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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-14 18:37:59 -0700
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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44246 ***
+
+Anmerkungen zur Transkription: Im Original kursiv gedruckter Text ist
+mit _Unterstrich_ markiert.
+
+
+
+
+ RABINDRANATH TAGORE
+
+ CHITRA
+
+ EIN SPIEL IN EINEM AUFZUG
+
+
+KURT WOLFF VERLAG
+LEIPZIG
+
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+
+
+Einbandzeichnung von Walter Tiemann.
+Dritte unveränderte Auflage 1918.
+Die erste Auflage erschien 1914.
+
+
+
+
+_Berechtigte deutsche Übertragung von ELISABETH WOLFF-MERCK nach der
+von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten englischen Ausgabe_
+
+
+
+
+VORBEMERKUNG
+
+
+Dieses lyrische Drama wurde vor ungefähr 25 Jahren geschrieben. Es setzt
+die Kenntnis der hier folgenden Fabel aus dem Mahabharata voraus:
+
+Während der Wanderungen, die Arjuna in Erfüllung eines Bußgelübdes
+unternahm, kam er nach Manipur. Dort sah er Chitrāngadā, die schöne
+Tochter von Chitravāhana, dem König des Landes, und von ihrer Anmut
+überwältigt, bat er den König um ihre Hand. Chitravāhana fragte ihn
+nach seiner Herkunft. Auf die Antwort, er sei Arjuna der Pandara,
+erzählte der König ihm, daß einer seiner Ahnen, Prabhanjana vom
+königlichen Stamme von Manipur, lange kinderlos geblieben war. Um einen
+Erben zu erhalten, legte er sich strenge Bußübungen auf. Die Strenge
+seines Lebens fand Gnade vor Shiva, und der Gott gewährte ihm und jedem
+seiner Nachkommen ein Kind.
+
+Es geschah aber, daß das versprochene Kind stets ein Knabe war. Er,
+Chitravāhana, war der Erste, dem nur eine Tochter, Chitrāngadā, gewährt
+war, um das Geschlecht zu erhalten.
+
+Er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und zu seinem Erben
+gemacht. --
+
+Der König fährt in der Erzählung fort: »Der einzige Sohn, den sie
+gebären wird, muß der Erhalter meines Geschlechts sein, und diesen Sohn
+verlange ich als Kaufpreis für die Einwilligung in die Heirat. Wenn du
+willst, kannst du sie unter dieser Bedingung haben.« Arjuna gab das
+Versprechen, nahm Chitrāngadā zum Weibe und lebte mit ihr drei Jahre in
+ihres Vaters Hauptstadt. Als ihnen ein Sohn geboren wurde, umarmte er
+sie liebevoll, nahm Abschied von ihr und ihrem Vater und setzte seine
+Wanderung fort.
+
+
+
+
+PERSONEN
+
+
+ Götter:
+ _Madana_ (Eros).
+ _Vasanta_ (Lycoris).
+
+ Sterbliche:
+ _Chitra_, Tochter des Königs von Manipur.
+ _Arjuna_, ein Prinz aus dem Hause der
+ Kuru. Er ist aus der Kshatriya oder
+ Kriegerkaste und lebt während der
+ Handlung als Eremit einsam im Wald.
+
+ _Dorfleute_ aus einer abgelegenen Gegend
+ in Manipur.
+
+
+
+
+ERSTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Chitra_
+
+Bist Du der Gott mit den fünf Pfeilen, der Gott der Liebe?
+
+_Madana_
+
+Ich war der Erstgeborene im Herzen des Schöpfers. Ich binde mit Fesseln
+des Schmerzes und erfülle mit Seligkeit das Leben der Menschen!
+
+_Chitra_
+
+Ich weiß, ich kenne jenen Schmerz und jene Fesseln! -- Und wer bist Du,
+mein Herr?
+
+_Vasanta_
+
+Ich bin sein Freund -- Vasanta -- der König der Jahreszeiten. Tod und
+Alter würden die Welt bis ins Mark zerfressen, folgte ich ihnen nicht,
+um sie beständig zu bekämpfen. Ich bin die Ewige Jugend.
+
+_Chitra_
+
+Ich beuge mich vor Dir, Vasanta, mein Herr.
+
+_Madana_
+
+Doch welch strenges Gelübde bindet Dich, schöne Fremde? Warum läßt Du
+Deine frische Jugend welken in Buße und Demütigung? Solch Opfer ist dem
+Dienst der Liebe fremd. Wer bist Du, und was ist Dein Gebet?
+
+_Chitra_
+
+Ich bin Chitra, die Tochter aus dem königlichen Hause von Manipur.
+Shivas göttliche Gnade versprach meinem königlichen Ahnherrn eine
+ununterbrochene Reihe männlicher Nachkommen. Aber das Wort des Gottes
+vermochte nicht, den Lebensfunken in meiner Mutter Leib zu wandeln, so
+unbezwingbar war meine Natur, obschon ich ein Weib bin.
+
+_Madana_
+
+Ich weiß, darum erzieht Dich Dein Vater wie einen Sohn. Er hat Dich
+gelehrt mit dem Bogen umzugehen und Dich in allen Pflichten eines Königs
+unterwiesen.
+
+_Chitra_
+
+Ja, darum trage ich männliches Gewand und habe die Abgeschiedenheit des
+Frauengemaches verlassen. Ich weiß nichts von Frauenlist, die die Herzen
+gewinnt. Meine starken Hände können den Bogen spannen, aber ich habe die
+Kunst des Liebesgottes nicht erlernt; das Spiel der Augen ist mir fremd.
+
+_Madana_
+
+Das erlernt sich von selbst, Du Schöne. Die Augen brauchen darin nicht
+unterrichtet zu werden. Das weiß der am besten, der von ihnen ins Herz
+getroffen wurde.
+
+_Chitra_
+
+Auf der Suche nach Wild wanderte ich eines Tages einsam durch den Wald
+am Ufer des Purna-Flusses. Mein Roß band ich an einen Stamm und drang
+in's dichte Gestrüpp, der Spur eines Wildes folgend. Ich fand einen
+schmalen, gewundenen Pfad, der sich durch das Dämmer verschlungener
+Zweige schlang. Die Blätter erzitterten vom Grillengezirp. Plötzlich
+erspähte ich auf meinem Weg einen Mann, der auf einem Lager trockenen
+Laubes ruhte. Hochmütig befahl ich ihm, mir Platz zu machen, aber es
+kümmerte ihn nicht. Da stach ich ihn verächtlich mit der scharfen Spitze
+meines Pfeils. Er sprang auf, stark und ebenmäßig an Wuchs, gleich einer
+Flamme, die plötzlich aus einem Aschenhaufen züngelt. Ein belustigtes
+Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, vielleicht ob meines knabenhaften
+Anblicks. Da -- zum erstenmal in meinem Leben fühlte ich mich Weib und
+wußte, daß ein Mann vor mir stand.
+
+_Madana_
+
+In glückbegünstigter Stunde verkünde ich Mann und Weib die erhabene
+Lehre: Erkennet einander. -- Was geschah dann?
+
+_Chitra_
+
+Voll Angst und Staunen fragte ich ihn: »Wer bist Du?« »Ich bin
+Arjuna«, sagte er, »aus dem großen Stamme der Kuru«. Ich stand wie
+versteinert und vergaß mich zu verneigen. War das wirklich Arjuna, der
+Abgott meiner Träume, der Einzige, Große! Schon lange kannte ich sein
+Gelöbnis, zwölf Jahre in Keuschheit zu leben. Mein junger Ehrgeiz hatte
+mich manchen Tag angestachelt, mit ihm eine Lanze zu brechen, ihn
+verkappt zum Zweikampf zu fordern und ihm meine Waffenkunst zu beweisen.
+Ach töricht Herz, wohin entfloh Dein Stolz? Könnt' ich meine Jugend mit
+ihren Sehnsüchten hingeben, um Staub zu sein unter Deinen Füßen,
+wahrlich eine köstliche Gnade dünkte mir das. Ich weiß nicht, in welchem
+Strudel der Empfindung ich mich verlor, als ich ihn plötzlich zwischen
+den Bäumen entschwinden sah! -- Du töricht Weib, du grüßtest ihn nicht
+und sprachest kein Wort, noch batest du ihn um Verzeihung, sondern
+standest wie ein ungeschickter Tölpel, während er verächtlich
+hinwegschritt!... Am nächsten Morgen legte ich meine Männerkleidung ab
+und schmückte mich mit Armbändern, Fußringen, einer Gürtelkette und
+einem Gewand aus purpurner Seide. Das ungewohnte Kleid schmiegte sich
+fest um meinen bebenden Leib; aber ich beschleunigte mein Suchen und
+fand Arjuna in Shiva's Waldtempel.
+
+_Madana_
+
+Vollende Deine Erzählung. Ich bin der herzgeborene Gott, und ich
+verstehe das Geheimnis dieser Triebe.
+
+_Chitra_
+
+Nur undeutlich vermag ich mich zu erinnern, was ich sagte, und was ich
+zur Antwort bekam. Heiß' mich nicht alles erzählen. Scham überwältigte
+mich wie ein Donnerschlag und konnte mich doch nicht zerschmettern, so
+durchaus hart bin ich, so männlich. Als ich heimwärts schritt, stachen
+mich seine letzten Worte wie glühende Nadeln ins Ohr: »Ich habe
+Keuschheit gelobt. Ich kann Dein Gemahl nicht sein!« O, um das Gelübde
+eines Mannes! Sicherlich weißt Du, o Gott der Liebe, daß zahllose
+Heilige und Weise den Preis ihrer lebenslangen Buße hingegeben haben um
+eines Weibes willen. Ich brach meinen Bogen entzwei und verbrannte meine
+Pfeile im Feuer. Ich haßte meinen starken, geschmeidigen Arm, gezeichnet
+vom Spannen des Bogens. O Liebe, Liebe, Du hast tief in den Staub
+gebeugt den nichtigen Stolz meiner männlichen Stärke, und all meine
+Manneszucht liegt zermalmt zu Deinen Füßen. Nun lehre mich Deine Gebote.
+Gib mir die Kraft der Schwachen und die Waffe der wehrlosen Hand.
+
+_Madana_
+
+Ich will Dein Freund sein. Ich will den weltenbezwingenden Arjuna vor
+Dein Angesicht bringen, ein Gefangener, der den Richtspruch seiner
+Empörung aus Deiner Hand empfangen soll.
+
+_Chitra_
+
+Stünde mir nur die Zeit zu Gebot, ich könnte allmählich sein Herz
+gewinnen und brauchte der Götter Hilfe nicht. Zur Seite würde ich ihm
+stehen als Gefährte, die wilden Rosse seines Kriegswagens lenken, die
+Freuden der Jagd mit ihm teilen. Zur Nacht hielt ich Wache am Eingang
+seines Zeltes und hülfe ihm, die großen Pflichten eines Kshatriya
+erfüllen, die Schwachen zu befreien und Recht zu sprechen, wo es not
+tut. Sicherlich käme der Tag, an dem er mich erblicken und verwundert
+fragen würde: »Wer ist dieser Knabe? Ist einer meiner Sklaven aus einem
+früheren Leben, meinen guten Taten gleich, mir gefolgt ins Diesseits?«
+Ich bin nicht das Weib, das seine Verzweiflung mit nächtlichen Tränen in
+einsamer Stille nährt, sie täglich hinter geduldigen Lächeln verbirgt,
+als Witwe geboren. Die Blüte meines Verlangens soll nicht in den Staub
+sinken, ehe sie zur Frucht gereift ist. Aber es ist die Arbeit eines
+Lebens, Verständnis zu finden und Ehre zu erlangen für sein eigenstes
+Ich. Darum bin ich an Deine Tür gekommen, Du, weltenüberwindende Liebe,
+und Du, Vasanta, jugendlicher Gott der Jahreszeiten, nimm von meinem
+jungen Körper die angeborene Ungerechtigkeit der Häßlichkeit. Für einen
+einzigen Tag mache mich wunderbar schön, so schön wie die mit einem Mal
+in meinem Herzen erblühte Liebe. Gib mir nur einen einzigen Tag
+makelloser Schönheit, und ich will einstehen für die Tage, die da
+kommen.
+
+_Madana_
+
+Prinzessin, Dein Gebet sei erhört!
+
+_Vasanta_
+
+Nicht nur für einen kurzen Tag, sondern für ein ganzes langes Jahr soll
+der Frühlingsblüten Lieblichkeit sich um Deine Glieder schmiegen.
+
+
+
+
+ZWEITE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Arjuna_
+
+Träumte mir oder war Wirklichkeit, was ich am See sah? Im sinkenden
+Schatten des Abends saß ich auf moosigem Grund und dachte vergangener
+Jahre, als aus dem bergenden Dunkel der Blätter langsam eine Erscheinung
+trat in der vollkommenen Gestalt eines Weibes. Sie stand auf einem
+weißen, flachen Stein am Rande des Wassers. Es schien, als müsse das
+Herz der Erde sich weiten vor Freude unter ihren nackten weißen Füßen.
+Mir deuchte, die zarte Umhüllung ihres Körpers wollte sich in Verzückung
+auflösen in Luft, wie der goldene Frühnebel vom schneeigen Gipfel des
+östlichen Berges schmilzt. Sie beugte sich über den schimmernden Spiegel
+des Teiches und erblickte ihr Antlitz darin. Sie schrak zurück und stand
+still, dann lächelte sie, löste mit einer nachlässigen Bewegung des
+linken Arms ihr Haar, das bis zu ihren Füßen zur Erde niederglitt. Sie
+entblößte ihre Brust und betrachtete ihre makellos geformten Arme
+erfüllt von Zärtlichkeit für ihren Körper. Sie neigte den Kopf und sah
+ihre süße, blühende Jugend und das zarte Erröten ihrer flaumigen Haut.
+Sie strahlte in freudiger Überraschung. So würde die weiße Lotosblume
+den ganzen Tag über sich staunen, könnte sie des Morgens beim Erwachen,
+ihren Hals beugen und ihr Abbild im Wasser sehn. Aber einen Augenblick
+später wich das Lächeln von ihrem Antlitz, und ein Schatten von Trauer
+stieg in ihren Augen auf. Sie band ihre Haarflechten auf, zog den
+Schleier um ihre Schultern und schritt leise seufzend hinweg, wie ein
+schöner Abend, der in Nacht versinkt. Die erhabene Erfüllung aller
+Sehnsucht schien sich mir in einem Blitz geoffenbart zu haben und
+verlosch dann ... Aber wer bewegt die Türe?
+
+(Chitra tritt ein, in Frauenkleidern.)
+
+Ah! sie ist's! Stille mein Herz!...
+
+Fürchte nichts, Herrin! Ich bin ein Kshatriya.
+
+_Chitra_
+
+Edler Herr, Du bist mein Gast. Ich wohne in diesem Tempel. Ich weiß
+nicht, wie ich Dir Gastfreundschaft erzeigen kann.
+
+_Arjuna_
+
+Schöne Frau, Dein Anblick allein ist die höchste Gastfreundschaft. Wenn
+Du mir's nicht verdenken willst, möchte ich Dich etwas fragen.
+
+_Chitra_
+
+Es sei Dir gewährt.
+
+_Arjuna_
+
+Welch strenges Gelübde hält Dich in diesen einsamen Tempelmauern
+gefangen und beraubt die Sterblichen Deines lieblichen Anblickes?
+
+_Chitra_
+
+Ich hege einen geheimen Wunsch in meinem Herzen, für dessen Erfüllung
+ich täglich Gebete zu Shiva sende.
+
+_Arjuna_
+
+Ach, was kannst Du verlangen, die Du das Verlangen der ganzen Welt bist?
+Von dem östlichen Hügel, auf dessen Gipfel die Morgensonne zuerst ihren
+feurigen Fuß setzt, bis ans Ende des Abendlands bin ich gewandert. Ich
+habe das Köstlichste, Schönste und Größte der Erde gesehen. Mein Wissen
+soll Dein sein, nur sage mir, was oder wen Du suchst.
+
+_Chitra_
+
+Ihn, den ich suche, ihn kennen alle.
+
+_Arjuna_
+
+Wer mag dieser Liebling der Götter sein, der Dein Herz gefangen nahm?
+
+_Chitra_
+
+Er ist der Größte aller Helden, ein Sproß des höchsten Herrscherhauses.
+
+_Arjuna_
+
+Herrin, opfere nicht diesen Schatz von Schönheit, der Dein ist, auf dem
+Altar eines falschen Ruhmes. Unwahres Gerücht verbreitet sich von Mund
+zu Mund, wie der Nebel im frühen Morgendämmer ehe die Sonne aufgeht.
+Sage mir, wer ist der erhabene Held aus höchstem königlichem Stamm?
+
+_Chitra_
+
+Einsiedler, der Ruhm andrer Männer erfüllt Dich mit Neid. Weißt Du
+nicht, daß der Ruhm des königlichen Hauses der Kuru über die ganze Welt
+verbreitet ist?
+
+_Arjuna_
+
+Das Haus der Kuru!
+
+_Chitra_
+
+Und hast Du nie den größten Namen dieses weitgerühmten Hauses gehört?
+
+_Arjuna_
+
+Laß ihn mich von Deinen eigenen Lippen hören.
+
+_Chitra_
+
+Arjuna, der Welteroberer. Ich habe diesen unsterblichen Namen von den
+Lippen der Menge abgelesen und ihn sorgfältig in meinem Herzen
+verborgen. Einsiedler, was blickst Du so verwirrt drein? Trägt dieser
+Name nur trügerischen Glanz? Sag es, und ich will nicht zögern, den
+Schrein meines Herzens aufzubrechen und den falschen Edelstein in den
+Staub zu werfen.
+
+_Arjuna_
+
+Ob auch sein Name und Ruhm, sein Mut und seine Tapferkeit wahr oder
+falsch sind, um des Mitleids willen verbanne ihn nicht aus Deinem
+Herzen, denn er kniet zu Deinen Füßen -- in diesem Augenblick.
+
+_Chitra_
+
+Du, Arjuna!
+
+_Arjuna_
+
+Ja, der bin ich, ein vor Liebe verschmachteter Bettler an deiner Tür.
+
+_Chitra_
+
+So ist es nicht wahr, daß Arjuna das Gelübde zwölf Jahre langer
+Keuschheit getan hat?
+
+_Arjuna_
+
+Du hast meinen Schwur gelöst wie der Mond den nächtlichen Schwur der
+Dunkelheit.
+
+_Chitra_
+
+Scham über Dich! Was sahst du in mir, das Dich Deinem eigenen Ich
+untreu werden ließ? Wen suchst du in diesen dunklen Augen, in diesen
+milchweißen Armen, wenn Du sie mit dem Preis Deiner Ehre zu bezahlen
+bereit bist? Nicht mein wahres Selbst, das weiß ich. Wahrlich das kann
+nicht Liebe sein, nicht des Mannes tiefste Ehrfurcht vor dem Weib! Wehe,
+daß der Körper, diese zerbrechliche Hülle, uns blendet, das Licht der
+unsterblichen Seele zu schauen! Ja, Arjuna, nun weiß ich gewiß, falsch
+ist der Ruhm Deines Heldentums.
+
+_Arjuna_
+
+O, ich fühle wie eitel der Ruhm ist und der Stolz der Tapferkeit! Alles
+scheint Traum. Du allein bist vollkommen, Du bist der Reichtum der Welt,
+das Ende aller Armut, das Ziel alles Strebens, das Weib! Andere Frauen
+gibt's, langsam und schwer zu erkennen, aber Dich einen Augenblick lang
+zu sehn, heißt höchste Vollendung schauen, jetzt und in Ewigkeit.
+
+_Chitra_
+
+Ach nicht ich bin's, nicht ich, Arjuna! Es ist das Trugbild eines
+Gottes. Geh', geh' mein Held, geh'. Frei' nicht die Lüge, opfre dein
+großes Herz nicht einer Täuschung. Geh'.
+
+
+
+
+DRITTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Chitra_
+
+Nein, unmöglich ist's den brennenden Blick der hungrigen Seele
+auszuhalten, der mit Händen dich umklammert, zu fühlen, wie das Herz
+sich müht, die Fesseln zu sprengen, und den wilden Schrei, der sich ihm
+entringen will -- und den Liebenden dann hinweg zu senden wie einen
+Bettler! Unmöglich ist's!
+
+(Madana und Vasanta treten auf.)
+
+Ach, Gott der Liebe, welch furchtbares Feuer hast Du in mich gesenkt!
+Ich verbrenne, versenge, was ich berühre.
+
+_Madana_
+
+Ich wünsche zu wissen, was in vergangener Nacht geschah.
+
+_Chitra_
+
+Auf ein Lager von Gras, übersät mit Frühlingsblüten, legte ich mich am
+Abend nieder und gedachte des wunderbaren Lobgesangs meiner Schönheit,
+den ich von Arjuna gehört. Tropfen nach Tropfen trank ich den Honig, den
+ich am Tage gesammelt, Vergangenes und Zukünftiges war vergessen. Ich
+fühlte mich der Blume verwandt: ihr sind nur flüchtige Stunden vergönnt,
+dem summenden Schmeicheln, dem Flüstern und Murmeln der Wälder zu
+lauschen. Dann muß sie die Augen vom Himmel wenden, ihr Haupt beugen und
+ihren Atem aushauchen im Staub, klaglos den kurzen Traum eines
+vollkommenen Augenblicks beenden, der nicht Vergangenheit noch Zukunft
+kennt.
+
+_Vasanta_
+
+Ein grenzenloses Leben voller Ruhm kann blühen und sich erschöpfen an
+einem Morgen.
+
+_Madana_
+
+Wie Ewigkeits-Sinn im kleinsten Bruchteil eines Liedes sein kann.
+
+_Chitra_
+
+Die südliche Brise wiegte mich in Schlaf. Von dem blühenden
+Malati-Hain über mir tropften schweigend Küsse auf mich nieder. Jede
+Blume wählte sich ein Lager zum Sterben, in meinem Haar, auf meiner
+Brust oder meinen Füßen. Ich schlief. Und in der Tiefe meines Schlafes
+war mir plötzlich, als ob ein durchdringender, gieriger Blick meinen
+Körper berühre, wie der spitzige, stechende Finger der Flamme. Ich
+sprang auf und sah den Einsiedler vor mir stehen. Der Mond war westwärts
+gewandert und lugte durch die Blätter, um das Wunder zu sehen, das durch
+göttliche Kunst in zerbrechlicher Menschlichkeit erstanden war. Die Luft
+war schwer, duftgeschwängert, die Stille der Nacht klang vom
+Grillengezirp, regungslos lag das Spiegelbild der Bäume auf dem See. Und
+mit seinem Stab in der Hand stand der Einsiedler groß, aufrecht und
+schweigend wie ein Baum des Waldes. Mir war, da ich die Augen aufschlug,
+als sei ich abgeschieden von aller Wirklichkeit des Lebens, und es
+vollziehe sich an mir eine Wiedergeburt im Land der Träume. Scham fiel
+von mir und glitt wie ein gelöstes Gewand auf meine Füße nieder. Ich
+hörte seinen Schrei -- »Geliebte, einzig Geliebte!« Und all' meine
+vergangenen, vergessenen Leben schmolzen zu einem und riefen ihm Antwort
+zu: »Nimm mich, nimm mich ganz zu eigen!« Und ich breitete meine Arme
+nach ihm aus. Der Mond sank hinter den Bäumen. Ein dunkler Vorhang
+bedeckte alles, Himmel und Erde, Zeit und Raum, Lust und Schmerz, Leben
+und Tod schmolzen in Eins in unsagbarer Verzückung.... Mit dem ersten
+Morgenstrahl, dem ersten Vogelzwitschern richtete ich mich auf und
+blieb, auf den linken Arm gestützt, sitzen. Der Einsiedler lag
+schlafend, ein unbekümmertes Lächeln krümmte sich um seine Lippen, wie
+der wachsende Mond am Morgen. Der Dämmerung rosiges Glühen fiel auf
+seine edle Stirn. Ich seufzte, stand auf und zog die breitblättrigen
+Lianen zusammen, um sein Gesicht vor der flutenden Sonne zu schützen.
+Ich schaute umher und sah die gleiche alte Erde. Ich erinnerte mich, was
+ich gewesen und rannte, rannte wie ein Reh, das seinen eigenen Schatten
+fürchtet, den Waldpfad entlang, den Stephali-Blumen bedeckten. Ich fand
+einen einsamen Winkel, setzte mich nieder, barg mein Gesicht in beiden
+Händen, um zu weinen und zu klagen. Doch meine Augen blieben tränenlos.
+
+_Madana_
+
+Weh über Dich, Tochter der Sterblichen! Ich stahl aus den göttlichen
+Speichern den duftenden Wein des Himmels, gab ihn, eine irdische Nacht
+gefüllt bis zum Rande, in Deine Hände, auf daß Du tränkest -- und immer
+hör' ich noch diesen Schrei der Qual!
+
+_Chitra_
+
+(bitter)
+
+Wer trank ihn? Des Lebens seltenste Erfüllung, erste Liebesumarmung bot
+man mir dar und entriß sie wieder meiner Sehnsucht? Diese erborgte
+Schönheit, die Falschheit, die mich umhüllt, sie werden von mir gleiten,
+wie Blüten im Wind entblättern, und die einzig sichtbare Erinnerung
+jener süßen Vereinigung mitnehmen, und voll Scham über seine Armut wird
+das Weib weinend sitzen -- Tag und Nacht. Gott der Liebe, diese
+verfluchte äußere Gestalt begleitet mich Tag und Nacht, wie ein Dämon,
+und beraubt mich allen Liebeslohnes -- all der Küsse, nach denen ich
+verschmachte.
+
+_Madana_
+
+Ach, umsonst war Deine einzige Nacht! Die Barke der Erfüllung kam in
+Sicht, aber die Wellen ließen sie das Ufer nicht berühren.
+
+_Chitra_
+
+Der Himmel war meinem Griff ganz nahe und ich vergaß für Augenblicke,
+daß ich ihn noch nicht erreicht hatte. Aber als ich des Morgens aus
+meinem Traum erwachte, fand ich im eigenen Körper die Rivalin. Nun ward
+mir die verhaßte Pflicht, sie täglich zu schmücken, zum Geliebten zu
+schicken und zu sehen, wie er sie liebkoste. O Gott, nimm Dein Geschenk
+zurück!
+
+_Madana_
+
+Aber wie willst Du vor Deinen Geliebten treten, wenn ich es von Dir
+nehme? Ist es nicht grausam, den Becher von seinen Lippen zu reißen,
+nachdem er kaum einen Zug der Lust getan? Wie ärgerlich wirst Du ihm
+sein?
+
+_Chitra_
+
+Und doch wäre es besser so. Ich will ihm meine wahrhaftige Gestalt zu
+erkennen geben, eine edlere Tat, als in dieser Maske zu leben. Wenn er
+mich auch verstößt und verschmäht, wenn er mein Herz auch bricht --
+schweigend will ich's tragen.
+
+_Vasanta_
+
+Hör' meinen Rat. Wenn die blumenerfüllte Jahreszeit vergangen, kommt
+der Herbst und mit ihm der Triumphzug der Früchte. Die Zeit wird kommen,
+da die überreife Blume des Leibes sich vergehend neigt. Dann wird Arjuna
+die bleibende fruchtgewordene Wahrheit aus Dir voll Glück hinnehmen. O
+Kind, geh' zurück zu Deiner rasenden Feier.
+
+
+
+
+VIERTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Chitra_
+
+Warum beobachtest Du mich, mein Krieger?
+
+_Arjuna_
+
+Ich sehe zu, wie Du den kleinen Kranz windest. Anmut und Geschick, die
+Zwillingsbrüder, spielen tanzend auf Deinen Fingerspitzen. Ich sehe zu
+und denke.
+
+_Chitra_
+
+Was denkst Du, Herr?
+
+_Arjuna_
+
+Ich denke, daß Du mit der gleichen schwebenden Berührung und Süßigkeit
+die Tage meiner Verbannung in einen unsterblichen Kranz windest, um mich
+zu meiner Heimkehr damit zu krönen.
+
+_Chitra_
+
+Heimkehr! Diese Liebe ist nichts für ein Heim!
+
+_Arjuna_
+
+Nichts für ein Heim?
+
+_Chitra_
+
+Nein, sprich nie davon. Nimm mit in Dein Heim das Bleibende, Starke.
+Laß die kleine wilde Blume an ihrem Geburtsort, laß sie dort in
+Schönheit sterben, wenn der Tag sich neigt, mit all den welkenden Blumen
+und den modernden Blättern. Nimm sie nicht mit in die Halle Deines
+Palastes, um sie dort auf den steinernen Boden zu werfen, der kein
+Erbarmen für Welken und Vergehen kennt.
+
+_Arjuna_
+
+Sieht so unsere Liebe aus?
+
+_Chitra_
+
+Ja, so und nicht anders! Was soll das Klagen? Was sich für müßige Tage
+schickt, sollte sie nicht überdauern. Lust wandelt sich in Schmerz, wenn
+ihr die Tür verschlossen ist, aus der sie scheiden soll. Nimm meine
+Liebe hin und halte sie, so lange sie währen darf. Laß nicht des Abends
+satte Zufriedenheit mehr fordern, als das morgendliche Verlangen ernten
+kann ... Der Tag ist vorüber. Nimm dies Blumengewinde. Ich bin müde.
+Nimm mich in Deine Arme, Geliebter, und laß alles eitle unzufriedene
+Gezänk verstummen in der süßen Vereinigung unserer Lippen.
+
+_Arjuna_
+
+Still, horch, Geliebte, der Klang der Gebetsglocken aus dem fernen
+Dorftempel gleitet auf der Abendluft über die schweigenden Wipfel.
+
+
+
+
+FÜNFTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Vasanta_
+
+Ich kann nicht Schritt mit Dir halten, mein Freund! Ich bin müde. Schwer
+ist die Pflicht, das Feuer in Glut zu halten, das Du entzündet hast.
+Schlaf überkommt mich, der Fächer entfällt meiner Hand, und kalte Asche
+bedeckt die Glut. Ich fahre wieder auf aus meinem Schlummer und rette
+die träge Flamme, soweit es in meiner Macht steht. Aber so kann es nicht
+weiter gehen.
+
+_Madana_
+
+Ich weiß, Du bist unbeständig wie ein Kind. Ewig ruhelos ist Dein
+Spiel im Himmel und auf Erden. Was Du in langen Tagen aufgebaut mit
+endloser Sorge für jeden Bruchteil, in einem Augenblick zerstörst Du es
+wieder, ohne Bedauern. Aber unsere Arbeit ist heut vollendet.
+Freudengeflügelte Tage fliehen flüchtig dahin, und das sich neigende
+Jahr vergeht mit berückendem Blühen.
+
+
+
+
+SECHSTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Arjuna_
+
+Ich erwachte am Morgen und fand meine Träume in einen Edelstein
+verschmolzen. Ich hatte keinen Schrein, ihn darin zu verschließen, keine
+Königskrone, in die ich den Stein hätte fassen können, keine Kette hatte
+ich, ihn daran zu hängen, und doch brachte ich's nicht übers Herz, ihn
+wegzuweisen. So halte ich ihn, und mein Arm, der Arm eines Kshatriya,
+vergißt über müßigem Tun seine Pflicht.
+
+(Chitra tritt ein.)
+
+_Chitra_
+
+Sage mir Deine Gedanken, Herr!
+
+_Arjuna_
+
+Meine Gedanken sind heute auf die Jagd gerichtet. Sieh, wie der Regen
+in Strömen herniederstürzt und wild gegen den Berghang schlägt. Dunkle
+Wolkenschatten hängen schwer über dem Wald, und gleich der sorglosen
+Jugend überspringt der geschwollene Strom mit spöttischem Lachen alle
+Schranken. Stets gingen wir fünf Brüder an solchen Regentagen in den
+Wald von Chitraka, wilde Tiere zu jagen. Das waren schöne Zeiten. Unsre
+Herzen tanzten zum Trommelwirbel der grollenden Wolken. Der Wald hallte
+wider von den Schreien der Pfauen. Durch das Klatschen des Regens und
+das Rauschen des Wasserfalles konnte das ängstliche Wild unsre Schritte
+nicht hören. Die Leoparden ließen ihre Spuren in der nassen Erde zurück
+und verrieten so ihr Lager. War die Jagd vorüber, so forderten wir uns
+auf dem Heimweg gegenseitig heraus, reißende Ströme zu durchschwimmen.
+Ein ruheloser Geist wohnt in mir, ich habe Sehnsucht nach der Jagd.
+
+_Chitra_
+
+Erst erlege das Wild, das Du jetzt verfolgst. Bist Du gewiß, daß das
+verzauberte Tier, das Du jagst, unbedingt gefangen werden muß? Nein,
+noch nicht. Wie ein Traum entgleitet Dir das wilde Geschöpf, wenn es Dir
+am nächsten scheint. Sieh, wie der rasende Regen den Wind jagt und
+tausend Pfeile hinter ihm her sendet. Und doch bleibt der Wind frei und
+unbesiegt. So ist auch unser Waidwerk, Geliebter! Du jagst nach der
+schnellschreitenden Schönheit und versendest all Deine Pfeile nach ihr,
+und doch flieht dies zaubrische Wild stets frei und unberührt davon.
+
+_Arjuna_
+
+Hast Du kein Heim, Geliebte, wo liebende Herzen Deiner Rückkehr harren?
+Ein Heim, dem Du durch sanftes Dienen Lieblichkeit verliehst, und dessen
+Licht erlosch, als Du es für diese Wildnis verließest?
+
+_Chitra_
+
+Was fragst Du? Sind die Stunden der Lust vorbei, in denen es kein
+Denken gab? Weißt Du nicht, daß ich nur die bin, die Du vor Dir siehst?
+Mein Blick geht nicht über das Jetzt hinaus. Der Tau auf den Blättern
+der Kinsuka-Blüte hat weder Namen noch Schicksal, und gewährt keiner
+Frage Antwort. Sie, die Du liebst, gleicht jener vollkommenen Tauperle.
+
+_Arjuna_
+
+Verbindet sie kein Band mit der Welt? Ist sie nur ein Stück Himmel, das
+ein lustspendender Gott unachtsam zur Erde fallen ließ?
+
+_Chitra_
+
+Ja.
