubige Straße, auf
+der ich wanderte &mdash; es war ihr nichts, daß eine
+Königin auf ihr schritt. Sie ist hart und gefühllos,
+wie dein König; der niedrigste Bettler
+gilt ihr ebensoviel wie die höchste Königin.
+Du schweigst! Nun, ich sage dir, deines Königs
+Benehmen ist &mdash; niedrig, roh, schmählich!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Jeder weiß, daß mein König hart und unbarmherzig
+ist &mdash; niemand ist je imstande gewesen,
+ihn zu rühren.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und
+bei Nacht?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Möge er immer hart und unnachgiebig bleiben
+wie Stein &mdash; mögen meine Tränen und Bitten
+ihn nie bewegen! Mögen die Leiden nur immer
+<em class="gesperrt">mein</em> Teil sein und möge Ruhm und Sieg <em class="gesperrt">ihm</em>
+immerdar bleiben!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_103" title="103"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint
+dort drüben über den Feldern am östlichen
+Horizont aufzusteigen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja, ich sehe es.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>In der Tat, es ist ein Banner.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dann kommt er. Er ist endlich gekommen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wer kommt?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Unser König &mdash; wer sonst! Wie könnte er ohne
+mich leben! Es ist ein Wunder, wie er nur
+diese Tage her aushalten konnte.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, nein, das kann nicht der König sein.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_104" title="104"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>„Nein”, in der Tat! Als ob du alles wüßtest!
+Dein König ist hart, kalt, unbarmherzig, nicht
+wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein
+kann. Ich wußte von Anfang an, daß er
+kommen würde &mdash; daß er hinter mir herlaufen
+müßte. Aber erinnere dich, Surangama, ich
+habe ihn nicht ein einziges Mal gebeten, daß
+er käme. Du wirst sehen, wie ich deinen König
+dazu bringe, mir seine Niederlage zu bekennen!
+Geh nur hinaus, Surangama, und laß
+mich alles wissen.</p>
+
+<p class="regie">Surangama geht hinaus.</p>
+
+<p>Aber werde ich gehen, wenn er kommt und
+mich bittet, mit ihm zurückzukehren? Gewiß
+nicht! Ich will nicht gehen! Niemals!</p>
+
+<p class="regie">Surangama kommt zurück.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Es ist nicht der König, meine Königin.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nicht der König? Bist du ganz sicher? Wie!
+er ist noch nicht gekommen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_105" title="105"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, mein König wirbelt nie soviel Staub auf,
+wenn er kommt. Niemand kann wissen, wann
+er überhaupt kommt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dann ist es &mdash;</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Eben der: er kommt mit dem König von
+Kantschi.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Weißt du, wie er heißt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Er heißt Suvarna.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Er ist es also. Ich dachte: „Ich liege hier gleich
+weggeworfenen Schlacken und Kehricht, die
+keiner auch nur anrühren mag.” Aber mein
+Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du
+Suvarna früher gekannt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in
+der Spielhölle &mdash;</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_106" title="106"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen,
+ich will nichts hören. Er ist mein Held, meine
+einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen,
+ohne daß du mir Geschichten von ihm erzählst.
+Aber sieh nur, ein netter Mann ist dein
+König! Er ließ sich nicht einfallen, zu
+kommen, um mich selbst aus dieser Entwürdigung
+zu retten. Danach kannst du mich nicht
+tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf
+ihn warten und mich schimpflich wie eine
+Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut
+und Unterwürfigkeit üben wie du.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XI" id="XI">XI.</a></h2>
+
+<p class="regie">Lager.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p class="regie">Zu Kanya Kubja's Boten.</p>
+
+<p>Sage deinem König, daß er uns nicht gerade
+als seine Gäste zu empfangen braucht. Wir
+sind auf dem Weg zurück zu unsern Königreichen,
+aber wir verweilen, um die Königin
+Sudarschana aus der Knechtschaft und Entwürdigung
+zu befreien, zu der sie hier verdammt
+ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_107" title="107"> </a></p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, daß
+die Prinzessin in ihres Vaters Hause ist.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres
+Vaters bleiben, als sie unvermählt ist.</p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres
+Vaters bleiben unverändert bestehen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden
+entsagt.</p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann
+diesseits des Grabes niemals entsagt werden:
+sie mag zu Zeiten außer Kraft treten, kann
+jedoch nie ganz abgebrochen werden.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Entschließt sich der König nicht, mir seine
+Tochter auf friedlichem Wege herauszugeben,
+so wird mich das Gebot der Ritterpflicht nötigen,<a class="pagenum" name="Page_108" title="108"> </a> Gewalt anzuwenden. Du kannst das für
+mein letztes Wort nehmen.</p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Euer Hoheit wollen nicht vergessen, daß auch
+unser König an die Ritterpflicht gebunden ist.
+Ihr erwartet umsonst, daß er seine Tochter nur
+auf eure Drohungen hin ausliefern wird.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sag deinem König, daß ich auf solch eine Antwort
+gefaßt war, als ich herkam.</p>
+
+<p class="regie">Der Bote geht ab.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>König von Kantschi, es scheint mir, daß wir
+zu viel wagen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was für ein Vergnügen böte dieses Abenteuer,
+wenn es anders wäre?</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum
+Kampf herauszufordern &mdash; aber...</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wenn du erst anfängst, dich vor „Aber” zu<a class="pagenum" name="Page_109" title="109"> </a>
+fürchten, wirst du in dieser Welt kaum einen
+Platz finden, der sicher genug für dich ist.</p>
+
+<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Soldat</p>
+
+<p>Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten,
+daß die Könige von Koschala, Avanti
+und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs
+kommen. <span class="regie">(Ab.)</span></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Gerade, was ich fürchtete! Die Nachricht von
+Sudarschanas Flucht hat sich überall verbreitet;
+jetzt wird man sich von allen Seiten
+um sie reißen und schließlich wird alles in
+Rauch aufgehn.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Es führt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind
+keine guten Nachrichten. Ich bin völlig gewiß,
+daß unser König selbst insgeheim die Kunde
+allenthalben verbreitet hat.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Nun, was soll ihm das nützen?</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Die Gierigen werden einander in der allgemeinen<a class="pagenum" name="Page_110" title="110"> </a> Eifersucht in Stücke reißen &mdash; und er
+wird sich die Lage zunutze machen, die Beute
+heimzuführen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Nun wird es klar, warum euer König sich nie
+sehen läßt. Sein Kniff ist, sich auf allen Seiten
+zu vervielfachen &mdash; die Furcht sieht ihn allenthalben.
+Aber ich will dabei bleiben, daß euer
+König von Kopf zu Fuß nichts als eitel
+Schwindel ist.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Güte
+haben, mich zu entlassen?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich kann dich nicht gehen lassen &mdash; ich habe
+noch eine Verwendung für dich in dieser
+Sache.</p>
+
+<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Soldat</p>
+
+<p>Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha
+sind auch gekommen. Sie haben auf der andern
+Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen.
+<span class="regie">(Ab.)</span></p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_111" title="111"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Im Anfang müssen wir alle vereinigt kämpfen.
+Ist erst die Schlacht mit Kanya Kubja vorbei,
+so werden wir schon einen Weg aus der
+Schwierigkeit finden.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure
+Pläne &mdash; ich werde glücklich sein, wenn Ihr
+mich mir selbst überlaßt &mdash; ich bin ein armes,
+niedriges Geschöpf &mdash; nichts kann &mdash;</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sieh einmal an, König der Heuchler, Mittel
+und Wege sind nie von so hohem Range &mdash;
+Straßen und Stufen und so weiter sind stets
+dazu da, mit den Füßen getreten zu werden.
+Der Vorteil, wenn wir Männer deiner Art in
+unsern Plänen verwenden, ist, daß wir keine
+Maske oder Täuschung nötig haben. Wenn ich
+mich aber mit meinem Minister zu beraten
+hätte, wäre es unsinnig, wollte ich dem Diebstahl
+einen weniger würdigen Namen geben als
+Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die
+Fürsten in Bewegung setzen wie Bauern auf<a class="pagenum" name="Page_112" title="112"> </a>
+dem Schachbrett; das Spiel ist nicht möglich,
+wenn <em class="gesperrt">all</em> die Schachfiguren sich wie Könige
+bewegen wollen!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XII" id="XII">XII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Inneres des Palastes.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Geht die Schlacht noch fort?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>So heftig wie je.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater
+zu mir und sagte: „Du bist von einem König
+fortgelaufen, aber du hast sieben Könige dir
+nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben
+Stücke zu schneiden und sie unter die Fürsten
+zu verteilen.” Es wäre gut gewesen, wenn er
+es getan hätte. &mdash; Surangama!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wenn dein König die Macht hätte, mich zu
+retten, könnte mein jetziger Zustand ihn ungerührt
+gelassen haben?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_113" title="113"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Meine Königin, warum fragst du mich? Habe
+ich die Macht, für meinen König zu antworten?
+Ich weiß, mein Verstand ist nicht hell; darum
+wage ich nie über ihn zu urteilen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Alle sieben Fürsten.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sonst keiner?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Suvarna machte den Versuch zu entfliehen &mdash;
+insgeheim, ehe der Kampf anfing &mdash;, aber
+Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem
+Lager verwahrt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, ich hätte vor langer Zeit sterben sollen!
+Aber, o König, mein König, wenn du gekommen
+wärest und hättest meinem Vater geholfen,
+dein Ruhm wäre darum nicht geringer!
+Er wäre strahlender und höher geworden. Bist<a class="pagenum" name="Page_114" title="114"> </a>
+du ganz gewiß, Surangama, daß er nicht gekommen
+ist?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich weiß nichts sicher.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber seit ich hier bin, hatte ich plötzlich
+manchmal die Empfindung, als ob jemand
+unter meinem Fenster auf einer Laute spielte.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Es wäre nicht undenkbar, daß jemand dort
+seiner Liebe zur Musik frönt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es ist dort ein dichtes Gebüsch unter meinem
+Fenster &mdash; ich versuche jedesmal, wenn ich
+die Musik höre, herauszubekommen, wer es ist,
+aber ich kann nichts deutlich unterscheiden.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und
+spielt auf dem Instrument.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast
+kommt mir ins Gedächtnis zurück. Ich kam
+gewöhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet<a class="pagenum" name="Page_115" title="115"> </a> hatte, und stand an meinem Fenster,
+und aus dem blinden Dunkel des lichtlosen
+Ortes unsrer Begegnungen strömten dann
+Akkorde und Gesänge und Melodien heraus
+und tanzten und zitterten in endloser Folge
+und überfließender Verschwendung, wie die
+leidenschaftliche Überschwänglichkeit eines
+unversieglichen Springquells.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles
+Dunkel, dessen Dienerin ich war!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Weil ich wußte, er würde uns folgen und uns
+zurückholen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber nein, er wird nicht kommen &mdash; er hat
+uns für immer verlassen. Warum sollte er
+nicht?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann
+bedürfen wir seiner nicht. Dann ist er für uns<a class="pagenum" name="Page_116" title="116"> </a>
+nicht da: dann ist jene dunkle Kammer völlig
+leer und öde &mdash; keine Laute hauchte dort je
+ihre Musik &mdash; niemand rief dich oder mich in
+jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen
+und ein eitler Traum.</p>
+
+<p class="regie">Der Türhüter tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wer bist du?</p>
+
+<p class="character">Türhüter</p>
+
+<p>Ich bin der Pförtner dieses Palastes.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sag mir rasch, was du zu sagen hast.</p>
+
+<p class="character">Türhüter</p>
+
+<p>Unser König ist gefangen genommen worden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Gefangen? O Mutter Erde!</p>
+
+<p class="regie">Sie wird ohnmächtig.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XIII" id="XIII">XIII.</a></h2>
+
+<p class="regie">König von Kantschi und Suvarna.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Ihr sagt also, daß keine Notwendigkeit irgendeines
+Kampfes unter euch selbst mehr besteht?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_117" title="117"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich
+habe alle Fürsten dazu gebracht, sich einverstanden
+zu erklären, daß der, den die Königin
+als Gemahl erwählt, sie bekommen soll, und
+die andern werden auf jeden weiteren Kampf
+verzichten.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr,
+Euer Hoheit &mdash; so flehe ich Euch an: entlaßt
+mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin,
+hat die Furcht vor drohender Gefahr mich entnervt
+und meinen Verstand betäubt. Es wird
+Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu
+verwenden.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du wirst dasitzen und mir als Schirmträger
+dienen.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Euer Diener ist zu allem bereit; aber was für
+einen Nutzen wird Euch das bringen?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Mann, ich sehe, daß dein Verstand zu schwach
+ist, um mit einem hohen Ehrgeiz zusammenzugehen.<a class="pagenum" name="Page_118" title="118"> </a> Du hast noch nicht bemerkt, mit
+welcher Gunst die Königin auf dich gesehen
+hat. Schließlich kann sie in einer Gesellschaft
+von Fürsten einem Schirmträger nicht gut den
+Brautkranz um den Nacken legen, und doch,
+ich weiß, sie wird nicht imstande sein, ihren
+Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden
+Fall dieser Kranz unter den Schatten meines
+königlichen Schirmes fallen.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefährliche
+Phantasien. Ich bitte Euch inständig,
+verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser
+Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz
+demütig, setzt mich in Freiheit.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir
+nicht einen Augenblick mehr deine Freiheit
+vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so
+ist es unnütz, sich mit den Mitteln zu beschweren.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_119" title="119"> </a></p>
+
+<h2><a name="XIV" id="XIV">XIV.</a></h2>
+
+<p class="regie">Sudarschana und Surangama am Fenster.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Muß ich also in die Versammlung der Fürsten
+gehn? Gibt es kein anderes Mittel, meines
+Vaters Leben zu retten?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Der König von Kantschi hat es gesagt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sind das Worte, die eines Königs würdig sind?
+Sagte er das mit seinem eigenen Munde?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Weh, weh über mich!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor
+und sagte: „Sag deiner Königin, daß diese Andenken
+an das Frühlingsfest, je trockener und<a class="pagenum" name="Page_120" title="120"> </a>
+verwelkter sie werden, um so frischer und
+blühender in meinem Herzen wachsen.”</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich
+nicht länger.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Sieh! Da sitzen die Fürsten alle in der großen
+Versammlung. Der keinen Schmuck an sich
+hat, außer dem einzigen Blumenkranz um
+seine Krone &mdash; das ist der König von Kantschi.
+Und der den Schirm über sein Haupt hält und
+hinter ihm steht &mdash; das ist Suvarna.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja, ich kenne ihn gut.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist es möglich, daß das der Mann ist, den ich
+damals sah? Nein, nein &mdash; ich sah etwas, das
+war gemischt aus Licht und Dunkel, aus
+Windhauch und Duft &mdash; nein, nein, er kann
+es nicht sein; das ist er nicht.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_121" title="121"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Aber alle geben zu, daß er ausnehmend schön
+ist.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie konnte <em>diese</em> Schönheit mich bezaubern?
+Oh, was soll ich tun, um meine Augen von der
+Befleckung zu reinigen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du wirst sie in jenem unergründlichen Dunkel
+baden müssen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber sage mir, Surangama, warum begeht man
+solche Fehler?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen
+Vernichtung.</p>
+
+<p class="character">Bote <span class="regie">(eintretend)</span></p>
+
+<p>Prinzessin, die Könige warten in der Halle auf
+Euch.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Surangama, bring mir den Schleier. <span class="regie">(Surangama
+geht hinaus.)</span> O König, mein einziger
+König! Du hast mich allein gelassen, und du<a class="pagenum" name="Page_122" title="122"> </a>
+hast ganz recht daran getan. Aber willst du
+nicht die innerste Wahrheit meiner Seele erfahren?</p>
+
+<p class="regie">Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor.</p>
+
+<p>Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen
+&mdash; ich werde ihn heute im Staub
+der Halle, vor all diesen Fürsten, zum Opfer
+bringen! Aber werde ich dir nie sagen können,
+daß die geheime Kammer meines Herzens
+durch keine Treulosigkeit befleckt ist? Die
+dunkle Kammer, wo du mich zu besuchen
+pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem
+Busen &mdash; doch, o mein Herr! keiner hat ihre
+Tore geöffnet, keiner ist in sie eingegangen
+als du, o König! Wirst du nie mehr kommen,
+um diese Tore zu öffnen? Dann laß den Tod
+kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine
+Züge sind schön wie deine. Er ist du &mdash; du
+bist es selbst, o König!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XV" id="XV">XV.</a></h2>
+
+<p class="regie">Die Versammlung der Fürsten.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>König von Kantschi, wie kommt es, daß du
+nicht ein einziges Schmuckstück an dir hast?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_123" title="123"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein
+Freund. Schmuckstücke würden die Schmach
+meiner Niederlage nur verdoppeln.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Aber dein Schirmträger scheint sich dafür ausstaffiert
+zu haben &mdash; er ist über und über mit
+Gold und Edelsteinen beladen.</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Der König von Kantschi will die Nutzlosigkeit
+und Minderwertigkeit äußerer Schönheit und
+Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine Mannestugenden
+hat ihn vermocht, alle äußeren Verschönerungen
+von seinen Gliedern zu entfernen.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Ich verstehe seine List schon; er sucht seine
+eigene Würde zu zeigen, indem er unter den
+mit Edelsteinen übersäten Fürsten eine strenge
+Einfachheit betont.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht
+rühmen. Alle Welt weiß, daß die Augen eines<a class="pagenum" name="Page_124" title="124"> </a>
+Weibes wie eine Motte sind, sie stürzen Hals
+über Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von
+Gold und Steinen.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Aber wie lange sollen wir noch warten?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Werde nicht ungeduldig, König von Kalinga &mdash;
+je später die Ernte, desto süßer die Frucht.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Wäre ich der Frucht sicher, so könnte ich es
+aushalten. Weil jedoch meine Hoffnung, die
+Frucht zu schmecken, äußerst zweifelhaft ist,
+will sich meine Begier, ihren Anblick zu genießen,
+nicht zügeln lassen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber du bist noch jung &mdash; aufgegebene Hoffnung
+kommt in deinen Jahren wieder und wieder
+zu dir zurück wie ein schamloses Weib:
+wir indessen haben diese Stufe lange hinter
+uns.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Kantschi, spürtest du nicht jetzt eben etwas,<a class="pagenum" name="Page_125" title="125"> </a>
+als ob jemand an deinem Sessel rüttelte? Ist
+es ein Erdbeben?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Erdbeben? Ich weiß nichts davon.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Oder vielleicht zieht noch ein Fürst mit seinen
+Bewaffneten daher.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur
+hätten wir dann vorher die Nachricht erst von
+einem Herold oder Boten vernehmen müssen.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Ich kann dies nicht für ein Zeichen guter Vorbedeutung
+nehmen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte
+Vorbedeutung aus.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Ich fürchte keinen außer dem Schicksal, vor
+dem Tapferkeit oder Heldenmut so unnütz wie
+sinnlos ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_126" title="126"> </a></p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen
+nicht einen Schatten auf die
+glücklichen Geschehnisse dieses Tages!</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung,
+bis es sichtbar geworden ist.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Aber dann könnte es zu spät sein, etwas zu
+tun.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Sind wir nicht alle in einem besonders verheißungsvollen
+Augenblick ans Werk gegangen!?</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Glaubst du dadurch, daß du in verheißungsvollen
+Augenblicken ans Werk gehst, gegen
+jede mögliche Gefahr versichert zu sein? Es
+sieht aus, als ob &mdash;</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du würdest besser das „Als ob” zu Hause
+lassen: es ist zwar unsre eigene Schöpfung, erweist<a class="pagenum" name="Page_127" title="127"> </a> sich aber oft als unser Verderben und
+Untergang.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Ist da nicht Musik irgendwo draußen?</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Ja, es klingt wirklich wie Musik.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Dann muß es endlich die Königin Sudarschana
+sein, die naht. <span class="regie">(Beiseite zu Suvarna.)</span> Suvarna,
+du mußt dich nicht so hinter mir ducken und
+dich verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner
+Hand zittert ja!</p>
+
+<p class="regie">Großvater tritt ein, in kriegerischer Rüstung.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Wer ist das? &mdash; Wer bist du?</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese
+Halle zu treten?</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Unerhörte Frechheit! Kalinga, hindre doch
+den Kerl, näher heranzukommen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_128" title="128"> </a></p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Ihr seid alle älter als ich &mdash; ihr seid berufener
+das zu tun, als ich.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Wir wollen hören, was er zu sagen hat.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Der <em>König</em> ist gekommen.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha <span class="regie">(aufspringend)</span></p>
+
+<p>Der König?</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Welcher König?</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Woher kommt er?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Mein König!</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Dein König?</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Wer ist das?</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Was meinst du?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ihr wißt alle, wen ich meine. Er ist gekommen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_129" title="129"> </a></p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Er ist gekommen?</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>In welcher Absicht?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Er ladet euch alle vor sich.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher
+Form hat es ihm beliebt, uns vorzuladen?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ihr könnt seinen Ruf auf jede Art nehmen,
+ganz nach Belieben &mdash; niemand wird euch hindern
+&mdash; er ist auf jede Art der Begrüßung gerüstet,
+um jedem Geschmack zu genügen.</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Aber wer bist du?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich bin einer seiner Generale.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>General! Eine Lüge ist es! Denkst du, uns zu
+schrecken? Bildest du dir ein, ich könnte nicht
+durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir<a class="pagenum" name="Page_130" title="130"> </a>
+kennen dich alle gut &mdash; und du spielst dich
+vor uns als „General” auf!</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist
+so unwürdig wie ich, Träger der Befehle
+meines Königs zu sein? Und doch ist er es,
+der mich mit dieser Generalsrüstung bekleidet
+und hierher gesandt hat; er hat mich vor
+größeren Generalen und mächtigeren Kriegern
+erwählt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit
+kommen und bezeigen, was Schicklichkeit
+und Freundwilligkeit erfordern &mdash; aber gegenwärtig
+sind wir mitten in einem dringenden
+Geschäft. Er wird warten müssen, bis diese
+kleine Angelegenheit erledigt ist.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wenn er seinen Ruf ergehen läßt, wartet er
+nicht.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_131" title="131"> </a></p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten,
+bis diese Angelegenheit erledigt ist, nicht
+zustimmen. Ich gehe.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Ihr seid älter als ich &mdash; ich folge euch.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Sieh hinter dich, Fürst von Kantschi, dein
+königlicher Schirm liegt im Staub: du hast
+nicht beachtet, wie dein Schirmträger sich
+fortgestohlen hat.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wohlan, General. Auch ich gehe &mdash; aber nicht,
+um ihm Huldigung zu leisten. Ich gehe, auf
+dem Schlachtfeld mit ihm zu kämpfen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du wirst meinen König auf dem Schlachtfeld
+treffen: das ist kein unwürdiger Platz für
+deinen Empfang.</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle
+vor einem Schreckgespenst &mdash; es sieht so aus,<a class="pagenum" name="Page_132" title="132"> </a>
+als ob der König von Kantschi den Vorteil davon
+haben sollte.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist
+es feige und töricht, fortzugehen, ohne sie zu
+pflücken.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Es ist besser, sich dem König von Kantschi
+anzuschließen. Er muß einen bestimmten Plan
+und Zweck haben, wenn er soviel wagt.</p>
+
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XVI" id="XVI">XVI.</a></h2>
+
+<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Der Kampf ist nun aus. Wann wird der König
+kommen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich weiß es selbst nicht: ich sehe auch seinem
+Kommen entgegen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama,
+daß mir die Brust tatsächlich weh tut.
+Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll
+ich ihm mein Gesicht zeigen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_133" title="133"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Geh zu ihm in äußerster Demut und Entsagung,
+und alle Scham wird im Nu verschwinden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich muß nun schon bekennen, daß ich die
+äußerste Demütigung für mein ganzes übriges
+Leben gefunden habe. Aber der Stolz war
+schuld, daß ich so lange den größten Anteil
+an seiner Liebe begehrte. Alle Welt
+sagte immer, ich besäße eine so wunderbare
+Schönheit, solche Reize und Tugenden; alle
+Welt sagte immer, der König zeigte unbegrenzte
+Güte gegen mich &mdash; das macht es
+für mich so schwer, mein Herz in Demut vor
+ihm zu beugen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Diese Schwierigkeit, meine Königin, wird vergehen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O ja, sie wird vergehen &mdash; der Tag ist für mich
+gekommen, mich vor der ganzen Welt zu demütigen.
+Aber warum kommt der König nicht,
+mich zurückzuholen? Worauf wartet er noch?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_134" title="134"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Habe ich dir nicht gesagt, daß mein König
+grausam und hart ist &mdash; sehr hart fürwahr?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht
+von ihm.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich weiß nicht, wohin ich gehen sollte, um
+etwas von ihm zu erfahren. Ich habe Großvater
+gebeten, zu kommen; vielleicht hören
+wir, wenn er kommt, etwas von ihm.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ach, mein böses Geschick! Es ist so weit mit
+mir gekommen, daß ich andre fragen muß,
+um etwas von meinem eignen König zu hören!</p>
+
+<p class="regie">Großvater tritt ein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe gehört, daß du der Freund meines
+Königs bist, so laß mich dir Ehrfurcht bezeugen
+und gib mir deinen Segen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was tust du, Königin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen<a class="pagenum" name="Page_135" title="135"> </a> an. Ich will nichts weiter
+als jedermanns Kamerad sein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>So schenk mir denn ein freundlich Lächeln &mdash;
+gib mir gute Kunde. Sag mir, wann der König
+kommt, mich zurückzuholen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du fragst mich eine schwere Frage, fürwahr!
+Ich verstehe noch kaum die Wege meines
+Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber
+niemand kann sagen, wohin er gegangen ist.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist er denn fortgegangen?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich kann hier keine Spur von ihm finden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist er gegangen? Und nennst du solch einen
+deinen Freund?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Deshalb schmähen und verdächtigen ihn die
+Leute. Aber mein König kümmert sich einfach
+nicht im geringsten darum.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_136" title="136"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie
+grausam, wie grausam! Er ist aus Stein, er ist
+hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem
+Herzen zu bewegen &mdash; es ist zerrissen und
+blutet &mdash; aber ihn konnte ich nicht einen Zoll
+bewegen! Großvater, sag mir, wie kannst du
+mit solch einem Freund auskommen?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich kenne ihn nun &mdash; ich habe ihn in meinen
+Leiden und Freuden kennengelernt &mdash; er kann
+mich nicht mehr zum Weinen bringen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wird er sich mir nicht auch zu erkennen
+geben?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Gewiß wird er das, natürlich. Er wird nicht
+eher ruhen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er
+sein kann! Ich werde hier am Fenster stehen,
+ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht<a class="pagenum" name="Page_137" title="137"> </a>
+einen Zoll von der Stelle rühren; ich will
+sehen, ob er nicht kommt!</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du bist noch jung &mdash; du kannst es dir leisten,
+auf ihn zu warten; aber für mich alten Mann
+ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche.
+Ich muß hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn
+finde oder nicht.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich brauche ihn nicht &mdash; ich will ihn nicht
+suchen! Surangama, ich bedarf deines Königs
+nicht! Warum kämpfte er mit den Fürsten?
+Geschah es überhaupt für mich? Wollte er
+sein Heldentum und seine Stärke zur Schau
+stellen? Geh fort von hier &mdash; ich kann deinen
+Anblick nicht ertragen. Er hat mich in den
+Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XVII" id="XVII">XVII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Eine Schar von Bürgern.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Als so viele Könige zusammentrafen, dachten
+wir, es würde eine rechte Kurzweil für uns<a class="pagenum" name="Page_138" title="138"> </a>
+geben; aber irgendwie nahm alles eine solche
+Wendung, daß niemand weiß, was überhaupt
+geschehen ist!</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Saht ihr nicht, daß sie untereinander zu keiner
+Verständigung kommen konnten? &mdash; jeder
+mißtraute dem andern.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Keiner hielt sich an ihre ursprünglichen Pläne;
+einer wollte vorrücken, ein anderer hielt den
+Rückzug für die bessere Politik; einige
+wandten sich nach rechts, andere liefen Sturm
+nach links: wie kann man das eine Schlacht
+heißen?</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Sie hatten keinen Sinn für wirklichen Kampf
+&mdash; jeder hatte seine Augen auf den andern.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Jeder dachte: „Warum sollte ich sterben, um
+es den andern zu ermöglichen, die Ernte einzuheimsen?”</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Aber ihr müßt alle zugeben: Kantschi kämpfte
+wie ein wirklicher Held.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_139" title="139"> </a></p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Er schien noch lange, nachdem er geschlagen
+war, nicht gewillt, seine Niederlage anzuerkennen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Zuletzt wurde ihm von einem tödlichen Wurfgeschoß
+die Brust durchbohrt.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Aber vorher schien er nicht gewahren zu
+wollen, daß er bei jedem Schritt Boden verloren
+hatte.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Die andern Könige aber &mdash; nun, keiner weiß,
+wohin sie geflohen sind; den armen Kantschi
+ließen sie allein auf dem Feld.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Aber ich habe gehört, er sei noch nicht tot.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Nein, die Ärzte haben ihn gerettet &mdash; aber er
+wird den Stempel seiner Niederlage bis zum
+Tag seines Todes auf der Brust tragen.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Keiner von den andern Königen, die flohen,<a class="pagenum" name="Page_140" title="140"> </a>
+ist entkommen; sie sind alle gefangengenommen
+worden. Aber was ist das für eine Sorte
+Justiz, die an ihnen geübt wurde?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ich habe gehört, daß jeder bestraft wurde,
+mit Ausnahme von Kantschi, dem der Richter
+auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz
+zu seiner Rechten anwies und ihm eine Krone
+aufs Haupt setzte.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>So etwas Unfaßbares ist noch nicht dagewesen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt
+uns launisch und grillenhaft vor.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>So ist es. Der größte Sünder ist ganz gewiß
+der König von Kantschi; die andern trieb einmal
+Gewinngier vorwärts, und das andre Mal
+zog sie die Furcht zurück.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Was für eine Sorte Justiz ist das, frage ich?
+Es ist, wie wenn der Tiger ungestraft davonkäme,<a class="pagenum" name="Page_141" title="141"> </a> während sein Schwanz abgeschnitten
+würde.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Wenn ich der Richter wäre, glaubt ihr, Kantschi
+liefe zur Stunde heil und gesund herum?
+Nicht das geringste wäre mehr von ihm übrig.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Das sind große Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne
+haben ein andres Gepräge wie unsre.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Haben sie überhaupt ein Hirn, möcht' ich
+wissen? Sie frönen einfach ihren Launen, da
+keiner über ihnen ist, der ihnen etwas sagen
+dürfte.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ihr könnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt
+in unsern Händen wäre, hätten
+wir sicher die Regierung besser geführt als so.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Kann darüber überhaupt noch Zweifel bestehen?
+Das versteht sich natürlich von selbst.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_142" title="142"> </a></p>
+
+<h2><a name="XVIII" id="XVIII">XVIII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Die Straße. Großvater und Kantschi.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wie, Fürst von Kantschi, du hier?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Dein König hat mich auf die Straße geschickt.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Auch das gehört zu seinen Vergnügungen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber wie lange will er mir noch so ausweichen?
+Als nichts mich dazu bringen konnte,
+ihn als meinen König anzuerkennen, kam er
+plötzlich daher wie ein schrecklich gewaltiger
+Sturm &mdash; Gott weiß, woher &mdash; und zersprengte
+meine Leute und Pferde und Banner in einen
+einzigen wilden Aufruhr: nun aber, wo ich die<a class="pagenum" name="Page_143" title="143"> </a>
+Grenzen der Erde absuche, um ihm meine demütige
+Huldigung zu erweisen, ist er nirgends
+zu sehen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber wie groß er als König auch sein mag, er
+hat sich dem zu fügen, der sich unterwirft.
+Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert,
+Fürst?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich kann ein geheimes Gefühl der Angst noch
+nicht loswerden, die Leute könnten mich auslachen,
+wenn sie sehen, wie ich euerm König
+demütig meine Huldigung darbringe und
+meine Niederlagen anerkenne.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>So sind die Leute in der Tat. Was andre zu
+Tränen rühren würde, dient nur dazu, ihr
+leeres Lachen hervorzurufen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber du bist auch auf der Straße, Großvater.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich bin auf der fröhlichen Pilgerfahrt zu dem
+Land, wo man alles verliert.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_144" title="144"> </a></p>
+
+<p class="character">Gesang des Großvaters</p>
+
+<div class="verse">Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren.</div>
+<div class="verse">Ich laure am Straßenrand auf den, der einen hinaus auf die Straße schickt,</div>
+<div class="verse">Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt,</div>
+<div class="verse">Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben,</div>
+<div class="verse">Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren.</div>
+
+<hr class="chap"/>
+<h2><a name="XIX" id="XIX">XIX.</a></h2>
+
+<p class="regie">Eine Straße. Sudarschana und Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Welche Erlösung, Surangama, welche Freiheit!
+Meine Niederlage ist es, die mir die Freiheit
+gebracht hat. Oh, was besaß ich für einen
+ehernen Stolz! Nichts konnte ihn rühren oder
+erweichen. Mein verfinsterter Geist konnte auf
+keine Weise dazu gebracht werden, die
+schlichte Wahrheit zu sehen, daß nicht der
+König zu kommen hatte, sondern daß ich zu
+ihm gehen sollte. Die ganze Nacht hindurch<a class="pagenum" name="Page_145" title="145"> </a>
+gestern lag ich allein im Staub auf dem Boden
+am Fenster &mdash; lag da trostlose Stunden lang
+und weinte! Die ganze Nacht bliesen die Südwinde
+und schrien und stöhnten wie die Qual,
+die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch
+hörte ich das klagende: „Sprich, Weib!”
+des Nachtvogels, das in dem Aufruhr draußen
+als Echo tönte!... Es war das hilflose Wehklagen
+der dunklen Nacht, Surangama!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Die schwere melancholische Weise der letzten
+Nacht schien eine Ewigkeit forttönen zu wollen
+&mdash; oh, welch trübe düstere Nacht!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber willst du es glauben &mdash; mir war, ich hörte
+die sanften Akkorde der Laute durch all den
+wilden Lärm und Aufruhr strömen! Konnte
+er so süße und zarte Weisen spielen, er, der
+so grausam und schrecklich ist? Die Welt
+kennt nur meine Entwürdigung und Schmach
+&mdash; aber keiner als mein eigenes Herz konnte
+diese Akkorde hören, die durch die einsame
+und klagende Nacht hin nach mir riefen. Hörtest<a class="pagenum" name="Page_146" title="146"> </a> du, Surangama, diese Laute auch? Oder
+war das nur ein Traum von mir?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Aber eben um die Musik dieser Laute zu hören,
+bin ich ja immer an deiner Seite. Auf diesen
+Ruf der Musik, von dem ich wußte, er würde
+eines Tages kommen und all die Schranken
+der Liebe zunichte machen, habe ich mit
+gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Schließlich schickte er mich auf die Landstraße
+&mdash; ich konnte seinem Willen nicht
+widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die
+ersten Worte sein, die ich ihm sage: „Ich bin
+freiwillig gekommen &mdash; ich habe nicht abgewartet,
+bis du kamst.” Ich werde sagen: „Um
+deinetwillen bin ich die harten beschwerlichen
+Straßen gewandert, und bitter und unaufhörlich
+war auf dem ganzen Weg mein Weinen.”
+Ich werde wenigstens diesen Stolz in mir
+haben, wenn ich zu ihm komme.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er<a class="pagenum" name="Page_147" title="147"> </a>
+kam vor dir &mdash; wer sonst hätte dich auf die
+Straße schicken können?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefühl gekränkten
+Stolzes in mir war, mußte ich glauben,
+er hätte mich für immer verlassen; aber
+als ich meine Würde und meinen Stolz in die
+Winde schleuderte und auf die gemeinen
+Straßen hinausging, da schien es mir, als wäre
+auch er herausgekommen: ich habe angefangen,
+ihn zu finden, seit ich auf der Straße
+bin. Ich fürchte nun nichts mehr. All diese
+Leiden, durch die ich um seinetwillen hindurchgegangen
+bin, gerade die Bitterkeit all
+dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist
+gekommen, er hat mich bei der Hand genommen,
+gerade wie er es in jener Kammer
+der Dunkelheit gern tat, wo bei seiner Berührung
+all mein ganzer Leib in plötzlicher
+Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berührung
+wieder! Wer sagt, er sei nicht hier?
+&mdash; Surangama, kannst du nicht sehen, daß er
+gekommen ist, schweigend und insgeheim?...
+Wer ist jener dort? Sieh, Surangama, dort ist<a class="pagenum" name="Page_148" title="148"> </a>
+ein dritter Wanderer auf dieser dunklen
+Straße zu dieser nächtlichen Stunde.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich sehe, es ist der König von Kantschi, meine
+Königin.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Der König von Kantschi!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Fürchte dich nicht, meine Königin!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Fürchten! Warum sollte ich mich fürchten?
+Die Tage der Furcht sind für mich für immer
+vorbei.</p>
+
+<p class="character">Kantschi <span class="regie">(tritt auf)</span></p>
+
+<p>Mütterchen Königin, ich sehe euch beide auf
+dieser Straße! Ich bin ein Wanderer auf demselben
+Weg wie du. Habe keine Furcht vor
+mir, o Königin!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es ist gut, König von Kantschi, daß wir zusammen
+gehen, Seite an Seite &mdash; das ist nur in
+Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst
+mein Heim verließ, und nun begegne ich<a class="pagenum" name="Page_149" title="149"> </a>
+dir wieder auf dem Rückweg. Wer hätte sich
+träumen lassen, daß diese unsre Begegnung
+voll so guter Verheißung war?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber, Mütterchen Königin, es gebührt sich
+nicht, daß du zu Fuß über diese Straße wanderst.
+Willst du mir gestatten, einen Wagen
+für dich zu besorgen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, sage das nicht: ich wäre nie wieder glücklich,
+wenn ich nicht auf meinem Rückweg
+nach Hause auf den Staub der Straße treten
+könnte, die mich von meinem König weggeführt
+hat. Ich würde mich selbst betrügen,
+wenn ich jetzt in einem Wagen fahren würde.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>König, auch du wanderst heute im Staub: diese
+Straße hat niemals einen gekannt, der Pferd
+oder Wagen über sie gelenkt hätte.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Als ich die Königin war, schritt ich auf Silber
+und Gold &mdash; ich habe nun für das Unglück
+meiner königlichen Geburt zu büßen, indem<a class="pagenum" name="Page_150" title="150"> </a>
+ich auf Staub und nackter Erde wandre. Ich
+hätte mir nicht träumen lassen, daß ich heute
+bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub
+der Erde meinen König finden würde.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Sieh, meine Königin, dort im Osten dämmert
+der Morgen. Wir haben nicht mehr lange zu
+wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen
+Türme des Königspalastes.</p>
+
+<p class="regie">Der Großvater tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Mein Kind, es tagt &mdash; endlich!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben,
+und hier bin ich nun.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber siehst du, was für schlechte Manieren
+unser König hat? Er hat keinen Wagen geschickt,
+keine Musik, nichts von Glanz und
+Pracht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der
+Himmel ist rosig und purpurn über und über,<a class="pagenum" name="Page_151" title="151"> </a>
+und die Luft ist voll von dem Willkommgruß
+der Blumendüfte.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ja, aber so grausam unser König sein mag,
+dürfen wir doch nicht suchen, mit ihm zu
+wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht
+erwehren, wenn ich dich in diesem Zustand
+sehe, mein Kind. Wie können wir ertragen,
+dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet
+in den Königspalast eingehn zu sehen?
+Warte etwas &mdash; ich laufe und hole dir deine
+Königsgewänder.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O nein, nein, nein! Er hat diese Königskleider
+für immer von mir genommen &mdash; er hat mich
+vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid
+einer Magd gekleidet: welche Erlösung ist das
+für mich gewesen! Ich bin nun seine Magd,
+nicht länger seine Königin. Heute stehe ich
+tiefer als alle die, die irgendeine Verwandtschaft
+mit ihm beanspruchen können.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber deine Feinde werden nun über dich
+lachen: wie kannst du ihren Spott ertragen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_152" title="152"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Laß ihr Gelächter und ihren Spott unauslöschlich
+sein &mdash; laß sie auf den Straßen Staub
+nach mir werfen: dieser Staub wird heute der
+Puder sein, mit dem ich mich schmücken will,
+ehe ich meinem Herrn entgegentrete.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun
+wollen wir das letzte Spiel unsres Frühlingsfestes
+spielen &mdash; anstatt mit Blütenstaub soll
+der Südwind alles mit dem Staub der Demut
+überschütten! Wir werden zum Herrn gehen,
+gekleidet in das gemeine Grau des Staubes.
