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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Über Psychoanalyse + Fünf Vorlesungen + +Author: Sigmund Freud + +Release Date: February 17, 2007 [EBook #20613] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ÜBER PSYCHOANALYSE *** + + + + +Produced by Markus Brenner, Chris Nash and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + + + + + + + + + ÜBER PSYCHOANALYSE + + von + + SIGMUND FREUD + + + + + INHALTSVERZEICHNIS + + + Titelseite und Widmung. . . . . . . . . -- + + I. Vorlesung. . . . . . . . . . . 1 + + Über die Entstehung und Entwicklung der Psychoanalyse. . 2 + Die Hysterie. . . . . . . . . . 4 + Der Fall Dr. Breuers. . . . . . . . . 5 + Die »Talking cure«. . . . . . . . . 7 + Die Entstehung der Symptome aus psychischen Traumen. . . 8 + Symptome als Erinnerungssymbole. . . . . . . 10 + Fixierung an die Traumen. . . . . . . . 11 + Das Abreagieren der Affekte. . . . . . . 12 + Die hysterische Konversion. . . . . . . . 13 + Die psychische Spaltung. . . . . . . . 14 + Hypnoide Zustände. . . . . . . . . 15 + + II. Vorlesung. . . . . . . . . . . 16 + + Charcots und Janets Forschungen. . . . . . . 17 + Änderung der Technik. . . . . . . . . 18 + Verzicht auf die Hypnose. . . . . . . . 19 + Verdrängung und Widerstand. . . . . . . . 20 + Beispiel einer Verdrängung. . . . . . . . 21 + Dynamische Auffassung der seelischen Spaltung. . . . 22 + Symptombildung infolge mißglückter Verdrängung. . . . 24 + Ziel der Psychoanalyse.. . . . . . . . 26 + + III. Vorlesung. . . . . . . . . . . 27 + + Die Technik des Erratens aus freien Einfällen des Kranken. 28 + Die indirekte Darstellung. . . . . . . . 30 + Die psychoanalytische Grundregel. . . . . . 31 + Das Assoziationsexperiment. . . . . . . . 32 + Die Traumdeutung. . . . . . . . . . 33 + Manifester Trauminhalt und latente Traumgedanken. . . 34 + Die Wunscherfüllung im Traume. . . . . . . 36 + Die Traumarbeit. . . . . . . . . . 37 + Die Fehl-, Symptom- und Zufallshandlungen. . . . . 38 + Einwendungen gegen die Psychoanalyse. . . . . . 40 + + IV. Vorlesung. . . . . . . . . . . 42 + + Die Sexualität in der Ätiologie. . . . . . . 43 + Die infantile Sexualität. . . . . . . . 44 + Ein amerikanischer Beobachter über die Liebe im Kindesalter. 45 + Psychoanalysen an Kindern. . . . . . . . 46 + Die Phase des Autoerotismus. . . . . . . 47 + Die Objektwahl. . . . . . . . . . 48 + Endgestaltung des normalen Sexuallebens. . . . . 49 + Zusammenhang von Neurose und Perversion. . . . . 50 + Der Kernkomplex der Neurosen. . . . . . . 52 + Die Ablösung des Kindes von den Eltern. . . . . 53 + + V. Vorlesung. . . . . . . . . . . 54 + + Regression und Phantasie. . . . . . . . 55 + Neurose und Kunst. . . . . . . . . 56 + Die Übertragung. . . . . . . . . . 57 + Die Angst vor der Befreiung des Verdrängten. . . . 59 + Ausgänge der psychoanalytischen Arbeit. . . . . 60 + Das schädliche Übermaß der Sexualverdrängung. . . . 62 + + Anmerkungen zur Transkription. . . . . . . -- + + + + + ÜBER + + PSYCHOANALYSE + + + FÜNF VORLESUNGEN + + GEHALTEN ZUR 20JÄHRIGEN GRÜNDUNGSFEIER + + DER + + CLARK UNIVERSITY IN WORCESTER MASS. + + SEPTEMBER 1909. + + + VON + + Prof. Dr. Sigm. Freud LL. D. + + + + + LEIPZIG UND WIEN + + _FRANZ DEUTICKE_ + + 1910. + + + + + Verlags-Nr. 1701. + + K. und K. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen. + + + + + Herrn + + G. Stanley Hall, Ph. D., LL. D. + Präsidenten der Clark University, + Professor der Psychologie und Pädagogik + + in Dankbarkeit + + zugeeignet. + + + + + I. + + +Meine Damen und Herren! Es ist mir ein neuartiges und verwirrendes +Gefühl, als Vortragender vor Wißbegierigen der Neuen Welt zu stehen. Ich +nehme an, daß ich diese Ehre nur der Verknüpfung meines Namens mit dem +Thema der Psychoanalyse verdanke, und beabsichtige daher, Ihnen von +Psychoanalyse zu sprechen. Ich will es versuchen, Ihnen in gedrängtester +Kürze einen Überblick über die Geschichte der Entstehung und weiteren +Fortbildung dieser neuen Untersuchungs- und Heilmethode zu geben. + +Wenn es ein Verdienst ist, die Psychoanalyse ins Leben gerufen zu haben, +so ist es nicht mein Verdienst. Ich bin an den ersten Anfängen derselben +nicht beteiligt gewesen. Ich war Student und mit der Ablegung meiner +letzten Prüfungen beschäftigt, als ein anderer Wiener Arzt, Dr. Josef +_Breuer_,[1] dieses Verfahren zuerst an einem hysterisch +erkrankten Mädchen anwendete (1880-1882). Mit dieser Kranken- und +Behandlungsgeschichte wollen wir uns nun zunächst beschäftigen. Sie +finden dieselbe ausführlich dargestellt in den später von _Breuer_ und +mir veröffentlichten »Studien über Hysterie«.[2] + + [1] Dr. Josef _Breuer_, geb. 1842, korrespondierendes Mitglied der + k. Akademie der Wissenschaften, bekannt durch Arbeiten über die + Atmung und zur Physiologie des Gleichgewichtssinnes. + + [2] Studien über Hysterie. 1895. Fr. Deuticke, Wien, 2. Aufl., + 1909. Stücke meines Anteils an diesem Buch sind von + Dr. A. A. _Brill_ in New York ins Englische übertragen worden + (Selected papers on Hysteria and other Psychoneuroses by S. Freud, + Nr. 4 der »Nervous and Mental Disease Monograph Series«, New + York). + +Vorher nur noch eine Bemerkung. Ich habe nicht ohne Befriedigung +erfahren, daß die Mehrzahl meiner Zuhörer nicht dem ärztlichen Stande +angehört. Besorgen Sie nun nicht, daß es besonderer ärztlicher +Vorbildung bedarf, um meinen Mitteilungen zu folgen. Wir werden +allerdings ein Stück weit mit den Ärzten gehen, aber bald werden wir uns +absondern und Dr. _Breuer_ auf einen ganz eigenartigen Weg begleiten. + +Dr. _Breuers_ Patientin, ein 21jähriges, geistig hochbegabtes Mädchen, +entwickelte im Verlaufe ihrer über zwei Jahre ausgedehnten Krankheit +eine Reihe von körperlichen und seelischen Störungen, die es wohl +verdienten, ernst genommen zu werden. Sie hatte eine steife Lähmung der +beiden rechtsseitigen Extremitäten mit Unempfindlichkeit derselben, +zeitweise dieselbe Affektion an den Gliedern der linken Körperseite, +Störungen der Augenbewegungen und mannigfache Beeinträchtigungen des +Sehvermögens, Schwierigkeiten der Kopfhaltung, eine intensive Tussis +nervosa, Ekel vor Nahrungsaufnahme und einmal durch mehrere Wochen eine +Unfähigkeit zu trinken trotz quälenden Durstes, eine Herabsetzung des +Sprachvermögens, die bis zum Verlust der Fähigkeit fortschritt, ihre +Muttersprache zu sprechen oder zu verstehen, endlich Zustände von +Abwesenheit, Verworrenheit, Delirien, Alteration ihrer ganzen +Persönlichkeit, denen wir unsere Aufmerksamkeit später werden zuwenden +müssen. + +Wenn Sie von einem solchen Krankheitsbilde hören, so werden Sie, auch +ohne Ärzte zu sein, der Annahme zuneigen, daß es sich um ein schweres +Leiden, wahrscheinlich des Gehirns, handle, welches wenig Aussicht auf +Herstellung biete und zur baldigen Auflösung der Kranken führen dürfte. +Lassen Sie sich indes von den Ärzten belehren, daß für eine Reihe von +Fällen mit so schweren Erscheinungen eine andere und weitaus günstigere +Auffassung berechtigter ist. Wenn ein solches Krankheitsbild bei einem +jugendlichen weiblichen Individuum auftritt, dessen lebenswichtige +innere Organe (Herz, Niere) sich der objektiven Untersuchung normal +erweisen, das aber heftige _gemütliche_ Erschütterungen erfahren hat, +und wenn die einzelnen Symptome in gewissen feineren Charakteren von der +Erwartung abweichen, dann nehmen die Ärzte einen solchen Fall nicht zu +schwer. Sie behaupten, daß dann nicht ein organisches Leiden des Gehirns +vorliegt, sondern jener rätselhafte, seit den Zeiten der griechischen +Medizin _Hysterie_ benannte Zustand, der eine ganze Anzahl von Bildern +ernster Erkrankung vorzutäuschen vermöge. Sie halten dann das Leben für +nicht bedroht und eine selbst vollkommene Herstellung der Gesundheit für +wahrscheinlich. Die Unterscheidung einer solchen Hysterie von einem +schweren organischen Leiden ist nicht immer sehr leicht. Wir brauchen +aber nicht zu wissen, wie eine Differentialdiagnose dieser Art gemacht +wird; uns mag die Versicherung genügen, daß gerade der Fall von +_Breuers_ Patientin ein solcher ist, bei dem kein kundiger Arzt die +Diagnose der Hysterie verfehlen wird. Wir können auch an dieser Stelle +aus dem Krankheitsbericht nachtragen, daß ihre Erkrankung auftrat, +während sie ihren zärtlich geliebten Vater in seiner schweren, zum Tode +führenden Krankheit pflegte, und daß sie infolge ihrer eigenen +Erkrankung von der Pflege zurücktreten mußte. + +Soweit hat es uns Vorteil gebracht, mit den Ärzten zu gehen, und nun +werden wir uns bald von ihnen trennen. Sie dürfen nämlich nicht +erwarten, daß die Aussicht eines Kranken auf ärztliche Hilfeleistung +dadurch wesentlich gesteigert wird, daß die Diagnose der Hysterie an +die Stelle des Urteils auf ernste organische Hirnaffektion tritt. Gegen +die schweren Erkrankungen des Gehirns ist die ärztliche Kunst in den +meisten Fällen ohnmächtig, aber auch gegen die hysterische Affektion +weiß der Arzt nichts zu tun. Er muß es der gütigen Natur überlassen, +wann und wie sie seine hoffnungsvolle Prognose verwirklichen will.[3] + + [3] Ich weiß, daß diese Behauptung heute nicht mehr zutrifft, aber + im Vortrage versetze ich mich und meine Hörer zurück in die Zeit + vor 1880. Wenn es seither anders geworden ist, so haben gerade die + Bemühungen, deren Geschichte ich skizziere, daran einen großen + Anteil. + +Mit der Erkennung der Hysterie wird also für den Kranken wenig geändert; +desto mehr ändert sich für den Arzt. Wir können beobachten, daß er sich +gegen den hysterischen ganz anders einstellt als gegen den organisch +Kranken. Er will dem ersteren nicht dieselbe Teilnahme entgegenbringen +wie dem letzteren, da sein Leiden weit weniger ernsthaft ist und doch +den Anspruch zu erheben scheint, für ebenso ernsthaft zu gelten. Aber es +wirkt noch anderes mit. Der Arzt, der durch sein Studium so vieles +kennen gelernt hat, was dem Laien verschlossen ist, hat sich von den +Krankheitsursachen und Krankheitsveränderungen, z. B. im Gehirn eines an +Apoplexie oder Neubildung Leidenden Vorstellungen bilden können, die bis +zu einem gewissen Grade zutreffend sein müssen, da sie ihm das +Verständnis der Einzelheiten des Krankheitsbildes gestatten. Vor den +Details der hysterischen Phänomene läßt ihn aber all sein Wissen, seine +anatomisch-physiologische und pathologische Vorbildung im Stiche. Er +kann die Hysterie nicht verstehen, er steht ihr selbst wie ein Laie +gegenüber. Und das ist nun niemandem recht, der sonst auf sein Wissen so +große Stücke hält. Die Hysterischen gehen also seiner Sympathie +verlustig; er betrachtet sie wie Personen, welche die Gesetze seiner +Wissenschaft übertreten, wie die Rechtgläubigen die Ketzer ansehen; er +traut ihnen alles mögliche Böse zu, beschuldigt sie der Übertreibung und +der absichtlichen Täuschung, Simulation; und er bestraft sie durch die +Entziehung seines Interesses. + +Diesen Vorwurf hat nun Dr. _Breuer_ bei seiner Patientin nicht verdient; +er schenkte ihr Sympathie und Interesse, obwohl er ihr anfangs nicht zu +helfen verstand. Wahrscheinlich erleichterte sie es ihm auch durch die +vorzüglichen Geistes- und Charaktereigenschaften, für die er in der von +ihm abgefaßten Krankengeschichte Zeugnis ablegt. Seine liebevolle +Beobachtung fand auch bald den Weg, der die erste Hilfeleistung +ermöglichte. + +Es war bemerkt worden, daß die Kranke in ihren Zuständen von Absenz, +psychischer Alteration mit Verworrenheit, einige Worte vor sich hin zu +murmeln pflegte, welche den Eindruck machten, als stammten sie aus einem +Zusammenhange, der ihr Denken beschäftige. Der Arzt, der sich diese +Worte berichten ließ, versetzte sie nun in eine Art von Hypnose und +sagte ihr jedesmal diese Worte wieder vor, um sie zu veranlassen, daß +sie an dieselben anknüpfe. Die Kranke ging darauf ein und reproduzierte +so vor dem Arzt die psychischen Schöpfungen, die sie während der +Absenzen beherrscht und sich in jenen vereinzelt geäußerten Worten +verraten hatten. Es waren tieftraurige, oft poetisch schöne Phantasien, +Tagträume würden wir sagen, die gewöhnlich die Situation eines Mädchens +am Krankenbett seines Vaters zum Ausgangspunkt nahmen. Hatte sie eine +Anzahl solcher Phantasien erzählt, so war sie wie befreit und ins +normale seelische Leben zurückgeführt. Das Wohlbefinden, das durch +mehrere Stunden anhielt, wich dann am nächsten Tage einer neuerlichen +Absenz, welche auf dieselbe Weise durch Aussprechen der neu gebildeten +Phantasien aufgehoben wurde. Man konnte sich dem Eindrucke nicht +entziehen, daß die psychische Veränderung, die sich in den Absenzen +äußerte, eine Folge des Reizes sei, der von diesen höchst affektvollen +Phantasiebildungen ausging. Die Patientin selbst, die um diese Zeit +ihres Krankseins merkwürdigerweise nur Englisch sprach und verstand, gab +dieser neuartigen Behandlung den Namen »talking cure« oder bezeichnete +sie scherzhaft als »chimney sweeping«. + +Es ergab sich bald wie zufällig, daß man durch solches Reinfegen der +Seele noch mehr erreichen könne als vorübergehende Beseitigung der immer +wiederkehrenden seelischen Trübungen. Es ließen sich auch +Leidenssymptome zum Verschwinden bringen, wenn in der Hypnose unter +Affektäußerung erinnert wurde, bei welchem Anlaß und kraft welches +Zusammenhanges diese Symptome zuerst aufgetreten waren. »Es war im +Sommer eine Zeit intensiver Hitze gewesen und Patientin hatte sehr arg +durch Durst gelitten; denn, ohne einen Grund angeben zu können, war ihr +plötzlich unmöglich geworden, zu trinken. Sie nahm das ersehnte Glas +Wasser in die Hand, aber sowie es die Lippen berührte, stieß sie es weg +wie ein Hydrophobischer. Dabei war sie offenbar für diese paar Sekunden +in einer Absenz. Sie lebte nur von Obst, Melonen u. dgl., um den +qualvollen Durst zu mildem. Als das etwa sechs Wochen gedauert hatte, +räsonierte sie einmal in der Hypnose über ihre englische +Gesellschafterin, die sie nicht liebte, und erzählte dann mit allen +Zeichen des Abscheus, wie sie auf deren Zimmer gekommen sei, und da +deren kleiner Hund, das ekelhafte Tier, aus einem Glas getrunken habe. +Sie habe nichts gesagt, denn sie wollte höflich sein. Nachdem sie ihrem +steckengebliebenen Ärger noch energisch Ausdruck gegeben, verlangte sie +zu trinken, trank ohne Hemmung eine große Menge Wasser und erwachte aus +der Hypnose mit dem Glas an den Lippen. Die Störung war damit für immer +verschwunden.«[4] + + [4] Studien über Hysterie, 2. Aufl., p. 26. + +Gestatten Sie, daß ich Sie bei dieser Erfahrung einen Moment aufhalte! +Niemand hatte noch ein hysterisches Symptom durch solche Mittel +beseitigt und war dabei so tief in das Verständnis seiner Verursachung +eingedrungen. Es mußte eine folgenschwere Entdeckung werden, wenn sich +die Erwartung bestätigen ließ, daß noch andere, daß vielleicht die +Mehrzahl der Symptome bei der Kranken auf solche Weise entstanden und +auf solche Weise aufzuheben war. _Breuer_ scheute die Mühe nicht, sich +davon zu überzeugen, und forschte nun planmäßig der Pathogenese der +anderen und ernsteren Leidenssymptome nach. Es war wirklich so; fast +alle Symptome waren so entstanden als Reste, als Niederschläge, wenn Sie +wollen, von affektvollen Erlebnissen, die wir darum später »psychische +Traumen« genannt haben, und ihre Besonderheit klärte sich durch die +Beziehung zu der sie verursachenden traumatischen Szene auf. Sie waren, +wie das Kunstwort lautet, durch die Szenen, deren Gedächtnisreste sie +darstellten, _determiniert_, brauchten nicht mehr als willkürliche oder +rätselhafte Leistungen der Neurose beschrieben zu werden. Nur einer +Abweichung von der Erwartung sei gedacht. Es war nicht immer ein +einziges Erlebnis, welches das Symptom zurückließ, sondern meist waren +zahlreiche, oft sehr viele ähnliche, wiederholte Traumen zu dieser +Wirkung zusammengetreten. Diese ganze Kette von pathogenen Erinnerungen +mußte dann in chronologischer Reihenfolge reproduziert werden, und zwar +umgekehrt, die letzte zuerst und die erste zuletzt, und es war ganz +unmöglich, zum ersten und oft wirksamsten Trauma mit Überspringung der +später erfolgten vorzudringen. + +Sie werden nun gewiß noch andere Beispiele von Verursachung hysterischer +Symptome als das der Wasserscheu durch den Ekel vor dem aus dem Glas +trinkenden Hund von mir hören wollen. Ich muß mich aber, wenn ich mein +Programm einhalten will, auf sehr wenige Proben beschränken. So erzählt +_Breuer_, daß ihre Sehstörungen sich auf Anlässe zurückführten »in der +Art, daß Patientin mit Tränen im Auge, am Krankenbett sitzend, plötzlich +vom Vater gefragt wurde, wieviel Uhr es sei, undeutlich sah, sich +anstrengte, die Uhr nahe ans Auge brachte und nun das Zifferblatt sehr +groß erschien (Makropsie und Strabismus conv.); oder Anstrengungen +machte, die Tränen zu unterdrücken, damit sie der Kranke nicht sehe«.[5] +Alle pathogenen Eindrücke stammten übrigens aus der Zeit, da sie sich an +der Pflege des erkrankten Vaters beteiligte. »Einmal wachte sie nachts +in großer Angst um den hochfiebernden Kranken und in Spannung, weil von +Wien ein Chirurg zur Operation erwartet wurde. Die Mutter hatte sich für +einige Zeit entfernt, und Anna saß am Krankenbette, den rechten Arm über +die Stuhllehne gelegt. Sie geriet in einen Zustand von Wachträumen und +sah, wie von der Wand her eine schwarze Schlange sich dem Kranken +näherte, um ihn zu beißen. (Es ist sehr wahrscheinlich, daß auf der +Wiese hinter dem Hause wirklich einige Schlangen vorkamen, über die das +Mädchen schon früher erschrocken war, und die nun das Material der +Halluzination abgaben.) Sie wollte das Tier abwehren, war aber wie +gelähmt; der rechte Arm, über die Stuhllehne hängend, war +'eingeschlafen', anästhetisch und paretisch geworden, und als sie ihn +betrachtete, verwandelten sich die Finger in kleine Schlangen mit +Totenköpfen (Nägel). Wahrscheinlich machte sie Versuche, die Schlange +mit der gelähmten rechten Hand zu verjagen, und dadurch trat die +Anästhesie und Lähmung derselben in Assoziation mit der +Schlangenhalluzination. Als diese verschwunden war, wollte sie in ihrer +Angst beten, aber jede Sprache versagte, sie konnte in keiner sprechen, +bis sie endlich einen _englischen_ Kindervers fand und nun auch in +dieser Sprache fortdenken und beten konnte.«[6] Mit der Erinnerung +dieser Szene in der Hypnose war auch die seit Beginn der Krankheit +bestehende steife Lähmung des rechten Armes beseitigt und die Behandlung +beendigt. + + [5] Studien über Hysterie, 2. Aufl., p. 31. + + [6] l. c. p. 30. + +Als ich eine Anzahl von Jahren später die _Breuer_sche Untersuchungs- und +Behandlungsmethode an meinen eigenen Kranken zu üben begann, machte ich +Erfahrungen, die sich mit den seinigen vollkommen deckten. Bei einer +etwa 40jährigen Dame bestand ein Tic, ein eigentümlich schnalzendes +Geräusch, das sie bei jeder Aufregung und auch ohne ersichtlichen Anlaß +hervorbrachte. Es hatte seinen Ursprung in zwei Erlebnissen, denen +gemeinsam war, daß sie sich vornahm, jetzt ja keinen Lärm zu machen, und +bei denen wie durch eine Art von Gegenwillen gerade dieses Geräusch die +Stille durchbrach; das eine Mal, als sie ihr krankes Kind endlich +mühselig eingeschläfert hatte und sich sagte, sie müsse jetzt ganz still +sein, um es nicht zu wecken, und das andere Mal, als während einer +Wagenfahrt mit ihren beiden Kindern im Gewitter die Pferde scheu wurden, +und sie sorgfältig jeden Lärm vermeiden wollte, um die Tiere nicht noch +mehr zu schrecken.[7] Ich gebe dieses Beispiel anstatt vieler anderer, +die in den »Studien über Hysterie« niedergelegt sind.[8] + + [7] l. c. 2. Aufl., p. 43 u. 46. + + [8] Eine Auswahl aus diesem Buche, vermehrt durch einige spätere + Abhandlungen über Hysterie, liegt gegenwärtig in einer englischen, + von Dr. A. A. _Brill_ in New York besorgten Übersetzung vor. + +Meine Damen und Herren, wenn Sie mir die Verallgemeinerung gestatten, +die ja bei so abgekürzter Darstellung unvermeidlich ist, so können wir +unsere bisherige Erkenntnis in die Formel fassen: _Unsere hysterisch +Kranken leiden an Reminiszenzen._ Ihre Symptome sind Reste und +Erinnerungssymbole für gewisse (traumatische) Erlebnisse. Ein Vergleich +mit anderen Erinnerungssymbolen auf anderen Gebieten wird uns vielleicht +tiefer in das Verständnis dieser Symbolik führen. Auch die Denkmäler und +Monumente, mit denen wir unsere großen Städte zieren, sind solche +Erinnerungssymbole. Wenn Sie einen Spaziergang durch _London_ machen, so +finden Sie vor einem der größten Bahnhöfe der Stadt eine reichverzierte +gotische Säule, das _Charing Cross_. Einer der alten Plantagenetkönige +im XIII. Jahrhundert, der den Leichnam seiner geliebten Königin Eleanor +nach Westminster überführen ließ, errichtete gotische Kreuze an jeder +der Stationen, wo der Sarg niedergestellt wurde, und _Charing Cross_ ist +das letzte der Denkmäler, welche die Erinnerung an diesen Trauerzug +erhalten sollten.[9] An einer anderen Stelle der Stadt, nicht weit von +London Bridge, erblicken Sie eine modernere hochragende Säule, die +kurzweg »_The Monument_« genannt wird. Sie soll zur Erinnerung an das +große Feuer mahnen, welches im Jahre 1666 dort in der Nähe ausbrach und +einen großen Teil der Stadt zerstörte. Diese Monumente sind also +Erinnerungssymbole wie die hysterischen Symptome, soweit scheint die +Vergleichung berechtigt. Aber was würden Sie zu einem Londoner sagen, +der heute noch vor dem Denkmal des Leichenzuges der Königin Eleanor +in Wehmut stehen bliebe, anstatt mit der von den modernen +Arbeitsverhältnissen geforderten Eile seinen Geschäften nachzugehen oder +sich der eigenen jugendfrischen Königin seines Herzens zu erfreuen? Oder +zu einem anderen, der vor dem »Monument« die Einäscherung seiner +geliebten Vaterstadt beweinte, die doch seither längst soviel glänzender +wiedererstanden ist? So wie diese beiden unpraktischen Londoner benehmen +sich aber die Hysterischen und Neurotiker alle; nicht nur, daß sie die +längst vergangenen schmerzlichen Erlebnisse erinnern, sie hängen noch +affektvoll an ihnen, sie kommen von der Vergangenheit nicht los und +vernachlässigen für sie die Wirklichkeit und die Gegenwart. Diese +Fixierung des Seelenlebens an die pathogenen Traumen ist einer der +wichtigsten und praktisch bedeutsamsten Charaktere der Neurose. + + [9] Vielmehr die spätere Nachbildung eines solchen Denkmals. Der + Name _Charing_ selbst soll, wie mir Dr. E. _Jones_ mitteilte, aus + den Worten _Chère reine_ hervorgegangen sein. + +Ich gebe Ihnen gern den Einwand zu, den Sie jetzt wahrscheinlich bilden, +indem Sie an die Krankengeschichte der _Breuer_schen Patientin denken. +Alle ihre Traumen entstammten ja der Zeit, da sie den kranken Vater +pflegte, und ihre Symptome können nur als Erinnerungszeichen für seine +Krankheit und seinen Tod aufgefaßt werden. Sie entsprechen also einer +Trauer, und eine Fixierung an das Andenken des Verstorbenen ist so kurze +Zeit nach dem Ableben desselben gewiß nichts Pathologisches, entspricht +vielmehr einem normalen Gefühlsvorgang. Ich gestehe Ihnen dieses zu; die +Fixierung an die Traumen ist bei der Patientin _Breuers_ nichts +Auffälliges. Aber in anderen Fällen, wie in dem von mir behandelten +Tic, dessen Veranlassungen um mehr als fünfzehn und zehn Jahre +zurücklagen, ist der Charakter des abnormen Haftens am Vergangenen sehr +deutlich, und die Patientin _Breuers_ hätte ihn wahrscheinlich +gleichfalls entwickelt, wenn sie nicht so kurze Zeit nach dem Erleben +der Traumen und der Entstehung der Symptome zur _kathartischen_ +Behandlung gekommen wäre. + +Wir haben bisher nur die Beziehung der hysterischen Symptome zur +Lebensgeschichte der Kranken erörtert; aus zwei weiteren Momenten der +_Breuer_schen Beobachtung können wir aber auch einen Hinweis darauf +gewinnen, wie wir den Vorgang der Erkrankung und der Wiederherstellung +aufzufassen haben. Fürs erste ist hervorzuheben, daß die Kranke +_Breuers_ fast in allen pathogenen Situationen eine starke Erregung zu +unterdrücken hatte, anstatt ihr durch die entsprechenden Affektzeichen, +Worte und Handlungen, Ablauf zu ermöglichen. In dem kleinen Erlebnis mit +dem Hund ihrer Gesellschafterin unterdrückte sie aus Rücksicht auf diese +jede Äußerung ihres sehr intensiven Ekels; während sie am Bette des +Vaters wachte, trug sie beständig Sorge, den Kranken nichts von ihrer +Angst und ihrer schmerzlichen Verstimmung merken zu lassen. Als sie +später diese selben Szenen vor ihrem Arzt reproduzierte, trat der damals +gehemmte Affekt mit besonderer Heftigkeit, als ob er sich solange +aufgespart hätte, auf. Ja, das Symptom, welches von dieser Szene +erübrigt war, gewann seine höchste Intensität, während man sich seiner +Verursachung näherte, um nach der völligen Erledigung derselben zu +verschwinden. Anderseits konnte man die Erfahrung machen, daß das +Erinnern der Szene beim Arzte wirkungslos blieb, wenn es aus irgend +einem Grunde einmal ohne Affektentwicklung ablief. Die Schicksale dieser +Affekte, die man sich als verschiebbare Größen vorstellen konnte, waren +also das Maßgebende für die Erkrankung wie für die Wiederherstellung. +Man sah sich zur Annahme gedrängt, daß die Erkrankung darum zu stande +kam, weil den in den pathogenen Situationen entwickelten Affekten ein +normaler Ausweg versperrt war, und daß das Wesen der Erkrankung darin +bestand, daß nun diese »eingeklemmten« Affekte einer abnormen Verwendung +unterlagen. Zum Teil blieben sie als dauernde Belastungen des +Seelenlebens und Quellen beständiger Erregung für dasselbe bestehen; zum +Teil erfuhren sie eine Umsetzung in ungewöhnliche körperliche +_Innervationen_ und _Hemmungen_, die sich als die körperlichen Symptome +des Falles darstellten. Wir haben für diesen letzteren Vorgang den Namen +der »_hysterischen Konversion_« geprägt. Ein gewisser Anteil unserer +seelischen Erregung wird ohnedies normalerweise auf die Wege der +körperlichen Innervation geleitet und ergibt das, was wir als »Ausdruck +der Gemütsbewegungen« kennen. Die hysterische Konversion übertreibt nun +diesen Anteil des Ablaufs eines mit Affekt besetzten seelischen +Vorganges; sie entspricht einem weit intensiveren, auf neue Bahnen +geleiteten Ausdruck der Gemütsbewegung. Wenn ein Strombett in zwei +Kanälen fließt, so wird eine Überfüllung des einen stattfinden, sobald +die Strömung in dem anderen auf ein Hindernis stößt. + +Sie sehen, wir sind im Begriffe, zu einer rein psychologischen Theorie +der Hysterie zu gelangen, in welcher wir den Affektvorgängen den ersten +Rang anweisen. Eine zweite Beobachtung _Breuers_ nötigt uns nun, in der +Charakteristik des krankhaften Geschehens den Bewußtseinszuständen eine +große Bedeutung einzuräumen. Die Kranke _Breuers_ zeigte mannigfaltige +seelische Verfassungen, Zustände von Abwesenheit, Verworrenheit und +Charakterveränderung neben ihrem Normalzustand. Im Normalzustand wußte +sie nun nichts von jenen pathogenen Szenen und von deren Zusammenhang +mit ihren Symptomen; sie hatte diese Szenen vergessen oder jedenfalls +den pathogenen Zusammenhang zerrissen. Wenn man sie in die Hypnose +versetzte, gelang es nach Aufwendung beträchtlicher Arbeit, ihr diese +Szenen ins Gedächtnis zurückzurufen, und durch diese Arbeit des +Wiedererinnerns wurden die Symptome aufgehoben. Man wäre in großer +Verlegenheit, wie man diese Tatsache deuten sollte, wenn nicht die +Erfahrungen und Experimente des Hypnotismus den Weg dazu gewiesen +hätten. Durch das Studium der hypnotischen Phänomene hat man sich an die +anfangs befremdliche Auffassung gewöhnt, daß in einem und demselben +Individuum mehrere seelische Gruppierungen möglich sind, die ziemlich +unabhängig von einander bleiben können, von einander »nichts wissen«, +und die das Bewußtsein alternierend an sich reißen. Fälle solcher Art, +die man als »Double conscience« bezeichnet, kommen gelegentlich auch +spontan zur Beobachtung. Wenn bei solcher Spaltung der Persönlichkeit +das Bewußtsein konstant an den einen der beiden Zustände gebunden +bleibt, so heißt man diesen den _bewußten_ Seelenzustand, den von ihm +abgetrennten den _unbewußten_. In den bekannten Phänomenen der +sogenannten posthypnotischen Suggestion, wobei ein in der Hypnose +gegebener Auftrag sich später im Normalzustand gebieterisch durchsetzt, +hat man ein vorzügliches Vorbild für die Beeinflussungen, die der +bewußte Zustand durch den für ihn unbewußten erfahren kann, und nach +diesem Muster gelingt es allerdings, sich die Erfahrungen bei der +Hysterie zurechtzulegen. _Breuer_ entschloß sich zur Annahme, daß die +hysterischen Symptome in solchen besonderen seelischen Zuständen, die er +_hypnoide_ nannte, entstanden seien. Erregungen, die in solche hypnoide +Zustände hineingeraten, werden leicht pathogen, weil diese Zustände +nicht die Bedingungen für einen normalen Ablauf der Erregungsvorgänge +bieten. Es entsteht also aus dem Erregungsvorgang ein ungewöhnliches +Produkt, eben das Symptom, und dieses ragt wie ein Fremdkörper in den +Normalzustand hinein, dem dafür die Kenntnis der hypnoiden pathogenen +Situation abgeht. Wo ein Symptom besteht, da findet sich auch eine +Amnesie, eine Erinnerungslücke, und die Ausfüllung dieser Lücke schließt +die Aufhebung der Entstehungsbedingungen des Symptoms in sich ein. + +Ich fürchte, daß Ihnen dieses Stück meiner Darstellung nicht sehr +durchsichtig erschienen ist. Aber haben Sie Nachsicht, es handelt sich +um neue und schwierige Anschauungen, die vielleicht nicht viel klarer +gemacht werden können; ein Beweis dafür, daß wir mit unserer Erkenntnis +noch nicht sehr weit vorgedrungen sind. Die _Breuer_sche Aufstellung der +_hypnoiden_ Zustände hat sich übrigens als hemmend und überflüssig +erwiesen und ist von der heutigen Psychoanalyse fallen gelassen worden. +Sie werden später wenigstens andeutungsweise hören, welche Einflüsse und +Vorgänge hinter der von _Breuer_ aufgestellten Schranke der hypnoiden +Zustände zu entdecken waren. Sie werden auch mit Recht den Eindruck +empfangen haben, daß die _Breuer_sche Forschung Ihnen nur eine sehr +unvollständige Theorie und unbefriedigende Aufklärung der beobachteten +Erscheinungen geben konnte, aber vollkommene Theorien fallen nicht vom +Himmel, und Sie werden mit noch größerem Recht mißtrauisch sein, wenn +Ihnen jemand eine lückenlose und abgerundete Theorie bereits zu Anfang +seiner Beobachtungen anbietet. Eine solche wird gewiß nur das Kind +seiner Spekulation sein können und nicht die Frucht voraussetzungsloser +Erforschung des Tatsächlichen. + + + + + II. + + +Meine Damen und Herren! Etwa gleichzeitig, während _Breuer_ mit seiner +Patientin die Talking cure übte, hatte Meister _Charcot_ in Paris jene +Untersuchungen über die Hysterischen der Salpêtrière begonnen, von denen +ein neues Verständnis der Krankheit ausgehen sollte. Diese Resultate +konnten damals in Wien noch nicht bekannt sein. Als aber etwa ein +Dezennium später _Breuer_ und ich die vorläufige