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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-14 18:38:03 -0700 |
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Fritzsche in Leipzig + + + + +PERSONEN + + + Der König + + Königin Sudarschana + + König von Kanya Kubja, ihr Vater + + Avanti } + } + Koschala } + } + Kantschi } + } + Vidarbha } Könige + } + Kalinga } + } + Pantschala } + } + Virat } + + Surangama } Ehrendamen der + } + Rohini } Königin + + Virupakscha } + } Bürger + Vischu } + + Janardan } + } + Kaundilya } Reisende + } + Bhavadatta } + + Kumbha } + } + Madhav } Landleute + } + Vivajadatta } + + Der Großvater + + Der tolle Freund + + Minister } + } + Bote } des Königs Kanya Kubja + } + Türhüter } + + Dienerin der Königin Sudarschana + + Erster } + } Gärtner + Zweiter } + + Stadtwächter + + Suvarna, der falsche König + + Erster } + } Herold des »Königs« + Zweiter } + + Bürger, Landleute, Gärtner, Knaben + + Reisende, Wachen. + + + + +I. + + +Eine Straße. + +Etliche Reisende und ein Stadtwächter. + +_Erster Mann_ + +He, Mann! + +_Stadtwächter_ + +Was wollt ihr? + +_Zweiter Mann_ + +Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind hier fremd. Bitte, sage uns, +welches die rechte Straße ist. + +_Stadtwächter_ + +Wohin wollt ihr gehn? + +_Dritter Mann_ + +Wo dieses große Fest stattfinden soll, weißt du. Welchen Weg gehen wir? + +_Stadtwächter_ + +Eine Straße ist hier genau so gut wie die andre. Jede Straße wird euch +hinführen. Geht geradeaus, und ihr könnt den Ort nicht verfehlen. + +Ab. + +_Erster Mann_ + +Hört nur, was der Narr sagt: »Jede Straße wird euch hinführen!« Was +hätte das dann für einen Sinn, so viele Straßen zu haben? + +_Zweiter Mann_ + +Du brauchst darüber nicht so außer dir zu sein, mein Lieber. Es steht +einem Land frei, seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten. Was +Straßen betrifft in unserm Land -- nun, so sind so gut wie keine +vorhanden; enge, krumme Gäßchen, ein Labyrinth von Wagen- und Fußspuren. +Unser König glaubt nicht an freie Fahrstraßen; er meint, so viele +Straßen im Land, so viele Ausgänge für seine Untertanen, seinem +Königreich zu entfliehen. Hier ist es gerade das Umgekehrte; niemand +steht einem im Weg, niemand hat etwas dagegen, daß man anderswohin geht, +wenn man Lust hat; und doch denken die Leute nicht daran, dieses Reich +zu verlassen. Bei solchen Straßen wäre unser Land sicher in kürzester +Frist entvölkert. + +_Erster Mann_ + +Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt, daß das ein großer Fehler +an deinem Charakter ist. + +_Janardan_ + +Was denn? + +_Erster Mann_ + +Daß du immer auf dein Land sticheln mußt. Wie kannst du glauben, freie +Landstraßen könnten für ein Land gut sein? Sieh einmal, Kaundilya, +da ist ein Mann, der tatsächlich glaubt, freie Landstraßen seien die +Rettung für ein Land. + +_Kaundilya_ + +Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst von neuem festzustellen, +daß Janardan mit einem merkwürdig schiefen Verstand gesegnet ist, der +ihn sicher eines Tages in Gefahr bringen wird. Wenn der König von unserm +werten Freund zu hören bekommt, wird er es ihm nicht gerade leicht +machen, einen zu finden, der für sein Begräbnis sorgt, wenn er tot ist. + +_Bhavadatta_ + +Man hat doch das Gefühl, daß das Leben in diesem Lande recht schwer sein +muß; man vermißt die Freuden der Einsamkeit in diesen Straßen -- dieses +Drängen und Schulterstreifen mit fremden Menschen bei Tag und Nacht läßt +einen nach einem Bad verlangen. Und mit was für einer Sorte Menschen mag +man auf diesen öffentlichen Wegen zusammenkommen -- puh! + +_Kaundilya_ + +Und gerade Janardan hat uns überredet, in dieses kostbare Land zu +kommen! Wir hatten nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer Familie. +Du hast meinen Vater natürlich gekannt; er war ein großer Mann, ein +frommer Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes Leben innerhalb +eines Kreises von 49 Ellen Radius, der mit peinlicher Befolgung der +Gebote der heiligen Schriften gezogen war, und nie überschritt er diesen +Kreis auch nur ein einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich eine +ernsthafte Schwierigkeit -- wie sollte man ihn innerhalb der Grenzen +der 49 Ellen und doch außerhalb des Hauses verbrennen? Schließlich +entschieden die Priester, daß wir zwar nicht über die Schriftzahl +hinausgehen durften, daß es aber einen Weg aus der Schwierigkeit gab, +die Ziffer umzukehren und 94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn +außerhalb des Hauses verbrennen, ohne die heiligen Bücher zu verletzen. +Auf mein Wort, _das_ war genaue Befolgung! Unser Land hat wirklich nicht +leicht seinesgleichen. + +_Bhavadatta_ + +Und doch will Janardan, der dem nämlichen Boden entstammt, uns +weismachen, freie Landstraßen seien das beste für ein Land. + +Die Fremden gehen ab. + +Der Großvater mit einer Knabenschar tritt auf. + +_Großvater_ + +Jungen, heute müssen wir es mit dem wilden Südwind aufnehmen -- und wir +wollen uns nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis wir mit unsern +Jubelliedern alle Straßen überflutet haben. + +_Lied_ + + Das Südtor ist entriegelt. Komm, mein Frühling, komm! + Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frühling, komm! + Komm in den lispelnden Blättern, in den Blüten, die froh sich + verschwenden; + Komm in den Flötenliedern und den sehnenden Seufzern der Wälder! + Laß dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein + Frühling, komm! + +Ab. + +Eine Schar von Bürgern tritt auf. + +_Erster Bürger_ + +Schließlich kann man nur wünschen, daß der König sich wenigstens an +diesem einen Tag hätte sehen lassen. Es ist doch sehr schade: man lebt +in seinem Königreich und hat ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen! + +_Zweiter Bürger_ + +Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses Geheimnisses! Ich könnte ihn +dir sagen, wenn du schweigen könntest. + +_Erster Bürger_ + +Lieber Freund, wir wohnen beide im nämlichen Stadtviertel, aber hast +du je gehört, daß ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert hätte? +Natürlich, die Sache damals, als dein Bruder beim Graben eines Brunnens +einen Schatz gefunden hatte -- nun, du weißt ganz gut, warum ich darüber +reden mußte. Du kennst den ganzen Zusammenhang. + +_Zweiter Bürger_ + +Natürlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn kenne, frage ich, könntest du +schweigen? Weißt du, es könnte Verderben für uns alle bedeuten, wenn du +ein einziges Mal davon sprächest. + +_Dritter Bürger_ + +Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha! Warum brennst du darauf, ein +Unheil herbeizuführen, das bis jetzt nur geschehen _kann_? Wer wird die +Verantwortung auf sich nehmen wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben +lang zu wahren? + +_Virupakscha_ + +Es war nur, weil die Rede darauf kam -- also gut, ich werde nichts +sagen. Ich bin nicht der Mann, der unnütz redet. Ihr hattet selbst +die Frage aufs Tapet gebracht, daß der König sich nie zeigt; und ich +bemerkte bloß, es sei nicht umsonst, daß der König sich vor dem Blick +der Öffentlichkeit verschließt. + +_Erster Bürger_ + +Bitte, sag uns, warum, Virupakscha. + +_Virupakscha_ + +Natürlich nehme ich keinen Anstand, es euch zu sagen -- wir sind ja +alle gute Freunde, nicht wahr? Das kann nicht gefährlich sein. (_Mit +leiser Stimme:_) Der König -- ist -- häßlich --, so hat er den Entschluß +gefaßt, sich seinen Untertanen nie zu zeigen. + +_Erster Bürger_ + +Hah! Das ist es! Das muß es sein. Wir haben uns immer gewundert..., der +bloße Anblick eines Königs läßt die Menschen in allen Ländern vor Furcht +zittern wie Espenlaub; warum sollte da _unser_ König sich von keinem +sterblichen Auge je sehen lassen? Selbst wenn er nur herauskäme, um uns +alle zum Galgen zu verdammen, könnten wir sicher sein, daß unser König +kein Trug ist. Schließlich scheint mir Virupakschas Erklärung doch ganz +einleuchtend. + +_Dritter Bürger_ + +Nicht die Spur -- ich glaube keine Silbe davon. + +_Virupakscha_ + +Wie, Vischu, willst du sagen, ich wäre ein Lügner? + +_Vischu_ + +Das gerade nicht -- aber ich kann deine Theorie nicht annehmen. +Entschuldige mich, ich kann nichts dafür, wenn ich ein bißchen grob und +plump scheine. + +_Virupakscha_ + +Kein Wunder, daß du an meine Worte nicht glauben kannst -- wo du dich +weise genug dünkst, die Meinungen deiner Eltern und Oberen zu verwerfen. +Wie lange, glaubst du, hättest du in diesem Lande bleiben dürfen, wenn +der König nicht im Verborgenen bliebe? Du bist nicht besser als ein +offenkundiger Ketzer. + +_Vischu_ + +Mein lieber Pfeiler der Rechtgläubigkeit! Glaubst du, irgendein anderer +König hätte gezögert, dir die Zunge abschneiden und sie den Hunden zum +Fraß vorwerfen zu lassen? Und du hast die Stirne, zu sagen, unser König +wäre den Augen ein Greuel? + +_Virupakscha_ + +Hör einmal, Vischu, willst du deine Zunge im Zaum halten? + +_Vischu_ + +Man braucht wohl nicht erst festzustellen, wessen Zunge einen Zaum +braucht. + +_Erster Bürger_ + +Jetzt wird die Sache gefährlich. Da mache ich lieber nicht mit. + +Ab. + +Eine Zahl Männer tritt auf, die in lärmendem Übermut _Großvater_ mit +sich schleppen. + +_Zweiter Bürger_ + +Großpapa, etwas fällt mir heute auf... + +_Großvater_ + +Was ist es? + +_Zweiter Bürger_ + +Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu unserm Fest entsandt, doch +jedweder fragt: »Alles ist reizend und schön -- wo aber ist euer König?« +und wir wissen nicht, was wir antworten sollen. Das ist die eine große +Lücke, die sich jedem in unserm Lande fühlbar machen muß. + +_Großvater_ + +»Lücke«, sagst du! Wie, das ganze Land ist ganz erfüllt und geladen und +gestopft voll von dem König: und du nennst ihn eine »Lücke«! Wie, er hat +jeden einzigen unter uns zum gekrönten König gemacht! + +_Gesang_ + + Wir sind alle Könige im Königreich unsres Königs. + Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will; + Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Füßen. + Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + Unser König ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst. + Keine Armseligkeit kann uns für immer umschließen mit ihren Wällen + der Lüge. + Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + Wir bahnen uns mühsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am + Ende. + Wir können nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht. + Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + +_Dritter Bürger_ + +Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen nicht mit anhören, die die +Leute über unsern König sagen, bloß weil er sich nicht öffentlich zeigt. + +_Erster Bürger_ + +Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt, kann bestraft werden, +während niemand einem Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfällt, +auf den König zu schimpfen. + +_Großvater_ + +Der Schimpf kann den König nicht treffen. Mit einem bloßen Hauch kannst +du die Flamme ausblasen, die eine Lampe von der Sonne borgt, aber +wenn auch die ganze Welt versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr +strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwächt wie zuvor. + +Vischu und Virupakscha treten auf. + +_Vischu_ + +Da ist der Großvater! Hör doch, dieser Mann geht herum und erzählt +jedem, unser König käme nicht heraus, weil er häßlich wäre. + +_Großvater_ + +Aber warum macht dich das ärgerlich, Vischu? _Sein_ König muß häßlich +sein, denn wie könnte sonst Virupakscha in seinem Königreich so ein +Gesicht haben? Er formt seinen König nach seinem Bilde, wie er es im +Spiegel sieht. + +_Virupakscha_ + +Großvater, ich will keine Namen nennen, aber keinem würde es einfallen, +dem nicht zu glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute. + +_Großvater_ + +Bist du selbst denn nicht die beste Autorität?! + +_Virupakscha_ + +Aber ich könnte dir Beweise geben... + +_Erster Bürger_ + +Die Unverschämtheit dieses Burschen kennt keine Grenzen! Nicht +zufrieden, mit dreister Stirn ein abscheuliches Gerücht zu verbreiten, +will er seine Lügen mit Frechheit aufwägen. + +_Zweiter Bürger_ + +Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Länge das Maß hier am Boden? + +_Großvater_ + +Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl feiert sein Fest auf seine Art, +indem er die Häßlichkeit seines Königs besingt. Geh nur, Virupakscha, +du wirst eine Menge Leute finden, die bereit sind, dir zu glauben! Viel +Glück in ihrer Gesellschaft. + +Sie gehen ab. + +Die _Gesellschaft der Fremden_ tritt wieder auf. + +_Bhavadatta_ + +Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, daß dieses Volk überhaupt keinen König +hat. Sie haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gerücht in Umlauf zu +halten. + +_Kaundilya_ + +Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle, daß das Höchste, was einem +in jedem Lande ins Auge fällt, der König ist, der natürlich keine +Gelegenheit versäumt, sich sehen zu lassen. + +_Janardan_ + +Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in dem ganzen Orte herrscht -- +wie erklärst du das ohne einen König? + +_Bhavadatta_ + +So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen bist, und hast so +lange unter einem Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen König, wenn +man schon Zucht und Ordnung hätte? + +_Janardan_ + +All diese Menschen sind versammelt, um auf diesem Fest froh zu sein. +Meinst du, sie könnten dergestalt in einem Lande der Anarchie zusammen +kommen? + +_Bhavadatta_ + +Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewöhnlich, worum es sich in +Wirklichkeit handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da gibt es keine +Frage und auch die Festesfreude ist klar genug: soweit besteht keine +Schwierigkeit. Aber wo ist der König? Hast du ihn gesehen? Das mußt du +uns sagen. + +_Janardan_ + +Was ich zu sagen habe, ist dieses: man weiß aus Erfahrung, daß Chaos und +Anarchie sein kann, selbst wo ein König da ist: aber was sehen wir hier? + +_Kaundilya_ + +Immer kommst du mit deinen Ausflüchten. Warum kannst du nicht auf +Bhavadattas Frage eine gerade Antwort geben -- Hast du den König +gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen! Ja oder nein? + +Sie gehen ab. + +Eine Schar von Männern tritt auf und singt. + +_Lied_ + + Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen, + Darum erblick ich ihn allüberall, + Er wohnt in der Tiefe meiner Augen, + Darum erblick ich ihn allüberall. + Ich wanderte weit, seine Worte zu hören, + Ach, aber vergebens! + Als ich heimkam, hörte ich sie + In meinen eigenen Liedern. + Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tür zu Tür! + Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Tränen meiner + Augen! + +_Herolde_ und _Leibwächter_ des _Königs_ treten auf. + +_Erster Herold_ + +Platz da! Räumt die Straße, allesamt! + +_Erster Bürger_ + +Oho, Mann, wofür hältst du dich? Angeboren scheint dir dieser stolze +Schritt nicht gerade zu sein, mein Freund. -- Warum Platz da, werter +Herr? Warum sollen wir von der Stelle weichen? Sind wir Straßenhunde, +oder was sonst? + +_Zweiter Herold_ + +Der König kommt dieses Wegs. + +_Zweiter Bürger_ + +König? Was für ein König? + +_Erster Herold_ + +Unser König, der König dieses Landes. + +_Erster Bürger_ + +Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehört, daß unser König herauskam +und sich solche Schreier zu Herolden wählte. + +_Zweiter Herold_ + +Der König will sich nicht länger seinen Untertanen entziehen. Er kommt, +um das Fest selbst zu leiten. + +_Zweiter Bürger_ + +Bruder, verhält sich das so? + +_Zweiter Herold_ + +Sieh hin, dort flattert sein Banner. + +_Zweiter Bürger_ + +Ah, wirklich, das ist eine Fahne. + +_Zweiter Herold_ + +Siehst du die rote _Kimschuk_-Blüte darauf gemalt? + +_Zweiter Bürger_ + +Ja, ja, es ist wirklich der _Kimschuk_! -- welch strahlende +Scharlachblüte! + +_Erster Herold_ + +Nun also, glaubst du uns nun? + +_Zweiter Bürger_ + +Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht. Der Bursche da, Kumbha, hat +den ganzen Lärm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt? + +_Erster Herold_ + +Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist er vielleicht ganz leer; du +weißt, ein leerer Topf dröhnt am lautesten. + +_Zweiter Herold_ + +Was ist das für einer? Ist er irgendwie mit euch verwandt? + +_Zweiter Bürger_ + +Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter vom Schwiegervater +unsres Dorfschulzen, und er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres +Dorfes wie wir. + +_Zweiter Herold_ + +Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten Grades von irgend +jemandes Schwiegervater, und sein Verständnis scheint auch den Stempel +der Schwiegeronkelschaft zu tragen. + +_Kumbha_ + +Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer hat meinem armen Geist einen +Stoß versetzt, bis er so geworden ist. Erst unlängst kam ein König +und prunkte in den Straßen und sandte so viele Titel vor sich her wie +Trommeln, die durch ihren Lärm den Aufenthalt in der Stadt unerträglich +machten... Was tat ich nicht alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen +zu sein! Ich überschüttete ihn mit Geschenken, ich hing mich an ihn wie +ein Bettler -- und schließlich fand ich den Druck auf meine Einnahmen +zu schwer zu tragen. Aber was war das Ende der ganzen Pracht und +Majestät? Als man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte, da konnte er im +Kalender keinen einzigen günstigen Tag entdecken: obschon alle Tage rot +angestrichen waren, wenn _wir_ unsre Steuern zu zahlen hatten! + +_Zweiter Herold_ + +Willst du etwa zu verstehen geben, unser König wäre ein falscher König +wie der, den du beschrieben hast? + +_Erster Herold_ + +Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der Zeit für dich, dem +Schwiegertantchen Adieu zu sagen. + +_Kumbha_ + +Bitte, ihr Herren, seid nicht böse. Ich bin ein armes Geschöpf -- ich +bitte ergebenst um Entschuldigung, ihr Herren: ich will alles dazu tun. +Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen, wie es euch beliebt. + +_Zweiter Herold_ + +Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier. Der König wird gleich +kommen -- wir wollen gehen und ihm den Weg bereiten. + +Sie gehen weiter. + +_Zweiter Bürger_ + +Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch einmal dein Tod sein. + +_Kumbha_ + +Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es ist Schicksal. Als der +falsche König auftrat, sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das +nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen der Unschuld über meine +eigenen Füße zu stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche König +gekommen ist, muß ich glattweg Hochverrat in den Tag reden. Es ist +Schicksal, lieber Freund! + +_Madhav_ + +Mein Grundsatz ist, dem König immer zu gehorchen -- es macht nichts aus, +ob er ein echter oder falscher ist. Was wissen wir von Königen, daß wir +über sie urteilen sollten! Es ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine +wirft -- man ist fast sicher, sein Ziel zu treffen. Ich gehorche immerzu +und huldige -- ist es ein richtiger König, gut und schön; wenn nicht, +was schadet es? + +_Kumbha_ + +Mir wäre es schon einerlei, wenn die Steine nichts weiter als Steine +wären. Aber es sind oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, führt uns +Verschwendung schließlich zu Armut, mein Freund. + +_Madhav_ + +Da sieh! Da kommt der König! Ah, ein König wahrhaftig! Was für eine +Gestalt, was für ein Gesicht! Wer hat je solch eine Schönheit gesehen +-- weiß wie eine Lilie und sanft wie ein Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was +meinst du nun? + +_Kumbha_ + +Er sieht schon recht aus -- ja, soviel ich beurteilen kann, mag er schon +der rechte König sein. + +_Madhav_ + +Er sieht aus, als wäre er fürs Königsein gegossen und geschnitzt, diese +Gestalt ist zu zart und erlesen für das gemeine Licht des Tages. + +Der »König« tritt auf. + +_Madhav_ + +Heil und Sieg geleite dich, o König! Wir stehen hier seit dem frühen +Morgen, um dich zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestät zu Gnaden, vergeßt +uns nicht! + +_Kumbha_ + +Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen und Großvater holen. + +Ab. + +Eine andere Schar Männer tritt auf. + +_Erster Mann_ + +Der König, der König! Kommt her, schnell, der König geht dieses Wegs. + +_Zweiter Mann_ + +Vergiß mich nicht, o König! Ich bin Vivajadatta, der Enkel Udayadattas +von Kushalivastu. Ich bin auf die erste Kunde, daß du kämest, hierher +geeilt -- ich hielt nicht an, um zu hören, was die Leute sagten: all die +Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o Monarch, und brachte mich +her. + +_Dritter Mann_ + +Unsinn! Ich bin früher hier gewesen als du -- vor dem Hahnenschrei. Wo +stecktest du denn da? O König, ich bin Bhadrasena, von Vikramasthali. +Geruhe, deinen Diener in deinem Gedächtnis zu bewahren! + +_König_ + +Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und Ergebenheit. + +_Vivajadatta_ + +Majestät, groß ist die Zahl der Klagen und Beschwerden, die wir dir +vorzutragen haben: an wen hätten wir uns so lange mit unsern Gesuchen +wenden sollen, solange wir deiner erhabenen Gegenwart nicht nahen +durften? + +_König_ + +All euren Beschwerden soll abgeholfen werden. + +Ab. + +_Erster Mann_ + +Es führt zu nichts, uns hinten herumzudrücken, Jungen -- der König wird +uns aus den Augen verlieren, wenn wir uns in den Pöbel mischen. + +_Zweiter Mann_ + +Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut! Er hat sich durch uns alle +hindurchgedrängt und fächelt jetzt dem König eifrig mit einem Palmblatt +Kühlung zu! + +_Madhav_ + +Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses Menschen nimmt einem den +Atem. + +_Zweiter Mann_ + +Wir sollten den Kerl anpacken und von der Stelle schaffen -- ist er +berufen, neben dem König zu stehen? + +_Madhav_ + +Bildest du dir ein, der König durchschaut ihn nicht? Seine +Untertänigkeit ist doch ein bißchen zu dick aufgetragen. + +_Erster Mann_ + +Unsinn! Könige können Heuchler nicht wittern wie unsereins -- es sollte +mich nicht wundern, wenn der König sich von dem unermüdlichen Fächeln +dieses Narren einfangen ließe. + +Kumbha und Großvater treten auf. + +Ich sage dir -- er ist jetzt eben durch diese Straße gekommen. + +_Großvater_ + +Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines Königtums? + +_Kumbha_ + +O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht einer oder zwei, sondern +Hunderte und Tausende auf beiden Seiten der Straße haben ihn mit eigenen +Augen gesehen. + +_Großvater_ + +Das eben macht die ganze Sache verdächtig. Wann wäre _unser_ König +je drauf ausgegangen, die Augen des Volks durch Pomp und Gepränge zu +blenden? Er ist nicht der König, solch einen Spektakel zu erregen, wenn +er durch das Land reist. + +_Kumbha_ + +Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser wichtigen Gelegenheit zu +tun: das kann man nicht sicher wissen. + +_Großvater_ + +O ja, man kann! Mein König kennt keine Wetterfahnenlaune und neigt nicht +zu phantastischen Einfällen. + +_Kumbha_ + +Aber Großvater, ich wollte nur, ich könnte ihn dir beschreiben! So +sanft, so zart und fein wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte +es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen, ihn mit meinem ganzen Leibe zu +schützen. + +_Großvater_ + +Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist! _Mein_ König eine +Wachspuppe, und _du_ ihn schützen! + +_Kumbha_ + +Aber im Ernst, Großpapa, er ist ein herrlicher Gott, ein Wunder an +Schönheit: ich finde keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung, +die neben seiner unvergleichlichen Lieblichkeit bestehen könnte. + +_Großvater_ + +Wenn es meinem König beliebte, sich zu zeigen, würden deine Augen ihn +nicht bemerken. Er würde nicht dergestalt über die andern hervorragen -- +er ist einer aus dem Volk, er mischt sich unter den gemeinen Pöbel. + +_Kumbha_ + +Aber sagte ich dir nicht, daß ich sein Banner gesehen habe? + +_Großvater_ + +Was für ein Zeichen trug sein Banner? + +_Kumbha_ + +Es war eine rote _Kimschuk_-Blüte darauf gemalt -- das hell leuchtende +Rot blendete meine Augen. + +_Großvater_ + +_Mein_ König führt einen Donnerkeil in einem Lotus in seinem Banner. + +_Kumbha_ + +Aber alle sagen sie, der König sei zu diesem Feste gekommen: _alle_. + +_Großvater_ + +Gewiß ist er das: aber er hat keine Herolde, kein Heer, kein Gefolge, +keine Musikbanden und keine Laternen, die ihn begleiten. + +_Kumbha_ + +So könnte ihn, scheint's, niemand in seinem Inkognito erkennen. + +_Großvater_ + +Vielleicht gibt es ein paar, die es können. + +_Kumbha_ + +Und die ihn erkennen -- gewährt ihnen der König alles, was sie begehren? + +_Großvater_ + +Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird je den König kennen. Der +größere Bettler sieht in den Augen des kleineren Bettlers wie ein König +aus. O Narr, der Mann, der heute auf die Straße gegangen ist, in Purpur +und Gold angetan, um dich anzubetteln -- ihn posaunst du als deinen +König aus! ... Ah, da kommt mein toller Freund! O kommt, meine Brüder! +wir dürfen den Tag nicht mit eitlem Streiten und Schwatzen verbringen -- +geben wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzücken hin! + +Der tolle Freund tritt auf, singend. + +Lächelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brüder? Ich streife herum und suche +den goldenen Hirsch! Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfuß, und immer +entwischt er mir! + +Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon ist er weg, der wilde +Waldvagabund! Nahe dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewölk von +Dunst und Staub bleibt dir zurück! Doch streif ich herum und suche den +goldenen Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen mag in dieser Wildnis! +Oh, ich streife und wandre durch Wälder und Felder und namenlose Gefilde +wie ein rastloser Landstreicher und denk nicht an Umkehr. + +Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und kehrt heim mit Waren und +Vorrat beladen: mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren +Höhen gestreift und geküßt; ich weiß nicht wann und wo. + +All meine Habe hab ich von mir geworfen, um zu erlangen, was nie mein +worden ist! Und ihr wähnt, mein Klagen und meine Tränen gelten den +Dingen, die so ich verlor! + +Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich Kummer und Gram weit hinten +gelassen: Oh, ich streife und wandre durch Wälder und Felder und +namenlose Länder -- und denk nicht daran, meine Fahrt zu enden. + + + + +II. + + +Ein dunkles Gemach. Königin Sudarschana. Ihre Ehrendame, Surangama. + +_Sudarschana_ + +Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem Gemach nie die Lampe +entzündet werden? + +_Surangama_ + +Meine Königin, all deine andern Gemächer sind erleuchtet -- will es +dich nie verlangen, aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie diesen zu +entrinnen? + +_Sudarschana_ + +Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten werden? + +_Surangama_ + +Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit kennen würdest. + +_Sudarschana_ + +Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen Kammer bist du dazu gekommen, +dunkel und seltsam zu reden -- ich kann dich nicht verstehen, +Surangama. Sag mir aber, in welchem Teil des Palastes liegt dies +Gemach? Ich kann weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen noch den +Weg hinaus. + +_Surangama_ + +Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen der Erde. Der König hat +dies Gemach eigens um deinetwillen gebaut. + +_Sudarschana_ + +Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemächern -- warum brauchte er diese +dunkle Kammer eigens für mich machen lassen? + +_Surangama_ + +Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen: doch deinen Herrn nur +in diesem dunklen Gemach. + +_Sudarschana_ + +Nein, nein -- ich kann nicht leben ohne Licht -- ich habe keine Ruhe in +dieser erstickenden Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in diese +Kammer bringen kannst, schenke ich dir mein Halsband hier. + +_Surangama_ + +Es steht nicht in meiner Macht, o Königin. Wie kann ich Licht an einen +Ort bringen, den er immer im Dunkel gehalten haben will! + +_Sudarschana_ + +Seltsame Treue! Und doch -- ist es nicht wahr, daß der König deinen +Vater bestraft hat? + +_Surangama_ + +Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem Spiel ergeben. Alle jungen +Leute des Landes pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu kommen -- +und da tranken sie immer und spielten. + +_Sudarschana_ + +Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer Bedrückung, als der König +deinen Vater in die Verbannung schickte? + +_Surangama_ + +Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf dem Weg zu Untergang und +Vernichtung: als diese Bahn mir verschlossen war, schien ich mir ohne +irgendeine Hilfe zurückgeblieben, ohne Beistand noch Schutz. Ich raste +und tobte wie ein wildes Tier im Käfig -- wie verlangte es mich alles in +Stücke zu zerreißen in meiner ohnmächtigen Wut! + +_Sudarschana_ + +Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an eben den nämlichen König? + +_Surangama_ + +Wie kann ich es sagen? Vielleicht faßte ich Vertrauen zu ihm, gerade +_weil_ er so hart, so unbarmherzig war! + +_Sudarschana_ + +Wann trat dieser Stimmungswechsel ein? + +_Surangama_ + +Das könnte ich nicht sagen -- ich weiß das selbst nicht. Es kam ein Tag, +wo all der Aufruhr in mir sich geschlagen gab, und dann beugte sich +meine ganze Natur in demütiger Ergebung in den Staub der Erde. Und dann +sah ich ... ich sah, daß er an Schönheit ebenso ohnegleichen war wie an +Schrecknis. Oh, ich war gerettet, ich war erlöst. + +_Sudarschana_ + +Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst du mir nicht sagen, wie +der König aussieht? Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen. +Er kommt zu mir in Dunkelheit, und läßt mich wieder in diesem dunklen +Gemach zurück. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt -- aber sie +geben alle unbestimmte und dunkle Antworten -- es scheint mir, daß sie +alle mit etwas zurückhalten. + +_Surangama_ + +Die Wahrheit zu sagen, Königin, so könnte ich nicht gut angeben, wie er +aussieht. Nein -- er ist nicht, was man schön nennt. + +_Sudarschana_ + +Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht schön! + +_Surangama_ + +Nein, meine Königin, er ist nicht schön. Ihn schön zu nennen, wäre viel +zu wenig von ihm gesagt. + +_Sudarschana_ + +So sind all deine Worte -- dunkel, seltsam und unbestimmt. Ich kann +nicht verstehen, was du meinst. + +_Surangama_ + +Nein, ich will ihn _nicht_ schön nennen. Und eben weil er nicht +schön ist, ist er so herrlich, so wunderbar! + +_Sudarschana_ + +Ich verstehe dich nicht ganz -- obwohl ich dich gern von ihm reden höre. +Aber ich muß ihn um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht einmal +auf den Tag, wo ich ihm angetraut wurde. Ich hörte Mutter sagen, daß +vor meiner Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte: »Der eure Tochter +ehelichen will, ist ohnegleichen auf dieser Erde.« Wie oft habe ich +sie gebeten, mir sein Äußeres zu beschreiben, aber sie antwortet nur +unbestimmt und sagt, sie kann es nicht sagen -- sie sah ihn durch einen +Schleier, schwach und dunkel. Aber wenn er der beste der Menschen ist, +wie kann ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben. + +_Surangama_ + +Spürst du nicht ein leises Lüftchen wehen? + +_Sudarschana_ + +Ein Lüftchen? Wo? + +_Surangama_ + +Merkst du nicht einen leisen Duft? + +_Sudarschana_ + +Nein! + +_Surangama_ + +Das große Tor hat sich geöffnet ... er kommt; mein König naht. + +_Sudarschana_ + +Wie kannst du es merken, wenn er kommt? + +_Surangama_ + +Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hörte ich seine Tritte in meinem +Herzen. Da ich die Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich einen Sinn +entwickelt -- ich kann erkennen und fühlen, ohne zu sehen. + +_Sudarschana_ + +Ich wollte, ich hätte diesen Sinn auch, Surangama! + +_Surangama_ + +Du wirst ihn bekommen, o Königin ... dieser Sinn wird in dir eines Tages +erwachen. Deine Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe, und darum +ist all dein Sinn gespannt und in die falsche Richtung gelenkt. Wenn du +diesen Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter dir hast, wird alles +ganz leicht werden. + +_Sudarschana_ + +Wie kommt das, daß es dir, der Magd, so leicht ist, und mir, der +Königin, so schwer? + +_Surangama_ + +Eben weil ich eine bloße Magd bin, hemmt mich keine Schwierigkeit. +Als er am ersten Tag dies Gemach meiner Obhut vertraute und sagte: +»Surangama, du wirst diese Kammer immer für mich in Bereitschaft halten, +das ist deine ganze Aufgabe«, da sagte ich nicht, nicht einmal in +Gedanken: »Oh, gib mir die Arbeit derer, die für das Licht in den andern +Gemächern sorgen.« Nein, sondern sowie ich all meinen ganzen Sinn auf +diese Aufgabe richtete, erwachte eine Gewalt in mir und wuchs und wurde +ohne Widerstand Herr über jeden Teil von mir... Oh, da kommt er!... er +steht draußen, vor der Tür. Herr! O König! + +_Gesang von außen_ + + Öffne die Tür. Ich warte. + Die Fähre des Lichts von Dämmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen, + Der Abendstern steht am Himmel. + Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten, + Umfließt dich weiß dein Kleid zur Nacht? + Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vögel in ihre Nester. + Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht. + Öffne die Tür. Ich warte. + +_Surangama_ + +O König, wer kann deine eignen Tore vor dir versperrt halten? Sie sind +nicht geschlossen oder verriegelt -- sie werden sich weit aufschwingen, +wenn du sie nur mit dem Finger berührst. Willst du sie nicht nur ein +wenig berühren? Willst du nicht eintreten, bis ich gehe und die Tore +öffne? + +_Gesang_ + + Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lüften, Herr! + Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht höre, würdest du + warten, bis ich erwache? + Würde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines + Streitwagens? + Würdest du nicht das Tor zertrümmern und ungebeten eingehn in dein + eigenes Haus? + +Dann geh du, o Königin, und öffne die Tür für ihn: er wird sonst nicht +eintreten. + +_Sudarschana_ + +Ich sehe nichts deutlich im Dunkel -- ich weiß nicht, wo die Tür ist. Du +kennst hier alles -- geh und öffne die Tür für mich. + +Surangama öffnet die Tür, verbeugt sich tief vor dem König und geht +hinaus. Der König bleibt während dieses ganzen Stückes unsichtbar. + +_Sudarschana_ + +Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht zu sehen? + +_König_ + +So willst du mich zwischen tausend Dingen im hellen Tageslicht sehen! +Warum sollte ich nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit +fühlen kannst? + +_Sudarschana_ + +Aber ich _muß_ dich sehen -- mich verlangt es brennend nach deinem +Anblick. + +_König_ + +Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick zu ertragen -- er wird dir +nur Qual bereiten, brennend heiße Qual. + +_Sudarschana_ + +Wie kannst du sagen, daß ich deinen Anblick nicht zu ertragen vermöchte! +Oh, ich kann schon in diesem Dunkel fühlen, wie lieblich und wunderbar +du bist: warum sollte ich im Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir, +kannst du mich im Dunkel sehen? + +_König_ + +Ja, ich sehe dich. + +_Sudarschana_ + +Was siehst du? + +_König_ + +Ich sehe, daß die Dunkelheit der unendlichen Himmel, ins Dasein +geschleudert durch die Gewalt meiner Liebe, das Licht von +Sternenmyriaden in sich gesogen und sich verkörpert hat in einer Gestalt +von Fleisch und Blut. Und in dieser Form, was für Äonen von Denken und +Ringen, was für ungezählte Sehnsüchte grenzenloser himmlischer Räume, +welche Fülle der Gaben aus dem Meer der Zeiten! + +_Sudarschana_ + +Bin ich so wunderbar, bin ich so schön? Höre ich dich so reden, so +schwillt mein Herz von Freude und Stolz. Aber wie kann ich die +wundervollen Dinge glauben, die du mir sagst? Ich kann sie in mir nicht +finden! + +_König_ + +Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben -- er setzt dich herab, +beschränkt dich, läßt dich klein und unbedeutend erscheinen. Doch +könntest du dich in meinem Geist gespiegelt sehen, wie groß erschienest +du! In meinem Herzen bist du nicht mehr das alltägliche Einzelwesen, das +du zu sein meinst -- du bist in Wahrheit mein andres Ich. + +_Sudarschana_ + +Oh, zeig' mir für einen Augenblick, wie man mit deinen Augen sieht! Gibt +es für dich gar nichts wie Dunkelheit? Ich fürchte mich, wenn ich daran +denke. Diese Dunkelheit, die für mich wirklich und stark wie der Tod +ist -- ist sie für dich einfach nichts? Wie kann dann überhaupt eine +Gemeinschaft zwischen uns sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein -- +es ist unmöglich: es besteht eine Schranke zwischen uns beiden: nicht +hier, nein, nicht an diesem Ort. Ich muß dich finden und sehen, wo ich +Bäume und Tiere, Vögel und Steine und die Erde sehe -- + +_König_ + +Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden -- aber niemand wird mich +dir weisen. Du wirst mich erkennen müssen, wenn du kannst, du selbst. +Und selbst wenn jemand sich anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie +kannst du gewiß sein, daß er die Wahrheit sagt? + +_Sudarschana_ + +Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen. Ich werde dich aus +einer Million Menschen herausfinden. Ich kann mich nicht irren. + +_König_ + +Gut also, heute nacht, während des Frühlingsvollmondfestes, magst du +versuchen, mich von dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden -- +suche nach mir mit deinen eigenen Augen unter der Volksmenge. + +_Sudarschana_ + +Wirst du unter ihr sein? + +_König_ + +Ich werde mich wieder und wieder zeigen, überall unter der Menge. +Surangama! + +Surangama kommt herein. + +_Surangama_ + +Was gebietest du, Herr? + +_König_ + +Heute nacht ist das Frühlingsvollmondfest. + +_Surangama_ + +Was soll ich heute nacht tun? + +_König_ + +Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgärten stehen in voller +Blüte -- du wirst da an meinem Feste teilnehmen. + +_Surangama_ + +Ich werde tun, was du wünschest, Herr. + +_König_ + +Die Königin will mich heute nacht mit ihren eigenen Augen sehen. + +_Surangama_ + +Wo soll die Königin dich sehen? + +_König_ + +Wo die Musik am süßesten spielt, wo die Luft von Blütenstaub schwer ist +-- dort im silbernen Hain voll weichem Dämmerlicht. + +_Surangama_ + +Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck spielen, zu sehen sein? Dort +ist der Wind wild und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung -- wird +es die Augen nicht verwirren? + +_König_ + +Die Königin ist neugierig, mich herauszufinden. + +_Surangama_ + +Die Neugier wird enttäuscht und in Tränen heimkehren! + +_Gesang_ + + Ach, sie lüstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die + wilden Vögel des Waldes! + Doch die Zeit der Ergebung wird für sie kommen, zu Ende ihr Hin- und + Herflug, wenn + Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt. + Ach, die wilden Vögel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis! + + + + +III. + + +Vor den Lustgärten. + +Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und andere Könige. + +_Avanti_ + +Wird der König dieses Ortes uns nicht empfangen? + +_Kantschi_ + +Was ist das für eine Art, ein Land zu regieren? Der König hält ein Fest +in einem Wald, wo selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert +Zutritt hat! + +_Koschala_ + +Wir hätten wohl Anspruch auf einen besonders für uns reservierten und zu +unserem Empfang hergerichteten Platz. + +_Kantschi_ + +Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet hat, werden wir ihn +zwingen, einen für uns errichten zu lassen. + +_Koschala_ + +All das macht natürlich zweifelhaft, ob dieses Volk überhaupt einen +König hat -- es sieht aus, als ob ein unbegründetes Gerücht uns +irregeführt hätte. + +_Avanti_ + +Das mag sein, was den König angeht, aber Sudarschana, die Königin dieses +Orts, ist durchaus kein unbegründetes Gerücht. + +_Koschala_ + +Nur um ihretwillen hatte ich überhaupt Lust, hierher zu kommen. Es liegt +mir nichts daran, jemanden zu sehen, der sich nie sehen läßt, aber es +wäre ein törichter Fehler, wenn wir fortgingen, ohne das Wesen gesehen +zu haben, um dessentwillen sich eine Reise im höchsten Grade lohnt. + +_Kantschi_ + +Laßt uns denn einen bestimmten Plan entwerfen. + +_Avanti_ + +Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man sich nicht selbst darein +verwickelt. + +_Kantschi_ + +Zum Henker, was ist das für ein Geschmeiß, das dort herumschwärmt? He! +wer seid ihr? + +Großvater und die Knaben treten auf. + +_Großvater_ + +Wir sind die lustige Schar der Habenichtse. + +_Avanti_ + +Die Einführung war überflüssig. Aber ihr werdet euch etwas weiter +zurückziehen und uns in Frieden lassen. + +_Großvater_ + +Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir können es uns leisten, euch +einen so weiten Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das Wenige, das +uns genügt, ist nie der Zankapfel zwischen streitenden Parteien. Nicht +wahr, meine kleinen Freunde? + +Sie singen. + +_Gesang_ + + Wir sind die Habenichtse, fürwahr, wir haben gar nichts! + Wir singen lustig trallerala! trallerala! + 's gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Häusern + Auf Sümpfen mit goldenem Sand. + Wir stellen uns vor sie und singen + Trallerala! trallerala! + Taschendiebe kreisen um uns + Und ehren uns mit lüsternen Blicken. + Wir schütteln die leeren Taschen und singen + Trallerala! trallerala! + Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tür, + Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen, + Und singen im Chor mit fröhlichen Trillern + Trallerala! trallerala! + +_Kantschi_ + +Sieh da drüben hin, Koschala, was sind das für Leute, die da des Weges +kommen? Eine Pantomime? Der eine hat sich als König maskiert. + +_Koschala_ + +Der König dieses Orts mag alle diese Narrenspossen dulden, wir aber +werden dagegen einschreiten. + +_Avanti_ + +Es ist vielleicht ein Häuptling vom Lande. + +Wachen zu Fuß treten auf. + +_Kantschi_ + +Aus welchem Land stammt euer König? + +_Erster Soldat_ + +Er ist der König dieses Landes. Er rüstet sich, das Fest zu leiten. + +Sie gehen weiter. + +_Koschala_ + +Wie, der König dieses Landes kommt zum Fest! + +_Avanti_ + +Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem Anblick begnügen und umkehren +müssen -- ohne die reizvolle Königin gesehen zu haben. + +_Kantschi_ + +Glaubst du wirklich, daß der Bursche die Wahrheit sagte? Jeder kann sich +als König dieses königlosen Landes aufspielen. Kannst du nicht sehen, +daß der Mensch wie ein aufgeputzter Maskenkönig aussieht -- viel zu sehr +herausgeputzt? + +_Avanti_ + +Aber er sieht hübsch aus -- seine Erscheinung ist nicht ohne einen +gewissen gefälligen Reiz. + +_Kantschi_ + +Er mag deinem Auge gefällig sein, aber wenn du ihn genau genug +betrachtest, kannst du ihn nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn +vor euch allen entlarve. + +Der falsche »König« tritt auf. + +_»König«_ + +Willkommen, Fürsten, in unserm Reich! Ich hoffe, meine Würdenträger +haben geziemend für euren Empfang gesorgt? + +_Könige_ (mit verstellter Höflichkeit) + +O ja -- es fehlte nichts am Empfang. + +_Kantschi_ + +Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich aufgewogen durch die Ehre, +den Anblick Eurer Majestät genießen zu dürfen. + +_»König«_ + +Wir zeigen uns nicht vor der großen Öffentlichkeit, aber eure große +Ergebenheit und Treue macht es uns zum Vergnügen, uns euch nicht zu +entziehen. + +_Kantschi_ + +Die Gnade Euer Majestät ist wahrhaft überwältigend für uns. + +_»König«_ + +Wir fürchten, wir werden hier nicht lange verweilen können. + +_Kantschi_ + +Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus, als ob ihr es lange +aushieltet. + +_»König«_ + +Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst bitten möchtet -- + +_Kantschi_ + +Das möchten wir: aber wir möchten Euch gern vor etwas weniger Zeugen +sprechen. + +_»König«_ (zu seinem Gefolge) + +Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurück. (Sie ziehen sich zurück.) +Nun könnt ihr euer Begehren ohne Rückhalt vorbringen. + +_Kantschi_ + +Wir werden uns schon keine Zurückhaltung auferlegen; wir fürchten nur, +daß ihr es für euch selbst werdet nötig finden. + +_»König«_ + +O nein, in der Hinsicht könnt ihr unbesorgt sein. + +_Kantschi_ + +Komm also, huldige uns, indem du uns deinen Kopf zu Füßen legst. + +_»König«_ + +Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein in den +Empfangslagern zu freigiebig verteilt. + +_Kantschi_ + +Falscher Betrüger, du bist es, der sich in einem Rausch der Überhebung +befindet. Dein Kopf wird bald den Staub küssen. + +_»König«_ + +Ihr Fürsten, solche derben Späße sind eines Königs nicht würdig. + +_Kantschi_ + +Männer, die gebührend mit dir scherzen werden, sind zur Stelle. General! + +_»König«_ + +Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl, ich schulde euch allen +Huldigung. Der Kopf beugt sich von selbst hernieder -- es bedarf +nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer Maßnahmen, um ihn zu Boden +zu legen. So, hier beuge ich mich tief vor euch allen. Wenn ihr mir +freundlich erlaubt, mich davonzumachen, werde ich euch mit meiner +Gegenwart nicht länger lästig fallen. + +_Kantschi_ + +Warum solltest du dich davonmachen? Wir werden dich zum König dieses +Ortes machen -- führen wir unsern Scherz zu seinem regelrechten Ende. +Hast du irgendwelchen Anhang? + +_»König«_ + +O ja! Alle, die mich auf den Straßen sehen, laufen hinter mir her. Als +ich ein mageres Gefolge hatte, betrachtete mich erst jeder argwöhnisch, +aber nun mit dem wachsenden Haufen zerstreuen sich die Zweifel immer +mehr. Die Menge wird von ihrer eigenen Größe hypnotisiert. Ich brauche +nun gar nichts weiter zu tun. + +_Kantschi_ + +Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben wir alle, dir zu helfen und +zu dir zu stehen. Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten müssen. + +_»König«_ + +Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die Krone, die ihr mir aufs +Haupt setzt. + +_Kantschi_ + +Gegenwärtig wünschen wir weiter nichts, als die Königin Sudarschana zu +sehen. Du wirst dafür sorgen. + +_»König«_ + +Ich werde mir alle Mühe darum geben. + +_Kantschi_ + +Zu deinen Bemühungen haben wir nicht viel Vertrauen -- du wirst einfach +dich nach unsern Anweisungen richten. Nun aber kannst du gehen und dich +mit allem möglichen Glanz und Prunk an dem Fest im königlichen Garten +beteiligen. + +Sie gehen fort. + +Großvater und eine Schar von Bürgern treten auf. + +_Erster Bürger_ + +Großvater, ich kann mir nicht helfen -- ja, und fünfhundertmal will ich +es wiederholen -- unser König ist ein vollkommener Schwindel. + +_Großvater_ + +Warum nur fünfhundertmal? Kein Grund zu so heldenmütiger +Selbstbeherrschung -- du kannst es fünftausendmal sagen, wenn das dein +Vergnügen erhöht. + +_Zweiter Bürger_ + +Aber du kannst eine tote Lüge nicht für immer aufrechterhalten. + +_Großvater_ + +Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund. + +_Dritter Bürger_ + +Wir werden der ganzen Welt verkünden, daß unser König eine Lüge ist, der +reinste und leerste Schatten! + +_Erster Bürger_ + +Wir werden es alle von unsern Dächern schreien, daß wir keinen König +haben -- mag er tun, was er will, wenn er existiert. + +_Großvater_ + +Er wird gar nichts tun. + +_Zweiter Bürger_ + +Mein Sohn wurde mit fünfundzwanzig Jahren innerhalb einer Woche von +einem hitzigen Fieber vorzeitig dahingerafft. Hätte mich solch ein +Unglück unter der Herrschaft eines tugendhaften Königs betreffen können? + +_Großvater_ + +Aber dir sind immer noch zwei Söhne geblieben: während ich all meine +fünf Kinder hintereinander verloren habe. + +_Dritter Bürger_ + +Und was sagst du dazu? + +_Großvater_ + +Was denn? Soll ich meinen König dazu verlieren, weil ich meine Kinder +verloren habe? Für so einen ungeheuren Narren müßt ihr mich nicht +halten. + +_Erster Bürger_ + +Eine schöne Sache, zu streiten, ob ein König da ist oder nicht, wenn man +aus Mangel an Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der König uns retten? + +_Großvater_ + +Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den König suchen, dem all die +Nahrung gehört. Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn sicher nicht +finden. + +_Zweiter Bürger_ + +Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Königs! Dieser Bhadrasen -- ihr wißt +was es für ein rührender Anblick ist, wenn er von seinem König spricht +-- der rührselige Dummkopf! Er ist auf einen solchen Grad von Armut +herabgesunken, daß selbst die Fledermäuse, die bei ihm hausen, den Ort +zu ungemütlich finden. + +_Großvater_ + +Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre Tag und Nacht für meinen +König, aber ich habe für meine Mühen noch nicht einen roten Heller +bekommen. + +_Dritter Bürger_ + +Nun, und was hältst du davon? + +_Großvater_ + +Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand seine Freunde? Geht, +Freunde, und sagt, wenn ihr wollt, unsern König gebe es nirgends. Auch +das gehört mit zur Feier dieses Festes. + + + + +IV. + + +Turm des Königspalastes. + +Sudarschana und ihre Freundin Rohini. + +_Sudarschana_ + +Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann mich nicht irren: bin ich +nicht die Königin? Der dort, sicher der dort muß mein König sein. + +_Rohini_ + +Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann nicht lange zögern, sich +dir zu zeigen. + +_Sudarschana_ + +Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen Vogel im Käfig. Suchtest du, +dich zu vergewissern, wer er ist? + +_Rohini_ + +Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der König. + +_Sudarschana_ + +Von welchem Land ist er der König? + +_Rohini_ + +Von unserm, König dieses Landes. + +_Sudarschana_ + +Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm aus Blumen über das Haupt +gehalten wird? + +_Rohini_ + +Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blüte gemalt ist. + +_Sudarschana_ + +Ich erkannte ihn natürlich sofort, aber du hattest deine Zweifel. + +_Rohini_ + +Wir können uns leicht irren, meine Königin, und wir fürchten dich zu +erzürnen, falls wir unrecht haben. + +_Sudarschana_ + +Ich wollte, Surangama wäre da! Dann wäre kein Zweifel mehr möglich. + +_Rohini_ + +Hältst du sie für klüger als uns alle? + +_Sudarschana_ + +O nein, aber sie würde ihn sofort erkennen. + +_Rohini_ + +Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so, als ob sie ihn kennte. +Niemand kann dafür bürgen, daß sie den König kennt. Wären wir so +schamlos wie sie, es wäre nicht schwer für uns gewesen, mit unserer +Bekanntschaft mit dem König zu prahlen. + +_Sudarschana_ + +Aber nein, sie prahlt niemals. + +_Rohini_ + +Bloße Ziererei, weiter nichts; damit kommt man oft weiter als mit +offenem Prahlen. Sie ist zu allen Streichen fähig: drum mochten wir sie +nie leiden. + +_Sudarschana_ + +Aber sag, was du willst, ich hätte sie gern gefragt, wenn sie hier wäre. + +_Rohini_ + +Sehr wohl, Königin. Ich werde sie holen. Sie muß glücklich sein, wenn +sie der Königin unentbehrlich ist, um den König zu erkennen. + +_Sudarschana_ + +O nein -- es ist nicht darum -- aber ich hörte es gern von aller Welt +bestätigt. + +_Rohini_ + +Sagt es nicht alle Welt? Da, höre nur hin, die Jubelrufe des Volks +dringen sogar bis zu dieser Höhe empor. + +_Sudarschana_ + +Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen auf ein Lotusblatt und +bringe sie ihm. + +_Rohini_ + +Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie sendet? + +_Sudarschana_ + +Du wirst nichts zu sagen brauchen -- er wird es wissen. Er meinte, +ich würde nicht imstande sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht +fortlassen, ohne ihm zu zeigen, daß ich ihn herausgefunden habe. + +Rohini geht mit den Blumen. + +_Sudarschana_ + +Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so war mir nie zuvor zumute. Das +weiße, silberne Licht des Vollmonds überflutet den Himmel und perlt nach +allen Seiten wie der sprudelnde Schaum des Weins... Es faßt mich wie +ein Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da? + +Eine Dienerin tritt auf. + +_Dienerin_ + +Was befehlen Majestät? + +_Sudarschana_ + +Siehst du dort die fröhlichen Knaben, wie sie singend durch die +Laubgänge und Alleen der Mangobäume ziehen? Rufe sie her, bring sie zu +mir: ich möchte sie singen hören. + +Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben wieder. + +Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen Frühlings, hebt euren +Festgesang an! Meine ganze Seele und mein Leib ist heute abend Gesang +und Musik -- doch die unaussprechliche Melodie will mir nicht von der +Zunge: singt ihr denn an meiner Statt! + +_Gesang_ + + Mein Leid ist mir süß, heut in dieser Frühlingsnacht. + Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und läßt sie leise + erklingen. + Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein + dahin. + Der Duft aus der Tiefe der Wälder verirrt sich in meine Träume. + Worte kommen flüsternd an mein Ohr, ich weiß nicht, woher, + Und die Glöckchen an meinen Fußspangen zittern und klingen im Takt zum + Tanz meines Herzens. + +_Sudarschana_ + +Genug, genug -- ich ertrag' es nicht länger! Euer Gesang hat meine Augen +mit Tränen gefüllt... Mich wandelt es an -- Sehnsucht kann nie ihren +Gegenstand finden -- sie braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher +Sänger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt? O, daß meine Augen den +sehen könnten, dessen Gesang meine Ohren gehört haben! Ach, wie ich mich +sehne -- mich sehne, in Liebesverzückung im Waldesdickicht des Herzens +mich zu verlieren! Liebe Knaben der Waldwildnis! wie soll ich euch +lohnen? Dieses Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten Steinen gemacht +-- ihre Härte wird euch weh tun -- ich besitze nichts dergleichen wie +die Blumenkränze, die euch zieren. + +Die Knaben verbeugen sich und gehen ab. + +Rohini tritt auf. + +_Sudarschana_ + +Ich habe nicht recht getan -- ich habe nicht recht getan, Rohini. Ich +schäme mich, dich zu fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt, +daß keine Hand in Wahrheit die größte der Gaben geben kann. Doch laß +mich alles hören. + +_Rohini_ + +Als ich dem König die Blumen gab, sah er nicht so aus, als verstünde er +etwas davon. + +_Sudarschana_ + +Das kann nicht sein! Er verstand nicht --? + +_Rohini_ + +Nein; er saß da wie eine Puppe, ohne ein einziges Wort zu äußern. Ich +glaube, er wollte nicht zeigen, daß er nichts verstand, daher tat er den +Mund nicht auf. + +_Sudarschana_ + +Pfui über mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht bestraft worden. Warum +hast du meine Blumen nicht zurückgebracht? + +_Rohini_ + +Wie konnte ich? Der König von Kantschi, ein sehr gewitzigter Mann, der +neben ihm saß, begriff alles mit einem Blick, und er lächelte nur eben +ein bißchen und sagte: »Majestät, die Königin Sudarschana sendet Euch +ihre Grüße mit diesen Blumen -- mit Blumen, die dem Gott der Liebe +gehören, dem Freund des Frühlings!« Der König schien mit einem Male +aufzuwachen und sagte: »Das ist die Krone all meiner Königsherrlichkeit +heute Nacht.« Ich wandte mich, ganz außer Fassung, zum Gehen, als der +König von Kantschi dem König dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir +sagte: »Freundin, dies Königsgeschmeide will zu dir, zum Dank für das +frohe Glück, das du gebracht hast.« + +_Sudarschana_ + +Wie, Kantschi mußte dem König all das begreiflich machen! Weh mir, +dies nächtliche Fest hat die Tore der Schmach und Schande weit vor mir +geöffnet. Was andres konnte ich erwarten? Verlaß mich, Rohini; ich muß +eine Weile allein sein. (Rohini geht ab.) Ein furchtbarer Schlag hat all +meinen Stolz zu Staub zerschlagen, und doch ... ich kann diese schöne, +bezaubernde Gestalt nicht aus dem Gedächtnis löschen! Kein Stolz ist mir +geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet, gänzlich hilflos ... ich +kann nicht einmal die Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder und +wieder der Wunsch kommt, Rohini um diese Kette zu bitten! Aber was würde +sie denken! Rohini! + +Rohini kommt. + +_Rohini_ + +Was ist dein Wunsch? + +_Sudarschana_ + +Welchen Lohn verdienst du für deine heutigen Dienste? + +_Rohini_ + +Nichts von dir -- aber ich bekam meinen Lohn von dem König, wie sich's +gebührt. + +_Sudarschana_ + +Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene Belohnung. Ich möchte +nicht etwas an dir sehen, was auf so gleichgültige Art gegeben wurde. +Leg es ab, ich gebe dir meine Armspangen, wenn du es hier läßt. Nimm +diese Armspangen und geh nun. (Rohini geht ab.) Welch neue Schmach! +Ich hätte dieses Halsband wegwerfen sollen -- aber ich kann nicht! Es +sticht mich, als ob es ein Dornenkranz wäre -- aber ich kann es nicht +wegwerfen. Das also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert -- +dieses Halsband der Schmach und Schande! + + + + +V. + + +Großvater nahe am Tor des Lusthauses. + +Eine Gesellschaft von Männern. + +_Großvater_ + +Habt ihr genug davon bekommen, Freunde? + +_Erster Mann_ + +Oh, mehr als genug, Großvater. Sieh nur, sie haben mich über und über +rot gemacht. Keiner ist davongekommen[A]. + +_Großvater_ + +Wirklich? Haben sie die Könige auch mit rotem Puder beworfen? + +_Zweiter Mann_ + +Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie waren alle sicher auf ihrem +eingehegten Platz. + +_Großvater_ + +So sind sie euch entkommen! Konntet ihr nicht die geringste Spur Farbe +auf sie werfen? Ihr hättet euch den Weg dahin erzwingen sollen. + +_Dritter Mann_ + +Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte Rot, die ihnen +vorbehalten ist. Ihre Augen sind rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres +Gefolges sind auch rot. Und die letztern schwangen ihre Schwerter so +in der Luft herum, daß eine weitere Annäherung von unserer Seite ein +reichliches Zutagetreten der grundlegenden roten Farbe bedeutet hätte. + +_Großvater_ + +Wohlgetan, Freunde -- haltet sie immer in einiger Entfernung. Sie sind +die Verbannten der Erde, und wir haben das Amt, dafür zu sorgen, daß es +so bleibt. + +_Dritter Mann_ + +Ich gehe heim, Großpapa; Mitternacht ist vorüber. + +Geht ab. + +Eine Schar Sänger kommt singend herbei. + + Schwarz und Weiß ist nicht mehr geschieden, + Ist rot geworden -- rot wie eure Füße gefärbt sind. + Rot ist mein Wams und rot meine Träume, + Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus. + +_Großvater_ + +Vortrefflich, meine Freunde, glänzend! So hattet ihr wirklich +genußreiche Stunden! + +_Die Sänger_ + +Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der Mond am Himmel ließ uns im +Stich: er blieb weiß. + +_Großvater_ + +Er sieht nur von außen so unschuldig drein. Hättet ihr nur seine weiße +Maske weggenommen, ihr hättet seine Schelmerei schon gesehen. Ich habe +beobachtet, was für rote Farben er heute nacht auf die Erde wirft. Und +doch, sollte man es für möglich halten, daß er dabei die ganze Zeit weiß +und farblos bleibt! + +_Gesang._ + + Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb! + Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt, + Meinst du, ungefärbt zu entkommen, + Wenn du mich mit rotem Puder rötest? + Könnt ich nicht dein Kleid färben mit dem roten Blütenstaub meines + Herzens? + +Sie gehen ab. + +Der »König« und Kantschi treten auf. + +_Kantschi_ + +Du mußt genau tun, was ich dir gesagt habe. Daß du mir nichts +übersiehst! + +_»König«_ + +Ich werde nichts übersehen. + +_Kantschi_ + +Die Gemächer der Königin Sudarschana liegen in den... + +_»König«_ + +Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt. + +_Kantschi_ + +Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen, und dann wirst +du aus dem Durcheinander und der Verwirrung Vorteil ziehen, um deine +Aufgabe zielbewußt zu vollbringen. + +_»König«_ + +Ich werde daran denken. + +_Kantschi_ + +Sieh einmal, Herr Prätendent, ich glaube doch, daß unsere Furcht ganz +unbegründet ist -- es gibt in Wahrheit keinen König in diesem Lande. + +_»König«_ + +Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie zu retten. Der +gemeine Mann kann ohne König nicht leben, ob dieser nun echt ist oder +falsch! Anarchie ist immer eine Quelle der Gefahr. + +_Kantschi_ + +Frommer Wohltäter des Volkes, deine wundervolle Aufopferung sollte +wirklich uns allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke diesen +außerordentlichen Dienst in eigener Person zu erweisen. + +Sie gehen ab. + + + + +VI. + + +Im Garten. + +_Rohini_ + +Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen, was all das ist! (Zu +den Gärtnern) Wohin geht ihr alle in solcher Eile? + +_Erster Gärtner_ + +Wir gehen aus dem Garten. + +_Rohini_ + +Wohin? + +_Zweiter Gärtner_ + +Wir wissen nicht, wohin -- der König hat uns gerufen. + +_Rohini_ + +Aber der König ist doch hier in diesem Garten. Welcher König hat euch +gerufen? + +_Erster Gärtner_ + +Das wissen wir nicht. + +_Zweiter Gärtner_ + +Der König, dem wir unser Lebtag gedient haben, natürlich. + +_Rohini_ + +Wollt ihr alle gehen? + +_Erster Gärtner_ + +Ja, alle -- wir müssen sofort gehen. Sonst könnten wir zu Schaden +kommen. + +Sie gehen ab. + +_Rohini_ + +Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich fürchte mich. Sie rennen +davon wie wilde Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe die Flut +den Damm durchbricht. + +Der König von Koschala tritt auf. + +Rohini, weißt du, wo dein König und Kantschi hingegangen +sind? + +_Rohini_ + +Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann nicht sagen, wo. + +_Koschala_ + +Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben. Ich habe nicht wohl daran +getan, mein Vertrauen auf Kantschi zu setzen. Ab. + +_Rohini_ + +Was ist das für eine dunkle Sache, mit der sich diese Könige abgeben? +Etwas Schreckliches bereitet sich vor. Werde ich in diese Sache +hineingezogen werden? + +Avanti tritt auf. + +_Avanti_ + +Rohini, weißt du, wo die andern Fürsten sind? + +_Rohini_ + +Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen sind. Der König von +Koschala ging jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei. + +_Avanti_ + +Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer König und Kantschi? + +_Rohini_ + +Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen. + +_Avanti_ + +Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewiß, uns alle zu betrügen. Ich +habe nicht wohl daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu stecken. +Freundin, könntest du mir freundlich einen Weg aus diesem Garten weisen? + +_Rohini_ + +Ich weiß keinen. + +_Avanti_ + +Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus zeigen kann? + +_Rohini_ + +Die Diener haben alle den Garten verlassen. + +_Avanti_ + +Warum taten sie das? + +_Rohini_ + +Ich konnte nicht genau verstehen, was sie meinten. Sie sagten, der König +hätte ihnen befohlen, den Garten sofort zu verlassen. + +_Avanti_ + +Der König? Welcher König? + +_Rohini_ + +Sie konnten es nicht genau sagen. + +_Avanti_ + +Das klingt nicht gut. Ich muß um jeden Preis einen Weg hinausfinden. Ich +kann hier keinen Augenblick länger bleiben. + +Geht eilig ab. + +_Rohini_ + +Wo kann ich den König finden? Als ich ihm die Blumen gab, die die +Königin gesandt hatte, da schien er sich nicht viel um mich zu kümmern; +aber seit der Stunde hat er Gaben und Geschenke auf mich gehäuft. +Diese grundlose Freigebigkeit macht mich noch ängstlicher... Wohin +fliegen die Vögel zu dieser Stunde der Nacht? Was hat sie plötzlich +aufgeschreckt? Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges, gewiß +nicht... Warum rennt der Königin zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata! +Tschapata! Es hört nicht einmal meinen Ruf. Ich habe nie eine Nacht wie +diese gesehen. Der Horizont wird auf allen Seiten plötzlich rot, wie das +Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne scheint zu so ungewohnter Stunde auf +allen Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn des Allmächtigen +ist dies! ... Oh, ich fürchte mich! ... Wo kann ich den König finden? + + + + +VII. + + +Am Tor zum Palast der Königin. + +_»König«_ + +Was hast du getan, Kantschi? + +_Kantschi_ + +Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim Palast in Brand stecken. +Ich hatte keine Ahnung, daß das Feuer sich so schnell nach allen Seiten +verbreiten würde. Sag mir schnell den Weg aus diesem Garten. + +_»König«_ + +Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher geführt haben, sind alle +entflohen. + +_Kantschi_ + +Du bist ein Eingeborner dieses Landes -- du mußt den Weg wissen. + +_»König«_ + +Ich habe diese inneren Königsgärten nie zuvor betreten. + +_Kantschi_ + +Ich will davon nichts hören -- du mußt mir den Weg zeigen, oder ich +spalte dich in zwei Teile. + +_»König«_ + +Du kannst mir auf diese Weise das Leben nehmen, aber es würde dir wenig +helfen, den Weg aus diesem Garten zu finden. + +_Kantschi_ + +Warum liefst du dann herum und sagtest, du wärest der König dieses +Landes? + +_»König«_ + +Ich bin nicht der König -- ich bin nicht der König. + +Wirft sich mit gefalteten Händen zu Boden. + +Wo bist du, mein König? Rette mich, oh, rette mich! Ich bin ein Empörer +-- strafe mich, aber töte mich nicht! + +_Kantschi_ + +Was nützt es, sich zu krümmen und in die leere Luft zu schreien? Nutze +die Zeit lieber und such nach dem Wege! + +_»König«_ + +Ich will mich hierher legen -- ich rühre mich nicht von der Stelle. +Komme was will, ich werde nicht klagen. + +_Kantschi_ + +Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn ich verbrennen muß, sollst +du mir zum letzten Ende Gesellschaft leisten. + +_Stimme von außen_ + +Oh, rette uns, rette uns, König! Das Feuer kommt von allen Seiten über +uns! + +_Kantschi_ + +Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr. + +_Sudarschana_ (tritt auf) + +König, o mein König! rette mich, rette mich vor dem Tode! Ich bin vom +Feuer umzingelt. + +_»König«_ + +Wer ist der König? Ich bin kein König. + +_Sudarschana_ + +Du bist nicht der König? + +_»König«_ + +Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft. + +Seine Krone zu Boden werfend. + +Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben! + +Ab mit Kantschi. + +_Sudarschana_ + +Kein König? Er ist nicht der König? Dann, o du Feuergott, verbrenne +mich, vernichte mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in die Arme +werfen, o du großer Reiniger; verbrenne meine Schmach, mein Verlangen, +meine Begierde zu Asche. + +_Rohini_ (tritt auf) + +Königin, wohin gehst du? All deine innern Gemächer sind in rasendes +Feuer gehüllt -- geh nicht hinein. + +_Sudarschana_ + +Ja, ich will in diese brennenden Räume hineingehn! Es ist mein +Totenfeuer! + +Sie geht in den Palast. + + + + +VIII. + + +Die dunkle Kammer. Der König und Sudarschana. + +_König_ + +Fürchte dich nicht -- du hast keinen Grund zur Angst. Das Feuer wird +nicht in dies Gemach dringen. + +_Sudarschana_ + +Ich habe keine Angst -- aber oh, die Scham verfolgt mich wie ein +rasendes Feuer. Mein Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil meines +Körpers wird von ihren Flammen versengt und verbrannt. + +_König_ + +Es wird eine Zeit vergehen, ehe du über diesen Brand hinwegkommst. + +_Sudarschana_ + +Dieses Feuer wird nie aufhören -- wird nie aufhören! + +_König_ + +Verzage nicht, Königin! + +_Sudarschana_ + +O König, ich will dir nichts verbergen... Ich trage eines anderen Kette +um meinen Hals. + +_König_ + +Auch diese Kette ist mein -- wie sonst hätte er zu ihr kommen sollen? Er +stahl sie aus meiner Kammer. + +_Sudarschana_ + +Aber sie ist _sein_ Geschenk an mich: und doch konnte ich diese Kette +nicht fortschleudern! Als das Feuer brüllend von allen Seiten kam, +dachte ich daran, diese Kette ins Feuer zu werfen. Aber nein, ich +konnte nicht. Mein Geist flüsterte: »Behalte diese Kette im Tode an«... +Was für ein Feuer ist das, o König, in das ich, die hinausgegangen war, +dich zu sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme nicht widerstehen +kann! Welch eine Qual ist das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer +brennt so wild weiter wie je, und doch lebe ich weiter in seinen +Flammen! + +_König_ + +Aber du hast mich schließlich gesehen -- deine Sehnsucht ist gestillt +worden. + +_Sudarschana_ + +Aber suchte ich dich denn mitten in diesem grauenhaften Verderben? Ich +weiß nicht, was ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor Angst. + +_König_ + +Was sahest du? + +_Sudarschana_ + +Grauenhaft -- oh, es war grauenhaft! Ich fürchte mich, auch nur noch +daran zu denken. Schwarz, schwarz -- o du bist schwarz wie die ewige +Nacht! Ich habe dich nur einen einzigen entsetzlichen Augenblick +gesehen. Der Feuerschein fiel auf deine Züge -- du sahst wie die +schaudervolle Nacht aus, wenn ein Komet unheilverkündend über uns +schwebt -- oh, da schloß ich die Augen -- ich konnte deinen Anblick +nicht mehr ertragen. Schwarz wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie +das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot des Zwielichts auf seinen +tosenden Wogen! + +_König_ + +Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß man meinen Anblick nicht ertragen +kann, wenn man nicht schon darauf vorbereitet ist? Man möchte vor mir +zum Ende der Welt fliehen. Habe ich das nicht zahllose Male gesehen? +Darum wollte ich mich dir langsam und allmählich enthüllen, nicht gar zu +plötzlich. + +_Sudarschana_ + +Aber es kam die Sünde und vernichtete alle deine Hoffnungen -- die +bloße Möglichkeit einer Gemeinschaft mit dir ist für mich nun undenkbar +geworden. + +_König_ + +Sie wird mit der Zeit möglich werden, meine Königin. Die gräßliche +düstere Schwärze, die dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen +hat, wird eines Tages dein Trost und dein Heil sein. Wofür sonst kann +meine Liebe da sein? + +_Sudarschana_ + +Es kann nicht sein, es ist nicht möglich. Was will _deine_ Liebe +allein noch tun? _Meine_ Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die +Schönheit hat ihren Zauber auf mich geworfen, diese Raserei, dieser +Rausch wird mich nie mehr verlassen -- sie hat meine Augen mit ihrem +Glanz geblendet und entflammt, sie hat ihren goldenen Schimmer bis in +meine Träume geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt -- strafe mich, wie +dir beliebt. + +_König_ + +Die Strafe hat schon begonnen. + +_Sudarschana_ + +Doch willst du mich nicht strafen so stoße mich von dir. Ich will dich +verlassen -- + +_König_ + +Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir beliebt. + +_Sudarschana_ + +Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen! Mein Herz ist böse auf dich. +Warum warst du -- aber was hast du mir getan?... Warum bist du so? +Warum haben sie mir gesagt, du wärest stattlich und schön? Du bist +schwarz, schwarz wie die Nacht -- ich werde dich nie, ich kann dich nie +liebhaben. Ich habe gesehen, was ich liebe -- es ist sanft und weich wie +Samt, zart wie die _Schirischa_-Blume, strahlend wie ein Schmetterling. + +_König_ + +Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie eine Seifenblase. + +_Sudarschana_ + +Mag sein -- aber ich kann deine Nähe nicht ertragen -- ich kann einfach +nicht! Ich muß von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir, das kann +nicht möglich sein! Sie kann nichts anderes sein als ein falscher Bund +-- mein Geist muß sich unweigerlich von dir abkehren. + +_König_ + +Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen? + +_Sudarschana_ + +Ich habe es seit gestern versucht -- aber je mehr ich versuche, um so +mehr empört sich mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich beständig +von dem Gedanken verfolgt und gehetzt, daß ich unrein bin, daß ich +falsch und treulos bin. + +_König_ + +Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen, als dir beliebt. + +_Sudarschana_ + +Ich kann von dir nicht fliehen -- gerade weil du mein Gehen nicht +hinderst. Warum hältst du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurück +und sagst: »Du sollst nicht gehen?