+Und wir werden auch ihn über und über mit
+Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die
+Leute schonen ihn? Selbst er kann ihren
+schmutzigen und staubigen Händen nicht entgehen,
+und er denkt nicht einmal daran, den
+Schmutz von seinen Kleidern zu bürsten.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Großvater, vergiß mich nicht in deinem Spiel!
+Ich will auch dies mein Königsgewand beschmutzen
+lassen, bis es nicht mehr zu erkennen
+ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_153" title="153"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder.
+Nun du so tief heruntergekommen bist,
+wirst du deine Farbe in kürzester Frist
+wechseln. Sieh nur unsre Königin an &mdash; sie
+geriet in Zorn gegen sich selbst und dachte,
+sie könnte ihre unvergleichliche Schönheit zerstören,
+indem sie all ihren Schmuck wegwarf:
+aber diese Beleidigung ihrer Schönheit ließ sie
+in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist
+sie in dieser Schmucklosigkeit zur Vollendung
+gelangt. Unser König selbst ist gestaltlos und
+ohne Schönheit, darum liebt er sie in seinen
+mannigfachen Erscheinungen als seinen höchsten
+Schmuck. Und diese Schönheit hat heute
+den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan!
+Was gäbe ich nicht darum, wenn ich die wunderbare
+Musik und den Gesang hören dürfte,
+der heute meines Königs Palast erfüllt!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Seht, dort geht die Sonne auf!</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_154" title="154"> </a></p>
+
+<h2><a name="XX" id="XX">XX.</a></h2>
+
+<p class="regie">Die dunkle Kammer.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Herr, gib mir die Ehre nicht zurück, die du
+mir einmal genommen hast! Ich bin die Magd
+deiner Füße &mdash; ich suche kein andres Vorrecht,
+als dir zu dienen.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stieß
+mich zurück, weil ich dich im Lustgarten, in
+meinen fürstlichen Gemächern gesucht hatte:
+da sieht noch dein geringster Diener gefälliger
+aus als du. Dieses Fieber des Verlangens hat
+meine Augen für immer verlassen. Du bist
+nicht schön, o Herr &mdash; du stehst über allem
+Vergleich!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir
+selbst.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_155" title="155"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich.
+Deine Liebe lebt in mir &mdash; du wirst gespiegelt
+in dieser Liebe, und du siehst dein
+Antlitz abgebildet in mir: nichts davon mein,
+es ist alles dein, o Herr!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich öffne heute die Tür dieser dunklen
+Kammer &mdash; das Spiel hier ist zu Ende! Komm,
+komm jetzt mit mir, komm hinaus &mdash; <em>ins
+Licht</em>!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ehe ich gehe, laß mich dir zu Füßen mich
+beugen, o Herr des Dunkels, du Grausamer,
+Furchtbarer, Unvergleichlicher!</p>
+
+<p class="gesperrt center">ENDE</p>
+
+<p class="footnote space-above">
+
+<a name="Footnote_A_1" id="Footnote_A_1"></a><a href="#FNanchor_A_1">[A]</a> Während des indischen Frühlingsfestes bewirft man
+sich gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stück
+wird der rote Puder als Symbol der Liebesleidenschaft
+genommen.</p>
+
+<div class="transcribers-note space-above">
+<p class="center">Anmerkung zur Transkription:</p>
+<p>Auf <a href="#Page_19">Seite 19</a> wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklärst <span class="u">du</span> du das
+ohne einen König?').</p>
+</div>
+
+<div>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44250 ***</div>
+</body>
+</html>
diff --git a/44250-h/images/cover_ebook.jpg b/44250-h/images/cover_ebook.jpg
new file mode 100644
index 0000000..37f7d66
--- /dev/null
+++ b/44250-h/images/cover_ebook.jpg
Binary files differ
diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt
new file mode 100644
index 0000000..6312041
--- /dev/null
+++ b/LICENSE.txt
@@ -0,0 +1,11 @@
+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
+
+Procedures for determining public domain status are described in
+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
+
+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
+this eBook outside of the United States should confirm copyright
+status under the laws that apply to them.
diff --git a/README.md b/README.md
new file mode 100644
index 0000000..53ffa1f
--- /dev/null
+++ b/README.md
@@ -0,0 +1,2 @@
+Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for
+eBook #44250 (https://www.gutenberg.org/ebooks/44250)
diff --git a/old/44250-8.txt b/old/44250-8.txt
new file mode 100644
index 0000000..15ab576
--- /dev/null
+++ b/old/44250-8.txt
@@ -0,0 +1,4711 @@
+Project Gutenberg's Der Knig der dunklen Kammer, by Rabindranath Tagore
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Der Knig der dunklen Kammer
+
+Author: Rabindranath Tagore
+
+Translator: Hedwig Lachmann
+ Gustav Landauer
+
+Release Date: November 21, 2013 [EBook #44250]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KNIG DER DUNKLEN KAMMER ***
+
+
+
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+RABINDRANATH TAGORE
+
+ DER KNIG
+ DER DUNKLEN
+ KAMMER
+
+ MNCHEN
+ KURT WOLFF VERLAG
+
+
+Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der von Rabindranath Tagore
+selbst veranstalteten englischen Ausgabe ins Deutsche bertragen von
+Hedwig Lachmann und Gustav Landauer
+
+ * * * * *
+
+Das Recht der Auffhrung ist zu erwerben durch die Vereinigten
+Bhnenvertriebe: Drei Masken Georg Mller * Erich Rei * Kurt Wolff
+Verlag, Berlin W 30
+
+14.--18. Tausend
+Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig
+Gedruckt im Frhjahr 1921 bei Poeschel & Trepte in Leipzig * Einbnde
+von der Leipziger Buchbinderei A.-G., vorm. Gust. Fritzsche in Leipzig
+
+
+
+
+PERSONEN
+
+
+ Der Knig
+
+ Knigin Sudarschana
+
+ Knig von Kanya Kubja, ihr Vater
+
+ Avanti }
+ }
+ Koschala }
+ }
+ Kantschi }
+ }
+ Vidarbha } Knige
+ }
+ Kalinga }
+ }
+ Pantschala }
+ }
+ Virat }
+
+ Surangama } Ehrendamen der
+ }
+ Rohini } Knigin
+
+ Virupakscha }
+ } Brger
+ Vischu }
+
+ Janardan }
+ }
+ Kaundilya } Reisende
+ }
+ Bhavadatta }
+
+ Kumbha }
+ }
+ Madhav } Landleute
+ }
+ Vivajadatta }
+
+ Der Grovater
+
+ Der tolle Freund
+
+ Minister }
+ }
+ Bote } des Knigs Kanya Kubja
+ }
+ Trhter }
+
+ Dienerin der Knigin Sudarschana
+
+ Erster }
+ } Grtner
+ Zweiter }
+
+ Stadtwchter
+
+ Suvarna, der falsche Knig
+
+ Erster }
+ } Herold des Knigs
+ Zweiter }
+
+ Brger, Landleute, Grtner, Knaben
+
+ Reisende, Wachen.
+
+
+
+
+I.
+
+
+Eine Strae.
+
+Etliche Reisende und ein Stadtwchter.
+
+_Erster Mann_
+
+He, Mann!
+
+_Stadtwchter_
+
+Was wollt ihr?
+
+_Zweiter Mann_
+
+Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind hier fremd. Bitte, sage uns,
+welches die rechte Strae ist.
+
+_Stadtwchter_
+
+Wohin wollt ihr gehn?
+
+_Dritter Mann_
+
+Wo dieses groe Fest stattfinden soll, weit du. Welchen Weg gehen wir?
+
+_Stadtwchter_
+
+Eine Strae ist hier genau so gut wie die andre. Jede Strae wird euch
+hinfhren. Geht geradeaus, und ihr knnt den Ort nicht verfehlen.
+
+Ab.
+
+_Erster Mann_
+
+Hrt nur, was der Narr sagt: Jede Strae wird euch hinfhren! Was
+htte das dann fr einen Sinn, so viele Straen zu haben?
+
+_Zweiter Mann_
+
+Du brauchst darber nicht so auer dir zu sein, mein Lieber. Es steht
+einem Land frei, seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten. Was
+Straen betrifft in unserm Land -- nun, so sind so gut wie keine
+vorhanden; enge, krumme Gchen, ein Labyrinth von Wagen- und Fuspuren.
+Unser Knig glaubt nicht an freie Fahrstraen; er meint, so viele
+Straen im Land, so viele Ausgnge fr seine Untertanen, seinem
+Knigreich zu entfliehen. Hier ist es gerade das Umgekehrte; niemand
+steht einem im Weg, niemand hat etwas dagegen, da man anderswohin geht,
+wenn man Lust hat; und doch denken die Leute nicht daran, dieses Reich
+zu verlassen. Bei solchen Straen wre unser Land sicher in krzester
+Frist entvlkert.
+
+_Erster Mann_
+
+Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt, da das ein groer Fehler
+an deinem Charakter ist.
+
+_Janardan_
+
+Was denn?
+
+_Erster Mann_
+
+Da du immer auf dein Land sticheln mut. Wie kannst du glauben, freie
+Landstraen knnten fr ein Land gut sein? Sieh einmal, Kaundilya,
+da ist ein Mann, der tatschlich glaubt, freie Landstraen seien die
+Rettung fr ein Land.
+
+_Kaundilya_
+
+Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst von neuem festzustellen,
+da Janardan mit einem merkwrdig schiefen Verstand gesegnet ist, der
+ihn sicher eines Tages in Gefahr bringen wird. Wenn der Knig von unserm
+werten Freund zu hren bekommt, wird er es ihm nicht gerade leicht
+machen, einen zu finden, der fr sein Begrbnis sorgt, wenn er tot ist.
+
+_Bhavadatta_
+
+Man hat doch das Gefhl, da das Leben in diesem Lande recht schwer sein
+mu; man vermit die Freuden der Einsamkeit in diesen Straen -- dieses
+Drngen und Schulterstreifen mit fremden Menschen bei Tag und Nacht lt
+einen nach einem Bad verlangen. Und mit was fr einer Sorte Menschen mag
+man auf diesen ffentlichen Wegen zusammenkommen -- puh!
+
+_Kaundilya_
+
+Und gerade Janardan hat uns berredet, in dieses kostbare Land zu
+kommen! Wir hatten nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer Familie.
+Du hast meinen Vater natrlich gekannt; er war ein groer Mann, ein
+frommer Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes Leben innerhalb
+eines Kreises von 49 Ellen Radius, der mit peinlicher Befolgung der
+Gebote der heiligen Schriften gezogen war, und nie berschritt er diesen
+Kreis auch nur ein einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich eine
+ernsthafte Schwierigkeit -- wie sollte man ihn innerhalb der Grenzen
+der 49 Ellen und doch auerhalb des Hauses verbrennen? Schlielich
+entschieden die Priester, da wir zwar nicht ber die Schriftzahl
+hinausgehen durften, da es aber einen Weg aus der Schwierigkeit gab,
+die Ziffer umzukehren und 94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn
+auerhalb des Hauses verbrennen, ohne die heiligen Bcher zu verletzen.
+Auf mein Wort, _das_ war genaue Befolgung! Unser Land hat wirklich nicht
+leicht seinesgleichen.
+
+_Bhavadatta_
+
+Und doch will Janardan, der dem nmlichen Boden entstammt, uns
+weismachen, freie Landstraen seien das beste fr ein Land.
+
+Die Fremden gehen ab.
+
+Der Grovater mit einer Knabenschar tritt auf.
+
+_Grovater_
+
+Jungen, heute mssen wir es mit dem wilden Sdwind aufnehmen -- und wir
+wollen uns nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis wir mit unsern
+Jubelliedern alle Straen berflutet haben.
+
+_Lied_
+
+ Das Sdtor ist entriegelt. Komm, mein Frhling, komm!
+ Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frhling, komm!
+ Komm in den lispelnden Blttern, in den Blten, die froh sich
+ verschwenden;
+ Komm in den Fltenliedern und den sehnenden Seufzern der Wlder!
+ La dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein
+ Frhling, komm!
+
+Ab.
+
+Eine Schar von Brgern tritt auf.
+
+_Erster Brger_
+
+Schlielich kann man nur wnschen, da der Knig sich wenigstens an
+diesem einen Tag htte sehen lassen. Es ist doch sehr schade: man lebt
+in seinem Knigreich und hat ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen!
+
+_Zweiter Brger_
+
+Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses Geheimnisses! Ich knnte ihn
+dir sagen, wenn du schweigen knntest.
+
+_Erster Brger_
+
+Lieber Freund, wir wohnen beide im nmlichen Stadtviertel, aber hast
+du je gehrt, da ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert htte?
+Natrlich, die Sache damals, als dein Bruder beim Graben eines Brunnens
+einen Schatz gefunden hatte -- nun, du weit ganz gut, warum ich darber
+reden mute. Du kennst den ganzen Zusammenhang.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Natrlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn kenne, frage ich, knntest du
+schweigen? Weit du, es knnte Verderben fr uns alle bedeuten, wenn du
+ein einziges Mal davon sprchest.
+
+_Dritter Brger_
+
+Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha! Warum brennst du darauf, ein
+Unheil herbeizufhren, das bis jetzt nur geschehen _kann_? Wer wird die
+Verantwortung auf sich nehmen wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben
+lang zu wahren?
+
+_Virupakscha_
+
+Es war nur, weil die Rede darauf kam -- also gut, ich werde nichts
+sagen. Ich bin nicht der Mann, der unntz redet. Ihr hattet selbst
+die Frage aufs Tapet gebracht, da der Knig sich nie zeigt; und ich
+bemerkte blo, es sei nicht umsonst, da der Knig sich vor dem Blick
+der ffentlichkeit verschliet.
+
+_Erster Brger_
+
+Bitte, sag uns, warum, Virupakscha.
+
+_Virupakscha_
+
+Natrlich nehme ich keinen Anstand, es euch zu sagen -- wir sind ja
+alle gute Freunde, nicht wahr? Das kann nicht gefhrlich sein. (_Mit
+leiser Stimme:_) Der Knig -- ist -- hlich --, so hat er den Entschlu
+gefat, sich seinen Untertanen nie zu zeigen.
+
+_Erster Brger_
+
+Hah! Das ist es! Das mu es sein. Wir haben uns immer gewundert..., der
+bloe Anblick eines Knigs lt die Menschen in allen Lndern vor Furcht
+zittern wie Espenlaub; warum sollte da _unser_ Knig sich von keinem
+sterblichen Auge je sehen lassen? Selbst wenn er nur herauskme, um uns
+alle zum Galgen zu verdammen, knnten wir sicher sein, da unser Knig
+kein Trug ist. Schlielich scheint mir Virupakschas Erklrung doch ganz
+einleuchtend.
+
+_Dritter Brger_
+
+Nicht die Spur -- ich glaube keine Silbe davon.
+
+_Virupakscha_
+
+Wie, Vischu, willst du sagen, ich wre ein Lgner?
+
+_Vischu_
+
+Das gerade nicht -- aber ich kann deine Theorie nicht annehmen.
+Entschuldige mich, ich kann nichts dafr, wenn ich ein bichen grob und
+plump scheine.
+
+_Virupakscha_
+
+Kein Wunder, da du an meine Worte nicht glauben kannst -- wo du dich
+weise genug dnkst, die Meinungen deiner Eltern und Oberen zu verwerfen.
+Wie lange, glaubst du, httest du in diesem Lande bleiben drfen, wenn
+der Knig nicht im Verborgenen bliebe? Du bist nicht besser als ein
+offenkundiger Ketzer.
+
+_Vischu_
+
+Mein lieber Pfeiler der Rechtglubigkeit! Glaubst du, irgendein anderer
+Knig htte gezgert, dir die Zunge abschneiden und sie den Hunden zum
+Fra vorwerfen zu lassen? Und du hast die Stirne, zu sagen, unser Knig
+wre den Augen ein Greuel?
+
+_Virupakscha_
+
+Hr einmal, Vischu, willst du deine Zunge im Zaum halten?
+
+_Vischu_
+
+Man braucht wohl nicht erst festzustellen, wessen Zunge einen Zaum
+braucht.
+
+_Erster Brger_
+
+Jetzt wird die Sache gefhrlich. Da mache ich lieber nicht mit.
+
+Ab.
+
+Eine Zahl Mnner tritt auf, die in lrmendem bermut _Grovater_ mit
+sich schleppen.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Gropapa, etwas fllt mir heute auf...
+
+_Grovater_
+
+Was ist es?
+
+_Zweiter Brger_
+
+Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu unserm Fest entsandt, doch
+jedweder fragt: Alles ist reizend und schn -- wo aber ist euer Knig?
+und wir wissen nicht, was wir antworten sollen. Das ist die eine groe
+Lcke, die sich jedem in unserm Lande fhlbar machen mu.
+
+_Grovater_
+
+Lcke, sagst du! Wie, das ganze Land ist ganz erfllt und geladen und
+gestopft voll von dem Knig: und du nennst ihn eine Lcke! Wie, er hat
+jeden einzigen unter uns zum gekrnten Knig gemacht!
+
+_Gesang_
+
+ Wir sind alle Knige im Knigreich unsres Knigs.
+ Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+ Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will;
+ Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Fen.
+ Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+ Unser Knig ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst.
+ Keine Armseligkeit kann uns fr immer umschlieen mit ihren Wllen
+ der Lge.
+ Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+ Wir bahnen uns mhsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am
+ Ende.
+ Wir knnen nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht.
+ Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!
+
+_Dritter Brger_
+
+Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen nicht mit anhren, die die
+Leute ber unsern Knig sagen, blo weil er sich nicht ffentlich zeigt.
+
+_Erster Brger_
+
+Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt, kann bestraft werden,
+whrend niemand einem Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfllt,
+auf den Knig zu schimpfen.
+
+_Grovater_
+
+Der Schimpf kann den Knig nicht treffen. Mit einem bloen Hauch kannst
+du die Flamme ausblasen, die eine Lampe von der Sonne borgt, aber
+wenn auch die ganze Welt versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr
+strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwcht wie zuvor.
+
+Vischu und Virupakscha treten auf.
+
+_Vischu_
+
+Da ist der Grovater! Hr doch, dieser Mann geht herum und erzhlt
+jedem, unser Knig kme nicht heraus, weil er hlich wre.
+
+_Grovater_
+
+Aber warum macht dich das rgerlich, Vischu? _Sein_ Knig mu hlich
+sein, denn wie knnte sonst Virupakscha in seinem Knigreich so ein
+Gesicht haben? Er formt seinen Knig nach seinem Bilde, wie er es im
+Spiegel sieht.
+
+_Virupakscha_
+
+Grovater, ich will keine Namen nennen, aber keinem wrde es einfallen,
+dem nicht zu glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute.
+
+_Grovater_
+
+Bist du selbst denn nicht die beste Autoritt?!
+
+_Virupakscha_
+
+Aber ich knnte dir Beweise geben...
+
+_Erster Brger_
+
+Die Unverschmtheit dieses Burschen kennt keine Grenzen! Nicht
+zufrieden, mit dreister Stirn ein abscheuliches Gercht zu verbreiten,
+will er seine Lgen mit Frechheit aufwgen.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Lnge das Ma hier am Boden?
+
+_Grovater_
+
+Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl feiert sein Fest auf seine Art,
+indem er die Hlichkeit seines Knigs besingt. Geh nur, Virupakscha,
+du wirst eine Menge Leute finden, die bereit sind, dir zu glauben! Viel
+Glck in ihrer Gesellschaft.
+
+Sie gehen ab.
+
+Die _Gesellschaft der Fremden_ tritt wieder auf.
+
+_Bhavadatta_
+
+Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, da dieses Volk berhaupt keinen Knig
+hat. Sie haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gercht in Umlauf zu
+halten.
+
+_Kaundilya_
+
+Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle, da das Hchste, was einem
+in jedem Lande ins Auge fllt, der Knig ist, der natrlich keine
+Gelegenheit versumt, sich sehen zu lassen.
+
+_Janardan_
+
+Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in dem ganzen Orte herrscht --
+wie erklrst du das ohne einen Knig?
+
+_Bhavadatta_
+
+So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen bist, und hast so
+lange unter einem Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen Knig, wenn
+man schon Zucht und Ordnung htte?
+
+_Janardan_
+
+All diese Menschen sind versammelt, um auf diesem Fest froh zu sein.
+Meinst du, sie knnten dergestalt in einem Lande der Anarchie zusammen
+kommen?
+
+_Bhavadatta_
+
+Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewhnlich, worum es sich in
+Wirklichkeit handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da gibt es keine
+Frage und auch die Festesfreude ist klar genug: soweit besteht keine
+Schwierigkeit. Aber wo ist der Knig? Hast du ihn gesehen? Das mut du
+uns sagen.
+
+_Janardan_
+
+Was ich zu sagen habe, ist dieses: man wei aus Erfahrung, da Chaos und
+Anarchie sein kann, selbst wo ein Knig da ist: aber was sehen wir hier?
+
+_Kaundilya_
+
+Immer kommst du mit deinen Ausflchten. Warum kannst du nicht auf
+Bhavadattas Frage eine gerade Antwort geben -- Hast du den Knig
+gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen! Ja oder nein?
+
+Sie gehen ab.
+
+Eine Schar von Mnnern tritt auf und singt.
+
+_Lied_
+
+ Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen,
+ Darum erblick ich ihn allberall,
+ Er wohnt in der Tiefe meiner Augen,
+ Darum erblick ich ihn allberall.
+ Ich wanderte weit, seine Worte zu hren,
+ Ach, aber vergebens!
+ Als ich heimkam, hrte ich sie
+ In meinen eigenen Liedern.
+ Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tr zu Tr!
+ Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Trnen meiner
+ Augen!
+
+_Herolde_ und _Leibwchter_ des _Knigs_ treten auf.
+
+_Erster Herold_
+
+Platz da! Rumt die Strae, allesamt!
+
+_Erster Brger_
+
+Oho, Mann, wofr hltst du dich? Angeboren scheint dir dieser stolze
+Schritt nicht gerade zu sein, mein Freund. -- Warum Platz da, werter
+Herr? Warum sollen wir von der Stelle weichen? Sind wir Straenhunde,
+oder was sonst?
+
+_Zweiter Herold_
+
+Der Knig kommt dieses Wegs.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Knig? Was fr ein Knig?
+
+_Erster Herold_
+
+Unser Knig, der Knig dieses Landes.
+
+_Erster Brger_
+
+Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehrt, da unser Knig herauskam
+und sich solche Schreier zu Herolden whlte.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Der Knig will sich nicht lnger seinen Untertanen entziehen. Er kommt,
+um das Fest selbst zu leiten.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Bruder, verhlt sich das so?
+
+_Zweiter Herold_
+
+Sieh hin, dort flattert sein Banner.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Ah, wirklich, das ist eine Fahne.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Siehst du die rote _Kimschuk_-Blte darauf gemalt?
+
+_Zweiter Brger_
+
+Ja, ja, es ist wirklich der _Kimschuk_! -- welch strahlende
+Scharlachblte!
+
+_Erster Herold_
+
+Nun also, glaubst du uns nun?
+
+_Zweiter Brger_
+
+Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht. Der Bursche da, Kumbha, hat
+den ganzen Lrm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt?
+
+_Erster Herold_
+
+Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist er vielleicht ganz leer; du
+weit, ein leerer Topf drhnt am lautesten.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Was ist das fr einer? Ist er irgendwie mit euch verwandt?
+
+_Zweiter Brger_
+
+Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter vom Schwiegervater
+unsres Dorfschulzen, und er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres
+Dorfes wie wir.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten Grades von irgend
+jemandes Schwiegervater, und sein Verstndnis scheint auch den Stempel
+der Schwiegeronkelschaft zu tragen.
+
+_Kumbha_
+
+Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer hat meinem armen Geist einen
+Sto versetzt, bis er so geworden ist. Erst unlngst kam ein Knig
+und prunkte in den Straen und sandte so viele Titel vor sich her wie
+Trommeln, die durch ihren Lrm den Aufenthalt in der Stadt unertrglich
+machten... Was tat ich nicht alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen
+zu sein! Ich berschttete ihn mit Geschenken, ich hing mich an ihn wie
+ein Bettler -- und schlielich fand ich den Druck auf meine Einnahmen
+zu schwer zu tragen. Aber was war das Ende der ganzen Pracht und
+Majestt? Als man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte, da konnte er im
+Kalender keinen einzigen gnstigen Tag entdecken: obschon alle Tage rot
+angestrichen waren, wenn _wir_ unsre Steuern zu zahlen hatten!
+
+_Zweiter Herold_
+
+Willst du etwa zu verstehen geben, unser Knig wre ein falscher Knig
+wie der, den du beschrieben hast?
+
+_Erster Herold_
+
+Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der Zeit fr dich, dem
+Schwiegertantchen Adieu zu sagen.
+
+_Kumbha_
+
+Bitte, ihr Herren, seid nicht bse. Ich bin ein armes Geschpf -- ich
+bitte ergebenst um Entschuldigung, ihr Herren: ich will alles dazu tun.
+Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen, wie es euch beliebt.
+
+_Zweiter Herold_
+
+Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier. Der Knig wird gleich
+kommen -- wir wollen gehen und ihm den Weg bereiten.
+
+Sie gehen weiter.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch einmal dein Tod sein.
+
+_Kumbha_
+
+Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es ist Schicksal. Als der
+falsche Knig auftrat, sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das
+nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen der Unschuld ber meine
+eigenen Fe zu stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche Knig
+gekommen ist, mu ich glattweg Hochverrat in den Tag reden. Es ist
+Schicksal, lieber Freund!
+
+_Madhav_
+
+Mein Grundsatz ist, dem Knig immer zu gehorchen -- es macht nichts aus,
+ob er ein echter oder falscher ist. Was wissen wir von Knigen, da wir
+ber sie urteilen sollten! Es ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine
+wirft -- man ist fast sicher, sein Ziel zu treffen. Ich gehorche immerzu
+und huldige -- ist es ein richtiger Knig, gut und schn; wenn nicht,
+was schadet es?
+
+_Kumbha_
+
+Mir wre es schon einerlei, wenn die Steine nichts weiter als Steine
+wren. Aber es sind oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, fhrt uns
+Verschwendung schlielich zu Armut, mein Freund.
+
+_Madhav_
+
+Da sieh! Da kommt der Knig! Ah, ein Knig wahrhaftig! Was fr eine
+Gestalt, was fr ein Gesicht! Wer hat je solch eine Schnheit gesehen
+-- wei wie eine Lilie und sanft wie ein Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was
+meinst du nun?
+
+_Kumbha_
+
+Er sieht schon recht aus -- ja, soviel ich beurteilen kann, mag er schon
+der rechte Knig sein.
+
+_Madhav_
+
+Er sieht aus, als wre er frs Knigsein gegossen und geschnitzt, diese
+Gestalt ist zu zart und erlesen fr das gemeine Licht des Tages.
+
+Der Knig tritt auf.
+
+_Madhav_
+
+Heil und Sieg geleite dich, o Knig! Wir stehen hier seit dem frhen
+Morgen, um dich zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestt zu Gnaden, verget
+uns nicht!
+
+_Kumbha_
+
+Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen und Grovater holen.
+
+Ab.
+
+Eine andere Schar Mnner tritt auf.
+
+_Erster Mann_
+
+Der Knig, der Knig! Kommt her, schnell, der Knig geht dieses Wegs.
+
+_Zweiter Mann_
+
+Vergi mich nicht, o Knig! Ich bin Vivajadatta, der Enkel Udayadattas
+von Kushalivastu. Ich bin auf die erste Kunde, da du kmest, hierher
+geeilt -- ich hielt nicht an, um zu hren, was die Leute sagten: all die
+Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o Monarch, und brachte mich
+her.
+
+_Dritter Mann_
+
+Unsinn! Ich bin frher hier gewesen als du -- vor dem Hahnenschrei. Wo
+stecktest du denn da? O Knig, ich bin Bhadrasena, von Vikramasthali.
+Geruhe, deinen Diener in deinem Gedchtnis zu bewahren!
+
+_Knig_
+
+Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und Ergebenheit.
+
+_Vivajadatta_
+
+Majestt, gro ist die Zahl der Klagen und Beschwerden, die wir dir
+vorzutragen haben: an wen htten wir uns so lange mit unsern Gesuchen
+wenden sollen, solange wir deiner erhabenen Gegenwart nicht nahen
+durften?
+
+_Knig_
+
+All euren Beschwerden soll abgeholfen werden.
+
+Ab.
+
+_Erster Mann_
+
+Es fhrt zu nichts, uns hinten herumzudrcken, Jungen -- der Knig wird
+uns aus den Augen verlieren, wenn wir uns in den Pbel mischen.
+
+_Zweiter Mann_
+
+Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut! Er hat sich durch uns alle
+hindurchgedrngt und fchelt jetzt dem Knig eifrig mit einem Palmblatt
+Khlung zu!
+
+_Madhav_
+
+Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses Menschen nimmt einem den
+Atem.
+
+_Zweiter Mann_
+
+Wir sollten den Kerl anpacken und von der Stelle schaffen -- ist er
+berufen, neben dem Knig zu stehen?
+
+_Madhav_
+
+Bildest du dir ein, der Knig durchschaut ihn nicht? Seine
+Untertnigkeit ist doch ein bichen zu dick aufgetragen.
+
+_Erster Mann_
+
+Unsinn! Knige knnen Heuchler nicht wittern wie unsereins -- es sollte
+mich nicht wundern, wenn der Knig sich von dem unermdlichen Fcheln
+dieses Narren einfangen liee.
+
+Kumbha und Grovater treten auf.
+
+Ich sage dir -- er ist jetzt eben durch diese Strae gekommen.
+
+_Grovater_
+
+Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines Knigtums?
+
+_Kumbha_
+
+O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht einer oder zwei, sondern
+Hunderte und Tausende auf beiden Seiten der Strae haben ihn mit eigenen
+Augen gesehen.
+
+_Grovater_
+
+Das eben macht die ganze Sache verdchtig. Wann wre _unser_ Knig
+je drauf ausgegangen, die Augen des Volks durch Pomp und Geprnge zu
+blenden? Er ist nicht der Knig, solch einen Spektakel zu erregen, wenn
+er durch das Land reist.
+
+_Kumbha_
+
+Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser wichtigen Gelegenheit zu
+tun: das kann man nicht sicher wissen.
+
+_Grovater_
+
+O ja, man kann! Mein Knig kennt keine Wetterfahnenlaune und neigt nicht
+zu phantastischen Einfllen.
+
+_Kumbha_
+
+Aber Grovater, ich wollte nur, ich knnte ihn dir beschreiben! So
+sanft, so zart und fein wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte
+es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen, ihn mit meinem ganzen Leibe zu
+schtzen.
+
+_Grovater_
+
+Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist! _Mein_ Knig eine
+Wachspuppe, und _du_ ihn schtzen!
+
+_Kumbha_
+
+Aber im Ernst, Gropapa, er ist ein herrlicher Gott, ein Wunder an
+Schnheit: ich finde keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung,
+die neben seiner unvergleichlichen Lieblichkeit bestehen knnte.
+
+_Grovater_
+
+Wenn es meinem Knig beliebte, sich zu zeigen, wrden deine Augen ihn
+nicht bemerken. Er wrde nicht dergestalt ber die andern hervorragen --
+er ist einer aus dem Volk, er mischt sich unter den gemeinen Pbel.
+
+_Kumbha_
+
+Aber sagte ich dir nicht, da ich sein Banner gesehen habe?
+
+_Grovater_
+
+Was fr ein Zeichen trug sein Banner?
+
+_Kumbha_
+
+Es war eine rote _Kimschuk_-Blte darauf gemalt -- das hell leuchtende
+Rot blendete meine Augen.
+
+_Grovater_
+
+_Mein_ Knig fhrt einen Donnerkeil in einem Lotus in seinem Banner.
+
+_Kumbha_
+
+Aber alle sagen sie, der Knig sei zu diesem Feste gekommen: _alle_.
+
+_Grovater_
+
+Gewi ist er das: aber er hat keine Herolde, kein Heer, kein Gefolge,
+keine Musikbanden und keine Laternen, die ihn begleiten.
+
+_Kumbha_
+
+So knnte ihn, scheint's, niemand in seinem Inkognito erkennen.
+
+_Grovater_
+
+Vielleicht gibt es ein paar, die es knnen.
+
+_Kumbha_
+
+Und die ihn erkennen -- gewhrt ihnen der Knig alles, was sie begehren?
+
+_Grovater_
+
+Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird je den Knig kennen. Der
+grere Bettler sieht in den Augen des kleineren Bettlers wie ein Knig
+aus. O Narr, der Mann, der heute auf die Strae gegangen ist, in Purpur
+und Gold angetan, um dich anzubetteln -- ihn posaunst du als deinen
+Knig aus! ... Ah, da kommt mein toller Freund! O kommt, meine Brder!
+wir drfen den Tag nicht mit eitlem Streiten und Schwatzen verbringen --
+geben wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzcken hin!
+
+Der tolle Freund tritt auf, singend.
+
+Lchelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brder? Ich streife herum und suche
+den goldenen Hirsch! Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfu, und immer
+entwischt er mir!
+
+Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon ist er weg, der wilde
+Waldvagabund! Nahe dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewlk von
+Dunst und Staub bleibt dir zurck! Doch streif ich herum und suche den
+goldenen Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen mag in dieser Wildnis!
+Oh, ich streife und wandre durch Wlder und Felder und namenlose Gefilde
+wie ein rastloser Landstreicher und denk nicht an Umkehr.
+
+Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und kehrt heim mit Waren und
+Vorrat beladen: mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren
+Hhen gestreift und gekt; ich wei nicht wann und wo.
+
+All meine Habe hab ich von mir geworfen, um zu erlangen, was nie mein
+worden ist! Und ihr whnt, mein Klagen und meine Trnen gelten den
+Dingen, die so ich verlor!
+
+Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich Kummer und Gram weit hinten
+gelassen: Oh, ich streife und wandre durch Wlder und Felder und
+namenlose Lnder -- und denk nicht daran, meine Fahrt zu enden.
+
+
+
+
+II.
+
+
+Ein dunkles Gemach. Knigin Sudarschana. Ihre Ehrendame, Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem Gemach nie die Lampe
+entzndet werden?
+
+_Surangama_
+
+Meine Knigin, all deine andern Gemcher sind erleuchtet -- will es
+dich nie verlangen, aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie diesen zu
+entrinnen?
+
+_Sudarschana_
+
+Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten werden?
+
+_Surangama_
+
+Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit kennen wrdest.
+
+_Sudarschana_
+
+Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen Kammer bist du dazu gekommen,
+dunkel und seltsam zu reden -- ich kann dich nicht verstehen,
+Surangama. Sag mir aber, in welchem Teil des Palastes liegt dies
+Gemach? Ich kann weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen noch den
+Weg hinaus.
+
+_Surangama_
+
+Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen der Erde. Der Knig hat
+dies Gemach eigens um deinetwillen gebaut.
+
+_Sudarschana_
+
+Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemchern -- warum brauchte er diese
+dunkle Kammer eigens fr mich machen lassen?
+
+_Surangama_
+
+Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen: doch deinen Herrn nur
+in diesem dunklen Gemach.
+
+_Sudarschana_
+
+Nein, nein -- ich kann nicht leben ohne Licht -- ich habe keine Ruhe in
+dieser erstickenden Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in diese
+Kammer bringen kannst, schenke ich dir mein Halsband hier.
+
+_Surangama_
+
+Es steht nicht in meiner Macht, o Knigin. Wie kann ich Licht an einen
+Ort bringen, den er immer im Dunkel gehalten haben will!
+
+_Sudarschana_
+
+Seltsame Treue! Und doch -- ist es nicht wahr, da der Knig deinen
+Vater bestraft hat?
+
+_Surangama_
+
+Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem Spiel ergeben. Alle jungen
+Leute des Landes pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu kommen --
+und da tranken sie immer und spielten.
+
+_Sudarschana_
+
+Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer Bedrckung, als der Knig
+deinen Vater in die Verbannung schickte?
+
+_Surangama_
+
+Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf dem Weg zu Untergang und
+Vernichtung: als diese Bahn mir verschlossen war, schien ich mir ohne
+irgendeine Hilfe zurckgeblieben, ohne Beistand noch Schutz. Ich raste
+und tobte wie ein wildes Tier im Kfig -- wie verlangte es mich alles in
+Stcke zu zerreien in meiner ohnmchtigen Wut!
+
+_Sudarschana_
+
+Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an eben den nmlichen Knig?
+
+_Surangama_
+
+Wie kann ich es sagen? Vielleicht fate ich Vertrauen zu ihm, gerade
+_weil_ er so hart, so unbarmherzig war!
+
+_Sudarschana_
+
+Wann trat dieser Stimmungswechsel ein?
+
+_Surangama_
+
+Das knnte ich nicht sagen -- ich wei das selbst nicht. Es kam ein Tag,
+wo all der Aufruhr in mir sich geschlagen gab, und dann beugte sich
+meine ganze Natur in demtiger Ergebung in den Staub der Erde. Und dann
+sah ich ... ich sah, da er an Schnheit ebenso ohnegleichen war wie an
+Schrecknis. Oh, ich war gerettet, ich war erlst.
+
+_Sudarschana_
+
+Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst du mir nicht sagen, wie
+der Knig aussieht? Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen.
+Er kommt zu mir in Dunkelheit, und lt mich wieder in diesem dunklen
+Gemach zurck. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt -- aber sie
+geben alle unbestimmte und dunkle Antworten -- es scheint mir, da sie
+alle mit etwas zurckhalten.
+
+_Surangama_
+
+Die Wahrheit zu sagen, Knigin, so knnte ich nicht gut angeben, wie er
+aussieht. Nein -- er ist nicht, was man schn nennt.
+
+_Sudarschana_
+
+Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht schn!
+
+_Surangama_
+
+Nein, meine Knigin, er ist nicht schn. Ihn schn zu nennen, wre viel
+zu wenig von ihm gesagt.
+
+_Sudarschana_
+
+So sind all deine Worte -- dunkel, seltsam und unbestimmt. Ich kann
+nicht verstehen, was du meinst.
+
+_Surangama_
+
+Nein, ich will ihn _nicht_ schn nennen. Und eben weil er nicht
+schn ist, ist er so herrlich, so wunderbar!
+
+_Sudarschana_
+
+Ich verstehe dich nicht ganz -- obwohl ich dich gern von ihm reden hre.
+Aber ich mu ihn um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht einmal
+auf den Tag, wo ich ihm angetraut wurde. Ich hrte Mutter sagen, da
+vor meiner Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte: Der eure Tochter
+ehelichen will, ist ohnegleichen auf dieser Erde. Wie oft habe ich
+sie gebeten, mir sein ueres zu beschreiben, aber sie antwortet nur
+unbestimmt und sagt, sie kann es nicht sagen -- sie sah ihn durch einen
+Schleier, schwach und dunkel. Aber wenn er der beste der Menschen ist,
+wie kann ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben.
+
+_Surangama_
+
+Sprst du nicht ein leises Lftchen wehen?
+
+_Sudarschana_
+
+Ein Lftchen? Wo?
+
+_Surangama_
+
+Merkst du nicht einen leisen Duft?
+
+_Sudarschana_
+
+Nein!
+
+_Surangama_
+
+Das groe Tor hat sich geffnet ... er kommt; mein Knig naht.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie kannst du es merken, wenn er kommt?
+
+_Surangama_
+
+Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hrte ich seine Tritte in meinem
+Herzen. Da ich die Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich einen Sinn
+entwickelt -- ich kann erkennen und fhlen, ohne zu sehen.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich wollte, ich htte diesen Sinn auch, Surangama!
+
+_Surangama_
+
+Du wirst ihn bekommen, o Knigin ... dieser Sinn wird in dir eines Tages
+erwachen. Deine Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe, und darum
+ist all dein Sinn gespannt und in die falsche Richtung gelenkt. Wenn du
+diesen Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter dir hast, wird alles
+ganz leicht werden.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie kommt das, da es dir, der Magd, so leicht ist, und mir, der
+Knigin, so schwer?
+
+_Surangama_
+
+Eben weil ich eine bloe Magd bin, hemmt mich keine Schwierigkeit.
+Als er am ersten Tag dies Gemach meiner Obhut vertraute und sagte:
+Surangama, du wirst diese Kammer immer fr mich in Bereitschaft halten,
+das ist deine ganze Aufgabe, da sagte ich nicht, nicht einmal in
+Gedanken: Oh, gib mir die Arbeit derer, die fr das Licht in den andern
+Gemchern sorgen. Nein, sondern sowie ich all meinen ganzen Sinn auf
+diese Aufgabe richtete, erwachte eine Gewalt in mir und wuchs und wurde
+ohne Widerstand Herr ber jeden Teil von mir... Oh, da kommt er!... er
+steht drauen, vor der Tr. Herr! O Knig!