Mitteilung über den +psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene veröffentlichten, welche +an die kathartische Behandlung bei _Breuers_ erster Patientin anknüpfte, +da befanden wir uns ganz im Banne der _Charcot_schen Forschungen. Wir +stellten die pathogenen Erlebnisse unserer Kranken als psychische +Traumen jenen körperlichen Traumen gleich, deren Einfluß auf hysterische +Lähmungen _Charcot_ festgestellt hatte, und _Breuers_ Aufstellung der +hypnoiden Zustände ist selbst nichts anderes als ein Reflex der +Tatsache, daß _Charcot_ jene traumatischen Lähmungen in der Hypnose +künstlich reproduziert hatte. + +Der große französische Beobachter, dessen Schüler ich 1885/86 wurde, war +selbst psychologischen Auffassungen nicht geneigt; erst sein Schüler +P. _Janet_ versuchte ein tieferes Eindringen in die besonderen +psychischen Vorgänge bei der Hysterie, und wir folgten seinem Beispiele, +als wir die seelische Spaltung und den Zerfall der Persönlichkeit in das +Zentrum unserer Auffassung rückten. Sie finden bei _Janet_ eine Theorie +der Hysterie, welche den in Frankreich herrschenden Lehren über die +Rolle der Erblichkeit und der Degeneration Rechnung trägt. Die Hysterie +ist nach ihm eine Form der degenerativen Veränderung des Nervensystems, +welche sich durch eine angeborene Schwäche der psychischen Synthese +kundgibt. Die hysterisch Kranken seien von Anfang an unfähig, die +Mannigfaltigkeit der seelischen Vorgänge zu einer Einheit +zusammenzuhalten, und daher komme die Neigung zur seelischen +Dissoziation. Wenn Sie mir ein banales aber deutliches Gleichnis +gestatten, _Janets_ Hysterische erinnert an eine schwache Frau, die +ausgegangen ist, um Einkäufe zu machen, und nun mit einer Menge von +Schachteln und Paketen beladen zurückkommt. Sie kann den ganzen Haufen +mit ihren zwei Armen und zehn Fingern nicht bewältigen, und so entfällt +ihr zuerst ein Stück. Bückt sie sich, um dieses aufzuheben, so macht +sich dafür ein anderes los u. s. w. Es stimmt nicht gut zu dieser +angenommenen seelischen Schwäche der Hysterischen, daß man bei ihnen +außer den Erscheinungen verminderter Leistung auch Beispiele von +teilweiser Steigerung der Leistungsfähigkeit, wie zur Entschädigung, +beobachten kann. Zur Zeit, als _Breuers_ Patientin ihre Muttersprache +und alle anderen Sprachen bis auf Englisch vergessen hatte, erreichte +ihre Beherrschung des Englischen eine solche Höhe, daß sie im stande +war, wenn man ihr ein deutsches Buch vorlegte, eine tadellose und +fließende Übersetzung desselben vom Blatt herunterzulesen. + +Als ich es später unternahm, die von _Breuer_ begonnenen Untersuchungen +auf eigene Faust fortzusetzen, gelangte ich bald zu einer anderen +Ansicht über die Entstehung der hysterischen Dissoziation (oder +Bewußtseinsspaltung). Eine solche, für alles weitere entscheidende, +Divergenz mußte sich notwendigerweise ergeben, da ich nicht wie _Janet_ +von Laboratoriumsversuchen, sondern von therapeutischen Bemühungen +ausging. + +Mich trieb vor allem das praktische Bedürfnis. Die kathartische +Behandlung, wie sie _Breuer_ geübt hatte, setzte voraus, daß man den +Kranken in tiefe Hypnose bringe, denn nur im hypnotischen Zustand fand +er die Kenntnis jener pathogenen Zusammenhänge, die ihm in seinem +Normalzustand abging. Nun war mir die Hypnose als ein launenhaftes und +sozusagen mystisches Hilfsmittel bald unliebsam geworden; als ich aber +die Erfahrung machte, daß es mir trotz aller Bemühungen nicht gelingen +wollte, mehr als einen Bruchteil meiner Kranken in den hypnotischen +Zustand zu versetzen, beschloß ich, die Hypnose aufzugeben und die +kathartische Behandlung von ihr unabhängig zu machen. Weil ich den +psychischen Zustand meiner meisten Patienten nicht nach meinem Belieben +verändern konnte, richtete ich mich darauf ein, mit ihrem Normalzustand +zu arbeiten. Das schien allerdings vorerst ein sinn- und aussichtsloses +Unternehmen zu sein. Es war die Aufgabe gestellt, etwas vom Kranken zu +erfahren, was man nicht wußte und was er selbst nicht wußte; wie konnte +man hoffen, dies doch in Erfahrung zu bringen? Da kam mir die Erinnerung +an einen sehr merkwürdigen und lehrreichen Versuch zu Hilfe, den ich bei +_Bernheim_ in _Nancy_ mitangesehen hatte. _Bernheim_ zeigte uns damals, +daß die Personen, welche er in hypnotischen Somnambulismus versetzt und +in diesem Zustand allerlei hatte erleben lassen, die Erinnerung an das +somnambul Erlebte doch nur zum Schein verloren hatten, und daß es +möglich war, bei ihnen diese Erinnerungen auch im Normalzustand zu +erwecken. Wenn er sie nach den somnambulen Erlebnissen befragte, so +behaupteten sie anfangs zwar, nichts zu wissen, aber wenn er nicht +nachgab, drängte, ihnen versicherte, sie wüßten es doch, so kamen die +vergessenen Erinnerungen jedesmal wieder. + +So machte ich es also auch mit meinen Patienten. Wenn ich mit ihnen bis +zu einem Punkte gekommen war, an dem sie behaupteten, nichts weiter zu +wissen, so versicherte ich ihnen, sie wüßten es doch, sie sollten es nur +sagen, und ich getraute mich der Behauptung, daß die Erinnerung die +richtige sein würde, die ihnen in dem Moment käme, wenn ich meine Hand +auf ihre Stirn legte. Auf diese Weise gelang es mir, ohne Anwendung der +Hypnose, von den Kranken alles zu erfahren, was zur Herstellung des +Zusammenhangs zwischen den vergessenen pathogenen Szenen und den von +ihnen erübrigten Symptomen erforderlich war. Aber es war ein mühseliges, +ein auf die Dauer erschöpfendes Verfahren, das sich für eine endgültige +Technik, nicht eignen konnte. + +Ich gab es jedoch nicht auf, ohne aus den dabei gemachten Wahrnehmungen +die entscheidenden Schlüsse zu ziehen. Ich hatte es also bestätigt +gefunden, daß die vergessenen Erinnerungen nicht verloren waren. Sie +waren im Besitze des Kranken und bereit, in Assoziation an das von ihm +noch Gewußte aufzutauchen, aber irgend eine Kraft hinderte sie daran, +bewußt zu werden und nötigte sie, unbewußt zu bleiben. Die Existenz +dieser Kraft konnte man mit Sicherheit annehmen, denn man verspürte eine +ihr entsprechende Anstrengung, wenn man sich bemühte, im Gegensatz zu +ihr die unbewußten Erinnerungen ins Bewußtsein des Kranken einzuführen. +Man bekam die Kraft, welche den krankhaften Zustand aufrecht erhielt, +als _Widerstand_ des Kranken zu spüren. + +Auf diese Idee des Widerstandes habe ich nun meine Auffassung der +psychischen Vorgänge bei der Hysterie gegründet. Es hatte sich als +notwendig zur Herstellung erwiesen, diese Widerstände aufzuheben; vom +Mechanismus der Heilung aus konnte man sich jetzt ganz bestimmte +Vorstellungen über den Hergang bei der Erkrankung bilden. Dieselben +Kräfte, die heute als Widerstand sich dem Bewußtmachen des Vergessenen +widersetzten, mußten seinerzeit dieses Vergessen bewirkt und die +betreffenden pathogenen Erlebnisse aus dem Bewußtsein gedrängt haben. +Ich nannte diesen von mir supponierten Vorgang _Verdrängung_ und +betrachtete ihn als erwiesen durch die unleugbare Existenz des +_Widerstandes_. + +Man konnte sich aber auch die Frage vorlegen, welches diese Kräfte und +welche die Bedingungen der Verdrängung seien, in der wir nun den +pathogenen Mechanismus der Hysterie erkennen. Eine vergleichende +Untersuchung der pathogenen Situationen, die man durch die kathartische +Behandlung kennen gelernt hatte, gestattete hierauf Antwort zu geben. +Bei all diesen Erlebnissen hatte es sich darum gehandelt, daß eine +Wunschregung aufgetaucht war, welche in scharfem Gegensatze zu den +sonstigen Wünschen des Individuums stand, sich als unverträglich mit den +ethischen und ästhetischen Ansprüchen der Persönlichkeit erwies. Es +hatte einen kurzen Konflikt gegeben, und das Ende dieses inneren Kampfes +war, daß die Vorstellung, welche als der Träger jenes unvereinbaren +Wunsches vor dem Bewußtsein auftrat, der Verdrängung anheimfiel und mit +den zu ihr gehörigen Erinnerungen aus dem Bewußtsein gedrängt und +vergessen wurde. Die Unverträglichkeit der betreffenden Vorstellung mit +dem Ich des Kranken war also das Motiv der Verdrängung; die ethischen +und anderen Anforderungen des Individuums waren die verdrängenden +Kräfte. Die Annahme der unverträglichen Wunschregung oder die Fortdauer +des Konflikts hätten hohe Grade von Unlust hervorgerufen; diese Unlust +wurde durch die Verdrängung erspart, die sich in solcher Art als eine +der Schutzvorrichtungen der seelischen Persönlichkeit erwies. + +Ich will Ihnen anstatt vieler einen einzigen meiner Fälle erzählen, in +welchem Bedingungen und Nutzen der Verdrängung deutlich genug zu +erkennen sind. Freilich muß ich für meinen Zweck auch diese +Krankengeschichte verkürzen und wichtige Voraussetzungen derselben bei +Seite lassen. Ein junges Mädchen, welches kurz vorher den geliebten +Vater verloren hatte, an dessen Pflege sie beteiligt gewesen war -- eine +Situation analog der bei der Patientin _Breuers_ --, brachte, als ihre +ältere Schwester sich verheiratete, dem neuen Schwager eine besondere +Sympathie entgegen, die sich leicht als verwandtschaftliche Zärtlichkeit +maskieren konnte. Diese Schwester erkrankte bald und starb, während die +Patientin mit ihrer Mutter abwesend war. Die Abwesenden wurden eiligst +zurückgerufen, ohne in sichere Kenntnis des schmerzlichen Ereignisses +gesetzt zu werden. Als das Mädchen an das Bett der toten Schwester trat, +tauchte für einen kurzen Moment eine Idee in ihr auf, die sich etwa in +den Worten ausdrücken ließe: _Jetzt ist er frei und kann mich heiraten._ +Wir dürfen als sicher annehmen, daß diese Idee, welche die ihr selbst +nicht bewußte intensive Liebe zum Schwager ihrem Bewußtsein verriet, +durch den Aufruhr ihrer Gefühle im nächsten Moment der Verdrängung +überliefert wurde. Das Mädchen erkrankte an schweren hysterischen +Symptomen, und als ich sie in Behandlung genommen hatte, stellte es sich +heraus, daß sie jene Szene am Bette der Schwester und die in ihr +auftretende häßlich-egoistische Regung gründlich vergessen hatte. Sie +erinnerte sich daran in der Behandlung, reproduzierte den pathogenen +Moment unter den Anzeichen heftigster Gemütsbewegung und wurde durch +diese Behandlung gesund. + +Vielleicht darf ich Ihnen den Vorgang der Verdrängung und deren +notwendige Beziehung zum Widerstand durch ein grobes Gleichnis +veranschaulichen, das ich gerade aus unserer gegenwärtigen Situation +herausgreifen will. Nehmen Sie an, hier in diesem Saale und in diesem +Auditorium, dessen musterhafte Ruhe und Aufmerksamkeit ich nicht genug +zu preisen weiß, befände sich doch ein Individuum, welches sich störend +benimmt und durch sein ungezogenes Lachen, Schwätzen, Scharren mit den +Füßen meine Aufmerksamkeit von meiner Aufgabe abzieht. Ich erkläre, daß +ich so nicht weiter vortragen kann, und daraufhin erheben sich einige +kräftige Männer unter Ihnen und setzen den Störenfried nach kurzem +Kampfe vor die Tür. Er ist also jetzt »verdrängt« und ich kann meinen +Vortrag fortsetzen. Damit aber die Störung sich nicht wiederhole, wenn +der Herausgeworfene versucht, wieder in den Saal einzudringen, rücken +die Herren, welche meinen Willen zur Ausführung gebracht haben, ihre +Stühle an die Türe an und etablieren sich so als »Widerstand« nach +vollzogener Verdrängung. Wenn Sie nun noch die beiden Lokalitäten hier +als das »Bewußte« und das »Unbewußte« aufs Psychische übertragen, so +haben Sie eine ziemlich gute Nachbildung des Vorgangs der Verdrängung +vor sich. + +Sie sehen nun, worin der Unterschied unserer Auffassung von der +_Janet_schen gelegen ist. Wir leiten die psychische Spaltung nicht von +einer angeborenen Unzulänglichkeit zur Synthese des seelischen Apparats +ab, sondern erklären sie dynamisch durch den Konflikt widerstreitender +Seelenkräfte, erkennen in ihr das Ergebnis eines aktiven Sträubens der +beiden psychischen Gruppierungen gegeneinander. Aus unserer Auffassung +erheben sich nun neue Fragestellungen in großer Anzahl. Die Situation +des psychischen Konflikts ist ja eine überaus häufige, ein Bestreben +des Ichs, sich peinlicher Erinnerung zu erwehren, wird ganz regelmäßig +beobachtet, ohne daß es zum Ergebnis einer seelischen Spaltung führt. +Man kann den Gedanken nicht abweisen, daß es noch anderer Bedingungen +bedarf, wenn der Konflikt die Dissoziation zur Folge haben soll. Ich +gebe Ihnen auch gern zu, daß wir mit der Annahme der Verdrängung nicht +am Ende, sondern erst am Anfang einer psychologischen Theorie stehen, +aber wir können nicht anders als schrittweise vorrücken und müssen die +Vollendung der Erkenntnis weiterer und tiefer eindringender Arbeit +überlassen. + +Unterlassen Sie auch den Versuch, den Fall der Patientin _Breuers_ unter +die Gesichtspunkte der Verdrängung zu bringen. Diese Krankengeschichte +eignet sich hiezu nicht, weil sie mit Hilfe der hypnotischen +Beeinflussung gewonnen worden ist. Erst, wenn Sie die Hypnose +ausschalten, können Sie die Widerstände und Verdrängungen bemerken und +sich von dem wirklichen pathogenen Vorgang eine zutreffende Vorstellung +bilden. Die Hypnose verdeckt den Widerstand und macht ein gewisses +seelisches Gebiet frei zugänglich, dafür häuft sie den Widerstand an den +Grenzen dieses Gebietes zu einem Walle auf, der alles Weitere +unzugänglich macht. + +Das Wertvollste, was wir aus der _Breuer_schen Beobachtung gelernt +haben, waren die Aufschlüsse über den Zusammenhang der Symptome mit den +pathogenen Erlebnissen oder psychischen Traumen, und nun dürfen wir +nicht versäumen, diese Einsichten vom Standpunkte der Verdrängungslehre +zu würdigen. Man sieht zunächst wirklich nicht ein, wie man von der +Verdrängung aus zur Symptombildung gelangen kann. Anstatt eine +komplizierte theoretische Ableitung zu geben, will ich an dieser Stelle +auf unser früher gebrauchtes Bild für die Verdrängung zurückgreifen. +Denken Sie daran, mit der Entfernung des störenden Gesellen und der +Niederlassung der Wächter vor der Türe braucht die Angelegenheit nicht +beendigt zu sein. Es kann sehr wohl geschehen, daß der Herausgeworfene, +der jetzt erbittert und ganz rücksichtslos geworden ist, uns weiter zu +schaffen gibt. Er ist zwar nicht mehr unter uns, wir sind seine +Gegenwart, sein höhnisches Lachen, seine halblauten Bemerkungen los +geworden, aber in gewisser Hinsicht ist die Verdrängung doch erfolglos +gewesen, denn er führt nun draußen einen unerträglichen Spektakel auf, +und sein Schreien und mit den Fäusten an die Türe Pochen hemmt meinen +Vortrag mehr als früher sein unartiges Benehmen. Unter diesen +Verhältnissen würden wir es mit Freuden begrüßen müssen, wenn etwa unser +verehrter Präsident Dr. _Stanley Hall_ die Rolle des Vermittlers und +Friedensstifters übernehmen wollte. Er würde mit dem ungebärdigen +Gesellen draußen sprechen und dann sich an uns mit der Aufforderung +wenden, ihn doch wieder einzulassen, er übernehme die Garantie, daß sich +jener jetzt besser betragen werde. Auf Dr. _Halls_ Autorität hin +entschließen wir uns dazu, die Verdrängung wieder aufzuheben und nun +tritt wieder Ruhe und Frieden ein. Es ist dies wirklich keine unpassende +Darstellung der Aufgabe, die dem Arzt bei der psychoanalytischen +Therapie der Neurosen zufällt. + +Um es jetzt direkter zu sagen: Wir kommen durch die Untersuchung der +hysterisch Kranken und anderer Neurotiker zur Überzeugung, daß ihnen die +Verdrängung der Idee, an welcher der unverträgliche Wunsch hängt, +_mißlungen_ ist. Sie haben sie zwar aus dem Bewußtsein und aus der +Erinnerung getrieben und sich anscheinend eine große Summe Unlust +erspart, _aber im Unbewußten besteht die verdrängte Wunschregung +weiter_, lauert auf eine Gelegenheit, aktiviert zu werden, und versteht +es dann, eine entstellte und unkenntlich gemachte _Ersatzbildung_ für +das Verdrängte ins Bewußtsein zu schicken, an welche sich bald dieselben +Unlustempfindungen knüpfen, die man durch die Verdrängung erspart +glaubte. Diese Ersatzbildung für die verdrängte Idee -- das _Symptom_ -- +ist gegen weitere Angriffe von Seiten des abwehrenden Ichs gefeit, und +an Stelle des kurzen Konflikts tritt jetzt ein in der Zeit nicht +endendes Leiden. An dem Symptom ist neben den Anzeichen der Entstellung +ein Rest von irgendwie vermittelter Ähnlichkeit mit der ursprünglich +verdrängten Idee zu konstatieren; die Wege, auf denen sich die +Ersatzbildung vollzog, lassen sich während der psychoanalytischen +Behandlung des Kranken aufdecken, und zu seiner Heilung ist es +notwendig, daß das Symptom auf diesen nämlichen Wegen wieder in die +verdrängte Idee übergeführt werde. Ist das Verdrängte wieder der +bewußten Seelentätigkeit zugeführt, was die Überwindung beträchtlicher +Widerstände voraussetzt, so kann der so entstandene psychische +_Konflikt_, den der Kranke vermeiden wollte, unter der Leitung des +Arztes einen besseren Ausgang finden, als ihn die Verdrängung bot. Es +gibt mehrere solcher zweckmäßiger Erledigungen, welche Konflikt und +Neurose zum glücklichen Ende führen, im einzelnen Falle auch miteinander +kombiniert erzielt werden können. Entweder wird die Persönlichkeit des +Kranken überzeugt, daß sie den pathogenen Wunsch mit Unrecht abgewiesen +hat, und veranlaßt, ihn ganz oder teilweise zu akzeptieren, oder dieser +Wunsch wird selbst auf ein höheres und darum einwandfreies Ziel geleitet +(was man seine _Sublimierung_ heißt), oder man erkennt seine Verwerfung +als zu Recht bestehend an, ersetzt aber den automatischen und darum +unzureichenden Mechanismus der Verdrängung durch eine Verurteilung mit +Hilfe der höchsten geistigen Leistungen des Menschen; man erreicht seine +bewußte Beherrschung. + +Verzeihen Sie mir, wenn es mir nicht gelungen ist, Ihnen diese +Hauptgesichtspunkte der nun _Psychoanalyse_ genannten Behandlungsmethode +klarer faßlich darzustellen. Die Schwierigkeiten liegen nicht nur in der +Neuheit des Gegenstandes. Welcher Art die unverträglichen Wünsche sind, +die sich trotz der Verdrängung aus dem Unbewußten vernehmbar zu machen +verstehen, und welche subjektiven oder konstitutionellen Bedingungen bei +einer Person zutreffen müssen, damit sich ein solches Mißlingen der +Verdrängung und eine Ersatz- oder Symptombildung vollziehe, darüber +werden noch einige spätere Bemerkungen Aufschluß geben. + + + + + III. + + +Meine Damen und Herren! Es ist nicht immer leicht die Wahrheit zu sagen, +besonders wenn man kurz sein muß, und so bin ich heute genötigt, eine +Unrichtigkeit zu korrigieren, die ich in meinem letzten Vortrag +vorgebracht habe. Ich sagte Ihnen, wenn ich unter Verzicht auf die +Hypnose in meine Kranken drang, mir doch mitzuteilen, was ihnen zu dem +eben behandelten Problem einfiele; sie wüßten ja doch alles angeblich +Vergessene, und der auftauchende Einfall werde gewiß das Gesuchte +enthalten, so machte ich tatsächlich die Erfahrung, daß der nächste +Einfall meines Kranken das richtige brachte und sich als die vergessene +Fortsetzung der Erinnerung erwies. Nun, das ist nicht allgemein richtig; +ich habe es nur der Abkürzung halber so einfach dargestellt. In +Wirklichkeit traf es nur die ersten Male zu, daß sich das richtige +Vergessene durch einfaches Drängen von meiner Seite einstellte. Setzte +man das Verfahren fort, so kamen jedesmal Einfälle, die nicht die +richtigen sein konnten, weil sie nicht passend waren, und die die +Kranken selbst als unrichtig verwarfen. Das Drängen brachte hier keine +weitere Hilfe, und man konnte wieder bedauern, die Hypnose aufgegeben zu +haben. + +In diesem Stadium der Ratlosigkeit klammerte ich mich an ein Vorurteil, +dessen wissenschaftliche Berechtigung Jahre später durch meinen Freund +C. G. _Jung_ in Zürich und seine Schüler erwiesen wurde. Ich muß +behaupten, es ist manchmal recht nützlich, Vorurteile zu haben. Ich +brachte eine hohe Meinung von der Strenge der Determinierung seelischer +Vorgänge mit und konnte nicht daran glauben, daß ein Einfall des +Kranken, den er bei gespannter Aufmerksamkeit produzierte, ganz +willkürlich und außer Beziehung zu der von uns gesuchten vergessenen +Vorstellung sei; daß er mit dieser nicht identisch war, ließ sich aus +der vorausgesetzten psychologischen Situation befriedigend erklären. In +dem behandelten Kranken wirkten zwei Kräfte gegen einander, einerseits +sein bewußtes Bestreben, das in seinem Unbewußten vorhandene Vergessene +ins Bewußtsein zu ziehen, anderseits der uns bekannte Widerstand, der +sich gegen solches Bewußtwerden des Verdrängten oder seiner Abkömmlinge +sträubte. War dieser Widerstand gleich Null oder sehr gering, so wurde +das Vergessene ohne Entstellung bewußt; es lag also nahe, anzunehmen, +daß die Entstellung des Gesuchten um so größer ausfallen werde, je +größer der Widerstand gegen das Bewußtwerden des Gesuchten sei. Der +Einfall des Kranken, der anstatt des Gesuchten kam, war also selbst +entstanden wie ein Symptom; er war eine neue, künstliche und ephemere +Ersatzbildung für das Verdrängte, und demselben um so unähnlicher, eine +je größere Entstellung er unter dem Einfluß des Widerstandes erfahren +hatte. Er mußte aber doch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Gesuchten +aufweisen, kraft seiner Natur als Symptom, und bei nicht zu intensivem +Widerstand mußte es möglich sein, aus dem Einfall das verborgene +Gesuchte zu erraten. Der Einfall mußte sich zum verdrängten Element +verhalten wie eine Anspielung, wie eine Darstellung desselben in +_indirekter_ Rede. + +Wir kennen auf dem Gebiete des normalen Seelenlebens Fälle, in denen +analoge Situationen wie die von uns angenommene auch ähnliche Ergebnisse +liefern. Ein solcher Fall ist der des _Witzes_. Durch die Probleme der +psychoanalytischen Technik bin ich denn auch genötigt worden, mich mit +der Technik der Witzbildung zu beschäftigen. Ich will Ihnen ein einziges +solches Beispiel erläutern, übrigens einen Witz in englischer Sprache. + +Die Anekdote erzählt:[10] Zwei wenig skrupulösen Geschäftsleuten war es +gelungen, sich durch eine Reihe recht gewagter Unternehmungen ein großes +Vermögen zu erwerben, und nun ging ihr Bemühen dahin, sich der guten +Gesellschaft aufzudrängen. Unter anderem erschien es ihnen als ein +zweckmäßiges Mittel, sich von dem vornehmsten und teuersten Maler der +Stadt, dessen Bilder als Ereignisse betrachtet wurden, malen zu lassen. +Auf einer großen Soiree wurden die kostbaren Bilder zuerst gezeigt, und +die beiden Hausherren führten selbst den einflußreichsten Kunstkenner +und Kritiker zur Wand des Salons, auf welcher die beiden Portraits +nebeneinander aufgehängt waren, um ihm sein bewunderndes Urteil zu +entlocken. Der sah die Bilder lange Zeit an, schüttelte dann den Kopf, +als ob er etwas vermissen würde, und fragte bloß, auf den freien Raum +zwischen beiden Bildern deutend: »And where is the Saviour?« Ich sehe, +Sie lachen alle über diesen guten Witz, in dessen Verständnis wir nun +eindringen wollen. Wir verstehen, daß der Kunstkenner sagen will: Ihr +seid ein Paar Spitzbuben, wie die, zwischen denen man den Heiland ans +Kreuz hängte. Aber er sagt es nicht, anstatt dessen äußert er etwas, was +zunächst sonderbar unpassend und nicht dazu gehörig scheint, was wir +aber im nächsten Moment als eine _Anspielung_ auf die von ihm +beabsichtigte Beschimpfung und als einen vollgültigen Ersatz für +dieselbe erkennen. Wir können nicht erwarten, daß sich beim Witz alle +die Verhältnisse widerfinden lassen, die wir bei der Entstehung des +Einfalles bei unseren Patienten vermuten, aber auf die Identität in der +Motivierung von Witz und Einfall wollen wir Gewicht legen. Warum sagt +unser Kritiker den beiden Spitzbuben nicht direkt, was er ihnen sagen +möchte? Weil neben seinem Gelüste, es ihnen unverhüllt ins Gesicht zu +sagen, sehr gute Gegenmotive in ihm wirksam sind. Es ist nicht +ungefährlich, Leute zu beleidigen, bei denen man zu Gaste ist, und die +über die kräftigen Fäuste einer zahlreichen Dienerschaft verfügen. Man +kann leicht jenem Schicksal verfallen, das ich im vorigen Vortrag in +eine Analogie mit der »Verdrängung« brachte. Aus diesem Grunde bringt +der Kritiker die beabsichtigte Beschimpfung nicht direkt, sondern in +entstellter Form als eine »Anspielung mit Auslassung« zum Ausdruck, und +dieselbe Konstellation verschuldet es nach unserer Meinung, daß unser +Patient, anstatt des gesuchten Vergessenen, einen mehr oder minder +entstellten _Ersatzeinfall_ produziert. + + [10] Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Fr. Deuticke, + Wien 1905 (p. 59). + +Meine Damen und Herren! Es ist recht zweckmäßig, eine Gruppe von +zusammengehörigen, mit Affekt besetzten Vorstellungselementen nach dem +Vorgang der _Züricher_ Schule (_Bleuler_, _Jung_ u. a.) als einen +»_Komplex_« zu bezeichnen. Wir sehen also, wenn wir bei einem Kranken, +von dem letzten, was er noch erinnert, ausgehen, um einen verdrängten +Komplex zu suchen, so haben wir alle Aussicht, diesen zu erraten, wenn +uns der Kranke eine genügende Anzahl seiner freien Einfälle zur +Verfügung stellt. Wir lassen also den Kranken reden, was er will, und +halten an der Voraussetzung fest, daß ihm nichts anderes einfallen kann, +als was in indirekter Weise von dem gesuchten Komplex abhängt. Erscheint +Ihnen dieser Weg, das Verdrängte aufzufinden, allzu umständlich, so kann +ich Ihnen wenigstens die Versicherung geben, daß er der einzig gangbare +ist. + +Wenn wir diese Technik ausüben, so werden wir noch durch die Tatsache +gestört, daß der Kranke häufig inne hält, in Stockungen gerät und +behauptet, er wisse nichts zu sagen, es falle ihm überhaupt nichts ein. +Träfe dies zu und hätte der Kranke recht, so wäre unser Verfahren +wiederum als unzulänglich erwiesen. Allein eine feinere Beobachtung +zeigt, daß ein solches Versagen der Einfälle eigentlich nie eintritt. +Dieser Anschein kommt nur dadurch zu stande, daß der Kranke den +wahrgenommenen Einfall unter dem Einfluß der Widerstände, die sich in +verschiedene kritische Urteile über den Wert des Einfalls kleiden, +zurückhält oder wieder beseitigt. Man schützt sich dagegen, indem man +ihm dieses Verhalten vorhersagt und von ihm fordert, daß er sich um +diese Kritik nicht kümmere. Er soll unter völligem Verzicht auf solche +kritische Auswahl alles sagen, was ihm in den Sinn kommt, auch wenn er +es für unrichtig, für nicht dazu gehörig, für unsinnig hält, vor allem +auch dann, wenn es ihm unangenehm ist, sein Denken mit dem Einfall zu +beschäftigen. Durch die Befolgung dieser Vorschrift sichern wir uns das +Material, welches uns auf die Spur der verdrängten Komplexe führt. + +Dies Material von Einfällen, welche der Kranke geringschätzend von sich +weist, wenn er unter dem Einflüsse des Widerstandes anstatt unter dem +des Arztes steht, stellt für den Psychoanalytiker gleichsam das Erz dar, +dem er mit Hilfe von einfachen Deutungskünsten seinen Gehalt an +wertvollem Metall entzieht. Wollen Sie sich bei einem Kranken eine +rasche und vorläufige Kenntnis der verdrängten Komplexe schaffen, ohne +noch auf deren Anordnung und Verknüpfung einzugehen, so bedienen Sie +sich dazu der Prüfung mit dem _Assoziationsexperiment_, wie sie +_Jung_[11] und seine Schüler ausgebildet haben. Dies Verfahren leistet +dem Psychoanalytiker so viel wie die qualitative Analyse dem Chemiker; +es ist in der Therapie der neurotisch Kranken entbehrlich, unentbehrlich +aber zur objektiven Demonstration der Komplexe und bei der Untersuchung +der Psychosen, die von der Züricher Schule so erfolgreich in Angriff +genommen worden ist. + + [11] C. G. _Jung_, Diagnostische Assoziationsstudien, I. Bd., 1906. + +Die Bearbeitung der Einfälle, welche sich dem Patienten ergeben, wenn er +sich der psychoanalytischen Hauptregel unterwirft, ist nicht das einzige +unserer technischen Mittel zur Erschließung des Unbewußten. Dem gleichen +Zwecke dienen zwei andere Verfahren, die Deutung seiner Träume und die +Verwertung seiner Fehl- und Zufallshandlungen. + +Ich gestehe Ihnen, meine geehrten Zuhörer, daß ich lange geschwankt +habe, ob ich Ihnen anstatt dieser gedrängten Übersicht über das ganze +Gebiet der Psychoanalyse nicht lieber eine ausführliche Darstellung der +_Traumdeutung_ bieten soll. Ein rein subjektives und anscheinend +sekundäres Motiv hat mich davon zurückgehalten. Es erschien mir fast +anstößig, in diesem praktischen Zielen zugewendeten Lande als +»Traumdeuter« aufzutreten, ehe Sie noch wissen konnten, auf welche +Bedeutung diese veraltete und verspottete Kunst Anspruch erheben kann. +Die Traumdeutung ist in Wirklichkeit die Via Regia zur Kenntnis des +Unbewußten, die sicherste Grundlage der Psychoanalyse und jenes Gebiet, +auf welchem jeder Arbeiter seine Überzeugung zu gewinnen und seine +Ausbildung anzustreben hat. Wenn ich gefragt werde, wie man +Psychoanalytiker werden kann, so antworte ich, durch das Studium seiner +eigenen Träume. Mit richtigem Takt sind alle Gegner der Psychoanalyse +bisher einer Würdigung der »Traumdeutung«[12] ausgewichen oder haben mit +den seichtesten Einwendungen über sie hinwegzukommen getrachtet. Wenn +Sie im Gegenteile die Lösungen der Probleme des Traumlebens anzunehmen +vermögen, werden Ihnen die Neuheiten, welche die Psychoanalyse Ihrem +Denken zumutet, keine Schwierigkeiten mehr bieten. + + [12] Die Traumdeutung, 2. Aufl., Fr. Deuticke, Wien 1909. + +Vergessen Sie nicht daran, daß unsere nächtlichen Traumproduktionen +einerseits die größte äußere Ähnlichkeit und innere Verwandtschaft mit +den Schöpfungen der Geisteskrankheiten zeigen, anderseits aber mit der +vollen Gesundheit des Wachlebens verträglich sind. Es ist keine absurd +klingende Behauptung, daß, wer jenen »normalen« Sinnestäuschungen, +Wahnideen und Charakteränderungen Verwunderung anstatt Verständnis +entgegenbringt, auch nicht die leiseste Aussicht hat, die abnormen +Bildungen krankhafter Seelenzustände anders als im laienhaften Sinne zu +begreifen. Zu diesen Laien dürfen Sie heute getrost fast alle Psychiater +zählen. Folgen Sie mir nun auf einem flüchtigen Streifzug durch das +Gebiet der Traumprobleme. + +Wir pflegen, wenn wir erwacht sind, die Träume so verächtlich zu +behandeln, wie der Patient die Einfälle, die der Psychoanalytiker von +ihm fordert. Wir weisen sie aber auch von uns ab, indem wir sie in der +Regel rasch und vollständig vergessen. Unsere Geringschätzung gründet +sich auf den fremdartigen Charakter selbst jener Träume, die nicht +verworren und unsinnig sind, und auf die evidente Absurdität und +Sinnlosigkeit anderer Träume; unsere Abweisung beruft sich auf die +ungehemmt schamlosen und unmoralischen Strebungen, die in manchen +Träumen offen zu Tage treten. Das Altertum hat diese Geringschätzung der +Träume bekanntlich nicht geteilt. Die niederen Schichten unseres Volkes +lassen sich in der Wertschätzung der Träume auch heute nicht irre +machen; sie erwarten von ihnen wie die Alten die Enthüllung der Zukunft. + +Ich bekenne, daß ich kein Bedürfnis nach mystischen Annahmen zur +Ausfüllung der Lücken unserer gegenwärtigen Erkenntnis habe, und darum +habe ich auch nie etwas finden können, was eine