+
+_Arjuna_
+
+Ach, darum ist mir immer, als müßte ich Dich verlieren. Mein Herz ist
+unbefriedigt, meine Gedanken friedlos. Komm näher zu mir, Unerreichbare!
+Ergib Dich und dulde die Fesseln, die da heißen: Name, Heim, Sippe. Laß
+mein Herz Dich ganz umschließen, und mit Dir leben in der ruhigen
+Sicherheit der Liebe.
+
+_Chitra_
+
+Warum mühst Du Dich vergebens, die Farben der Wolken, den Tanz der
+Wellen, den Duft der Blumen zu haschen und zu halten?
+
+_Arjuna_
+
+Herrin mein, glaube nicht, daß Du mit Luftgebilden die Liebe befriedigen
+kannst. Gib mir etwas, woran ich Halt finde, etwas, das die Lust
+überdauert, das sich im Leid bewährt.
+
+_Chitra_
+
+Mein Held, noch ist das Jahr nicht zu Ende, und schon bist Du müde!
+Ja, nun erkenne ich die himmlische Güte, die den Blumen ein kurzes Leben
+gab. Wäre ich mit den Blumen des letzten Frühlings verwelkt und
+gestorben, ich wäre mit Ehren dahingegangen. Doch meine Tage sind
+gezählt, Geliebter. Schone mich nicht, saug allen Honig aus mir, da Du
+voller Angst bist, daß Dein armes Herz wieder und wieder zurückkommt
+voll unerfüllter Wünsche und Begierden, gleich der durstigen Biene, wenn
+die Sommerblumen welk im Staub liegen.
+
+
+
+
+SIEBENTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Madana_
+
+Heute ist Deine letzte Nacht.
+
+_Vasanta_
+
+Des Frühlings unerschöpfliche Schatzkammer wird morgen die Lieblichkeit
+Deines Körpers zurücknehmen. Die rosige Farbe Deiner Lippen wird in
+einem Asoka-Blütenpaar neu aufblühen, frei von der Erinnerung an Arjunas
+Küsse. In hundert duftenden Jasmin-Blumen wird der matte, weiße Glanz
+Deiner Haut auferstehen.
+
+_Chitra_
+
+O Götter, erhört mein Gebet! Laßt meine Schönheit in der letzten Stunde
+dieser Nacht am hellsten erstrahlen, wie das letzte Aufleuchten einer
+sterbenden Flamme.
+
+_Madana_
+
+Dein Wunsch sei Dir gewährt.
+
+
+
+
+ACHTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Die Dorfleute_
+
+Wer wird uns nun beschützen?
+
+_Arjuna_
+
+Was soll's, welche Gefahr droht Euch?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Die Räuber kommen in Scharen aus den nördlichen Bergen, wie die Flut des
+Gebirgsstromes, die unser Dorf verheert.
+
+_Arjuna_
+
+Habt ihr keine Wächter in Eurem Königreich?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Chitra, die Königstochter, war der Schrecken aller Bösen. Als sie noch
+in diesem glücklichen Lande weilte, kannten wir keine Furcht außer
+einer: sterben zu müssen. Nun ist Chitra auf einer Pilgerfahrt, und
+niemand kennt ihren Aufenthalt.
+
+_Arjuna_
+
+Ist der Hüter dieses Landes ein Weib?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Ja, sie ist uns Vater und Mutter zugleich.
+
+(Die Dorfleute entfernen sich. Chitra tritt ein.)
+
+_Chitra_
+
+Warum sitzest Du hier so einsam?
+
+_Arjuna_
+
+Ich versuche mir vorzustellen, was für eine Frau die Prinzessin Chitra
+sein mag. Viele Menschen erzählen viele Geschichten von ihr.
+
+_Chitra_
+
+Ach, sie ist nicht schön, sie hat nicht meine schönen Augen, die dunkel
+sind wie der Tod. Mit ihrem Geschoß kann sie jede Scheibe durchbohren,
+nur nicht das Herz unsres Helden.
+
+_Arjuna_
+
+Sie sagen, an Tapferkeit sei sie ein Mann, und ein Weib an Zärtlichkeit.
+
+_Chitra_
+
+Und das gerade ist ihr größtes Unglück. Das Weib, das nur Weib ist, das
+mit seinem Lächeln, mit seinen Seufzern, und mit zarten Liebkosungen die
+Herzen der Männer einspinnt, ist allein glücklich. Was frommt ihr
+Weisheit und große Taten? Hättest Du die Prinzessin nur gestern sehen
+können, im Hof von Shivas Tempel, der am Waldpfad liegt, Du wärest
+vorübergegangen ohne sie eines Blickes zu würdigen. Bist Du denn
+weiblicher Schönheit so überdrüssig, daß Du in ihr männliche Kraft
+suchst?
+
+Aus grünen Blättern, feucht vom sprühenden Gischt des Wasserfalls, habe
+ich unser Bett zur Mittagsrast bereitet, in nachtdunkler Grotte. Die
+Kühle des weichen grünen Mooses, das dicht den tropfenden Stein bedeckt,
+küßt dort Deine Augen in Schlaf. Laß Dich dorthin geleiten.
+
+_Arjuna_
+
+Nein, heute nicht, Geliebte.
+
+_Chitra_
+
+Warum nicht heute?
+
+_Arjuna_
+
+Ich habe von einer Räuberhorde gehört, die in die Ebene gekommen ist.
+Ich muß gehen meine Waffen bereiten, um die erschreckten Dorfleute zu
+beschützen.
+
+_Chitra_
+
+Du brauchst Dich nicht um sie zu sorgen. Prinzessin Chitra hat starke
+Wächter an den Grenzpässen aufgestellt, ehe sie ihre Pilgerfahrt begann.
+
+_Arjuna_
+
+Nur für kurze Zeit laß mich das Kriegshandwerk eines Kshatriya üben.
+Mit neuem Ruhm will ich diesen müßigen Arm bedecken, damit er Deinem
+Haupt ein würdigeres Kissen sei.
+
+_Chitra_
+
+Doch, wenn ich mich weigere Dich gehen zu lassen, wenn meine Arme Dich
+umwunden halten? Würdest Du Dich roh von mir losreißen und mich
+verlassen? So geh! Aber wisse, daß die Liane -- einmal entzweigebrochen
+-- nie wieder zu einem Ganzen wird. Geh, wenn Dein Durst gestillt ist.
+Doch wenn nicht, denke daran, wie unbeständig die Göttin der Lust ist
+und daß sie nicht wartet auf den Menschen. Bleib noch eine Weile, Herr!
+Sage mir die unruhigen Gedanken, die Dich quälen. Wer nahm heute Deine
+Seele gefangen? War es Chitra?
+
+_Arjuna_
+
+Ja, es ist Chitra. Mich nimmt wunder, um welches Gelübdes willen sie
+auf die Pilgerfahrt gegangen ist. Was mangelt ihr?
+
+_Chitra_
+
+Was ihr mangelt? Ja, hat sie denn je etwas besessen, die Unglückliche?
+Es sind ja ihre eigensten Fähigkeiten, die sie mit Gefängnismauern
+umschließen und ihr Frauenherz in einer kahlen Zelle gefangen halten.
+Verdunkelt ist diese Frau und unerfüllt. Ihre Weibesliebe muß sich mit
+einem Lumpenkleide bescheiden, denn Schönheit blieb ihr versagt. Sie
+gleicht dem Geist eines freudlosen Morgens. Sie sitzt auf steinigem
+Berggipfel und dunkle Wolken haben ihr Licht ausgelöscht. Frag mich
+nicht nach ihrem Leben. Seine Geschichte klingt dem Ohr des Mannes nicht
+lieblich.
+
+_Arjuna_
+
+Ich brenne danach, alles von ihr zu hören. Ich bin wie ein Wanderer, der
+um Mitternacht an eine fremde Stadt kommt. Kuppeln, Türme und
+Gartenbäume sehen verschwommen und schattenhaft aus, und durch die
+Stille des Schlafes tönt hin und wieder das dumpfe Klagen des Meeres.
+Und er harrt sehnsüchtig auf den Morgen, der ihm alle die fremden Wunder
+offenbaren soll. O, erzähle mir ihre Geschichte.
+
+_Chitra_
+
+Was ist da mehr zu erzählen?
+
+_Arjuna_
+
+Meine Einbildung zaubert mir sie vor, wie sie auf weißem Rosse reitet,
+in der Linken die Zügel haltend und in der rechten Hand den Bogen,
+gleich der Liebesgöttin, die frohe Hoffnung spendet. Mit wilder Liebe
+schützt sie ihre säugenden Jungen wie eine wachsame Löwin. Auch des
+Weibes Arme, die nichts anderes als ungefesselte Kraft schmückt, sind
+schön! Mein Herz ist ruhelos, Du Liebliche, wie eine Schlange, die aus
+langem Winterschlaf erwacht. Komm, laß uns miteinander auf schnellen
+Rossen dahineilen, Seite an Seite, wie Zwillingsgestirne, die leuchtend
+den Raum durchmessen. Heraus aus diesem dunklen, grünen, einschläfernden
+Gefängnis, komm hervor unter der feuchten, duftenden, berauschenden
+Decke, die den Atem benimmt!
+
+_Chitra_
+
+Arjuna, sag mir die Wahrheit: wenn ich mich jetzt plötzlich durch
+einen Zauber dieser wollüstigen Weichheit entledigen könnte, diesen
+zarten Schmelz der Schönheit abstreifte, der vor der derben, gesunden
+Berührung der Welt schaudert, und das alles von meinem Körper
+herunterrisse wie geborgtes Gewand -- könntest Du das ertragen? Wenn ich
+mich aufrichte, grade und stark, mit der Kraft eines mutigen Herzens,
+und die Listen und Künste der kriechenden Schwachheit verächtlich von
+mir weise, wenn ich mein Haupt erhebe, wie die hohe, junge Bergtanne,
+und mich nicht länger im Staub winde, wie die Liane, -- werde ich dann
+Gnade finden vor den Augen des Mannes? Nein, nein, Du könntest es nicht
+ertragen. Es ist besser, ich verstreue um mich all die zierlichen
+Spielereien flüchtiger Jugend und warte auf Dich in Geduld. Ist's Dir
+gefällig zurückzukehren, so will ich Dir lächelnd aus dem Becher dieses
+schönen Leibes den Wein der Lust schenken. Hast Du genug davon und bist
+Du müde, so will ich mich demütig und dankbar in den Winkel
+zurückziehen, den man mir gelassen hat. Wie gefiele es Deiner
+Heldenseele, hoffte die Gespielin der Nacht Deine Gefährtin am Tage zu
+sein? Wie, wenn der linke Arm die Last des stolzen rechten mit zu tragen
+lernte?
+
+_Arjuna_
+
+Ich werde Dich niemals richtig erkennen. Eine Göttin, verborgen in
+einem goldenen Heiligenbild scheinst Du mir. Ich kann Dich nicht
+berühren, ich kann Dir Deine unschätzbaren Gaben nicht vergelten. Und so
+bleibt meine Liebe unvollkommen. Aus der rätselhaften Tiefe Deiner
+traurigen Augen, aus Deinen spielerischen Worten, die ihre eigene
+Bedeutung verspotten, erhasche ich manchmal den Schimmer eines Wesens,
+das die schmachtende Anmut seines Körpers vernichten möchte. In der
+reinen Flamme des Leides, verborgen hinter des Lächelns zartem Schleier,
+sehnt es sich wieder zu erstehen. Ein Trugbild, erscheint uns die
+Wahrheit zuerst, in einer Verkleidung tritt sie vor den Geliebten hin.
+Aber es kommt eine Zeit, da sie Schleier und Schmuck abwirft und
+dasteht, bekleidet mit nackter Hoheit. Ich verzehre mich nach diesem
+letzten Du, nach jener einfachsten, wahrsten Klarheit. Was bedeuten die
+Tränen, mein Lieb? Warum verbirgst Du Dein Gesicht in den Händen? Hab
+ich Dir weh getan, mein Liebling? Vergiß, was ich sagte. Ich will mit
+der Gegenwart zufrieden sein. Wie der Vogel Geheimnis aus unsichtbarem,
+dunkelm Nest zu mir kommt, musikerfüllte Botschaft bringend, so komm Du
+zu mir und laß mich jeden Augenblick der Schönheit erleben. Laß mich und
+meine Hoffnung ewig am Ufer der Erfüllung sitzen und so meine Tage
+beschließen.
+
+
+
+
+NEUNTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Chitra_
+
+(in einen Mantel gehüllt.)
+
+Mein Herr, hast Du den Becher bis zur Neige geleert? Ist dies wirklich
+das Ende? Nein, wenn alles getan, so bleibt doch noch Eins, mein letztes
+Opfer, das ich zu Deinen Füßen darbringe. Aus dem himmlischen Garten
+brachte ich Blumen von unvergleichlicher Schönheit, Dich zu ehren, Gott
+meines Herzens.
+
+Ich will die Blumen aus dem Tempel hinauswerfen, wenn sie verwelkt sind
+und die heilige Handlung vorüber.
+
+(Sie nimmt ihren Mantel ab und trägt Männerkleidung wie am Anfang.)
+
+Nun laß Deinen Knecht Gnade finden vor Deinen Augen.
+
+Ich bin nicht schön und vollkommen wie die Blumen, mit denen ich Dich
+ehrte. Ich bin voller Schuld und Fehler. Auf der großen Heerstraße der
+Welt bin ich ein Wanderer, meine Kleider sind beschmutzt, und Dornen
+haben meine Füße blutig gerissen. Wie könnte ich schön sein wie die
+Blumen, voll unbefleckter Lieblichkeit, für die kurze Dauer eines
+Augenblicks? Die Gabe, die ich Dir voll Stolz darbringe, ist das Herz
+eines Weibes. Darinnen ist eingeschlossen aller Schmerz und alle Lust,
+alle Hoffnung, alle Furcht, alle Scham einer Erdentochter.
+
+Hier ist der Uranfang der Liebe, von hier aus ringt sie nach
+Unsterblichkeit. Im Herzen des Weibes liegt eine große und erhabene
+Unvollkommenheit. Nun, da die Anbetung der Schönheit vorüber, nimm
+diesen
+
+(auf sich zeigend)
+
+als Deinen Knecht für kommende Tage.
+
+Ich bin Chitra, die Königstochter. Vielleicht erinnerst Du Dich des
+Tages, als in Shivas Tempel ein Weib zu Dir trat, behangen mit Putz und
+Schmuck. Die Schamlose kam und warb um Dich wie ein Mann. Du stießest
+sie zurück, und Du tatest wohl daran. Herr, jenes Weib -- bin ich. Sie
+diente mir als Maske. Damals verlieh mir die göttliche Gnade für ein
+Jahr die strahlendste Gestalt, die je einem Sterblichen wurde. Mit der
+Last jenes Betruges beschwerte ich meines Helden Herz. Dies Weib kann
+ich nicht sein.
+
+Ich bin Chitra. Keine Göttin bin ich, die man anbetet, aber auch nicht
+ein Gegenstand allgemeinen Mitleids, den man achtlos abschüttelt wie ein
+Insekt. Wenn Du mich würdig findest, Dir zur Seite zu stehen, wenn ich
+die großen Pflichten Deines Lebens teilen darf -- dann wirst Du mein
+wahres Wesen erkennen. Wenn Dein Kind, das ich in meinem Schoß nähre,
+ein Sohn sein wird, will ich es lehren, ein zweiter Arjuna zu werden.
+Wenn die Zeit kommt, werde ich ihn zu Dir senden, und Du wirst endlich
+mein eigenstes Ich erkennen. Heute kann ich Dir nur Chitra darbringen,
+die Tochter eines Königs.
+
+_Arjuna_
+
+Geliebte, mein Leben ist vollkommen erfüllt.
+
+ENDE
+
+
+
+
+ANMERKUNGEN
+
+
+Zu Seite:
+
+ 5: _Pandava_ (so für Pandaṟa zu lesen). Das Königsgeschlecht, von
+ dem das Mahābhārata handelt, stammt von _Kuru_ ab; ein Zweig
+ derselben sind die Pāṇḍavas, fünf Brüder (S. 50), zu denen der
+ Held Arjuna gehört. Dieser stammt also auch aus dem Hause der
+ Kurus. (S. 9.)
+
+ 35: _Malati-Hain._ Mālati ist der großblütige Jasmin.
+
+ 38: _Stephali-Blüten_; lies _Sh_ephali. Śephālikā ist der Strauch
+ vitex negundo, dessen Blüten in Vasavadatta Abt. IV mit
+ Zinnoberkügelchen verglichen werden.
+
+ 53: _Kinsuka-Blüte._ Der Kiṃśuka, Butea frondosa, ist ein
+ stattlicher Baum, dessen Zweige im Frühjahr mit großen
+ scharlachroten Schmetterlingsblüten bedeckt sind. Die schöne Blüte
+ ist aber geruchlos.
+
+ 56: _Asoka-Blüten._ Der Aśokabaum, Jonesia Asoka, hat rote Blüten.
+ Er spielt in der indischen Dichtung eine große Rolle. Aśoka
+ bedeutet »Kummerlos.«
+
+ * * * * *
+
+Tagore's Dichtung entspricht nicht dem Sinn der Sage. Er sagt S. 6 von
+Chitrā's Vater: »er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und
+zu seinem Erben gemacht«. Der Text in Protap Chandra Roys Übersetzung
+lautet: I have duly made her a _Putrikā_. _putrikā_ ist ein juristischer
+Ausdruck und bezeichnet eine Tochter, die mangels eines Sohnes (_putra_)
+die Familie ihres Vaters, nicht ihres Gatten fortpflanzen soll. Für
+letzteren bedeutet also die Eingehung einer solchen Ehe den Verzicht auf
+die Fortpflanzung seiner Familie. Tagore hat dies offenbar nicht gewußt
+und macht daher aus _putrikā_ eine Tochter, die als Sohn (_putra_)
+erzogen wird! Das Epos kennt eine Sage, wo eine Prinzessin für einen
+Prinz ausgegeben und als solcher erzogen wird (die Geschichte von
+_Śikhandin_). Diese Reminiszenz mag sich bei dem Dichter mit dem
+Sagenstoff, auf den er in der Vorrede hinweist, verschmolzen haben.
+
+ * * * * *
+
+Für die Anmerkungen ist die Übersetzerin dem Sanskritisten der Bonner
+Universität, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Jacobi, zu Dank verpflichtet.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Chitra, by Rabindranath Tagore
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44246 ***
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+ The Project Gutenberg eBook of Chitra, by Rabindranath Tagore.
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+<div>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44246 ***</div>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_1" title="1"> </a></p>
+
+<p class="title"><big>RABINDRANATH TAGORE</big></p>
+<h1>CHITRA</h1>
+<p class="title"><br />*<br />
+EIN SPIEL<br />
+IN EINEM AUFZUG<br />
+*</p>
+<p class="title space-above">KURT WOLFF VERLAG<br />
+LEIPZIG</p>
+<p><a class="pagenum" name="Page_2" title="2"> </a></p>
+
+<p class="infopage">
+<i>Einbandzeichnung von Walter Tiemann.</i><br />
+<i>Dritte unveränderte Auflage 1918.</i><br />
+<i>Die erste Auflage erschien 1914.</i><br />
+</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_3" title="3"> </a></p>
+
+<p class="infopage"><i>Berechtigte deutsche Übertragung von<br />
+ELISABETH WOLFF-MERCK<br />
+nach der von Rabindranath Tagore selbst<br />
+veranstalteten englischen Ausgabe</i></p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_4" title="4"> </a><br/><a class="pagenum" name="Page_5" title="5"> </a></p>
+
+<h2><a name="VORBEMERKUNG" id="VORBEMERKUNG">VORBEMERKUNG</a></h2>
+<p class="plain">Dieses lyrische Drama wurde vor ungefähr 25 Jahren geschrieben. Es setzt
+die Kenntnis der hier folgenden Fabel aus dem Mahabharata voraus:</p>
+
+<p class="plain">Während der Wanderungen, die Arjuna
+in Erfüllung eines Bußgelübdes unternahm, kam er nach Manipur. Dort sah
+er Chitrāngadā, die schöne Tochter von Chitravāhana, dem König des Landes,
+und von ihrer Anmut überwältigt, bat er den König um ihre Hand. Chitravāhana
+fragte ihn nach seiner Herkunft. Auf die Antwort, er sei Arjuna der <a href="#pandava">Pandara</a>, erzählte
+der König ihm, daß einer seiner Ahnen, Prabhanjana vom königlichen
+Stamme von Manipur, lange kinderlos geblieben<a class="pagenum" name="Page_6" title="6"> </a>
+war. Um einen Erben zu erhalten, legte er sich strenge Bußübungen auf. Die
+Strenge seines Lebens fand Gnade vor Shiva, und der Gott gewährte ihm und
+jedem seiner Nachkommen <em class="gesperrt">ein</em> Kind.</p>
+
+<p class="plain">Es geschah aber, daß das versprochene Kind stets ein Knabe war. Er, Chitravāhana,
+war der Erste, dem nur eine Tochter, Chitrāngadā, gewährt war, um das Geschlecht zu erhalten.</p>
+
+<p class="plain">Er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und zu seinem Erben gemacht. &mdash;</p>
+
+<p class="plain">Der König fährt in der Erzählung fort:
+»Der einzige Sohn, den sie gebären wird, muß der Erhalter meines Geschlechts
+sein, und diesen Sohn verlange ich als Kaufpreis für die Einwilligung in die Heirat.<a class="pagenum" name="Page_7" title="7"> </a>
+Wenn du willst, kannst du sie unter dieser Bedingung haben.« Arjuna gab das
+Versprechen, nahm Chitrāngadā zum Weibe und lebte mit ihr drei Jahre in ihres
+Vaters Hauptstadt. Als ihnen ein Sohn geboren wurde, umarmte er sie liebevoll,
+nahm Abschied von ihr und ihrem Vater und setzte seine Wanderung fort.</p>
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_8" title="8"> </a><br /><a class="pagenum" name="Page_9" title="9"> </a></p>
+
+<h2><a name="PERSONEN" id="PERSONEN">PERSONEN</a></h2>
+
+<p><span style="margin-left: 5em;">Götter:</span></p>
+
+<p class="personen"><i>Madana</i> (Eros).</p>
+<p class="personen"><i>Vasanta</i> (Lycoris).</p>
+
+<p><span style="margin-left: 5em;">Sterbliche:</span></p>
+
+<p class="personen"><i>Chitra</i>, Tochter des Königs von Manipur.</p>
+<p class="personen"><i>Arjuna</i>, ein Prinz aus dem Hause der Kuru. Er ist aus der Kshatriya oder
+Kriegerkaste und lebt während der Handlung als Eremit einsam im Wald.</p>
+<p class="personen"><i>Dorfleute</i> aus einer abgelegenen Gegend in Manipur.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_10" title="10"> </a></p>
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_11" title="11"> </a></p>
+
+<h2><a name="ERSTE_SZENE" id="ERSTE_SZENE">ERSTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Bist Du der Gott mit den fünf Pfeilen,
+der Gott der Liebe?</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich war der Erstgeborene im Herzen des Schöpfers. Ich binde mit Fesseln des
+Schmerzes und erfülle mit Seligkeit das Leben der Menschen!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich weiß, ich kenne jenen Schmerz und jene Fesseln! &mdash; Und wer bist Du, mein
+Herr?</p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Ich bin sein Freund &mdash; Vasanta &mdash; der<a class="pagenum" name="Page_12" title="12"> </a>
+König der Jahreszeiten. Tod und Alter würden die Welt bis ins Mark zerfressen,
+folgte ich ihnen nicht, um sie beständig zu bekämpfen. Ich bin die Ewige Jugend.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich beuge mich vor Dir, Vasanta, mein Herr.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Doch welch strenges Gelübde bindet Dich, schöne Fremde? Warum läßt Du
+Deine frische Jugend welken in Buße und Demütigung? Solch Opfer ist dem Dienst
+der Liebe fremd. Wer bist Du, und was ist Dein Gebet?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich bin Chitra, die Tochter aus dem
+königlichen Hause von Manipur. Shivas<a class="pagenum" name="Page_13" title="13"> </a>
+göttliche Gnade versprach meinem königlichen Ahnherrn eine ununterbrochene
+Reihe männlicher Nachkommen. Aber das Wort des Gottes vermochte nicht,
+den Lebensfunken in meiner Mutter Leib zu wandeln, so unbezwingbar war meine
+Natur, obschon ich ein Weib bin.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich weiß, darum erzieht Dich Dein Vater wie einen Sohn. Er hat Dich gelehrt mit
+dem Bogen umzugehen und Dich in allen Pflichten eines Königs unterwiesen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ja, darum trage ich männliches Gewand und habe die Abgeschiedenheit des
+Frauengemaches verlassen. Ich weiß nichts von Frauenlist, die die Herzen gewinnt.<a class="pagenum" name="Page_14" title="14"> </a>
+Meine starken Hände können den Bogen spannen, aber ich habe die Kunst
+des Liebesgottes nicht erlernt; das Spiel der Augen ist mir fremd.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Das erlernt sich von selbst, Du Schöne. Die Augen brauchen darin nicht unterrichtet
+zu werden. Das weiß der am besten, der von ihnen ins Herz getroffen wurde.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Auf der Suche nach Wild wanderte ich eines Tages einsam durch den Wald
+am Ufer des Purna-Flusses. Mein Roß band ich an einen Stamm und drang in's
+dichte Gestrüpp, der Spur eines Wildes folgend. Ich fand einen schmalen,<a class="pagenum" name="Page_15" title="15"> </a>
+gewundenen Pfad, der sich durch das Dämmer verschlungener Zweige schlang.
+Die Blätter erzitterten vom Grillengezirp. Plötzlich erspähte ich auf meinem Weg
+einen Mann, der auf einem Lager trockenen Laubes ruhte. Hochmütig befahl ich
+ihm, mir Platz zu machen, aber es kümmerte ihn nicht. Da stach ich ihn verächtlich
+mit der scharfen Spitze meines Pfeils. Er sprang auf, stark und ebenmäßig an
+Wuchs, gleich einer Flamme, die plötzlich aus einem Aschenhaufen züngelt.
+Ein belustigtes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, vielleicht ob meines knabenhaften
+Anblicks. Da &mdash; zum erstenmal in meinem Leben fühlte ich mich
+Weib und wußte, daß ein Mann vor mir stand.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_16" title="16"> </a></p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>In glückbegünstigter Stunde verkünde ich Mann und Weib die erhabene Lehre:
+Erkennet einander. &mdash; Was geschah dann?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Voll Angst und Staunen fragte ich ihn: »Wer bist Du?« »Ich bin Arjuna«, sagte
+er, »aus dem großen Stamme der Kuru«. Ich stand wie versteinert und vergaß mich
+zu verneigen. War das wirklich Arjuna, der Abgott meiner Träume, der Einzige,
+Große! Schon lange kannte ich sein Gelöbnis, zwölf Jahre in Keuschheit zu leben.
+Mein junger Ehrgeiz hatte mich manchen Tag angestachelt, mit ihm eine Lanze zu
+brechen, ihn verkappt zum Zweikampf
+zu fordern und ihm meine Waffenkunst<a class="pagenum" name="Page_17" title="17"> </a>
+zu beweisen. Ach töricht Herz, wohin entfloh Dein Stolz? Könnt' ich meine
+Jugend mit ihren Sehnsüchten hingeben, um Staub zu sein unter Deinen Füßen,
+wahrlich eine köstliche Gnade dünkte mir das. Ich weiß nicht, in welchem Strudel
+der Empfindung ich mich verlor, als ich ihn plötzlich zwischen den Bäumen entschwinden
+sah! &mdash; Du töricht Weib, du grüßtest ihn nicht und sprachest kein
+Wort, noch batest du ihn um Verzeihung, sondern standest wie ein ungeschickter
+Tölpel, während er verächtlich hinwegschritt!...
+Am nächsten Morgen legte ich meine Männerkleidung ab und schmückte
+mich mit Armbändern, Fußringen, einer Gürtelkette und einem Gewand aus purpurner
+Seide. Das ungewohnte Kleid<a class="pagenum" name="Page_18" title="18"> </a>
+schmiegte sich fest um meinen bebenden Leib; aber ich beschleunigte mein Suchen
+und fand Arjuna in Shiva's Waldtempel.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Vollende Deine Erzählung. Ich bin der herzgeborene Gott, und ich verstehe das
+Geheimnis dieser Triebe.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Nur undeutlich vermag ich mich zu erinnern, was ich sagte, und was ich zur
+Antwort bekam. Heiß' mich nicht alles erzählen. Scham überwältigte mich wie
+ein Donnerschlag und konnte mich doch nicht zerschmettern, so durchaus hart
+bin ich, so männlich. Als ich heimwärts
+schritt, stachen mich seine letzten Worte<a class="pagenum" name="Page_19" title="19"> </a>
+wie glühende Nadeln ins Ohr: »Ich habe Keuschheit gelobt. Ich kann Dein Gemahl
+nicht sein!« O, um das Gelübde eines Mannes! Sicherlich weißt Du, o Gott
+der Liebe, daß zahllose Heilige und Weise den Preis ihrer lebenslangen Buße hingegeben
+haben um eines Weibes willen. Ich brach meinen Bogen entzwei und verbrannte
+meine Pfeile im Feuer. Ich haßte meinen starken, geschmeidigen Arm, gezeichnet
+vom Spannen des Bogens. O Liebe, Liebe, Du hast tief in den Staub
+gebeugt den nichtigen Stolz meiner männlichen Stärke, und all meine Manneszucht
+liegt zermalmt zu Deinen Füßen. Nun lehre mich Deine Gebote. Gib mir
+die Kraft der Schwachen und die Waffe der wehrlosen Hand.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_20" title="20"> </a></p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich will Dein Freund sein. Ich will den weltenbezwingenden Arjuna vor Dein Angesicht
+bringen, ein Gefangener, der den Richtspruch seiner Empörung aus Deiner Hand empfangen soll.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Stünde mir nur die Zeit zu Gebot, ich könnte allmählich sein Herz gewinnen
+und brauchte der Götter Hilfe nicht. Zur Seite würde ich ihm stehen als Gefährte,
+die wilden Rosse seines Kriegswagens lenken, die Freuden der Jagd mit ihm
+teilen. Zur Nacht hielt ich Wache am Eingang seines Zeltes und hülfe ihm, die
+großen Pflichten eines Kshatriya erfüllen,
+die Schwachen zu befreien und Recht zu<a class="pagenum" name="Page_21" title="21"> </a>
+sprechen, wo es not tut. Sicherlich käme der Tag, an dem er mich erblicken und
+verwundert fragen würde: »Wer ist dieser Knabe? Ist einer meiner Sklaven aus
+einem früheren Leben, meinen guten Taten gleich, mir gefolgt ins Diesseits?« Ich
+bin nicht das Weib, das seine Verzweiflung mit nächtlichen Tränen in einsamer
+Stille nährt, sie täglich hinter geduldigen Lächeln verbirgt, als Witwe geboren.
+Die Blüte meines Verlangens soll nicht in den Staub sinken, ehe sie zur Frucht
+gereift ist. Aber es ist die Arbeit eines Lebens, Verständnis zu finden und Ehre
+zu erlangen für sein eigenstes Ich. Darum bin ich an Deine Tür gekommen, Du,
+weltenüberwindende Liebe, und Du, Vasanta,
+jugendlicher Gott der Jahreszeiten,<a class="pagenum" name="Page_22" title="22"> </a>
+nimm von meinem jungen Körper die angeborene Ungerechtigkeit der Häßlichkeit.