+
+_Gesang von auen_
+
+ ffne die Tr. Ich warte.
+ Die Fhre des Lichts von Dmmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen,
+ Der Abendstern steht am Himmel.
+ Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten,
+ Umfliet dich wei dein Kleid zur Nacht?
+ Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vgel in ihre Nester.
+ Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht.
+ ffne die Tr. Ich warte.
+
+_Surangama_
+
+O Knig, wer kann deine eignen Tore vor dir versperrt halten? Sie sind
+nicht geschlossen oder verriegelt -- sie werden sich weit aufschwingen,
+wenn du sie nur mit dem Finger berhrst. Willst du sie nicht nur ein
+wenig berhren? Willst du nicht eintreten, bis ich gehe und die Tore
+ffne?
+
+_Gesang_
+
+ Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lften, Herr!
+ Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht hre, wrdest du
+ warten, bis ich erwache?
+ Wrde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines
+ Streitwagens?
+ Wrdest du nicht das Tor zertrmmern und ungebeten eingehn in dein
+ eigenes Haus?
+
+Dann geh du, o Knigin, und ffne die Tr fr ihn: er wird sonst nicht
+eintreten.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich sehe nichts deutlich im Dunkel -- ich wei nicht, wo die Tr ist. Du
+kennst hier alles -- geh und ffne die Tr fr mich.
+
+Surangama ffnet die Tr, verbeugt sich tief vor dem Knig und geht
+hinaus. Der Knig bleibt whrend dieses ganzen Stckes unsichtbar.
+
+_Sudarschana_
+
+Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht zu sehen?
+
+_Knig_
+
+So willst du mich zwischen tausend Dingen im hellen Tageslicht sehen!
+Warum sollte ich nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit
+fhlen kannst?
+
+_Sudarschana_
+
+Aber ich _mu_ dich sehen -- mich verlangt es brennend nach deinem
+Anblick.
+
+_Knig_
+
+Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick zu ertragen -- er wird dir
+nur Qual bereiten, brennend heie Qual.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie kannst du sagen, da ich deinen Anblick nicht zu ertragen vermchte!
+Oh, ich kann schon in diesem Dunkel fhlen, wie lieblich und wunderbar
+du bist: warum sollte ich im Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir,
+kannst du mich im Dunkel sehen?
+
+_Knig_
+
+Ja, ich sehe dich.
+
+_Sudarschana_
+
+Was siehst du?
+
+_Knig_
+
+Ich sehe, da die Dunkelheit der unendlichen Himmel, ins Dasein
+geschleudert durch die Gewalt meiner Liebe, das Licht von
+Sternenmyriaden in sich gesogen und sich verkrpert hat in einer Gestalt
+von Fleisch und Blut. Und in dieser Form, was fr onen von Denken und
+Ringen, was fr ungezhlte Sehnschte grenzenloser himmlischer Rume,
+welche Flle der Gaben aus dem Meer der Zeiten!
+
+_Sudarschana_
+
+Bin ich so wunderbar, bin ich so schn? Hre ich dich so reden, so
+schwillt mein Herz von Freude und Stolz. Aber wie kann ich die
+wundervollen Dinge glauben, die du mir sagst? Ich kann sie in mir nicht
+finden!
+
+_Knig_
+
+Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben -- er setzt dich herab,
+beschrnkt dich, lt dich klein und unbedeutend erscheinen. Doch
+knntest du dich in meinem Geist gespiegelt sehen, wie gro erschienest
+du! In meinem Herzen bist du nicht mehr das alltgliche Einzelwesen, das
+du zu sein meinst -- du bist in Wahrheit mein andres Ich.
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, zeig' mir fr einen Augenblick, wie man mit deinen Augen sieht! Gibt
+es fr dich gar nichts wie Dunkelheit? Ich frchte mich, wenn ich daran
+denke. Diese Dunkelheit, die fr mich wirklich und stark wie der Tod
+ist -- ist sie fr dich einfach nichts? Wie kann dann berhaupt eine
+Gemeinschaft zwischen uns sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein --
+es ist unmglich: es besteht eine Schranke zwischen uns beiden: nicht
+hier, nein, nicht an diesem Ort. Ich mu dich finden und sehen, wo ich
+Bume und Tiere, Vgel und Steine und die Erde sehe --
+
+_Knig_
+
+Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden -- aber niemand wird mich
+dir weisen. Du wirst mich erkennen mssen, wenn du kannst, du selbst.
+Und selbst wenn jemand sich anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie
+kannst du gewi sein, da er die Wahrheit sagt?
+
+_Sudarschana_
+
+Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen. Ich werde dich aus
+einer Million Menschen herausfinden. Ich kann mich nicht irren.
+
+_Knig_
+
+Gut also, heute nacht, whrend des Frhlingsvollmondfestes, magst du
+versuchen, mich von dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden --
+suche nach mir mit deinen eigenen Augen unter der Volksmenge.
+
+_Sudarschana_
+
+Wirst du unter ihr sein?
+
+_Knig_
+
+Ich werde mich wieder und wieder zeigen, berall unter der Menge.
+Surangama!
+
+Surangama kommt herein.
+
+_Surangama_
+
+Was gebietest du, Herr?
+
+_Knig_
+
+Heute nacht ist das Frhlingsvollmondfest.
+
+_Surangama_
+
+Was soll ich heute nacht tun?
+
+_Knig_
+
+Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgrten stehen in voller
+Blte -- du wirst da an meinem Feste teilnehmen.
+
+_Surangama_
+
+Ich werde tun, was du wnschest, Herr.
+
+_Knig_
+
+Die Knigin will mich heute nacht mit ihren eigenen Augen sehen.
+
+_Surangama_
+
+Wo soll die Knigin dich sehen?
+
+_Knig_
+
+Wo die Musik am sesten spielt, wo die Luft von Bltenstaub schwer ist
+-- dort im silbernen Hain voll weichem Dmmerlicht.
+
+_Surangama_
+
+Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck spielen, zu sehen sein? Dort
+ist der Wind wild und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung -- wird
+es die Augen nicht verwirren?
+
+_Knig_
+
+Die Knigin ist neugierig, mich herauszufinden.
+
+_Surangama_
+
+Die Neugier wird enttuscht und in Trnen heimkehren!
+
+_Gesang_
+
+ Ach, sie lstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die
+ wilden Vgel des Waldes!
+ Doch die Zeit der Ergebung wird fr sie kommen, zu Ende ihr Hin- und
+ Herflug, wenn
+ Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt.
+ Ach, die wilden Vgel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis!
+
+
+
+
+III.
+
+
+Vor den Lustgrten.
+
+Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und andere Knige.
+
+_Avanti_
+
+Wird der Knig dieses Ortes uns nicht empfangen?
+
+_Kantschi_
+
+Was ist das fr eine Art, ein Land zu regieren? Der Knig hlt ein Fest
+in einem Wald, wo selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert
+Zutritt hat!
+
+_Koschala_
+
+Wir htten wohl Anspruch auf einen besonders fr uns reservierten und zu
+unserem Empfang hergerichteten Platz.
+
+_Kantschi_
+
+Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet hat, werden wir ihn
+zwingen, einen fr uns errichten zu lassen.
+
+_Koschala_
+
+All das macht natrlich zweifelhaft, ob dieses Volk berhaupt einen
+Knig hat -- es sieht aus, als ob ein unbegrndetes Gercht uns
+irregefhrt htte.
+
+_Avanti_
+
+Das mag sein, was den Knig angeht, aber Sudarschana, die Knigin dieses
+Orts, ist durchaus kein unbegrndetes Gercht.
+
+_Koschala_
+
+Nur um ihretwillen hatte ich berhaupt Lust, hierher zu kommen. Es liegt
+mir nichts daran, jemanden zu sehen, der sich nie sehen lt, aber es
+wre ein trichter Fehler, wenn wir fortgingen, ohne das Wesen gesehen
+zu haben, um dessentwillen sich eine Reise im hchsten Grade lohnt.
+
+_Kantschi_
+
+Lat uns denn einen bestimmten Plan entwerfen.
+
+_Avanti_
+
+Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man sich nicht selbst darein
+verwickelt.
+
+_Kantschi_
+
+Zum Henker, was ist das fr ein Geschmei, das dort herumschwrmt? He!
+wer seid ihr?
+
+Grovater und die Knaben treten auf.
+
+_Grovater_
+
+Wir sind die lustige Schar der Habenichtse.
+
+_Avanti_
+
+Die Einfhrung war berflssig. Aber ihr werdet euch etwas weiter
+zurckziehen und uns in Frieden lassen.
+
+_Grovater_
+
+Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir knnen es uns leisten, euch
+einen so weiten Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das Wenige, das
+uns gengt, ist nie der Zankapfel zwischen streitenden Parteien. Nicht
+wahr, meine kleinen Freunde?
+
+Sie singen.
+
+_Gesang_
+
+ Wir sind die Habenichtse, frwahr, wir haben gar nichts!
+ Wir singen lustig trallerala! trallerala!
+ 's gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Husern
+ Auf Smpfen mit goldenem Sand.
+ Wir stellen uns vor sie und singen
+ Trallerala! trallerala!
+ Taschendiebe kreisen um uns
+ Und ehren uns mit lsternen Blicken.
+ Wir schtteln die leeren Taschen und singen
+ Trallerala! trallerala!
+ Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tr,
+ Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen,
+ Und singen im Chor mit frhlichen Trillern
+ Trallerala! trallerala!
+
+_Kantschi_
+
+Sieh da drben hin, Koschala, was sind das fr Leute, die da des Weges
+kommen? Eine Pantomime? Der eine hat sich als Knig maskiert.
+
+_Koschala_
+
+Der Knig dieses Orts mag alle diese Narrenspossen dulden, wir aber
+werden dagegen einschreiten.
+
+_Avanti_
+
+Es ist vielleicht ein Huptling vom Lande.
+
+Wachen zu Fu treten auf.
+
+_Kantschi_
+
+Aus welchem Land stammt euer Knig?
+
+_Erster Soldat_
+
+Er ist der Knig dieses Landes. Er rstet sich, das Fest zu leiten.
+
+Sie gehen weiter.
+
+_Koschala_
+
+Wie, der Knig dieses Landes kommt zum Fest!
+
+_Avanti_
+
+Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem Anblick begngen und umkehren
+mssen -- ohne die reizvolle Knigin gesehen zu haben.
+
+_Kantschi_
+
+Glaubst du wirklich, da der Bursche die Wahrheit sagte? Jeder kann sich
+als Knig dieses kniglosen Landes aufspielen. Kannst du nicht sehen,
+da der Mensch wie ein aufgeputzter Maskenknig aussieht -- viel zu sehr
+herausgeputzt?
+
+_Avanti_
+
+Aber er sieht hbsch aus -- seine Erscheinung ist nicht ohne einen
+gewissen geflligen Reiz.
+
+_Kantschi_
+
+Er mag deinem Auge gefllig sein, aber wenn du ihn genau genug
+betrachtest, kannst du ihn nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn
+vor euch allen entlarve.
+
+Der falsche Knig tritt auf.
+
+_Knig_
+
+Willkommen, Frsten, in unserm Reich! Ich hoffe, meine Wrdentrger
+haben geziemend fr euren Empfang gesorgt?
+
+_Knige_ (mit verstellter Hflichkeit)
+
+O ja -- es fehlte nichts am Empfang.
+
+_Kantschi_
+
+Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich aufgewogen durch die Ehre,
+den Anblick Eurer Majestt genieen zu drfen.
+
+_Knig_
+
+Wir zeigen uns nicht vor der groen ffentlichkeit, aber eure groe
+Ergebenheit und Treue macht es uns zum Vergngen, uns euch nicht zu
+entziehen.
+
+_Kantschi_
+
+Die Gnade Euer Majestt ist wahrhaft berwltigend fr uns.
+
+_Knig_
+
+Wir frchten, wir werden hier nicht lange verweilen knnen.
+
+_Kantschi_
+
+Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus, als ob ihr es lange
+aushieltet.
+
+_Knig_
+
+Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst bitten mchtet --
+
+_Kantschi_
+
+Das mchten wir: aber wir mchten Euch gern vor etwas weniger Zeugen
+sprechen.
+
+_Knig_ (zu seinem Gefolge)
+
+Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurck. (Sie ziehen sich zurck.)
+Nun knnt ihr euer Begehren ohne Rckhalt vorbringen.
+
+_Kantschi_
+
+Wir werden uns schon keine Zurckhaltung auferlegen; wir frchten nur,
+da ihr es fr euch selbst werdet ntig finden.
+
+_Knig_
+
+O nein, in der Hinsicht knnt ihr unbesorgt sein.
+
+_Kantschi_
+
+Komm also, huldige uns, indem du uns deinen Kopf zu Fen legst.
+
+_Knig_
+
+Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein in den
+Empfangslagern zu freigiebig verteilt.
+
+_Kantschi_
+
+Falscher Betrger, du bist es, der sich in einem Rausch der berhebung
+befindet. Dein Kopf wird bald den Staub kssen.
+
+_Knig_
+
+Ihr Frsten, solche derben Spe sind eines Knigs nicht wrdig.
+
+_Kantschi_
+
+Mnner, die gebhrend mit dir scherzen werden, sind zur Stelle. General!
+
+_Knig_
+
+Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl, ich schulde euch allen
+Huldigung. Der Kopf beugt sich von selbst hernieder -- es bedarf
+nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer Manahmen, um ihn zu Boden
+zu legen. So, hier beuge ich mich tief vor euch allen. Wenn ihr mir
+freundlich erlaubt, mich davonzumachen, werde ich euch mit meiner
+Gegenwart nicht lnger lstig fallen.
+
+_Kantschi_
+
+Warum solltest du dich davonmachen? Wir werden dich zum Knig dieses
+Ortes machen -- fhren wir unsern Scherz zu seinem regelrechten Ende.
+Hast du irgendwelchen Anhang?
+
+_Knig_
+
+O ja! Alle, die mich auf den Straen sehen, laufen hinter mir her. Als
+ich ein mageres Gefolge hatte, betrachtete mich erst jeder argwhnisch,
+aber nun mit dem wachsenden Haufen zerstreuen sich die Zweifel immer
+mehr. Die Menge wird von ihrer eigenen Gre hypnotisiert. Ich brauche
+nun gar nichts weiter zu tun.
+
+_Kantschi_
+
+Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben wir alle, dir zu helfen und
+zu dir zu stehen. Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten mssen.
+
+_Knig_
+
+Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die Krone, die ihr mir aufs
+Haupt setzt.
+
+_Kantschi_
+
+Gegenwrtig wnschen wir weiter nichts, als die Knigin Sudarschana zu
+sehen. Du wirst dafr sorgen.
+
+_Knig_
+
+Ich werde mir alle Mhe darum geben.
+
+_Kantschi_
+
+Zu deinen Bemhungen haben wir nicht viel Vertrauen -- du wirst einfach
+dich nach unsern Anweisungen richten. Nun aber kannst du gehen und dich
+mit allem mglichen Glanz und Prunk an dem Fest im kniglichen Garten
+beteiligen.
+
+Sie gehen fort.
+
+Grovater und eine Schar von Brgern treten auf.
+
+_Erster Brger_
+
+Grovater, ich kann mir nicht helfen -- ja, und fnfhundertmal will ich
+es wiederholen -- unser Knig ist ein vollkommener Schwindel.
+
+_Grovater_
+
+Warum nur fnfhundertmal? Kein Grund zu so heldenmtiger
+Selbstbeherrschung -- du kannst es fnftausendmal sagen, wenn das dein
+Vergngen erhht.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Aber du kannst eine tote Lge nicht fr immer aufrechterhalten.
+
+_Grovater_
+
+Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund.
+
+_Dritter Brger_
+
+Wir werden der ganzen Welt verknden, da unser Knig eine Lge ist, der
+reinste und leerste Schatten!
+
+_Erster Brger_
+
+Wir werden es alle von unsern Dchern schreien, da wir keinen Knig
+haben -- mag er tun, was er will, wenn er existiert.
+
+_Grovater_
+
+Er wird gar nichts tun.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Mein Sohn wurde mit fnfundzwanzig Jahren innerhalb einer Woche von
+einem hitzigen Fieber vorzeitig dahingerafft. Htte mich solch ein
+Unglck unter der Herrschaft eines tugendhaften Knigs betreffen knnen?
+
+_Grovater_
+
+Aber dir sind immer noch zwei Shne geblieben: whrend ich all meine
+fnf Kinder hintereinander verloren habe.
+
+_Dritter Brger_
+
+Und was sagst du dazu?
+
+_Grovater_
+
+Was denn? Soll ich meinen Knig dazu verlieren, weil ich meine Kinder
+verloren habe? Fr so einen ungeheuren Narren mt ihr mich nicht
+halten.
+
+_Erster Brger_
+
+Eine schne Sache, zu streiten, ob ein Knig da ist oder nicht, wenn man
+aus Mangel an Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der Knig uns retten?
+
+_Grovater_
+
+Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den Knig suchen, dem all die
+Nahrung gehrt. Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn sicher nicht
+finden.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Knigs! Dieser Bhadrasen -- ihr wit
+was es fr ein rhrender Anblick ist, wenn er von seinem Knig spricht
+-- der rhrselige Dummkopf! Er ist auf einen solchen Grad von Armut
+herabgesunken, da selbst die Fledermuse, die bei ihm hausen, den Ort
+zu ungemtlich finden.
+
+_Grovater_
+
+Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre Tag und Nacht fr meinen
+Knig, aber ich habe fr meine Mhen noch nicht einen roten Heller
+bekommen.
+
+_Dritter Brger_
+
+Nun, und was hltst du davon?
+
+_Grovater_
+
+Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand seine Freunde? Geht,
+Freunde, und sagt, wenn ihr wollt, unsern Knig gebe es nirgends. Auch
+das gehrt mit zur Feier dieses Festes.
+
+
+
+
+IV.
+
+
+Turm des Knigspalastes.
+
+Sudarschana und ihre Freundin Rohini.
+
+_Sudarschana_
+
+Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann mich nicht irren: bin ich
+nicht die Knigin? Der dort, sicher der dort mu mein Knig sein.
+
+_Rohini_
+
+Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann nicht lange zgern, sich
+dir zu zeigen.
+
+_Sudarschana_
+
+Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen Vogel im Kfig. Suchtest du,
+dich zu vergewissern, wer er ist?
+
+_Rohini_
+
+Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der Knig.
+
+_Sudarschana_
+
+Von welchem Land ist er der Knig?
+
+_Rohini_
+
+Von unserm, Knig dieses Landes.
+
+_Sudarschana_
+
+Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm aus Blumen ber das Haupt
+gehalten wird?
+
+_Rohini_
+
+Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blte gemalt ist.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich erkannte ihn natrlich sofort, aber du hattest deine Zweifel.
+
+_Rohini_
+
+Wir knnen uns leicht irren, meine Knigin, und wir frchten dich zu
+erzrnen, falls wir unrecht haben.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich wollte, Surangama wre da! Dann wre kein Zweifel mehr mglich.
+
+_Rohini_
+
+Hltst du sie fr klger als uns alle?
+
+_Sudarschana_
+
+O nein, aber sie wrde ihn sofort erkennen.
+
+_Rohini_
+
+Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so, als ob sie ihn kennte.
+Niemand kann dafr brgen, da sie den Knig kennt. Wren wir so
+schamlos wie sie, es wre nicht schwer fr uns gewesen, mit unserer
+Bekanntschaft mit dem Knig zu prahlen.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber nein, sie prahlt niemals.
+
+_Rohini_
+
+Bloe Ziererei, weiter nichts; damit kommt man oft weiter als mit
+offenem Prahlen. Sie ist zu allen Streichen fhig: drum mochten wir sie
+nie leiden.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber sag, was du willst, ich htte sie gern gefragt, wenn sie hier wre.
+
+_Rohini_
+
+Sehr wohl, Knigin. Ich werde sie holen. Sie mu glcklich sein, wenn
+sie der Knigin unentbehrlich ist, um den Knig zu erkennen.
+
+_Sudarschana_
+
+O nein -- es ist nicht darum -- aber ich hrte es gern von aller Welt
+besttigt.
+
+_Rohini_
+
+Sagt es nicht alle Welt? Da, hre nur hin, die Jubelrufe des Volks
+dringen sogar bis zu dieser Hhe empor.
+
+_Sudarschana_
+
+Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen auf ein Lotusblatt und
+bringe sie ihm.
+
+_Rohini_
+
+Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie sendet?
+
+_Sudarschana_
+
+Du wirst nichts zu sagen brauchen -- er wird es wissen. Er meinte,
+ich wrde nicht imstande sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht
+fortlassen, ohne ihm zu zeigen, da ich ihn herausgefunden habe.
+
+Rohini geht mit den Blumen.
+
+_Sudarschana_
+
+Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so war mir nie zuvor zumute. Das
+weie, silberne Licht des Vollmonds berflutet den Himmel und perlt nach
+allen Seiten wie der sprudelnde Schaum des Weins... Es fat mich wie
+ein Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da?
+
+Eine Dienerin tritt auf.
+
+_Dienerin_
+
+Was befehlen Majestt?
+
+_Sudarschana_
+
+Siehst du dort die frhlichen Knaben, wie sie singend durch die
+Laubgnge und Alleen der Mangobume ziehen? Rufe sie her, bring sie zu
+mir: ich mchte sie singen hren.
+
+Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben wieder.
+
+Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen Frhlings, hebt euren
+Festgesang an! Meine ganze Seele und mein Leib ist heute abend Gesang
+und Musik -- doch die unaussprechliche Melodie will mir nicht von der
+Zunge: singt ihr denn an meiner Statt!
+
+_Gesang_
+
+ Mein Leid ist mir s, heut in dieser Frhlingsnacht.
+ Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und lt sie leise
+ erklingen.
+ Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein
+ dahin.
+ Der Duft aus der Tiefe der Wlder verirrt sich in meine Trume.
+ Worte kommen flsternd an mein Ohr, ich wei nicht, woher,
+ Und die Glckchen an meinen Fuspangen zittern und klingen im Takt zum
+ Tanz meines Herzens.
+
+_Sudarschana_
+
+Genug, genug -- ich ertrag' es nicht lnger! Euer Gesang hat meine Augen
+mit Trnen gefllt... Mich wandelt es an -- Sehnsucht kann nie ihren
+Gegenstand finden -- sie braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher
+Snger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt? O, da meine Augen den
+sehen knnten, dessen Gesang meine Ohren gehrt haben! Ach, wie ich mich
+sehne -- mich sehne, in Liebesverzckung im Waldesdickicht des Herzens
+mich zu verlieren! Liebe Knaben der Waldwildnis! wie soll ich euch
+lohnen? Dieses Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten Steinen gemacht
+-- ihre Hrte wird euch weh tun -- ich besitze nichts dergleichen wie
+die Blumenkrnze, die euch zieren.
+
+Die Knaben verbeugen sich und gehen ab.
+
+Rohini tritt auf.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe nicht recht getan -- ich habe nicht recht getan, Rohini. Ich
+schme mich, dich zu fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt,
+da keine Hand in Wahrheit die grte der Gaben geben kann. Doch la
+mich alles hren.
+
+_Rohini_
+
+Als ich dem Knig die Blumen gab, sah er nicht so aus, als verstnde er
+etwas davon.
+
+_Sudarschana_
+
+Das kann nicht sein! Er verstand nicht --?
+
+_Rohini_
+
+Nein; er sa da wie eine Puppe, ohne ein einziges Wort zu uern. Ich
+glaube, er wollte nicht zeigen, da er nichts verstand, daher tat er den
+Mund nicht auf.
+
+_Sudarschana_
+
+Pfui ber mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht bestraft worden. Warum
+hast du meine Blumen nicht zurckgebracht?
+
+_Rohini_
+
+Wie konnte ich? Der Knig von Kantschi, ein sehr gewitzigter Mann, der
+neben ihm sa, begriff alles mit einem Blick, und er lchelte nur eben
+ein bichen und sagte: Majestt, die Knigin Sudarschana sendet Euch
+ihre Gre mit diesen Blumen -- mit Blumen, die dem Gott der Liebe
+gehren, dem Freund des Frhlings! Der Knig schien mit einem Male
+aufzuwachen und sagte: Das ist die Krone all meiner Knigsherrlichkeit
+heute Nacht. Ich wandte mich, ganz auer Fassung, zum Gehen, als der
+Knig von Kantschi dem Knig dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir
+sagte: Freundin, dies Knigsgeschmeide will zu dir, zum Dank fr das
+frohe Glck, das du gebracht hast.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie, Kantschi mute dem Knig all das begreiflich machen! Weh mir,
+dies nchtliche Fest hat die Tore der Schmach und Schande weit vor mir
+geffnet. Was andres konnte ich erwarten? Verla mich, Rohini; ich mu
+eine Weile allein sein. (Rohini geht ab.) Ein furchtbarer Schlag hat all
+meinen Stolz zu Staub zerschlagen, und doch ... ich kann diese schne,
+bezaubernde Gestalt nicht aus dem Gedchtnis lschen! Kein Stolz ist mir
+geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet, gnzlich hilflos ... ich
+kann nicht einmal die Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder und
+wieder der Wunsch kommt, Rohini um diese Kette zu bitten! Aber was wrde
+sie denken! Rohini!
+
+Rohini kommt.
+
+_Rohini_
+
+Was ist dein Wunsch?
+
+_Sudarschana_
+
+Welchen Lohn verdienst du fr deine heutigen Dienste?
+
+_Rohini_
+
+Nichts von dir -- aber ich bekam meinen Lohn von dem Knig, wie sich's
+gebhrt.
+
+_Sudarschana_
+
+Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene Belohnung. Ich mchte
+nicht etwas an dir sehen, was auf so gleichgltige Art gegeben wurde.
+Leg es ab, ich gebe dir meine Armspangen, wenn du es hier lt. Nimm
+diese Armspangen und geh nun. (Rohini geht ab.) Welch neue Schmach!
+Ich htte dieses Halsband wegwerfen sollen -- aber ich kann nicht! Es
+sticht mich, als ob es ein Dornenkranz wre -- aber ich kann es nicht
+wegwerfen. Das also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert --
+dieses Halsband der Schmach und Schande!
+
+
+
+
+V.
+
+
+Grovater nahe am Tor des Lusthauses.
+
+Eine Gesellschaft von Mnnern.
+
+_Grovater_
+
+Habt ihr genug davon bekommen, Freunde?
+
+_Erster Mann_
+
+Oh, mehr als genug, Grovater. Sieh nur, sie haben mich ber und ber
+rot gemacht. Keiner ist davongekommen[A].
+
+_Grovater_
+
+Wirklich? Haben sie die Knige auch mit rotem Puder beworfen?
+
+_Zweiter Mann_
+
+Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie waren alle sicher auf ihrem
+eingehegten Platz.
+
+_Grovater_
+
+So sind sie euch entkommen! Konntet ihr nicht die geringste Spur Farbe
+auf sie werfen? Ihr httet euch den Weg dahin erzwingen sollen.
+
+_Dritter Mann_
+
+Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte Rot, die ihnen
+vorbehalten ist. Ihre Augen sind rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres
+Gefolges sind auch rot. Und die letztern schwangen ihre Schwerter so
+in der Luft herum, da eine weitere Annherung von unserer Seite ein
+reichliches Zutagetreten der grundlegenden roten Farbe bedeutet htte.
+
+_Grovater_
+
+Wohlgetan, Freunde -- haltet sie immer in einiger Entfernung. Sie sind
+die Verbannten der Erde, und wir haben das Amt, dafr zu sorgen, da es
+so bleibt.
+
+_Dritter Mann_
+
+Ich gehe heim, Gropapa; Mitternacht ist vorber.
+
+Geht ab.
+
+Eine Schar Snger kommt singend herbei.
+
+ Schwarz und Wei ist nicht mehr geschieden,
+ Ist rot geworden -- rot wie eure Fe gefrbt sind.
+ Rot ist mein Wams und rot meine Trume,
+ Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus.
+
+_Grovater_
+
+Vortrefflich, meine Freunde, glnzend! So hattet ihr wirklich
+genureiche Stunden!
+
+_Die Snger_
+
+Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der Mond am Himmel lie uns im
+Stich: er blieb wei.
+
+_Grovater_
+
+Er sieht nur von auen so unschuldig drein. Httet ihr nur seine weie
+Maske weggenommen, ihr httet seine Schelmerei schon gesehen. Ich habe
+beobachtet, was fr rote Farben er heute nacht auf die Erde wirft. Und
+doch, sollte man es fr mglich halten, da er dabei die ganze Zeit wei
+und farblos bleibt!
+
+_Gesang._
+
+ Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb!
+ Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt,
+ Meinst du, ungefrbt zu entkommen,
+ Wenn du mich mit rotem Puder rtest?
+ Knnt ich nicht dein Kleid frben mit dem roten Bltenstaub meines
+ Herzens?
+
+Sie gehen ab.
+
+Der Knig und Kantschi treten auf.
+
+_Kantschi_
+
+Du mut genau tun, was ich dir gesagt habe. Da du mir nichts
+bersiehst!
+
+_Knig_
+
+Ich werde nichts bersehen.
+
+_Kantschi_
+
+Die Gemcher der Knigin Sudarschana liegen in den...
+
+_Knig_
+
+Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt.
+
+_Kantschi_
+
+Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen, und dann wirst
+du aus dem Durcheinander und der Verwirrung Vorteil ziehen, um deine
+Aufgabe zielbewut zu vollbringen.
+
+_Knig_
+
+Ich werde daran denken.
+
+_Kantschi_
+
+Sieh einmal, Herr Prtendent, ich glaube doch, da unsere Furcht ganz
+unbegrndet ist -- es gibt in Wahrheit keinen Knig in diesem Lande.
+
+_Knig_
+
+Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie zu retten. Der
+gemeine Mann kann ohne Knig nicht leben, ob dieser nun echt ist oder
+falsch! Anarchie ist immer eine Quelle der Gefahr.
+
+_Kantschi_
+
+Frommer Wohltter des Volkes, deine wundervolle Aufopferung sollte
+wirklich uns allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke diesen
+auerordentlichen Dienst in eigener Person zu erweisen.
+
+Sie gehen ab.
+
+
+
+
+VI.
+
+
+Im Garten.
+
+_Rohini_
+
+Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen, was all das ist! (Zu
+den Grtnern) Wohin geht ihr alle in solcher Eile?
+
+_Erster Grtner_
+
+Wir gehen aus dem Garten.
+
+_Rohini_
+
+Wohin?
+
+_Zweiter Grtner_
+
+Wir wissen nicht, wohin -- der Knig hat uns gerufen.
+
+_Rohini_
+
+Aber der Knig ist doch hier in diesem Garten. Welcher Knig hat euch
+gerufen?
+
+_Erster Grtner_
+
+Das wissen wir nicht.
+
+_Zweiter Grtner_
+
+Der Knig, dem wir unser Lebtag gedient haben, natrlich.
+
+_Rohini_
+
+Wollt ihr alle gehen?
+
+_Erster Grtner_
+
+Ja, alle -- wir mssen sofort gehen. Sonst knnten wir zu Schaden
+kommen.
+
+Sie gehen ab.
+
+_Rohini_
+
+Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich frchte mich. Sie rennen
+davon wie wilde Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe die Flut
+den Damm durchbricht.
+
+Der Knig von Koschala tritt auf.
+
+Rohini, weit du, wo dein Knig und Kantschi hingegangen
+sind?
+
+_Rohini_
+
+Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann nicht sagen, wo.
+
+_Koschala_
+
+Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben. Ich habe nicht wohl daran
+getan, mein Vertrauen auf Kantschi zu setzen. Ab.
+
+_Rohini_
+
+Was ist das fr eine dunkle Sache, mit der sich diese Knige abgeben?
+Etwas Schreckliches bereitet sich vor. Werde ich in diese Sache
+hineingezogen werden?
+
+Avanti tritt auf.
+
+_Avanti_
+
+Rohini, weit du, wo die andern Frsten sind?
+
+_Rohini_
+
+Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen sind. Der Knig von
+Koschala ging jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei.
+
+_Avanti_
+
+Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer Knig und Kantschi?
+
+_Rohini_
+
+Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen.
+
+_Avanti_
+
+Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewi, uns alle zu betrgen. Ich
+habe nicht wohl daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu stecken.
+Freundin, knntest du mir freundlich einen Weg aus diesem Garten weisen?
+
+_Rohini_
+
+Ich wei keinen.
+
+_Avanti_
+
+Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus zeigen kann?
+
+_Rohini_
+
+Die Diener haben alle den Garten verlassen.
+
+_Avanti_
+
+Warum taten sie das?
+
+_Rohini_
+
+Ich konnte nicht genau verstehen, was sie meinten. Sie sagten, der Knig
+htte ihnen befohlen, den Garten sofort zu verlassen.
+
+_Avanti_
+
+Der Knig? Welcher Knig?
+
+_Rohini_
+
+Sie konnten es nicht genau sagen.
+
+_Avanti_
+
+Das klingt nicht gut. Ich mu um jeden Preis einen Weg hinausfinden. Ich
+kann hier keinen Augenblick lnger bleiben.
+
+Geht eilig ab.
+
+_Rohini_
+
+Wo kann ich den Knig finden? Als ich ihm die Blumen gab, die die
+Knigin gesandt hatte, da schien er sich nicht viel um mich zu kmmern;
+aber seit der Stunde hat er Gaben und Geschenke auf mich gehuft.
+Diese grundlose Freigebigkeit macht mich noch ngstlicher... Wohin
+fliegen die Vgel zu dieser Stunde der Nacht? Was hat sie pltzlich
+aufgeschreckt? Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges, gewi
+nicht... Warum rennt der Knigin zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata!
+Tschapata! Es hrt nicht einmal meinen Ruf. Ich habe nie eine Nacht wie
+diese gesehen. Der Horizont wird auf allen Seiten pltzlich rot, wie das
+Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne scheint zu so ungewohnter Stunde auf
+allen Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn des Allmchtigen
+ist dies! ... Oh, ich frchte mich! ... Wo kann ich den Knig finden?
+
+
+
+
+VII.
+
+
+Am Tor zum Palast der Knigin.
+
+_Knig_
+
+Was hast du getan, Kantschi?
+
+_Kantschi_
+
+Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim Palast in Brand stecken.
+Ich hatte keine Ahnung, da das Feuer sich so schnell nach allen Seiten
+verbreiten wrde. Sag mir schnell den Weg aus diesem Garten.
+
+_Knig_
+
+Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher gefhrt haben, sind alle
+entflohen.
+
+_Kantschi_
+
+Du bist ein Eingeborner dieses Landes -- du mut den Weg wissen.
+
+_Knig_
+
+Ich habe diese inneren Knigsgrten nie zuvor betreten.
+
+_Kantschi_
+
+Ich will davon nichts hren -- du mut mir den Weg zeigen, oder ich
+spalte dich in zwei Teile.
+
+_Knig_
+
+Du kannst mir auf diese Weise das Leben nehmen, aber es wrde dir wenig
+helfen, den Weg aus diesem Garten zu finden.
+
+_Kantschi_
+
+Warum liefst du dann herum und sagtest, du wrest der Knig dieses
+Landes?
+
+_Knig_
+
+Ich bin nicht der Knig -- ich bin nicht der Knig.
+
+Wirft sich mit gefalteten Hnden zu Boden.
+
+Wo bist du, mein Knig? Rette mich, oh, rette mich! Ich bin ein Emprer
+-- strafe mich, aber tte mich nicht!
+
+_Kantschi_
+
+Was ntzt es, sich zu krmmen und in die leere Luft zu schreien? Nutze
+die Zeit lieber und such nach dem Wege!
+
+_Knig_
+
+Ich will mich hierher legen -- ich rhre mich nicht von der Stelle.
+Komme was will, ich werde nicht klagen.
+
+_Kantschi_
+
+Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn ich verbrennen mu, sollst
+du mir zum letzten Ende Gesellschaft leisten.
+
+_Stimme von auen_
+
+Oh, rette uns, rette uns, Knig! Das Feuer kommt von allen Seiten ber
+uns!
+
+_Kantschi_
+
+Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr.
+
+_Sudarschana_ (tritt auf)
+
+Knig, o mein Knig! rette mich, rette mich vor dem Tode! Ich bin vom
+Feuer umzingelt.
+
+_Knig_
+
+Wer ist der Knig? Ich bin kein Knig.
+
+_Sudarschana_
+
+Du bist nicht der Knig?
+
+_Knig_
+
+Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft.
+
+Seine Krone zu Boden werfend.
+
+Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben!
+
+Ab mit Kantschi.
+
+_Sudarschana_
+
+Kein Knig? Er ist nicht der Knig? Dann, o du Feuergott, verbrenne
+mich, vernichte mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in die Arme
+werfen, o du groer Reiniger; verbrenne meine Schmach, mein Verlangen,
+meine Begierde zu Asche.
+
+_Rohini_ (tritt auf)
+
+Knigin, wohin gehst du? All deine innern Gemcher sind in rasendes
+Feuer gehllt -- geh nicht hinein.
+
+_Sudarschana_
+
+Ja, ich will in diese brennenden Rume hineingehn! Es ist mein
+Totenfeuer!
+
+Sie geht in den Palast.
+
+
+
+
+VIII.
+
+
+Die dunkle Kammer. Der Knig und Sudarschana.
+
+_Knig_
+
+Frchte dich nicht -- du hast keinen Grund zur Angst. Das Feuer wird
+nicht in dies Gemach dringen.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe keine Angst -- aber oh, die Scham verfolgt mich wie ein
+rasendes Feuer. Mein Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil meines
+Krpers wird von ihren Flammen versengt und verbrannt.
+
+_Knig_
+
+Es wird eine Zeit vergehen, ehe du ber diesen Brand hinwegkommst.
+
+_Sudarschana_
+
+Dieses Feuer wird nie aufhren -- wird nie aufhren!
+
+_Knig_
+
+Verzage nicht, Knigin!
+
+_Sudarschana_
+
+O Knig, ich will dir nichts verbergen... Ich trage eines anderen Kette
+um meinen Hals.
+
+_Knig_
+
+Auch diese Kette ist mein -- wie sonst htte er zu ihr kommen sollen? Er
+stahl sie aus meiner Kammer.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber sie ist _sein_ Geschenk an mich: und doch konnte ich diese Kette
+nicht fortschleudern! Als das Feuer brllend von allen Seiten kam,
+dachte ich daran, diese Kette ins Feuer zu werfen. Aber nein, ich
+konnte nicht. Mein Geist flsterte: Behalte diese Kette im Tode an...
+Was fr ein Feuer ist das, o Knig, in das ich, die hinausgegangen war,
+dich zu sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme nicht widerstehen
+kann! Welch eine Qual ist das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer
+brennt so wild weiter wie je, und doch lebe ich weiter in seinen
+Flammen!
+
+_Knig_
+
+Aber du hast mich schlielich gesehen -- deine Sehnsucht ist gestillt
+worden.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber suchte ich dich denn mitten in diesem grauenhaften Verderben? Ich
+wei nicht, was ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor Angst.
+
+_Knig_
+
+Was sahest du?
+
+_Sudarschana_
+
+Grauenhaft -- oh, es war grauenhaft! Ich frchte mich, auch nur noch
+daran zu denken. Schwarz, schwarz -- o du bist schwarz wie die ewige
+Nacht! Ich habe dich nur einen einzigen entsetzlichen Augenblick
+gesehen. Der Feuerschein fiel auf deine Zge -- du sahst wie die
+schaudervolle Nacht aus, wenn ein Komet unheilverkndend ber uns
+schwebt -- oh, da schlo ich die Augen -- ich konnte deinen Anblick
+nicht mehr ertragen. Schwarz wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie
+das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot des Zwielichts auf seinen
+tosenden Wogen!
+
+_Knig_
+
+Habe ich dir nicht vorausgesagt, da man meinen Anblick nicht ertragen
+kann, wenn man nicht schon darauf vorbereitet ist? Man mchte vor mir
+zum Ende der Welt fliehen. Habe ich das nicht zahllose Male gesehen?
+Darum wollte ich mich dir langsam und allmhlich enthllen, nicht gar zu
+pltzlich.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber es kam die Snde und vernichtete alle deine Hoffnungen -- die
+bloe Mglichkeit einer Gemeinschaft mit dir ist fr mich nun undenkbar
+geworden.
+
+_Knig_
+
+Sie wird mit der Zeit mglich werden, meine Knigin. Die grliche
+dstere Schwrze, die dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen
+hat, wird eines Tages dein Trost und dein Heil sein. Wofr sonst kann
+meine Liebe da sein?