prophetische Natur der +Träume bestätigte. Es läßt sich viel andersartiges, was auch wunderbar +genug ist, über die Träume sagen. + +Zunächst, nicht alle Träume sind dem Träumer wesensfremd, unverständlich +und verworren. Wenn Sie die Träume jüngster Kinder, von 1½ Jahren an, +Ihrer Betrachtung unterziehen wollen, so finden sie dieselben ganz +simpel und leicht aufzuklären. Das kleine Kind träumt immer die +Erfüllung von Wünschen, die der Tag vorher in ihm erweckt und nicht +befriedigt hat. Sie bedürfen keiner Deutungskunst, um diese einfache +Lösung zu finden, sondern nur der Erkundigung nach den Erlebnissen des +Kindes am Vortag (Traumtag). Es wäre nun gewiß die befriedigendste +Lösung des Traumrätsels, wenn auch die Träume der Erwachsenen nichts +anderes wären als die der Kinder, Erfüllungen von Wunschregungen, die +ihnen der Traumtag gebracht hat. So ist es auch in Wirklichkeit; die +Schwierigkeiten, welche dieser Lösung im Wege stehen, lassen sich durch +eine eingehendere Analyse der Träume schrittweise beseitigen. + +Da ist vor allem die erste und gewichtigste Einwendung, daß die Träume +Erwachsener gewöhnlich einen unverständlichen Inhalt haben, der am +wenigsten etwas von Wunscherfüllung erkennen läßt. Die Antwort lautet +hier: Diese Träume haben eine Entstellung erfahren; der psychische +Vorgang, der ihnen zu Grunde liegt, hätte ursprünglich ganz anderen +Ausdruck in Worten finden sollen. Sie müssen den _manifesten +Trauminhalt_, wie Sie ihn am Morgen verschwommen erinnern und mühselig, +anscheinend willkürlich, in Worte kleiden, unterscheiden von den +_latenten Traumgedanken_, die Sie im Unbewußten vorhanden anzunehmen +haben. Diese Traumentstellung ist derselbe Vorgang, den Sie bei der +Untersuchung der Bildung hysterischer Symptome kennen gelernt haben; sie +weist auch darauf hin, daß das gleiche Gegenspiel der seelischen Kräfte +bei der Traumbildung wie bei der Symptombildung beteiligt ist. Der +manifeste Trauminhalt ist der entstellte Ersatz für die unbewußten +Traumgedanken, und diese Entstellung ist das Werk von abwehrenden +Kräften des Ichs, Widerständen, welche den verdrängten Wünschen des +Unbewußten den Zugang zum Bewußtsein im Wachleben überhaupt verwehren, +in der Herabsetzung des Schlafzustandes aber wenigstens noch so stark +sind, daß sie ihnen eine verhüllende Vermummung aufnötigen. Der Träumer +erkennt dann den Sinn seiner Träume ebenso wenig wie der Hysterische die +Beziehung und Bedeutung seiner Symptome. + +Daß es latente Traumgedanken gibt und daß zwischen ihnen und dem +manifesten Trauminhalt wirklich die eben beschriebene Relation besteht, +davon überzeugen Sie sich bei der Analyse der Träume, deren Technik mit +der psychoanalytischen zusammenfällt. Sie sehen von dem scheinbaren +Zusammenhang der Elemente im manifesten Traum ganz ab und suchen sich +die Einfälle zusammen, die sich bei freier Assoziation nach der +psychoanalytischen Arbeitsregel zu jedem einzelnen Traumelement ergeben. +Aus diesem Material erraten Sie die latenten Traumgedanken ganz so, wie +Sie aus den Einfällen des Kranken zu seinen Symptomen und Erinnerungen +seine versteckten Komplexe erraten haben. An den so gefundenen latenten +Traumgedanken ersehen Sie ohne weiteres, wie vollberechtigt die +Rückführung der Träume Erwachsener auf die Kinderträume ist. Was sich +jetzt als der eigentliche Sinn des Traumes dem manifesten Trauminhalt +substituiert, das ist immer klar verständlich, knüpft an die +Lebenseindrücke des Vortages an, erweist sich als eine Erfüllung +unbefriedigter Wünsche. Den manifesten Traum, den Sie aus der Erinnerung +beim Erwachen kennen, können Sie dann nur beschreiben als eine +_verkappte_ Erfüllung _verdrängter_ Wünsche. + +Sie können durch eine Art von synthetischer Arbeit jetzt auch Einsicht +nehmen in den Prozeß, der die Entstellung der unbewußten Traumgedanken +zum manifesten Trauminhalt herbeigeführt hat. Wir heißen diesen Prozeß +die »Traumarbeit«. Derselbe verdient unser vollstes theoretisches +Interesse, weil wir an ihm wie sonst nirgends studieren können, welche +ungeahnten psychischen Vorgänge im Unbewußten, oder genau ausgedrückt, +_zwischen_ zwei gesonderten psychischen Systemen wie dem Bewußten und +dem Unbewußten, möglich sind. Unter diesen neu erkannten psychischen +Vorgängen heben sich die der _Verdichtung_ und der _Verschiebung_ +auffällig heraus. Die Traumarbeit ist ein Spezialfall der Einwirkungen +verschiedener seelischer Gruppierungen aufeinander, also der Erfolge der +seelischen Spaltung, und sie scheint in allem Wesentlichen identisch mit +jener Entstellungsarbeit, welche die verdrängten Komplexe bei +mißglückender Verdrängung in Symptome verwandelt. + +Sie werden ferner bei der Analyse der Träume, am überzeugendsten Ihrer +eigenen, mit Verwunderung die ungeahnt große Rolle entdecken, welche +Eindrücke und Erlebnisse früher Jahre der Kindheit auf die Entwicklung +des Menschen nehmen. Im Traumleben setzt das Kind im Menschen gleichsam +seine Existenz mit Erhaltung all seiner Eigentümlichkeiten und +Wunschregungen, auch der im späteren Leben unbrauchbar gewordenen, fort. +Mit unabweislicher Macht drängt sich Ihnen auf, durch welche +Entwicklungen, Verdrängungen, Sublimierungen und Reaktionsbildungen aus +dem ganz anders beanlagten Kind der sogenannt normale Mensch, der +Träger und zum Teil das Opfer der mühsam errungenen Kultur, hervorgeht. + +Auch darauf will ich sie aufmerksam machen, daß wir bei der Analyse der +Träume gefunden haben, das Unbewußte bediene sich, insbesondere für die +Darstellung sexueller Komplexe, einer gewissen Symbolik, die zum Teil +individuell variabel, zum anderen Teil aber typisch festgelegt ist, und +die sich mit der Symbolik zu decken scheint, die wir hinter unseren +Mythen und Märchen vermuten. Es wäre nicht unmöglich, daß die letzteren +Schöpfungen der Völker ihre Aufklärung vom Traume her empfangen könnten. + +Endlich muß ich Sie mahnen, daß Sie sich nicht durch den Einwand irre +machen lassen, das Vorkommen von Angstträumen widerspreche unserer +Auffassung des Traumes als Wunscherfüllung. Abgesehen davon, daß auch +diese Angstträume der Deutung bedürfen, ehe man über sie urteilen kann, +muß man ganz allgemein sagen, daß die Angst nicht so einfach am +Trauminhalt hängt, wie man's sich ohne weitere Kenntnis und Rücksicht +auf die Bedingungen der neurotischen Angst vorstellt. Die Angst ist eine +der Ablehnungsreaktionen des Ichs gegen stark gewordene verdrängte +Wünsche, und daher auch im Traume sehr gut erklärlich, wenn die +Traumbildung sich zu sehr in den Dienst der Erfüllung dieser verdrängten +Wünsche gestellt hat. + +Sie sehen, die Traumerforschung wäre an sich durch die Aufschlüsse +gerechtfertigt, die sie über sonst schwer wißbare Dinge liefert. Wir +sind aber im Zusammenhange mit der psychoanalytischen Behandlung der +Neurotiker zu ihr gelangt. Nach dem bisher Gesagten können Sie leicht +verstehen, wie die Traumdeutung, wenn sie nicht durch die Widerstände +des Kranken allzu sehr erschwert wird, zur Kenntnis der versteckten und +verdrängten Wünsche des Kranken und der von ihnen genährten Komplexe +führt, und ich kann zur dritten Gruppe von seelischen Phänomenen +übergehen, deren Studium zum technischen Mittel für die Psychoanalyse +geworden ist. + +Es sind dies die kleinen Fehlhandlungen normaler wie nervöser Menschen, +denen man sonst keine Bedeutung beizulegen pflegt, das Vergessen von +Dingen, die sie wissen könnten und andere Male auch wirklich wissen +(z. B. das zeitweilige Entfallen von Eigennamen), das Versprechen in der +Rede, das sich uns selbst so häufig ereignet, das analoge Verschreiben +und Verlesen, das Vergreifen bei Verrichtungen und das Verlieren oder +Zerbrechen von Gegenständen u. dgl., lauter Dinge, für die man eine +psychologische Determinierung sonst nicht sucht, und die man als +zufällige Ergebnisse, als Erfolge der Zerstreutheit, Unaufmerksamkeit +und ähnlicher Bedingungen unbeanstandet passieren läßt. Dazu kommen noch +die Handlungen und Gesten, welche die Menschen ausführen, ohne sie +überhaupt zu bemerken, geschweige denn, daß sie ihnen seelisches Gewicht +beilegten, wie das Spielen, Tändeln mit Gegenständen, das Summen von +Melodien, das Hantieren am eigenen Körper und an dessen Bekleidung und +ähnliches.[13] Diese kleinen Dinge, die _Fehlhandlungen_ wie die +_Symptom-_ und _Zufallshandlungen_, sind nicht so bedeutungslos, wie man +durch eine Art von stillschweigendem Übereinkommen anzunehmen bereit +ist. Sie sind durchaus sinnvoll, aus der Situation, in der sie +vorfallen, meist leicht und sicher zu deuten, und es stellt sich heraus, +daß sie wiederum Impulsen und Absichten Ausdruck geben, die +zurückgestellt, dem eigenen Bewußtsein verborgen werden sollen, oder daß +sie geradezu den nämlichen verdrängten Wunschregungen und Komplexen +entstammen, die wir bereits als die Schöpfer der Symptome und die +Bildner der Träume kennen gelernt haben. Sie verdienen also die +Würdigung von Symptomen, und ihre Beachtung kann wie die der Träume zur +Aufdeckung des Verborgenen im Seelenleben führen. Mit ihrer Hilfe verrät +der Mensch in der Regel die intimsten seiner Geheimnisse. Wenn sie +besonders leicht und häufig zu stande kommen, selbst beim Gesunden, dem +die Verdrängung seiner unbewußten Regungen im ganzen gut gelungen ist, +so haben sie es ihrer Geringfügigkeit und Unscheinbarkeit zu danken. +Aber sie dürfen hohen theoretischen Wert beanspruchen, da sie uns die +Existenz der Verdrängung und Ersatzbildung auch unter den Bedingungen +der Gesundheit erweisen. + + [13] Zur Psychopathologie des Alltagslebens. 3. Aufl., 1910, + S. _Karger_, Berlin. + +Sie merken es bereits, daß sich der Psychoanalytiker durch einen +besonders strengen Glauben an die Determinierung des Seelenlebens +auszeichnet. Für ihn gibt es in den psychischen Äußerungen nichts +Kleines, nichts Willkürliches und Zufälliges, er erwartet überall dort +eine ausreichende Motivierung, wo man gewöhnlich eine solche Forderung +nicht erhebt; ja er ist auf eine _mehrfache Motivierung_ desselben +seelischen Effekts vorbereitet, während unser angeblich eingeborenes +Kausalbedürfnis sich mit einer einzigen psychischen Ursache für +befriedigt erklärt. + +Halten Sie nun zusammen, was wir an Mitteln zur Aufdeckung des +Verborgenen, Vergessenen, Verdrängten im Seelenleben besitzen, das +Studium der hervorgerufenen Einfälle der Patienten bei freier +Assoziation, ihrer Träume und ihrer Fehl- und Symptomhandlungen; fügen +Sie noch hinzu die Verwertung anderer Phänomene, die sich während der +psychoanalytischen Behandlung ergeben, über die ich später unter dem +Schlagwort der »Übertragung« einige Bemerkungen machen werde, so werden +Sie mit mir zu dem Schlusse kommen, daß unsere Technik bereits wirksam +genug ist, um ihre Aufgabe lösen zu können, um das pathogene psychische +Material dem Bewußtsein zuzuführen und so die durch die Bildung von +Ersatzsymptomen hervorgerufenen Leiden zu beseitigen. Daß wir während +der therapeutischen Bemühungen unsere Kenntnis vom Seelenleben der +normalen und der kranken Menschen bereichern und vertiefen, kann gewiß +nur als ein besonderer Reiz und Vorzug dieser Arbeit eingeschätzt +werden. + +Ich weiß nicht, ob Sie den Eindruck empfangen haben, daß die Technik, +durch deren Arsenal ich Sie eben geführt habe, eine besonders schwierige +ist. Ich meine, sie ist dem Gegenstande, den sie bewältigen soll, +durchaus angemessen. Aber so viel ist sicher, daß sie nicht +selbstverständlich ist, daß sie erlernt werden muß wie die histologische +oder die chirurgische. Es wird Sie vielleicht verwundern, zu hören, daß +wir in Europa eine Menge von Urteilen über die Psychoanalyse von +Personen gehört haben, die von dieser Technik nichts wissen und sie +nicht anwenden, und dann von uns wie im Hohne verlangten, wir sollten +ihnen die Richtigkeit unserer Resultate beweisen. Es sind unter diesen +Widersachern gewiß auch Personen, denen wissenschaftliche Denkweise +sonst nicht fremd ist, die z. B. ein Ergebnis mikroskopischer +Untersuchung nicht darum verwerfen würden, weil es am anatomischen +Präparat nicht mit freiem Auge zu bestätigen ist, und nicht eher, als +bis sie den Sachverhalt selbst mit Hilfe des Mikroskops beurteilt haben. +Aber in Sachen der Psychoanalyse liegen die Verhältnisse wirklich +ungünstiger für die Anerkennung. Die Psychoanalyse will das im +Seelenleben Verdrängte zur bewußten Anerkennung bringen, und jeder, der +sie beurteilt, ist selbst ein Mensch, der solche Verdrängungen besitzt, +vielleicht sie nur mühsam aufrecht erhält. Sie muß also bei ihm +denselben Widerstand hervorrufen, den sie bei den Kranken weckt, und +dieser Widerstand hat es leicht, sich in intellektuelle Ablehnung zu +verkleiden und Argumente herbeizuziehen, ähnlich wie die, welche wir bei +unseren Kranken mit der psychoanalytischen Grundregel abwehren. Wie bei +unseren Kranken, so können wir auch bei unseren Gegnern häufig eine sehr +auffällige affektive Beeinflussung des Urteilsvermögens im Sinne einer +Herabsetzung konstatieren. Der Dünkel des Bewußtseins, der z. B. den +Traum so geringschätzig verwirft, gehört zu den stärksten +Schutzeinrichtungen, die in uns ganz allgemein gegen das Durchdringen +der unbewußten Komplexe vorgesehen sind, und darum ist es so schwierig, +die Menschen zur Überzeugung von der Realität des Unbewußten zu bringen +und sie Neues kennen zu lehren, was ihrer bewußten Kenntnis +widerspricht. + + + + + IV. + + +Meine Damen und Herren! Sie werden nun zu wissen verlangen, was wir mit +Hilfe der beschriebenen technischen Mittel über die pathogenen Komplexe +und verdrängten Wunschregungen der Neurotiker in Erfahrung gebracht +haben. + +Nun vor allem eines: Die psychoanalytische Forschung führt mit wirklich +überraschender Regelmäßigkeit die Leidenssymptome der Kranken auf +Eindrücke aus ihrem Liebesleben zurück, zeigt uns, daß die pathogenen +Wunschregungen von der Natur erotischer Triebkomponenten sind, und +nötigt uns anzunehmen, daß Störungen der Erotik die größte Bedeutung +unter den zur Erkrankung führenden Einflüssen zugesprochen werden muß, +und dies zwar bei beiden Geschlechtern. + +Ich weiß, diese Behauptung wird mir nicht gerne geglaubt. Selbst solche +Forscher, die meinen psychologischen Arbeiten bereitwillig folgen, sind +geneigt zu meinen, daß ich den ätiologischen Anteil der sexuellen +Momente überschätze, und wenden sich an mich mit der Frage, warum denn +nicht auch andere seelische Erregungen zu den beschriebenen Phänomenen +der Verdrängung und Ersatzbildung Anlaß geben sollen. Nun ich kann +antworten: Ich weiß nicht, warum sie es nicht sollten, habe auch nichts +dagegen, aber die Erfahrung zeigt, daß sie solche Bedeutung nicht haben, +daß sie höchstens die Wirkung der sexuellen Momente unterstützen, nie +aber die letzteren ersetzen können. Dieser Sachverhalt wurde von mir +nicht etwa theoretisch postuliert; noch in den 1895 mit Dr. J. _Breuer_ +publizierten Studien über Hysterie stand ich nicht auf diesem +Standpunkte; ich mußte mich zu ihm bekehren, als meine Erfahrungen +zahlreicher wurden und tiefer in den Gegenstand eindrangen. Meine +Herren! Es befinden sich hier unter Ihnen einige meiner nächsten Freunde +und Anhänger, die die Reise nach Worcester mit mir gemacht haben. Fragen +Sie bei ihnen an und Sie werden hören, daß sie alle der Behauptung von +der maßgebenden Bedeutung der sexuellen Ätiologie zuerst vollen +Unglauben entgegenbrachten, bis sie durch ihre eigenen analytischen +Bemühungen genötigt wurden, sie zu der ihrigen zu machen. + +Die Überzeugung von der Richtigkeit des in Rede stehenden Satzes wird +durch das Benehmen der Patienten nicht gerade erleichtert. Anstatt uns +die Auskünfte über ihr Sexualleben bereitwillig entgegenzubringen, +suchen sie dieses mit allen Mitteln zu verbergen. Die Menschen sind +überhaupt nicht aufrichtig in sexuellen Dingen. Sie zeigen ihre +Sexualität nicht frei, sondern tragen eine dicke Oberkleidung aus -- +Lügengewebe zu ihrer Verhüllung, als ob es schlechtes Wetter gäbe in +der Welt der Sexualität. Und sie haben nicht unrecht, Sonne und Wind +sind in unserer Kulturwelt der sexuellen Betätigung wirklich nicht +günstig; eigentlich kann niemand von uns seine Erotik frei den anderen +enthüllen. Wenn Ihre Patienten aber erst gemerkt haben, daß sie sich's +in Ihrer Behandlung behaglich machen dürfen, dann legen sie jene +Lügenhülle ab, und dann erst sind Sie in der Lage, sich ein Urteil über +unsere Streitfrage zu bilden. Leider sind auch die Ärzte in ihrem +persönlichen Verhältnis zu den Fragen des Sexuallebens vor anderen +Menschenkindern nicht bevorzugt, und viele von ihnen stehen unter dem +Banne jener Vereinigung von Prüderie und Lüsternheit, welche das +Verhalten der meisten »Kulturmenschen« in Sachen der Sexualität +beherrscht. + +Lassen Sie uns nun in der Mitteilung unserer Ergebnisse fortfahren. In +einer anderen Reihe von Fällen führt die psychoanalytische Erforschung +die Symptome allerdings nicht auf sexuelle, sondern auf banale +traumatische Erlebnisse zurück. Aber diese Unterscheidung wird durch +einen anderen Umstand bedeutungslos. Die zur gründlichen Aufklärung und +endgültigen Herstellung eines Krankheitsfalles erforderliche +Analysenarbeit macht nämlich in keinem Falle bei den Erlebnissen der +Erkrankungszeit Halt, sondern sie geht in allen Fällen bis in die +Pubertät und in die frühe Kindheit des Erkrankten zurück, um erst dort +auf die für die spätere Erkrankung bestimmenden Eindrücke und Vorfälle +zu stoßen. Erst die Erlebnisse der Kindheit geben die Erklärung für die +Empfindlichkeit gegen spätere Traumen, und nur durch die Aufdeckung und +Bewußtmachung dieser fast regelmäßig vergessenen Erinnerungsspuren +erwerben wir die Macht zur Beseitigung der Symptome. Wir gelangen hier +zu dem gleichen Ergebnis wie bei der Erforschung der Träume, daß es die +unvergänglichen, verdrängten Wunschregungen der Kindheit sind, die ihre +Macht zur Symptombildung geliehen haben, ohne welche die Reaktion auf +spätere Traumen normal verlaufen wäre. Diese mächtigen Wunschregungen +der Kindheit dürfen wir aber ganz allgemein als sexuelle bezeichnen. + +Jetzt bin ich aber erst recht Ihrer Verwunderung sicher. Gibt es denn +eine infantile Sexualität? werden Sie fragen. Ist das Kindesalter nicht +vielmehr die Lebensperiode, die durch das Fehlen des Sexualtriebes +ausgezeichnet ist? Nein, meine Herren, es ist gewiß nicht so, daß der +Sexualtrieb zur Pubertätszeit in die Kinder fährt, wie im Evangelium der +Teufel in die Säue. Das Kind hat seine sexuellen Triebe und +Betätigungen von Anfang an, es bringt sie mit auf die Welt, und aus +ihnen geht durch eine bedeutungsvolle, an Etappen reiche Entwicklung die +sogenannte normale Sexualität des Erwachsenen hervor. Es ist nicht +einmal schwer, die Äußerungen dieser kindlichen Sexualbetätigung zu +beobachten; es gehört vielmehr eine gewisse Kunst dazu, sie zu übersehen +oder wegzudeuten. + +Durch die Gunst des Schicksals bin ich in die Lage versetzt, einen +Zeugen für meine Behauptungen aus Ihrer Mitte selbst anzurufen. Ich +zeige Ihnen hier die Arbeit eines Dr. _Sanford Bell_, die 1902 im +»American Journal of Psychology« abgedruckt worden ist. Der Autor ist +ein Fellow der Clark University, desselben Instituts, in dessen Räumen +wir jetzt stehen. In dieser Arbeit, betitelt: A preliminary study of the +emotion of love between the sexes, die drei Jahre vor meinen »Drei +Abhandlungen zur Sexualtheorie« erschienen ist, sagt der Autor ganz so, +wie ich Ihnen eben sagte: The emotion of sex-love.... does not make its +appearance for the first time at the period of adolescence, as has been +thought. Er hat, wie wir in Europa sagen würden, im amerikanischen Stil +gearbeitet; nicht weniger als 2500 positive Beobachtungen im Laufe von +15 Jahren gesammelt, darunter 800 eigene. Von den Zeichen, durch die +sich diese Verliebtheiten kundgeben, äußert er: The unprejudiced mind in +observing these manifestations in hundreds of couples of children cannot +escape referring them to sex origin. The most exacting mind is satisfied +when to these observations are added the confessions of those who have +as children, experienced the emotion to a marked degree of intensity, +and whose memories of childhood are relatively distinct. Am meisten aber +werden diejenigen von Ihnen, die an die infantile Sexualität nicht +glauben wollten, überrascht sein zu hören, daß unter diesen früh +verliebten Kindern nicht wenige sich im zarten Alter von drei, vier und +fünf Jahren befinden. + +Ich würde mich nicht wundern, wenn Sie diesen Beobachtungen eines +engsten Landsmannes eher Glauben schenken würden als den meinigen. Mir +selbst ist es vor kurzem geglückt, aus der Analyse eines fünfjährigen, +an Angst leidenden Knaben, die dessen eigener Vater kunstgerecht mit ihm +vorgenommen,[14] ein ziemlich vollständiges Bild der somatischen +Triebäußerungen und der seelischen Produktionen auf einer frühen Stufe +des kindlichen Liebeslebens zu gewinnen. Und ich darf Sie daran +erinnern, daß mein Freund Dr. C. G. _Jung_ Ihnen in diesem Saale vor +wenigen Stunden die Beobachtung eines noch jüngeren Mädchens vorlas, +welches aus dem gleichen Anlaß wie mein Patient -- bei der Geburt eines +Geschwisterchens -- fast die nämlichen sinnlichen Regungen, Wunsch- und +Komplexbildungen, mit Sicherheit erraten ließ. Ich verzweifle also nicht +daran, daß Sie sich mit der anfänglich befremdlichen Idee der infantilen +Sexualität befreunden werden, und möchte Ihnen noch das rühmliche +Beispiel des Züricher Psychiaters E. _Bleuler_ vorhalten, der noch vor +wenigen Jahren öffentlich äußerte, »er stehe meinen sexuellen Theorien +ohne Verständnis gegenüber«, und seither die infantile Sexualität in +ihrem vollen Umfang durch eigene Beobachtungen bestätigt hat.[15] + + [14] Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben. Jahrbuch für + psychoanalyt. und psychopathologische Forschungen. Bd. I, + 1. Hälfte, 1909. + + [15] _Bleuler_, Sexuelle Abnormitäten der Kinder. Jahrbuch der + schweiz. Gesellschaft für Schulgesundheitspflege, IX, 1908. + +Wenn die meisten Menschen, ärztliche Beobachter oder andere, vom +Sexualleben des Kindes nichts wissen wollen, so ist dies nur zu leicht +erklärlich. Sie haben ihre eigene infantile Sexualbetätigung unter dem +Drucke der Erziehung zur Kultur vergessen und wollen nun an das +Verdrängte nicht erinnert werden. Sie würden zu anderen Überzeugungen +gelangen, wenn sie die Untersuchung mit einer Selbstanalyse, einer +Revision und Deutung ihrer Kindheitserinnerungen beginnen würden. + +Lassen Sie die Zweifel fallen und gehen Sie mit mir an eine Würdigung +der infantilen Sexualität von den frühesten Jahren an.[16] Der +Sexualtrieb des Kindes erweist sich als hoch zusammengesetzt, er läßt +eine Zerlegung in viele Komponenten zu, die aus verschiedenen Quellen +stammen. Er ist vor allem noch unabhängig von der Funktion der +Fortpflanzung, in deren Dienst er sich später stellen wird. Er dient der +Gewinnung verschiedener Arten von Lustempfindung, die wir nach Analogien +und Zusammenhängen als Sexuallust zusammenfassen. Die Hauptquelle der +infantilen Sexuallust ist die geeignete Erregung bestimmter, besonders +reizbarer Körperstellen, außer den Genitalien, der Mund-, After- und +Harnröhrenöffnung, aber auch der Haut und anderer Sinnesoberflächen. Da +in dieser ersten Phase des kindlichen Sexuallebens die Befriedigung am +eigenen Körper gefunden und von einem fremden Objekt abgesehen wird, +heißen wir die Phase nach einem von _Havelock Ellis_ geprägten Wort die +des _Autoerotismus_. Jene für die Gewinnung von sexueller Lust +bedeutsamen Stellen nennen wir _erogene Zonen_. Das Ludeln oder +Wonnesaugen der kleinsten Kinder ist ein gutes Beispiel einer solchen +autoerotischen Befriedigung von einer erogenen Zone aus; der erste +wissenschaftliche Beobachter dieses Phänomens, ein Kinderarzt namens +_Lindner_ in Budapest, hat es bereits richtig als Sexualbefriedigung +gedeutet und dessen Übergang in andere und höhere Formen der +Sexualbetätigung erschöpfend beschrieben.[17] Eine andere +Sexualbefriedigung dieser Lebenszeit ist die masturbatorische Erregung +der Genitalien, die eine so große Bedeutung für das spätere Leben behält +und von vielen Individuen überhaupt nie völlig überwunden wird. Neben +diesen und anderen autoerotischen Betätigungen äußern sich sehr +frühzeitig beim Kinde jene Triebkomponenten der Sexuallust oder, wie wir +gern sagen, der Libido, die eine fremde Person als Objekt zur +Voraussetzung nehmen. Diese Triebe treten in Gegensatzpaaren auf, als +aktive und passive; ich nenne Ihnen als die wichtigsten Vertreter dieser +Gruppe die Lust, Schmerzen zu bereiten (Sadismus), mit ihrem passiven +Gegenspiel (Masochismus), und die aktive und passive Schaulust, von +welch ersterer später die Wißbegierde abzweigt, wie von letzterer der +Drang zur künstlerischen und schauspielerischen Schaustellung. Andere +Sexualbetätigungen des Kindes fallen bereits unter den Gesichtspunkt der +_Objektwahl_, bei welcher eine fremde Person zur Hauptsache wird, die +ihre Bedeutung ursprünglich Rücksichten des Selbsterhaltungstriebes +verdankt. Der Geschlechtsunterschied spielt aber in dieser kindlichen +Periode noch keine ausschlaggebende Rolle; Sie können so jedem Kinde, +ohne ihm Unrecht zu tun, ein Stück homosexueller Begabung zusprechen. + + [16] Drei Vorlesungen zur Sexualtheorie, Wien, Fr. Deuticke, 1906, + 2. Auflage, 1910. + + [17] Jahrbuch für Kinderheilkunde, 1879. + +Dies zerfahrene, reichhaltige, aber dissoziierte Sexualleben des Kindes, +in welchem der einzelne Trieb unabhängig von jedem anderen dem +Lusterwerbe nachgeht, erfährt nun eine Zusammenfassung und Organisation +nach zwei Hauptrichtungen, so daß mit Abschluß der Pubertätszeit der +definitive Sexualcharakter des Individuums meist fertig ausgebildet ist. +Einerseits unterordnen sich die einzelnen Triebe der Oberherrschaft der +Genitalzone, wodurch das ganze Sexualleben in den Dienst der +Fortpflanzung tritt, und ihre Befriedigung nur noch als Vorbereitung und +Begünstigung des eigentlichen Sexualaktes von Bedeutung bleibt. +Anderseits drängt die Objektwahl den Autoerotismus zurück, so daß nun im +Liebesleben alle Komponenten des Sexualtriebes an der geliebten Person +befriedigt werden wollen. Aber nicht alle ursprünglichen +Triebkomponenten werden zu einem Anteil an dieser endgültigen +Feststellung des Sexuallebens zugelassen. Noch vor der Pubertätszeit +sind unter dem Einfluß der Erziehung äußerst energische Verdrängungen +gewisser Triebe durchgesetzt und seelische Mächte wie Scham, Ekel, Moral +hergestellt worden, welche diese Verdrängungen wie Wächter unterhalten. +Kommt dann im Pubertätsalter die Hochflut der sexuellen Bedürftigkeit, +so findet sie an den genannten seelischen Reaktions- oder +Widerstandsbildungen Dämme, welche ihr den Ablauf in die sogenannten +normalen Wege vorschreiben und es ihr unmöglich machen, die der +Verdrängung unterlegenen Triebe neu zu beleben. Es sind besonders die +_koprophilen_, d. h. die mit den Exkrementen zusammenhängenden +Lustregungen der Kindheit, welche von der Verdrängung am gründlichsten +betroffen werden, und ferner die Fixierung an die Personen der +primitiven Objektwahl. + +Meine Herren! Ein Satz der allgemeinen Pathologie sagt aus, daß jeder +Entwicklungsvorgang die Keime der pathologischen Disposition mit sich +bringt, insofern er gehemmt, verzögert werden oder unvollkommen ablaufen +kann. Dasselbe gilt für die so komplizierte Entwicklung der +Sexualfunktion. Sie wird nicht bei allen Individuen glatt durchgemacht +und hinterläßt dann entweder Abnormitäten oder Dispositionen zu späterer +Erkrankung auf dem Wege der Rückbildung (Regression). Es kann geschehen, +daß nicht alle Partialtriebe sich der Herrschaft der Genitalzone +unterwerfen; ein solcher unabhängig gebliebener Trieb stellt dann das +her, was wir eine _Perversion_ nennen, und was das normale Sexualziel +durch sein eigenes ersetzen kann. Es kommt, wie bereits erwähnt, sehr +häufig vor, daß der Autoerotismus nicht völlig überwunden wird, wovon +die mannigfaltigsten Störungen in der Folge Zeugnis ablegen. Die +ursprüngliche Gleichwertigkeit beider Geschlechter als Sexualobjekte +kann sich erhalten, und daraus wird sich eine Neigung zur homosexuellen +Betätigung im reifen Leben ergeben, die sich unter Umständen zur +ausschließlichen Homosexualität steigern kann. Diese Reihe von Störungen +entspricht den direkten Entwicklungshemmungen der Sexualfunktion; sie +umfaßt die _Perversionen_ und den gar nicht seltenen allgemeinen +_Infantilismus_ des Sexuallebens. + +Die Disposition zu den Neurosen ist auf andere Weise von einer +Schädigung der Sexualentwicklung abzuleiten. Die Neurosen verhalten sich +zu den Perversionen wie das Negativ zum Positiv; in ihnen sind dieselben +Triebkomponenten als Träger der Komplexe und Symptombildner nachweisbar +wie bei den Perversionen, aber sie wirken hier vom Unbewußten her; sie +haben also eine Verdrängung erfahren, konnten sich aber derselben zum +Trotze im Unbewußten behaupten. Die Psychoanalyse läßt uns erkennen, daß +überstarke Äußerung dieser Triebe in sehr frühen Zeiten zu einer Art von +partieller _Fixierung_ führt, die nun einen schwachen Punkt im Gefüge +der Sexualfunktion darstellt. Stößt die Ausübung der normalen +Sexualfunktion im reifen Leben auf Hindernisse, so wird die Verdrängung +der Entwicklungszeit gerade an jenen Stellen durchbrochen, wo die +infantilen Fixierungen stattgefunden haben. + +Sie werden jetzt vielleicht den Einwand machen: Aber das ist ja alles +nicht Sexualität. Ich gebrauchte das Wort in einem viel weiteren Sinne, +als Sie gewohnt sind, es zu verstehen. Das gebe ich Ihnen gern zu. Aber +es fragt sich, ob nicht vielmehr Sie das Wort in viel zu engem Sinne +gebrauchen, wenn Sie es auf das Gebiet der Fortpflanzung einschränken. +Sie opfern dabei das Verständnis der Perversionen, den Zusammenhang +zwischen Perversion, Neurose und normalem Sexualleben, und setzen sich +außer stande, die leicht zu beobachtenden Anfänge des somatischen und +seelischen Liebeslebens der Kinder nach ihrer wahren Bedeutung zu +erkennen. Wie immer Sie aber über den Wortgebrauch entscheiden wollen, +halten Sie daran fest, daß der Psychoanalytiker die Sexualität in jenem +vollen Sinne erfaßt, zu dem man durch die Würdigung der infantilen +Sexualität geleitet wird. + +Kehren wir nun nochmals zur Sexualentwicklung des Kindes zurück. Wir +haben hier manches nachzuholen, weil wir unsere Aufmerksamkeit mehr den +somatischen als den seelischen Äußerungen des Sexuallebens geschenkt +haben. Die primitive Objektwahl des Kindes, die sich von seiner +Hilfsbedürftigkeit ableitet, fordert unser weiteres Interesse heraus. +Sie wendet sich zunächst allen Pflegepersonen zu, die aber bald hinter +den Eltern zurücktreten. Die Beziehung der Kinder zu ihren Eltern ist, +wie direkte Beobachtung des