+Für einen einzigen Tag mache mich wunderbar schön, so schön wie die mit
+einem Mal in meinem Herzen erblühte Liebe. Gib mir nur einen einzigen Tag
+makelloser Schönheit, und ich will einstehen für die Tage, die da kommen.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Prinzessin, Dein Gebet sei erhört!</p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Nicht nur für einen kurzen Tag, sondern für ein ganzes langes Jahr soll der
+Frühlingsblüten Lieblichkeit sich um Deine Glieder schmiegen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_23" title="23"> </a></p>
+
+<h2><a name="ZWEITE_SZENE" id="ZWEITE_SZENE">ZWEITE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Träumte mir oder war Wirklichkeit, was ich am See sah? Im sinkenden Schatten
+des Abends saß ich auf moosigem Grund und dachte vergangener Jahre,
+als aus dem bergenden Dunkel der Blätter langsam eine Erscheinung trat in der vollkommenen
+Gestalt eines Weibes. Sie stand auf einem weißen, flachen Stein am
+Rande des Wassers. Es schien, als müsse das Herz der Erde sich weiten vor Freude
+unter ihren nackten weißen Füßen. Mir deuchte, die zarte Umhüllung ihres
+Körpers wollte sich in Verzückung auflösen
+in Luft, wie der goldene Frühnebel<a class="pagenum" name="Page_24" title="24"> </a>
+vom schneeigen Gipfel des östlichen Berges schmilzt. Sie beugte sich über den
+schimmernden Spiegel des Teiches und erblickte ihr Antlitz darin. Sie schrak zurück
+und stand still, dann lächelte sie, löste mit einer nachlässigen Bewegung
+des linken Arms ihr Haar, das bis zu ihren Füßen zur Erde niederglitt. Sie entblößte
+ihre Brust und betrachtete ihre makellos geformten Arme erfüllt von Zärtlichkeit
+für ihren Körper. Sie neigte den Kopf und sah ihre süße, blühende Jugend und das
+zarte Erröten ihrer flaumigen Haut. Sie strahlte in freudiger Überraschung. So
+würde die weiße Lotosblume den ganzen Tag über sich staunen, könnte sie des
+Morgens beim Erwachen, ihren Hals beugen
+und ihr Abbild im Wasser sehn. Aber<a class="pagenum" name="Page_25" title="25"> </a>
+einen Augenblick später wich das Lächeln von ihrem Antlitz, und ein Schatten von
+Trauer stieg in ihren Augen auf. Sie band ihre Haarflechten auf, zog den Schleier
+um ihre Schultern und schritt leise seufzend hinweg, wie ein schöner Abend,
+der in Nacht versinkt. Die erhabene Erfüllung aller Sehnsucht schien sich mir
+in einem Blitz geoffenbart zu haben und verlosch dann ... Aber wer bewegt die Türe?</p>
+
+<p>(Chitra tritt ein, in Frauenkleidern.)</p>
+
+<p>Ah! sie ist's! Stille mein Herz!...</p>
+
+<p>Fürchte nichts, Herrin! Ich bin ein Kshatriya.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Edler Herr, Du bist mein Gast. Ich
+wohne in diesem Tempel. Ich weiß nicht,<a class="pagenum" name="Page_26" title="26"> </a>
+wie ich Dir Gastfreundschaft erzeigen
+kann.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Schöne Frau, Dein Anblick allein ist die höchste Gastfreundschaft. Wenn Du
+mir's nicht verdenken willst, möchte ich Dich etwas fragen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Es sei Dir gewährt.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Welch strenges Gelübde hält Dich in diesen einsamen Tempelmauern gefangen
+und beraubt die Sterblichen Deines lieblichen Anblickes?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich hege einen geheimen Wunsch in<a class="pagenum" name="Page_27" title="27"> </a>
+meinem Herzen, für dessen Erfüllung ich täglich Gebete zu Shiva sende.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ach, was kannst Du verlangen, die Du das Verlangen der ganzen Welt bist? Von
+dem östlichen Hügel, auf dessen Gipfel die Morgensonne zuerst ihren feurigen
+Fuß setzt, bis ans Ende des Abendlands bin ich gewandert. Ich habe das Köstlichste,
+Schönste und Größte der Erde gesehen. Mein Wissen soll Dein sein, nur
+sage mir, was oder wen Du suchst.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ihn, den ich suche, ihn kennen alle.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Wer mag dieser Liebling der Götter
+sein, der Dein Herz gefangen nahm?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_28" title="28"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Er ist der Größte aller Helden, ein Sproß des höchsten Herrscherhauses.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Herrin, opfere nicht diesen Schatz von Schönheit, der Dein ist, auf dem Altar
+eines falschen Ruhmes. Unwahres Gerücht verbreitet sich von Mund zu Mund,
+wie der Nebel im frühen Morgendämmer ehe die Sonne aufgeht. Sage mir, wer ist
+der erhabene Held aus höchstem königlichem Stamm?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Einsiedler, der Ruhm andrer Männer erfüllt Dich mit Neid. Weißt Du nicht,
+daß der Ruhm des königlichen Hauses der Kuru über die ganze Welt verbreitet ist?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_29" title="29"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Das Haus der Kuru!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Und hast Du nie den größten Namen dieses weitgerühmten Hauses gehört?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Laß ihn mich von Deinen eigenen Lippen hören.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Arjuna, der Welteroberer. Ich habe diesen unsterblichen Namen von den
+Lippen der Menge abgelesen und ihn sorgfältig in meinem Herzen verborgen. Einsiedler,
+was blickst Du so verwirrt drein? Trägt dieser Name nur trügerischen
+Glanz? Sag es, und ich will nicht zögern,
+den Schrein meines Herzens aufzubrechen<a class="pagenum" name="Page_30" title="30"> </a>
+und den falschen Edelstein in den Staub zu werfen.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ob auch sein Name und Ruhm, sein Mut und seine Tapferkeit wahr oder
+falsch sind, um des Mitleids willen verbanne ihn nicht aus Deinem Herzen,
+denn er kniet zu Deinen Füßen &mdash; in diesem Augenblick.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Du, Arjuna!</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ja, der bin ich, ein vor Liebe verschmachteter Bettler an deiner Tür.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>So ist es nicht wahr, daß Arjuna das Gelübde zwölf Jahre langer Keuschheit getan hat?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_31" title="31"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Du hast meinen Schwur gelöst wie der Mond den nächtlichen Schwur der Dunkelheit.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Scham über Dich! Was sahst du in mir, das Dich Deinem eigenen Ich untreu
+werden ließ? Wen suchst du in diesen dunklen Augen, in diesen milchweißen
+Armen, wenn Du sie mit dem Preis Deiner Ehre zu bezahlen bereit bist? Nicht mein
+wahres Selbst, das weiß ich. Wahrlich das kann nicht Liebe sein, nicht des
+Mannes tiefste Ehrfurcht vor dem Weib! Wehe, daß der Körper, diese zerbrechliche
+Hülle, uns blendet, das Licht der
+unsterblichen Seele zu schauen! Ja, Arjuna,<a class="pagenum" name="Page_32" title="32"> </a>
+nun weiß ich gewiß, falsch ist der Ruhm Deines Heldentums.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>O, ich fühle wie eitel der Ruhm ist und der Stolz der Tapferkeit! Alles scheint
+Traum. Du allein bist vollkommen, Du bist der Reichtum der Welt, das Ende
+aller Armut, das Ziel alles Strebens, das Weib! Andere Frauen gibt's, langsam und
+schwer zu erkennen, aber Dich einen Augenblick lang zu sehn, heißt höchste
+Vollendung schauen, jetzt und in Ewigkeit.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ach nicht ich bin's, nicht ich, Arjuna! Es ist das Trugbild eines Gottes. Geh',
+geh' mein Held, geh'. Frei' nicht die Lüge, opfre dein großes Herz nicht einer Täuschung. Geh'.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_33" title="33"> </a></p>
+
+<h2><a name="DRITTE_SZENE" id="DRITTE_SZENE">DRITTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Nein, unmöglich ist's den brennenden Blick der hungrigen Seele auszuhalten,
+der mit Händen dich umklammert, zu fühlen, wie das Herz sich müht, die Fesseln
+zu sprengen, und den wilden Schrei, der sich ihm entringen will &mdash; und den
+Liebenden dann hinweg zu senden wie einen Bettler! Unmöglich ist's!</p>
+
+<p>(Madana und Vasanta treten auf.)</p>
+
+<p>Ach, Gott der Liebe, welch furchtbares Feuer hast Du in mich gesenkt! Ich verbrenne,
+versenge, was ich berühre.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich wünsche zu wissen, was in vergangener Nacht geschah.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_34" title="34"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Auf ein Lager von Gras, übersät mit
+Frühlingsblüten, legte ich mich am Abend
+nieder und gedachte des wunderbaren
+Lobgesangs meiner Schönheit, den ich
+von Arjuna gehört. Tropfen nach Tropfen
+trank ich den Honig, den ich am Tage
+gesammelt, Vergangenes und Zukünftiges
+war vergessen. Ich fühlte mich der Blume
+verwandt: ihr sind nur flüchtige Stunden
+vergönnt, dem summenden Schmeicheln,
+dem Flüstern und Murmeln der Wälder
+zu lauschen. Dann muß sie die Augen
+vom Himmel wenden, ihr Haupt beugen
+und ihren Atem aushauchen im Staub,
+klaglos den kurzen Traum eines vollkommenen
+Augenblicks beenden, der
+nicht Vergangenheit noch Zukunft kennt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_35" title="35"> </a></p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Ein grenzenloses Leben voller Ruhm
+kann blühen und sich erschöpfen an
+einem Morgen.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Wie Ewigkeits-Sinn im kleinsten Bruchteil
+eines Liedes sein kann.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Die südliche Brise wiegte mich in Schlaf.
+Von dem blühenden <a href="#malati">Malati-Hain</a> über
+mir tropften schweigend Küsse auf mich
+nieder. Jede Blume wählte sich ein Lager
+zum Sterben, in meinem Haar, auf meiner
+Brust oder meinen Füßen. Ich schlief.
+Und in der Tiefe meines Schlafes war
+mir plötzlich, als ob ein durchdringender,
+gieriger Blick meinen Körper berühre,<a class="pagenum" name="Page_36" title="36"> </a>
+wie der spitzige, stechende Finger der
+Flamme. Ich sprang auf und sah den Einsiedler
+vor mir stehen. Der Mond war
+westwärts gewandert und lugte durch die
+Blätter, um das Wunder zu sehen, das
+durch göttliche Kunst in zerbrechlicher
+Menschlichkeit erstanden war. Die Luft
+war schwer, duftgeschwängert, die Stille
+der Nacht klang vom Grillengezirp, regungslos
+lag das Spiegelbild der Bäume
+auf dem See. Und mit seinem Stab in der
+Hand stand der Einsiedler groß, aufrecht
+und schweigend wie ein Baum des Waldes.
+Mir war, da ich die Augen aufschlug,
+als sei ich abgeschieden von aller Wirklichkeit
+des Lebens, und es vollziehe sich
+an mir eine Wiedergeburt im Land der
+Träume. Scham fiel von mir und glitt<a class="pagenum" name="Page_37" title="37"> </a>
+wie ein gelöstes Gewand auf meine Füße
+nieder. Ich hörte seinen Schrei &mdash; »Geliebte,
+einzig Geliebte!« Und all' meine
+vergangenen, vergessenen Leben schmolzen
+zu einem und riefen ihm Antwort
+zu: »Nimm mich, nimm mich ganz zu
+eigen!« Und ich breitete meine Arme nach
+ihm aus. Der Mond sank hinter den Bäumen.
+Ein dunkler Vorhang bedeckte alles,
+Himmel und Erde, Zeit und Raum, Lust
+und Schmerz, Leben und Tod schmolzen
+in Eins in unsagbarer Verzückung....
+Mit dem ersten Morgenstrahl, dem ersten
+Vogelzwitschern richtete ich mich auf und
+blieb, auf den linken Arm gestützt, sitzen.
+Der Einsiedler lag schlafend, ein unbekümmertes
+Lächeln krümmte sich um
+seine Lippen, wie der wachsende Mond<a class="pagenum" name="Page_38" title="38"> </a>
+am Morgen. Der Dämmerung rosiges Glühen
+fiel auf seine edle Stirn. Ich seufzte,
+stand auf und zog die breitblättrigen Lianen
+zusammen, um sein Gesicht vor der
+flutenden Sonne zu schützen. Ich schaute
+umher und sah die gleiche alte Erde. Ich
+erinnerte mich, was ich gewesen und
+rannte, rannte wie ein Reh, das seinen
+eigenen Schatten fürchtet, den Waldpfad
+entlang, den <a href="#stephali">Stephali-Blumen</a> bedeckten.
+Ich fand einen einsamen Winkel, setzte
+mich nieder, barg mein Gesicht in beiden
+Händen, um zu weinen und zu klagen.
+Doch meine Augen blieben tränenlos.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Weh über Dich, Tochter der Sterblichen!
+Ich stahl aus den göttlichen Speichern<a class="pagenum" name="Page_39" title="39"> </a>
+den duftenden Wein des Himmels, gab ihn, eine irdische Nacht gefüllt bis
+zum Rande, in Deine Hände, auf daß Du tränkest &mdash; und immer hör' ich noch diesen Schrei der Qual!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+<p><span style="margin-left: 3em;">(bitter)</span></p>
+
+<p>Wer trank ihn? Des Lebens seltenste
+Erfüllung, erste Liebesumarmung bot
+man mir dar und entriß sie wieder meiner
+Sehnsucht? Diese erborgte Schönheit,
+die Falschheit, die mich umhüllt, sie werden
+von mir gleiten, wie Blüten im Wind
+entblättern, und die einzig sichtbare Erinnerung
+jener süßen Vereinigung mitnehmen,
+und voll Scham über seine Armut
+wird das Weib weinend sitzen &mdash;
+Tag und Nacht. Gott der Liebe, diese<a class="pagenum" name="Page_40" title="40"> </a>
+verfluchte äußere Gestalt begleitet mich
+Tag und Nacht, wie ein Dämon, und beraubt
+mich allen Liebeslohnes &mdash; all der
+Küsse, nach denen ich verschmachte.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ach, umsonst war Deine einzige Nacht! Die Barke der Erfüllung kam in Sicht,
+aber die Wellen ließen sie das Ufer nicht berühren.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Der Himmel war meinem Griff ganz nahe und ich vergaß für Augenblicke, daß
+ich ihn noch nicht erreicht hatte. Aber als ich des Morgens aus meinem Traum
+erwachte, fand ich im eigenen Körper die Rivalin. Nun ward mir die verhaßte
+Pflicht, sie täglich zu schmücken, zum<a class="pagenum" name="Page_41" title="41"> </a>
+Geliebten zu schicken und zu sehen, wie er sie liebkoste. O Gott, nimm Dein Geschenk
+zurück!</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Aber wie willst Du vor Deinen Geliebten treten, wenn ich es von Dir nehme?
+Ist es nicht grausam, den Becher von seinen Lippen zu reißen, nachdem er
+kaum einen Zug der Lust getan? Wie ärgerlich wirst Du ihm sein?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Und doch wäre es besser so. Ich will ihm
+meine wahrhaftige Gestalt zu erkennen
+geben, eine edlere Tat, als in dieser Maske
+zu leben. Wenn er mich auch verstößt
+und verschmäht, wenn er mein Herz auch
+bricht &mdash; schweigend will ich's tragen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_42" title="42"> </a></p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Hör' meinen Rat. Wenn die blumenerfüllte
+Jahreszeit vergangen, kommt der
+Herbst und mit ihm der Triumphzug der
+Früchte. Die Zeit wird kommen, da die
+überreife Blume des Leibes sich vergehend
+neigt. Dann wird Arjuna die bleibende
+fruchtgewordene Wahrheit aus
+Dir voll Glück hinnehmen. O Kind, geh'
+zurück zu Deiner rasenden Feier.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_43" title="43"> </a></p>
+
+<h2><a name="VIERTE_SZENE" id="VIERTE_SZENE">VIERTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum beobachtest Du mich, mein Krieger?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich sehe zu, wie Du den kleinen Kranz windest. Anmut und Geschick, die Zwillingsbrüder,
+spielen tanzend auf Deinen Fingerspitzen. Ich sehe zu und denke.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was denkst Du, Herr?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich denke, daß Du mit der gleichen
+schwebenden Berührung und Süßigkeit
+die Tage meiner Verbannung in einen<a class="pagenum" name="Page_44" title="44"> </a>
+unsterblichen Kranz windest, um mich
+zu meiner Heimkehr damit zu krönen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Heimkehr! Diese Liebe ist nichts für
+ein Heim!</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Nichts für ein Heim?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Nein, sprich nie davon. Nimm mit in
+Dein Heim das Bleibende, Starke. Laß
+die kleine wilde Blume an ihrem Geburtsort,
+laß sie dort in Schönheit sterben,
+wenn der Tag sich neigt, mit all den welkenden
+Blumen und den modernden
+Blättern. Nimm sie nicht mit in die Halle
+Deines Palastes, um sie dort auf den
+steinernen Boden zu werfen, der kein<a class="pagenum" name="Page_45" title="45"> </a>
+Erbarmen für Welken und Vergehen
+kennt.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Sieht so unsere Liebe aus?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ja, so und nicht anders! Was soll das
+Klagen? Was sich für müßige Tage schickt,
+sollte sie nicht überdauern. Lust wandelt
+sich in Schmerz, wenn ihr die Tür verschlossen
+ist, aus der sie scheiden soll.
+Nimm meine Liebe hin und halte sie, so
+lange sie währen darf. Laß nicht des
+Abends satte Zufriedenheit mehr fordern,
+als das morgendliche Verlangen ernten
+kann ... Der Tag ist vorüber. Nimm dies
+Blumengewinde. Ich bin müde. Nimm
+mich in Deine Arme, Geliebter, und laß<a class="pagenum" name="Page_46" title="46"> </a>
+alles eitle unzufriedene Gezänk verstummen
+in der süßen Vereinigung unserer
+Lippen.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Still, horch, Geliebte, der Klang der
+Gebetsglocken aus dem fernen Dorftempel
+gleitet auf der Abendluft über die
+schweigenden Wipfel.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_47" title="47"> </a></p>
+
+<h2><a name="FUENFTE_SZENE" id="FUENFTE_SZENE">FÜNFTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Ich kann nicht Schritt mit Dir halten,
+mein Freund! Ich bin müde. Schwer ist
+die Pflicht, das Feuer in Glut zu halten,
+das Du entzündet hast. Schlaf überkommt
+mich, der Fächer entfällt meiner
+Hand, und kalte Asche bedeckt die Glut.
+Ich fahre wieder auf aus meinem Schlummer
+und rette die träge Flamme, soweit
+es in meiner Macht steht. Aber so kann
+es nicht weiter gehen.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich weiß, Du bist unbeständig wie ein
+Kind. Ewig ruhelos ist Dein Spiel im
+Himmel und auf Erden. Was Du in langen<a class="pagenum" name="Page_48" title="48"> </a>
+Tagen aufgebaut mit endloser Sorge
+für jeden Bruchteil, in einem Augenblick
+zerstörst Du es wieder, ohne Bedauern.
+Aber unsere Arbeit ist heut vollendet.
+Freudengeflügelte Tage fliehen flüchtig
+dahin, und das sich neigende Jahr vergeht
+mit berückendem Blühen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_49" title="49"> </a></p>
+
+<h2><a name="SECHSTE_SZENE" id="SECHSTE_SZENE">SECHSTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich erwachte am Morgen und fand
+meine Träume in einen Edelstein verschmolzen.
+Ich hatte keinen Schrein, ihn
+darin zu verschließen, keine Königskrone,
+in die ich den Stein hätte fassen können,
+keine Kette hatte ich, ihn daran zu hängen,
+und doch brachte ich's nicht übers
+Herz, ihn wegzuweisen. So halte ich ihn,
+und mein Arm, der Arm eines Kshatriya,
+vergißt über müßigem Tun seine Pflicht.</p>
+
+<p>(Chitra tritt ein.)</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Sage mir Deine Gedanken, Herr!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_50" title="50"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Meine Gedanken sind heute auf die
+Jagd gerichtet. Sieh, wie der Regen in
+Strömen herniederstürzt und wild gegen
+den Berghang schlägt. Dunkle Wolkenschatten
+hängen schwer über dem Wald,
+und gleich der sorglosen Jugend überspringt
+der geschwollene Strom mit spöttischem
+Lachen alle Schranken. Stets
+gingen wir fünf Brüder an solchen Regentagen
+in den Wald von Chitraka, wilde
+Tiere zu jagen. Das waren schöne Zeiten.
+Unsre Herzen tanzten zum Trommelwirbel
+der grollenden Wolken. Der
+Wald hallte wider von den Schreien der
+Pfauen. Durch das Klatschen des Regens
+und das Rauschen des Wasserfalles
+konnte das ängstliche Wild unsre Schritte<a class="pagenum" name="Page_51" title="51"> </a>
+nicht hören. Die Leoparden ließen ihre
+Spuren in der nassen Erde zurück und
+verrieten so ihr Lager. War die Jagd vorüber,
+so forderten wir uns auf dem Heimweg
+gegenseitig heraus, reißende Ströme
+zu durchschwimmen. Ein ruheloser Geist
+wohnt in mir, ich habe Sehnsucht nach
+der Jagd.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Erst erlege das Wild, das Du jetzt verfolgst.
+Bist Du gewiß, daß das verzauberte
+Tier, das Du jagst, unbedingt gefangen
+werden muß? Nein, noch nicht.
+Wie ein Traum entgleitet Dir das wilde
+Geschöpf, wenn es Dir am nächsten
+scheint. Sieh, wie der rasende Regen den
+Wind jagt und tausend Pfeile hinter ihm
+her sendet. Und doch bleibt der Wind<a class="pagenum" name="Page_52" title="52"> </a>
+frei und unbesiegt. So ist auch unser Waidwerk,
+Geliebter! Du jagst nach der schnellschreitenden
+Schönheit und versendest
+all Deine Pfeile nach ihr, und doch flieht
+dies zaubrische Wild stets frei und unberührt
+davon.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Hast Du kein Heim, Geliebte, wo liebende
+Herzen Deiner Rückkehr harren?
+Ein Heim, dem Du durch sanftes Dienen
+Lieblichkeit verliehst, und dessen Licht
+erlosch, als Du es für diese Wildnis verließest?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was fragst Du? Sind die Stunden der
+Lust vorbei, in denen es kein Denken
+gab? Weißt Du nicht, daß ich nur die bin,<a class="pagenum" name="Page_53" title="53"> </a>
+die Du vor Dir siehst? Mein Blick geht
+nicht über das Jetzt hinaus. Der Tau auf
+den Blättern der <a href="#kinsuka">Kinsuka-Blüte</a> hat weder
+Namen noch Schicksal, und gewährt keiner
+Frage Antwort. Sie, die Du liebst,
+gleicht jener vollkommenen Tauperle.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Verbindet sie kein Band mit der Welt?
+Ist sie nur ein Stück Himmel, das ein lustspendender
+Gott unachtsam zur Erde
+fallen ließ?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ja.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ach, darum ist mir immer, als müßte
+ich Dich verlieren. Mein Herz ist unbefriedigt,
+meine Gedanken friedlos. Komm
+näher zu mir, Unerreichbare! Ergib Dich<a class="pagenum" name="Page_54" title="54"> </a>
+und dulde die Fesseln, die da heißen:
+Name, Heim, Sippe. Laß mein Herz Dich
+ganz umschließen, und mit Dir leben in
+der ruhigen Sicherheit der Liebe.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum mühst Du Dich vergebens, die
+Farben der Wolken, den Tanz der Wellen,
+den Duft der Blumen zu haschen und
+zu halten?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Herrin mein, glaube nicht, daß Du mit
+Luftgebilden die Liebe befriedigen kannst.
+Gib mir etwas, woran ich Halt finde,
+etwas, das die Lust überdauert, das sich
+im Leid bewährt.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Mein Held, noch ist das Jahr nicht zu<a class="pagenum" name="Page_55" title="55"> </a>
+Ende, und schon bist Du müde! Ja, nun
+erkenne ich die himmlische Güte, die den
+Blumen ein kurzes Leben gab. Wäre ich
+mit den Blumen des letzten Frühlings
+verwelkt und gestorben, ich wäre mit
+Ehren dahingegangen. Doch meine Tage
+sind gezählt, Geliebter. Schone mich
+nicht, saug allen Honig aus mir, da Du
+voller Angst bist, daß Dein armes Herz
+wieder und wieder zurückkommt voll unerfüllter
+Wünsche und Begierden, gleich
+der durstigen Biene, wenn die Sommerblumen
+welk im Staub liegen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_56" title="56"> </a></p>
+
+<h2><a name="SIEBENTE_SZENE" id="SIEBENTE_SZENE">SIEBENTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Heute ist Deine letzte Nacht.</p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Des Frühlings unerschöpfliche Schatzkammer
+wird morgen die Lieblichkeit
+Deines Körpers zurücknehmen. Die rosige
+Farbe Deiner Lippen wird in einem
+<a href="#asoka">Asoka-Blütenpaar</a> neu aufblühen, frei von
+der Erinnerung an Arjunas Küsse. In hundert
+duftenden Jasmin-Blumen wird der
+matte, weiße Glanz Deiner Haut auferstehen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>O Götter, erhört mein Gebet! Laßt
+meine Schönheit in der letzten Stunde<a class="pagenum" name="Page_57" title="57"> </a>
+dieser Nacht am hellsten erstrahlen, wie das letzte Aufleuchten einer sterbenden Flamme.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Dein Wunsch sei Dir gewährt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_58" title="58"> </a></p>
+
+<h2><a name="ACHTE_SZENE" id="ACHTE_SZENE">ACHTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Wer wird uns nun beschützen?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Was soll's, welche Gefahr droht Euch?</p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Die Räuber kommen in Scharen aus den nördlichen Bergen, wie die Flut des
+Gebirgsstromes, die unser Dorf verheert.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Habt ihr keine Wächter in Eurem Königreich?</p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Chitra, die Königstochter, war der
+Schrecken aller Bösen. Als sie noch in<a class="pagenum" name="Page_59" title="59"> </a>
+diesem glücklichen Lande weilte, kannten
+wir keine Furcht außer einer: sterben
+zu müssen. Nun ist Chitra auf einer Pilgerfahrt,
+und niemand kennt ihren Aufenthalt.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ist der Hüter dieses Landes ein Weib?</p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Ja, sie ist uns Vater und Mutter zugleich.</p>
+
+<p>(Die Dorfleute entfernen sich.
+Chitra tritt ein.)</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum sitzest Du hier so einsam?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich versuche mir vorzustellen, was für
+eine Frau die Prinzessin Chitra sein mag.<a class="pagenum" name="Page_60" title="60"> </a>
+Viele Menschen erzählen viele Geschichten
+von ihr.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ach, sie ist nicht schön, sie hat nicht
+meine schönen Augen, die dunkel sind
+wie der Tod. Mit ihrem Geschoß kann
+sie jede Scheibe durchbohren, nur nicht
+das Herz unsres Helden.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Sie sagen, an Tapferkeit sei sie ein
+Mann, und ein Weib an Zärtlichkeit.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Und das gerade ist ihr größtes Unglück.
+Das Weib, das nur Weib ist, das mit
+seinem Lächeln, mit seinen Seufzern, und
+mit zarten Liebkosungen die Herzen der
+Männer einspinnt, ist allein glücklich.<a class="pagenum" name="Page_61" title="61"> </a>
+Was frommt ihr Weisheit und große
+Taten? Hättest Du die Prinzessin nur
+gestern sehen können, im Hof von Shivas
+Tempel, der am Waldpfad liegt, Du
+wärest vorübergegangen ohne sie eines
+Blickes zu würdigen. Bist Du denn weiblicher
+Schönheit so überdrüssig, daß Du
+in ihr männliche Kraft suchst?</p>
+
+<p>Aus grünen Blättern, feucht vom
+sprühenden Gischt des Wasserfalls, habe
+ich unser Bett zur Mittagsrast bereitet,
+in nachtdunkler Grotte. Die Kühle des
+weichen grünen Mooses, das dicht den
+tropfenden Stein bedeckt, küßt dort Deine
+Augen in Schlaf. Laß Dich dorthin geleiten.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Nein, heute nicht, Geliebte.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_62" title="62"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum nicht heute?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich habe von einer Räuberhorde gehört,
+die in die Ebene gekommen ist. Ich
+muß gehen meine Waffen bereiten, um
+die erschreckten Dorfleute zu beschützen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Du brauchst Dich nicht um sie zu
+sorgen. Prinzessin Chitra hat starke Wächter
+an den Grenzpässen aufgestellt, ehe
+sie ihre Pilgerfahrt begann.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Nur für kurze Zeit laß mich das Kriegshandwerk
+eines Kshatriya üben. Mit
+neuem Ruhm will ich diesen müßigen Arm
+bedecken, damit er Deinem Haupt ein
+würdigeres Kissen sei.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_63" title="63"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Doch, wenn ich mich weigere Dich
+gehen zu lassen, wenn meine Arme Dich
+umwunden halten? Würdest Du Dich
+roh von mir losreißen und mich verlassen?
+So geh! Aber wisse, daß die Liane &mdash;
+einmal entzweigebrochen &mdash; nie wieder
+zu einem Ganzen wird. Geh, wenn Dein
+Durst gestillt ist. Doch wenn nicht, denke
+daran, wie unbeständig die Göttin der
+Lust ist und daß sie nicht wartet auf den
+Menschen. Bleib noch eine Weile, Herr!
+Sage mir die unruhigen Gedanken, die
+Dich quälen. Wer nahm heute Deine
+Seele gefangen? War es Chitra?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ja, es ist Chitra. Mich nimmt wunder,
+um welches Gelübdes willen sie auf die<a class="pagenum" name="Page_64" title="64"> </a>
+Pilgerfahrt gegangen ist. Was mangelt
+ihr?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was ihr mangelt? Ja, hat sie denn je
+etwas besessen, die Unglückliche? Es sind
+ja ihre eigensten Fähigkeiten, die sie mit
+Gefängnismauern umschließen und ihr
+Frauenherz in einer kahlen Zelle gefangen
+halten. Verdunkelt ist diese Frau und
+unerfüllt. Ihre Weibesliebe muß sich mit
+einem Lumpenkleide bescheiden, denn
+Schönheit blieb ihr versagt. Sie gleicht
+dem Geist eines freudlosen Morgens. Sie
+sitzt auf steinigem Berggipfel und dunkle
+Wolken haben ihr Licht ausgelöscht.
+Frag mich nicht nach ihrem Leben.
+Seine Geschichte klingt dem Ohr des
+Mannes nicht lieblich.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_65" title="65"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich brenne danach, alles von ihr zu
+hören. Ich bin wie ein Wanderer, der
+um Mitternacht an eine fremde Stadt
+kommt. Kuppeln, Türme und Gartenbäume
+sehen verschwommen und schattenhaft
+aus, und durch die Stille des
+Schlafes tönt hin und wieder das dumpfe
+Klagen des Meeres. Und er harrt sehnsüchtig
+auf den Morgen, der ihm alle die
+fremden Wunder offenbaren soll. O, erzähle
+mir ihre Geschichte.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was ist da mehr zu erzählen?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Meine Einbildung zaubert mir sie vor,
+wie sie auf weißem Rosse reitet, in der
+Linken die Zügel haltend und in der rechten<a class="pagenum" name="Page_66" title="66"> </a>
+Hand den Bogen, gleich der Liebesgöttin,
+die frohe Hoffnung spendet. Mit
+wilder Liebe schützt sie ihre säugenden
+Jungen wie eine wachsame Löwin. Auch
+des Weibes Arme, die nichts anderes als
+ungefesselte Kraft schmückt, sind schön!
+Mein Herz ist ruhelos, Du Liebliche, wie
+eine Schlange, die aus langem Winterschlaf
+erwacht. Komm, laß uns miteinander
+auf schnellen Rossen dahineilen,
+Seite an Seite, wie Zwillingsgestirne, die
+leuchtend den Raum durchmessen. Heraus
+aus diesem dunklen, grünen, einschläfernden
+Gefängnis, komm hervor
+unter der feuchten, duftenden, berauschenden
+Decke, die den Atem benimmt!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Arjuna, sag mir die Wahrheit: wenn<a class="pagenum" name="Page_67" title="67"> </a>
+ich mich jetzt plötzlich durch einen Zauber
+dieser wollüstigen Weichheit entledigen
+könnte, diesen zarten Schmelz der
+Schönheit abstreifte, der vor der derben,
+gesunden Berührung der Welt schaudert,
+und das alles von meinem Körper herunterrisse
+wie geborgtes Gewand &mdash; könntest
+Du das ertragen? Wenn ich mich
+aufrichte, grade und stark, mit der Kraft
+eines mutigen Herzens, und die Listen
+und Künste der kriechenden Schwachheit
+verächtlich von mir weise, wenn ich
+mein Haupt erhebe, wie die hohe, junge
+Bergtanne, und mich nicht länger im
+Staub winde, wie die Liane, &mdash; werde ich
+dann Gnade finden vor den Augen des
+Mannes? Nein, nein, Du könntest es nicht
+ertragen. Es ist besser, ich verstreue um<a class="pagenum" name="Page_68" title="68"> </a>
+mich all die zierlichen Spielereien flüchtiger
+Jugend und warte auf Dich in Geduld.
+Ist's Dir gefällig zurückzukehren,
+so will ich Dir lächelnd aus dem Becher
+dieses schönen Leibes den Wein der Lust
+schenken. Hast Du genug davon und bist
+Du müde, so will ich mich demütig und
+dankbar in den Winkel zurückziehen,
+den man mir gelassen hat. Wie gefiele
+es Deiner Heldenseele, hoffte die Gespielin
+der Nacht Deine Gefährtin am
+Tage zu sein? Wie, wenn der linke Arm
+die Last des stolzen rechten mit zu tragen
+lernte?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich werde Dich niemals richtig erkennen. Eine Göttin, verborgen in einem
+goldenen Heiligenbild scheinst Du mir.<a class="pagenum" name="Page_69" title="69"> </a>
+Ich kann Dich nicht berühren, ich kann Dir Deine unschätzbaren Gaben nicht
+vergelten. Und so bleibt meine Liebe unvollkommen. Aus der rätselhaften Tiefe
+Deiner traurigen Augen, aus Deinen spielerischen Worten, die ihre eigene Bedeutung
+verspotten, erhasche ich manchmal den Schimmer eines Wesens, das die
+schmachtende Anmut seines Körpers vernichten möchte. In der reinen Flamme
+des Leides, verborgen hinter des Lächelns zartem Schleier, sehnt es sich wieder zu
+erstehen. Ein Trugbild, erscheint uns die Wahrheit zuerst, in einer Verkleidung
+tritt sie vor den Geliebten hin. Aber es kommt eine Zeit, da sie Schleier und
+Schmuck abwirft und dasteht, bekleidet mit nackter Hoheit. Ich verzehre mich<a class="pagenum" name="Page_70" title="70"> </a>
+nach diesem letzten Du, nach jener einfachsten, wahrsten Klarheit. Was bedeuten
+die Tränen, mein Lieb? Warum verbirgst Du Dein Gesicht in den Händen?
+Hab ich Dir weh getan, mein Liebling? Vergiß, was ich sagte. Ich will mit der
+Gegenwart zufrieden sein. Wie der Vogel Geheimnis aus unsichtbarem, dunkelm
+Nest zu mir kommt, musikerfüllte Botschaft bringend, so komm Du zu mir und
+laß mich jeden Augenblick der Schönheit erleben. Laß mich und meine Hoffnung
+ewig am Ufer der Erfüllung sitzen und so meine Tage beschließen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_71" title="71"> </a></p>
+
+<h2><a name="NEUNTE_SZENE" id="NEUNTE_SZENE">NEUNTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+<p><span style="margin-left: 3em;">(in einen Mantel gehüllt.)</span></p>
+
+<p>Mein Herr, hast Du den Becher bis
+zur Neige geleert? Ist dies wirklich das
+Ende? Nein, wenn alles getan, so bleibt
+doch noch Eins, mein letztes Opfer, das
+ich zu Deinen Füßen darbringe. Aus dem
+himmlischen Garten brachte ich Blumen
+von unvergleichlicher Schönheit, Dich
+zu ehren, Gott meines Herzens.</p>
+
+<p>Ich will die Blumen aus dem Tempel
+hinauswerfen, wenn sie verwelkt sind und
+die heilige Handlung vorüber.</p>
+
+<p>(Sie nimmt ihren Mantel ab und trägt Männerkleidung wie am Anfang.)</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_72" title="72"> </a></p>
+
+<p>Nun laß Deinen Knecht Gnade finden vor Deinen Augen.</p>
+
+<p>Ich bin nicht schön und vollkommen
+wie die Blumen, mit denen ich Dich ehrte.
+Ich bin voller Schuld und Fehler. Auf
+der großen Heerstraße der Welt bin ich
+ein Wanderer, meine Kleider sind beschmutzt,
+und Dornen haben meine Füße
+blutig gerissen. Wie könnte ich schön
+sein wie die Blumen, voll unbefleckter
+Lieblichkeit, für die kurze Dauer eines
+Augenblicks? Die Gabe, die ich Dir voll
+Stolz darbringe, ist das Herz eines Weibes.