+
+_Sudarschana_
+
+Es kann nicht sein, es ist nicht mglich. Was will _deine_ Liebe
+allein noch tun? _Meine_ Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die
+Schnheit hat ihren Zauber auf mich geworfen, diese Raserei, dieser
+Rausch wird mich nie mehr verlassen -- sie hat meine Augen mit ihrem
+Glanz geblendet und entflammt, sie hat ihren goldenen Schimmer bis in
+meine Trume geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt -- strafe mich, wie
+dir beliebt.
+
+_Knig_
+
+Die Strafe hat schon begonnen.
+
+_Sudarschana_
+
+Doch willst du mich nicht strafen so stoe mich von dir. Ich will dich
+verlassen --
+
+_Knig_
+
+Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir beliebt.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen! Mein Herz ist bse auf dich.
+Warum warst du -- aber was hast du mir getan?... Warum bist du so?
+Warum haben sie mir gesagt, du wrest stattlich und schn? Du bist
+schwarz, schwarz wie die Nacht -- ich werde dich nie, ich kann dich nie
+liebhaben. Ich habe gesehen, was ich liebe -- es ist sanft und weich wie
+Samt, zart wie die _Schirischa_-Blume, strahlend wie ein Schmetterling.
+
+_Knig_
+
+Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie eine Seifenblase.
+
+_Sudarschana_
+
+Mag sein -- aber ich kann deine Nhe nicht ertragen -- ich kann einfach
+nicht! Ich mu von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir, das kann
+nicht mglich sein! Sie kann nichts anderes sein als ein falscher Bund
+-- mein Geist mu sich unweigerlich von dir abkehren.
+
+_Knig_
+
+Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen?
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe es seit gestern versucht -- aber je mehr ich versuche, um so
+mehr emprt sich mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich bestndig
+von dem Gedanken verfolgt und gehetzt, da ich unrein bin, da ich
+falsch und treulos bin.
+
+_Knig_
+
+Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen, als dir beliebt.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich kann von dir nicht fliehen -- gerade weil du mein Gehen nicht
+hinderst. Warum hltst du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurck
+und sagst: Du sollst nicht gehen? Warum schlgst du mich nicht? O
+strafe mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger Hand! Aber dein
+widerstandsloses Schweigen macht mich wild -- oh, ich kann's nicht
+ertragen!
+
+_Knig_
+
+Warum glaubst du, da ich in Wirklichkeit still bin? Woher weit du, da
+ich nicht versuche, dich zurckzuhalten?
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, nein, nein! -- Ich kann das nicht ertragen -- sag mir laut, befiehl
+mir mit der Stimme des Donners, zwinge mich mit Worten, die alles andere
+bertnen -- la mich nicht so leicht, so mild von dir!
+
+_Knig_
+
+Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte ich zulassen, da du dich
+von mir losreiest?
+
+_Sudarschana_
+
+Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn, ich mu gehen!
+
+_Knig_
+
+Geh denn!
+
+_Sudarschana_
+
+So bin ich gar nicht zu tadeln. Du httest mich mit Gewalt zurckhalten
+knnen, aber du tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert -- und nun
+werde ich fortgehen. Befiehl deinen Wachen, mich nicht gehen zu lassen!
+
+_Knig_
+
+Niemand wird dir in den Weg treten. Du kannst so frei gehen wie die
+zerrissene Wetterwolke, die vom Sturm gepeitscht wird.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich kann nicht mehr widerstehen -- etwas in mir jagt mich vorwrts -- es
+treibt mich von meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken, aber ich
+werde nie mehr zurckkehren.
+
+Sie strzt hinaus.
+
+Surangama tritt auf.
+
+_Surangama_ (singt)
+
+Was hat dein Wille mit mir vor, da er mich in die Weite sendet? Zu
+deinen Fen werde ich wieder von meiner Wanderschaft zurckkehren.
+
+Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein der Nachlssigkeit
+verbirgt, deine zrtlichen Hnde stoen mich fort, um mich wieder in
+deine Arme zu ziehn! O mein Knig, was ist's fr ein Spiel, das du
+berall in deinem Reiche treibst?
+
+_Sudarschana_ (kehrt zurck)
+
+Knig, o Knig!
+
+_Surangama_
+
+Er ist fortgegangen.
+
+_Sudarschana_
+
+Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er mich endgltig verstoen! Ich
+bin zurckgekehrt, aber er hat nicht einen einzigen kleinen Augenblick
+auf mich warten knnen! Sehr gut denn, ich bin nun vollkommen frei.
+Surangama, hat er dich geheien, mich zurckzuhalten?
+
+_Surangama_
+
+Nein, er hat nichts gesagt.
+
+_Sudarschana_
+
+Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte er sich um mich kmmern?
+... Ich bin also frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich wollte
+den Knig etwas fragen, konnte es aber in seiner Gegenwart nicht
+herausbringen. Sag mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft hat.
+
+_Surangama_
+
+Mit dem Tode? Mein Knig straft nie mit dem Tode.
+
+_Sudarschana_
+
+Was hat er ihnen denn getan?
+
+_Surangama_
+
+Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat seine Niederlage anerkannt
+und ist in sein Knigreich heimgekehrt.
+
+_Sudarschana_
+
+Ach, was fr eine Erlsung!
+
+_Surangama_
+
+Meine Knigin, ich habe eine einzige Bitte an dich.
+
+_Sudarschana_
+
+Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen, Surangama. Alle Geschmeide
+und Schmucksachen, die der Knig mir gab, lasse ich dir -- ich bin nicht
+wrdig, sie von nun an zu tragen.
+
+_Surangama_
+
+Nein, ich brauche sie nicht, meine Knigin. Mein Herr hat mir nie
+irgendwelchen Schmuck zu tragen gegeben -- mein schmuckloses Aussehen
+ist fr mich gut genug. Er hat mir nichts gegeben, womit ich vor den
+Leuten prahlen knnte.
+
+_Sudarschana_
+
+Was willst du sonst von mir?
+
+_Surangama_
+
+Ich will mit dir gehn, meine Knigin.
+
+_Sudarschana_
+
+Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen Herrn zu verlassen. Was
+fr eine Bitte ist das fr dich!
+
+_Surangama_
+
+Ich werde nicht weit von ihm fortgehen -- wenn du unbehtet fortgehst,
+wird er bei dir sein, dicht dir zur Seite.
+
+_Sudarschana_
+
+Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini mit mir nehmen, aber sie
+wollte nicht. Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit mir zu kommen?
+
+_Surangama_
+
+Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich werde gehen -- der Mut wird
+von selbst kommen, und auch die Kraft wird kommen.
+
+_Sudarschana_
+
+Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine Gegenwart wird mich bestndig
+an meine Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen knnen.
+
+_Surangama_
+
+O meine Knigin, ich habe wie all dein Gutes so auch all dein Bses mir
+zu eigen gemacht; willst du mich noch als Fremde behandeln? Ich mu mit
+dir gehn.
+
+
+
+
+IX.
+
+
+Der Knig von Kanya Kubja, Vater von Sudarschana, und sein Minister.
+
+_Knig von Kanya Kubja_
+
+Ich hrte alles vor ihrer Ankunft.
+
+_Minister_
+
+Die Prinzessin wartet allein auerhalb der Stadttore am Ufer des
+Flusses. Soll ich Leute senden, um sie zu Hause willkommen zu heien?
+
+_Knig von Kanya Kubja_
+
+Wie! Fr sie, die treulos ihren Gatten verlassen hat -- da willst du
+ihre Schmach und Schande in aller Welt ausposaunen und ein Schaustck
+fr sie in Szene setzen?
+
+_Minister_
+
+Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr eine Wohnung im Palaste
+herzurichten?
+
+_Knig von Kanya Kubja_
+
+Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren Platz als Knigin aus eigenem
+Entschlu verlassen -- hier wird sie als Magd arbeiten mssen, wenn sie
+in meinem Hause zu bleiben wnscht.
+
+_Minister_
+
+Es wird schwer und bitter fr sie sein, Euer Hoheit.
+
+_Knig von Kanya Kubja_
+
+Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren, dann bin ich nicht wert,
+ihr Vater zu sein.
+
+_Minister_
+
+Ich werde alles ordnen, wie Ihr wnscht, Euer Hoheit.
+
+_Knig von Kanya Kubja_
+
+Es soll verborgen bleiben, da sie meine Tochter ist, sonst geraten wir
+alle in ein entsetzliches Unheil.
+
+_Minister_
+
+Warum frchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit?
+
+_Knig von Kanya Kubja_
+
+Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht, dann erscheint sie mit dem
+furchtbaren Unheil beladen. Du weit nicht, welche tdliche Furcht diese
+meine Tochter mir eingeflt hat -- sie ist heimgekommen, beladen mit
+Schrecknis und Gefahr.
+
+
+
+
+X.
+
+
+Innere Gemcher des Palastes.
+
+Sudarschana und Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Geh fort von mir, Surangama! Ein tdlicher Zorn rast in mir -- ich
+kann niemanden ertragen -- es macht mich wild, dich so geduldig und
+unterwrfig zu sehn.
+
+_Surangama_
+
+Auf wen bist du zornig?
+
+_Sudarschana_
+
+Ich wei nicht; aber ich mchte alles vernichtet und unter Trmmern und
+Elend begraben sehn! In einem Augenblick verlie ich meinen Platz als
+Knigin auf dem Thron. Gab ich alles hin, um mich in dieser dsteren
+Hhle als Sklavin abzuplagen? Warum flammen fr mich nicht die Fackeln
+der Trauer ber die ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die Erde?
+Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte Fallen der armseligen
+Bohnenblte? Ist er nicht eher wie der Fall eines glhenden Sternes,
+dessen flammende Lohe den Himmel in Stcke reit?
+
+_Surangama_
+
+Ein mchtiger Wald raucht und glimmt innen, ehe er in Flammen ausbricht:
+die Zeit ist noch nicht gekommen.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe Ehre und Ruhm einer Knigin in Staub und Winde gestreut -- aber
+gibt es keinen Menschen, der kommen will, um meine trostlose Seele hier
+zu besuchen? Allein -- oh, ich bin furchtbar, grauenvoll allein!
+
+_Surangama_
+
+Du bist nicht allein.
+
+_Sudarschana_
+
+Surangama, ich will nichts vor dir verbergen. Als er den Palast in
+Flammen setzte, konnte ich nicht auf ihn bse sein. Eine groe innere
+Freude machte mein Herz erzittern. Was fr ein staunenswrdiges
+Verbrechen! Was fr eine glorreiche Khnheit! Dieser Mut machte mich
+stark und befeuerte meine Lebensgeister. Diese furchtbare Freude gab mir
+die Kraft, in einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist das alles
+nur meine Einbildung? Warum ist nirgends ein Zeichen zu sehen, da er
+kommt?
+
+_Surangama_
+
+Der, an den du denkst, hat den Palast nicht in Brand gesteckt -- der
+Knig von Kantschi tat es.
+
+_Sudarschana_
+
+Der Feigling! Aber ist es mglich? So schn, so bezaubernd, und doch
+keine Mannheit in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um so eines
+wertlosen Geschpfes willen? O Schmach! Pfui ber mich!... Aber
+Surangama, meinst du nicht, dein Knig htte doch kommen mssen, um mich
+zurckzuholen!
+
+(Surangama verharrt in Schweigen.)
+
+Du meinst, ich brenne darauf, zurckzukehren? Niemals. Selbst wenn der
+Knig in Wirklichkeit kme, ginge ich nicht zurck. Nicht ein einziges
+Mal verbot er mir fortzugehn, und ich fand alle Tore weit geffnet, um
+mich hinauszulassen! Und die steinige, staubige Strae, auf der ich
+wanderte -- es war ihr nichts, da eine Knigin auf ihr schritt. Sie
+ist hart und gefhllos, wie dein Knig; der niedrigste Bettler gilt ihr
+ebensoviel wie die hchste Knigin. Du schweigst! Nun, ich sage dir,
+deines Knigs Benehmen ist -- niedrig, roh, schmhlich!
+
+_Surangama_
+
+Jeder wei, da mein Knig hart und unbarmherzig ist -- niemand ist je
+imstande gewesen, ihn zu rhren.
+
+_Sudarschana_
+
+Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und bei Nacht?
+
+_Surangama_
+
+Mge er immer hart und unnachgiebig bleiben wie Stein -- mgen
+meine Trnen und Bitten ihn nie bewegen! Mgen die Leiden nur immer
+_mein_ Teil sein und mge Ruhm und Sieg _ihm_ immerdar bleiben!
+
+_Sudarschana_
+
+Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint dort drben ber den Feldern am
+stlichen Horizont aufzusteigen.
+
+_Surangama_
+
+Ja, ich sehe es.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens?
+
+_Surangama_
+
+In der Tat, es ist ein Banner.
+
+_Sudarschana_
+
+Dann kommt er. Er ist endlich gekommen.
+
+_Surangama_
+
+Wer kommt?
+
+_Sudarschana_
+
+Unser Knig -- wer sonst! Wie knnte er ohne mich leben! Es ist ein
+Wunder, wie er nur diese Tage her aushalten konnte.
+
+_Surangama_
+
+Nein, nein, das kann nicht der Knig sein.
+
+_Sudarschana_
+
+Nein, in der Tat! Als ob du alles wtest! Dein Knig ist hart, kalt,
+unbarmherzig, nicht wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein kann. Ich
+wute von Anfang an, da er kommen wrde -- da er hinter mir herlaufen
+mte. Aber erinnere dich, Surangama, ich habe ihn nicht ein einziges
+Mal gebeten, da er kme. Du wirst sehen, wie ich deinen Knig dazu
+bringe, mir seine Niederlage zu bekennen! Geh nur hinaus, Surangama, und
+la mich alles wissen.
+
+Surangama geht hinaus.
+
+Aber werde ich gehen, wenn er kommt und mich bittet, mit ihm
+zurckzukehren? Gewi nicht! Ich will nicht gehen! Niemals!
+
+Surangama kommt zurck.
+
+_Surangama_
+
+Es ist nicht der Knig, meine Knigin.
+
+_Sudarschana_
+
+Nicht der Knig? Bist du ganz sicher? Wie! er ist noch nicht gekommen?
+
+_Surangama_
+
+Nein, mein Knig wirbelt nie soviel Staub auf, wenn er kommt. Niemand
+kann wissen, wann er berhaupt kommt.
+
+_Sudarschana_
+
+Dann ist es --
+
+_Surangama_
+
+Eben der: er kommt mit dem Knig von Kantschi.
+
+_Sudarschana_
+
+Weit du, wie er heit?
+
+_Surangama_
+
+Er heit Suvarna.
+
+_Sudarschana_
+
+Er ist es also. Ich dachte: Ich liege hier gleich weggeworfenen
+Schlacken und Kehricht, die keiner auch nur anrhren mag. Aber mein
+Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du Suvarna frher gekannt?
+
+_Surangama_
+
+Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in der Spielhlle --
+
+_Sudarschana_
+
+Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen, ich will nichts hren.
+Er ist mein Held, meine einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen,
+ohne da du mir Geschichten von ihm erzhlst. Aber sieh nur, ein
+netter Mann ist dein Knig! Er lie sich nicht einfallen, zu kommen,
+um mich selbst aus dieser Entwrdigung zu retten. Danach kannst du
+mich nicht tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf ihn warten und
+mich schimpflich wie eine Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut und
+Unterwrfigkeit ben wie du.
+
+
+
+
+XI.
+
+
+Lager.
+
+_Kantschi_
+
+Zu Kanya Kubja's Boten.
+
+Sage deinem Knig, da er uns nicht gerade als seine Gste zu empfangen
+braucht. Wir sind auf dem Weg zurck zu unsern Knigreichen, aber
+wir verweilen, um die Knigin Sudarschana aus der Knechtschaft und
+Entwrdigung zu befreien, zu der sie hier verdammt ist.
+
+_Bote_
+
+Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, da die Prinzessin in ihres
+Vaters Hause ist.
+
+_Kantschi_
+
+Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres Vaters bleiben, als sie
+unvermhlt ist.
+
+_Bote_
+
+Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres Vaters bleiben unverndert
+bestehen.
+
+_Kantschi_
+
+Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden entsagt.
+
+_Bote_
+
+Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann diesseits des Grabes niemals
+entsagt werden: sie mag zu Zeiten auer Kraft treten, kann jedoch nie
+ganz abgebrochen werden.
+
+_Kantschi_
+
+Entschliet sich der Knig nicht, mir seine Tochter auf friedlichem Wege
+herauszugeben, so wird mich das Gebot der Ritterpflicht ntigen, Gewalt
+anzuwenden. Du kannst das fr mein letztes Wort nehmen.
+
+_Bote_
+
+Euer Hoheit wollen nicht vergessen, da auch unser Knig an die
+Ritterpflicht gebunden ist. Ihr erwartet umsonst, da er seine Tochter
+nur auf eure Drohungen hin ausliefern wird.
+
+_Kantschi_
+
+Sag deinem Knig, da ich auf solch eine Antwort gefat war, als ich
+herkam.
+
+Der Bote geht ab.
+
+_Suvarna_
+
+Knig von Kantschi, es scheint mir, da wir zu viel wagen.
+
+_Kantschi_
+
+Was fr ein Vergngen bte dieses Abenteuer, wenn es anders wre?
+
+_Suvarna_
+
+Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum Kampf herauszufordern --
+aber...
+
+_Kantschi_
+
+Wenn du erst anfngst, dich vor Aber zu frchten, wirst du in dieser
+Welt kaum einen Platz finden, der sicher genug fr dich ist.
+
+Ein Soldat tritt auf.
+
+_Soldat_
+
+Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten, da die Knige von
+Koschala, Avanti und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs kommen.
+(Ab.)
+
+_Kantschi_
+
+Gerade, was ich frchtete! Die Nachricht von Sudarschanas Flucht hat
+sich berall verbreitet; jetzt wird man sich von allen Seiten um sie
+reien und schlielich wird alles in Rauch aufgehn.
+
+_Suvarna_
+
+Es fhrt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind keine guten Nachrichten.
+Ich bin vllig gewi, da unser Knig selbst insgeheim die Kunde
+allenthalben verbreitet hat.
+
+_Kantschi_
+
+Nun, was soll ihm das ntzen?
+
+_Suvarna_
+
+Die Gierigen werden einander in der allgemeinen Eifersucht in
+Stcke reien -- und er wird sich die Lage zunutze machen, die Beute
+heimzufhren.
+
+_Kantschi_
+
+Nun wird es klar, warum euer Knig sich nie sehen lt. Sein Kniff
+ist, sich auf allen Seiten zu vervielfachen -- die Furcht sieht ihn
+allenthalben. Aber ich will dabei bleiben, da euer Knig von Kopf zu
+Fu nichts als eitel Schwindel ist.
+
+_Suvarna_
+
+Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Gte haben, mich zu entlassen?
+
+_Kantschi_
+
+Ich kann dich nicht gehen lassen -- ich habe noch eine Verwendung fr
+dich in dieser Sache.
+
+Ein Soldat tritt auf.
+
+_Soldat_
+
+Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha sind auch gekommen. Sie haben
+auf der andern Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen. (Ab.)
+
+_Kantschi_
+
+Im Anfang mssen wir alle vereinigt kmpfen. Ist erst die Schlacht mit
+Kanya Kubja vorbei, so werden wir schon einen Weg aus der Schwierigkeit
+finden.
+
+_Suvarna_
+
+Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure Plne -- ich werde glcklich
+sein, wenn Ihr mich mir selbst berlat -- ich bin ein armes, niedriges
+Geschpf -- nichts kann --
+
+_Kantschi_
+
+Sieh einmal an, Knig der Heuchler, Mittel und Wege sind nie von so
+hohem Range -- Straen und Stufen und so weiter sind stets dazu da, mit
+den Fen getreten zu werden. Der Vorteil, wenn wir Mnner deiner Art in
+unsern Plnen verwenden, ist, da wir keine Maske oder Tuschung ntig
+haben. Wenn ich mich aber mit meinem Minister zu beraten htte, wre es
+unsinnig, wollte ich dem Diebstahl einen weniger wrdigen Namen geben
+als Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die Frsten in Bewegung setzen
+wie Bauern auf dem Schachbrett; das Spiel ist nicht mglich, wenn
+_all_ die Schachfiguren sich wie Knige bewegen wollen!
+
+
+
+
+XII.
+
+
+Inneres des Palastes.
+
+_Sudarschana_
+
+Geht die Schlacht noch fort?
+
+_Surangama_
+
+So heftig wie je.
+
+_Sudarschana_
+
+Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater zu mir und sagte: Du
+bist von einem Knig fortgelaufen, aber du hast sieben Knige dir
+nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben Stcke zu schneiden und sie
+unter die Frsten zu verteilen. Es wre gut gewesen, wenn er es getan
+htte. -- Surangama!
+
+_Surangama_
+
+Ja?
+
+_Sudarschana_
+
+Wenn dein Knig die Macht htte, mich zu retten, knnte mein jetziger
+Zustand ihn ungerhrt gelassen haben?
+
+_Surangama_
+
+Meine Knigin, warum fragst du mich? Habe ich die Macht, fr meinen
+Knig zu antworten? Ich wei, mein Verstand ist nicht hell; darum wage
+ich nie ber ihn zu urteilen.
+
+_Sudarschana_
+
+Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt?
+
+_Surangama_
+
+Alle sieben Frsten.
+
+_Sudarschana_
+
+Sonst keiner?
+
+_Surangama_
+
+Suvarna machte den Versuch zu entfliehen -- insgeheim, ehe der Kampf
+anfing --, aber Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem Lager
+verwahrt.
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, ich htte vor langer Zeit sterben sollen! Aber, o Knig, mein Knig,
+wenn du gekommen wrest und httest meinem Vater geholfen, dein Ruhm
+wre darum nicht geringer! Er wre strahlender und hher geworden. Bist
+du ganz gewi, Surangama, da er nicht gekommen ist?
+
+_Surangama_
+
+Ich wei nichts sicher.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber seit ich hier bin, hatte ich pltzlich manchmal die Empfindung, als
+ob jemand unter meinem Fenster auf einer Laute spielte.
+
+_Surangama_
+
+Es wre nicht undenkbar, da jemand dort seiner Liebe zur Musik frnt.
+
+_Sudarschana_
+
+Es ist dort ein dichtes Gebsch unter meinem Fenster -- ich versuche
+jedesmal, wenn ich die Musik hre, herauszubekommen, wer es ist, aber
+ich kann nichts deutlich unterscheiden.
+
+_Surangama_
+
+Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und spielt auf dem Instrument.
+
+_Sudarschana_
+
+Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast kommt mir ins Gedchtnis
+zurck. Ich kam gewhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet
+hatte, und stand an meinem Fenster, und aus dem blinden Dunkel
+des lichtlosen Ortes unsrer Begegnungen strmten dann Akkorde und
+Gesnge und Melodien heraus und tanzten und zitterten in endloser
+Folge und berflieender Verschwendung, wie die leidenschaftliche
+berschwnglichkeit eines unversieglichen Springquells.
+
+_Surangama_
+
+O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles Dunkel, dessen Dienerin ich
+war!
+
+_Sudarschana_
+
+Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach?
+
+_Surangama_
+
+Weil ich wute, er wrde uns folgen und uns zurckholen.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber nein, er wird nicht kommen -- er hat uns fr immer verlassen. Warum
+sollte er nicht?
+
+_Surangama_
+
+Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann bedrfen wir seiner nicht.
+Dann ist er fr uns nicht da: dann ist jene dunkle Kammer vllig leer
+und de -- keine Laute hauchte dort je ihre Musik -- niemand rief dich
+oder mich in jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen und ein
+eitler Traum.
+
+Der Trhter tritt auf.
+
+_Sudarschana_
+
+Wer bist du?
+
+_Trhter_
+
+Ich bin der Pfrtner dieses Palastes.
+
+_Sudarschana_
+
+Sag mir rasch, was du zu sagen hast.
+
+_Trhter_
+
+Unser Knig ist gefangen genommen worden.
+
+_Sudarschana_
+
+Gefangen? O Mutter Erde!
+
+Sie wird ohnmchtig.
+
+
+
+
+XIII.
+
+
+Knig von Kantschi und Suvarna.
+
+_Suvarna_
+
+Ihr sagt also, da keine Notwendigkeit irgendeines Kampfes unter euch
+selbst mehr besteht?
+
+_Kantschi_
+
+Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe alle Frsten dazu
+gebracht, sich einverstanden zu erklren, da der, den die Knigin als
+Gemahl erwhlt, sie bekommen soll, und die andern werden auf jeden
+weiteren Kampf verzichten.
+
+_Suvarna_
+
+Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr, Euer Hoheit -- so flehe ich Euch
+an: entlat mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin, hat die Furcht
+vor drohender Gefahr mich entnervt und meinen Verstand betubt. Es wird
+Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu verwenden.
+
+_Kantschi_
+
+Du wirst dasitzen und mir als Schirmtrger dienen.
+
+_Suvarna_
+
+Euer Diener ist zu allem bereit; aber was fr einen Nutzen wird Euch das
+bringen?
+
+_Kantschi_
+
+Mann, ich sehe, da dein Verstand zu schwach ist, um mit einem hohen
+Ehrgeiz zusammenzugehen. Du hast noch nicht bemerkt, mit welcher
+Gunst die Knigin auf dich gesehen hat. Schlielich kann sie in einer
+Gesellschaft von Frsten einem Schirmtrger nicht gut den Brautkranz
+um den Nacken legen, und doch, ich wei, sie wird nicht imstande sein,
+ihren Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden Fall dieser Kranz unter
+den Schatten meines kniglichen Schirmes fallen.
+
+_Suvarna_
+
+Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefhrliche Phantasien. Ich
+bitte Euch instndig, verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser
+Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz demtig, setzt mich in
+Freiheit.
+
+_Kantschi_
+
+Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir nicht einen Augenblick mehr
+deine Freiheit vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so ist es
+unntz, sich mit den Mitteln zu beschweren.
+
+
+
+
+XIV.
+
+
+Sudarschana und Surangama am Fenster.
+
+_Sudarschana_
+
+Mu ich also in die Versammlung der Frsten gehn? Gibt es kein anderes
+Mittel, meines Vaters Leben zu retten?
+
+_Surangama_
+
+Der Knig von Kantschi hat es gesagt.
+
+_Sudarschana_
+
+Sind das Worte, die eines Knigs wrdig sind? Sagte er das mit seinem
+eigenen Munde?
+
+_Surangama_
+
+Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht.
+
+_Sudarschana_
+
+Weh, weh ber mich!
+
+_Surangama_
+
+Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor und sagte: Sag deiner
+Knigin, da diese Andenken an das Frhlingsfest, je trockener und
+verwelkter sie werden, um so frischer und blhender in meinem Herzen
+wachsen.
+
+_Sudarschana_
+
+Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich nicht lnger.
+
+_Surangama_
+
+Sieh! Da sitzen die Frsten alle in der groen Versammlung. Der keinen
+Schmuck an sich hat, auer dem einzigen Blumenkranz um seine Krone --
+das ist der Knig von Kantschi. Und der den Schirm ber sein Haupt hlt
+und hinter ihm steht -- das ist Suvarna.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher?
+
+_Surangama_
+
+Ja, ich kenne ihn gut.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist es mglich, da das der Mann ist, den ich damals sah? Nein, nein --
+ich sah etwas, das war gemischt aus Licht und Dunkel, aus Windhauch und
+Duft -- nein, nein, er kann es nicht sein; das ist er nicht.
+
+_Surangama_
+
+Aber alle geben zu, da er ausnehmend schn ist.
+
+_Sudarschana_
+
+Wie konnte _diese_ Schnheit mich bezaubern? Oh, was soll ich tun, um
+meine Augen von der Befleckung zu reinigen?
+
+_Surangama_
+
+Du wirst sie in jenem unergrndlichen Dunkel baden mssen.
+
+_Sudarschana_
+
+Aber sage mir, Surangama, warum begeht man solche Fehler?
+
+_Surangama_
+
+Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen Vernichtung.
+
+_Bote_ (eintretend)
+
+Prinzessin, die Knige warten in der Halle auf Euch.
+
+Ab.
+
+_Sudarschana_
+
+Surangama, bring mir den Schleier. (Surangama geht hinaus.) O Knig,
+mein einziger Knig! Du hast mich allein gelassen, und du hast ganz
+recht daran getan. Aber willst du nicht die innerste Wahrheit meiner
+Seele erfahren?
+
+Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor.
+
+Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen -- ich werde ihn heute im
+Staub der Halle, vor all diesen Frsten, zum Opfer bringen! Aber werde
+ich dir nie sagen knnen, da die geheime Kammer meines Herzens durch
+keine Treulosigkeit befleckt ist? Die dunkle Kammer, wo du mich zu
+besuchen pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem Busen -- doch, o
+mein Herr! keiner hat ihre Tore geffnet, keiner ist in sie eingegangen
+als du, o Knig! Wirst du nie mehr kommen, um diese Tore zu ffnen? Dann
+la den Tod kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine Zge sind schn
+wie deine. Er ist du -- du bist es selbst, o Knig!
+
+
+
+
+XV.
+
+
+Die Versammlung der Frsten.
+
+_Vidarbha_
+
+Knig von Kantschi, wie kommt es, da du nicht ein einziges Schmuckstck
+an dir hast?
+
+_Kantschi_
+
+Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein Freund. Schmuckstcke wrden
+die Schmach meiner Niederlage nur verdoppeln.
+
+_Kalinga_
+
+Aber dein Schirmtrger scheint sich dafr ausstaffiert zu haben -- er
+ist ber und ber mit Gold und Edelsteinen beladen.
+
+_Virat_
+
+Der Knig von Kantschi will die Nutzlosigkeit und Minderwertigkeit
+uerer Schnheit und Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine
+Mannestugenden hat ihn vermocht, alle ueren Verschnerungen von seinen
+Gliedern zu entfernen.
+
+_Koschala_
+
+Ich verstehe seine List schon; er sucht seine eigene Wrde zu zeigen,
+indem er unter den mit Edelsteinen bersten Frsten eine strenge
+Einfachheit betont.
+
+_Pantschala_
+
+Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht rhmen. Alle Welt wei,
+da die Augen eines Weibes wie eine Motte sind, sie strzen Hals ber
+Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von Gold und Steinen.
+
+_Kalinga_
+
+Aber wie lange sollen wir noch warten?
+
+_Kantschi_
+
+Werde nicht ungeduldig, Knig von Kalinga -- je spter die Ernte, desto
+ser die Frucht.
+
+_Kalinga_
+
+Wre ich der Frucht sicher, so knnte ich es aushalten. Weil jedoch
+meine Hoffnung, die Frucht zu schmecken, uerst zweifelhaft ist, will
+sich meine Begier, ihren Anblick zu genieen, nicht zgeln lassen.
+
+_Kantschi_
+
+Aber du bist noch jung -- aufgegebene Hoffnung kommt in deinen Jahren
+wieder und wieder zu dir zurck wie ein schamloses Weib: wir indessen
+haben diese Stufe lange hinter uns.
+
+_Koschala_
+
+Kantschi, sprtest du nicht jetzt eben etwas, als ob jemand an deinem
+Sessel rttelte? Ist es ein Erdbeben?
+
+_Kantschi_
+
+Erdbeben? Ich wei nichts davon.
+
+_Vidarbha_
+
+Oder vielleicht zieht noch ein Frst mit seinen Bewaffneten daher.
+
+_Kalinga_
+
+Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur htten wir dann vorher die
+Nachricht erst von einem Herold oder Boten vernehmen mssen.
+
+_Vidarbha_
+
+Ich kann dies nicht fr ein Zeichen guter Vorbedeutung nehmen.
+
+_Kantschi_
+
+Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte Vorbedeutung aus.
+
+_Vidarbha_
+
+Ich frchte keinen auer dem Schicksal, vor dem Tapferkeit oder
+Heldenmut so unntz wie sinnlos ist.
+
+_Pantschala_
+
+Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen nicht einen
+Schatten auf die glcklichen Geschehnisse dieses Tages!
+
+_Kantschi_
+
+Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung, bis es sichtbar geworden ist.
+
+_Vidarbha_
+
+Aber dann knnte es zu spt sein, etwas zu tun.
+
+_Pantschala_
+
+Sind wir nicht alle in einem besonders verheiungsvollen Augenblick ans
+Werk gegangen!?
+
+_Vidarbha_
+
+Glaubst du dadurch, da du in verheiungsvollen Augenblicken ans Werk
+gehst, gegen jede mgliche Gefahr versichert zu sein? Es sieht aus, als
+ob --
+
+_Kantschi_
+
+Du wrdest besser das Als ob zu Hause lassen: es ist zwar unsre eigene
+Schpfung, erweist sich aber oft als unser Verderben und Untergang.
+
+_Kalinga_
+
+Ist da nicht Musik irgendwo drauen?
+
+_Pantschala_
+
+Ja, es klingt wirklich wie Musik.
+
+_Kantschi_
+
+Dann mu es endlich die Knigin Sudarschana sein, die naht. (Beiseite
+zu Suvarna.) Suvarna, du mut dich nicht so hinter mir ducken und dich
+verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner Hand zittert ja!
+
+Grovater tritt ein, in kriegerischer Rstung.
+
+_Kalinga_
+
+Wer ist das? -- Wer bist du?
+
+_Pantschala_
+
+Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese Halle zu treten?
+
+_Virat_
+
+Unerhrte Frechheit! Kalinga, hindre doch den Kerl, nher heranzukommen.
+
+_Kalinga_
+
+Ihr seid alle lter als ich -- ihr seid berufener das zu tun, als ich.
+
+_Vidarbha_
+
+Wir wollen hren, was er zu sagen hat.
+
+_Grovater_
+
+Der _Knig_ ist gekommen.
+
+_Vidarbha_ (aufspringend)
+
+Der Knig?
+
+_Pantschala_
+
+Welcher Knig?
+
+_Kalinga_
+
+Woher kommt er?
+
+_Grovater_
+
+Mein Knig!
+
+_Virat_
+
+Dein Knig?
+
+_Kalinga_
+
+Wer ist das?
+
+_Koschala_
+
+Was meinst du?
+
+_Grovater_
+
+Ihr wit alle, wen ich meine. Er ist gekommen.
+
+_Vidarbha_
+
+Er ist gekommen?
+
+_Koschala_
+
+In welcher Absicht?
+
+_Grovater_
+
+Er ladet euch alle vor sich.
+
+_Kantschi_
+
+Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher Form hat es ihm beliebt, uns
+vorzuladen?
+
+_Grovater_
+
+Ihr knnt seinen Ruf auf jede Art nehmen, ganz nach Belieben -- niemand
+wird euch hindern -- er ist auf jede Art der Begrung gerstet, um
+jedem Geschmack zu gengen.
+
+_Virat_
+
+Aber wer bist du?
+
+_Grovater_
+
+Ich bin einer seiner Generale.
+
+_Kantschi_
+
+General! Eine Lge ist es! Denkst du, uns zu schrecken? Bildest du dir
+ein, ich knnte nicht durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir kennen
+dich alle gut -- und du spielst dich vor uns als General auf!
+
+_Grovater_
+
+Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist so unwrdig wie ich, Trger
+der Befehle meines Knigs zu sein? Und doch ist er es, der mich mit
+dieser Generalsrstung bekleidet und hierher gesandt hat; er hat mich
+vor greren Generalen und mchtigeren Kriegern erwhlt.
+
+_Kantschi_
+
+Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit kommen und bezeigen,
+was Schicklichkeit und Freundwilligkeit erfordern -- aber gegenwrtig
+sind wir mitten in einem dringenden Geschft. Er wird warten mssen, bis
+diese kleine Angelegenheit erledigt ist.
+
+_Grovater_
+
+Wenn er seinen Ruf ergehen lt, wartet er nicht.
+
+_Koschala_
+
+Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort.
+
+_Vidarbha_
+
+Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten, bis diese Angelegenheit
+erledigt ist, nicht zustimmen. Ich gehe.
+
+_Kalinga_
+
+Ihr seid lter als ich -- ich folge euch.
+
+_Pantschala_
+
+Sieh hinter dich, Frst von Kantschi, dein kniglicher Schirm liegt im
+Staub: du hast nicht beachtet, wie dein Schirmtrger sich fortgestohlen
+hat.
+
+_Kantschi_
+
+Wohlan, General. Auch ich gehe -- aber nicht, um ihm Huldigung zu
+leisten. Ich gehe, auf dem Schlachtfeld mit ihm zu kmpfen.
+
+_Grovater_
+
+Du wirst meinen Knig auf dem Schlachtfeld treffen: das ist kein
+unwrdiger Platz fr deinen Empfang.
+
+_Virat_
+
+Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle vor einem
+Schreckgespenst -- es sieht so aus, als ob der Knig von Kantschi den
+Vorteil davon haben sollte.
+
+_Pantschala_
+
+Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist es feige und tricht,
+fortzugehen, ohne sie zu pflcken.
+
+_Kalinga_
+
+Es ist besser, sich dem Knig von Kantschi anzuschlieen. Er mu einen
+bestimmten Plan und Zweck haben, wenn er soviel wagt.
+
+
+
+
+XVI.
+
+
+Sudarschana und Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Der Kampf ist nun aus. Wann wird der Knig kommen?
+
+_Surangama_
+
+Ich wei es selbst nicht: ich sehe auch seinem Kommen entgegen.
+
+_Sudarschana_
+
+Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama, da mir die Brust
+tatschlich weh tut. Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll ich
+ihm mein Gesicht zeigen?
+
+_Surangama_
+
+Geh zu ihm in uerster Demut und Entsagung, und alle Scham wird im Nu
+verschwinden.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich mu nun schon bekennen, da ich die uerste Demtigung fr mein
+ganzes briges Leben gefunden habe. Aber der Stolz war schuld, da
+ich so lange den grten Anteil an seiner Liebe begehrte. Alle Welt
+sagte immer, ich bese eine so wunderbare Schnheit, solche Reize und
+Tugenden; alle Welt sagte immer, der Knig zeigte unbegrenzte Gte gegen
+mich -- das macht es fr mich so schwer, mein Herz in Demut vor ihm zu
+beugen.
+
+_Surangama_
+
+Diese Schwierigkeit, meine Knigin, wird vergehen.
+
+_Sudarschana_
+
+O ja, sie wird vergehen -- der Tag ist fr mich gekommen, mich vor
+der ganzen Welt zu demtigen. Aber warum kommt der Knig nicht, mich
+zurckzuholen? Worauf wartet er noch?
+
+_Surangama_
+
+Habe ich dir nicht gesagt, da mein Knig grausam und hart ist -- sehr
+hart frwahr?
+
+_Sudarschana_
+
+Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht von ihm.
+
+_Surangama_
+
+Ich wei nicht, wohin ich gehen sollte, um etwas von ihm zu erfahren.
+Ich habe Grovater gebeten, zu kommen; vielleicht hren wir, wenn er
+kommt, etwas von ihm.
+
+_Sudarschana_
+
+Ach, mein bses Geschick! Es ist so weit mit mir gekommen, da ich andre
+fragen mu, um etwas von meinem eignen Knig zu hren!
+
+Grovater tritt ein.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich habe gehrt, da du der Freund meines Knigs bist, so la mich dir
+Ehrfurcht bezeugen und gib mir deinen Segen.
+
+_Grovater_
+
+Was tust du, Knigin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen an. Ich will
+nichts weiter als jedermanns Kamerad sein.
+
+_Sudarschana_
+
+So schenk mir denn ein freundlich Lcheln -- gib mir gute Kunde. Sag
+mir, wann der Knig kommt, mich zurckzuholen.
+
+_Grovater_
+
+Du fragst mich eine schwere Frage, frwahr! Ich verstehe noch kaum die
+Wege meines Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber niemand kann
+sagen, wohin er gegangen ist.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist er denn fortgegangen?
+
+_Grovater_
+
+Ich kann hier keine Spur von ihm finden.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist er gegangen? Und nennst du solch einen deinen Freund?
+
+_Grovater_
+
+Deshalb schmhen und verdchtigen ihn die Leute. Aber mein Knig kmmert
+sich einfach nicht im geringsten darum.
+
+_Sudarschana_
+
+Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie grausam, wie grausam! Er ist
+aus Stein, er ist hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem Herzen
+zu bewegen -- es ist zerrissen und blutet -- aber ihn konnte ich nicht
+einen Zoll bewegen! Grovater, sag mir, wie kannst du mit solch einem
+Freund auskommen?
+
+_Grovater_
+
+Ich kenne ihn nun -- ich habe ihn in meinen Leiden und Freuden
+kennengelernt -- er kann mich nicht mehr zum Weinen bringen.
+
+_Sudarschana_
+
+Wird er sich mir nicht auch zu erkennen geben?
+
+_Grovater_
+
+Gewi wird er das, natrlich. Er wird nicht eher ruhen.