Kindes und spätere analytische Erforschung +des Erwachsenen übereinstimmend dartun, keineswegs frei von Elementen +sexueller Miterregung. Das Kind nimmt beide Elternteile und einen Teil +besonders zum Objekt seiner erotischen Wünsche. Gewöhnlich folgt es +dabei selbst einer Anregung der Eltern, deren Zärtlichkeit die +deutlichsten Charaktere einer, wenn auch in ihren Zielen gehemmten, +Sexualbetätigung hat. Der Vater bevorzugt in der Regel die Tochter, die +Mutter den Sohn; das Kind reagiert hierauf, indem es sich als Sohn an +die Stelle des Vaters, als Tochter an die Stelle der Mutter wünscht. +Die Gefühle, die in diesen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und +in den daran angelehnten zwischen den Geschwistern untereinander geweckt +werden, sind nicht nur positiver, zärtlicher, sondern auch negativer, +feindseliger Art. Der so gebildete Komplex ist zur baldigen Verdrängung +bestimmt, aber er übt noch vom Unbewußten her eine großartige und +nachhaltige Wirkung aus. Wir dürfen die Vermutung aussprechen, daß er +mit seinen Ausläufern den _Kernkomplex_ einer jeden Neurose darstellt, +und wir sind darauf gefaßt, ihn auf anderen Gebieten des Seelenlebens +nicht minder wirksam anzutreffen. Der Mythus vom König _Ödipus_, der +seinen Vater tötet und seine Mutter zum Weib gewinnt, ist eine noch +wenig abgeänderte Offenbarung des infantilen Wunsches, dem sich +späterhin die _Inzest_schranke abweisend entgegenstellt. Die +_Hamlet_-Dichtung _Shakespeares_ ruht auf demselben Boden des besser +verhüllten Inzestkomplexes. + +Um die Zeit, da das Kind von dem noch unverdrängten Kernkomplex +beherrscht wird, setzt ein bedeutungsvolles Stück seiner intellektuellen +Betätigung im Dienste der Sexualinteressen ein. Es beginnt zu forschen, +woher die Kinder kommen, und errät in Verwertung der ihm gebotenen +Anzeichen mehr von den wirklichen Verhältnissen, als die Erwachsenen +ahnen können. Gewöhnlich hat die materielle Bedrohung durch ein neu +angekommenes Kind, in dem es zunächst nur den Konkurrenten erblickt, +sein Forscherinteresse geweckt. Unter dem Einfluß der in ihm selbst +tätigen Partialtriebe gelangt es zu einer Anzahl von »_infantilen +Sexualtheorien_«, wie daß es beiden Geschlechtern das gleiche männliche +Genitale zuspricht, daß es die Kinder durch Essen empfangen und durch +das Ende des Darmes gebären läßt, und daß es den Verkehr der +Geschlechter als einen feindseligen Akt, eine Art von Überwältigung +erfaßt. Aber gerade die Unfertigkeit seiner sexuellen Konstitution und +die Lücke in seinen Kenntnissen, die durch die Latenz des weiblichen +Geschlechtskanals gegeben ist, nötigt den infantilen Forscher, seine +Arbeit als erfolglos einzustellen. Die Tatsache dieser Kinderforschung +selbst, sowie die einzelnen durch sie zu Tage geförderten infantilen +Sexualtheorien bleiben von bestimmender Bedeutung für die +Charakterbildung des Kindes und den Inhalt seiner späteren neurotischen +Erkrankung. + +Es ist unvermeidlich und durchaus normal, daß das Kind die Eltern zu +Objekten seiner ersten Liebeswahl mache. Aber seine Libido soll nicht an +diese ersten Objekte fixiert bleiben, sondern sie späterhin bloß zum +Vorbild nehmen und von ihnen zur Zeit der definitiven Objektwahl auf +fremde Personen hinübergleiten. Die _Ablösung_ des Kindes von den Eltern +wird so zu einer unentrinnbaren Aufgabe, wenn die soziale Tüchtigkeit +des jungen Individuums nicht gefährdet werden soll. Während der Zeit, da +die Verdrängung die Auslese unter den Partialtrieben der Sexualität +trifft, und später, wenn der Einfluß der Eltern gelockert werden soll, +der den Aufwand für diese Verdrängungen im wesentlichen bestritten hat, +fallen der Erziehungsarbeit große Aufgaben zu, die gegenwärtig gewiß +nicht immer in verständnisvoller und einwandfreier Weise erledigt +werden. + +Meine Herren! Urteilen Sie nicht etwa, daß wir uns mit diesen +Erörterungen über das Sexualleben und die psychosexuelle Entwicklung des +Kindes allzu weit von der Psychoanalyse und von der Aufgabe der +Beseitigung nervöser Störungen entfernt haben. Wenn Sie wollen, können +Sie die psychoanalytische Behandlung nur als eine fortgesetzte Erziehung +zur Überwindung von Kindheitsresten beschreiben. + + + + + V. + + +Meine Damen und Herren! Mit der Aufdeckung der infantilen Sexualität und +der Zurückführung der neurotischen Symptome auf erotische +Triebkomponenten sind wir zu einigen unerwarteten Formeln über das Wesen +und die Tendenzen der neurotischen Erkrankungen gelangt. Wir sehen, daß +die Menschen erkranken, wenn ihnen infolge äußerer Hindernisse oder +inneren Mangels an Anpassung die Befriedigung ihrer erotischen +Bedürfnisse in der _Realität_ versagt ist. Wir sehen, daß sie sich dann +in die _Krankheit flüchten_, um mit ihrer Hilfe eine Ersatzbefriedigung +für das Versagte zu finden. Wir erkennen, daß die krankhaften Symptome +ein Stück der Sexualbetätigung der Person oder deren ganzes Sexualleben +enthalten, und finden in der Fernhaltung von der Realität die +Haupttendenz, aber auch den Hauptschaden des Krankseins. Wir ahnen, daß +der Widerstand unserer Kranken gegen die Herstellung kein einfacher, +sondern aus mehreren Motiven zusammengesetzt ist. Es sträubt sich nicht +nur das Ich des Kranken dagegen, die Verdrängungen aufzugeben, durch +welche es sich aus den ursprünglichen Anlagen herausgehoben hat, sondern +auch die Sexualtriebe mögen nicht auf ihre Ersatzbefriedigung +verzichten, solange es unsicher ist, ob ihnen die Realität etwas +Besseres bieten wird. + +Die Flucht aus der unbefriedigenden Wirklichkeit in das, was wir wegen +seiner biologischen Schädlichkeit Krankheit nennen, was aber niemals +ohne einen unmittelbaren Lustgewinn für den Kranken ist, vollzieht sich +auf dem Wege der Rückbildung (_Regression_), der Rückkehr zu früheren +Phasen des Sexuallebens, denen seinerzeit die Befriedigung nicht +abgegangen ist. Diese Regression ist anscheinend eine zweifache, eine +_zeitliche_, insofern die Libido, das erotische Bedürfnis, auf zeitlich +frühere Entwicklungsstufen zurückgreift, und eine _formale_, indem zur +Äußerung dieses Bedürfnisses die ursprünglichen und primitiven +psychischen Ausdrucksmittel verwendet werden. Beide Arten der Regression +zielen aber auf die Kindheit und treffen zusammen in der Herstellung +eines infantilen Zustands des Sexuallebens. + +Je tiefer Sie in die Pathogenese der nervösen Erkrankung eindringen, +desto mehr wird sich Ihnen der Zusammenhang der Neurosen mit anderen +Produktionen des menschlichen Seelenlebens, auch mit den wertvollsten +derselben, enthüllen. Sie werden daran gemahnt, daß wir Menschen mit den +hohen Ansprüchen unserer Kultur und unter dem Drucke unserer inneren +Verdrängungen, die Wirklichkeit ganz allgemein unbefriedigend finden und +darum ein Phantasieleben unterhalten, in welchem wir durch Produktionen +von Wunscherfüllungen die Mängel der Realität auszugleichen lieben. In +diesen Phantasien ist sehr vieles von dem eigentlichen konstitutionellen +Wesen der Persönlichkeit und auch von ihren für die Wirklichkeit +verdrängten Regungen enthalten. Der energische und erfolgreiche Mensch +ist der, dem es gelingt, durch Arbeit seine Wunschphantasien in Realität +umzusetzen. Wo dies nicht gelingt infolge der Widerstände der Außenwelt +und der Schwäche des Individuums, da tritt die Abwendung von der +Realität ein, das Individuum zieht sich in seine befriedigendere +Phantasiewelt zurück, deren Inhalt es im Falle der Erkrankung in +Symptome umsetzt. Unter gewissen günstigen Bedingungen bleibt es ihm +noch möglich, von diesen Phantasien aus einen anderen Weg in die +Realität zu finden, anstatt sich ihr durch Regression ins Infantile +dauernd zu entfremden. Wenn die mit der Realität verfeindete Person im +Besitze der uns psychologisch noch rätselhaften _künstlerischen +Begabung_ ist, kann sie ihre Phantasien anstatt in Symptome in +künstlerische Schöpfungen umsetzen, so dem Schicksal der Neurose +entgehen und die Beziehung zur Realität auf diesem Umwege +wiedergewinnen.[18] Wo bei bestehender Auflehnung gegen die reale Welt +diese kostbare Begabung fehlt oder unzulänglich ist, da wird es wohl +unvermeidlich, daß die Libido, der Herkunft der Phantasie folgend, auf +dem Wege der Regression zur Wiederbelebung der infantilen Wünsche und +somit zur Neurose gelangt. Die Neurose vertritt in unserer Zeit das +Kloster, in welches sich alle die Personen zurückzuziehen pflegten, die +das Leben enttäuscht hatte, oder die sich für das Leben zu schwach +fühlten. + + [18] Vgl. O. _Rank_, Der Künstler, H. Heller, Wien 1907. + +Lassen Sie mich an dieser Stelle das Hauptergebnis einfügen, zu welchem +wir durch die psychoanalytische Untersuchung der Nervösen gelangt sind, +daß die Neurosen keinen ihnen eigentümlichen psychischen Inhalt haben, +der nicht auch beim Gesunden zu finden wäre, oder wie _C. G. Jung_ es +ausgedrückt hat, daß sie an denselben Komplexen erkranken, mit denen +auch wir Gesunde kämpfen. Es hängt von quantitativen Verhältnissen, von +den Relationen der miteinander ringenden Kräfte ab, ob der Kampf zur +Gesundheit, zur Neurose oder zur kompensierenden Überleistung führt. + +Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen die wichtigste Erfahrung noch +vorenthalten, welche unsere Annahme von den sexuellen Triebkräften der +Neurose bestätigt. Jedesmal wenn wir einen Nervösen psychoanalytisch +behandeln, tritt bei ihm das befremdende Phänomens der sogenannten +_Übertragung_ auf, d. h. er wendet dem Arzt ein Ausmaß von zärtlichen, +oft genug mit Feindseligkeit vermengten Regungen zu, welches in keiner +realen Beziehung begründet ist und nach allen Einzelheiten seines +Auftretens von den alten und unbewußt gewordenen Phantasiewünschen des +Kranken abgeleitet werden muß. Jenes Stück seines Gefühlslebens, das er +sich nicht mehr in die Erinnerung zurückrufen kann, erlebt der Kranke +also in seinem Verhältnisse zum Arzte wieder, und erst durch solches +Wiedererleben in der »Übertragung« wird er von der Existenz wie von der +Macht dieser unbewußten sexuellen Regungen überzeugt. Die Symptome, +welche, um ein Gleichnis aus der Chemie zu gebrauchen, die Niederschläge +von früheren Liebeserlebnissen (im weitesten Sinne) sind, können auch +nur in der erhöhten Temperatur des Übertragungserlebnisses gelöst und in +andere psychische Produkte übergeführt werden. Der Arzt spielt bei +dieser Reaktion nach einem vortrefflichen Worte von S. _Ferenczi_[19] +die Rolle eines _katalytischen Ferments_, das die bei dem Prozesse frei +werdenden Affekte zeitweilig an sich reißt. Das Studium der Übertragung +kann Ihnen auch den Schlüssel zum Verständnis der hypnotischen +Suggestion geben, deren wir uns anfänglich als technisches Mittel zur +Erforschung des Unbewußten bei unseren Kranken bedient hatten. Die +Hypnose erwies sich damals als eine therapeutische Hilfe, aber als ein +Hindernis der wissenschaftlichen Erkenntnis des Sachverhaltes, indem sie +die psychischen Widerstände aus einem gewissen Gebiet wegräumte, um sie +an den Grenzen desselben zu einem unübersteigbaren Wall aufzutürmen. +Glauben Sie übrigens nicht, daß das Phänomen der Übertragung, über das +ich Ihnen leider hier nur zu wenig sagen kann, durch die +psychoanalytische Beeinflussung geschaffen wird. Die Übertragung stellt +sich in allen menschlichen Beziehungen ebenso wie im Verhältnis des +Kranken zum Arzte spontan her, sie ist überall der eigentliche Träger +der therapeutischen Beeinflussung, und sie wirkt um so stärker, je +weniger man ihr Vorhandensein ahnt. Die Psychoanalyse schafft sie also +nicht, sie deckt sie bloß dem Bewußtsein auf, und bemächtigt sich ihrer, +um die psychischen Vorgänge nach dem erwünschten Ziele zu lenken. Ich +kann aber das Thema der Übertragung nicht verlassen, ohne hervorzuheben, +daß dieses Phänomen nicht nur für die Überzeugung des Kranken, sondern +auch für die des Arztes entscheidend in Betracht kommt. Ich weiß, daß +alle meine Anhänger erst durch ihre Erfahrungen mit der Übertragung von +der Richtigkeit meiner Behauptungen über die Pathogenese der Neurosen +überzeugt worden sind, und kann sehr wohl begreifen, daß man eine solche +Sicherheit des Urteils nicht gewinnt, solange man selbst keine +Psychoanalysen gemacht, also nicht selbst die Wirkungen der Übertragung +beobachtet hat. + + [19] S. _Ferenczi_, Introjektion und Übertragung. Jahrb. f. + psychoanal. u. psychopath. Forschungen, I. 2. 1909. + +Meine Damen und Herren! Ich meine, es sind von der Seite des Intellekts +besonders zwei Hindernisse gegen die Anerkennung der psychoanalytischen +Gedankengänge zu würdigen: Erstens die Ungewohnheit, mit der strengen +und ausnahmslos geltenden Determinierung des seelischen Lebens zu +rechnen, und zweitens die Unkenntnis der Eigentümlichkeiten, durch +welche sich unbewußte seelische Vorgänge von den uns vertrauten bewußten +unterscheiden. Einer der verbreitetsten Widerstände gegen die +psychoanalytische Arbeit -- bei Kranken wie bei Gesunden -- führt sich +auf das letztere der beiden Momente zurück. Man fürchtet durch die +Psychoanalyse zu schaden, man hat Angst davor, die verdrängten sexuellen +Triebe ins Bewußtsein des Kranken zu rufen, als ob damit die Gefahr +verbunden wäre, daß sie dann die höheren ethischen Strebungen bei ihm +überwältigen und ihn seiner kulturellen Errungenschaften berauben +könnten. Man merkt, daß der Kranke wunde Stellen in seinem Seelenleben +hat, aber man scheut sich dieselben zu berühren, damit sein Leiden nicht +noch gesteigert werde. Wir können diese Analogie annehmen. Es ist +freilich schonender, kranke Stellen nicht zu berühren, wenn man dadurch +nichts anderes als Schmerz zu bereiten weiß. Aber der Chirurg läßt sich +bekanntlich von der Untersuchung und Hantierung am Krankheitsherd nicht +abhalten, wenn er einen Eingriff beabsichtigt, welcher dauernde Heilung +bringen soll. Niemand denkt mehr daran, ihm die unvermeidlichen +Beschwerden der Untersuchung oder die Reaktionserscheinungen der +Operation zur Last zu legen, wenn diese nur ihre Absicht erreicht, und +der Kranke durch die zeitweilige Verschlimmerung seines Zustands eine +endgültige Hebung desselben erwirbt. Ähnlich liegen die Verhältnisse für +die Psychoanalyse; sie darf dieselben Ansprüche erheben wie die +Chirurgie; der Zuwachs an Beschwerden, den sie dem Kranken während der +Behandlung zumutet, ist bei guter Technik ungleich geringer, als was der +Chirurg ihm auferlegt, und überhaupt gegen die Schwere des Grundleidens +zu vernachlässigen. Der gefürchtete Endausgang aber einer Zerstörung des +kulturellen Charakters durch die von der Verdrängung befreiten Triebe +ist ganz unmöglich, denn diese Ängstlichkeit zieht nicht in Betracht, +was uns unsere Erfahrungen mit Sicherheit gelehrt haben, daß die +seelische und somatische Macht einer Wunschregung, wenn deren +Verdrängung einmal mißlungen ist, ungleich stärker ausfällt, wenn sie +unbewußt, als wenn sie bewußt ist, so daß sie durch das Bewußtmachen nur +geschwächt werden kann. Der unbewußte Wunsch ist nicht zu beeinflussen, +von allen Gegenstrebungen unabhängig, während der bewußte durch alles +gleichfalls Bewußte und ihm Widerstrebende gehemmt wird. Die +psychoanalytische Arbeit stellt sich also als ein besserer Ersatz für +die erfolglose Verdrängung geradezu in den Dienst der höchsten und +wertvollsten kulturellen Strebungen. + +Welche sind überhaupt die Schicksale der durch die Psychoanalyse +freigelegten unbewußten Wünsche, auf welchen Wegen verstehen wir es, sie +für das Leben des Individuums unschädlich zu machen? Dieser Wege sind +mehrere. Am häufigsten ist der Erfolg, daß dieselben schon während der +Arbeit durch die korrekte seelische Tätigkeit der ihnen +entgegenstehenden besseren Regungen aufgezehrt werden. Die _Verdrängung_ +wird durch eine mit den besten Mitteln durchgeführte _Verurteilung_ +ersetzt. Dies ist möglich, weil wir zum großen Teil nur Folgen aus +früheren Entwicklungsstadien des Ichs zu beseitigen haben. Das +Individuum brachte seinerzeit nur eine Verdrängung des unbrauchbaren +Triebes zu stande, weil es damals selbst noch unvollkommen organisiert +und schwächlich war; in seiner heutigen Reife und Stärke kann es +vielleicht das ihm Feindliche tadellos beherrschen. Ein zweiter Ausgang +der psychoanalytischen Arbeit ist der, daß die aufgedeckten unbewußten +Triebe nun jener zweckmäßigen Verwendung zugeführt werden können, die +sie bei ungestörter Entwicklung schon früher hätten finden sollen. Die +Ausrottung der infantilen Wunschregungen ist nämlich keineswegs das +ideale Ziel der Entwicklung. Der Neurotiker hat durch seine +Verdrängungen viele Quellen seelischer Energie eingebüßt, deren Zuflüsse +für seine Charakterbildung und Betätigung im Leben sehr wertvoll gewesen +wären. Wir kennen einen weit zweckmäßigeren Vorgang der Entwicklung, die +sogenannte _Sublimierung_, durch welchen die Energie infantiler +Wunschregungen nicht abgesperrt wird, sondern verwertet bleibt, indem +den einzelnen Regungen statt des unbrauchbaren ein höheres, eventuell +nicht mehr sexuelles Ziel gesetzt wird. Gerade die Komponenten des +Sexualtriebes sind durch solche Fähigkeit zur Sublimierung, zur +Vertauschung ihres Sexualzieles mit einem entlegeneren und sozial +wertvolleren besonders ausgezeichnet. Den auf solche Weise gewonnenen +Energiebeiträgen zu unseren seelischen Leistungen verdanken wir +wahrscheinlich die höchsten kulturellen Erfolge. Eine frühzeitig +vorgefallene Verdrängung schließt die Sublimierung des verdrängten +Triebes aus; nach Aufhebung der Verdrängung ist der Weg zur Sublimierung +wieder frei. + +Wir dürfen es nicht versäumen, auch den dritten der möglichen Ausgänge +der psychoanalytischen Arbeit ins Auge zu fassen. Ein gewisser Anteil +der verdrängten libidinösen Regungen hat ein Anrecht auf direkte +Befriedigung und soll sie im Leben finden. Unsere Kulturansprüche machen +für die meisten der menschlichen Organisationen das Leben zu schwer, +fördern dadurch die Abwendung von der Realität und die Entstehung der +Neurosen, ohne einen Überschuß von kulturellem Gewinn durch dies Übermaß +von Sexualverdrängung zu erzielen. Wir sollten uns nicht so weit +überheben, daß wir das ursprünglich Animalische unserer Natur völlig +vernachlässigen, dürfen auch nicht daran vergessen, daß die +Glücksbefriedigung des einzelnen nicht aus den Zielen unserer Kultur +gestrichen werden kann. Die Plastizität der Sexualkomponenten, die sich +in ihrer Fähigkeit zur Sublimierung kundgibt, mag ja eine große +Versuchung herstellen, durch deren immer weiter gehende Sublimierung +größere Kultureffekte zu erzielen. Aber so wenig wir darauf rechnen, bei +unseren Maschinen mehr als einen gewissen Bruchteil der aufgewendeten +Wärme in nutzbare mechanische Arbeit zu verwandeln, so wenig sollten +wir es anstreben, den Sexualtrieb in seinem ganzen Energieausmaß seinen +eigentlichen Zwecken zu entfremden. Es kann nicht gelingen, und wenn die +Einschränkung der Sexualität zu weit getrieben werden soll, muß es alle +Schädigungen eines Raubbaues mit sich bringen. + +Ich weiß nicht, ob Sie nicht Ihrerseits die Mahnung, mit welcher ich +schließe, als eine Überhebung auffassen werden. Ich getraue mich nur der +indirekten Darstellung meiner Überzeugung, indem ich Ihnen einen alten +Schwank erzähle, von dem Sie die Nutzanwendung machen sollen. Die +deutsche Literatur kennt ein Städtchen _Schilda_, dessen Einwohnern alle +möglichen klugen Streiche nachgesagt werden. Die Schildbürger, so wird +erzählt, besaßen auch ein Pferd, mit dessen Kraftleistungen sie sehr +zufrieden waren, an dem sie nur eines auszusetzen hatten, daß es soviel +teuern Hafer verzehrte. Sie beschlossen, ihm diese Unart schonend +abzugewöhnen, indem sie seine Ration täglich um mehrere Halme +verringerten, bis sie es an die völlige Enthaltsamkeit gewöhnt hatten. +Es ging eine Weile vortrefflich, das Pferd war bis auf einen Halm im Tag +entwöhnt, am nächsten Tage sollte es endlich haferfrei arbeiten. Am +Morgen dieses Tages wurde das tückische Tier tot aufgefunden; die Bürger +von Schilda konnten sich nicht erklären, woran es gestorben war. + +Wir werden geneigt sein zu glauben, das Pferd sei verhungert, und ohne +eine gewisse Ration Hafer sei von einem Tier überhaupt keine +Arbeitsleistung zu erwarten. + +Ich danke Ihnen für die Berufung und für die Aufmerksamkeit, die Sie mir +geschenkt haben. + + + + + ANMERKUNGEN ZUR TRANSKRIPTION + + +Das Inhaltsverzeichnis in diesem elektronischem Buch entstand aus den +Überschriften im ursprünglichen Buch. + +Nach dem Korrekturlesen auf PGDP, wurden die folgende Korrekturen +vorgenommen. + +Seite 32: fehlende Fußnote Markierung +Seite 42: unbeanständet -> unbeanstandet +Seite 57: Unbebewußten -> Unbewußten +Seite 61: urursprünglich -> ursprünglich + + + + + TRANSCRIBER'S NOTES + + +The table of contents in this eBook was created from the page headers in +the original. + +After proofreading on PGDP, the following corrections were made. + +Page 32: missing footnote marker +Page 42: unbeanständet -> unbeanstandet +Page 57: Unbebewußten -> Unbewußten +Page 61: urursprünglich -> ursprünglich + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Über Psychoanalyse, by Sigmund Freud + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ÜBER PSYCHOANALYSE *** + +***** This file should be named 20613-8.txt or 20613-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/2/0/6/1/20613/ + +Produced by Markus Brenner, Chris Nash and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Über Psychoanalyse + Fünf Vorlesungen + +Author: Sigmund Freud + +Release Date: February 17, 2007 [EBook #20613] + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ÜBER PSYCHOANALYSE *** + + + + +Produced by Markus Brenner, Chris Nash and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + + + + + +</pre> + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h1><a name="UBER_PSYCHOANALYSE" id="UBER_PSYCHOANALYSE"></a>ÜBER PSYCHOANALYSE</h1> +<h3>von</h3> +<h2>SIGMUND FREUD</h2> + +<hr style="width: 65%;" /> +<h3><a name="INHALTSVERZEICHNIS" id="INHALTSVERZEICHNIS"></a>INHALTSVERZEICHNIS</h3> + +<table> +<colgroup span="2" align="left"/> +<colgroup span="1" align="right"/> + +<tr><td colspan="2"><b><a href="#TITELSEITE">Titelseite</a> und <a href="#WIDMUNG">Widmung.</a></b></td><td></td></tr> + +<tr><td colspan="2"><a href="#Page_1"><b>I. Vorlesung.</b></a></td><td><b><a href="#Page_1">1</a></b></td></tr> + +<tr><td> </td><td><a href="#Page_2">Über die Entstehung und Entwicklung der Psychoanalyse.</a></td><td><a href="#Page_2">2</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_4">Die Hysterie.</a></td><td><a href="#Page_4">4</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_5">Der Fall Dr. Breuers.</a></td><td><a href="#Page_5">5</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_7">Die »Talking cure«.</a></td><td><a href="#Page_7">7</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_8">Die Entstehung der Symptome aus psychischen Traumen.</a></td><td><a href="#Page_8">8</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_10">Symptome als Erinnerungssymbole.</a></td><td><a href="#Page_10">10</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_11">Fixierung an die Traumen.</a></td><td><a href="#Page_11">11</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_12">Das Abreagieren der Affekte.</a></td><td><a href="#Page_12">12</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_13">Die hysterische Konversion.</a></td><td><a href="#Page_13">13</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_14">Die psychische Spaltung.</a></td><td><a href="#Page_14">14</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_15">Hypnoide Zustände.</a></td><td><a href="#Page_15">15</a></td></tr> + +<tr><td colspan="2"><a href="#Page_16"><b>II. Vorlesung.</b></a></td><td><a href="#Page_16"><b>16</b></a></td></tr> + +<tr><td> </td><td><a href="#Page_17">Charcots und Janets Forschungen.</a></td><td><a href="#Page_17">17</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_18">Änderung der Technik.</a></td><td><a href="#Page_18">18</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_19">Verzicht auf die Hypnose.</a></td><td><a href="#Page_19">19</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_20">Verdrängung und Widerstand.</a></td><td><a href="#Page_20">20</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_21">Beispiel einer Verdrängung.</a></td><td><a href="#Page_21">21</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_22">Dynamische Auffassung der seelischen Spaltung.</a></td><td><a href="#Page_22">22</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_24">Symptombildung infolge mißglückter Verdrängung.</a></td><td><a href="#Page_24">24</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_26">Ziel der Psychoanalyse.</a></td><td><a href="#Page_26">26</a></td></tr> + +<tr><td colspan="2"><a href="#Page_27"><b>III. Vorlesung.</b></a></td><td><b><a href="#Page_27">27</a></b></td></tr> + +<tr><td> </td><td><a href="#Page_28">Die Technik des Erratens aus freien Einfällen des Kranken.</a></td><td><a href="#Page_28">28</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_30">Die indirekte Darstellung.</a></td><td><a href="#Page_30">30</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_31">Die psychoanalytische Grundregel.</a></td><td><a href="#Page_31">31</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_32">Das Assoziationsexperiment.</a></td><td><a href="#Page_32">32</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_33">Die Traumdeutung.</a></td><td><a href="#Page_33">33</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_34">Manifester Trauminhalt und latente Traumgedanken.</a></td><td><a href="#Page_34">34</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_36">Die Wunscherfüllung im Traume.</a></td><td><a href="#Page_36">36</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_37">Die Traumarbeit.</a></td><td><a href="#Page_37">37</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_38">Die Fehl-, Symptom- und Zufallshandlungen.</a></td><td><a href="#Page_38">38</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_40">Einwendungen gegen die Psychoanalyse.</a></td><td><a href="#Page_40">40</a></td></tr> + +<tr><td colspan="2"><a href="#Page_42"><b>IV. Vorlesung.</b></a></td><td><b><a href="#Page_42">42</a></b></td></tr> + +<tr><td> </td><td><a href="#Page_43">Die Sexualität in der Ätiologie.</a></td><td><a href="#Page_43">43</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_44">Die infantile Sexualität.</a></td><td><a href="#Page_44">44</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_45">Ein amerikanischer Beobachter über die Liebe im Kindesalter.</a></td><td><a href="#Page_45">45</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_46">Psychoanalysen an Kindern.</a></td><td><a href="#Page_46">46</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_47">Die Phase des Autoerotismus.</a></td><td><a href="#Page_47">47</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_48">Die Objektwahl.</a></td><td><a href="#Page_48">48</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_49">Endgestaltung des normalen Sexuallebens.</a></td><td><a href="#Page_49">49</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_50">Zusammenhang von Neurose und Perversion.</a></td><td><a href="#Page_50">50</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_52">Der Kernkomplex der Neurosen.</a></td><td><a href="#Page_52">52</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_53">Die Ablösung des Kindes von den Eltern.</a></td><td><a href="#Page_53">53</a></td></tr> + +<tr><td colspan="2"><a href="#Page_54"><b>V. Vorlesung.</b></a></td><td><b><a href="#Page_54">54</a></b></td></tr> + +<tr><td> </td><td><a href="#Page_55">Regression und Phantasie.</a></td><td><a href="#Page_55">55</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_56">Neurose und Kunst.</a></td><td><a href="#Page_56">56</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_57">Die Übertragung.</a></td><td><a href="#Page_57">57</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_59">Die Angst vor der Befreiung des Verdrängten.</a></td><td><a href="#Page_59">59</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_60">Ausgänge der psychoanalytischen Arbeit.</a></td><td><a href="#Page_60">60</a></td></tr> +<tr><td> </td><td><a href="#Page_62">Das schädliche Übermaß der Sexualverdrängung.</a></td><td><a href="#Page_62">62</a></td></tr> + +<tr><td colspan="2"><b><a href="#ANMERKUNGEN">Anmerkungen zur Transkription.</a></b></td><td></td></tr> + +</table> + + +<p><a name="TITELSEITE" id="TITELSEITE"></a></p><hr style="width: 65%;" /> +<h2>ÜBER</h2> +<h1>PSYCHOANALYSE</h1> +<hr style="width: 15%;" /> +<h2>FÜNF VORLESUNGEN</h2> +<h2>GEHALTEN ZUR 20JÄHRIGEN GRÜNDUNGSFEIER</h2> +<h3>DER</h3> +<h2 class="smcap">CLARK UNIVERSITY in WORCESTER MASS.</h2> +<h2>SEPTEMBER 1909.</h2> +<h3>VON</h3> +<h2 class="smcap">Prof. Dr. Sigm. Freud LL. D.</h2> +<hr style="width: 40%;" /> +<h3>LEIPZIG UND WIEN</h3> +<h3 class="g">FRANZ DEUTICKE</h3> +<h4>1910.</h4> + +<hr style="width: 65%;" /> + +<hr style="width: 15%; margin-bottom: 0em;" /> +<h5>Verlags-Nr. 1701.</h5> +<hr style="width: 15%; margin-top: 0em;"/> +<h6>K. und K. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen.</h6> + +<p><a name="WIDMUNG" id="WIDMUNG"></a></p><hr style="width: 65%;" /> +<table> +<tr><td style="font-size: large;">Herrn</td></tr> +<tr><td></td></tr> +<tr><td style="font-size: x-large;" align="center"><b>G. Stanley Hall,</b> Ph. D., LL. D.</td></tr> +<tr><td></td></tr> +<tr><td align="center">Präsidenten der Clark University,</td></tr> +<tr><td align="center">Professor der Psychologie und Pädagogik</td></tr> +<tr><td></td></tr> +<tr><td style="font-size: large;" align="center">in Dankbarkeit</td></tr> +<tr><td></td></tr> +<tr><td style="font-size: large;" align="right">zugeeignet.</td></tr> +</table> +<p><span class="pagenum"><a name="Page_1" id="Page_1">[p. 1]</a></span></p> + + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h2><a name="I" id="I"></a>I.</h2> + + +<p>Meine Damen und Herren! Es ist mir ein neuartiges und verwirrendes +Gefühl, als Vortragender vor Wißbegierigen der Neuen Welt zu stehen. Ich +nehme an, daß ich diese Ehre nur der Verknüpfung meines Namens mit dem +Thema der Psychoanalyse verdanke, und beabsichtige daher, Ihnen von +Psychoanalyse zu sprechen. Ich will es versuchen, Ihnen in gedrängtester +Kürze einen Überblick über die Geschichte der Entstehung und weiteren +Fortbildung dieser neuen Untersuchungs- und Heilmethode zu geben.