+Darinnen ist eingeschlossen aller Schmerz
+und alle Lust, alle Hoffnung, alle Furcht,
+alle Scham einer Erdentochter.</p>
+
+<p>Hier ist der Uranfang der Liebe, von
+hier aus ringt sie nach Unsterblichkeit.<a class="pagenum" name="Page_73" title="73"> </a>
+Im Herzen des Weibes liegt eine große
+und erhabene Unvollkommenheit. Nun,
+da die Anbetung der Schönheit vorüber,
+nimm diesen</p>
+
+<p>(auf sich zeigend)</p>
+
+<p>als Deinen Knecht für kommende Tage.</p>
+
+<p>Ich bin Chitra, die Königstochter. Vielleicht
+erinnerst Du Dich des Tages, als in
+Shivas Tempel ein Weib zu Dir trat, behangen
+mit Putz und Schmuck. Die
+Schamlose kam und warb um Dich wie
+ein Mann. Du stießest sie zurück, und
+Du tatest wohl daran. Herr, jenes Weib
+&mdash; bin ich. Sie diente mir als Maske. Damals
+verlieh mir die göttliche Gnade für
+ein Jahr die strahlendste Gestalt, die je
+einem Sterblichen wurde. Mit der Last
+jenes Betruges beschwerte ich meines<a class="pagenum" name="Page_74" title="74"> </a>
+Helden Herz. Dies Weib kann ich nicht
+sein.</p>
+
+<p>Ich bin Chitra. Keine Göttin bin ich,
+die man anbetet, aber auch nicht ein
+Gegenstand allgemeinen Mitleids, den
+man achtlos abschüttelt wie ein Insekt.
+Wenn Du mich würdig findest, Dir zur
+Seite zu stehen, wenn ich die großen
+Pflichten Deines Lebens teilen darf &mdash;
+dann wirst Du mein wahres Wesen erkennen.
+Wenn Dein Kind, das ich in meinem
+Schoß nähre, ein Sohn sein wird,
+will ich es lehren, ein zweiter Arjuna zu
+werden. Wenn die Zeit kommt, werde
+ich ihn zu Dir senden, und Du wirst endlich
+mein eigenstes Ich erkennen. Heute
+kann ich Dir nur Chitra darbringen, die
+Tochter eines Königs.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_75" title="75"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Geliebte, mein Leben ist vollkommen
+erfüllt.</p>
+
+<div class="center"><em class="gesperrt">ENDE</em></div>
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_76" title="76"> </a></p>
+
+
+
+<h2><a name="ANMERKUNGEN" id="ANMERKUNGEN">ANMERKUNGEN</a></h2>
+
+
+<p>Zu Seite:</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><a name="pandava" /><a href="#Page_5">5</a>: <i>Pandava</i> (so für Pandaṟa zu lesen).
+Das Königsgeschlecht, von dem das
+Mahābhārata handelt, stammt von
+<i>Kuru</i> ab; ein Zweig derselben sind
+die Pāṇḍavas, fünf Brüder (S. <a href="#Page_50">50</a>), zu
+denen der Held Arjuna gehört. Dieser
+stammt also auch aus dem Hause
+der Kurus. (S. <a href="#Page_9">9</a>).</p>
+
+<p><a name="malati" /><a href="#Page_35">35</a>: <i>Malati-Hain.</i> Mālati ist der großblütige Jasmin.</p>
+
+<p><a name="stephali" /><a href="#Page_38">38</a>: <i>Stephali-Blüten</i>; lies <i>Sh</i>ephali. Śephālikā
+ist der Strauch vitex negundo, dessen Blüten in Vasavadatta Abt. IV
+mit Zinnoberkügelchen verglichen werden.</p>
+
+<p><a name="kinsuka" /><a href="#Page_53">53</a>: <i>Kinsuka-Blüte.</i> Der Kiṃśuka, Butea
+frondosa, ist ein stattlicher Baum,
+dessen Zweige im Frühjahr mit großen<a class="pagenum" name="Page_78" title="78"> </a>
+scharlachroten Schmetterlingsblüten bedeckt sind. Die schöne Blüte
+ist aber geruchlos.</p>
+
+<p><a name="asoka" /><a href="#Page_56">56</a>: <i>Asoka-Blüten.</i> Der Aśokabaum, Jonesia
+Asoka, hat rote Blüten. Er spielt in der indischen Dichtung eine große
+Rolle. Aśoka bedeutet »Kummerlos.«</p></blockquote>
+
+<hr class="tb" />
+
+<p>Tagore's Dichtung entspricht nicht dem Sinn der Sage. Er sagt S. <a href="#Page_6">6</a> von Chitrā's
+Vater: »er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und zu seinem Erben gemacht«.
+Der Text in Protap Chandra Roys Übersetzung lautet: I have duly
+made her a <i>Putrikā</i>. <i>putrikā</i> ist ein juristischer
+Ausdruck und bezeichnet eine
+Tochter, die mangels eines Sohnes (<i>putra</i>)
+die Familie ihres Vaters, nicht ihres Gatten
+fortpflanzen soll. Für letzteren bedeutet<a class="pagenum" name="Page_79" title="79"> </a>
+also die Eingehung einer solchen
+Ehe den Verzicht auf die Fortpflanzung
+seiner Familie. Tagore hat dies offenbar
+nicht gewußt und macht daher aus <i>putrikā</i>
+eine Tochter, die als Sohn (<i>putra</i>)
+erzogen wird! Das Epos kennt eine Sage,
+wo eine Prinzessin für einen Prinz ausgegeben
+und als solcher erzogen wird
+(die Geschichte von <i>Śikhandin</i>). Diese
+Reminiszenz mag sich bei dem Dichter
+mit dem Sagenstoff, auf den er in der Vorrede
+hinweist, verschmolzen haben.</p>
+
+<hr class="tb" />
+
+<p>Für die Anmerkungen ist die Übersetzerin dem Sanskritisten der Bonner
+Universität, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Jacobi, zu Dank verpflichtet.</p>
+
+<div>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 44246 ***</div>
+</body>
+</html>
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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
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+Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for
+eBook #44246 (https://www.gutenberg.org/ebooks/44246)
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+The Project Gutenberg EBook of Chitra, by Rabindranath Tagore
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Chitra
+ Ein Spiel in einem Aufzug
+
+Author: Rabindranath Tagore
+
+Translator: Elisabeth Wolff-Merck
+
+Release Date: November 21, 2013 [EBook #44246]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CHITRA ***
+
+
+
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
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+
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+
+
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription: Im Original kursiv gedruckter Text ist
+mit _Unterstrich_ markiert.
+
+
+
+
+ RABINDRANATH TAGORE
+
+ CHITRA
+
+ EIN SPIEL IN EINEM AUFZUG
+
+
+KURT WOLFF VERLAG
+LEIPZIG
+
+
+
+
+Einbandzeichnung von Walter Tiemann.
+Dritte unveränderte Auflage 1918.
+Die erste Auflage erschien 1914.
+
+
+
+
+_Berechtigte deutsche Übertragung von ELISABETH WOLFF-MERCK nach der
+von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten englischen Ausgabe_
+
+
+
+
+VORBEMERKUNG
+
+
+Dieses lyrische Drama wurde vor ungefähr 25 Jahren geschrieben. Es setzt
+die Kenntnis der hier folgenden Fabel aus dem Mahabharata voraus:
+
+Während der Wanderungen, die Arjuna in Erfüllung eines Bußgelübdes
+unternahm, kam er nach Manipur. Dort sah er Chitrāngadā, die schöne
+Tochter von Chitravāhana, dem König des Landes, und von ihrer Anmut
+überwältigt, bat er den König um ihre Hand. Chitravāhana fragte ihn
+nach seiner Herkunft. Auf die Antwort, er sei Arjuna der Pandara,
+erzählte der König ihm, daß einer seiner Ahnen, Prabhanjana vom
+königlichen Stamme von Manipur, lange kinderlos geblieben war. Um einen
+Erben zu erhalten, legte er sich strenge Bußübungen auf. Die Strenge
+seines Lebens fand Gnade vor Shiva, und der Gott gewährte ihm und jedem
+seiner Nachkommen ein Kind.
+
+Es geschah aber, daß das versprochene Kind stets ein Knabe war. Er,
+Chitravāhana, war der Erste, dem nur eine Tochter, Chitrāngadā, gewährt
+war, um das Geschlecht zu erhalten.
+
+Er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und zu seinem Erben
+gemacht. --
+
+Der König fährt in der Erzählung fort: »Der einzige Sohn, den sie
+gebären wird, muß der Erhalter meines Geschlechts sein, und diesen Sohn
+verlange ich als Kaufpreis für die Einwilligung in die Heirat. Wenn du
+willst, kannst du sie unter dieser Bedingung haben.« Arjuna gab das
+Versprechen, nahm Chitrāngadā zum Weibe und lebte mit ihr drei Jahre in
+ihres Vaters Hauptstadt. Als ihnen ein Sohn geboren wurde, umarmte er
+sie liebevoll, nahm Abschied von ihr und ihrem Vater und setzte seine
+Wanderung fort.
+
+
+
+
+PERSONEN
+
+
+ Götter:
+ _Madana_ (Eros).
+ _Vasanta_ (Lycoris).
+
+ Sterbliche:
+ _Chitra_, Tochter des Königs von Manipur.
+ _Arjuna_, ein Prinz aus dem Hause der
+ Kuru. Er ist aus der Kshatriya oder
+ Kriegerkaste und lebt während der
+ Handlung als Eremit einsam im Wald.
+
+ _Dorfleute_ aus einer abgelegenen Gegend
+ in Manipur.
+
+
+
+
+ERSTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Chitra_
+
+Bist Du der Gott mit den fünf Pfeilen, der Gott der Liebe?
+
+_Madana_
+
+Ich war der Erstgeborene im Herzen des Schöpfers. Ich binde mit Fesseln
+des Schmerzes und erfülle mit Seligkeit das Leben der Menschen!
+
+_Chitra_
+
+Ich weiß, ich kenne jenen Schmerz und jene Fesseln! -- Und wer bist Du,
+mein Herr?
+
+_Vasanta_
+
+Ich bin sein Freund -- Vasanta -- der König der Jahreszeiten. Tod und
+Alter würden die Welt bis ins Mark zerfressen, folgte ich ihnen nicht,
+um sie beständig zu bekämpfen. Ich bin die Ewige Jugend.
+
+_Chitra_
+
+Ich beuge mich vor Dir, Vasanta, mein Herr.
+
+_Madana_
+
+Doch welch strenges Gelübde bindet Dich, schöne Fremde? Warum läßt Du
+Deine frische Jugend welken in Buße und Demütigung? Solch Opfer ist dem
+Dienst der Liebe fremd. Wer bist Du, und was ist Dein Gebet?
+
+_Chitra_
+
+Ich bin Chitra, die Tochter aus dem königlichen Hause von Manipur.
+Shivas göttliche Gnade versprach meinem königlichen Ahnherrn eine
+ununterbrochene Reihe männlicher Nachkommen. Aber das Wort des Gottes
+vermochte nicht, den Lebensfunken in meiner Mutter Leib zu wandeln, so
+unbezwingbar war meine Natur, obschon ich ein Weib bin.
+
+_Madana_
+
+Ich weiß, darum erzieht Dich Dein Vater wie einen Sohn. Er hat Dich
+gelehrt mit dem Bogen umzugehen und Dich in allen Pflichten eines Königs
+unterwiesen.
+
+_Chitra_
+
+Ja, darum trage ich männliches Gewand und habe die Abgeschiedenheit des
+Frauengemaches verlassen. Ich weiß nichts von Frauenlist, die die Herzen
+gewinnt. Meine starken Hände können den Bogen spannen, aber ich habe die
+Kunst des Liebesgottes nicht erlernt; das Spiel der Augen ist mir fremd.
+
+_Madana_
+
+Das erlernt sich von selbst, Du Schöne. Die Augen brauchen darin nicht
+unterrichtet zu werden. Das weiß der am besten, der von ihnen ins Herz
+getroffen wurde.
+
+_Chitra_
+
+Auf der Suche nach Wild wanderte ich eines Tages einsam durch den Wald
+am Ufer des Purna-Flusses. Mein Roß band ich an einen Stamm und drang
+in's dichte Gestrüpp, der Spur eines Wildes folgend. Ich fand einen
+schmalen, gewundenen Pfad, der sich durch das Dämmer verschlungener
+Zweige schlang. Die Blätter erzitterten vom Grillengezirp. Plötzlich
+erspähte ich auf meinem Weg einen Mann, der auf einem Lager trockenen
+Laubes ruhte. Hochmütig befahl ich ihm, mir Platz zu machen, aber es
+kümmerte ihn nicht. Da stach ich ihn verächtlich mit der scharfen Spitze
+meines Pfeils. Er sprang auf, stark und ebenmäßig an Wuchs, gleich einer
+Flamme, die plötzlich aus einem Aschenhaufen züngelt. Ein belustigtes
+Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, vielleicht ob meines knabenhaften
+Anblicks. Da -- zum erstenmal in meinem Leben fühlte ich mich Weib und
+wußte, daß ein Mann vor mir stand.
+
+_Madana_
+
+In glückbegünstigter Stunde verkünde ich Mann und Weib die erhabene
+Lehre: Erkennet einander. -- Was geschah dann?
+
+_Chitra_
+
+Voll Angst und Staunen fragte ich ihn: »Wer bist Du?« »Ich bin
+Arjuna«, sagte er, »aus dem großen Stamme der Kuru«. Ich stand wie
+versteinert und vergaß mich zu verneigen. War das wirklich Arjuna, der
+Abgott meiner Träume, der Einzige, Große! Schon lange kannte ich sein
+Gelöbnis, zwölf Jahre in Keuschheit zu leben. Mein junger Ehrgeiz hatte
+mich manchen Tag angestachelt, mit ihm eine Lanze zu brechen, ihn
+verkappt zum Zweikampf zu fordern und ihm meine Waffenkunst zu beweisen.
+Ach töricht Herz, wohin entfloh Dein Stolz? Könnt' ich meine Jugend mit
+ihren Sehnsüchten hingeben, um Staub zu sein unter Deinen Füßen,
+wahrlich eine köstliche Gnade dünkte mir das. Ich weiß nicht, in welchem
+Strudel der Empfindung ich mich verlor, als ich ihn plötzlich zwischen
+den Bäumen entschwinden sah! -- Du töricht Weib, du grüßtest ihn nicht
+und sprachest kein Wort, noch batest du ihn um Verzeihung, sondern
+standest wie ein ungeschickter Tölpel, während er verächtlich
+hinwegschritt!... Am nächsten Morgen legte ich meine Männerkleidung ab
+und schmückte mich mit Armbändern, Fußringen, einer Gürtelkette und
+einem Gewand aus purpurner Seide. Das ungewohnte Kleid schmiegte sich
+fest um meinen bebenden Leib; aber ich beschleunigte mein Suchen und
+fand Arjuna in Shiva's Waldtempel.
+
+_Madana_
+
+Vollende Deine Erzählung. Ich bin der herzgeborene Gott, und ich
+verstehe das Geheimnis dieser Triebe.
+
+_Chitra_
+
+Nur undeutlich vermag ich mich zu erinnern, was ich sagte, und was ich
+zur Antwort bekam. Heiß' mich nicht alles erzählen. Scham überwältigte
+mich wie ein Donnerschlag und konnte mich doch nicht zerschmettern, so
+durchaus hart bin ich, so männlich. Als ich heimwärts schritt, stachen
+mich seine letzten Worte wie glühende Nadeln ins Ohr: »Ich habe
+Keuschheit gelobt. Ich kann Dein Gemahl nicht sein!« O, um das Gelübde
+eines Mannes! Sicherlich weißt Du, o Gott der Liebe, daß zahllose
+Heilige und Weise den Preis ihrer lebenslangen Buße hingegeben haben um
+eines Weibes willen. Ich brach meinen Bogen entzwei und verbrannte meine
+Pfeile im Feuer. Ich haßte meinen starken, geschmeidigen Arm, gezeichnet
+vom Spannen des Bogens. O Liebe, Liebe, Du hast tief in den Staub
+gebeugt den nichtigen Stolz meiner männlichen Stärke, und all meine
+Manneszucht liegt zermalmt zu Deinen Füßen. Nun lehre mich Deine Gebote.
+Gib mir die Kraft der Schwachen und die Waffe der wehrlosen Hand.
+
+_Madana_
+
+Ich will Dein Freund sein. Ich will den weltenbezwingenden Arjuna vor
+Dein Angesicht bringen, ein Gefangener, der den Richtspruch seiner
+Empörung aus Deiner Hand empfangen soll.
+
+_Chitra_
+
+Stünde mir nur die Zeit zu Gebot, ich könnte allmählich sein Herz
+gewinnen und brauchte der Götter Hilfe nicht. Zur Seite würde ich ihm
+stehen als Gefährte, die wilden Rosse seines Kriegswagens lenken, die
+Freuden der Jagd mit ihm teilen. Zur Nacht hielt ich Wache am Eingang
+seines Zeltes und hülfe ihm, die großen Pflichten eines Kshatriya
+erfüllen, die Schwachen zu befreien und Recht zu sprechen, wo es not
+tut. Sicherlich käme der Tag, an dem er mich erblicken und verwundert
+fragen würde: »Wer ist dieser Knabe? Ist einer meiner Sklaven aus einem
+früheren Leben, meinen guten Taten gleich, mir gefolgt ins Diesseits?«
+Ich bin nicht das Weib, das seine Verzweiflung mit nächtlichen Tränen in
+einsamer Stille nährt, sie täglich hinter geduldigen Lächeln verbirgt,
+als Witwe geboren. Die Blüte meines Verlangens soll nicht in den Staub
+sinken, ehe sie zur Frucht gereift ist. Aber es ist die Arbeit eines
+Lebens, Verständnis zu finden und Ehre zu erlangen für sein eigenstes
+Ich. Darum bin ich an Deine Tür gekommen, Du, weltenüberwindende Liebe,
+und Du, Vasanta, jugendlicher Gott der Jahreszeiten, nimm von meinem
+jungen Körper die angeborene Ungerechtigkeit der Häßlichkeit. Für einen
+einzigen Tag mache mich wunderbar schön, so schön wie die mit einem Mal
+in meinem Herzen erblühte Liebe. Gib mir nur einen einzigen Tag
+makelloser Schönheit, und ich will einstehen für die Tage, die da
+kommen.
+
+_Madana_
+
+Prinzessin, Dein Gebet sei erhört!
+
+_Vasanta_
+
+Nicht nur für einen kurzen Tag, sondern für ein ganzes langes Jahr soll
+der Frühlingsblüten Lieblichkeit sich um Deine Glieder schmiegen.
+
+
+
+
+ZWEITE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Arjuna_
+
+Träumte mir oder war Wirklichkeit, was ich am See sah? Im sinkenden
+Schatten des Abends saß ich auf moosigem Grund und dachte vergangener
+Jahre, als aus dem bergenden Dunkel der Blätter langsam eine Erscheinung
+trat in der vollkommenen Gestalt eines Weibes. Sie stand auf einem
+weißen, flachen Stein am Rande des Wassers. Es schien, als müsse das
+Herz der Erde sich weiten vor Freude unter ihren nackten weißen Füßen.
+Mir deuchte, die zarte Umhüllung ihres Körpers wollte sich in Verzückung
+auflösen in Luft, wie der goldene Frühnebel vom schneeigen Gipfel des
+östlichen Berges schmilzt. Sie beugte sich über den schimmernden Spiegel
+des Teiches und erblickte ihr Antlitz darin. Sie schrak zurück und stand
+still, dann lächelte sie, löste mit einer nachlässigen Bewegung des
+linken Arms ihr Haar, das bis zu ihren Füßen zur Erde niederglitt. Sie
+entblößte ihre Brust und betrachtete ihre makellos geformten Arme
+erfüllt von Zärtlichkeit für ihren Körper. Sie neigte den Kopf und sah
+ihre süße, blühende Jugend und das zarte Erröten ihrer flaumigen Haut.
+Sie strahlte in freudiger Überraschung. So würde die weiße Lotosblume
+den ganzen Tag über sich staunen, könnte sie des Morgens beim Erwachen,
+ihren Hals beugen und ihr Abbild im Wasser sehn. Aber einen Augenblick
+später wich das Lächeln von ihrem Antlitz, und ein Schatten von Trauer
+stieg in ihren Augen auf. Sie band ihre Haarflechten auf, zog den
+Schleier um ihre Schultern und schritt leise seufzend hinweg, wie ein
+schöner Abend, der in Nacht versinkt. Die erhabene Erfüllung aller
+Sehnsucht schien sich mir in einem Blitz geoffenbart zu haben und
+verlosch dann ... Aber wer bewegt die Türe?
+
+(Chitra tritt ein, in Frauenkleidern.)
+
+Ah! sie ist's! Stille mein Herz!...
+
+Fürchte nichts, Herrin! Ich bin ein Kshatriya.
+
+_Chitra_
+
+Edler Herr, Du bist mein Gast. Ich wohne in diesem Tempel. Ich weiß
+nicht, wie ich Dir Gastfreundschaft erzeigen kann.
+
+_Arjuna_
+
+Schöne Frau, Dein Anblick allein ist die höchste Gastfreundschaft. Wenn
+Du mir's nicht verdenken willst, möchte ich Dich etwas fragen.
+
+_Chitra_
+
+Es sei Dir gewährt.
+
+_Arjuna_
+
+Welch strenges Gelübde hält Dich in diesen einsamen Tempelmauern
+gefangen und beraubt die Sterblichen Deines lieblichen Anblickes?
+
+_Chitra_
+
+Ich hege einen geheimen Wunsch in meinem Herzen, für dessen Erfüllung
+ich täglich Gebete zu Shiva sende.
+
+_Arjuna_
+
+Ach, was kannst Du verlangen, die Du das Verlangen der ganzen Welt bist?
+Von dem östlichen Hügel, auf dessen Gipfel die Morgensonne zuerst ihren
+feurigen Fuß setzt, bis ans Ende des Abendlands bin ich gewandert. Ich
+habe das Köstlichste, Schönste und Größte der Erde gesehen. Mein Wissen
+soll Dein sein, nur sage mir, was oder wen Du suchst.
+
+_Chitra_
+
+Ihn, den ich suche, ihn kennen alle.
+
+_Arjuna_
+
+Wer mag dieser Liebling der Götter sein, der Dein Herz gefangen nahm?
+
+_Chitra_
+
+Er ist der Größte aller Helden, ein Sproß des höchsten Herrscherhauses.
+
+_Arjuna_
+
+Herrin, opfere nicht diesen Schatz von Schönheit, der Dein ist, auf dem
+Altar eines falschen Ruhmes. Unwahres Gerücht verbreitet sich von Mund
+zu Mund, wie der Nebel im frühen Morgendämmer ehe die Sonne aufgeht.
+Sage mir, wer ist der erhabene Held aus höchstem königlichem Stamm?
+
+_Chitra_
+
+Einsiedler, der Ruhm andrer Männer erfüllt Dich mit Neid. Weißt Du
+nicht, daß der Ruhm des königlichen Hauses der Kuru über die ganze Welt
+verbreitet ist?
+
+_Arjuna_
+
+Das Haus der Kuru!
+
+_Chitra_
+
+Und hast Du nie den größten Namen dieses weitgerühmten Hauses gehört?
+
+_Arjuna_
+
+Laß ihn mich von Deinen eigenen Lippen hören.
+
+_Chitra_
+
+Arjuna, der Welteroberer. Ich habe diesen unsterblichen Namen von den
+Lippen der Menge abgelesen und ihn sorgfältig in meinem Herzen
+verborgen. Einsiedler, was blickst Du so verwirrt drein? Trägt dieser
+Name nur trügerischen Glanz? Sag es, und ich will nicht zögern, den
+Schrein meines Herzens aufzubrechen und den falschen Edelstein in den
+Staub zu werfen.
+
+_Arjuna_
+
+Ob auch sein Name und Ruhm, sein Mut und seine Tapferkeit wahr oder
+falsch sind, um des Mitleids willen verbanne ihn nicht aus Deinem
+Herzen, denn er kniet zu Deinen Füßen -- in diesem Augenblick.
+
+_Chitra_
+
+Du, Arjuna!
+
+_Arjuna_
+
+Ja, der bin ich, ein vor Liebe verschmachteter Bettler an deiner Tür.
+
+_Chitra_
+
+So ist es nicht wahr, daß Arjuna das Gelübde zwölf Jahre langer
+Keuschheit getan hat?
+
+_Arjuna_
+
+Du hast meinen Schwur gelöst wie der Mond den nächtlichen Schwur der
+Dunkelheit.
+
+_Chitra_
+
+Scham über Dich! Was sahst du in mir, das Dich Deinem eigenen Ich
+untreu werden ließ? Wen suchst du in diesen dunklen Augen, in diesen
+milchweißen Armen, wenn Du sie mit dem Preis Deiner Ehre zu bezahlen
+bereit bist? Nicht mein wahres Selbst, das weiß ich. Wahrlich das kann
+nicht Liebe sein, nicht des Mannes tiefste Ehrfurcht vor dem Weib! Wehe,
+daß der Körper, diese zerbrechliche Hülle, uns blendet, das Licht der
+unsterblichen Seele zu schauen! Ja, Arjuna, nun weiß ich gewiß, falsch
+ist der Ruhm Deines Heldentums.
+
+_Arjuna_
+
+O, ich fühle wie eitel der Ruhm ist und der Stolz der Tapferkeit! Alles
+scheint Traum. Du allein bist vollkommen, Du bist der Reichtum der Welt,
+das Ende aller Armut, das Ziel alles Strebens, das Weib! Andere Frauen
+gibt's, langsam und schwer zu erkennen, aber Dich einen Augenblick lang
+zu sehn, heißt höchste Vollendung schauen, jetzt und in Ewigkeit.
+
+_Chitra_
+
+Ach nicht ich bin's, nicht ich, Arjuna! Es ist das Trugbild eines
+Gottes. Geh', geh' mein Held, geh'. Frei' nicht die Lüge, opfre dein
+großes Herz nicht einer Täuschung. Geh'.
+
+
+
+
+DRITTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Chitra_
+
+Nein, unmöglich ist's den brennenden Blick der hungrigen Seele
+auszuhalten, der mit Händen dich umklammert, zu fühlen, wie das Herz
+sich müht, die Fesseln zu sprengen, und den wilden Schrei, der sich ihm
+entringen will -- und den Liebenden dann hinweg zu senden wie einen
+Bettler! Unmöglich ist's!
+
+(Madana und Vasanta treten auf.)
+
+Ach, Gott der Liebe, welch furchtbares Feuer hast Du in mich gesenkt!
+Ich verbrenne, versenge, was ich berühre.
+
+_Madana_
+
+Ich wünsche zu wissen, was in vergangener Nacht geschah.
+
+_Chitra_
+
+Auf ein Lager von Gras, übersät mit Frühlingsblüten, legte ich mich am
+Abend nieder und gedachte des wunderbaren Lobgesangs meiner Schönheit,
+den ich von Arjuna gehört. Tropfen nach Tropfen trank ich den Honig, den
+ich am Tage gesammelt, Vergangenes und Zukünftiges war vergessen. Ich
+fühlte mich der Blume verwandt: ihr sind nur flüchtige Stunden vergönnt,
+dem summenden Schmeicheln, dem Flüstern und Murmeln der Wälder zu
+lauschen. Dann muß sie die Augen vom Himmel wenden, ihr Haupt beugen und
+ihren Atem aushauchen im Staub, klaglos den kurzen Traum eines
+vollkommenen Augenblicks beenden, der nicht Vergangenheit noch Zukunft
+kennt.
+
+_Vasanta_
+
+Ein grenzenloses Leben voller Ruhm kann blühen und sich erschöpfen an
+einem Morgen.
+
+_Madana_
+
+Wie Ewigkeits-Sinn im kleinsten Bruchteil eines Liedes sein kann.
+
+_Chitra_
+
+Die südliche Brise wiegte mich in Schlaf. Von dem blühenden
+Malati-Hain über mir tropften schweigend Küsse auf mich nieder. Jede
+Blume wählte sich ein Lager zum Sterben, in meinem Haar, auf meiner
+Brust oder meinen Füßen. Ich schlief. Und in der Tiefe meines Schlafes
+war mir plötzlich, als ob ein durchdringender, gieriger Blick meinen
+Körper berühre, wie der spitzige, stechende Finger der Flamme. Ich
+sprang auf und sah den Einsiedler vor mir stehen. Der Mond war westwärts
+gewandert und lugte durch die Blätter, um das Wunder zu sehen, das durch
+göttliche Kunst in zerbrechlicher Menschlichkeit erstanden war. Die Luft
+war schwer, duftgeschwängert, die Stille der Nacht klang vom
+Grillengezirp, regungslos lag das Spiegelbild der Bäume auf dem See. Und
+mit seinem Stab in der Hand stand der Einsiedler groß, aufrecht und
+schweigend wie ein Baum des Waldes. Mir war, da ich die Augen aufschlug,
+als sei ich abgeschieden von aller Wirklichkeit des Lebens, und es
+vollziehe sich an mir eine Wiedergeburt im Land der Träume. Scham fiel
+von mir und glitt wie ein gelöstes Gewand auf meine Füße nieder. Ich
+hörte seinen Schrei -- »Geliebte, einzig Geliebte!« Und all' meine
+vergangenen, vergessenen Leben schmolzen zu einem und riefen ihm Antwort
+zu: »Nimm mich, nimm mich ganz zu eigen!« Und ich breitete meine Arme
+nach ihm aus. Der Mond sank hinter den Bäumen. Ein dunkler Vorhang
+bedeckte alles, Himmel und Erde, Zeit und Raum, Lust und Schmerz, Leben
+und Tod schmolzen in Eins in unsagbarer Verzückung.... Mit dem ersten
+Morgenstrahl, dem ersten Vogelzwitschern richtete ich mich auf und
+blieb, auf den linken Arm gestützt, sitzen. Der Einsiedler lag
+schlafend, ein unbekümmertes Lächeln krümmte sich um seine Lippen, wie
+der wachsende Mond am Morgen. Der Dämmerung rosiges Glühen fiel auf
+seine edle Stirn. Ich seufzte, stand auf und zog die breitblättrigen
+Lianen zusammen, um sein Gesicht vor der flutenden Sonne zu schützen.
+Ich schaute umher und sah die gleiche alte Erde. Ich erinnerte mich, was
+ich gewesen und rannte, rannte wie ein Reh, das seinen eigenen Schatten
+fürchtet, den Waldpfad entlang, den Stephali-Blumen bedeckten. Ich fand
+einen einsamen Winkel, setzte mich nieder, barg mein Gesicht in beiden
+Händen, um zu weinen und zu klagen. Doch meine Augen blieben tränenlos.
+
+_Madana_
+
+Weh über Dich, Tochter der Sterblichen! Ich stahl aus den göttlichen
+Speichern den duftenden Wein des Himmels, gab ihn, eine irdische Nacht
+gefüllt bis zum Rande, in Deine Hände, auf daß Du tränkest -- und immer
+hör' ich noch diesen Schrei der Qual!
+
+_Chitra_
+
+(bitter)
+
+Wer trank ihn? Des Lebens seltenste Erfüllung, erste Liebesumarmung bot
+man mir dar und entriß sie wieder meiner Sehnsucht? Diese erborgte
+Schönheit, die Falschheit, die mich umhüllt, sie werden von mir gleiten,
+wie Blüten im Wind entblättern, und die einzig sichtbare Erinnerung
+jener süßen Vereinigung mitnehmen, und voll Scham über seine Armut wird
+das Weib weinend sitzen -- Tag und Nacht. Gott der Liebe, diese
+verfluchte äußere Gestalt begleitet mich Tag und Nacht, wie ein Dämon,
+und beraubt mich allen Liebeslohnes -- all der Küsse, nach denen ich
+verschmachte.
+
+_Madana_
+
+Ach, umsonst war Deine einzige Nacht! Die Barke der Erfüllung kam in
+Sicht, aber die Wellen ließen sie das Ufer nicht berühren.
+
+_Chitra_
+
+Der Himmel war meinem Griff ganz nahe und ich vergaß für Augenblicke,
+daß ich ihn noch nicht erreicht hatte. Aber als ich des Morgens aus
+meinem Traum erwachte, fand ich im eigenen Körper die Rivalin. Nun ward
+mir die verhaßte Pflicht, sie täglich zu schmücken, zum Geliebten zu
+schicken und zu sehen, wie er sie liebkoste. O Gott, nimm Dein Geschenk
+zurück!
+
+_Madana_
+
+Aber wie willst Du vor Deinen Geliebten treten, wenn ich es von Dir
+nehme? Ist es nicht grausam, den Becher von seinen Lippen zu reißen,
+nachdem er kaum einen Zug der Lust getan? Wie ärgerlich wirst Du ihm
+sein?
+
+_Chitra_
+
+Und doch wäre es besser so. Ich will ihm meine wahrhaftige Gestalt zu
+erkennen geben, eine edlere Tat, als in dieser Maske zu leben. Wenn er
+mich auch verstößt und verschmäht, wenn er mein Herz auch bricht --
+schweigend will ich's tragen.
+
+_Vasanta_
+
+Hör' meinen Rat. Wenn die blumenerfüllte Jahreszeit vergangen, kommt
+der Herbst und mit ihm der Triumphzug der Früchte. Die Zeit wird kommen,
+da die überreife Blume des Leibes sich vergehend neigt. Dann wird Arjuna
+die bleibende fruchtgewordene Wahrheit aus Dir voll Glück hinnehmen. O
+Kind, geh' zurück zu Deiner rasenden Feier.
+
+
+
+
+VIERTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Chitra_
+
+Warum beobachtest Du mich, mein Krieger?
+
+_Arjuna_
+
+Ich sehe zu, wie Du den kleinen Kranz windest. Anmut und Geschick, die
+Zwillingsbrüder, spielen tanzend auf Deinen Fingerspitzen. Ich sehe zu
+und denke.
+
+_Chitra_
+
+Was denkst Du, Herr?
+
+_Arjuna_
+
+Ich denke, daß Du mit der gleichen schwebenden Berührung und Süßigkeit
+die Tage meiner Verbannung in einen unsterblichen Kranz windest, um mich
+zu meiner Heimkehr damit zu krönen.