« Warum schlägst du mich nicht? O +strafe mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger Hand! Aber dein +widerstandsloses Schweigen macht mich wild -- oh, ich kann's nicht +ertragen! + +_König_ + +Warum glaubst du, daß ich in Wirklichkeit still bin? Woher weißt du, daß +ich nicht versuche, dich zurückzuhalten? + +_Sudarschana_ + +Oh, nein, nein! -- Ich kann das nicht ertragen -- sag mir laut, befiehl +mir mit der Stimme des Donners, zwinge mich mit Worten, die alles andere +übertönen -- laß mich nicht so leicht, so mild von dir! + +_König_ + +Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte ich zulassen, daß du dich +von mir losreißest? + +_Sudarschana_ + +Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn, ich muß gehen! + +_König_ + +Geh denn! + +_Sudarschana_ + +So bin ich gar nicht zu tadeln. Du hättest mich mit Gewalt zurückhalten +können, aber du tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert -- und nun +werde ich fortgehen. Befiehl deinen Wachen, mich nicht gehen zu lassen! + +_König_ + +Niemand wird dir in den Weg treten. Du kannst so frei gehen wie die +zerrissene Wetterwolke, die vom Sturm gepeitscht wird. + +_Sudarschana_ + +Ich kann nicht mehr widerstehen -- etwas in mir jagt mich vorwärts -- es +treibt mich von meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken, aber ich +werde nie mehr zurückkehren. + +Sie stürzt hinaus. + +Surangama tritt auf. + +_Surangama_ (singt) + +Was hat dein Wille mit mir vor, daß er mich in die Weite sendet? Zu +deinen Füßen werde ich wieder von meiner Wanderschaft zurückkehren. + +Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein der Nachlässigkeit +verbirgt, deine zärtlichen Hände stoßen mich fort, um mich wieder in +deine Arme zu ziehn! O mein König, was ist's für ein Spiel, das du +überall in deinem Reiche treibst? + +_Sudarschana_ (kehrt zurück) + +König, o König! + +_Surangama_ + +Er ist fortgegangen. + +_Sudarschana_ + +Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er mich endgültig verstoßen! Ich +bin zurückgekehrt, aber er hat nicht einen einzigen kleinen Augenblick +auf mich warten können! Sehr gut denn, ich bin nun vollkommen frei. +Surangama, hat er dich geheißen, mich zurückzuhalten? + +_Surangama_ + +Nein, er hat nichts gesagt. + +_Sudarschana_ + +Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte er sich um mich kümmern? +... Ich bin also frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich wollte +den König etwas fragen, konnte es aber in seiner Gegenwart nicht +herausbringen. Sag mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft hat. + +_Surangama_ + +Mit dem Tode? Mein König straft nie mit dem Tode. + +_Sudarschana_ + +Was hat er ihnen denn getan? + +_Surangama_ + +Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat seine Niederlage anerkannt +und ist in sein Königreich heimgekehrt. + +_Sudarschana_ + +Ach, was für eine Erlösung! + +_Surangama_ + +Meine Königin, ich habe eine einzige Bitte an dich. + +_Sudarschana_ + +Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen, Surangama. Alle Geschmeide +und Schmucksachen, die der König mir gab, lasse ich dir -- ich bin nicht +würdig, sie von nun an zu tragen. + +_Surangama_ + +Nein, ich brauche sie nicht, meine Königin. Mein Herr hat mir nie +irgendwelchen Schmuck zu tragen gegeben -- mein schmuckloses Aussehen +ist für mich gut genug. Er hat mir nichts gegeben, womit ich vor den +Leuten prahlen könnte. + +_Sudarschana_ + +Was willst du sonst von mir? + +_Surangama_ + +Ich will mit dir gehn, meine Königin. + +_Sudarschana_ + +Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen Herrn zu verlassen. Was +für eine Bitte ist das für dich! + +_Surangama_ + +Ich werde nicht weit von ihm fortgehen -- wenn du unbehütet fortgehst, +wird er bei dir sein, dicht dir zur Seite. + +_Sudarschana_ + +Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini mit mir nehmen, aber sie +wollte nicht. Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit mir zu kommen? + +_Surangama_ + +Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich werde gehen -- der Mut wird +von selbst kommen, und auch die Kraft wird kommen. + +_Sudarschana_ + +Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine Gegenwart wird mich beständig +an meine Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen können. + +_Surangama_ + +O meine Königin, ich habe wie all dein Gutes so auch all dein Böses mir +zu eigen gemacht; willst du mich noch als Fremde behandeln? Ich muß mit +dir gehn. + + + + +IX. + + +Der König von Kanya Kubja, Vater von Sudarschana, und sein Minister. + +_König von Kanya Kubja_ + +Ich hörte alles vor ihrer Ankunft. + +_Minister_ + +Die Prinzessin wartet allein außerhalb der Stadttore am Ufer des +Flusses. Soll ich Leute senden, um sie zu Hause willkommen zu heißen? + +_König von Kanya Kubja_ + +Wie! Für sie, die treulos ihren Gatten verlassen hat -- da willst du +ihre Schmach und Schande in aller Welt ausposaunen und ein Schaustück +für sie in Szene setzen? + +_Minister_ + +Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr eine Wohnung im Palaste +herzurichten? + +_König von Kanya Kubja_ + +Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren Platz als Königin aus eigenem +Entschluß verlassen -- hier wird sie als Magd arbeiten müssen, wenn sie +in meinem Hause zu bleiben wünscht. + +_Minister_ + +Es wird schwer und bitter für sie sein, Euer Hoheit. + +_König von Kanya Kubja_ + +Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren, dann bin ich nicht wert, +ihr Vater zu sein. + +_Minister_ + +Ich werde alles ordnen, wie Ihr wünscht, Euer Hoheit. + +_König von Kanya Kubja_ + +Es soll verborgen bleiben, daß sie meine Tochter ist, sonst geraten wir +alle in ein entsetzliches Unheil. + +_Minister_ + +Warum fürchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit? + +_König von Kanya Kubja_ + +Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht, dann erscheint sie mit dem +furchtbaren Unheil beladen. Du weißt nicht, welche tödliche Furcht diese +meine Tochter mir eingeflößt hat -- sie ist heimgekommen, beladen mit +Schrecknis und Gefahr. + + + + +X. + + +Innere Gemächer des Palastes. + +Sudarschana und Surangama. + +_Sudarschana_ + +Geh fort von mir, Surangama! Ein tödlicher Zorn rast in mir -- ich +kann niemanden ertragen -- es macht mich wild, dich so geduldig und +unterwürfig zu sehn. + +_Surangama_ + +Auf wen bist du zornig? + +_Sudarschana_ + +Ich weiß nicht; aber ich möchte alles vernichtet und unter Trümmern und +Elend begraben sehn! In einem Augenblick verließ ich meinen Platz als +Königin auf dem Thron. Gab ich alles hin, um mich in dieser düsteren +Höhle als Sklavin abzuplagen? Warum flammen für mich nicht die Fackeln +der Trauer über die ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die Erde? +Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte Fallen der armseligen +Bohnenblüte? Ist er nicht eher wie der Fall eines glühenden Sternes, +dessen flammende Lohe den Himmel in Stücke reißt? + +_Surangama_ + +Ein mächtiger Wald raucht und glimmt innen, ehe er in Flammen ausbricht: +die Zeit ist noch nicht gekommen. + +_Sudarschana_ + +Ich habe Ehre und Ruhm einer Königin in Staub und Winde gestreut -- aber +gibt es keinen Menschen, der kommen will, um meine trostlose Seele hier +zu besuchen? Allein -- oh, ich bin furchtbar, grauenvoll allein! + +_Surangama_ + +Du bist nicht allein. + +_Sudarschana_ + +Surangama, ich will nichts vor dir verbergen. Als er den Palast in +Flammen setzte, konnte ich nicht auf ihn böse sein. Eine große innere +Freude machte mein Herz erzittern. Was für ein staunenswürdiges +Verbrechen! Was für eine glorreiche Kühnheit! Dieser Mut machte mich +stark und befeuerte meine Lebensgeister. Diese furchtbare Freude gab mir +die Kraft, in einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist das alles +nur meine Einbildung? Warum ist nirgends ein Zeichen zu sehen, daß er +kommt? + +_Surangama_ + +Der, an den du denkst, hat den Palast nicht in Brand gesteckt -- der +König von Kantschi tat es. + +_Sudarschana_ + +Der Feigling! Aber ist es möglich? So schön, so bezaubernd, und doch +keine Mannheit in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um so eines +wertlosen Geschöpfes willen? O Schmach! Pfui über mich!... Aber +Surangama, meinst du nicht, dein König hätte doch kommen müssen, um mich +zurückzuholen! + +(Surangama verharrt in Schweigen.) + +Du meinst, ich brenne darauf, zurückzukehren? Niemals. Selbst wenn der +König in Wirklichkeit käme, ginge ich nicht zurück. Nicht ein einziges +Mal verbot er mir fortzugehn, und ich fand alle Tore weit geöffnet, um +mich hinauszulassen! Und die steinige, staubige Straße, auf der ich +wanderte -- es war ihr nichts, daß eine Königin auf ihr schritt. Sie +ist hart und gefühllos, wie dein König; der niedrigste Bettler gilt ihr +ebensoviel wie die höchste Königin. Du schweigst! Nun, ich sage dir, +deines Königs Benehmen ist -- niedrig, roh, schmählich! + +_Surangama_ + +Jeder weiß, daß mein König hart und unbarmherzig ist -- niemand ist je +imstande gewesen, ihn zu rühren. + +_Sudarschana_ + +Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und bei Nacht? + +_Surangama_ + +Möge er immer hart und unnachgiebig bleiben wie Stein -- mögen +meine Tränen und Bitten ihn nie bewegen! Mögen die Leiden nur immer +_mein_ Teil sein und möge Ruhm und Sieg _ihm_ immerdar bleiben! + +_Sudarschana_ + +Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint dort drüben über den Feldern am +östlichen Horizont aufzusteigen. + +_Surangama_ + +Ja, ich sehe es. + +_Sudarschana_ + +Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens? + +_Surangama_ + +In der Tat, es ist ein Banner. + +_Sudarschana_ + +Dann kommt er. Er ist endlich gekommen. + +_Surangama_ + +Wer kommt? + +_Sudarschana_ + +Unser König -- wer sonst! Wie könnte er ohne mich leben! Es ist ein +Wunder, wie er nur diese Tage her aushalten konnte. + +_Surangama_ + +Nein, nein, das kann nicht der König sein. + +_Sudarschana_ + +»Nein«, in der Tat! Als ob du alles wüßtest! Dein König ist hart, kalt, +unbarmherzig, nicht wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein kann. Ich +wußte von Anfang an, daß er kommen würde -- daß er hinter mir herlaufen +müßte. Aber erinnere dich, Surangama, ich habe ihn nicht ein einziges +Mal gebeten, daß er käme. Du wirst sehen, wie ich deinen König dazu +bringe, mir seine Niederlage zu bekennen! Geh nur hinaus, Surangama, und +laß mich alles wissen. + +Surangama geht hinaus. + +Aber werde ich gehen, wenn er kommt und mich bittet, mit ihm +zurückzukehren? Gewiß nicht! Ich will nicht gehen! Niemals! + +Surangama kommt zurück. + +_Surangama_ + +Es ist nicht der König, meine Königin. + +_Sudarschana_ + +Nicht der König? Bist du ganz sicher? Wie! er ist noch nicht gekommen? + +_Surangama_ + +Nein, mein König wirbelt nie soviel Staub auf, wenn er kommt. Niemand +kann wissen, wann er überhaupt kommt. + +_Sudarschana_ + +Dann ist es -- + +_Surangama_ + +Eben der: er kommt mit dem König von Kantschi. + +_Sudarschana_ + +Weißt du, wie er heißt? + +_Surangama_ + +Er heißt Suvarna. + +_Sudarschana_ + +Er ist es also. Ich dachte: »Ich liege hier gleich weggeworfenen +Schlacken und Kehricht, die keiner auch nur anrühren mag.« Aber mein +Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du Suvarna früher gekannt? + +_Surangama_ + +Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in der Spielhölle -- + +_Sudarschana_ + +Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen, ich will nichts hören. +Er ist mein Held, meine einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen, +ohne daß du mir Geschichten von ihm erzählst. Aber sieh nur, ein +netter Mann ist dein König! Er ließ sich nicht einfallen, zu kommen, +um mich selbst aus dieser Entwürdigung zu retten. Danach kannst du +mich nicht tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf ihn warten und +mich schimpflich wie eine Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut und +Unterwürfigkeit üben wie du. + + + + +XI. + + +Lager. + +_Kantschi_ + +Zu Kanya Kubja's Boten. + +Sage deinem König, daß er uns nicht gerade als seine Gäste zu empfangen +braucht. Wir sind auf dem Weg zurück zu unsern Königreichen, aber +wir verweilen, um die Königin Sudarschana aus der Knechtschaft und +Entwürdigung zu befreien, zu der sie hier verdammt ist. + +_Bote_ + +Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, daß die Prinzessin in ihres +Vaters Hause ist. + +_Kantschi_ + +Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres Vaters bleiben, als sie +unvermählt ist. + +_Bote_ + +Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres Vaters bleiben unverändert +bestehen. + +_Kantschi_ + +Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden entsagt. + +_Bote_ + +Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann diesseits des Grabes niemals +entsagt werden: sie mag zu Zeiten außer Kraft treten, kann jedoch nie +ganz abgebrochen werden. + +_Kantschi_ + +Entschließt sich der König nicht, mir seine Tochter auf friedlichem Wege +herauszugeben, so wird mich das Gebot der Ritterpflicht nötigen, Gewalt +anzuwenden. Du kannst das für mein letztes Wort nehmen. + +_Bote_ + +Euer Hoheit wollen nicht vergessen, daß auch unser König an die +Ritterpflicht gebunden ist. Ihr erwartet umsonst, daß er seine Tochter +nur auf eure Drohungen hin ausliefern wird. + +_Kantschi_ + +Sag deinem König, daß ich auf solch eine Antwort gefaßt war, als ich +herkam. + +Der Bote geht ab. + +_Suvarna_ + +König von Kantschi, es scheint mir, daß wir zu viel wagen. + +_Kantschi_ + +Was für ein Vergnügen böte dieses Abenteuer, wenn es anders wäre? + +_Suvarna_ + +Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum Kampf herauszufordern -- +aber... + +_Kantschi_ + +Wenn du erst anfängst, dich vor »Aber« zu fürchten, wirst du in dieser +Welt kaum einen Platz finden, der sicher genug für dich ist. + +Ein Soldat tritt auf. + +_Soldat_ + +Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten, daß die Könige von +Koschala, Avanti und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs kommen. +(Ab.) + +_Kantschi_ + +Gerade, was ich fürchtete! Die Nachricht von Sudarschanas Flucht hat +sich überall verbreitet; jetzt wird man sich von allen Seiten um sie +reißen und schließlich wird alles in Rauch aufgehn. + +_Suvarna_ + +Es führt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind keine guten Nachrichten. +Ich bin völlig gewiß, daß unser König selbst insgeheim die Kunde +allenthalben verbreitet hat. + +_Kantschi_ + +Nun, was soll ihm das nützen? + +_Suvarna_ + +Die Gierigen werden einander in der allgemeinen Eifersucht in +Stücke reißen -- und er wird sich die Lage zunutze machen, die Beute +heimzuführen. + +_Kantschi_ + +Nun wird es klar, warum euer König sich nie sehen läßt. Sein Kniff +ist, sich auf allen Seiten zu vervielfachen -- die Furcht sieht ihn +allenthalben. Aber ich will dabei bleiben, daß euer König von Kopf zu +Fuß nichts als eitel Schwindel ist. + +_Suvarna_ + +Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Güte haben, mich zu entlassen? + +_Kantschi_ + +Ich kann dich nicht gehen lassen -- ich habe noch eine Verwendung für +dich in dieser Sache. + +Ein Soldat tritt auf. + +_Soldat_ + +Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha sind auch gekommen. Sie haben +auf der andern Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen. (Ab.) + +_Kantschi_ + +Im Anfang müssen wir alle vereinigt kämpfen. Ist erst die Schlacht mit +Kanya Kubja vorbei, so werden wir schon einen Weg aus der Schwierigkeit +finden. + +_Suvarna_ + +Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure Pläne -- ich werde glücklich +sein, wenn Ihr mich mir selbst überlaßt -- ich bin ein armes, niedriges +Geschöpf -- nichts kann -- + +_Kantschi_ + +Sieh einmal an, König der Heuchler, Mittel und Wege sind nie von so +hohem Range -- Straßen und Stufen und so weiter sind stets dazu da, mit +den Füßen getreten zu werden. Der Vorteil, wenn wir Männer deiner Art in +unsern Plänen verwenden, ist, daß wir keine Maske oder Täuschung nötig +haben. Wenn ich mich aber mit meinem Minister zu beraten hätte, wäre es +unsinnig, wollte ich dem Diebstahl einen weniger würdigen Namen geben +als Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die Fürsten in Bewegung setzen +wie Bauern auf dem Schachbrett; das Spiel ist nicht möglich, wenn +_all_ die Schachfiguren sich wie Könige bewegen wollen! + + + + +XII. + + +Inneres des Palastes. + +_Sudarschana_ + +Geht die Schlacht noch fort? + +_Surangama_ + +So heftig wie je. + +_Sudarschana_ + +Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater zu mir und sagte: »Du +bist von einem König fortgelaufen, aber du hast sieben Könige dir +nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben Stücke zu schneiden und sie +unter die Fürsten zu verteilen.« Es wäre gut gewesen, wenn er es getan +hätte. -- Surangama! + +_Surangama_ + +Ja? + +_Sudarschana_ + +Wenn dein König die Macht hätte, mich zu retten, könnte mein jetziger +Zustand ihn ungerührt gelassen haben? + +_Surangama_ + +Meine Königin, warum fragst du mich? Habe ich die Macht, für meinen +König zu antworten? Ich weiß, mein Verstand ist nicht hell; darum wage +ich nie über ihn zu urteilen. + +_Sudarschana_ + +Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt? + +_Surangama_ + +Alle sieben Fürsten. + +_Sudarschana_ + +Sonst keiner? + +_Surangama_ + +Suvarna machte den Versuch zu entfliehen -- insgeheim, ehe der Kampf +anfing --, aber Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem Lager +verwahrt. + +_Sudarschana_ + +Oh, ich hätte vor langer Zeit sterben sollen! Aber, o König, mein König, +wenn du gekommen wärest und hättest meinem Vater geholfen, dein Ruhm +wäre darum nicht geringer! Er wäre strahlender und höher geworden. Bist +du ganz gewiß, Surangama, daß er nicht gekommen ist? + +_Surangama_ + +Ich weiß nichts sicher. + +_Sudarschana_ + +Aber seit ich hier bin, hatte ich plötzlich manchmal die Empfindung, als +ob jemand unter meinem Fenster auf einer Laute spielte. + +_Surangama_ + +Es wäre nicht undenkbar, daß jemand dort seiner Liebe zur Musik frönt. + +_Sudarschana_ + +Es ist dort ein dichtes Gebüsch unter meinem Fenster -- ich versuche +jedesmal, wenn ich die Musik höre, herauszubekommen, wer es ist, aber +ich kann nichts deutlich unterscheiden. + +_Surangama_ + +Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und spielt auf dem Instrument. + +_Sudarschana_ + +Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast kommt mir ins Gedächtnis +zurück. Ich kam gewöhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet +hatte, und stand an meinem Fenster, und aus dem blinden Dunkel +des lichtlosen Ortes unsrer Begegnungen strömten dann Akkorde und +Gesänge und Melodien heraus und tanzten und zitterten in endloser +Folge und überfließender Verschwendung, wie die leidenschaftliche +Überschwänglichkeit eines unversieglichen Springquells. + +_Surangama_ + +O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles Dunkel, dessen Dienerin ich +war! + +_Sudarschana_ + +Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach? + +_Surangama_ + +Weil ich wußte, er würde uns folgen und uns zurückholen. + +_Sudarschana_ + +Aber nein, er wird nicht kommen -- er hat uns für immer verlassen. Warum +sollte er nicht? + +_Surangama_ + +Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann bedürfen wir seiner nicht. +Dann ist er für uns nicht da: dann ist jene dunkle Kammer völlig leer +und öde -- keine Laute hauchte dort je ihre Musik -- niemand rief dich +oder mich in jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen und ein +eitler Traum. + +Der Türhüter tritt auf. + +_Sudarschana_ + +Wer bist du? + +_Türhüter_ + +Ich bin der Pförtner dieses Palastes. + +_Sudarschana_ + +Sag mir rasch, was du zu sagen hast. + +_Türhüter_ + +Unser König ist gefangen genommen worden. + +_Sudarschana_ + +Gefangen? O Mutter Erde! + +Sie wird ohnmächtig. + + + + +XIII. + + +König von Kantschi und Suvarna. + +_Suvarna_ + +Ihr sagt also, daß keine Notwendigkeit irgendeines Kampfes unter euch +selbst mehr besteht? + +_Kantschi_ + +Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe alle Fürsten dazu +gebracht, sich einverstanden zu erklären, daß der, den die Königin als +Gemahl erwählt, sie bekommen soll, und die andern werden auf jeden +weiteren Kampf verzichten. + +_Suvarna_ + +Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr, Euer Hoheit -- so flehe ich Euch +an: entlaßt mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin, hat die Furcht +vor drohender Gefahr mich entnervt und meinen Verstand betäubt. Es wird +Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu verwenden. + +_Kantschi_ + +Du wirst dasitzen und mir als Schirmträger dienen. + +_Suvarna_ + +Euer Diener ist zu allem bereit; aber was für einen Nutzen wird Euch das +bringen? + +_Kantschi_ + +Mann, ich sehe, daß dein Verstand zu schwach ist, um mit einem hohen +Ehrgeiz zusammenzugehen. Du hast noch nicht bemerkt, mit welcher +Gunst die Königin auf dich gesehen hat. Schließlich kann sie in einer +Gesellschaft von Fürsten einem Schirmträger nicht gut den Brautkranz +um den Nacken legen, und doch, ich weiß, sie wird nicht imstande sein, +ihren Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden Fall dieser Kranz unter +den Schatten meines königlichen Schirmes fallen. + +_Suvarna_ + +Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefährliche Phantasien. Ich +bitte Euch inständig, verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser +Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz demütig, setzt mich in +Freiheit. + +_Kantschi_ + +Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir nicht einen Augenblick mehr +deine Freiheit vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so ist es +unnütz, sich mit den Mitteln zu beschweren. + + + + +XIV. + + +Sudarschana und Surangama am Fenster. + +_Sudarschana_ + +Muß ich also in die Versammlung der Fürsten gehn? Gibt es kein anderes +Mittel, meines Vaters Leben zu retten? + +_Surangama_ + +Der König von Kantschi hat es gesagt. + +_Sudarschana_ + +Sind das Worte, die eines Königs würdig sind? Sagte er das mit seinem +eigenen Munde? + +_Surangama_ + +Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht. + +_Sudarschana_ + +Weh, weh über mich! + +_Surangama_ + +Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor und sagte: »Sag deiner +Königin, daß diese Andenken an das Frühlingsfest, je trockener und +verwelkter sie werden, um so frischer und blühender in meinem Herzen +wachsen.« + +_Sudarschana_ + +Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich nicht länger. + +_Surangama_ + +Sieh! Da sitzen die Fürsten alle in der großen Versammlung. Der keinen +Schmuck an sich hat, außer dem einzigen Blumenkranz um seine Krone -- +das ist der König von Kantschi. Und der den Schirm über sein Haupt hält +und hinter ihm steht -- das ist Suvarna. + +_Sudarschana_ + +Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher? + +_Surangama_ + +Ja, ich kenne ihn gut. + +_Sudarschana_ + +Ist es möglich, daß das der Mann ist, den ich damals sah? Nein, nein -- +ich sah etwas, das war gemischt aus Licht und Dunkel, aus Windhauch und +Duft -- nein, nein, er kann es nicht sein; das ist er nicht. + +_Surangama_ + +Aber alle geben zu, daß er ausnehmend schön ist. + +_Sudarschana_ + +Wie konnte _diese_ Schönheit mich bezaubern? Oh, was soll ich tun, um +meine Augen von der Befleckung zu reinigen? + +_Surangama_ + +Du wirst sie in jenem unergründlichen Dunkel baden müssen. + +_Sudarschana_ + +Aber sage mir, Surangama, warum begeht man solche Fehler? + +_Surangama_ + +Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen Vernichtung. + +_Bote_ (eintretend) + +Prinzessin, die Könige warten in der Halle auf Euch. + +Ab. + +_Sudarschana_ + +Surangama, bring mir den Schleier. (Surangama geht hinaus.) O König, +mein einziger König! Du hast mich allein gelassen, und du hast ganz +recht daran getan. Aber willst du nicht die innerste Wahrheit meiner +Seele erfahren? + +Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor. + +Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen -- ich werde ihn heute im +Staub der Halle, vor all diesen Fürsten, zum Opfer bringen! Aber werde +ich dir nie sagen können, daß die geheime Kammer meines Herzens durch +keine Treulosigkeit befleckt ist? Die dunkle Kammer, wo du mich zu +besuchen pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem Busen -- doch, o +mein Herr! keiner hat ihre Tore geöffnet, keiner ist in sie eingegangen +als du, o König! Wirst du nie mehr kommen, um diese Tore zu öffnen? Dann +laß den Tod kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine Züge sind schön +wie deine. Er ist du -- du bist es selbst, o König! + + + + +XV. + + +Die Versammlung der Fürsten. + +_Vidarbha_ + +König von Kantschi, wie kommt es, daß du nicht ein einziges Schmuckstück +an dir hast? + +_Kantschi_ + +Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein Freund. Schmuckstücke würden +die Schmach meiner Niederlage nur verdoppeln. + +_Kalinga_ + +Aber dein Schirmträger scheint sich dafür ausstaffiert zu haben -- er +ist über und über mit Gold und Edelsteinen beladen. + +_Virat_ + +Der König von Kantschi will die Nutzlosigkeit und Minderwertigkeit +äußerer Schönheit und Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine +Mannestugenden hat ihn vermocht, alle äußeren Verschönerungen von seinen +Gliedern zu entfernen. + +_Koschala_ + +Ich verstehe seine List schon; er sucht seine eigene Würde zu zeigen, +indem er unter den mit Edelsteinen übersäten Fürsten eine strenge +Einfachheit betont. + +_Pantschala_ + +Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht rühmen. Alle Welt weiß, +daß die Augen eines Weibes wie eine Motte sind, sie stürzen Hals über +Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von Gold und Steinen. + +_Kalinga_ + +Aber wie lange sollen wir noch warten? + +_Kantschi_ + +Werde nicht ungeduldig, König von Kalinga -- je später die Ernte, desto +süßer die Frucht. + +_Kalinga_ + +Wäre ich der Frucht sicher, so könnte ich es aushalten. Weil jedoch +meine Hoffnung, die Frucht zu schmecken, äußerst zweifelhaft ist, will +sich meine Begier, ihren Anblick zu genießen, nicht zügeln lassen. + +_Kantschi_ + +Aber du bist noch jung -- aufgegebene Hoffnung kommt in deinen Jahren +wieder und wieder zu dir zurück wie ein schamloses Weib: wir indessen +haben diese Stufe lange hinter uns. + +_Koschala_ + +Kantschi, spürtest du nicht jetzt eben etwas, als ob jemand an deinem +Sessel rüttelte? Ist es ein Erdbeben? + +_Kantschi_ + +Erdbeben? Ich weiß nichts davon. + +_Vidarbha_ + +Oder vielleicht zieht noch ein Fürst mit seinen Bewaffneten daher. + +_Kalinga_ + +Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur hätten wir dann vorher die +Nachricht erst von einem Herold oder Boten vernehmen müssen. + +_Vidarbha_ + +Ich kann dies nicht für ein Zeichen guter Vorbedeutung nehmen. + +_Kantschi_ + +Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte Vorbedeutung aus. + +_Vidarbha_ + +Ich fürchte keinen außer dem Schicksal, vor dem Tapferkeit oder +Heldenmut so unnütz wie sinnlos ist. + +_Pantschala_ + +Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen nicht einen +Schatten auf die glücklichen Geschehnisse dieses Tages! + +_Kantschi_ + +Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung, bis es sichtbar geworden ist. + +_Vidarbha_ + +Aber dann könnte es zu spät sein, etwas zu tun. + +_Pantschala_ + +Sind wir nicht alle in einem besonders verheißungsvollen Augenblick ans +Werk gegangen!? + +_Vidarbha_ + +Glaubst du dadurch, daß du in verheißungsvollen Augenblicken ans Werk +gehst, gegen jede mögliche Gefahr versichert zu sein? Es sieht aus, als +ob -- + +_Kantschi_ + +Du würdest besser das »Als ob« zu Hause lassen: es ist zwar unsre eigene +Schöpfung, erweist sich aber oft als unser Verderben und Untergang. + +_Kalinga_ + +Ist da nicht Musik irgendwo draußen? + +_Pantschala_ + +Ja, es klingt wirklich wie Musik. + +_Kantschi_ + +Dann muß es endlich die Königin Sudarschana sein, die naht. (Beiseite +zu Suvarna.) Suvarna, du mußt dich nicht so hinter mir ducken und dich +verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner Hand zittert ja! + +Großvater tritt ein, in kriegerischer Rüstung. + +_Kalinga_ + +Wer ist das? -- Wer bist du? + +_Pantschala_ + +Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese Halle zu treten? + +_Virat_ + +Unerhörte Frechheit! Kalinga, hindre doch den Kerl, näher heranzukommen. + +_Kalinga_ + +Ihr seid alle älter als ich -- ihr seid berufener das zu tun, als ich. + +_Vidarbha_ + +Wir wollen hören, was er zu sagen hat. + +_Großvater_ + +Der _König_ ist gekommen. + +_Vidarbha_ (aufspringend) + +Der König? + +_Pantschala_ + +Welcher König? + +_Kalinga_ + +Woher kommt er? + +_Großvater_ + +Mein König! + +_Virat_ + +Dein König? + +_Kalinga_ + +Wer ist das? + +_Koschala_ + +Was meinst du? + +_Großvater_ + +Ihr wißt alle, wen ich meine. Er ist gekommen. + +_Vidarbha_ + +Er ist gekommen? + +_Koschala_ + +In welcher Absicht? + +_Großvater_ + +Er ladet euch alle vor sich. + +_Kantschi_ + +Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher Form hat es ihm beliebt, uns +vorzuladen? + +_Großvater_ + +Ihr könnt seinen Ruf auf jede Art nehmen, ganz nach Belieben -- niemand +wird euch hindern -- er ist auf jede Art der Begrüßung gerüstet, um +jedem Geschmack zu genügen. + +_Virat_ + +Aber wer bist du? + +_Großvater_ + +Ich bin einer seiner Generale. + +_Kantschi_ + +General! Eine Lüge ist es! Denkst du, uns zu schrecken? Bildest du dir +ein, ich könnte nicht durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir kennen +dich alle gut -- und du spielst dich vor uns als »General« auf! + +_Großvater_ + +Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist so unwürdig wie ich, Träger +der Befehle meines Königs zu sein? Und doch ist er es, der mich mit +dieser Generalsrüstung bekleidet und hierher gesandt hat; er hat mich +vor größeren Generalen und mächtigeren Kriegern erwählt. + +_Kantschi_ + +Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit kommen und bezeigen, +was Schicklichkeit und Freundwilligkeit erfordern -- aber gegenwärtig +sind wir mitten in einem dringenden Geschäft. Er wird warten müssen, bis +diese kleine Angelegenheit erledigt ist. + +_Großvater_ + +Wenn er seinen Ruf ergehen läßt, wartet er nicht. + +_Koschala_ + +Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort. + +_Vidarbha_ + +Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten, bis diese Angelegenheit +erledigt ist, nicht zustimmen. Ich gehe. + +_Kalinga_ + +Ihr seid älter als ich -- ich folge euch. + +_Pantschala_ + +Sieh hinter dich, Fürst von Kantschi, dein königlicher Schirm liegt im +Staub: du hast nicht beachtet, wie dein Schirmträger sich fortgestohlen +hat. + +_Kantschi_ + +Wohlan, General. Auch ich gehe -- aber nicht, um ihm Huldigung zu +leisten. Ich gehe, auf dem Schlachtfeld mit ihm zu kämpfen. + +_Großvater_ + +Du wirst meinen König auf dem Schlachtfeld treffen: das ist kein +unwürdiger Platz für deinen Empfang. + +_Virat_ + +Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle vor einem +Schreckgespenst -- es sieht so aus, als ob der König von Kantschi den +Vorteil davon haben sollte. + +_Pantschala_ + +Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist es feige und töricht, +fortzugehen, ohne sie zu pflücken. + +_Kalinga_ + +Es ist besser, sich dem König von Kantschi anzuschließen. Er muß einen +bestimmten Plan und Zweck haben, wenn er soviel wagt. + + + + +XVI. + + +Sudarschana und Surangama. + +_Sudarschana_ + +Der Kampf ist nun aus. Wann wird der König kommen? + +_Surangama_ + +Ich weiß es selbst nicht: ich sehe auch seinem Kommen entgegen. + +_Sudarschana_ + +Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama, daß mir die Brust +tatsächlich weh tut. Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll ich +ihm mein Gesicht zeigen? + +_Surangama_ + +Geh zu ihm in äußerster Demut und Entsagung, und alle Scham wird im Nu +verschwinden. + +_Sudarschana_ + +Ich muß nun schon bekennen, daß ich die äußerste Demütigung für mein +ganzes übriges Leben gefunden habe. Aber der Stolz war schuld, daß +ich so lange den größten Anteil an seiner Liebe begehrte. Alle Welt +sagte immer, ich besäße eine so wunderbare Schönheit, solche Reize und +Tugenden; alle Welt sagte immer, der König zeigte unbegrenzte Güte gegen +mich -- das macht es für mich so schwer, mein Herz in Demut vor ihm zu +beugen. + +_Surangama_ + +Diese Schwierigkeit, meine Königin, wird vergehen. + +_Sudarschana_ + +O ja, sie wird vergehen -- der Tag ist für mich gekommen, mich vor +der ganzen Welt zu demütigen. Aber warum kommt der König nicht, mich +zurückzuholen? Worauf wartet er noch? + +_Surangama_ + +Habe ich dir nicht gesagt, daß mein König grausam und hart ist -- sehr +hart fürwahr? + +_Sudarschana_ + +Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht von ihm. + +_Surangama_ + +Ich weiß nicht, wohin ich gehen sollte, um etwas von ihm zu erfahren. +Ich habe Großvater gebeten, zu kommen; vielleicht hören wir, wenn er +kommt, etwas von ihm. + +_Sudarschana_ + +Ach, mein böses Geschick! Es ist so weit mit mir gekommen, daß ich andre +fragen muß, um etwas von meinem eignen König zu hören! + +Großvater tritt ein. + +_Sudarschana_ + +Ich habe gehört, daß du der Freund meines Königs bist, so laß mich dir +Ehrfurcht bezeugen und gib mir deinen Segen. + +_Großvater_ + +Was tust du, Königin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen an. Ich will +nichts weiter als jedermanns Kamerad sein. + +_Sudarschana_ + +So schenk mir denn ein freundlich Lächeln -- gib mir gute Kunde. Sag +mir, wann der König kommt, mich zurückzuholen. + +_Großvater_ + +Du fragst mich eine schwere Frage, fürwahr! Ich verstehe noch kaum die +Wege meines Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber niemand kann +sagen, wohin er gegangen ist. + +_Sudarschana_ + +Ist er denn fortgegangen? + +_Großvater_ + +Ich kann hier keine Spur von ihm finden. + +_Sudarschana_ + +Ist er gegangen? Und nennst du solch einen deinen Freund? + +_Großvater_ + +Deshalb schmähen und verdächtigen ihn die Leute. Aber mein König kümmert +sich einfach nicht im geringsten darum. + +_Sudarschana_ + +Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie grausam, wie grausam! Er ist +aus Stein, er ist hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem Herzen +zu bewegen -- es ist zerrissen und blutet -- aber ihn konnte ich nicht +einen Zoll bewegen! Großvater, sag mir, wie kannst du mit solch einem +Freund auskommen? + +_Großvater_ + +Ich kenne ihn nun -- ich habe ihn in meinen Leiden und Freuden +kennengelernt -- er kann mich nicht mehr zum Weinen bringen. + +_Sudarschana_ + +Wird er sich mir nicht auch zu erkennen geben? + +_Großvater_ + +Gewiß wird er das, natürlich. Er wird nicht eher ruhen. + +_Sudarschana_ + +Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er sein kann! Ich werde hier am +Fenster stehen, ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht einen Zoll +von der Stelle rühren; ich will sehen, ob er nicht kommt! + +_Großvater_ + +Du bist noch jung -- du kannst es dir leisten, auf ihn zu warten; aber +für mich alten Mann ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche. Ich +muß hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn finde oder nicht. + +Ab. + +_Sudarschana_ + +Ich brauche ihn nicht -- ich will ihn nicht suchen! Surangama, ich +bedarf deines Königs nicht! Warum kämpfte er mit den Fürsten? Geschah es +überhaupt für mich? Wollte er sein Heldentum und seine Stärke zur Schau +stellen? Geh fort von hier -- ich kann deinen Anblick nicht ertragen. Er +hat mich in den Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden! + + + + +XVII. + + +Eine Schar von Bürgern. + +_Erster Bürger_ + +Als so viele Könige zusammentrafen, dachten wir, es würde eine rechte +Kurzweil für uns geben; aber irgendwie nahm alles eine solche Wendung, +daß niemand weiß, was überhaupt geschehen ist! + +_Zweiter Bürger_ + +Saht ihr nicht, daß sie untereinander zu keiner Verständigung kommen +konnten? -- jeder mißtraute dem andern. + +_Dritter Bürger_ + +Keiner hielt sich an ihre ursprünglichen Pläne; einer wollte vorrücken, +ein anderer hielt den Rückzug für die bessere Politik; einige wandten +sich nach rechts, andere liefen Sturm nach links: wie kann man das eine +Schlacht heißen? + +_Erster Bürger_ + +Sie hatten keinen Sinn für wirklichen Kampf -- jeder hatte seine Augen +auf den andern. + +_Zweiter Bürger_ + +Jeder dachte: »Warum sollte ich sterben, um es den andern zu +ermöglichen, die Ernte einzuheimsen?« + +_Dritter Bürger_ + +Aber ihr müßt alle zugeben: Kantschi kämpfte wie ein wirklicher Held. + +_Erster Bürger_ + +Er schien noch lange, nachdem er geschlagen war, nicht gewillt, seine +Niederlage anzuerkennen. + +_Zweiter Bürger_ + +Zuletzt wurde ihm von einem tödlichen Wurfgeschoß die Brust durchbohrt. + +_Dritter Bürger_ + +Aber vorher schien er nicht gewahren zu wollen, daß er bei jedem Schritt +Boden verloren hatte. + +_Erster Bürger_ + +Die andern Könige aber -- nun, keiner weiß, wohin sie geflohen sind; den +armen Kantschi ließen sie allein auf dem Feld. + +_Zweiter Bürger_ + +Aber ich habe gehört, er sei noch nicht tot. + +_Dritter Bürger_ + +Nein, die Ärzte haben ihn gerettet -- aber er wird den Stempel seiner +Niederlage bis zum Tag seines Todes auf der Brust tragen. + +_Erster Bürger_ + +Keiner von den andern Königen, die flohen, ist entkommen; sie sind alle +gefangengenommen worden. Aber was ist das für eine Sorte Justiz, die an +ihnen geübt wurde? + +_Zweiter Bürger_ + +Ich habe gehört, daß jeder bestraft wurde, mit Ausnahme von Kantschi, +dem der Richter auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz zu seiner +Rechten anwies und ihm eine Krone aufs Haupt setzte. + +_Dritter Bürger_ + +So etwas Unfaßbares ist noch nicht dagewesen. + +_Zweiter Bürger_ + +Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt uns launisch und +grillenhaft vor. + +_Erster Bürger_ + +So ist es. Der größte Sünder ist ganz gewiß der König von Kantschi; die +andern trieb einmal Gewinngier vorwärts, und das andre Mal zog sie die +Furcht zurück. + +_Dritter Bürger_ + +Was für eine Sorte Justiz ist das, frage ich? Es ist, wie wenn der Tiger +ungestraft davonkäme, während sein Schwanz abgeschnitten würde. + +_Zweiter Bürger_ + +Wenn ich der Richter wäre, glaubt ihr, Kantschi liefe zur Stunde heil +und gesund herum? Nicht das geringste wäre mehr von ihm übrig. + +_Dritter Bürger_ + +Das sind große Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne haben ein andres +Gepräge wie unsre. + +_Erster Bürger_ + +Haben sie überhaupt ein Hirn, möcht' ich wissen? Sie frönen einfach +ihren Launen, da keiner über ihnen ist, der ihnen etwas sagen dürfte. + +_Zweiter Bürger_ + +Ihr könnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt in unsern +Händen wäre, hätten wir sicher die Regierung besser geführt als so. + +_Dritter Bürger_ + +Kann darüber überhaupt noch Zweifel bestehen? Das versteht sich +natürlich von selbst. + + + + +XVIII. + + +Die Straße. Großvater und Kantschi. + +_Großvater_ + +Wie, Fürst von Kantschi, du hier? + +_Kantschi_ + +Dein König hat mich auf die Straße geschickt. + +_Großvater_ + +Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm. + +_Kantschi_ + +Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken. + +_Großvater_ + +Auch das gehört zu seinen Vergnügungen. + +_Kantschi_ + +Aber wie lange will er mir noch so ausweichen? Als nichts mich dazu +bringen konnte, ihn als meinen König anzuerkennen, kam er plötzlich +daher wie ein schrecklich gewaltiger Sturm -- Gott weiß, woher -- und +zersprengte meine Leute und Pferde und Banner in einen einzigen wilden +Aufruhr: nun aber, wo ich die Grenzen der Erde absuche, um ihm meine +demütige Huldigung zu erweisen, ist er nirgends zu sehen. + +_Großvater_ + +Aber wie groß er als König auch sein mag, er hat sich dem zu fügen, der +sich unterwirft. Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert, Fürst? + +_Kantschi_ + +Ich kann ein geheimes Gefühl der Angst noch nicht loswerden, die Leute +könnten mich auslachen, wenn sie sehen, wie ich euerm König demütig +meine Huldigung darbringe und meine Niederlagen anerkenne. + +_Großvater_ + +So sind die Leute in der Tat. Was andre zu Tränen rühren würde, dient +nur dazu, ihr leeres Lachen hervorzurufen. + +_Kantschi_ + +Aber du bist auch auf der Straße, Großvater. + +_Großvater_ + +Ich bin auf der fröhlichen Pilgerfahrt zu dem Land, wo man alles +verliert. + +_Gesang des Großvaters_ + + Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren. + Ich laure am Straßenrand auf den, der einen hinaus auf die Straße + schickt, + Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt, + Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben, + Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren. + + + + +XIX. + + +Eine Straße. Sudarschana und Surangama. + +_Sudarschana_ + +Welche Erlösung, Surangama, welche Freiheit! Meine Niederlage ist es, +die mir die Freiheit gebracht hat. Oh, was besaß ich für einen ehernen +Stolz! Nichts konnte ihn rühren oder erweichen. Mein verfinsterter Geist +konnte auf keine Weise dazu gebracht werden, die schlichte Wahrheit zu +sehen, daß nicht der König zu kommen hatte, sondern daß ich zu ihm gehen +sollte. Die ganze Nacht hindurch gestern lag ich allein im Staub auf +dem Boden am Fenster -- lag da trostlose Stunden lang und weinte! Die +ganze Nacht bliesen die Südwinde und schrien und stöhnten wie die Qual, +die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch hörte ich das klagende: +»Sprich, Weib!« des Nachtvogels, das in dem Aufruhr draußen als Echo +tönte!... Es war das hilflose Wehklagen der dunklen Nacht, Surangama! + +_Surangama_ + +Die schwere melancholische Weise der letzten Nacht schien eine Ewigkeit +forttönen zu wollen -- oh, welch trübe düstere Nacht! + +_Sudarschana_ + +Aber willst du es glauben -- mir war, ich hörte die sanften Akkorde +der Laute durch all den wilden Lärm und Aufruhr strömen! Konnte er so +süße und zarte Weisen spielen, er, der so grausam und schrecklich ist? +Die Welt kennt nur meine Entwürdigung und Schmach -- aber keiner als +mein eigenes Herz konnte diese Akkorde hören, die durch die einsame und +klagende Nacht hin nach mir riefen. Hörtest du, Surangama, diese Laute +auch? Oder war das nur ein Traum von mir? + +_Surangama_ + +Aber eben um die Musik dieser Laute zu hören, bin ich ja immer an deiner +Seite. Auf diesen Ruf der Musik, von dem ich wußte, er würde eines Tages +kommen und all die Schranken der Liebe zunichte machen, habe ich mit +gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht. + +_Sudarschana_ + +Schließlich schickte er mich auf die Landstraße -- ich konnte seinem +Willen nicht widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die ersten Worte +sein, die ich ihm sage: »Ich bin freiwillig gekommen -- ich habe nicht +abgewartet, bis du kamst.« Ich werde sagen: »Um deinetwillen bin ich die +harten beschwerlichen Straßen gewandert, und bitter und unaufhörlich war +auf dem ganzen Weg mein Weinen.« Ich werde wenigstens diesen Stolz in +mir haben, wenn ich zu ihm komme. + +_Surangama_ + +Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er kam vor dir -- wer sonst +hätte dich auf die Straße schicken können? + +_Sudarschana_ + +Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefühl gekränkten Stolzes in +mir war, mußte ich glauben, er hätte mich für immer verlassen; aber +als ich meine Würde und meinen Stolz in die Winde schleuderte und auf +die gemeinen Straßen hinausging, da schien es mir, als wäre auch er +herausgekommen: ich habe angefangen, ihn zu finden, seit ich auf der +Straße bin. Ich fürchte nun nichts mehr. All diese Leiden, durch die +ich um seinetwillen hindurchgegangen bin, gerade die Bitterkeit all +dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist gekommen, er hat mich +bei der Hand genommen, gerade wie er es in jener Kammer der Dunkelheit +gern tat, wo bei seiner Berührung all mein ganzer Leib in plötzlicher +Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berührung wieder! Wer sagt, er +sei nicht hier? -- Surangama, kannst du nicht sehen, daß er gekommen +ist, schweigend und insgeheim?... Wer ist jener dort? Sieh, Surangama, +dort ist ein dritter Wanderer auf dieser dunklen Straße zu dieser +nächtlichen Stunde. + +_Surangama_ + +Ich sehe, es ist der König von Kantschi, meine Königin. + +_Sudarschana_ + +Der König von Kantschi! + +_Surangama_ + +Fürchte dich nicht, meine Königin! + +_Sudarschana_ + +Fürchten! Warum sollte ich mich fürchten? Die Tage der Furcht sind für +mich für immer vorbei. + +_Kantschi_ (tritt auf) + +Mütterchen Königin, ich sehe euch beide auf dieser Straße! Ich bin ein +Wanderer auf demselben Weg wie du. Habe keine Furcht vor mir, o Königin! + +_Sudarschana_ + +Es ist gut, König von Kantschi, daß wir zusammen gehen, Seite an Seite +-- das ist nur in Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst mein +Heim verließ, und nun begegne ich dir wieder auf dem Rückweg. Wer hätte +sich träumen lassen, daß diese unsre Begegnung voll so guter Verheißung +war? + +_Kantschi_ + +Aber, Mütterchen Königin, es gebührt sich nicht, daß du zu Fuß über +diese Straße wanderst. Willst du mir gestatten, einen Wagen für dich zu +besorgen? + +_Sudarschana_ + +Oh, sage das nicht: ich wäre nie wieder glücklich, wenn ich nicht auf +meinem Rückweg nach Hause auf den Staub der Straße treten könnte, die +mich von meinem König weggeführt hat. Ich würde mich selbst betrügen, +wenn ich jetzt in einem Wagen fahren würde. + +_Surangama_ + +König, auch du wanderst heute im Staub: diese Straße hat niemals einen +gekannt, der Pferd oder Wagen über sie gelenkt hätte. + +_Sudarschana_ + +Als ich die Königin war, schritt ich auf Silber und Gold -- ich habe nun +für das Unglück meiner königlichen Geburt zu büßen, indem ich auf Staub +und nackter Erde wandre. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß ich +heute bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub der Erde meinen König +finden würde. + +_Surangama_ + +Sieh, meine Königin, dort im Osten dämmert der Morgen. Wir haben nicht +mehr lange zu wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen Türme des +Königspalastes. + +Der Großvater tritt auf. + +_Großvater_ + +Mein Kind, es tagt -- endlich! + +_Sudarschana_ + +Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben, und hier bin ich nun. + +_Großvater_ + +Aber siehst du, was für schlechte Manieren unser König hat? Er hat +keinen Wagen geschickt, keine Musik, nichts von Glanz und Pracht. + +_Sudarschana_ + +Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der Himmel ist rosig und +purpurn über und über, und die Luft ist voll von dem Willkommgruß der +Blumendüfte. + +_Großvater_ + +Ja, aber so grausam unser König sein mag, dürfen wir doch nicht suchen, +mit ihm zu wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht erwehren, wenn +ich dich in diesem Zustand sehe, mein Kind. Wie können wir ertragen, +dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet in den Königspalast +eingehn zu sehen? Warte etwas -- ich laufe und hole dir deine +Königsgewänder. + +_Sudarschana_ + +O nein, nein, nein! Er hat diese Königskleider für immer von mir +genommen -- er hat mich vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid einer +Magd gekleidet: welche Erlösung ist das für mich gewesen! Ich bin nun +seine Magd, nicht länger seine Königin. Heute stehe ich tiefer als alle +die, die irgendeine Verwandtschaft mit ihm beanspruchen können. + +_Großvater_ + +Aber deine Feinde werden nun über dich lachen: wie kannst du ihren Spott +ertragen? + +_Sudarschana_ + +Laß ihr Gelächter und ihren Spott unauslöschlich sein -- laß sie auf den +Straßen Staub nach mir werfen: dieser Staub wird heute der Puder sein, +mit dem ich mich schmücken will, ehe ich meinem Herrn entgegentrete. + +_Großvater_ + +Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun wollen wir das letzte Spiel +unsres Frühlingsfestes spielen -- anstatt mit Blütenstaub soll der +Südwind alles mit dem Staub der Demut überschütten! Wir werden zum Herrn +gehen, gekleidet in das gemeine Grau des Staubes. Und wir werden auch +ihn über und über mit Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die Leute +schonen ihn? Selbst er kann ihren schmutzigen und staubigen Händen +nicht entgehen, und er denkt nicht einmal daran, den Schmutz von seinen +Kleidern zu bürsten. + +_Kantschi_ + +Großvater, vergiß mich nicht in deinem Spiel! Ich will auch dies mein +Königsgewand beschmutzen lassen, bis es nicht mehr zu erkennen ist. + +_Großvater_ + +Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder. Nun du so tief +heruntergekommen bist, wirst du deine Farbe in kürzester Frist wechseln. +Sieh nur unsre Königin an -- sie geriet in Zorn gegen sich selbst und +dachte, sie könnte ihre unvergleichliche Schönheit zerstören, indem +sie all ihren Schmuck wegwarf: aber diese Beleidigung ihrer Schönheit +ließ sie in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist sie in dieser +Schmucklosigkeit zur Vollendung gelangt. Unser König selbst ist +gestaltlos und ohne Schönheit, darum liebt er sie in seinen mannigfachen +Erscheinungen als seinen höchsten Schmuck. Und diese Schönheit hat heute +den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan! Was gäbe ich nicht darum, +wenn ich die wunderbare Musik und den Gesang hören dürfte, der heute +meines Königs Palast erfüllt! + +_Surangama_ + +Seht, dort geht die Sonne auf! + + + + +XX. + + +Die dunkle Kammer. + +_Sudarschana_ + +Herr, gib mir die Ehre nicht zurück, die du mir einmal genommen hast! +Ich bin die Magd deiner Füße -- ich suche kein andres Vorrecht, als dir +zu dienen. + +_König_ + +Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen? + +_Sudarschana_ + +O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stieß mich zurück, weil ich dich +im Lustgarten, in meinen fürstlichen Gemächern gesucht hatte: da sieht +noch dein geringster Diener gefälliger aus als du. Dieses Fieber des +Verlangens hat meine Augen für immer verlassen. Du bist nicht schön, o +Herr -- du stehst über allem Vergleich! + +_König_ + +Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir selbst. + +_Sudarschana_ + +Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich. Deine Liebe lebt in +mir -- du wirst gespiegelt in dieser Liebe, und du siehst dein Antlitz +abgebildet in mir: nichts davon mein, es ist alles dein, o Herr! + +_König_ + +Ich öffne heute die Tür dieser dunklen Kammer -- das Spiel hier ist zu +Ende! Komm, komm jetzt mit mir, komm hinaus -- _ins Licht_! + +_Sudarschana_ + +Ehe ich gehe, laß mich dir zu Füßen mich beugen, o Herr des Dunkels, du +Grausamer, Furchtbarer, Unvergleichlicher! + +ENDE + + +Fußnote: + +[A] Während des indischen Frühlingsfestes bewirft man sich +gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stück wird der rote Puder als +Symbol der Liebesleidenschaft genommen.] + + + + +Anmerkung zur Transkription: +Auf Seite 19 wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklärst du du das +ohne einen König?'). + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der König der dunklen Kammer, by +Rabindranath Tagore + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44250 *** diff --git a/44250-h/44250-h.htm b/44250-h/44250-h.htm new file mode 100644 index 0000000..a1ebaa4 --- /dev/null +++ b/44250-h/44250-h.htm @@ -0,0 +1,5349 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> + <head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=UTF-8" /> + <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> + <title> + The Project Gutenberg eBook of Der König der dunklen Kammer, by Rabindranath Tagore. + </title> + <link rel="coverpage" href="images/cover_ebook.jpg" /> + <style type="text/css"> + +body { + max-width: 40em; + margin: auto; +} + +h1 { + text-align: center; + clear: both; + line-height: 1.4; + letter-spacing: 0.2em; + margin-right: -0.2em; +} + +h2 { + text-align: center; + clear: both; +} + +p { + margin-left: 2em; + margin-right: 3em; + margin-top: .51em; + text-align: justify; + margin-bottom: .49em; +} + +hr.chap { + width: 65%; + margin-top: 2em; + margin-bottom: 2em; + margin-left: auto; + margin-right: auto; + clear: both; +} + +table { + margin-left: auto; + margin-right: auto; +} + +a[title].pagenum +{ + position: absolute; + right: 3%; +} + +a[title].pagenum:after +{ + content: attr(title); + border: 1px solid silver; + display: inline; + font-size: x-small; + text-align: right; + color: #808080; + background-color: inherit; + font-style: normal; + padding: 1px 4px 1px 4px; + font-variant: normal; + font-weight: normal; + text-decoration: none; + text-indent: 0; + letter-spacing: 0; +} + +.center {text-align: center;} + +.gesperrt { + letter-spacing: 0.2em; + margin-right: -0.2em; +} + +em.gesperrt { + font-style: normal; +} + +.title { + letter-spacing: 0.2em; + text-align: center; + font-size: larger; + line-height: 1.6; + font-weight: bold; +} + +.footnote {margin-left: 10%; margin-right: 10%; font-size: 0.9em;} + +.fnanchor { + vertical-align: super; + font-size: .8em; + text-decoration: + none; +} + +.verse { + text-indent: -2em; + margin-left: 4em; + text-align: left; +} + +.space-above { + margin-top: 8em; +} + +.klammer { + border-left: thin solid black; + padding:1em; +} + +.character { + text-align: center; + font-style: italic; + page-break-after: avoid; +} + +.character_inline { + font-style: italic; +} + +.regie { + text-align: center; + font-style: normal; + font-size: smaller; +} +.regie_inline { + font-style: italic; +} + +.u { + text-decoration: underline; +} + +.transcribers-note { + background-color: #fafafa; + border: 1px dashed #808080; + padding: 0 0.75em; + margin: 6em auto; + max-width: 100%; +} + +@media handheld { + hr.chap {width: 0%} +} + + </style> + </head> +<body> +<div>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44250 ***</div> + +<p class="title">RABINDRANATH TAGORE</p> +<h1>DER KÖNIG<br /> +DER DUNKLEN<br /> +KAMMER</h1> + +<p class="title space-above">MÜNCHEN<br /> +KURT WOLFF VERLAG</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_1" title="1"> </a></p> + +<p class="center space-above">Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der<br /> +von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten<br /> +englischen Ausgabe ins Deutsche übertragen von<br /> +Hedwig Lachmann und Gustav Landauer</p> +<p class="center">*</p> +<p class="center">Das Recht der Aufführung ist zu erwerben durch<br /> +die Vereinigten Bühnenvertriebe: Drei Masken<br /> +Georg Müller * Erich Reiß * Kurt Wolff<br /> +Verlag, Berlin W 30</p> + +<p class="center space-above">14.—18. Tausend<br /> +Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig<br /> +Gedruckt im Frühjahr 1921 bei Poeschel & Trepte in<br /> +Leipzig * Einbände von der Leipziger Buchbinderei A.-G.,<br /> +vorm. Gust. Fritzsche in Leipzig</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_2" title="2"> </a></p> +<hr class="chap" /> +<p><a class="pagenum" name="Page_3" title="3"> </a></p> + +<h2><a name="PERSONEN" id="PERSONEN">PERSONEN</a></h2> +<table id="cast" summary="Personenliste" style="border-spacing:1em;"> + <tr> + <td colspan="2">Der König</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Königin Sudarschana</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">König von Kanya Kubja, ihr Vater</td> + </tr> + <tr> + <td>Avanti<br />Koschala<br />Kantschi<br />Vidarbha<br />Kalinga<br />Pantschala<br />Virat</td> + <td class="klammer">Könige</td> + </tr> + <tr> + <td>Surangama<br />Rohini</td> + <td class="klammer">Ehrendamen der Königin</td> + </tr> + <tr> + <td>Virupakscha<br />Vischu</td> + <td class="klammer">Bürger</td> + </tr> + <tr> + <td>Janardan<br />Kaundilya<br />Bhavadatta</td> + <td class="klammer">Reisende</td> + </tr> + <tr> + <td>Kumbha<br />Madhav<br />Vivajadatta</td> + <td class="klammer">Landleute<a class="pagenum" name="Page_4" title="4"> </a></td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Der Großvater</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Der tolle Freund</td> + </tr> + <tr> + <td>Minister<br />Bote<br />Türhüter</td> + <td class="klammer">des Königs Kanya Kubja</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Dienerin der Königin Sudarschana</td> + </tr> + <tr> + <td>Erster<br />Zweiter</td> + <td class="klammer">Gärtner</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Stadtwächter</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Suvarna, der falsche König</td> + </tr> + <tr> + <td>Erster<br />Zweiter</td> + <td class="klammer">Herold des „Königs”</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Bürger, Landleute, Gärtner, Knaben</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Reisende, Wachen.</td> + </tr> +</table> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_5" title="5"> </a></p> + + + + +<h2><a name="I" id="I">I.</a></h2> + + +<p class="regie">Eine Straße.</p> +<p class="regie">Etliche Reisende und ein Stadtwächter.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>He, Mann!</p> + +<p class="character">Stadtwächter</p> + +<p>Was wollt ihr?</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind +hier fremd. Bitte, sage uns, welches die rechte +Straße ist.</p> + +<p class="character">Stadtwächter</p> + +<p>Wohin wollt ihr gehn?</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Wo dieses große Fest stattfinden soll, weißt +du. Welchen Weg gehen wir?</p> + +<p class="character">Stadtwächter</p> + +<p>Eine Straße ist hier genau so gut wie die +andre. Jede Straße wird euch hinführen. Geht<a class="pagenum" name="Page_6" title="6"> </a> +geradeaus, und ihr könnt den Ort nicht verfehlen.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Hört nur, was der Narr sagt: „Jede Straße +wird euch hinführen!” Was hätte das dann +für einen Sinn, so viele Straßen zu haben?</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Du brauchst darüber nicht so außer dir zu +sein, mein Lieber. Es steht einem Land frei, +seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten. +Was Straßen betrifft in unserm Land — nun, +so sind so gut wie keine vorhanden; enge, +krumme Gäßchen, ein Labyrinth von Wagen- +und Fußspuren. Unser König glaubt nicht an +freie Fahrstraßen; er meint, so viele Straßen +im Land, so viele Ausgänge für seine Untertanen, +seinem Königreich zu entfliehen. Hier +ist es gerade das Umgekehrte; niemand steht +einem im Weg, niemand hat etwas dagegen, +daß man anderswohin geht, wenn man Lust +hat; und doch denken die Leute nicht daran, +dieses Reich zu verlassen. Bei solchen Straßen<a class="pagenum" name="Page_7" title="7"> </a> +wäre unser Land sicher in kürzester Frist entvölkert.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt, +daß das ein großer Fehler an deinem +Charakter ist.</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>Was denn?</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Daß du immer auf dein Land sticheln mußt. +Wie kannst du glauben, freie Landstraßen +könnten für ein Land gut sein? Sieh einmal, +Kaundilya, da ist ein Mann, der tatsächlich +glaubt, freie Landstraßen seien die Rettung +für ein Land.</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst +von neuem festzustellen, daß Janardan mit +einem merkwürdig schiefen Verstand gesegnet +ist, der ihn sicher eines Tages in Gefahr +bringen wird. Wenn der König von unserm +werten Freund zu hören bekommt, wird er es +ihm nicht gerade leicht machen, einen zu finden, +der für sein Begräbnis sorgt, wenn er +tot ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_8" title="8"> </a></p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Man hat doch das Gefühl, daß das Leben in +diesem Lande recht schwer sein muß; man +vermißt die Freuden der Einsamkeit in diesen +Straßen — dieses Drängen und Schulterstreifen +mit fremden Menschen bei Tag und +Nacht läßt einen nach einem Bad verlangen. +Und mit was für einer Sorte Menschen mag +man auf diesen öffentlichen Wegen zusammenkommen +— puh!</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Und gerade Janardan hat uns überredet, in +dieses kostbare Land zu kommen! Wir hatten +nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer +Familie. Du hast meinen Vater natürlich gekannt; +er war ein großer Mann, ein frommer +Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes +Leben innerhalb eines Kreises von 49 Ellen +Radius, der mit peinlicher Befolgung der Gebote +der heiligen Schriften gezogen war, und +nie überschritt er diesen Kreis auch nur ein +einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich +eine ernsthafte Schwierigkeit — wie sollte man +ihn innerhalb der Grenzen der 49 Ellen und<a class="pagenum" name="Page_9" title="9"> </a> +doch außerhalb des Hauses verbrennen? +Schließlich entschieden die Priester, daß wir +zwar nicht über die Schriftzahl hinausgehen +durften, daß es aber einen Weg aus der +Schwierigkeit gab, die Ziffer umzukehren und +94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn +außerhalb des Hauses verbrennen, ohne die +heiligen Bücher zu verletzen. Auf mein Wort, +<em>das</em> war genaue Befolgung! Unser Land hat +wirklich nicht leicht seinesgleichen.</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Und doch will Janardan, der dem nämlichen +Boden entstammt, uns weismachen, freie +Landstraßen seien das beste für ein Land.</p> + +<p class="regie">Die Fremden gehen ab.</p> + +<p class="regie">Der Großvater mit einer Knabenschar tritt auf.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Jungen, heute müssen wir es mit dem wilden +Südwind aufnehmen — und wir wollen uns +nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis +wir mit unsern Jubelliedern alle Straßen überflutet +haben.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_10" title="10"> </a></p> + +<p class="character">Lied</p> + +<div class="verse">Das Südtor ist entriegelt. Komm, mein Frühling, komm!</div> +<div class="verse">Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frühling, komm!</div> +<div class="verse">Komm in den lispelnden Blättern, in den Blüten, die froh sich verschwenden;</div> +<div class="verse">Komm in den Flötenliedern und den sehnenden Seufzern der Wälder!</div> +<div class="verse">Laß dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein Frühling, komm!</div> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="regie">Eine Schar von Bürgern tritt auf.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Schließlich kann man nur wünschen, daß der +König sich wenigstens an diesem einen Tag +hätte sehen lassen. Es ist doch sehr schade: +man lebt in seinem Königreich und hat ihn +noch nicht ein einziges Mal gesehen!</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses<a class="pagenum" name="Page_11" title="11"> </a> +Geheimnisses! Ich könnte ihn dir sagen, wenn +du schweigen könntest.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Lieber Freund, wir wohnen beide im nämlichen +Stadtviertel, aber hast du je gehört, daß +ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert +hätte? Natürlich, die Sache damals, als dein +Bruder beim Graben eines Brunnens einen +Schatz gefunden hatte — nun, du weißt ganz +gut, warum ich darüber reden mußte. Du +kennst den ganzen Zusammenhang.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Natürlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn +kenne, frage ich, könntest du schweigen? +Weißt du, es könnte Verderben für uns alle +bedeuten, wenn du ein einziges Mal davon +sprächest.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha! +Warum brennst du darauf, ein Unheil herbeizuführen, +das bis jetzt nur geschehen <em>kann</em>? +Wer wird die Verantwortung auf sich nehmen +wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben lang +zu wahren?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_12" title="12"> </a></p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Es war nur, weil die Rede darauf kam — also +gut, ich werde nichts sagen. Ich bin nicht der +Mann, der unnütz redet. Ihr hattet selbst die +Frage aufs Tapet gebracht, daß der König sich +nie zeigt; und ich bemerkte bloß, es sei nicht +umsonst, daß der König sich vor dem Blick +der Öffentlichkeit verschließt.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Bitte, sag uns, warum, Virupakscha.</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Natürlich nehme ich keinen Anstand, es euch +zu sagen — wir sind ja alle gute Freunde, nicht +wahr? Das kann nicht gefährlich sein. (<span class="regie_inline">Mit +leiser Stimme:</span>) Der König — ist — häßlich —, +so hat er den Entschluß gefaßt, sich seinen +Untertanen nie zu zeigen.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Hah! Das ist es! Das muß es sein. Wir haben +uns immer gewundert..., der bloße Anblick +eines Königs läßt die Menschen in allen Ländern +vor Furcht zittern wie Espenlaub; warum +sollte da <em>unser</em> König sich von keinem sterblichen<a class="pagenum" name="Page_13" title="13"> </a> Auge je sehen lassen? Selbst wenn er +nur herauskäme, um uns alle zum Galgen zu +verdammen, könnten wir sicher sein, daß +unser König kein Trug ist. Schließlich scheint +mir Virupakschas Erklärung doch ganz einleuchtend.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Nicht die Spur — ich glaube keine Silbe davon.</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Wie, Vischu, willst du sagen, ich wäre ein +Lügner?</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Das gerade nicht — aber ich kann deine +Theorie nicht annehmen. Entschuldige mich, +ich kann nichts dafür, wenn ich ein bißchen +grob und plump scheine.</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Kein Wunder, daß du an meine Worte nicht +glauben kannst — wo du dich weise genug +dünkst, die Meinungen deiner Eltern und +Oberen zu verwerfen. Wie lange, glaubst du, +hättest du in diesem Lande bleiben dürfen, +wenn der König nicht im Verborgenen bliebe?<a class="pagenum" name="Page_14" title="14"> </a> +Du bist nicht besser als ein offenkundiger +Ketzer.</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Mein lieber Pfeiler der Rechtgläubigkeit! +Glaubst du, irgendein anderer König hätte gezögert, +dir die Zunge abschneiden und sie den +Hunden zum Fraß vorwerfen zu lassen? Und +du hast die Stirne, zu sagen, unser König wäre +den Augen ein Greuel?</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Hör einmal, Vischu, willst du deine Zunge im +Zaum halten?</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Man braucht wohl nicht erst festzustellen, +wessen Zunge einen Zaum braucht.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Jetzt wird die Sache gefährlich. Da mache ich +lieber nicht mit.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="regie">Eine Zahl Männer tritt auf, die in lärmendem Übermut +<span class="character_inline">Großvater</span> mit sich schleppen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Großpapa, etwas fällt mir heute auf...</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_15" title="15"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was ist es?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu +unserm Fest entsandt, doch jedweder fragt: +„Alles ist reizend und schön — wo aber ist +euer König?” und wir wissen nicht, was wir +antworten sollen. Das ist die eine große Lücke, +die sich jedem in unserm Lande fühlbar +machen muß.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>„Lücke”, sagst du! Wie, das ganze Land ist +ganz erfüllt und geladen und gestopft voll von +dem König: und du nennst ihn eine „Lücke”! +Wie, er hat jeden einzigen unter uns zum gekrönten +König gemacht!</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Wir sind alle Könige im Königreich unsres Königs.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> +<div class="verse">Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will; +<a class="pagenum" name="Page_16" title="16"> </a></div> +<div class="verse">Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Füßen.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> +<div class="verse">Unser König ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst.</div> +<div class="verse">Keine Armseligkeit kann uns für immer umschließen mit ihren Wällen der Lüge.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> +<div class="verse">Wir bahnen uns mühsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am Ende.</div> +<div class="verse">Wir können nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen +nicht mit anhören, die die Leute über unsern +König sagen, bloß weil er sich nicht öffentlich +zeigt.