</p> + +<p>Wenn es ein Verdienst ist, die Psychoanalyse ins Leben gerufen zu haben, +so ist es nicht mein Verdienst. Ich bin an den ersten Anfängen derselben +nicht beteiligt gewesen. Ich war Student und mit der Ablegung meiner +letzten Prüfungen beschäftigt, als ein anderer Wiener Arzt, Dr. Josef +<span class="g">Breuer</span>,<a name="FNanchor_1_1" id="FNanchor_1_1"></a><a href="#Footnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a> dieses Verfahren zuerst an einem hysterisch erkrankten +Mädchen anwendete (1880-1882). Mit dieser Kranken- und +Behandlungsgeschichte wollen wir uns nun zunächst beschäftigen. Sie +finden dieselbe ausführlich dargestellt in den später von <span class="g">Breuer</span> und mir +veröffentlichten »Studien über Hysterie«.<a name="FNanchor_2_2" id="FNanchor_2_2"></a><a href="#Footnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a></p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_1_1" id="Footnote_1_1"></a><a href="#FNanchor_1_1"><span class="label">[1]</span></a> Dr. Josef <span class="g">Breuer</span>, geb. 1842, korrespondierendes Mitglied +der k. Akademie der Wissenschaften, bekannt durch Arbeiten über die +Atmung und zur Physiologie des Gleichgewichtssinnes.</p></div> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_2_2" id="Footnote_2_2"></a><a href="#FNanchor_2_2"><span class="label">[2]</span></a> Studien über Hysterie. 1895. Fr. Deuticke, Wien, 2. Aufl., +1909. Stücke meines Anteils an diesem Buch sind von Dr. A. A. <span class="g">Brill</span> in +New York ins Englische übertragen worden (Selected papers on Hysteria +and other Psychoneuroses by S. Freud, Nr. 4 der »Nervous and Mental +Disease Monograph Series«, New York).<span class="pagenum"><a name="Page_2" id="Page_2">[p. 2]</a></span></p></div> + +<p>Vorher nur noch eine Bemerkung. Ich habe nicht ohne Befriedigung +erfahren, daß die Mehrzahl meiner Zuhörer nicht dem ärztlichen Stande +angehört. Besorgen Sie nun nicht, daß es besonderer ärztlicher +Vorbildung bedarf, um meinen Mitteilungen zu folgen. Wir werden +allerdings ein Stück weit mit den Ärzten gehen, aber bald werden wir uns +absondern und Dr. <span class="g">Breuer</span> auf einen ganz eigenartigen Weg begleiten.</p> + +<p>Dr. <span class="g">Breuers</span> Patientin, ein 21jähriges, geistig hochbegabtes Mädchen, +entwickelte im Verlaufe ihrer über zwei Jahre ausgedehnten Krankheit +eine Reihe von körperlichen und seelischen Störungen, die es wohl +verdienten, ernst genommen zu werden. Sie hatte eine steife Lähmung der +beiden rechtsseitigen Extremitäten mit Unempfindlichkeit derselben, +zeitweise dieselbe Affektion an den Gliedern der linken Körperseite, +Störungen der Augenbewegungen und mannigfache Beeinträchtigungen des +Sehvermögens, Schwierigkeiten der Kopfhaltung, eine intensive Tussis +nervosa, Ekel vor Nahrungsaufnahme und einmal durch mehrere Wochen eine +Unfähigkeit zu trinken trotz quälenden Durstes, eine Herabsetzung des +Sprachvermögens, die bis zum Verlust der Fähigkeit fortschritt, ihre +Muttersprache zu sprechen oder zu verstehen, endlich Zustände von +Abwesenheit, Verworrenheit, Delirien, Alteration ihrer ganzen +Persönlichkeit, denen wir unsere Aufmerksamkeit später werden zuwenden +müssen.</p> + +<p>Wenn Sie von einem solchen Krankheitsbilde hören, so werden Sie, auch +ohne Ärzte zu sein, der Annahme zuneigen, daß es sich um ein schweres +Leiden, wahrscheinlich des Gehirns, handle, welches wenig Aussicht auf +Herstellung biete und zur baldigen Auflösung der Kranken führen dürfte. +Lassen Sie<span class="pagenum"><a name="Page_3" id="Page_3">[p. 3]</a></span> sich indes von den Ärzten belehren, daß für eine Reihe von +Fällen mit so schweren Erscheinungen eine andere und weitaus günstigere +Auffassung berechtigter ist. Wenn ein solches Krankheitsbild bei einem +jugendlichen weiblichen Individuum auftritt, dessen lebenswichtige +innere Organe (Herz, Niere) sich der objektiven Untersuchung normal +erweisen, das aber heftige <span class="g">gemütliche</span> Erschütterungen erfahren hat, und +wenn die einzelnen Symptome in gewissen feineren Charakteren von der +Erwartung abweichen, dann nehmen die Ärzte einen solchen Fall nicht zu +schwer. Sie behaupten, daß dann nicht ein organisches Leiden des Gehirns +vorliegt, sondern jener rätselhafte, seit den Zeiten der griechischen +Medizin <span class="g">Hysterie</span> benannte Zustand, der eine ganze Anzahl von Bildern +ernster Erkrankung vorzutäuschen vermöge. Sie halten dann das Leben für +nicht bedroht und eine selbst vollkommene Herstellung der Gesundheit für +wahrscheinlich. Die Unterscheidung einer solchen Hysterie von einem +schweren organischen Leiden ist nicht immer sehr leicht. Wir brauchen +aber nicht zu wissen, wie eine Differentialdiagnose dieser Art gemacht +wird; uns mag die Versicherung genügen, daß gerade der Fall von <span class="g">Breuers</span> +Patientin ein solcher ist, bei dem kein kundiger Arzt die Diagnose der +Hysterie verfehlen wird. Wir können auch an dieser Stelle aus dem +Krankheitsbericht nachtragen, daß ihre Erkrankung auftrat, während sie +ihren zärtlich geliebten Vater in seiner schweren, zum Tode führenden +Krankheit pflegte, und daß sie infolge ihrer eigenen Erkrankung von der +Pflege zurücktreten mußte.</p> + +<p>Soweit hat es uns Vorteil gebracht, mit den Ärzten zu gehen, und nun +werden wir uns bald von ihnen trennen. Sie dürfen nämlich nicht +erwarten, daß die Aussicht eines Kranken auf ärztliche Hilfeleistung +dadurch wesentlich gesteigert wird,<span class="pagenum"><a name="Page_4" id="Page_4">[p. 4]</a></span> daß die Diagnose der Hysterie an +die Stelle des Urteils auf ernste organische Hirnaffektion tritt. Gegen +die schweren Erkrankungen des Gehirns ist die ärztliche Kunst in den +meisten Fällen ohnmächtig, aber auch gegen die hysterische Affektion +weiß der Arzt nichts zu tun. Er muß es der gütigen Natur überlassen, +wann und wie sie seine hoffnungsvolle Prognose verwirklichen will.<a name="FNanchor_3_3" id="FNanchor_3_3"></a><a href="#Footnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a></p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_3_3" id="Footnote_3_3"></a><a href="#FNanchor_3_3"><span class="label">[3]</span></a> Ich weiß, daß diese Behauptung heute nicht mehr zutrifft, +aber im Vortrage versetze ich mich und meine Hörer zurück in die Zeit +vor 1880. Wenn es seither anders geworden ist, so haben gerade die +Bemühungen, deren Geschichte ich skizziere, daran einen großen Anteil.</p></div> + +<p>Mit der Erkennung der Hysterie wird also für den Kranken wenig geändert; +desto mehr ändert sich für den Arzt. Wir können beobachten, daß er sich +gegen den hysterischen ganz anders einstellt als gegen den organisch +Kranken. Er will dem ersteren nicht dieselbe Teilnahme entgegenbringen +wie dem letzteren, da sein Leiden weit weniger ernsthaft ist und doch +den Anspruch zu erheben scheint, für ebenso ernsthaft zu gelten. Aber es +wirkt noch anderes mit. Der Arzt, der durch sein Studium so vieles +kennen gelernt hat, was dem Laien verschlossen ist, hat sich von den +Krankheitsursachen und Krankheitsveränderungen, z. B. im Gehirn eines an +Apoplexie oder Neubildung Leidenden Vorstellungen bilden können, die bis +zu einem gewissen Grade zutreffend sein müssen, da sie ihm das +Verständnis der Einzelheiten des Krankheitsbildes gestatten. Vor den +Details der hysterischen Phänomene läßt ihn aber all sein Wissen, seine +anatomisch-physiologische und pathologische Vorbildung im Stiche. Er +kann die Hysterie nicht verstehen, er steht ihr selbst wie ein Laie +gegenüber. Und das ist nun niemandem recht, der sonst auf sein Wissen so +große Stücke hält. Die Hysterischen<span class="pagenum"><a name="Page_5" id="Page_5">[p. 5]</a></span> gehen also seiner Sympathie +verlustig; er betrachtet sie wie Personen, welche die Gesetze seiner +Wissenschaft übertreten, wie die Rechtgläubigen die Ketzer ansehen; er +traut ihnen alles mögliche Böse zu, beschuldigt sie der Übertreibung und +der absichtlichen Täuschung, Simulation; und er bestraft sie durch die +Entziehung seines Interesses.</p> + +<p>Diesen Vorwurf hat nun Dr. <span class="g">Breuer</span> bei seiner Patientin nicht verdient; +er schenkte ihr Sympathie und Interesse, obwohl er ihr anfangs nicht zu +helfen verstand. Wahrscheinlich erleichterte sie es ihm auch durch die +vorzüglichen Geistes- und Charaktereigenschaften, für die er in der von +ihm abgefaßten Krankengeschichte Zeugnis ablegt. Seine liebevolle +Beobachtung fand auch bald den Weg, der die erste Hilfeleistung +ermöglichte.</p> + +<p>Es war bemerkt worden, daß die Kranke in ihren Zuständen von Absenz, +psychischer Alteration mit Verworrenheit, einige Worte vor sich hin zu +murmeln pflegte, welche den Eindruck machten, als stammten sie aus einem +Zusammenhange, der ihr Denken beschäftige. Der Arzt, der sich diese +Worte berichten ließ, versetzte sie nun in eine Art von Hypnose und +sagte ihr jedesmal diese Worte wieder vor, um sie zu veranlassen, daß +sie an dieselben anknüpfe. Die Kranke ging darauf ein und reproduzierte +so vor dem Arzt die psychischen Schöpfungen, die sie während der +Absenzen beherrscht und sich in jenen vereinzelt geäußerten Worten +verraten hatten. Es waren tieftraurige, oft poetisch schöne Phantasien, +Tagträume würden wir sagen, die gewöhnlich die Situation eines Mädchens +am Krankenbett seines Vaters zum Ausgangspunkt nahmen. Hatte sie eine +Anzahl solcher Phantasien erzählt, so war sie wie befreit und ins +normale seelische Leben zurückgeführt. Das Wohlbefinden, das durch +mehrere Stunden anhielt, wich dann<span class="pagenum"><a name="Page_6" id="Page_6">[p. 6]</a></span> am nächsten Tage einer neuerlichen +Absenz, welche auf dieselbe Weise durch Aussprechen der neu gebildeten +Phantasien aufgehoben wurde. Man konnte sich dem Eindrucke nicht +entziehen, daß die psychische Veränderung, die sich in den Absenzen +äußerte, eine Folge des Reizes sei, der von diesen höchst affektvollen +Phantasiebildungen ausging. Die Patientin selbst, die um diese Zeit +ihres Krankseins merkwürdigerweise nur Englisch sprach und verstand, gab +dieser neuartigen Behandlung den Namen »talking cure« oder bezeichnete +sie scherzhaft als »chimney sweeping«.</p> + +<p>Es ergab sich bald wie zufällig, daß man durch solches Reinfegen der +Seele noch mehr erreichen könne als vorübergehende Beseitigung der immer +wiederkehrenden seelischen Trübungen. Es ließen sich auch +Leidenssymptome zum Verschwinden bringen, wenn in der Hypnose unter +Affektäußerung erinnert wurde, bei welchem Anlaß und kraft welches +Zusammenhanges diese Symptome zuerst aufgetreten waren. »Es war im +Sommer eine Zeit intensiver Hitze gewesen und Patientin hatte sehr arg +durch Durst gelitten; denn, ohne einen Grund angeben zu können, war ihr +plötzlich unmöglich geworden, zu trinken. Sie nahm das ersehnte Glas +Wasser in die Hand, aber sowie es die Lippen berührte, stieß sie es weg +wie ein Hydrophobischer. Dabei war sie offenbar für diese paar Sekunden +in einer Absenz. Sie lebte nur von Obst, Melonen u. dgl., um den +qualvollen Durst zu mildem. Als das etwa sechs Wochen gedauert hatte, +räsonierte sie einmal in der Hypnose über ihre englische +Gesellschafterin, die sie nicht liebte, und erzählte dann mit allen +Zeichen des Abscheus, wie sie auf deren Zimmer gekommen sei, und da +deren kleiner Hund, das ekelhafte Tier, aus einem Glas getrunken habe. +Sie habe nichts gesagt, denn sie wollte höflich sein. Nachdem sie ihrem<span class="pagenum"><a name="Page_7" id="Page_7">[p. 7]</a></span> +steckengebliebenen Ärger noch energisch Ausdruck gegeben, verlangte sie +zu trinken, trank ohne Hemmung eine große Menge Wasser und erwachte aus +der Hypnose mit dem Glas an den Lippen. Die Störung war damit für immer +verschwunden.«<a name="FNanchor_4_4" id="FNanchor_4_4"></a><a href="#Footnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a></p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_4_4" id="Footnote_4_4"></a><a href="#FNanchor_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Studien über Hysterie, 2. Aufl., p. 26.</p></div> + +<p>Gestatten Sie, daß ich Sie bei dieser Erfahrung einen Moment aufhalte! +Niemand hatte noch ein hysterisches Symptom durch solche Mittel +beseitigt und war dabei so tief in das Verständnis seiner Verursachung +eingedrungen. Es mußte eine folgenschwere Entdeckung werden, wenn sich +die Erwartung bestätigen ließ, daß noch andere, daß vielleicht die +Mehrzahl der Symptome bei der Kranken auf solche Weise entstanden und +auf solche Weise aufzuheben war. <span class="g">Breuer</span> scheute die Mühe nicht, sich +davon zu überzeugen, und forschte nun planmäßig der Pathogenese der +anderen und ernsteren Leidenssymptome nach. Es war wirklich so; fast +alle Symptome waren so entstanden als Reste, als Niederschläge, wenn Sie +wollen, von affektvollen Erlebnissen, die wir darum später »psychische +Traumen« genannt haben, und ihre Besonderheit klärte sich durch die +Beziehung zu der sie verursachenden traumatischen Szene auf. Sie waren, +wie das Kunstwort lautet, durch die Szenen, deren Gedächtnisreste sie +darstellten, <span class="g">determiniert</span>, brauchten nicht mehr als willkürliche oder +rätselhafte Leistungen der Neurose beschrieben zu werden. Nur einer +Abweichung von der Erwartung sei gedacht. Es war nicht immer ein +einziges Erlebnis, welches das Symptom zurückließ, sondern meist waren +zahlreiche, oft sehr viele ähnliche, wiederholte Traumen zu dieser +Wirkung zusammengetreten. Diese ganze Kette von pathogenen Erinnerungen +mußte dann in chronologischer Reihenfolge reproduziert werden, und zwar<span class="pagenum"><a name="Page_8" id="Page_8">[p. 8]</a></span> +umgekehrt, die letzte zuerst und die erste zuletzt, und es war ganz +unmöglich, zum ersten und oft wirksamsten Trauma mit Überspringung der +später erfolgten vorzudringen.</p> + +<p>Sie werden nun gewiß noch andere Beispiele von Verursachung hysterischer +Symptome als das der Wasserscheu durch den Ekel vor dem aus dem Glas +trinkenden Hund von mir hören wollen. Ich muß mich aber, wenn ich mein +Programm einhalten will, auf sehr wenige Proben beschränken. So erzählt +<span class="g">Breuer</span>, daß ihre Sehstörungen sich auf Anlässe zurückführten »in der +Art, daß Patientin mit Tränen im Auge, am Krankenbett sitzend, plötzlich +vom Vater gefragt wurde, wieviel Uhr es sei, undeutlich sah, sich +anstrengte, die Uhr nahe ans Auge brachte und nun das Zifferblatt sehr +groß erschien (Makropsie und Strabismus conv.); oder Anstrengungen +machte, die Tränen zu unterdrücken, damit sie der Kranke nicht sehe«.<a name="FNanchor_5_5" id="FNanchor_5_5"></a><a href="#Footnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a> +Alle pathogenen Eindrücke stammten übrigens aus der Zeit, da sie sich an +der Pflege des erkrankten Vaters beteiligte. »Einmal wachte sie nachts +in großer Angst um den hochfiebernden Kranken und in Spannung, weil von +Wien ein Chirurg zur Operation erwartet wurde. Die Mutter hatte sich für +einige Zeit entfernt, und Anna saß am Krankenbette, den rechten Arm über +die Stuhllehne gelegt. Sie geriet in einen Zustand von Wachträumen und +sah, wie von der Wand her eine schwarze Schlange sich dem Kranken +näherte, um ihn zu beißen. (Es ist sehr wahrscheinlich, daß auf der +Wiese hinter dem Hause wirklich einige Schlangen vorkamen, über die das +Mädchen schon früher erschrocken war, und die nun das Material der +Halluzination abgaben.) Sie wollte das Tier abwehren, war aber wie +gelähmt; der rechte Arm, über die Stuhllehne hängend, war +›eingeschlafen‹, anästhetisch und paretisch<span class="pagenum"><a name="Page_9" id="Page_9">[p. 9]</a></span> geworden, und als sie ihn +betrachtete, verwandelten sich die Finger in kleine Schlangen mit +Totenköpfen (Nägel). Wahrscheinlich machte sie Versuche, die Schlange +mit der gelähmten rechten Hand zu verjagen, und dadurch trat die +Anästhesie und Lähmung derselben in Assoziation mit der +Schlangenhalluzination. Als diese verschwunden war, wollte sie in ihrer +Angst beten, aber jede Sprache versagte, sie konnte in keiner sprechen, +bis sie endlich einen <span class="g">englischen</span> Kindervers fand und nun auch in dieser +Sprache fortdenken und beten konnte.«<a name="FNanchor_6_6" id="FNanchor_6_6"></a><a href="#Footnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a> Mit der Erinnerung dieser Szene +in der Hypnose war auch die seit Beginn der Krankheit bestehende steife +Lähmung des rechten Armes beseitigt und die Behandlung beendigt.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_5_5" id="Footnote_5_5"></a><a href="#FNanchor_5_5"><span class="label">[5]</span></a> Studien über Hysterie, 2. Aufl., p. 31.</p></div> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_6_6" id="Footnote_6_6"></a><a href="#FNanchor_6_6"><span class="label">[6]</span></a> l. c. p. 30.</p></div> + +<p>Als ich eine Anzahl von Jahren später die <span class="g">Breuer</span>sche Untersuchungs- und +Behandlungsmethode an meinen eigenen Kranken zu üben begann, machte ich +Erfahrungen, die sich mit den seinigen vollkommen deckten. Bei einer +etwa 40jährigen Dame bestand ein Tic, ein eigentümlich schnalzendes +Geräusch, das sie bei jeder Aufregung und auch ohne ersichtlichen Anlaß +hervorbrachte. Es hatte seinen Ursprung in zwei Erlebnissen, denen +gemeinsam war, daß sie sich vornahm, jetzt ja keinen Lärm zu machen, und +bei denen wie durch eine Art von Gegenwillen gerade dieses Geräusch die +Stille durchbrach; das eine Mal, als sie ihr krankes Kind endlich +mühselig eingeschläfert hatte und sich sagte, sie müsse jetzt ganz still +sein, um es nicht zu wecken, und das andere Mal, als während einer +Wagenfahrt mit ihren beiden Kindern im Gewitter die Pferde scheu wurden, +und sie sorgfältig jeden Lärm vermeiden wollte, um die Tiere nicht noch +mehr zu schrecken.<a name="FNanchor_7_7" id="FNanchor_7_7"></a><a href="#Footnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a> Ich gebe dieses<span class="pagenum"><a name="Page_10" id="Page_10">[p. 10]</a></span> Beispiel anstatt vieler anderer, +die in den »Studien über Hysterie« niedergelegt sind.<a name="FNanchor_8_8" id="FNanchor_8_8"></a><a href="#Footnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a></p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_7_7" id="Footnote_7_7"></a><a href="#FNanchor_7_7"><span class="label">[7]</span></a> l. c. 2. Aufl., p. 43 u. 46.</p></div> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_8_8" id="Footnote_8_8"></a><a href="#FNanchor_8_8"><span class="label">[8]</span></a> Eine Auswahl aus diesem Buche, vermehrt durch einige +spätere Abhandlungen über Hysterie, liegt gegenwärtig in einer +englischen, von Dr. A. A. <span class="g">Brill</span> in New York besorgten Übersetzung vor.</p></div> + +<p>Meine Damen und Herren, wenn Sie mir die Verallgemeinerung gestatten, +die ja bei so abgekürzter Darstellung unvermeidlich ist, so können wir +unsere bisherige Erkenntnis in die Formel fassen: <span class="g">Unsere hysterisch +Kranken leiden an Reminiszenzen.</span> Ihre Symptome sind Reste und +Erinnerungssymbole für gewisse (traumatische) Erlebnisse. Ein Vergleich +mit anderen Erinnerungssymbolen auf anderen Gebieten wird uns vielleicht +tiefer in das Verständnis dieser Symbolik führen. Auch die Denkmäler und +Monumente, mit denen wir unsere großen Städte zieren, sind solche +Erinnerungssymbole. Wenn Sie einen Spaziergang durch <span class="g">London</span> machen, so +finden Sie vor einem der größten Bahnhöfe der Stadt eine reichverzierte +gotische Säule, das <span class="g">Charing Cross</span>. Einer der alten Plantagenetkönige im +XIII. Jahrhundert, der den Leichnam seiner geliebten Königin Eleanor +nach Westminster überführen ließ, errichtete gotische Kreuze an jeder +der Stationen, wo der Sarg niedergestellt wurde, und <span class="g">Charing Cross</span> ist +das letzte der Denkmäler, welche die Erinnerung an diesen Trauerzug +erhalten sollten.<a name="FNanchor_9_9" id="FNanchor_9_9"></a><a href="#Footnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a> An einer anderen Stelle der Stadt, nicht weit von +London Bridge, erblicken Sie eine modernere hochragende Säule, die +kurzweg »<span class="g">The Monument</span>« genannt wird. Sie soll zur Erinnerung an das +große Feuer mahnen, welches<span class="pagenum"><a name="Page_11" id="Page_11">[p. 11]</a></span> im Jahre 1666 dort in der Nähe ausbrach und +einen großen Teil der Stadt zerstörte. Diese Monumente sind also +Erinnerungssymbole wie die hysterischen Symptome, soweit scheint die +Vergleichung berechtigt. Aber was würden Sie zu einem Londoner sagen, +der heute noch vor dem Denkmal des Leichenzuges der Königin Eleanor in +Wehmut stehen bliebe, anstatt mit der von den modernen +Arbeitsverhältnissen geforderten Eile seinen Geschäften nachzugehen oder +sich der eigenen jugendfrischen Königin seines Herzens zu erfreuen? Oder +zu einem anderen, der vor dem »Monument« die Einäscherung seiner +geliebten Vaterstadt beweinte, die doch seither längst soviel glänzender +wiedererstanden ist? So wie diese beiden unpraktischen Londoner benehmen +sich aber die Hysterischen und Neurotiker alle; nicht nur, daß sie die +längst vergangenen schmerzlichen Erlebnisse erinnern, sie hängen noch +affektvoll an ihnen, sie kommen von der Vergangenheit nicht los und +vernachlässigen für sie die Wirklichkeit und die Gegenwart. Diese +Fixierung des Seelenlebens an die pathogenen Traumen ist einer der +wichtigsten und praktisch bedeutsamsten Charaktere der Neurose.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_9_9" id="Footnote_9_9"></a><a href="#FNanchor_9_9"><span class="label">[9]</span></a> Vielmehr die spätere Nachbildung eines solchen Denkmals. +Der Name <span class="g">Charing</span> selbst soll, wie mir Dr. E. <span class="g">Jones</span> mitteilte, aus den +Worten <span class="g">Chère reine</span> hervorgegangen sein.</p></div> + +<p>Ich gebe Ihnen gern den Einwand zu, den Sie jetzt wahrscheinlich bilden, +indem Sie an die Krankengeschichte der <span class="g">Breuer</span>schen Patientin denken. +Alle ihre Traumen entstammten ja der Zeit, da sie den kranken Vater +pflegte, und ihre Symptome können nur als Erinnerungszeichen für seine +Krankheit und seinen Tod aufgefaßt werden. Sie entsprechen also einer +Trauer, und eine Fixierung an das Andenken des Verstorbenen ist so kurze +Zeit nach dem Ableben desselben gewiß nichts Pathologisches, entspricht +vielmehr einem normalen Gefühlsvorgang. Ich gestehe Ihnen dieses zu; die +Fixierung an die Traumen ist bei der Patientin <span class="g">Breuers</span> nichts +Auffälliges. Aber in anderen Fällen, wie in dem von mir behandelten +Tic,<span class="pagenum"><a name="Page_12" id="Page_12">[p. 12]</a></span> dessen Veranlassungen um mehr als fünfzehn und zehn Jahre +zurücklagen, ist der Charakter des abnormen Haftens am Vergangenen sehr +deutlich, und die Patientin <span class="g">Breuers</span> hätte ihn wahrscheinlich gleichfalls +entwickelt, wenn sie nicht so kurze Zeit nach dem Erleben der Traumen +und der Entstehung der Symptome zur <span class="g">kathartischen</span> Behandlung gekommen +wäre.</p> + +<p>Wir haben bisher nur die Beziehung der hysterischen Symptome zur +Lebensgeschichte der Kranken erörtert; aus zwei weiteren Momenten der +<span class="g">Breuer</span>schen Beobachtung können wir aber auch einen Hinweis darauf +gewinnen, wie wir den Vorgang der Erkrankung und der Wiederherstellung +aufzufassen haben. Fürs erste ist hervorzuheben, daß die Kranke <span class="g">Breuers</span> +fast in allen pathogenen Situationen eine starke Erregung zu +unterdrücken hatte, anstatt ihr durch die entsprechenden Affektzeichen, +Worte und Handlungen, Ablauf zu ermöglichen. In dem kleinen Erlebnis mit +dem Hund ihrer Gesellschafterin unterdrückte sie aus Rücksicht auf diese +jede Äußerung ihres sehr intensiven Ekels; während sie am Bette des +Vaters wachte, trug sie beständig Sorge, den Kranken nichts von ihrer +Angst und ihrer schmerzlichen Verstimmung merken zu lassen. Als sie +später diese selben Szenen vor ihrem Arzt reproduzierte, trat der damals +gehemmte Affekt mit besonderer Heftigkeit, als ob er sich solange +aufgespart hätte, auf. Ja, das Symptom, welches von dieser Szene +erübrigt war, gewann seine höchste Intensität, während man sich seiner +Verursachung näherte, um nach der völligen Erledigung derselben zu +verschwinden. Anderseits konnte man die Erfahrung machen, daß das +Erinnern der Szene beim Arzte wirkungslos blieb, wenn es aus irgend +einem Grunde einmal ohne Affektentwicklung ablief. Die Schicksale dieser +Affekte, die man sich als verschiebbare Größen vorstellen konnte, waren +also das Maßgebende<span class="pagenum"><a name="Page_13" id="Page_13">[p. 13]</a></span> für die Erkrankung wie für die Wiederherstellung. +Man sah sich zur Annahme gedrängt, daß die Erkrankung darum zu stande +kam, weil den in den pathogenen Situationen entwickelten Affekten ein +normaler Ausweg versperrt war, und daß das Wesen der Erkrankung darin +bestand, daß nun diese »eingeklemmten« Affekte einer abnormen Verwendung +unterlagen. Zum Teil blieben sie als dauernde Belastungen des +Seelenlebens und Quellen beständiger Erregung für dasselbe bestehen; zum +Teil erfuhren sie eine Umsetzung in ungewöhnliche körperliche +<span class="g">Innervationen</span> und <span class="g">Hemmungen</span>, die sich als die körperlichen Symptome des +Falles darstellten. Wir haben für diesen letzteren Vorgang den Namen der +»<span class="g">hysterischen Konversion</span>« geprägt. Ein gewisser Anteil unserer +seelischen Erregung wird ohnedies normalerweise auf die Wege der +körperlichen Innervation geleitet und ergibt das, was wir als »Ausdruck +der Gemütsbewegungen« kennen. Die hysterische Konversion übertreibt nun +diesen Anteil des Ablaufs eines mit Affekt besetzten seelischen +Vorganges; sie entspricht einem weit intensiveren, auf neue Bahnen +geleiteten Ausdruck der Gemütsbewegung. Wenn ein Strombett in zwei +Kanälen fließt, so wird eine Überfüllung des einen stattfinden, sobald +die Strömung in dem anderen auf ein Hindernis stößt.</p> + +<p>Sie sehen, wir sind im Begriffe, zu einer rein psychologischen Theorie +der Hysterie zu gelangen, in welcher wir den Affektvorgängen den ersten +Rang anweisen. Eine zweite Beobachtung <span class="g">Breuers</span> nötigt uns nun, in der +Charakteristik des krankhaften Geschehens den Bewußtseinszuständen eine +große Bedeutung einzuräumen. Die Kranke <span class="g">Breuers</span> zeigte mannigfaltige +seelische Verfassungen, Zustände von Abwesenheit, Verworrenheit und +Charakterveränderung neben ihrem Normalzustand. Im Normalzustand wußte +sie nun nichts von jenen<span class="pagenum"><a name="Page_14" id="Page_14">[p. 14]</a></span> pathogenen Szenen und von deren Zusammenhang +mit ihren Symptomen; sie hatte diese Szenen vergessen oder jedenfalls +den pathogenen Zusammenhang zerrissen. Wenn man sie in die Hypnose +versetzte, gelang es nach Aufwendung beträchtlicher Arbeit, ihr diese +Szenen ins Gedächtnis zurückzurufen, und durch diese Arbeit des +Wiedererinnerns wurden die Symptome aufgehoben. Man wäre in großer +Verlegenheit, wie man diese Tatsache deuten sollte, wenn nicht die +Erfahrungen und Experimente des Hypnotismus den Weg dazu gewiesen +hätten. Durch das Studium der hypnotischen Phänomene hat man sich an die +anfangs befremdliche Auffassung gewöhnt, daß in einem und demselben +Individuum mehrere seelische Gruppierungen möglich sind, die ziemlich +unabhängig von einander bleiben können, von einander »nichts wissen«, +und die das Bewußtsein alternierend an sich reißen. Fälle solcher Art, +die man als »Double conscience« bezeichnet, kommen gelegentlich auch +spontan zur Beobachtung. Wenn bei solcher Spaltung der Persönlichkeit +das Bewußtsein konstant an den einen der beiden Zustände gebunden +bleibt, so heißt man diesen den <span class="g">bewußten</span> Seelenzustand, den von ihm +abgetrennten den <span class="g">unbewußten</span>. In den bekannten Phänomenen der sogenannten +posthypnotischen Suggestion, wobei ein in der Hypnose gegebener Auftrag +sich später im Normalzustand gebieterisch durchsetzt, hat man ein +vorzügliches Vorbild für die Beeinflussungen, die der bewußte Zustand +durch den für ihn unbewußten erfahren kann, und nach diesem Muster +gelingt es allerdings, sich die Erfahrungen bei der Hysterie +zurechtzulegen. <span class="g">Breuer</span> entschloß sich zur Annahme, daß die hysterischen +Symptome in solchen besonderen seelischen Zuständen, die er <span class="g">hypnoide</span> +nannte, entstanden seien. Erregungen, die in solche hypnoide Zustände +hineingeraten, werden leicht pathogen, weil diese Zustände nicht die +Bedingungen<span class="pagenum"><a name="Page_15" id="Page_15">[p. 15]</a></span> für einen normalen Ablauf der Erregungsvorgänge bieten. Es +entsteht also aus dem Erregungsvorgang ein ungewöhnliches Produkt, eben +das Symptom, und dieses ragt wie ein Fremdkörper in den Normalzustand +hinein, dem dafür die Kenntnis der hypnoiden pathogenen Situation +abgeht. Wo ein Symptom besteht, da findet sich auch eine Amnesie, eine +Erinnerungslücke, und die Ausfüllung dieser Lücke schließt die Aufhebung +der Entstehungsbedingungen des Symptoms in sich ein.</p> + +<p>Ich fürchte, daß Ihnen dieses Stück meiner Darstellung nicht sehr +durchsichtig erschienen ist. Aber haben Sie Nachsicht, es handelt sich +um neue und schwierige Anschauungen, die vielleicht nicht viel klarer +gemacht werden können; ein Beweis dafür, daß wir mit unserer Erkenntnis +noch nicht sehr weit vorgedrungen sind. Die <span class="g">Breuer</span>sche Aufstellung der +<span class="g">hypnoiden</span> Zustände hat sich übrigens als hemmend und überflüssig +erwiesen und ist von der heutigen Psychoanalyse fallen gelassen worden. +Sie werden später wenigstens andeutungsweise hören, welche Einflüsse und +Vorgänge hinter der von <span class="g">Breuer</span> aufgestellten Schranke der hypnoiden +Zustände zu entdecken waren. Sie werden auch mit Recht den Eindruck +empfangen haben, daß die <span class="g">Breuer</span>sche Forschung Ihnen nur eine sehr +unvollständige Theorie und unbefriedigende Aufklärung der beobachteten +Erscheinungen geben konnte, aber vollkommene Theorien fallen nicht vom +Himmel, und Sie werden mit noch größerem Recht mißtrauisch sein, wenn +Ihnen jemand eine lückenlose und abgerundete Theorie bereits zu Anfang +seiner Beobachtungen anbietet. Eine solche wird gewiß nur das Kind +seiner Spekulation sein können und nicht die Frucht voraussetzungsloser +Erforschung des Tatsächlichen.<span class="pagenum"><a name="Page_16" id="Page_16">[p. 16]</a></span></p> + + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h2><a name="II" id="II"></a>II.