+
+_Chitra_
+
+Heimkehr! Diese Liebe ist nichts für ein Heim!
+
+_Arjuna_
+
+Nichts für ein Heim?
+
+_Chitra_
+
+Nein, sprich nie davon. Nimm mit in Dein Heim das Bleibende, Starke.
+Laß die kleine wilde Blume an ihrem Geburtsort, laß sie dort in
+Schönheit sterben, wenn der Tag sich neigt, mit all den welkenden Blumen
+und den modernden Blättern. Nimm sie nicht mit in die Halle Deines
+Palastes, um sie dort auf den steinernen Boden zu werfen, der kein
+Erbarmen für Welken und Vergehen kennt.
+
+_Arjuna_
+
+Sieht so unsere Liebe aus?
+
+_Chitra_
+
+Ja, so und nicht anders! Was soll das Klagen? Was sich für müßige Tage
+schickt, sollte sie nicht überdauern. Lust wandelt sich in Schmerz, wenn
+ihr die Tür verschlossen ist, aus der sie scheiden soll. Nimm meine
+Liebe hin und halte sie, so lange sie währen darf. Laß nicht des Abends
+satte Zufriedenheit mehr fordern, als das morgendliche Verlangen ernten
+kann ... Der Tag ist vorüber. Nimm dies Blumengewinde. Ich bin müde.
+Nimm mich in Deine Arme, Geliebter, und laß alles eitle unzufriedene
+Gezänk verstummen in der süßen Vereinigung unserer Lippen.
+
+_Arjuna_
+
+Still, horch, Geliebte, der Klang der Gebetsglocken aus dem fernen
+Dorftempel gleitet auf der Abendluft über die schweigenden Wipfel.
+
+
+
+
+FÜNFTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Vasanta_
+
+Ich kann nicht Schritt mit Dir halten, mein Freund! Ich bin müde. Schwer
+ist die Pflicht, das Feuer in Glut zu halten, das Du entzündet hast.
+Schlaf überkommt mich, der Fächer entfällt meiner Hand, und kalte Asche
+bedeckt die Glut. Ich fahre wieder auf aus meinem Schlummer und rette
+die träge Flamme, soweit es in meiner Macht steht. Aber so kann es nicht
+weiter gehen.
+
+_Madana_
+
+Ich weiß, Du bist unbeständig wie ein Kind. Ewig ruhelos ist Dein
+Spiel im Himmel und auf Erden. Was Du in langen Tagen aufgebaut mit
+endloser Sorge für jeden Bruchteil, in einem Augenblick zerstörst Du es
+wieder, ohne Bedauern. Aber unsere Arbeit ist heut vollendet.
+Freudengeflügelte Tage fliehen flüchtig dahin, und das sich neigende
+Jahr vergeht mit berückendem Blühen.
+
+
+
+
+SECHSTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Arjuna_
+
+Ich erwachte am Morgen und fand meine Träume in einen Edelstein
+verschmolzen. Ich hatte keinen Schrein, ihn darin zu verschließen, keine
+Königskrone, in die ich den Stein hätte fassen können, keine Kette hatte
+ich, ihn daran zu hängen, und doch brachte ich's nicht übers Herz, ihn
+wegzuweisen. So halte ich ihn, und mein Arm, der Arm eines Kshatriya,
+vergißt über müßigem Tun seine Pflicht.
+
+(Chitra tritt ein.)
+
+_Chitra_
+
+Sage mir Deine Gedanken, Herr!
+
+_Arjuna_
+
+Meine Gedanken sind heute auf die Jagd gerichtet. Sieh, wie der Regen
+in Strömen herniederstürzt und wild gegen den Berghang schlägt. Dunkle
+Wolkenschatten hängen schwer über dem Wald, und gleich der sorglosen
+Jugend überspringt der geschwollene Strom mit spöttischem Lachen alle
+Schranken. Stets gingen wir fünf Brüder an solchen Regentagen in den
+Wald von Chitraka, wilde Tiere zu jagen. Das waren schöne Zeiten. Unsre
+Herzen tanzten zum Trommelwirbel der grollenden Wolken. Der Wald hallte
+wider von den Schreien der Pfauen. Durch das Klatschen des Regens und
+das Rauschen des Wasserfalles konnte das ängstliche Wild unsre Schritte
+nicht hören. Die Leoparden ließen ihre Spuren in der nassen Erde zurück
+und verrieten so ihr Lager. War die Jagd vorüber, so forderten wir uns
+auf dem Heimweg gegenseitig heraus, reißende Ströme zu durchschwimmen.
+Ein ruheloser Geist wohnt in mir, ich habe Sehnsucht nach der Jagd.
+
+_Chitra_
+
+Erst erlege das Wild, das Du jetzt verfolgst. Bist Du gewiß, daß das
+verzauberte Tier, das Du jagst, unbedingt gefangen werden muß? Nein,
+noch nicht. Wie ein Traum entgleitet Dir das wilde Geschöpf, wenn es Dir
+am nächsten scheint. Sieh, wie der rasende Regen den Wind jagt und
+tausend Pfeile hinter ihm her sendet. Und doch bleibt der Wind frei und
+unbesiegt. So ist auch unser Waidwerk, Geliebter! Du jagst nach der
+schnellschreitenden Schönheit und versendest all Deine Pfeile nach ihr,
+und doch flieht dies zaubrische Wild stets frei und unberührt davon.
+
+_Arjuna_
+
+Hast Du kein Heim, Geliebte, wo liebende Herzen Deiner Rückkehr harren?
+Ein Heim, dem Du durch sanftes Dienen Lieblichkeit verliehst, und dessen
+Licht erlosch, als Du es für diese Wildnis verließest?
+
+_Chitra_
+
+Was fragst Du? Sind die Stunden der Lust vorbei, in denen es kein
+Denken gab? Weißt Du nicht, daß ich nur die bin, die Du vor Dir siehst?
+Mein Blick geht nicht über das Jetzt hinaus. Der Tau auf den Blättern
+der Kinsuka-Blüte hat weder Namen noch Schicksal, und gewährt keiner
+Frage Antwort. Sie, die Du liebst, gleicht jener vollkommenen Tauperle.
+
+_Arjuna_
+
+Verbindet sie kein Band mit der Welt? Ist sie nur ein Stück Himmel, das
+ein lustspendender Gott unachtsam zur Erde fallen ließ?
+
+_Chitra_
+
+Ja.
+
+_Arjuna_
+
+Ach, darum ist mir immer, als müßte ich Dich verlieren. Mein Herz ist
+unbefriedigt, meine Gedanken friedlos. Komm näher zu mir, Unerreichbare!
+Ergib Dich und dulde die Fesseln, die da heißen: Name, Heim, Sippe. Laß
+mein Herz Dich ganz umschließen, und mit Dir leben in der ruhigen
+Sicherheit der Liebe.
+
+_Chitra_
+
+Warum mühst Du Dich vergebens, die Farben der Wolken, den Tanz der
+Wellen, den Duft der Blumen zu haschen und zu halten?
+
+_Arjuna_
+
+Herrin mein, glaube nicht, daß Du mit Luftgebilden die Liebe befriedigen
+kannst. Gib mir etwas, woran ich Halt finde, etwas, das die Lust
+überdauert, das sich im Leid bewährt.
+
+_Chitra_
+
+Mein Held, noch ist das Jahr nicht zu Ende, und schon bist Du müde!
+Ja, nun erkenne ich die himmlische Güte, die den Blumen ein kurzes Leben
+gab. Wäre ich mit den Blumen des letzten Frühlings verwelkt und
+gestorben, ich wäre mit Ehren dahingegangen. Doch meine Tage sind
+gezählt, Geliebter. Schone mich nicht, saug allen Honig aus mir, da Du
+voller Angst bist, daß Dein armes Herz wieder und wieder zurückkommt
+voll unerfüllter Wünsche und Begierden, gleich der durstigen Biene, wenn
+die Sommerblumen welk im Staub liegen.
+
+
+
+
+SIEBENTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Madana_
+
+Heute ist Deine letzte Nacht.
+
+_Vasanta_
+
+Des Frühlings unerschöpfliche Schatzkammer wird morgen die Lieblichkeit
+Deines Körpers zurücknehmen. Die rosige Farbe Deiner Lippen wird in
+einem Asoka-Blütenpaar neu aufblühen, frei von der Erinnerung an Arjunas
+Küsse. In hundert duftenden Jasmin-Blumen wird der matte, weiße Glanz
+Deiner Haut auferstehen.
+
+_Chitra_
+
+O Götter, erhört mein Gebet! Laßt meine Schönheit in der letzten Stunde
+dieser Nacht am hellsten erstrahlen, wie das letzte Aufleuchten einer
+sterbenden Flamme.
+
+_Madana_
+
+Dein Wunsch sei Dir gewährt.
+
+
+
+
+ACHTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Die Dorfleute_
+
+Wer wird uns nun beschützen?
+
+_Arjuna_
+
+Was soll's, welche Gefahr droht Euch?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Die Räuber kommen in Scharen aus den nördlichen Bergen, wie die Flut des
+Gebirgsstromes, die unser Dorf verheert.
+
+_Arjuna_
+
+Habt ihr keine Wächter in Eurem Königreich?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Chitra, die Königstochter, war der Schrecken aller Bösen. Als sie noch
+in diesem glücklichen Lande weilte, kannten wir keine Furcht außer
+einer: sterben zu müssen. Nun ist Chitra auf einer Pilgerfahrt, und
+niemand kennt ihren Aufenthalt.
+
+_Arjuna_
+
+Ist der Hüter dieses Landes ein Weib?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Ja, sie ist uns Vater und Mutter zugleich.
+
+(Die Dorfleute entfernen sich. Chitra tritt ein.)
+
+_Chitra_
+
+Warum sitzest Du hier so einsam?
+
+_Arjuna_
+
+Ich versuche mir vorzustellen, was für eine Frau die Prinzessin Chitra
+sein mag. Viele Menschen erzählen viele Geschichten von ihr.
+
+_Chitra_
+
+Ach, sie ist nicht schön, sie hat nicht meine schönen Augen, die dunkel
+sind wie der Tod. Mit ihrem Geschoß kann sie jede Scheibe durchbohren,
+nur nicht das Herz unsres Helden.
+
+_Arjuna_
+
+Sie sagen, an Tapferkeit sei sie ein Mann, und ein Weib an Zärtlichkeit.
+
+_Chitra_
+
+Und das gerade ist ihr größtes Unglück. Das Weib, das nur Weib ist, das
+mit seinem Lächeln, mit seinen Seufzern, und mit zarten Liebkosungen die
+Herzen der Männer einspinnt, ist allein glücklich. Was frommt ihr
+Weisheit und große Taten? Hättest Du die Prinzessin nur gestern sehen
+können, im Hof von Shivas Tempel, der am Waldpfad liegt, Du wärest
+vorübergegangen ohne sie eines Blickes zu würdigen. Bist Du denn
+weiblicher Schönheit so überdrüssig, daß Du in ihr männliche Kraft
+suchst?
+
+Aus grünen Blättern, feucht vom sprühenden Gischt des Wasserfalls, habe
+ich unser Bett zur Mittagsrast bereitet, in nachtdunkler Grotte. Die
+Kühle des weichen grünen Mooses, das dicht den tropfenden Stein bedeckt,
+küßt dort Deine Augen in Schlaf. Laß Dich dorthin geleiten.
+
+_Arjuna_
+
+Nein, heute nicht, Geliebte.
+
+_Chitra_
+
+Warum nicht heute?
+
+_Arjuna_
+
+Ich habe von einer Räuberhorde gehört, die in die Ebene gekommen ist.
+Ich muß gehen meine Waffen bereiten, um die erschreckten Dorfleute zu
+beschützen.
+
+_Chitra_
+
+Du brauchst Dich nicht um sie zu sorgen. Prinzessin Chitra hat starke
+Wächter an den Grenzpässen aufgestellt, ehe sie ihre Pilgerfahrt begann.
+
+_Arjuna_
+
+Nur für kurze Zeit laß mich das Kriegshandwerk eines Kshatriya üben.
+Mit neuem Ruhm will ich diesen müßigen Arm bedecken, damit er Deinem
+Haupt ein würdigeres Kissen sei.
+
+_Chitra_
+
+Doch, wenn ich mich weigere Dich gehen zu lassen, wenn meine Arme Dich
+umwunden halten? Würdest Du Dich roh von mir losreißen und mich
+verlassen? So geh! Aber wisse, daß die Liane -- einmal entzweigebrochen
+-- nie wieder zu einem Ganzen wird. Geh, wenn Dein Durst gestillt ist.
+Doch wenn nicht, denke daran, wie unbeständig die Göttin der Lust ist
+und daß sie nicht wartet auf den Menschen. Bleib noch eine Weile, Herr!
+Sage mir die unruhigen Gedanken, die Dich quälen. Wer nahm heute Deine
+Seele gefangen? War es Chitra?
+
+_Arjuna_
+
+Ja, es ist Chitra. Mich nimmt wunder, um welches Gelübdes willen sie
+auf die Pilgerfahrt gegangen ist. Was mangelt ihr?
+
+_Chitra_
+
+Was ihr mangelt? Ja, hat sie denn je etwas besessen, die Unglückliche?
+Es sind ja ihre eigensten Fähigkeiten, die sie mit Gefängnismauern
+umschließen und ihr Frauenherz in einer kahlen Zelle gefangen halten.
+Verdunkelt ist diese Frau und unerfüllt. Ihre Weibesliebe muß sich mit
+einem Lumpenkleide bescheiden, denn Schönheit blieb ihr versagt. Sie
+gleicht dem Geist eines freudlosen Morgens. Sie sitzt auf steinigem
+Berggipfel und dunkle Wolken haben ihr Licht ausgelöscht. Frag mich
+nicht nach ihrem Leben. Seine Geschichte klingt dem Ohr des Mannes nicht
+lieblich.
+
+_Arjuna_
+
+Ich brenne danach, alles von ihr zu hören. Ich bin wie ein Wanderer, der
+um Mitternacht an eine fremde Stadt kommt. Kuppeln, Türme und
+Gartenbäume sehen verschwommen und schattenhaft aus, und durch die
+Stille des Schlafes tönt hin und wieder das dumpfe Klagen des Meeres.
+Und er harrt sehnsüchtig auf den Morgen, der ihm alle die fremden Wunder
+offenbaren soll. O, erzähle mir ihre Geschichte.
+
+_Chitra_
+
+Was ist da mehr zu erzählen?
+
+_Arjuna_
+
+Meine Einbildung zaubert mir sie vor, wie sie auf weißem Rosse reitet,
+in der Linken die Zügel haltend und in der rechten Hand den Bogen,
+gleich der Liebesgöttin, die frohe Hoffnung spendet. Mit wilder Liebe
+schützt sie ihre säugenden Jungen wie eine wachsame Löwin. Auch des
+Weibes Arme, die nichts anderes als ungefesselte Kraft schmückt, sind
+schön! Mein Herz ist ruhelos, Du Liebliche, wie eine Schlange, die aus
+langem Winterschlaf erwacht. Komm, laß uns miteinander auf schnellen
+Rossen dahineilen, Seite an Seite, wie Zwillingsgestirne, die leuchtend
+den Raum durchmessen. Heraus aus diesem dunklen, grünen, einschläfernden
+Gefängnis, komm hervor unter der feuchten, duftenden, berauschenden
+Decke, die den Atem benimmt!
+
+_Chitra_
+
+Arjuna, sag mir die Wahrheit: wenn ich mich jetzt plötzlich durch
+einen Zauber dieser wollüstigen Weichheit entledigen könnte, diesen
+zarten Schmelz der Schönheit abstreifte, der vor der derben, gesunden
+Berührung der Welt schaudert, und das alles von meinem Körper
+herunterrisse wie geborgtes Gewand -- könntest Du das ertragen? Wenn ich
+mich aufrichte, grade und stark, mit der Kraft eines mutigen Herzens,
+und die Listen und Künste der kriechenden Schwachheit verächtlich von
+mir weise, wenn ich mein Haupt erhebe, wie die hohe, junge Bergtanne,
+und mich nicht länger im Staub winde, wie die Liane, -- werde ich dann
+Gnade finden vor den Augen des Mannes? Nein, nein, Du könntest es nicht
+ertragen. Es ist besser, ich verstreue um mich all die zierlichen
+Spielereien flüchtiger Jugend und warte auf Dich in Geduld. Ist's Dir
+gefällig zurückzukehren, so will ich Dir lächelnd aus dem Becher dieses
+schönen Leibes den Wein der Lust schenken. Hast Du genug davon und bist
+Du müde, so will ich mich demütig und dankbar in den Winkel
+zurückziehen, den man mir gelassen hat. Wie gefiele es Deiner
+Heldenseele, hoffte die Gespielin der Nacht Deine Gefährtin am Tage zu
+sein? Wie, wenn der linke Arm die Last des stolzen rechten mit zu tragen
+lernte?
+
+_Arjuna_
+
+Ich werde Dich niemals richtig erkennen. Eine Göttin, verborgen in
+einem goldenen Heiligenbild scheinst Du mir. Ich kann Dich nicht
+berühren, ich kann Dir Deine unschätzbaren Gaben nicht vergelten. Und so
+bleibt meine Liebe unvollkommen. Aus der rätselhaften Tiefe Deiner
+traurigen Augen, aus Deinen spielerischen Worten, die ihre eigene
+Bedeutung verspotten, erhasche ich manchmal den Schimmer eines Wesens,
+das die schmachtende Anmut seines Körpers vernichten möchte. In der
+reinen Flamme des Leides, verborgen hinter des Lächelns zartem Schleier,
+sehnt es sich wieder zu erstehen. Ein Trugbild, erscheint uns die
+Wahrheit zuerst, in einer Verkleidung tritt sie vor den Geliebten hin.
+Aber es kommt eine Zeit, da sie Schleier und Schmuck abwirft und
+dasteht, bekleidet mit nackter Hoheit. Ich verzehre mich nach diesem
+letzten Du, nach jener einfachsten, wahrsten Klarheit. Was bedeuten die
+Tränen, mein Lieb? Warum verbirgst Du Dein Gesicht in den Händen? Hab
+ich Dir weh getan, mein Liebling? Vergiß, was ich sagte. Ich will mit
+der Gegenwart zufrieden sein. Wie der Vogel Geheimnis aus unsichtbarem,
+dunkelm Nest zu mir kommt, musikerfüllte Botschaft bringend, so komm Du
+zu mir und laß mich jeden Augenblick der Schönheit erleben. Laß mich und
+meine Hoffnung ewig am Ufer der Erfüllung sitzen und so meine Tage
+beschließen.
+
+
+
+
+NEUNTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Chitra_
+
+(in einen Mantel gehüllt.)
+
+Mein Herr, hast Du den Becher bis zur Neige geleert? Ist dies wirklich
+das Ende? Nein, wenn alles getan, so bleibt doch noch Eins, mein letztes
+Opfer, das ich zu Deinen Füßen darbringe. Aus dem himmlischen Garten
+brachte ich Blumen von unvergleichlicher Schönheit, Dich zu ehren, Gott
+meines Herzens.
+
+Ich will die Blumen aus dem Tempel hinauswerfen, wenn sie verwelkt sind
+und die heilige Handlung vorüber.
+
+(Sie nimmt ihren Mantel ab und trägt Männerkleidung wie am Anfang.)
+
+Nun laß Deinen Knecht Gnade finden vor Deinen Augen.
+
+Ich bin nicht schön und vollkommen wie die Blumen, mit denen ich Dich
+ehrte. Ich bin voller Schuld und Fehler. Auf der großen Heerstraße der
+Welt bin ich ein Wanderer, meine Kleider sind beschmutzt, und Dornen
+haben meine Füße blutig gerissen. Wie könnte ich schön sein wie die
+Blumen, voll unbefleckter Lieblichkeit, für die kurze Dauer eines
+Augenblicks? Die Gabe, die ich Dir voll Stolz darbringe, ist das Herz
+eines Weibes. Darinnen ist eingeschlossen aller Schmerz und alle Lust,
+alle Hoffnung, alle Furcht, alle Scham einer Erdentochter.
+
+Hier ist der Uranfang der Liebe, von hier aus ringt sie nach
+Unsterblichkeit. Im Herzen des Weibes liegt eine große und erhabene
+Unvollkommenheit. Nun, da die Anbetung der Schönheit vorüber, nimm
+diesen
+
+(auf sich zeigend)
+
+als Deinen Knecht für kommende Tage.
+
+Ich bin Chitra, die Königstochter. Vielleicht erinnerst Du Dich des
+Tages, als in Shivas Tempel ein Weib zu Dir trat, behangen mit Putz und
+Schmuck. Die Schamlose kam und warb um Dich wie ein Mann. Du stießest
+sie zurück, und Du tatest wohl daran. Herr, jenes Weib -- bin ich. Sie
+diente mir als Maske. Damals verlieh mir die göttliche Gnade für ein
+Jahr die strahlendste Gestalt, die je einem Sterblichen wurde. Mit der
+Last jenes Betruges beschwerte ich meines Helden Herz. Dies Weib kann
+ich nicht sein.
+
+Ich bin Chitra. Keine Göttin bin ich, die man anbetet, aber auch nicht
+ein Gegenstand allgemeinen Mitleids, den man achtlos abschüttelt wie ein
+Insekt. Wenn Du mich würdig findest, Dir zur Seite zu stehen, wenn ich
+die großen Pflichten Deines Lebens teilen darf -- dann wirst Du mein
+wahres Wesen erkennen. Wenn Dein Kind, das ich in meinem Schoß nähre,
+ein Sohn sein wird, will ich es lehren, ein zweiter Arjuna zu werden.
+Wenn die Zeit kommt, werde ich ihn zu Dir senden, und Du wirst endlich
+mein eigenstes Ich erkennen. Heute kann ich Dir nur Chitra darbringen,
+die Tochter eines Königs.
+
+_Arjuna_
+
+Geliebte, mein Leben ist vollkommen erfüllt.
+
+ENDE
+
+
+
+
+ANMERKUNGEN
+
+
+Zu Seite:
+
+ 5: _Pandava_ (so für Pandaṟa zu lesen). Das Königsgeschlecht, von
+ dem das Mahābhārata handelt, stammt von _Kuru_ ab; ein Zweig
+ derselben sind die Pāṇḍavas, fünf Brüder (S. 50), zu denen der
+ Held Arjuna gehört. Dieser stammt also auch aus dem Hause der
+ Kurus. (S. 9.)
+
+ 35: _Malati-Hain._ Mālati ist der großblütige Jasmin.
+
+ 38: _Stephali-Blüten_; lies _Sh_ephali. Śephālikā ist der Strauch
+ vitex negundo, dessen Blüten in Vasavadatta Abt. IV mit
+ Zinnoberkügelchen verglichen werden.
+
+ 53: _Kinsuka-Blüte._ Der Kiṃśuka, Butea frondosa, ist ein
+ stattlicher Baum, dessen Zweige im Frühjahr mit großen
+ scharlachroten Schmetterlingsblüten bedeckt sind. Die schöne Blüte
+ ist aber geruchlos.
+
+ 56: _Asoka-Blüten._ Der Aśokabaum, Jonesia Asoka, hat rote Blüten.
+ Er spielt in der indischen Dichtung eine große Rolle. Aśoka
+ bedeutet »Kummerlos.«
+
+ * * * * *
+
+Tagore's Dichtung entspricht nicht dem Sinn der Sage. Er sagt S. 6 von
+Chitrā's Vater: »er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und
+zu seinem Erben gemacht«. Der Text in Protap Chandra Roys Übersetzung
+lautet: I have duly made her a _Putrikā_. _putrikā_ ist ein juristischer
+Ausdruck und bezeichnet eine Tochter, die mangels eines Sohnes (_putra_)
+die Familie ihres Vaters, nicht ihres Gatten fortpflanzen soll. Für
+letzteren bedeutet also die Eingehung einer solchen Ehe den Verzicht auf
+die Fortpflanzung seiner Familie. Tagore hat dies offenbar nicht gewußt
+und macht daher aus _putrikā_ eine Tochter, die als Sohn (_putra_)
+erzogen wird! Das Epos kennt eine Sage, wo eine Prinzessin für einen
+Prinz ausgegeben und als solcher erzogen wird (die Geschichte von
+_Śikhandin_). Diese Reminiszenz mag sich bei dem Dichter mit dem
+Sagenstoff, auf den er in der Vorrede hinweist, verschmolzen haben.
+
+ * * * * *
+
+Für die Anmerkungen ist die Übersetzerin dem Sanskritisten der Bonner
+Universität, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Jacobi, zu Dank verpflichtet.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Chitra, by Rabindranath Tagore
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CHITRA ***
+
+***** This file should be named 44246-0.txt or 44246-0.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ http://www.gutenberg.org/4/4/2/4/44246/
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
+protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
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+
+
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+*** START: FULL LICENSE ***
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+THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
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+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
+
+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
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+collection are in the public domain in the United States. If an
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+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
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+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
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+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
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+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
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+Literary Archive Foundation
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+increasing the number of public domain and licensed works that can be
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+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
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+status with the IRS.
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+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
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+
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+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
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+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
+
diff --git a/old/44246-0.zip b/old/44246-0.zip
new file mode 100644
index 0000000..04ea2c8
--- /dev/null
+++ b/old/44246-0.zip
Binary files differ
diff --git a/old/44246-8.txt b/old/44246-8.txt
new file mode 100644
index 0000000..8bd997c
--- /dev/null
+++ b/old/44246-8.txt
@@ -0,0 +1,1506 @@
+The Project Gutenberg EBook of Chitra, by Rabindranath Tagore
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Chitra
+ Ein Spiel in einem Aufzug
+
+Author: Rabindranath Tagore
+
+Translator: Elisabeth Wolff-Merck
+
+Release Date: November 21, 2013 [EBook #44246]
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CHITRA ***
+
+
+
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+Anmerkungen zur Transkription: Im Original kursiv gedruckter Text ist
+mit _Unterstrich_ markiert.
+
+
+
+
+ RABINDRANATH TAGORE
+
+ CHITRA
+
+ EIN SPIEL IN EINEM AUFZUG
+
+
+KURT WOLFF VERLAG
+LEIPZIG
+
+
+
+
+Einbandzeichnung von Walter Tiemann.
+Dritte unvernderte Auflage 1918.
+Die erste Auflage erschien 1914.
+
+
+
+
+_Berechtigte deutsche bertragung von ELISABETH WOLFF-MERCK nach der
+von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten englischen Ausgabe_
+
+
+
+
+VORBEMERKUNG
+
+
+Dieses lyrische Drama wurde vor ungefhr 25 Jahren geschrieben. Es setzt
+die Kenntnis der hier folgenden Fabel aus dem Mahabharata voraus:
+
+Whrend der Wanderungen, die Arjuna in Erfllung eines Bugelbdes
+unternahm, kam er nach Manipur. Dort sah er Chitrangada, die schne
+Tochter von Chitravahana, dem Knig des Landes, und von ihrer Anmut
+berwltigt, bat er den Knig um ihre Hand. Chitravahana fragte ihn
+nach seiner Herkunft. Auf die Antwort, er sei Arjuna der Pandara,
+erzhlte der Knig ihm, da einer seiner Ahnen, Prabhanjana vom
+kniglichen Stamme von Manipur, lange kinderlos geblieben war. Um einen
+Erben zu erhalten, legte er sich strenge Bubungen auf. Die Strenge
+seines Lebens fand Gnade vor Shiva, und der Gott gewhrte ihm und jedem
+seiner Nachkommen ein Kind.
+
+Es geschah aber, da das versprochene Kind stets ein Knabe war. Er,
+Chitravahana, war der Erste, dem nur eine Tochter, Chitrangada, gewhrt
+war, um das Geschlecht zu erhalten.
+
+Er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und zu seinem Erben
+gemacht. --
+
+Der Knig fhrt in der Erzhlung fort: Der einzige Sohn, den sie
+gebren wird, mu der Erhalter meines Geschlechts sein, und diesen Sohn
+verlange ich als Kaufpreis fr die Einwilligung in die Heirat. Wenn du
+willst, kannst du sie unter dieser Bedingung haben. Arjuna gab das
+Versprechen, nahm Chitrangada zum Weibe und lebte mit ihr drei Jahre in
+ihres Vaters Hauptstadt. Als ihnen ein Sohn geboren wurde, umarmte er
+sie liebevoll, nahm Abschied von ihr und ihrem Vater und setzte seine
+Wanderung fort.
+
+
+
+
+PERSONEN
+
+
+ Gtter:
+ _Madana_ (Eros).
+ _Vasanta_ (Lycoris).
+
+ Sterbliche:
+ _Chitra_, Tochter des Knigs von Manipur.
+ _Arjuna_, ein Prinz aus dem Hause der
+ Kuru. Er ist aus der Kshatriya oder
+ Kriegerkaste und lebt whrend der
+ Handlung als Eremit einsam im Wald.
+
+ _Dorfleute_ aus einer abgelegenen Gegend
+ in Manipur.
+
+
+
+
+ERSTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Chitra_
+
+Bist Du der Gott mit den fnf Pfeilen, der Gott der Liebe?
+
+_Madana_
+
+Ich war der Erstgeborene im Herzen des Schpfers. Ich binde mit Fesseln
+des Schmerzes und erflle mit Seligkeit das Leben der Menschen!
+
+_Chitra_
+
+Ich wei, ich kenne jenen Schmerz und jene Fesseln! -- Und wer bist Du,
+mein Herr?
+
+_Vasanta_
+
+Ich bin sein Freund -- Vasanta -- der Knig der Jahreszeiten. Tod und
+Alter wrden die Welt bis ins Mark zerfressen, folgte ich ihnen nicht,
+um sie bestndig zu bekmpfen. Ich bin die Ewige Jugend.
+
+_Chitra_
+
+Ich beuge mich vor Dir, Vasanta, mein Herr.
+
+_Madana_
+
+Doch welch strenges Gelbde bindet Dich, schne Fremde? Warum lt Du
+Deine frische Jugend welken in Bue und Demtigung? Solch Opfer ist dem
+Dienst der Liebe fremd. Wer bist Du, und was ist Dein Gebet?
+
+_Chitra_
+
+Ich bin Chitra, die Tochter aus dem kniglichen Hause von Manipur.
+Shivas gttliche Gnade versprach meinem kniglichen Ahnherrn eine
+ununterbrochene Reihe mnnlicher Nachkommen. Aber das Wort des Gottes
+vermochte nicht, den Lebensfunken in meiner Mutter Leib zu wandeln, so
+unbezwingbar war meine Natur, obschon ich ein Weib bin.
+
+_Madana_
+
+Ich wei, darum erzieht Dich Dein Vater wie einen Sohn. Er hat Dich
+gelehrt mit dem Bogen umzugehen und Dich in allen Pflichten eines Knigs
+unterwiesen.
+
+_Chitra_
+
+Ja, darum trage ich mnnliches Gewand und habe die Abgeschiedenheit des
+Frauengemaches verlassen. Ich wei nichts von Frauenlist, die die Herzen
+gewinnt. Meine starken Hnde knnen den Bogen spannen, aber ich habe die
+Kunst des Liebesgottes nicht erlernt; das Spiel der Augen ist mir fremd.
+
+_Madana_
+
+Das erlernt sich von selbst, Du Schne. Die Augen brauchen darin nicht
+unterrichtet zu werden. Das wei der am besten, der von ihnen ins Herz
+getroffen wurde.
+
+_Chitra_
+
+Auf der Suche nach Wild wanderte ich eines Tages einsam durch den Wald
+am Ufer des Purna-Flusses. Mein Ro band ich an einen Stamm und drang
+in's dichte Gestrpp, der Spur eines Wildes folgend. Ich fand einen
+schmalen, gewundenen Pfad, der sich durch das Dmmer verschlungener
+Zweige schlang. Die Bltter erzitterten vom Grillengezirp. Pltzlich
+ersphte ich auf meinem Weg einen Mann, der auf einem Lager trockenen
+Laubes ruhte. Hochmtig befahl ich ihm, mir Platz zu machen, aber es
+kmmerte ihn nicht. Da stach ich ihn verchtlich mit der scharfen Spitze
+meines Pfeils. Er sprang auf, stark und ebenmig an Wuchs, gleich einer
+Flamme, die pltzlich aus einem Aschenhaufen zngelt. Ein belustigtes
+Lcheln zuckte um seine Mundwinkel, vielleicht ob meines knabenhaften
+Anblicks. Da -- zum erstenmal in meinem Leben fhlte ich mich Weib und
+wute, da ein Mann vor mir stand.
+
+_Madana_
+
+In glckbegnstigter Stunde verknde ich Mann und Weib die erhabene
+Lehre: Erkennet einander. -- Was geschah dann?
+
+_Chitra_
+
+Voll Angst und Staunen fragte ich ihn: Wer bist Du? Ich bin
+Arjuna, sagte er, aus dem groen Stamme der Kuru. Ich stand wie
+versteinert und verga mich zu verneigen. War das wirklich Arjuna, der
+Abgott meiner Trume, der Einzige, Groe! Schon lange kannte ich sein
+Gelbnis, zwlf Jahre in Keuschheit zu leben. Mein junger Ehrgeiz hatte
+mich manchen Tag angestachelt, mit ihm eine Lanze zu brechen, ihn
+verkappt zum Zweikampf zu fordern und ihm meine Waffenkunst zu beweisen.
+Ach tricht Herz, wohin entfloh Dein Stolz? Knnt' ich meine Jugend mit
+ihren Sehnschten hingeben, um Staub zu sein unter Deinen Fen,
+wahrlich eine kstliche Gnade dnkte mir das. Ich wei nicht, in welchem
+Strudel der Empfindung ich mich verlor, als ich ihn pltzlich zwischen
+den Bumen entschwinden sah! -- Du tricht Weib, du grtest ihn nicht
+und sprachest kein Wort, noch batest du ihn um Verzeihung, sondern
+standest wie ein ungeschickter Tlpel, whrend er verchtlich
+hinwegschritt!... Am nchsten Morgen legte ich meine Mnnerkleidung ab
+und schmckte mich mit Armbndern, Furingen, einer Grtelkette und
+einem Gewand aus purpurner Seide. Das ungewohnte Kleid schmiegte sich
+fest um meinen bebenden Leib; aber ich beschleunigte mein Suchen und
+fand Arjuna in Shiva's Waldtempel.