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt, +kann bestraft werden, während niemand einem<a class="pagenum" name="Page_17" title="17"> </a> +Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfällt, +auf den König zu schimpfen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Der Schimpf kann den König nicht treffen. +Mit einem bloßen Hauch kannst du die +Flamme ausblasen, die eine Lampe von der +Sonne borgt, aber wenn auch die ganze Welt +versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr +strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwächt +wie zuvor.</p> + +<p class="regie">Vischu und Virupakscha treten auf.</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Da ist der Großvater! Hör doch, dieser Mann +geht herum und erzählt jedem, unser König +käme nicht heraus, weil er häßlich wäre.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber warum macht dich das ärgerlich, +Vischu? <em>Sein</em> König muß häßlich sein, denn +wie könnte sonst Virupakscha in seinem Königreich +so ein Gesicht haben? Er formt seinen +König nach seinem Bilde, wie er es im Spiegel +sieht.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_18" title="18"> </a></p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Großvater, ich will keine Namen nennen, aber +keinem würde es einfallen, dem nicht zu +glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Bist du selbst denn nicht die beste Autorität?!</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Aber ich könnte dir Beweise geben...</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Die Unverschämtheit dieses Burschen kennt +keine Grenzen! Nicht zufrieden, mit dreister +Stirn ein abscheuliches Gerücht zu verbreiten, +will er seine Lügen mit Frechheit aufwägen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Länge +das Maß hier am Boden?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl +feiert sein Fest auf seine Art, indem er die +Häßlichkeit seines Königs besingt. Geh nur,<a class="pagenum" name="Page_19" title="19"> </a> +Virupakscha, du wirst eine Menge Leute finden, +die bereit sind, dir zu glauben! Viel Glück +in ihrer Gesellschaft.</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="regie">Die <span class="character_inline">Gesellschaft der Fremden</span> tritt wieder auf.</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, daß +dieses Volk überhaupt keinen König hat. Sie +haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gerücht +in Umlauf zu halten.</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle, +daß das Höchste, was einem in jedem Lande +ins Auge fällt, der König ist, der natürlich +keine Gelegenheit versäumt, sich sehen zu +lassen.</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in +dem ganzen Orte herrscht — wie erklärst +du das ohne einen König?</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen +bist, und hast so lange unter einem<a class="pagenum" name="Page_20" title="20"> </a> +Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen +König, wenn man schon Zucht und Ordnung +hätte?</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>All diese Menschen sind versammelt, um auf +diesem Fest froh zu sein. Meinst du, sie +könnten dergestalt in einem Lande der Anarchie +zusammen kommen?</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewöhnlich, +worum es sich in Wirklichkeit +handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da +gibt es keine Frage und auch die Festesfreude +ist klar genug: soweit besteht keine Schwierigkeit. +Aber wo ist der König? Hast du ihn gesehen? +Das mußt du uns sagen.</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>Was ich zu sagen habe, ist dieses: man weiß +aus Erfahrung, daß Chaos und Anarchie sein +kann, selbst wo ein König da ist: aber was +sehen wir hier?</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Immer kommst du mit deinen Ausflüchten.<a class="pagenum" name="Page_21" title="21"> </a> +Warum kannst du nicht auf Bhavadattas Frage +eine gerade Antwort geben — Hast du den +König gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen! +Ja oder nein?</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="regie">Eine Schar von Männern tritt auf und singt.</p> + +<p class="character">Lied</p> + +<div class="verse">Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen,</div> +<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall,</div> +<div class="verse">Er wohnt in der Tiefe meiner Augen,</div> +<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall.</div> +<div class="verse">Ich wanderte weit, seine Worte zu hören,</div> +<div class="verse">Ach, aber vergebens!</div> +<div class="verse">Als ich heimkam, hörte ich sie</div> +<div class="verse">In meinen eigenen Liedern.</div> +<div class="verse">Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tür zu Tür!</div> +<div class="verse">Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Tränen meiner Augen!</div> + +<p class="regie"><span class="character_inline">Herolde</span> und <span class="character_inline">Leibwächter</span> des <span class="character_inline">Königs</span> treten auf.</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Platz da! Räumt die Straße, allesamt!</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Oho, Mann, wofür hältst du dich? Angeboren<a class="pagenum" name="Page_22" title="22"> </a> +scheint dir dieser stolze Schritt nicht gerade zu +sein, mein Freund. — Warum Platz da, werter +Herr? Warum sollen wir von der Stelle +weichen? Sind wir Straßenhunde, oder was +sonst?</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Der König kommt dieses Wegs.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>König? Was für ein König?</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Unser König, der König dieses Landes.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehört, +daß unser König herauskam und sich solche +Schreier zu Herolden wählte.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Der König will sich nicht länger seinen Untertanen +entziehen. Er kommt, um das Fest selbst +zu leiten.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Bruder, verhält sich das so?</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Sieh hin, dort flattert sein Banner.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_23" title="23"> </a></p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ah, wirklich, das ist eine Fahne.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Siehst du die rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ja, ja, es ist wirklich der <i>Kimschuk</i>! — welch +strahlende Scharlachblüte!</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Nun also, glaubst du uns nun?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht. +Der Bursche da, Kumbha, hat den ganzen +Lärm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt?</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist +er vielleicht ganz leer; du weißt, ein leerer +Topf dröhnt am lautesten.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Was ist das für einer? Ist er irgendwie mit +euch verwandt?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter<a class="pagenum" name="Page_24" title="24"> </a> +vom Schwiegervater unsres Dorfschulzen, und +er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres +Dorfes wie wir.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten +Grades von irgend jemandes Schwiegervater, +und sein Verständnis scheint auch den +Stempel der Schwiegeronkelschaft zu tragen.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer +hat meinem armen Geist einen Stoß versetzt, +bis er so geworden ist. Erst unlängst kam ein +König und prunkte in den Straßen und sandte +so viele Titel vor sich her wie Trommeln, die +durch ihren Lärm den Aufenthalt in der +Stadt unerträglich machten... Was tat ich nicht +alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen zu +sein! Ich überschüttete ihn mit Geschenken, +ich hing mich an ihn wie ein Bettler — und +schließlich fand ich den Druck auf meine Einnahmen +zu schwer zu tragen. Aber was war +das Ende der ganzen Pracht und Majestät? Als +man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte, +da konnte er im Kalender keinen einzigen günstigen<a class="pagenum" name="Page_25" title="25"> </a> Tag entdecken: obschon alle Tage rot +angestrichen waren, wenn <em>wir</em> unsre Steuern +zu zahlen hatten!</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Willst du etwa zu verstehen geben, unser +König wäre ein falscher König wie der, den +du beschrieben hast?</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der +Zeit für dich, dem Schwiegertantchen Adieu +zu sagen.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Bitte, ihr Herren, seid nicht böse. Ich bin ein +armes Geschöpf — ich bitte ergebenst um Entschuldigung, +ihr Herren: ich will alles dazu +tun. Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen, +wie es euch beliebt.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier. +Der König wird gleich kommen — wir +wollen gehen und ihm den Weg bereiten.</p> + +<p class="regie">Sie gehen weiter.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_26" title="26"> </a></p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch +einmal dein Tod sein.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es +ist Schicksal. Als der falsche König auftrat, +sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das +nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen +der Unschuld über meine eigenen Füße zu +stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche +König gekommen ist, muß ich glattweg Hochverrat +in den Tag reden. Es ist Schicksal, +lieber Freund!</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Mein Grundsatz ist, dem König immer zu gehorchen +— es macht nichts aus, ob er ein +echter oder falscher ist. Was wissen wir von +Königen, daß wir über sie urteilen sollten! Es +ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine +wirft — man ist fast sicher, sein Ziel zu +treffen. Ich gehorche immerzu und huldige +— ist es ein richtiger König, gut und schön; +wenn nicht, was schadet es?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_27" title="27"> </a></p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Mir wäre es schon einerlei, wenn die Steine +nichts weiter als Steine wären. Aber es sind +oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, führt +uns Verschwendung schließlich zu Armut, +mein Freund.</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Da sieh! Da kommt der König! Ah, ein König +wahrhaftig! Was für eine Gestalt, was für ein +Gesicht! Wer hat je solch eine Schönheit gesehen +— weiß wie eine Lilie und sanft wie ein +Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was meinst du +nun?</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Er sieht schon recht aus — ja, soviel ich beurteilen +kann, mag er schon der rechte König +sein.</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Er sieht aus, als wäre er fürs Königsein gegossen +und geschnitzt, diese Gestalt ist zu zart +und erlesen für das gemeine Licht des Tages.</p> + +<p class="regie">Der „König” tritt auf.</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Heil und Sieg geleite dich, o König! Wir<a class="pagenum" name="Page_28" title="28"> </a> +stehen hier seit dem frühen Morgen, um dich +zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestät zu +Gnaden, vergeßt uns nicht!</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen +und Großvater holen.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="regie">Eine andere Schar Männer tritt auf.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Der König, der König! Kommt her, schnell, +der König geht dieses Wegs.</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Vergiß mich nicht, o König! Ich bin Vivajadatta, +der Enkel Udayadattas von Kushalivastu. +Ich bin auf die erste Kunde, daß du +kämest, hierher geeilt — ich hielt nicht an, +um zu hören, was die Leute sagten: all die +Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o +Monarch, und brachte mich her.</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Unsinn! Ich bin früher hier gewesen als du +— vor dem Hahnenschrei. Wo stecktest du +denn da? O König, ich bin Bhadrasena, von<a class="pagenum" name="Page_29" title="29"> </a> +Vikramasthali. Geruhe, deinen Diener in +deinem Gedächtnis zu bewahren!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und +Ergebenheit.</p> + +<p class="character">Vivajadatta</p> + +<p>Majestät, groß ist die Zahl der Klagen und +Beschwerden, die wir dir vorzutragen haben: +an wen hätten wir uns so lange mit unsern Gesuchen +wenden sollen, solange wir deiner erhabenen +Gegenwart nicht nahen durften?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>All euren Beschwerden soll abgeholfen werden.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Es führt zu nichts, uns hinten herumzudrücken, +Jungen — der König wird uns aus +den Augen verlieren, wenn wir uns in den +Pöbel mischen.</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut! +Er hat sich durch uns alle hindurchgedrängt<a class="pagenum" name="Page_30" title="30"> </a> +und fächelt jetzt dem König eifrig mit einem +Palmblatt Kühlung zu!</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses +Menschen nimmt einem den Atem.</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Wir sollten den Kerl anpacken und von der +Stelle schaffen — ist er berufen, neben dem +König zu stehen?</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Bildest du dir ein, der König durchschaut ihn +nicht? Seine Untertänigkeit ist doch ein bißchen +zu dick aufgetragen.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Unsinn! Könige können Heuchler nicht wittern +wie unsereins — es sollte mich nicht wundern, +wenn der König sich von dem unermüdlichen +Fächeln dieses Narren einfangen ließe.</p> + +<p class="regie">Kumbha und Großvater treten auf.</p> + +<p>Ich sage dir — er ist jetzt eben durch diese +Straße gekommen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines +Königtums?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_31" title="31"> </a></p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht +einer oder zwei, sondern Hunderte und Tausende +auf beiden Seiten der Straße haben ihn +mit eigenen Augen gesehen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Das eben macht die ganze Sache verdächtig. +Wann wäre <em>unser</em> König je drauf ausgegangen, +die Augen des Volks durch Pomp und Gepränge +zu blenden? Er ist nicht der König, +solch einen Spektakel zu erregen, wenn er +durch das Land reist.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser +wichtigen Gelegenheit zu tun: das kann man +nicht sicher wissen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>O ja, man kann! Mein König kennt keine +Wetterfahnenlaune und neigt nicht zu phantastischen +Einfällen.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber Großvater, ich wollte nur, ich könnte +ihn dir beschreiben! So sanft, so zart und fein<a class="pagenum" name="Page_32" title="32"> </a> +wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte +es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen, +ihn mit meinem ganzen Leibe zu schützen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist! +<em>Mein</em> König eine Wachspuppe, und <em>du</em> ihn +schützen!</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber im Ernst, Großpapa, er ist ein herrlicher +Gott, ein Wunder an Schönheit: ich finde +keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung, +die neben seiner unvergleichlichen +Lieblichkeit bestehen könnte.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wenn es meinem König beliebte, sich zu zeigen, +würden deine Augen ihn nicht bemerken. +Er würde nicht dergestalt über die andern hervorragen +— er ist einer aus dem Volk, er +mischt sich unter den gemeinen Pöbel.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber sagte ich dir nicht, daß ich sein Banner +gesehen habe?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_33" title="33"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was für ein Zeichen trug sein Banner?</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Es war eine rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt +— das hell leuchtende Rot blendete meine +Augen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p><em>Mein</em> König führt einen Donnerkeil in einem +Lotus in seinem Banner.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber alle sagen sie, der König sei zu diesem +Feste gekommen: <em>alle</em>.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Gewiß ist er das: aber er hat keine Herolde, +kein Heer, kein Gefolge, keine Musikbanden +und keine Laternen, die ihn begleiten.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>So könnte ihn, scheint's, niemand in seinem +Inkognito erkennen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Vielleicht gibt es ein paar, die es können.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_34" title="34"> </a></p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Und die ihn erkennen — gewährt ihnen der +König alles, was sie begehren?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird +je den König kennen. Der größere Bettler sieht +in den Augen des kleineren Bettlers wie ein +König aus. O Narr, der Mann, der heute auf +die Straße gegangen ist, in Purpur und Gold +angetan, um dich anzubetteln — ihn posaunst +du als deinen König aus! ... Ah, da +kommt mein toller Freund! O kommt, meine +Brüder! wir dürfen den Tag nicht mit eitlem +Streiten und Schwatzen verbringen — geben +wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzücken +hin!</p> + +<p class="regie">Der tolle Freund tritt auf, singend.</p> + +<p>Lächelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brüder? Ich +streife herum und suche den goldenen Hirsch! +Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfuß, und +immer entwischt er mir!</p> + +<p>Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon +ist er weg, der wilde Waldvagabund! Nahe<a class="pagenum" name="Page_35" title="35"> </a> +dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewölk +von Dunst und Staub bleibt dir zurück! +Doch streif ich herum und suche den goldenen +Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen +mag in dieser Wildnis! Oh, ich streife +und wandre durch Wälder und Felder und +namenlose Gefilde wie ein rastloser Landstreicher +und denk nicht an Umkehr.</p> + +<p>Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und +kehrt heim mit Waren und Vorrat beladen: +mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren +Höhen gestreift und geküßt; +ich weiß nicht wann und wo.</p> + +<p>All meine Habe hab ich von mir geworfen, +um zu erlangen, was nie mein worden ist! Und +ihr wähnt, mein Klagen und meine Tränen gelten +den Dingen, die so ich verlor!</p> + +<p>Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich +Kummer und Gram weit hinten gelassen: +Oh, ich streife und wandre durch Wälder und +Felder und namenlose Länder — und denk +nicht daran, meine Fahrt zu enden.</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_36" title="36"> </a></p> + + +<h2><a name="II" id="II">II.</a></h2> + + +<p class="regie">Ein dunkles Gemach. Königin Sudarschana. Ihre +Ehrendame, Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem +Gemach nie die Lampe entzündet werden?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Meine Königin, all deine andern Gemächer +sind erleuchtet — will es dich nie verlangen, +aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie +diesen zu entrinnen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten +werden?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit +kennen würdest.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen +Kammer bist du dazu gekommen, dunkel und +seltsam zu reden — ich kann dich nicht verstehen,<a class="pagenum" name="Page_37" title="37"> </a> Surangama. Sag mir aber, in welchem +Teil des Palastes liegt dies Gemach? Ich kann +weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen +noch den Weg hinaus.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen +der Erde. Der König hat dies Gemach +eigens um deinetwillen gebaut.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemächern +— warum brauchte er diese dunkle Kammer +eigens für mich machen lassen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen: +doch deinen Herrn nur in diesem +dunklen Gemach.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein, nein — ich kann nicht leben ohne Licht +— ich habe keine Ruhe in dieser erstickenden +Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in +diese Kammer bringen kannst, schenke ich dir +mein Halsband hier.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Es steht nicht in meiner Macht, o Königin. Wie<a class="pagenum" name="Page_38" title="38"> </a> +kann ich Licht an einen Ort bringen, den er +immer im Dunkel gehalten haben will!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Seltsame Treue! Und doch — ist es nicht wahr, +daß der König deinen Vater bestraft hat?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem +Spiel ergeben. Alle jungen Leute des Landes +pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu +kommen — und da tranken sie immer und +spielten.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer +Bedrückung, als der König deinen Vater in die +Verbannung schickte?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf +dem Weg zu Untergang und Vernichtung: als +diese Bahn mir verschlossen war, schien ich +mir ohne irgendeine Hilfe zurückgeblieben, +ohne Beistand noch Schutz. Ich raste und tobte +wie ein wildes Tier im Käfig — wie verlangte +es mich alles in Stücke zu zerreißen in meiner +ohnmächtigen Wut!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_39" title="39"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an +eben den nämlichen König?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wie kann ich es sagen? Vielleicht faßte ich +Vertrauen zu ihm, gerade <em>weil</em> er so hart, so +unbarmherzig war!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wann trat dieser Stimmungswechsel ein?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Das könnte ich nicht sagen — ich weiß das +selbst nicht. Es kam ein Tag, wo all der Aufruhr +in mir sich geschlagen gab, und dann +beugte sich meine ganze Natur in demütiger +Ergebung in den Staub der Erde. Und dann +sah ich ... ich sah, daß er an Schönheit ebenso +ohnegleichen war wie an Schrecknis. Oh, ich +war gerettet, ich war erlöst.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst +du mir nicht sagen, wie der König aussieht? +Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen. +Er kommt zu mir in Dunkelheit, und<a class="pagenum" name="Page_40" title="40"> </a> +läßt mich wieder in diesem dunklen Gemach +zurück. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt +— aber sie geben alle unbestimmte und +dunkle Antworten — es scheint mir, daß sie +alle mit etwas zurückhalten.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Die Wahrheit zu sagen, Königin, so könnte +ich nicht gut angeben, wie er aussieht. Nein +— er ist nicht, was man schön nennt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht +schön!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, meine Königin, er ist nicht schön. Ihn +schön zu nennen, wäre viel zu wenig von ihm +gesagt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>So sind all deine Worte — dunkel, seltsam und +unbestimmt. Ich kann nicht verstehen, was du +meinst.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, ich will ihn <em class="gesperrt">nicht</em> schön nennen. Und +eben weil er nicht schön ist, ist er so herrlich, +so wunderbar!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_41" title="41"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich verstehe dich nicht ganz — obwohl ich dich +gern von ihm reden höre. Aber ich muß ihn +um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht +einmal auf den Tag, wo ich ihm angetraut +wurde. Ich hörte Mutter sagen, daß vor meiner +Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte: +„Der eure Tochter ehelichen will, ist ohnegleichen +auf dieser Erde.” Wie oft habe ich +sie gebeten, mir sein Äußeres zu beschreiben, +aber sie antwortet nur unbestimmt und sagt, +sie kann es nicht sagen — sie sah ihn durch +einen Schleier, schwach und dunkel. Aber +wenn er der beste der Menschen ist, wie kann +ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Spürst du nicht ein leises Lüftchen wehen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ein Lüftchen? Wo?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Merkst du nicht einen leisen Duft?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_42" title="42"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Das große Tor hat sich geöffnet ... er kommt; +mein König naht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie kannst du es merken, wenn er kommt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hörte +ich seine Tritte in meinem Herzen. Da ich die +Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich +einen Sinn entwickelt — ich kann erkennen +und fühlen, ohne zu sehen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich wollte, ich hätte diesen Sinn auch, Surangama!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du wirst ihn bekommen, o Königin ... dieser +Sinn wird in dir eines Tages erwachen. Deine +Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe, +und darum ist all dein Sinn gespannt und in +die falsche Richtung gelenkt. Wenn du diesen +Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter +dir hast, wird alles ganz leicht werden.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_43" title="43"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie kommt das, daß es dir, der Magd, so leicht +ist, und mir, der Königin, so schwer?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Eben weil ich eine bloße Magd bin, hemmt +mich keine Schwierigkeit. Als er am ersten Tag +dies Gemach meiner Obhut vertraute und +sagte: „Surangama, du wirst diese Kammer +immer für mich in Bereitschaft halten, das +ist deine ganze Aufgabe”, da sagte ich nicht, +nicht einmal in Gedanken: „Oh, gib mir die +Arbeit derer, die für das Licht in den andern +Gemächern sorgen.” Nein, sondern sowie ich +all meinen ganzen Sinn auf diese Aufgabe +richtete, erwachte eine Gewalt in mir und +wuchs und wurde ohne Widerstand Herr über +jeden Teil von mir ... Oh, da kommt er!... +er steht draußen, vor der Tür. Herr! O König!</p> + +<p class="character">Gesang von außen</p> + +<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div> +<div class="verse">Die Fähre des Lichts von Dämmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen,</div> +<div class="verse">Der Abendstern steht am Himmel.</div> +<div class="verse">Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten, +<a class="pagenum" name="Page_44" title="44"> </a></div> +<div class="verse">Umfließt dich weiß dein Kleid zur Nacht?</div> +<div class="verse">Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vögel in ihre Nester.</div> +<div class="verse">Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht.</div> +<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>O König, wer kann deine eignen Tore vor dir +versperrt halten? Sie sind nicht geschlossen +oder verriegelt — sie werden sich weit aufschwingen, +wenn du sie nur mit dem Finger +berührst. Willst du sie nicht nur ein wenig +berühren? Willst du nicht eintreten, bis ich +gehe und die Tore öffne?</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lüften, Herr!</div> +<div class="verse">Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht höre, würdest du warten, bis ich erwache?</div> +<div class="verse">Würde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines Streitwagens?</div> +<div class="verse">Würdest du nicht das Tor zertrümmern und ungebeten eingehn in dein eigenes Haus?</div> + +<p><a class="pagenum" name="Page_45" title="45"> </a></p> + +<p>Dann geh du, o Königin, und öffne die Tür +für ihn: er wird sonst nicht eintreten.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich sehe nichts deutlich im Dunkel — ich weiß +nicht, wo die Tür ist. Du kennst hier alles — +geh und öffne die Tür für mich.</p> + +<p class="regie">Surangama öffnet die Tür, verbeugt sich tief vor +dem König und geht hinaus. Der König bleibt während +dieses ganzen Stückes unsichtbar.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht +zu sehen?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>So willst du mich zwischen tausend Dingen +im hellen Tageslicht sehen! Warum sollte ich +nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit +fühlen kannst?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber ich <em>muß</em> dich sehen — mich verlangt es +brennend nach deinem Anblick.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick +zu ertragen — er wird dir nur Qual bereiten, +brennend heiße Qual.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_46" title="46"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie kannst du sagen, daß ich deinen Anblick +nicht zu ertragen vermöchte! Oh, ich kann +schon in diesem Dunkel fühlen, wie lieblich +und wunderbar du bist: warum sollte ich im +Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir, +kannst du mich im Dunkel sehen?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ja, ich sehe dich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Was siehst du?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich sehe, daß die Dunkelheit der unendlichen +Himmel, ins Dasein geschleudert durch die +Gewalt meiner Liebe, das Licht von Sternenmyriaden +in sich gesogen und sich verkörpert +hat in einer Gestalt von Fleisch und Blut. Und +in dieser Form, was für Äonen von Denken +und Ringen, was für ungezählte Sehnsüchte +grenzenloser himmlischer Räume, welche Fülle +der Gaben aus dem Meer der Zeiten!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Bin ich so wunderbar, bin ich so schön? Höre +ich dich so reden, so schwillt mein Herz von<a class="pagenum" name="Page_47" title="47"> </a> +Freude und Stolz. Aber wie kann ich die wundervollen +Dinge glauben, die du mir sagst? +Ich kann sie in mir nicht finden!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben +— er setzt dich herab, beschränkt dich, +läßt dich klein und unbedeutend erscheinen. +Doch könntest du dich in meinem Geist gespiegelt +sehen, wie groß erschienest du! In +meinem Herzen bist du nicht mehr das alltägliche +Einzelwesen, das du zu sein meinst — +du bist in Wahrheit mein andres Ich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, zeig' mir für einen Augenblick, wie man +mit deinen Augen sieht! Gibt es für dich gar +nichts wie Dunkelheit? Ich fürchte mich, wenn +ich daran denke. Diese Dunkelheit, die für +mich wirklich und stark wie der Tod ist — ist +sie für dich einfach nichts? Wie kann dann +überhaupt eine Gemeinschaft zwischen uns +sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein — +es ist unmöglich: es besteht eine Schranke +zwischen uns beiden: nicht hier, nein, nicht +an diesem Ort. Ich muß dich finden und sehen,<a class="pagenum" name="Page_48" title="48"> </a> +wo ich Bäume und Tiere, Vögel und Steine +und die Erde sehe —</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden +— aber niemand wird mich dir weisen. +Du wirst mich erkennen müssen, wenn du +kannst, du selbst. Und selbst wenn jemand sich +anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie +kannst du gewiß sein, daß er die Wahrheit +sagt?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen. +Ich werde dich aus einer Million +Menschen herausfinden. Ich kann mich +nicht irren.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Gut also, heute nacht, während des Frühlingsvollmondfestes, +magst du versuchen, mich von +dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden +— suche nach mir mit deinen eigenen +Augen unter der Volksmenge.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wirst du unter ihr sein?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_49" title="49"> </a></p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich werde mich wieder und wieder zeigen, +überall unter der Menge. Surangama!</p> + +<p class="regie">Surangama kommt herein.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Was gebietest du, Herr?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Heute nacht ist das Frühlingsvollmondfest.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Was soll ich heute nacht tun?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgärten +stehen in voller Blüte — du wirst da +an meinem Feste teilnehmen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich werde tun, was du wünschest, Herr.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Die Königin will mich heute nacht mit ihren +eigenen Augen sehen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wo soll die Königin dich sehen?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Wo die Musik am süßesten spielt, wo die Luft<a class="pagenum" name="Page_50" title="50"> </a> +von Blütenstaub schwer ist — dort im silbernen +Hain voll weichem Dämmerlicht.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck +spielen, zu sehen sein? Dort ist der Wind wild +und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung +— wird es die Augen nicht verwirren?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Die Königin ist neugierig, mich herauszufinden.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Die Neugier wird enttäuscht und in Tränen +heimkehren!</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Ach, sie lüstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die wilden Vögel des Waldes!</div> +<div class="verse">Doch die Zeit der Ergebung wird für sie kommen, zu Ende ihr Hin- und Herflug, wenn</div> +<div class="verse">Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt.</div> +<div class="verse">Ach, die wilden Vögel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis!</div> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_51" title="51"> </a></p> + +<h2><a name="III" id="III">III.</a></h2> + +<p class="regie">Vor den Lustgärten.</p> + +<p class="regie">Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und +andere Könige.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Wird der König dieses Ortes uns nicht empfangen?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was ist das für eine Art, ein Land zu regieren? +Der König hält ein Fest in einem Wald, wo +selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert +Zutritt hat!</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Wir hätten wohl Anspruch auf einen besonders +für uns reservierten und zu unserem Empfang +hergerichteten Platz.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet +hat, werden wir ihn zwingen, einen für uns +errichten zu lassen.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>All das macht natürlich zweifelhaft, ob dieses<a class="pagenum" name="Page_52" title="52"> </a> +Volk überhaupt einen König hat — es sieht aus, +als ob ein unbegründetes Gerücht uns irregeführt +hätte.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Das mag sein, was den König angeht, aber Sudarschana, +die Königin dieses Orts, ist durchaus +kein unbegründetes Gerücht.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Nur um ihretwillen hatte ich überhaupt Lust, +hierher zu kommen. Es liegt mir nichts daran, +jemanden zu sehen, der sich nie sehen läßt, +aber es wäre ein törichter Fehler, wenn wir +fortgingen, ohne das Wesen gesehen zu haben, +um dessentwillen sich eine Reise im höchsten +Grade lohnt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Laßt uns denn einen bestimmten Plan entwerfen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man +sich nicht selbst darein verwickelt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Zum Henker, was ist das für ein Geschmeiß, +das dort herumschwärmt? He! wer seid ihr?</p> + +<p class="regie">Großvater und die Knaben treten auf.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_53" title="53"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wir sind die lustige Schar der Habenichtse.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Die Einführung war überflüssig. Aber ihr +werdet euch etwas weiter zurückziehen und uns +in Frieden lassen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir +können es uns leisten, euch einen so weiten +Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das +Wenige, das uns genügt, ist nie der Zankapfel +zwischen streitenden Parteien. Nicht wahr, +meine kleinen Freunde?</p> + +<p class="regie">Sie singen.</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Wir sind die Habenichtse, fürwahr, wir haben gar nichts!</div> +<div class="verse">Wir singen lustig trallerala! trallerala!</div> +<div class="verse">'s gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Häusern</div> +<div class="verse">Auf Sümpfen mit goldenem Sand.</div> +<div class="verse">Wir stellen uns vor sie und singen</div> +<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div> +<div class="verse">Taschendiebe kreisen um uns</div> +<div class="verse">Und ehren uns mit lüsternen Blicken. +<a class="pagenum" name="Page_54" title="54"> </a></div> +<div class="verse">Wir schütteln die leeren Taschen und singen</div> +<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div> +<div class="verse">Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tür,</div> +<div class="verse">Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen,</div> +<div class="verse">Und singen im Chor mit fröhlichen Trillern</div> +<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sieh da drüben hin, Koschala, was sind das +für Leute, die da des Weges kommen? Eine +Pantomime? Der eine hat sich als König maskiert.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Der König dieses Orts mag alle diese Narrenspossen +dulden, wir aber werden dagegen einschreiten.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Es ist vielleicht ein Häuptling vom Lande.</p> + +<p class="regie">Wachen zu Fuß treten auf.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aus welchem Land stammt euer König?</p> + +<p class="character">Erster Soldat</p> + +<p>Er ist der König dieses Landes. Er rüstet sich, +das Fest zu leiten.</p> + +<p class="regie">Sie gehen weiter.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_55" title="55"> </a></p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Wie, der König dieses Landes kommt zum +Fest!</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem +Anblick begnügen und umkehren müssen — +ohne die reizvolle Königin gesehen zu haben.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Glaubst du wirklich, daß der Bursche die +Wahrheit sagte? Jeder kann sich als König +dieses königlosen Landes aufspielen. Kannst +du nicht sehen, daß der Mensch wie ein aufgeputzter +Maskenkönig aussieht — viel zu sehr +herausgeputzt?</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Aber er sieht hübsch aus — seine Erscheinung +ist nicht ohne einen gewissen gefälligen Reiz.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Er mag deinem Auge gefällig sein, aber wenn +du ihn genau genug betrachtest, kannst du ihn +nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn +vor euch allen entlarve.</p> + +<p class="regie">Der falsche „König” tritt auf.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Willkommen, Fürsten, in unserm Reich! Ich<a class="pagenum" name="Page_56" title="56"> </a> +hoffe, meine Würdenträger haben geziemend +für euren Empfang gesorgt?</p> + +<p class="character">Könige <span class="regie">(mit verstellter Höflichkeit)</span></p> + +<p>O ja — es fehlte nichts am Empfang.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich +aufgewogen durch die Ehre, den Anblick +Eurer Majestät genießen zu dürfen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wir zeigen uns nicht vor der großen Öffentlichkeit, +aber eure große Ergebenheit und +Treue macht es uns zum Vergnügen, uns euch +nicht zu entziehen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Die Gnade Euer Majestät ist wahrhaft überwältigend +für uns.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wir fürchten, wir werden hier nicht lange +verweilen können.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus, +als ob ihr es lange aushieltet.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_57" title="57"> </a></p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst +bitten möchtet —</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Das möchten wir: aber wir möchten Euch +gern vor etwas weniger Zeugen sprechen.</p> + +<p class="character">„König” <span class="regie">(zu seinem Gefolge)</span></p> + +<p>Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurück. +<span class="regie">(Sie ziehen sich zurück.)</span> Nun könnt ihr +euer Begehren ohne Rückhalt vorbringen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wir werden uns schon keine Zurückhaltung +auferlegen; wir fürchten nur, daß ihr es für +euch selbst werdet nötig finden.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>O nein, in der Hinsicht könnt ihr unbesorgt +sein.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Komm also, huldige uns, indem du uns deinen +Kopf zu Füßen legst.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein +in den Empfangslagern zu freigiebig +verteilt.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_58" title="58"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Falscher Betrüger, du bist es, der sich in einem +Rausch der Überhebung befindet. Dein Kopf +wird bald den Staub küssen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ihr Fürsten, solche derben Späße sind eines +Königs nicht würdig.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Männer, die gebührend mit dir scherzen werden, +sind zur Stelle. General!</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl, +ich schulde euch allen Huldigung. Der Kopf +beugt sich von selbst hernieder — es bedarf +nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer +Maßnahmen, um ihn zu Boden zu legen. +So, hier beuge ich mich tief vor euch allen. +Wenn ihr mir freundlich erlaubt, mich davonzumachen, +werde ich euch mit meiner Gegenwart +nicht länger lästig fallen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Warum solltest du dich davonmachen? Wir +werden dich zum König dieses Ortes machen<a class="pagenum" name="Page_59" title="59"> </a> +— führen wir unsern Scherz zu seinem regelrechten +Ende. Hast du irgendwelchen Anhang?</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>O ja! Alle, die mich auf den Straßen sehen, +laufen hinter mir her. Als ich ein mageres Gefolge +hatte, betrachtete mich erst jeder argwöhnisch, +aber nun mit dem wachsenden Haufen +zerstreuen sich die Zweifel immer mehr. +Die Menge wird von ihrer eigenen Größe hypnotisiert. +Ich brauche nun gar nichts weiter +zu tun.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben +wir alle, dir zu helfen und zu dir zu stehen. +Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten +müssen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die +Krone, die ihr mir aufs Haupt setzt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Gegenwärtig wünschen wir weiter nichts, als +die Königin Sudarschana zu sehen. Du wirst +dafür sorgen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_60" title="60"> </a></p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich werde mir alle Mühe darum geben.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Zu deinen Bemühungen haben wir nicht viel +Vertrauen — du wirst einfach dich nach unsern +Anweisungen richten. Nun aber kannst du +gehen und dich mit allem möglichen Glanz +und Prunk an dem Fest im königlichen Garten +beteiligen.</p> + +<p class="regie">Sie gehen fort.</p> + +<p class="regie">Großvater und eine Schar von Bürgern treten auf.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Großvater, ich kann mir nicht helfen — ja, +und fünfhundertmal will ich es wiederholen +— unser König ist ein vollkommener Schwindel.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Warum nur fünfhundertmal? Kein Grund zu +so heldenmütiger Selbstbeherrschung — du +kannst es fünftausendmal sagen, wenn das +dein Vergnügen erhöht.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Aber du kannst eine tote Lüge nicht für immer +aufrechterhalten.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_61" title="61"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Wir werden der ganzen Welt verkünden, daß +unser König eine Lüge ist, der reinste und +leerste Schatten!</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Wir werden es alle von unsern Dächern +schreien, daß wir keinen König haben — mag +er tun, was er will, wenn er existiert.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Er wird gar nichts tun.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Mein Sohn wurde mit fünfundzwanzig Jahren +innerhalb einer Woche von einem hitzigen Fieber +vorzeitig dahingerafft. Hätte mich solch +ein Unglück unter der Herrschaft eines tugendhaften +Königs betreffen können?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber dir sind immer noch zwei Söhne geblieben: +während ich all meine fünf Kinder hintereinander +verloren habe.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_62" title="62"> </a></p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Und was sagst du dazu?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was denn? Soll ich meinen König dazu verlieren, +weil ich meine Kinder verloren habe? +Für so einen ungeheuren Narren müßt ihr +mich nicht halten.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Eine schöne Sache, zu streiten, ob ein König +da ist oder nicht, wenn man aus Mangel an +Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der +König uns retten?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den +König suchen, dem all die Nahrung gehört. +Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn +sicher nicht finden.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Königs! Dieser +Bhadrasen — ihr wißt was es für ein rührender +Anblick ist, wenn er von seinem König +spricht — der rührselige Dummkopf! Er ist +auf einen solchen Grad von Armut herabgesunken,<a class="pagenum" name="Page_63" title="63"> </a> daß selbst die Fledermäuse, die bei +ihm hausen, den Ort zu ungemütlich finden.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre +Tag und Nacht für meinen König, aber ich +habe für meine Mühen noch nicht einen roten +Heller bekommen.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Nun, und was hältst du davon?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand +seine Freunde? Geht, Freunde, und sagt, +wenn ihr wollt, unsern König gebe es nirgends. +Auch das gehört mit zur Feier dieses Festes.</p> + +<hr class="chap"/> + +<h2><a name="IV" id="IV">IV.</a></h2> + +<p class="regie">Turm des Königspalastes.</p> + +<p class="regie">Sudarschana und ihre Freundin Rohini.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann +mich nicht irren: bin ich nicht die Königin? +Der dort, sicher der dort muß mein König +sein.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_64" title="64"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann +nicht lange zögern, sich dir zu zeigen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen +Vogel im Käfig. Suchtest du, dich zu vergewissern, +wer er ist?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der +König.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Von welchem Land ist er der König?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Von unserm, König dieses Landes.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm +aus Blumen über das Haupt gehalten +wird?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blüte +gemalt ist.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich erkannte ihn natürlich sofort, aber du +hattest deine Zweifel.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_65" title="65"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wir können uns leicht irren, meine Königin, +und wir fürchten dich zu erzürnen, falls wir +unrecht haben.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich wollte, Surangama wäre da! Dann wäre +kein Zweifel mehr möglich.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Hältst du sie für klüger als uns alle?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O nein, aber sie würde ihn sofort erkennen.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so, +als ob sie ihn kennte. Niemand kann dafür +bürgen, daß sie den König kennt. Wären wir +so schamlos wie sie, es wäre nicht schwer für +uns gewesen, mit unserer Bekanntschaft mit +dem König zu prahlen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber nein, sie prahlt niemals.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Bloße Ziererei, weiter nichts; damit kommt +man oft weiter als mit offenem Prahlen. Sie<a class="pagenum" name="Page_66" title="66"> </a> +ist zu allen Streichen fähig: drum mochten +wir sie nie leiden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber sag, was du willst, ich hätte sie gern gefragt, +wenn sie hier wäre.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sehr wohl, Königin. Ich werde sie holen. Sie +muß glücklich sein, wenn sie der Königin unentbehrlich +ist, um den König zu erkennen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O nein — es ist nicht darum — aber ich hörte +es gern von aller Welt bestätigt.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sagt es nicht alle Welt? Da, höre nur hin, +die Jubelrufe des Volks dringen sogar bis zu +dieser Höhe empor.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen +auf ein Lotusblatt und bringe sie ihm.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie +sendet?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_67" title="67"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du wirst nichts zu sagen brauchen — er wird +es wissen. Er meinte, ich würde nicht imstande +sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht fortlassen, +ohne ihm zu zeigen, daß ich ihn herausgefunden +habe.</p> + +<p class="regie">Rohini geht mit den Blumen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so +war mir nie zuvor zumute. Das weiße, silberne +Licht des Vollmonds überflutet den Himmel +und perlt nach allen Seiten wie der sprudelnde +Schaum des Weins ... Es faßt mich wie ein +Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da?</p> + +<p class="regie">Eine Dienerin tritt auf.</p> + +<p class="character">Dienerin</p> + +<p>Was befehlen Majestät?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Siehst du dort die fröhlichen Knaben, wie sie +singend durch die Laubgänge und Alleen der +Mangobäume ziehen? Rufe sie her, bring sie +zu mir: ich möchte sie singen hören.</p> + +<p class="regie">Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben +wieder.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_68" title="68"> </a></p> + +<p>Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen +Frühlings, hebt euren Festgesang an! +Meine ganze Seele und mein Leib ist heute +abend Gesang und Musik — doch die unaussprechliche +Melodie will mir nicht von der +Zunge: singt ihr denn an meiner Statt!</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Mein Leid ist mir süß, heut in dieser Frühlingsnacht.</div> +<div class="verse">Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und läßt sie leise erklingen.</div> +<div class="verse">Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein dahin.</div> +<div class="verse">Der Duft aus der Tiefe der Wälder verirrt sich in meine Träume.</div> +<div class="verse">Worte kommen flüsternd an mein Ohr, ich weiß nicht, woher,</div> +<div class="verse">Und die Glöckchen an meinen Fußspangen zittern und klingen im Takt zum Tanz meines Herzens.</div> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Genug, genug — ich ertrag' es nicht länger! +Euer Gesang hat meine Augen mit Tränen +gefüllt ... Mich wandelt es an — Sehnsucht +kann nie ihren Gegenstand finden — sie<a class="pagenum" name="Page_69" title="69"> </a> +braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher +Sänger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt? +O, daß meine Augen den sehen könnten, +dessen Gesang meine Ohren gehört haben! +Ach, wie ich mich sehne — mich sehne, in +Liebesverzückung im Waldesdickicht des Herzens +mich zu verlieren! Liebe Knaben der +Waldwildnis! wie soll ich euch lohnen? Dieses +Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten +Steinen gemacht — ihre Härte wird euch +weh tun — ich besitze nichts dergleichen wie +die Blumenkränze, die euch zieren.</p> + +<p class="regie">Die Knaben verbeugen sich und gehen ab.</p> + +<p class="regie">Rohini tritt auf.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe nicht recht getan — ich habe nicht +recht getan, Rohini. Ich schäme mich, dich zu +fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt, +daß keine Hand in Wahrheit die größte +der Gaben geben kann. Doch laß mich alles +hören.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Als ich dem König die Blumen gab, sah er +nicht so aus, als verstünde er etwas davon.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_70" title="70"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das kann nicht sein! Er verstand nicht —?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Nein; er saß da wie eine Puppe, ohne ein einziges +Wort zu äußern. Ich glaube, er wollte +nicht zeigen, daß er nichts verstand, daher tat +er den Mund nicht auf.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Pfui über mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht +bestraft worden. Warum hast du meine +Blumen nicht zurückgebracht?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wie konnte ich? Der König von Kantschi, ein +sehr gewitzigter Mann, der neben ihm saß, begriff +alles mit einem Blick, und er lächelte +nur eben ein bißchen und sagte: „Majestät, +die Königin Sudarschana sendet Euch ihre +Grüße mit diesen Blumen — mit Blumen, die +dem Gott der Liebe gehören, dem Freund des +Frühlings!” Der König schien mit einem Male +aufzuwachen und sagte: „Das ist die Krone +all meiner Königsherrlichkeit heute Nacht.” +Ich wandte mich, ganz außer Fassung, zum +Gehen, als der König von Kantschi dem König<a class="pagenum" name="Page_71" title="71"> </a> +dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir +sagte: „Freundin, dies Königsgeschmeide will +zu dir, zum Dank für das frohe Glück, das du +gebracht hast.”</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie, Kantschi mußte dem König all das begreiflich +machen! Weh mir, dies nächtliche +Fest hat die Tore der Schmach und Schande +weit vor mir geöffnet. Was andres konnte +ich erwarten? Verlaß mich, Rohini; ich muß +eine Weile allein sein. <span class="regie">(Rohini geht ab.)</span> Ein +furchtbarer Schlag hat all meinen Stolz zu +Staub zerschlagen, und doch ... ich kann +diese schöne, bezaubernde Gestalt nicht aus +dem Gedächtnis löschen! Kein Stolz ist mir +geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet, +gänzlich hilflos ... ich kann nicht einmal die +Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder +und wieder der Wunsch kommt, Rohini um +diese Kette zu bitten! Aber was würde sie denken! +Rohini!</p> + +<p class="regie">Rohini kommt.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Was ist dein Wunsch?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_72" title="72"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Welchen Lohn verdienst du für deine heutigen +Dienste?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Nichts von dir — aber ich bekam meinen Lohn +von dem König, wie sich's gebührt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene +Belohnung. Ich möchte nicht etwas +an dir sehen, was auf so gleichgültige Art gegeben +wurde. Leg es ab, ich gebe dir meine +Armspangen, wenn du es hier läßt. Nimm +diese Armspangen und geh nun. <span class="regie">(Rohini geht +ab.)</span> Welch neue Schmach! Ich hätte dieses +Halsband wegwerfen sollen — aber ich kann +nicht! Es sticht mich, als ob es ein Dornenkranz +wäre — aber ich kann es nicht wegwerfen. Das +also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert +— dieses Halsband der Schmach und +Schande!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="V" id="V">V.</a></h2> + +<p class="regie">Großvater nahe am Tor des Lusthauses.</p> + +<p class="regie">Eine Gesellschaft von Männern.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Habt ihr genug davon bekommen, Freunde?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_73" title="73"> </a></p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Oh, mehr als genug, Großvater. Sieh nur, sie +haben mich über und über rot gemacht. Keiner +ist davongekommen<a name="FNanchor_A_1" id="FNanchor_A_1"></a><a href="#Footnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a>.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wirklich? Haben sie die Könige auch mit +rotem Puder beworfen?</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie +waren alle sicher auf ihrem eingehegten Platz.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>So sind sie euch entkommen! Konntet ihr +nicht die geringste Spur Farbe auf sie werfen? +Ihr hättet euch den Weg dahin erzwingen +sollen.</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte +Rot, die ihnen vorbehalten ist. Ihre Augen sind +rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres Gefolges +sind auch rot. Und die letztern schwangen<a class="pagenum" name="Page_74" title="74"> </a> ihre Schwerter so in der Luft herum, daß +eine weitere Annäherung von unserer Seite ein +reichliches Zutagetreten der grundlegenden +roten Farbe bedeutet hätte.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wohlgetan, Freunde — haltet sie immer in +einiger Entfernung. Sie sind die Verbannten +der Erde, und wir haben das Amt, dafür zu +sorgen, daß es so bleibt.</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Ich gehe heim, Großpapa; Mitternacht ist vorüber.</p> + +<p class="regie">Geht ab.</p> + +<p class="regie">Eine Schar Sänger kommt singend herbei.</p> + +<div class="verse">Schwarz und Weiß ist nicht mehr geschieden,</div> +<div class="verse">Ist rot geworden — rot wie eure Füße gefärbt sind.</div> +<div class="verse">Rot ist mein Wams und rot meine Träume,</div> +<div class="verse">Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus.</div> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Vortrefflich, meine Freunde, glänzend! So +hattet ihr wirklich genußreiche Stunden!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_75" title="75"> </a></p> + +<p class="character">Die Sänger</p> + +<p>Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der +Mond am Himmel ließ uns im Stich: er blieb +weiß.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Er sieht nur von außen so unschuldig drein. +Hättet ihr nur seine weiße Maske weggenommen, +ihr hättet seine Schelmerei schon gesehen. +Ich habe beobachtet, was für rote Farben +er heute nacht auf die Erde wirft. Und +doch, sollte man es für möglich halten, daß +er dabei die ganze Zeit weiß und farblos +bleibt!</p> + +<p class="character">Gesang.</p> + +<div class="verse">Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb!</div> +<div class="verse">Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt,</div> +<div class="verse">Meinst du, ungefärbt zu entkommen,</div> +<div class="verse">Wenn du mich mit rotem Puder rötest?</div> +<div class="verse">Könnt ich nicht dein Kleid färben mit dem roten Blütenstaub meines Herzens?</div> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="regie">Der „König” und Kantschi treten auf.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du mußt genau tun, was ich dir gesagt habe. +Daß du mir nichts übersiehst!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_76" title="76"> </a></p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich werde nichts übersehen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Die Gemächer der Königin Sudarschana liegen +in den...</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen, +und dann wirst du aus dem Durcheinander +und der Verwirrung Vorteil ziehen, +um deine Aufgabe zielbewußt zu vollbringen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich werde daran denken.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sieh einmal, Herr Prätendent, ich glaube doch, +daß unsere Furcht ganz unbegründet ist — +es gibt in Wahrheit keinen König in diesem +Lande.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie +zu retten. Der gemeine Mann kann +ohne König nicht leben, ob dieser nun echt ist<a class="pagenum" name="Page_77" title="77"> </a> +oder falsch! Anarchie ist immer eine Quelle +der Gefahr.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Frommer Wohltäter des Volkes, deine wundervolle +Aufopferung sollte wirklich uns +allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke +diesen außerordentlichen Dienst in eigener +Person zu erweisen.</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="VI" id="VI">VI.</a></h2> + + +<p class="regie">Im Garten.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen, +was all das ist! <span class="regie">(Zu den Gärtnern)</span> +Wohin geht ihr alle in solcher Eile?</p> + +<p class="character">Erster Gärtner</p> + +<p>Wir gehen aus dem Garten.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wohin?</p> + +<p class="character">Zweiter Gärtner</p> + +<p>Wir wissen nicht, wohin — der König hat uns +gerufen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_78" title="78"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Aber der König ist doch hier in diesem Garten. +Welcher König hat euch gerufen?</p> + +<p class="character">Erster Gärtner</p> + +<p>Das wissen wir nicht.</p> + +<p class="character">Zweiter Gärtner</p> + +<p>Der König, dem wir unser Lebtag gedient +haben, natürlich.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wollt ihr alle gehen?</p> + +<p class="character">Erster Gärtner</p> + +<p>Ja, alle — wir müssen sofort gehen. Sonst +könnten wir zu Schaden kommen.</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich +fürchte mich. Sie rennen davon wie wilde +Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe +die Flut den Damm durchbricht.</p> + +<p class="regie">Der König von Koschala tritt auf.</p> + +<p>Rohini, weißt du, wo dein König und Kantschi +hingegangen sind?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_79" title="79"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann +nicht sagen, wo.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben. +Ich habe nicht wohl daran getan, mein Vertrauen +auf Kantschi zu setzen. <span class="regie">Ab.</span></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Was ist das für eine dunkle Sache, mit der +sich diese Könige abgeben? Etwas Schreckliches +bereitet sich vor. Werde ich in diese +Sache hineingezogen werden?</p> + +<p class="regie">Avanti tritt auf.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Rohini, weißt du, wo die andern Fürsten sind?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen +sind. Der König von Koschala ging +jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer +König und Kantschi?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_80" title="80"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewiß, +uns alle zu betrügen. Ich habe nicht wohl +daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu +stecken. Freundin, könntest du mir freundlich +einen Weg aus diesem Garten weisen?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich weiß keinen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus +zeigen kann?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Die Diener haben alle den Garten verlassen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Warum taten sie das?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich konnte nicht genau verstehen, was sie +meinten. Sie sagten, der König hätte ihnen befohlen, +den Garten sofort zu verlassen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Der König? Welcher König?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_81" title="81"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sie konnten es nicht genau sagen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Das klingt nicht gut. Ich muß um jeden Preis +einen Weg hinausfinden. Ich kann hier keinen +Augenblick länger bleiben.</p> + +<p class="regie">Geht eilig ab.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wo kann ich den König finden? Als ich ihm +die Blumen gab, die die Königin gesandt hatte, +da schien er sich nicht viel um mich zu kümmern; +aber seit der Stunde hat er Gaben und +Geschenke auf mich gehäuft. Diese grundlose +Freigebigkeit macht mich noch ängstlicher... +Wohin fliegen die Vögel zu dieser Stunde der +Nacht? Was hat sie plötzlich aufgeschreckt? +Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges, +gewiß nicht... Warum rennt der Königin +zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata! Tschapata! +Es hört nicht einmal meinen Ruf. Ich +habe nie eine Nacht wie diese gesehen. Der +Horizont wird auf allen Seiten plötzlich rot, +wie das Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne +scheint zu so ungewohnter Stunde auf allen<a class="pagenum" name="Page_82" title="82"> </a> +Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn +des Allmächtigen ist dies! ... Oh, ich +fürchte mich! ... Wo kann ich den König +finden?</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="VII" id="VII">VII.</a></h2> + +<p class="regie">Am Tor zum Palast der Königin.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Was hast du getan, Kantschi?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim +Palast in Brand stecken. Ich hatte keine +Ahnung, daß das Feuer sich so schnell nach +allen Seiten verbreiten würde. Sag mir schnell +den Weg aus diesem Garten.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher +geführt haben, sind alle entflohen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du bist ein Eingeborner dieses Landes — du +mußt den Weg wissen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich habe diese inneren Königsgärten nie zuvor +betreten.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_83" title="83"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich will davon nichts hören — du mußt mir +den Weg zeigen, oder ich spalte dich in zwei +Teile.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Du kannst mir auf diese Weise das Leben +nehmen, aber es würde dir wenig helfen, den +Weg aus diesem Garten zu finden.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Warum liefst du dann herum und sagtest, du +wärest der König dieses Landes?</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich bin nicht der König — ich bin nicht der +König.</p> + +<p class="regie">Wirft sich mit gefalteten Händen zu Boden.</p> + +<p>Wo bist du, mein König? Rette mich, oh, rette +mich! Ich bin ein Empörer — strafe mich, +aber töte mich nicht!</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was nützt es, sich zu krümmen und in die +leere Luft zu schreien? Nutze die Zeit lieber +und such nach dem Wege!</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich will mich hierher legen — ich rühre mich<a class="pagenum" name="Page_84" title="84"> </a> +nicht von der Stelle. Komme was will, ich +werde nicht klagen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn +ich verbrennen muß, sollst du mir zum letzten +Ende Gesellschaft leisten.</p> + +<p class="character">Stimme von außen</p> + +<p>Oh, rette uns, rette uns, König! Das Feuer +kommt von allen Seiten über uns!</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr.</p> + +<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(tritt auf)</span></p> + +<p>König, o mein König! rette mich, rette mich +vor dem Tode! Ich bin vom Feuer umzingelt.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wer ist der König? Ich bin kein König.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du bist nicht der König?</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft.</p> + +<p class="regie">Seine Krone zu Boden werfend.</p> + +<p>Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben!</p> + +<p class="regie">Ab mit Kantschi.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_85" title="85"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Kein König? Er ist nicht der König? Dann, +o du Feuergott, verbrenne mich, vernichte +mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in +die Arme werfen, o du großer Reiniger; verbrenne +meine Schmach, mein Verlangen, +meine Begierde zu Asche.</p> + +<p class="character">Rohini <span class="regie">(tritt auf)</span></p> + +<p>Königin, wohin gehst du? All deine innern +Gemächer sind in rasendes Feuer gehüllt — +geh nicht hinein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ja, ich will in diese brennenden Räume hineingehn! +Es ist mein Totenfeuer!</p> + +<p class="regie">Sie geht in den Palast.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="VIII" id="VIII">VIII.</a></h2> + + +<p class="regie">Die dunkle Kammer. Der König und Sudarschana.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Fürchte dich nicht — du hast keinen Grund +zur Angst. Das Feuer wird nicht in dies Gemach +dringen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe keine Angst — aber oh, die Scham +verfolgt mich wie ein rasendes Feuer. Mein<a class="pagenum" name="Page_86" title="86"> </a> +Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil +meines Körpers wird von ihren Flammen versengt +und verbrannt.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Es wird eine Zeit vergehen, ehe du über +diesen Brand hinwegkommst.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dieses Feuer wird nie aufhören — wird nie +aufhören!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Verzage nicht, Königin!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O König, ich will dir nichts verbergen... Ich +trage eines anderen Kette um meinen Hals.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Auch diese Kette ist mein — wie sonst hätte +er zu ihr kommen sollen? Er stahl sie aus +meiner Kammer.