</h2> + + +<p>Meine Damen und Herren! Etwa gleichzeitig, während <span class="g">Breuer</span> mit seiner +Patientin die Talking cure übte, hatte Meister <span class="g">Charcot</span> in Paris jene +Untersuchungen über die Hysterischen der Salpêtrière begonnen, von denen +ein neues Verständnis der Krankheit ausgehen sollte. Diese Resultate +konnten damals in Wien noch nicht bekannt sein. Als aber etwa ein +Dezennium später <span class="g">Breuer</span> und ich die vorläufige Mitteilung über den +psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene veröffentlichten, welche +an die kathartische Behandlung bei <span class="g">Breuers</span> erster Patientin anknüpfte, +da befanden wir uns ganz im Banne der <span class="g">Charcot</span>schen Forschungen. Wir +stellten die pathogenen Erlebnisse unserer Kranken als psychische +Traumen jenen körperlichen Traumen gleich, deren Einfluß auf hysterische +Lähmungen <span class="g">Charcot</span> festgestellt hatte, und <span class="g">Breuers</span> Aufstellung der +hypnoiden Zustände ist selbst nichts anderes als ein Reflex der +Tatsache, daß <span class="g">Charcot</span> jene traumatischen Lähmungen in der Hypnose +künstlich reproduziert hatte.</p> + +<p>Der große französische Beobachter, dessen Schüler ich 1885/86 wurde, war +selbst psychologischen Auffassungen nicht geneigt; erst sein Schüler +P. <span class="g">Janet</span> versuchte ein tieferes Eindringen in die besonderen psychischen +Vorgänge bei der Hysterie, und wir folgten seinem Beispiele, als wir die +seelische Spaltung und den Zerfall der Persönlichkeit in das Zentrum<span class="pagenum"><a name="Page_17" id="Page_17">[p. 17]</a></span> +unserer Auffassung rückten. Sie finden bei <span class="g">Janet</span> eine Theorie der +Hysterie, welche den in Frankreich herrschenden Lehren über die Rolle +der Erblichkeit und der Degeneration Rechnung trägt. Die Hysterie ist +nach ihm eine Form der degenerativen Veränderung des Nervensystems, +welche sich durch eine angeborene Schwäche der psychischen Synthese +kundgibt. Die hysterisch Kranken seien von Anfang an unfähig, die +Mannigfaltigkeit der seelischen Vorgänge zu einer Einheit +zusammenzuhalten, und daher komme die Neigung zur seelischen +Dissoziation. Wenn Sie mir ein banales aber deutliches Gleichnis +gestatten, <span class="g">Janets</span> Hysterische erinnert an eine schwache Frau, die +ausgegangen ist, um Einkäufe zu machen, und nun mit einer Menge von +Schachteln und Paketen beladen zurückkommt. Sie kann den ganzen Haufen +mit ihren zwei Armen und zehn Fingern nicht bewältigen, und so entfällt +ihr zuerst ein Stück. Bückt sie sich, um dieses aufzuheben, so macht +sich dafür ein anderes los u. s. w. Es stimmt nicht gut zu dieser +angenommenen seelischen Schwäche der Hysterischen, daß man bei ihnen +außer den Erscheinungen verminderter Leistung auch Beispiele von +teilweiser Steigerung der Leistungsfähigkeit, wie zur Entschädigung, +beobachten kann. Zur Zeit, als <span class="g">Breuers</span> Patientin ihre Muttersprache und +alle anderen Sprachen bis auf Englisch vergessen hatte, erreichte ihre +Beherrschung des Englischen eine solche Höhe, daß sie im stande war, +wenn man ihr ein deutsches Buch vorlegte, eine tadellose und fließende +Übersetzung desselben vom Blatt herunterzulesen.</p> + +<p>Als ich es später unternahm, die von <span class="g">Breuer</span> begonnenen Untersuchungen +auf eigene Faust fortzusetzen, gelangte ich bald zu einer anderen +Ansicht über die Entstehung der hysterischen Dissoziation (oder +Bewußtseinsspaltung). Eine solche, für alles weitere entscheidende, +Divergenz mußte sich notwendigerweise<span class="pagenum"><a name="Page_18" id="Page_18">[p. 18]</a></span> ergeben, da ich nicht wie <span class="g">Janet</span> +von Laboratoriumsversuchen, sondern von therapeutischen Bemühungen +ausging.</p> + +<p>Mich trieb vor allem das praktische Bedürfnis. Die kathartische +Behandlung, wie sie <span class="g">Breuer</span> geübt hatte, setzte voraus, daß man den +Kranken in tiefe Hypnose bringe, denn nur im hypnotischen Zustand fand +er die Kenntnis jener pathogenen Zusammenhänge, die ihm in seinem +Normalzustand abging. Nun war mir die Hypnose als ein launenhaftes und +sozusagen mystisches Hilfsmittel bald unliebsam geworden; als ich aber +die Erfahrung machte, daß es mir trotz aller Bemühungen nicht gelingen +wollte, mehr als einen Bruchteil meiner Kranken in den hypnotischen +Zustand zu versetzen, beschloß ich, die Hypnose aufzugeben und die +kathartische Behandlung von ihr unabhängig zu machen. Weil ich den +psychischen Zustand meiner meisten Patienten nicht nach meinem Belieben +verändern konnte, richtete ich mich darauf ein, mit ihrem Normalzustand +zu arbeiten. Das schien allerdings vorerst ein sinn- und aussichtsloses +Unternehmen zu sein. Es war die Aufgabe gestellt, etwas vom Kranken zu +erfahren, was man nicht wußte und was er selbst nicht wußte; wie konnte +man hoffen, dies doch in Erfahrung zu bringen? Da kam mir die Erinnerung +an einen sehr merkwürdigen und lehrreichen Versuch zu Hilfe, den ich bei +<span class="g">Bernheim</span> in <span class="g">Nancy</span> mitangesehen hatte. <span class="g">Bernheim</span> zeigte uns damals, daß +die Personen, welche er in hypnotischen Somnambulismus versetzt und in +diesem Zustand allerlei hatte erleben lassen, die Erinnerung an das +somnambul Erlebte doch nur zum Schein verloren hatten, und daß es +möglich war, bei ihnen diese Erinnerungen auch im Normalzustand zu +erwecken. Wenn er sie nach den somnambulen Erlebnissen befragte, so +behaupteten sie anfangs zwar, nichts zu wissen, aber wenn er nicht +nachgab, drängte, ihnen versicherte,<span class="pagenum"><a name="Page_19" id="Page_19">[p. 19]</a></span> sie wüßten es doch, so kamen die +vergessenen Erinnerungen jedesmal wieder.</p> + +<p>So machte ich es also auch mit meinen Patienten. Wenn ich mit ihnen bis +zu einem Punkte gekommen war, an dem sie behaupteten, nichts weiter zu +wissen, so versicherte ich ihnen, sie wüßten es doch, sie sollten es nur +sagen, und ich getraute mich der Behauptung, daß die Erinnerung die +richtige sein würde, die ihnen in dem Moment käme, wenn ich meine Hand +auf ihre Stirn legte. Auf diese Weise gelang es mir, ohne Anwendung der +Hypnose, von den Kranken alles zu erfahren, was zur Herstellung des +Zusammenhangs zwischen den vergessenen pathogenen Szenen und den von +ihnen erübrigten Symptomen erforderlich war. Aber es war ein mühseliges, +ein auf die Dauer erschöpfendes Verfahren, das sich für eine endgültige +Technik, nicht eignen konnte.</p> + +<p>Ich gab es jedoch nicht auf, ohne aus den dabei gemachten Wahrnehmungen +die entscheidenden Schlüsse zu ziehen. Ich hatte es also bestätigt +gefunden, daß die vergessenen Erinnerungen nicht verloren waren. Sie +waren im Besitze des Kranken und bereit, in Assoziation an das von ihm +noch Gewußte aufzutauchen, aber irgend eine Kraft hinderte sie daran, +bewußt zu werden und nötigte sie, unbewußt zu bleiben. Die Existenz +dieser Kraft konnte man mit Sicherheit annehmen, denn man verspürte eine +ihr entsprechende Anstrengung, wenn man sich bemühte, im Gegensatz zu +ihr die unbewußten Erinnerungen ins Bewußtsein des Kranken einzuführen. +Man bekam die Kraft, welche den krankhaften Zustand aufrecht erhielt, +als <span class="g">Widerstand</span> des Kranken zu spüren.</p> + +<p>Auf diese Idee des Widerstandes habe ich nun meine Auffassung der +psychischen Vorgänge bei der Hysterie gegründet. Es hatte sich als +notwendig zur Herstellung erwiesen, diese<span class="pagenum"><a name="Page_20" id="Page_20">[p. 20]</a></span> Widerstände aufzuheben; vom +Mechanismus der Heilung aus konnte man sich jetzt ganz bestimmte +Vorstellungen über den Hergang bei der Erkrankung bilden. Dieselben +Kräfte, die heute als Widerstand sich dem Bewußtmachen des Vergessenen +widersetzten, mußten seinerzeit dieses Vergessen bewirkt und die +betreffenden pathogenen Erlebnisse aus dem Bewußtsein gedrängt haben. +Ich nannte diesen von mir supponierten Vorgang <span class="g">Verdrängung</span> und +betrachtete ihn als erwiesen durch die unleugbare Existenz des +<span class="g">Widerstandes</span>.</p> + +<p>Man konnte sich aber auch die Frage vorlegen, welches diese Kräfte und +welche die Bedingungen der Verdrängung seien, in der wir nun den +pathogenen Mechanismus der Hysterie erkennen. Eine vergleichende +Untersuchung der pathogenen Situationen, die man durch die kathartische +Behandlung kennen gelernt hatte, gestattete hierauf Antwort zu geben. +Bei all diesen Erlebnissen hatte es sich darum gehandelt, daß eine +Wunschregung aufgetaucht war, welche in scharfem Gegensatze zu den +sonstigen Wünschen des Individuums stand, sich als unverträglich mit den +ethischen und ästhetischen Ansprüchen der Persönlichkeit erwies. Es +hatte einen kurzen Konflikt gegeben, und das Ende dieses inneren Kampfes +war, daß die Vorstellung, welche als der Träger jenes unvereinbaren +Wunsches vor dem Bewußtsein auftrat, der Verdrängung anheimfiel und mit +den zu ihr gehörigen Erinnerungen aus dem Bewußtsein gedrängt und +vergessen wurde. Die Unverträglichkeit der betreffenden Vorstellung mit +dem Ich des Kranken war also das Motiv der Verdrängung; die ethischen +und anderen Anforderungen des Individuums waren die verdrängenden +Kräfte. Die Annahme der unverträglichen Wunschregung oder die Fortdauer +des Konflikts hätten hohe Grade von Unlust hervorgerufen; diese Unlust +wurde durch die Verdrängung erspart,<span class="pagenum"><a name="Page_21" id="Page_21">[p. 21]</a></span> die sich in solcher Art als eine +der Schutzvorrichtungen der seelischen Persönlichkeit erwies.</p> + +<p>Ich will Ihnen anstatt vieler einen einzigen meiner Fälle erzählen, in +welchem Bedingungen und Nutzen der Verdrängung deutlich genug zu +erkennen sind. Freilich muß ich für meinen Zweck auch diese +Krankengeschichte verkürzen und wichtige Voraussetzungen derselben bei +Seite lassen. Ein junges Mädchen, welches kurz vorher den geliebten +Vater verloren hatte, an dessen Pflege sie beteiligt gewesen war — eine +Situation analog der bei der Patientin <span class="g">Breuers</span> —, brachte, als ihre +ältere Schwester sich verheiratete, dem neuen Schwager eine besondere +Sympathie entgegen, die sich leicht als verwandtschaftliche Zärtlichkeit +maskieren konnte. Diese Schwester erkrankte bald und starb, während die +Patientin mit ihrer Mutter abwesend war. Die Abwesenden wurden eiligst +zurückgerufen, ohne in sichere Kenntnis des schmerzlichen Ereignisses +gesetzt zu werden. Als das Mädchen an das Bett der toten Schwester trat, +tauchte für einen kurzen Moment eine Idee in ihr auf, die sich etwa in +den Worten ausdrücken ließe: <span class="g">Jetzt ist er frei und kann mich heiraten.</span> +Wir dürfen als sicher annehmen, daß diese Idee, welche die ihr selbst +nicht bewußte intensive Liebe zum Schwager ihrem Bewußtsein verriet, +durch den Aufruhr ihrer Gefühle im nächsten Moment der Verdrängung +überliefert wurde. Das Mädchen erkrankte an schweren hysterischen +Symptomen, und als ich sie in Behandlung genommen hatte, stellte es sich +heraus, daß sie jene Szene am Bette der Schwester und die in ihr +auftretende häßlich-egoistische Regung gründlich vergessen hatte. Sie +erinnerte sich daran in der Behandlung, reproduzierte den pathogenen +Moment unter den Anzeichen heftigster Gemütsbewegung und wurde durch +diese Behandlung gesund.<span class="pagenum"><a name="Page_22" id="Page_22">[p. 22]</a></span></p> + +<p>Vielleicht darf ich Ihnen den Vorgang der Verdrängung und deren +notwendige Beziehung zum Widerstand durch ein grobes Gleichnis +veranschaulichen, das ich gerade aus unserer gegenwärtigen Situation +herausgreifen will. Nehmen Sie an, hier in diesem Saale und in diesem +Auditorium, dessen musterhafte Ruhe und Aufmerksamkeit ich nicht genug +zu preisen weiß, befände sich doch ein Individuum, welches sich störend +benimmt und durch sein ungezogenes Lachen, Schwätzen, Scharren mit den +Füßen meine Aufmerksamkeit von meiner Aufgabe abzieht. Ich erkläre, daß +ich so nicht weiter vortragen kann, und daraufhin erheben sich einige +kräftige Männer unter Ihnen und setzen den Störenfried nach kurzem +Kampfe vor die Tür. Er ist also jetzt »verdrängt« und ich kann meinen +Vortrag fortsetzen. Damit aber die Störung sich nicht wiederhole, wenn +der Herausgeworfene versucht, wieder in den Saal einzudringen, rücken +die Herren, welche meinen Willen zur Ausführung gebracht haben, ihre +Stühle an die Türe an und etablieren sich so als »Widerstand« nach +vollzogener Verdrängung. Wenn Sie nun noch die beiden Lokalitäten hier +als das »Bewußte« und das »Unbewußte« aufs Psychische übertragen, so +haben Sie eine ziemlich gute Nachbildung des Vorgangs der Verdrängung +vor sich.</p> + +<p>Sie sehen nun, worin der Unterschied unserer Auffassung von der +<span class="g">Janet</span>schen gelegen ist. Wir leiten die psychische Spaltung nicht von +einer angeborenen Unzulänglichkeit zur Synthese des seelischen Apparats +ab, sondern erklären sie dynamisch durch den Konflikt widerstreitender +Seelenkräfte, erkennen in ihr das Ergebnis eines aktiven Sträubens der +beiden psychischen Gruppierungen gegeneinander. Aus unserer Auffassung +erheben sich nun neue Fragestellungen in großer Anzahl. Die Situation +des psychischen Konflikts ist ja eine überaus<span class="pagenum"><a name="Page_23" id="Page_23">[p. 23]</a></span> häufige, ein Bestreben +des Ichs, sich peinlicher Erinnerung zu erwehren, wird ganz regelmäßig +beobachtet, ohne daß es zum Ergebnis einer seelischen Spaltung führt. +Man kann den Gedanken nicht abweisen, daß es noch anderer Bedingungen +bedarf, wenn der Konflikt die Dissoziation zur Folge haben soll. Ich +gebe Ihnen auch gern zu, daß wir mit der Annahme der Verdrängung nicht +am Ende, sondern erst am Anfang einer psychologischen Theorie stehen, +aber wir können nicht anders als schrittweise vorrücken und müssen die +Vollendung der Erkenntnis weiterer und tiefer eindringender Arbeit +überlassen.</p> + +<p>Unterlassen Sie auch den Versuch, den Fall der Patientin <span class="g">Breuers</span> unter +die Gesichtspunkte der Verdrängung zu bringen. Diese Krankengeschichte +eignet sich hiezu nicht, weil sie mit Hilfe der hypnotischen +Beeinflussung gewonnen worden ist. Erst, wenn Sie die Hypnose +ausschalten, können Sie die Widerstände und Verdrängungen bemerken und +sich von dem wirklichen pathogenen Vorgang eine zutreffende Vorstellung +bilden. Die Hypnose verdeckt den Widerstand und macht ein gewisses +seelisches Gebiet frei zugänglich, dafür häuft sie den Widerstand an den +Grenzen dieses Gebietes zu einem Walle auf, der alles Weitere +unzugänglich macht.</p> + +<p>Das Wertvollste, was wir aus der <span class="g">Breuer</span>schen Beobachtung gelernt haben, +waren die Aufschlüsse über den Zusammenhang der Symptome mit den +pathogenen Erlebnissen oder psychischen Traumen, und nun dürfen wir +nicht versäumen, diese Einsichten vom Standpunkte der Verdrängungslehre +zu würdigen. Man sieht zunächst wirklich nicht ein, wie man von der +Verdrängung aus zur Symptombildung gelangen kann. Anstatt eine +komplizierte theoretische Ableitung zu geben, will ich an dieser Stelle +auf unser früher gebrauchtes Bild für die Verdrängung zurückgreifen. +Denken Sie daran, mit der Entfernung<span class="pagenum"><a name="Page_24" id="Page_24">[p. 24]</a></span> des störenden Gesellen und der +Niederlassung der Wächter vor der Türe braucht die Angelegenheit nicht +beendigt zu sein. Es kann sehr wohl geschehen, daß der Herausgeworfene, +der jetzt erbittert und ganz rücksichtslos geworden ist, uns weiter zu +schaffen gibt. Er ist zwar nicht mehr unter uns, wir sind seine +Gegenwart, sein höhnisches Lachen, seine halblauten Bemerkungen los +geworden, aber in gewisser Hinsicht ist die Verdrängung doch erfolglos +gewesen, denn er führt nun draußen einen unerträglichen Spektakel auf, +und sein Schreien und mit den Fäusten an die Türe Pochen hemmt meinen +Vortrag mehr als früher sein unartiges Benehmen. Unter diesen +Verhältnissen würden wir es mit Freuden begrüßen müssen, wenn etwa unser +verehrter Präsident Dr. <span class="g">Stanley Hall</span> die Rolle des Vermittlers und +Friedensstifters übernehmen wollte. Er würde mit dem ungebärdigen +Gesellen draußen sprechen und dann sich an uns mit der Aufforderung +wenden, ihn doch wieder einzulassen, er übernehme die Garantie, daß sich +jener jetzt besser betragen werde. Auf Dr. <span class="g">Halls</span> Autorität hin +entschließen wir uns dazu, die Verdrängung wieder aufzuheben und nun +tritt wieder Ruhe und Frieden ein. Es ist dies wirklich keine unpassende +Darstellung der Aufgabe, die dem Arzt bei der psychoanalytischen +Therapie der Neurosen zufällt.</p> + +<p>Um es jetzt direkter zu sagen: Wir kommen durch die Untersuchung der +hysterisch Kranken und anderer Neurotiker zur Überzeugung, daß ihnen die +Verdrängung der Idee, an welcher der unverträgliche Wunsch hängt, +<span class="g">mißlungen</span> ist. Sie haben sie zwar aus dem Bewußtsein und aus der +Erinnerung getrieben und sich anscheinend eine große Summe Unlust +erspart, <span class="g">aber im Unbewußten besteht die verdrängte Wunschregung weiter</span>, +lauert auf eine Gelegenheit, aktiviert zu werden, und versteht es dann, +eine entstellte und unkenntlich<span class="pagenum"><a name="Page_25" id="Page_25">[p. 25]</a></span> gemachte <span class="g">Ersatzbildung</span> für das +Verdrängte ins Bewußtsein zu schicken, an welche sich bald dieselben +Unlustempfindungen knüpfen, die man durch die Verdrängung erspart +glaubte. Diese Ersatzbildung für die verdrängte Idee — das <span class="g">Symptom</span> — +ist gegen weitere Angriffe von Seiten des abwehrenden Ichs gefeit, und +an Stelle des kurzen Konflikts tritt jetzt ein in der Zeit nicht +endendes Leiden. An dem Symptom ist neben den Anzeichen der Entstellung +ein Rest von irgendwie vermittelter Ähnlichkeit mit der ursprünglich +verdrängten Idee zu konstatieren; die Wege, auf denen sich die +Ersatzbildung vollzog, lassen sich während der psychoanalytischen +Behandlung des Kranken aufdecken, und zu seiner Heilung ist es +notwendig, daß das Symptom auf diesen nämlichen Wegen wieder in die +verdrängte Idee übergeführt werde. Ist das Verdrängte wieder der +bewußten Seelentätigkeit zugeführt, was die Überwindung beträchtlicher +Widerstände voraussetzt, so kann der so entstandene psychische <span class="g">Konflikt</span>, +den der Kranke vermeiden wollte, unter der Leitung des Arztes einen +besseren Ausgang finden, als ihn die Verdrängung bot. Es gibt mehrere +solcher zweckmäßiger Erledigungen, welche Konflikt und Neurose zum +glücklichen Ende führen, im einzelnen Falle auch miteinander kombiniert +erzielt werden können. Entweder wird die Persönlichkeit des Kranken +überzeugt, daß sie den pathogenen Wunsch mit Unrecht abgewiesen hat, und +veranlaßt, ihn ganz oder teilweise zu akzeptieren, oder dieser Wunsch +wird selbst auf ein höheres und darum einwandfreies Ziel geleitet (was +man seine <span class="g">Sublimierung</span> heißt), oder man erkennt seine Verwerfung als zu +Recht bestehend an, ersetzt aber den automatischen und darum +unzureichenden Mechanismus der Verdrängung durch eine Verurteilung mit +Hilfe der höchsten geistigen Leistungen des Menschen; man erreicht seine +bewußte Beherrschung.<span class="pagenum"><a name="Page_26" id="Page_26">[p. 26]</a></span></p> + +<p>Verzeihen Sie mir, wenn es mir nicht gelungen ist, Ihnen diese +Hauptgesichtspunkte der nun <span class="g">Psychoanalyse</span> genannten Behandlungsmethode +klarer faßlich darzustellen. Die Schwierigkeiten liegen nicht nur in der +Neuheit des Gegenstandes. Welcher Art die unverträglichen Wünsche sind, +die sich trotz der Verdrängung aus dem Unbewußten vernehmbar zu machen +verstehen, und welche subjektiven oder konstitutionellen Bedingungen bei +einer Person zutreffen müssen, damit sich ein solches Mißlingen der +Verdrängung und eine Ersatz- oder Symptombildung vollziehe, darüber +werden noch einige spätere Bemerkungen Aufschluß geben.<span class="pagenum"><a name="Page_27" id="Page_27">[p. 27]</a></span></p> + + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h2><a name="III" id="III"></a>III.</h2> + + +<p>Meine Damen und Herren! Es ist nicht immer leicht die Wahrheit zu sagen, +besonders wenn man kurz sein muß, und so bin ich heute genötigt, eine +Unrichtigkeit zu korrigieren, die ich in meinem letzten Vortrag +vorgebracht habe. Ich sagte Ihnen, wenn ich unter Verzicht auf die +Hypnose in meine Kranken drang, mir doch mitzuteilen, was ihnen zu dem +eben behandelten Problem einfiele; sie wüßten ja doch alles angeblich +Vergessene, und der auftauchende Einfall werde gewiß das Gesuchte +enthalten, so machte ich tatsächlich die Erfahrung, daß der nächste +Einfall meines Kranken das richtige brachte und sich als die vergessene +Fortsetzung der Erinnerung erwies. Nun, das ist nicht allgemein richtig; +ich habe es nur der Abkürzung halber so einfach dargestellt. In +Wirklichkeit traf es nur die ersten Male zu, daß sich das richtige +Vergessene durch einfaches Drängen von meiner Seite einstellte. Setzte +man das Verfahren fort, so kamen jedesmal Einfälle, die nicht die +richtigen sein konnten, weil sie nicht passend waren, und die die +Kranken selbst als unrichtig verwarfen. Das Drängen brachte hier keine +weitere Hilfe, und man konnte wieder bedauern, die Hypnose aufgegeben zu +haben.</p> + +<p>In diesem Stadium der Ratlosigkeit klammerte ich mich an ein Vorurteil, +dessen wissenschaftliche Berechtigung Jahre später durch meinen Freund +C. G. <span class="g">Jung</span> in Zürich und seine Schüler erwiesen wurde. Ich muß +behaupten, es ist manchmal recht<span class="pagenum"><a name="Page_28" id="Page_28">[p. 28]</a></span> nützlich, Vorurteile zu haben. Ich +brachte eine hohe Meinung von der Strenge der Determinierung seelischer +Vorgänge mit und konnte nicht daran glauben, daß ein Einfall des +Kranken, den er bei gespannter Aufmerksamkeit produzierte, ganz +willkürlich und außer Beziehung zu der von uns gesuchten vergessenen +Vorstellung sei; daß er mit dieser nicht identisch war, ließ sich aus +der vorausgesetzten psychologischen Situation befriedigend erklären. In +dem behandelten Kranken wirkten zwei Kräfte gegen einander, einerseits +sein bewußtes Bestreben, das in seinem Unbewußten vorhandene Vergessene +ins Bewußtsein zu ziehen, anderseits der uns bekannte Widerstand, der +sich gegen solches Bewußtwerden des Verdrängten oder seiner Abkömmlinge +sträubte. War dieser Widerstand gleich Null oder sehr gering, so wurde +das Vergessene ohne Entstellung bewußt; es lag also nahe, anzunehmen, +daß die Entstellung des Gesuchten um so größer ausfallen werde, je +größer der Widerstand gegen das Bewußtwerden des Gesuchten sei. Der +Einfall des Kranken, der anstatt des Gesuchten kam, war also selbst +entstanden wie ein Symptom; er war eine neue, künstliche und ephemere +Ersatzbildung für das Verdrängte, und demselben um so unähnlicher, eine +je größere Entstellung er unter dem Einfluß des Widerstandes erfahren +hatte. Er mußte aber doch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Gesuchten +aufweisen, kraft seiner Natur als Symptom, und bei nicht zu intensivem +Widerstand mußte es möglich sein, aus dem Einfall das verborgene +Gesuchte zu erraten. Der Einfall mußte sich zum verdrängten Element +verhalten wie eine Anspielung, wie eine Darstellung desselben in +<span class="g">indirekter</span> Rede.</p> + +<p>Wir kennen auf dem Gebiete des normalen Seelenlebens Fälle, in denen +analoge Situationen wie die von uns angenommene auch ähnliche Ergebnisse +liefern. Ein solcher Fall ist der des<span class="pagenum"><a name="Page_29" id="Page_29">[p. 29]</a></span> <span class="g">Witzes</span>. Durch die Probleme der +psychoanalytischen Technik bin ich denn auch genötigt worden, mich mit +der Technik der Witzbildung zu beschäftigen. Ich will Ihnen ein einziges +solches Beispiel erläutern, übrigens einen Witz in englischer Sprache.</p> + +<p>Die Anekdote erzählt:<a name="FNanchor_10_10" id="FNanchor_10_10"></a><a href="#Footnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a> Zwei wenig skrupulösen Geschäftsleuten war es +gelungen, sich durch eine Reihe recht gewagter Unternehmungen ein großes +Vermögen zu erwerben, und nun ging ihr Bemühen dahin, sich der guten +Gesellschaft aufzudrängen. Unter anderem erschien es ihnen als ein +zweckmäßiges Mittel, sich von dem vornehmsten und teuersten Maler der +Stadt, dessen Bilder als Ereignisse betrachtet wurden, malen zu lassen. +Auf einer großen Soiree wurden die kostbaren Bilder zuerst gezeigt, und +die beiden Hausherren führten selbst den einflußreichsten Kunstkenner +und Kritiker zur Wand des Salons, auf welcher die beiden Portraits +nebeneinander aufgehängt waren, um ihm sein bewunderndes Urteil zu +entlocken. Der sah die Bilder lange Zeit an, schüttelte dann den Kopf, +als ob er etwas vermissen würde, und fragte bloß, auf den freien Raum +zwischen beiden Bildern deutend: »And where is the Saviour?« Ich sehe, +Sie lachen alle über diesen guten Witz, in dessen Verständnis wir nun +eindringen wollen. Wir verstehen, daß der Kunstkenner sagen will: Ihr +seid ein Paar Spitzbuben, wie die, zwischen denen man den Heiland ans +Kreuz hängte. Aber er sagt es nicht, anstatt dessen äußert er etwas, was +zunächst sonderbar unpassend und nicht dazu gehörig scheint, was wir +aber im nächsten Moment als eine <span class="g">Anspielung</span> auf die von ihm +beabsichtigte Beschimpfung und als einen vollgültigen Ersatz für +dieselbe erkennen. Wir können nicht erwarten, daß sich beim Witz alle +die Verhältnisse widerfinden<span class="pagenum"><a name="Page_30" id="Page_30">[p. 30]</a></span> lassen, die wir bei der Entstehung des +Einfalles bei unseren Patienten vermuten, aber auf die Identität in der +Motivierung von Witz und Einfall wollen wir Gewicht legen. Warum sagt +unser Kritiker den beiden Spitzbuben nicht direkt, was er ihnen sagen +möchte? Weil neben seinem Gelüste, es ihnen unverhüllt ins Gesicht zu +sagen, sehr gute Gegenmotive in ihm wirksam sind. Es ist nicht +ungefährlich, Leute zu beleidigen, bei denen man zu Gaste ist, und die +über die kräftigen Fäuste einer zahlreichen Dienerschaft verfügen. Man +kann leicht jenem Schicksal verfallen, das ich im vorigen Vortrag in +eine Analogie mit der »Verdrängung« brachte. Aus diesem Grunde bringt +der Kritiker die beabsichtigte Beschimpfung nicht direkt, sondern in +entstellter Form als eine »Anspielung mit Auslassung« zum Ausdruck, und +dieselbe Konstellation verschuldet es nach unserer Meinung, daß unser +Patient, anstatt des gesuchten Vergessenen, einen mehr oder minder +entstellten <span class="g">Ersatzeinfall</span> produziert.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_10_10" id="Footnote_10_10"></a><a href="#FNanchor_10_10"><span class="label">[10]</span></a> Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Fr. Deuticke, +Wien 1905 (p. 59).</p></div> + +<p>Meine Damen und Herren! Es ist recht zweckmäßig, eine Gruppe von +zusammengehörigen, mit Affekt besetzten Vorstellungselementen nach dem +Vorgang der <span class="g">Züricher</span> Schule (<span class="g">Bleuler</span>, <span class="g">Jung</span> u. a.) als einen »<span class="g">Komplex</span>« zu +bezeichnen. Wir sehen also, wenn wir bei einem Kranken, von dem letzten, +was er noch erinnert, ausgehen, um einen verdrängten Komplex zu suchen, +so haben wir alle Aussicht, diesen zu erraten, wenn uns der Kranke eine +genügende Anzahl seiner freien Einfälle zur Verfügung stellt. Wir lassen +also den Kranken reden, was er will, und halten an der Voraussetzung +fest, daß ihm nichts anderes einfallen kann, als was in indirekter Weise +von dem gesuchten Komplex abhängt. Erscheint Ihnen dieser Weg, das +Verdrängte aufzufinden, allzu umständlich, so kann ich Ihnen wenigstens +die Versicherung geben, daß er der einzig gangbare ist.<span class="pagenum"><a name="Page_31" id="Page_31">[p. 31]</a></span></p> + +<p>Wenn wir diese Technik ausüben, so werden wir noch durch die Tatsache +gestört, daß der Kranke häufig inne hält, in Stockungen gerät und +behauptet, er wisse nichts zu sagen, es falle ihm überhaupt nichts ein. +Träfe dies zu und hätte der Kranke recht, so wäre unser Verfahren +wiederum als unzulänglich erwiesen. Allein eine feinere Beobachtung +zeigt, daß ein solches Versagen der Einfälle eigentlich nie eintritt. +Dieser Anschein kommt nur dadurch zu stande, daß der Kranke den +wahrgenommenen Einfall unter dem Einfluß der Widerstände, die sich in +verschiedene kritische Urteile über den Wert des Einfalls kleiden, +zurückhält oder wieder beseitigt. Man schützt sich dagegen, indem man +ihm dieses Verhalten vorhersagt und von ihm fordert, daß er sich um +diese Kritik nicht kümmere. Er soll unter völligem Verzicht auf solche +kritische Auswahl alles sagen, was ihm in den Sinn kommt, auch wenn er +es für unrichtig, für nicht dazu gehörig, für unsinnig hält, vor allem +auch dann, wenn es ihm unangenehm ist, sein Denken mit dem Einfall zu +beschäftigen. Durch die Befolgung dieser Vorschrift sichern wir uns das +Material, welches uns auf die Spur der verdrängten Komplexe führt.</p> + +<p>Dies Material von Einfällen, welche der Kranke geringschätzend von sich +weist, wenn er unter dem Einflüsse des Widerstandes anstatt unter dem +des Arztes steht, stellt für den Psychoanalytiker gleichsam das Erz dar, +dem er mit Hilfe von einfachen Deutungskünsten seinen Gehalt an +wertvollem Metall entzieht. Wollen Sie sich bei einem Kranken eine +rasche und vorläufige Kenntnis der verdrängten Komplexe schaffen, ohne +noch auf deren Anordnung und Verknüpfung einzugehen, so bedienen Sie +sich dazu der Prüfung mit dem <span class="g">Assoziationsexperiment</span>, wie sie <span class="g">Jung</span><a name="FNanchor_11_11" id="FNanchor_11_11"></a><a href="#Footnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a> +und seine Schüler ausgebildet<span class="pagenum"><a name="Page_32" id="Page_32">[p. 32]</a></span> haben. Dies Verfahren leistet dem +Psychoanalytiker so viel wie die qualitative Analyse dem Chemiker; es +ist in der Therapie der neurotisch Kranken entbehrlich, unentbehrlich +aber zur objektiven Demonstration der Komplexe und bei der Untersuchung +der Psychosen, die von der Züricher Schule so erfolgreich in Angriff +genommen worden ist.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_11_11" id="Footnote_11_11"></a><a href="#FNanchor_11_11"><span class="label">[11]</span></a> C. G. <span class="g">Jung</span>, Diagnostische Assoziationsstudien, I. Bd., +1906.</p></div> + +<p>Die Bearbeitung der Einfälle, welche sich dem Patienten ergeben, wenn er +sich der psychoanalytischen Hauptregel unterwirft, ist nicht das einzige +unserer technischen Mittel zur Erschließung des Unbewußten. Dem gleichen +Zwecke dienen zwei andere Verfahren, die Deutung seiner Träume und die +Verwertung seiner Fehl- und Zufallshandlungen.