+
+_Madana_
+
+Vollende Deine Erzhlung. Ich bin der herzgeborene Gott, und ich
+verstehe das Geheimnis dieser Triebe.
+
+_Chitra_
+
+Nur undeutlich vermag ich mich zu erinnern, was ich sagte, und was ich
+zur Antwort bekam. Hei' mich nicht alles erzhlen. Scham berwltigte
+mich wie ein Donnerschlag und konnte mich doch nicht zerschmettern, so
+durchaus hart bin ich, so mnnlich. Als ich heimwrts schritt, stachen
+mich seine letzten Worte wie glhende Nadeln ins Ohr: Ich habe
+Keuschheit gelobt. Ich kann Dein Gemahl nicht sein! O, um das Gelbde
+eines Mannes! Sicherlich weit Du, o Gott der Liebe, da zahllose
+Heilige und Weise den Preis ihrer lebenslangen Bue hingegeben haben um
+eines Weibes willen. Ich brach meinen Bogen entzwei und verbrannte meine
+Pfeile im Feuer. Ich hate meinen starken, geschmeidigen Arm, gezeichnet
+vom Spannen des Bogens. O Liebe, Liebe, Du hast tief in den Staub
+gebeugt den nichtigen Stolz meiner mnnlichen Strke, und all meine
+Manneszucht liegt zermalmt zu Deinen Fen. Nun lehre mich Deine Gebote.
+Gib mir die Kraft der Schwachen und die Waffe der wehrlosen Hand.
+
+_Madana_
+
+Ich will Dein Freund sein. Ich will den weltenbezwingenden Arjuna vor
+Dein Angesicht bringen, ein Gefangener, der den Richtspruch seiner
+Emprung aus Deiner Hand empfangen soll.
+
+_Chitra_
+
+Stnde mir nur die Zeit zu Gebot, ich knnte allmhlich sein Herz
+gewinnen und brauchte der Gtter Hilfe nicht. Zur Seite wrde ich ihm
+stehen als Gefhrte, die wilden Rosse seines Kriegswagens lenken, die
+Freuden der Jagd mit ihm teilen. Zur Nacht hielt ich Wache am Eingang
+seines Zeltes und hlfe ihm, die groen Pflichten eines Kshatriya
+erfllen, die Schwachen zu befreien und Recht zu sprechen, wo es not
+tut. Sicherlich kme der Tag, an dem er mich erblicken und verwundert
+fragen wrde: Wer ist dieser Knabe? Ist einer meiner Sklaven aus einem
+frheren Leben, meinen guten Taten gleich, mir gefolgt ins Diesseits?
+Ich bin nicht das Weib, das seine Verzweiflung mit nchtlichen Trnen in
+einsamer Stille nhrt, sie tglich hinter geduldigen Lcheln verbirgt,
+als Witwe geboren. Die Blte meines Verlangens soll nicht in den Staub
+sinken, ehe sie zur Frucht gereift ist. Aber es ist die Arbeit eines
+Lebens, Verstndnis zu finden und Ehre zu erlangen fr sein eigenstes
+Ich. Darum bin ich an Deine Tr gekommen, Du, weltenberwindende Liebe,
+und Du, Vasanta, jugendlicher Gott der Jahreszeiten, nimm von meinem
+jungen Krper die angeborene Ungerechtigkeit der Hlichkeit. Fr einen
+einzigen Tag mache mich wunderbar schn, so schn wie die mit einem Mal
+in meinem Herzen erblhte Liebe. Gib mir nur einen einzigen Tag
+makelloser Schnheit, und ich will einstehen fr die Tage, die da
+kommen.
+
+_Madana_
+
+Prinzessin, Dein Gebet sei erhrt!
+
+_Vasanta_
+
+Nicht nur fr einen kurzen Tag, sondern fr ein ganzes langes Jahr soll
+der Frhlingsblten Lieblichkeit sich um Deine Glieder schmiegen.
+
+
+
+
+ZWEITE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Arjuna_
+
+Trumte mir oder war Wirklichkeit, was ich am See sah? Im sinkenden
+Schatten des Abends sa ich auf moosigem Grund und dachte vergangener
+Jahre, als aus dem bergenden Dunkel der Bltter langsam eine Erscheinung
+trat in der vollkommenen Gestalt eines Weibes. Sie stand auf einem
+weien, flachen Stein am Rande des Wassers. Es schien, als msse das
+Herz der Erde sich weiten vor Freude unter ihren nackten weien Fen.
+Mir deuchte, die zarte Umhllung ihres Krpers wollte sich in Verzckung
+auflsen in Luft, wie der goldene Frhnebel vom schneeigen Gipfel des
+stlichen Berges schmilzt. Sie beugte sich ber den schimmernden Spiegel
+des Teiches und erblickte ihr Antlitz darin. Sie schrak zurck und stand
+still, dann lchelte sie, lste mit einer nachlssigen Bewegung des
+linken Arms ihr Haar, das bis zu ihren Fen zur Erde niederglitt. Sie
+entblte ihre Brust und betrachtete ihre makellos geformten Arme
+erfllt von Zrtlichkeit fr ihren Krper. Sie neigte den Kopf und sah
+ihre se, blhende Jugend und das zarte Errten ihrer flaumigen Haut.
+Sie strahlte in freudiger berraschung. So wrde die weie Lotosblume
+den ganzen Tag ber sich staunen, knnte sie des Morgens beim Erwachen,
+ihren Hals beugen und ihr Abbild im Wasser sehn. Aber einen Augenblick
+spter wich das Lcheln von ihrem Antlitz, und ein Schatten von Trauer
+stieg in ihren Augen auf. Sie band ihre Haarflechten auf, zog den
+Schleier um ihre Schultern und schritt leise seufzend hinweg, wie ein
+schner Abend, der in Nacht versinkt. Die erhabene Erfllung aller
+Sehnsucht schien sich mir in einem Blitz geoffenbart zu haben und
+verlosch dann ... Aber wer bewegt die Tre?
+
+(Chitra tritt ein, in Frauenkleidern.)
+
+Ah! sie ist's! Stille mein Herz!...
+
+Frchte nichts, Herrin! Ich bin ein Kshatriya.
+
+_Chitra_
+
+Edler Herr, Du bist mein Gast. Ich wohne in diesem Tempel. Ich wei
+nicht, wie ich Dir Gastfreundschaft erzeigen kann.
+
+_Arjuna_
+
+Schne Frau, Dein Anblick allein ist die hchste Gastfreundschaft. Wenn
+Du mir's nicht verdenken willst, mchte ich Dich etwas fragen.
+
+_Chitra_
+
+Es sei Dir gewhrt.
+
+_Arjuna_
+
+Welch strenges Gelbde hlt Dich in diesen einsamen Tempelmauern
+gefangen und beraubt die Sterblichen Deines lieblichen Anblickes?
+
+_Chitra_
+
+Ich hege einen geheimen Wunsch in meinem Herzen, fr dessen Erfllung
+ich tglich Gebete zu Shiva sende.
+
+_Arjuna_
+
+Ach, was kannst Du verlangen, die Du das Verlangen der ganzen Welt bist?
+Von dem stlichen Hgel, auf dessen Gipfel die Morgensonne zuerst ihren
+feurigen Fu setzt, bis ans Ende des Abendlands bin ich gewandert. Ich
+habe das Kstlichste, Schnste und Grte der Erde gesehen. Mein Wissen
+soll Dein sein, nur sage mir, was oder wen Du suchst.
+
+_Chitra_
+
+Ihn, den ich suche, ihn kennen alle.
+
+_Arjuna_
+
+Wer mag dieser Liebling der Gtter sein, der Dein Herz gefangen nahm?
+
+_Chitra_
+
+Er ist der Grte aller Helden, ein Spro des hchsten Herrscherhauses.
+
+_Arjuna_
+
+Herrin, opfere nicht diesen Schatz von Schnheit, der Dein ist, auf dem
+Altar eines falschen Ruhmes. Unwahres Gercht verbreitet sich von Mund
+zu Mund, wie der Nebel im frhen Morgendmmer ehe die Sonne aufgeht.
+Sage mir, wer ist der erhabene Held aus hchstem kniglichem Stamm?
+
+_Chitra_
+
+Einsiedler, der Ruhm andrer Mnner erfllt Dich mit Neid. Weit Du
+nicht, da der Ruhm des kniglichen Hauses der Kuru ber die ganze Welt
+verbreitet ist?
+
+_Arjuna_
+
+Das Haus der Kuru!
+
+_Chitra_
+
+Und hast Du nie den grten Namen dieses weitgerhmten Hauses gehrt?
+
+_Arjuna_
+
+La ihn mich von Deinen eigenen Lippen hren.
+
+_Chitra_
+
+Arjuna, der Welteroberer. Ich habe diesen unsterblichen Namen von den
+Lippen der Menge abgelesen und ihn sorgfltig in meinem Herzen
+verborgen. Einsiedler, was blickst Du so verwirrt drein? Trgt dieser
+Name nur trgerischen Glanz? Sag es, und ich will nicht zgern, den
+Schrein meines Herzens aufzubrechen und den falschen Edelstein in den
+Staub zu werfen.
+
+_Arjuna_
+
+Ob auch sein Name und Ruhm, sein Mut und seine Tapferkeit wahr oder
+falsch sind, um des Mitleids willen verbanne ihn nicht aus Deinem
+Herzen, denn er kniet zu Deinen Fen -- in diesem Augenblick.
+
+_Chitra_
+
+Du, Arjuna!
+
+_Arjuna_
+
+Ja, der bin ich, ein vor Liebe verschmachteter Bettler an deiner Tr.
+
+_Chitra_
+
+So ist es nicht wahr, da Arjuna das Gelbde zwlf Jahre langer
+Keuschheit getan hat?
+
+_Arjuna_
+
+Du hast meinen Schwur gelst wie der Mond den nchtlichen Schwur der
+Dunkelheit.
+
+_Chitra_
+
+Scham ber Dich! Was sahst du in mir, das Dich Deinem eigenen Ich
+untreu werden lie? Wen suchst du in diesen dunklen Augen, in diesen
+milchweien Armen, wenn Du sie mit dem Preis Deiner Ehre zu bezahlen
+bereit bist? Nicht mein wahres Selbst, das wei ich. Wahrlich das kann
+nicht Liebe sein, nicht des Mannes tiefste Ehrfurcht vor dem Weib! Wehe,
+da der Krper, diese zerbrechliche Hlle, uns blendet, das Licht der
+unsterblichen Seele zu schauen! Ja, Arjuna, nun wei ich gewi, falsch
+ist der Ruhm Deines Heldentums.
+
+_Arjuna_
+
+O, ich fhle wie eitel der Ruhm ist und der Stolz der Tapferkeit! Alles
+scheint Traum. Du allein bist vollkommen, Du bist der Reichtum der Welt,
+das Ende aller Armut, das Ziel alles Strebens, das Weib! Andere Frauen
+gibt's, langsam und schwer zu erkennen, aber Dich einen Augenblick lang
+zu sehn, heit hchste Vollendung schauen, jetzt und in Ewigkeit.
+
+_Chitra_
+
+Ach nicht ich bin's, nicht ich, Arjuna! Es ist das Trugbild eines
+Gottes. Geh', geh' mein Held, geh'. Frei' nicht die Lge, opfre dein
+groes Herz nicht einer Tuschung. Geh'.
+
+
+
+
+DRITTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Chitra_
+
+Nein, unmglich ist's den brennenden Blick der hungrigen Seele
+auszuhalten, der mit Hnden dich umklammert, zu fhlen, wie das Herz
+sich mht, die Fesseln zu sprengen, und den wilden Schrei, der sich ihm
+entringen will -- und den Liebenden dann hinweg zu senden wie einen
+Bettler! Unmglich ist's!
+
+(Madana und Vasanta treten auf.)
+
+Ach, Gott der Liebe, welch furchtbares Feuer hast Du in mich gesenkt!
+Ich verbrenne, versenge, was ich berhre.
+
+_Madana_
+
+Ich wnsche zu wissen, was in vergangener Nacht geschah.
+
+_Chitra_
+
+Auf ein Lager von Gras, berst mit Frhlingsblten, legte ich mich am
+Abend nieder und gedachte des wunderbaren Lobgesangs meiner Schnheit,
+den ich von Arjuna gehrt. Tropfen nach Tropfen trank ich den Honig, den
+ich am Tage gesammelt, Vergangenes und Zuknftiges war vergessen. Ich
+fhlte mich der Blume verwandt: ihr sind nur flchtige Stunden vergnnt,
+dem summenden Schmeicheln, dem Flstern und Murmeln der Wlder zu
+lauschen. Dann mu sie die Augen vom Himmel wenden, ihr Haupt beugen und
+ihren Atem aushauchen im Staub, klaglos den kurzen Traum eines
+vollkommenen Augenblicks beenden, der nicht Vergangenheit noch Zukunft
+kennt.
+
+_Vasanta_
+
+Ein grenzenloses Leben voller Ruhm kann blhen und sich erschpfen an
+einem Morgen.
+
+_Madana_
+
+Wie Ewigkeits-Sinn im kleinsten Bruchteil eines Liedes sein kann.
+
+_Chitra_
+
+Die sdliche Brise wiegte mich in Schlaf. Von dem blhenden
+Malati-Hain ber mir tropften schweigend Ksse auf mich nieder. Jede
+Blume whlte sich ein Lager zum Sterben, in meinem Haar, auf meiner
+Brust oder meinen Fen. Ich schlief. Und in der Tiefe meines Schlafes
+war mir pltzlich, als ob ein durchdringender, gieriger Blick meinen
+Krper berhre, wie der spitzige, stechende Finger der Flamme. Ich
+sprang auf und sah den Einsiedler vor mir stehen. Der Mond war westwrts
+gewandert und lugte durch die Bltter, um das Wunder zu sehen, das durch
+gttliche Kunst in zerbrechlicher Menschlichkeit erstanden war. Die Luft
+war schwer, duftgeschwngert, die Stille der Nacht klang vom
+Grillengezirp, regungslos lag das Spiegelbild der Bume auf dem See. Und
+mit seinem Stab in der Hand stand der Einsiedler gro, aufrecht und
+schweigend wie ein Baum des Waldes. Mir war, da ich die Augen aufschlug,
+als sei ich abgeschieden von aller Wirklichkeit des Lebens, und es
+vollziehe sich an mir eine Wiedergeburt im Land der Trume. Scham fiel
+von mir und glitt wie ein gelstes Gewand auf meine Fe nieder. Ich
+hrte seinen Schrei -- Geliebte, einzig Geliebte! Und all' meine
+vergangenen, vergessenen Leben schmolzen zu einem und riefen ihm Antwort
+zu: Nimm mich, nimm mich ganz zu eigen! Und ich breitete meine Arme
+nach ihm aus. Der Mond sank hinter den Bumen. Ein dunkler Vorhang
+bedeckte alles, Himmel und Erde, Zeit und Raum, Lust und Schmerz, Leben
+und Tod schmolzen in Eins in unsagbarer Verzckung.... Mit dem ersten
+Morgenstrahl, dem ersten Vogelzwitschern richtete ich mich auf und
+blieb, auf den linken Arm gesttzt, sitzen. Der Einsiedler lag
+schlafend, ein unbekmmertes Lcheln krmmte sich um seine Lippen, wie
+der wachsende Mond am Morgen. Der Dmmerung rosiges Glhen fiel auf
+seine edle Stirn. Ich seufzte, stand auf und zog die breitblttrigen
+Lianen zusammen, um sein Gesicht vor der flutenden Sonne zu schtzen.
+Ich schaute umher und sah die gleiche alte Erde. Ich erinnerte mich, was
+ich gewesen und rannte, rannte wie ein Reh, das seinen eigenen Schatten
+frchtet, den Waldpfad entlang, den Stephali-Blumen bedeckten. Ich fand
+einen einsamen Winkel, setzte mich nieder, barg mein Gesicht in beiden
+Hnden, um zu weinen und zu klagen. Doch meine Augen blieben trnenlos.
+
+_Madana_
+
+Weh ber Dich, Tochter der Sterblichen! Ich stahl aus den gttlichen
+Speichern den duftenden Wein des Himmels, gab ihn, eine irdische Nacht
+gefllt bis zum Rande, in Deine Hnde, auf da Du trnkest -- und immer
+hr' ich noch diesen Schrei der Qual!
+
+_Chitra_
+
+(bitter)
+
+Wer trank ihn? Des Lebens seltenste Erfllung, erste Liebesumarmung bot
+man mir dar und entri sie wieder meiner Sehnsucht? Diese erborgte
+Schnheit, die Falschheit, die mich umhllt, sie werden von mir gleiten,
+wie Blten im Wind entblttern, und die einzig sichtbare Erinnerung
+jener sen Vereinigung mitnehmen, und voll Scham ber seine Armut wird
+das Weib weinend sitzen -- Tag und Nacht. Gott der Liebe, diese
+verfluchte uere Gestalt begleitet mich Tag und Nacht, wie ein Dmon,
+und beraubt mich allen Liebeslohnes -- all der Ksse, nach denen ich
+verschmachte.
+
+_Madana_
+
+Ach, umsonst war Deine einzige Nacht! Die Barke der Erfllung kam in
+Sicht, aber die Wellen lieen sie das Ufer nicht berhren.
+
+_Chitra_
+
+Der Himmel war meinem Griff ganz nahe und ich verga fr Augenblicke,
+da ich ihn noch nicht erreicht hatte. Aber als ich des Morgens aus
+meinem Traum erwachte, fand ich im eigenen Krper die Rivalin. Nun ward
+mir die verhate Pflicht, sie tglich zu schmcken, zum Geliebten zu
+schicken und zu sehen, wie er sie liebkoste. O Gott, nimm Dein Geschenk
+zurck!
+
+_Madana_
+
+Aber wie willst Du vor Deinen Geliebten treten, wenn ich es von Dir
+nehme? Ist es nicht grausam, den Becher von seinen Lippen zu reien,
+nachdem er kaum einen Zug der Lust getan? Wie rgerlich wirst Du ihm
+sein?
+
+_Chitra_
+
+Und doch wre es besser so. Ich will ihm meine wahrhaftige Gestalt zu
+erkennen geben, eine edlere Tat, als in dieser Maske zu leben. Wenn er
+mich auch verstt und verschmht, wenn er mein Herz auch bricht --
+schweigend will ich's tragen.
+
+_Vasanta_
+
+Hr' meinen Rat. Wenn die blumenerfllte Jahreszeit vergangen, kommt
+der Herbst und mit ihm der Triumphzug der Frchte. Die Zeit wird kommen,
+da die berreife Blume des Leibes sich vergehend neigt. Dann wird Arjuna
+die bleibende fruchtgewordene Wahrheit aus Dir voll Glck hinnehmen. O
+Kind, geh' zurck zu Deiner rasenden Feier.
+
+
+
+
+VIERTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Chitra_
+
+Warum beobachtest Du mich, mein Krieger?
+
+_Arjuna_
+
+Ich sehe zu, wie Du den kleinen Kranz windest. Anmut und Geschick, die
+Zwillingsbrder, spielen tanzend auf Deinen Fingerspitzen. Ich sehe zu
+und denke.
+
+_Chitra_
+
+Was denkst Du, Herr?
+
+_Arjuna_
+
+Ich denke, da Du mit der gleichen schwebenden Berhrung und Sigkeit
+die Tage meiner Verbannung in einen unsterblichen Kranz windest, um mich
+zu meiner Heimkehr damit zu krnen.
+
+_Chitra_
+
+Heimkehr! Diese Liebe ist nichts fr ein Heim!
+
+_Arjuna_
+
+Nichts fr ein Heim?
+
+_Chitra_
+
+Nein, sprich nie davon. Nimm mit in Dein Heim das Bleibende, Starke.
+La die kleine wilde Blume an ihrem Geburtsort, la sie dort in
+Schnheit sterben, wenn der Tag sich neigt, mit all den welkenden Blumen
+und den modernden Blttern. Nimm sie nicht mit in die Halle Deines
+Palastes, um sie dort auf den steinernen Boden zu werfen, der kein
+Erbarmen fr Welken und Vergehen kennt.
+
+_Arjuna_
+
+Sieht so unsere Liebe aus?
+
+_Chitra_
+
+Ja, so und nicht anders! Was soll das Klagen? Was sich fr mige Tage
+schickt, sollte sie nicht berdauern. Lust wandelt sich in Schmerz, wenn
+ihr die Tr verschlossen ist, aus der sie scheiden soll. Nimm meine
+Liebe hin und halte sie, so lange sie whren darf. La nicht des Abends
+satte Zufriedenheit mehr fordern, als das morgendliche Verlangen ernten
+kann ... Der Tag ist vorber. Nimm dies Blumengewinde. Ich bin mde.
+Nimm mich in Deine Arme, Geliebter, und la alles eitle unzufriedene
+Geznk verstummen in der sen Vereinigung unserer Lippen.
+
+_Arjuna_
+
+Still, horch, Geliebte, der Klang der Gebetsglocken aus dem fernen
+Dorftempel gleitet auf der Abendluft ber die schweigenden Wipfel.
+
+
+
+
+FNFTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Vasanta_
+
+Ich kann nicht Schritt mit Dir halten, mein Freund! Ich bin mde. Schwer
+ist die Pflicht, das Feuer in Glut zu halten, das Du entzndet hast.
+Schlaf berkommt mich, der Fcher entfllt meiner Hand, und kalte Asche
+bedeckt die Glut. Ich fahre wieder auf aus meinem Schlummer und rette
+die trge Flamme, soweit es in meiner Macht steht. Aber so kann es nicht
+weiter gehen.
+
+_Madana_
+
+Ich wei, Du bist unbestndig wie ein Kind. Ewig ruhelos ist Dein
+Spiel im Himmel und auf Erden. Was Du in langen Tagen aufgebaut mit
+endloser Sorge fr jeden Bruchteil, in einem Augenblick zerstrst Du es
+wieder, ohne Bedauern. Aber unsere Arbeit ist heut vollendet.
+Freudengeflgelte Tage fliehen flchtig dahin, und das sich neigende
+Jahr vergeht mit berckendem Blhen.
+
+
+
+
+SECHSTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Arjuna_
+
+Ich erwachte am Morgen und fand meine Trume in einen Edelstein
+verschmolzen. Ich hatte keinen Schrein, ihn darin zu verschlieen, keine
+Knigskrone, in die ich den Stein htte fassen knnen, keine Kette hatte
+ich, ihn daran zu hngen, und doch brachte ich's nicht bers Herz, ihn
+wegzuweisen. So halte ich ihn, und mein Arm, der Arm eines Kshatriya,
+vergit ber migem Tun seine Pflicht.
+
+(Chitra tritt ein.)
+
+_Chitra_
+
+Sage mir Deine Gedanken, Herr!
+
+_Arjuna_
+
+Meine Gedanken sind heute auf die Jagd gerichtet. Sieh, wie der Regen
+in Strmen herniederstrzt und wild gegen den Berghang schlgt. Dunkle
+Wolkenschatten hngen schwer ber dem Wald, und gleich der sorglosen
+Jugend berspringt der geschwollene Strom mit spttischem Lachen alle
+Schranken. Stets gingen wir fnf Brder an solchen Regentagen in den
+Wald von Chitraka, wilde Tiere zu jagen. Das waren schne Zeiten. Unsre
+Herzen tanzten zum Trommelwirbel der grollenden Wolken. Der Wald hallte
+wider von den Schreien der Pfauen. Durch das Klatschen des Regens und
+das Rauschen des Wasserfalles konnte das ngstliche Wild unsre Schritte
+nicht hren. Die Leoparden lieen ihre Spuren in der nassen Erde zurck
+und verrieten so ihr Lager. War die Jagd vorber, so forderten wir uns
+auf dem Heimweg gegenseitig heraus, reiende Strme zu durchschwimmen.
+Ein ruheloser Geist wohnt in mir, ich habe Sehnsucht nach der Jagd.
+
+_Chitra_
+
+Erst erlege das Wild, das Du jetzt verfolgst. Bist Du gewi, da das
+verzauberte Tier, das Du jagst, unbedingt gefangen werden mu? Nein,
+noch nicht. Wie ein Traum entgleitet Dir das wilde Geschpf, wenn es Dir
+am nchsten scheint. Sieh, wie der rasende Regen den Wind jagt und
+tausend Pfeile hinter ihm her sendet. Und doch bleibt der Wind frei und
+unbesiegt. So ist auch unser Waidwerk, Geliebter! Du jagst nach der
+schnellschreitenden Schnheit und versendest all Deine Pfeile nach ihr,
+und doch flieht dies zaubrische Wild stets frei und unberhrt davon.
+
+_Arjuna_
+
+Hast Du kein Heim, Geliebte, wo liebende Herzen Deiner Rckkehr harren?
+Ein Heim, dem Du durch sanftes Dienen Lieblichkeit verliehst, und dessen
+Licht erlosch, als Du es fr diese Wildnis verlieest?
+
+_Chitra_
+
+Was fragst Du? Sind die Stunden der Lust vorbei, in denen es kein
+Denken gab? Weit Du nicht, da ich nur die bin, die Du vor Dir siehst?
+Mein Blick geht nicht ber das Jetzt hinaus. Der Tau auf den Blttern
+der Kinsuka-Blte hat weder Namen noch Schicksal, und gewhrt keiner
+Frage Antwort. Sie, die Du liebst, gleicht jener vollkommenen Tauperle.
+
+_Arjuna_
+
+Verbindet sie kein Band mit der Welt? Ist sie nur ein Stck Himmel, das
+ein lustspendender Gott unachtsam zur Erde fallen lie?
+
+_Chitra_
+
+Ja.
+
+_Arjuna_
+
+Ach, darum ist mir immer, als mte ich Dich verlieren. Mein Herz ist
+unbefriedigt, meine Gedanken friedlos. Komm nher zu mir, Unerreichbare!
+Ergib Dich und dulde die Fesseln, die da heien: Name, Heim, Sippe. La
+mein Herz Dich ganz umschlieen, und mit Dir leben in der ruhigen
+Sicherheit der Liebe.
+
+_Chitra_
+
+Warum mhst Du Dich vergebens, die Farben der Wolken, den Tanz der
+Wellen, den Duft der Blumen zu haschen und zu halten?
+
+_Arjuna_
+
+Herrin mein, glaube nicht, da Du mit Luftgebilden die Liebe befriedigen
+kannst. Gib mir etwas, woran ich Halt finde, etwas, das die Lust
+berdauert, das sich im Leid bewhrt.
+
+_Chitra_
+
+Mein Held, noch ist das Jahr nicht zu Ende, und schon bist Du mde!
+Ja, nun erkenne ich die himmlische Gte, die den Blumen ein kurzes Leben
+gab. Wre ich mit den Blumen des letzten Frhlings verwelkt und
+gestorben, ich wre mit Ehren dahingegangen. Doch meine Tage sind
+gezhlt, Geliebter. Schone mich nicht, saug allen Honig aus mir, da Du
+voller Angst bist, da Dein armes Herz wieder und wieder zurckkommt
+voll unerfllter Wnsche und Begierden, gleich der durstigen Biene, wenn
+die Sommerblumen welk im Staub liegen.
+
+
+
+
+SIEBENTE SZENE
+
+IM TEMPEL
+
+
+_Madana_
+
+Heute ist Deine letzte Nacht.
+
+_Vasanta_
+
+Des Frhlings unerschpfliche Schatzkammer wird morgen die Lieblichkeit
+Deines Krpers zurcknehmen. Die rosige Farbe Deiner Lippen wird in
+einem Asoka-Bltenpaar neu aufblhen, frei von der Erinnerung an Arjunas
+Ksse. In hundert duftenden Jasmin-Blumen wird der matte, weie Glanz
+Deiner Haut auferstehen.
+
+_Chitra_
+
+O Gtter, erhrt mein Gebet! Lat meine Schnheit in der letzten Stunde
+dieser Nacht am hellsten erstrahlen, wie das letzte Aufleuchten einer
+sterbenden Flamme.
+
+_Madana_
+
+Dein Wunsch sei Dir gewhrt.
+
+
+
+
+ACHTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Die Dorfleute_
+
+Wer wird uns nun beschtzen?
+
+_Arjuna_
+
+Was soll's, welche Gefahr droht Euch?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Die Ruber kommen in Scharen aus den nrdlichen Bergen, wie die Flut des
+Gebirgsstromes, die unser Dorf verheert.
+
+_Arjuna_
+
+Habt ihr keine Wchter in Eurem Knigreich?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Chitra, die Knigstochter, war der Schrecken aller Bsen. Als sie noch
+in diesem glcklichen Lande weilte, kannten wir keine Furcht auer
+einer: sterben zu mssen. Nun ist Chitra auf einer Pilgerfahrt, und
+niemand kennt ihren Aufenthalt.
+
+_Arjuna_
+
+Ist der Hter dieses Landes ein Weib?
+
+_Die Dorfleute_
+
+Ja, sie ist uns Vater und Mutter zugleich.
+
+(Die Dorfleute entfernen sich. Chitra tritt ein.)
+
+_Chitra_
+
+Warum sitzest Du hier so einsam?
+
+_Arjuna_
+
+Ich versuche mir vorzustellen, was fr eine Frau die Prinzessin Chitra
+sein mag. Viele Menschen erzhlen viele Geschichten von ihr.
+
+_Chitra_
+
+Ach, sie ist nicht schn, sie hat nicht meine schnen Augen, die dunkel
+sind wie der Tod. Mit ihrem Gescho kann sie jede Scheibe durchbohren,
+nur nicht das Herz unsres Helden.
+
+_Arjuna_
+
+Sie sagen, an Tapferkeit sei sie ein Mann, und ein Weib an Zrtlichkeit.
+
+_Chitra_
+
+Und das gerade ist ihr grtes Unglck. Das Weib, das nur Weib ist, das
+mit seinem Lcheln, mit seinen Seufzern, und mit zarten Liebkosungen die
+Herzen der Mnner einspinnt, ist allein glcklich. Was frommt ihr
+Weisheit und groe Taten? Httest Du die Prinzessin nur gestern sehen
+knnen, im Hof von Shivas Tempel, der am Waldpfad liegt, Du wrest
+vorbergegangen ohne sie eines Blickes zu wrdigen. Bist Du denn
+weiblicher Schnheit so berdrssig, da Du in ihr mnnliche Kraft
+suchst?
+
+Aus grnen Blttern, feucht vom sprhenden Gischt des Wasserfalls, habe
+ich unser Bett zur Mittagsrast bereitet, in nachtdunkler Grotte. Die
+Khle des weichen grnen Mooses, das dicht den tropfenden Stein bedeckt,
+kt dort Deine Augen in Schlaf. La Dich dorthin geleiten.
+
+_Arjuna_
+
+Nein, heute nicht, Geliebte.
+
+_Chitra_
+
+Warum nicht heute?
+
+_Arjuna_
+
+Ich habe von einer Ruberhorde gehrt, die in die Ebene gekommen ist.
+Ich mu gehen meine Waffen bereiten, um die erschreckten Dorfleute zu
+beschtzen.
+
+_Chitra_
+
+Du brauchst Dich nicht um sie zu sorgen. Prinzessin Chitra hat starke
+Wchter an den Grenzpssen aufgestellt, ehe sie ihre Pilgerfahrt begann.
+
+_Arjuna_
+
+Nur fr kurze Zeit la mich das Kriegshandwerk eines Kshatriya ben.
+Mit neuem Ruhm will ich diesen migen Arm bedecken, damit er Deinem
+Haupt ein wrdigeres Kissen sei.
+
+_Chitra_
+
+Doch, wenn ich mich weigere Dich gehen zu lassen, wenn meine Arme Dich
+umwunden halten? Wrdest Du Dich roh von mir losreien und mich
+verlassen? So geh! Aber wisse, da die Liane -- einmal entzweigebrochen
+-- nie wieder zu einem Ganzen wird. Geh, wenn Dein Durst gestillt ist.
+Doch wenn nicht, denke daran, wie unbestndig die Gttin der Lust ist
+und da sie nicht wartet auf den Menschen. Bleib noch eine Weile, Herr!
+Sage mir die unruhigen Gedanken, die Dich qulen. Wer nahm heute Deine
+Seele gefangen? War es Chitra?
+
+_Arjuna_
+
+Ja, es ist Chitra. Mich nimmt wunder, um welches Gelbdes willen sie
+auf die Pilgerfahrt gegangen ist. Was mangelt ihr?
+
+_Chitra_
+
+Was ihr mangelt? Ja, hat sie denn je etwas besessen, die Unglckliche?
+Es sind ja ihre eigensten Fhigkeiten, die sie mit Gefngnismauern
+umschlieen und ihr Frauenherz in einer kahlen Zelle gefangen halten.
+Verdunkelt ist diese Frau und unerfllt. Ihre Weibesliebe mu sich mit
+einem Lumpenkleide bescheiden, denn Schnheit blieb ihr versagt. Sie
+gleicht dem Geist eines freudlosen Morgens. Sie sitzt auf steinigem
+Berggipfel und dunkle Wolken haben ihr Licht ausgelscht. Frag mich
+nicht nach ihrem Leben. Seine Geschichte klingt dem Ohr des Mannes nicht
+lieblich.
+
+_Arjuna_
+
+Ich brenne danach, alles von ihr zu hren. Ich bin wie ein Wanderer, der
+um Mitternacht an eine fremde Stadt kommt. Kuppeln, Trme und
+Gartenbume sehen verschwommen und schattenhaft aus, und durch die
+Stille des Schlafes tnt hin und wieder das dumpfe Klagen des Meeres.
+Und er harrt sehnschtig auf den Morgen, der ihm alle die fremden Wunder
+offenbaren soll. O, erzhle mir ihre Geschichte.
+
+_Chitra_
+
+Was ist da mehr zu erzhlen?
+
+_Arjuna_
+
+Meine Einbildung zaubert mir sie vor, wie sie auf weiem Rosse reitet,
+in der Linken die Zgel haltend und in der rechten Hand den Bogen,
+gleich der Liebesgttin, die frohe Hoffnung spendet. Mit wilder Liebe
+schtzt sie ihre sugenden Jungen wie eine wachsame Lwin. Auch des
+Weibes Arme, die nichts anderes als ungefesselte Kraft schmckt, sind
+schn! Mein Herz ist ruhelos, Du Liebliche, wie eine Schlange, die aus
+langem Winterschlaf erwacht. Komm, la uns miteinander auf schnellen
+Rossen dahineilen, Seite an Seite, wie Zwillingsgestirne, die leuchtend
+den Raum durchmessen. Heraus aus diesem dunklen, grnen, einschlfernden
+Gefngnis, komm hervor unter der feuchten, duftenden, berauschenden
+Decke, die den Atem benimmt!