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber sie ist <em class="gesperrt">sein</em> Geschenk an mich: und +doch konnte ich diese Kette nicht fortschleudern! +Als das Feuer brüllend von allen Seiten +kam, dachte ich daran, diese Kette ins Feuer<a class="pagenum" name="Page_87" title="87"> </a> +zu werfen. Aber nein, ich konnte nicht. Mein +Geist flüsterte: „Behalte diese Kette im Tode +an”... Was für ein Feuer ist das, o König, +in das ich, die hinausgegangen war, dich zu +sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme +nicht widerstehen kann! Welch eine Qual ist +das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer +brennt so wild weiter wie je, und doch lebe +ich weiter in seinen Flammen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Aber du hast mich schließlich gesehen — deine +Sehnsucht ist gestillt worden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber suchte ich dich denn mitten in diesem +grauenhaften Verderben? Ich weiß nicht, was +ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor +Angst.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Was sahest du?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Grauenhaft — oh, es war grauenhaft! Ich +fürchte mich, auch nur noch daran zu +denken. Schwarz, schwarz — o du bist schwarz +wie die ewige Nacht! Ich habe dich nur einen<a class="pagenum" name="Page_88" title="88"> </a> +einzigen entsetzlichen Augenblick gesehen. +Der Feuerschein fiel auf deine Züge — du +sahst wie die schaudervolle Nacht aus, wenn +ein Komet unheilverkündend über uns schwebt +— oh, da schloß ich die Augen — ich konnte +deinen Anblick nicht mehr ertragen. Schwarz +wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie +das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot +des Zwielichts auf seinen tosenden Wogen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß man meinen +Anblick nicht ertragen kann, wenn man +nicht schon darauf vorbereitet ist? Man möchte +vor mir zum Ende der Welt fliehen. Habe ich +das nicht zahllose Male gesehen? Darum wollte +ich mich dir langsam und allmählich enthüllen, +nicht gar zu plötzlich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber es kam die Sünde und vernichtete alle +deine Hoffnungen — die bloße Möglichkeit +einer Gemeinschaft mit dir ist für mich nun +undenkbar geworden.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Sie wird mit der Zeit möglich werden, meine<a class="pagenum" name="Page_89" title="89"> </a> +Königin. Die gräßliche düstere Schwärze, die +dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen +hat, wird eines Tages dein Trost und +dein Heil sein. Wofür sonst kann meine Liebe +da sein?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es kann nicht sein, es ist nicht möglich. Was +will <em class="gesperrt">deine</em> Liebe allein noch tun? <em class="gesperrt">Meine</em> +Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die +Schönheit hat ihren Zauber auf mich geworfen, +diese Raserei, dieser Rausch wird mich +nie mehr verlassen — sie hat meine Augen mit +ihrem Glanz geblendet und entflammt, sie hat +ihren goldenen Schimmer bis in meine Träume +geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt — +strafe mich, wie dir beliebt.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Die Strafe hat schon begonnen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Doch willst du mich nicht strafen so stoße +mich von dir. Ich will dich verlassen —</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir +beliebt.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_90" title="90"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen! +Mein Herz ist böse auf dich. Warum warst +du — aber was hast du mir getan?... Warum +bist du so? Warum haben sie mir gesagt, du +wärest stattlich und schön? Du bist schwarz, +schwarz wie die Nacht — ich werde dich nie, +ich kann dich nie liebhaben. Ich habe gesehen, +was ich liebe — es ist sanft und weich wie Samt, +zart wie die <i>Schirischa</i>-Blume, strahlend wie +ein Schmetterling.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie +eine Seifenblase.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Mag sein — aber ich kann deine Nähe nicht +ertragen — ich kann einfach nicht! Ich muß +von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir, +das kann nicht möglich sein! Sie kann nichts +anderes sein als ein falscher Bund — mein +Geist muß sich unweigerlich von dir abkehren.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_91" title="91"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe es seit gestern versucht — aber je +mehr ich versuche, um so mehr empört sich +mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich +beständig von dem Gedanken verfolgt und gehetzt, +daß ich unrein bin, daß ich falsch und +treulos bin.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen, +als dir beliebt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich kann von dir nicht fliehen — gerade weil +du mein Gehen nicht hinderst. Warum hältst +du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurück +und sagst: „Du sollst nicht gehen?” +Warum schlägst du mich nicht? O strafe +mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger +Hand! Aber dein widerstandsloses Schweigen +macht mich wild — oh, ich kann's nicht ertragen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Warum glaubst du, daß ich in Wirklichkeit +still bin? Woher weißt du, daß ich nicht versuche, +dich zurückzuhalten?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_92" title="92"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, nein, nein! — Ich kann das nicht ertragen +— sag mir laut, befiehl mir mit der Stimme +des Donners, zwinge mich mit Worten, die +alles andere übertönen — laß mich nicht so +leicht, so mild von dir!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte +ich zulassen, daß du dich von mir losreißest?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn, +ich muß gehen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Geh denn!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>So bin ich gar nicht zu tadeln. Du hättest mich +mit Gewalt zurückhalten können, aber du +tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert +— und nun werde ich fortgehen. Befiehl deinen +Wachen, mich nicht gehen zu lassen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Niemand wird dir in den Weg treten. Du +kannst so frei gehen wie die zerrissene Wetterwolke, +die vom Sturm gepeitscht wird.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_93" title="93"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich kann nicht mehr widerstehen — etwas in +mir jagt mich vorwärts — es treibt mich von +meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken, +aber ich werde nie mehr zurückkehren.</p> + +<p class="regie">Sie stürzt hinaus.</p> + +<p class="regie">Surangama tritt auf.</p> + +<p class="character">Surangama <span class="regie">(singt)</span></p> + +<p>Was hat dein Wille mit mir vor, daß er mich +in die Weite sendet? Zu deinen Füßen werde +ich wieder von meiner Wanderschaft zurückkehren.</p> + +<p>Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein +der Nachlässigkeit verbirgt, deine zärtlichen +Hände stoßen mich fort, um mich wieder in +deine Arme zu ziehn! O mein König, was ist's +für ein Spiel, das du überall in deinem Reiche +treibst?</p> + +<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(kehrt zurück)</span></p> + +<p>König, o König!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Er ist fortgegangen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er<a class="pagenum" name="Page_94" title="94"> </a> +mich endgültig verstoßen! Ich bin zurückgekehrt, +aber er hat nicht einen einzigen kleinen +Augenblick auf mich warten können! Sehr gut +denn, ich bin nun vollkommen frei. Surangama, +hat er dich geheißen, mich zurückzuhalten?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, er hat nichts gesagt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte +er sich um mich kümmern? ... Ich bin also +frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich +wollte den König etwas fragen, konnte es aber +in seiner Gegenwart nicht herausbringen. Sag +mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft +hat.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Mit dem Tode? Mein König straft nie mit dem +Tode.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Was hat er ihnen denn getan?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat +seine Niederlage anerkannt und ist in sein +Königreich heimgekehrt.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_95" title="95"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ach, was für eine Erlösung!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Meine Königin, ich habe eine einzige Bitte an +dich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen, +Surangama. Alle Geschmeide und Schmucksachen, +die der König mir gab, lasse ich dir +— ich bin nicht würdig, sie von nun an zu +tragen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, ich brauche sie nicht, meine Königin. +Mein Herr hat mir nie irgendwelchen Schmuck +zu tragen gegeben — mein schmuckloses Aussehen +ist für mich gut genug. Er hat mir nichts +gegeben, womit ich vor den Leuten prahlen +könnte.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Was willst du sonst von mir?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich will mit dir gehn, meine Königin.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen<a class="pagenum" name="Page_96" title="96"> </a> +Herrn zu verlassen. Was für eine Bitte ist das +für dich!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich werde nicht weit von ihm fortgehen — +wenn du unbehütet fortgehst, wird er bei dir +sein, dicht dir zur Seite.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini +mit mir nehmen, aber sie wollte nicht. +Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit +mir zu kommen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich +werde gehen — der Mut wird von selbst kommen, +und auch die Kraft wird kommen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine +Gegenwart wird mich beständig an meine +Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen +können.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>O meine Königin, ich habe wie all dein Gutes<a class="pagenum" name="Page_97" title="97"> </a> +so auch all dein Böses mir zu eigen gemacht; +willst du mich noch als Fremde behandeln? +Ich muß mit dir gehn.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="IX" id="IX">IX.</a></h2> + +<p class="regie">Der König von Kanya Kubja, +Vater von Sudarschana, und sein Minister.</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Ich hörte alles vor ihrer Ankunft.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Die Prinzessin wartet allein außerhalb der +Stadttore am Ufer des Flusses. Soll ich Leute +senden, um sie zu Hause willkommen zu +heißen?</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Wie! Für sie, die treulos ihren Gatten verlassen +hat — da willst du ihre Schmach und +Schande in aller Welt ausposaunen und ein +Schaustück für sie in Szene setzen?</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr +eine Wohnung im Palaste herzurichten?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_98" title="98"> </a></p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren +Platz als Königin aus eigenem Entschluß verlassen +— hier wird sie als Magd arbeiten +müssen, wenn sie in meinem Hause zu bleiben +wünscht.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Es wird schwer und bitter für sie sein, Euer +Hoheit.</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren, +dann bin ich nicht wert, ihr Vater +zu sein.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Ich werde alles ordnen, wie Ihr wünscht, +Euer Hoheit.</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Es soll verborgen bleiben, daß sie meine Tochter +ist, sonst geraten wir alle in ein entsetzliches +Unheil.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Warum fürchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_99" title="99"> </a></p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht, +dann erscheint sie mit dem furchtbaren Unheil +beladen. Du weißt nicht, welche tödliche +Furcht diese meine Tochter mir eingeflößt +hat — sie ist heimgekommen, beladen mit +Schrecknis und Gefahr.</p> + + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="X" id="X">X.</a></h2> + + +<p class="regie">Innere Gemächer des Palastes.</p> + +<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Geh fort von mir, Surangama! Ein tödlicher +Zorn rast in mir — ich kann niemanden ertragen +— es macht mich wild, dich so geduldig +und unterwürfig zu sehn.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Auf wen bist du zornig?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich weiß nicht; aber ich möchte alles vernichtet +und unter Trümmern und Elend begraben +sehn! In einem Augenblick verließ ich +meinen Platz als Königin auf dem Thron. Gab<a class="pagenum" name="Page_100" title="100"> </a> +ich alles hin, um mich in dieser düsteren Höhle +als Sklavin abzuplagen? Warum flammen für +mich nicht die Fackeln der Trauer über die +ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die +Erde? Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte +Fallen der armseligen Bohnenblüte? +Ist er nicht eher wie der Fall eines glühenden +Sternes, dessen flammende Lohe den Himmel +in Stücke reißt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ein mächtiger Wald raucht und glimmt innen, +ehe er in Flammen ausbricht: die Zeit ist noch +nicht gekommen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe Ehre und Ruhm einer Königin in +Staub und Winde gestreut — aber gibt es +keinen Menschen, der kommen will, um meine +trostlose Seele hier zu besuchen? Allein — oh, +ich bin furchtbar, grauenvoll allein!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du bist nicht allein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Surangama, ich will nichts vor dir verbergen.<a class="pagenum" name="Page_101" title="101"> </a> +Als er den Palast in Flammen setzte, konnte +ich nicht auf ihn böse sein. Eine große innere +Freude machte mein Herz erzittern. Was für +ein staunenswürdiges Verbrechen! Was für +eine glorreiche Kühnheit! Dieser Mut machte +mich stark und befeuerte meine Lebensgeister. +Diese furchtbare Freude gab mir die Kraft, in +einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist +das alles nur meine Einbildung? Warum ist +nirgends ein Zeichen zu sehen, daß er kommt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Der, an den du denkst, hat den Palast nicht +in Brand gesteckt — der König von Kantschi +tat es.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Der Feigling! Aber ist es möglich? So schön, +so bezaubernd, und doch keine Mannheit +in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um +so eines wertlosen Geschöpfes willen? O +Schmach! Pfui über mich!... Aber Surangama, +meinst du nicht, dein König hätte doch +kommen müssen, um mich zurückzuholen!</p> + +<p class="regie">(Surangama verharrt in Schweigen.)</p> + +<p>Du meinst, ich brenne darauf, zurückzukehren?<a class="pagenum" name="Page_102" title="102"> </a> +Niemals. Selbst wenn der König in Wirklichkeit +käme, ginge ich nicht zurück. Nicht ein +einziges Mal verbot er mir fortzugehn, und ich +fand alle Tore weit geöffnet, um mich hinauszulassen! +Und die steinige, staubige Straße, auf +der ich wanderte — es war ihr nichts, daß eine +Königin auf ihr schritt. Sie ist hart und gefühllos, +wie dein König; der niedrigste Bettler +gilt ihr ebensoviel wie die höchste Königin. +Du schweigst! Nun, ich sage dir, deines Königs +Benehmen ist — niedrig, roh, schmählich!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Jeder weiß, daß mein König hart und unbarmherzig +ist — niemand ist je imstande gewesen, +ihn zu rühren.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und +bei Nacht?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Möge er immer hart und unnachgiebig bleiben +wie Stein — mögen meine Tränen und Bitten +ihn nie bewegen! Mögen die Leiden nur immer +<em class="gesperrt">mein</em> Teil sein und möge Ruhm und Sieg <em class="gesperrt">ihm</em> +immerdar bleiben!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_103" title="103"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint +dort drüben über den Feldern am östlichen +Horizont aufzusteigen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja, ich sehe es.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>In der Tat, es ist ein Banner.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dann kommt er. Er ist endlich gekommen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wer kommt?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Unser König — wer sonst! Wie könnte er ohne +mich leben! Es ist ein Wunder, wie er nur +diese Tage her aushalten konnte.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, nein, das kann nicht der König sein.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_104" title="104"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>„Nein”, in der Tat! Als ob du alles wüßtest! +Dein König ist hart, kalt, unbarmherzig, nicht +wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein +kann. Ich wußte von Anfang an, daß er +kommen würde — daß er hinter mir herlaufen +müßte. Aber erinnere dich, Surangama, ich +habe ihn nicht ein einziges Mal gebeten, daß +er käme. Du wirst sehen, wie ich deinen König +dazu bringe, mir seine Niederlage zu bekennen! +Geh nur hinaus, Surangama, und laß +mich alles wissen.</p> + +<p class="regie">Surangama geht hinaus.</p> + +<p>Aber werde ich gehen, wenn er kommt und +mich bittet, mit ihm zurückzukehren? Gewiß +nicht! Ich will nicht gehen! Niemals!</p> + +<p class="regie">Surangama kommt zurück.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Es ist nicht der König, meine Königin.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nicht der König? Bist du ganz sicher? Wie! +er ist noch nicht gekommen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_105" title="105"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, mein König wirbelt nie soviel Staub auf, +wenn er kommt. Niemand kann wissen, wann +er überhaupt kommt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dann ist es —</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Eben der: er kommt mit dem König von +Kantschi.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Weißt du, wie er heißt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Er heißt Suvarna.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Er ist es also. Ich dachte: „Ich liege hier gleich +weggeworfenen Schlacken und Kehricht, die +keiner auch nur anrühren mag.” Aber mein +Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du +Suvarna früher gekannt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in +der Spielhölle —</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_106" title="106"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen, +ich will nichts hören. Er ist mein Held, meine +einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen, +ohne daß du mir Geschichten von ihm erzählst. +Aber sieh nur, ein netter Mann ist dein +König! Er ließ sich nicht einfallen, zu +kommen, um mich selbst aus dieser Entwürdigung +zu retten. Danach kannst du mich nicht +tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf +ihn warten und mich schimpflich wie eine +Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut +und Unterwürfigkeit üben wie du.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XI" id="XI">XI.</a></h2> + +<p class="regie">Lager.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p class="regie">Zu Kanya Kubja's Boten.</p> + +<p>Sage deinem König, daß er uns nicht gerade +als seine Gäste zu empfangen braucht. Wir +sind auf dem Weg zurück zu unsern Königreichen, +aber wir verweilen, um die Königin +Sudarschana aus der Knechtschaft und Entwürdigung +zu befreien, zu der sie hier verdammt +ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_107" title="107"> </a></p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, daß +die Prinzessin in ihres Vaters Hause ist.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres +Vaters bleiben, als sie unvermählt ist.</p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres +Vaters bleiben unverändert bestehen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden +entsagt.</p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann +diesseits des Grabes niemals entsagt werden: +sie mag zu Zeiten außer Kraft treten, kann +jedoch nie ganz abgebrochen werden.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Entschließt sich der König nicht, mir seine +Tochter auf friedlichem Wege herauszugeben, +so wird mich das Gebot der Ritterpflicht nötigen,<a class="pagenum" name="Page_108" title="108"> </a> Gewalt anzuwenden. Du kannst das für +mein letztes Wort nehmen.</p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Euer Hoheit wollen nicht vergessen, daß auch +unser König an die Ritterpflicht gebunden ist. +Ihr erwartet umsonst, daß er seine Tochter nur +auf eure Drohungen hin ausliefern wird.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sag deinem König, daß ich auf solch eine Antwort +gefaßt war, als ich herkam.</p> + +<p class="regie">Der Bote geht ab.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>König von Kantschi, es scheint mir, daß wir +zu viel wagen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was für ein Vergnügen böte dieses Abenteuer, +wenn es anders wäre?</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum +Kampf herauszufordern — aber...</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wenn du erst anfängst, dich vor „Aber” zu<a class="pagenum" name="Page_109" title="109"> </a> +fürchten, wirst du in dieser Welt kaum einen +Platz finden, der sicher genug für dich ist.</p> + +<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p> + +<p class="character">Soldat</p> + +<p>Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten, +daß die Könige von Koschala, Avanti +und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs +kommen. <span class="regie">(Ab.)</span></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Gerade, was ich fürchtete! Die Nachricht von +Sudarschanas Flucht hat sich überall verbreitet; +jetzt wird man sich von allen Seiten +um sie reißen und schließlich wird alles in +Rauch aufgehn.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Es führt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind +keine guten Nachrichten. Ich bin völlig gewiß, +daß unser König selbst insgeheim die Kunde +allenthalben verbreitet hat.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Nun, was soll ihm das nützen?</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Die Gierigen werden einander in der allgemeinen<a class="pagenum" name="Page_110" title="110"> </a> Eifersucht in Stücke reißen — und er +wird sich die Lage zunutze machen, die Beute +heimzuführen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Nun wird es klar, warum euer König sich nie +sehen läßt. Sein Kniff ist, sich auf allen Seiten +zu vervielfachen — die Furcht sieht ihn allenthalben. +Aber ich will dabei bleiben, daß euer +König von Kopf zu Fuß nichts als eitel +Schwindel ist.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Güte +haben, mich zu entlassen?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich kann dich nicht gehen lassen — ich habe +noch eine Verwendung für dich in dieser +Sache.</p> + +<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p> + +<p class="character">Soldat</p> + +<p>Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha +sind auch gekommen. Sie haben auf der andern +Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen. +<span class="regie">(Ab.)</span></p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_111" title="111"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Im Anfang müssen wir alle vereinigt kämpfen. +Ist erst die Schlacht mit Kanya Kubja vorbei, +so werden wir schon einen Weg aus der +Schwierigkeit finden.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure +Pläne — ich werde glücklich sein, wenn Ihr +mich mir selbst überlaßt — ich bin ein armes, +niedriges Geschöpf — nichts kann —</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sieh einmal an, König der Heuchler, Mittel +und Wege sind nie von so hohem Range — +Straßen und Stufen und so weiter sind stets +dazu da, mit den Füßen getreten zu werden. +Der Vorteil, wenn wir Männer deiner Art in +unsern Plänen verwenden, ist, daß wir keine +Maske oder Täuschung nötig haben. Wenn ich +mich aber mit meinem Minister zu beraten +hätte, wäre es unsinnig, wollte ich dem Diebstahl +einen weniger würdigen Namen geben als +Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die +Fürsten in Bewegung setzen wie Bauern auf<a class="pagenum" name="Page_112" title="112"> </a> +dem Schachbrett; das Spiel ist nicht möglich, +wenn <em class="gesperrt">all</em> die Schachfiguren sich wie Könige +bewegen wollen!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XII" id="XII">XII.</a></h2> + +<p class="regie">Inneres des Palastes.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Geht die Schlacht noch fort?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>So heftig wie je.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater +zu mir und sagte: „Du bist von einem König +fortgelaufen, aber du hast sieben Könige dir +nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben +Stücke zu schneiden und sie unter die Fürsten +zu verteilen.” Es wäre gut gewesen, wenn er +es getan hätte. — Surangama!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wenn dein König die Macht hätte, mich zu +retten, könnte mein jetziger Zustand ihn ungerührt +gelassen haben?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_113" title="113"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Meine Königin, warum fragst du mich? Habe +ich die Macht, für meinen König zu antworten? +Ich weiß, mein Verstand ist nicht hell; darum +wage ich nie über ihn zu urteilen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Alle sieben Fürsten.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sonst keiner?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Suvarna machte den Versuch zu entfliehen — +insgeheim, ehe der Kampf anfing —, aber +Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem +Lager verwahrt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, ich hätte vor langer Zeit sterben sollen! +Aber, o König, mein König, wenn du gekommen +wärest und hättest meinem Vater geholfen, +dein Ruhm wäre darum nicht geringer! +Er wäre strahlender und höher geworden. Bist<a class="pagenum" name="Page_114" title="114"> </a> +du ganz gewiß, Surangama, daß er nicht gekommen +ist?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich weiß nichts sicher.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber seit ich hier bin, hatte ich plötzlich +manchmal die Empfindung, als ob jemand +unter meinem Fenster auf einer Laute spielte.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Es wäre nicht undenkbar, daß jemand dort +seiner Liebe zur Musik frönt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es ist dort ein dichtes Gebüsch unter meinem +Fenster — ich versuche jedesmal, wenn ich +die Musik höre, herauszubekommen, wer es ist, +aber ich kann nichts deutlich unterscheiden.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und +spielt auf dem Instrument.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast +kommt mir ins Gedächtnis zurück. Ich kam +gewöhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet<a class="pagenum" name="Page_115" title="115"> </a> hatte, und stand an meinem Fenster, +und aus dem blinden Dunkel des lichtlosen +Ortes unsrer Begegnungen strömten dann +Akkorde und Gesänge und Melodien heraus +und tanzten und zitterten in endloser Folge +und überfließender Verschwendung, wie die +leidenschaftliche Überschwänglichkeit eines +unversieglichen Springquells.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles +Dunkel, dessen Dienerin ich war!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Weil ich wußte, er würde uns folgen und uns +zurückholen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber nein, er wird nicht kommen — er hat +uns für immer verlassen. Warum sollte er +nicht?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann +bedürfen wir seiner nicht. Dann ist er für uns<a class="pagenum" name="Page_116" title="116"> </a> +nicht da: dann ist jene dunkle Kammer völlig +leer und öde — keine Laute hauchte dort je +ihre Musik — niemand rief dich oder mich in +jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen +und ein eitler Traum.</p> + +<p class="regie">Der Türhüter tritt auf.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wer bist du?</p> + +<p class="character">Türhüter</p> + +<p>Ich bin der Pförtner dieses Palastes.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sag mir rasch, was du zu sagen hast.</p> + +<p class="character">Türhüter</p> + +<p>Unser König ist gefangen genommen worden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Gefangen? O Mutter Erde!</p> + +<p class="regie">Sie wird ohnmächtig.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XIII" id="XIII">XIII.</a></h2> + +<p class="regie">König von Kantschi und Suvarna.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Ihr sagt also, daß keine Notwendigkeit irgendeines +Kampfes unter euch selbst mehr besteht?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_117" title="117"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich +habe alle Fürsten dazu gebracht, sich einverstanden +zu erklären, daß der, den die Königin +als Gemahl erwählt, sie bekommen soll, und +die andern werden auf jeden weiteren Kampf +verzichten.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr, +Euer Hoheit — so flehe ich Euch an: entlaßt +mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin, +hat die Furcht vor drohender Gefahr mich entnervt +und meinen Verstand betäubt. Es wird +Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu +verwenden.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du wirst dasitzen und mir als Schirmträger +dienen.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Euer Diener ist zu allem bereit; aber was für +einen Nutzen wird Euch das bringen?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Mann, ich sehe, daß dein Verstand zu schwach +ist, um mit einem hohen Ehrgeiz zusammenzugehen.<a class="pagenum" name="Page_118" title="118"> </a> Du hast noch nicht bemerkt, mit +welcher Gunst die Königin auf dich gesehen +hat. Schließlich kann sie in einer Gesellschaft +von Fürsten einem Schirmträger nicht gut den +Brautkranz um den Nacken legen, und doch, +ich weiß, sie wird nicht imstande sein, ihren +Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden +Fall dieser Kranz unter den Schatten meines +königlichen Schirmes fallen.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefährliche +Phantasien. Ich bitte Euch inständig, +verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser +Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz +demütig, setzt mich in Freiheit.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir +nicht einen Augenblick mehr deine Freiheit +vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so +ist es unnütz, sich mit den Mitteln zu beschweren.</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_119" title="119"> </a></p> + +<h2><a name="XIV" id="XIV">XIV.</a></h2> + +<p class="regie">Sudarschana und Surangama am Fenster.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Muß ich also in die Versammlung der Fürsten +gehn? Gibt es kein anderes Mittel, meines +Vaters Leben zu retten?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Der König von Kantschi hat es gesagt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sind das Worte, die eines Königs würdig sind? +Sagte er das mit seinem eigenen Munde?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Weh, weh über mich!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor +und sagte: „Sag deiner Königin, daß diese Andenken +an das Frühlingsfest, je trockener und<a class="pagenum" name="Page_120" title="120"> </a> +verwelkter sie werden, um so frischer und +blühender in meinem Herzen wachsen.”</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich +nicht länger.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Sieh! Da sitzen die Fürsten alle in der großen +Versammlung. Der keinen Schmuck an sich +hat, außer dem einzigen Blumenkranz um +seine Krone — das ist der König von Kantschi. +Und der den Schirm über sein Haupt hält und +hinter ihm steht — das ist Suvarna.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja, ich kenne ihn gut.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist es möglich, daß das der Mann ist, den ich +damals sah? Nein, nein — ich sah etwas, das +war gemischt aus Licht und Dunkel, aus +Windhauch und Duft — nein, nein, er kann +es nicht sein; das ist er nicht.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_121" title="121"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Aber alle geben zu, daß er ausnehmend schön +ist.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie konnte <em>diese</em> Schönheit mich bezaubern? +Oh, was soll ich tun, um meine Augen von der +Befleckung zu reinigen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du wirst sie in jenem unergründlichen Dunkel +baden müssen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber sage mir, Surangama, warum begeht man +solche Fehler?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen +Vernichtung.</p> + +<p class="character">Bote <span class="regie">(eintretend)</span></p> + +<p>Prinzessin, die Könige warten in der Halle auf +Euch.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Surangama, bring mir den Schleier. <span class="regie">(Surangama +geht hinaus.)</span> O König, mein einziger +König! Du hast mich allein gelassen, und du<a class="pagenum" name="Page_122" title="122"> </a> +hast ganz recht daran getan. Aber willst du +nicht die innerste Wahrheit meiner Seele erfahren?</p> + +<p class="regie">Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor.</p> + +<p>Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen +— ich werde ihn heute im Staub +der Halle, vor all diesen Fürsten, zum Opfer +bringen! Aber werde ich dir nie sagen können, +daß die geheime Kammer meines Herzens +durch keine Treulosigkeit befleckt ist? Die +dunkle Kammer, wo du mich zu besuchen +pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem +Busen — doch, o mein Herr! keiner hat ihre +Tore geöffnet, keiner ist in sie eingegangen +als du, o König! Wirst du nie mehr kommen, +um diese Tore zu öffnen? Dann laß den Tod +kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine +Züge sind schön wie deine. Er ist du — du +bist es selbst, o König!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XV" id="XV">XV.</a></h2> + +<p class="regie">Die Versammlung der Fürsten.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>König von Kantschi, wie kommt es, daß du +nicht ein einziges Schmuckstück an dir hast?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_123" title="123"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein +Freund. Schmuckstücke würden die Schmach +meiner Niederlage nur verdoppeln.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Aber dein Schirmträger scheint sich dafür ausstaffiert +zu haben — er ist über und über mit +Gold und Edelsteinen beladen.</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Der König von Kantschi will die Nutzlosigkeit +und Minderwertigkeit äußerer Schönheit und +Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine Mannestugenden +hat ihn vermocht, alle äußeren Verschönerungen +von seinen Gliedern zu entfernen.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Ich verstehe seine List schon; er sucht seine +eigene Würde zu zeigen, indem er unter den +mit Edelsteinen übersäten Fürsten eine strenge +Einfachheit betont.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht +rühmen. Alle Welt weiß, daß die Augen eines<a class="pagenum" name="Page_124" title="124"> </a> +Weibes wie eine Motte sind, sie stürzen Hals +über Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von +Gold und Steinen.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Aber wie lange sollen wir noch warten?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Werde nicht ungeduldig, König von Kalinga — +je später die Ernte, desto süßer die Frucht.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Wäre ich der Frucht sicher, so könnte ich es +aushalten. Weil jedoch meine Hoffnung, die +Frucht zu schmecken, äußerst zweifelhaft ist, +will sich meine Begier, ihren Anblick zu genießen, +nicht zügeln lassen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber du bist noch jung — aufgegebene Hoffnung +kommt in deinen Jahren wieder und wieder +zu dir zurück wie ein schamloses Weib: +wir indessen haben diese Stufe lange hinter +uns.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Kantschi, spürtest du nicht jetzt eben etwas,<a class="pagenum" name="Page_125" title="125"> </a> +als ob jemand an deinem Sessel rüttelte? Ist +es ein Erdbeben?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Erdbeben? Ich weiß nichts davon.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Oder vielleicht zieht noch ein Fürst mit seinen +Bewaffneten daher.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur +hätten wir dann vorher die Nachricht erst von +einem Herold oder Boten vernehmen müssen.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Ich kann dies nicht für ein Zeichen guter Vorbedeutung +nehmen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte +Vorbedeutung aus.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Ich fürchte keinen außer dem Schicksal, vor +dem Tapferkeit oder Heldenmut so unnütz wie +sinnlos ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_126" title="126"> </a></p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen +nicht einen Schatten auf die +glücklichen Geschehnisse dieses Tages!</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung, +bis es sichtbar geworden ist.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Aber dann könnte es zu spät sein, etwas zu +tun.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Sind wir nicht alle in einem besonders verheißungsvollen +Augenblick ans Werk gegangen!?</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Glaubst du dadurch, daß du in verheißungsvollen +Augenblicken ans Werk gehst, gegen +jede mögliche Gefahr versichert zu sein? Es +sieht aus, als ob —</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du würdest besser das „Als ob” zu Hause +lassen: es ist zwar unsre eigene Schöpfung, erweist<a class="pagenum" name="Page_127" title="127"> </a> sich aber oft als unser Verderben und +Untergang.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Ist da nicht Musik irgendwo draußen?</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Ja, es klingt wirklich wie Musik.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Dann muß es endlich die Königin Sudarschana +sein, die naht. <span class="regie">(Beiseite zu Suvarna.)</span> Suvarna, +du mußt dich nicht so hinter mir ducken und +dich verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner +Hand zittert ja!</p> + +<p class="regie">Großvater tritt ein, in kriegerischer Rüstung.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Wer ist das? — Wer bist du?</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese +Halle zu treten?</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Unerhörte Frechheit! Kalinga, hindre doch +den Kerl, näher heranzukommen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_128" title="128"> </a></p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Ihr seid alle älter als ich — ihr seid berufener +das zu tun, als ich.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Wir wollen hören, was er zu sagen hat.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Der <em>König</em> ist gekommen.</p> + +<p class="character">Vidarbha <span class="regie">(aufspringend)</span></p> + +<p>Der König?</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Welcher König?</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Woher kommt er?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Mein König!</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Dein König?</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Wer ist das?</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Was meinst du?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ihr wißt alle, wen ich meine. Er ist gekommen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_129" title="129"> </a></p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Er ist gekommen?</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>In welcher Absicht?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Er ladet euch alle vor sich.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher +Form hat es ihm beliebt, uns vorzuladen?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ihr könnt seinen Ruf auf jede Art nehmen, +ganz nach Belieben — niemand wird euch hindern +— er ist auf jede Art der Begrüßung gerüstet, +um jedem Geschmack zu genügen.</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Aber wer bist du?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich bin einer seiner Generale.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>General! Eine Lüge ist es! Denkst du, uns zu +schrecken? Bildest du dir ein, ich könnte nicht +durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir<a class="pagenum" name="Page_130" title="130"> </a> +kennen dich alle gut — und du spielst dich +vor uns als „General” auf!</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist +so unwürdig wie ich, Träger der Befehle +meines Königs zu sein? Und doch ist er es, +der mich mit dieser Generalsrüstung bekleidet +und hierher gesandt hat; er hat mich vor +größeren Generalen und mächtigeren Kriegern +erwählt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit +kommen und bezeigen, was Schicklichkeit +und Freundwilligkeit erfordern — aber gegenwärtig +sind wir mitten in einem dringenden +Geschäft. Er wird warten müssen, bis diese +kleine Angelegenheit erledigt ist.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wenn er seinen Ruf ergehen läßt, wartet er +nicht.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_131" title="131"> </a></p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten, +bis diese Angelegenheit erledigt ist, nicht +zustimmen. Ich gehe.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Ihr seid älter als ich — ich folge euch.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Sieh hinter dich, Fürst von Kantschi, dein +königlicher Schirm liegt im Staub: du hast +nicht beachtet, wie dein Schirmträger sich +fortgestohlen hat.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wohlan, General. Auch ich gehe — aber nicht, +um ihm Huldigung zu leisten. Ich gehe, auf +dem Schlachtfeld mit ihm zu kämpfen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du wirst meinen König auf dem Schlachtfeld +treffen: das ist kein unwürdiger Platz für +deinen Empfang.</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle +vor einem Schreckgespenst — es sieht so aus,<a class="pagenum" name="Page_132" title="132"> </a> +als ob der König von Kantschi den Vorteil davon +haben sollte.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist +es feige und töricht, fortzugehen, ohne sie zu +pflücken.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Es ist besser, sich dem König von Kantschi +anzuschließen. Er muß einen bestimmten Plan +und Zweck haben, wenn er soviel wagt.</p> + + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XVI" id="XVI">XVI.</a></h2> + +<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Der Kampf ist nun aus. Wann wird der König +kommen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich weiß es selbst nicht: ich sehe auch seinem +Kommen entgegen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama, +daß mir die Brust tatsächlich weh tut. +Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll +ich ihm mein Gesicht zeigen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_133" title="133"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Geh zu ihm in äußerster Demut und Entsagung, +und alle Scham wird im Nu verschwinden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich muß nun schon bekennen, daß ich die +äußerste Demütigung für mein ganzes übriges +Leben gefunden habe. Aber der Stolz war +schuld, daß ich so lange den größten Anteil +an seiner Liebe begehrte. Alle Welt +sagte immer, ich besäße eine so wunderbare +Schönheit, solche Reize und Tugenden; alle +Welt sagte immer, der König zeigte unbegrenzte +Güte gegen mich — das macht es +für mich so schwer, mein Herz in Demut vor +ihm zu beugen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Diese Schwierigkeit, meine Königin, wird vergehen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O ja, sie wird vergehen — der Tag ist für mich +gekommen, mich vor der ganzen Welt zu demütigen. +Aber warum kommt der König nicht, +mich zurückzuholen? Worauf wartet er noch?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_134" title="134"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Habe ich dir nicht gesagt, daß mein König +grausam und hart ist — sehr hart fürwahr?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht +von ihm.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich weiß nicht, wohin ich gehen sollte, um +etwas von ihm zu erfahren. Ich habe Großvater +gebeten, zu kommen; vielleicht hören +wir, wenn er kommt, etwas von ihm.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ach, mein böses Geschick! Es ist so weit mit +mir gekommen, daß ich andre fragen muß, +um etwas von meinem eignen König zu hören!</p> + +<p class="regie">Großvater tritt ein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe gehört, daß du der Freund meines +Königs bist, so laß mich dir Ehrfurcht bezeugen +und gib mir deinen Segen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was tust du, Königin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen<a class="pagenum" name="Page_135" title="135"> </a> an. Ich will nichts weiter +als jedermanns Kamerad sein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>So schenk mir denn ein freundlich Lächeln — +gib mir gute Kunde. Sag mir, wann der König +kommt, mich zurückzuholen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du fragst mich eine schwere Frage, fürwahr! +Ich verstehe noch kaum die Wege meines +Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber +niemand kann sagen, wohin er gegangen ist.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist er denn fortgegangen?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich kann hier keine Spur von ihm finden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist er gegangen? Und nennst du solch einen +deinen Freund?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Deshalb schmähen und verdächtigen ihn die +Leute. Aber mein König kümmert sich einfach +nicht im geringsten darum.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_136" title="136"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie +grausam, wie grausam! Er ist aus Stein, er ist +hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem +Herzen zu bewegen — es ist zerrissen und +blutet — aber ihn konnte ich nicht einen Zoll +bewegen! Großvater, sag mir, wie kannst du +mit solch einem Freund auskommen?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich kenne ihn nun — ich habe ihn in meinen +Leiden und Freuden kennengelernt — er kann +mich nicht mehr zum Weinen bringen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wird er sich mir nicht auch zu erkennen +geben?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Gewiß wird er das, natürlich. Er wird nicht +eher ruhen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er +sein kann! Ich werde hier am Fenster stehen, +ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht<a class="pagenum" name="Page_137" title="137"> </a> +einen Zoll von der Stelle rühren; ich will +sehen, ob er nicht kommt!</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du bist noch jung — du kannst es dir leisten, +auf ihn zu warten; aber für mich alten Mann +ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche. +Ich muß hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn +finde oder nicht.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich brauche ihn nicht — ich will ihn nicht +suchen! Surangama, ich bedarf deines Königs +nicht! Warum kämpfte er mit den Fürsten? +Geschah es überhaupt für mich? Wollte er +sein Heldentum und seine Stärke zur Schau +stellen? Geh fort von hier — ich kann deinen +Anblick nicht ertragen. Er hat mich in den +Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XVII" id="XVII">XVII.</a></h2> + +<p class="regie">Eine Schar von Bürgern.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Als so viele Könige zusammentrafen, dachten +wir, es würde eine rechte Kurzweil für uns<a class="pagenum" name="Page_138" title="138"> </a> +geben; aber irgendwie nahm alles eine solche +Wendung, daß niemand weiß, was überhaupt +geschehen ist!</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Saht ihr nicht, daß sie untereinander zu keiner +Verständigung kommen konnten? — jeder +mißtraute dem andern.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Keiner hielt sich an ihre ursprünglichen Pläne; +einer wollte vorrücken, ein anderer hielt den +Rückzug für die bessere Politik; einige +wandten sich nach rechts, andere liefen Sturm +nach links: wie kann man das eine Schlacht +heißen?</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Sie hatten keinen Sinn für wirklichen Kampf +— jeder hatte seine Augen auf den andern.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Jeder dachte: „Warum sollte ich sterben, um +es den andern zu ermöglichen, die Ernte einzuheimsen?”</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Aber ihr müßt alle zugeben: Kantschi kämpfte +wie ein wirklicher Held.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_139" title="139"> </a></p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Er schien noch lange, nachdem er geschlagen +war, nicht gewillt, seine Niederlage anzuerkennen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Zuletzt wurde ihm von einem tödlichen Wurfgeschoß +die Brust durchbohrt.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Aber vorher schien er nicht gewahren zu +wollen, daß er bei jedem Schritt Boden verloren +hatte.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Die andern Könige aber — nun, keiner weiß, +wohin sie geflohen sind; den armen Kantschi +ließen sie allein auf dem Feld.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Aber ich habe gehört, er sei noch nicht tot.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Nein, die Ärzte haben ihn gerettet — aber er +wird den Stempel seiner Niederlage bis zum +Tag seines Todes auf der Brust tragen.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Keiner von den andern Königen, die flohen,<a class="pagenum" name="Page_140" title="140"> </a> +ist entkommen; sie sind alle gefangengenommen +worden. Aber was ist das für eine Sorte +Justiz, die an ihnen geübt wurde?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ich habe gehört, daß jeder bestraft wurde, +mit Ausnahme von Kantschi, dem der Richter +auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz +zu seiner Rechten anwies und ihm eine Krone +aufs Haupt setzte.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>So etwas Unfaßbares ist noch nicht dagewesen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt +uns launisch und grillenhaft vor.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>So ist es. Der größte Sünder ist ganz gewiß +der König von Kantschi; die andern trieb einmal +Gewinngier vorwärts, und das andre Mal +zog sie die Furcht zurück.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Was für eine Sorte Justiz ist das, frage ich? +Es ist, wie wenn der Tiger ungestraft davonkäme,<a class="pagenum" name="Page_141" title="141"> </a> während sein Schwanz abgeschnitten +würde.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Wenn ich der Richter wäre, glaubt ihr, Kantschi +liefe zur Stunde heil und gesund herum? +Nicht das geringste wäre mehr von ihm übrig.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Das sind große Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne +haben ein andres Gepräge wie unsre.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Haben sie überhaupt ein Hirn, möcht' ich +wissen? Sie frönen einfach ihren Launen, da +keiner über ihnen ist, der ihnen etwas sagen +dürfte.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ihr könnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt +in unsern Händen wäre, hätten +wir sicher die Regierung besser geführt als so.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Kann darüber überhaupt noch Zweifel bestehen? +Das versteht sich natürlich von selbst.</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_142" title="142"> </a></p> + +<h2><a name="XVIII" id="XVIII">XVIII.</a></h2> + +<p class="regie">Die Straße. Großvater und Kantschi.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wie, Fürst von Kantschi, du hier?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Dein König hat mich auf die Straße geschickt.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Auch das gehört zu seinen Vergnügungen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber wie lange will er mir noch so ausweichen? +Als nichts mich dazu bringen konnte, +ihn als meinen König anzuerkennen, kam er +plötzlich daher wie ein schrecklich gewaltiger +Sturm — Gott weiß, woher — und zersprengte +meine Leute und Pferde und Banner in einen +einzigen wilden Aufruhr: nun aber, wo ich die<a class="pagenum" name="Page_143" title="143"> </a> +Grenzen der Erde absuche, um ihm meine demütige +Huldigung zu erweisen, ist er nirgends +zu sehen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber wie groß er als König auch sein mag, er +hat sich dem zu fügen, der sich unterwirft. +Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert, +Fürst?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich kann ein geheimes Gefühl der Angst noch +nicht loswerden, die Leute könnten mich auslachen, +wenn sie sehen, wie ich euerm König +demütig meine Huldigung darbringe und +meine Niederlagen anerkenne.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>So sind die Leute in der Tat. Was andre zu +Tränen rühren würde, dient nur dazu, ihr +leeres Lachen hervorzurufen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber du bist auch auf der Straße, Großvater.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich bin auf der fröhlichen Pilgerfahrt zu dem +Land, wo man alles verliert.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_144" title="144"> </a></p> + +<p class="character">Gesang des Großvaters</p> + +<div class="verse">Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren.</div> +<div class="verse">Ich laure am Straßenrand auf den, der einen hinaus auf die Straße schickt,</div> +<div class="verse">Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt,</div> +<div class="verse">Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben,</div> +<div class="verse">Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren.</div> + +<hr class="chap"/> +<h2><a name="XIX" id="XIX">XIX.</a></h2> + +<p class="regie">Eine Straße. Sudarschana und Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Welche Erlösung, Surangama, welche Freiheit! +Meine Niederlage ist es, die mir die Freiheit +gebracht hat. Oh, was besaß ich für einen +ehernen Stolz! Nichts konnte ihn rühren oder +erweichen. Mein verfinsterter Geist konnte auf +keine Weise dazu gebracht werden, die +schlichte Wahrheit zu sehen, daß nicht der +König zu kommen hatte, sondern daß ich zu +ihm gehen sollte. Die ganze Nacht hindurch<a class="pagenum" name="Page_145" title="145"> </a> +gestern lag ich allein im Staub auf dem Boden +am Fenster — lag da trostlose Stunden lang +und weinte! Die ganze Nacht bliesen die Südwinde +und schrien und stöhnten wie die Qual, +die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch +hörte ich das klagende: „Sprich, Weib!” +des Nachtvogels, das in dem Aufruhr draußen +als Echo tönte!... Es war das hilflose Wehklagen +der dunklen Nacht, Surangama!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Die schwere melancholische Weise der letzten +Nacht schien eine Ewigkeit forttönen zu wollen +— oh, welch trübe düstere Nacht!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber willst du es glauben — mir war, ich hörte +die sanften Akkorde der Laute durch all den +wilden Lärm und Aufruhr strömen! Konnte +er so süße und zarte Weisen spielen, er, der +so grausam und schrecklich ist? Die Welt +kennt nur meine Entwürdigung und Schmach +— aber keiner als mein eigenes Herz konnte +diese Akkorde hören, die durch die einsame +und klagende Nacht hin nach mir riefen. Hörtest<a class="pagenum" name="Page_146" title="146"> </a> du, Surangama, diese Laute auch? Oder +war das nur ein Traum von mir?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Aber eben um die Musik dieser Laute zu hören, +bin ich ja immer an deiner Seite. Auf diesen +Ruf der Musik, von dem ich wußte, er würde +eines Tages kommen und all die Schranken +der Liebe zunichte machen, habe ich mit +gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Schließlich schickte er mich auf die Landstraße +— ich konnte seinem Willen nicht +widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die +ersten Worte sein, die ich ihm sage: „Ich bin +freiwillig gekommen — ich habe nicht abgewartet, +bis du kamst.” Ich werde sagen: „Um +deinetwillen bin ich die harten beschwerlichen +Straßen gewandert, und bitter und unaufhörlich +war auf dem ganzen Weg mein Weinen.” +Ich werde wenigstens diesen Stolz in mir +haben, wenn ich zu ihm komme.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er<a class="pagenum" name="Page_147" title="147"> </a> +kam vor dir — wer sonst hätte dich auf die +Straße schicken können?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefühl gekränkten +Stolzes in mir war, mußte ich glauben, +er hätte mich für immer verlassen; aber +als ich meine Würde und meinen Stolz in die +Winde schleuderte und auf die gemeinen +Straßen hinausging, da schien es mir, als wäre +auch er herausgekommen: ich habe angefangen, +ihn zu finden, seit ich auf der Straße +bin. Ich fürchte nun nichts mehr. All diese +Leiden, durch die ich um seinetwillen hindurchgegangen +bin, gerade die Bitterkeit all +dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist +gekommen, er hat mich bei der Hand genommen, +gerade wie er es in jener Kammer +der Dunkelheit gern tat, wo bei seiner Berührung +all mein ganzer Leib in plötzlicher +Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berührung +wieder! Wer sagt, er sei nicht hier? +— Surangama, kannst du nicht sehen, daß er +gekommen ist, schweigend und insgeheim?... +Wer ist jener dort? Sieh, Surangama, dort ist<a class="pagenum" name="Page_148" title="148"> </a> +ein dritter Wanderer auf dieser dunklen +Straße zu dieser nächtlichen Stunde.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich sehe, es ist der König von Kantschi, meine +Königin.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Der König von Kantschi!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Fürchte dich nicht, meine Königin!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Fürchten! Warum sollte ich mich fürchten? +Die Tage der Furcht sind für mich für immer +vorbei.</p> + +<p class="character">Kantschi <span class="regie">(tritt auf)</span></p> + +<p>Mütterchen Königin, ich sehe euch beide auf +dieser Straße! Ich bin ein Wanderer auf demselben +Weg wie du. Habe keine Furcht vor +mir, o Königin!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es ist gut, König von Kantschi, daß wir zusammen +gehen, Seite an Seite — das ist nur in +Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst +mein Heim verließ, und nun begegne ich<a class="pagenum" name="Page_149" title="149"> </a> +dir wieder auf dem Rückweg. Wer hätte sich +träumen lassen, daß diese unsre Begegnung +voll so guter Verheißung war?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber, Mütterchen Königin, es gebührt sich +nicht, daß du zu Fuß über diese Straße wanderst. +Willst du mir gestatten, einen Wagen +für dich zu besorgen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, sage das nicht: ich wäre nie wieder glücklich, +wenn ich nicht auf meinem Rückweg +nach Hause auf den Staub der Straße treten +könnte, die mich von meinem König weggeführt +hat. Ich würde mich selbst betrügen, +wenn ich jetzt in einem Wagen fahren würde.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>König, auch du wanderst heute im Staub: diese +Straße hat niemals einen gekannt, der Pferd +oder Wagen über sie gelenkt hätte.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Als ich die Königin war, schritt ich auf Silber +und Gold — ich habe nun für das Unglück +meiner königlichen Geburt zu büßen, indem<a class="pagenum" name="Page_150" title="150"> </a> +ich auf Staub und nackter Erde wandre. Ich +hätte mir nicht träumen lassen, daß ich heute +bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub +der Erde meinen König finden würde.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Sieh, meine Königin, dort im Osten dämmert +der Morgen. Wir haben nicht mehr lange zu +wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen +Türme des Königspalastes.</p> + +<p class="regie">Der Großvater tritt auf.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Mein Kind, es tagt — endlich!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben, +und hier bin ich nun.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber siehst du, was für schlechte Manieren +unser König hat? Er hat keinen Wagen geschickt, +keine Musik, nichts von Glanz und +Pracht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der +Himmel ist rosig und purpurn über und über,<a class="pagenum" name="Page_151" title="151"> </a> +und die Luft ist voll von dem Willkommgruß +der Blumendüfte.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ja, aber so grausam unser König sein mag, +dürfen wir doch nicht suchen, mit ihm zu +wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht +erwehren, wenn ich dich in diesem Zustand +sehe, mein Kind. Wie können wir ertragen, +dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet +in den Königspalast eingehn zu sehen? +Warte etwas — ich laufe und hole dir deine +Königsgewänder.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O nein, nein, nein! Er hat diese Königskleider +für immer von mir genommen — er hat mich +vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid +einer Magd gekleidet: welche Erlösung ist das +für mich gewesen! Ich bin nun seine Magd, +nicht länger seine Königin. Heute stehe ich +tiefer als alle die, die irgendeine Verwandtschaft +mit ihm beanspruchen können.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber deine Feinde werden nun über dich +lachen: wie kannst du ihren Spott ertragen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_152" title="152"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Laß ihr Gelächter und ihren Spott unauslöschlich +sein — laß sie auf den Straßen Staub +nach mir werfen: dieser Staub wird heute der +Puder sein, mit dem ich mich schmücken will, +ehe ich meinem Herrn entgegentrete.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun +wollen wir das letzte Spiel unsres Frühlingsfestes +spielen — anstatt mit Blütenstaub soll +der Südwind alles mit dem Staub der Demut +überschütten! Wir werden zum Herrn gehen, +gekleidet in das gemeine Grau des Staubes. +Und wir werden auch ihn über und über mit +Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die +Leute schonen ihn? Selbst er kann ihren +schmutzigen und staubigen Händen nicht entgehen, +und er denkt nicht einmal daran, den +Schmutz von seinen Kleidern zu bürsten.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Großvater, vergiß mich nicht in deinem Spiel! +Ich will auch dies mein Königsgewand beschmutzen +lassen, bis es nicht mehr zu erkennen +ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_153" title="153"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder. +Nun du so tief heruntergekommen bist, +wirst du deine Farbe in kürzester Frist +wechseln. Sieh nur unsre Königin an — sie +geriet in Zorn gegen sich selbst und dachte, +sie könnte ihre unvergleichliche Schönheit zerstören, +indem sie all ihren Schmuck wegwarf: +aber diese Beleidigung ihrer Schönheit ließ sie +in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist +sie in dieser Schmucklosigkeit zur Vollendung +gelangt. Unser König selbst ist gestaltlos und +ohne Schönheit, darum liebt er sie in seinen +mannigfachen Erscheinungen als seinen höchsten +Schmuck. Und diese Schönheit hat heute +den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan! +Was gäbe ich nicht darum, wenn ich die wunderbare +Musik und den Gesang hören dürfte, +der heute meines Königs Palast erfüllt!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Seht, dort geht die Sonne auf!</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_154" title="154"> </a></p> + +<h2><a name="XX" id="XX">XX.</a></h2> + +<p class="regie">Die dunkle Kammer.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Herr, gib mir die Ehre nicht zurück, die du +mir einmal genommen hast! Ich bin die Magd +deiner Füße — ich suche kein andres Vorrecht, +als dir zu dienen.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stieß +mich zurück, weil ich dich im Lustgarten, in +meinen fürstlichen Gemächern gesucht hatte: +da sieht noch dein geringster Diener gefälliger +aus als du. Dieses Fieber des Verlangens hat +meine Augen für immer verlassen. Du bist +nicht schön, o Herr — du stehst über allem +Vergleich!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir +selbst.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_155" title="155"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich. +Deine Liebe lebt in mir — du wirst gespiegelt +in dieser Liebe, und du siehst dein +Antlitz abgebildet in mir: nichts davon mein, +es ist alles dein, o Herr!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich öffne heute die Tür dieser dunklen +Kammer — das Spiel hier ist zu Ende! Komm, +komm jetzt mit mir, komm hinaus — <em>ins +Licht</em>!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ehe ich gehe, laß mich dir zu Füßen mich +beugen, o Herr des Dunkels, du Grausamer, +Furchtbarer, Unvergleichlicher!</p> + +<p class="gesperrt center">ENDE</p> + +<p class="footnote space-above"> + +<a name="Footnote_A_1" id="Footnote_A_1"></a><a href="#FNanchor_A_1">[A]</a> Während des indischen Frühlingsfestes bewirft man +sich gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stück +wird der rote Puder als Symbol der Liebesleidenschaft +genommen.</p> + +<div class="transcribers-note space-above"> +<p class="center">Anmerkung zur Transkription:</p> +<p>Auf <a href="#Page_19">Seite 19</a> wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklärst <span class="u">du</span> du das +ohne einen König?').</p> +</div> + +<div>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44250 ***</div> +</body> +</html> diff --git a/44250-h/images/cover_ebook.jpg b/44250-h/images/cover_ebook.jpg Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..37f7d66 --- /dev/null +++ b/44250-h/images/cover_ebook.jpg diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Der Knig der dunklen Kammer + +Author: Rabindranath Tagore + +Translator: Hedwig Lachmann + Gustav Landauer + +Release Date: November 21, 2013 [EBook #44250] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KNIG DER DUNKLEN KAMMER *** + + + + +Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the +Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + + + + + + + + +RABINDRANATH TAGORE + + DER KNIG + DER DUNKLEN + KAMMER + + MNCHEN + KURT WOLFF VERLAG + + +Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der von Rabindranath Tagore +selbst veranstalteten englischen Ausgabe ins Deutsche bertragen von +Hedwig Lachmann und Gustav Landauer + + * * * * * + +Das Recht der Auffhrung ist zu erwerben durch die Vereinigten +Bhnenvertriebe: Drei Masken Georg Mller * Erich Rei * Kurt Wolff +Verlag, Berlin W 30 + +14.--18. Tausend +Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig +Gedruckt im Frhjahr 1921 bei Poeschel & Trepte in Leipzig * Einbnde +von der Leipziger Buchbinderei A.