</p> + +<p>Ich gestehe Ihnen, meine geehrten Zuhörer, daß ich lange geschwankt +habe, ob ich Ihnen anstatt dieser gedrängten Übersicht über das ganze +Gebiet der Psychoanalyse nicht lieber eine ausführliche Darstellung der +<span class="g">Traumdeutung</span> bieten soll. Ein rein subjektives und anscheinend +sekundäres Motiv hat mich davon zurückgehalten. Es erschien mir fast +anstößig, in diesem praktischen Zielen zugewendeten Lande als +»Traumdeuter« aufzutreten, ehe Sie noch wissen konnten, auf welche +Bedeutung diese veraltete und verspottete Kunst Anspruch erheben kann. +Die Traumdeutung ist in Wirklichkeit die Via Regia zur Kenntnis des +Unbewußten, die sicherste Grundlage der Psychoanalyse und jenes Gebiet, +auf welchem jeder Arbeiter seine Überzeugung zu gewinnen und seine +Ausbildung anzustreben hat. Wenn ich gefragt werde, wie man +Psychoanalytiker werden kann, so antworte ich, durch das Studium seiner +eigenen Träume. Mit richtigem Takt sind alle Gegner der Psychoanalyse +bisher einer Würdigung der »Traumdeutung«<a name="FNanchor_12_12" id="FNanchor_12_12"></a><a href="#Footnote_12_12" class="fnanchor">[12]</a> ausgewichen oder haben mit +den seichtesten Einwendungen über sie hinwegzukommen getrachtet.<span class="pagenum"><a name="Page_33" id="Page_33">[p. 33]</a></span> Wenn +Sie im Gegenteile die Lösungen der Probleme des Traumlebens anzunehmen +vermögen, werden Ihnen die Neuheiten, welche die Psychoanalyse Ihrem +Denken zumutet, keine Schwierigkeiten mehr bieten.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_12_12" id="Footnote_12_12"></a><a href="#FNanchor_12_12"><span class="label">[12]</span></a> Die Traumdeutung, 2. Aufl., Fr. Deuticke, Wien 1909.</p></div> + +<p>Vergessen Sie nicht daran, daß unsere nächtlichen Traumproduktionen +einerseits die größte äußere Ähnlichkeit und innere Verwandtschaft mit +den Schöpfungen der Geisteskrankheiten zeigen, anderseits aber mit der +vollen Gesundheit des Wachlebens verträglich sind. Es ist keine absurd +klingende Behauptung, daß, wer jenen »normalen« Sinnestäuschungen, +Wahnideen und Charakteränderungen Verwunderung anstatt Verständnis +entgegenbringt, auch nicht die leiseste Aussicht hat, die abnormen +Bildungen krankhafter Seelenzustände anders als im laienhaften Sinne zu +begreifen. Zu diesen Laien dürfen Sie heute getrost fast alle Psychiater +zählen. Folgen Sie mir nun auf einem flüchtigen Streifzug durch das +Gebiet der Traumprobleme.</p> + +<p>Wir pflegen, wenn wir erwacht sind, die Träume so verächtlich zu +behandeln, wie der Patient die Einfälle, die der Psychoanalytiker von +ihm fordert. Wir weisen sie aber auch von uns ab, indem wir sie in der +Regel rasch und vollständig vergessen. Unsere Geringschätzung gründet +sich auf den fremdartigen Charakter selbst jener Träume, die nicht +verworren und unsinnig sind, und auf die evidente Absurdität und +Sinnlosigkeit anderer Träume; unsere Abweisung beruft sich auf die +ungehemmt schamlosen und unmoralischen Strebungen, die in manchen +Träumen offen zu Tage treten. Das Altertum hat diese Geringschätzung der +Träume bekanntlich nicht geteilt. Die niederen Schichten unseres Volkes +lassen sich in der Wertschätzung der Träume auch heute nicht irre +machen; sie erwarten von ihnen wie die Alten die Enthüllung der Zukunft.</p> + +<p>Ich bekenne, daß ich kein Bedürfnis nach mystischen Annahmen<span class="pagenum"><a name="Page_34" id="Page_34">[p. 34]</a></span> zur +Ausfüllung der Lücken unserer gegenwärtigen Erkenntnis habe, und darum +habe ich auch nie etwas finden können, was eine prophetische Natur der +Träume bestätigte. Es läßt sich viel andersartiges, was auch wunderbar +genug ist, über die Träume sagen.</p> + +<p>Zunächst, nicht alle Träume sind dem Träumer wesensfremd, unverständlich +und verworren. Wenn Sie die Träume jüngster Kinder, von 1½ Jahren an, +Ihrer Betrachtung unterziehen wollen, so finden sie dieselben ganz +simpel und leicht aufzuklären. Das kleine Kind träumt immer die +Erfüllung von Wünschen, die der Tag vorher in ihm erweckt und nicht +befriedigt hat. Sie bedürfen keiner Deutungskunst, um diese einfache +Lösung zu finden, sondern nur der Erkundigung nach den Erlebnissen des +Kindes am Vortag (Traumtag). Es wäre nun gewiß die befriedigendste +Lösung des Traumrätsels, wenn auch die Träume der Erwachsenen nichts +anderes wären als die der Kinder, Erfüllungen von Wunschregungen, die +ihnen der Traumtag gebracht hat. So ist es auch in Wirklichkeit; die +Schwierigkeiten, welche dieser Lösung im Wege stehen, lassen sich durch +eine eingehendere Analyse der Träume schrittweise beseitigen.</p> + +<p>Da ist vor allem die erste und gewichtigste Einwendung, daß die Träume +Erwachsener gewöhnlich einen unverständlichen Inhalt haben, der am +wenigsten etwas von Wunscherfüllung erkennen läßt. Die Antwort lautet +hier: Diese Träume haben eine Entstellung erfahren; der psychische +Vorgang, der ihnen zu Grunde liegt, hätte ursprünglich ganz anderen +Ausdruck in Worten finden sollen. Sie müssen den <span class="g">manifesten Trauminhalt</span>, +wie Sie ihn am Morgen verschwommen erinnern und mühselig, anscheinend +willkürlich, in Worte kleiden, unterscheiden von den <span class="g">latenten +Traumgedanken</span>, die Sie im Unbewußten vorhanden anzunehmen haben. Diese +Traumentstellung<span class="pagenum"><a name="Page_35" id="Page_35">[p. 35]</a></span> ist derselbe Vorgang, den Sie bei der Untersuchung der +Bildung hysterischer Symptome kennen gelernt haben; sie weist auch +darauf hin, daß das gleiche Gegenspiel der seelischen Kräfte bei der +Traumbildung wie bei der Symptombildung beteiligt ist. Der manifeste +Trauminhalt ist der entstellte Ersatz für die unbewußten Traumgedanken, +und diese Entstellung ist das Werk von abwehrenden Kräften des Ichs, +Widerständen, welche den verdrängten Wünschen des Unbewußten den Zugang +zum Bewußtsein im Wachleben überhaupt verwehren, in der Herabsetzung des +Schlafzustandes aber wenigstens noch so stark sind, daß sie ihnen eine +verhüllende Vermummung aufnötigen. Der Träumer erkennt dann den Sinn +seiner Träume ebenso wenig wie der Hysterische die Beziehung und +Bedeutung seiner Symptome.</p> + +<p>Daß es latente Traumgedanken gibt und daß zwischen ihnen und dem +manifesten Trauminhalt wirklich die eben beschriebene Relation besteht, +davon überzeugen Sie sich bei der Analyse der Träume, deren Technik mit +der psychoanalytischen zusammenfällt. Sie sehen von dem scheinbaren +Zusammenhang der Elemente im manifesten Traum ganz ab und suchen sich +die Einfälle zusammen, die sich bei freier Assoziation nach der +psychoanalytischen Arbeitsregel zu jedem einzelnen Traumelement ergeben. +Aus diesem Material erraten Sie die latenten Traumgedanken ganz so, wie +Sie aus den Einfällen des Kranken zu seinen Symptomen und Erinnerungen +seine versteckten Komplexe erraten haben. An den so gefundenen latenten +Traumgedanken ersehen Sie ohne weiteres, wie vollberechtigt die +Rückführung der Träume Erwachsener auf die Kinderträume ist. Was sich +jetzt als der eigentliche Sinn des Traumes dem manifesten Trauminhalt +substituiert, das ist immer klar verständlich, knüpft an die +Lebenseindrücke des Vortages an, erweist sich<span class="pagenum"><a name="Page_36" id="Page_36">[p. 36]</a></span> als eine Erfüllung +unbefriedigter Wünsche. Den manifesten Traum, den Sie aus der Erinnerung +beim Erwachen kennen, können Sie dann nur beschreiben als eine <span class="g">verkappte</span> +Erfüllung <span class="g">verdrängter</span> Wünsche.</p> + +<p>Sie können durch eine Art von synthetischer Arbeit jetzt auch Einsicht +nehmen in den Prozeß, der die Entstellung der unbewußten Traumgedanken +zum manifesten Trauminhalt herbeigeführt hat. Wir heißen diesen Prozeß +die »Traumarbeit«. Derselbe verdient unser vollstes theoretisches +Interesse, weil wir an ihm wie sonst nirgends studieren können, welche +ungeahnten psychischen Vorgänge im Unbewußten, oder genau ausgedrückt, +<span class="g">zwischen</span> zwei gesonderten psychischen Systemen wie dem Bewußten und dem +Unbewußten, möglich sind. Unter diesen neu erkannten psychischen +Vorgängen heben sich die der <span class="g">Verdichtung</span> und der <span class="g">Verschiebung</span> auffällig +heraus. Die Traumarbeit ist ein Spezialfall der Einwirkungen +verschiedener seelischer Gruppierungen aufeinander, also der Erfolge der +seelischen Spaltung, und sie scheint in allem Wesentlichen identisch mit +jener Entstellungsarbeit, welche die verdrängten Komplexe bei +mißglückender Verdrängung in Symptome verwandelt.</p> + +<p>Sie werden ferner bei der Analyse der Träume, am überzeugendsten Ihrer +eigenen, mit Verwunderung die ungeahnt große Rolle entdecken, welche +Eindrücke und Erlebnisse früher Jahre der Kindheit auf die Entwicklung +des Menschen nehmen. Im Traumleben setzt das Kind im Menschen gleichsam +seine Existenz mit Erhaltung all seiner Eigentümlichkeiten und +Wunschregungen, auch der im späteren Leben unbrauchbar gewordenen, fort. +Mit unabweislicher Macht drängt sich Ihnen auf, durch welche +Entwicklungen, Verdrängungen, Sublimierungen und Reaktionsbildungen aus +dem ganz anders beanlagten<span class="pagenum"><a name="Page_37" id="Page_37">[p. 37]</a></span> Kind der sogenannt normale Mensch, der +Träger und zum Teil das Opfer der mühsam errungenen Kultur, hervorgeht.</p> + +<p>Auch darauf will ich sie aufmerksam machen, daß wir bei der Analyse der +Träume gefunden haben, das Unbewußte bediene sich, insbesondere für die +Darstellung sexueller Komplexe, einer gewissen Symbolik, die zum Teil +individuell variabel, zum anderen Teil aber typisch festgelegt ist, und +die sich mit der Symbolik zu decken scheint, die wir hinter unseren +Mythen und Märchen vermuten. Es wäre nicht unmöglich, daß die letzteren +Schöpfungen der Völker ihre Aufklärung vom Traume her empfangen könnten.</p> + +<p>Endlich muß ich Sie mahnen, daß Sie sich nicht durch den Einwand irre +machen lassen, das Vorkommen von Angstträumen widerspreche unserer +Auffassung des Traumes als Wunscherfüllung. Abgesehen davon, daß auch +diese Angstträume der Deutung bedürfen, ehe man über sie urteilen kann, +muß man ganz allgemein sagen, daß die Angst nicht so einfach am +Trauminhalt hängt, wie man’s sich ohne weitere Kenntnis und Rücksicht +auf die Bedingungen der neurotischen Angst vorstellt. Die Angst ist eine +der Ablehnungsreaktionen des Ichs gegen stark gewordene verdrängte +Wünsche, und daher auch im Traume sehr gut erklärlich, wenn die +Traumbildung sich zu sehr in den Dienst der Erfüllung dieser verdrängten +Wünsche gestellt hat.</p> + +<p>Sie sehen, die Traumerforschung wäre an sich durch die Aufschlüsse +gerechtfertigt, die sie über sonst schwer wißbare Dinge liefert. Wir +sind aber im Zusammenhange mit der psychoanalytischen Behandlung der +Neurotiker zu ihr gelangt. Nach dem bisher Gesagten können Sie leicht +verstehen, wie die Traumdeutung, wenn sie nicht durch die Widerstände +des Kranken allzu sehr erschwert wird, zur Kenntnis der versteckten und +verdrängten Wünsche des Kranken und der von ihnen genährten<span class="pagenum"><a name="Page_38" id="Page_38">[p. 38]</a></span> Komplexe +führt, und ich kann zur dritten Gruppe von seelischen Phänomenen +übergehen, deren Studium zum technischen Mittel für die Psychoanalyse +geworden ist.</p> + +<p>Es sind dies die kleinen Fehlhandlungen normaler wie nervöser Menschen, +denen man sonst keine Bedeutung beizulegen pflegt, das Vergessen von +Dingen, die sie wissen könnten und andere Male auch wirklich wissen +(z. B. das zeitweilige Entfallen von Eigennamen), das Versprechen in der +Rede, das sich uns selbst so häufig ereignet, das analoge Verschreiben +und Verlesen, das Vergreifen bei Verrichtungen und das Verlieren oder +Zerbrechen von Gegenständen u. dgl., lauter Dinge, für die man eine +psychologische Determinierung sonst nicht sucht, und die man als +zufällige Ergebnisse, als Erfolge der Zerstreutheit, Unaufmerksamkeit +und ähnlicher Bedingungen unbeanstandet passieren läßt. Dazu kommen noch +die Handlungen und Gesten, welche die Menschen ausführen, ohne sie +überhaupt zu bemerken, geschweige denn, daß sie ihnen seelisches Gewicht +beilegten, wie das Spielen, Tändeln mit Gegenständen, das Summen von +Melodien, das Hantieren am eigenen Körper und an dessen Bekleidung und +ähnliches.<a name="FNanchor_13_13" id="FNanchor_13_13"></a><a href="#Footnote_13_13" class="fnanchor">[13]</a> Diese kleinen Dinge, die <span class="g">Fehlhandlungen</span> wie die <span class="g">Symptom-</span> +und <span class="g">Zufallshandlungen</span>, sind nicht so bedeutungslos, wie man durch eine +Art von stillschweigendem Übereinkommen anzunehmen bereit ist. Sie sind +durchaus sinnvoll, aus der Situation, in der sie vorfallen, meist leicht +und sicher zu deuten, und es stellt sich heraus, daß sie wiederum +Impulsen und Absichten Ausdruck geben, die zurückgestellt, dem eigenen +Bewußtsein verborgen werden sollen, oder daß sie geradezu den nämlichen +verdrängten Wunschregungen und Komplexen entstammen, die wir<span class="pagenum"><a name="Page_39" id="Page_39">[p. 39]</a></span> bereits +als die Schöpfer der Symptome und die Bildner der Träume kennen gelernt +haben. Sie verdienen also die Würdigung von Symptomen, und ihre +Beachtung kann wie die der Träume zur Aufdeckung des Verborgenen im +Seelenleben führen. Mit ihrer Hilfe verrät der Mensch in der Regel die +intimsten seiner Geheimnisse. Wenn sie besonders leicht und häufig zu +stande kommen, selbst beim Gesunden, dem die Verdrängung seiner +unbewußten Regungen im ganzen gut gelungen ist, so haben sie es ihrer +Geringfügigkeit und Unscheinbarkeit zu danken. Aber sie dürfen hohen +theoretischen Wert beanspruchen, da sie uns die Existenz der Verdrängung +und Ersatzbildung auch unter den Bedingungen der Gesundheit erweisen.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_13_13" id="Footnote_13_13"></a><a href="#FNanchor_13_13"><span class="label">[13]</span></a> Zur Psychopathologie des Alltagslebens. 3. Aufl., 1910, +S. <span class="g">Karger</span>, Berlin.</p></div> + +<p>Sie merken es bereits, daß sich der Psychoanalytiker durch einen +besonders strengen Glauben an die Determinierung des Seelenlebens +auszeichnet. Für ihn gibt es in den psychischen Äußerungen nichts +Kleines, nichts Willkürliches und Zufälliges, er erwartet überall dort +eine ausreichende Motivierung, wo man gewöhnlich eine solche Forderung +nicht erhebt; ja er ist auf eine <span class="g">mehrfache Motivierung</span> desselben +seelischen Effekts vorbereitet, während unser angeblich eingeborenes +Kausalbedürfnis sich mit einer einzigen psychischen Ursache für +befriedigt erklärt.</p> + +<p>Halten Sie nun zusammen, was wir an Mitteln zur Aufdeckung des +Verborgenen, Vergessenen, Verdrängten im Seelenleben besitzen, das +Studium der hervorgerufenen Einfälle der Patienten bei freier +Assoziation, ihrer Träume und ihrer Fehl- und Symptomhandlungen; fügen +Sie noch hinzu die Verwertung anderer Phänomene, die sich während der +psychoanalytischen Behandlung ergeben, über die ich später unter dem +Schlagwort der »Übertragung« einige Bemerkungen machen werde, so werden +Sie mit mir zu dem Schlusse kommen, daß unsere Technik bereits<span class="pagenum"><a name="Page_40" id="Page_40">[p. 40]</a></span> wirksam +genug ist, um ihre Aufgabe lösen zu können, um das pathogene psychische +Material dem Bewußtsein zuzuführen und so die durch die Bildung von +Ersatzsymptomen hervorgerufenen Leiden zu beseitigen. Daß wir während +der therapeutischen Bemühungen unsere Kenntnis vom Seelenleben der +normalen und der kranken Menschen bereichern und vertiefen, kann gewiß +nur als ein besonderer Reiz und Vorzug dieser Arbeit eingeschätzt +werden.</p> + +<p>Ich weiß nicht, ob Sie den Eindruck empfangen haben, daß die Technik, +durch deren Arsenal ich Sie eben geführt habe, eine besonders schwierige +ist. Ich meine, sie ist dem Gegenstande, den sie bewältigen soll, +durchaus angemessen. Aber so viel ist sicher, daß sie nicht +selbstverständlich ist, daß sie erlernt werden muß wie die histologische +oder die chirurgische. Es wird Sie vielleicht verwundern, zu hören, daß +wir in Europa eine Menge von Urteilen über die Psychoanalyse von +Personen gehört haben, die von dieser Technik nichts wissen und sie +nicht anwenden, und dann von uns wie im Hohne verlangten, wir sollten +ihnen die Richtigkeit unserer Resultate beweisen. Es sind unter diesen +Widersachern gewiß auch Personen, denen wissenschaftliche Denkweise +sonst nicht fremd ist, die z. B. ein Ergebnis mikroskopischer +Untersuchung nicht darum verwerfen würden, weil es am anatomischen +Präparat nicht mit freiem Auge zu bestätigen ist, und nicht eher, als +bis sie den Sachverhalt selbst mit Hilfe des Mikroskops beurteilt haben. +Aber in Sachen der Psychoanalyse liegen die Verhältnisse wirklich +ungünstiger für die Anerkennung. Die Psychoanalyse will das im +Seelenleben Verdrängte zur bewußten Anerkennung bringen, und jeder, der +sie beurteilt, ist selbst ein Mensch, der solche Verdrängungen besitzt, +vielleicht sie nur mühsam aufrecht erhält. Sie muß also bei ihm +denselben Widerstand hervorrufen, den sie bei<span class="pagenum"><a name="Page_41" id="Page_41">[p. 41]</a></span> den Kranken weckt, und +dieser Widerstand hat es leicht, sich in intellektuelle Ablehnung zu +verkleiden und Argumente herbeizuziehen, ähnlich wie die, welche wir bei +unseren Kranken mit der psychoanalytischen Grundregel abwehren. Wie bei +unseren Kranken, so können wir auch bei unseren Gegnern häufig eine sehr +auffällige affektive Beeinflussung des Urteilsvermögens im Sinne einer +Herabsetzung konstatieren. Der Dünkel des Bewußtseins, der z. B. den +Traum so geringschätzig verwirft, gehört zu den stärksten +Schutzeinrichtungen, die in uns ganz allgemein gegen das Durchdringen +der unbewußten Komplexe vorgesehen sind, und darum ist es so schwierig, +die Menschen zur Überzeugung von der Realität des Unbewußten zu bringen +und sie Neues kennen zu lehren, was ihrer bewußten Kenntnis +widerspricht.<span class="pagenum"><a name="Page_42" id="Page_42">[p. 42]</a></span></p> + + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h2><a name="IV" id="IV"></a>IV.</h2> + + +<p>Meine Damen und Herren! Sie werden nun zu wissen verlangen, was wir mit +Hilfe der beschriebenen technischen Mittel über die pathogenen Komplexe +und verdrängten Wunschregungen der Neurotiker in Erfahrung gebracht +haben.</p> + +<p>Nun vor allem eines: Die psychoanalytische Forschung führt mit wirklich +überraschender Regelmäßigkeit die Leidenssymptome der Kranken auf +Eindrücke aus ihrem Liebesleben zurück, zeigt uns, daß die pathogenen +Wunschregungen von der Natur erotischer Triebkomponenten sind, und +nötigt uns anzunehmen, daß Störungen der Erotik die größte Bedeutung +unter den zur Erkrankung führenden Einflüssen zugesprochen werden muß, +und dies zwar bei beiden Geschlechtern.</p> + +<p>Ich weiß, diese Behauptung wird mir nicht gerne geglaubt. Selbst solche +Forscher, die meinen psychologischen Arbeiten bereitwillig folgen, sind +geneigt zu meinen, daß ich den ätiologischen Anteil der sexuellen +Momente überschätze, und wenden sich an mich mit der Frage, warum denn +nicht auch andere seelische Erregungen zu den beschriebenen Phänomenen +der Verdrängung und Ersatzbildung Anlaß geben sollen. Nun ich kann +antworten: Ich weiß nicht, warum sie es nicht sollten, habe auch nichts +dagegen, aber die Erfahrung zeigt, daß sie solche Bedeutung nicht haben, +daß sie höchstens die Wirkung der sexuellen Momente unterstützen, nie +aber die letzteren ersetzen können. Dieser<span class="pagenum"><a name="Page_43" id="Page_43">[p. 43]</a></span> Sachverhalt wurde von mir +nicht etwa theoretisch postuliert; noch in den 1895 mit Dr. J. <span class="g">Breuer</span> +publizierten Studien über Hysterie stand ich nicht auf diesem +Standpunkte; ich mußte mich zu ihm bekehren, als meine Erfahrungen +zahlreicher wurden und tiefer in den Gegenstand eindrangen. Meine +Herren! Es befinden sich hier unter Ihnen einige meiner nächsten Freunde +und Anhänger, die die Reise nach Worcester mit mir gemacht haben. Fragen +Sie bei ihnen an und Sie werden hören, daß sie alle der Behauptung von +der maßgebenden Bedeutung der sexuellen Ätiologie zuerst vollen +Unglauben entgegenbrachten, bis sie durch ihre eigenen analytischen +Bemühungen genötigt wurden, sie zu der ihrigen zu machen.</p> + +<p>Die Überzeugung von der Richtigkeit des in Rede stehenden Satzes wird +durch das Benehmen der Patienten nicht gerade erleichtert. Anstatt uns +die Auskünfte über ihr Sexualleben bereitwillig entgegenzubringen, +suchen sie dieses mit allen Mitteln zu verbergen. Die Menschen sind +überhaupt nicht aufrichtig in sexuellen Dingen. Sie zeigen ihre +Sexualität nicht frei, sondern tragen eine dicke Oberkleidung aus — +Lügengewebe zu ihrer Verhüllung, als ob es schlechtes Wetter gäbe in der +Welt der Sexualität. Und sie haben nicht unrecht, Sonne und Wind sind in +unserer Kulturwelt der sexuellen Betätigung wirklich nicht günstig; +eigentlich kann niemand von uns seine Erotik frei den anderen enthüllen. +Wenn Ihre Patienten aber erst gemerkt haben, daß sie sich’s in Ihrer +Behandlung behaglich machen dürfen, dann legen sie jene Lügenhülle ab, +und dann erst sind Sie in der Lage, sich ein Urteil über unsere +Streitfrage zu bilden. Leider sind auch die Ärzte in ihrem persönlichen +Verhältnis zu den Fragen des Sexuallebens vor anderen Menschenkindern +nicht bevorzugt, und viele von ihnen stehen unter dem Banne jener +Vereinigung von Prüderie und Lüsternheit,<span class="pagenum"><a name="Page_44" id="Page_44">[p. 44]</a></span> welche das Verhalten der +meisten »Kulturmenschen« in Sachen der Sexualität beherrscht.</p> + +<p>Lassen Sie uns nun in der Mitteilung unserer Ergebnisse fortfahren. In +einer anderen Reihe von Fällen führt die psychoanalytische Erforschung +die Symptome allerdings nicht auf sexuelle, sondern auf banale +traumatische Erlebnisse zurück. Aber diese Unterscheidung wird durch +einen anderen Umstand bedeutungslos. Die zur gründlichen Aufklärung und +endgültigen Herstellung eines Krankheitsfalles erforderliche +Analysenarbeit macht nämlich in keinem Falle bei den Erlebnissen der +Erkrankungszeit Halt, sondern sie geht in allen Fällen bis in die +Pubertät und in die frühe Kindheit des Erkrankten zurück, um erst dort +auf die für die spätere Erkrankung bestimmenden Eindrücke und Vorfälle +zu stoßen. Erst die Erlebnisse der Kindheit geben die Erklärung für die +Empfindlichkeit gegen spätere Traumen, und nur durch die Aufdeckung und +Bewußtmachung dieser fast regelmäßig vergessenen Erinnerungsspuren +erwerben wir die Macht zur Beseitigung der Symptome. Wir gelangen hier +zu dem gleichen Ergebnis wie bei der Erforschung der Träume, daß es die +unvergänglichen, verdrängten Wunschregungen der Kindheit sind, die ihre +Macht zur Symptombildung geliehen haben, ohne welche die Reaktion auf +spätere Traumen normal verlaufen wäre. Diese mächtigen Wunschregungen +der Kindheit dürfen wir aber ganz allgemein als sexuelle bezeichnen.</p> + +<p>Jetzt bin ich aber erst recht Ihrer Verwunderung sicher. Gibt es denn +eine infantile Sexualität? werden Sie fragen. Ist das Kindesalter nicht +vielmehr die Lebensperiode, die durch das Fehlen des Sexualtriebes +ausgezeichnet ist? Nein, meine Herren, es ist gewiß nicht so, daß der +Sexualtrieb zur Pubertätszeit in die Kinder fährt, wie im Evangelium der +Teufel<span class="pagenum"><a name="Page_45" id="Page_45">[p. 45]</a></span> in die Säue. Das Kind hat seine sexuellen Triebe und +Betätigungen von Anfang an, es bringt sie mit auf die Welt, und aus +ihnen geht durch eine bedeutungsvolle, an Etappen reiche Entwicklung die +sogenannte normale Sexualität des Erwachsenen hervor. Es ist nicht +einmal schwer, die Äußerungen dieser kindlichen Sexualbetätigung zu +beobachten; es gehört vielmehr eine gewisse Kunst dazu, sie zu übersehen +oder wegzudeuten.</p> + +<p>Durch die Gunst des Schicksals bin ich in die Lage versetzt, einen +Zeugen für meine Behauptungen aus Ihrer Mitte selbst anzurufen. Ich +zeige Ihnen hier die Arbeit eines Dr. <span class="g">Sanford Bell</span>, die 1902 im +»American Journal of Psychology« abgedruckt worden ist. Der Autor ist +ein Fellow der Clark University, desselben Instituts, in dessen Räumen +wir jetzt stehen. In dieser Arbeit, betitelt: A preliminary study of the +emotion of love between the sexes, die drei Jahre vor meinen »Drei +Abhandlungen zur Sexualtheorie« erschienen ist, sagt der Autor ganz so, +wie ich Ihnen eben sagte: The emotion of sex-love.... does not make its +appearance for the first time at the period of adolescence, as has been +thought. Er hat, wie wir in Europa sagen würden, im amerikanischen Stil +gearbeitet; nicht weniger als 2500 positive Beobachtungen im Laufe von +15 Jahren gesammelt, darunter 800 eigene. Von den Zeichen, durch die +sich diese Verliebtheiten kundgeben, äußert er: The unprejudiced mind in +observing these manifestations in hundreds of couples of children cannot +escape referring them to sex origin. The most exacting mind is satisfied +when to these observations are added the confessions of those who have +as children, experienced the emotion to a marked degree of intensity, +and whose memories of childhood are relatively distinct. Am meisten aber +werden diejenigen von Ihnen, die an die infantile Sexualität nicht +glauben wollten, überrascht sein zu hören, daß unter<span class="pagenum"><a name="Page_46" id="Page_46">[p. 46]</a></span> diesen früh +verliebten Kindern nicht wenige sich im zarten Alter von drei, vier und +fünf Jahren befinden.</p> + +<p>Ich würde mich nicht wundern, wenn Sie diesen Beobachtungen eines +engsten Landsmannes eher Glauben schenken würden als den meinigen. Mir +selbst ist es vor kurzem geglückt, aus der Analyse eines fünfjährigen, +an Angst leidenden Knaben, die dessen eigener Vater kunstgerecht mit ihm +vorgenommen,<a name="FNanchor_14_14" id="FNanchor_14_14"></a><a href="#Footnote_14_14" class="fnanchor">[14]</a> ein ziemlich vollständiges Bild der somatischen +Triebäußerungen und der seelischen Produktionen auf einer frühen Stufe +des kindlichen Liebeslebens zu gewinnen. Und ich darf Sie daran +erinnern, daß mein Freund Dr. C. G. <span class="g">Jung</span> Ihnen in diesem Saale vor +wenigen Stunden die Beobachtung eines noch jüngeren Mädchens vorlas, +welches aus dem gleichen Anlaß wie mein Patient — bei der Geburt eines +Geschwisterchens — fast die nämlichen sinnlichen Regungen, Wunsch- und +Komplexbildungen, mit Sicherheit erraten ließ. Ich verzweifle also nicht +daran, daß Sie sich mit der anfänglich befremdlichen Idee der infantilen +Sexualität befreunden werden, und möchte Ihnen noch das rühmliche +Beispiel des Züricher Psychiaters E. <span class="g">Bleuler</span> vorhalten, der noch vor +wenigen Jahren öffentlich äußerte, »er stehe meinen sexuellen Theorien +ohne Verständnis gegenüber«, und seither die infantile Sexualität in +ihrem vollen Umfang durch eigene Beobachtungen bestätigt hat.<a name="FNanchor_15_15" id="FNanchor_15_15"></a><a href="#Footnote_15_15" class="fnanchor">[15]</a></p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_14_14" id="Footnote_14_14"></a><a href="#FNanchor_14_14"><span class="label">[14]</span></a> Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben. Jahrbuch für +psychoanalyt. und psychopathologische Forschungen. Bd. I, 1. Hälfte, +1909.</p></div> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_15_15" id="Footnote_15_15"></a><a href="#FNanchor_15_15"><span class="label">[15]</span></a> <span class="g">Bleuler</span>, Sexuelle Abnormitäten der Kinder. Jahrbuch der +schweiz. Gesellschaft für Schulgesundheitspflege, IX, 1908.</p></div> + +<p>Wenn die meisten Menschen, ärztliche Beobachter oder andere, vom +Sexualleben des Kindes nichts wissen wollen, so ist dies nur zu leicht +erklärlich. Sie haben ihre eigene infan<span class="pagenum"><a name="Page_47" id="Page_47">[p. 47]</a></span>tile Sexualbetätigung unter dem +Drucke der Erziehung zur Kultur vergessen und wollen nun an das +Verdrängte nicht erinnert werden. Sie würden zu anderen Überzeugungen +gelangen, wenn sie die Untersuchung mit einer Selbstanalyse, einer +Revision und Deutung ihrer Kindheitserinnerungen beginnen würden.</p> + +<p>Lassen Sie die Zweifel fallen und gehen Sie mit mir an eine Würdigung +der infantilen Sexualität von den frühesten Jahren an.<a name="FNanchor_16_16" id="FNanchor_16_16"></a><a href="#Footnote_16_16" class="fnanchor">[16]</a> Der +Sexualtrieb des Kindes erweist sich als hoch zusammengesetzt, er läßt +eine Zerlegung in viele Komponenten zu, die aus verschiedenen Quellen +stammen. Er ist vor allem noch unabhängig von der Funktion der +Fortpflanzung, in deren Dienst er sich später stellen wird. Er dient der +Gewinnung verschiedener Arten von Lustempfindung, die wir nach Analogien +und Zusammenhängen als Sexuallust zusammenfassen. Die Hauptquelle der +infantilen Sexuallust ist die geeignete Erregung bestimmter, besonders +reizbarer Körperstellen, außer den Genitalien, der Mund-, After- und +Harnröhrenöffnung, aber auch der Haut und anderer Sinnesoberflächen. Da +in dieser ersten Phase des kindlichen Sexuallebens die Befriedigung am +eigenen Körper gefunden und von einem fremden Objekt abgesehen wird, +heißen wir die Phase nach einem von <span class="g">Havelock Ellis</span> geprägten Wort die +des <span class="g">Autoerotismus</span>. Jene für die Gewinnung von sexueller Lust bedeutsamen +Stellen nennen wir <span class="g">erogene Zonen</span>. Das Ludeln oder Wonnesaugen der +kleinsten Kinder ist ein gutes Beispiel einer solchen autoerotischen +Befriedigung von einer erogenen Zone aus; der erste wissenschaftliche +Beobachter dieses Phänomens, ein Kinderarzt namens <span class="g">Lindner</span> in Budapest, +hat es bereits richtig als Sexualbefriedigung<span class="pagenum"><a name="Page_48" id="Page_48">[p. 48]</a></span> gedeutet und dessen +Übergang in andere und höhere Formen der Sexualbetätigung erschöpfend +beschrieben.<a name="FNanchor_17_17" id="FNanchor_17_17"></a><a href="#Footnote_17_17" class="fnanchor">[17]</a> Eine andere Sexualbefriedigung dieser Lebenszeit ist +die masturbatorische Erregung der Genitalien, die eine so große +Bedeutung für das spätere Leben behält und von vielen Individuen +überhaupt nie völlig überwunden wird. Neben diesen und anderen +autoerotischen Betätigungen äußern sich sehr frühzeitig beim Kinde jene +Triebkomponenten der Sexuallust oder, wie wir gern sagen, der Libido, +die eine fremde Person als Objekt zur Voraussetzung nehmen. Diese Triebe +treten in Gegensatzpaaren auf, als aktive und passive; ich nenne Ihnen +als die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe die Lust, Schmerzen zu +bereiten (Sadismus), mit ihrem passiven Gegenspiel (Masochismus), und +die aktive und passive Schaulust, von welch ersterer später die +Wißbegierde abzweigt, wie von letzterer der Drang zur künstlerischen und +schauspielerischen Schaustellung. Andere Sexualbetätigungen des Kindes +fallen bereits unter den Gesichtspunkt der <span class="g">Objektwahl</span>, bei welcher eine +fremde Person zur Hauptsache wird, die ihre Bedeutung ursprünglich +Rücksichten des Selbsterhaltungstriebes verdankt. Der +Geschlechtsunterschied spielt aber in dieser kindlichen Periode noch +keine ausschlaggebende Rolle; Sie können so jedem Kinde, ohne ihm +Unrecht zu tun, ein Stück homosexueller Begabung zusprechen.