+
+_Chitra_
+
+Arjuna, sag mir die Wahrheit: wenn ich mich jetzt pltzlich durch
+einen Zauber dieser wollstigen Weichheit entledigen knnte, diesen
+zarten Schmelz der Schnheit abstreifte, der vor der derben, gesunden
+Berhrung der Welt schaudert, und das alles von meinem Krper
+herunterrisse wie geborgtes Gewand -- knntest Du das ertragen? Wenn ich
+mich aufrichte, grade und stark, mit der Kraft eines mutigen Herzens,
+und die Listen und Knste der kriechenden Schwachheit verchtlich von
+mir weise, wenn ich mein Haupt erhebe, wie die hohe, junge Bergtanne,
+und mich nicht lnger im Staub winde, wie die Liane, -- werde ich dann
+Gnade finden vor den Augen des Mannes? Nein, nein, Du knntest es nicht
+ertragen. Es ist besser, ich verstreue um mich all die zierlichen
+Spielereien flchtiger Jugend und warte auf Dich in Geduld. Ist's Dir
+gefllig zurckzukehren, so will ich Dir lchelnd aus dem Becher dieses
+schnen Leibes den Wein der Lust schenken. Hast Du genug davon und bist
+Du mde, so will ich mich demtig und dankbar in den Winkel
+zurckziehen, den man mir gelassen hat. Wie gefiele es Deiner
+Heldenseele, hoffte die Gespielin der Nacht Deine Gefhrtin am Tage zu
+sein? Wie, wenn der linke Arm die Last des stolzen rechten mit zu tragen
+lernte?
+
+_Arjuna_
+
+Ich werde Dich niemals richtig erkennen. Eine Gttin, verborgen in
+einem goldenen Heiligenbild scheinst Du mir. Ich kann Dich nicht
+berhren, ich kann Dir Deine unschtzbaren Gaben nicht vergelten. Und so
+bleibt meine Liebe unvollkommen. Aus der rtselhaften Tiefe Deiner
+traurigen Augen, aus Deinen spielerischen Worten, die ihre eigene
+Bedeutung verspotten, erhasche ich manchmal den Schimmer eines Wesens,
+das die schmachtende Anmut seines Krpers vernichten mchte. In der
+reinen Flamme des Leides, verborgen hinter des Lchelns zartem Schleier,
+sehnt es sich wieder zu erstehen. Ein Trugbild, erscheint uns die
+Wahrheit zuerst, in einer Verkleidung tritt sie vor den Geliebten hin.
+Aber es kommt eine Zeit, da sie Schleier und Schmuck abwirft und
+dasteht, bekleidet mit nackter Hoheit. Ich verzehre mich nach diesem
+letzten Du, nach jener einfachsten, wahrsten Klarheit. Was bedeuten die
+Trnen, mein Lieb? Warum verbirgst Du Dein Gesicht in den Hnden? Hab
+ich Dir weh getan, mein Liebling? Vergi, was ich sagte. Ich will mit
+der Gegenwart zufrieden sein. Wie der Vogel Geheimnis aus unsichtbarem,
+dunkelm Nest zu mir kommt, musikerfllte Botschaft bringend, so komm Du
+zu mir und la mich jeden Augenblick der Schnheit erleben. La mich und
+meine Hoffnung ewig am Ufer der Erfllung sitzen und so meine Tage
+beschlieen.
+
+
+
+
+NEUNTE SZENE
+
+IM WALD
+
+
+_Chitra_
+
+(in einen Mantel gehllt.)
+
+Mein Herr, hast Du den Becher bis zur Neige geleert? Ist dies wirklich
+das Ende? Nein, wenn alles getan, so bleibt doch noch Eins, mein letztes
+Opfer, das ich zu Deinen Fen darbringe. Aus dem himmlischen Garten
+brachte ich Blumen von unvergleichlicher Schnheit, Dich zu ehren, Gott
+meines Herzens.
+
+Ich will die Blumen aus dem Tempel hinauswerfen, wenn sie verwelkt sind
+und die heilige Handlung vorber.
+
+(Sie nimmt ihren Mantel ab und trgt Mnnerkleidung wie am Anfang.)
+
+Nun la Deinen Knecht Gnade finden vor Deinen Augen.
+
+Ich bin nicht schn und vollkommen wie die Blumen, mit denen ich Dich
+ehrte. Ich bin voller Schuld und Fehler. Auf der groen Heerstrae der
+Welt bin ich ein Wanderer, meine Kleider sind beschmutzt, und Dornen
+haben meine Fe blutig gerissen. Wie knnte ich schn sein wie die
+Blumen, voll unbefleckter Lieblichkeit, fr die kurze Dauer eines
+Augenblicks? Die Gabe, die ich Dir voll Stolz darbringe, ist das Herz
+eines Weibes. Darinnen ist eingeschlossen aller Schmerz und alle Lust,
+alle Hoffnung, alle Furcht, alle Scham einer Erdentochter.
+
+Hier ist der Uranfang der Liebe, von hier aus ringt sie nach
+Unsterblichkeit. Im Herzen des Weibes liegt eine groe und erhabene
+Unvollkommenheit. Nun, da die Anbetung der Schnheit vorber, nimm
+diesen
+
+(auf sich zeigend)
+
+als Deinen Knecht fr kommende Tage.
+
+Ich bin Chitra, die Knigstochter. Vielleicht erinnerst Du Dich des
+Tages, als in Shivas Tempel ein Weib zu Dir trat, behangen mit Putz und
+Schmuck. Die Schamlose kam und warb um Dich wie ein Mann. Du stieest
+sie zurck, und Du tatest wohl daran. Herr, jenes Weib -- bin ich. Sie
+diente mir als Maske. Damals verlieh mir die gttliche Gnade fr ein
+Jahr die strahlendste Gestalt, die je einem Sterblichen wurde. Mit der
+Last jenes Betruges beschwerte ich meines Helden Herz. Dies Weib kann
+ich nicht sein.
+
+Ich bin Chitra. Keine Gttin bin ich, die man anbetet, aber auch nicht
+ein Gegenstand allgemeinen Mitleids, den man achtlos abschttelt wie ein
+Insekt. Wenn Du mich wrdig findest, Dir zur Seite zu stehen, wenn ich
+die groen Pflichten Deines Lebens teilen darf -- dann wirst Du mein
+wahres Wesen erkennen. Wenn Dein Kind, das ich in meinem Scho nhre,
+ein Sohn sein wird, will ich es lehren, ein zweiter Arjuna zu werden.
+Wenn die Zeit kommt, werde ich ihn zu Dir senden, und Du wirst endlich
+mein eigenstes Ich erkennen. Heute kann ich Dir nur Chitra darbringen,
+die Tochter eines Knigs.
+
+_Arjuna_
+
+Geliebte, mein Leben ist vollkommen erfllt.
+
+ENDE
+
+
+
+
+ANMERKUNGEN
+
+
+Zu Seite:
+
+ 5: _Pandava_ (so fr Pandara zu lesen). Das Knigsgeschlecht, von
+ dem das Mahabharata handelt, stammt von _Kuru_ ab; ein Zweig
+ derselben sind die Pandavas, fnf Brder (S. 50), zu denen der
+ Held Arjuna gehrt. Dieser stammt also auch aus dem Hause der
+ Kurus. (S. 9.)
+
+ 35: _Malati-Hain._ Malati ist der grobltige Jasmin.
+
+ 38: _Stephali-Blten_; lies _Sh_ephali. Sephalika ist der Strauch
+ vitex negundo, dessen Blten in Vasavadatta Abt. IV mit
+ Zinnoberkgelchen verglichen werden.
+
+ 53: _Kinsuka-Blte._ Der Kimsuka, Butea frondosa, ist ein
+ stattlicher Baum, dessen Zweige im Frhjahr mit groen
+ scharlachroten Schmetterlingsblten bedeckt sind. Die schne Blte
+ ist aber geruchlos.
+
+ 56: _Asoka-Blten._ Der Asokabaum, Jonesia Asoka, hat rote Blten.
+ Er spielt in der indischen Dichtung eine groe Rolle. Asoka
+ bedeutet Kummerlos.
+
+ * * * * *
+
+Tagore's Dichtung entspricht nicht dem Sinn der Sage. Er sagt S. 6 von
+Chitra's Vater: er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und
+zu seinem Erben gemacht. Der Text in Protap Chandra Roys bersetzung
+lautet: I have duly made her a _Putrika_. _putrika_ ist ein juristischer
+Ausdruck und bezeichnet eine Tochter, die mangels eines Sohnes (_putra_)
+die Familie ihres Vaters, nicht ihres Gatten fortpflanzen soll. Fr
+letzteren bedeutet also die Eingehung einer solchen Ehe den Verzicht auf
+die Fortpflanzung seiner Familie. Tagore hat dies offenbar nicht gewut
+und macht daher aus _putrika_ eine Tochter, die als Sohn (_putra_)
+erzogen wird! Das Epos kennt eine Sage, wo eine Prinzessin fr einen
+Prinz ausgegeben und als solcher erzogen wird (die Geschichte von
+_Sikhandin_). Diese Reminiszenz mag sich bei dem Dichter mit dem
+Sagenstoff, auf den er in der Vorrede hinweist, verschmolzen haben.
+
+ * * * * *
+
+Fr die Anmerkungen ist die bersetzerin dem Sanskritisten der Bonner
+Universitt, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Jacobi, zu Dank verpflichtet.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Chitra, by Rabindranath Tagore
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CHITRA ***
+
+***** This file should be named 44246-8.txt or 44246-8.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ http://www.gutenberg.org/4/4/2/4/44246/
+
+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
+
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
+protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
+charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you
+do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
+practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
+
+
+
+*** START: FULL LICENSE ***
+
+THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
+PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
+
+To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
+distribution of electronic works, by using or distributing this work
+(or any other work associated in any way with the phrase "Project
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+Gutenberg-tm License available with this file or online at
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+
+
+Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
+electronic works
+
+1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
+electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
+and accept all the terms of this license and intellectual property
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+If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
+Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
+terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
+entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
+
+1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
+used on or associated in any way with an electronic work by people who
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+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
+
+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
+individual work is in the public domain in the United States and you are
+located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
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+are removed. Of course, we hope that you will support the Project
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+and distributed to anyone in the United States without paying any fees
+or charges. If you are redistributing or providing access to a work
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+through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
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+1.E.9.
+
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+must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
+terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked
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+
+1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
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+work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
+
+1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
+electronic work, or any part of this electronic work, without
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+ has agreed to donate royalties under this paragraph to the
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+ prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
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+is also defective, you may demand a refund in writing without further
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+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
+
+1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
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+If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
+law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
+
+1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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+with this agreement, and any volunteers associated with the production,
+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit www.gutenberg.org/donate
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
+
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+The Project Gutenberg EBook of Chitra, by Rabindranath Tagore
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+Title: Chitra
+ Ein Spiel in einem Aufzug
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+Author: Rabindranath Tagore
+
+Translator: Elisabeth Wolff-Merck
+
+Release Date: November 21, 2013 [EBook #44246]
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+Language: German
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+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CHITRA ***
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+Produced by Norbert H. Langkau, Marc-Andre Seekamp and the
+Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
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+<p><a class="pagenum" name="Page_1" title="1"> </a></p>
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+<p class="title"><big>RABINDRANATH TAGORE</big></p>
+<h1>CHITRA</h1>
+<p class="title"><br />*<br />
+EIN SPIEL<br />
+IN EINEM AUFZUG<br />
+*</p>
+<p class="title space-above">KURT WOLFF VERLAG<br />
+LEIPZIG</p>
+<p><a class="pagenum" name="Page_2" title="2"> </a></p>
+
+<p class="infopage">
+<i>Einbandzeichnung von Walter Tiemann.</i><br />
+<i>Dritte unveränderte Auflage 1918.</i><br />
+<i>Die erste Auflage erschien 1914.</i><br />
+</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_3" title="3"> </a></p>
+
+<p class="infopage"><i>Berechtigte deutsche Übertragung von<br />
+ELISABETH WOLFF-MERCK<br />
+nach der von Rabindranath Tagore selbst<br />
+veranstalteten englischen Ausgabe</i></p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_4" title="4"> </a><br/><a class="pagenum" name="Page_5" title="5"> </a></p>
+
+<h2><a name="VORBEMERKUNG" id="VORBEMERKUNG">VORBEMERKUNG</a></h2>
+<p class="plain">Dieses lyrische Drama wurde vor ungefähr 25 Jahren geschrieben. Es setzt
+die Kenntnis der hier folgenden Fabel aus dem Mahabharata voraus:</p>
+
+<p class="plain">Während der Wanderungen, die Arjuna
+in Erfüllung eines Bußgelübdes unternahm, kam er nach Manipur. Dort sah
+er Chitrāngadā, die schöne Tochter von Chitravāhana, dem König des Landes,
+und von ihrer Anmut überwältigt, bat er den König um ihre Hand. Chitravāhana
+fragte ihn nach seiner Herkunft. Auf die Antwort, er sei Arjuna der <a href="#pandava">Pandara</a>, erzählte
+der König ihm, daß einer seiner Ahnen, Prabhanjana vom königlichen
+Stamme von Manipur, lange kinderlos geblieben<a class="pagenum" name="Page_6" title="6"> </a>
+war. Um einen Erben zu erhalten, legte er sich strenge Bußübungen auf. Die
+Strenge seines Lebens fand Gnade vor Shiva, und der Gott gewährte ihm und
+jedem seiner Nachkommen <em class="gesperrt">ein</em> Kind.</p>
+
+<p class="plain">Es geschah aber, daß das versprochene Kind stets ein Knabe war. Er, Chitravāhana,
+war der Erste, dem nur eine Tochter, Chitrāngadā, gewährt war, um das Geschlecht zu erhalten.</p>
+
+<p class="plain">Er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und zu seinem Erben gemacht. &mdash;</p>
+
+<p class="plain">Der König fährt in der Erzählung fort:
+»Der einzige Sohn, den sie gebären wird, muß der Erhalter meines Geschlechts
+sein, und diesen Sohn verlange ich als Kaufpreis für die Einwilligung in die Heirat.<a class="pagenum" name="Page_7" title="7"> </a>
+Wenn du willst, kannst du sie unter dieser Bedingung haben.« Arjuna gab das
+Versprechen, nahm Chitrāngadā zum Weibe und lebte mit ihr drei Jahre in ihres
+Vaters Hauptstadt. Als ihnen ein Sohn geboren wurde, umarmte er sie liebevoll,
+nahm Abschied von ihr und ihrem Vater und setzte seine Wanderung fort.</p>
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_8" title="8"> </a><br /><a class="pagenum" name="Page_9" title="9"> </a></p>
+
+<h2><a name="PERSONEN" id="PERSONEN">PERSONEN</a></h2>
+
+<p><span style="margin-left: 5em;">Götter:</span></p>
+
+<p class="personen"><i>Madana</i> (Eros).</p>
+<p class="personen"><i>Vasanta</i> (Lycoris).</p>
+
+<p><span style="margin-left: 5em;">Sterbliche:</span></p>
+
+<p class="personen"><i>Chitra</i>, Tochter des Königs von Manipur.</p>
+<p class="personen"><i>Arjuna</i>, ein Prinz aus dem Hause der Kuru. Er ist aus der Kshatriya oder
+Kriegerkaste und lebt während der Handlung als Eremit einsam im Wald.</p>
+<p class="personen"><i>Dorfleute</i> aus einer abgelegenen Gegend in Manipur.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_10" title="10"> </a></p>
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_11" title="11"> </a></p>
+
+<h2><a name="ERSTE_SZENE" id="ERSTE_SZENE">ERSTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Bist Du der Gott mit den fünf Pfeilen,
+der Gott der Liebe?</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich war der Erstgeborene im Herzen des Schöpfers. Ich binde mit Fesseln des
+Schmerzes und erfülle mit Seligkeit das Leben der Menschen!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich weiß, ich kenne jenen Schmerz und jene Fesseln! &mdash; Und wer bist Du, mein
+Herr?</p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Ich bin sein Freund &mdash; Vasanta &mdash; der<a class="pagenum" name="Page_12" title="12"> </a>
+König der Jahreszeiten. Tod und Alter würden die Welt bis ins Mark zerfressen,
+folgte ich ihnen nicht, um sie beständig zu bekämpfen. Ich bin die Ewige Jugend.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich beuge mich vor Dir, Vasanta, mein Herr.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Doch welch strenges Gelübde bindet Dich, schöne Fremde? Warum läßt Du
+Deine frische Jugend welken in Buße und Demütigung? Solch Opfer ist dem Dienst
+der Liebe fremd. Wer bist Du, und was ist Dein Gebet?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich bin Chitra, die Tochter aus dem
+königlichen Hause von Manipur. Shivas<a class="pagenum" name="Page_13" title="13"> </a>
+göttliche Gnade versprach meinem königlichen Ahnherrn eine ununterbrochene
+Reihe männlicher Nachkommen. Aber das Wort des Gottes vermochte nicht,
+den Lebensfunken in meiner Mutter Leib zu wandeln, so unbezwingbar war meine
+Natur, obschon ich ein Weib bin.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich weiß, darum erzieht Dich Dein Vater wie einen Sohn. Er hat Dich gelehrt mit
+dem Bogen umzugehen und Dich in allen Pflichten eines Königs unterwiesen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ja, darum trage ich männliches Gewand und habe die Abgeschiedenheit des
+Frauengemaches verlassen. Ich weiß nichts von Frauenlist, die die Herzen gewinnt.<a class="pagenum" name="Page_14" title="14"> </a>
+Meine starken Hände können den Bogen spannen, aber ich habe die Kunst
+des Liebesgottes nicht erlernt; das Spiel der Augen ist mir fremd.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Das erlernt sich von selbst, Du Schöne. Die Augen brauchen darin nicht unterrichtet
+zu werden. Das weiß der am besten, der von ihnen ins Herz getroffen wurde.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Auf der Suche nach Wild wanderte ich eines Tages einsam durch den Wald
+am Ufer des Purna-Flusses. Mein Roß band ich an einen Stamm und drang in's
+dichte Gestrüpp, der Spur eines Wildes folgend. Ich fand einen schmalen,<a class="pagenum" name="Page_15" title="15"> </a>
+gewundenen Pfad, der sich durch das Dämmer verschlungener Zweige schlang.
+Die Blätter erzitterten vom Grillengezirp. Plötzlich erspähte ich auf meinem Weg
+einen Mann, der auf einem Lager trockenen Laubes ruhte. Hochmütig befahl ich
+ihm, mir Platz zu machen, aber es kümmerte ihn nicht. Da stach ich ihn verächtlich
+mit der scharfen Spitze meines Pfeils. Er sprang auf, stark und ebenmäßig an
+Wuchs, gleich einer Flamme, die plötzlich aus einem Aschenhaufen züngelt.
+Ein belustigtes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, vielleicht ob meines knabenhaften
+Anblicks. Da &mdash; zum erstenmal in meinem Leben fühlte ich mich
+Weib und wußte, daß ein Mann vor mir stand.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_16" title="16"> </a></p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>In glückbegünstigter Stunde verkünde ich Mann und Weib die erhabene Lehre:
+Erkennet einander. &mdash; Was geschah dann?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Voll Angst und Staunen fragte ich ihn: »Wer bist Du?« »Ich bin Arjuna«, sagte
+er, »aus dem großen Stamme der Kuru«. Ich stand wie versteinert und vergaß mich
+zu verneigen. War das wirklich Arjuna, der Abgott meiner Träume, der Einzige,
+Große! Schon lange kannte ich sein Gelöbnis, zwölf Jahre in Keuschheit zu leben.
+Mein junger Ehrgeiz hatte mich manchen Tag angestachelt, mit ihm eine Lanze zu
+brechen, ihn verkappt zum Zweikampf
+zu fordern und ihm meine Waffenkunst<a class="pagenum" name="Page_17" title="17"> </a>
+zu beweisen. Ach töricht Herz, wohin entfloh Dein Stolz? Könnt' ich meine
+Jugend mit ihren Sehnsüchten hingeben, um Staub zu sein unter Deinen Füßen,
+wahrlich eine köstliche Gnade dünkte mir das. Ich weiß nicht, in welchem Strudel
+der Empfindung ich mich verlor, als ich ihn plötzlich zwischen den Bäumen entschwinden
+sah! &mdash; Du töricht Weib, du grüßtest ihn nicht und sprachest kein
+Wort, noch batest du ihn um Verzeihung, sondern standest wie ein ungeschickter
+Tölpel, während er verächtlich hinwegschritt!...
+Am nächsten Morgen legte ich meine Männerkleidung ab und schmückte
+mich mit Armbändern, Fußringen, einer Gürtelkette und einem Gewand aus purpurner
+Seide. Das ungewohnte Kleid<a class="pagenum" name="Page_18" title="18"> </a>
+schmiegte sich fest um meinen bebenden Leib; aber ich beschleunigte mein Suchen
+und fand Arjuna in Shiva's Waldtempel.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Vollende Deine Erzählung. Ich bin der herzgeborene Gott, und ich verstehe das
+Geheimnis dieser Triebe.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Nur undeutlich vermag ich mich zu erinnern, was ich sagte, und was ich zur
+Antwort bekam. Heiß' mich nicht alles erzählen. Scham überwältigte mich wie
+ein Donnerschlag und konnte mich doch nicht zerschmettern, so durchaus hart
+bin ich, so männlich. Als ich heimwärts
+schritt, stachen mich seine letzten Worte<a class="pagenum" name="Page_19" title="19"> </a>
+wie glühende Nadeln ins Ohr: »Ich habe Keuschheit gelobt. Ich kann Dein Gemahl
+nicht sein!« O, um das Gelübde eines Mannes! Sicherlich weißt Du, o Gott
+der Liebe, daß zahllose Heilige und Weise den Preis ihrer lebenslangen Buße hingegeben
+haben um eines Weibes willen. Ich brach meinen Bogen entzwei und verbrannte
+meine Pfeile im Feuer. Ich haßte meinen starken, geschmeidigen Arm, gezeichnet
+vom Spannen des Bogens. O Liebe, Liebe, Du hast tief in den Staub
+gebeugt den nichtigen Stolz meiner männlichen Stärke, und all meine Manneszucht
+liegt zermalmt zu Deinen Füßen. Nun lehre mich Deine Gebote. Gib mir
+die Kraft der Schwachen und die Waffe der wehrlosen Hand.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_20" title="20"> </a></p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich will Dein Freund sein. Ich will den weltenbezwingenden Arjuna vor Dein Angesicht
+bringen, ein Gefangener, der den Richtspruch seiner Empörung aus Deiner Hand empfangen soll.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Stünde mir nur die Zeit zu Gebot, ich könnte allmählich sein Herz gewinnen
+und brauchte der Götter Hilfe nicht. Zur Seite würde ich ihm stehen als Gefährte,
+die wilden Rosse seines Kriegswagens lenken, die Freuden der Jagd mit ihm
+teilen. Zur Nacht hielt ich Wache am Eingang seines Zeltes und hülfe ihm, die
+großen Pflichten eines Kshatriya erfüllen,
+die Schwachen zu befreien und Recht zu<a class="pagenum" name="Page_21" title="21"> </a>
+sprechen, wo es not tut. Sicherlich käme der Tag, an dem er mich erblicken und
+verwundert fragen würde: »Wer ist dieser Knabe? Ist einer meiner Sklaven aus
+einem früheren Leben, meinen guten Taten gleich, mir gefolgt ins Diesseits?« Ich
+bin nicht das Weib, das seine Verzweiflung mit nächtlichen Tränen in einsamer
+Stille nährt, sie täglich hinter geduldigen Lächeln verbirgt, als Witwe geboren.
+Die Blüte meines Verlangens soll nicht in den Staub sinken, ehe sie zur Frucht
+gereift ist. Aber es ist die Arbeit eines Lebens, Verständnis zu finden und Ehre
+zu erlangen für sein eigenstes Ich. Darum bin ich an Deine Tür gekommen, Du,
+weltenüberwindende Liebe, und Du, Vasanta,
+jugendlicher Gott der Jahreszeiten,<a class="pagenum" name="Page_22" title="22"> </a>
+nimm von meinem jungen Körper die angeborene Ungerechtigkeit der Häßlichkeit.
+Für einen einzigen Tag mache mich wunderbar schön, so schön wie die mit
+einem Mal in meinem Herzen erblühte Liebe. Gib mir nur einen einzigen Tag
+makelloser Schönheit, und ich will einstehen für die Tage, die da kommen.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Prinzessin, Dein Gebet sei erhört!</p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Nicht nur für einen kurzen Tag, sondern für ein ganzes langes Jahr soll der
+Frühlingsblüten Lieblichkeit sich um Deine Glieder schmiegen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_23" title="23"> </a></p>
+
+<h2><a name="ZWEITE_SZENE" id="ZWEITE_SZENE">ZWEITE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Träumte mir oder war Wirklichkeit, was ich am See sah? Im sinkenden Schatten
+des Abends saß ich auf moosigem Grund und dachte vergangener Jahre,
+als aus dem bergenden Dunkel der Blätter langsam eine Erscheinung trat in der vollkommenen
+Gestalt eines Weibes. Sie stand auf einem weißen, flachen Stein am
+Rande des Wassers. Es schien, als müsse das Herz der Erde sich weiten vor Freude
+unter ihren nackten weißen Füßen. Mir deuchte, die zarte Umhüllung ihres
+Körpers wollte sich in Verzückung auflösen
+in Luft, wie der goldene Frühnebel<a class="pagenum" name="Page_24" title="24"> </a>
+vom schneeigen Gipfel des östlichen Berges schmilzt. Sie beugte sich über den
+schimmernden Spiegel des Teiches und erblickte ihr Antlitz darin. Sie schrak zurück
+und stand still, dann lächelte sie, löste mit einer nachlässigen Bewegung
+des linken Arms ihr Haar, das bis zu ihren Füßen zur Erde niederglitt. Sie entblößte
+ihre Brust und betrachtete ihre makellos geformten Arme erfüllt von Zärtlichkeit
+für ihren Körper. Sie neigte den Kopf und sah ihre süße, blühende Jugend und das
+zarte Erröten ihrer flaumigen Haut. Sie strahlte in freudiger Überraschung. So
+würde die weiße Lotosblume den ganzen Tag über sich staunen, könnte sie des
+Morgens beim Erwachen, ihren Hals beugen
+und ihr Abbild im Wasser sehn. Aber<a class="pagenum" name="Page_25" title="25"> </a>
+einen Augenblick später wich das Lächeln von ihrem Antlitz, und ein Schatten von
+Trauer stieg in ihren Augen auf. Sie band ihre Haarflechten auf, zog den Schleier
+um ihre Schultern und schritt leise seufzend hinweg, wie ein schöner Abend,
+der in Nacht versinkt. Die erhabene Erfüllung aller Sehnsucht schien sich mir
+in einem Blitz geoffenbart zu haben und verlosch dann ... Aber wer bewegt die Türe?</p>
+
+<p>(Chitra tritt ein, in Frauenkleidern.)</p>
+
+<p>Ah! sie ist's! Stille mein Herz!...</p>
+
+<p>Fürchte nichts, Herrin! Ich bin ein Kshatriya.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Edler Herr, Du bist mein Gast. Ich
+wohne in diesem Tempel. Ich weiß nicht,<a class="pagenum" name="Page_26" title="26"> </a>
+wie ich Dir Gastfreundschaft erzeigen
+kann.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Schöne Frau, Dein Anblick allein ist die höchste Gastfreundschaft. Wenn Du
+mir's nicht verdenken willst, möchte ich Dich etwas fragen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Es sei Dir gewährt.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Welch strenges Gelübde hält Dich in diesen einsamen Tempelmauern gefangen
+und beraubt die Sterblichen Deines lieblichen Anblickes?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ich hege einen geheimen Wunsch in<a class="pagenum" name="Page_27" title="27"> </a>
+meinem Herzen, für dessen Erfüllung ich täglich Gebete zu Shiva sende.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ach, was kannst Du verlangen, die Du das Verlangen der ganzen Welt bist? Von
+dem östlichen Hügel, auf dessen Gipfel die Morgensonne zuerst ihren feurigen
+Fuß setzt, bis ans Ende des Abendlands bin ich gewandert. Ich habe das Köstlichste,
+Schönste und Größte der Erde gesehen. Mein Wissen soll Dein sein, nur
+sage mir, was oder wen Du suchst.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ihn, den ich suche, ihn kennen alle.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Wer mag dieser Liebling der Götter
+sein, der Dein Herz gefangen nahm?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_28" title="28"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Er ist der Größte aller Helden, ein Sproß des höchsten Herrscherhauses.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Herrin, opfere nicht diesen Schatz von Schönheit, der Dein ist, auf dem Altar
+eines falschen Ruhmes. Unwahres Gerücht verbreitet sich von Mund zu Mund,
+wie der Nebel im frühen Morgendämmer ehe die Sonne aufgeht. Sage mir, wer ist
+der erhabene Held aus höchstem königlichem Stamm?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Einsiedler, der Ruhm andrer Männer erfüllt Dich mit Neid. Weißt Du nicht,
+daß der Ruhm des königlichen Hauses der Kuru über die ganze Welt verbreitet ist?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_29" title="29"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Das Haus der Kuru!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Und hast Du nie den größten Namen dieses weitgerühmten Hauses gehört?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Laß ihn mich von Deinen eigenen Lippen hören.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Arjuna, der Welteroberer. Ich habe diesen unsterblichen Namen von den
+Lippen der Menge abgelesen und ihn sorgfältig in meinem Herzen verborgen. Einsiedler,
+was blickst Du so verwirrt drein? Trägt dieser Name nur trügerischen
+Glanz? Sag es, und ich will nicht zögern,
+den Schrein meines Herzens aufzubrechen<a class="pagenum" name="Page_30" title="30"> </a>
+und den falschen Edelstein in den Staub zu werfen.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ob auch sein Name und Ruhm, sein Mut und seine Tapferkeit wahr oder
+falsch sind, um des Mitleids willen verbanne ihn nicht aus Deinem Herzen,
+denn er kniet zu Deinen Füßen &mdash; in diesem Augenblick.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Du, Arjuna!</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ja, der bin ich, ein vor Liebe verschmachteter Bettler an deiner Tür.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>So ist es nicht wahr, daß Arjuna das Gelübde zwölf Jahre langer Keuschheit getan hat?</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_31" title="31"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Du hast meinen Schwur gelöst wie der Mond den nächtlichen Schwur der Dunkelheit.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Scham über Dich! Was sahst du in mir, das Dich Deinem eigenen Ich untreu
+werden ließ? Wen suchst du in diesen dunklen Augen, in diesen milchweißen
+Armen, wenn Du sie mit dem Preis Deiner Ehre zu bezahlen bereit bist? Nicht mein
+wahres Selbst, das weiß ich. Wahrlich das kann nicht Liebe sein, nicht des
+Mannes tiefste Ehrfurcht vor dem Weib! Wehe, daß der Körper, diese zerbrechliche
+Hülle, uns blendet, das Licht der
+unsterblichen Seele zu schauen! Ja, Arjuna,<a class="pagenum" name="Page_32" title="32"> </a>
+nun weiß ich gewiß, falsch ist der Ruhm Deines Heldentums.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>O, ich fühle wie eitel der Ruhm ist und der Stolz der Tapferkeit! Alles scheint
+Traum. Du allein bist vollkommen, Du bist der Reichtum der Welt, das Ende
+aller Armut, das Ziel alles Strebens, das Weib! Andere Frauen gibt's, langsam und
+schwer zu erkennen, aber Dich einen Augenblick lang zu sehn, heißt höchste
+Vollendung schauen, jetzt und in Ewigkeit.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ach nicht ich bin's, nicht ich, Arjuna! Es ist das Trugbild eines Gottes. Geh',
+geh' mein Held, geh'. Frei' nicht die Lüge, opfre dein großes Herz nicht einer Täuschung. Geh'.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_33" title="33"> </a></p>
+
+<h2><a name="DRITTE_SZENE" id="DRITTE_SZENE">DRITTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Nein, unmöglich ist's den brennenden Blick der hungrigen Seele auszuhalten,
+der mit Händen dich umklammert, zu fühlen, wie das Herz sich müht, die Fesseln
+zu sprengen, und den wilden Schrei, der sich ihm entringen will &mdash; und den
+Liebenden dann hinweg zu senden wie einen Bettler! Unmöglich ist's!</p>
+
+<p>(Madana und Vasanta treten auf.)</p>
+
+<p>Ach, Gott der Liebe, welch furchtbares Feuer hast Du in mich gesenkt! Ich verbrenne,
+versenge, was ich berühre.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich wünsche zu wissen, was in vergangener Nacht geschah.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_34" title="34"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Auf ein Lager von Gras, übersät mit
+Frühlingsblüten, legte ich mich am Abend
+nieder und gedachte des wunderbaren
+Lobgesangs meiner Schönheit, den ich
+von Arjuna gehört. Tropfen nach Tropfen
+trank ich den Honig, den ich am Tage
+gesammelt, Vergangenes und Zukünftiges
+war vergessen. Ich fühlte mich der Blume
+verwandt: ihr sind nur flüchtige Stunden
+vergönnt, dem summenden Schmeicheln,
+dem Flüstern und Murmeln der Wälder
+zu lauschen. Dann muß sie die Augen
+vom Himmel wenden, ihr Haupt beugen
+und ihren Atem aushauchen im Staub,
+klaglos den kurzen Traum eines vollkommenen
+Augenblicks beenden, der
+nicht Vergangenheit noch Zukunft kennt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_35" title="35"> </a></p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Ein grenzenloses Leben voller Ruhm
+kann blühen und sich erschöpfen an
+einem Morgen.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Wie Ewigkeits-Sinn im kleinsten Bruchteil
+eines Liedes sein kann.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Die südliche Brise wiegte mich in Schlaf.
+Von dem blühenden <a href="#malati">Malati-Hain</a> über
+mir tropften schweigend Küsse auf mich
+nieder. Jede Blume wählte sich ein Lager
+zum Sterben, in meinem Haar, auf meiner
+Brust oder meinen Füßen. Ich schlief.