-G., vorm. Gust. Fritzsche in Leipzig + + + + +PERSONEN + + + Der Knig + + Knigin Sudarschana + + Knig von Kanya Kubja, ihr Vater + + Avanti } + } + Koschala } + } + Kantschi } + } + Vidarbha } Knige + } + Kalinga } + } + Pantschala } + } + Virat } + + Surangama } Ehrendamen der + } + Rohini } Knigin + + Virupakscha } + } Brger + Vischu } + + Janardan } + } + Kaundilya } Reisende + } + Bhavadatta } + + Kumbha } + } + Madhav } Landleute + } + Vivajadatta } + + Der Grovater + + Der tolle Freund + + Minister } + } + Bote } des Knigs Kanya Kubja + } + Trhter } + + Dienerin der Knigin Sudarschana + + Erster } + } Grtner + Zweiter } + + Stadtwchter + + Suvarna, der falsche Knig + + Erster } + } Herold des Knigs + Zweiter } + + Brger, Landleute, Grtner, Knaben + + Reisende, Wachen. + + + + +I. + + +Eine Strae. + +Etliche Reisende und ein Stadtwchter. + +_Erster Mann_ + +He, Mann! + +_Stadtwchter_ + +Was wollt ihr? + +_Zweiter Mann_ + +Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind hier fremd. Bitte, sage uns, +welches die rechte Strae ist. + +_Stadtwchter_ + +Wohin wollt ihr gehn? + +_Dritter Mann_ + +Wo dieses groe Fest stattfinden soll, weit du. Welchen Weg gehen wir? + +_Stadtwchter_ + +Eine Strae ist hier genau so gut wie die andre. Jede Strae wird euch +hinfhren. Geht geradeaus, und ihr knnt den Ort nicht verfehlen. + +Ab. + +_Erster Mann_ + +Hrt nur, was der Narr sagt: Jede Strae wird euch hinfhren! Was +htte das dann fr einen Sinn, so viele Straen zu haben? + +_Zweiter Mann_ + +Du brauchst darber nicht so auer dir zu sein, mein Lieber. Es steht +einem Land frei, seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten. Was +Straen betrifft in unserm Land -- nun, so sind so gut wie keine +vorhanden; enge, krumme Gchen, ein Labyrinth von Wagen- und Fuspuren. +Unser Knig glaubt nicht an freie Fahrstraen; er meint, so viele +Straen im Land, so viele Ausgnge fr seine Untertanen, seinem +Knigreich zu entfliehen. Hier ist es gerade das Umgekehrte; niemand +steht einem im Weg, niemand hat etwas dagegen, da man anderswohin geht, +wenn man Lust hat; und doch denken die Leute nicht daran, dieses Reich +zu verlassen. Bei solchen Straen wre unser Land sicher in krzester +Frist entvlkert. + +_Erster Mann_ + +Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt, da das ein groer Fehler +an deinem Charakter ist. + +_Janardan_ + +Was denn? + +_Erster Mann_ + +Da du immer auf dein Land sticheln mut. Wie kannst du glauben, freie +Landstraen knnten fr ein Land gut sein? Sieh einmal, Kaundilya, +da ist ein Mann, der tatschlich glaubt, freie Landstraen seien die +Rettung fr ein Land. + +_Kaundilya_ + +Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst von neuem festzustellen, +da Janardan mit einem merkwrdig schiefen Verstand gesegnet ist, der +ihn sicher eines Tages in Gefahr bringen wird. Wenn der Knig von unserm +werten Freund zu hren bekommt, wird er es ihm nicht gerade leicht +machen, einen zu finden, der fr sein Begrbnis sorgt, wenn er tot ist. + +_Bhavadatta_ + +Man hat doch das Gefhl, da das Leben in diesem Lande recht schwer sein +mu; man vermit die Freuden der Einsamkeit in diesen Straen -- dieses +Drngen und Schulterstreifen mit fremden Menschen bei Tag und Nacht lt +einen nach einem Bad verlangen. Und mit was fr einer Sorte Menschen mag +man auf diesen ffentlichen Wegen zusammenkommen -- puh! + +_Kaundilya_ + +Und gerade Janardan hat uns berredet, in dieses kostbare Land zu +kommen! Wir hatten nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer Familie. +Du hast meinen Vater natrlich gekannt; er war ein groer Mann, ein +frommer Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes Leben innerhalb +eines Kreises von 49 Ellen Radius, der mit peinlicher Befolgung der +Gebote der heiligen Schriften gezogen war, und nie berschritt er diesen +Kreis auch nur ein einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich eine +ernsthafte Schwierigkeit -- wie sollte man ihn innerhalb der Grenzen +der 49 Ellen und doch auerhalb des Hauses verbrennen? Schlielich +entschieden die Priester, da wir zwar nicht ber die Schriftzahl +hinausgehen durften, da es aber einen Weg aus der Schwierigkeit gab, +die Ziffer umzukehren und 94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn +auerhalb des Hauses verbrennen, ohne die heiligen Bcher zu verletzen. +Auf mein Wort, _das_ war genaue Befolgung! Unser Land hat wirklich nicht +leicht seinesgleichen. + +_Bhavadatta_ + +Und doch will Janardan, der dem nmlichen Boden entstammt, uns +weismachen, freie Landstraen seien das beste fr ein Land. + +Die Fremden gehen ab. + +Der Grovater mit einer Knabenschar tritt auf. + +_Grovater_ + +Jungen, heute mssen wir es mit dem wilden Sdwind aufnehmen -- und wir +wollen uns nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis wir mit unsern +Jubelliedern alle Straen berflutet haben. + +_Lied_ + + Das Sdtor ist entriegelt. Komm, mein Frhling, komm! + Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frhling, komm! + Komm in den lispelnden Blttern, in den Blten, die froh sich + verschwenden; + Komm in den Fltenliedern und den sehnenden Seufzern der Wlder! + La dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein + Frhling, komm! + +Ab. + +Eine Schar von Brgern tritt auf. + +_Erster Brger_ + +Schlielich kann man nur wnschen, da der Knig sich wenigstens an +diesem einen Tag htte sehen lassen. Es ist doch sehr schade: man lebt +in seinem Knigreich und hat ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen! + +_Zweiter Brger_ + +Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses Geheimnisses! Ich knnte ihn +dir sagen, wenn du schweigen knntest. + +_Erster Brger_ + +Lieber Freund, wir wohnen beide im nmlichen Stadtviertel, aber hast +du je gehrt, da ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert htte? +Natrlich, die Sache damals, als dein Bruder beim Graben eines Brunnens +einen Schatz gefunden hatte -- nun, du weit ganz gut, warum ich darber +reden mute. Du kennst den ganzen Zusammenhang. + +_Zweiter Brger_ + +Natrlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn kenne, frage ich, knntest du +schweigen? Weit du, es knnte Verderben fr uns alle bedeuten, wenn du +ein einziges Mal davon sprchest. + +_Dritter Brger_ + +Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha! Warum brennst du darauf, ein +Unheil herbeizufhren, das bis jetzt nur geschehen _kann_? Wer wird die +Verantwortung auf sich nehmen wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben +lang zu wahren? + +_Virupakscha_ + +Es war nur, weil die Rede darauf kam -- also gut, ich werde nichts +sagen. Ich bin nicht der Mann, der unntz redet. Ihr hattet selbst +die Frage aufs Tapet gebracht, da der Knig sich nie zeigt; und ich +bemerkte blo, es sei nicht umsonst, da der Knig sich vor dem Blick +der ffentlichkeit verschliet. + +_Erster Brger_ + +Bitte, sag uns, warum, Virupakscha. + +_Virupakscha_ + +Natrlich nehme ich keinen Anstand, es euch zu sagen -- wir sind ja +alle gute Freunde, nicht wahr? Das kann nicht gefhrlich sein. (_Mit +leiser Stimme:_) Der Knig -- ist -- hlich --, so hat er den Entschlu +gefat, sich seinen Untertanen nie zu zeigen. + +_Erster Brger_ + +Hah! Das ist es! Das mu es sein. Wir haben uns immer gewundert..., der +bloe Anblick eines Knigs lt die Menschen in allen Lndern vor Furcht +zittern wie Espenlaub; warum sollte da _unser_ Knig sich von keinem +sterblichen Auge je sehen lassen? Selbst wenn er nur herauskme, um uns +alle zum Galgen zu verdammen, knnten wir sicher sein, da unser Knig +kein Trug ist. Schlielich scheint mir Virupakschas Erklrung doch ganz +einleuchtend. + +_Dritter Brger_ + +Nicht die Spur -- ich glaube keine Silbe davon. + +_Virupakscha_ + +Wie, Vischu, willst du sagen, ich wre ein Lgner? + +_Vischu_ + +Das gerade nicht -- aber ich kann deine Theorie nicht annehmen. +Entschuldige mich, ich kann nichts dafr, wenn ich ein bichen grob und +plump scheine. + +_Virupakscha_ + +Kein Wunder, da du an meine Worte nicht glauben kannst -- wo du dich +weise genug dnkst, die Meinungen deiner Eltern und Oberen zu verwerfen. +Wie lange, glaubst du, httest du in diesem Lande bleiben drfen, wenn +der Knig nicht im Verborgenen bliebe? Du bist nicht besser als ein +offenkundiger Ketzer. + +_Vischu_ + +Mein lieber Pfeiler der Rechtglubigkeit! Glaubst du, irgendein anderer +Knig htte gezgert, dir die Zunge abschneiden und sie den Hunden zum +Fra vorwerfen zu lassen? Und du hast die Stirne, zu sagen, unser Knig +wre den Augen ein Greuel? + +_Virupakscha_ + +Hr einmal, Vischu, willst du deine Zunge im Zaum halten? + +_Vischu_ + +Man braucht wohl nicht erst festzustellen, wessen Zunge einen Zaum +braucht. + +_Erster Brger_ + +Jetzt wird die Sache gefhrlich. Da mache ich lieber nicht mit. + +Ab. + +Eine Zahl Mnner tritt auf, die in lrmendem bermut _Grovater_ mit +sich schleppen. + +_Zweiter Brger_ + +Gropapa, etwas fllt mir heute auf... + +_Grovater_ + +Was ist es? + +_Zweiter Brger_ + +Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu unserm Fest entsandt, doch +jedweder fragt: Alles ist reizend und schn -- wo aber ist euer Knig? +und wir wissen nicht, was wir antworten sollen. Das ist die eine groe +Lcke, die sich jedem in unserm Lande fhlbar machen mu. + +_Grovater_ + +Lcke, sagst du! Wie, das ganze Land ist ganz erfllt und geladen und +gestopft voll von dem Knig: und du nennst ihn eine Lcke! Wie, er hat +jeden einzigen unter uns zum gekrnten Knig gemacht! + +_Gesang_ + + Wir sind alle Knige im Knigreich unsres Knigs. + Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will; + Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Fen. + Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + Unser Knig ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst. + Keine Armseligkeit kann uns fr immer umschlieen mit ihren Wllen + der Lge. + Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + Wir bahnen uns mhsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am + Ende. + Wir knnen nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht. + Wr es nicht so, wie knnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen! + +_Dritter Brger_ + +Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen nicht mit anhren, die die +Leute ber unsern Knig sagen, blo weil er sich nicht ffentlich zeigt. + +_Erster Brger_ + +Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt, kann bestraft werden, +whrend niemand einem Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfllt, +auf den Knig zu schimpfen. + +_Grovater_ + +Der Schimpf kann den Knig nicht treffen. Mit einem bloen Hauch kannst +du die Flamme ausblasen, die eine Lampe von der Sonne borgt, aber +wenn auch die ganze Welt versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr +strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwcht wie zuvor. + +Vischu und Virupakscha treten auf. + +_Vischu_ + +Da ist der Grovater! Hr doch, dieser Mann geht herum und erzhlt +jedem, unser Knig kme nicht heraus, weil er hlich wre. + +_Grovater_ + +Aber warum macht dich das rgerlich, Vischu? _Sein_ Knig mu hlich +sein, denn wie knnte sonst Virupakscha in seinem Knigreich so ein +Gesicht haben? Er formt seinen Knig nach seinem Bilde, wie er es im +Spiegel sieht. + +_Virupakscha_ + +Grovater, ich will keine Namen nennen, aber keinem wrde es einfallen, +dem nicht zu glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute. + +_Grovater_ + +Bist du selbst denn nicht die beste Autoritt?! + +_Virupakscha_ + +Aber ich knnte dir Beweise geben... + +_Erster Brger_ + +Die Unverschmtheit dieses Burschen kennt keine Grenzen! Nicht +zufrieden, mit dreister Stirn ein abscheuliches Gercht zu verbreiten, +will er seine Lgen mit Frechheit aufwgen. + +_Zweiter Brger_ + +Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Lnge das Ma hier am Boden? + +_Grovater_ + +Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl feiert sein Fest auf seine Art, +indem er die Hlichkeit seines Knigs besingt. Geh nur, Virupakscha, +du wirst eine Menge Leute finden, die bereit sind, dir zu glauben! Viel +Glck in ihrer Gesellschaft. + +Sie gehen ab. + +Die _Gesellschaft der Fremden_ tritt wieder auf. + +_Bhavadatta_ + +Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, da dieses Volk berhaupt keinen Knig +hat. Sie haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gercht in Umlauf zu +halten. + +_Kaundilya_ + +Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle, da das Hchste, was einem +in jedem Lande ins Auge fllt, der Knig ist, der natrlich keine +Gelegenheit versumt, sich sehen zu lassen. + +_Janardan_ + +Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in dem ganzen Orte herrscht -- +wie erklrst du das ohne einen Knig? + +_Bhavadatta_ + +So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen bist, und hast so +lange unter einem Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen Knig, wenn +man schon Zucht und Ordnung htte? + +_Janardan_ + +All diese Menschen sind versammelt, um auf diesem Fest froh zu sein. +Meinst du, sie knnten dergestalt in einem Lande der Anarchie zusammen +kommen? + +_Bhavadatta_ + +Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewhnlich, worum es sich in +Wirklichkeit handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da gibt es keine +Frage und auch die Festesfreude ist klar genug: soweit besteht keine +Schwierigkeit. Aber wo ist der Knig? Hast du ihn gesehen? Das mut du +uns sagen. + +_Janardan_ + +Was ich zu sagen habe, ist dieses: man wei aus Erfahrung, da Chaos und +Anarchie sein kann, selbst wo ein Knig da ist: aber was sehen wir hier? + +_Kaundilya_ + +Immer kommst du mit deinen Ausflchten. Warum kannst du nicht auf +Bhavadattas Frage eine gerade Antwort geben -- Hast du den Knig +gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen! Ja oder nein? + +Sie gehen ab. + +Eine Schar von Mnnern tritt auf und singt. + +_Lied_ + + Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen, + Darum erblick ich ihn allberall, + Er wohnt in der Tiefe meiner Augen, + Darum erblick ich ihn allberall. + Ich wanderte weit, seine Worte zu hren, + Ach, aber vergebens! + Als ich heimkam, hrte ich sie + In meinen eigenen Liedern. + Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tr zu Tr! + Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Trnen meiner + Augen! + +_Herolde_ und _Leibwchter_ des _Knigs_ treten auf. + +_Erster Herold_ + +Platz da! Rumt die Strae, allesamt! + +_Erster Brger_ + +Oho, Mann, wofr hltst du dich? Angeboren scheint dir dieser stolze +Schritt nicht gerade zu sein, mein Freund. -- Warum Platz da, werter +Herr? Warum sollen wir von der Stelle weichen? Sind wir Straenhunde, +oder was sonst? + +_Zweiter Herold_ + +Der Knig kommt dieses Wegs. + +_Zweiter Brger_ + +Knig? Was fr ein Knig? + +_Erster Herold_ + +Unser Knig, der Knig dieses Landes. + +_Erster Brger_ + +Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehrt, da unser Knig herauskam +und sich solche Schreier zu Herolden whlte. + +_Zweiter Herold_ + +Der Knig will sich nicht lnger seinen Untertanen entziehen. Er kommt, +um das Fest selbst zu leiten. + +_Zweiter Brger_ + +Bruder, verhlt sich das so? + +_Zweiter Herold_ + +Sieh hin, dort flattert sein Banner. + +_Zweiter Brger_ + +Ah, wirklich, das ist eine Fahne. + +_Zweiter Herold_ + +Siehst du die rote _Kimschuk_-Blte darauf gemalt? + +_Zweiter Brger_ + +Ja, ja, es ist wirklich der _Kimschuk_! -- welch strahlende +Scharlachblte! + +_Erster Herold_ + +Nun also, glaubst du uns nun? + +_Zweiter Brger_ + +Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht. Der Bursche da, Kumbha, hat +den ganzen Lrm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt? + +_Erster Herold_ + +Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist er vielleicht ganz leer; du +weit, ein leerer Topf drhnt am lautesten. + +_Zweiter Herold_ + +Was ist das fr einer? Ist er irgendwie mit euch verwandt? + +_Zweiter Brger_ + +Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter vom Schwiegervater +unsres Dorfschulzen, und er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres +Dorfes wie wir. + +_Zweiter Herold_ + +Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten Grades von irgend +jemandes Schwiegervater, und sein Verstndnis scheint auch den Stempel +der Schwiegeronkelschaft zu tragen. + +_Kumbha_ + +Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer hat meinem armen Geist einen +Sto versetzt, bis er so geworden ist. Erst unlngst kam ein Knig +und prunkte in den Straen und sandte so viele Titel vor sich her wie +Trommeln, die durch ihren Lrm den Aufenthalt in der Stadt unertrglich +machten... Was tat ich nicht alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen +zu sein! Ich berschttete ihn mit Geschenken, ich hing mich an ihn wie +ein Bettler -- und schlielich fand ich den Druck auf meine Einnahmen +zu schwer zu tragen. Aber was war das Ende der ganzen Pracht und +Majestt? Als man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte, da konnte er im +Kalender keinen einzigen gnstigen Tag entdecken: obschon alle Tage rot +angestrichen waren, wenn _wir_ unsre Steuern zu zahlen hatten! + +_Zweiter Herold_ + +Willst du etwa zu verstehen geben, unser Knig wre ein falscher Knig +wie der, den du beschrieben hast? + +_Erster Herold_ + +Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der Zeit fr dich, dem +Schwiegertantchen Adieu zu sagen. + +_Kumbha_ + +Bitte, ihr Herren, seid nicht bse. Ich bin ein armes Geschpf -- ich +bitte ergebenst um Entschuldigung, ihr Herren: ich will alles dazu tun. +Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen, wie es euch beliebt. + +_Zweiter Herold_ + +Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier. Der Knig wird gleich +kommen -- wir wollen gehen und ihm den Weg bereiten. + +Sie gehen weiter. + +_Zweiter Brger_ + +Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch einmal dein Tod sein. + +_Kumbha_ + +Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es ist Schicksal. Als der +falsche Knig auftrat, sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das +nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen der Unschuld ber meine +eigenen Fe zu stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche Knig +gekommen ist, mu ich glattweg Hochverrat in den Tag reden. Es ist +Schicksal, lieber Freund! + +_Madhav_ + +Mein Grundsatz ist, dem Knig immer zu gehorchen -- es macht nichts aus, +ob er ein echter oder falscher ist. Was wissen wir von Knigen, da wir +ber sie urteilen sollten! Es ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine +wirft -- man ist fast sicher, sein Ziel zu treffen. Ich gehorche immerzu +und huldige -- ist es ein richtiger Knig, gut und schn; wenn nicht, +was schadet es? + +_Kumbha_ + +Mir wre es schon einerlei, wenn die Steine nichts weiter als Steine +wren. Aber es sind oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, fhrt uns +Verschwendung schlielich zu Armut, mein Freund. + +_Madhav_ + +Da sieh! Da kommt der Knig! Ah, ein Knig wahrhaftig! Was fr eine +Gestalt, was fr ein Gesicht! Wer hat je solch eine Schnheit gesehen +-- wei wie eine Lilie und sanft wie ein Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was +meinst du nun? + +_Kumbha_ + +Er sieht schon recht aus -- ja, soviel ich beurteilen kann, mag er schon +der rechte Knig sein. + +_Madhav_ + +Er sieht aus, als wre er frs Knigsein gegossen und geschnitzt, diese +Gestalt ist zu zart und erlesen fr das gemeine Licht des Tages. + +Der Knig tritt auf. + +_Madhav_ + +Heil und Sieg geleite dich, o Knig! Wir stehen hier seit dem frhen +Morgen, um dich zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestt zu Gnaden, verget +uns nicht! + +_Kumbha_ + +Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen und Grovater holen. + +Ab. + +Eine andere Schar Mnner tritt auf. + +_Erster Mann_ + +Der Knig, der Knig! Kommt her, schnell, der Knig geht dieses Wegs. + +_Zweiter Mann_ + +Vergi mich nicht, o Knig! Ich bin Vivajadatta, der Enkel Udayadattas +von Kushalivastu. Ich bin auf die erste Kunde, da du kmest, hierher +geeilt -- ich hielt nicht an, um zu hren, was die Leute sagten: all die +Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o Monarch, und brachte mich +her. + +_Dritter Mann_ + +Unsinn! Ich bin frher hier gewesen als du -- vor dem Hahnenschrei. Wo +stecktest du denn da? O Knig, ich bin Bhadrasena, von Vikramasthali. +Geruhe, deinen Diener in deinem Gedchtnis zu bewahren! + +_Knig_ + +Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und Ergebenheit. + +_Vivajadatta_ + +Majestt, gro ist die Zahl der Klagen und Beschwerden, die wir dir +vorzutragen haben: an wen htten wir uns so lange mit unsern Gesuchen +wenden sollen, solange wir deiner erhabenen Gegenwart nicht nahen +durften? + +_Knig_ + +All euren Beschwerden soll abgeholfen werden. + +Ab. + +_Erster Mann_ + +Es fhrt zu nichts, uns hinten herumzudrcken, Jungen -- der Knig wird +uns aus den Augen verlieren, wenn wir uns in den Pbel mischen. + +_Zweiter Mann_ + +Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut! Er hat sich durch uns alle +hindurchgedrngt und fchelt jetzt dem Knig eifrig mit einem Palmblatt +Khlung zu! + +_Madhav_ + +Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses Menschen nimmt einem den +Atem. + +_Zweiter Mann_ + +Wir sollten den Kerl anpacken und von der Stelle schaffen -- ist er +berufen, neben dem Knig zu stehen? + +_Madhav_ + +Bildest du dir ein, der Knig durchschaut ihn nicht? Seine +Untertnigkeit ist doch ein bichen zu dick aufgetragen. + +_Erster Mann_ + +Unsinn! Knige knnen Heuchler nicht wittern wie unsereins -- es sollte +mich nicht wundern, wenn der Knig sich von dem unermdlichen Fcheln +dieses Narren einfangen liee. + +Kumbha und Grovater treten auf. + +Ich sage dir -- er ist jetzt eben durch diese Strae gekommen. + +_Grovater_ + +Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines Knigtums? + +_Kumbha_ + +O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht einer oder zwei, sondern +Hunderte und Tausende auf beiden Seiten der Strae haben ihn mit eigenen +Augen gesehen. + +_Grovater_ + +Das eben macht die ganze Sache verdchtig. Wann wre _unser_ Knig +je drauf ausgegangen, die Augen des Volks durch Pomp und Geprnge zu +blenden? Er ist nicht der Knig, solch einen Spektakel zu erregen, wenn +er durch das Land reist. + +_Kumbha_ + +Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser wichtigen Gelegenheit zu +tun: das kann man nicht sicher wissen. + +_Grovater_ + +O ja, man kann! Mein Knig kennt keine Wetterfahnenlaune und neigt nicht +zu phantastischen Einfllen. + +_Kumbha_ + +Aber Grovater, ich wollte nur, ich knnte ihn dir beschreiben! So +sanft, so zart und fein wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte +es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen, ihn mit meinem ganzen Leibe zu +schtzen. + +_Grovater_ + +Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist! _Mein_ Knig eine +Wachspuppe, und _du_ ihn schtzen! + +_Kumbha_ + +Aber im Ernst, Gropapa, er ist ein herrlicher Gott, ein Wunder an +Schnheit: ich finde keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung, +die neben seiner unvergleichlichen Lieblichkeit bestehen knnte. + +_Grovater_ + +Wenn es meinem Knig beliebte, sich zu zeigen, wrden deine Augen ihn +nicht bemerken. Er wrde nicht dergestalt ber die andern hervorragen -- +er ist einer aus dem Volk, er mischt sich unter den gemeinen Pbel. + +_Kumbha_ + +Aber sagte ich dir nicht, da ich sein Banner gesehen habe? + +_Grovater_ + +Was fr ein Zeichen trug sein Banner? + +_Kumbha_ + +Es war eine rote _Kimschuk_-Blte darauf gemalt -- das hell leuchtende +Rot blendete meine Augen. + +_Grovater_ + +_Mein_ Knig fhrt einen Donnerkeil in einem Lotus in seinem Banner. + +_Kumbha_ + +Aber alle sagen sie, der Knig sei zu diesem Feste gekommen: _alle_. + +_Grovater_ + +Gewi ist er das: aber er hat keine Herolde, kein Heer, kein Gefolge, +keine Musikbanden und keine Laternen, die ihn begleiten. + +_Kumbha_ + +So knnte ihn, scheint's, niemand in seinem Inkognito erkennen. + +_Grovater_ + +Vielleicht gibt es ein paar, die es knnen. + +_Kumbha_ + +Und die ihn erkennen -- gewhrt ihnen der Knig alles, was sie begehren? + +_Grovater_ + +Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird je den Knig kennen. Der +grere Bettler sieht in den Augen des kleineren Bettlers wie ein Knig +aus. O Narr, der Mann, der heute auf die Strae gegangen ist, in Purpur +und Gold angetan, um dich anzubetteln -- ihn posaunst du als deinen +Knig aus! ... Ah, da kommt mein toller Freund! O kommt, meine Brder! +wir drfen den Tag nicht mit eitlem Streiten und Schwatzen verbringen -- +geben wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzcken hin! + +Der tolle Freund tritt auf, singend. + +Lchelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brder? Ich streife herum und suche +den goldenen Hirsch! Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfu, und immer +entwischt er mir! + +Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon ist er weg, der wilde +Waldvagabund! Nahe dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewlk von +Dunst und Staub bleibt dir zurck! Doch streif ich herum und suche den +goldenen Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen mag in dieser Wildnis! +Oh, ich streife und wandre durch Wlder und Felder und namenlose Gefilde +wie ein rastloser Landstreicher und denk nicht an Umkehr. + +Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und kehrt heim mit Waren und +Vorrat beladen: mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren +Hhen gestreift und gekt; ich wei nicht wann und wo. + +All meine Habe hab ich von mir geworfen, um zu erlangen, was nie mein +worden ist! Und ihr whnt, mein Klagen und meine Trnen gelten den +Dingen, die so ich verlor! + +Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich Kummer und Gram weit hinten +gelassen: Oh, ich streife und wandre durch Wlder und Felder und +namenlose Lnder -- und denk nicht daran, meine Fahrt zu enden. + + + + +II. + + +Ein dunkles Gemach. Knigin Sudarschana. Ihre Ehrendame, Surangama. + +_Sudarschana_ + +Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem Gemach nie die Lampe +entzndet werden? + +_Surangama_ + +Meine Knigin, all deine andern Gemcher sind erleuchtet -- will es +dich nie verlangen, aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie diesen zu +entrinnen? + +_Sudarschana_ + +Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten werden? + +_Surangama_ + +Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit kennen wrdest. + +_Sudarschana_ + +Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen Kammer bist du dazu gekommen, +dunkel und seltsam zu reden -- ich kann dich nicht verstehen, +Surangama. Sag mir aber, in welchem Teil des Palastes liegt dies +Gemach? Ich kann weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen noch den +Weg hinaus. + +_Surangama_ + +Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen der Erde. Der Knig hat +dies Gemach eigens um deinetwillen gebaut. + +_Sudarschana_ + +Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemchern -- warum brauchte er diese +dunkle Kammer eigens fr mich machen lassen? + +_Surangama_ + +Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen: doch deinen Herrn nur +in diesem dunklen Gemach. + +_Sudarschana_ + +Nein, nein -- ich kann nicht leben ohne Licht -- ich habe keine Ruhe in +dieser erstickenden Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in diese +Kammer bringen kannst, schenke ich dir mein Halsband hier. + +_Surangama_ + +Es steht nicht in meiner Macht, o Knigin. Wie kann ich Licht an einen +Ort bringen, den er immer im Dunkel gehalten haben will! + +_Sudarschana_ + +Seltsame Treue! Und doch -- ist es nicht wahr, da der Knig deinen +Vater bestraft hat? + +_Surangama_ + +Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem Spiel ergeben. Alle jungen +Leute des Landes pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu kommen -- +und da tranken sie immer und spielten. + +_Sudarschana_ + +Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer Bedrckung, als der Knig +deinen Vater in die Verbannung schickte? + +_Surangama_ + +Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf dem Weg zu Untergang und +Vernichtung: als diese Bahn mir verschlossen war, schien ich mir ohne +irgendeine Hilfe zurckgeblieben, ohne Beistand noch Schutz. Ich raste +und tobte wie ein wildes Tier im Kfig -- wie verlangte es mich alles in +Stcke zu zerreien in meiner ohnmchtigen Wut! + +_Sudarschana_ + +Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an eben den nmlichen Knig? + +_Surangama_ + +Wie kann ich es sagen? Vielleicht fate ich Vertrauen zu ihm, gerade +_weil_ er so hart, so unbarmherzig war! + +_Sudarschana_ + +Wann trat dieser Stimmungswechsel ein? + +_Surangama_ + +Das knnte ich nicht sagen -- ich wei das selbst nicht. Es kam ein Tag, +wo all der Aufruhr in mir sich geschlagen gab, und dann beugte sich +meine ganze Natur in demtiger Ergebung in den Staub der Erde. Und dann +sah ich ... ich sah, da er an Schnheit ebenso ohnegleichen war wie an +Schrecknis. Oh, ich war gerettet, ich war erlst. + +_Sudarschana_ + +Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst du mir nicht sagen, wie +der Knig aussieht? Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen. +Er kommt zu mir in Dunkelheit, und lt mich wieder in diesem dunklen +Gemach zurck. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt -- aber sie +geben alle unbestimmte und dunkle Antworten -- es scheint mir, da sie +alle mit etwas zurckhalten. + +_Surangama_ + +Die Wahrheit zu sagen, Knigin, so knnte ich nicht gut angeben, wie er +aussieht. Nein -- er ist nicht, was man schn nennt. + +_Sudarschana_ + +Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht schn! + +_Surangama_ + +Nein, meine Knigin, er ist nicht schn. Ihn schn zu nennen, wre viel +zu wenig von ihm gesagt. + +_Sudarschana_ + +So sind all deine Worte -- dunkel, seltsam und unbestimmt. Ich kann +nicht verstehen, was du meinst. + +_Surangama_ + +Nein, ich will ihn _nicht_ schn nennen. Und eben weil er nicht +schn ist, ist er so herrlich, so wunderbar! + +_Sudarschana_ + +Ich verstehe dich nicht ganz -- obwohl ich dich gern von ihm reden hre. +Aber ich mu ihn um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht einmal +auf den Tag, wo ich ihm angetraut wurde. Ich hrte Mutter sagen, da +vor meiner Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte: Der eure Tochter +ehelichen will, ist ohnegleichen auf dieser Erde. Wie oft habe ich +sie gebeten, mir sein ueres zu beschreiben, aber sie antwortet nur +unbestimmt und sagt, sie kann es nicht sagen -- sie sah ihn durch einen +Schleier, schwach und dunkel. Aber wenn er der beste der Menschen ist, +wie kann ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben. + +_Surangama_ + +Sprst du nicht ein leises Lftchen wehen? + +_Sudarschana_ + +Ein Lftchen? Wo? + +_Surangama_ + +Merkst du nicht einen leisen Duft? + +_Sudarschana_ + +Nein! + +_Surangama_ + +Das groe Tor hat sich geffnet ... er kommt; mein Knig naht. + +_Sudarschana_ + +Wie kannst du es merken, wenn er kommt? + +_Surangama_ + +Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hrte ich seine Tritte in meinem +Herzen. Da ich die Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich einen Sinn +entwickelt -- ich kann erkennen und fhlen, ohne zu sehen. + +_Sudarschana_ + +Ich wollte, ich htte diesen Sinn auch, Surangama! + +_Surangama_ + +Du wirst ihn bekommen, o Knigin ... dieser Sinn wird in dir eines Tages +erwachen. Deine Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe, und darum +ist all dein Sinn gespannt und in die falsche Richtung gelenkt. Wenn du +diesen Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter dir hast, wird alles +ganz leicht werden. + +_Sudarschana_ + +Wie kommt das, da es dir, der Magd, so leicht ist, und mir, der +Knigin, so schwer? + +_Surangama_ + +Eben weil ich eine bloe Magd bin, hemmt mich keine Schwierigkeit. +Als er am ersten Tag dies Gemach meiner Obhut vertraute und sagte: +Surangama, du wirst diese Kammer immer fr mich in Bereitschaft halten, +das ist deine ganze Aufgabe, da sagte ich nicht, nicht einmal in +Gedanken: Oh, gib mir die Arbeit derer, die fr das Licht in den andern +Gemchern sorgen. Nein, sondern sowie ich all meinen ganzen Sinn auf +diese Aufgabe richtete, erwachte eine Gewalt in mir und wuchs und wurde +ohne Widerstand Herr ber jeden Teil von mir... Oh, da kommt er!... er +steht drauen, vor der Tr. Herr! O Knig! + +_Gesang von auen_ + + ffne die Tr. Ich warte. + Die Fhre des Lichts von Dmmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen, + Der Abendstern steht am Himmel. + Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten, + Umfliet dich wei dein Kleid zur Nacht? + Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vgel in ihre Nester. + Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht. + ffne die Tr. Ich warte. + +_Surangama_ + +O Knig, wer kann deine eignen Tore vor dir versperrt halten? Sie sind +nicht geschlossen oder verriegelt -- sie werden sich weit aufschwingen, +wenn du sie nur mit dem Finger berhrst. Willst du sie nicht nur ein +wenig berhren? Willst du nicht eintreten, bis ich gehe und die Tore +ffne? + +_Gesang_ + + Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lften, Herr! + Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht hre, wrdest du + warten, bis ich erwache? + Wrde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines + Streitwagens? + Wrdest du nicht das Tor zertrmmern und ungebeten eingehn in dein + eigenes Haus? + +Dann geh du, o Knigin, und ffne die Tr fr ihn: er wird sonst nicht +eintreten. + +_Sudarschana_ + +Ich sehe nichts deutlich im Dunkel -- ich wei nicht, wo die Tr ist. Du +kennst hier alles -- geh und ffne die Tr fr mich. + +Surangama ffnet die Tr, verbeugt sich tief vor dem Knig und geht +hinaus. Der Knig bleibt whrend dieses ganzen Stckes unsichtbar. + +_Sudarschana_ + +Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht zu sehen? + +_Knig_ + +So willst du mich zwischen tausend Dingen im hellen Tageslicht sehen! +Warum sollte ich nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit +fhlen kannst? + +_Sudarschana_ + +Aber ich _mu_ dich sehen -- mich verlangt es brennend nach deinem +Anblick. + +_Knig_ + +Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick zu ertragen -- er wird dir +nur Qual bereiten, brennend heie Qual. + +_Sudarschana_ + +Wie kannst du sagen, da ich deinen Anblick nicht zu ertragen vermchte! +Oh, ich kann schon in diesem Dunkel fhlen, wie lieblich und wunderbar +du bist: warum sollte ich im Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir, +kannst du mich im Dunkel sehen? + +_Knig_ + +Ja, ich sehe dich. + +_Sudarschana_ + +Was siehst du? + +_Knig_ + +Ich sehe, da die Dunkelheit der unendlichen Himmel, ins Dasein +geschleudert durch die Gewalt meiner Liebe, das Licht von +Sternenmyriaden in sich gesogen und sich verkrpert hat in einer Gestalt +von Fleisch und Blut. Und in dieser Form, was fr onen von Denken und +Ringen, was fr ungezhlte Sehnschte grenzenloser himmlischer Rume, +welche Flle der Gaben aus dem Meer der Zeiten! + +_Sudarschana_ + +Bin ich so wunderbar, bin ich so schn? Hre ich dich so reden, so +schwillt mein Herz von Freude und Stolz. Aber wie kann ich die +wundervollen Dinge glauben, die du mir sagst? Ich kann sie in mir nicht +finden! + +_Knig_ + +Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben -- er setzt dich herab, +beschrnkt dich, lt dich klein und unbedeutend erscheinen. Doch +knntest du dich in meinem Geist gespiegelt sehen, wie gro erschienest +du! In meinem Herzen bist du nicht mehr das alltgliche Einzelwesen, das +du zu sein meinst -- du bist in Wahrheit mein andres Ich. + +_Sudarschana_ + +Oh, zeig' mir fr einen Augenblick, wie man mit deinen Augen sieht! Gibt +es fr dich gar nichts wie Dunkelheit? Ich frchte mich, wenn ich daran +denke. Diese Dunkelheit, die fr mich wirklich und stark wie der Tod +ist -- ist sie fr dich einfach nichts? Wie kann dann berhaupt eine +Gemeinschaft zwischen uns sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein -- +es ist unmglich: es besteht eine Schranke zwischen uns beiden: nicht +hier, nein, nicht an diesem Ort. Ich mu dich finden und sehen, wo ich +Bume und Tiere, Vgel und Steine und die Erde sehe -- + +_Knig_ + +Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden -- aber niemand wird mich +dir weisen. Du wirst mich erkennen mssen, wenn du kannst, du selbst. +Und selbst wenn jemand sich anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie +kannst du gewi sein, da er die Wahrheit sagt? + +_Sudarschana_ + +Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen. Ich werde dich aus +einer Million Menschen herausfinden. Ich kann mich nicht irren. + +_Knig_ + +Gut also, heute nacht, whrend des Frhlingsvollmondfestes, magst du +versuchen, mich von dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden -- +suche nach mir mit deinen eigenen Augen unter der Volksmenge. + +_Sudarschana_ + +Wirst du unter ihr sein? + +_Knig_ + +Ich werde mich wieder und wieder zeigen, berall unter der Menge. +Surangama! + +Surangama kommt herein. + +_Surangama_ + +Was gebietest du, Herr? + +_Knig_ + +Heute nacht ist das Frhlingsvollmondfest. + +_Surangama_ + +Was soll ich heute nacht tun? + +_Knig_ + +Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgrten stehen in voller +Blte -- du wirst da an meinem Feste teilnehmen. + +_Surangama_ + +Ich werde tun, was du wnschest, Herr. + +_Knig_ + +Die Knigin will mich heute nacht mit ihren eigenen Augen sehen. + +_Surangama_ + +Wo soll die Knigin dich sehen? + +_Knig_ + +Wo die Musik am sesten spielt, wo die Luft von Bltenstaub schwer ist +-- dort im silbernen Hain voll weichem Dmmerlicht. + +_Surangama_ + +Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck spielen, zu sehen sein? Dort +ist der Wind wild und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung -- wird +es die Augen nicht verwirren? + +_Knig_ + +Die Knigin ist neugierig, mich herauszufinden. + +_Surangama_ + +Die Neugier wird enttuscht und in Trnen heimkehren! + +_Gesang_ + + Ach, sie lstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die + wilden Vgel des Waldes! + Doch die Zeit der Ergebung wird fr sie kommen, zu Ende ihr Hin- und + Herflug, wenn + Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt. + Ach, die wilden Vgel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis! + + + + +III. + + +Vor den Lustgrten. + +Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und andere Knige. + +_Avanti_ + +Wird der Knig dieses Ortes uns nicht empfangen? + +_Kantschi_ + +Was ist das fr eine Art, ein Land zu regieren? Der Knig hlt ein Fest +in einem Wald, wo selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert +Zutritt hat! + +_Koschala_ + +Wir htten wohl Anspruch auf einen besonders fr uns reservierten und zu +unserem Empfang hergerichteten Platz. + +_Kantschi_ + +Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet hat, werden wir ihn +zwingen, einen fr uns errichten zu lassen. + +_Koschala_ + +All das macht natrlich zweifelhaft, ob dieses Volk berhaupt einen +Knig hat -- es sieht aus, als ob ein unbegrndetes Gercht uns +irregefhrt htte. + +_Avanti_ + +Das mag sein, was den Knig angeht, aber Sudarschana, die Knigin dieses +Orts, ist durchaus kein unbegrndetes Gercht. + +_Koschala_ + +Nur um ihretwillen hatte ich berhaupt Lust, hierher zu kommen. Es liegt +mir nichts daran, jemanden zu sehen, der sich nie sehen lt, aber es +wre ein trichter Fehler, wenn wir fortgingen, ohne das Wesen gesehen +zu haben, um dessentwillen sich eine Reise im hchsten Grade lohnt. + +_Kantschi_ + +Lat uns denn einen bestimmten Plan entwerfen. + +_Avanti_ + +Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man sich nicht selbst darein +verwickelt. + +_Kantschi_ + +Zum Henker, was ist das fr ein Geschmei, das dort herumschwrmt? He! +wer seid ihr? + +Grovater und die Knaben treten auf. + +_Grovater_ + +Wir sind die lustige Schar der Habenichtse. + +_Avanti_ + +Die Einfhrung war berflssig. Aber ihr werdet euch etwas weiter +zurckziehen und uns in Frieden lassen. + +_Grovater_ + +Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir knnen es uns leisten, euch +einen so weiten Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das Wenige, das +uns gengt, ist nie der Zankapfel zwischen streitenden Parteien. Nicht +wahr, meine kleinen Freunde? + +Sie singen. + +_Gesang_ + + Wir sind die Habenichtse, frwahr, wir haben gar nichts! + Wir singen lustig trallerala! trallerala! + 's gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Husern + Auf Smpfen mit goldenem Sand. + Wir stellen uns vor sie und singen + Trallerala! trallerala! + Taschendiebe kreisen um uns + Und ehren uns mit lsternen Blicken. + Wir schtteln die leeren Taschen und singen + Trallerala! trallerala! + Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tr, + Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen, + Und singen im Chor mit frhlichen Trillern + Trallerala! trallerala! + +_Kantschi_ + +Sieh da drben hin, Koschala, was sind das fr Leute, die da des Weges +kommen? Eine Pantomime? Der eine hat sich als Knig maskiert. + +_Koschala_ + +Der Knig dieses Orts mag alle diese Narrenspossen dulden, wir aber +werden dagegen einschreiten. + +_Avanti_ + +Es ist vielleicht ein Huptling vom Lande. + +Wachen zu Fu treten auf. + +_Kantschi_ + +Aus welchem Land stammt euer Knig? + +_Erster Soldat_ + +Er ist der Knig dieses Landes. Er rstet sich, das Fest zu leiten. + +Sie gehen weiter. + +_Koschala_ + +Wie, der Knig dieses Landes kommt zum Fest! + +_Avanti_ + +Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem Anblick begngen und umkehren +mssen -- ohne die reizvolle Knigin gesehen zu haben. + +_Kantschi_ + +Glaubst du wirklich, da der Bursche die Wahrheit sagte? Jeder kann sich +als Knig dieses kniglosen Landes aufspielen. Kannst du nicht sehen, +da der Mensch wie ein aufgeputzter Maskenknig aussieht -- viel zu sehr +herausgeputzt? + +_Avanti_ + +Aber er sieht hbsch aus -- seine Erscheinung ist nicht ohne einen +gewissen geflligen Reiz. + +_Kantschi_ + +Er mag deinem Auge gefllig sein, aber wenn du ihn genau genug +betrachtest, kannst du ihn nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn +vor euch allen entlarve. + +Der falsche Knig tritt auf. + +_Knig_ + +Willkommen, Frsten, in unserm Reich! Ich hoffe, meine Wrdentrger +haben geziemend fr euren Empfang gesorgt? + +_Knige_ (mit verstellter Hflichkeit) + +O ja -- es fehlte nichts am Empfang. + +_Kantschi_ + +Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich aufgewogen durch die Ehre, +den Anblick Eurer Majestt genieen zu drfen. + +_Knig_ + +Wir zeigen uns nicht vor der groen ffentlichkeit, aber eure groe +Ergebenheit und Treue macht es uns zum Vergngen, uns euch nicht zu +entziehen. + +_Kantschi_ + +Die Gnade Euer Majestt ist wahrhaft berwltigend fr uns. + +_Knig_ + +Wir frchten, wir werden hier nicht lange verweilen knnen. + +_Kantschi_ + +Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus, als ob ihr es lange +aushieltet. + +_Knig_ + +Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst bitten mchtet -- + +_Kantschi_ + +Das mchten wir: aber wir mchten Euch gern vor etwas weniger Zeugen +sprechen. + +_Knig_ (zu seinem Gefolge) + +Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurck. (Sie ziehen sich zurck.) +Nun knnt ihr euer Begehren ohne Rckhalt vorbringen. + +_Kantschi_ + +Wir werden uns schon keine Zurckhaltung auferlegen; wir frchten nur, +da ihr es fr euch selbst werdet ntig finden. + +_Knig_ + +O nein, in der Hinsicht knnt ihr unbesorgt sein. + +_Kantschi_ + +Komm also, huldige uns, indem du uns deinen Kopf zu Fen legst. + +_Knig_ + +Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein in den +Empfangslagern zu freigiebig verteilt. + +_Kantschi_ + +Falscher Betrger, du bist es, der sich in einem Rausch der berhebung +befindet. Dein Kopf wird bald den Staub kssen. + +_Knig_ + +Ihr Frsten, solche derben Spe sind eines Knigs nicht wrdig. + +_Kantschi_ + +Mnner, die gebhrend mit dir scherzen werden, sind zur Stelle. General! + +_Knig_ + +Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl, ich schulde euch allen +Huldigung. Der Kopf beugt sich von selbst hernieder -- es bedarf +nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer Manahmen, um ihn zu Boden +zu legen. So, hier beuge ich mich tief vor euch allen. Wenn ihr mir +freundlich erlaubt, mich davonzumachen, werde ich euch mit meiner +Gegenwart nicht lnger lstig fallen. + +_Kantschi_ + +Warum solltest du dich davonmachen? Wir werden dich zum Knig dieses +Ortes machen -- fhren wir unsern Scherz zu seinem regelrechten Ende. +Hast du irgendwelchen Anhang? + +_Knig_ + +O ja! Alle, die mich auf den Straen sehen, laufen hinter mir her. Als +ich ein mageres Gefolge hatte, betrachtete mich erst jeder argwhnisch, +aber nun mit dem wachsenden Haufen zerstreuen sich die Zweifel immer +mehr. Die Menge wird von ihrer eigenen Gre hypnotisiert. Ich brauche +nun gar nichts weiter zu tun. + +_Kantschi_ + +Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben wir alle, dir zu helfen und +zu dir zu stehen. Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten mssen. + +_Knig_ + +Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die Krone, die ihr mir aufs +Haupt setzt. + +_Kantschi_ + +Gegenwrtig wnschen wir weiter nichts, als die Knigin Sudarschana zu +sehen. Du wirst dafr sorgen. + +_Knig_ + +Ich werde mir alle Mhe darum geben. + +_Kantschi_ + +Zu deinen Bemhungen haben wir nicht viel Vertrauen -- du wirst einfach +dich nach unsern Anweisungen richten. Nun aber kannst du gehen und dich +mit allem mglichen Glanz und Prunk an dem Fest im kniglichen Garten +beteiligen. + +Sie gehen fort. + +Grovater und eine Schar von Brgern treten auf. + +_Erster Brger_ + +Grovater, ich kann mir nicht helfen -- ja, und fnfhundertmal will ich +es wiederholen -- unser Knig ist ein vollkommener Schwindel. + +_Grovater_ + +Warum nur fnfhundertmal? Kein Grund zu so heldenmtiger +Selbstbeherrschung -- du kannst es fnftausendmal sagen, wenn das dein +Vergngen erhht. + +_Zweiter Brger_ + +Aber du kannst eine tote Lge nicht fr immer aufrechterhalten. + +_Grovater_ + +Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund. + +_Dritter Brger_ + +Wir werden der ganzen Welt verknden, da unser Knig eine Lge ist, der +reinste und leerste Schatten! + +_Erster Brger_ + +Wir werden es alle von unsern Dchern schreien, da wir keinen Knig +haben -- mag er tun, was er will, wenn er existiert. + +_Grovater_ + +Er wird gar nichts tun. + +_Zweiter Brger_ + +Mein Sohn wurde mit fnfundzwanzig Jahren innerhalb einer Woche von +einem hitzigen Fieber vorzeitig dahingerafft. Htte mich solch ein +Unglck unter der Herrschaft eines tugendhaften Knigs betreffen knnen? + +_Grovater_ + +Aber dir sind immer noch zwei Shne geblieben: whrend ich all meine +fnf Kinder hintereinander verloren habe. + +_Dritter Brger_ + +Und was sagst du dazu? + +_Grovater_ + +Was denn? Soll ich meinen Knig dazu verlieren, weil ich meine Kinder +verloren habe? Fr so einen ungeheuren Narren mt ihr mich nicht +halten. + +_Erster Brger_ + +Eine schne Sache, zu streiten, ob ein Knig da ist oder nicht, wenn man +aus Mangel an Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der Knig uns retten? + +_Grovater_ + +Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den Knig suchen, dem all die +Nahrung gehrt. Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn sicher nicht +finden. + +_Zweiter Brger_ + +Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Knigs! Dieser Bhadrasen -- ihr wit +was es fr ein rhrender Anblick ist, wenn er von seinem Knig spricht +-- der rhrselige Dummkopf! Er ist auf einen solchen Grad von Armut +herabgesunken, da selbst die Fledermuse, die bei ihm hausen, den Ort +zu ungemtlich finden. + +_Grovater_ + +Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre Tag und Nacht fr meinen +Knig, aber ich habe fr meine Mhen noch nicht einen roten Heller +bekommen. + +_Dritter Brger_ + +Nun, und was hltst du davon? + +_Grovater_ + +Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand seine Freunde? Geht, +Freunde, und sagt, wenn ihr wollt, unsern Knig gebe es nirgends. Auch +das gehrt mit zur Feier dieses Festes. + + + + +IV. + + +Turm des Knigspalastes. + +Sudarschana und ihre Freundin Rohini. + +_Sudarschana_ + +Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann mich nicht irren: bin ich +nicht die Knigin? Der dort, sicher der dort mu mein Knig sein. + +_Rohini_ + +Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann nicht lange zgern, sich +dir zu zeigen. + +_Sudarschana_ + +Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen Vogel im Kfig. Suchtest du, +dich zu vergewissern, wer er ist? + +_Rohini_ + +Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der Knig. + +_Sudarschana_ + +Von welchem Land ist er der Knig? + +_Rohini_ + +Von unserm, Knig dieses Landes. + +_Sudarschana_ + +Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm aus Blumen ber das Haupt +gehalten wird? + +_Rohini_ + +Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blte gemalt ist. + +_Sudarschana_ + +Ich erkannte ihn natrlich sofort, aber du hattest deine Zweifel. + +_Rohini_ + +Wir knnen uns leicht irren, meine Knigin, und wir frchten dich zu +erzrnen, falls wir unrecht haben. + +_Sudarschana_ + +Ich wollte, Surangama wre da! Dann wre kein Zweifel mehr mglich. + +_Rohini_ + +Hltst du sie fr klger als uns alle? + +_Sudarschana_ + +O nein, aber sie wrde ihn sofort erkennen. + +_Rohini_ + +Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so, als ob sie ihn kennte. +Niemand kann dafr brgen, da sie den Knig kennt. Wren wir so +schamlos wie sie, es wre nicht schwer fr uns gewesen, mit unserer +Bekanntschaft mit dem Knig zu prahlen. + +_Sudarschana_ + +Aber nein, sie prahlt niemals. + +_Rohini_ + +Bloe Ziererei, weiter nichts; damit kommt man oft weiter als mit +offenem Prahlen. Sie ist zu allen Streichen fhig: drum mochten wir sie +nie leiden. + +_Sudarschana_ + +Aber sag, was du willst, ich htte sie gern gefragt, wenn sie hier wre. + +_Rohini_ + +Sehr wohl, Knigin. Ich werde sie holen. Sie mu glcklich sein, wenn +sie der Knigin unentbehrlich ist, um den Knig zu erkennen. + +_Sudarschana_ + +O nein -- es ist nicht darum -- aber ich hrte es gern von aller Welt +besttigt. + +_Rohini_ + +Sagt es nicht alle Welt? Da, hre nur hin, die Jubelrufe des Volks +dringen sogar bis zu dieser Hhe empor. + +_Sudarschana_ + +Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen auf ein Lotusblatt und +bringe sie ihm. + +_Rohini_ + +Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie sendet? + +_Sudarschana_ + +Du wirst nichts zu sagen brauchen -- er wird es wissen. Er meinte, +ich wrde nicht imstande sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht +fortlassen, ohne ihm zu zeigen, da ich ihn herausgefunden habe. + +Rohini geht mit den Blumen. + +_Sudarschana_ + +Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so war mir nie zuvor zumute. Das +weie, silberne Licht des Vollmonds berflutet den Himmel und perlt nach +allen Seiten wie der sprudelnde Schaum des Weins... Es fat mich wie +ein Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da? + +Eine Dienerin tritt auf. + +_Dienerin_ + +Was befehlen Majestt? + +_Sudarschana_ + +Siehst du dort die frhlichen Knaben, wie sie singend durch die +Laubgnge und Alleen der Mangobume ziehen? Rufe sie her, bring sie zu +mir: ich mchte sie singen hren. + +Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben wieder. + +Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen Frhlings, hebt euren +Festgesang an! Meine ganze Seele und mein Leib ist heute abend Gesang +und Musik -- doch die unaussprechliche Melodie will mir nicht von der +Zunge: singt ihr denn an meiner Statt! + +_Gesang_ + + Mein Leid ist mir s, heut in dieser Frhlingsnacht. + Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und lt sie leise + erklingen. + Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein + dahin. + Der Duft aus der Tiefe der Wlder verirrt sich in meine Trume. + Worte kommen flsternd an mein Ohr, ich wei nicht, woher, + Und die Glckchen an meinen Fuspangen zittern und klingen im Takt zum + Tanz meines Herzens. + +_Sudarschana_ + +Genug, genug -- ich ertrag' es nicht lnger! Euer Gesang hat meine Augen +mit Trnen gefllt... Mich wandelt es an -- Sehnsucht kann nie ihren +Gegenstand finden -- sie braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher +Snger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt? O, da meine Augen den +sehen knnten, dessen Gesang meine Ohren gehrt haben! Ach, wie ich mich +sehne -- mich sehne, in Liebesverzckung im Waldesdickicht des Herzens +mich zu verlieren! Liebe Knaben der Waldwildnis! wie soll ich euch +lohnen? Dieses Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten Steinen gemacht +-- ihre Hrte wird euch weh tun -- ich besitze nichts dergleichen wie +die Blumenkrnze, die euch zieren. + +Die Knaben verbeugen sich und gehen ab. + +Rohini tritt auf. + +_Sudarschana_ + +Ich habe nicht recht getan -- ich habe nicht recht getan, Rohini. Ich +schme mich, dich zu fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt, +da keine Hand in Wahrheit die grte der Gaben geben kann. Doch la +mich alles hren. + +_Rohini_ + +Als ich dem Knig die Blumen gab, sah er nicht so aus, als verstnde er +etwas davon. + +_Sudarschana_ + +Das kann nicht sein! Er verstand nicht --? + +_Rohini_ + +Nein; er sa da wie eine Puppe, ohne ein einziges Wort zu uern. Ich +glaube, er wollte nicht zeigen, da er nichts verstand, daher tat er den +Mund nicht auf. + +_Sudarschana_ + +Pfui ber mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht bestraft worden. Warum +hast du meine Blumen nicht zurckgebracht? + +_Rohini_ + +Wie konnte ich? Der Knig von Kantschi, ein sehr gewitzigter Mann, der +neben ihm sa, begriff alles mit einem Blick, und er lchelte nur eben +ein bichen und sagte: Majestt, die Knigin Sudarschana sendet Euch +ihre Gre mit diesen Blumen -- mit Blumen, die dem Gott der Liebe +gehren, dem Freund des Frhlings! Der Knig schien mit einem Male +aufzuwachen und sagte: Das ist die Krone all meiner Knigsherrlichkeit +heute Nacht. Ich wandte mich, ganz auer Fassung, zum Gehen, als der +Knig von Kantschi dem Knig dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir +sagte: Freundin, dies Knigsgeschmeide will zu dir, zum Dank fr das +frohe Glck, das du gebracht hast. + +_Sudarschana_ + +Wie, Kantschi mute dem Knig all das begreiflich machen! Weh mir, +dies nchtliche Fest hat die Tore der Schmach und Schande weit vor mir +geffnet. Was andres konnte ich erwarten? Verla mich, Rohini; ich mu +eine Weile allein sein. (Rohini geht ab.) Ein furchtbarer Schlag hat all +meinen Stolz zu Staub zerschlagen, und doch ... ich kann diese schne, +bezaubernde Gestalt nicht aus dem Gedchtnis lschen! Kein Stolz ist mir +geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet, gnzlich hilflos ... ich +kann nicht einmal die Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder und +wieder der Wunsch kommt, Rohini um diese Kette zu bitten! Aber was wrde +sie denken! Rohini! + +Rohini kommt. + +_Rohini_ + +Was ist dein Wunsch? + +_Sudarschana_ + +Welchen Lohn verdienst du fr deine heutigen Dienste? + +_Rohini_ + +Nichts von dir -- aber ich bekam meinen Lohn von dem Knig, wie sich's +gebhrt. + +_Sudarschana_ + +Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene Belohnung. Ich mchte +nicht etwas an dir sehen, was auf so gleichgltige Art gegeben wurde. +Leg es ab, ich gebe dir meine Armspangen, wenn du es hier lt. Nimm +diese Armspangen und geh nun. (Rohini geht ab.) Welch neue Schmach! +Ich htte dieses Halsband wegwerfen sollen -- aber ich kann nicht! Es +sticht mich, als ob es ein Dornenkranz wre -- aber ich kann es nicht +wegwerfen. Das also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert -- +dieses Halsband der Schmach und Schande! + + + + +V. + + +Grovater nahe am Tor des Lusthauses. + +Eine Gesellschaft von Mnnern. + +_Grovater_ + +Habt ihr genug davon bekommen, Freunde? + +_Erster Mann_ + +Oh, mehr als genug, Grovater. Sieh nur, sie haben mich ber und ber +rot gemacht. Keiner ist davongekommen[A]. + +_Grovater_ + +Wirklich? Haben sie die Knige auch mit rotem Puder beworfen? + +_Zweiter Mann_ + +Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie waren alle sicher auf ihrem +eingehegten Platz. + +_Grovater_ + +So sind sie euch entkommen! Konntet ihr nicht die geringste Spur Farbe +auf sie werfen? Ihr httet euch den Weg dahin erzwingen sollen. + +_Dritter Mann_ + +Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte Rot, die ihnen +vorbehalten ist. Ihre Augen sind rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres +Gefolges sind auch rot. Und die letztern schwangen ihre Schwerter so +in der Luft herum, da eine weitere Annherung von unserer Seite ein +reichliches Zutagetreten der grundlegenden roten Farbe bedeutet htte. + +_Grovater_ + +Wohlgetan, Freunde -- haltet sie immer in einiger Entfernung. Sie sind +die Verbannten der Erde, und wir haben das Amt, dafr zu sorgen, da es +so bleibt. + +_Dritter Mann_ + +Ich gehe heim, Gropapa; Mitternacht ist vorber. + +Geht ab. + +Eine Schar Snger kommt singend herbei. + + Schwarz und Wei ist nicht mehr geschieden, + Ist rot geworden -- rot wie eure Fe gefrbt sind. + Rot ist mein Wams und rot meine Trume, + Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus. + +_Grovater_ + +Vortrefflich, meine Freunde, glnzend! So hattet ihr wirklich +genureiche Stunden! + +_Die Snger_ + +Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der Mond am Himmel lie uns im +Stich: er blieb wei. + +_Grovater_ + +Er sieht nur von auen so unschuldig drein. Httet ihr nur seine weie +Maske weggenommen, ihr httet seine Schelmerei schon gesehen. Ich habe +beobachtet, was fr rote Farben er heute nacht auf die Erde wirft. Und +doch, sollte man es fr mglich halten, da er dabei die ganze Zeit wei +und farblos bleibt! + +_Gesang._ + + Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb! + Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt, + Meinst du, ungefrbt zu entkommen, + Wenn du mich mit rotem Puder rtest? + Knnt ich nicht dein Kleid frben mit dem roten Bltenstaub meines + Herzens? + +Sie gehen ab. + +Der Knig und Kantschi treten auf. + +_Kantschi_ + +Du mut genau tun, was ich dir gesagt habe. Da du mir nichts +bersiehst! + +_Knig_ + +Ich werde nichts bersehen. + +_Kantschi_ + +Die Gemcher der Knigin Sudarschana liegen in den... + +_Knig_ + +Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt. + +_Kantschi_ + +Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen, und dann wirst +du aus dem Durcheinander und der Verwirrung Vorteil ziehen, um deine +Aufgabe zielbewut zu vollbringen. + +_Knig_ + +Ich werde daran denken. + +_Kantschi_ + +Sieh einmal, Herr Prtendent, ich glaube doch, da unsere Furcht ganz +unbegrndet ist -- es gibt in Wahrheit keinen Knig in diesem Lande. + +_Knig_ + +Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie zu retten. Der +gemeine Mann kann ohne Knig nicht leben, ob dieser nun echt ist oder +falsch! Anarchie ist immer eine Quelle der Gefahr. + +_Kantschi_ + +Frommer Wohltter des Volkes, deine wundervolle Aufopferung sollte +wirklich uns allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke diesen +auerordentlichen Dienst in eigener Person zu erweisen. + +Sie gehen ab. + + + + +VI. + + +Im Garten. + +_Rohini_ + +Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen, was all das ist! (Zu +den Grtnern) Wohin geht ihr alle in solcher Eile? + +_Erster Grtner_ + +Wir gehen aus dem Garten. + +_Rohini_ + +Wohin? + +_Zweiter Grtner_ + +Wir wissen nicht, wohin -- der Knig hat uns gerufen. + +_Rohini_ + +Aber der Knig ist doch hier in diesem Garten. Welcher Knig hat euch +gerufen? + +_Erster Grtner_ + +Das wissen wir nicht. + +_Zweiter Grtner_ + +Der Knig, dem wir unser Lebtag gedient haben, natrlich. + +_Rohini_ + +Wollt ihr alle gehen? + +_Erster Grtner_ + +Ja, alle -- wir mssen sofort gehen. Sonst knnten wir zu Schaden +kommen. + +Sie gehen ab. + +_Rohini_ + +Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich frchte mich. Sie rennen +davon wie wilde Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe die Flut +den Damm durchbricht. + +Der Knig von Koschala tritt auf. + +Rohini, weit du, wo dein Knig und Kantschi hingegangen +sind? + +_Rohini_ + +Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann nicht sagen, wo. + +_Koschala_ + +Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben. Ich habe nicht wohl daran +getan, mein Vertrauen auf Kantschi zu setzen. Ab. + +_Rohini_ + +Was ist das fr eine dunkle Sache, mit der sich diese Knige abgeben? +Etwas Schreckliches bereitet sich vor. Werde ich in diese Sache +hineingezogen werden? + +Avanti tritt auf. + +_Avanti_ + +Rohini, weit du, wo die andern Frsten sind? + +_Rohini_ + +Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen sind. Der Knig von +Koschala ging jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei. + +_Avanti_ + +Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer Knig und Kantschi? + +_Rohini_ + +Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen. + +_Avanti_ + +Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewi, uns alle zu betrgen. Ich +habe nicht wohl daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu stecken. +Freundin, knntest du mir freundlich einen Weg aus diesem Garten weisen? + +_Rohini_ + +Ich wei keinen. + +_Avanti_ + +Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus zeigen kann? + +_Rohini_ + +Die Diener haben alle den Garten verlassen. + +_Avanti_ + +Warum taten sie das? + +_Rohini_ + +Ich konnte nicht genau verstehen, was sie meinten. Sie sagten, der Knig +htte ihnen befohlen, den Garten sofort zu verlassen. + +_Avanti_ + +Der Knig? Welcher Knig? + +_Rohini_ + +Sie konnten es nicht genau sagen. + +_Avanti_ + +Das klingt nicht gut. Ich mu um jeden Preis einen Weg hinausfinden. Ich +kann hier keinen Augenblick lnger bleiben. + +Geht eilig ab. + +_Rohini_ + +Wo kann ich den Knig finden? Als ich ihm die Blumen gab, die die +Knigin gesandt hatte, da schien er sich nicht viel um mich zu kmmern; +aber seit der Stunde hat er Gaben und Geschenke auf mich gehuft. +Diese grundlose Freigebigkeit macht mich noch ngstlicher... Wohin +fliegen die Vgel zu dieser Stunde der Nacht? Was hat sie pltzlich +aufgeschreckt? Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges, gewi +nicht... Warum rennt der Knigin zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata! +Tschapata! Es hrt nicht einmal meinen Ruf. Ich habe nie eine Nacht wie +diese gesehen. Der Horizont wird auf allen Seiten pltzlich rot, wie das +Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne scheint zu so ungewohnter Stunde auf +allen Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn des Allmchtigen +ist dies! ... Oh, ich frchte mich! ... Wo kann ich den Knig finden? + + + + +VII. + + +Am Tor zum Palast der Knigin. + +_Knig_ + +Was hast du getan, Kantschi? + +_Kantschi_ + +Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim Palast in Brand stecken. +Ich hatte keine Ahnung, da das Feuer sich so schnell nach allen Seiten +verbreiten wrde. Sag mir schnell den Weg aus diesem Garten. + +_Knig_ + +Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher gefhrt haben, sind alle +entflohen. + +_Kantschi_ + +Du bist ein Eingeborner dieses Landes -- du mut den Weg wissen. + +_Knig_ + +Ich habe diese inneren Knigsgrten nie zuvor betreten. + +_Kantschi_ + +Ich will davon nichts hren -- du mut mir den Weg zeigen, oder ich +spalte dich in zwei Teile. + +_Knig_ + +Du kannst mir auf diese Weise das Leben nehmen, aber es wrde dir wenig +helfen, den Weg aus diesem Garten zu finden. + +_Kantschi_ + +Warum liefst du dann herum und sagtest, du wrest der Knig dieses +Landes? + +_Knig_ + +Ich bin nicht der Knig -- ich bin nicht der Knig. + +Wirft sich mit gefalteten Hnden zu Boden. + +Wo bist du, mein Knig? Rette mich, oh, rette mich! Ich bin ein Emprer +-- strafe mich, aber tte mich nicht! + +_Kantschi_ + +Was ntzt es, sich zu krmmen und in die leere Luft zu schreien? Nutze +die Zeit lieber und such nach dem Wege! + +_Knig_ + +Ich will mich hierher legen -- ich rhre mich nicht von der Stelle. +Komme was will, ich werde nicht klagen. + +_Kantschi_ + +Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn ich verbrennen mu, sollst +du mir zum letzten Ende Gesellschaft leisten. + +_Stimme von auen_ + +Oh, rette uns, rette uns, Knig! Das Feuer kommt von allen Seiten ber +uns! + +_Kantschi_ + +Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr. + +_Sudarschana_ (tritt auf) + +Knig, o mein Knig! rette mich, rette mich vor dem Tode! Ich bin vom +Feuer umzingelt. + +_Knig_ + +Wer ist der Knig? Ich bin kein Knig. + +_Sudarschana_ + +Du bist nicht der Knig? + +_Knig_ + +Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft. + +Seine Krone zu Boden werfend. + +Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben! + +Ab mit Kantschi. + +_Sudarschana_ + +Kein Knig? Er ist nicht der Knig? Dann, o du Feuergott, verbrenne +mich, vernichte mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in die Arme +werfen, o du groer Reiniger; verbrenne meine Schmach, mein Verlangen, +meine Begierde zu Asche. + +_Rohini_ (tritt auf) + +Knigin, wohin gehst du? All deine innern Gemcher sind in rasendes +Feuer gehllt -- geh nicht hinein. + +_Sudarschana_ + +Ja, ich will in diese brennenden Rume hineingehn! Es ist mein +Totenfeuer! + +Sie geht in den Palast. + + + + +VIII. + + +Die dunkle Kammer. Der Knig und Sudarschana. + +_Knig_ + +Frchte dich nicht -- du hast keinen Grund zur Angst. Das Feuer wird +nicht in dies Gemach dringen. + +_Sudarschana_ + +Ich habe keine Angst -- aber oh, die Scham verfolgt mich wie ein +rasendes Feuer. Mein Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil meines +Krpers wird von ihren Flammen versengt und verbrannt. + +_Knig_ + +Es wird eine Zeit vergehen, ehe du ber diesen Brand hinwegkommst. + +_Sudarschana_ + +Dieses Feuer wird nie aufhren -- wird nie aufhren! + +_Knig_ + +Verzage nicht, Knigin! + +_Sudarschana_ + +O Knig, ich will dir nichts verbergen... Ich trage eines anderen Kette +um meinen Hals. + +_Knig_ + +Auch diese Kette ist mein -- wie sonst htte er zu ihr kommen sollen? Er +stahl sie aus meiner Kammer. + +_Sudarschana_ + +Aber sie ist _sein_ Geschenk an mich: und doch konnte ich diese Kette +nicht fortschleudern! Als das Feuer brllend von allen Seiten kam, +dachte ich daran, diese Kette ins Feuer zu werfen. Aber nein, ich +konnte nicht. Mein Geist flsterte: Behalte diese Kette im Tode an... +Was fr ein Feuer ist das, o Knig, in das ich, die hinausgegangen war, +dich zu sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme nicht widerstehen +kann! Welch eine Qual ist das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer +brennt so wild weiter wie je, und doch lebe ich weiter in seinen +Flammen! + +_Knig_ + +Aber du hast mich schlielich gesehen -- deine Sehnsucht ist gestillt +worden. + +_Sudarschana_ + +Aber suchte ich dich denn mitten in diesem grauenhaften Verderben? Ich +wei nicht, was ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor Angst. + +_Knig_ + +Was sahest du? + +_Sudarschana_ + +Grauenhaft -- oh, es war grauenhaft! Ich frchte mich, auch nur noch +daran zu denken. Schwarz, schwarz -- o du bist schwarz wie die ewige +Nacht! Ich habe dich nur einen einzigen entsetzlichen Augenblick +gesehen. Der Feuerschein fiel auf deine Zge -- du sahst wie die +schaudervolle Nacht aus, wenn ein Komet unheilverkndend ber uns +schwebt -- oh, da schlo ich die Augen -- ich konnte deinen Anblick +nicht mehr ertragen. Schwarz wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie +das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot des Zwielichts auf seinen +tosenden Wogen! + +_Knig_ + +Habe ich dir nicht vorausgesagt, da man meinen Anblick nicht ertragen +kann, wenn man nicht schon darauf vorbereitet ist? Man mchte vor mir +zum Ende der Welt fliehen. Habe ich das nicht zahllose Male gesehen? +Darum wollte ich mich dir langsam und allmhlich enthllen, nicht gar zu +pltzlich. + +_Sudarschana_ + +Aber es kam die Snde und vernichtete alle deine Hoffnungen -- die +bloe Mglichkeit einer Gemeinschaft mit dir ist fr mich nun undenkbar +geworden. + +_Knig_ + +Sie wird mit der Zeit mglich werden, meine Knigin. Die grliche +dstere Schwrze, die dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen +hat, wird eines Tages dein Trost und dein Heil sein. Wofr sonst kann +meine Liebe da sein? + +_Sudarschana_ + +Es kann nicht sein, es ist nicht mglich. Was will _deine_ Liebe +allein noch tun? _Meine_ Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die +Schnheit hat ihren Zauber auf mich geworfen, diese Raserei, dieser +Rausch wird mich nie mehr verlassen -- sie hat meine Augen mit ihrem +Glanz geblendet und entflammt, sie hat ihren goldenen Schimmer bis in +meine Trume geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt -- strafe mich, wie +dir beliebt. + +_Knig_ + +Die Strafe hat schon begonnen. + +_Sudarschana_ + +Doch willst du mich nicht strafen so stoe mich von dir. Ich will dich +verlassen -- + +_Knig_ + +Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir beliebt. + +_Sudarschana_ + +Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen! Mein Herz ist bse auf dich. +Warum warst du -- aber was hast du mir getan?... Warum bist du so? +Warum haben sie mir gesagt, du wrest stattlich und schn? Du bist +schwarz, schwarz wie die Nacht -- ich werde dich nie, ich kann dich nie +liebhaben. Ich habe gesehen, was ich liebe -- es ist sanft und weich wie +Samt, zart wie die _Schirischa_-Blume, strahlend wie ein Schmetterling. + +_Knig_ + +Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie eine Seifenblase. + +_Sudarschana_ + +Mag sein -- aber ich kann deine Nhe nicht ertragen -- ich kann einfach +nicht! Ich mu von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir, das kann +nicht mglich sein! Sie kann nichts anderes sein als ein falscher Bund +-- mein Geist mu sich unweigerlich von dir abkehren. + +_Knig_ + +Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen? + +_Sudarschana_ + +Ich habe es seit gestern versucht -- aber je mehr ich versuche, um so +mehr emprt sich mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich bestndig +von dem Gedanken verfolgt und gehetzt, da ich unrein bin, da ich +falsch und treulos bin. + +_Knig_ + +Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen, als dir beliebt. + +_Sudarschana_ + +Ich kann von dir nicht fliehen -- gerade weil du mein Gehen nicht +hinderst. Warum hltst du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurck +und sagst: Du sollst nicht gehen? Warum schlgst du mich nicht? O +strafe mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger Hand! Aber dein +widerstandsloses Schweigen macht mich wild -- oh, ich kann's nicht +ertragen! + +_Knig_ + +Warum glaubst du, da ich in Wirklichkeit still bin? Woher weit du, da +ich nicht versuche, dich zurckzuhalten? + +_Sudarschana_ + +Oh, nein, nein! -- Ich kann das nicht ertragen -- sag mir laut, befiehl +mir mit der Stimme des Donners, zwinge mich mit Worten, die alles andere +bertnen -- la mich nicht so leicht, so mild von dir! + +_Knig_ + +Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte ich zulassen, da du dich +von mir losreiest? + +_Sudarschana_ + +Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn, ich mu gehen! + +_Knig_ + +Geh denn! + +_Sudarschana_ + +So bin ich gar nicht zu tadeln. Du httest mich mit Gewalt zurckhalten +knnen, aber du tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert -- und nun +werde ich fortgehen. Befiehl deinen Wachen, mich nicht gehen zu lassen! + +_Knig_ + +Niemand wird dir in den Weg treten. Du kannst so frei gehen wie die +zerrissene Wetterwolke, die vom Sturm gepeitscht wird. + +_Sudarschana_ + +Ich kann nicht mehr widerstehen -- etwas in mir jagt mich vorwrts -- es +treibt mich von meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken, aber ich +werde nie mehr zurckkehren. + +Sie strzt hinaus. + +Surangama tritt auf. + +_Surangama_ (singt) + +Was hat dein Wille mit mir vor, da er mich in die Weite sendet? Zu +deinen Fen werde ich wieder von meiner Wanderschaft zurckkehren. + +Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein der Nachlssigkeit +verbirgt, deine zrtlichen Hnde stoen mich fort, um mich wieder in +deine Arme zu ziehn! O mein Knig, was ist's fr ein Spiel, das du +berall in deinem Reiche treibst? + +_Sudarschana_ (kehrt zurck) + +Knig, o Knig! + +_Surangama_ + +Er ist fortgegangen. + +_Sudarschana_ + +Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er mich endgltig verstoen! Ich +bin zurckgekehrt, aber er hat nicht einen einzigen kleinen Augenblick +auf mich warten knnen! Sehr gut denn, ich bin nun vollkommen frei. +Surangama, hat er dich geheien, mich zurckzuhalten? + +_Surangama_ + +Nein, er hat nichts gesagt. + +_Sudarschana_ + +Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte er sich um mich kmmern? +... Ich bin also frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich wollte +den Knig etwas fragen, konnte es aber in seiner Gegenwart nicht +herausbringen. Sag mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft hat. + +_Surangama_ + +Mit dem Tode? Mein Knig straft nie mit dem Tode. + +_Sudarschana_ + +Was hat er ihnen denn getan? + +_Surangama_ + +Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat seine Niederlage anerkannt +und ist in sein Knigreich heimgekehrt. + +_Sudarschana_ + +Ach, was fr eine Erlsung! + +_Surangama_ + +Meine Knigin, ich habe eine einzige Bitte an dich. + +_Sudarschana_ + +Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen, Surangama. Alle Geschmeide +und Schmucksachen, die der Knig mir gab, lasse ich dir -- ich bin nicht +wrdig, sie von nun an zu tragen. + +_Surangama_ + +Nein, ich brauche sie nicht, meine Knigin. Mein Herr hat mir nie +irgendwelchen Schmuck zu tragen gegeben -- mein schmuckloses Aussehen +ist fr mich gut genug. Er hat mir nichts gegeben, womit ich vor den +Leuten prahlen knnte. + +_Sudarschana_ + +Was willst du sonst von mir? + +_Surangama_ + +Ich will mit dir gehn, meine Knigin. + +_Sudarschana_ + +Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen Herrn zu verlassen. Was +fr eine Bitte ist das fr dich! + +_Surangama_ + +Ich werde nicht weit von ihm fortgehen -- wenn du unbehtet fortgehst, +wird er bei dir sein, dicht dir zur Seite. + +_Sudarschana_ + +Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini mit mir nehmen, aber sie +wollte nicht. Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit mir zu kommen? + +_Surangama_ + +Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich werde gehen -- der Mut wird +von selbst kommen, und auch die Kraft wird kommen. + +_Sudarschana_ + +Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine Gegenwart wird mich bestndig +an meine Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen knnen. + +_Surangama_ + +O meine Knigin, ich habe wie all dein Gutes so auch all dein Bses mir +zu eigen gemacht; willst du mich noch als Fremde behandeln? Ich mu mit +dir gehn. + + + + +IX. + + +Der Knig von Kanya Kubja, Vater von Sudarschana, und sein Minister. + +_Knig von Kanya Kubja_ + +Ich hrte alles vor ihrer Ankunft. + +_Minister_ + +Die Prinzessin wartet allein auerhalb der Stadttore am Ufer des +Flusses. Soll ich Leute senden, um sie zu Hause willkommen zu heien? + +_Knig von Kanya Kubja_ + +Wie! Fr sie, die treulos ihren Gatten verlassen hat -- da willst du +ihre Schmach und Schande in aller Welt ausposaunen und ein Schaustck +fr sie in Szene setzen? + +_Minister_ + +Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr eine Wohnung im Palaste +herzurichten? + +_Knig von Kanya Kubja_ + +Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren Platz als Knigin aus eigenem +Entschlu verlassen -- hier wird sie als Magd arbeiten mssen, wenn sie +in meinem Hause zu bleiben wnscht. + +_Minister_ + +Es wird schwer und bitter fr sie sein, Euer Hoheit. + +_Knig von Kanya Kubja_ + +Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren, dann bin ich nicht wert, +ihr Vater zu sein. + +_Minister_ + +Ich werde alles ordnen, wie Ihr wnscht, Euer Hoheit. + +_Knig von Kanya Kubja_ + +Es soll verborgen bleiben, da sie meine Tochter ist, sonst geraten wir +alle in ein entsetzliches Unheil. + +_Minister_ + +Warum frchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit? + +_Knig von Kanya Kubja_ + +Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht, dann erscheint sie mit dem +furchtbaren Unheil beladen. Du weit nicht, welche tdliche Furcht diese +meine Tochter mir eingeflt hat -- sie ist heimgekommen, beladen mit +Schrecknis und Gefahr. + + + + +X. + + +Innere Gemcher des Palastes. + +Sudarschana und Surangama. + +_Sudarschana_ + +Geh fort von mir, Surangama! Ein tdlicher Zorn rast in mir -- ich +kann niemanden ertragen -- es macht mich wild, dich so geduldig und +unterwrfig zu sehn. + +_Surangama_ + +Auf wen bist du zornig? + +_Sudarschana_ + +Ich wei nicht; aber ich mchte alles vernichtet und unter Trmmern und +Elend begraben sehn! In einem Augenblick verlie ich meinen Platz als +Knigin auf dem Thron. Gab ich alles hin, um mich in dieser dsteren +Hhle als Sklavin abzuplagen? Warum flammen fr mich nicht die Fackeln +der Trauer ber die ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die Erde? +Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte Fallen der armseligen +Bohnenblte? Ist er nicht eher wie der Fall eines glhenden Sternes, +dessen flammende Lohe den Himmel in Stcke reit? + +_Surangama_ + +Ein mchtiger Wald raucht und glimmt innen, ehe er in Flammen ausbricht: +die Zeit ist noch nicht gekommen. + +_Sudarschana_ + +Ich habe Ehre und Ruhm einer Knigin in Staub und Winde gestreut -- aber +gibt es keinen Menschen, der kommen will, um meine trostlose Seele hier +zu besuchen? Allein -- oh, ich bin furchtbar, grauenvoll allein! + +_Surangama_ + +Du bist nicht allein. + +_Sudarschana_ + +Surangama, ich will nichts vor dir verbergen. Als er den Palast in +Flammen setzte, konnte ich nicht auf ihn bse sein. Eine groe innere +Freude machte mein Herz erzittern. Was fr ein staunenswrdiges +Verbrechen! Was fr eine glorreiche Khnheit! Dieser Mut machte mich +stark und befeuerte meine Lebensgeister. Diese furchtbare Freude gab mir +die Kraft, in einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist das alles +nur meine Einbildung? Warum ist nirgends ein Zeichen zu sehen, da er +kommt? + +_Surangama_ + +Der, an den du denkst, hat den Palast nicht in Brand gesteckt -- der +Knig von Kantschi tat es. + +_Sudarschana_ + +Der Feigling! Aber ist es mglich? So schn, so bezaubernd, und doch +keine Mannheit in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um so eines +wertlosen Geschpfes willen? O Schmach! Pfui ber mich!... Aber +Surangama, meinst du nicht, dein Knig htte doch kommen mssen, um mich +zurckzuholen! + +(Surangama verharrt in Schweigen.) + +Du meinst, ich brenne darauf, zurckzukehren? Niemals. Selbst wenn der +Knig in Wirklichkeit kme, ginge ich nicht zurck. Nicht ein einziges +Mal verbot er mir fortzugehn, und ich fand alle Tore weit geffnet, um +mich hinauszulassen! Und die steinige, staubige Strae, auf der ich +wanderte -- es war ihr nichts, da eine Knigin auf ihr schritt. Sie +ist hart und gefhllos, wie dein Knig; der niedrigste Bettler gilt ihr +ebensoviel wie die hchste Knigin. Du schweigst! Nun, ich sage dir, +deines Knigs Benehmen ist -- niedrig, roh, schmhlich! + +_Surangama_ + +Jeder wei, da mein Knig hart und unbarmherzig ist -- niemand ist je +imstande gewesen, ihn zu rhren. + +_Sudarschana_ + +Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und bei Nacht? + +_Surangama_ + +Mge er immer hart und unnachgiebig bleiben wie Stein -- mgen +meine Trnen und Bitten ihn nie bewegen! Mgen die Leiden nur immer +_mein_ Teil sein und mge Ruhm und Sieg _ihm_ immerdar bleiben! + +_Sudarschana_ + +Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint dort drben ber den Feldern am +stlichen Horizont aufzusteigen. + +_Surangama_ + +Ja, ich sehe es. + +_Sudarschana_ + +Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens? + +_Surangama_ + +In der Tat, es ist ein Banner. + +_Sudarschana_ + +Dann kommt er. Er ist endlich gekommen. + +_Surangama_ + +Wer kommt? + +_Sudarschana_ + +Unser Knig -- wer sonst! Wie knnte er ohne mich leben! Es ist ein +Wunder, wie er nur diese Tage her aushalten konnte. + +_Surangama_ + +Nein, nein, das kann nicht der Knig sein. + +_Sudarschana_ + +Nein, in der Tat! Als ob du alles wtest! Dein Knig ist hart, kalt, +unbarmherzig, nicht wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein kann. Ich +wute von Anfang an, da er kommen wrde -- da er hinter mir herlaufen +mte. Aber erinnere dich, Surangama, ich habe ihn nicht ein einziges +Mal gebeten, da er kme. Du wirst sehen, wie ich deinen Knig dazu +bringe, mir seine Niederlage zu bekennen! Geh nur hinaus, Surangama, und +la mich alles wissen. + +Surangama geht hinaus. + +Aber werde ich gehen, wenn er kommt und mich bittet, mit ihm +zurckzukehren? Gewi nicht! Ich will nicht gehen! Niemals! + +Surangama kommt zurck. + +_Surangama_ + +Es ist nicht der Knig, meine Knigin. + +_Sudarschana_ + +Nicht der Knig? Bist du ganz sicher? Wie! er ist noch nicht gekommen? + +_Surangama_ + +Nein, mein Knig wirbelt nie soviel Staub auf, wenn er kommt. Niemand +kann wissen, wann er berhaupt kommt. + +_Sudarschana_ + +Dann ist es -- + +_Surangama_ + +Eben der: er kommt mit dem Knig von Kantschi. + +_Sudarschana_ + +Weit du, wie er heit? + +_Surangama_ + +Er heit Suvarna. + +_Sudarschana_ + +Er ist es also. Ich dachte: Ich liege hier gleich weggeworfenen +Schlacken und Kehricht, die keiner auch nur anrhren mag. Aber mein +Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du Suvarna frher gekannt? + +_Surangama_ + +Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in der Spielhlle -- + +_Sudarschana_ + +Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen, ich will nichts hren. +Er ist mein Held, meine einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen, +ohne da du mir Geschichten von ihm erzhlst. Aber sieh nur, ein +netter Mann ist dein Knig! Er lie sich nicht einfallen, zu kommen, +um mich selbst aus dieser Entwrdigung zu retten. Danach kannst du +mich nicht tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf ihn warten und +mich schimpflich wie eine Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut und +Unterwrfigkeit ben wie du. + + + + +XI. + + +Lager. + +_Kantschi_ + +Zu Kanya Kubja's Boten. + +Sage deinem Knig, da er uns nicht gerade als seine Gste zu empfangen +braucht. Wir sind auf dem Weg zurck zu unsern Knigreichen, aber +wir verweilen, um die Knigin Sudarschana aus der Knechtschaft und +Entwrdigung zu befreien, zu der sie hier verdammt ist. + +_Bote_ + +Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, da die Prinzessin in ihres +Vaters Hause ist. + +_Kantschi_ + +Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres Vaters bleiben, als sie +unvermhlt ist. + +_Bote_ + +Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres Vaters bleiben unverndert +bestehen. + +_Kantschi_ + +Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden entsagt. + +_Bote_ + +Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann diesseits des Grabes niemals +entsagt werden: sie mag zu Zeiten auer Kraft treten, kann jedoch nie +ganz abgebrochen werden. + +_Kantschi_ + +Entschliet sich der Knig nicht, mir seine Tochter auf friedlichem Wege +herauszugeben, so wird mich das Gebot der Ritterpflicht ntigen, Gewalt +anzuwenden. Du kannst das fr mein letztes Wort nehmen. + +_Bote_ + +Euer Hoheit wollen nicht vergessen, da auch unser Knig an die +Ritterpflicht gebunden ist. Ihr erwartet umsonst, da er seine Tochter +nur auf eure Drohungen hin ausliefern wird. + +_Kantschi_ + +Sag deinem Knig, da ich auf solch eine Antwort gefat war, als ich +herkam. + +Der Bote geht ab. + +_Suvarna_ + +Knig von Kantschi, es scheint mir, da wir zu viel wagen. + +_Kantschi_ + +Was fr ein Vergngen bte dieses Abenteuer, wenn es anders wre? + +_Suvarna_ + +Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum Kampf herauszufordern -- +aber... + +_Kantschi_ + +Wenn du erst anfngst, dich vor Aber zu frchten, wirst du in dieser +Welt kaum einen Platz finden, der sicher genug fr dich ist. + +Ein Soldat tritt auf. + +_Soldat_ + +Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten, da die Knige von +Koschala, Avanti und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs kommen. +(Ab.) + +_Kantschi_ + +Gerade, was ich frchtete! Die Nachricht von Sudarschanas Flucht hat +sich berall verbreitet; jetzt wird man sich von allen Seiten um sie +reien und schlielich wird alles in Rauch aufgehn. + +_Suvarna_ + +Es fhrt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind keine guten Nachrichten. +Ich bin vllig gewi, da unser Knig selbst insgeheim die Kunde +allenthalben verbreitet hat. + +_Kantschi_ + +Nun, was soll ihm das ntzen? + +_Suvarna_ + +Die Gierigen werden einander in der allgemeinen Eifersucht in +Stcke reien -- und er wird sich die Lage zunutze machen, die Beute +heimzufhren. + +_Kantschi_ + +Nun wird es klar, warum euer Knig sich nie sehen lt. Sein Kniff +ist, sich auf allen Seiten zu vervielfachen -- die Furcht sieht ihn +allenthalben. Aber ich will dabei bleiben, da euer Knig von Kopf zu +Fu nichts als eitel Schwindel ist. + +_Suvarna_ + +Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Gte haben, mich zu entlassen? + +_Kantschi_ + +Ich kann dich nicht gehen lassen -- ich habe noch eine Verwendung fr +dich in dieser Sache. + +Ein Soldat tritt auf. + +_Soldat_ + +Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha sind auch gekommen. Sie haben +auf der andern Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen. (Ab.) + +_Kantschi_ + +Im Anfang mssen wir alle vereinigt kmpfen. Ist erst die Schlacht mit +Kanya Kubja vorbei, so werden wir schon einen Weg aus der Schwierigkeit +finden. + +_Suvarna_ + +Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure Plne -- ich werde glcklich +sein, wenn Ihr mich mir selbst berlat -- ich bin ein armes, niedriges +Geschpf -- nichts kann -- + +_Kantschi_ + +Sieh einmal an, Knig der Heuchler, Mittel und Wege sind nie von so +hohem Range -- Straen und Stufen und so weiter sind stets dazu da, mit +den Fen getreten zu werden. Der Vorteil, wenn wir Mnner deiner Art in +unsern Plnen verwenden, ist, da wir keine Maske oder Tuschung ntig +haben. Wenn ich mich aber mit meinem Minister zu beraten htte, wre es +unsinnig, wollte ich dem Diebstahl einen weniger wrdigen Namen geben +als Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die Frsten in Bewegung setzen +wie Bauern auf dem Schachbrett; das Spiel ist nicht mglich, wenn +_all_ die Schachfiguren sich wie Knige bewegen wollen! + + + + +XII. + + +Inneres des Palastes. + +_Sudarschana_ + +Geht die Schlacht noch fort? + +_Surangama_ + +So heftig wie je. + +_Sudarschana_ + +Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater zu mir und sagte: Du +bist von einem Knig fortgelaufen, aber du hast sieben Knige dir +nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben Stcke zu schneiden und sie +unter die Frsten zu verteilen. Es wre gut gewesen, wenn er es getan +htte. -- Surangama! + +_Surangama_ + +Ja? + +_Sudarschana_ + +Wenn dein Knig die Macht htte, mich zu retten, knnte mein jetziger +Zustand ihn ungerhrt gelassen haben? + +_Surangama_ + +Meine Knigin, warum fragst du mich? Habe ich die Macht, fr meinen +Knig zu antworten? Ich wei, mein Verstand ist nicht hell; darum wage +ich nie ber ihn zu urteilen. + +_Sudarschana_ + +Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt? + +_Surangama_ + +Alle sieben Frsten. + +_Sudarschana_ + +Sonst keiner? + +_Surangama_ + +Suvarna machte den Versuch zu entfliehen -- insgeheim, ehe der Kampf +anfing --, aber Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem Lager +verwahrt. + +_Sudarschana_ + +Oh, ich htte vor langer Zeit sterben sollen! Aber, o Knig, mein Knig, +wenn du gekommen wrest und httest meinem Vater geholfen, dein Ruhm +wre darum nicht geringer! Er wre strahlender und hher geworden. Bist +du ganz gewi, Surangama, da er nicht gekommen ist? + +_Surangama_ + +Ich wei nichts sicher. + +_Sudarschana_ + +Aber seit ich hier bin, hatte ich pltzlich manchmal die Empfindung, als +ob jemand unter meinem Fenster auf einer Laute spielte. + +_Surangama_ + +Es wre nicht undenkbar, da jemand dort seiner Liebe zur Musik frnt. + +_Sudarschana_ + +Es ist dort ein dichtes Gebsch unter meinem Fenster -- ich versuche +jedesmal, wenn ich die Musik hre, herauszubekommen, wer es ist, aber +ich kann nichts deutlich unterscheiden. + +_Surangama_ + +Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und spielt auf dem Instrument. + +_Sudarschana_ + +Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast kommt mir ins Gedchtnis +zurck. Ich kam gewhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet +hatte, und stand an meinem Fenster, und aus dem blinden Dunkel +des lichtlosen Ortes unsrer Begegnungen strmten dann Akkorde und +Gesnge und Melodien heraus und tanzten und zitterten in endloser +Folge und berflieender Verschwendung, wie die leidenschaftliche +berschwnglichkeit eines unversieglichen Springquells. + +_Surangama_ + +O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles Dunkel, dessen Dienerin ich +war! + +_Sudarschana_ + +Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach? + +_Surangama_ + +Weil ich wute, er wrde uns folgen und uns zurckholen. + +_Sudarschana_ + +Aber nein, er wird nicht kommen -- er hat uns fr immer verlassen. Warum +sollte er nicht? + +_Surangama_ + +Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann bedrfen wir seiner nicht. +Dann ist er fr uns nicht da: dann ist jene dunkle Kammer vllig leer +und de -- keine Laute hauchte dort je ihre Musik -- niemand rief dich +oder mich in jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen und ein +eitler Traum. + +Der Trhter tritt auf. + +_Sudarschana_ + +Wer bist du? + +_Trhter_ + +Ich bin der Pfrtner dieses Palastes. + +_Sudarschana_ + +Sag mir rasch, was du zu sagen hast. + +_Trhter_ + +Unser Knig ist gefangen genommen worden. + +_Sudarschana_ + +Gefangen? O Mutter Erde! + +Sie wird ohnmchtig. + + + + +XIII. + + +Knig von Kantschi und Suvarna. + +_Suvarna_ + +Ihr sagt also, da keine Notwendigkeit irgendeines Kampfes unter euch +selbst mehr besteht? + +_Kantschi_ + +Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe alle Frsten dazu +gebracht, sich einverstanden zu erklren, da der, den die Knigin als +Gemahl erwhlt, sie bekommen soll, und die andern werden auf jeden +weiteren Kampf verzichten. + +_Suvarna_ + +Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr, Euer Hoheit -- so flehe ich Euch +an: entlat mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin, hat die Furcht +vor drohender Gefahr mich entnervt und meinen Verstand betubt. Es wird +Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu verwenden. + +_Kantschi_ + +Du wirst dasitzen und mir als Schirmtrger dienen. + +_Suvarna_ + +Euer Diener ist zu allem bereit; aber was fr einen Nutzen wird Euch das +bringen? + +_Kantschi_ + +Mann, ich sehe, da dein Verstand zu schwach ist, um mit einem hohen +Ehrgeiz zusammenzugehen. Du hast noch nicht bemerkt, mit welcher +Gunst die Knigin auf dich gesehen hat. Schlielich kann sie in einer +Gesellschaft von Frsten einem Schirmtrger nicht gut den Brautkranz +um den Nacken legen, und doch, ich wei, sie wird nicht imstande sein, +ihren Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden Fall dieser Kranz unter +den Schatten meines kniglichen Schirmes fallen. + +_Suvarna_ + +Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefhrliche Phantasien. Ich +bitte Euch instndig, verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser +Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz demtig, setzt mich in +Freiheit. + +_Kantschi_ + +Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir nicht einen Augenblick mehr +deine Freiheit vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so ist es +unntz, sich mit den Mitteln zu beschweren. + + + + +XIV. + + +Sudarschana und Surangama am Fenster. + +_Sudarschana_ + +Mu ich also in die Versammlung der Frsten gehn? Gibt es kein anderes +Mittel, meines Vaters Leben zu retten? + +_Surangama_ + +Der Knig von Kantschi hat es gesagt. + +_Sudarschana_ + +Sind das Worte, die eines Knigs wrdig sind? Sagte er das mit seinem +eigenen Munde? + +_Surangama_ + +Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht. + +_Sudarschana_ + +Weh, weh ber mich! + +_Surangama_ + +Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor und sagte: Sag deiner +Knigin, da diese Andenken an das Frhlingsfest, je trockener und +verwelkter sie werden, um so frischer und blhender in meinem Herzen +wachsen. + +_Sudarschana_ + +Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich nicht lnger. + +_Surangama_ + +Sieh! Da sitzen die Frsten alle in der groen Versammlung. Der keinen +Schmuck an sich hat, auer dem einzigen Blumenkranz um seine Krone -- +das ist der Knig von Kantschi. Und der den Schirm ber sein Haupt hlt +und hinter ihm steht -- das ist Suvarna. + +_Sudarschana_ + +Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher? + +_Surangama_ + +Ja, ich kenne ihn gut. + +_Sudarschana_ + +Ist es mglich, da das der Mann ist, den ich damals sah? Nein, nein -- +ich sah etwas, das war gemischt aus Licht und Dunkel, aus Windhauch und +Duft -- nein, nein, er kann es nicht sein; das ist er nicht. + +_Surangama_ + +Aber alle geben zu, da er ausnehmend schn ist. + +_Sudarschana_ + +Wie konnte _diese_ Schnheit mich bezaubern? Oh, was soll ich tun, um +meine Augen von der Befleckung zu reinigen? + +_Surangama_ + +Du wirst sie in jenem unergrndlichen Dunkel baden mssen. + +_Sudarschana_ + +Aber sage mir, Surangama, warum begeht man solche Fehler? + +_Surangama_ + +Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen Vernichtung. + +_Bote_ (eintretend) + +Prinzessin, die Knige warten in der Halle auf Euch. + +Ab. + +_Sudarschana_ + +Surangama, bring mir den Schleier. (Surangama geht hinaus.) O Knig, +mein einziger Knig! Du hast mich allein gelassen, und du hast ganz +recht daran getan. Aber willst du nicht die innerste Wahrheit meiner +Seele erfahren? + +Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor. + +Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen -- ich werde ihn heute im +Staub der Halle, vor all diesen Frsten, zum Opfer bringen! Aber werde +ich dir nie sagen knnen, da die geheime Kammer meines Herzens durch +keine Treulosigkeit befleckt ist? Die dunkle Kammer, wo du mich zu +besuchen pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem Busen -- doch, o +mein Herr! keiner hat ihre Tore geffnet, keiner ist in sie eingegangen +als du, o Knig! Wirst du nie mehr kommen, um diese Tore zu ffnen? Dann +la den Tod kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine Zge sind schn +wie deine. Er ist du -- du bist es selbst, o Knig! + + + + +XV. + + +Die Versammlung der Frsten. + +_Vidarbha_ + +Knig von Kantschi, wie kommt es, da du nicht ein einziges Schmuckstck +an dir hast? + +_Kantschi_ + +Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein Freund. Schmuckstcke wrden +die Schmach meiner Niederlage nur verdoppeln. + +_Kalinga_ + +Aber dein Schirmtrger scheint sich dafr ausstaffiert zu haben -- er +ist ber und ber mit Gold und Edelsteinen beladen. + +_Virat_ + +Der Knig von Kantschi will die Nutzlosigkeit und Minderwertigkeit +uerer Schnheit und Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine +Mannestugenden hat ihn vermocht, alle ueren Verschnerungen von seinen +Gliedern zu entfernen. + +_Koschala_ + +Ich verstehe seine List schon; er sucht seine eigene Wrde zu zeigen, +indem er unter den mit Edelsteinen bersten Frsten eine strenge +Einfachheit betont. + +_Pantschala_ + +Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht rhmen. Alle Welt wei, +da die Augen eines Weibes wie eine Motte sind, sie strzen Hals ber +Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von Gold und Steinen. + +_Kalinga_ + +Aber wie lange sollen wir noch warten? + +_Kantschi_ + +Werde nicht ungeduldig, Knig von Kalinga -- je spter die Ernte, desto +ser die Frucht. + +_Kalinga_ + +Wre ich der Frucht sicher, so knnte ich es aushalten. Weil jedoch +meine Hoffnung, die Frucht zu schmecken, uerst zweifelhaft ist, will +sich meine Begier, ihren Anblick zu genieen, nicht zgeln lassen. + +_Kantschi_ + +Aber du bist noch jung -- aufgegebene Hoffnung kommt in deinen Jahren +wieder und wieder zu dir zurck wie ein schamloses Weib: wir indessen +haben diese Stufe lange hinter uns. + +_Koschala_ + +Kantschi, sprtest du nicht jetzt eben etwas, als ob jemand an deinem +Sessel rttelte? Ist es ein Erdbeben? + +_Kantschi_ + +Erdbeben? Ich wei nichts davon. + +_Vidarbha_ + +Oder vielleicht zieht noch ein Frst mit seinen Bewaffneten daher. + +_Kalinga_ + +Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur htten wir dann vorher die +Nachricht erst von einem Herold oder Boten vernehmen mssen. + +_Vidarbha_ + +Ich kann dies nicht fr ein Zeichen guter Vorbedeutung nehmen. + +_Kantschi_ + +Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte Vorbedeutung aus. + +_Vidarbha_ + +Ich frchte keinen auer dem Schicksal, vor dem Tapferkeit oder +Heldenmut so unntz wie sinnlos ist. + +_Pantschala_ + +Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen nicht einen +Schatten auf die glcklichen Geschehnisse dieses Tages! + +_Kantschi_ + +Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung, bis es sichtbar geworden ist. + +_Vidarbha_ + +Aber dann knnte es zu spt sein, etwas zu tun. + +_Pantschala_ + +Sind wir nicht alle in einem besonders verheiungsvollen Augenblick ans +Werk gegangen!? + +_Vidarbha_ + +Glaubst du dadurch, da du in verheiungsvollen Augenblicken ans Werk +gehst, gegen jede mgliche Gefahr versichert zu sein? Es sieht aus, als +ob -- + +_Kantschi_ + +Du wrdest besser das Als ob zu Hause lassen: es ist zwar unsre eigene +Schpfung, erweist sich aber oft als unser Verderben und Untergang. + +_Kalinga_ + +Ist da nicht Musik irgendwo drauen? + +_Pantschala_ + +Ja, es klingt wirklich wie Musik. + +_Kantschi_ + +Dann mu es endlich die Knigin Sudarschana sein, die naht. (Beiseite +zu Suvarna.) Suvarna, du mut dich nicht so hinter mir ducken und dich +verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner Hand zittert ja! + +Grovater tritt ein, in kriegerischer Rstung. + +_Kalinga_ + +Wer ist das? -- Wer bist du? + +_Pantschala_ + +Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese Halle zu treten? + +_Virat_ + +Unerhrte Frechheit! Kalinga, hindre doch den Kerl, nher heranzukommen. + +_Kalinga_ + +Ihr seid alle lter als ich -- ihr seid berufener das zu tun, als ich. + +_Vidarbha_ + +Wir wollen hren, was er zu sagen hat. + +_Grovater_ + +Der _Knig_ ist gekommen. + +_Vidarbha_ (aufspringend) + +Der Knig? + +_Pantschala_ + +Welcher Knig? + +_Kalinga_ + +Woher kommt er? + +_Grovater_ + +Mein Knig! + +_Virat_ + +Dein Knig? + +_Kalinga_ + +Wer ist das? + +_Koschala_ + +Was meinst du? + +_Grovater_ + +Ihr wit alle, wen ich meine. Er ist gekommen. + +_Vidarbha_ + +Er ist gekommen? + +_Koschala_ + +In welcher Absicht? + +_Grovater_ + +Er ladet euch alle vor sich. + +_Kantschi_ + +Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher Form hat es ihm beliebt, uns +vorzuladen? + +_Grovater_ + +Ihr knnt seinen Ruf auf jede Art nehmen, ganz nach Belieben -- niemand +wird euch hindern -- er ist auf jede Art der Begrung gerstet, um +jedem Geschmack zu gengen. + +_Virat_ + +Aber wer bist du? + +_Grovater_ + +Ich bin einer seiner Generale. + +_Kantschi_ + +General! Eine Lge ist es! Denkst du, uns zu schrecken? Bildest du dir +ein, ich knnte nicht durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir kennen +dich alle gut -- und du spielst dich vor uns als General auf! + +_Grovater_ + +Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist so unwrdig wie ich, Trger +der Befehle meines Knigs zu sein? Und doch ist er es, der mich mit +dieser Generalsrstung bekleidet und hierher gesandt hat; er hat mich +vor greren Generalen und mchtigeren Kriegern erwhlt. + +_Kantschi_ + +Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit kommen und bezeigen, +was Schicklichkeit und Freundwilligkeit erfordern -- aber gegenwrtig +sind wir mitten in einem dringenden Geschft. Er wird warten mssen, bis +diese kleine Angelegenheit erledigt ist. + +_Grovater_ + +Wenn er seinen Ruf ergehen lt, wartet er nicht. + +_Koschala_ + +Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort. + +_Vidarbha_ + +Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten, bis diese Angelegenheit +erledigt ist, nicht zustimmen. Ich gehe. + +_Kalinga_ + +Ihr seid lter als ich -- ich folge euch. + +_Pantschala_ + +Sieh hinter dich, Frst von Kantschi, dein kniglicher Schirm liegt im +Staub: du hast nicht beachtet, wie dein Schirmtrger sich fortgestohlen +hat. + +_Kantschi_ + +Wohlan, General. Auch ich gehe -- aber nicht, um ihm Huldigung zu +leisten. Ich gehe, auf dem Schlachtfeld mit ihm zu kmpfen. + +_Grovater_ + +Du wirst meinen Knig auf dem Schlachtfeld treffen: das ist kein +unwrdiger Platz fr deinen Empfang. + +_Virat_ + +Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle vor einem +Schreckgespenst -- es sieht so aus, als ob der Knig von Kantschi den +Vorteil davon haben sollte. + +_Pantschala_ + +Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist es feige und tricht, +fortzugehen, ohne sie zu pflcken. + +_Kalinga_ + +Es ist besser, sich dem Knig von Kantschi anzuschlieen. Er mu einen +bestimmten Plan und Zweck haben, wenn er soviel wagt. + + + + +XVI. + + +Sudarschana und Surangama. + +_Sudarschana_ + +Der Kampf ist nun aus. Wann wird der Knig kommen? + +_Surangama_ + +Ich wei es selbst nicht: ich sehe auch seinem Kommen entgegen. + +_Sudarschana_ + +Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama, da mir die Brust +tatschlich weh tut. Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll ich +ihm mein Gesicht zeigen? + +_Surangama_ + +Geh zu ihm in uerster Demut und Entsagung, und alle Scham wird im Nu +verschwinden. + +_Sudarschana_ + +Ich mu nun schon bekennen, da ich die uerste Demtigung fr mein +ganzes briges Leben gefunden habe. Aber der Stolz war schuld, da +ich so lange den grten Anteil an seiner Liebe begehrte. Alle Welt +sagte immer, ich bese eine so wunderbare Schnheit, solche Reize und +Tugenden; alle Welt sagte immer, der Knig zeigte unbegrenzte Gte gegen +mich -- das macht es fr mich so schwer, mein Herz in Demut vor ihm zu +beugen. + +_Surangama_ + +Diese Schwierigkeit, meine Knigin, wird vergehen. + +_Sudarschana_ + +O ja, sie wird vergehen -- der Tag ist fr mich gekommen, mich vor +der ganzen Welt zu demtigen. Aber warum kommt der Knig nicht, mich +zurckzuholen? Worauf wartet er noch? + +_Surangama_ + +Habe ich dir nicht gesagt, da mein Knig grausam und hart ist -- sehr +hart frwahr? + +_Sudarschana_ + +Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht von ihm. + +_Surangama_ + +Ich wei nicht, wohin ich gehen sollte, um etwas von ihm zu erfahren. +Ich habe Grovater gebeten, zu kommen; vielleicht hren wir, wenn er +kommt, etwas von ihm. + +_Sudarschana_ + +Ach, mein bses Geschick! Es ist so weit mit mir gekommen, da ich andre +fragen mu, um etwas von meinem eignen Knig zu hren! + +Grovater tritt ein. + +_Sudarschana_ + +Ich habe gehrt, da du der Freund meines Knigs bist, so la mich dir +Ehrfurcht bezeugen und gib mir deinen Segen. + +_Grovater_ + +Was tust du, Knigin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen an. Ich will +nichts weiter als jedermanns Kamerad sein. + +_Sudarschana_ + +So schenk mir denn ein freundlich Lcheln -- gib mir gute Kunde. Sag +mir, wann der Knig kommt, mich zurckzuholen. + +_Grovater_ + +Du fragst mich eine schwere Frage, frwahr! Ich verstehe noch kaum die +Wege meines Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber niemand kann +sagen, wohin er gegangen ist. + +_Sudarschana_ + +Ist er denn fortgegangen? + +_Grovater_ + +Ich kann hier keine Spur von ihm finden. + +_Sudarschana_ + +Ist er gegangen? Und nennst du solch einen deinen Freund? + +_Grovater_ + +Deshalb schmhen und verdchtigen ihn die Leute. Aber mein Knig kmmert +sich einfach nicht im geringsten darum. + +_Sudarschana_ + +Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie grausam, wie grausam! Er ist +aus Stein, er ist hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem Herzen +zu bewegen -- es ist zerrissen und blutet -- aber ihn konnte ich nicht +einen Zoll bewegen! Grovater, sag mir, wie kannst du mit solch einem +Freund auskommen? + +_Grovater_ + +Ich kenne ihn nun -- ich habe ihn in meinen Leiden und Freuden +kennengelernt -- er kann mich nicht mehr zum Weinen bringen. + +_Sudarschana_ + +Wird er sich mir nicht auch zu erkennen geben? + +_Grovater_ + +Gewi wird er das, natrlich. Er wird nicht eher ruhen. + +_Sudarschana_ + +Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er sein kann! Ich werde hier am +Fenster stehen, ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht einen Zoll +von der Stelle rhren; ich will sehen, ob er nicht kommt! + +_Grovater_ + +Du bist noch jung -- du kannst es dir leisten, auf ihn zu warten; aber +fr mich alten Mann ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche. Ich +mu hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn finde oder nicht. + +Ab. + +_Sudarschana_ + +Ich brauche ihn nicht -- ich will ihn nicht suchen! Surangama, ich +bedarf deines Knigs nicht! Warum kmpfte er mit den Frsten? Geschah es +berhaupt fr mich? Wollte er sein Heldentum und seine Strke zur Schau +stellen? Geh fort von hier -- ich kann deinen Anblick nicht ertragen. Er +hat mich in den Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden! + + + + +XVII. + + +Eine Schar von Brgern. + +_Erster Brger_ + +Als so viele Knige zusammentrafen, dachten wir, es wrde eine rechte +Kurzweil fr uns geben; aber irgendwie nahm alles eine solche Wendung, +da niemand wei, was berhaupt geschehen ist! + +_Zweiter Brger_ + +Saht ihr nicht, da sie untereinander zu keiner Verstndigung kommen +konnten? -- jeder mitraute dem andern. + +_Dritter Brger_ + +Keiner hielt sich an ihre ursprnglichen Plne; einer wollte vorrcken, +ein anderer hielt den Rckzug fr die bessere Politik; einige wandten +sich nach rechts, andere liefen Sturm nach links: wie kann man das eine +Schlacht heien? + +_Erster Brger_ + +Sie hatten keinen Sinn fr wirklichen Kampf -- jeder hatte seine Augen +auf den andern. + +_Zweiter Brger_ + +Jeder dachte: Warum sollte ich sterben, um es den andern zu +ermglichen, die Ernte einzuheimsen? + +_Dritter Brger_ + +Aber ihr mt alle zugeben: Kantschi kmpfte wie ein wirklicher Held. + +_Erster Brger_ + +Er schien noch lange, nachdem er geschlagen war, nicht gewillt, seine +Niederlage anzuerkennen. + +_Zweiter Brger_ + +Zuletzt wurde ihm von einem tdlichen Wurfgescho die Brust durchbohrt. + +_Dritter Brger_ + +Aber vorher schien er nicht gewahren zu wollen, da er bei jedem Schritt +Boden verloren hatte. + +_Erster Brger_ + +Die andern Knige aber -- nun, keiner wei, wohin sie geflohen sind; den +armen Kantschi lieen sie allein auf dem Feld. + +_Zweiter Brger_ + +Aber ich habe gehrt, er sei noch nicht tot. + +_Dritter Brger_ + +Nein, die rzte haben ihn gerettet -- aber er wird den Stempel seiner +Niederlage bis zum Tag seines Todes auf der Brust tragen. + +_Erster Brger_ + +Keiner von den andern Knigen, die flohen, ist entkommen; sie sind alle +gefangengenommen worden. Aber was ist das fr eine Sorte Justiz, die an +ihnen gebt wurde? + +_Zweiter Brger_ + +Ich habe gehrt, da jeder bestraft wurde, mit Ausnahme von Kantschi, +dem der Richter auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz zu seiner +Rechten anwies und ihm eine Krone aufs Haupt setzte. + +_Dritter Brger_ + +So etwas Unfabares ist noch nicht dagewesen. + +_Zweiter Brger_ + +Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt uns launisch und +grillenhaft vor. + +_Erster Brger_ + +So ist es. Der grte Snder ist ganz gewi der Knig von Kantschi; die +andern trieb einmal Gewinngier vorwrts, und das andre Mal zog sie die +Furcht zurck. + +_Dritter Brger_ + +Was fr eine Sorte Justiz ist das, frage ich? Es ist, wie wenn der Tiger +ungestraft davonkme, whrend sein Schwanz abgeschnitten wrde. + +_Zweiter Brger_ + +Wenn ich der Richter wre, glaubt ihr, Kantschi liefe zur Stunde heil +und gesund herum? Nicht das geringste wre mehr von ihm brig. + +_Dritter Brger_ + +Das sind groe Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne haben ein andres +Geprge wie unsre. + +_Erster Brger_ + +Haben sie berhaupt ein Hirn, mcht' ich wissen? Sie frnen einfach +ihren Launen, da keiner ber ihnen ist, der ihnen etwas sagen drfte. + +_Zweiter Brger_ + +Ihr knnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt in unsern +Hnden wre, htten wir sicher die Regierung besser gefhrt als so. + +_Dritter Brger_ + +Kann darber berhaupt noch Zweifel bestehen? Das versteht sich +natrlich von selbst. + + + + +XVIII. + + +Die Strae. Grovater und Kantschi. + +_Grovater_ + +Wie, Frst von Kantschi, du hier? + +_Kantschi_ + +Dein Knig hat mich auf die Strae geschickt. + +_Grovater_ + +Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm. + +_Kantschi_ + +Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken. + +_Grovater_ + +Auch das gehrt zu seinen Vergngungen. + +_Kantschi_ + +Aber wie lange will er mir noch so ausweichen? Als nichts mich dazu +bringen konnte, ihn als meinen Knig anzuerkennen, kam er pltzlich +daher wie ein schrecklich gewaltiger Sturm -- Gott wei, woher -- und +zersprengte meine Leute und Pferde und Banner in einen einzigen wilden +Aufruhr: nun aber, wo ich die Grenzen der Erde absuche, um ihm meine +demtige Huldigung zu erweisen, ist er nirgends zu sehen. + +_Grovater_ + +Aber wie gro er als Knig auch sein mag, er hat sich dem zu fgen, der +sich unterwirft. Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert, Frst? + +_Kantschi_ + +Ich kann ein geheimes Gefhl der Angst noch nicht loswerden, die Leute +knnten mich auslachen, wenn sie sehen, wie ich euerm Knig demtig +meine Huldigung darbringe und meine Niederlagen anerkenne. + +_Grovater_ + +So sind die Leute in der Tat. Was andre zu Trnen rhren wrde, dient +nur dazu, ihr leeres Lachen hervorzurufen. + +_Kantschi_ + +Aber du bist auch auf der Strae, Grovater. + +_Grovater_ + +Ich bin auf der frhlichen Pilgerfahrt zu dem Land, wo man alles +verliert. + +_Gesang des Grovaters_ + + Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren. + Ich laure am Straenrand auf den, der einen hinaus auf die Strae + schickt, + Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt, + Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben, + Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren. + + + + +XIX. + + +Eine Strae. Sudarschana und Surangama. + +_Sudarschana_ + +Welche Erlsung, Surangama, welche Freiheit! Meine Niederlage ist es, +die mir die Freiheit gebracht hat. Oh, was besa ich fr einen ehernen +Stolz! Nichts konnte ihn rhren oder erweichen. Mein verfinsterter Geist +konnte auf keine Weise dazu gebracht werden, die schlichte Wahrheit zu +sehen, da nicht der Knig zu kommen hatte, sondern da ich zu ihm gehen +sollte. Die ganze Nacht hindurch gestern lag ich allein im Staub auf +dem Boden am Fenster -- lag da trostlose Stunden lang und weinte! Die +ganze Nacht bliesen die Sdwinde und schrien und sthnten wie die Qual, +die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch hrte ich das klagende: +Sprich, Weib! des Nachtvogels, das in dem Aufruhr drauen als Echo +tnte!... Es war das hilflose Wehklagen der dunklen Nacht, Surangama! + +_Surangama_ + +Die schwere melancholische Weise der letzten Nacht schien eine Ewigkeit +forttnen zu wollen -- oh, welch trbe dstere Nacht! + +_Sudarschana_ + +Aber willst du es glauben -- mir war, ich hrte die sanften Akkorde +der Laute durch all den wilden Lrm und Aufruhr strmen! Konnte er so +se und zarte Weisen spielen, er, der so grausam und schrecklich ist? +Die Welt kennt nur meine Entwrdigung und Schmach -- aber keiner als +mein eigenes Herz konnte diese Akkorde hren, die durch die einsame und +klagende Nacht hin nach mir riefen. Hrtest du, Surangama, diese Laute +auch? Oder war das nur ein Traum von mir? + +_Surangama_ + +Aber eben um die Musik dieser Laute zu hren, bin ich ja immer an deiner +Seite. Auf diesen Ruf der Musik, von dem ich wute, er wrde eines Tages +kommen und all die Schranken der Liebe zunichte machen, habe ich mit +gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht. + +_Sudarschana_ + +Schlielich schickte er mich auf die Landstrae -- ich konnte seinem +Willen nicht widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die ersten Worte +sein, die ich ihm sage: Ich bin freiwillig gekommen -- ich habe nicht +abgewartet, bis du kamst. Ich werde sagen: Um deinetwillen bin ich die +harten beschwerlichen Straen gewandert, und bitter und unaufhrlich war +auf dem ganzen Weg mein Weinen. Ich werde wenigstens diesen Stolz in +mir haben, wenn ich zu ihm komme. + +_Surangama_ + +Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er kam vor dir -- wer sonst +htte dich auf die Strae schicken knnen? + +_Sudarschana_ + +Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefhl gekrnkten Stolzes in +mir war, mute ich glauben, er htte mich fr immer verlassen; aber +als ich meine Wrde und meinen Stolz in die Winde schleuderte und auf +die gemeinen Straen hinausging, da schien es mir, als wre auch er +herausgekommen: ich habe angefangen, ihn zu finden, seit ich auf der +Strae bin. Ich frchte nun nichts mehr. All diese Leiden, durch die +ich um seinetwillen hindurchgegangen bin, gerade die Bitterkeit all +dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist gekommen, er hat mich +bei der Hand genommen, gerade wie er es in jener Kammer der Dunkelheit +gern tat, wo bei seiner Berhrung all mein ganzer Leib in pltzlicher +Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berhrung wieder! Wer sagt, er +sei nicht hier? -- Surangama, kannst du nicht sehen, da er gekommen +ist, schweigend und insgeheim?... Wer ist jener dort? Sieh, Surangama, +dort ist ein dritter Wanderer auf dieser dunklen Strae zu dieser +nchtlichen Stunde. + +_Surangama_ + +Ich sehe, es ist der Knig von Kantschi, meine Knigin. + +_Sudarschana_ + +Der Knig von Kantschi! + +_Surangama_ + +Frchte dich nicht, meine Knigin! + +_Sudarschana_ + +Frchten! Warum sollte ich mich frchten? Die Tage der Furcht sind fr +mich fr immer vorbei. + +_Kantschi_ (tritt auf) + +Mtterchen Knigin, ich sehe euch beide auf dieser Strae! Ich bin ein +Wanderer auf demselben Weg wie du. Habe keine Furcht vor mir, o Knigin! + +_Sudarschana_ + +Es ist gut, Knig von Kantschi, da wir zusammen gehen, Seite an Seite +-- das ist nur in Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst mein +Heim verlie, und nun begegne ich dir wieder auf dem Rckweg. Wer htte +sich trumen lassen, da diese unsre Begegnung voll so guter Verheiung +war? + +_Kantschi_ + +Aber, Mtterchen Knigin, es gebhrt sich nicht, da du zu Fu ber +diese Strae wanderst. Willst du mir gestatten, einen Wagen fr dich zu +besorgen? + +_Sudarschana_ + +Oh, sage das nicht: ich wre nie wieder glcklich, wenn ich nicht auf +meinem Rckweg nach Hause auf den Staub der Strae treten knnte, die +mich von meinem Knig weggefhrt hat. Ich wrde mich selbst betrgen, +wenn ich jetzt in einem Wagen fahren wrde. + +_Surangama_ + +Knig, auch du wanderst heute im Staub: diese Strae hat niemals einen +gekannt, der Pferd oder Wagen ber sie gelenkt htte. + +_Sudarschana_ + +Als ich die Knigin war, schritt ich auf Silber und Gold -- ich habe nun +fr das Unglck meiner kniglichen Geburt zu ben, indem ich auf Staub +und nackter Erde wandre. Ich htte mir nicht trumen lassen, da ich +heute bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub der Erde meinen Knig +finden wrde. + +_Surangama_ + +Sieh, meine Knigin, dort im Osten dmmert der Morgen. Wir haben nicht +mehr lange zu wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen Trme des +Knigspalastes. + +Der Grovater tritt auf. + +_Grovater_ + +Mein Kind, es tagt -- endlich! + +_Sudarschana_ + +Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben, und hier bin ich nun. + +_Grovater_ + +Aber siehst du, was fr schlechte Manieren unser Knig hat? Er hat +keinen Wagen geschickt, keine Musik, nichts von Glanz und Pracht. + +_Sudarschana_ + +Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der Himmel ist rosig und +purpurn ber und ber, und die Luft ist voll von dem Willkommgru der +Blumendfte. + +_Grovater_ + +Ja, aber so grausam unser Knig sein mag, drfen wir doch nicht suchen, +mit ihm zu wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht erwehren, wenn +ich dich in diesem Zustand sehe, mein Kind. Wie knnen wir ertragen, +dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet in den Knigspalast +eingehn zu sehen? Warte etwas -- ich laufe und hole dir deine +Knigsgewnder. + +_Sudarschana_ + +O nein, nein, nein! Er hat diese Knigskleider fr immer von mir +genommen -- er hat mich vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid einer +Magd gekleidet: welche Erlsung ist das fr mich gewesen! Ich bin nun +seine Magd, nicht lnger seine Knigin. Heute stehe ich tiefer als alle +die, die irgendeine Verwandtschaft mit ihm beanspruchen knnen. + +_Grovater_ + +Aber deine Feinde werden nun ber dich lachen: wie kannst du ihren Spott +ertragen? + +_Sudarschana_ + +La ihr Gelchter und ihren Spott unauslschlich sein -- la sie auf den +Straen Staub nach mir werfen: dieser Staub wird heute der Puder sein, +mit dem ich mich schmcken will, ehe ich meinem Herrn entgegentrete. + +_Grovater_ + +Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun wollen wir das letzte Spiel +unsres Frhlingsfestes spielen -- anstatt mit Bltenstaub soll der +Sdwind alles mit dem Staub der Demut berschtten! Wir werden zum Herrn +gehen, gekleidet in das gemeine Grau des Staubes. Und wir werden auch +ihn ber und ber mit Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die Leute +schonen ihn? Selbst er kann ihren schmutzigen und staubigen Hnden +nicht entgehen, und er denkt nicht einmal daran, den Schmutz von seinen +Kleidern zu brsten. + +_Kantschi_ + +Grovater, vergi mich nicht in deinem Spiel! Ich will auch dies mein +Knigsgewand beschmutzen lassen, bis es nicht mehr zu erkennen ist. + +_Grovater_ + +Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder. Nun du so tief +heruntergekommen bist, wirst du deine Farbe in krzester Frist wechseln. +Sieh nur unsre Knigin an -- sie geriet in Zorn gegen sich selbst und +dachte, sie knnte ihre unvergleichliche Schnheit zerstren, indem +sie all ihren Schmuck wegwarf: aber diese Beleidigung ihrer Schnheit +lie sie in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist sie in dieser +Schmucklosigkeit zur Vollendung gelangt. Unser Knig selbst ist +gestaltlos und ohne Schnheit, darum liebt er sie in seinen mannigfachen +Erscheinungen als seinen hchsten Schmuck. Und diese Schnheit hat heute +den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan! Was gbe ich nicht darum, +wenn ich die wunderbare Musik und den Gesang hren drfte, der heute +meines Knigs Palast erfllt! + +_Surangama_ + +Seht, dort geht die Sonne auf! + + + + +XX. + + +Die dunkle Kammer. + +_Sudarschana_ + +Herr, gib mir die Ehre nicht zurck, die du mir einmal genommen hast! +Ich bin die Magd deiner Fe -- ich suche kein andres Vorrecht, als dir +zu dienen. + +_Knig_ + +Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen? + +_Sudarschana_ + +O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stie mich zurck, weil ich dich +im Lustgarten, in meinen frstlichen Gemchern gesucht hatte: da sieht +noch dein geringster Diener geflliger aus als du. Dieses Fieber des +Verlangens hat meine Augen fr immer verlassen. Du bist nicht schn, o +Herr -- du stehst ber allem Vergleich! + +_Knig_ + +Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir selbst. + +_Sudarschana_ + +Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich. Deine Liebe lebt in +mir -- du wirst gespiegelt in dieser Liebe, und du siehst dein Antlitz +abgebildet in mir: nichts davon mein, es ist alles dein, o Herr! + +_Knig_ + +Ich ffne heute die Tr dieser dunklen Kammer -- das Spiel hier ist zu +Ende! Komm, komm jetzt mit mir, komm hinaus -- _ins Licht_! + +_Sudarschana_ + +Ehe ich gehe, la mich dir zu Fen mich beugen, o Herr des Dunkels, du +Grausamer, Furchtbarer, Unvergleichlicher! + +ENDE + + +Funote: + +[A] Whrend des indischen Frhlingsfestes bewirft man sich +gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stck wird der rote Puder als +Symbol der Liebesleidenschaft genommen.] + + + + +Anmerkung zur Transkription: +Auf Seite 19 wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklrst du du das +ohne einen Knig?'). + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der Knig der dunklen Kammer, by +Rabindranath Tagore + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KNIG DER DUNKLEN KAMMER *** + +***** This file should be named 44250-8.txt or 44250-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/4/4/2/5/44250/ + +Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the +Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you +do not charge anything for copies of this eBook, complying with the +rules is very easy. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation information page at www.gutenberg.org + + +Section 3. 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Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/44250-8.zip b/old/44250-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..4feca4d --- /dev/null +++ b/old/44250-8.zip diff --git a/old/44250-h.zip b/old/44250-h.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..b87b30e --- /dev/null +++ b/old/44250-h.zip diff --git a/old/44250-h/44250-h.htm b/old/44250-h/44250-h.htm new file mode 100644 index 0000000..bd5de05 --- /dev/null +++ b/old/44250-h/44250-h.htm @@ -0,0 +1,5762 @@ +<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" + "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> +<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> + <head> + <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=UTF-8" /> + <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> + <title> + The Project Gutenberg eBook of Der König der dunklen Kammer, by Rabindranath Tagore. + </title> + <link rel="coverpage" href="images/cover_ebook.jpg" /> + <style type="text/css"> + +body { + max-width: 40em; + margin: auto; +} + +h1 { + text-align: center; + clear: both; + line-height: 1.4; + letter-spacing: 0.2em; + margin-right: -0.2em; +} + +h2 { + text-align: center; + clear: both; +} + +p { + margin-left: 2em; + margin-right: 3em; + margin-top: .51em; + text-align: justify; + margin-bottom: .49em; +} + +hr.chap { + width: 65%; + margin-top: 2em; + margin-bottom: 2em; + margin-left: auto; + margin-right: auto; + clear: both; +} + +table { + margin-left: auto; + margin-right: auto; +} + +a[title].pagenum +{ + position: absolute; + right: 3%; +} + +a[title].pagenum:after +{ + content: attr(title); + border: 1px solid silver; + display: inline; + font-size: x-small; + text-align: right; + color: #808080; + background-color: inherit; + font-style: normal; + padding: 1px 4px 1px 4px; + font-variant: normal; + font-weight: normal; + text-decoration: none; + text-indent: 0; + letter-spacing: 0; +} + +.center {text-align: center;} + +.gesperrt { + letter-spacing: 0.2em; + margin-right: -0.2em; +} + +em.gesperrt { + font-style: normal; +} + +.title { + letter-spacing: 0.2em; + text-align: center; + font-size: larger; + line-height: 1.6; + font-weight: bold; +} + +.footnote {margin-left: 10%; margin-right: 10%; font-size: 0.9em;} + +.fnanchor { + vertical-align: super; + font-size: .8em; + text-decoration: + none; +} + +.verse { + text-indent: -2em; + margin-left: 4em; + text-align: left; +} + +.space-above { + margin-top: 8em; +} + +.klammer { + border-left: thin solid black; + padding:1em; +} + +.character { + text-align: center; + font-style: italic; + page-break-after: avoid; +} + +.character_inline { + font-style: italic; +} + +.regie { + text-align: center; + font-style: normal; + font-size: smaller; +} +.regie_inline { + font-style: italic; +} + +.u { + text-decoration: underline; +} + +.transcribers-note { + background-color: #fafafa; + border: 1px dashed #808080; + padding: 0 0.75em; + margin: 6em auto; + max-width: 100%; +} + +@media handheld { + hr.chap {width: 0%} +} + + </style> + </head> +<body> + + +<pre> + +Project Gutenberg's Der König der dunklen Kammer, by Rabindranath Tagore + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Der König der dunklen Kammer + +Author: Rabindranath Tagore + +Translator: Hedwig Lachmann + Gustav Landauer + +Release Date: November 21, 2013 [EBook #44250] + +Language: German + +Character set encoding: UTF-8 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KÖNIG DER DUNKLEN KAMMER *** + + + + +Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the +Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + + + + + +</pre> + + +<p class="title">RABINDRANATH TAGORE</p> +<h1>DER KÖNIG<br /> +DER DUNKLEN<br /> +KAMMER</h1> + +<p class="title space-above">MÜNCHEN<br /> +KURT WOLFF VERLAG</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_1" title="1"> </a></p> + +<p class="center space-above">Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der<br /> +von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten<br /> +englischen Ausgabe ins Deutsche übertragen von<br /> +Hedwig Lachmann und Gustav Landauer</p> +<p class="center">*</p> +<p class="center">Das Recht der Aufführung ist zu erwerben durch<br /> +die Vereinigten Bühnenvertriebe: Drei Masken<br /> +Georg Müller * Erich Reiß * Kurt Wolff<br /> +Verlag, Berlin W 30</p> + +<p class="center space-above">14.—18. Tausend<br /> +Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig<br /> +Gedruckt im Frühjahr 1921 bei Poeschel & Trepte in<br /> +Leipzig * Einbände von der Leipziger Buchbinderei A.-G.,<br /> +vorm. Gust. Fritzsche in Leipzig</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_2" title="2"> </a></p> +<hr class="chap" /> +<p><a class="pagenum" name="Page_3" title="3"> </a></p> + +<h2><a name="PERSONEN" id="PERSONEN">PERSONEN</a></h2> +<table id="cast" summary="Personenliste" style="border-spacing:1em;"> + <tr> + <td colspan="2">Der König</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Königin Sudarschana</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">König von Kanya Kubja, ihr Vater</td> + </tr> + <tr> + <td>Avanti<br />Koschala<br />Kantschi<br />Vidarbha<br />Kalinga<br />Pantschala<br />Virat</td> + <td class="klammer">Könige</td> + </tr> + <tr> + <td>Surangama<br />Rohini</td> + <td class="klammer">Ehrendamen der Königin</td> + </tr> + <tr> + <td>Virupakscha<br />Vischu</td> + <td class="klammer">Bürger</td> + </tr> + <tr> + <td>Janardan<br />Kaundilya<br />Bhavadatta</td> + <td class="klammer">Reisende</td> + </tr> + <tr> + <td>Kumbha<br />Madhav<br />Vivajadatta</td> + <td class="klammer">Landleute<a class="pagenum" name="Page_4" title="4"> </a></td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Der Großvater</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Der tolle Freund</td> + </tr> + <tr> + <td>Minister<br />Bote<br />Türhüter</td> + <td class="klammer">des Königs Kanya Kubja</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Dienerin der Königin Sudarschana</td> + </tr> + <tr> + <td>Erster<br />Zweiter</td> + <td class="klammer">Gärtner</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Stadtwächter</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Suvarna, der falsche König</td> + </tr> + <tr> + <td>Erster<br />Zweiter</td> + <td class="klammer">Herold des „Königs”</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Bürger, Landleute, Gärtner, Knaben</td> + </tr> + <tr> + <td colspan="2">Reisende, Wachen.</td> + </tr> +</table> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_5" title="5"> </a></p> + + + + +<h2><a name="I" id="I">I.</a></h2> + + +<p class="regie">Eine Straße.</p> +<p class="regie">Etliche Reisende und ein Stadtwächter.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>He, Mann!</p> + +<p class="character">Stadtwächter</p> + +<p>Was wollt ihr?</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind +hier fremd. Bitte, sage uns, welches die rechte +Straße ist.</p> + +<p class="character">Stadtwächter</p> + +<p>Wohin wollt ihr gehn?</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Wo dieses große Fest stattfinden soll, weißt +du. Welchen Weg gehen wir?</p> + +<p class="character">Stadtwächter</p> + +<p>Eine Straße ist hier genau so gut wie die +andre. Jede Straße wird euch hinführen. Geht<a class="pagenum" name="Page_6" title="6"> </a> +geradeaus, und ihr könnt den Ort nicht verfehlen.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Hört nur, was der Narr sagt: „Jede Straße +wird euch hinführen!” Was hätte das dann +für einen Sinn, so viele Straßen zu haben?</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Du brauchst darüber nicht so außer dir zu +sein, mein Lieber. Es steht einem Land frei, +seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten. +Was Straßen betrifft in unserm Land — nun, +so sind so gut wie keine vorhanden; enge, +krumme Gäßchen, ein Labyrinth von Wagen- +und Fußspuren. Unser König glaubt nicht an +freie Fahrstraßen; er meint, so viele Straßen +im Land, so viele Ausgänge für seine Untertanen, +seinem Königreich zu entfliehen. Hier +ist es gerade das Umgekehrte; niemand steht +einem im Weg, niemand hat etwas dagegen, +daß man anderswohin geht, wenn man Lust +hat; und doch denken die Leute nicht daran, +dieses Reich zu verlassen. Bei solchen Straßen<a class="pagenum" name="Page_7" title="7"> </a> +wäre unser Land sicher in kürzester Frist entvölkert.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt, +daß das ein großer Fehler an deinem +Charakter ist.</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>Was denn?</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Daß du immer auf dein Land sticheln mußt. +Wie kannst du glauben, freie Landstraßen +könnten für ein Land gut sein? Sieh einmal, +Kaundilya, da ist ein Mann, der tatsächlich +glaubt, freie Landstraßen seien die Rettung +für ein Land.</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst +von neuem festzustellen, daß Janardan mit +einem merkwürdig schiefen Verstand gesegnet +ist, der ihn sicher eines Tages in Gefahr +bringen wird. Wenn der König von unserm +werten Freund zu hören bekommt, wird er es +ihm nicht gerade leicht machen, einen zu finden, +der für sein Begräbnis sorgt, wenn er +tot ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_8" title="8"> </a></p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Man hat doch das Gefühl, daß das Leben in +diesem Lande recht schwer sein muß; man +vermißt die Freuden der Einsamkeit in diesen +Straßen — dieses Drängen und Schulterstreifen +mit fremden Menschen bei Tag und +Nacht läßt einen nach einem Bad verlangen. +Und mit was für einer Sorte Menschen mag +man auf diesen öffentlichen Wegen zusammenkommen +— puh!</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Und gerade Janardan hat uns überredet, in +dieses kostbare Land zu kommen! Wir hatten +nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer +Familie. Du hast meinen Vater natürlich gekannt; +er war ein großer Mann, ein frommer +Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes +Leben innerhalb eines Kreises von 49 Ellen +Radius, der mit peinlicher Befolgung der Gebote +der heiligen Schriften gezogen war, und +nie überschritt er diesen Kreis auch nur ein +einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich +eine ernsthafte Schwierigkeit — wie sollte man +ihn innerhalb der Grenzen der 49 Ellen und<a class="pagenum" name="Page_9" title="9"> </a> +doch außerhalb des Hauses verbrennen? +Schließlich entschieden die Priester, daß wir +zwar nicht über die Schriftzahl hinausgehen +durften, daß es aber einen Weg aus der +Schwierigkeit gab, die Ziffer umzukehren und +94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn +außerhalb des Hauses verbrennen, ohne die +heiligen Bücher zu verletzen. Auf mein Wort, +<em>das</em> war genaue Befolgung! Unser Land hat +wirklich nicht leicht seinesgleichen.</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Und doch will Janardan, der dem nämlichen +Boden entstammt, uns weismachen, freie +Landstraßen seien das beste für ein Land.</p> + +<p class="regie">Die Fremden gehen ab.</p> + +<p class="regie">Der Großvater mit einer Knabenschar tritt auf.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Jungen, heute müssen wir es mit dem wilden +Südwind aufnehmen — und wir wollen uns +nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis +wir mit unsern Jubelliedern alle Straßen überflutet +haben.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_10" title="10"> </a></p> + +<p class="character">Lied</p> + +<div class="verse">Das Südtor ist entriegelt. Komm, mein Frühling, komm!</div> +<div class="verse">Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frühling, komm!</div> +<div class="verse">Komm in den lispelnden Blättern, in den Blüten, die froh sich verschwenden;</div> +<div class="verse">Komm in den Flötenliedern und den sehnenden Seufzern der Wälder!</div> +<div class="verse">Laß dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein Frühling, komm!</div> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="regie">Eine Schar von Bürgern tritt auf.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Schließlich kann man nur wünschen, daß der +König sich wenigstens an diesem einen Tag +hätte sehen lassen. Es ist doch sehr schade: +man lebt in seinem Königreich und hat ihn +noch nicht ein einziges Mal gesehen!</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses<a class="pagenum" name="Page_11" title="11"> </a> +Geheimnisses! Ich könnte ihn dir sagen, wenn +du schweigen könntest.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Lieber Freund, wir wohnen beide im nämlichen +Stadtviertel, aber hast du je gehört, daß +ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert +hätte? Natürlich, die Sache damals, als dein +Bruder beim Graben eines Brunnens einen +Schatz gefunden hatte — nun, du weißt ganz +gut, warum ich darüber reden mußte. Du +kennst den ganzen Zusammenhang.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Natürlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn +kenne, frage ich, könntest du schweigen? +Weißt du, es könnte Verderben für uns alle +bedeuten, wenn du ein einziges Mal davon +sprächest.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha! +Warum brennst du darauf, ein Unheil herbeizuführen, +das bis jetzt nur geschehen <em>kann</em>? +Wer wird die Verantwortung auf sich nehmen +wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben lang +zu wahren?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_12" title="12"> </a></p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Es war nur, weil die Rede darauf kam — also +gut, ich werde nichts sagen. Ich bin nicht der +Mann, der unnütz redet. Ihr hattet selbst die +Frage aufs Tapet gebracht, daß der König sich +nie zeigt; und ich bemerkte bloß, es sei nicht +umsonst, daß der König sich vor dem Blick +der Öffentlichkeit verschließt.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Bitte, sag uns, warum, Virupakscha.</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Natürlich nehme ich keinen Anstand, es euch +zu sagen — wir sind ja alle gute Freunde, nicht +wahr? Das kann nicht gefährlich sein. (<span class="regie_inline">Mit +leiser Stimme:</span>) Der König — ist — häßlich —, +so hat er den Entschluß gefaßt, sich seinen +Untertanen nie zu zeigen.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Hah! Das ist es! Das muß es sein. Wir haben +uns immer gewundert..., der bloße Anblick +eines Königs läßt die Menschen in allen Ländern +vor Furcht zittern wie Espenlaub; warum +sollte da <em>unser</em> König sich von keinem sterblichen<a class="pagenum" name="Page_13" title="13"> </a> Auge je sehen lassen? Selbst wenn er +nur herauskäme, um uns alle zum Galgen zu +verdammen, könnten wir sicher sein, daß +unser König kein Trug ist. Schließlich scheint +mir Virupakschas Erklärung doch ganz einleuchtend.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Nicht die Spur — ich glaube keine Silbe davon.</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Wie, Vischu, willst du sagen, ich wäre ein +Lügner?</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Das gerade nicht — aber ich kann deine +Theorie nicht annehmen. Entschuldige mich, +ich kann nichts dafür, wenn ich ein bißchen +grob und plump scheine.</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Kein Wunder, daß du an meine Worte nicht +glauben kannst — wo du dich weise genug +dünkst, die Meinungen deiner Eltern und +Oberen zu verwerfen. Wie lange, glaubst du, +hättest du in diesem Lande bleiben dürfen, +wenn der König nicht im Verborgenen bliebe?<a class="pagenum" name="Page_14" title="14"> </a> +Du bist nicht besser als ein offenkundiger +Ketzer.</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Mein lieber Pfeiler der Rechtgläubigkeit! +Glaubst du, irgendein anderer König hätte gezögert, +dir die Zunge abschneiden und sie den +Hunden zum Fraß vorwerfen zu lassen? Und +du hast die Stirne, zu sagen, unser König wäre +den Augen ein Greuel?</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Hör einmal, Vischu, willst du deine Zunge im +Zaum halten?</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Man braucht wohl nicht erst festzustellen, +wessen Zunge einen Zaum braucht.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Jetzt wird die Sache gefährlich. Da mache ich +lieber nicht mit.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="regie">Eine Zahl Männer tritt auf, die in lärmendem Übermut +<span class="character_inline">Großvater</span> mit sich schleppen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Großpapa, etwas fällt mir heute auf...</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_15" title="15"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was ist es?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu +unserm Fest entsandt, doch jedweder fragt: +„Alles ist reizend und schön — wo aber ist +euer König?” und wir wissen nicht, was wir +antworten sollen. Das ist die eine große Lücke, +die sich jedem in unserm Lande fühlbar +machen muß.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>„Lücke”, sagst du! Wie, das ganze Land ist +ganz erfüllt und geladen und gestopft voll von +dem König: und du nennst ihn eine „Lücke”! +Wie, er hat jeden einzigen unter uns zum gekrönten +König gemacht!</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Wir sind alle Könige im Königreich unsres Königs.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> +<div class="verse">Wir tun, was wir wollen, und tun doch, was er will; +<a class="pagenum" name="Page_16" title="16"> </a></div> +<div class="verse">Nicht als furchtgefesselte Sklaven liegen wir ihm zu Füßen.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> +<div class="verse">Unser König ehrt jedweden von uns, und dadurch ehrt er sich selbst.</div> +<div class="verse">Keine Armseligkeit kann uns für immer umschließen mit ihren Wällen der Lüge.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> +<div class="verse">Wir bahnen uns mühsam den eigenen Pfad und erreichen so seinen am Ende.</div> +<div class="verse">Wir können nimmer verlorengehn im Abgrund der dunklen Nacht.</div> +<div class="verse">Wär es nicht so, wie könnten wir hoffen, im Herzen ihm zu begegnen!</div> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Aber wirklich, ich kann die sinnlosen Sachen +nicht mit anhören, die die Leute über unsern +König sagen, bloß weil er sich nicht öffentlich +zeigt.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Stellt euch nur vor! Jeder, der mich beleidigt, +kann bestraft werden, während niemand einem<a class="pagenum" name="Page_17" title="17"> </a> +Schuft den Mund stopfen kann, dem es einfällt, +auf den König zu schimpfen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Der Schimpf kann den König nicht treffen. +Mit einem bloßen Hauch kannst du die +Flamme ausblasen, die eine Lampe von der +Sonne borgt, aber wenn auch die ganze Welt +versuchte, die Sonne auszublasen, bliebe ihr +strahlender Glanz unverdunkelt und ungeschwächt +wie zuvor.</p> + +<p class="regie">Vischu und Virupakscha treten auf.</p> + +<p class="character">Vischu</p> + +<p>Da ist der Großvater! Hör doch, dieser Mann +geht herum und erzählt jedem, unser König +käme nicht heraus, weil er häßlich wäre.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber warum macht dich das ärgerlich, +Vischu? <em>Sein</em> König muß häßlich sein, denn +wie könnte sonst Virupakscha in seinem Königreich +so ein Gesicht haben? Er formt seinen +König nach seinem Bilde, wie er es im Spiegel +sieht.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_18" title="18"> </a></p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Großvater, ich will keine Namen nennen, aber +keinem würde es einfallen, dem nicht zu +glauben, der mir die Neuigkeit anvertraute.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Bist du selbst denn nicht die beste Autorität?!</p> + +<p class="character">Virupakscha</p> + +<p>Aber ich könnte dir Beweise geben...</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Die Unverschämtheit dieses Burschen kennt +keine Grenzen! Nicht zufrieden, mit dreister +Stirn ein abscheuliches Gerücht zu verbreiten, +will er seine Lügen mit Frechheit aufwägen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Warum nehmen wir ihm nicht in ganzer Länge +das Maß hier am Boden?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Warum so hitzig, Freunde? Der arme Kerl +feiert sein Fest auf seine Art, indem er die +Häßlichkeit seines Königs besingt. Geh nur,<a class="pagenum" name="Page_19" title="19"> </a> +Virupakscha, du wirst eine Menge Leute finden, +die bereit sind, dir zu glauben! Viel Glück +in ihrer Gesellschaft.</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="regie">Die <span class="character_inline">Gesellschaft der Fremden</span> tritt wieder auf.