+
+_Sudarschana_
+
+Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er sein kann! Ich werde hier am
+Fenster stehen, ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht einen Zoll
+von der Stelle rhren; ich will sehen, ob er nicht kommt!
+
+_Grovater_
+
+Du bist noch jung -- du kannst es dir leisten, auf ihn zu warten; aber
+fr mich alten Mann ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche. Ich
+mu hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn finde oder nicht.
+
+Ab.
+
+_Sudarschana_
+
+Ich brauche ihn nicht -- ich will ihn nicht suchen! Surangama, ich
+bedarf deines Knigs nicht! Warum kmpfte er mit den Frsten? Geschah es
+berhaupt fr mich? Wollte er sein Heldentum und seine Strke zur Schau
+stellen? Geh fort von hier -- ich kann deinen Anblick nicht ertragen. Er
+hat mich in den Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden!
+
+
+
+
+XVII.
+
+
+Eine Schar von Brgern.
+
+_Erster Brger_
+
+Als so viele Knige zusammentrafen, dachten wir, es wrde eine rechte
+Kurzweil fr uns geben; aber irgendwie nahm alles eine solche Wendung,
+da niemand wei, was berhaupt geschehen ist!
+
+_Zweiter Brger_
+
+Saht ihr nicht, da sie untereinander zu keiner Verstndigung kommen
+konnten? -- jeder mitraute dem andern.
+
+_Dritter Brger_
+
+Keiner hielt sich an ihre ursprnglichen Plne; einer wollte vorrcken,
+ein anderer hielt den Rckzug fr die bessere Politik; einige wandten
+sich nach rechts, andere liefen Sturm nach links: wie kann man das eine
+Schlacht heien?
+
+_Erster Brger_
+
+Sie hatten keinen Sinn fr wirklichen Kampf -- jeder hatte seine Augen
+auf den andern.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Jeder dachte: Warum sollte ich sterben, um es den andern zu
+ermglichen, die Ernte einzuheimsen?
+
+_Dritter Brger_
+
+Aber ihr mt alle zugeben: Kantschi kmpfte wie ein wirklicher Held.
+
+_Erster Brger_
+
+Er schien noch lange, nachdem er geschlagen war, nicht gewillt, seine
+Niederlage anzuerkennen.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Zuletzt wurde ihm von einem tdlichen Wurfgescho die Brust durchbohrt.
+
+_Dritter Brger_
+
+Aber vorher schien er nicht gewahren zu wollen, da er bei jedem Schritt
+Boden verloren hatte.
+
+_Erster Brger_
+
+Die andern Knige aber -- nun, keiner wei, wohin sie geflohen sind; den
+armen Kantschi lieen sie allein auf dem Feld.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Aber ich habe gehrt, er sei noch nicht tot.
+
+_Dritter Brger_
+
+Nein, die rzte haben ihn gerettet -- aber er wird den Stempel seiner
+Niederlage bis zum Tag seines Todes auf der Brust tragen.
+
+_Erster Brger_
+
+Keiner von den andern Knigen, die flohen, ist entkommen; sie sind alle
+gefangengenommen worden. Aber was ist das fr eine Sorte Justiz, die an
+ihnen gebt wurde?
+
+_Zweiter Brger_
+
+Ich habe gehrt, da jeder bestraft wurde, mit Ausnahme von Kantschi,
+dem der Richter auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz zu seiner
+Rechten anwies und ihm eine Krone aufs Haupt setzte.
+
+_Dritter Brger_
+
+So etwas Unfabares ist noch nicht dagewesen.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt uns launisch und
+grillenhaft vor.
+
+_Erster Brger_
+
+So ist es. Der grte Snder ist ganz gewi der Knig von Kantschi; die
+andern trieb einmal Gewinngier vorwrts, und das andre Mal zog sie die
+Furcht zurck.
+
+_Dritter Brger_
+
+Was fr eine Sorte Justiz ist das, frage ich? Es ist, wie wenn der Tiger
+ungestraft davonkme, whrend sein Schwanz abgeschnitten wrde.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Wenn ich der Richter wre, glaubt ihr, Kantschi liefe zur Stunde heil
+und gesund herum? Nicht das geringste wre mehr von ihm brig.
+
+_Dritter Brger_
+
+Das sind groe Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne haben ein andres
+Geprge wie unsre.
+
+_Erster Brger_
+
+Haben sie berhaupt ein Hirn, mcht' ich wissen? Sie frnen einfach
+ihren Launen, da keiner ber ihnen ist, der ihnen etwas sagen drfte.
+
+_Zweiter Brger_
+
+Ihr knnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt in unsern
+Hnden wre, htten wir sicher die Regierung besser gefhrt als so.
+
+_Dritter Brger_
+
+Kann darber berhaupt noch Zweifel bestehen? Das versteht sich
+natrlich von selbst.
+
+
+
+
+XVIII.
+
+
+Die Strae. Grovater und Kantschi.
+
+_Grovater_
+
+Wie, Frst von Kantschi, du hier?
+
+_Kantschi_
+
+Dein Knig hat mich auf die Strae geschickt.
+
+_Grovater_
+
+Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm.
+
+_Kantschi_
+
+Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken.
+
+_Grovater_
+
+Auch das gehrt zu seinen Vergngungen.
+
+_Kantschi_
+
+Aber wie lange will er mir noch so ausweichen? Als nichts mich dazu
+bringen konnte, ihn als meinen Knig anzuerkennen, kam er pltzlich
+daher wie ein schrecklich gewaltiger Sturm -- Gott wei, woher -- und
+zersprengte meine Leute und Pferde und Banner in einen einzigen wilden
+Aufruhr: nun aber, wo ich die Grenzen der Erde absuche, um ihm meine
+demtige Huldigung zu erweisen, ist er nirgends zu sehen.
+
+_Grovater_
+
+Aber wie gro er als Knig auch sein mag, er hat sich dem zu fgen, der
+sich unterwirft. Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert, Frst?
+
+_Kantschi_
+
+Ich kann ein geheimes Gefhl der Angst noch nicht loswerden, die Leute
+knnten mich auslachen, wenn sie sehen, wie ich euerm Knig demtig
+meine Huldigung darbringe und meine Niederlagen anerkenne.
+
+_Grovater_
+
+So sind die Leute in der Tat. Was andre zu Trnen rhren wrde, dient
+nur dazu, ihr leeres Lachen hervorzurufen.
+
+_Kantschi_
+
+Aber du bist auch auf der Strae, Grovater.
+
+_Grovater_
+
+Ich bin auf der frhlichen Pilgerfahrt zu dem Land, wo man alles
+verliert.
+
+_Gesang des Grovaters_
+
+ Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren.
+ Ich laure am Straenrand auf den, der einen hinaus auf die Strae
+ schickt,
+ Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt,
+ Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben,
+ Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren.
+
+
+
+
+XIX.
+
+
+Eine Strae. Sudarschana und Surangama.
+
+_Sudarschana_
+
+Welche Erlsung, Surangama, welche Freiheit! Meine Niederlage ist es,
+die mir die Freiheit gebracht hat. Oh, was besa ich fr einen ehernen
+Stolz! Nichts konnte ihn rhren oder erweichen. Mein verfinsterter Geist
+konnte auf keine Weise dazu gebracht werden, die schlichte Wahrheit zu
+sehen, da nicht der Knig zu kommen hatte, sondern da ich zu ihm gehen
+sollte. Die ganze Nacht hindurch gestern lag ich allein im Staub auf
+dem Boden am Fenster -- lag da trostlose Stunden lang und weinte! Die
+ganze Nacht bliesen die Sdwinde und schrien und sthnten wie die Qual,
+die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch hrte ich das klagende:
+Sprich, Weib! des Nachtvogels, das in dem Aufruhr drauen als Echo
+tnte!... Es war das hilflose Wehklagen der dunklen Nacht, Surangama!
+
+_Surangama_
+
+Die schwere melancholische Weise der letzten Nacht schien eine Ewigkeit
+forttnen zu wollen -- oh, welch trbe dstere Nacht!
+
+_Sudarschana_
+
+Aber willst du es glauben -- mir war, ich hrte die sanften Akkorde
+der Laute durch all den wilden Lrm und Aufruhr strmen! Konnte er so
+se und zarte Weisen spielen, er, der so grausam und schrecklich ist?
+Die Welt kennt nur meine Entwrdigung und Schmach -- aber keiner als
+mein eigenes Herz konnte diese Akkorde hren, die durch die einsame und
+klagende Nacht hin nach mir riefen. Hrtest du, Surangama, diese Laute
+auch? Oder war das nur ein Traum von mir?
+
+_Surangama_
+
+Aber eben um die Musik dieser Laute zu hren, bin ich ja immer an deiner
+Seite. Auf diesen Ruf der Musik, von dem ich wute, er wrde eines Tages
+kommen und all die Schranken der Liebe zunichte machen, habe ich mit
+gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht.
+
+_Sudarschana_
+
+Schlielich schickte er mich auf die Landstrae -- ich konnte seinem
+Willen nicht widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die ersten Worte
+sein, die ich ihm sage: Ich bin freiwillig gekommen -- ich habe nicht
+abgewartet, bis du kamst. Ich werde sagen: Um deinetwillen bin ich die
+harten beschwerlichen Straen gewandert, und bitter und unaufhrlich war
+auf dem ganzen Weg mein Weinen. Ich werde wenigstens diesen Stolz in
+mir haben, wenn ich zu ihm komme.
+
+_Surangama_
+
+Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er kam vor dir -- wer sonst
+htte dich auf die Strae schicken knnen?
+
+_Sudarschana_
+
+Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefhl gekrnkten Stolzes in
+mir war, mute ich glauben, er htte mich fr immer verlassen; aber
+als ich meine Wrde und meinen Stolz in die Winde schleuderte und auf
+die gemeinen Straen hinausging, da schien es mir, als wre auch er
+herausgekommen: ich habe angefangen, ihn zu finden, seit ich auf der
+Strae bin. Ich frchte nun nichts mehr. All diese Leiden, durch die
+ich um seinetwillen hindurchgegangen bin, gerade die Bitterkeit all
+dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist gekommen, er hat mich
+bei der Hand genommen, gerade wie er es in jener Kammer der Dunkelheit
+gern tat, wo bei seiner Berhrung all mein ganzer Leib in pltzlicher
+Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berhrung wieder! Wer sagt, er
+sei nicht hier? -- Surangama, kannst du nicht sehen, da er gekommen
+ist, schweigend und insgeheim?... Wer ist jener dort? Sieh, Surangama,
+dort ist ein dritter Wanderer auf dieser dunklen Strae zu dieser
+nchtlichen Stunde.
+
+_Surangama_
+
+Ich sehe, es ist der Knig von Kantschi, meine Knigin.
+
+_Sudarschana_
+
+Der Knig von Kantschi!
+
+_Surangama_
+
+Frchte dich nicht, meine Knigin!
+
+_Sudarschana_
+
+Frchten! Warum sollte ich mich frchten? Die Tage der Furcht sind fr
+mich fr immer vorbei.
+
+_Kantschi_ (tritt auf)
+
+Mtterchen Knigin, ich sehe euch beide auf dieser Strae! Ich bin ein
+Wanderer auf demselben Weg wie du. Habe keine Furcht vor mir, o Knigin!
+
+_Sudarschana_
+
+Es ist gut, Knig von Kantschi, da wir zusammen gehen, Seite an Seite
+-- das ist nur in Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst mein
+Heim verlie, und nun begegne ich dir wieder auf dem Rckweg. Wer htte
+sich trumen lassen, da diese unsre Begegnung voll so guter Verheiung
+war?
+
+_Kantschi_
+
+Aber, Mtterchen Knigin, es gebhrt sich nicht, da du zu Fu ber
+diese Strae wanderst. Willst du mir gestatten, einen Wagen fr dich zu
+besorgen?
+
+_Sudarschana_
+
+Oh, sage das nicht: ich wre nie wieder glcklich, wenn ich nicht auf
+meinem Rckweg nach Hause auf den Staub der Strae treten knnte, die
+mich von meinem Knig weggefhrt hat. Ich wrde mich selbst betrgen,
+wenn ich jetzt in einem Wagen fahren wrde.
+
+_Surangama_
+
+Knig, auch du wanderst heute im Staub: diese Strae hat niemals einen
+gekannt, der Pferd oder Wagen ber sie gelenkt htte.
+
+_Sudarschana_
+
+Als ich die Knigin war, schritt ich auf Silber und Gold -- ich habe nun
+fr das Unglck meiner kniglichen Geburt zu ben, indem ich auf Staub
+und nackter Erde wandre. Ich htte mir nicht trumen lassen, da ich
+heute bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub der Erde meinen Knig
+finden wrde.
+
+_Surangama_
+
+Sieh, meine Knigin, dort im Osten dmmert der Morgen. Wir haben nicht
+mehr lange zu wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen Trme des
+Knigspalastes.
+
+Der Grovater tritt auf.
+
+_Grovater_
+
+Mein Kind, es tagt -- endlich!
+
+_Sudarschana_
+
+Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben, und hier bin ich nun.
+
+_Grovater_
+
+Aber siehst du, was fr schlechte Manieren unser Knig hat? Er hat
+keinen Wagen geschickt, keine Musik, nichts von Glanz und Pracht.
+
+_Sudarschana_
+
+Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der Himmel ist rosig und
+purpurn ber und ber, und die Luft ist voll von dem Willkommgru der
+Blumendfte.
+
+_Grovater_
+
+Ja, aber so grausam unser Knig sein mag, drfen wir doch nicht suchen,
+mit ihm zu wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht erwehren, wenn
+ich dich in diesem Zustand sehe, mein Kind. Wie knnen wir ertragen,
+dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet in den Knigspalast
+eingehn zu sehen? Warte etwas -- ich laufe und hole dir deine
+Knigsgewnder.
+
+_Sudarschana_
+
+O nein, nein, nein! Er hat diese Knigskleider fr immer von mir
+genommen -- er hat mich vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid einer
+Magd gekleidet: welche Erlsung ist das fr mich gewesen! Ich bin nun
+seine Magd, nicht lnger seine Knigin. Heute stehe ich tiefer als alle
+die, die irgendeine Verwandtschaft mit ihm beanspruchen knnen.
+
+_Grovater_
+
+Aber deine Feinde werden nun ber dich lachen: wie kannst du ihren Spott
+ertragen?
+
+_Sudarschana_
+
+La ihr Gelchter und ihren Spott unauslschlich sein -- la sie auf den
+Straen Staub nach mir werfen: dieser Staub wird heute der Puder sein,
+mit dem ich mich schmcken will, ehe ich meinem Herrn entgegentrete.
+
+_Grovater_
+
+Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun wollen wir das letzte Spiel
+unsres Frhlingsfestes spielen -- anstatt mit Bltenstaub soll der
+Sdwind alles mit dem Staub der Demut berschtten! Wir werden zum Herrn
+gehen, gekleidet in das gemeine Grau des Staubes. Und wir werden auch
+ihn ber und ber mit Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die Leute
+schonen ihn? Selbst er kann ihren schmutzigen und staubigen Hnden
+nicht entgehen, und er denkt nicht einmal daran, den Schmutz von seinen
+Kleidern zu brsten.
+
+_Kantschi_
+
+Grovater, vergi mich nicht in deinem Spiel! Ich will auch dies mein
+Knigsgewand beschmutzen lassen, bis es nicht mehr zu erkennen ist.
+
+_Grovater_
+
+Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder. Nun du so tief
+heruntergekommen bist, wirst du deine Farbe in krzester Frist wechseln.
+Sieh nur unsre Knigin an -- sie geriet in Zorn gegen sich selbst und
+dachte, sie knnte ihre unvergleichliche Schnheit zerstren, indem
+sie all ihren Schmuck wegwarf: aber diese Beleidigung ihrer Schnheit
+lie sie in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist sie in dieser
+Schmucklosigkeit zur Vollendung gelangt. Unser Knig selbst ist
+gestaltlos und ohne Schnheit, darum liebt er sie in seinen mannigfachen
+Erscheinungen als seinen hchsten Schmuck. Und diese Schnheit hat heute
+den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan! Was gbe ich nicht darum,
+wenn ich die wunderbare Musik und den Gesang hren drfte, der heute
+meines Knigs Palast erfllt!
+
+_Surangama_
+
+Seht, dort geht die Sonne auf!
+
+
+
+
+XX.
+
+
+Die dunkle Kammer.
+
+_Sudarschana_
+
+Herr, gib mir die Ehre nicht zurck, die du mir einmal genommen hast!
+Ich bin die Magd deiner Fe -- ich suche kein andres Vorrecht, als dir
+zu dienen.
+
+_Knig_
+
+Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen?
+
+_Sudarschana_
+
+O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stie mich zurck, weil ich dich
+im Lustgarten, in meinen frstlichen Gemchern gesucht hatte: da sieht
+noch dein geringster Diener geflliger aus als du. Dieses Fieber des
+Verlangens hat meine Augen fr immer verlassen. Du bist nicht schn, o
+Herr -- du stehst ber allem Vergleich!
+
+_Knig_
+
+Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir selbst.
+
+_Sudarschana_
+
+Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich. Deine Liebe lebt in
+mir -- du wirst gespiegelt in dieser Liebe, und du siehst dein Antlitz
+abgebildet in mir: nichts davon mein, es ist alles dein, o Herr!
+
+_Knig_
+
+Ich ffne heute die Tr dieser dunklen Kammer -- das Spiel hier ist zu
+Ende! Komm, komm jetzt mit mir, komm hinaus -- _ins Licht_!
+
+_Sudarschana_
+
+Ehe ich gehe, la mich dir zu Fen mich beugen, o Herr des Dunkels, du
+Grausamer, Furchtbarer, Unvergleichlicher!
+
+ENDE
+
+
+Funote:
+
+[A] Whrend des indischen Frhlingsfestes bewirft man sich
+gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stck wird der rote Puder als
+Symbol der Liebesleidenschaft genommen.]
+
+
+
+
+Anmerkung zur Transkription:
+Auf Seite 19 wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklrst du du das
+ohne einen Knig?').
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Der Knig der dunklen Kammer, by
+Rabindranath Tagore
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KNIG DER DUNKLEN KAMMER ***
+
+***** This file should be named 44250-8.txt or 44250-8.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ http://www.gutenberg.org/4/4/2/5/44250/
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
+protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
+charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you
+do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
+practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
+
+
+
+*** START: FULL LICENSE ***
+
+THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
+PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
+
+To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
+distribution of electronic works, by using or distributing this work
+(or any other work associated in any way with the phrase "Project
+Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
+Gutenberg-tm License available with this file or online at
+ www.gutenberg.org/license.
+
+
+Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
+electronic works
+
+1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
+electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
+and accept all the terms of this license and intellectual property
+(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
+the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
+all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession.
+If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
+Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
+terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
+entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
+
+1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
+used on or associated in any way with an electronic work by people who
+agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
+
+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
+individual work is in the public domain in the United States and you are
+located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
+copying, distributing, performing, displaying or creating derivative
+works based on the work as long as all references to Project Gutenberg
+are removed. Of course, we hope that you will support the Project
+Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by
+freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
+this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with
+the work. You can easily comply with the terms of this agreement by
+keeping this work in the same format with its attached full Project
+Gutenberg-tm License when you share it without charge with others.
+
+1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
+what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in
+a constant state of change. If you are outside the United States, check
+the laws of your country in addition to the terms of this agreement
+before downloading, copying, displaying, performing, distributing or
+creating derivative works based on this work or any other Project
+Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning
+the copyright status of any work in any country outside the United
+States.
+
+1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:
+
+1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate
+access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently
+whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the
+phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project
+Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
+copied or distributed:
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived
+from the public domain (does not contain a notice indicating that it is
+posted with permission of the copyright holder), the work can be copied
+and distributed to anyone in the United States without paying any fees
+or charges. If you are redistributing or providing access to a work
+with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
+work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1
+through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
+Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or
+1.E.9.
+
+1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
+with the permission of the copyright holder, your use and distribution
+must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
+terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked
+to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the
+permission of the copyright holder found at the beginning of this work.
+
+1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
+License terms from this work, or any files containing a part of this
+work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
+
+1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
+electronic work, or any part of this electronic work, without
+prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
+active links or immediate access to the full terms of the Project
+Gutenberg-tm License.
+
+1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
+compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any
+word processing or hypertext form. However, if you provide access to or
+distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than
+"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version
+posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org),
+you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
+copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
+request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other
+form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm
+License as specified in paragraph 1.E.1.
+
+1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
+performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
+unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
+
+1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
+access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
+that
+
+- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
+ the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
+ you already use to calculate your applicable taxes. The fee is
+ owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
+ has agreed to donate royalties under this paragraph to the
+ Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments
+ must be paid within 60 days following each date on which you
+ prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
+ returns. Royalty payments should be clearly marked as such and
+ sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
+ address specified in Section 4, "Information about donations to
+ the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
+
+- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
+ you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
+ does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
+ License. You must require such a user to return or
+ destroy all copies of the works possessed in a physical medium
+ and discontinue all use of and all access to other copies of
+ Project Gutenberg-tm works.
+
+- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
+ money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
+ electronic work is discovered and reported to you within 90 days
+ of receipt of the work.
+
+- You comply with all other terms of this agreement for free
+ distribution of Project Gutenberg-tm works.
+
+1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
+electronic work or group of works on different terms than are set
+forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
+both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
+Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
+Foundation as set forth in Section 3 below.
+
+1.F.
+
+1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
+effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
+public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
+collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
+works, and the medium on which they may be stored, may contain
+"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
+corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
+property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
+computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
+your equipment.
+
+1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
+of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
+Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
+Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
+liability to you for damages, costs and expenses, including legal
+fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
+LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
+PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
+TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
+LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
+INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
+DAMAGE.
+
+1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
+defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
+receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
+written explanation to the person you received the work from. If you
+received the work on a physical medium, you must return the medium with
+your written explanation. The person or entity that provided you with
+the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
+refund. If you received the work electronically, the person or entity
+providing it to you may choose to give you a second opportunity to
+receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy
+is also defective, you may demand a refund in writing without further
+opportunities to fix the problem.
+
+1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
+
+1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
+warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
+If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
+law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
+
+1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
+providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
+with this agreement, and any volunteers associated with the production,
+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit www.gutenberg.org/donate
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
diff --git a/old/44250-8.zip b/old/44250-8.zip
new file mode 100644
index 0000000..4feca4d
--- /dev/null
+++ b/old/44250-8.zip
Binary files differ
diff --git a/old/44250-h.zip b/old/44250-h.zip
new file mode 100644
index 0000000..b87b30e
--- /dev/null
+++ b/old/44250-h.zip
Binary files differ
diff --git a/old/44250-h/44250-h.htm b/old/44250-h/44250-h.htm
new file mode 100644
index 0000000..bd5de05
--- /dev/null
+++ b/old/44250-h/44250-h.htm
@@ -0,0 +1,5762 @@
+<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN"
+ "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd">
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de">
+ <head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=UTF-8" />
+ <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" />
+ <title>
+ The Project Gutenberg eBook of Der König der dunklen Kammer, by Rabindranath Tagore.
+ </title>
+ <link rel="coverpage" href="images/cover_ebook.jpg" />
+ <style type="text/css">
+
+body {
+ max-width: 40em;
+ margin: auto;
+}
+
+h1 {
+ text-align: center;
+ clear: both;
+ line-height: 1.4;
+ letter-spacing: 0.2em;
+ margin-right: -0.2em;
+}
+
+h2 {
+ text-align: center;
+ clear: both;
+}
+
+p {
+ margin-left: 2em;
+ margin-right: 3em;
+ margin-top: .51em;
+ text-align: justify;
+ margin-bottom: .49em;
+}
+
+hr.chap {
+ width: 65%;
+ margin-top: 2em;
+ margin-bottom: 2em;
+ margin-left: auto;
+ margin-right: auto;
+ clear: both;
+}
+
+table {
+ margin-left: auto;
+ margin-right: auto;
+}
+
+a[title].pagenum
+{
+ position: absolute;
+ right: 3%;
+}
+
+a[title].pagenum:after
+{
+ content: attr(title);
+ border: 1px solid silver;
+ display: inline;
+ font-size: x-small;
+ text-align: right;
+ color: #808080;
+ background-color: inherit;
+ font-style: normal;
+ padding: 1px 4px 1px 4px;
+ font-variant: normal;
+ font-weight: normal;
+ text-decoration: none;
+ text-indent: 0;
+ letter-spacing: 0;
+}
+
+.center {text-align: center;}
+
+.gesperrt {
+ letter-spacing: 0.2em;
+ margin-right: -0.2em;
+}
+
+em.gesperrt {
+ font-style: normal;
+}
+
+.title {
+ letter-spacing: 0.2em;
+ text-align: center;
+ font-size: larger;
+ line-height: 1.6;
+ font-weight: bold;
+}
+
+.footnote {margin-left: 10%; margin-right: 10%; font-size: 0.9em;}
+
+.fnanchor {
+ vertical-align: super;
+ font-size: .8em;
+ text-decoration:
+ none;
+}
+
+.verse {
+ text-indent: -2em;
+ margin-left: 4em;
+ text-align: left;
+}
+
+.space-above {
+ margin-top: 8em;
+}
+
+.klammer {
+ border-left: thin solid black;
+ padding:1em;
+}
+
+.character {
+ text-align: center;
+ font-style: italic;
+ page-break-after: avoid;
+}
+
+.character_inline {
+ font-style: italic;
+}
+
+.regie {
+ text-align: center;
+ font-style: normal;
+ font-size: smaller;
+}
+.regie_inline {
+ font-style: italic;
+}
+
+.u {
+ text-decoration: underline;
+}
+
+.transcribers-note {
+ background-color: #fafafa;
+ border: 1px dashed #808080;
+ padding: 0 0.75em;
+ margin: 6em auto;
+ max-width: 100%;
+}
+
+@media handheld {
+ hr.chap {width: 0%}
+}
+
+ </style>
+ </head>
+<body>
+
+
+<pre>
+
+Project Gutenberg's Der König der dunklen Kammer, by Rabindranath Tagore
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Der König der dunklen Kammer
+
+Author: Rabindranath Tagore
+
+Translator: Hedwig Lachmann
+ Gustav Landauer
+
+Release Date: November 21, 2013 [EBook #44250]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KÖNIG DER DUNKLEN KAMMER ***
+
+
+
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+</pre>
+
+
+<p class="title">RABINDRANATH TAGORE</p>
+<h1>DER KÖNIG<br />
+DER DUNKLEN<br />
+KAMMER</h1>
+
+<p class="title space-above">MÜNCHEN<br />
+KURT WOLFF VERLAG</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_1" title="1"> </a></p>
+
+<p class="center space-above">Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der<br />
+von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten<br />
+englischen Ausgabe ins Deutsche übertragen von<br />
+Hedwig Lachmann und Gustav Landauer</p>
+<p class="center">*</p>
+<p class="center">Das Recht der Aufführung ist zu erwerben durch<br />
+die Vereinigten Bühnenvertriebe: Drei Masken<br />
+Georg Müller * Erich Reiß * Kurt Wolff<br />
+Verlag, Berlin W 30</p>
+
+<p class="center space-above">14.&mdash;18. Tausend<br />
+Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig<br />
+Gedruckt im Frühjahr 1921 bei Poeschel &amp; Trepte in<br />
+Leipzig * Einbände von der Leipziger Buchbinderei A.-G.,<br />
+vorm. Gust. Fritzsche in Leipzig</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_2" title="2"> </a></p>
+<hr class="chap" />
+<p><a class="pagenum" name="Page_3" title="3"> </a></p>
+
+<h2><a name="PERSONEN" id="PERSONEN">PERSONEN</a></h2>
+<table id="cast" summary="Personenliste" style="border-spacing:1em;">
+ <tr>
+ <td colspan="2">Der König</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Königin Sudarschana</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">König von Kanya Kubja, ihr Vater</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Avanti<br />Koschala<br />Kantschi<br />Vidarbha<br />Kalinga<br />Pantschala<br />Virat</td>
+ <td class="klammer">Könige</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Surangama<br />Rohini</td>
+ <td class="klammer">Ehrendamen der Königin</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Virupakscha<br />Vischu</td>
+ <td class="klammer">Bürger</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Janardan<br />Kaundilya<br />Bhavadatta</td>
+ <td class="klammer">Reisende</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Kumbha<br />Madhav<br />Vivajadatta</td>
+ <td class="klammer">Landleute<a class="pagenum" name="Page_4" title="4"> </a></td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Der Großvater</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Der tolle Freund</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Minister<br />Bote<br />Türhüter</td>
+ <td class="klammer">des Königs Kanya Kubja</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Dienerin der Königin Sudarschana</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Erster<br />Zweiter</td>
+ <td class="klammer">Gärtner</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Stadtwächter</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Suvarna, der falsche König</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td>Erster<br />Zweiter</td>
+ <td class="klammer">Herold des „Königs”</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Bürger, Landleute, Gärtner, Knaben</td>
+ </tr>
+ <tr>
+ <td colspan="2">Reisende, Wachen.</td>
+ </tr>
+</table>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_5" title="5"> </a></p>
+
+
+
+
+<h2><a name="I" id="I">I.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Eine Straße.</p>
+<p class="regie">Etliche Reisende und ein Stadtwächter.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>He, Mann!</p>
+
+<p class="character">Stadtwächter</p>
+
+<p>Was wollt ihr?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind
+hier fremd. Bitte, sage uns, welches die rechte
+Straße ist.</p>
+
+<p class="character">Stadtwächter</p>
+
+<p>Wohin wollt ihr gehn?</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Wo dieses große Fest stattfinden soll, weißt
+du. Welchen Weg gehen wir?</p>
+
+<p class="character">Stadtwächter</p>
+
+<p>Eine Straße ist hier genau so gut wie die
+andre. Jede Straße wird euch hinführen. Geht<a class="pagenum" name="Page_6" title="6"> </a>
+geradeaus, und ihr könnt den Ort nicht verfehlen.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Hört nur, was der Narr sagt: „Jede Straße
+wird euch hinführen!” Was hätte das dann
+für einen Sinn, so viele Straßen zu haben?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Du brauchst darüber nicht so außer dir zu
+sein, mein Lieber. Es steht einem Land frei,
+seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten.
+Was Straßen betrifft in unserm Land &mdash; nun,
+so sind so gut wie keine vorhanden; enge,
+krumme Gäßchen, ein Labyrinth von Wagen-
+und Fußspuren. Unser König glaubt nicht an
+freie Fahrstraßen; er meint, so viele Straßen
+im Land, so viele Ausgänge für seine Untertanen,
+seinem Königreich zu entfliehen. Hier
+ist es gerade das Umgekehrte; niemand steht
+einem im Weg, niemand hat etwas dagegen,
+daß man anderswohin geht, wenn man Lust
+hat; und doch denken die Leute nicht daran,
+dieses Reich zu verlassen. Bei solchen Straßen<a class="pagenum" name="Page_7" title="7"> </a>
+wäre unser Land sicher in kürzester Frist entvölkert.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt,
+daß das ein großer Fehler an deinem
+Charakter ist.</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>Was denn?</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Daß du immer auf dein Land sticheln mußt.
+Wie kannst du glauben, freie Landstraßen
+könnten für ein Land gut sein? Sieh einmal,
+Kaundilya, da ist ein Mann, der tatsächlich
+glaubt, freie Landstraßen seien die Rettung
+für ein Land.</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst
+von neuem festzustellen, daß Janardan mit
+einem merkwürdig schiefen Verstand gesegnet
+ist, der ihn sicher eines Tages in Gefahr
+bringen wird. Wenn der König von unserm
+werten Freund zu hören bekommt, wird er es
+ihm nicht gerade leicht machen, einen zu finden,
+der für sein Begräbnis sorgt, wenn er
+tot ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_8" title="8"> </a></p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Man hat doch das Gefühl, daß das Leben in
+diesem Lande recht schwer sein muß; man
+vermißt die Freuden der Einsamkeit in diesen
+Straßen &mdash; dieses Drängen und Schulterstreifen
+mit fremden Menschen bei Tag und
+Nacht läßt einen nach einem Bad verlangen.
+Und mit was für einer Sorte Menschen mag
+man auf diesen öffentlichen Wegen zusammenkommen
+&mdash; puh!</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Und gerade Janardan hat uns überredet, in
+dieses kostbare Land zu kommen! Wir hatten
+nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer
+Familie. Du hast meinen Vater natürlich gekannt;
+er war ein großer Mann, ein frommer
+Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes
+Leben innerhalb eines Kreises von 49 Ellen
+Radius, der mit peinlicher Befolgung der Gebote
+der heiligen Schriften gezogen war, und
+nie überschritt er diesen Kreis auch nur ein
+einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich
+eine ernsthafte Schwierigkeit &mdash; wie sollte man
+ihn innerhalb der Grenzen der 49 Ellen und<a class="pagenum" name="Page_9" title="9"> </a>
+doch außerhalb des Hauses verbrennen?
+Schließlich entschieden die Priester, daß wir
+zwar nicht über die Schriftzahl hinausgehen
+durften, daß es aber einen Weg aus der
+Schwierigkeit gab, die Ziffer umzukehren und
+94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn
+außerhalb des Hauses verbrennen, ohne die
+heiligen Bücher zu verletzen. Auf mein Wort,
+<em>das</em> war genaue Befolgung! Unser Land hat
+wirklich nicht leicht seinesgleichen.</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Und doch will Janardan, der dem nämlichen
+Boden entstammt, uns weismachen, freie
+Landstraßen seien das beste für ein Land.</p>
+
+<p class="regie">Die Fremden gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Der Großvater mit einer Knabenschar tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Jungen, heute müssen wir es mit dem wilden
+Südwind aufnehmen &mdash; und wir wollen uns
+nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis
+wir mit unsern Jubelliedern alle Straßen überflutet
+haben.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_10" title="10"> </a></p>
+
+<p class="character">Lied</p>
+
+<div class="verse">Das Südtor ist entriegelt. Komm, mein Frühling, komm!</div>
+<div class="verse">Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frühling, komm!</div>
+<div class="verse">Komm in den lispelnden Blättern, in den Blüten, die froh sich verschwenden;</div>
+<div class="verse">Komm in den Flötenliedern und den sehnenden Seufzern der Wälder!</div>
+<div class="verse">Laß dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein Frühling, komm!</div>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Schar von Bürgern tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Schließlich kann man nur wünschen, daß der
+König sich wenigstens an diesem einen Tag
+hätte sehen lassen. Es ist doch sehr schade:
+man lebt in seinem Königreich und hat ihn
+noch nicht ein einziges Mal gesehen!</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses<a class="pagenum" name="Page_11" title="11"> </a>
+Geheimnisses! Ich könnte ihn dir sagen, wenn
+du schweigen könntest.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Lieber Freund, wir wohnen beide im nämlichen
+Stadtviertel, aber hast du je gehört, daß
+ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert
+hätte? Natürlich, die Sache damals, als dein
+Bruder beim Graben eines Brunnens einen
+Schatz gefunden hatte &mdash; nun, du weißt ganz
+gut, warum ich darüber reden mußte. Du
+kennst den ganzen Zusammenhang.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Natürlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn
+kenne, frage ich, könntest du schweigen?
+Weißt du, es könnte Verderben für uns alle
+bedeuten, wenn du ein einziges Mal davon
+sprächest.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha!
+Warum brennst du darauf, ein Unheil herbeizuführen,
+das bis jetzt nur geschehen <em>kann</em>?
+Wer wird die Verantwortung auf sich nehmen
+wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben lang
+zu wahren?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_12" title="12"> </a></p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Es war nur, weil die Rede darauf kam &mdash; also
+gut, ich werde nichts sagen. Ich bin nicht der
+Mann, der unnütz redet. Ihr hattet selbst die
+Frage aufs Tapet gebracht, daß der König sich
+nie zeigt; und ich bemerkte bloß, es sei nicht
+umsonst, daß der König sich vor dem Blick
+der Öffentlichkeit verschließt.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Bitte, sag uns, warum, Virupakscha.</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Natürlich nehme ich keinen Anstand, es euch
+zu sagen &mdash; wir sind ja alle gute Freunde, nicht
+wahr? Das kann nicht gefährlich sein. (<span class="regie_inline">Mit
+leiser Stimme:</span>) Der König &mdash; ist &mdash; häßlich &mdash;,
+so hat er den Entschluß gefaßt, sich seinen
+Untertanen nie zu zeigen.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Hah! Das ist es! Das muß es sein. Wir haben
+uns immer gewundert..., der bloße Anblick
+eines Königs läßt die Menschen in allen Ländern
+vor Furcht zittern wie Espenlaub; warum
+sollte da <em>unser</em> König sich von keinem sterblichen<a class="pagenum" name="Page_13" title="13"> </a> Auge je sehen lassen? Selbst wenn er
+nur herauskäme, um uns alle zum Galgen zu
+verdammen, könnten wir sicher sein, daß
+unser König kein Trug ist. Schließlich scheint
+mir Virupakschas Erklärung doch ganz einleuchtend.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Nicht die Spur &mdash; ich glaube keine Silbe davon.</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Wie, Vischu, willst du sagen, ich wäre ein
+Lügner?</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Das gerade nicht &mdash; aber ich kann deine
+Theorie nicht annehmen. Entschuldige mich,
+ich kann nichts dafür, wenn ich ein bißchen
+grob und plump scheine.</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Kein Wunder, daß du an meine Worte nicht
+glauben kannst &mdash; wo du dich weise genug
+dünkst, die Meinungen deiner Eltern und
+Oberen zu verwerfen. Wie lange, glaubst du,
+hättest du in diesem Lande bleiben dürfen,
+wenn der König nicht im Verborgenen bliebe?<a class="pagenum" name="Page_14" title="14"> </a>
+Du bist nicht besser als ein offenkundiger
+Ketzer.</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Mein lieber Pfeiler der Rechtgläubigkeit!
+Glaubst du, irgendein anderer König hätte gezögert,
+dir die Zunge abschneiden und sie den
+Hunden zum Fraß vorwerfen zu lassen? Und
+du hast die Stirne, zu sagen, unser König wäre
+den Augen ein Greuel?</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Hör einmal, Vischu, willst du deine Zunge im
+Zaum halten?</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Man braucht wohl nicht erst festzustellen,
+wessen Zunge einen Zaum braucht.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Jetzt wird die Sache gefährlich. Da mache ich
+lieber nicht mit.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Zahl Männer tritt auf, die in lärmendem Übermut
+<span class="character_inline">Großvater</span> mit sich schleppen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Großpapa, etwas fällt mir heute auf...</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_15" title="15"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was ist es?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu
+unserm Fest entsandt, doch jedweder fragt:
+„Alles ist reizend und schön &mdash; wo aber ist
+euer König?” und wir wissen nicht, was wir
+antworten sollen. Das ist die eine große Lücke,
+die sich jedem in unserm Lande fühlbar
+machen muß.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>„Lücke”, sagst du! Wie, das ganze Land ist
+ganz erfüllt und geladen und gestopft voll von
+dem König: und du nennst ihn eine „Lücke”!
+Wie, er hat jeden einzigen unter uns zum gekrönten
+König gemacht!</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Wir sind alle Könige im Königreich unsres Königs.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+<div class="verse">Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will;
+<a class="pagenum" name="Page_16" title="16"> </a></div>
+<div class="verse">Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Füßen.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+<div class="verse">Unser König ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst.</div>
+<div class="verse">Keine Armseligkeit kann uns für immer umschließen mit ihren Wällen der Lüge.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+<div class="verse">Wir bahnen uns mühsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am Ende.</div>
+<div class="verse">Wir können nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht.</div>
+<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen
+nicht mit anhören, die die Leute über unsern
+König sagen, bloß weil er sich nicht öffentlich
+zeigt.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt,
+kann bestraft werden, während niemand einem<a class="pagenum" name="Page_17" title="17"> </a>
+Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfällt,
+auf den König zu schimpfen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Der Schimpf kann den König nicht treffen.