+Und in der Tiefe meines Schlafes war
+mir plötzlich, als ob ein durchdringender,
+gieriger Blick meinen Körper berühre,<a class="pagenum" name="Page_36" title="36"> </a>
+wie der spitzige, stechende Finger der
+Flamme. Ich sprang auf und sah den Einsiedler
+vor mir stehen. Der Mond war
+westwärts gewandert und lugte durch die
+Blätter, um das Wunder zu sehen, das
+durch göttliche Kunst in zerbrechlicher
+Menschlichkeit erstanden war. Die Luft
+war schwer, duftgeschwängert, die Stille
+der Nacht klang vom Grillengezirp, regungslos
+lag das Spiegelbild der Bäume
+auf dem See. Und mit seinem Stab in der
+Hand stand der Einsiedler groß, aufrecht
+und schweigend wie ein Baum des Waldes.
+Mir war, da ich die Augen aufschlug,
+als sei ich abgeschieden von aller Wirklichkeit
+des Lebens, und es vollziehe sich
+an mir eine Wiedergeburt im Land der
+Träume. Scham fiel von mir und glitt<a class="pagenum" name="Page_37" title="37"> </a>
+wie ein gelöstes Gewand auf meine Füße
+nieder. Ich hörte seinen Schrei &mdash; »Geliebte,
+einzig Geliebte!« Und all' meine
+vergangenen, vergessenen Leben schmolzen
+zu einem und riefen ihm Antwort
+zu: »Nimm mich, nimm mich ganz zu
+eigen!« Und ich breitete meine Arme nach
+ihm aus. Der Mond sank hinter den Bäumen.
+Ein dunkler Vorhang bedeckte alles,
+Himmel und Erde, Zeit und Raum, Lust
+und Schmerz, Leben und Tod schmolzen
+in Eins in unsagbarer Verzückung....
+Mit dem ersten Morgenstrahl, dem ersten
+Vogelzwitschern richtete ich mich auf und
+blieb, auf den linken Arm gestützt, sitzen.
+Der Einsiedler lag schlafend, ein unbekümmertes
+Lächeln krümmte sich um
+seine Lippen, wie der wachsende Mond<a class="pagenum" name="Page_38" title="38"> </a>
+am Morgen. Der Dämmerung rosiges Glühen
+fiel auf seine edle Stirn. Ich seufzte,
+stand auf und zog die breitblättrigen Lianen
+zusammen, um sein Gesicht vor der
+flutenden Sonne zu schützen. Ich schaute
+umher und sah die gleiche alte Erde. Ich
+erinnerte mich, was ich gewesen und
+rannte, rannte wie ein Reh, das seinen
+eigenen Schatten fürchtet, den Waldpfad
+entlang, den <a href="#stephali">Stephali-Blumen</a> bedeckten.
+Ich fand einen einsamen Winkel, setzte
+mich nieder, barg mein Gesicht in beiden
+Händen, um zu weinen und zu klagen.
+Doch meine Augen blieben tränenlos.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Weh über Dich, Tochter der Sterblichen!
+Ich stahl aus den göttlichen Speichern<a class="pagenum" name="Page_39" title="39"> </a>
+den duftenden Wein des Himmels, gab ihn, eine irdische Nacht gefüllt bis
+zum Rande, in Deine Hände, auf daß Du tränkest &mdash; und immer hör' ich noch diesen Schrei der Qual!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+<p><span style="margin-left: 3em;">(bitter)</span></p>
+
+<p>Wer trank ihn? Des Lebens seltenste
+Erfüllung, erste Liebesumarmung bot
+man mir dar und entriß sie wieder meiner
+Sehnsucht? Diese erborgte Schönheit,
+die Falschheit, die mich umhüllt, sie werden
+von mir gleiten, wie Blüten im Wind
+entblättern, und die einzig sichtbare Erinnerung
+jener süßen Vereinigung mitnehmen,
+und voll Scham über seine Armut
+wird das Weib weinend sitzen &mdash;
+Tag und Nacht. Gott der Liebe, diese<a class="pagenum" name="Page_40" title="40"> </a>
+verfluchte äußere Gestalt begleitet mich
+Tag und Nacht, wie ein Dämon, und beraubt
+mich allen Liebeslohnes &mdash; all der
+Küsse, nach denen ich verschmachte.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ach, umsonst war Deine einzige Nacht! Die Barke der Erfüllung kam in Sicht,
+aber die Wellen ließen sie das Ufer nicht berühren.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Der Himmel war meinem Griff ganz nahe und ich vergaß für Augenblicke, daß
+ich ihn noch nicht erreicht hatte. Aber als ich des Morgens aus meinem Traum
+erwachte, fand ich im eigenen Körper die Rivalin. Nun ward mir die verhaßte
+Pflicht, sie täglich zu schmücken, zum<a class="pagenum" name="Page_41" title="41"> </a>
+Geliebten zu schicken und zu sehen, wie er sie liebkoste. O Gott, nimm Dein Geschenk
+zurück!</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Aber wie willst Du vor Deinen Geliebten treten, wenn ich es von Dir nehme?
+Ist es nicht grausam, den Becher von seinen Lippen zu reißen, nachdem er
+kaum einen Zug der Lust getan? Wie ärgerlich wirst Du ihm sein?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Und doch wäre es besser so. Ich will ihm
+meine wahrhaftige Gestalt zu erkennen
+geben, eine edlere Tat, als in dieser Maske
+zu leben. Wenn er mich auch verstößt
+und verschmäht, wenn er mein Herz auch
+bricht &mdash; schweigend will ich's tragen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_42" title="42"> </a></p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Hör' meinen Rat. Wenn die blumenerfüllte
+Jahreszeit vergangen, kommt der
+Herbst und mit ihm der Triumphzug der
+Früchte. Die Zeit wird kommen, da die
+überreife Blume des Leibes sich vergehend
+neigt. Dann wird Arjuna die bleibende
+fruchtgewordene Wahrheit aus
+Dir voll Glück hinnehmen. O Kind, geh'
+zurück zu Deiner rasenden Feier.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_43" title="43"> </a></p>
+
+<h2><a name="VIERTE_SZENE" id="VIERTE_SZENE">VIERTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum beobachtest Du mich, mein Krieger?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich sehe zu, wie Du den kleinen Kranz windest. Anmut und Geschick, die Zwillingsbrüder,
+spielen tanzend auf Deinen Fingerspitzen. Ich sehe zu und denke.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was denkst Du, Herr?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich denke, daß Du mit der gleichen
+schwebenden Berührung und Süßigkeit
+die Tage meiner Verbannung in einen<a class="pagenum" name="Page_44" title="44"> </a>
+unsterblichen Kranz windest, um mich
+zu meiner Heimkehr damit zu krönen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Heimkehr! Diese Liebe ist nichts für
+ein Heim!</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Nichts für ein Heim?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Nein, sprich nie davon. Nimm mit in
+Dein Heim das Bleibende, Starke. Laß
+die kleine wilde Blume an ihrem Geburtsort,
+laß sie dort in Schönheit sterben,
+wenn der Tag sich neigt, mit all den welkenden
+Blumen und den modernden
+Blättern. Nimm sie nicht mit in die Halle
+Deines Palastes, um sie dort auf den
+steinernen Boden zu werfen, der kein<a class="pagenum" name="Page_45" title="45"> </a>
+Erbarmen für Welken und Vergehen
+kennt.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Sieht so unsere Liebe aus?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ja, so und nicht anders! Was soll das
+Klagen? Was sich für müßige Tage schickt,
+sollte sie nicht überdauern. Lust wandelt
+sich in Schmerz, wenn ihr die Tür verschlossen
+ist, aus der sie scheiden soll.
+Nimm meine Liebe hin und halte sie, so
+lange sie währen darf. Laß nicht des
+Abends satte Zufriedenheit mehr fordern,
+als das morgendliche Verlangen ernten
+kann ... Der Tag ist vorüber. Nimm dies
+Blumengewinde. Ich bin müde. Nimm
+mich in Deine Arme, Geliebter, und laß<a class="pagenum" name="Page_46" title="46"> </a>
+alles eitle unzufriedene Gezänk verstummen
+in der süßen Vereinigung unserer
+Lippen.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Still, horch, Geliebte, der Klang der
+Gebetsglocken aus dem fernen Dorftempel
+gleitet auf der Abendluft über die
+schweigenden Wipfel.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_47" title="47"> </a></p>
+
+<h2><a name="FUENFTE_SZENE" id="FUENFTE_SZENE">FÜNFTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Ich kann nicht Schritt mit Dir halten,
+mein Freund! Ich bin müde. Schwer ist
+die Pflicht, das Feuer in Glut zu halten,
+das Du entzündet hast. Schlaf überkommt
+mich, der Fächer entfällt meiner
+Hand, und kalte Asche bedeckt die Glut.
+Ich fahre wieder auf aus meinem Schlummer
+und rette die träge Flamme, soweit
+es in meiner Macht steht. Aber so kann
+es nicht weiter gehen.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Ich weiß, Du bist unbeständig wie ein
+Kind. Ewig ruhelos ist Dein Spiel im
+Himmel und auf Erden. Was Du in langen<a class="pagenum" name="Page_48" title="48"> </a>
+Tagen aufgebaut mit endloser Sorge
+für jeden Bruchteil, in einem Augenblick
+zerstörst Du es wieder, ohne Bedauern.
+Aber unsere Arbeit ist heut vollendet.
+Freudengeflügelte Tage fliehen flüchtig
+dahin, und das sich neigende Jahr vergeht
+mit berückendem Blühen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_49" title="49"> </a></p>
+
+<h2><a name="SECHSTE_SZENE" id="SECHSTE_SZENE">SECHSTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich erwachte am Morgen und fand
+meine Träume in einen Edelstein verschmolzen.
+Ich hatte keinen Schrein, ihn
+darin zu verschließen, keine Königskrone,
+in die ich den Stein hätte fassen können,
+keine Kette hatte ich, ihn daran zu hängen,
+und doch brachte ich's nicht übers
+Herz, ihn wegzuweisen. So halte ich ihn,
+und mein Arm, der Arm eines Kshatriya,
+vergißt über müßigem Tun seine Pflicht.</p>
+
+<p>(Chitra tritt ein.)</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Sage mir Deine Gedanken, Herr!</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_50" title="50"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Meine Gedanken sind heute auf die
+Jagd gerichtet. Sieh, wie der Regen in
+Strömen herniederstürzt und wild gegen
+den Berghang schlägt. Dunkle Wolkenschatten
+hängen schwer über dem Wald,
+und gleich der sorglosen Jugend überspringt
+der geschwollene Strom mit spöttischem
+Lachen alle Schranken. Stets
+gingen wir fünf Brüder an solchen Regentagen
+in den Wald von Chitraka, wilde
+Tiere zu jagen. Das waren schöne Zeiten.
+Unsre Herzen tanzten zum Trommelwirbel
+der grollenden Wolken. Der
+Wald hallte wider von den Schreien der
+Pfauen. Durch das Klatschen des Regens
+und das Rauschen des Wasserfalles
+konnte das ängstliche Wild unsre Schritte<a class="pagenum" name="Page_51" title="51"> </a>
+nicht hören. Die Leoparden ließen ihre
+Spuren in der nassen Erde zurück und
+verrieten so ihr Lager. War die Jagd vorüber,
+so forderten wir uns auf dem Heimweg
+gegenseitig heraus, reißende Ströme
+zu durchschwimmen. Ein ruheloser Geist
+wohnt in mir, ich habe Sehnsucht nach
+der Jagd.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Erst erlege das Wild, das Du jetzt verfolgst.
+Bist Du gewiß, daß das verzauberte
+Tier, das Du jagst, unbedingt gefangen
+werden muß? Nein, noch nicht.
+Wie ein Traum entgleitet Dir das wilde
+Geschöpf, wenn es Dir am nächsten
+scheint. Sieh, wie der rasende Regen den
+Wind jagt und tausend Pfeile hinter ihm
+her sendet. Und doch bleibt der Wind<a class="pagenum" name="Page_52" title="52"> </a>
+frei und unbesiegt. So ist auch unser Waidwerk,
+Geliebter! Du jagst nach der schnellschreitenden
+Schönheit und versendest
+all Deine Pfeile nach ihr, und doch flieht
+dies zaubrische Wild stets frei und unberührt
+davon.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Hast Du kein Heim, Geliebte, wo liebende
+Herzen Deiner Rückkehr harren?
+Ein Heim, dem Du durch sanftes Dienen
+Lieblichkeit verliehst, und dessen Licht
+erlosch, als Du es für diese Wildnis verließest?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was fragst Du? Sind die Stunden der
+Lust vorbei, in denen es kein Denken
+gab? Weißt Du nicht, daß ich nur die bin,<a class="pagenum" name="Page_53" title="53"> </a>
+die Du vor Dir siehst? Mein Blick geht
+nicht über das Jetzt hinaus. Der Tau auf
+den Blättern der <a href="#kinsuka">Kinsuka-Blüte</a> hat weder
+Namen noch Schicksal, und gewährt keiner
+Frage Antwort. Sie, die Du liebst,
+gleicht jener vollkommenen Tauperle.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Verbindet sie kein Band mit der Welt?
+Ist sie nur ein Stück Himmel, das ein lustspendender
+Gott unachtsam zur Erde
+fallen ließ?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ja.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ach, darum ist mir immer, als müßte
+ich Dich verlieren. Mein Herz ist unbefriedigt,
+meine Gedanken friedlos. Komm
+näher zu mir, Unerreichbare! Ergib Dich<a class="pagenum" name="Page_54" title="54"> </a>
+und dulde die Fesseln, die da heißen:
+Name, Heim, Sippe. Laß mein Herz Dich
+ganz umschließen, und mit Dir leben in
+der ruhigen Sicherheit der Liebe.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum mühst Du Dich vergebens, die
+Farben der Wolken, den Tanz der Wellen,
+den Duft der Blumen zu haschen und
+zu halten?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Herrin mein, glaube nicht, daß Du mit
+Luftgebilden die Liebe befriedigen kannst.
+Gib mir etwas, woran ich Halt finde,
+etwas, das die Lust überdauert, das sich
+im Leid bewährt.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Mein Held, noch ist das Jahr nicht zu<a class="pagenum" name="Page_55" title="55"> </a>
+Ende, und schon bist Du müde! Ja, nun
+erkenne ich die himmlische Güte, die den
+Blumen ein kurzes Leben gab. Wäre ich
+mit den Blumen des letzten Frühlings
+verwelkt und gestorben, ich wäre mit
+Ehren dahingegangen. Doch meine Tage
+sind gezählt, Geliebter. Schone mich
+nicht, saug allen Honig aus mir, da Du
+voller Angst bist, daß Dein armes Herz
+wieder und wieder zurückkommt voll unerfüllter
+Wünsche und Begierden, gleich
+der durstigen Biene, wenn die Sommerblumen
+welk im Staub liegen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_56" title="56"> </a></p>
+
+<h2><a name="SIEBENTE_SZENE" id="SIEBENTE_SZENE">SIEBENTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM TEMPEL</big></p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Heute ist Deine letzte Nacht.</p>
+
+<p class="character">Vasanta</p>
+
+<p>Des Frühlings unerschöpfliche Schatzkammer
+wird morgen die Lieblichkeit
+Deines Körpers zurücknehmen. Die rosige
+Farbe Deiner Lippen wird in einem
+<a href="#asoka">Asoka-Blütenpaar</a> neu aufblühen, frei von
+der Erinnerung an Arjunas Küsse. In hundert
+duftenden Jasmin-Blumen wird der
+matte, weiße Glanz Deiner Haut auferstehen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>O Götter, erhört mein Gebet! Laßt
+meine Schönheit in der letzten Stunde<a class="pagenum" name="Page_57" title="57"> </a>
+dieser Nacht am hellsten erstrahlen, wie das letzte Aufleuchten einer sterbenden Flamme.</p>
+
+<p class="character">Madana</p>
+
+<p>Dein Wunsch sei Dir gewährt.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_58" title="58"> </a></p>
+
+<h2><a name="ACHTE_SZENE" id="ACHTE_SZENE">ACHTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Wer wird uns nun beschützen?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Was soll's, welche Gefahr droht Euch?</p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Die Räuber kommen in Scharen aus den nördlichen Bergen, wie die Flut des
+Gebirgsstromes, die unser Dorf verheert.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Habt ihr keine Wächter in Eurem Königreich?</p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Chitra, die Königstochter, war der
+Schrecken aller Bösen. Als sie noch in<a class="pagenum" name="Page_59" title="59"> </a>
+diesem glücklichen Lande weilte, kannten
+wir keine Furcht außer einer: sterben
+zu müssen. Nun ist Chitra auf einer Pilgerfahrt,
+und niemand kennt ihren Aufenthalt.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ist der Hüter dieses Landes ein Weib?</p>
+
+<p class="character">Die Dorfleute</p>
+
+<p>Ja, sie ist uns Vater und Mutter zugleich.</p>
+
+<p>(Die Dorfleute entfernen sich.
+Chitra tritt ein.)</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum sitzest Du hier so einsam?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich versuche mir vorzustellen, was für
+eine Frau die Prinzessin Chitra sein mag.<a class="pagenum" name="Page_60" title="60"> </a>
+Viele Menschen erzählen viele Geschichten
+von ihr.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Ach, sie ist nicht schön, sie hat nicht
+meine schönen Augen, die dunkel sind
+wie der Tod. Mit ihrem Geschoß kann
+sie jede Scheibe durchbohren, nur nicht
+das Herz unsres Helden.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Sie sagen, an Tapferkeit sei sie ein
+Mann, und ein Weib an Zärtlichkeit.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Und das gerade ist ihr größtes Unglück.
+Das Weib, das nur Weib ist, das mit
+seinem Lächeln, mit seinen Seufzern, und
+mit zarten Liebkosungen die Herzen der
+Männer einspinnt, ist allein glücklich.<a class="pagenum" name="Page_61" title="61"> </a>
+Was frommt ihr Weisheit und große
+Taten? Hättest Du die Prinzessin nur
+gestern sehen können, im Hof von Shivas
+Tempel, der am Waldpfad liegt, Du
+wärest vorübergegangen ohne sie eines
+Blickes zu würdigen. Bist Du denn weiblicher
+Schönheit so überdrüssig, daß Du
+in ihr männliche Kraft suchst?</p>
+
+<p>Aus grünen Blättern, feucht vom
+sprühenden Gischt des Wasserfalls, habe
+ich unser Bett zur Mittagsrast bereitet,
+in nachtdunkler Grotte. Die Kühle des
+weichen grünen Mooses, das dicht den
+tropfenden Stein bedeckt, küßt dort Deine
+Augen in Schlaf. Laß Dich dorthin geleiten.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Nein, heute nicht, Geliebte.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_62" title="62"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Warum nicht heute?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich habe von einer Räuberhorde gehört,
+die in die Ebene gekommen ist. Ich
+muß gehen meine Waffen bereiten, um
+die erschreckten Dorfleute zu beschützen.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Du brauchst Dich nicht um sie zu
+sorgen. Prinzessin Chitra hat starke Wächter
+an den Grenzpässen aufgestellt, ehe
+sie ihre Pilgerfahrt begann.</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Nur für kurze Zeit laß mich das Kriegshandwerk
+eines Kshatriya üben. Mit
+neuem Ruhm will ich diesen müßigen Arm
+bedecken, damit er Deinem Haupt ein
+würdigeres Kissen sei.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_63" title="63"> </a></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Doch, wenn ich mich weigere Dich
+gehen zu lassen, wenn meine Arme Dich
+umwunden halten? Würdest Du Dich
+roh von mir losreißen und mich verlassen?
+So geh! Aber wisse, daß die Liane &mdash;
+einmal entzweigebrochen &mdash; nie wieder
+zu einem Ganzen wird. Geh, wenn Dein
+Durst gestillt ist. Doch wenn nicht, denke
+daran, wie unbeständig die Göttin der
+Lust ist und daß sie nicht wartet auf den
+Menschen. Bleib noch eine Weile, Herr!
+Sage mir die unruhigen Gedanken, die
+Dich quälen. Wer nahm heute Deine
+Seele gefangen? War es Chitra?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ja, es ist Chitra. Mich nimmt wunder,
+um welches Gelübdes willen sie auf die<a class="pagenum" name="Page_64" title="64"> </a>
+Pilgerfahrt gegangen ist. Was mangelt
+ihr?</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was ihr mangelt? Ja, hat sie denn je
+etwas besessen, die Unglückliche? Es sind
+ja ihre eigensten Fähigkeiten, die sie mit
+Gefängnismauern umschließen und ihr
+Frauenherz in einer kahlen Zelle gefangen
+halten. Verdunkelt ist diese Frau und
+unerfüllt. Ihre Weibesliebe muß sich mit
+einem Lumpenkleide bescheiden, denn
+Schönheit blieb ihr versagt. Sie gleicht
+dem Geist eines freudlosen Morgens. Sie
+sitzt auf steinigem Berggipfel und dunkle
+Wolken haben ihr Licht ausgelöscht.
+Frag mich nicht nach ihrem Leben.
+Seine Geschichte klingt dem Ohr des
+Mannes nicht lieblich.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_65" title="65"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich brenne danach, alles von ihr zu
+hören. Ich bin wie ein Wanderer, der
+um Mitternacht an eine fremde Stadt
+kommt. Kuppeln, Türme und Gartenbäume
+sehen verschwommen und schattenhaft
+aus, und durch die Stille des
+Schlafes tönt hin und wieder das dumpfe
+Klagen des Meeres. Und er harrt sehnsüchtig
+auf den Morgen, der ihm alle die
+fremden Wunder offenbaren soll. O, erzähle
+mir ihre Geschichte.</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Was ist da mehr zu erzählen?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Meine Einbildung zaubert mir sie vor,
+wie sie auf weißem Rosse reitet, in der
+Linken die Zügel haltend und in der rechten<a class="pagenum" name="Page_66" title="66"> </a>
+Hand den Bogen, gleich der Liebesgöttin,
+die frohe Hoffnung spendet. Mit
+wilder Liebe schützt sie ihre säugenden
+Jungen wie eine wachsame Löwin. Auch
+des Weibes Arme, die nichts anderes als
+ungefesselte Kraft schmückt, sind schön!
+Mein Herz ist ruhelos, Du Liebliche, wie
+eine Schlange, die aus langem Winterschlaf
+erwacht. Komm, laß uns miteinander
+auf schnellen Rossen dahineilen,
+Seite an Seite, wie Zwillingsgestirne, die
+leuchtend den Raum durchmessen. Heraus
+aus diesem dunklen, grünen, einschläfernden
+Gefängnis, komm hervor
+unter der feuchten, duftenden, berauschenden
+Decke, die den Atem benimmt!</p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+
+<p>Arjuna, sag mir die Wahrheit: wenn<a class="pagenum" name="Page_67" title="67"> </a>
+ich mich jetzt plötzlich durch einen Zauber
+dieser wollüstigen Weichheit entledigen
+könnte, diesen zarten Schmelz der
+Schönheit abstreifte, der vor der derben,
+gesunden Berührung der Welt schaudert,
+und das alles von meinem Körper herunterrisse
+wie geborgtes Gewand &mdash; könntest
+Du das ertragen? Wenn ich mich
+aufrichte, grade und stark, mit der Kraft
+eines mutigen Herzens, und die Listen
+und Künste der kriechenden Schwachheit
+verächtlich von mir weise, wenn ich
+mein Haupt erhebe, wie die hohe, junge
+Bergtanne, und mich nicht länger im
+Staub winde, wie die Liane, &mdash; werde ich
+dann Gnade finden vor den Augen des
+Mannes? Nein, nein, Du könntest es nicht
+ertragen. Es ist besser, ich verstreue um<a class="pagenum" name="Page_68" title="68"> </a>
+mich all die zierlichen Spielereien flüchtiger
+Jugend und warte auf Dich in Geduld.
+Ist's Dir gefällig zurückzukehren,
+so will ich Dir lächelnd aus dem Becher
+dieses schönen Leibes den Wein der Lust
+schenken. Hast Du genug davon und bist
+Du müde, so will ich mich demütig und
+dankbar in den Winkel zurückziehen,
+den man mir gelassen hat. Wie gefiele
+es Deiner Heldenseele, hoffte die Gespielin
+der Nacht Deine Gefährtin am
+Tage zu sein? Wie, wenn der linke Arm
+die Last des stolzen rechten mit zu tragen
+lernte?</p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Ich werde Dich niemals richtig erkennen. Eine Göttin, verborgen in einem
+goldenen Heiligenbild scheinst Du mir.<a class="pagenum" name="Page_69" title="69"> </a>
+Ich kann Dich nicht berühren, ich kann Dir Deine unschätzbaren Gaben nicht
+vergelten. Und so bleibt meine Liebe unvollkommen. Aus der rätselhaften Tiefe
+Deiner traurigen Augen, aus Deinen spielerischen Worten, die ihre eigene Bedeutung
+verspotten, erhasche ich manchmal den Schimmer eines Wesens, das die
+schmachtende Anmut seines Körpers vernichten möchte. In der reinen Flamme
+des Leides, verborgen hinter des Lächelns zartem Schleier, sehnt es sich wieder zu
+erstehen. Ein Trugbild, erscheint uns die Wahrheit zuerst, in einer Verkleidung
+tritt sie vor den Geliebten hin. Aber es kommt eine Zeit, da sie Schleier und
+Schmuck abwirft und dasteht, bekleidet mit nackter Hoheit. Ich verzehre mich<a class="pagenum" name="Page_70" title="70"> </a>
+nach diesem letzten Du, nach jener einfachsten, wahrsten Klarheit. Was bedeuten
+die Tränen, mein Lieb? Warum verbirgst Du Dein Gesicht in den Händen?
+Hab ich Dir weh getan, mein Liebling? Vergiß, was ich sagte. Ich will mit der
+Gegenwart zufrieden sein. Wie der Vogel Geheimnis aus unsichtbarem, dunkelm
+Nest zu mir kommt, musikerfüllte Botschaft bringend, so komm Du zu mir und
+laß mich jeden Augenblick der Schönheit erleben. Laß mich und meine Hoffnung
+ewig am Ufer der Erfüllung sitzen und so meine Tage beschließen.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_71" title="71"> </a></p>
+
+<h2><a name="NEUNTE_SZENE" id="NEUNTE_SZENE">NEUNTE SZENE</a></h2>
+<p class="center"><big>IM WALD</big></p>
+
+<p class="character">Chitra</p>
+<p><span style="margin-left: 3em;">(in einen Mantel gehüllt.)</span></p>
+
+<p>Mein Herr, hast Du den Becher bis
+zur Neige geleert? Ist dies wirklich das
+Ende? Nein, wenn alles getan, so bleibt
+doch noch Eins, mein letztes Opfer, das
+ich zu Deinen Füßen darbringe. Aus dem
+himmlischen Garten brachte ich Blumen
+von unvergleichlicher Schönheit, Dich
+zu ehren, Gott meines Herzens.</p>
+
+<p>Ich will die Blumen aus dem Tempel
+hinauswerfen, wenn sie verwelkt sind und
+die heilige Handlung vorüber.</p>
+
+<p>(Sie nimmt ihren Mantel ab und trägt Männerkleidung wie am Anfang.)</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_72" title="72"> </a></p>
+
+<p>Nun laß Deinen Knecht Gnade finden vor Deinen Augen.</p>
+
+<p>Ich bin nicht schön und vollkommen
+wie die Blumen, mit denen ich Dich ehrte.
+Ich bin voller Schuld und Fehler. Auf
+der großen Heerstraße der Welt bin ich
+ein Wanderer, meine Kleider sind beschmutzt,
+und Dornen haben meine Füße
+blutig gerissen. Wie könnte ich schön
+sein wie die Blumen, voll unbefleckter
+Lieblichkeit, für die kurze Dauer eines
+Augenblicks? Die Gabe, die ich Dir voll
+Stolz darbringe, ist das Herz eines Weibes.
+Darinnen ist eingeschlossen aller Schmerz
+und alle Lust, alle Hoffnung, alle Furcht,
+alle Scham einer Erdentochter.</p>
+
+<p>Hier ist der Uranfang der Liebe, von
+hier aus ringt sie nach Unsterblichkeit.<a class="pagenum" name="Page_73" title="73"> </a>
+Im Herzen des Weibes liegt eine große
+und erhabene Unvollkommenheit. Nun,
+da die Anbetung der Schönheit vorüber,
+nimm diesen</p>
+
+<p>(auf sich zeigend)</p>
+
+<p>als Deinen Knecht für kommende Tage.</p>
+
+<p>Ich bin Chitra, die Königstochter. Vielleicht
+erinnerst Du Dich des Tages, als in
+Shivas Tempel ein Weib zu Dir trat, behangen
+mit Putz und Schmuck. Die
+Schamlose kam und warb um Dich wie
+ein Mann. Du stießest sie zurück, und
+Du tatest wohl daran. Herr, jenes Weib
+&mdash; bin ich. Sie diente mir als Maske. Damals
+verlieh mir die göttliche Gnade für
+ein Jahr die strahlendste Gestalt, die je
+einem Sterblichen wurde. Mit der Last
+jenes Betruges beschwerte ich meines<a class="pagenum" name="Page_74" title="74"> </a>
+Helden Herz. Dies Weib kann ich nicht
+sein.</p>
+
+<p>Ich bin Chitra. Keine Göttin bin ich,
+die man anbetet, aber auch nicht ein
+Gegenstand allgemeinen Mitleids, den
+man achtlos abschüttelt wie ein Insekt.
+Wenn Du mich würdig findest, Dir zur
+Seite zu stehen, wenn ich die großen
+Pflichten Deines Lebens teilen darf &mdash;
+dann wirst Du mein wahres Wesen erkennen.
+Wenn Dein Kind, das ich in meinem
+Schoß nähre, ein Sohn sein wird,
+will ich es lehren, ein zweiter Arjuna zu
+werden. Wenn die Zeit kommt, werde
+ich ihn zu Dir senden, und Du wirst endlich
+mein eigenstes Ich erkennen. Heute
+kann ich Dir nur Chitra darbringen, die
+Tochter eines Königs.</p>
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_75" title="75"> </a></p>
+
+<p class="character">Arjuna</p>
+
+<p>Geliebte, mein Leben ist vollkommen
+erfüllt.</p>
+
+<div class="center"><em class="gesperrt">ENDE</em></div>
+<hr class="chap" />
+
+<p><a class="pagenum" name="Page_76" title="76"> </a></p>
+
+
+
+<h2><a name="ANMERKUNGEN" id="ANMERKUNGEN">ANMERKUNGEN</a></h2>
+
+
+<p>Zu Seite:</p>
+
+<blockquote>
+
+<p><a name="pandava" /><a href="#Page_5">5</a>: <i>Pandava</i> (so für Pandaṟa zu lesen).
+Das Königsgeschlecht, von dem das
+Mahābhārata handelt, stammt von
+<i>Kuru</i> ab; ein Zweig derselben sind
+die Pāṇḍavas, fünf Brüder (S. <a href="#Page_50">50</a>), zu
+denen der Held Arjuna gehört. Dieser
+stammt also auch aus dem Hause
+der Kurus. (S. <a href="#Page_9">9</a>).</p>
+
+<p><a name="malati" /><a href="#Page_35">35</a>: <i>Malati-Hain.</i> Mālati ist der großblütige Jasmin.</p>
+
+<p><a name="stephali" /><a href="#Page_38">38</a>: <i>Stephali-Blüten</i>; lies <i>Sh</i>ephali. Śephālikā
+ist der Strauch vitex negundo, dessen Blüten in Vasavadatta Abt. IV
+mit Zinnoberkügelchen verglichen werden.</p>
+
+<p><a name="kinsuka" /><a href="#Page_53">53</a>: <i>Kinsuka-Blüte.</i> Der Kiṃśuka, Butea
+frondosa, ist ein stattlicher Baum,
+dessen Zweige im Frühjahr mit großen<a class="pagenum" name="Page_78" title="78"> </a>
+scharlachroten Schmetterlingsblüten bedeckt sind. Die schöne Blüte
+ist aber geruchlos.</p>
+
+<p><a name="asoka" /><a href="#Page_56">56</a>: <i>Asoka-Blüten.</i> Der Aśokabaum, Jonesia
+Asoka, hat rote Blüten. Er spielt in der indischen Dichtung eine große
+Rolle. Aśoka bedeutet »Kummerlos.«</p></blockquote>
+
+<hr class="tb" />
+
+<p>Tagore's Dichtung entspricht nicht dem Sinn der Sage. Er sagt S. <a href="#Page_6">6</a> von Chitrā's
+Vater: »er hatte sie deshalb stets wie einen Sohn gehalten und zu seinem Erben gemacht«.
+Der Text in Protap Chandra Roys Übersetzung lautet: I have duly
+made her a <i>Putrikā</i>. <i>putrikā</i> ist ein juristischer
+Ausdruck und bezeichnet eine
+Tochter, die mangels eines Sohnes (<i>putra</i>)
+die Familie ihres Vaters, nicht ihres Gatten
+fortpflanzen soll. Für letzteren bedeutet<a class="pagenum" name="Page_79" title="79"> </a>
+also die Eingehung einer solchen
+Ehe den Verzicht auf die Fortpflanzung
+seiner Familie. Tagore hat dies offenbar
+nicht gewußt und macht daher aus <i>putrikā</i>
+eine Tochter, die als Sohn (<i>putra</i>)
+erzogen wird! Das Epos kennt eine Sage,
+wo eine Prinzessin für einen Prinz ausgegeben
+und als solcher erzogen wird
+(die Geschichte von <i>Śikhandin</i>). Diese
+Reminiszenz mag sich bei dem Dichter
+mit dem Sagenstoff, auf den er in der Vorrede
+hinweist, verschmolzen haben.</p>
+
+<hr class="tb" />
+
+<p>Für die Anmerkungen ist die Übersetzerin dem Sanskritisten der Bonner
+Universität, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Jacobi, zu Dank verpflichtet.</p>
+
+
+
+
+
+
+
+
+<pre>
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Chitra, by Rabindranath Tagore
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CHITRA ***
+
+***** This file should be named 44246-h.htm or 44246-h.zip *****
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+
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+works. See paragraph 1.E below.
+
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+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
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+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
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+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
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+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
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+For additional contact information:
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+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
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+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
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+approach us with offers to donate.
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+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
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+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
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+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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+
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+</pre>
+
+</body>
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