</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Mir kommt der Gedanke, Kaundilya, daß +dieses Volk überhaupt keinen König hat. Sie +haben es irgendwie zuwege gebracht, das Gerücht +in Umlauf zu halten.</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Ich glaube, du hast recht. Wir wissen alle, +daß das Höchste, was einem in jedem Lande +ins Auge fällt, der König ist, der natürlich +keine Gelegenheit versäumt, sich sehen zu +lassen.</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>Aber seht die gute Zucht und Ordnung, die in +dem ganzen Orte herrscht — wie erklärst +du das ohne einen König?</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>So, das ist also die Weisheit, zu der du gekommen +bist, und hast so lange unter einem<a class="pagenum" name="Page_20" title="20"> </a> +Herrscher gelebt? Wozu brauchte man einen +König, wenn man schon Zucht und Ordnung +hätte?</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>All diese Menschen sind versammelt, um auf +diesem Fest froh zu sein. Meinst du, sie +könnten dergestalt in einem Lande der Anarchie +zusammen kommen?</p> + +<p class="character">Bhavadatta</p> + +<p>Mein lieber Janardan, du umgehst, wie gewöhnlich, +worum es sich in Wirklichkeit +handelt. Was Zucht und Ordnung anlangt, da +gibt es keine Frage und auch die Festesfreude +ist klar genug: soweit besteht keine Schwierigkeit. +Aber wo ist der König? Hast du ihn gesehen? +Das mußt du uns sagen.</p> + +<p class="character">Janardan</p> + +<p>Was ich zu sagen habe, ist dieses: man weiß +aus Erfahrung, daß Chaos und Anarchie sein +kann, selbst wo ein König da ist: aber was +sehen wir hier?</p> + +<p class="character">Kaundilya</p> + +<p>Immer kommst du mit deinen Ausflüchten.<a class="pagenum" name="Page_21" title="21"> </a> +Warum kannst du nicht auf Bhavadattas Frage +eine gerade Antwort geben — Hast du den +König gesehen, oder hast du ihn nicht gesehen! +Ja oder nein?</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="regie">Eine Schar von Männern tritt auf und singt.</p> + +<p class="character">Lied</p> + +<div class="verse">Mein Geliebter ist nimmer in meinem Herzen,</div> +<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall,</div> +<div class="verse">Er wohnt in der Tiefe meiner Augen,</div> +<div class="verse">Darum erblick ich ihn allüberall.</div> +<div class="verse">Ich wanderte weit, seine Worte zu hören,</div> +<div class="verse">Ach, aber vergebens!</div> +<div class="verse">Als ich heimkam, hörte ich sie</div> +<div class="verse">In meinen eigenen Liedern.</div> +<div class="verse">Wer bist du und suchst ihn wie ein Bettler von Tür zu Tür!</div> +<div class="verse">Komm an mein Herz und erblicke sein Antlitz in den Tränen meiner Augen!</div> + +<p class="regie"><span class="character_inline">Herolde</span> und <span class="character_inline">Leibwächter</span> des <span class="character_inline">Königs</span> treten auf.</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Platz da! Räumt die Straße, allesamt!</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Oho, Mann, wofür hältst du dich? Angeboren<a class="pagenum" name="Page_22" title="22"> </a> +scheint dir dieser stolze Schritt nicht gerade zu +sein, mein Freund. — Warum Platz da, werter +Herr? Warum sollen wir von der Stelle +weichen? Sind wir Straßenhunde, oder was +sonst?</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Der König kommt dieses Wegs.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>König? Was für ein König?</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Unser König, der König dieses Landes.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Wie, ist der Bursche toll? Wer hat je gehört, +daß unser König herauskam und sich solche +Schreier zu Herolden wählte.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Der König will sich nicht länger seinen Untertanen +entziehen. Er kommt, um das Fest selbst +zu leiten.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Bruder, verhält sich das so?</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Sieh hin, dort flattert sein Banner.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_23" title="23"> </a></p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ah, wirklich, das ist eine Fahne.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Siehst du die rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ja, ja, es ist wirklich der <i>Kimschuk</i>! — welch +strahlende Scharlachblüte!</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Nun also, glaubst du uns nun?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ich hab nie gesagt, ich glaubte euch nicht. +Der Bursche da, Kumbha, hat den ganzen +Lärm angefangen. Hab ich ein Wort gesagt?</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Einen dicken Bauch hat er ja, aber innen ist +er vielleicht ganz leer; du weißt, ein leerer +Topf dröhnt am lautesten.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Was ist das für einer? Ist er irgendwie mit +euch verwandt?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ganz und gar nicht. Er ist nur eben ein Vetter<a class="pagenum" name="Page_24" title="24"> </a> +vom Schwiegervater unsres Dorfschulzen, und +er wohnt nicht einmal im selben Teil unsres +Dorfes wie wir.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Aha! so sieht er auch aus! Wie der Vetter siebenten +Grades von irgend jemandes Schwiegervater, +und sein Verständnis scheint auch den +Stempel der Schwiegeronkelschaft zu tragen.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Ach, liebe Freunde, manch bitterer Kummer +hat meinem armen Geist einen Stoß versetzt, +bis er so geworden ist. Erst unlängst kam ein +König und prunkte in den Straßen und sandte +so viele Titel vor sich her wie Trommeln, die +durch ihren Lärm den Aufenthalt in der +Stadt unerträglich machten... Was tat ich nicht +alles, um ihm zu dienen und zu Gefallen zu +sein! Ich überschüttete ihn mit Geschenken, +ich hing mich an ihn wie ein Bettler — und +schließlich fand ich den Druck auf meine Einnahmen +zu schwer zu tragen. Aber was war +das Ende der ganzen Pracht und Majestät? Als +man ihm mit Gesuchen und Bitten nahte, +da konnte er im Kalender keinen einzigen günstigen<a class="pagenum" name="Page_25" title="25"> </a> Tag entdecken: obschon alle Tage rot +angestrichen waren, wenn <em>wir</em> unsre Steuern +zu zahlen hatten!</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Willst du etwa zu verstehen geben, unser +König wäre ein falscher König wie der, den +du beschrieben hast?</p> + +<p class="character">Erster Herold</p> + +<p>Herr Schwiegeronkel, ich glaube, es ist an der +Zeit für dich, dem Schwiegertantchen Adieu +zu sagen.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Bitte, ihr Herren, seid nicht böse. Ich bin ein +armes Geschöpf — ich bitte ergebenst um Entschuldigung, +ihr Herren: ich will alles dazu +tun. Ich bin gern bereit, so weit weg zu gehen, +wie es euch beliebt.</p> + +<p class="character">Zweiter Herold</p> + +<p>Schon recht, kommt hierher und bildet Spalier. +Der König wird gleich kommen — wir +wollen gehen und ihm den Weg bereiten.</p> + +<p class="regie">Sie gehen weiter.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_26" title="26"> </a></p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Mein lieber Kumbha, deine Zunge wird noch +einmal dein Tod sein.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Freund Madhav, es ist nicht meine Zunge, es +ist Schicksal. Als der falsche König auftrat, +sagte ich kein einziges Wort, obwohl mich das +nicht abhielt, mit dem ganzen Selbstvertrauen +der Unschuld über meine eigenen Füße zu +stolpern. Und jetzt, wo vielleicht der wirkliche +König gekommen ist, muß ich glattweg Hochverrat +in den Tag reden. Es ist Schicksal, +lieber Freund!</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Mein Grundsatz ist, dem König immer zu gehorchen +— es macht nichts aus, ob er ein +echter oder falscher ist. Was wissen wir von +Königen, daß wir über sie urteilen sollten! Es +ist gerade, wie wenn man im Dunkeln Steine +wirft — man ist fast sicher, sein Ziel zu +treffen. Ich gehorche immerzu und huldige +— ist es ein richtiger König, gut und schön; +wenn nicht, was schadet es?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_27" title="27"> </a></p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Mir wäre es schon einerlei, wenn die Steine +nichts weiter als Steine wären. Aber es sind +oft kostbare Sachen: hier, wie sonstwo, führt +uns Verschwendung schließlich zu Armut, +mein Freund.</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Da sieh! Da kommt der König! Ah, ein König +wahrhaftig! Was für eine Gestalt, was für ein +Gesicht! Wer hat je solch eine Schönheit gesehen +— weiß wie eine Lilie und sanft wie ein +Pfirsich! Wie nun, Kumbha? Was meinst du +nun?</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Er sieht schon recht aus — ja, soviel ich beurteilen +kann, mag er schon der rechte König +sein.</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Er sieht aus, als wäre er fürs Königsein gegossen +und geschnitzt, diese Gestalt ist zu zart +und erlesen für das gemeine Licht des Tages.</p> + +<p class="regie">Der „König” tritt auf.</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Heil und Sieg geleite dich, o König! Wir<a class="pagenum" name="Page_28" title="28"> </a> +stehen hier seit dem frühen Morgen, um dich +zu Gesicht zu bekommen. Ew. Majestät zu +Gnaden, vergeßt uns nicht!</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Das Geheimnis wird tiefer. Ich will gehen +und Großvater holen.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="regie">Eine andere Schar Männer tritt auf.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Der König, der König! Kommt her, schnell, +der König geht dieses Wegs.</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Vergiß mich nicht, o König! Ich bin Vivajadatta, +der Enkel Udayadattas von Kushalivastu. +Ich bin auf die erste Kunde, daß du +kämest, hierher geeilt — ich hielt nicht an, +um zu hören, was die Leute sagten: all die +Untertanentreue in mir neigte sich dir zu, o +Monarch, und brachte mich her.</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Unsinn! Ich bin früher hier gewesen als du +— vor dem Hahnenschrei. Wo stecktest du +denn da? O König, ich bin Bhadrasena, von<a class="pagenum" name="Page_29" title="29"> </a> +Vikramasthali. Geruhe, deinen Diener in +deinem Gedächtnis zu bewahren!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich bin sehr befriedigt von eurer Treue und +Ergebenheit.</p> + +<p class="character">Vivajadatta</p> + +<p>Majestät, groß ist die Zahl der Klagen und +Beschwerden, die wir dir vorzutragen haben: +an wen hätten wir uns so lange mit unsern Gesuchen +wenden sollen, solange wir deiner erhabenen +Gegenwart nicht nahen durften?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>All euren Beschwerden soll abgeholfen werden.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Es führt zu nichts, uns hinten herumzudrücken, +Jungen — der König wird uns aus +den Augen verlieren, wenn wir uns in den +Pöbel mischen.</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Seht einmal, was der Narr Narottam dort tut! +Er hat sich durch uns alle hindurchgedrängt<a class="pagenum" name="Page_30" title="30"> </a> +und fächelt jetzt dem König eifrig mit einem +Palmblatt Kühlung zu!</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Wahrhaftig! Nun, nun, die Dreistigkeit dieses +Menschen nimmt einem den Atem.</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Wir sollten den Kerl anpacken und von der +Stelle schaffen — ist er berufen, neben dem +König zu stehen?</p> + +<p class="character">Madhav</p> + +<p>Bildest du dir ein, der König durchschaut ihn +nicht? Seine Untertänigkeit ist doch ein bißchen +zu dick aufgetragen.</p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Unsinn! Könige können Heuchler nicht wittern +wie unsereins — es sollte mich nicht wundern, +wenn der König sich von dem unermüdlichen +Fächeln dieses Narren einfangen ließe.</p> + +<p class="regie">Kumbha und Großvater treten auf.</p> + +<p>Ich sage dir — er ist jetzt eben durch diese +Straße gekommen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ist das ein ganz unfehlbarer Beweis seines +Königtums?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_31" title="31"> </a></p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>O nein, aber alle haben ihn gesehen! Nicht +einer oder zwei, sondern Hunderte und Tausende +auf beiden Seiten der Straße haben ihn +mit eigenen Augen gesehen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Das eben macht die ganze Sache verdächtig. +Wann wäre <em>unser</em> König je drauf ausgegangen, +die Augen des Volks durch Pomp und Gepränge +zu blenden? Er ist nicht der König, +solch einen Spektakel zu erregen, wenn er +durch das Land reist.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber es mag ihm beliebt haben, es bei dieser +wichtigen Gelegenheit zu tun: das kann man +nicht sicher wissen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>O ja, man kann! Mein König kennt keine +Wetterfahnenlaune und neigt nicht zu phantastischen +Einfällen.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber Großvater, ich wollte nur, ich könnte +ihn dir beschreiben! So sanft, so zart und fein<a class="pagenum" name="Page_32" title="32"> </a> +wie eine Wachspuppe! Als ich ihn sah, verlangte +es mich, ihn vor der Sonne zu schirmen, +ihn mit meinem ganzen Leibe zu schützen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ach, du Narr, du kostbarer Esel, der du bist! +<em>Mein</em> König eine Wachspuppe, und <em>du</em> ihn +schützen!</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber im Ernst, Großpapa, er ist ein herrlicher +Gott, ein Wunder an Schönheit: ich finde +keine einzige Gestalt in dieser weiten Versammlung, +die neben seiner unvergleichlichen +Lieblichkeit bestehen könnte.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wenn es meinem König beliebte, sich zu zeigen, +würden deine Augen ihn nicht bemerken. +Er würde nicht dergestalt über die andern hervorragen +— er ist einer aus dem Volk, er +mischt sich unter den gemeinen Pöbel.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber sagte ich dir nicht, daß ich sein Banner +gesehen habe?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_33" title="33"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was für ein Zeichen trug sein Banner?</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Es war eine rote <i>Kimschuk</i>-Blüte darauf gemalt +— das hell leuchtende Rot blendete meine +Augen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p><em>Mein</em> König führt einen Donnerkeil in einem +Lotus in seinem Banner.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Aber alle sagen sie, der König sei zu diesem +Feste gekommen: <em>alle</em>.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Gewiß ist er das: aber er hat keine Herolde, +kein Heer, kein Gefolge, keine Musikbanden +und keine Laternen, die ihn begleiten.</p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>So könnte ihn, scheint's, niemand in seinem +Inkognito erkennen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Vielleicht gibt es ein paar, die es können.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_34" title="34"> </a></p> + +<p class="character">Kumbha</p> + +<p>Und die ihn erkennen — gewährt ihnen der +König alles, was sie begehren?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber sie begehren nie etwas. Kein Bettler wird +je den König kennen. Der größere Bettler sieht +in den Augen des kleineren Bettlers wie ein +König aus. O Narr, der Mann, der heute auf +die Straße gegangen ist, in Purpur und Gold +angetan, um dich anzubetteln — ihn posaunst +du als deinen König aus! ... Ah, da +kommt mein toller Freund! O kommt, meine +Brüder! wir dürfen den Tag nicht mit eitlem +Streiten und Schwatzen verbringen — geben +wir uns jetzt toller Lustbarkeit, wildem Entzücken +hin!</p> + +<p class="regie">Der tolle Freund tritt auf, singend.</p> + +<p>Lächelt ihr, Freunde? Lacht ihr, Brüder? Ich +streife herum und suche den goldenen Hirsch! +Ja, ach ja, ich schaue den Leichtfuß, und +immer entwischt er mir!</p> + +<p>Oh, er flitzt und blinkt wie ein Blitz und schon +ist er weg, der wilde Waldvagabund! Nahe<a class="pagenum" name="Page_35" title="35"> </a> +dich ihm, und im Nu ist er fern; ein Gewölk +von Dunst und Staub bleibt dir zurück! +Doch streif ich herum und suche den goldenen +Hirsch, wenn ich ihn nimmer auch fangen +mag in dieser Wildnis! Oh, ich streife +und wandre durch Wälder und Felder und +namenlose Gefilde wie ein rastloser Landstreicher +und denk nicht an Umkehr.</p> + +<p>Ihr alle kommt zum Kauf auf den Markt und +kehrt heim mit Waren und Vorrat beladen: +mich aber haben die wilden Winde aus unerklimmbaren +Höhen gestreift und geküßt; +ich weiß nicht wann und wo.</p> + +<p>All meine Habe hab ich von mir geworfen, +um zu erlangen, was nie mein worden ist! Und +ihr wähnt, mein Klagen und meine Tränen gelten +den Dingen, die so ich verlor!</p> + +<p>Mit Lachen und Singen im Herzen hab ich +Kummer und Gram weit hinten gelassen: +Oh, ich streife und wandre durch Wälder und +Felder und namenlose Länder — und denk +nicht daran, meine Fahrt zu enden.</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_36" title="36"> </a></p> + + +<h2><a name="II" id="II">II.</a></h2> + + +<p class="regie">Ein dunkles Gemach. Königin Sudarschana. Ihre +Ehrendame, Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem +Gemach nie die Lampe entzündet werden?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Meine Königin, all deine andern Gemächer +sind erleuchtet — will es dich nie verlangen, +aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie +diesen zu entrinnen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten +werden?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit +kennen würdest.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen +Kammer bist du dazu gekommen, dunkel und +seltsam zu reden — ich kann dich nicht verstehen,<a class="pagenum" name="Page_37" title="37"> </a> Surangama. Sag mir aber, in welchem +Teil des Palastes liegt dies Gemach? Ich kann +weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen +noch den Weg hinaus.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen +der Erde. Der König hat dies Gemach +eigens um deinetwillen gebaut.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemächern +— warum brauchte er diese dunkle Kammer +eigens für mich machen lassen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen: +doch deinen Herrn nur in diesem +dunklen Gemach.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein, nein — ich kann nicht leben ohne Licht +— ich habe keine Ruhe in dieser erstickenden +Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in +diese Kammer bringen kannst, schenke ich dir +mein Halsband hier.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Es steht nicht in meiner Macht, o Königin. Wie<a class="pagenum" name="Page_38" title="38"> </a> +kann ich Licht an einen Ort bringen, den er +immer im Dunkel gehalten haben will!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Seltsame Treue! Und doch — ist es nicht wahr, +daß der König deinen Vater bestraft hat?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem +Spiel ergeben. Alle jungen Leute des Landes +pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu +kommen — und da tranken sie immer und +spielten.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer +Bedrückung, als der König deinen Vater in die +Verbannung schickte?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf +dem Weg zu Untergang und Vernichtung: als +diese Bahn mir verschlossen war, schien ich +mir ohne irgendeine Hilfe zurückgeblieben, +ohne Beistand noch Schutz. Ich raste und tobte +wie ein wildes Tier im Käfig — wie verlangte +es mich alles in Stücke zu zerreißen in meiner +ohnmächtigen Wut!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_39" title="39"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an +eben den nämlichen König?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wie kann ich es sagen? Vielleicht faßte ich +Vertrauen zu ihm, gerade <em>weil</em> er so hart, so +unbarmherzig war!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wann trat dieser Stimmungswechsel ein?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Das könnte ich nicht sagen — ich weiß das +selbst nicht. Es kam ein Tag, wo all der Aufruhr +in mir sich geschlagen gab, und dann +beugte sich meine ganze Natur in demütiger +Ergebung in den Staub der Erde. Und dann +sah ich ... ich sah, daß er an Schönheit ebenso +ohnegleichen war wie an Schrecknis. Oh, ich +war gerettet, ich war erlöst.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst +du mir nicht sagen, wie der König aussieht? +Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen. +Er kommt zu mir in Dunkelheit, und<a class="pagenum" name="Page_40" title="40"> </a> +läßt mich wieder in diesem dunklen Gemach +zurück. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt +— aber sie geben alle unbestimmte und +dunkle Antworten — es scheint mir, daß sie +alle mit etwas zurückhalten.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Die Wahrheit zu sagen, Königin, so könnte +ich nicht gut angeben, wie er aussieht. Nein +— er ist nicht, was man schön nennt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht +schön!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, meine Königin, er ist nicht schön. Ihn +schön zu nennen, wäre viel zu wenig von ihm +gesagt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>So sind all deine Worte — dunkel, seltsam und +unbestimmt. Ich kann nicht verstehen, was du +meinst.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, ich will ihn <em class="gesperrt">nicht</em> schön nennen. Und +eben weil er nicht schön ist, ist er so herrlich, +so wunderbar!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_41" title="41"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich verstehe dich nicht ganz — obwohl ich dich +gern von ihm reden höre. Aber ich muß ihn +um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht +einmal auf den Tag, wo ich ihm angetraut +wurde. Ich hörte Mutter sagen, daß vor meiner +Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte: +„Der eure Tochter ehelichen will, ist ohnegleichen +auf dieser Erde.” Wie oft habe ich +sie gebeten, mir sein Äußeres zu beschreiben, +aber sie antwortet nur unbestimmt und sagt, +sie kann es nicht sagen — sie sah ihn durch +einen Schleier, schwach und dunkel. Aber +wenn er der beste der Menschen ist, wie kann +ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Spürst du nicht ein leises Lüftchen wehen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ein Lüftchen? Wo?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Merkst du nicht einen leisen Duft?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_42" title="42"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Das große Tor hat sich geöffnet ... er kommt; +mein König naht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie kannst du es merken, wenn er kommt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hörte +ich seine Tritte in meinem Herzen. Da ich die +Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich +einen Sinn entwickelt — ich kann erkennen +und fühlen, ohne zu sehen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich wollte, ich hätte diesen Sinn auch, Surangama!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du wirst ihn bekommen, o Königin ... dieser +Sinn wird in dir eines Tages erwachen. Deine +Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe, +und darum ist all dein Sinn gespannt und in +die falsche Richtung gelenkt. Wenn du diesen +Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter +dir hast, wird alles ganz leicht werden.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_43" title="43"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie kommt das, daß es dir, der Magd, so leicht +ist, und mir, der Königin, so schwer?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Eben weil ich eine bloße Magd bin, hemmt +mich keine Schwierigkeit. Als er am ersten Tag +dies Gemach meiner Obhut vertraute und +sagte: „Surangama, du wirst diese Kammer +immer für mich in Bereitschaft halten, das +ist deine ganze Aufgabe”, da sagte ich nicht, +nicht einmal in Gedanken: „Oh, gib mir die +Arbeit derer, die für das Licht in den andern +Gemächern sorgen.” Nein, sondern sowie ich +all meinen ganzen Sinn auf diese Aufgabe +richtete, erwachte eine Gewalt in mir und +wuchs und wurde ohne Widerstand Herr über +jeden Teil von mir ... Oh, da kommt er!... +er steht draußen, vor der Tür. Herr! O König!</p> + +<p class="character">Gesang von außen</p> + +<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div> +<div class="verse">Die Fähre des Lichts von Dämmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen,</div> +<div class="verse">Der Abendstern steht am Himmel.</div> +<div class="verse">Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten, +<a class="pagenum" name="Page_44" title="44"> </a></div> +<div class="verse">Umfließt dich weiß dein Kleid zur Nacht?</div> +<div class="verse">Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vögel in ihre Nester.</div> +<div class="verse">Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht.</div> +<div class="verse">Öffne die Tür. Ich warte.</div> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>O König, wer kann deine eignen Tore vor dir +versperrt halten? Sie sind nicht geschlossen +oder verriegelt — sie werden sich weit aufschwingen, +wenn du sie nur mit dem Finger +berührst. Willst du sie nicht nur ein wenig +berühren? Willst du nicht eintreten, bis ich +gehe und die Tore öffne?</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lüften, Herr!</div> +<div class="verse">Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht höre, würdest du warten, bis ich erwache?</div> +<div class="verse">Würde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines Streitwagens?</div> +<div class="verse">Würdest du nicht das Tor zertrümmern und ungebeten eingehn in dein eigenes Haus?</div> + +<p><a class="pagenum" name="Page_45" title="45"> </a></p> + +<p>Dann geh du, o Königin, und öffne die Tür +für ihn: er wird sonst nicht eintreten.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich sehe nichts deutlich im Dunkel — ich weiß +nicht, wo die Tür ist. Du kennst hier alles — +geh und öffne die Tür für mich.</p> + +<p class="regie">Surangama öffnet die Tür, verbeugt sich tief vor +dem König und geht hinaus. Der König bleibt während +dieses ganzen Stückes unsichtbar.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht +zu sehen?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>So willst du mich zwischen tausend Dingen +im hellen Tageslicht sehen! Warum sollte ich +nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit +fühlen kannst?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber ich <em>muß</em> dich sehen — mich verlangt es +brennend nach deinem Anblick.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick +zu ertragen — er wird dir nur Qual bereiten, +brennend heiße Qual.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_46" title="46"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie kannst du sagen, daß ich deinen Anblick +nicht zu ertragen vermöchte! Oh, ich kann +schon in diesem Dunkel fühlen, wie lieblich +und wunderbar du bist: warum sollte ich im +Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir, +kannst du mich im Dunkel sehen?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ja, ich sehe dich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Was siehst du?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich sehe, daß die Dunkelheit der unendlichen +Himmel, ins Dasein geschleudert durch die +Gewalt meiner Liebe, das Licht von Sternenmyriaden +in sich gesogen und sich verkörpert +hat in einer Gestalt von Fleisch und Blut. Und +in dieser Form, was für Äonen von Denken +und Ringen, was für ungezählte Sehnsüchte +grenzenloser himmlischer Räume, welche Fülle +der Gaben aus dem Meer der Zeiten!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Bin ich so wunderbar, bin ich so schön? Höre +ich dich so reden, so schwillt mein Herz von<a class="pagenum" name="Page_47" title="47"> </a> +Freude und Stolz. Aber wie kann ich die wundervollen +Dinge glauben, die du mir sagst? +Ich kann sie in mir nicht finden!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben +— er setzt dich herab, beschränkt dich, +läßt dich klein und unbedeutend erscheinen. +Doch könntest du dich in meinem Geist gespiegelt +sehen, wie groß erschienest du! In +meinem Herzen bist du nicht mehr das alltägliche +Einzelwesen, das du zu sein meinst — +du bist in Wahrheit mein andres Ich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, zeig' mir für einen Augenblick, wie man +mit deinen Augen sieht! Gibt es für dich gar +nichts wie Dunkelheit? Ich fürchte mich, wenn +ich daran denke. Diese Dunkelheit, die für +mich wirklich und stark wie der Tod ist — ist +sie für dich einfach nichts? Wie kann dann +überhaupt eine Gemeinschaft zwischen uns +sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein — +es ist unmöglich: es besteht eine Schranke +zwischen uns beiden: nicht hier, nein, nicht +an diesem Ort. Ich muß dich finden und sehen,<a class="pagenum" name="Page_48" title="48"> </a> +wo ich Bäume und Tiere, Vögel und Steine +und die Erde sehe —</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden +— aber niemand wird mich dir weisen. +Du wirst mich erkennen müssen, wenn du +kannst, du selbst. Und selbst wenn jemand sich +anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie +kannst du gewiß sein, daß er die Wahrheit +sagt?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen. +Ich werde dich aus einer Million +Menschen herausfinden. Ich kann mich +nicht irren.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Gut also, heute nacht, während des Frühlingsvollmondfestes, +magst du versuchen, mich von +dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden +— suche nach mir mit deinen eigenen +Augen unter der Volksmenge.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wirst du unter ihr sein?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_49" title="49"> </a></p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich werde mich wieder und wieder zeigen, +überall unter der Menge. Surangama!</p> + +<p class="regie">Surangama kommt herein.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Was gebietest du, Herr?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Heute nacht ist das Frühlingsvollmondfest.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Was soll ich heute nacht tun?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgärten +stehen in voller Blüte — du wirst da +an meinem Feste teilnehmen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich werde tun, was du wünschest, Herr.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Die Königin will mich heute nacht mit ihren +eigenen Augen sehen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wo soll die Königin dich sehen?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Wo die Musik am süßesten spielt, wo die Luft<a class="pagenum" name="Page_50" title="50"> </a> +von Blütenstaub schwer ist — dort im silbernen +Hain voll weichem Dämmerlicht.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck +spielen, zu sehen sein? Dort ist der Wind wild +und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung +— wird es die Augen nicht verwirren?</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Die Königin ist neugierig, mich herauszufinden.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Die Neugier wird enttäuscht und in Tränen +heimkehren!</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Ach, sie lüstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die wilden Vögel des Waldes!</div> +<div class="verse">Doch die Zeit der Ergebung wird für sie kommen, zu Ende ihr Hin- und Herflug, wenn</div> +<div class="verse">Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt.</div> +<div class="verse">Ach, die wilden Vögel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis!</div> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_51" title="51"> </a></p> + +<h2><a name="III" id="III">III.</a></h2> + +<p class="regie">Vor den Lustgärten.</p> + +<p class="regie">Es treten auf Avanti, Koschala, Kantschi und +andere Könige.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Wird der König dieses Ortes uns nicht empfangen?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was ist das für eine Art, ein Land zu regieren? +Der König hält ein Fest in einem Wald, wo +selbst das niedrigste und gemeinste Volk ungehindert +Zutritt hat!</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Wir hätten wohl Anspruch auf einen besonders +für uns reservierten und zu unserem Empfang +hergerichteten Platz.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wenn er einen solchen Platz nicht vorbereitet +hat, werden wir ihn zwingen, einen für uns +errichten zu lassen.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>All das macht natürlich zweifelhaft, ob dieses<a class="pagenum" name="Page_52" title="52"> </a> +Volk überhaupt einen König hat — es sieht aus, +als ob ein unbegründetes Gerücht uns irregeführt +hätte.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Das mag sein, was den König angeht, aber Sudarschana, +die Königin dieses Orts, ist durchaus +kein unbegründetes Gerücht.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Nur um ihretwillen hatte ich überhaupt Lust, +hierher zu kommen. Es liegt mir nichts daran, +jemanden zu sehen, der sich nie sehen läßt, +aber es wäre ein törichter Fehler, wenn wir +fortgingen, ohne das Wesen gesehen zu haben, +um dessentwillen sich eine Reise im höchsten +Grade lohnt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Laßt uns denn einen bestimmten Plan entwerfen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Ein Plan ist ein treffliches Ding, solange man +sich nicht selbst darein verwickelt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Zum Henker, was ist das für ein Geschmeiß, +das dort herumschwärmt? He! wer seid ihr?</p> + +<p class="regie">Großvater und die Knaben treten auf.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_53" title="53"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wir sind die lustige Schar der Habenichtse.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Die Einführung war überflüssig. Aber ihr +werdet euch etwas weiter zurückziehen und uns +in Frieden lassen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wir leiden nie unter Mangel an Raum: wir +können es uns leisten, euch einen so weiten +Spielraum zu lassen, wie euch beliebt. Das +Wenige, das uns genügt, ist nie der Zankapfel +zwischen streitenden Parteien. Nicht wahr, +meine kleinen Freunde?</p> + +<p class="regie">Sie singen.</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Wir sind die Habenichtse, fürwahr, wir haben gar nichts!</div> +<div class="verse">Wir singen lustig trallerala! trallerala!</div> +<div class="verse">'s gibt Leute, die bauen sich hohe Mauern aus Häusern</div> +<div class="verse">Auf Sümpfen mit goldenem Sand.</div> +<div class="verse">Wir stellen uns vor sie und singen</div> +<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div> +<div class="verse">Taschendiebe kreisen um uns</div> +<div class="verse">Und ehren uns mit lüsternen Blicken. +<a class="pagenum" name="Page_54" title="54"> </a></div> +<div class="verse">Wir schütteln die leeren Taschen und singen</div> +<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div> +<div class="verse">Schleicht der Tod, der alte Knochenmann, vor unsre Tür,</div> +<div class="verse">Wir schlagen ihm lachend ein Schnippchen,</div> +<div class="verse">Und singen im Chor mit fröhlichen Trillern</div> +<div class="verse">Trallerala! trallerala!</div> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sieh da drüben hin, Koschala, was sind das +für Leute, die da des Weges kommen? Eine +Pantomime? Der eine hat sich als König maskiert.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Der König dieses Orts mag alle diese Narrenspossen +dulden, wir aber werden dagegen einschreiten.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Es ist vielleicht ein Häuptling vom Lande.</p> + +<p class="regie">Wachen zu Fuß treten auf.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aus welchem Land stammt euer König?</p> + +<p class="character">Erster Soldat</p> + +<p>Er ist der König dieses Landes. Er rüstet sich, +das Fest zu leiten.</p> + +<p class="regie">Sie gehen weiter.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_55" title="55"> </a></p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Wie, der König dieses Landes kommt zum +Fest!</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Wahrhaftig! Dann werden wir uns mit seinem +Anblick begnügen und umkehren müssen — +ohne die reizvolle Königin gesehen zu haben.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Glaubst du wirklich, daß der Bursche die +Wahrheit sagte? Jeder kann sich als König +dieses königlosen Landes aufspielen. Kannst +du nicht sehen, daß der Mensch wie ein aufgeputzter +Maskenkönig aussieht — viel zu sehr +herausgeputzt?</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Aber er sieht hübsch aus — seine Erscheinung +ist nicht ohne einen gewissen gefälligen Reiz.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Er mag deinem Auge gefällig sein, aber wenn +du ihn genau genug betrachtest, kannst du ihn +nicht verkennen. Du wirst sehen, wie ich ihn +vor euch allen entlarve.</p> + +<p class="regie">Der falsche „König” tritt auf.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Willkommen, Fürsten, in unserm Reich! Ich<a class="pagenum" name="Page_56" title="56"> </a> +hoffe, meine Würdenträger haben geziemend +für euren Empfang gesorgt?</p> + +<p class="character">Könige <span class="regie">(mit verstellter Höflichkeit)</span></p> + +<p>O ja — es fehlte nichts am Empfang.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wenn irgend etwas fehlte, so ist es reichlich +aufgewogen durch die Ehre, den Anblick +Eurer Majestät genießen zu dürfen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wir zeigen uns nicht vor der großen Öffentlichkeit, +aber eure große Ergebenheit und +Treue macht es uns zum Vergnügen, uns euch +nicht zu entziehen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Die Gnade Euer Majestät ist wahrhaft überwältigend +für uns.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wir fürchten, wir werden hier nicht lange +verweilen können.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich dachte mir es schon: Ihr seht nicht aus, +als ob ihr es lange aushieltet.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_57" title="57"> </a></p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wenn ihr indessen uns um irgendwelche Gunst +bitten möchtet —</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Das möchten wir: aber wir möchten Euch +gern vor etwas weniger Zeugen sprechen.</p> + +<p class="character">„König” <span class="regie">(zu seinem Gefolge)</span></p> + +<p>Zieht euch etwas von unsrer Gegenwart zurück. +<span class="regie">(Sie ziehen sich zurück.)</span> Nun könnt ihr +euer Begehren ohne Rückhalt vorbringen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wir werden uns schon keine Zurückhaltung +auferlegen; wir fürchten nur, daß ihr es für +euch selbst werdet nötig finden.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>O nein, in der Hinsicht könnt ihr unbesorgt +sein.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Komm also, huldige uns, indem du uns deinen +Kopf zu Füßen legst.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Es scheint, meine Diener haben den Varunibranntwein +in den Empfangslagern zu freigiebig +verteilt.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_58" title="58"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Falscher Betrüger, du bist es, der sich in einem +Rausch der Überhebung befindet. Dein Kopf +wird bald den Staub küssen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ihr Fürsten, solche derben Späße sind eines +Königs nicht würdig.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Männer, die gebührend mit dir scherzen werden, +sind zur Stelle. General!</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Nicht weiter, ich fleh' euch an. Ich sehe wohl, +ich schulde euch allen Huldigung. Der Kopf +beugt sich von selbst hernieder — es bedarf +nicht der Anwendung irgendwelcher scharfer +Maßnahmen, um ihn zu Boden zu legen. +So, hier beuge ich mich tief vor euch allen. +Wenn ihr mir freundlich erlaubt, mich davonzumachen, +werde ich euch mit meiner Gegenwart +nicht länger lästig fallen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Warum solltest du dich davonmachen? Wir +werden dich zum König dieses Ortes machen<a class="pagenum" name="Page_59" title="59"> </a> +— führen wir unsern Scherz zu seinem regelrechten +Ende. Hast du irgendwelchen Anhang?</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>O ja! Alle, die mich auf den Straßen sehen, +laufen hinter mir her. Als ich ein mageres Gefolge +hatte, betrachtete mich erst jeder argwöhnisch, +aber nun mit dem wachsenden Haufen +zerstreuen sich die Zweifel immer mehr. +Die Menge wird von ihrer eigenen Größe hypnotisiert. +Ich brauche nun gar nichts weiter +zu tun.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ausgezeichnet! Von diesem Augenblick geloben +wir alle, dir zu helfen und zu dir zu stehen. +Doch wirst du uns einen Gegendienst leisten +müssen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Eure Befehle werden mir so heilig sein wie die +Krone, die ihr mir aufs Haupt setzt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Gegenwärtig wünschen wir weiter nichts, als +die Königin Sudarschana zu sehen. Du wirst +dafür sorgen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_60" title="60"> </a></p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich werde mir alle Mühe darum geben.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Zu deinen Bemühungen haben wir nicht viel +Vertrauen — du wirst einfach dich nach unsern +Anweisungen richten. Nun aber kannst du +gehen und dich mit allem möglichen Glanz +und Prunk an dem Fest im königlichen Garten +beteiligen.</p> + +<p class="regie">Sie gehen fort.</p> + +<p class="regie">Großvater und eine Schar von Bürgern treten auf.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Großvater, ich kann mir nicht helfen — ja, +und fünfhundertmal will ich es wiederholen +— unser König ist ein vollkommener Schwindel.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Warum nur fünfhundertmal? Kein Grund zu +so heldenmütiger Selbstbeherrschung — du +kannst es fünftausendmal sagen, wenn das +dein Vergnügen erhöht.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Aber du kannst eine tote Lüge nicht für immer +aufrechterhalten.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_61" title="61"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Sie hat mich lebendig gemacht, mein Freund.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Wir werden der ganzen Welt verkünden, daß +unser König eine Lüge ist, der reinste und +leerste Schatten!</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Wir werden es alle von unsern Dächern +schreien, daß wir keinen König haben — mag +er tun, was er will, wenn er existiert.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Er wird gar nichts tun.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Mein Sohn wurde mit fünfundzwanzig Jahren +innerhalb einer Woche von einem hitzigen Fieber +vorzeitig dahingerafft. Hätte mich solch +ein Unglück unter der Herrschaft eines tugendhaften +Königs betreffen können?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber dir sind immer noch zwei Söhne geblieben: +während ich all meine fünf Kinder hintereinander +verloren habe.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_62" title="62"> </a></p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Und was sagst du dazu?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was denn? Soll ich meinen König dazu verlieren, +weil ich meine Kinder verloren habe? +Für so einen ungeheuren Narren müßt ihr +mich nicht halten.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Eine schöne Sache, zu streiten, ob ein König +da ist oder nicht, wenn man aus Mangel an +Nahrung einfach Hungers stirbt! Wird der +König uns retten?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Bruder, du hast Recht. Aber warum nicht den +König suchen, dem all die Nahrung gehört. +Mit deinem Jammern zu Hause wirst du ihn +sicher nicht finden.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Sieh nur die Gerechtigkeit unsres Königs! Dieser +Bhadrasen — ihr wißt was es für ein rührender +Anblick ist, wenn er von seinem König +spricht — der rührselige Dummkopf! Er ist +auf einen solchen Grad von Armut herabgesunken,<a class="pagenum" name="Page_63" title="63"> </a> daß selbst die Fledermäuse, die bei +ihm hausen, den Ort zu ungemütlich finden.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Nun, seht nur mich an! Ich schufte und rackre +Tag und Nacht für meinen König, aber ich +habe für meine Mühen noch nicht einen roten +Heller bekommen.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Nun, und was hältst du davon?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was soll ich davon halten? Bezahlt denn jemand +seine Freunde? Geht, Freunde, und sagt, +wenn ihr wollt, unsern König gebe es nirgends. +Auch das gehört mit zur Feier dieses Festes.</p> + +<hr class="chap"/> + +<h2><a name="IV" id="IV">IV.</a></h2> + +<p class="regie">Turm des Königspalastes.</p> + +<p class="regie">Sudarschana und ihre Freundin Rohini.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann +mich nicht irren: bin ich nicht die Königin? +Der dort, sicher der dort muß mein König +sein.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_64" title="64"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann +nicht lange zögern, sich dir zu zeigen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen +Vogel im Käfig. Suchtest du, dich zu vergewissern, +wer er ist?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der +König.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Von welchem Land ist er der König?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Von unserm, König dieses Landes.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm +aus Blumen über das Haupt gehalten +wird?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blüte +gemalt ist.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich erkannte ihn natürlich sofort, aber du +hattest deine Zweifel.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_65" title="65"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wir können uns leicht irren, meine Königin, +und wir fürchten dich zu erzürnen, falls wir +unrecht haben.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich wollte, Surangama wäre da! Dann wäre +kein Zweifel mehr möglich.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Hältst du sie für klüger als uns alle?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O nein, aber sie würde ihn sofort erkennen.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so, +als ob sie ihn kennte. Niemand kann dafür +bürgen, daß sie den König kennt. Wären wir +so schamlos wie sie, es wäre nicht schwer für +uns gewesen, mit unserer Bekanntschaft mit +dem König zu prahlen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber nein, sie prahlt niemals.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Bloße Ziererei, weiter nichts; damit kommt +man oft weiter als mit offenem Prahlen. Sie<a class="pagenum" name="Page_66" title="66"> </a> +ist zu allen Streichen fähig: drum mochten +wir sie nie leiden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber sag, was du willst, ich hätte sie gern gefragt, +wenn sie hier wäre.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sehr wohl, Königin. Ich werde sie holen. Sie +muß glücklich sein, wenn sie der Königin unentbehrlich +ist, um den König zu erkennen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O nein — es ist nicht darum — aber ich hörte +es gern von aller Welt bestätigt.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sagt es nicht alle Welt? Da, höre nur hin, +die Jubelrufe des Volks dringen sogar bis zu +dieser Höhe empor.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen +auf ein Lotusblatt und bringe sie ihm.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie +sendet?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_67" title="67"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du wirst nichts zu sagen brauchen — er wird +es wissen. Er meinte, ich würde nicht imstande +sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht fortlassen, +ohne ihm zu zeigen, daß ich ihn herausgefunden +habe.</p> + +<p class="regie">Rohini geht mit den Blumen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so +war mir nie zuvor zumute. Das weiße, silberne +Licht des Vollmonds überflutet den Himmel +und perlt nach allen Seiten wie der sprudelnde +Schaum des Weins ... Es faßt mich wie ein +Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da?</p> + +<p class="regie">Eine Dienerin tritt auf.</p> + +<p class="character">Dienerin</p> + +<p>Was befehlen Majestät?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Siehst du dort die fröhlichen Knaben, wie sie +singend durch die Laubgänge und Alleen der +Mangobäume ziehen? Rufe sie her, bring sie +zu mir: ich möchte sie singen hören.</p> + +<p class="regie">Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben +wieder.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_68" title="68"> </a></p> + +<p>Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen +Frühlings, hebt euren Festgesang an! +Meine ganze Seele und mein Leib ist heute +abend Gesang und Musik — doch die unaussprechliche +Melodie will mir nicht von der +Zunge: singt ihr denn an meiner Statt!</p> + +<p class="character">Gesang</p> + +<div class="verse">Mein Leid ist mir süß, heut in dieser Frühlingsnacht.</div> +<div class="verse">Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und läßt sie leise erklingen.</div> +<div class="verse">Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein dahin.</div> +<div class="verse">Der Duft aus der Tiefe der Wälder verirrt sich in meine Träume.</div> +<div class="verse">Worte kommen flüsternd an mein Ohr, ich weiß nicht, woher,</div> +<div class="verse">Und die Glöckchen an meinen Fußspangen zittern und klingen im Takt zum Tanz meines Herzens.</div> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Genug, genug — ich ertrag' es nicht länger! +Euer Gesang hat meine Augen mit Tränen +gefüllt ... Mich wandelt es an — Sehnsucht +kann nie ihren Gegenstand finden — sie<a class="pagenum" name="Page_69" title="69"> </a> +braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher +Sänger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt? +O, daß meine Augen den sehen könnten, +dessen Gesang meine Ohren gehört haben! +Ach, wie ich mich sehne — mich sehne, in +Liebesverzückung im Waldesdickicht des Herzens +mich zu verlieren! Liebe Knaben der +Waldwildnis! wie soll ich euch lohnen? Dieses +Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten +Steinen gemacht — ihre Härte wird euch +weh tun — ich besitze nichts dergleichen wie +die Blumenkränze, die euch zieren.</p> + +<p class="regie">Die Knaben verbeugen sich und gehen ab.</p> + +<p class="regie">Rohini tritt auf.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe nicht recht getan — ich habe nicht +recht getan, Rohini. Ich schäme mich, dich zu +fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt, +daß keine Hand in Wahrheit die größte +der Gaben geben kann. Doch laß mich alles +hören.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Als ich dem König die Blumen gab, sah er +nicht so aus, als verstünde er etwas davon.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_70" title="70"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das kann nicht sein! Er verstand nicht —?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Nein; er saß da wie eine Puppe, ohne ein einziges +Wort zu äußern. Ich glaube, er wollte +nicht zeigen, daß er nichts verstand, daher tat +er den Mund nicht auf.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Pfui über mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht +bestraft worden. Warum hast du meine +Blumen nicht zurückgebracht?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wie konnte ich? Der König von Kantschi, ein +sehr gewitzigter Mann, der neben ihm saß, begriff +alles mit einem Blick, und er lächelte +nur eben ein bißchen und sagte: „Majestät, +die Königin Sudarschana sendet Euch ihre +Grüße mit diesen Blumen — mit Blumen, die +dem Gott der Liebe gehören, dem Freund des +Frühlings!” Der König schien mit einem Male +aufzuwachen und sagte: „Das ist die Krone +all meiner Königsherrlichkeit heute Nacht.” +Ich wandte mich, ganz außer Fassung, zum +Gehen, als der König von Kantschi dem König<a class="pagenum" name="Page_71" title="71"> </a> +dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir +sagte: „Freundin, dies Königsgeschmeide will +zu dir, zum Dank für das frohe Glück, das du +gebracht hast.”</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie, Kantschi mußte dem König all das begreiflich +machen! Weh mir, dies nächtliche +Fest hat die Tore der Schmach und Schande +weit vor mir geöffnet. Was andres konnte +ich erwarten? Verlaß mich, Rohini; ich muß +eine Weile allein sein. <span class="regie">(Rohini geht ab.)</span> Ein +furchtbarer Schlag hat all meinen Stolz zu +Staub zerschlagen, und doch ... ich kann +diese schöne, bezaubernde Gestalt nicht aus +dem Gedächtnis löschen! Kein Stolz ist mir +geblieben ... ich bin geschlagen, vernichtet, +gänzlich hilflos ... ich kann nicht einmal die +Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder +und wieder der Wunsch kommt, Rohini um +diese Kette zu bitten! Aber was würde sie denken! +Rohini!</p> + +<p class="regie">Rohini kommt.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Was ist dein Wunsch?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_72" title="72"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Welchen Lohn verdienst du für deine heutigen +Dienste?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Nichts von dir — aber ich bekam meinen Lohn +von dem König, wie sich's gebührt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene +Belohnung. Ich möchte nicht etwas +an dir sehen, was auf so gleichgültige Art gegeben +wurde. Leg es ab, ich gebe dir meine +Armspangen, wenn du es hier läßt. Nimm +diese Armspangen und geh nun. <span class="regie">(Rohini geht +ab.)</span> Welch neue Schmach! Ich hätte dieses +Halsband wegwerfen sollen — aber ich kann +nicht! Es sticht mich, als ob es ein Dornenkranz +wäre — aber ich kann es nicht wegwerfen. Das +also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert +— dieses Halsband der Schmach und +Schande!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="V" id="V">V.</a></h2> + +<p class="regie">Großvater nahe am Tor des Lusthauses.</p> + +<p class="regie">Eine Gesellschaft von Männern.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Habt ihr genug davon bekommen, Freunde?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_73" title="73"> </a></p> + +<p class="character">Erster Mann</p> + +<p>Oh, mehr als genug, Großvater. Sieh nur, sie +haben mich über und über rot gemacht. Keiner +ist davongekommen<a name="FNanchor_A_1" id="FNanchor_A_1"></a><a href="#Footnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a>.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wirklich? Haben sie die Könige auch mit +rotem Puder beworfen?</p> + +<p class="character">Zweiter Mann</p> + +<p>Wer konnte ihnen denn nahe kommen? Sie +waren alle sicher auf ihrem eingehegten Platz.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>So sind sie euch entkommen! Konntet ihr +nicht die geringste Spur Farbe auf sie werfen? +Ihr hättet euch den Weg dahin erzwingen +sollen.</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Mein lieber Alter, sie haben eine andere Sorte +Rot, die ihnen vorbehalten ist. Ihre Augen sind +rot; die Turbane ihrer Wachen und ihres Gefolges +sind auch rot. Und die letztern schwangen<a class="pagenum" name="Page_74" title="74"> </a> ihre Schwerter so in der Luft herum, daß +eine weitere Annäherung von unserer Seite ein +reichliches Zutagetreten der grundlegenden +roten Farbe bedeutet hätte.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wohlgetan, Freunde — haltet sie immer in +einiger Entfernung. Sie sind die Verbannten +der Erde, und wir haben das Amt, dafür zu +sorgen, daß es so bleibt.</p> + +<p class="character">Dritter Mann</p> + +<p>Ich gehe heim, Großpapa; Mitternacht ist vorüber.</p> + +<p class="regie">Geht ab.</p> + +<p class="regie">Eine Schar Sänger kommt singend herbei.</p> + +<div class="verse">Schwarz und Weiß ist nicht mehr geschieden,</div> +<div class="verse">Ist rot geworden — rot wie eure Füße gefärbt sind.</div> +<div class="verse">Rot ist mein Wams und rot meine Träume,</div> +<div class="verse">Mein Herz schwankt und schwingt wie ein roter Lotus.</div> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Vortrefflich, meine Freunde, glänzend! So +hattet ihr wirklich genußreiche Stunden!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_75" title="75"> </a></p> + +<p class="character">Die Sänger</p> + +<p>Oh, und wie sehr! Alles war rot, rot! Nur der +Mond am Himmel ließ uns im Stich: er blieb +weiß.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Er sieht nur von außen so unschuldig drein. +Hättet ihr nur seine weiße Maske weggenommen, +ihr hättet seine Schelmerei schon gesehen. +Ich habe beobachtet, was für rote Farben +er heute nacht auf die Erde wirft. Und +doch, sollte man es für möglich halten, daß +er dabei die ganze Zeit weiß und farblos +bleibt!</p> + +<p class="character">Gesang.</p> + +<div class="verse">Auf dich seh ich's ab, Liebe, mein Lieb!</div> +<div class="verse">Mein Herz ist toll, gibt sich nimmer besiegt,</div> +<div class="verse">Meinst du, ungefärbt zu entkommen,</div> +<div class="verse">Wenn du mich mit rotem Puder rötest?</div> +<div class="verse">Könnt ich nicht dein Kleid färben mit dem roten Blütenstaub meines Herzens?</div> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="regie">Der „König” und Kantschi treten auf.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du mußt genau tun, was ich dir gesagt habe. +Daß du mir nichts übersiehst!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_76" title="76"> </a></p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich werde nichts übersehen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Die Gemächer der Königin Sudarschana liegen +in den...</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ja, Herr, ich habe den Ort gemerkt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was du zu tun hast, ist, im Garten Feuer anzulegen, +und dann wirst du aus dem Durcheinander +und der Verwirrung Vorteil ziehen, +um deine Aufgabe zielbewußt zu vollbringen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich werde daran denken.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sieh einmal, Herr Prätendent, ich glaube doch, +daß unsere Furcht ganz unbegründet ist — +es gibt in Wahrheit keinen König in diesem +Lande.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Mein einziges Ziel ist, dieses Land aus der Anarchie +zu retten. Der gemeine Mann kann +ohne König nicht leben, ob dieser nun echt ist<a class="pagenum" name="Page_77" title="77"> </a> +oder falsch! Anarchie ist immer eine Quelle +der Gefahr.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Frommer Wohltäter des Volkes, deine wundervolle +Aufopferung sollte wirklich uns +allen ein Beispiel sein. Ich gedenke dem Volke +diesen außerordentlichen Dienst in eigener +Person zu erweisen.</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="VI" id="VI">VI.</a></h2> + + +<p class="regie">Im Garten.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Was gibt es denn? Ich kann nicht herausbekommen, +was all das ist! <span class="regie">(Zu den Gärtnern)</span> +Wohin geht ihr alle in solcher Eile?</p> + +<p class="character">Erster Gärtner</p> + +<p>Wir gehen aus dem Garten.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wohin?</p> + +<p class="character">Zweiter Gärtner</p> + +<p>Wir wissen nicht, wohin — der König hat uns +gerufen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_78" title="78"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Aber der König ist doch hier in diesem Garten. +Welcher König hat euch gerufen?</p> + +<p class="character">Erster Gärtner</p> + +<p>Das wissen wir nicht.</p> + +<p class="character">Zweiter Gärtner</p> + +<p>Der König, dem wir unser Lebtag gedient +haben, natürlich.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wollt ihr alle gehen?</p> + +<p class="character">Erster Gärtner</p> + +<p>Ja, alle — wir müssen sofort gehen. Sonst +könnten wir zu Schaden kommen.</p> + +<p class="regie">Sie gehen ab.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich kann ihre Worte nicht verstehen... Ich +fürchte mich. Sie rennen davon wie wilde +Tiere, die in dem Augenblick entfliehen, ehe +die Flut den Damm durchbricht.</p> + +<p class="regie">Der König von Koschala tritt auf.</p> + +<p>Rohini, weißt du, wo dein König und Kantschi +hingegangen sind?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_79" title="79"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sie sind irgendwo im Garten, aber ich kann +nicht sagen, wo.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Ich verstehe wirklich nicht, was sie vorhaben. +Ich habe nicht wohl daran getan, mein Vertrauen +auf Kantschi zu setzen. <span class="regie">Ab.</span></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Was ist das für eine dunkle Sache, mit der +sich diese Könige abgeben? Etwas Schreckliches +bereitet sich vor. Werde ich in diese +Sache hineingezogen werden?</p> + +<p class="regie">Avanti tritt auf.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Rohini, weißt du, wo die andern Fürsten sind?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Es ist schwer zu sagen, wo sie alle hingekommen +sind. Der König von Koschala ging +jetzt eben in dieser Richtung hier vorbei.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Ich denke nicht an Koschala. Wo sind euer +König und Kantschi?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_80" title="80"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich habe sie seit langer Zeit nicht gesehen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Kantschi weicht mir immer aus. Er plant gewiß, +uns alle zu betrügen. Ich habe nicht wohl +daran getan, meine Hand in diese Wirrnis zu +stecken. Freundin, könntest du mir freundlich +einen Weg aus diesem Garten weisen?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich weiß keinen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Ist niemand hier, der mir den Weg hinaus +zeigen kann?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Die Diener haben alle den Garten verlassen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Warum taten sie das?</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Ich konnte nicht genau verstehen, was sie +meinten. Sie sagten, der König hätte ihnen befohlen, +den Garten sofort zu verlassen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Der König? Welcher König?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_81" title="81"> </a></p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Sie konnten es nicht genau sagen.</p> + +<p class="character">Avanti</p> + +<p>Das klingt nicht gut. Ich muß um jeden Preis +einen Weg hinausfinden. Ich kann hier keinen +Augenblick länger bleiben.</p> + +<p class="regie">Geht eilig ab.</p> + +<p class="character">Rohini</p> + +<p>Wo kann ich den König finden? Als ich ihm +die Blumen gab, die die Königin gesandt hatte, +da schien er sich nicht viel um mich zu kümmern; +aber seit der Stunde hat er Gaben und +Geschenke auf mich gehäuft. Diese grundlose +Freigebigkeit macht mich noch ängstlicher... +Wohin fliegen die Vögel zu dieser Stunde der +Nacht? Was hat sie plötzlich aufgeschreckt? +Das ist nicht die gewohnte Zeit ihres Fluges, +gewiß nicht... Warum rennt der Königin +zahmes Reh dieses Wegs? Tschapata! Tschapata! +Es hört nicht einmal meinen Ruf. Ich +habe nie eine Nacht wie diese gesehen. Der +Horizont wird auf allen Seiten plötzlich rot, +wie das Auge eines Wahnsinnigen! Die Sonne +scheint zu so ungewohnter Stunde auf allen<a class="pagenum" name="Page_82" title="82"> </a> +Seiten zugleich unterzugehen. Welcher Wahnsinn +des Allmächtigen ist dies! ... Oh, ich +fürchte mich! ... Wo kann ich den König +finden?</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="VII" id="VII">VII.</a></h2> + +<p class="regie">Am Tor zum Palast der Königin.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Was hast du getan, Kantschi?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich wollte nur diesen Teil des Gartens beim +Palast in Brand stecken. Ich hatte keine +Ahnung, daß das Feuer sich so schnell nach +allen Seiten verbreiten würde. Sag mir schnell +den Weg aus diesem Garten.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich kann ihn dir nicht sagen. Die uns hierher +geführt haben, sind alle entflohen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du bist ein Eingeborner dieses Landes — du +mußt den Weg wissen.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich habe diese inneren Königsgärten nie zuvor +betreten.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_83" title="83"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich will davon nichts hören — du mußt mir +den Weg zeigen, oder ich spalte dich in zwei +Teile.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Du kannst mir auf diese Weise das Leben +nehmen, aber es würde dir wenig helfen, den +Weg aus diesem Garten zu finden.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Warum liefst du dann herum und sagtest, du +wärest der König dieses Landes?</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich bin nicht der König — ich bin nicht der +König.</p> + +<p class="regie">Wirft sich mit gefalteten Händen zu Boden.</p> + +<p>Wo bist du, mein König? Rette mich, oh, rette +mich! Ich bin ein Empörer — strafe mich, +aber töte mich nicht!</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was nützt es, sich zu krümmen und in die +leere Luft zu schreien? Nutze die Zeit lieber +und such nach dem Wege!</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Ich will mich hierher legen — ich rühre mich<a class="pagenum" name="Page_84" title="84"> </a> +nicht von der Stelle. Komme was will, ich +werde nicht klagen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich will all diesen Unsinn nicht dulden. Wenn +ich verbrennen muß, sollst du mir zum letzten +Ende Gesellschaft leisten.</p> + +<p class="character">Stimme von außen</p> + +<p>Oh, rette uns, rette uns, König! Das Feuer +kommt von allen Seiten über uns!</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Narr, steh auf, verliere keine Zeit mehr.</p> + +<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(tritt auf)</span></p> + +<p>König, o mein König! rette mich, rette mich +vor dem Tode! Ich bin vom Feuer umzingelt.</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Wer ist der König? Ich bin kein König.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du bist nicht der König?</p> + +<p class="character">„König”</p> + +<p>Nein, ich bin ein Heuchler, ich bin ein Schuft.</p> + +<p class="regie">Seine Krone zu Boden werfend.</p> + +<p>Mag mein Trug und Heuchelei zu Staub zerstieben!</p> + +<p class="regie">Ab mit Kantschi.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_85" title="85"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Kein König? Er ist nicht der König? Dann, +o du Feuergott, verbrenne mich, vernichte +mich zu Asche! Ich will mich dir selbst in +die Arme werfen, o du großer Reiniger; verbrenne +meine Schmach, mein Verlangen, +meine Begierde zu Asche.</p> + +<p class="character">Rohini <span class="regie">(tritt auf)</span></p> + +<p>Königin, wohin gehst du? All deine innern +Gemächer sind in rasendes Feuer gehüllt — +geh nicht hinein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ja, ich will in diese brennenden Räume hineingehn! +Es ist mein Totenfeuer!</p> + +<p class="regie">Sie geht in den Palast.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="VIII" id="VIII">VIII.</a></h2> + + +<p class="regie">Die dunkle Kammer. Der König und Sudarschana.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Fürchte dich nicht — du hast keinen Grund +zur Angst. Das Feuer wird nicht in dies Gemach +dringen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe keine Angst — aber oh, die Scham +verfolgt mich wie ein rasendes Feuer. Mein<a class="pagenum" name="Page_86" title="86"> </a> +Gesicht, meine Augen, mein Herz, jeder Teil +meines Körpers wird von ihren Flammen versengt +und verbrannt.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Es wird eine Zeit vergehen, ehe du über +diesen Brand hinwegkommst.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dieses Feuer wird nie aufhören — wird nie +aufhören!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Verzage nicht, Königin!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O König, ich will dir nichts verbergen... Ich +trage eines anderen Kette um meinen Hals.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Auch diese Kette ist mein — wie sonst hätte +er zu ihr kommen sollen? Er stahl sie aus +meiner Kammer.