+Mit einem bloßen Hauch kannst du die
+Flamme ausblasen, die eine Lampe von der
+Sonne borgt, aber wenn auch die ganze Welt
+versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr
+strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwächt
+wie zuvor.</p>
+
+<p class="regie">Vischu und Virupakscha treten auf.</p>
+
+<p class="character">Vischu</p>
+
+<p>Da ist der Großvater! Hör doch, dieser Mann
+geht herum und erzählt jedem, unser König
+käme nicht heraus, weil er häßlich wäre.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber warum macht dich das ärgerlich,
+Vischu? <em>Sein</em> König muß häßlich sein, denn
+wie könnte sonst Virupakscha in seinem Königreich
+so ein Gesicht haben? Er formt seinen
+König nach seinem Bilde, wie er es im Spiegel
+sieht.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_18" title="18"> </a></p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Großvater, ich will keine Namen nennen, aber
+keinem würde es einfallen, dem nicht zu
+glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Bist du selbst denn nicht die beste Autorität?!</p>
+
+<p class="character">Virupakscha</p>
+
+<p>Aber ich könnte dir Beweise geben...</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Die Unverschämtheit dieses Burschen kennt
+keine Grenzen! Nicht zufrieden, mit dreister
+Stirn ein abscheuliches Gerücht zu verbreiten,
+will er seine Lügen mit Frechheit aufwägen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Länge
+das Maß hier am Boden?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl
+feiert sein Fest auf seine Art, indem er die
+Häßlichkeit seines Königs besingt. Geh nur,<a class="pagenum" name="Page_19" title="19"> </a>
+Virupakscha, du wirst eine Menge Leute finden,
+die bereit sind, dir zu glauben! Viel Glück
+in ihrer Gesellschaft.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Die <span class="character_inline">Gesellschaft der Fremden</span> tritt wieder auf.</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, daß
+dieses Volk überhaupt keinen König hat. Sie
+haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gerücht
+in Umlauf zu halten.</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle,
+daß das Höchste, was einem in jedem Lande
+ins Auge fällt, der König ist, der natürlich
+keine Gelegenheit versäumt, sich sehen zu
+lassen.</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in
+dem ganzen Orte herrscht &mdash; wie erklärst
+du das ohne einen König?</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen
+bist, und hast so lange unter einem<a class="pagenum" name="Page_20" title="20"> </a>
+Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen
+König, wenn man schon Zucht und Ordnung
+hätte?</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>All diese Menschen sind versammelt, um auf
+diesem Fest froh zu sein. Meinst du, sie
+könnten dergestalt in einem Lande der Anarchie
+zusammen kommen?</p>
+
+<p class="character">Bhavadatta</p>
+
+<p>Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewöhnlich,
+worum es sich in Wirklichkeit
+handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da
+gibt es keine Frage und auch die Festesfreude
+ist klar genug: soweit besteht keine Schwierigkeit.
+Aber wo ist der König? Hast du ihn gesehen?
+Das mußt du uns sagen.</p>
+
+<p class="character">Janardan</p>
+
+<p>Was ich zu sagen habe, ist dieses: man weiß
+aus Erfahrung, daß Chaos und Anarchie sein
+kann, selbst wo ein König da ist: aber was
+sehen wir hier?</p>
+
+<p class="character">Kaundilya</p>
+
+<p>Immer kommst du mit deinen Ausflüchten.<a class="pagenum" name="Page_21" title="21"> </a>
+Warum kannst du nicht auf Bhavadattas Frage
+eine gerade Antwort geben &mdash; Hast du den
+König gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen!
+Ja oder nein?</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Schar von Männern tritt auf und singt.</p>
+
+<p class="character">Lied</p>
+
+<div class="verse">Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen,</div>
+<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall,</div>
+<div class="verse">Er wohnt in der Tiefe meiner Augen,</div>
+<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall.</div>
+<div class="verse">Ich wanderte weit, seine Worte zu hören,</div>
+<div class="verse">Ach, aber vergebens!</div>
+<div class="verse">Als ich heimkam, hörte ich sie</div>
+<div class="verse">In meinen eigenen Liedern.</div>
+<div class="verse">Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tür zu Tür!</div>
+<div class="verse">Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Tränen meiner Augen!</div>
+
+<p class="regie"><span class="character_inline">Herolde</span> und <span class="character_inline">Leibwächter</span> des <span class="character_inline">Königs</span> treten auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Platz da! Räumt die Straße, allesamt!</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Oho, Mann, wofür hältst du dich? Angeboren<a class="pagenum" name="Page_22" title="22"> </a>
+scheint dir dieser stolze Schritt nicht gerade zu
+sein, mein Freund. &mdash; Warum Platz da, werter
+Herr? Warum sollen wir von der Stelle
+weichen? Sind wir Straßenhunde, oder was
+sonst?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Der König kommt dieses Wegs.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>König? Was für ein König?</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Unser König, der König dieses Landes.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehört,
+daß unser König herauskam und sich solche
+Schreier zu Herolden wählte.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Der König will sich nicht länger seinen Untertanen
+entziehen. Er kommt, um das Fest selbst
+zu leiten.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Bruder, verhält sich das so?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Sieh hin, dort flattert sein Banner.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_23" title="23"> </a></p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ah, wirklich, das ist eine Fahne.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Siehst du die rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ja, ja, es ist wirklich der <i>Kimschuk</i>! &mdash; welch
+strahlende Scharlachblüte!</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Nun also, glaubst du uns nun?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht.
+Der Bursche da, Kumbha, hat den ganzen
+Lärm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt?</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist
+er vielleicht ganz leer; du weißt, ein leerer
+Topf dröhnt am lautesten.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Was ist das für einer? Ist er irgendwie mit
+euch verwandt?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter<a class="pagenum" name="Page_24" title="24"> </a>
+vom Schwiegervater unsres Dorfschulzen, und
+er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres
+Dorfes wie wir.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten
+Grades von irgend jemandes Schwiegervater,
+und sein Verständnis scheint auch den
+Stempel der Schwiegeronkelschaft zu tragen.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer
+hat meinem armen Geist einen Stoß versetzt,
+bis er so geworden ist. Erst unlängst kam ein
+König und prunkte in den Straßen und sandte
+so viele Titel vor sich her wie Trommeln, die
+durch ihren Lärm den Aufenthalt in der
+Stadt unerträglich machten... Was tat ich nicht
+alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen zu
+sein! Ich überschüttete ihn mit Geschenken,
+ich hing mich an ihn wie ein Bettler &mdash; und
+schließlich fand ich den Druck auf meine Einnahmen
+zu schwer zu tragen. Aber was war
+das Ende der ganzen Pracht und Majestät? Als
+man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte,
+da konnte er im Kalender keinen einzigen günstigen<a class="pagenum" name="Page_25" title="25"> </a> Tag entdecken: obschon alle Tage rot
+angestrichen waren, wenn <em>wir</em> unsre Steuern
+zu zahlen hatten!</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Willst du etwa zu verstehen geben, unser
+König wäre ein falscher König wie der, den
+du beschrieben hast?</p>
+
+<p class="character">Erster Herold</p>
+
+<p>Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der
+Zeit für dich, dem Schwiegertantchen Adieu
+zu sagen.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Bitte, ihr Herren, seid nicht böse. Ich bin ein
+armes Geschöpf &mdash; ich bitte ergebenst um Entschuldigung,
+ihr Herren: ich will alles dazu
+tun. Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen,
+wie es euch beliebt.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Herold</p>
+
+<p>Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier.
+Der König wird gleich kommen &mdash; wir
+wollen gehen und ihm den Weg bereiten.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen weiter.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_26" title="26"> </a></p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch
+einmal dein Tod sein.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es
+ist Schicksal. Als der falsche König auftrat,
+sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das
+nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen
+der Unschuld über meine eigenen Füße zu
+stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche
+König gekommen ist, muß ich glattweg Hochverrat
+in den Tag reden. Es ist Schicksal,
+lieber Freund!</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Mein Grundsatz ist, dem König immer zu gehorchen
+&mdash; es macht nichts aus, ob er ein
+echter oder falscher ist. Was wissen wir von
+Königen, daß wir über sie urteilen sollten! Es
+ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine
+wirft &mdash; man ist fast sicher, sein Ziel zu
+treffen. Ich gehorche immerzu und huldige
+&mdash; ist es ein richtiger König, gut und schön;
+wenn nicht, was schadet es?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_27" title="27"> </a></p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Mir wäre es schon einerlei, wenn die Steine
+nichts weiter als Steine wären. Aber es sind
+oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, führt
+uns Verschwendung schließlich zu Armut,
+mein Freund.</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Da sieh! Da kommt der König! Ah, ein König
+wahrhaftig! Was für eine Gestalt, was für ein
+Gesicht! Wer hat je solch eine Schönheit gesehen
+&mdash; weiß wie eine Lilie und sanft wie ein
+Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was meinst du
+nun?</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Er sieht schon recht aus &mdash; ja, soviel ich beurteilen
+kann, mag er schon der rechte König
+sein.</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Er sieht aus, als wäre er fürs Königsein gegossen
+und geschnitzt, diese Gestalt ist zu zart
+und erlesen für das gemeine Licht des Tages.</p>
+
+<p class="regie">Der „König” tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Heil und Sieg geleite dich, o König! Wir<a class="pagenum" name="Page_28" title="28"> </a>
+stehen hier seit dem frühen Morgen, um dich
+zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestät zu
+Gnaden, vergeßt uns nicht!</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen
+und Großvater holen.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine andere Schar Männer tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Der König, der König! Kommt her, schnell,
+der König geht dieses Wegs.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Vergiß mich nicht, o König! Ich bin Vivajadatta,
+der Enkel Udayadattas von Kushalivastu.
+Ich bin auf die erste Kunde, daß du
+kämest, hierher geeilt &mdash; ich hielt nicht an,
+um zu hören, was die Leute sagten: all die
+Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o
+Monarch, und brachte mich her.</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Unsinn! Ich bin früher hier gewesen als du
+&mdash; vor dem Hahnenschrei. Wo stecktest du
+denn da? O König, ich bin Bhadrasena, von<a class="pagenum" name="Page_29" title="29"> </a>
+Vikramasthali. Geruhe, deinen Diener in
+deinem Gedächtnis zu bewahren!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und
+Ergebenheit.</p>
+
+<p class="character">Vivajadatta</p>
+
+<p>Majestät, groß ist die Zahl der Klagen und
+Beschwerden, die wir dir vorzutragen haben:
+an wen hätten wir uns so lange mit unsern Gesuchen
+wenden sollen, solange wir deiner erhabenen
+Gegenwart nicht nahen durften?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>All euren Beschwerden soll abgeholfen werden.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Es führt zu nichts, uns hinten herumzudrücken,
+Jungen &mdash; der König wird uns aus
+den Augen verlieren, wenn wir uns in den
+Pöbel mischen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut!
+Er hat sich durch uns alle hindurchgedrängt<a class="pagenum" name="Page_30" title="30"> </a>
+und fächelt jetzt dem König eifrig mit einem
+Palmblatt Kühlung zu!</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses
+Menschen nimmt einem den Atem.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Wir sollten den Kerl anpacken und von der
+Stelle schaffen &mdash; ist er berufen, neben dem
+König zu stehen?</p>
+
+<p class="character">Madhav</p>
+
+<p>Bildest du dir ein, der König durchschaut ihn
+nicht? Seine Untertänigkeit ist doch ein bißchen
+zu dick aufgetragen.</p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Unsinn! Könige können Heuchler nicht wittern
+wie unsereins &mdash; es sollte mich nicht wundern,
+wenn der König sich von dem unermüdlichen
+Fächeln dieses Narren einfangen ließe.</p>
+
+<p class="regie">Kumbha und Großvater treten auf.</p>
+
+<p>Ich sage dir &mdash; er ist jetzt eben durch diese
+Straße gekommen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines
+Königtums?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_31" title="31"> </a></p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht
+einer oder zwei, sondern Hunderte und Tausende
+auf beiden Seiten der Straße haben ihn
+mit eigenen Augen gesehen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Das eben macht die ganze Sache verdächtig.
+Wann wäre <em>unser</em> König je drauf ausgegangen,
+die Augen des Volks durch Pomp und Gepränge
+zu blenden? Er ist nicht der König,
+solch einen Spektakel zu erregen, wenn er
+durch das Land reist.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser
+wichtigen Gelegenheit zu tun: das kann man
+nicht sicher wissen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>O ja, man kann! Mein König kennt keine
+Wetterfahnenlaune und neigt nicht zu phantastischen
+Einfällen.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber Großvater, ich wollte nur, ich könnte
+ihn dir beschreiben! So sanft, so zart und fein<a class="pagenum" name="Page_32" title="32"> </a>
+wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte
+es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen,
+ihn mit meinem ganzen Leibe zu schützen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist!
+<em>Mein</em> König eine Wachspuppe, und <em>du</em> ihn
+schützen!</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber im Ernst, Großpapa, er ist ein herrlicher
+Gott, ein Wunder an Schönheit: ich finde
+keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung,
+die neben seiner unvergleichlichen
+Lieblichkeit bestehen könnte.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wenn es meinem König beliebte, sich zu zeigen,
+würden deine Augen ihn nicht bemerken.
+Er würde nicht dergestalt über die andern hervorragen
+&mdash; er ist einer aus dem Volk, er
+mischt sich unter den gemeinen Pöbel.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber sagte ich dir nicht, daß ich sein Banner
+gesehen habe?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_33" title="33"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was für ein Zeichen trug sein Banner?</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Es war eine rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt
+&mdash; das hell leuchtende Rot blendete meine
+Augen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p><em>Mein</em> König führt einen Donnerkeil in einem
+Lotus in seinem Banner.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Aber alle sagen sie, der König sei zu diesem
+Feste gekommen: <em>alle</em>.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Gewiß ist er das: aber er hat keine Herolde,
+kein Heer, kein Gefolge, keine Musikbanden
+und keine Laternen, die ihn begleiten.</p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>So könnte ihn, scheint's, niemand in seinem
+Inkognito erkennen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Vielleicht gibt es ein paar, die es können.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_34" title="34"> </a></p>
+
+<p class="character">Kumbha</p>
+
+<p>Und die ihn erkennen &mdash; gewährt ihnen der
+König alles, was sie begehren?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird
+je den König kennen. Der größere Bettler sieht
+in den Augen des kleineren Bettlers wie ein
+König aus. O Narr, der Mann, der heute auf
+die Straße gegangen ist, in Purpur und Gold
+angetan, um dich anzubetteln &mdash; ihn posaunst
+du als deinen König aus! ... Ah, da
+kommt mein toller Freund! O kommt, meine
+Brüder! wir dürfen den Tag nicht mit eitlem
+Streiten und Schwatzen verbringen &mdash; geben
+wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzücken
+hin!</p>
+
+<p class="regie">Der tolle Freund tritt auf, singend.</p>
+
+<p>Lächelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brüder? Ich
+streife herum und suche den goldenen Hirsch!
+Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfuß, und
+immer entwischt er mir!</p>
+
+<p>Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon
+ist er weg, der wilde Waldvagabund! Nahe<a class="pagenum" name="Page_35" title="35"> </a>
+dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewölk
+von Dunst und Staub bleibt dir zurück!
+Doch streif ich herum und suche den goldenen
+Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen
+mag in dieser Wildnis! Oh, ich streife
+und wandre durch Wälder und Felder und
+namenlose Gefilde wie ein rastloser Landstreicher
+und denk nicht an Umkehr.</p>
+
+<p>Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und
+kehrt heim mit Waren und Vorrat beladen:
+mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren
+Höhen gestreift und geküßt;
+ich weiß nicht wann und wo.</p>
+
+<p>All meine Habe hab ich von mir geworfen,
+um zu erlangen, was nie mein worden ist! Und
+ihr wähnt, mein Klagen und meine Tränen gelten
+den Dingen, die so ich verlor!</p>
+
+<p>Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich
+Kummer und Gram weit hinten gelassen:
+Oh, ich streife und wandre durch Wälder und
+Felder und namenlose Länder &mdash; und denk
+nicht daran, meine Fahrt zu enden.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_36" title="36"> </a></p>
+
+
+<h2><a name="II" id="II">II.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Ein dunkles Gemach. Königin Sudarschana. Ihre
+Ehrendame, Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem
+Gemach nie die Lampe entzündet werden?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Meine Königin, all deine andern Gemächer
+sind erleuchtet &mdash; will es dich nie verlangen,
+aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie
+diesen zu entrinnen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten
+werden?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit
+kennen würdest.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen
+Kammer bist du dazu gekommen, dunkel und
+seltsam zu reden &mdash; ich kann dich nicht verstehen,<a class="pagenum" name="Page_37" title="37"> </a> Surangama. Sag mir aber, in welchem
+Teil des Palastes liegt dies Gemach? Ich kann
+weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen
+noch den Weg hinaus.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen
+der Erde. Der König hat dies Gemach
+eigens um deinetwillen gebaut.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemächern
+&mdash; warum brauchte er diese dunkle Kammer
+eigens für mich machen lassen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen:
+doch deinen Herrn nur in diesem
+dunklen Gemach.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein, nein &mdash; ich kann nicht leben ohne Licht
+&mdash; ich habe keine Ruhe in dieser erstickenden
+Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in
+diese Kammer bringen kannst, schenke ich dir
+mein Halsband hier.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Es steht nicht in meiner Macht, o Königin. Wie<a class="pagenum" name="Page_38" title="38"> </a>
+kann ich Licht an einen Ort bringen, den er
+immer im Dunkel gehalten haben will!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Seltsame Treue! Und doch &mdash; ist es nicht wahr,
+daß der König deinen Vater bestraft hat?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem
+Spiel ergeben. Alle jungen Leute des Landes
+pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu
+kommen &mdash; und da tranken sie immer und
+spielten.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer
+Bedrückung, als der König deinen Vater in die
+Verbannung schickte?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf
+dem Weg zu Untergang und Vernichtung: als
+diese Bahn mir verschlossen war, schien ich
+mir ohne irgendeine Hilfe zurückgeblieben,
+ohne Beistand noch Schutz. Ich raste und tobte
+wie ein wildes Tier im Käfig &mdash; wie verlangte
+es mich alles in Stücke zu zerreißen in meiner
+ohnmächtigen Wut!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_39" title="39"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an
+eben den nämlichen König?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wie kann ich es sagen? Vielleicht faßte ich
+Vertrauen zu ihm, gerade <em>weil</em> er so hart, so
+unbarmherzig war!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wann trat dieser Stimmungswechsel ein?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Das könnte ich nicht sagen &mdash; ich weiß das
+selbst nicht. Es kam ein Tag, wo all der Aufruhr
+in mir sich geschlagen gab, und dann
+beugte sich meine ganze Natur in demütiger
+Ergebung in den Staub der Erde. Und dann
+sah ich ... ich sah, daß er an Schönheit ebenso
+ohnegleichen war wie an Schrecknis. Oh, ich
+war gerettet, ich war erlöst.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst
+du mir nicht sagen, wie der König aussieht?
+Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen.
+Er kommt zu mir in Dunkelheit, und<a class="pagenum" name="Page_40" title="40"> </a>
+läßt mich wieder in diesem dunklen Gemach
+zurück. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt
+&mdash; aber sie geben alle unbestimmte und
+dunkle Antworten &mdash; es scheint mir, daß sie
+alle mit etwas zurückhalten.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Die Wahrheit zu sagen, Königin, so könnte
+ich nicht gut angeben, wie er aussieht. Nein
+&mdash; er ist nicht, was man schön nennt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht
+schön!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, meine Königin, er ist nicht schön. Ihn
+schön zu nennen, wäre viel zu wenig von ihm
+gesagt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>So sind all deine Worte &mdash; dunkel, seltsam und
+unbestimmt. Ich kann nicht verstehen, was du
+meinst.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, ich will ihn <em class="gesperrt">nicht</em> schön nennen. Und
+eben weil er nicht schön ist, ist er so herrlich,
+so wunderbar!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_41" title="41"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich verstehe dich nicht ganz &mdash; obwohl ich dich
+gern von ihm reden höre. Aber ich muß ihn
+um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht
+einmal auf den Tag, wo ich ihm angetraut
+wurde. Ich hörte Mutter sagen, daß vor meiner
+Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte:
+„Der eure Tochter ehelichen will, ist ohnegleichen
+auf dieser Erde.” Wie oft habe ich
+sie gebeten, mir sein Äußeres zu beschreiben,
+aber sie antwortet nur unbestimmt und sagt,
+sie kann es nicht sagen &mdash; sie sah ihn durch
+einen Schleier, schwach und dunkel. Aber
+wenn er der beste der Menschen ist, wie kann
+ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Spürst du nicht ein leises Lüftchen wehen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ein Lüftchen? Wo?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Merkst du nicht einen leisen Duft?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_42" title="42"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Das große Tor hat sich geöffnet ... er kommt;
+mein König naht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie kannst du es merken, wenn er kommt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hörte
+ich seine Tritte in meinem Herzen. Da ich die
+Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich
+einen Sinn entwickelt &mdash; ich kann erkennen
+und fühlen, ohne zu sehen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich wollte, ich hätte diesen Sinn auch, Surangama!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du wirst ihn bekommen, o Königin ... dieser
+Sinn wird in dir eines Tages erwachen. Deine
+Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe,
+und darum ist all dein Sinn gespannt und in
+die falsche Richtung gelenkt. Wenn du diesen
+Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter
+dir hast, wird alles ganz leicht werden.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_43" title="43"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie kommt das, daß es dir, der Magd, so leicht
+ist, und mir, der Königin, so schwer?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Eben weil ich eine bloße Magd bin, hemmt
+mich keine Schwierigkeit. Als er am ersten Tag
+dies Gemach meiner Obhut vertraute und
+sagte: „Surangama, du wirst diese Kammer
+immer für mich in Bereitschaft halten, das
+ist deine ganze Aufgabe”, da sagte ich nicht,
+nicht einmal in Gedanken: „Oh, gib mir die
+Arbeit derer, die für das Licht in den andern
+Gemächern sorgen.” Nein, sondern sowie ich
+all meinen ganzen Sinn auf diese Aufgabe
+richtete, erwachte eine Gewalt in mir und
+wuchs und wurde ohne Widerstand Herr über
+jeden Teil von mir ... Oh, da kommt er!...
+er steht draußen, vor der Tür. Herr! O König!</p>
+
+<p class="character">Gesang von außen</p>
+
+<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div>
+<div class="verse">Die Fähre des Lichts von Dämmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen,</div>
+<div class="verse">Der Abendstern steht am Himmel.</div>
+<div class="verse">Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten,
+<a class="pagenum" name="Page_44" title="44"> </a></div>
+<div class="verse">Umfließt dich weiß dein Kleid zur Nacht?</div>
+<div class="verse">Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vögel in ihre Nester.</div>
+<div class="verse">Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht.</div>
+<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>O König, wer kann deine eignen Tore vor dir
+versperrt halten? Sie sind nicht geschlossen
+oder verriegelt &mdash; sie werden sich weit aufschwingen,
+wenn du sie nur mit dem Finger
+berührst. Willst du sie nicht nur ein wenig
+berühren? Willst du nicht eintreten, bis ich
+gehe und die Tore öffne?</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lüften, Herr!</div>
+<div class="verse">Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht höre, würdest du warten, bis ich erwache?</div>
+<div class="verse">Würde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines Streitwagens?</div>
+<div class="verse">Würdest du nicht das Tor zertrümmern und ungebeten eingehn in dein eigenes Haus?</div>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_45" title="45"> </a></p>
+
+<p>Dann geh du, o Königin, und öffne die Tür
+für ihn: er wird sonst nicht eintreten.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich sehe nichts deutlich im Dunkel &mdash; ich weiß
+nicht, wo die Tür ist. Du kennst hier alles &mdash;
+geh und öffne die Tür für mich.</p>
+
+<p class="regie">Surangama öffnet die Tür, verbeugt sich tief vor
+dem König und geht hinaus. Der König bleibt während
+dieses ganzen Stückes unsichtbar.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht
+zu sehen?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>So willst du mich zwischen tausend Dingen
+im hellen Tageslicht sehen! Warum sollte ich
+nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit
+fühlen kannst?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber ich <em>muß</em> dich sehen &mdash; mich verlangt es
+brennend nach deinem Anblick.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick
+zu ertragen &mdash; er wird dir nur Qual bereiten,
+brennend heiße Qual.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_46" title="46"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie kannst du sagen, daß ich deinen Anblick
+nicht zu ertragen vermöchte! Oh, ich kann
+schon in diesem Dunkel fühlen, wie lieblich
+und wunderbar du bist: warum sollte ich im
+Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir,
+kannst du mich im Dunkel sehen?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ja, ich sehe dich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Was siehst du?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich sehe, daß die Dunkelheit der unendlichen
+Himmel, ins Dasein geschleudert durch die
+Gewalt meiner Liebe, das Licht von Sternenmyriaden
+in sich gesogen und sich verkörpert
+hat in einer Gestalt von Fleisch und Blut. Und
+in dieser Form, was für Äonen von Denken
+und Ringen, was für ungezählte Sehnsüchte
+grenzenloser himmlischer Räume, welche Fülle
+der Gaben aus dem Meer der Zeiten!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Bin ich so wunderbar, bin ich so schön? Höre
+ich dich so reden, so schwillt mein Herz von<a class="pagenum" name="Page_47" title="47"> </a>
+Freude und Stolz. Aber wie kann ich die wundervollen
+Dinge glauben, die du mir sagst?
+Ich kann sie in mir nicht finden!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben
+&mdash; er setzt dich herab, beschränkt dich,
+läßt dich klein und unbedeutend erscheinen.
+Doch könntest du dich in meinem Geist gespiegelt
+sehen, wie groß erschienest du! In
+meinem Herzen bist du nicht mehr das alltägliche
+Einzelwesen, das du zu sein meinst &mdash;
+du bist in Wahrheit mein andres Ich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, zeig' mir für einen Augenblick, wie man
+mit deinen Augen sieht! Gibt es für dich gar
+nichts wie Dunkelheit? Ich fürchte mich, wenn
+ich daran denke. Diese Dunkelheit, die für
+mich wirklich und stark wie der Tod ist &mdash; ist
+sie für dich einfach nichts? Wie kann dann
+überhaupt eine Gemeinschaft zwischen uns
+sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein &mdash;
+es ist unmöglich: es besteht eine Schranke
+zwischen uns beiden: nicht hier, nein, nicht
+an diesem Ort. Ich muß dich finden und sehen,<a class="pagenum" name="Page_48" title="48"> </a>
+wo ich Bäume und Tiere, Vögel und Steine
+und die Erde sehe &mdash;</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden
+&mdash; aber niemand wird mich dir weisen.
+Du wirst mich erkennen müssen, wenn du
+kannst, du selbst. Und selbst wenn jemand sich
+anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie
+kannst du gewiß sein, daß er die Wahrheit
+sagt?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen.
+Ich werde dich aus einer Million
+Menschen herausfinden. Ich kann mich
+nicht irren.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Gut also, heute nacht, während des Frühlingsvollmondfestes,
+magst du versuchen, mich von
+dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden
+&mdash; suche nach mir mit deinen eigenen
+Augen unter der Volksmenge.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wirst du unter ihr sein?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_49" title="49"> </a></p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich werde mich wieder und wieder zeigen,
+überall unter der Menge. Surangama!</p>
+
+<p class="regie">Surangama kommt herein.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Was gebietest du, Herr?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Heute nacht ist das Frühlingsvollmondfest.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Was soll ich heute nacht tun?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgärten
+stehen in voller Blüte &mdash; du wirst da
+an meinem Feste teilnehmen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich werde tun, was du wünschest, Herr.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Die Königin will mich heute nacht mit ihren
+eigenen Augen sehen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wo soll die Königin dich sehen?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Wo die Musik am süßesten spielt, wo die Luft<a class="pagenum" name="Page_50" title="50"> </a>
+von Blütenstaub schwer ist &mdash; dort im silbernen
+Hain voll weichem Dämmerlicht.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck
+spielen, zu sehen sein? Dort ist der Wind wild
+und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung
+&mdash; wird es die Augen nicht verwirren?</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Die Königin ist neugierig, mich herauszufinden.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Die Neugier wird enttäuscht und in Tränen
+heimkehren!</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Ach, sie lüstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die wilden Vögel des Waldes!</div>
+<div class="verse">Doch die Zeit der Ergebung wird für sie kommen, zu Ende ihr Hin- und Herflug, wenn</div>
+<div class="verse">Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt.</div>
+<div class="verse">Ach, die wilden Vögel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis!</div>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_51" title="51"> </a></p>
+
+<h2><a name="III" id="III">III.</a></h2>
+
+<p class="regie">Vor den Lustgärten.</p>
+
+<p class="regie">Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und
+andere Könige.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Wird der König dieses Ortes uns nicht empfangen?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was ist das für eine Art, ein Land zu regieren?
+Der König hält ein Fest in einem Wald, wo
+selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert
+Zutritt hat!</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Wir hätten wohl Anspruch auf einen besonders
+für uns reservierten und zu unserem Empfang
+hergerichteten Platz.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet
+hat, werden wir ihn zwingen, einen für uns
+errichten zu lassen.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>All das macht natürlich zweifelhaft, ob dieses<a class="pagenum" name="Page_52" title="52"> </a>
+Volk überhaupt einen König hat &mdash; es sieht aus,
+als ob ein unbegründetes Gerücht uns irregeführt
+hätte.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Das mag sein, was den König angeht, aber Sudarschana,
+die Königin dieses Orts, ist durchaus
+kein unbegründetes Gerücht.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Nur um ihretwillen hatte ich überhaupt Lust,
+hierher zu kommen. Es liegt mir nichts daran,
+jemanden zu sehen, der sich nie sehen läßt,
+aber es wäre ein törichter Fehler, wenn wir
+fortgingen, ohne das Wesen gesehen zu haben,
+um dessentwillen sich eine Reise im höchsten
+Grade lohnt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Laßt uns denn einen bestimmten Plan entwerfen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man
+sich nicht selbst darein verwickelt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Zum Henker, was ist das für ein Geschmeiß,
+das dort herumschwärmt? He! wer seid ihr?</p>
+
+<p class="regie">Großvater und die Knaben treten auf.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_53" title="53"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wir sind die lustige Schar der Habenichtse.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Die Einführung war überflüssig. Aber ihr
+werdet euch etwas weiter zurückziehen und uns
+in Frieden lassen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir
+können es uns leisten, euch einen so weiten
+Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das
+Wenige, das uns genügt, ist nie der Zankapfel
+zwischen streitenden Parteien. Nicht wahr,
+meine kleinen Freunde?</p>
+
+<p class="regie">Sie singen.</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Wir sind die Habenichtse, fürwahr, wir haben gar nichts!</div>
+<div class="verse">Wir singen lustig trallerala! trallerala!</div>
+<div class="verse">'s gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Häusern</div>
+<div class="verse">Auf Sümpfen mit goldenem Sand.</div>
+<div class="verse">Wir stellen uns vor sie und singen</div>
+<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div>
+<div class="verse">Taschendiebe kreisen um uns</div>
+<div class="verse">Und ehren uns mit lüsternen Blicken.
+<a class="pagenum" name="Page_54" title="54"> </a></div>
+<div class="verse">Wir schütteln die leeren Taschen und singen</div>
+<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div>
+<div class="verse">Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tür,</div>
+<div class="verse">Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen,</div>
+<div class="verse">Und singen im Chor mit fröhlichen Trillern</div>
+<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sieh da drüben hin, Koschala, was sind das
+für Leute, die da des Weges kommen? Eine
+Pantomime? Der eine hat sich als König maskiert.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Der König dieses Orts mag alle diese Narrenspossen
+dulden, wir aber werden dagegen einschreiten.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Es ist vielleicht ein Häuptling vom Lande.</p>
+
+<p class="regie">Wachen zu Fuß treten auf.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aus welchem Land stammt euer König?</p>
+
+<p class="character">Erster Soldat</p>
+
+<p>Er ist der König dieses Landes. Er rüstet sich,
+das Fest zu leiten.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen weiter.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_55" title="55"> </a></p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Wie, der König dieses Landes kommt zum
+Fest!</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem
+Anblick begnügen und umkehren müssen &mdash;
+ohne die reizvolle Königin gesehen zu haben.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Glaubst du wirklich, daß der Bursche die
+Wahrheit sagte? Jeder kann sich als König
+dieses königlosen Landes aufspielen. Kannst
+du nicht sehen, daß der Mensch wie ein aufgeputzter
+Maskenkönig aussieht &mdash; viel zu sehr
+herausgeputzt?</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Aber er sieht hübsch aus &mdash; seine Erscheinung
+ist nicht ohne einen gewissen gefälligen Reiz.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Er mag deinem Auge gefällig sein, aber wenn
+du ihn genau genug betrachtest, kannst du ihn
+nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn
+vor euch allen entlarve.</p>
+
+<p class="regie">Der falsche „König” tritt auf.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Willkommen, Fürsten, in unserm Reich! Ich<a class="pagenum" name="Page_56" title="56"> </a>
+hoffe, meine Würdenträger haben geziemend
+für euren Empfang gesorgt?</p>
+
+<p class="character">Könige <span class="regie">(mit verstellter Höflichkeit)</span></p>
+
+<p>O ja &mdash; es fehlte nichts am Empfang.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich
+aufgewogen durch die Ehre, den Anblick
+Eurer Majestät genießen zu dürfen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wir zeigen uns nicht vor der großen Öffentlichkeit,
+aber eure große Ergebenheit und
+Treue macht es uns zum Vergnügen, uns euch
+nicht zu entziehen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Die Gnade Euer Majestät ist wahrhaft überwältigend
+für uns.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wir fürchten, wir werden hier nicht lange
+verweilen können.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus,
+als ob ihr es lange aushieltet.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_57" title="57"> </a></p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst
+bitten möchtet &mdash;</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Das möchten wir: aber wir möchten Euch
+gern vor etwas weniger Zeugen sprechen.</p>
+
+<p class="character">„König” <span class="regie">(zu seinem Gefolge)</span></p>
+
+<p>Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurück.
+<span class="regie">(Sie ziehen sich zurück.)</span> Nun könnt ihr
+euer Begehren ohne Rückhalt vorbringen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wir werden uns schon keine Zurückhaltung
+auferlegen; wir fürchten nur, daß ihr es für
+euch selbst werdet nötig finden.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>O nein, in der Hinsicht könnt ihr unbesorgt
+sein.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Komm also, huldige uns, indem du uns deinen
+Kopf zu Füßen legst.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein
+in den Empfangslagern zu freigiebig
+verteilt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_58" title="58"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Falscher Betrüger, du bist es, der sich in einem
+Rausch der Überhebung befindet. Dein Kopf
+wird bald den Staub küssen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ihr Fürsten, solche derben Späße sind eines
+Königs nicht würdig.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Männer, die gebührend mit dir scherzen werden,
+sind zur Stelle. General!</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl,
+ich schulde euch allen Huldigung. Der Kopf
+beugt sich von selbst hernieder &mdash; es bedarf
+nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer
+Maßnahmen, um ihn zu Boden zu legen.
+So, hier beuge ich mich tief vor euch allen.
+Wenn ihr mir freundlich erlaubt, mich davonzumachen,
+werde ich euch mit meiner Gegenwart
+nicht länger lästig fallen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Warum solltest du dich davonmachen? Wir
+werden dich zum König dieses Ortes machen<a class="pagenum" name="Page_59" title="59"> </a>
+&mdash; führen wir unsern Scherz zu seinem regelrechten
+Ende. Hast du irgendwelchen Anhang?</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>O ja! Alle, die mich auf den Straßen sehen,
+laufen hinter mir her. Als ich ein mageres Gefolge
+hatte, betrachtete mich erst jeder argwöhnisch,
+aber nun mit dem wachsenden Haufen
+zerstreuen sich die Zweifel immer mehr.
+Die Menge wird von ihrer eigenen Größe hypnotisiert.
+Ich brauche nun gar nichts weiter
+zu tun.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben
+wir alle, dir zu helfen und zu dir zu stehen.
+Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten
+müssen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die
+Krone, die ihr mir aufs Haupt setzt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Gegenwärtig wünschen wir weiter nichts, als
+die Königin Sudarschana zu sehen. Du wirst
+dafür sorgen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_60" title="60"> </a></p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich werde mir alle Mühe darum geben.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Zu deinen Bemühungen haben wir nicht viel
+Vertrauen &mdash; du wirst einfach dich nach unsern
+Anweisungen richten. Nun aber kannst du
+gehen und dich mit allem möglichen Glanz
+und Prunk an dem Fest im königlichen Garten
+beteiligen.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen fort.</p>
+
+<p class="regie">Großvater und eine Schar von Bürgern treten auf.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Großvater, ich kann mir nicht helfen &mdash; ja,
+und fünfhundertmal will ich es wiederholen
+&mdash; unser König ist ein vollkommener Schwindel.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Warum nur fünfhundertmal? Kein Grund zu
+so heldenmütiger Selbstbeherrschung &mdash; du
+kannst es fünftausendmal sagen, wenn das
+dein Vergnügen erhöht.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Aber du kannst eine tote Lüge nicht für immer
+aufrechterhalten.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_61" title="61"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Wir werden der ganzen Welt verkünden, daß
+unser König eine Lüge ist, der reinste und
+leerste Schatten!</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Wir werden es alle von unsern Dächern
+schreien, daß wir keinen König haben &mdash; mag
+er tun, was er will, wenn er existiert.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Er wird gar nichts tun.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Mein Sohn wurde mit fünfundzwanzig Jahren
+innerhalb einer Woche von einem hitzigen Fieber
+vorzeitig dahingerafft. Hätte mich solch
+ein Unglück unter der Herrschaft eines tugendhaften
+Königs betreffen können?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber dir sind immer noch zwei Söhne geblieben:
+während ich all meine fünf Kinder hintereinander
+verloren habe.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_62" title="62"> </a></p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Und was sagst du dazu?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was denn? Soll ich meinen König dazu verlieren,
+weil ich meine Kinder verloren habe?
+Für so einen ungeheuren Narren müßt ihr
+mich nicht halten.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Eine schöne Sache, zu streiten, ob ein König
+da ist oder nicht, wenn man aus Mangel an
+Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der
+König uns retten?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den
+König suchen, dem all die Nahrung gehört.
+Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn
+sicher nicht finden.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Königs! Dieser
+Bhadrasen &mdash; ihr wißt was es für ein rührender
+Anblick ist, wenn er von seinem König
+spricht &mdash; der rührselige Dummkopf! Er ist
+auf einen solchen Grad von Armut herabgesunken,<a class="pagenum" name="Page_63" title="63"> </a> daß selbst die Fledermäuse, die bei
+ihm hausen, den Ort zu ungemütlich finden.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre
+Tag und Nacht für meinen König, aber ich
+habe für meine Mühen noch nicht einen roten
+Heller bekommen.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Nun, und was hältst du davon?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand
+seine Freunde? Geht, Freunde, und sagt,
+wenn ihr wollt, unsern König gebe es nirgends.
+Auch das gehört mit zur Feier dieses Festes.</p>
+
+<hr class="chap"/>
+
+<h2><a name="IV" id="IV">IV.</a></h2>
+
+<p class="regie">Turm des Königspalastes.</p>
+
+<p class="regie">Sudarschana und ihre Freundin Rohini.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann
+mich nicht irren: bin ich nicht die Königin?
+Der dort, sicher der dort muß mein König
+sein.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_64" title="64"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann
+nicht lange zögern, sich dir zu zeigen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen
+Vogel im Käfig. Suchtest du, dich zu vergewissern,
+wer er ist?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der
+König.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Von welchem Land ist er der König?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Von unserm, König dieses Landes.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm
+aus Blumen über das Haupt gehalten
+wird?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blüte
+gemalt ist.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich erkannte ihn natürlich sofort, aber du
+hattest deine Zweifel.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_65" title="65"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wir können uns leicht irren, meine Königin,
+und wir fürchten dich zu erzürnen, falls wir
+unrecht haben.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich wollte, Surangama wäre da! Dann wäre
+kein Zweifel mehr möglich.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Hältst du sie für klüger als uns alle?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O nein, aber sie würde ihn sofort erkennen.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so,
+als ob sie ihn kennte. Niemand kann dafür
+bürgen, daß sie den König kennt. Wären wir
+so schamlos wie sie, es wäre nicht schwer für
+uns gewesen, mit unserer Bekanntschaft mit
+dem König zu prahlen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber nein, sie prahlt niemals.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Bloße Ziererei, weiter nichts; damit kommt
+man oft weiter als mit offenem Prahlen. Sie<a class="pagenum" name="Page_66" title="66"> </a>
+ist zu allen Streichen fähig: drum mochten
+wir sie nie leiden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber sag, was du willst, ich hätte sie gern gefragt,
+wenn sie hier wäre.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sehr wohl, Königin. Ich werde sie holen. Sie
+muß glücklich sein, wenn sie der Königin unentbehrlich
+ist, um den König zu erkennen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O nein &mdash; es ist nicht darum &mdash; aber ich hörte
+es gern von aller Welt bestätigt.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sagt es nicht alle Welt? Da, höre nur hin,
+die Jubelrufe des Volks dringen sogar bis zu
+dieser Höhe empor.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen
+auf ein Lotusblatt und bringe sie ihm.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie
+sendet?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_67" title="67"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du wirst nichts zu sagen brauchen &mdash; er wird
+es wissen. Er meinte, ich würde nicht imstande
+sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht fortlassen,
+ohne ihm zu zeigen, daß ich ihn herausgefunden
+habe.</p>
+
+<p class="regie">Rohini geht mit den Blumen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so
+war mir nie zuvor zumute. Das weiße, silberne
+Licht des Vollmonds überflutet den Himmel
+und perlt nach allen Seiten wie der sprudelnde
+Schaum des Weins ... Es faßt mich wie ein
+Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da?</p>
+
+<p class="regie">Eine Dienerin tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Dienerin</p>
+
+<p>Was befehlen Majestät?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Siehst du dort die fröhlichen Knaben, wie sie
+singend durch die Laubgänge und Alleen der
+Mangobäume ziehen? Rufe sie her, bring sie
+zu mir: ich möchte sie singen hören.</p>
+
+<p class="regie">Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben
+wieder.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_68" title="68"> </a></p>
+
+<p>Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen
+Frühlings, hebt euren Festgesang an!