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber sie ist <em class="gesperrt">sein</em> Geschenk an mich: und +doch konnte ich diese Kette nicht fortschleudern! +Als das Feuer brüllend von allen Seiten +kam, dachte ich daran, diese Kette ins Feuer<a class="pagenum" name="Page_87" title="87"> </a> +zu werfen. Aber nein, ich konnte nicht. Mein +Geist flüsterte: „Behalte diese Kette im Tode +an”... Was für ein Feuer ist das, o König, +in das ich, die hinausgegangen war, dich zu +sehen, sprang, wie eine Motte, die der Flamme +nicht widerstehen kann! Welch eine Qual ist +das, oh, welch ein Todeskampf! Das Feuer +brennt so wild weiter wie je, und doch lebe +ich weiter in seinen Flammen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Aber du hast mich schließlich gesehen — deine +Sehnsucht ist gestillt worden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber suchte ich dich denn mitten in diesem +grauenhaften Verderben? Ich weiß nicht, was +ich sah, doch mein Herz pocht noch wild vor +Angst.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Was sahest du?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Grauenhaft — oh, es war grauenhaft! Ich +fürchte mich, auch nur noch daran zu +denken. Schwarz, schwarz — o du bist schwarz +wie die ewige Nacht! Ich habe dich nur einen<a class="pagenum" name="Page_88" title="88"> </a> +einzigen entsetzlichen Augenblick gesehen. +Der Feuerschein fiel auf deine Züge — du +sahst wie die schaudervolle Nacht aus, wenn +ein Komet unheilverkündend über uns schwebt +— oh, da schloß ich die Augen — ich konnte +deinen Anblick nicht mehr ertragen. Schwarz +wie die drohende Wetterwolke, schwarz wie +das uferlose Meer mit dem gespenstischen Rot +des Zwielichts auf seinen tosenden Wogen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Habe ich dir nicht vorausgesagt, daß man meinen +Anblick nicht ertragen kann, wenn man +nicht schon darauf vorbereitet ist? Man möchte +vor mir zum Ende der Welt fliehen. Habe ich +das nicht zahllose Male gesehen? Darum wollte +ich mich dir langsam und allmählich enthüllen, +nicht gar zu plötzlich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber es kam die Sünde und vernichtete alle +deine Hoffnungen — die bloße Möglichkeit +einer Gemeinschaft mit dir ist für mich nun +undenkbar geworden.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Sie wird mit der Zeit möglich werden, meine<a class="pagenum" name="Page_89" title="89"> </a> +Königin. Die gräßliche düstere Schwärze, die +dich heute bis in die Seele mit Furcht geschlagen +hat, wird eines Tages dein Trost und +dein Heil sein. Wofür sonst kann meine Liebe +da sein?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es kann nicht sein, es ist nicht möglich. Was +will <em class="gesperrt">deine</em> Liebe allein noch tun? <em class="gesperrt">Meine</em> +Liebe hat sich nun von dir abgewandt. Die +Schönheit hat ihren Zauber auf mich geworfen, +diese Raserei, dieser Rausch wird mich +nie mehr verlassen — sie hat meine Augen mit +ihrem Glanz geblendet und entflammt, sie hat +ihren goldenen Schimmer bis in meine Träume +geworfen! Ich habe dir nun alles gesagt — +strafe mich, wie dir beliebt.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Die Strafe hat schon begonnen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Doch willst du mich nicht strafen so stoße +mich von dir. Ich will dich verlassen —</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Du hast vollkommene Freiheit, zu tun, was dir +beliebt.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_90" title="90"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen! +Mein Herz ist böse auf dich. Warum warst +du — aber was hast du mir getan?... Warum +bist du so? Warum haben sie mir gesagt, du +wärest stattlich und schön? Du bist schwarz, +schwarz wie die Nacht — ich werde dich nie, +ich kann dich nie liebhaben. Ich habe gesehen, +was ich liebe — es ist sanft und weich wie Samt, +zart wie die <i>Schirischa</i>-Blume, strahlend wie +ein Schmetterling.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Es ist falsch wie eine Fata Morgana, leer wie +eine Seifenblase.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Mag sein — aber ich kann deine Nähe nicht +ertragen — ich kann einfach nicht! Ich muß +von hier fliehen. Eine Gemeinschaft mit dir, +das kann nicht möglich sein! Sie kann nichts +anderes sein als ein falscher Bund — mein +Geist muß sich unweigerlich von dir abkehren.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Willst du es nicht einmal ein wenig versuchen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_91" title="91"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe es seit gestern versucht — aber je +mehr ich versuche, um so mehr empört sich +mein Herz. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich +beständig von dem Gedanken verfolgt und gehetzt, +daß ich unrein bin, daß ich falsch und +treulos bin.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Nun wohl, du kannst so weit von mir gehen, +als dir beliebt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich kann von dir nicht fliehen — gerade weil +du mein Gehen nicht hinderst. Warum hältst +du mich nicht mit Gewalt an den Haaren zurück +und sagst: „Du sollst nicht gehen?” +Warum schlägst du mich nicht? O strafe +mich, triff mich, schlag mich mit gewaltiger +Hand! Aber dein widerstandsloses Schweigen +macht mich wild — oh, ich kann's nicht ertragen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Warum glaubst du, daß ich in Wirklichkeit +still bin? Woher weißt du, daß ich nicht versuche, +dich zurückzuhalten?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_92" title="92"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, nein, nein! — Ich kann das nicht ertragen +— sag mir laut, befiehl mir mit der Stimme +des Donners, zwinge mich mit Worten, die +alles andere übertönen — laß mich nicht so +leicht, so mild von dir!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich werde dich frei lassen, aber warum sollte +ich zulassen, daß du dich von mir losreißest?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Das willst du nicht zulassen? Wohlan denn, +ich muß gehen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Geh denn!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>So bin ich gar nicht zu tadeln. Du hättest mich +mit Gewalt zurückhalten können, aber du +tatest es nicht! Du hast mich nicht gehindert +— und nun werde ich fortgehen. Befiehl deinen +Wachen, mich nicht gehen zu lassen!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Niemand wird dir in den Weg treten. Du +kannst so frei gehen wie die zerrissene Wetterwolke, +die vom Sturm gepeitscht wird.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_93" title="93"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich kann nicht mehr widerstehen — etwas in +mir jagt mich vorwärts — es treibt mich von +meinem Anker! Vielleicht werde ich versinken, +aber ich werde nie mehr zurückkehren.</p> + +<p class="regie">Sie stürzt hinaus.</p> + +<p class="regie">Surangama tritt auf.</p> + +<p class="character">Surangama <span class="regie">(singt)</span></p> + +<p>Was hat dein Wille mit mir vor, daß er mich +in die Weite sendet? Zu deinen Füßen werde +ich wieder von meiner Wanderschaft zurückkehren.</p> + +<p>Deine Liebe ist es, die sich hinter dem Schein +der Nachlässigkeit verbirgt, deine zärtlichen +Hände stoßen mich fort, um mich wieder in +deine Arme zu ziehn! O mein König, was ist's +für ein Spiel, das du überall in deinem Reiche +treibst?</p> + +<p class="character">Sudarschana <span class="regie">(kehrt zurück)</span></p> + +<p>König, o König!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Er ist fortgegangen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Fortgegangen? Wohlan denn ... dann hat er<a class="pagenum" name="Page_94" title="94"> </a> +mich endgültig verstoßen! Ich bin zurückgekehrt, +aber er hat nicht einen einzigen kleinen +Augenblick auf mich warten können! Sehr gut +denn, ich bin nun vollkommen frei. Surangama, +hat er dich geheißen, mich zurückzuhalten?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, er hat nichts gesagt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum sollte er etwas sagen? Warum sollte +er sich um mich kümmern? ... Ich bin also +frei, vollkommen frei. Aber, Surangama, ich +wollte den König etwas fragen, konnte es aber +in seiner Gegenwart nicht herausbringen. Sag +mir, ob er die Gefangenen mit dem Tode bestraft +hat.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Mit dem Tode? Mein König straft nie mit dem +Tode.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Was hat er ihnen denn getan?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Er hat sie in Freiheit gesetzt. Kantschi hat +seine Niederlage anerkannt und ist in sein +Königreich heimgekehrt.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_95" title="95"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ach, was für eine Erlösung!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Meine Königin, ich habe eine einzige Bitte an +dich.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du brauchst deine Bitte nicht auszusprechen, +Surangama. Alle Geschmeide und Schmucksachen, +die der König mir gab, lasse ich dir +— ich bin nicht würdig, sie von nun an zu +tragen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, ich brauche sie nicht, meine Königin. +Mein Herr hat mir nie irgendwelchen Schmuck +zu tragen gegeben — mein schmuckloses Aussehen +ist für mich gut genug. Er hat mir nichts +gegeben, womit ich vor den Leuten prahlen +könnte.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Was willst du sonst von mir?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich will mit dir gehn, meine Königin.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Bedenke, was du da sagst; du verlangst, deinen<a class="pagenum" name="Page_96" title="96"> </a> +Herrn zu verlassen. Was für eine Bitte ist das +für dich!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich werde nicht weit von ihm fortgehen — +wenn du unbehütet fortgehst, wird er bei dir +sein, dicht dir zur Seite.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du redest Unsinn, mein Kind. Ich wollte Rohini +mit mir nehmen, aber sie wollte nicht. +Was gibt dir den Mut zu dem Wunsche, mit +mir zu kommen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich besitze weder Mut noch Kraft. Aber ich +werde gehen — der Mut wird von selbst kommen, +und auch die Kraft wird kommen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein, ich kann dich nicht mitnehmen; deine +Gegenwart wird mich beständig an meine +Schmach erinnern; ich werde das nicht ertragen +können.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>O meine Königin, ich habe wie all dein Gutes<a class="pagenum" name="Page_97" title="97"> </a> +so auch all dein Böses mir zu eigen gemacht; +willst du mich noch als Fremde behandeln? +Ich muß mit dir gehn.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="IX" id="IX">IX.</a></h2> + +<p class="regie">Der König von Kanya Kubja, +Vater von Sudarschana, und sein Minister.</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Ich hörte alles vor ihrer Ankunft.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Die Prinzessin wartet allein außerhalb der +Stadttore am Ufer des Flusses. Soll ich Leute +senden, um sie zu Hause willkommen zu +heißen?</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Wie! Für sie, die treulos ihren Gatten verlassen +hat — da willst du ihre Schmach und +Schande in aller Welt ausposaunen und ein +Schaustück für sie in Szene setzen?</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Soll ich dann Anordnungen treffen, um ihr +eine Wohnung im Palaste herzurichten?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_98" title="98"> </a></p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Du wirst nichts der Art tun. Sie hat ihren +Platz als Königin aus eigenem Entschluß verlassen +— hier wird sie als Magd arbeiten +müssen, wenn sie in meinem Hause zu bleiben +wünscht.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Es wird schwer und bitter für sie sein, Euer +Hoheit.</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Wenn ich versuche, sie vor Leiden zu bewahren, +dann bin ich nicht wert, ihr Vater +zu sein.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Ich werde alles ordnen, wie Ihr wünscht, +Euer Hoheit.</p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Es soll verborgen bleiben, daß sie meine Tochter +ist, sonst geraten wir alle in ein entsetzliches +Unheil.</p> + +<p class="character">Minister</p> + +<p>Warum fürchtet Ihr Unheil davon, Euer Hoheit?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_99" title="99"> </a></p> + +<p class="character">König von Kanya Kubja</p> + +<p>Wenn das Weib vom rechten Weg abweicht, +dann erscheint sie mit dem furchtbaren Unheil +beladen. Du weißt nicht, welche tödliche +Furcht diese meine Tochter mir eingeflößt +hat — sie ist heimgekommen, beladen mit +Schrecknis und Gefahr.</p> + + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="X" id="X">X.</a></h2> + + +<p class="regie">Innere Gemächer des Palastes.</p> + +<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Geh fort von mir, Surangama! Ein tödlicher +Zorn rast in mir — ich kann niemanden ertragen +— es macht mich wild, dich so geduldig +und unterwürfig zu sehn.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Auf wen bist du zornig?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich weiß nicht; aber ich möchte alles vernichtet +und unter Trümmern und Elend begraben +sehn! In einem Augenblick verließ ich +meinen Platz als Königin auf dem Thron. Gab<a class="pagenum" name="Page_100" title="100"> </a> +ich alles hin, um mich in dieser düsteren Höhle +als Sklavin abzuplagen? Warum flammen für +mich nicht die Fackeln der Trauer über die +ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die +Erde? Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte +Fallen der armseligen Bohnenblüte? +Ist er nicht eher wie der Fall eines glühenden +Sternes, dessen flammende Lohe den Himmel +in Stücke reißt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ein mächtiger Wald raucht und glimmt innen, +ehe er in Flammen ausbricht: die Zeit ist noch +nicht gekommen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe Ehre und Ruhm einer Königin in +Staub und Winde gestreut — aber gibt es +keinen Menschen, der kommen will, um meine +trostlose Seele hier zu besuchen? Allein — oh, +ich bin furchtbar, grauenvoll allein!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du bist nicht allein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Surangama, ich will nichts vor dir verbergen.<a class="pagenum" name="Page_101" title="101"> </a> +Als er den Palast in Flammen setzte, konnte +ich nicht auf ihn böse sein. Eine große innere +Freude machte mein Herz erzittern. Was für +ein staunenswürdiges Verbrechen! Was für +eine glorreiche Kühnheit! Dieser Mut machte +mich stark und befeuerte meine Lebensgeister. +Diese furchtbare Freude gab mir die Kraft, in +einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist +das alles nur meine Einbildung? Warum ist +nirgends ein Zeichen zu sehen, daß er kommt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Der, an den du denkst, hat den Palast nicht +in Brand gesteckt — der König von Kantschi +tat es.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Der Feigling! Aber ist es möglich? So schön, +so bezaubernd, und doch keine Mannheit +in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um +so eines wertlosen Geschöpfes willen? O +Schmach! Pfui über mich!... Aber Surangama, +meinst du nicht, dein König hätte doch +kommen müssen, um mich zurückzuholen!</p> + +<p class="regie">(Surangama verharrt in Schweigen.)</p> + +<p>Du meinst, ich brenne darauf, zurückzukehren?<a class="pagenum" name="Page_102" title="102"> </a> +Niemals. Selbst wenn der König in Wirklichkeit +käme, ginge ich nicht zurück. Nicht ein +einziges Mal verbot er mir fortzugehn, und ich +fand alle Tore weit geöffnet, um mich hinauszulassen! +Und die steinige, staubige Straße, auf +der ich wanderte — es war ihr nichts, daß eine +Königin auf ihr schritt. Sie ist hart und gefühllos, +wie dein König; der niedrigste Bettler +gilt ihr ebensoviel wie die höchste Königin. +Du schweigst! Nun, ich sage dir, deines Königs +Benehmen ist — niedrig, roh, schmählich!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Jeder weiß, daß mein König hart und unbarmherzig +ist — niemand ist je imstande gewesen, +ihn zu rühren.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und +bei Nacht?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Möge er immer hart und unnachgiebig bleiben +wie Stein — mögen meine Tränen und Bitten +ihn nie bewegen! Mögen die Leiden nur immer +<em class="gesperrt">mein</em> Teil sein und möge Ruhm und Sieg <em class="gesperrt">ihm</em> +immerdar bleiben!</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_103" title="103"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint +dort drüben über den Feldern am östlichen +Horizont aufzusteigen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja, ich sehe es.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>In der Tat, es ist ein Banner.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dann kommt er. Er ist endlich gekommen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wer kommt?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Unser König — wer sonst! Wie könnte er ohne +mich leben! Es ist ein Wunder, wie er nur +diese Tage her aushalten konnte.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, nein, das kann nicht der König sein.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_104" title="104"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>„Nein”, in der Tat! Als ob du alles wüßtest! +Dein König ist hart, kalt, unbarmherzig, nicht +wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein +kann. Ich wußte von Anfang an, daß er +kommen würde — daß er hinter mir herlaufen +müßte. Aber erinnere dich, Surangama, ich +habe ihn nicht ein einziges Mal gebeten, daß +er käme. Du wirst sehen, wie ich deinen König +dazu bringe, mir seine Niederlage zu bekennen! +Geh nur hinaus, Surangama, und laß +mich alles wissen.</p> + +<p class="regie">Surangama geht hinaus.</p> + +<p>Aber werde ich gehen, wenn er kommt und +mich bittet, mit ihm zurückzukehren? Gewiß +nicht! Ich will nicht gehen! Niemals!</p> + +<p class="regie">Surangama kommt zurück.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Es ist nicht der König, meine Königin.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nicht der König? Bist du ganz sicher? Wie! +er ist noch nicht gekommen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_105" title="105"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, mein König wirbelt nie soviel Staub auf, +wenn er kommt. Niemand kann wissen, wann +er überhaupt kommt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Dann ist es —</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Eben der: er kommt mit dem König von +Kantschi.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Weißt du, wie er heißt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Er heißt Suvarna.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Er ist es also. Ich dachte: „Ich liege hier gleich +weggeworfenen Schlacken und Kehricht, die +keiner auch nur anrühren mag.” Aber mein +Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du +Suvarna früher gekannt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in +der Spielhölle —</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_106" title="106"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen, +ich will nichts hören. Er ist mein Held, meine +einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen, +ohne daß du mir Geschichten von ihm erzählst. +Aber sieh nur, ein netter Mann ist dein +König! Er ließ sich nicht einfallen, zu +kommen, um mich selbst aus dieser Entwürdigung +zu retten. Danach kannst du mich nicht +tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf +ihn warten und mich schimpflich wie eine +Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut +und Unterwürfigkeit üben wie du.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XI" id="XI">XI.</a></h2> + +<p class="regie">Lager.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p class="regie">Zu Kanya Kubja's Boten.</p> + +<p>Sage deinem König, daß er uns nicht gerade +als seine Gäste zu empfangen braucht. Wir +sind auf dem Weg zurück zu unsern Königreichen, +aber wir verweilen, um die Königin +Sudarschana aus der Knechtschaft und Entwürdigung +zu befreien, zu der sie hier verdammt +ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_107" title="107"> </a></p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Euer Hoheit, Ihr werdet Euch erinnern, daß +die Prinzessin in ihres Vaters Hause ist.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Eine Tochter kann nur solange im Heim ihres +Vaters bleiben, als sie unvermählt ist.</p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Aber ihre Beziehungen zur Familie ihres +Vaters bleiben unverändert bestehen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sie hat jetzt all solchen Verwandtschaftsbanden +entsagt.</p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Solcher Verwandtschaft, Euer Hoheit, kann +diesseits des Grabes niemals entsagt werden: +sie mag zu Zeiten außer Kraft treten, kann +jedoch nie ganz abgebrochen werden.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Entschließt sich der König nicht, mir seine +Tochter auf friedlichem Wege herauszugeben, +so wird mich das Gebot der Ritterpflicht nötigen,<a class="pagenum" name="Page_108" title="108"> </a> Gewalt anzuwenden. Du kannst das für +mein letztes Wort nehmen.</p> + +<p class="character">Bote</p> + +<p>Euer Hoheit wollen nicht vergessen, daß auch +unser König an die Ritterpflicht gebunden ist. +Ihr erwartet umsonst, daß er seine Tochter nur +auf eure Drohungen hin ausliefern wird.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sag deinem König, daß ich auf solch eine Antwort +gefaßt war, als ich herkam.</p> + +<p class="regie">Der Bote geht ab.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>König von Kantschi, es scheint mir, daß wir +zu viel wagen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Was für ein Vergnügen böte dieses Abenteuer, +wenn es anders wäre?</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Es braucht nicht viel Mut, Kanya Kubja zum +Kampf herauszufordern — aber...</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wenn du erst anfängst, dich vor „Aber” zu<a class="pagenum" name="Page_109" title="109"> </a> +fürchten, wirst du in dieser Welt kaum einen +Platz finden, der sicher genug für dich ist.</p> + +<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p> + +<p class="character">Soldat</p> + +<p>Euer Hoheit! ich habe soeben die Kunde erhalten, +daß die Könige von Koschala, Avanti +und Kalinga mit ihren Heerscharen des Wegs +kommen. <span class="regie">(Ab.)</span></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Gerade, was ich fürchtete! Die Nachricht von +Sudarschanas Flucht hat sich überall verbreitet; +jetzt wird man sich von allen Seiten +um sie reißen und schließlich wird alles in +Rauch aufgehn.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Es führt nun zu nichts, Euer Hoheit. Das sind +keine guten Nachrichten. Ich bin völlig gewiß, +daß unser König selbst insgeheim die Kunde +allenthalben verbreitet hat.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Nun, was soll ihm das nützen?</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Die Gierigen werden einander in der allgemeinen<a class="pagenum" name="Page_110" title="110"> </a> Eifersucht in Stücke reißen — und er +wird sich die Lage zunutze machen, die Beute +heimzuführen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Nun wird es klar, warum euer König sich nie +sehen läßt. Sein Kniff ist, sich auf allen Seiten +zu vervielfachen — die Furcht sieht ihn allenthalben. +Aber ich will dabei bleiben, daß euer +König von Kopf zu Fuß nichts als eitel +Schwindel ist.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Aber bitte, Euer Hoheit, wollt Ihr die Güte +haben, mich zu entlassen?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich kann dich nicht gehen lassen — ich habe +noch eine Verwendung für dich in dieser +Sache.</p> + +<p class="regie">Ein Soldat tritt auf.</p> + +<p class="character">Soldat</p> + +<p>Euer Hoheit, Virat, Pantschal und Vidarbha +sind auch gekommen. Sie haben auf der andern +Seite des Flusses ihr Lager aufgeschlagen. +<span class="regie">(Ab.)</span></p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_111" title="111"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Im Anfang müssen wir alle vereinigt kämpfen. +Ist erst die Schlacht mit Kanya Kubja vorbei, +so werden wir schon einen Weg aus der +Schwierigkeit finden.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Bitte, zieht mich nicht mit Gewalt in Eure +Pläne — ich werde glücklich sein, wenn Ihr +mich mir selbst überlaßt — ich bin ein armes, +niedriges Geschöpf — nichts kann —</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sieh einmal an, König der Heuchler, Mittel +und Wege sind nie von so hohem Range — +Straßen und Stufen und so weiter sind stets +dazu da, mit den Füßen getreten zu werden. +Der Vorteil, wenn wir Männer deiner Art in +unsern Plänen verwenden, ist, daß wir keine +Maske oder Täuschung nötig haben. Wenn ich +mich aber mit meinem Minister zu beraten +hätte, wäre es unsinnig, wollte ich dem Diebstahl +einen weniger würdigen Namen geben als +Gemeinwohl. Ich will jetzt gehn und die +Fürsten in Bewegung setzen wie Bauern auf<a class="pagenum" name="Page_112" title="112"> </a> +dem Schachbrett; das Spiel ist nicht möglich, +wenn <em class="gesperrt">all</em> die Schachfiguren sich wie Könige +bewegen wollen!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XII" id="XII">XII.</a></h2> + +<p class="regie">Inneres des Palastes.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Geht die Schlacht noch fort?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>So heftig wie je.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater +zu mir und sagte: „Du bist von einem König +fortgelaufen, aber du hast sieben Könige dir +nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben +Stücke zu schneiden und sie unter die Fürsten +zu verteilen.” Es wäre gut gewesen, wenn er +es getan hätte. — Surangama!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wenn dein König die Macht hätte, mich zu +retten, könnte mein jetziger Zustand ihn ungerührt +gelassen haben?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_113" title="113"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Meine Königin, warum fragst du mich? Habe +ich die Macht, für meinen König zu antworten? +Ich weiß, mein Verstand ist nicht hell; darum +wage ich nie über ihn zu urteilen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Alle sieben Fürsten.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sonst keiner?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Suvarna machte den Versuch zu entfliehen — +insgeheim, ehe der Kampf anfing —, aber +Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem +Lager verwahrt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, ich hätte vor langer Zeit sterben sollen! +Aber, o König, mein König, wenn du gekommen +wärest und hättest meinem Vater geholfen, +dein Ruhm wäre darum nicht geringer! +Er wäre strahlender und höher geworden. Bist<a class="pagenum" name="Page_114" title="114"> </a> +du ganz gewiß, Surangama, daß er nicht gekommen +ist?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich weiß nichts sicher.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber seit ich hier bin, hatte ich plötzlich +manchmal die Empfindung, als ob jemand +unter meinem Fenster auf einer Laute spielte.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Es wäre nicht undenkbar, daß jemand dort +seiner Liebe zur Musik frönt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es ist dort ein dichtes Gebüsch unter meinem +Fenster — ich versuche jedesmal, wenn ich +die Musik höre, herauszubekommen, wer es ist, +aber ich kann nichts deutlich unterscheiden.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und +spielt auf dem Instrument.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast +kommt mir ins Gedächtnis zurück. Ich kam +gewöhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet<a class="pagenum" name="Page_115" title="115"> </a> hatte, und stand an meinem Fenster, +und aus dem blinden Dunkel des lichtlosen +Ortes unsrer Begegnungen strömten dann +Akkorde und Gesänge und Melodien heraus +und tanzten und zitterten in endloser Folge +und überfließender Verschwendung, wie die +leidenschaftliche Überschwänglichkeit eines +unversieglichen Springquells.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles +Dunkel, dessen Dienerin ich war!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Weil ich wußte, er würde uns folgen und uns +zurückholen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber nein, er wird nicht kommen — er hat +uns für immer verlassen. Warum sollte er +nicht?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann +bedürfen wir seiner nicht. Dann ist er für uns<a class="pagenum" name="Page_116" title="116"> </a> +nicht da: dann ist jene dunkle Kammer völlig +leer und öde — keine Laute hauchte dort je +ihre Musik — niemand rief dich oder mich in +jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen +und ein eitler Traum.</p> + +<p class="regie">Der Türhüter tritt auf.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wer bist du?</p> + +<p class="character">Türhüter</p> + +<p>Ich bin der Pförtner dieses Palastes.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sag mir rasch, was du zu sagen hast.</p> + +<p class="character">Türhüter</p> + +<p>Unser König ist gefangen genommen worden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Gefangen? O Mutter Erde!</p> + +<p class="regie">Sie wird ohnmächtig.</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XIII" id="XIII">XIII.</a></h2> + +<p class="regie">König von Kantschi und Suvarna.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Ihr sagt also, daß keine Notwendigkeit irgendeines +Kampfes unter euch selbst mehr besteht?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_117" title="117"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Nein, du brauchst keine Angst zu haben. Ich +habe alle Fürsten dazu gebracht, sich einverstanden +zu erklären, daß der, den die Königin +als Gemahl erwählt, sie bekommen soll, und +die andern werden auf jeden weiteren Kampf +verzichten.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Doch dann braucht Ihr mich nicht mehr, +Euer Hoheit — so flehe ich Euch an: entlaßt +mich jetzt. Untauglich wie ich zu allem bin, +hat die Furcht vor drohender Gefahr mich entnervt +und meinen Verstand betäubt. Es wird +Euch daher schwer fallen, mich irgendwie zu +verwenden.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du wirst dasitzen und mir als Schirmträger +dienen.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Euer Diener ist zu allem bereit; aber was für +einen Nutzen wird Euch das bringen?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Mann, ich sehe, daß dein Verstand zu schwach +ist, um mit einem hohen Ehrgeiz zusammenzugehen.<a class="pagenum" name="Page_118" title="118"> </a> Du hast noch nicht bemerkt, mit +welcher Gunst die Königin auf dich gesehen +hat. Schließlich kann sie in einer Gesellschaft +von Fürsten einem Schirmträger nicht gut den +Brautkranz um den Nacken legen, und doch, +ich weiß, sie wird nicht imstande sein, ihren +Sinn von dir abzuwenden. So wird auf jeden +Fall dieser Kranz unter den Schatten meines +königlichen Schirmes fallen.</p> + +<p class="character">Suvarna</p> + +<p>Euer Hoheit, Ihr hegt, was mich angeht, gefährliche +Phantasien. Ich bitte Euch inständig, +verwickelt mich nicht in die Netze so grundloser +Vorstellungen. Ich bitte Euer Hoheit ganz +demütig, setzt mich in Freiheit.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Sowie mein Ziel erreicht ist, werde ich dir +nicht einen Augenblick mehr deine Freiheit +vorenthalten. Ist erst der Zweck erreicht, so +ist es unnütz, sich mit den Mitteln zu beschweren.</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_119" title="119"> </a></p> + +<h2><a name="XIV" id="XIV">XIV.</a></h2> + +<p class="regie">Sudarschana und Surangama am Fenster.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Muß ich also in die Versammlung der Fürsten +gehn? Gibt es kein anderes Mittel, meines +Vaters Leben zu retten?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Der König von Kantschi hat es gesagt.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Sind das Worte, die eines Königs würdig sind? +Sagte er das mit seinem eigenen Munde?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Nein, sein Bote, Suvarna, brachte die Nachricht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Weh, weh über mich!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Und er zog ein paar verwelkte Blumen hervor +und sagte: „Sag deiner Königin, daß diese Andenken +an das Frühlingsfest, je trockener und<a class="pagenum" name="Page_120" title="120"> </a> +verwelkter sie werden, um so frischer und +blühender in meinem Herzen wachsen.”</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Halt ein! Sag mir nichts mehr. Foltre mich +nicht länger.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Sieh! Da sitzen die Fürsten alle in der großen +Versammlung. Der keinen Schmuck an sich +hat, außer dem einzigen Blumenkranz um +seine Krone — das ist der König von Kantschi. +Und der den Schirm über sein Haupt hält und +hinter ihm steht — das ist Suvarna.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist das Suvarna? Bist du ganz sicher?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ja, ich kenne ihn gut.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist es möglich, daß das der Mann ist, den ich +damals sah? Nein, nein — ich sah etwas, das +war gemischt aus Licht und Dunkel, aus +Windhauch und Duft — nein, nein, er kann +es nicht sein; das ist er nicht.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_121" title="121"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Aber alle geben zu, daß er ausnehmend schön +ist.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wie konnte <em>diese</em> Schönheit mich bezaubern? +Oh, was soll ich tun, um meine Augen von der +Befleckung zu reinigen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Du wirst sie in jenem unergründlichen Dunkel +baden müssen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber sage mir, Surangama, warum begeht man +solche Fehler?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Fehler sind nur die Vorspiele zu ihrer eigenen +Vernichtung.</p> + +<p class="character">Bote <span class="regie">(eintretend)</span></p> + +<p>Prinzessin, die Könige warten in der Halle auf +Euch.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Surangama, bring mir den Schleier. <span class="regie">(Surangama +geht hinaus.)</span> O König, mein einziger +König! Du hast mich allein gelassen, und du<a class="pagenum" name="Page_122" title="122"> </a> +hast ganz recht daran getan. Aber willst du +nicht die innerste Wahrheit meiner Seele erfahren?</p> + +<p class="regie">Sie holt einen Dolch aus ihrem Busen hervor.</p> + +<p>Dieser mein Leib hat einen Flecken bekommen +— ich werde ihn heute im Staub +der Halle, vor all diesen Fürsten, zum Opfer +bringen! Aber werde ich dir nie sagen können, +daß die geheime Kammer meines Herzens +durch keine Treulosigkeit befleckt ist? Die +dunkle Kammer, wo du mich zu besuchen +pflegtest, liegt heute kalt und leer in meinem +Busen — doch, o mein Herr! keiner hat ihre +Tore geöffnet, keiner ist in sie eingegangen +als du, o König! Wirst du nie mehr kommen, +um diese Tore zu öffnen? Dann laß den Tod +kommen, denn er ist dunkel wie du, und seine +Züge sind schön wie deine. Er ist du — du +bist es selbst, o König!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XV" id="XV">XV.</a></h2> + +<p class="regie">Die Versammlung der Fürsten.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>König von Kantschi, wie kommt es, daß du +nicht ein einziges Schmuckstück an dir hast?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_123" title="123"> </a></p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein +Freund. Schmuckstücke würden die Schmach +meiner Niederlage nur verdoppeln.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Aber dein Schirmträger scheint sich dafür ausstaffiert +zu haben — er ist über und über mit +Gold und Edelsteinen beladen.</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Der König von Kantschi will die Nutzlosigkeit +und Minderwertigkeit äußerer Schönheit und +Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine Mannestugenden +hat ihn vermocht, alle äußeren Verschönerungen +von seinen Gliedern zu entfernen.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Ich verstehe seine List schon; er sucht seine +eigene Würde zu zeigen, indem er unter den +mit Edelsteinen übersäten Fürsten eine strenge +Einfachheit betont.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht +rühmen. Alle Welt weiß, daß die Augen eines<a class="pagenum" name="Page_124" title="124"> </a> +Weibes wie eine Motte sind, sie stürzen Hals +über Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von +Gold und Steinen.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Aber wie lange sollen wir noch warten?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Werde nicht ungeduldig, König von Kalinga — +je später die Ernte, desto süßer die Frucht.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Wäre ich der Frucht sicher, so könnte ich es +aushalten. Weil jedoch meine Hoffnung, die +Frucht zu schmecken, äußerst zweifelhaft ist, +will sich meine Begier, ihren Anblick zu genießen, +nicht zügeln lassen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber du bist noch jung — aufgegebene Hoffnung +kommt in deinen Jahren wieder und wieder +zu dir zurück wie ein schamloses Weib: +wir indessen haben diese Stufe lange hinter +uns.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Kantschi, spürtest du nicht jetzt eben etwas,<a class="pagenum" name="Page_125" title="125"> </a> +als ob jemand an deinem Sessel rüttelte? Ist +es ein Erdbeben?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Erdbeben? Ich weiß nichts davon.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Oder vielleicht zieht noch ein Fürst mit seinen +Bewaffneten daher.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur +hätten wir dann vorher die Nachricht erst von +einem Herold oder Boten vernehmen müssen.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Ich kann dies nicht für ein Zeichen guter Vorbedeutung +nehmen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte +Vorbedeutung aus.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Ich fürchte keinen außer dem Schicksal, vor +dem Tapferkeit oder Heldenmut so unnütz wie +sinnlos ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_126" title="126"> </a></p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen +nicht einen Schatten auf die +glücklichen Geschehnisse dieses Tages!</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung, +bis es sichtbar geworden ist.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Aber dann könnte es zu spät sein, etwas zu +tun.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Sind wir nicht alle in einem besonders verheißungsvollen +Augenblick ans Werk gegangen!?</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Glaubst du dadurch, daß du in verheißungsvollen +Augenblicken ans Werk gehst, gegen +jede mögliche Gefahr versichert zu sein? Es +sieht aus, als ob —</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Du würdest besser das „Als ob” zu Hause +lassen: es ist zwar unsre eigene Schöpfung, erweist<a class="pagenum" name="Page_127" title="127"> </a> sich aber oft als unser Verderben und +Untergang.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Ist da nicht Musik irgendwo draußen?</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Ja, es klingt wirklich wie Musik.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Dann muß es endlich die Königin Sudarschana +sein, die naht. <span class="regie">(Beiseite zu Suvarna.)</span> Suvarna, +du mußt dich nicht so hinter mir ducken und +dich verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner +Hand zittert ja!</p> + +<p class="regie">Großvater tritt ein, in kriegerischer Rüstung.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Wer ist das? — Wer bist du?</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese +Halle zu treten?</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Unerhörte Frechheit! Kalinga, hindre doch +den Kerl, näher heranzukommen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_128" title="128"> </a></p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Ihr seid alle älter als ich — ihr seid berufener +das zu tun, als ich.</p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Wir wollen hören, was er zu sagen hat.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Der <em>König</em> ist gekommen.</p> + +<p class="character">Vidarbha <span class="regie">(aufspringend)</span></p> + +<p>Der König?</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Welcher König?</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Woher kommt er?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Mein König!</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Dein König?</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Wer ist das?</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Was meinst du?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ihr wißt alle, wen ich meine. Er ist gekommen.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_129" title="129"> </a></p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Er ist gekommen?</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>In welcher Absicht?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Er ladet euch alle vor sich.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher +Form hat es ihm beliebt, uns vorzuladen?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ihr könnt seinen Ruf auf jede Art nehmen, +ganz nach Belieben — niemand wird euch hindern +— er ist auf jede Art der Begrüßung gerüstet, +um jedem Geschmack zu genügen.</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Aber wer bist du?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich bin einer seiner Generale.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>General! Eine Lüge ist es! Denkst du, uns zu +schrecken? Bildest du dir ein, ich könnte nicht +durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir<a class="pagenum" name="Page_130" title="130"> </a> +kennen dich alle gut — und du spielst dich +vor uns als „General” auf!</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist +so unwürdig wie ich, Träger der Befehle +meines Königs zu sein? Und doch ist er es, +der mich mit dieser Generalsrüstung bekleidet +und hierher gesandt hat; er hat mich vor +größeren Generalen und mächtigeren Kriegern +erwählt.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit +kommen und bezeigen, was Schicklichkeit +und Freundwilligkeit erfordern — aber gegenwärtig +sind wir mitten in einem dringenden +Geschäft. Er wird warten müssen, bis diese +kleine Angelegenheit erledigt ist.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wenn er seinen Ruf ergehen läßt, wartet er +nicht.</p> + +<p class="character">Koschala</p> + +<p>Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_131" title="131"> </a></p> + +<p class="character">Vidarbha</p> + +<p>Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten, +bis diese Angelegenheit erledigt ist, nicht +zustimmen. Ich gehe.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Ihr seid älter als ich — ich folge euch.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Sieh hinter dich, Fürst von Kantschi, dein +königlicher Schirm liegt im Staub: du hast +nicht beachtet, wie dein Schirmträger sich +fortgestohlen hat.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Wohlan, General. Auch ich gehe — aber nicht, +um ihm Huldigung zu leisten. Ich gehe, auf +dem Schlachtfeld mit ihm zu kämpfen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du wirst meinen König auf dem Schlachtfeld +treffen: das ist kein unwürdiger Platz für +deinen Empfang.</p> + +<p class="character">Virat</p> + +<p>Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle +vor einem Schreckgespenst — es sieht so aus,<a class="pagenum" name="Page_132" title="132"> </a> +als ob der König von Kantschi den Vorteil davon +haben sollte.</p> + +<p class="character">Pantschala</p> + +<p>Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist +es feige und töricht, fortzugehen, ohne sie zu +pflücken.</p> + +<p class="character">Kalinga</p> + +<p>Es ist besser, sich dem König von Kantschi +anzuschließen. Er muß einen bestimmten Plan +und Zweck haben, wenn er soviel wagt.</p> + + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XVI" id="XVI">XVI.</a></h2> + +<p class="regie">Sudarschana und Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Der Kampf ist nun aus. Wann wird der König +kommen?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich weiß es selbst nicht: ich sehe auch seinem +Kommen entgegen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Mein Herz pocht so wild vor Freude, Surangama, +daß mir die Brust tatsächlich weh tut. +Aber ich sterbe auch fast vor Scham; wie soll +ich ihm mein Gesicht zeigen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_133" title="133"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Geh zu ihm in äußerster Demut und Entsagung, +und alle Scham wird im Nu verschwinden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich muß nun schon bekennen, daß ich die +äußerste Demütigung für mein ganzes übriges +Leben gefunden habe. Aber der Stolz war +schuld, daß ich so lange den größten Anteil +an seiner Liebe begehrte. Alle Welt +sagte immer, ich besäße eine so wunderbare +Schönheit, solche Reize und Tugenden; alle +Welt sagte immer, der König zeigte unbegrenzte +Güte gegen mich — das macht es +für mich so schwer, mein Herz in Demut vor +ihm zu beugen.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Diese Schwierigkeit, meine Königin, wird vergehen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O ja, sie wird vergehen — der Tag ist für mich +gekommen, mich vor der ganzen Welt zu demütigen. +Aber warum kommt der König nicht, +mich zurückzuholen? Worauf wartet er noch?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_134" title="134"> </a></p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Habe ich dir nicht gesagt, daß mein König +grausam und hart ist — sehr hart fürwahr?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Geh, Surangama, und bring' mir Nachricht +von ihm.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich weiß nicht, wohin ich gehen sollte, um +etwas von ihm zu erfahren. Ich habe Großvater +gebeten, zu kommen; vielleicht hören +wir, wenn er kommt, etwas von ihm.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ach, mein böses Geschick! Es ist so weit mit +mir gekommen, daß ich andre fragen muß, +um etwas von meinem eignen König zu hören!</p> + +<p class="regie">Großvater tritt ein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich habe gehört, daß du der Freund meines +Königs bist, so laß mich dir Ehrfurcht bezeugen +und gib mir deinen Segen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Was tust du, Königin? Ich nehme nie Ehrfurchtsbezeugungen<a class="pagenum" name="Page_135" title="135"> </a> an. Ich will nichts weiter +als jedermanns Kamerad sein.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>So schenk mir denn ein freundlich Lächeln — +gib mir gute Kunde. Sag mir, wann der König +kommt, mich zurückzuholen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du fragst mich eine schwere Frage, fürwahr! +Ich verstehe noch kaum die Wege meines +Freundes. Die Schlacht ist geschlagen, aber +niemand kann sagen, wohin er gegangen ist.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist er denn fortgegangen?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich kann hier keine Spur von ihm finden.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist er gegangen? Und nennst du solch einen +deinen Freund?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Deshalb schmähen und verdächtigen ihn die +Leute. Aber mein König kümmert sich einfach +nicht im geringsten darum.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_136" title="136"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ist er fortgegangen? Oh, oh, wie hart, wie +grausam, wie grausam! Er ist aus Stein, er ist +hart wie Diamant! Ich versuchte, ihn mit meinem +Herzen zu bewegen — es ist zerrissen und +blutet — aber ihn konnte ich nicht einen Zoll +bewegen! Großvater, sag mir, wie kannst du +mit solch einem Freund auskommen?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich kenne ihn nun — ich habe ihn in meinen +Leiden und Freuden kennengelernt — er kann +mich nicht mehr zum Weinen bringen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wird er sich mir nicht auch zu erkennen +geben?</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Gewiß wird er das, natürlich. Er wird nicht +eher ruhen.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wohlan denn, ich werde sehen, wie hart er +sein kann! Ich werde hier am Fenster stehen, +ohne ein Wort zu sagen; ich werde mich nicht<a class="pagenum" name="Page_137" title="137"> </a> +einen Zoll von der Stelle rühren; ich will +sehen, ob er nicht kommt!</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Du bist noch jung — du kannst es dir leisten, +auf ihn zu warten; aber für mich alten Mann +ist der Verlust eines Augenblicks eine Woche. +Ich muß hinaus, ihn zu suchen, ob ich ihn +finde oder nicht.</p> + +<p class="regie">Ab.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ich brauche ihn nicht — ich will ihn nicht +suchen! Surangama, ich bedarf deines Königs +nicht! Warum kämpfte er mit den Fürsten? +Geschah es überhaupt für mich? Wollte er +sein Heldentum und seine Stärke zur Schau +stellen? Geh fort von hier — ich kann deinen +Anblick nicht ertragen. Er hat mich in den +Staub erniedrigt und ist noch nicht zufrieden!</p> + +<hr class="chap" /> +<h2><a name="XVII" id="XVII">XVII.</a></h2> + +<p class="regie">Eine Schar von Bürgern.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Als so viele Könige zusammentrafen, dachten +wir, es würde eine rechte Kurzweil für uns<a class="pagenum" name="Page_138" title="138"> </a> +geben; aber irgendwie nahm alles eine solche +Wendung, daß niemand weiß, was überhaupt +geschehen ist!</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Saht ihr nicht, daß sie untereinander zu keiner +Verständigung kommen konnten? — jeder +mißtraute dem andern.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Keiner hielt sich an ihre ursprünglichen Pläne; +einer wollte vorrücken, ein anderer hielt den +Rückzug für die bessere Politik; einige +wandten sich nach rechts, andere liefen Sturm +nach links: wie kann man das eine Schlacht +heißen?</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Sie hatten keinen Sinn für wirklichen Kampf +— jeder hatte seine Augen auf den andern.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Jeder dachte: „Warum sollte ich sterben, um +es den andern zu ermöglichen, die Ernte einzuheimsen?”</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Aber ihr müßt alle zugeben: Kantschi kämpfte +wie ein wirklicher Held.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_139" title="139"> </a></p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Er schien noch lange, nachdem er geschlagen +war, nicht gewillt, seine Niederlage anzuerkennen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Zuletzt wurde ihm von einem tödlichen Wurfgeschoß +die Brust durchbohrt.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Aber vorher schien er nicht gewahren zu +wollen, daß er bei jedem Schritt Boden verloren +hatte.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Die andern Könige aber — nun, keiner weiß, +wohin sie geflohen sind; den armen Kantschi +ließen sie allein auf dem Feld.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Aber ich habe gehört, er sei noch nicht tot.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Nein, die Ärzte haben ihn gerettet — aber er +wird den Stempel seiner Niederlage bis zum +Tag seines Todes auf der Brust tragen.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Keiner von den andern Königen, die flohen,<a class="pagenum" name="Page_140" title="140"> </a> +ist entkommen; sie sind alle gefangengenommen +worden. Aber was ist das für eine Sorte +Justiz, die an ihnen geübt wurde?</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ich habe gehört, daß jeder bestraft wurde, +mit Ausnahme von Kantschi, dem der Richter +auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz +zu seiner Rechten anwies und ihm eine Krone +aufs Haupt setzte.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>So etwas Unfaßbares ist noch nicht dagewesen.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt +uns launisch und grillenhaft vor.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>So ist es. Der größte Sünder ist ganz gewiß +der König von Kantschi; die andern trieb einmal +Gewinngier vorwärts, und das andre Mal +zog sie die Furcht zurück.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Was für eine Sorte Justiz ist das, frage ich? +Es ist, wie wenn der Tiger ungestraft davonkäme,<a class="pagenum" name="Page_141" title="141"> </a> während sein Schwanz abgeschnitten +würde.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Wenn ich der Richter wäre, glaubt ihr, Kantschi +liefe zur Stunde heil und gesund herum? +Nicht das geringste wäre mehr von ihm übrig.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Das sind große Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne +haben ein andres Gepräge wie unsre.</p> + +<p class="character">Erster Bürger</p> + +<p>Haben sie überhaupt ein Hirn, möcht' ich +wissen? Sie frönen einfach ihren Launen, da +keiner über ihnen ist, der ihnen etwas sagen +dürfte.</p> + +<p class="character">Zweiter Bürger</p> + +<p>Ihr könnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt +in unsern Händen wäre, hätten +wir sicher die Regierung besser geführt als so.</p> + +<p class="character">Dritter Bürger</p> + +<p>Kann darüber überhaupt noch Zweifel bestehen? +Das versteht sich natürlich von selbst.</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_142" title="142"> </a></p> + +<h2><a name="XVIII" id="XVIII">XVIII.</a></h2> + +<p class="regie">Die Straße. Großvater und Kantschi.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Wie, Fürst von Kantschi, du hier?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Dein König hat mich auf die Straße geschickt.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Das ist eine stehende Gewohnheit bei ihm.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Und nun kann niemand eine Spur von ihm erblicken.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Auch das gehört zu seinen Vergnügungen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber wie lange will er mir noch so ausweichen? +Als nichts mich dazu bringen konnte, +ihn als meinen König anzuerkennen, kam er +plötzlich daher wie ein schrecklich gewaltiger +Sturm — Gott weiß, woher — und zersprengte +meine Leute und Pferde und Banner in einen +einzigen wilden Aufruhr: nun aber, wo ich die<a class="pagenum" name="Page_143" title="143"> </a> +Grenzen der Erde absuche, um ihm meine demütige +Huldigung zu erweisen, ist er nirgends +zu sehen.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber wie groß er als König auch sein mag, er +hat sich dem zu fügen, der sich unterwirft. +Aber warum bist du bei Nacht hinausgewandert, +Fürst?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Ich kann ein geheimes Gefühl der Angst noch +nicht loswerden, die Leute könnten mich auslachen, +wenn sie sehen, wie ich euerm König +demütig meine Huldigung darbringe und +meine Niederlagen anerkenne.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>So sind die Leute in der Tat. Was andre zu +Tränen rühren würde, dient nur dazu, ihr +leeres Lachen hervorzurufen.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber du bist auch auf der Straße, Großvater.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ich bin auf der fröhlichen Pilgerfahrt zu dem +Land, wo man alles verliert.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_144" title="144"> </a></p> + +<p class="character">Gesang des Großvaters</p> + +<div class="verse">Ich warte mit all meiner Habe in Hoffnung, sie all zu verlieren.</div> +<div class="verse">Ich laure am Straßenrand auf den, der einen hinaus auf die Straße schickt,</div> +<div class="verse">Der sich verbirgt und sieht, der ohne dein Wissen dich liebt,</div> +<div class="verse">Ich hab ihm in heimlicher Liebe mein Herz gegeben,</div> +<div class="verse">Ich warte in Hoffnung mit all meiner Habe, sie all zu verlieren.</div> + +<hr class="chap"/> +<h2><a name="XIX" id="XIX">XIX.</a></h2> + +<p class="regie">Eine Straße. Sudarschana und Surangama.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Welche Erlösung, Surangama, welche Freiheit! +Meine Niederlage ist es, die mir die Freiheit +gebracht hat. Oh, was besaß ich für einen +ehernen Stolz! Nichts konnte ihn rühren oder +erweichen. Mein verfinsterter Geist konnte auf +keine Weise dazu gebracht werden, die +schlichte Wahrheit zu sehen, daß nicht der +König zu kommen hatte, sondern daß ich zu +ihm gehen sollte. Die ganze Nacht hindurch<a class="pagenum" name="Page_145" title="145"> </a> +gestern lag ich allein im Staub auf dem Boden +am Fenster — lag da trostlose Stunden lang +und weinte! Die ganze Nacht bliesen die Südwinde +und schrien und stöhnten wie die Qual, +die an meinem Herzen nagte; und immer hindurch +hörte ich das klagende: „Sprich, Weib!” +des Nachtvogels, das in dem Aufruhr draußen +als Echo tönte!... Es war das hilflose Wehklagen +der dunklen Nacht, Surangama!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Die schwere melancholische Weise der letzten +Nacht schien eine Ewigkeit forttönen zu wollen +— oh, welch trübe düstere Nacht!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Aber willst du es glauben — mir war, ich hörte +die sanften Akkorde der Laute durch all den +wilden Lärm und Aufruhr strömen! Konnte +er so süße und zarte Weisen spielen, er, der +so grausam und schrecklich ist? Die Welt +kennt nur meine Entwürdigung und Schmach +— aber keiner als mein eigenes Herz konnte +diese Akkorde hören, die durch die einsame +und klagende Nacht hin nach mir riefen. Hörtest<a class="pagenum" name="Page_146" title="146"> </a> du, Surangama, diese Laute auch? Oder +war das nur ein Traum von mir?</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Aber eben um die Musik dieser Laute zu hören, +bin ich ja immer an deiner Seite. Auf diesen +Ruf der Musik, von dem ich wußte, er würde +eines Tages kommen und all die Schranken +der Liebe zunichte machen, habe ich mit +gespanntem Ohr all die Zeit her gelauscht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Schließlich schickte er mich auf die Landstraße +— ich konnte seinem Willen nicht +widerstehen. Wenn ich ihn finde, werden die +ersten Worte sein, die ich ihm sage: „Ich bin +freiwillig gekommen — ich habe nicht abgewartet, +bis du kamst.” Ich werde sagen: „Um +deinetwillen bin ich die harten beschwerlichen +Straßen gewandert, und bitter und unaufhörlich +war auf dem ganzen Weg mein Weinen.” +Ich werde wenigstens diesen Stolz in mir +haben, wenn ich zu ihm komme.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Aber selbst dieser Stolz wird nicht dauern. Er<a class="pagenum" name="Page_147" title="147"> </a> +kam vor dir — wer sonst hätte dich auf die +Straße schicken können?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Vielleicht ist es so. Solange noch ein Gefühl gekränkten +Stolzes in mir war, mußte ich glauben, +er hätte mich für immer verlassen; aber +als ich meine Würde und meinen Stolz in die +Winde schleuderte und auf die gemeinen +Straßen hinausging, da schien es mir, als wäre +auch er herausgekommen: ich habe angefangen, +ihn zu finden, seit ich auf der Straße +bin. Ich fürchte nun nichts mehr. All diese +Leiden, durch die ich um seinetwillen hindurchgegangen +bin, gerade die Bitterkeit all +dieser Leiden bringt ihn zu mir. Ach ja, er ist +gekommen, er hat mich bei der Hand genommen, +gerade wie er es in jener Kammer +der Dunkelheit gern tat, wo bei seiner Berührung +all mein ganzer Leib in plötzlicher +Wonne erbebte: es ist dieselbe, dieselbe Berührung +wieder! Wer sagt, er sei nicht hier? +— Surangama, kannst du nicht sehen, daß er +gekommen ist, schweigend und insgeheim?... +Wer ist jener dort? Sieh, Surangama, dort ist<a class="pagenum" name="Page_148" title="148"> </a> +ein dritter Wanderer auf dieser dunklen +Straße zu dieser nächtlichen Stunde.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Ich sehe, es ist der König von Kantschi, meine +Königin.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Der König von Kantschi!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Fürchte dich nicht, meine Königin!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Fürchten! Warum sollte ich mich fürchten? +Die Tage der Furcht sind für mich für immer +vorbei.</p> + +<p class="character">Kantschi <span class="regie">(tritt auf)</span></p> + +<p>Mütterchen Königin, ich sehe euch beide auf +dieser Straße! Ich bin ein Wanderer auf demselben +Weg wie du. Habe keine Furcht vor +mir, o Königin!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Es ist gut, König von Kantschi, daß wir zusammen +gehen, Seite an Seite — das ist nur in +Ordnung. Ich kam dir in den Weg, als ich zuerst +mein Heim verließ, und nun begegne ich<a class="pagenum" name="Page_149" title="149"> </a> +dir wieder auf dem Rückweg. Wer hätte sich +träumen lassen, daß diese unsre Begegnung +voll so guter Verheißung war?</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Aber, Mütterchen Königin, es gebührt sich +nicht, daß du zu Fuß über diese Straße wanderst. +Willst du mir gestatten, einen Wagen +für dich zu besorgen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Oh, sage das nicht: ich wäre nie wieder glücklich, +wenn ich nicht auf meinem Rückweg +nach Hause auf den Staub der Straße treten +könnte, die mich von meinem König weggeführt +hat. Ich würde mich selbst betrügen, +wenn ich jetzt in einem Wagen fahren würde.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>König, auch du wanderst heute im Staub: diese +Straße hat niemals einen gekannt, der Pferd +oder Wagen über sie gelenkt hätte.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Als ich die Königin war, schritt ich auf Silber +und Gold — ich habe nun für das Unglück +meiner königlichen Geburt zu büßen, indem<a class="pagenum" name="Page_150" title="150"> </a> +ich auf Staub und nackter Erde wandre. Ich +hätte mir nicht träumen lassen, daß ich heute +bei jedem meiner Schritte im gemeinen Staub +der Erde meinen König finden würde.</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Sieh, meine Königin, dort im Osten dämmert +der Morgen. Wir haben nicht mehr lange zu +wandern: ich sehe die Spitzen der goldenen +Türme des Königspalastes.</p> + +<p class="regie">Der Großvater tritt auf.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Mein Kind, es tagt — endlich!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Du hast mir deinen Segen zum Geleit gegeben, +und hier bin ich nun.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber siehst du, was für schlechte Manieren +unser König hat? Er hat keinen Wagen geschickt, +keine Musik, nichts von Glanz und +Pracht.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Nichts von Pracht, sagst du? Sieh hin, der +Himmel ist rosig und purpurn über und über,<a class="pagenum" name="Page_151" title="151"> </a> +und die Luft ist voll von dem Willkommgruß +der Blumendüfte.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Ja, aber so grausam unser König sein mag, +dürfen wir doch nicht suchen, mit ihm zu +wetteifern: ich kann mich des Schmerzes nicht +erwehren, wenn ich dich in diesem Zustand +sehe, mein Kind. Wie können wir ertragen, +dich in dieses arme zerlumpte Gewand gekleidet +in den Königspalast eingehn zu sehen? +Warte etwas — ich laufe und hole dir deine +Königsgewänder.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O nein, nein, nein! Er hat diese Königskleider +für immer von mir genommen — er hat mich +vor den Augen der ganzen Welt in das Kleid +einer Magd gekleidet: welche Erlösung ist das +für mich gewesen! Ich bin nun seine Magd, +nicht länger seine Königin. Heute stehe ich +tiefer als alle die, die irgendeine Verwandtschaft +mit ihm beanspruchen können.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Aber deine Feinde werden nun über dich +lachen: wie kannst du ihren Spott ertragen?</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_152" title="152"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Laß ihr Gelächter und ihren Spott unauslöschlich +sein — laß sie auf den Straßen Staub +nach mir werfen: dieser Staub wird heute der +Puder sein, mit dem ich mich schmücken will, +ehe ich meinem Herrn entgegentrete.</p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Danach habe ich nichts mehr zu sagen. Nun +wollen wir das letzte Spiel unsres Frühlingsfestes +spielen — anstatt mit Blütenstaub soll +der Südwind alles mit dem Staub der Demut +überschütten! Wir werden zum Herrn gehen, +gekleidet in das gemeine Grau des Staubes. +Und wir werden auch ihn über und über mit +Staub bedeckt finden. Denn, meint ihr, die +Leute schonen ihn? Selbst er kann ihren +schmutzigen und staubigen Händen nicht entgehen, +und er denkt nicht einmal daran, den +Schmutz von seinen Kleidern zu bürsten.</p> + +<p class="character">Kantschi</p> + +<p>Großvater, vergiß mich nicht in deinem Spiel! +Ich will auch dies mein Königsgewand beschmutzen +lassen, bis es nicht mehr zu erkennen +ist.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_153" title="153"> </a></p> + +<p class="character">Großvater</p> + +<p>Das wird nicht viel Zeit brauchen, mein Bruder. +Nun du so tief heruntergekommen bist, +wirst du deine Farbe in kürzester Frist +wechseln. Sieh nur unsre Königin an — sie +geriet in Zorn gegen sich selbst und dachte, +sie könnte ihre unvergleichliche Schönheit zerstören, +indem sie all ihren Schmuck wegwarf: +aber diese Beleidigung ihrer Schönheit ließ sie +in zehnfachem Glanz erstrahlen, und nun ist +sie in dieser Schmucklosigkeit zur Vollendung +gelangt. Unser König selbst ist gestaltlos und +ohne Schönheit, darum liebt er sie in seinen +mannigfachen Erscheinungen als seinen höchsten +Schmuck. Und diese Schönheit hat heute +den Schleier von Stolz und Eitelkeit abgetan! +Was gäbe ich nicht darum, wenn ich die wunderbare +Musik und den Gesang hören dürfte, +der heute meines Königs Palast erfüllt!</p> + +<p class="character">Surangama</p> + +<p>Seht, dort geht die Sonne auf!</p> + +<hr class="chap" /> + +<p><a class="pagenum" name="Page_154" title="154"> </a></p> + +<h2><a name="XX" id="XX">XX.</a></h2> + +<p class="regie">Die dunkle Kammer.</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Herr, gib mir die Ehre nicht zurück, die du +mir einmal genommen hast! Ich bin die Magd +deiner Füße — ich suche kein andres Vorrecht, +als dir zu dienen.</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Wirst du jetzt imstande sein, mich zu ertragen?</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>O ja, ja, das werde ich. Dein Anblick stieß +mich zurück, weil ich dich im Lustgarten, in +meinen fürstlichen Gemächern gesucht hatte: +da sieht noch dein geringster Diener gefälliger +aus als du. Dieses Fieber des Verlangens hat +meine Augen für immer verlassen. Du bist +nicht schön, o Herr — du stehst über allem +Vergleich!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Was mit mir vergleichbar ist, liegt in dir +selbst.</p> + +<p><a class="pagenum" name="Page_155" title="155"> </a></p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Wenn es so ist, dann ist auch das unvergleichlich. +Deine Liebe lebt in mir — du wirst gespiegelt +in dieser Liebe, und du siehst dein +Antlitz abgebildet in mir: nichts davon mein, +es ist alles dein, o Herr!</p> + +<p class="character">König</p> + +<p>Ich öffne heute die Tür dieser dunklen +Kammer — das Spiel hier ist zu Ende! Komm, +komm jetzt mit mir, komm hinaus — <em>ins +Licht</em>!</p> + +<p class="character">Sudarschana</p> + +<p>Ehe ich gehe, laß mich dir zu Füßen mich +beugen, o Herr des Dunkels, du Grausamer, +Furchtbarer, Unvergleichlicher!</p> + +<p class="gesperrt center">ENDE</p> + +<p class="footnote space-above"> + +<a name="Footnote_A_1" id="Footnote_A_1"></a><a href="#FNanchor_A_1">[A]</a> Während des indischen Frühlingsfestes bewirft man +sich gegenseitig mit rotem Puder. In diesem Stück +wird der rote Puder als Symbol der Liebesleidenschaft +genommen.</p> + +<div class="transcribers-note space-above"> +<p class="center">Anmerkung zur Transkription:</p> +<p>Auf <a href="#Page_19">Seite 19</a> wurde ein doppeltes 'du' entfernt ('wie erklärst <span class="u">du</span> du das +ohne einen König?').</p> +</div> + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der König der dunklen Kammer, by +Rabindranath Tagore + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KÖNIG DER DUNKLEN KAMMER *** + +***** This file should be named 44250-h.htm or 44250-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/4/4/2/5/44250/ + +Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the +Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. Special rules, +set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to +copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to +protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project +Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you +charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you +do not charge anything for copies of this eBook, complying with the +rules is very easy. 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