+Meine ganze Seele und mein Leib ist heute
+abend Gesang und Musik &mdash; doch die unaussprechliche
+Melodie will mir nicht von der
+Zunge: singt ihr denn an meiner Statt!</p>
+
+<p class="character">Gesang</p>
+
+<div class="verse">Mein Leid ist mir süß, heut in dieser Frühlingsnacht.</div>
+<div class="verse">Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und läßt sie leise erklingen.</div>
+<div class="verse">Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein dahin.</div>
+<div class="verse">Der Duft aus der Tiefe der Wälder verirrt sich in meine Träume.</div>
+<div class="verse">Worte kommen flüsternd an mein Ohr, ich weiß nicht, woher,</div>
+<div class="verse">Und die Glöckchen an meinen Fußspangen zittern und klingen im Takt zum Tanz meines Herzens.</div>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Genug, genug &mdash; ich ertrag' es nicht länger!
+Euer Gesang hat meine Augen mit Tränen
+gefüllt ... Mich wandelt es an &mdash; Sehnsucht
+kann nie ihren Gegenstand finden &mdash; sie<a class="pagenum" name="Page_69" title="69"> </a>
+braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher
+Sänger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt?
+O, daß meine Augen den sehen könnten,
+dessen Gesang meine Ohren gehört haben!
+Ach, wie ich mich sehne &mdash; mich sehne, in
+Liebesverzückung im Waldesdickicht des Herzens
+mich zu verlieren! Liebe Knaben der
+Waldwildnis! wie soll ich euch lohnen? Dieses
+Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten
+Steinen gemacht &mdash; ihre Härte wird euch
+weh tun &mdash; ich besitze nichts dergleichen wie
+die Blumenkränze, die euch zieren.</p>
+
+<p class="regie">Die Knaben verbeugen sich und gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Rohini tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe nicht recht getan &mdash; ich habe nicht
+recht getan, Rohini. Ich schäme mich, dich zu
+fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt,
+daß keine Hand in Wahrheit die größte
+der Gaben geben kann. Doch laß mich alles
+hören.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Als ich dem König die Blumen gab, sah er
+nicht so aus, als verstünde er etwas davon.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_70" title="70"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das kann nicht sein! Er verstand nicht &mdash;?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Nein; er saß da wie eine Puppe, ohne ein einziges
+Wort zu äußern. Ich glaube, er wollte
+nicht zeigen, daß er nichts verstand, daher tat
+er den Mund nicht auf.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Pfui über mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht
+bestraft worden. Warum hast du meine
+Blumen nicht zurückgebracht?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wie konnte ich? Der König von Kantschi, ein
+sehr gewitzigter Mann, der neben ihm saß, begriff
+alles mit einem Blick, und er lächelte
+nur eben ein bißchen und sagte: „Majestät,
+die Königin Sudarschana sendet Euch ihre
+Grüße mit diesen Blumen &mdash; mit Blumen, die
+dem Gott der Liebe gehören, dem Freund des
+Frühlings!” Der König schien mit einem Male
+aufzuwachen und sagte: „Das ist die Krone
+all meiner Königsherrlichkeit heute Nacht.”
+Ich wandte mich, ganz außer Fassung, zum
+Gehen, als der König von Kantschi dem König<a class="pagenum" name="Page_71" title="71"> </a>
+dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir
+sagte: „Freundin, dies Königsgeschmeide will
+zu dir, zum Dank für das frohe Glück, das du
+gebracht hast.”</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie, Kantschi mußte dem König all das begreiflich
+machen! Weh mir, dies nächtliche
+Fest hat die Tore der Schmach und Schande
+weit vor mir geöffnet. Was andres konnte
+ich erwarten? Verlaß mich, Rohini; ich muß
+eine Weile allein sein. <span class="regie">(Rohini geht ab.)</span> Ein
+furchtbarer Schlag hat all meinen Stolz zu
+Staub zerschlagen, und doch ... ich kann
+diese schöne, bezaubernde Gestalt nicht aus
+dem Gedächtnis löschen! Kein Stolz ist mir
+geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet,
+gänzlich hilflos ... ich kann nicht einmal die
+Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder
+und wieder der Wunsch kommt, Rohini um
+diese Kette zu bitten! Aber was würde sie denken!
+Rohini!</p>
+
+<p class="regie">Rohini kommt.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Was ist dein Wunsch?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_72" title="72"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Welchen Lohn verdienst du für deine heutigen
+Dienste?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Nichts von dir &mdash; aber ich bekam meinen Lohn
+von dem König, wie sich's gebührt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene
+Belohnung. Ich möchte nicht etwas
+an dir sehen, was auf so gleichgültige Art gegeben
+wurde. Leg es ab, ich gebe dir meine
+Armspangen, wenn du es hier läßt. Nimm
+diese Armspangen und geh nun. <span class="regie">(Rohini geht
+ab.)</span> Welch neue Schmach! Ich hätte dieses
+Halsband wegwerfen sollen &mdash; aber ich kann
+nicht! Es sticht mich, als ob es ein Dornenkranz
+wäre &mdash; aber ich kann es nicht wegwerfen. Das
+also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert
+&mdash; dieses Halsband der Schmach und
+Schande!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="V" id="V">V.</a></h2>
+
+<p class="regie">Großvater nahe am Tor des Lusthauses.</p>
+
+<p class="regie">Eine Gesellschaft von Männern.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Habt ihr genug davon bekommen, Freunde?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_73" title="73"> </a></p>
+
+<p class="character">Erster Mann</p>
+
+<p>Oh, mehr als genug, Großvater. Sieh nur, sie
+haben mich über und über rot gemacht. Keiner
+ist davongekommen<a name="FNanchor_A_1" id="FNanchor_A_1"></a><a href="#Footnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a>.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wirklich? Haben sie die Könige auch mit
+rotem Puder beworfen?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Mann</p>
+
+<p>Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie
+waren alle sicher auf ihrem eingehegten Platz.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>So sind sie euch entkommen! Konntet ihr
+nicht die geringste Spur Farbe auf sie werfen?
+Ihr hättet euch den Weg dahin erzwingen
+sollen.</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte
+Rot, die ihnen vorbehalten ist. Ihre Augen sind
+rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres Gefolges
+sind auch rot. Und die letztern schwangen<a class="pagenum" name="Page_74" title="74"> </a> ihre Schwerter so in der Luft herum, daß
+eine weitere Annäherung von unserer Seite ein
+reichliches Zutagetreten der grundlegenden
+roten Farbe bedeutet hätte.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wohlgetan, Freunde &mdash; haltet sie immer in
+einiger Entfernung. Sie sind die Verbannten
+der Erde, und wir haben das Amt, dafür zu
+sorgen, daß es so bleibt.</p>
+
+<p class="character">Dritter Mann</p>
+
+<p>Ich gehe heim, Großpapa; Mitternacht ist vorüber.</p>
+
+<p class="regie">Geht ab.</p>
+
+<p class="regie">Eine Schar Sänger kommt singend herbei.</p>
+
+<div class="verse">Schwarz und Weiß ist nicht mehr geschieden,</div>
+<div class="verse">Ist rot geworden &mdash; rot wie eure Füße gefärbt sind.</div>
+<div class="verse">Rot ist mein Wams und rot meine Träume,</div>
+<div class="verse">Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus.</div>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Vortrefflich, meine Freunde, glänzend! So
+hattet ihr wirklich genußreiche Stunden!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_75" title="75"> </a></p>
+
+<p class="character">Die Sänger</p>
+
+<p>Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der
+Mond am Himmel ließ uns im Stich: er blieb
+weiß.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Er sieht nur von außen so unschuldig drein.
+Hättet ihr nur seine weiße Maske weggenommen,
+ihr hättet seine Schelmerei schon gesehen.
+Ich habe beobachtet, was für rote Farben
+er heute nacht auf die Erde wirft. Und
+doch, sollte man es für möglich halten, daß
+er dabei die ganze Zeit weiß und farblos
+bleibt!</p>
+
+<p class="character">Gesang.</p>
+
+<div class="verse">Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb!</div>
+<div class="verse">Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt,</div>
+<div class="verse">Meinst du, ungefärbt zu entkommen,</div>
+<div class="verse">Wenn du mich mit rotem Puder rötest?</div>
+<div class="verse">Könnt ich nicht dein Kleid färben mit dem roten Blütenstaub meines Herzens?</div>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="regie">Der „König” und Kantschi treten auf.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du mußt genau tun, was ich dir gesagt habe.
+Daß du mir nichts übersiehst!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_76" title="76"> </a></p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich werde nichts übersehen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Die Gemächer der Königin Sudarschana liegen
+in den...</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen,
+und dann wirst du aus dem Durcheinander
+und der Verwirrung Vorteil ziehen,
+um deine Aufgabe zielbewußt zu vollbringen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich werde daran denken.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sieh einmal, Herr Prätendent, ich glaube doch,
+daß unsere Furcht ganz unbegründet ist &mdash;
+es gibt in Wahrheit keinen König in diesem
+Lande.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie
+zu retten. Der gemeine Mann kann
+ohne König nicht leben, ob dieser nun echt ist<a class="pagenum" name="Page_77" title="77"> </a>
+oder falsch! Anarchie ist immer eine Quelle
+der Gefahr.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Frommer Wohltäter des Volkes, deine wundervolle
+Aufopferung sollte wirklich uns
+allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke
+diesen außerordentlichen Dienst in eigener
+Person zu erweisen.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="VI" id="VI">VI.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Im Garten.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen,
+was all das ist! <span class="regie">(Zu den Gärtnern)</span>
+Wohin geht ihr alle in solcher Eile?</p>
+
+<p class="character">Erster Gärtner</p>
+
+<p>Wir gehen aus dem Garten.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wohin?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Gärtner</p>
+
+<p>Wir wissen nicht, wohin &mdash; der König hat uns
+gerufen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_78" title="78"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Aber der König ist doch hier in diesem Garten.
+Welcher König hat euch gerufen?</p>
+
+<p class="character">Erster Gärtner</p>
+
+<p>Das wissen wir nicht.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Gärtner</p>
+
+<p>Der König, dem wir unser Lebtag gedient
+haben, natürlich.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wollt ihr alle gehen?</p>
+
+<p class="character">Erster Gärtner</p>
+
+<p>Ja, alle &mdash; wir müssen sofort gehen. Sonst
+könnten wir zu Schaden kommen.</p>
+
+<p class="regie">Sie gehen ab.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich
+fürchte mich. Sie rennen davon wie wilde
+Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe
+die Flut den Damm durchbricht.</p>
+
+<p class="regie">Der König von Koschala tritt auf.</p>
+
+<p>Rohini, weißt du, wo dein König und Kantschi
+hingegangen sind?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_79" title="79"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann
+nicht sagen, wo.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben.
+Ich habe nicht wohl daran getan, mein Vertrauen
+auf Kantschi zu setzen. <span class="regie">Ab.</span></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Was ist das für eine dunkle Sache, mit der
+sich diese Könige abgeben? Etwas Schreckliches
+bereitet sich vor. Werde ich in diese
+Sache hineingezogen werden?</p>
+
+<p class="regie">Avanti tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Rohini, weißt du, wo die andern Fürsten sind?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen
+sind. Der König von Koschala ging
+jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer
+König und Kantschi?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_80" title="80"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewiß,
+uns alle zu betrügen. Ich habe nicht wohl
+daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu
+stecken. Freundin, könntest du mir freundlich
+einen Weg aus diesem Garten weisen?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich weiß keinen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus
+zeigen kann?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Die Diener haben alle den Garten verlassen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Warum taten sie das?</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Ich konnte nicht genau verstehen, was sie
+meinten. Sie sagten, der König hätte ihnen befohlen,
+den Garten sofort zu verlassen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Der König? Welcher König?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_81" title="81"> </a></p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Sie konnten es nicht genau sagen.</p>
+
+<p class="character">Avanti</p>
+
+<p>Das klingt nicht gut. Ich muß um jeden Preis
+einen Weg hinausfinden. Ich kann hier keinen
+Augenblick länger bleiben.</p>
+
+<p class="regie">Geht eilig ab.</p>
+
+<p class="character">Rohini</p>
+
+<p>Wo kann ich den König finden? Als ich ihm
+die Blumen gab, die die Königin gesandt hatte,
+da schien er sich nicht viel um mich zu kümmern;
+aber seit der Stunde hat er Gaben und
+Geschenke auf mich gehäuft. Diese grundlose
+Freigebigkeit macht mich noch ängstlicher...
+Wohin fliegen die Vögel zu dieser Stunde der
+Nacht? Was hat sie plötzlich aufgeschreckt?
+Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges,
+gewiß nicht... Warum rennt der Königin
+zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata! Tschapata!
+Es hört nicht einmal meinen Ruf. Ich
+habe nie eine Nacht wie diese gesehen. Der
+Horizont wird auf allen Seiten plötzlich rot,
+wie das Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne
+scheint zu so ungewohnter Stunde auf allen<a class="pagenum" name="Page_82" title="82"> </a>
+Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn
+des Allmächtigen ist dies! ... Oh, ich
+fürchte mich! ... Wo kann ich den König
+finden?</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="VII" id="VII">VII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Am Tor zum Palast der Königin.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Was hast du getan, Kantschi?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim
+Palast in Brand stecken. Ich hatte keine
+Ahnung, daß das Feuer sich so schnell nach
+allen Seiten verbreiten würde. Sag mir schnell
+den Weg aus diesem Garten.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher
+geführt haben, sind alle entflohen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du bist ein Eingeborner dieses Landes &mdash; du
+mußt den Weg wissen.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich habe diese inneren Königsgärten nie zuvor
+betreten.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_83" title="83"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich will davon nichts hören &mdash; du mußt mir
+den Weg zeigen, oder ich spalte dich in zwei
+Teile.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Du kannst mir auf diese Weise das Leben
+nehmen, aber es würde dir wenig helfen, den
+Weg aus diesem Garten zu finden.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Warum liefst du dann herum und sagtest, du
+wärest der König dieses Landes?</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich bin nicht der König &mdash; ich bin nicht der
+König.</p>
+
+<p class="regie">Wirft sich mit gefalteten Händen zu Boden.</p>
+
+<p>Wo bist du, mein König? Rette mich, oh, rette
+mich! Ich bin ein Empörer &mdash; strafe mich,
+aber töte mich nicht!</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was nützt es, sich zu krümmen und in die
+leere Luft zu schreien? Nutze die Zeit lieber
+und such nach dem Wege!</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Ich will mich hierher legen &mdash; ich rühre mich<a class="pagenum" name="Page_84" title="84"> </a>
+nicht von der Stelle. Komme was will, ich
+werde nicht klagen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn
+ich verbrennen muß, sollst du mir zum letzten
+Ende Gesellschaft leisten.</p>
+
+<p class="character">Stimme von außen</p>
+
+<p>Oh, rette uns, rette uns, König! Das Feuer
+kommt von allen Seiten über uns!</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(tritt auf)</span></p>
+
+<p>König, o mein König! rette mich, rette mich
+vor dem Tode! Ich bin vom Feuer umzingelt.</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Wer ist der König? Ich bin kein König.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du bist nicht der König?</p>
+
+<p class="character">„König”</p>
+
+<p>Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft.</p>
+
+<p class="regie">Seine Krone zu Boden werfend.</p>
+
+<p>Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben!</p>
+
+<p class="regie">Ab mit Kantschi.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_85" title="85"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Kein König? Er ist nicht der König? Dann,
+o du Feuergott, verbrenne mich, vernichte
+mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in
+die Arme werfen, o du großer Reiniger; verbrenne
+meine Schmach, mein Verlangen,
+meine Begierde zu Asche.</p>
+
+<p class="character">Rohini <span class="regie">(tritt auf)</span></p>
+
+<p>Königin, wohin gehst du? All deine innern
+Gemächer sind in rasendes Feuer gehüllt &mdash;
+geh nicht hinein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ja, ich will in diese brennenden Räume hineingehn!
+Es ist mein Totenfeuer!</p>
+
+<p class="regie">Sie geht in den Palast.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="VIII" id="VIII">VIII.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Die dunkle Kammer. Der König und Sudarschana.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Fürchte dich nicht &mdash; du hast keinen Grund
+zur Angst. Das Feuer wird nicht in dies Gemach
+dringen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe keine Angst &mdash; aber oh, die Scham
+verfolgt mich wie ein rasendes Feuer. Mein<a class="pagenum" name="Page_86" title="86"> </a>
+Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil
+meines Körpers wird von ihren Flammen versengt
+und verbrannt.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Es wird eine Zeit vergehen, ehe du über
+diesen Brand hinwegkommst.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dieses Feuer wird nie aufhören &mdash; wird nie
+aufhören!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Verzage nicht, Königin!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O König, ich will dir nichts verbergen... Ich
+trage eines anderen Kette um meinen Hals.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Auch diese Kette ist mein &mdash; wie sonst hätte
+er zu ihr kommen sollen? Er stahl sie aus
+meiner Kammer.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber sie ist <em class="gesperrt">sein</em> Geschenk an mich: und
+doch konnte ich diese Kette nicht fortschleudern!
+Als das Feuer brüllend von allen Seiten
+kam, dachte ich daran, diese Kette ins Feuer<a class="pagenum" name="Page_87" title="87"> </a>
+zu werfen. Aber nein, ich konnte nicht. Mein
+Geist flüsterte: „Behalte diese Kette im Tode
+an”... Was für ein Feuer ist das, o König,
+in das ich, die hinausgegangen war, dich zu
+sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme
+nicht widerstehen kann! Welch eine Qual ist
+das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer
+brennt so wild weiter wie je, und doch lebe
+ich weiter in seinen Flammen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Aber du hast mich schließlich gesehen &mdash; deine
+Sehnsucht ist gestillt worden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber suchte ich dich denn mitten in diesem
+grauenhaften Verderben? Ich weiß nicht, was
+ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor
+Angst.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Was sahest du?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Grauenhaft &mdash; oh, es war grauenhaft! Ich
+fürchte mich, auch nur noch daran zu
+denken. Schwarz, schwarz &mdash; o du bist schwarz
+wie die ewige Nacht! Ich habe dich nur einen<a class="pagenum" name="Page_88" title="88"> </a>
+einzigen entsetzlichen Augenblick gesehen.
+Der Feuerschein fiel auf deine Züge &mdash; du
+sahst wie die schaudervolle Nacht aus, wenn
+ein Komet unheilverkündend über uns schwebt
+&mdash; oh, da schloß ich die Augen &mdash; ich konnte
+deinen Anblick nicht mehr ertragen. Schwarz
+wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie
+das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot
+des Zwielichts auf seinen tosenden Wogen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß man meinen
+Anblick nicht ertragen kann, wenn man
+nicht schon darauf vorbereitet ist? Man möchte
+vor mir zum Ende der Welt fliehen. Habe ich
+das nicht zahllose Male gesehen? Darum wollte
+ich mich dir langsam und allmählich enthüllen,
+nicht gar zu plötzlich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber es kam die Sünde und vernichtete alle
+deine Hoffnungen &mdash; die bloße Möglichkeit
+einer Gemeinschaft mit dir ist für mich nun
+undenkbar geworden.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Sie wird mit der Zeit möglich werden, meine<a class="pagenum" name="Page_89" title="89"> </a>
+Königin. Die gräßliche düstere Schwärze, die
+dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen
+hat, wird eines Tages dein Trost und
+dein Heil sein. Wofür sonst kann meine Liebe
+da sein?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es kann nicht sein, es ist nicht möglich. Was
+will <em class="gesperrt">deine</em> Liebe allein noch tun? <em class="gesperrt">Meine</em>
+Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die
+Schönheit hat ihren Zauber auf mich geworfen,
+diese Raserei, dieser Rausch wird mich
+nie mehr verlassen &mdash; sie hat meine Augen mit
+ihrem Glanz geblendet und entflammt, sie hat
+ihren goldenen Schimmer bis in meine Träume
+geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt &mdash;
+strafe mich, wie dir beliebt.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Die Strafe hat schon begonnen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Doch willst du mich nicht strafen so stoße
+mich von dir. Ich will dich verlassen &mdash;</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir
+beliebt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_90" title="90"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen!
+Mein Herz ist böse auf dich. Warum warst
+du &mdash; aber was hast du mir getan?... Warum
+bist du so? Warum haben sie mir gesagt, du
+wärest stattlich und schön? Du bist schwarz,
+schwarz wie die Nacht &mdash; ich werde dich nie,
+ich kann dich nie liebhaben. Ich habe gesehen,
+was ich liebe &mdash; es ist sanft und weich wie Samt,
+zart wie die <i>Schirischa</i>-Blume, strahlend wie
+ein Schmetterling.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie
+eine Seifenblase.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Mag sein &mdash; aber ich kann deine Nähe nicht
+ertragen &mdash; ich kann einfach nicht! Ich muß
+von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir,
+das kann nicht möglich sein! Sie kann nichts
+anderes sein als ein falscher Bund &mdash; mein
+Geist muß sich unweigerlich von dir abkehren.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_91" title="91"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe es seit gestern versucht &mdash; aber je
+mehr ich versuche, um so mehr empört sich
+mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich
+beständig von dem Gedanken verfolgt und gehetzt,
+daß ich unrein bin, daß ich falsch und
+treulos bin.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen,
+als dir beliebt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich kann von dir nicht fliehen &mdash; gerade weil
+du mein Gehen nicht hinderst. Warum hältst
+du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurück
+und sagst: „Du sollst nicht gehen?”
+Warum schlägst du mich nicht? O strafe
+mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger
+Hand! Aber dein widerstandsloses Schweigen
+macht mich wild &mdash; oh, ich kann's nicht ertragen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Warum glaubst du, daß ich in Wirklichkeit
+still bin? Woher weißt du, daß ich nicht versuche,
+dich zurückzuhalten?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_92" title="92"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, nein, nein! &mdash; Ich kann das nicht ertragen
+&mdash; sag mir laut, befiehl mir mit der Stimme
+des Donners, zwinge mich mit Worten, die
+alles andere übertönen &mdash; laß mich nicht so
+leicht, so mild von dir!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte
+ich zulassen, daß du dich von mir losreißest?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn,
+ich muß gehen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Geh denn!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>So bin ich gar nicht zu tadeln. Du hättest mich
+mit Gewalt zurückhalten können, aber du
+tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert
+&mdash; und nun werde ich fortgehen. Befiehl deinen
+Wachen, mich nicht gehen zu lassen!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Niemand wird dir in den Weg treten. Du
+kannst so frei gehen wie die zerrissene Wetterwolke,
+die vom Sturm gepeitscht wird.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_93" title="93"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich kann nicht mehr widerstehen &mdash; etwas in
+mir jagt mich vorwärts &mdash; es treibt mich von
+meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken,
+aber ich werde nie mehr zurückkehren.</p>
+
+<p class="regie">Sie stürzt hinaus.</p>
+
+<p class="regie">Surangama tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Surangama <span class="regie">(singt)</span></p>
+
+<p>Was hat dein Wille mit mir vor, daß er mich
+in die Weite sendet? Zu deinen Füßen werde
+ich wieder von meiner Wanderschaft zurückkehren.</p>
+
+<p>Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein
+der Nachlässigkeit verbirgt, deine zärtlichen
+Hände stoßen mich fort, um mich wieder in
+deine Arme zu ziehn! O mein König, was ist's
+für ein Spiel, das du überall in deinem Reiche
+treibst?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(kehrt zurück)</span></p>
+
+<p>König, o König!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Er ist fortgegangen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er<a class="pagenum" name="Page_94" title="94"> </a>
+mich endgültig verstoßen! Ich bin zurückgekehrt,
+aber er hat nicht einen einzigen kleinen
+Augenblick auf mich warten können! Sehr gut
+denn, ich bin nun vollkommen frei. Surangama,
+hat er dich geheißen, mich zurückzuhalten?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, er hat nichts gesagt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte
+er sich um mich kümmern? ... Ich bin also
+frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich
+wollte den König etwas fragen, konnte es aber
+in seiner Gegenwart nicht herausbringen. Sag
+mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft
+hat.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Mit dem Tode? Mein König straft nie mit dem
+Tode.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Was hat er ihnen denn getan?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat
+seine Niederlage anerkannt und ist in sein
+Königreich heimgekehrt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_95" title="95"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ach, was für eine Erlösung!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Meine Königin, ich habe eine einzige Bitte an
+dich.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen,
+Surangama. Alle Geschmeide und Schmucksachen,
+die der König mir gab, lasse ich dir
+&mdash; ich bin nicht würdig, sie von nun an zu
+tragen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, ich brauche sie nicht, meine Königin.
+Mein Herr hat mir nie irgendwelchen Schmuck
+zu tragen gegeben &mdash; mein schmuckloses Aussehen
+ist für mich gut genug. Er hat mir nichts
+gegeben, womit ich vor den Leuten prahlen
+könnte.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Was willst du sonst von mir?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich will mit dir gehn, meine Königin.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen<a class="pagenum" name="Page_96" title="96"> </a>
+Herrn zu verlassen. Was für eine Bitte ist das
+für dich!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich werde nicht weit von ihm fortgehen &mdash;
+wenn du unbehütet fortgehst, wird er bei dir
+sein, dicht dir zur Seite.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini
+mit mir nehmen, aber sie wollte nicht.
+Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit
+mir zu kommen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich
+werde gehen &mdash; der Mut wird von selbst kommen,
+und auch die Kraft wird kommen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine
+Gegenwart wird mich beständig an meine
+Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen
+können.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>O meine Königin, ich habe wie all dein Gutes<a class="pagenum" name="Page_97" title="97"> </a>
+so auch all dein Böses mir zu eigen gemacht;
+willst du mich noch als Fremde behandeln?
+Ich muß mit dir gehn.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="IX" id="IX">IX.</a></h2>
+
+<p class="regie">Der König von Kanya Kubja,
+Vater von Sudarschana, und sein Minister.</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Ich hörte alles vor ihrer Ankunft.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Die Prinzessin wartet allein außerhalb der
+Stadttore am Ufer des Flusses. Soll ich Leute
+senden, um sie zu Hause willkommen zu
+heißen?</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Wie! Für sie, die treulos ihren Gatten verlassen
+hat &mdash; da willst du ihre Schmach und
+Schande in aller Welt ausposaunen und ein
+Schaustück für sie in Szene setzen?</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr
+eine Wohnung im Palaste herzurichten?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_98" title="98"> </a></p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren
+Platz als Königin aus eigenem Entschluß verlassen
+&mdash; hier wird sie als Magd arbeiten
+müssen, wenn sie in meinem Hause zu bleiben
+wünscht.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Es wird schwer und bitter für sie sein, Euer
+Hoheit.</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren,
+dann bin ich nicht wert, ihr Vater
+zu sein.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Ich werde alles ordnen, wie Ihr wünscht,
+Euer Hoheit.</p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Es soll verborgen bleiben, daß sie meine Tochter
+ist, sonst geraten wir alle in ein entsetzliches
+Unheil.</p>
+
+<p class="character">Minister</p>
+
+<p>Warum fürchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_99" title="99"> </a></p>
+
+<p class="character">König von Kanya Kubja</p>
+
+<p>Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht,
+dann erscheint sie mit dem furchtbaren Unheil
+beladen. Du weißt nicht, welche tödliche
+Furcht diese meine Tochter mir eingeflößt
+hat &mdash; sie ist heimgekommen, beladen mit
+Schrecknis und Gefahr.</p>
+
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="X" id="X">X.</a></h2>
+
+
+<p class="regie">Innere Gemächer des Palastes.</p>
+
+<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Geh fort von mir, Surangama! Ein tödlicher
+Zorn rast in mir &mdash; ich kann niemanden ertragen
+&mdash; es macht mich wild, dich so geduldig
+und unterwürfig zu sehn.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Auf wen bist du zornig?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich weiß nicht; aber ich möchte alles vernichtet
+und unter Trümmern und Elend begraben
+sehn! In einem Augenblick verließ ich
+meinen Platz als Königin auf dem Thron. Gab<a class="pagenum" name="Page_100" title="100"> </a>
+ich alles hin, um mich in dieser düsteren Höhle
+als Sklavin abzuplagen? Warum flammen für
+mich nicht die Fackeln der Trauer über die
+ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die
+Erde? Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte
+Fallen der armseligen Bohnenblüte?
+Ist er nicht eher wie der Fall eines glühenden
+Sternes, dessen flammende Lohe den Himmel
+in Stücke reißt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ein mächtiger Wald raucht und glimmt innen,
+ehe er in Flammen ausbricht: die Zeit ist noch
+nicht gekommen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe Ehre und Ruhm einer Königin in
+Staub und Winde gestreut &mdash; aber gibt es
+keinen Menschen, der kommen will, um meine
+trostlose Seele hier zu besuchen? Allein &mdash; oh,
+ich bin furchtbar, grauenvoll allein!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du bist nicht allein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Surangama, ich will nichts vor dir verbergen.<a class="pagenum" name="Page_101" title="101"> </a>
+Als er den Palast in Flammen setzte, konnte
+ich nicht auf ihn böse sein. Eine große innere
+Freude machte mein Herz erzittern. Was für
+ein staunenswürdiges Verbrechen! Was für
+eine glorreiche Kühnheit! Dieser Mut machte
+mich stark und befeuerte meine Lebensgeister.
+Diese furchtbare Freude gab mir die Kraft, in
+einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist
+das alles nur meine Einbildung? Warum ist
+nirgends ein Zeichen zu sehen, daß er kommt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Der, an den du denkst, hat den Palast nicht
+in Brand gesteckt &mdash; der König von Kantschi
+tat es.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Der Feigling! Aber ist es möglich? So schön,
+so bezaubernd, und doch keine Mannheit
+in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um
+so eines wertlosen Geschöpfes willen? O
+Schmach! Pfui über mich!... Aber Surangama,
+meinst du nicht, dein König hätte doch
+kommen müssen, um mich zurückzuholen!</p>
+
+<p class="regie">(Surangama verharrt in Schweigen.)</p>
+
+<p>Du meinst, ich brenne darauf, zurückzukehren?<a class="pagenum" name="Page_102" title="102"> </a>
+Niemals. Selbst wenn der König in Wirklichkeit
+käme, ginge ich nicht zurück. Nicht ein
+einziges Mal verbot er mir fortzugehn, und ich
+fand alle Tore weit geöffnet, um mich hinauszulassen!
+Und die steinige, staubige Straße, auf
+der ich wanderte &mdash; es war ihr nichts, daß eine
+Königin auf ihr schritt. Sie ist hart und gefühllos,
+wie dein König; der niedrigste Bettler
+gilt ihr ebensoviel wie die höchste Königin.
+Du schweigst! Nun, ich sage dir, deines Königs
+Benehmen ist &mdash; niedrig, roh, schmählich!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Jeder weiß, daß mein König hart und unbarmherzig
+ist &mdash; niemand ist je imstande gewesen,
+ihn zu rühren.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und
+bei Nacht?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Möge er immer hart und unnachgiebig bleiben
+wie Stein &mdash; mögen meine Tränen und Bitten
+ihn nie bewegen! Mögen die Leiden nur immer
+<em class="gesperrt">mein</em> Teil sein und möge Ruhm und Sieg <em class="gesperrt">ihm</em>
+immerdar bleiben!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_103" title="103"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint
+dort drüben über den Feldern am östlichen
+Horizont aufzusteigen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja, ich sehe es.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>In der Tat, es ist ein Banner.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dann kommt er. Er ist endlich gekommen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wer kommt?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Unser König &mdash; wer sonst! Wie könnte er ohne
+mich leben! Es ist ein Wunder, wie er nur
+diese Tage her aushalten konnte.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, nein, das kann nicht der König sein.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_104" title="104"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>„Nein”, in der Tat! Als ob du alles wüßtest!
+Dein König ist hart, kalt, unbarmherzig, nicht
+wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein
+kann. Ich wußte von Anfang an, daß er
+kommen würde &mdash; daß er hinter mir herlaufen
+müßte. Aber erinnere dich, Surangama, ich
+habe ihn nicht ein einziges Mal gebeten, daß
+er käme. Du wirst sehen, wie ich deinen König
+dazu bringe, mir seine Niederlage zu bekennen!
+Geh nur hinaus, Surangama, und laß
+mich alles wissen.</p>
+
+<p class="regie">Surangama geht hinaus.</p>
+
+<p>Aber werde ich gehen, wenn er kommt und
+mich bittet, mit ihm zurückzukehren? Gewiß
+nicht! Ich will nicht gehen! Niemals!</p>
+
+<p class="regie">Surangama kommt zurück.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Es ist nicht der König, meine Königin.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nicht der König? Bist du ganz sicher? Wie!
+er ist noch nicht gekommen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_105" title="105"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, mein König wirbelt nie soviel Staub auf,
+wenn er kommt. Niemand kann wissen, wann
+er überhaupt kommt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Dann ist es &mdash;</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Eben der: er kommt mit dem König von
+Kantschi.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Weißt du, wie er heißt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Er heißt Suvarna.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Er ist es also. Ich dachte: „Ich liege hier gleich
+weggeworfenen Schlacken und Kehricht, die
+keiner auch nur anrühren mag.” Aber mein
+Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du
+Suvarna früher gekannt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in
+der Spielhölle &mdash;</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_106" title="106"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen,
+ich will nichts hören. Er ist mein Held, meine
+einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen,
+ohne daß du mir Geschichten von ihm erzählst.
+Aber sieh nur, ein netter Mann ist dein
+König! Er ließ sich nicht einfallen, zu
+kommen, um mich selbst aus dieser Entwürdigung
+zu retten. Danach kannst du mich nicht
+tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf
+ihn warten und mich schimpflich wie eine
+Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut
+und Unterwürfigkeit üben wie du.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XI" id="XI">XI.</a></h2>
+
+<p class="regie">Lager.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p class="regie">Zu Kanya Kubja's Boten.</p>
+
+<p>Sage deinem König, daß er uns nicht gerade
+als seine Gäste zu empfangen braucht. Wir
+sind auf dem Weg zurück zu unsern Königreichen,
+aber wir verweilen, um die Königin
+Sudarschana aus der Knechtschaft und Entwürdigung
+zu befreien, zu der sie hier verdammt
+ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_107" title="107"> </a></p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, daß
+die Prinzessin in ihres Vaters Hause ist.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres
+Vaters bleiben, als sie unvermählt ist.</p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres
+Vaters bleiben unverändert bestehen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden
+entsagt.</p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann
+diesseits des Grabes niemals entsagt werden:
+sie mag zu Zeiten außer Kraft treten, kann
+jedoch nie ganz abgebrochen werden.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Entschließt sich der König nicht, mir seine
+Tochter auf friedlichem Wege herauszugeben,
+so wird mich das Gebot der Ritterpflicht nötigen,<a class="pagenum" name="Page_108" title="108"> </a> Gewalt anzuwenden. Du kannst das für
+mein letztes Wort nehmen.</p>
+
+<p class="character">Bote</p>
+
+<p>Euer Hoheit wollen nicht vergessen, daß auch
+unser König an die Ritterpflicht gebunden ist.
+Ihr erwartet umsonst, daß er seine Tochter nur
+auf eure Drohungen hin ausliefern wird.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sag deinem König, daß ich auf solch eine Antwort
+gefaßt war, als ich herkam.</p>
+
+<p class="regie">Der Bote geht ab.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>König von Kantschi, es scheint mir, daß wir
+zu viel wagen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Was für ein Vergnügen böte dieses Abenteuer,
+wenn es anders wäre?</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum
+Kampf herauszufordern &mdash; aber...</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wenn du erst anfängst, dich vor „Aber” zu<a class="pagenum" name="Page_109" title="109"> </a>
+fürchten, wirst du in dieser Welt kaum einen
+Platz finden, der sicher genug für dich ist.</p>
+
+<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Soldat</p>
+
+<p>Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten,
+daß die Könige von Koschala, Avanti
+und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs
+kommen. <span class="regie">(Ab.)</span></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Gerade, was ich fürchtete! Die Nachricht von
+Sudarschanas Flucht hat sich überall verbreitet;
+jetzt wird man sich von allen Seiten
+um sie reißen und schließlich wird alles in
+Rauch aufgehn.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Es führt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind
+keine guten Nachrichten. Ich bin völlig gewiß,
+daß unser König selbst insgeheim die Kunde
+allenthalben verbreitet hat.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Nun, was soll ihm das nützen?</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Die Gierigen werden einander in der allgemeinen<a class="pagenum" name="Page_110" title="110"> </a> Eifersucht in Stücke reißen &mdash; und er
+wird sich die Lage zunutze machen, die Beute
+heimzuführen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Nun wird es klar, warum euer König sich nie
+sehen läßt. Sein Kniff ist, sich auf allen Seiten
+zu vervielfachen &mdash; die Furcht sieht ihn allenthalben.
+Aber ich will dabei bleiben, daß euer
+König von Kopf zu Fuß nichts als eitel
+Schwindel ist.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Güte
+haben, mich zu entlassen?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich kann dich nicht gehen lassen &mdash; ich habe
+noch eine Verwendung für dich in dieser
+Sache.</p>
+
+<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Soldat</p>
+
+<p>Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha
+sind auch gekommen. Sie haben auf der andern
+Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen.
+<span class="regie">(Ab.)</span></p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_111" title="111"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Im Anfang müssen wir alle vereinigt kämpfen.
+Ist erst die Schlacht mit Kanya Kubja vorbei,
+so werden wir schon einen Weg aus der
+Schwierigkeit finden.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure
+Pläne &mdash; ich werde glücklich sein, wenn Ihr
+mich mir selbst überlaßt &mdash; ich bin ein armes,
+niedriges Geschöpf &mdash; nichts kann &mdash;</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sieh einmal an, König der Heuchler, Mittel
+und Wege sind nie von so hohem Range &mdash;
+Straßen und Stufen und so weiter sind stets
+dazu da, mit den Füßen getreten zu werden.
+Der Vorteil, wenn wir Männer deiner Art in
+unsern Plänen verwenden, ist, daß wir keine
+Maske oder Täuschung nötig haben. Wenn ich
+mich aber mit meinem Minister zu beraten
+hätte, wäre es unsinnig, wollte ich dem Diebstahl
+einen weniger würdigen Namen geben als
+Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die
+Fürsten in Bewegung setzen wie Bauern auf<a class="pagenum" name="Page_112" title="112"> </a>
+dem Schachbrett; das Spiel ist nicht möglich,
+wenn <em class="gesperrt">all</em> die Schachfiguren sich wie Könige
+bewegen wollen!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XII" id="XII">XII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Inneres des Palastes.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Geht die Schlacht noch fort?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>So heftig wie je.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater
+zu mir und sagte: „Du bist von einem König
+fortgelaufen, aber du hast sieben Könige dir
+nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben
+Stücke zu schneiden und sie unter die Fürsten
+zu verteilen.” Es wäre gut gewesen, wenn er
+es getan hätte. &mdash; Surangama!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wenn dein König die Macht hätte, mich zu
+retten, könnte mein jetziger Zustand ihn ungerührt
+gelassen haben?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_113" title="113"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Meine Königin, warum fragst du mich? Habe
+ich die Macht, für meinen König zu antworten?
+Ich weiß, mein Verstand ist nicht hell; darum
+wage ich nie über ihn zu urteilen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Alle sieben Fürsten.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sonst keiner?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Suvarna machte den Versuch zu entfliehen &mdash;
+insgeheim, ehe der Kampf anfing &mdash;, aber
+Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem
+Lager verwahrt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, ich hätte vor langer Zeit sterben sollen!
+Aber, o König, mein König, wenn du gekommen
+wärest und hättest meinem Vater geholfen,
+dein Ruhm wäre darum nicht geringer!
+Er wäre strahlender und höher geworden. Bist<a class="pagenum" name="Page_114" title="114"> </a>
+du ganz gewiß, Surangama, daß er nicht gekommen
+ist?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich weiß nichts sicher.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber seit ich hier bin, hatte ich plötzlich
+manchmal die Empfindung, als ob jemand
+unter meinem Fenster auf einer Laute spielte.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Es wäre nicht undenkbar, daß jemand dort
+seiner Liebe zur Musik frönt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es ist dort ein dichtes Gebüsch unter meinem
+Fenster &mdash; ich versuche jedesmal, wenn ich
+die Musik höre, herauszubekommen, wer es ist,
+aber ich kann nichts deutlich unterscheiden.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und
+spielt auf dem Instrument.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast
+kommt mir ins Gedächtnis zurück. Ich kam
+gewöhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet<a class="pagenum" name="Page_115" title="115"> </a> hatte, und stand an meinem Fenster,
+und aus dem blinden Dunkel des lichtlosen
+Ortes unsrer Begegnungen strömten dann
+Akkorde und Gesänge und Melodien heraus
+und tanzten und zitterten in endloser Folge
+und überfließender Verschwendung, wie die
+leidenschaftliche Überschwänglichkeit eines
+unversieglichen Springquells.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles
+Dunkel, dessen Dienerin ich war!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Weil ich wußte, er würde uns folgen und uns
+zurückholen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber nein, er wird nicht kommen &mdash; er hat
+uns für immer verlassen. Warum sollte er
+nicht?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann
+bedürfen wir seiner nicht. Dann ist er für uns<a class="pagenum" name="Page_116" title="116"> </a>
+nicht da: dann ist jene dunkle Kammer völlig
+leer und öde &mdash; keine Laute hauchte dort je
+ihre Musik &mdash; niemand rief dich oder mich in
+jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen
+und ein eitler Traum.</p>
+
+<p class="regie">Der Türhüter tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wer bist du?</p>
+
+<p class="character">Türhüter</p>
+
+<p>Ich bin der Pförtner dieses Palastes.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sag mir rasch, was du zu sagen hast.</p>
+
+<p class="character">Türhüter</p>
+
+<p>Unser König ist gefangen genommen worden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Gefangen? O Mutter Erde!</p>
+
+<p class="regie">Sie wird ohnmächtig.</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XIII" id="XIII">XIII.</a></h2>
+
+<p class="regie">König von Kantschi und Suvarna.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Ihr sagt also, daß keine Notwendigkeit irgendeines
+Kampfes unter euch selbst mehr besteht?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_117" title="117"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich
+habe alle Fürsten dazu gebracht, sich einverstanden
+zu erklären, daß der, den die Königin
+als Gemahl erwählt, sie bekommen soll, und
+die andern werden auf jeden weiteren Kampf
+verzichten.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr,
+Euer Hoheit &mdash; so flehe ich Euch an: entlaßt
+mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin,
+hat die Furcht vor drohender Gefahr mich entnervt
+und meinen Verstand betäubt. Es wird
+Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu
+verwenden.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du wirst dasitzen und mir als Schirmträger
+dienen.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Euer Diener ist zu allem bereit; aber was für
+einen Nutzen wird Euch das bringen?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Mann, ich sehe, daß dein Verstand zu schwach
+ist, um mit einem hohen Ehrgeiz zusammenzugehen.<a class="pagenum" name="Page_118" title="118"> </a> Du hast noch nicht bemerkt, mit
+welcher Gunst die Königin auf dich gesehen
+hat. Schließlich kann sie in einer Gesellschaft
+von Fürsten einem Schirmträger nicht gut den
+Brautkranz um den Nacken legen, und doch,
+ich weiß, sie wird nicht imstande sein, ihren
+Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden
+Fall dieser Kranz unter den Schatten meines
+königlichen Schirmes fallen.</p>
+
+<p class="character">Suvarna</p>
+
+<p>Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefährliche
+Phantasien. Ich bitte Euch inständig,
+verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser
+Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz
+demütig, setzt mich in Freiheit.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir
+nicht einen Augenblick mehr deine Freiheit
+vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so
+ist es unnütz, sich mit den Mitteln zu beschweren.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_119" title="119"> </a></p>
+
+<h2><a name="XIV" id="XIV">XIV.</a></h2>
+
+<p class="regie">Sudarschana und Surangama am Fenster.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Muß ich also in die Versammlung der Fürsten
+gehn? Gibt es kein anderes Mittel, meines
+Vaters Leben zu retten?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Der König von Kantschi hat es gesagt.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Sind das Worte, die eines Königs würdig sind?
+Sagte er das mit seinem eigenen Munde?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Weh, weh über mich!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor
+und sagte: „Sag deiner Königin, daß diese Andenken
+an das Frühlingsfest, je trockener und<a class="pagenum" name="Page_120" title="120"> </a>
+verwelkter sie werden, um so frischer und
+blühender in meinem Herzen wachsen.”</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich
+nicht länger.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Sieh! Da sitzen die Fürsten alle in der großen
+Versammlung. Der keinen Schmuck an sich
+hat, außer dem einzigen Blumenkranz um
+seine Krone &mdash; das ist der König von Kantschi.
+Und der den Schirm über sein Haupt hält und
+hinter ihm steht &mdash; das ist Suvarna.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ja, ich kenne ihn gut.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist es möglich, daß das der Mann ist, den ich
+damals sah? Nein, nein &mdash; ich sah etwas, das
+war gemischt aus Licht und Dunkel, aus
+Windhauch und Duft &mdash; nein, nein, er kann
+es nicht sein; das ist er nicht.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_121" title="121"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Aber alle geben zu, daß er ausnehmend schön
+ist.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wie konnte <em>diese</em> Schönheit mich bezaubern?
+Oh, was soll ich tun, um meine Augen von der
+Befleckung zu reinigen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Du wirst sie in jenem unergründlichen Dunkel
+baden müssen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber sage mir, Surangama, warum begeht man
+solche Fehler?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen
+Vernichtung.</p>
+
+<p class="character">Bote <span class="regie">(eintretend)</span></p>
+
+<p>Prinzessin, die Könige warten in der Halle auf
+Euch.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Surangama, bring mir den Schleier. <span class="regie">(Surangama
+geht hinaus.)</span> O König, mein einziger
+König! Du hast mich allein gelassen, und du<a class="pagenum" name="Page_122" title="122"> </a>
+hast ganz recht daran getan. Aber willst du
+nicht die innerste Wahrheit meiner Seele erfahren?</p>
+
+<p class="regie">Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor.</p>
+
+<p>Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen
+&mdash; ich werde ihn heute im Staub
+der Halle, vor all diesen Fürsten, zum Opfer
+bringen! Aber werde ich dir nie sagen können,
+daß die geheime Kammer meines Herzens
+durch keine Treulosigkeit befleckt ist? Die
+dunkle Kammer, wo du mich zu besuchen
+pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem
+Busen &mdash; doch, o mein Herr! keiner hat ihre
+Tore geöffnet, keiner ist in sie eingegangen
+als du, o König! Wirst du nie mehr kommen,
+um diese Tore zu öffnen? Dann laß den Tod
+kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine
+Züge sind schön wie deine. Er ist du &mdash; du
+bist es selbst, o König!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XV" id="XV">XV.</a></h2>
+
+<p class="regie">Die Versammlung der Fürsten.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>König von Kantschi, wie kommt es, daß du
+nicht ein einziges Schmuckstück an dir hast?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_123" title="123"> </a></p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein
+Freund. Schmuckstücke würden die Schmach
+meiner Niederlage nur verdoppeln.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Aber dein Schirmträger scheint sich dafür ausstaffiert
+zu haben &mdash; er ist über und über mit
+Gold und Edelsteinen beladen.</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Der König von Kantschi will die Nutzlosigkeit
+und Minderwertigkeit äußerer Schönheit und
+Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine Mannestugenden
+hat ihn vermocht, alle äußeren Verschönerungen
+von seinen Gliedern zu entfernen.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Ich verstehe seine List schon; er sucht seine
+eigene Würde zu zeigen, indem er unter den
+mit Edelsteinen übersäten Fürsten eine strenge
+Einfachheit betont.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht
+rühmen. Alle Welt weiß, daß die Augen eines<a class="pagenum" name="Page_124" title="124"> </a>
+Weibes wie eine Motte sind, sie stürzen Hals
+über Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von
+Gold und Steinen.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Aber wie lange sollen wir noch warten?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Werde nicht ungeduldig, König von Kalinga &mdash;
+je später die Ernte, desto süßer die Frucht.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Wäre ich der Frucht sicher, so könnte ich es
+aushalten. Weil jedoch meine Hoffnung, die
+Frucht zu schmecken, äußerst zweifelhaft ist,
+will sich meine Begier, ihren Anblick zu genießen,
+nicht zügeln lassen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber du bist noch jung &mdash; aufgegebene Hoffnung
+kommt in deinen Jahren wieder und wieder
+zu dir zurück wie ein schamloses Weib:
+wir indessen haben diese Stufe lange hinter
+uns.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Kantschi, spürtest du nicht jetzt eben etwas,<a class="pagenum" name="Page_125" title="125"> </a>
+als ob jemand an deinem Sessel rüttelte? Ist
+es ein Erdbeben?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Erdbeben? Ich weiß nichts davon.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Oder vielleicht zieht noch ein Fürst mit seinen
+Bewaffneten daher.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur
+hätten wir dann vorher die Nachricht erst von
+einem Herold oder Boten vernehmen müssen.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Ich kann dies nicht für ein Zeichen guter Vorbedeutung
+nehmen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte
+Vorbedeutung aus.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Ich fürchte keinen außer dem Schicksal, vor
+dem Tapferkeit oder Heldenmut so unnütz wie
+sinnlos ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_126" title="126"> </a></p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen
+nicht einen Schatten auf die
+glücklichen Geschehnisse dieses Tages!</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung,
+bis es sichtbar geworden ist.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Aber dann könnte es zu spät sein, etwas zu
+tun.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Sind wir nicht alle in einem besonders verheißungsvollen
+Augenblick ans Werk gegangen!?</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Glaubst du dadurch, daß du in verheißungsvollen
+Augenblicken ans Werk gehst, gegen
+jede mögliche Gefahr versichert zu sein? Es
+sieht aus, als ob &mdash;</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Du würdest besser das „Als ob” zu Hause
+lassen: es ist zwar unsre eigene Schöpfung, erweist<a class="pagenum" name="Page_127" title="127"> </a> sich aber oft als unser Verderben und
+Untergang.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Ist da nicht Musik irgendwo draußen?</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Ja, es klingt wirklich wie Musik.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Dann muß es endlich die Königin Sudarschana
+sein, die naht. <span class="regie">(Beiseite zu Suvarna.)</span> Suvarna,
+du mußt dich nicht so hinter mir ducken und
+dich verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner
+Hand zittert ja!</p>
+
+<p class="regie">Großvater tritt ein, in kriegerischer Rüstung.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Wer ist das? &mdash; Wer bist du?</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese
+Halle zu treten?</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Unerhörte Frechheit! Kalinga, hindre doch
+den Kerl, näher heranzukommen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_128" title="128"> </a></p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Ihr seid alle älter als ich &mdash; ihr seid berufener
+das zu tun, als ich.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Wir wollen hören, was er zu sagen hat.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Der <em>König</em> ist gekommen.</p>
+
+<p class="character">Vidarbha <span class="regie">(aufspringend)</span></p>
+
+<p>Der König?</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Welcher König?</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Woher kommt er?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Mein König!</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Dein König?</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Wer ist das?</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Was meinst du?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ihr wißt alle, wen ich meine. Er ist gekommen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_129" title="129"> </a></p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Er ist gekommen?</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>In welcher Absicht?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Er ladet euch alle vor sich.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher
+Form hat es ihm beliebt, uns vorzuladen?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ihr könnt seinen Ruf auf jede Art nehmen,
+ganz nach Belieben &mdash; niemand wird euch hindern
+&mdash; er ist auf jede Art der Begrüßung gerüstet,
+um jedem Geschmack zu genügen.</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Aber wer bist du?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich bin einer seiner Generale.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>General! Eine Lüge ist es! Denkst du, uns zu
+schrecken? Bildest du dir ein, ich könnte nicht
+durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir<a class="pagenum" name="Page_130" title="130"> </a>
+kennen dich alle gut &mdash; und du spielst dich
+vor uns als „General” auf!</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist
+so unwürdig wie ich, Träger der Befehle
+meines Königs zu sein? Und doch ist er es,
+der mich mit dieser Generalsrüstung bekleidet
+und hierher gesandt hat; er hat mich vor
+größeren Generalen und mächtigeren Kriegern
+erwählt.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit
+kommen und bezeigen, was Schicklichkeit
+und Freundwilligkeit erfordern &mdash; aber gegenwärtig
+sind wir mitten in einem dringenden
+Geschäft. Er wird warten müssen, bis diese
+kleine Angelegenheit erledigt ist.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wenn er seinen Ruf ergehen läßt, wartet er
+nicht.</p>
+
+<p class="character">Koschala</p>
+
+<p>Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_131" title="131"> </a></p>
+
+<p class="character">Vidarbha</p>
+
+<p>Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten,
+bis diese Angelegenheit erledigt ist, nicht
+zustimmen. Ich gehe.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Ihr seid älter als ich &mdash; ich folge euch.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Sieh hinter dich, Fürst von Kantschi, dein
+königlicher Schirm liegt im Staub: du hast
+nicht beachtet, wie dein Schirmträger sich
+fortgestohlen hat.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Wohlan, General. Auch ich gehe &mdash; aber nicht,
+um ihm Huldigung zu leisten. Ich gehe, auf
+dem Schlachtfeld mit ihm zu kämpfen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du wirst meinen König auf dem Schlachtfeld
+treffen: das ist kein unwürdiger Platz für
+deinen Empfang.</p>
+
+<p class="character">Virat</p>
+
+<p>Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle
+vor einem Schreckgespenst &mdash; es sieht so aus,<a class="pagenum" name="Page_132" title="132"> </a>
+als ob der König von Kantschi den Vorteil davon
+haben sollte.</p>
+
+<p class="character">Pantschala</p>
+
+<p>Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist
+es feige und töricht, fortzugehen, ohne sie zu
+pflücken.</p>
+
+<p class="character">Kalinga</p>
+
+<p>Es ist besser, sich dem König von Kantschi
+anzuschließen. Er muß einen bestimmten Plan
+und Zweck haben, wenn er soviel wagt.</p>
+
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XVI" id="XVI">XVI.</a></h2>
+
+<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Der Kampf ist nun aus. Wann wird der König
+kommen?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich weiß es selbst nicht: ich sehe auch seinem
+Kommen entgegen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama,
+daß mir die Brust tatsächlich weh tut.
+Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll
+ich ihm mein Gesicht zeigen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_133" title="133"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Geh zu ihm in äußerster Demut und Entsagung,
+und alle Scham wird im Nu verschwinden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich muß nun schon bekennen, daß ich die
+äußerste Demütigung für mein ganzes übriges
+Leben gefunden habe. Aber der Stolz war
+schuld, daß ich so lange den größten Anteil
+an seiner Liebe begehrte. Alle Welt
+sagte immer, ich besäße eine so wunderbare
+Schönheit, solche Reize und Tugenden; alle
+Welt sagte immer, der König zeigte unbegrenzte
+Güte gegen mich &mdash; das macht es
+für mich so schwer, mein Herz in Demut vor
+ihm zu beugen.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Diese Schwierigkeit, meine Königin, wird vergehen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O ja, sie wird vergehen &mdash; der Tag ist für mich
+gekommen, mich vor der ganzen Welt zu demütigen.
+Aber warum kommt der König nicht,
+mich zurückzuholen? Worauf wartet er noch?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_134" title="134"> </a></p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Habe ich dir nicht gesagt, daß mein König
+grausam und hart ist &mdash; sehr hart fürwahr?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht
+von ihm.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich weiß nicht, wohin ich gehen sollte, um
+etwas von ihm zu erfahren. Ich habe Großvater
+gebeten, zu kommen; vielleicht hören
+wir, wenn er kommt, etwas von ihm.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ach, mein böses Geschick! Es ist so weit mit
+mir gekommen, daß ich andre fragen muß,
+um etwas von meinem eignen König zu hören!</p>
+
+<p class="regie">Großvater tritt ein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich habe gehört, daß du der Freund meines
+Königs bist, so laß mich dir Ehrfurcht bezeugen
+und gib mir deinen Segen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Was tust du, Königin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen<a class="pagenum" name="Page_135" title="135"> </a> an. Ich will nichts weiter
+als jedermanns Kamerad sein.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>So schenk mir denn ein freundlich Lächeln &mdash;
+gib mir gute Kunde. Sag mir, wann der König
+kommt, mich zurückzuholen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du fragst mich eine schwere Frage, fürwahr!
+Ich verstehe noch kaum die Wege meines
+Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber
+niemand kann sagen, wohin er gegangen ist.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist er denn fortgegangen?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich kann hier keine Spur von ihm finden.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist er gegangen? Und nennst du solch einen
+deinen Freund?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Deshalb schmähen und verdächtigen ihn die
+Leute. Aber mein König kümmert sich einfach
+nicht im geringsten darum.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_136" title="136"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie
+grausam, wie grausam! Er ist aus Stein, er ist
+hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem
+Herzen zu bewegen &mdash; es ist zerrissen und
+blutet &mdash; aber ihn konnte ich nicht einen Zoll
+bewegen! Großvater, sag mir, wie kannst du
+mit solch einem Freund auskommen?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich kenne ihn nun &mdash; ich habe ihn in meinen
+Leiden und Freuden kennengelernt &mdash; er kann
+mich nicht mehr zum Weinen bringen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wird er sich mir nicht auch zu erkennen
+geben?</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Gewiß wird er das, natürlich. Er wird nicht
+eher ruhen.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er
+sein kann! Ich werde hier am Fenster stehen,
+ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht<a class="pagenum" name="Page_137" title="137"> </a>
+einen Zoll von der Stelle rühren; ich will
+sehen, ob er nicht kommt!</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Du bist noch jung &mdash; du kannst es dir leisten,
+auf ihn zu warten; aber für mich alten Mann
+ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche.
+Ich muß hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn
+finde oder nicht.</p>
+
+<p class="regie">Ab.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ich brauche ihn nicht &mdash; ich will ihn nicht
+suchen! Surangama, ich bedarf deines Königs
+nicht! Warum kämpfte er mit den Fürsten?
+Geschah es überhaupt für mich? Wollte er
+sein Heldentum und seine Stärke zur Schau
+stellen? Geh fort von hier &mdash; ich kann deinen
+Anblick nicht ertragen. Er hat mich in den
+Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden!</p>
+
+<hr class="chap" />
+<h2><a name="XVII" id="XVII">XVII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Eine Schar von Bürgern.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Als so viele Könige zusammentrafen, dachten
+wir, es würde eine rechte Kurzweil für uns<a class="pagenum" name="Page_138" title="138"> </a>
+geben; aber irgendwie nahm alles eine solche
+Wendung, daß niemand weiß, was überhaupt
+geschehen ist!</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Saht ihr nicht, daß sie untereinander zu keiner
+Verständigung kommen konnten? &mdash; jeder
+mißtraute dem andern.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Keiner hielt sich an ihre ursprünglichen Pläne;
+einer wollte vorrücken, ein anderer hielt den
+Rückzug für die bessere Politik; einige
+wandten sich nach rechts, andere liefen Sturm
+nach links: wie kann man das eine Schlacht
+heißen?</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Sie hatten keinen Sinn für wirklichen Kampf
+&mdash; jeder hatte seine Augen auf den andern.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Jeder dachte: „Warum sollte ich sterben, um
+es den andern zu ermöglichen, die Ernte einzuheimsen?”</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Aber ihr müßt alle zugeben: Kantschi kämpfte
+wie ein wirklicher Held.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_139" title="139"> </a></p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Er schien noch lange, nachdem er geschlagen
+war, nicht gewillt, seine Niederlage anzuerkennen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Zuletzt wurde ihm von einem tödlichen Wurfgeschoß
+die Brust durchbohrt.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Aber vorher schien er nicht gewahren zu
+wollen, daß er bei jedem Schritt Boden verloren
+hatte.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Die andern Könige aber &mdash; nun, keiner weiß,
+wohin sie geflohen sind; den armen Kantschi
+ließen sie allein auf dem Feld.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Aber ich habe gehört, er sei noch nicht tot.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Nein, die Ärzte haben ihn gerettet &mdash; aber er
+wird den Stempel seiner Niederlage bis zum
+Tag seines Todes auf der Brust tragen.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Keiner von den andern Königen, die flohen,<a class="pagenum" name="Page_140" title="140"> </a>
+ist entkommen; sie sind alle gefangengenommen
+worden. Aber was ist das für eine Sorte
+Justiz, die an ihnen geübt wurde?</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ich habe gehört, daß jeder bestraft wurde,
+mit Ausnahme von Kantschi, dem der Richter
+auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz
+zu seiner Rechten anwies und ihm eine Krone
+aufs Haupt setzte.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>So etwas Unfaßbares ist noch nicht dagewesen.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt
+uns launisch und grillenhaft vor.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>So ist es. Der größte Sünder ist ganz gewiß
+der König von Kantschi; die andern trieb einmal
+Gewinngier vorwärts, und das andre Mal
+zog sie die Furcht zurück.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Was für eine Sorte Justiz ist das, frage ich?
+Es ist, wie wenn der Tiger ungestraft davonkäme,<a class="pagenum" name="Page_141" title="141"> </a> während sein Schwanz abgeschnitten
+würde.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Wenn ich der Richter wäre, glaubt ihr, Kantschi
+liefe zur Stunde heil und gesund herum?
+Nicht das geringste wäre mehr von ihm übrig.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Das sind große Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne
+haben ein andres Gepräge wie unsre.</p>
+
+<p class="character">Erster Bürger</p>
+
+<p>Haben sie überhaupt ein Hirn, möcht' ich
+wissen? Sie frönen einfach ihren Launen, da
+keiner über ihnen ist, der ihnen etwas sagen
+dürfte.</p>
+
+<p class="character">Zweiter Bürger</p>
+
+<p>Ihr könnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt
+in unsern Händen wäre, hätten
+wir sicher die Regierung besser geführt als so.</p>
+
+<p class="character">Dritter Bürger</p>
+
+<p>Kann darüber überhaupt noch Zweifel bestehen?
+Das versteht sich natürlich von selbst.</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_142" title="142"> </a></p>
+
+<h2><a name="XVIII" id="XVIII">XVIII.</a></h2>
+
+<p class="regie">Die Straße. Großvater und Kantschi.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Wie, Fürst von Kantschi, du hier?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Dein König hat mich auf die Straße geschickt.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Auch das gehört zu seinen Vergnügungen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber wie lange will er mir noch so ausweichen?
+Als nichts mich dazu bringen konnte,
+ihn als meinen König anzuerkennen, kam er
+plötzlich daher wie ein schrecklich gewaltiger
+Sturm &mdash; Gott weiß, woher &mdash; und zersprengte
+meine Leute und Pferde und Banner in einen
+einzigen wilden Aufruhr: nun aber, wo ich die<a class="pagenum" name="Page_143" title="143"> </a>
+Grenzen der Erde absuche, um ihm meine demütige
+Huldigung zu erweisen, ist er nirgends
+zu sehen.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber wie groß er als König auch sein mag, er
+hat sich dem zu fügen, der sich unterwirft.
+Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert,
+Fürst?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Ich kann ein geheimes Gefühl der Angst noch
+nicht loswerden, die Leute könnten mich auslachen,
+wenn sie sehen, wie ich euerm König
+demütig meine Huldigung darbringe und
+meine Niederlagen anerkenne.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>So sind die Leute in der Tat. Was andre zu
+Tränen rühren würde, dient nur dazu, ihr
+leeres Lachen hervorzurufen.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber du bist auch auf der Straße, Großvater.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ich bin auf der fröhlichen Pilgerfahrt zu dem
+Land, wo man alles verliert.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_144" title="144"> </a></p>
+
+<p class="character">Gesang des Großvaters</p>
+
+<div class="verse">Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren.</div>
+<div class="verse">Ich laure am Straßenrand auf den, der einen hinaus auf die Straße schickt,</div>
+<div class="verse">Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt,</div>
+<div class="verse">Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben,</div>
+<div class="verse">Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren.</div>
+
+<hr class="chap"/>
+<h2><a name="XIX" id="XIX">XIX.</a></h2>
+
+<p class="regie">Eine Straße. Sudarschana und Surangama.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Welche Erlösung, Surangama, welche Freiheit!
+Meine Niederlage ist es, die mir die Freiheit
+gebracht hat. Oh, was besaß ich für einen
+ehernen Stolz! Nichts konnte ihn rühren oder
+erweichen. Mein verfinsterter Geist konnte auf
+keine Weise dazu gebracht werden, die
+schlichte Wahrheit zu sehen, daß nicht der
+König zu kommen hatte, sondern daß ich zu
+ihm gehen sollte. Die ganze Nacht hindurch<a class="pagenum" name="Page_145" title="145"> </a>
+gestern lag ich allein im Staub auf dem Boden
+am Fenster &mdash; lag da trostlose Stunden lang
+und weinte! Die ganze Nacht bliesen die Südwinde
+und schrien und stöhnten wie die Qual,
+die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch
+hörte ich das klagende: „Sprich, Weib!”
+des Nachtvogels, das in dem Aufruhr draußen
+als Echo tönte!... Es war das hilflose Wehklagen
+der dunklen Nacht, Surangama!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Die schwere melancholische Weise der letzten
+Nacht schien eine Ewigkeit forttönen zu wollen
+&mdash; oh, welch trübe düstere Nacht!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Aber willst du es glauben &mdash; mir war, ich hörte
+die sanften Akkorde der Laute durch all den
+wilden Lärm und Aufruhr strömen! Konnte
+er so süße und zarte Weisen spielen, er, der
+so grausam und schrecklich ist? Die Welt
+kennt nur meine Entwürdigung und Schmach
+&mdash; aber keiner als mein eigenes Herz konnte
+diese Akkorde hören, die durch die einsame
+und klagende Nacht hin nach mir riefen. Hörtest<a class="pagenum" name="Page_146" title="146"> </a> du, Surangama, diese Laute auch? Oder
+war das nur ein Traum von mir?</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Aber eben um die Musik dieser Laute zu hören,
+bin ich ja immer an deiner Seite. Auf diesen
+Ruf der Musik, von dem ich wußte, er würde
+eines Tages kommen und all die Schranken
+der Liebe zunichte machen, habe ich mit
+gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Schließlich schickte er mich auf die Landstraße
+&mdash; ich konnte seinem Willen nicht
+widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die
+ersten Worte sein, die ich ihm sage: „Ich bin
+freiwillig gekommen &mdash; ich habe nicht abgewartet,
+bis du kamst.” Ich werde sagen: „Um
+deinetwillen bin ich die harten beschwerlichen
+Straßen gewandert, und bitter und unaufhörlich
+war auf dem ganzen Weg mein Weinen.”
+Ich werde wenigstens diesen Stolz in mir
+haben, wenn ich zu ihm komme.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er<a class="pagenum" name="Page_147" title="147"> </a>
+kam vor dir &mdash; wer sonst hätte dich auf die
+Straße schicken können?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefühl gekränkten
+Stolzes in mir war, mußte ich glauben,
+er hätte mich für immer verlassen; aber
+als ich meine Würde und meinen Stolz in die
+Winde schleuderte und auf die gemeinen
+Straßen hinausging, da schien es mir, als wäre
+auch er herausgekommen: ich habe angefangen,
+ihn zu finden, seit ich auf der Straße
+bin. Ich fürchte nun nichts mehr. All diese
+Leiden, durch die ich um seinetwillen hindurchgegangen
+bin, gerade die Bitterkeit all
+dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist
+gekommen, er hat mich bei der Hand genommen,
+gerade wie er es in jener Kammer
+der Dunkelheit gern tat, wo bei seiner Berührung
+all mein ganzer Leib in plötzlicher
+Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berührung
+wieder! Wer sagt, er sei nicht hier?
+&mdash; Surangama, kannst du nicht sehen, daß er
+gekommen ist, schweigend und insgeheim?...
+Wer ist jener dort? Sieh, Surangama, dort ist<a class="pagenum" name="Page_148" title="148"> </a>
+ein dritter Wanderer auf dieser dunklen
+Straße zu dieser nächtlichen Stunde.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Ich sehe, es ist der König von Kantschi, meine
+Königin.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Der König von Kantschi!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Fürchte dich nicht, meine Königin!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Fürchten! Warum sollte ich mich fürchten?
+Die Tage der Furcht sind für mich für immer
+vorbei.</p>
+
+<p class="character">Kantschi <span class="regie">(tritt auf)</span></p>
+
+<p>Mütterchen Königin, ich sehe euch beide auf
+dieser Straße! Ich bin ein Wanderer auf demselben
+Weg wie du. Habe keine Furcht vor
+mir, o Königin!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Es ist gut, König von Kantschi, daß wir zusammen
+gehen, Seite an Seite &mdash; das ist nur in
+Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst
+mein Heim verließ, und nun begegne ich<a class="pagenum" name="Page_149" title="149"> </a>
+dir wieder auf dem Rückweg. Wer hätte sich
+träumen lassen, daß diese unsre Begegnung
+voll so guter Verheißung war?</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Aber, Mütterchen Königin, es gebührt sich
+nicht, daß du zu Fuß über diese Straße wanderst.
+Willst du mir gestatten, einen Wagen
+für dich zu besorgen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Oh, sage das nicht: ich wäre nie wieder glücklich,
+wenn ich nicht auf meinem Rückweg
+nach Hause auf den Staub der Straße treten
+könnte, die mich von meinem König weggeführt
+hat. Ich würde mich selbst betrügen,
+wenn ich jetzt in einem Wagen fahren würde.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>König, auch du wanderst heute im Staub: diese
+Straße hat niemals einen gekannt, der Pferd
+oder Wagen über sie gelenkt hätte.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Als ich die Königin war, schritt ich auf Silber
+und Gold &mdash; ich habe nun für das Unglück
+meiner königlichen Geburt zu büßen, indem<a class="pagenum" name="Page_150" title="150"> </a>
+ich auf Staub und nackter Erde wandre. Ich
+hätte mir nicht träumen lassen, daß ich heute
+bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub
+der Erde meinen König finden würde.</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Sieh, meine Königin, dort im Osten dämmert
+der Morgen. Wir haben nicht mehr lange zu
+wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen
+Türme des Königspalastes.</p>
+
+<p class="regie">Der Großvater tritt auf.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Mein Kind, es tagt &mdash; endlich!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben,
+und hier bin ich nun.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber siehst du, was für schlechte Manieren
+unser König hat? Er hat keinen Wagen geschickt,
+keine Musik, nichts von Glanz und
+Pracht.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der
+Himmel ist rosig und purpurn über und über,<a class="pagenum" name="Page_151" title="151"> </a>
+und die Luft ist voll von dem Willkommgruß
+der Blumendüfte.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Ja, aber so grausam unser König sein mag,
+dürfen wir doch nicht suchen, mit ihm zu
+wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht
+erwehren, wenn ich dich in diesem Zustand
+sehe, mein Kind. Wie können wir ertragen,
+dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet
+in den Königspalast eingehn zu sehen?
+Warte etwas &mdash; ich laufe und hole dir deine
+Königsgewänder.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O nein, nein, nein! Er hat diese Königskleider
+für immer von mir genommen &mdash; er hat mich
+vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid
+einer Magd gekleidet: welche Erlösung ist das
+für mich gewesen! Ich bin nun seine Magd,
+nicht länger seine Königin. Heute stehe ich
+tiefer als alle die, die irgendeine Verwandtschaft
+mit ihm beanspruchen können.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Aber deine Feinde werden nun über dich
+lachen: wie kannst du ihren Spott ertragen?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_152" title="152"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Laß ihr Gelächter und ihren Spott unauslöschlich
+sein &mdash; laß sie auf den Straßen Staub
+nach mir werfen: dieser Staub wird heute der
+Puder sein, mit dem ich mich schmücken will,
+ehe ich meinem Herrn entgegentrete.</p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun
+wollen wir das letzte Spiel unsres Frühlingsfestes
+spielen &mdash; anstatt mit Blütenstaub soll
+der Südwind alles mit dem Staub der Demut
+überschütten! Wir werden zum Herrn gehen,
+gekleidet in das gemeine Grau des Staubes.
+Und wir werden auch ihn über und über mit
+Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die
+Leute schonen ihn? Selbst er kann ihren
+schmutzigen und staubigen Händen nicht entgehen,
+und er denkt nicht einmal daran, den
+Schmutz von seinen Kleidern zu bürsten.</p>
+
+<p class="character">Kantschi</p>
+
+<p>Großvater, vergiß mich nicht in deinem Spiel!
+Ich will auch dies mein Königsgewand beschmutzen
+lassen, bis es nicht mehr zu erkennen
+ist.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_153" title="153"> </a></p>
+
+<p class="character">Großvater</p>
+
+<p>Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder.
+Nun du so tief heruntergekommen bist,
+wirst du deine Farbe in kürzester Frist
+wechseln. Sieh nur unsre Königin an &mdash; sie
+geriet in Zorn gegen sich selbst und dachte,
+sie könnte ihre unvergleichliche Schönheit zerstören,
+indem sie all ihren Schmuck wegwarf:
+aber diese Beleidigung ihrer Schönheit ließ sie
+in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist
+sie in dieser Schmucklosigkeit zur Vollendung
+gelangt. Unser König selbst ist gestaltlos und
+ohne Schönheit, darum liebt er sie in seinen
+mannigfachen Erscheinungen als seinen höchsten
+Schmuck. Und diese Schönheit hat heute
+den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan!
+Was gäbe ich nicht darum, wenn ich die wunderbare
+Musik und den Gesang hören dürfte,
+der heute meines Königs Palast erfüllt!</p>
+
+<p class="character">Surangama</p>
+
+<p>Seht, dort geht die Sonne auf!</p>
+
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_154" title="154"> </a></p>
+
+<h2><a name="XX" id="XX">XX.</a></h2>
+
+<p class="regie">Die dunkle Kammer.</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Herr, gib mir die Ehre nicht zurück, die du
+mir einmal genommen hast! Ich bin die Magd
+deiner Füße &mdash; ich suche kein andres Vorrecht,
+als dir zu dienen.</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen?</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stieß
+mich zurück, weil ich dich im Lustgarten, in
+meinen fürstlichen Gemächern gesucht hatte:
+da sieht noch dein geringster Diener gefälliger
+aus als du. Dieses Fieber des Verlangens hat
+meine Augen für immer verlassen. Du bist
+nicht schön, o Herr &mdash; du stehst über allem
+Vergleich!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir
+selbst.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_155" title="155"> </a></p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich.
+Deine Liebe lebt in mir &mdash; du wirst gespiegelt
+in dieser Liebe, und du siehst dein
+Antlitz abgebildet in mir: nichts davon mein,
+es ist alles dein, o Herr!</p>
+
+<p class="character">König</p>
+
+<p>Ich öffne heute die Tür dieser dunklen
+Kammer &mdash; das Spiel hier ist zu Ende! Komm,
+komm jetzt mit mir, komm hinaus &mdash; <em>ins
+Licht</em>!</p>
+
+<p class="character">Sudarschana</p>
+
+<p>Ehe ich gehe, laß mich dir zu Füßen mich
+beugen, o Herr des Dunkels, du Grausamer,
+Furchtbarer, Unvergleichlicher!</p>
+
+<p class="gesperrt center">ENDE</p>
+
+<p class="footnote space-above">
+
+<a name="Footnote_A_1" id="Footnote_A_1"></a><a href="#FNanchor_A_1">[A]</a> Während des indischen Frühlingsfestes bewirft man
+sich gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stück
+wird der rote Puder als Symbol der Liebesleidenschaft
+genommen.</p>
+
+<div class="transcribers-note space-above">
+<p class="center">Anmerkung zur Transkription:</p>
+<p>Auf <a href="#Page_19">Seite 19</a> wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklärst <span class="u">du</span> du das
+ohne einen König?').</p>
+</div>
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Der König der dunklen Kammer, by
+Rabindranath Tagore
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KÖNIG DER DUNKLEN KAMMER ***
+
+***** This file should be named 44250-h.htm or 44250-h.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ http://www.gutenberg.org/4/4/2/5/44250/
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
+protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
+charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you
+do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
+practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
+
+
+
+*** START: FULL LICENSE ***
+
+THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
+PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
+
+To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
+distribution of electronic works, by using or distributing this work
+(or any other work associated in any way with the phrase "Project
+Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
+Gutenberg-tm License available with this file or online at
+ www.gutenberg.org/license.
+
+
+Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
+electronic works
+
+1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
+electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
+and accept all the terms of this license and intellectual property
+(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
+the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
+all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession.
+If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
+Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
+terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
+entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
+
+1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
+used on or associated in any way with an electronic work by people who
+agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
+
+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
+individual work is in the public domain in the United States and you are
+located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
+copying, distributing, performing, displaying or creating derivative
+works based on the work as long as all references to Project Gutenberg
+are removed. Of course, we hope that you will support the Project
+Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by
+freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
+this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with
+the work. You can easily comply with the terms of this agreement by
+keeping this work in the same format with its attached full Project
+Gutenberg-tm License when you share it without charge with others.
+
+1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
+what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in
+a constant state of change. If you are outside the United States, check
+the laws of your country in addition to the terms of this agreement
+before downloading, copying, displaying, performing, distributing or
+creating derivative works based on this work or any other Project
+Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning
+the copyright status of any work in any country outside the United
+States.
+
+1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:
+
+1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate
+access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently
+whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the
+phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project
+Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
+copied or distributed:
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived
+from the public domain (does not contain a notice indicating that it is
+posted with permission of the copyright holder), the work can be copied
+and distributed to anyone in the United States without paying any fees
+or charges. If you are redistributing or providing access to a work
+with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
+work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1
+through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
+Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or
+1.E.9.
+
+1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
+with the permission of the copyright holder, your use and distribution
+must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
+terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked
+to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the
+permission of the copyright holder found at the beginning of this work.
+
+1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
+License terms from this work, or any files containing a part of this
+work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
+
+1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
+electronic work, or any part of this electronic work, without
+prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
+active links or immediate access to the full terms of the Project
+Gutenberg-tm License.
+
+1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
+compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any
+word processing or hypertext form. However, if you provide access to or
+distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than
+"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version
+posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org),
+you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
+copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
+request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other
+form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm
+License as specified in paragraph 1.E.1.
+
+1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
+performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
+unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
+
+1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
+access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
+that
+
+- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
+ the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
+ you already use to calculate your applicable taxes. The fee is
+ owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
+ has agreed to donate royalties under this paragraph to the
+ Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments
+ must be paid within 60 days following each date on which you
+ prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
+ returns. Royalty payments should be clearly marked as such and
+ sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
+ address specified in Section 4, "Information about donations to
+ the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
+
+- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
+ you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
+ does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
+ License. You must require such a user to return or
+ destroy all copies of the works possessed in a physical medium
+ and discontinue all use of and all access to other copies of
+ Project Gutenberg-tm works.
+
+- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
+ money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
+ electronic work is discovered and reported to you within 90 days
+ of receipt of the work.
+
+- You comply with all other terms of this agreement for free
+ distribution of Project Gutenberg-tm works.
+
+1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
+electronic work or group of works on different terms than are set
+forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
+both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
+Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
+Foundation as set forth in Section 3 below.
+
+1.F.
+
+1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
+effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
+public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
+collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
+works, and the medium on which they may be stored, may contain
+"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
+corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
+property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
+computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
+your equipment.
+
+1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
+of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
+Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
+Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
+liability to you for damages, costs and expenses, including legal
+fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
+LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
+PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
+TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
+LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
+INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
+DAMAGE.
+
+1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
+defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
+receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
+written explanation to the person you received the work from. If you
+received the work on a physical medium, you must return the medium with
+your written explanation. The person or entity that provided you with
+the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
+refund. If you received the work electronically, the person or entity
+providing it to you may choose to give you a second opportunity to
+receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy
+is also defective, you may demand a refund in writing without further
+opportunities to fix the problem.
+
+1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
+
+1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
+warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
+If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
+law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
+
+1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
+providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
+with this agreement, and any volunteers associated with the production,
+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit www.gutenberg.org/donate
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
+
+
+</pre>
+
+</body>
+</html>
diff --git a/old/44250-h/images/cover_ebook.jpg b/old/44250-h/images/cover_ebook.jpg
new file mode 100644
index 0000000..37f7d66
--- /dev/null
+++ b/old/44250-h/images/cover_ebook.jpg
Binary files differ