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_16_16" id="Footnote_16_16"></a><a href="#FNanchor_16_16"><span class="label">[16]</span></a> Drei Vorlesungen zur Sexualtheorie, Wien, Fr. Deuticke, +1906, 2. Auflage, 1910.</p></div> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_17_17" id="Footnote_17_17"></a><a href="#FNanchor_17_17"><span class="label">[17]</span></a> Jahrbuch für Kinderheilkunde, 1879.</p></div> + +<p>Dies zerfahrene, reichhaltige, aber dissoziierte Sexualleben des Kindes, +in welchem der einzelne Trieb unabhängig von jedem anderen dem +Lusterwerbe nachgeht, erfährt nun eine Zusammenfassung und Organisation +nach zwei Hauptrichtungen, so daß mit Abschluß der Pubertätszeit der +definitive Sexualcharakter des Individuums meist fertig ausgebildet ist. +Einerseits unterordnen sich die einzelnen Triebe der Oberherrschaft der +Genitalzone,<span class="pagenum"><a name="Page_49" id="Page_49">[p. 49]</a></span> wodurch das ganze Sexualleben in den Dienst der +Fortpflanzung tritt, und ihre Befriedigung nur noch als Vorbereitung und +Begünstigung des eigentlichen Sexualaktes von Bedeutung bleibt. +Anderseits drängt die Objektwahl den Autoerotismus zurück, so daß nun im +Liebesleben alle Komponenten des Sexualtriebes an der geliebten Person +befriedigt werden wollen. Aber nicht alle ursprünglichen +Triebkomponenten werden zu einem Anteil an dieser endgültigen +Feststellung des Sexuallebens zugelassen. Noch vor der Pubertätszeit +sind unter dem Einfluß der Erziehung äußerst energische Verdrängungen +gewisser Triebe durchgesetzt und seelische Mächte wie Scham, Ekel, Moral +hergestellt worden, welche diese Verdrängungen wie Wächter unterhalten. +Kommt dann im Pubertätsalter die Hochflut der sexuellen Bedürftigkeit, +so findet sie an den genannten seelischen Reaktions- oder +Widerstandsbildungen Dämme, welche ihr den Ablauf in die sogenannten +normalen Wege vorschreiben und es ihr unmöglich machen, die der +Verdrängung unterlegenen Triebe neu zu beleben. Es sind besonders die +<span class="g">koprophilen</span>, d. h. die mit den Exkrementen zusammenhängenden +Lustregungen der Kindheit, welche von der Verdrängung am gründlichsten +betroffen werden, und ferner die Fixierung an die Personen der +primitiven Objektwahl.</p> + +<p>Meine Herren! Ein Satz der allgemeinen Pathologie sagt aus, daß jeder +Entwicklungsvorgang die Keime der pathologischen Disposition mit sich +bringt, insofern er gehemmt, verzögert werden oder unvollkommen ablaufen +kann. Dasselbe gilt für die so komplizierte Entwicklung der +Sexualfunktion. Sie wird nicht bei allen Individuen glatt durchgemacht +und hinterläßt dann entweder Abnormitäten oder Dispositionen zu späterer +Erkrankung auf dem Wege der Rückbildung (Regression). Es kann geschehen, +daß nicht alle Partialtriebe sich der<span class="pagenum"><a name="Page_50" id="Page_50">[p. 50]</a></span> Herrschaft der Genitalzone +unterwerfen; ein solcher unabhängig gebliebener Trieb stellt dann das +her, was wir eine <span class="g">Perversion</span> nennen, und was das normale Sexualziel +durch sein eigenes ersetzen kann. Es kommt, wie bereits erwähnt, sehr +häufig vor, daß der Autoerotismus nicht völlig überwunden wird, wovon +die mannigfaltigsten Störungen in der Folge Zeugnis ablegen. Die +ursprüngliche Gleichwertigkeit beider Geschlechter als Sexualobjekte +kann sich erhalten, und daraus wird sich eine Neigung zur homosexuellen +Betätigung im reifen Leben ergeben, die sich unter Umständen zur +ausschließlichen Homosexualität steigern kann. Diese Reihe von Störungen +entspricht den direkten Entwicklungshemmungen der Sexualfunktion; sie +umfaßt die <span class="g">Perversionen</span> und den gar nicht seltenen allgemeinen +<span class="g">Infantilismus</span> des Sexuallebens.</p> + +<p>Die Disposition zu den Neurosen ist auf andere Weise von einer +Schädigung der Sexualentwicklung abzuleiten. Die Neurosen verhalten sich +zu den Perversionen wie das Negativ zum Positiv; in ihnen sind dieselben +Triebkomponenten als Träger der Komplexe und Symptombildner nachweisbar +wie bei den Perversionen, aber sie wirken hier vom Unbewußten her; sie +haben also eine Verdrängung erfahren, konnten sich aber derselben zum +Trotze im Unbewußten behaupten. Die Psychoanalyse läßt uns erkennen, daß +überstarke Äußerung dieser Triebe in sehr frühen Zeiten zu einer Art von +partieller <span class="g">Fixierung</span> führt, die nun einen schwachen Punkt im Gefüge der +Sexualfunktion darstellt. Stößt die Ausübung der normalen Sexualfunktion +im reifen Leben auf Hindernisse, so wird die Verdrängung der +Entwicklungszeit gerade an jenen Stellen durchbrochen, wo die infantilen +Fixierungen stattgefunden haben.</p> + +<p>Sie werden jetzt vielleicht den Einwand machen: Aber das ist ja alles +nicht Sexualität. Ich gebrauchte das Wort in<span class="pagenum"><a name="Page_51" id="Page_51">[p. 51]</a></span> einem viel weiteren Sinne, +als Sie gewohnt sind, es zu verstehen. Das gebe ich Ihnen gern zu. Aber +es fragt sich, ob nicht vielmehr Sie das Wort in viel zu engem Sinne +gebrauchen, wenn Sie es auf das Gebiet der Fortpflanzung einschränken. +Sie opfern dabei das Verständnis der Perversionen, den Zusammenhang +zwischen Perversion, Neurose und normalem Sexualleben, und setzen sich +außer stande, die leicht zu beobachtenden Anfänge des somatischen und +seelischen Liebeslebens der Kinder nach ihrer wahren Bedeutung zu +erkennen. Wie immer Sie aber über den Wortgebrauch entscheiden wollen, +halten Sie daran fest, daß der Psychoanalytiker die Sexualität in jenem +vollen Sinne erfaßt, zu dem man durch die Würdigung der infantilen +Sexualität geleitet wird.</p> + +<p>Kehren wir nun nochmals zur Sexualentwicklung des Kindes zurück. Wir +haben hier manches nachzuholen, weil wir unsere Aufmerksamkeit mehr den +somatischen als den seelischen Äußerungen des Sexuallebens geschenkt +haben. Die primitive Objektwahl des Kindes, die sich von seiner +Hilfsbedürftigkeit ableitet, fordert unser weiteres Interesse heraus. +Sie wendet sich zunächst allen Pflegepersonen zu, die aber bald hinter +den Eltern zurücktreten. Die Beziehung der Kinder zu ihren Eltern ist, +wie direkte Beobachtung des Kindes und spätere analytische Erforschung +des Erwachsenen übereinstimmend dartun, keineswegs frei von Elementen +sexueller Miterregung. Das Kind nimmt beide Elternteile und einen Teil +besonders zum Objekt seiner erotischen Wünsche. Gewöhnlich folgt es +dabei selbst einer Anregung der Eltern, deren Zärtlichkeit die +deutlichsten Charaktere einer, wenn auch in ihren Zielen gehemmten, +Sexualbetätigung hat. Der Vater bevorzugt in der Regel die Tochter, die +Mutter den Sohn; das Kind reagiert hierauf, indem es sich als Sohn an +die Stelle des Vaters, als Tochter an die Stelle der<span class="pagenum"><a name="Page_52" id="Page_52">[p. 52]</a></span> Mutter wünscht. +Die Gefühle, die in diesen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und +in den daran angelehnten zwischen den Geschwistern untereinander geweckt +werden, sind nicht nur positiver, zärtlicher, sondern auch negativer, +feindseliger Art. Der so gebildete Komplex ist zur baldigen Verdrängung +bestimmt, aber er übt noch vom Unbewußten her eine großartige und +nachhaltige Wirkung aus. Wir dürfen die Vermutung aussprechen, daß er +mit seinen Ausläufern den <span class="g">Kernkomplex</span> einer jeden Neurose darstellt, und +wir sind darauf gefaßt, ihn auf anderen Gebieten des Seelenlebens nicht +minder wirksam anzutreffen. Der Mythus vom König <span class="g">Ödipus</span>, der seinen +Vater tötet und seine Mutter zum Weib gewinnt, ist eine noch wenig +abgeänderte Offenbarung des infantilen Wunsches, dem sich späterhin die +<span class="g">Inzest</span>schranke abweisend entgegenstellt. Die <span class="g">Hamlet</span>-Dichtung +<span class="g">Shakespeares</span> ruht auf demselben Boden des besser verhüllten +Inzestkomplexes.</p> + +<p>Um die Zeit, da das Kind von dem noch unverdrängten Kernkomplex +beherrscht wird, setzt ein bedeutungsvolles Stück seiner intellektuellen +Betätigung im Dienste der Sexualinteressen ein. Es beginnt zu forschen, +woher die Kinder kommen, und errät in Verwertung der ihm gebotenen +Anzeichen mehr von den wirklichen Verhältnissen, als die Erwachsenen +ahnen können. Gewöhnlich hat die materielle Bedrohung durch ein neu +angekommenes Kind, in dem es zunächst nur den Konkurrenten erblickt, +sein Forscherinteresse geweckt. Unter dem Einfluß der in ihm selbst +tätigen Partialtriebe gelangt es zu einer Anzahl von »<span class="g">infantilen +Sexualtheorien</span>«, wie daß es beiden Geschlechtern das gleiche männliche +Genitale zuspricht, daß es die Kinder durch Essen empfangen und durch +das Ende des Darmes gebären läßt, und daß es den Verkehr der +Geschlechter als einen feindseligen Akt, eine Art von Überwältigung +erfaßt.<span class="pagenum"><a name="Page_53" id="Page_53">[p. 53]</a></span> Aber gerade die Unfertigkeit seiner sexuellen Konstitution und +die Lücke in seinen Kenntnissen, die durch die Latenz des weiblichen +Geschlechtskanals gegeben ist, nötigt den infantilen Forscher, seine +Arbeit als erfolglos einzustellen. Die Tatsache dieser Kinderforschung +selbst, sowie die einzelnen durch sie zu Tage geförderten infantilen +Sexualtheorien bleiben von bestimmender Bedeutung für die +Charakterbildung des Kindes und den Inhalt seiner späteren neurotischen +Erkrankung.</p> + +<p>Es ist unvermeidlich und durchaus normal, daß das Kind die Eltern zu +Objekten seiner ersten Liebeswahl mache. Aber seine Libido soll nicht an +diese ersten Objekte fixiert bleiben, sondern sie späterhin bloß zum +Vorbild nehmen und von ihnen zur Zeit der definitiven Objektwahl auf +fremde Personen hinübergleiten. Die <span class="g">Ablösung</span> des Kindes von den Eltern +wird so zu einer unentrinnbaren Aufgabe, wenn die soziale Tüchtigkeit +des jungen Individuums nicht gefährdet werden soll. Während der Zeit, da +die Verdrängung die Auslese unter den Partialtrieben der Sexualität +trifft, und später, wenn der Einfluß der Eltern gelockert werden soll, +der den Aufwand für diese Verdrängungen im wesentlichen bestritten hat, +fallen der Erziehungsarbeit große Aufgaben zu, die gegenwärtig gewiß +nicht immer in verständnisvoller und einwandfreier Weise erledigt +werden.</p> + +<p>Meine Herren! Urteilen Sie nicht etwa, daß wir uns mit diesen +Erörterungen über das Sexualleben und die psychosexuelle Entwicklung des +Kindes allzu weit von der Psychoanalyse und von der Aufgabe der +Beseitigung nervöser Störungen entfernt haben. Wenn Sie wollen, können +Sie die psychoanalytische Behandlung nur als eine fortgesetzte Erziehung +zur Überwindung von Kindheitsresten beschreiben.<span class="pagenum"><a name="Page_54" id="Page_54">[p. 54]</a></span></p> + + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h2><a name="V" id="V"></a>V.</h2> + + +<p>Meine Damen und Herren! Mit der Aufdeckung der infantilen Sexualität und +der Zurückführung der neurotischen Symptome auf erotische +Triebkomponenten sind wir zu einigen unerwarteten Formeln über das Wesen +und die Tendenzen der neurotischen Erkrankungen gelangt. Wir sehen, daß +die Menschen erkranken, wenn ihnen infolge äußerer Hindernisse oder +inneren Mangels an Anpassung die Befriedigung ihrer erotischen +Bedürfnisse in der <span class="g">Realität</span> versagt ist. Wir sehen, daß sie sich dann in +die <span class="g">Krankheit flüchten</span>, um mit ihrer Hilfe eine Ersatzbefriedigung für +das Versagte zu finden. Wir erkennen, daß die krankhaften Symptome ein +Stück der Sexualbetätigung der Person oder deren ganzes Sexualleben +enthalten, und finden in der Fernhaltung von der Realität die +Haupttendenz, aber auch den Hauptschaden des Krankseins. Wir ahnen, daß +der Widerstand unserer Kranken gegen die Herstellung kein einfacher, +sondern aus mehreren Motiven zusammengesetzt ist. Es sträubt sich nicht +nur das Ich des Kranken dagegen, die Verdrängungen aufzugeben, durch +welche es sich aus den ursprünglichen Anlagen herausgehoben hat, sondern +auch die Sexualtriebe mögen nicht auf ihre Ersatzbefriedigung +verzichten, solange es unsicher ist, ob ihnen die Realität etwas +Besseres bieten wird.</p> + +<p>Die Flucht aus der unbefriedigenden Wirklichkeit in das, was wir wegen +seiner biologischen Schädlichkeit Krankheit<span class="pagenum"><a name="Page_55" id="Page_55">[p. 55]</a></span> nennen, was aber niemals +ohne einen unmittelbaren Lustgewinn für den Kranken ist, vollzieht sich +auf dem Wege der Rückbildung (<span class="g">Regression</span>), der Rückkehr zu früheren +Phasen des Sexuallebens, denen seinerzeit die Befriedigung nicht +abgegangen ist. Diese Regression ist anscheinend eine zweifache, eine +<span class="g">zeitliche</span>, insofern die Libido, das erotische Bedürfnis, auf zeitlich +frühere Entwicklungsstufen zurückgreift, und eine <span class="g">formale</span>, indem zur +Äußerung dieses Bedürfnisses die ursprünglichen und primitiven +psychischen Ausdrucksmittel verwendet werden. Beide Arten der Regression +zielen aber auf die Kindheit und treffen zusammen in der Herstellung +eines infantilen Zustands des Sexuallebens.</p> + +<p>Je tiefer Sie in die Pathogenese der nervösen Erkrankung eindringen, +desto mehr wird sich Ihnen der Zusammenhang der Neurosen mit anderen +Produktionen des menschlichen Seelenlebens, auch mit den wertvollsten +derselben, enthüllen. Sie werden daran gemahnt, daß wir Menschen mit den +hohen Ansprüchen unserer Kultur und unter dem Drucke unserer inneren +Verdrängungen, die Wirklichkeit ganz allgemein unbefriedigend finden und +darum ein Phantasieleben unterhalten, in welchem wir durch Produktionen +von Wunscherfüllungen die Mängel der Realität auszugleichen lieben. In +diesen Phantasien ist sehr vieles von dem eigentlichen konstitutionellen +Wesen der Persönlichkeit und auch von ihren für die Wirklichkeit +verdrängten Regungen enthalten. Der energische und erfolgreiche Mensch +ist der, dem es gelingt, durch Arbeit seine Wunschphantasien in Realität +umzusetzen. Wo dies nicht gelingt infolge der Widerstände der Außenwelt +und der Schwäche des Individuums, da tritt die Abwendung von der +Realität ein, das Individuum zieht sich in seine befriedigendere +Phantasiewelt zurück, deren Inhalt es im Falle der Erkrankung in +Symptome umsetzt. Unter gewissen<span class="pagenum"><a name="Page_56" id="Page_56">[p. 56]</a></span> günstigen Bedingungen bleibt es ihm +noch möglich, von diesen Phantasien aus einen anderen Weg in die +Realität zu finden, anstatt sich ihr durch Regression ins Infantile +dauernd zu entfremden. Wenn die mit der Realität verfeindete Person im +Besitze der uns psychologisch noch rätselhaften <span class="g">künstlerischen Begabung</span> +ist, kann sie ihre Phantasien anstatt in Symptome in künstlerische +Schöpfungen umsetzen, so dem Schicksal der Neurose entgehen und die +Beziehung zur Realität auf diesem Umwege wiedergewinnen.<a name="FNanchor_18_18" id="FNanchor_18_18"></a><a href="#Footnote_18_18" class="fnanchor">[18]</a> Wo bei +bestehender Auflehnung gegen die reale Welt diese kostbare Begabung +fehlt oder unzulänglich ist, da wird es wohl unvermeidlich, daß die +Libido, der Herkunft der Phantasie folgend, auf dem Wege der Regression +zur Wiederbelebung der infantilen Wünsche und somit zur Neurose gelangt. +Die Neurose vertritt in unserer Zeit das Kloster, in welches sich alle +die Personen zurückzuziehen pflegten, die das Leben enttäuscht hatte, +oder die sich für das Leben zu schwach fühlten.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_18_18" id="Footnote_18_18"></a><a href="#FNanchor_18_18"><span class="label">[18]</span></a> Vgl. O. <span class="g">Rank</span>, Der Künstler, H. Heller, Wien 1907.</p></div> + +<p>Lassen Sie mich an dieser Stelle das Hauptergebnis einfügen, zu welchem +wir durch die psychoanalytische Untersuchung der Nervösen gelangt sind, +daß die Neurosen keinen ihnen eigentümlichen psychischen Inhalt haben, +der nicht auch beim Gesunden zu finden wäre, oder wie <span class="g">C. G. Jung</span> es +ausgedrückt hat, daß sie an denselben Komplexen erkranken, mit denen +auch wir Gesunde kämpfen. Es hängt von quantitativen Verhältnissen, von +den Relationen der miteinander ringenden Kräfte ab, ob der Kampf zur +Gesundheit, zur Neurose oder zur kompensierenden Überleistung führt.</p> + +<p>Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen die wichtigste Erfahrung noch +vorenthalten, welche unsere Annahme von den sexuellen Triebkräften der +Neurose bestätigt. Jedesmal wenn<span class="pagenum"><a name="Page_57" id="Page_57">[p. 57]</a></span> wir einen Nervösen psychoanalytisch +behandeln, tritt bei ihm das befremdende Phänomens der sogenannten +<span class="g">Übertragung</span> auf, d. h. er wendet dem Arzt ein Ausmaß von zärtlichen, oft +genug mit Feindseligkeit vermengten Regungen zu, welches in keiner +realen Beziehung begründet ist und nach allen Einzelheiten seines +Auftretens von den alten und unbewußt gewordenen Phantasiewünschen des +Kranken abgeleitet werden muß. Jenes Stück seines Gefühlslebens, das er +sich nicht mehr in die Erinnerung zurückrufen kann, erlebt der Kranke +also in seinem Verhältnisse zum Arzte wieder, und erst durch solches +Wiedererleben in der »Übertragung« wird er von der Existenz wie von der +Macht dieser unbewußten sexuellen Regungen überzeugt. Die Symptome, +welche, um ein Gleichnis aus der Chemie zu gebrauchen, die Niederschläge +von früheren Liebeserlebnissen (im weitesten Sinne) sind, können auch +nur in der erhöhten Temperatur des Übertragungserlebnisses gelöst und in +andere psychische Produkte übergeführt werden. Der Arzt spielt bei +dieser Reaktion nach einem vortrefflichen Worte von S. <span class="g">Ferenczi</span><a name="FNanchor_19_19" id="FNanchor_19_19"></a><a href="#Footnote_19_19" class="fnanchor">[19]</a> die +Rolle eines <span class="g">katalytischen Ferments</span>, das die bei dem Prozesse frei +werdenden Affekte zeitweilig an sich reißt. Das Studium der Übertragung +kann Ihnen auch den Schlüssel zum Verständnis der hypnotischen +Suggestion geben, deren wir uns anfänglich als technisches Mittel zur +Erforschung des Unbewußten bei unseren Kranken bedient hatten. Die +Hypnose erwies sich damals als eine therapeutische Hilfe, aber als ein +Hindernis der wissenschaftlichen Erkenntnis des Sachverhaltes, indem sie +die psychischen Widerstände aus einem gewissen Gebiet wegräumte, um sie +an den Grenzen desselben zu einem unübersteigbaren Wall aufzutürmen. +Glauben Sie übrigens nicht,<span class="pagenum"><a name="Page_58" id="Page_58">[p. 58]</a></span> daß das Phänomen der Übertragung, über das +ich Ihnen leider hier nur zu wenig sagen kann, durch die +psychoanalytische Beeinflussung geschaffen wird. Die Übertragung stellt +sich in allen menschlichen Beziehungen ebenso wie im Verhältnis des +Kranken zum Arzte spontan her, sie ist überall der eigentliche Träger +der therapeutischen Beeinflussung, und sie wirkt um so stärker, je +weniger man ihr Vorhandensein ahnt. Die Psychoanalyse schafft sie also +nicht, sie deckt sie bloß dem Bewußtsein auf, und bemächtigt sich ihrer, +um die psychischen Vorgänge nach dem erwünschten Ziele zu lenken. Ich +kann aber das Thema der Übertragung nicht verlassen, ohne hervorzuheben, +daß dieses Phänomen nicht nur für die Überzeugung des Kranken, sondern +auch für die des Arztes entscheidend in Betracht kommt. Ich weiß, daß +alle meine Anhänger erst durch ihre Erfahrungen mit der Übertragung von +der Richtigkeit meiner Behauptungen über die Pathogenese der Neurosen +überzeugt worden sind, und kann sehr wohl begreifen, daß man eine solche +Sicherheit des Urteils nicht gewinnt, solange man selbst keine +Psychoanalysen gemacht, also nicht selbst die Wirkungen der Übertragung +beobachtet hat.</p> + +<div class="footnote"><p><a name="Footnote_19_19" id="Footnote_19_19"></a><a href="#FNanchor_19_19"><span class="label">[19]</span></a> S. <span class="g">Ferenczi</span>, Introjektion und Übertragung. Jahrb. f. +psychoanal. u. psychopath. Forschungen, I. 2. 1909.</p></div> + +<p>Meine Damen und Herren! Ich meine, es sind von der Seite des Intellekts +besonders zwei Hindernisse gegen die Anerkennung der psychoanalytischen +Gedankengänge zu würdigen: Erstens die Ungewohnheit, mit der strengen +und ausnahmslos geltenden Determinierung des seelischen Lebens zu +rechnen, und zweitens die Unkenntnis der Eigentümlichkeiten, durch +welche sich unbewußte seelische Vorgänge von den uns vertrauten bewußten +unterscheiden. Einer der verbreitetsten Widerstände gegen die +psychoanalytische Arbeit — bei Kranken wie bei Gesunden — führt sich +auf das letztere der beiden Momente zurück. Man fürchtet durch die +Psychoanalyse zu schaden, man hat Angst davor, die verdrängten sexuellen +Triebe ins<span class="pagenum"><a name="Page_59" id="Page_59">[p. 59]</a></span> Bewußtsein des Kranken zu rufen, als ob damit die Gefahr +verbunden wäre, daß sie dann die höheren ethischen Strebungen bei ihm +überwältigen und ihn seiner kulturellen Errungenschaften berauben +könnten. Man merkt, daß der Kranke wunde Stellen in seinem Seelenleben +hat, aber man scheut sich dieselben zu berühren, damit sein Leiden nicht +noch gesteigert werde. Wir können diese Analogie annehmen. Es ist +freilich schonender, kranke Stellen nicht zu berühren, wenn man dadurch +nichts anderes als Schmerz zu bereiten weiß. Aber der Chirurg läßt sich +bekanntlich von der Untersuchung und Hantierung am Krankheitsherd nicht +abhalten, wenn er einen Eingriff beabsichtigt, welcher dauernde Heilung +bringen soll. Niemand denkt mehr daran, ihm die unvermeidlichen +Beschwerden der Untersuchung oder die Reaktionserscheinungen der +Operation zur Last zu legen, wenn diese nur ihre Absicht erreicht, und +der Kranke durch die zeitweilige Verschlimmerung seines Zustands eine +endgültige Hebung desselben erwirbt. Ähnlich liegen die Verhältnisse für +die Psychoanalyse; sie darf dieselben Ansprüche erheben wie die +Chirurgie; der Zuwachs an Beschwerden, den sie dem Kranken während der +Behandlung zumutet, ist bei guter Technik ungleich geringer, als was der +Chirurg ihm auferlegt, und überhaupt gegen die Schwere des Grundleidens +zu vernachlässigen. Der gefürchtete Endausgang aber einer Zerstörung des +kulturellen Charakters durch die von der Verdrängung befreiten Triebe +ist ganz unmöglich, denn diese Ängstlichkeit zieht nicht in Betracht, +was uns unsere Erfahrungen mit Sicherheit gelehrt haben, daß die +seelische und somatische Macht einer Wunschregung, wenn deren +Verdrängung einmal mißlungen ist, ungleich stärker ausfällt, wenn sie +unbewußt, als wenn sie bewußt ist, so daß sie durch das Bewußtmachen nur +geschwächt werden kann. Der unbewußte Wunsch ist nicht zu beeinflussen,<span class="pagenum"><a name="Page_60" id="Page_60">[p. 60]</a></span> +von allen Gegenstrebungen unabhängig, während der bewußte durch alles +gleichfalls Bewußte und ihm Widerstrebende gehemmt wird. Die +psychoanalytische Arbeit stellt sich also als ein besserer Ersatz für +die erfolglose Verdrängung geradezu in den Dienst der höchsten und +wertvollsten kulturellen Strebungen.</p> + +<p>Welche sind überhaupt die Schicksale der durch die Psychoanalyse +freigelegten unbewußten Wünsche, auf welchen Wegen verstehen wir es, sie +für das Leben des Individuums unschädlich zu machen? Dieser Wege sind +mehrere. Am häufigsten ist der Erfolg, daß dieselben schon während der +Arbeit durch die korrekte seelische Tätigkeit der ihnen +entgegenstehenden besseren Regungen aufgezehrt werden. Die <span class="g">Verdrängung</span> +wird durch eine mit den besten Mitteln durchgeführte <span class="g">Verurteilung</span> +ersetzt. Dies ist möglich, weil wir zum großen Teil nur Folgen aus +früheren Entwicklungsstadien des Ichs zu beseitigen haben. Das +Individuum brachte seinerzeit nur eine Verdrängung des unbrauchbaren +Triebes zu stande, weil es damals selbst noch unvollkommen organisiert +und schwächlich war; in seiner heutigen Reife und Stärke kann es +vielleicht das ihm Feindliche tadellos beherrschen. Ein zweiter Ausgang +der psychoanalytischen Arbeit ist der, daß die aufgedeckten unbewußten +Triebe nun jener zweckmäßigen Verwendung zugeführt werden können, die +sie bei ungestörter Entwicklung schon früher hätten finden sollen. Die +Ausrottung der infantilen Wunschregungen ist nämlich keineswegs das +ideale Ziel der Entwicklung. Der Neurotiker hat durch seine +Verdrängungen viele Quellen seelischer Energie eingebüßt, deren Zuflüsse +für seine Charakterbildung und Betätigung im Leben sehr wertvoll gewesen +wären. Wir kennen einen weit zweckmäßigeren Vorgang der Entwicklung, die +sogenannte <span class="g">Sublimierung</span>, durch welchen die Energie<span class="pagenum"><a name="Page_61" id="Page_61">[p. 61]</a></span> infantiler +Wunschregungen nicht abgesperrt wird, sondern verwertet bleibt, indem +den einzelnen Regungen statt des unbrauchbaren ein höheres, eventuell +nicht mehr sexuelles Ziel gesetzt wird. Gerade die Komponenten des +Sexualtriebes sind durch solche Fähigkeit zur Sublimierung, zur +Vertauschung ihres Sexualzieles mit einem entlegeneren und sozial +wertvolleren besonders ausgezeichnet. Den auf solche Weise gewonnenen +Energiebeiträgen zu unseren seelischen Leistungen verdanken wir +wahrscheinlich die höchsten kulturellen Erfolge. Eine frühzeitig +vorgefallene Verdrängung schließt die Sublimierung des verdrängten +Triebes aus; nach Aufhebung der Verdrängung ist der Weg zur Sublimierung +wieder frei.</p> + +<p>Wir dürfen es nicht versäumen, auch den dritten der möglichen Ausgänge +der psychoanalytischen Arbeit ins Auge zu fassen. Ein gewisser Anteil +der verdrängten libidinösen Regungen hat ein Anrecht auf direkte +Befriedigung und soll sie im Leben finden. Unsere Kulturansprüche machen +für die meisten der menschlichen Organisationen das Leben zu schwer, +fördern dadurch die Abwendung von der Realität und die Entstehung der +Neurosen, ohne einen Überschuß von kulturellem Gewinn durch dies Übermaß +von Sexualverdrängung zu erzielen. Wir sollten uns nicht so weit +überheben, daß wir das ursprünglich Animalische unserer Natur völlig +vernachlässigen, dürfen auch nicht daran vergessen, daß die +Glücksbefriedigung des einzelnen nicht aus den Zielen unserer Kultur +gestrichen werden kann. Die Plastizität der Sexualkomponenten, die sich +in ihrer Fähigkeit zur Sublimierung kundgibt, mag ja eine große +Versuchung herstellen, durch deren immer weiter gehende Sublimierung +größere Kultureffekte zu erzielen. Aber so wenig wir darauf rechnen, bei +unseren Maschinen mehr als einen gewissen Bruchteil der aufgewendeten +Wärme in nutzbare mechanische<span class="pagenum"><a name="Page_62" id="Page_62">[p. 62]</a></span> Arbeit zu verwandeln, so wenig sollten +wir es anstreben, den Sexualtrieb in seinem ganzen Energieausmaß seinen +eigentlichen Zwecken zu entfremden. Es kann nicht gelingen, und wenn die +Einschränkung der Sexualität zu weit getrieben werden soll, muß es alle +Schädigungen eines Raubbaues mit sich bringen.</p> + +<p>Ich weiß nicht, ob Sie nicht Ihrerseits die Mahnung, mit welcher ich +schließe, als eine Überhebung auffassen werden. Ich getraue mich nur der +indirekten Darstellung meiner Überzeugung, indem ich Ihnen einen alten +Schwank erzähle, von dem Sie die Nutzanwendung machen sollen. Die +deutsche Literatur kennt ein Städtchen <span class="g">Schilda</span>, dessen Einwohnern alle +möglichen klugen Streiche nachgesagt werden. Die Schildbürger, so wird +erzählt, besaßen auch ein Pferd, mit dessen Kraftleistungen sie sehr +zufrieden waren, an dem sie nur eines auszusetzen hatten, daß es soviel +teuern Hafer verzehrte. Sie beschlossen, ihm diese Unart schonend +abzugewöhnen, indem sie seine Ration täglich um mehrere Halme +verringerten, bis sie es an die völlige Enthaltsamkeit gewöhnt hatten. +Es ging eine Weile vortrefflich, das Pferd war bis auf einen Halm im Tag +entwöhnt, am nächsten Tage sollte es endlich haferfrei arbeiten. Am +Morgen dieses Tages wurde das tückische Tier tot aufgefunden; die Bürger +von Schilda konnten sich nicht erklären, woran es gestorben war.</p> + +<p>Wir werden geneigt sein zu glauben, das Pferd sei verhungert, und ohne +eine gewisse Ration Hafer sei von einem Tier überhaupt keine +Arbeitsleistung zu erwarten.</p> + +<p>Ich danke Ihnen für die Berufung und für die Aufmerksamkeit, die Sie mir +geschenkt haben.</p> + + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h3><a name="ANMERKUNGEN" id="ANMERKUNGEN"></a>ANMERKUNGEN ZUR TRANSKRIPTION</h3> + + +<p>Das <a href="#INHALTSVERZEICHNIS">Inhaltsverzeichnis</a> in diesem elektronischem Buch entstand aus den +Überschriften im ursprünglichen Buch.</p> + +<p>Nach dem Korrekturlesen auf PGDP, wurden die folgende Korrekturen +vorgenommen.</p> + +<p> +<a href="#Page_32">Seite 32</a>: fehlende Fußnote Markierung<br /> +<a href="#Page_42">Seite 42</a>: unbeanständet -> unbeanstandet<br /> +<a href="#Page_57">Seite 57</a>: Unbebewußten -> Unbewußten<br /> +<a href="#Page_61">Seite 61</a>: urursprünglich -> ursprünglich<br /> +</p> + + + +<hr style="width: 65%;" /> +<h3><a name="TRANSCRIBERS_NOTES" id="TRANSCRIBERS_NOTES"></a>TRANSCRIBER’S NOTES</h3> + + +<p>The <a href="#INHALTSVERZEICHNIS">table of contents</a> in this eBook was created from the page headers in +the original.</p> + +<p>After proofreading on PGDP, the following corrections were made.</p> + +<p> +<a href="#Page_32">Page 32</a>: missing footnote marker<br /> +<a href="#Page_42">Page 42</a>: unbeanständet -> unbeanstandet<br /> +<a href="#Page_57">Page 57</a>: Unbebewußten -> Unbewußten<br /> +<a href="#Page_61">Page 61</a>: urursprünglich -> ursprünglich<br /> +</p> + + + + + + + + +<pre> + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Über Psychoanalyse, by Sigmund Freud + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ÜBER PSYCHOANALYSE *** + +***** This file should be named 20613-h.htm or 20613-h.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/2/0/6/1/20613/ + +Produced by Markus Brenner, Chris Nash and the Online +Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net + + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at +http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at +809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email +business@pglaf.org. 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Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + http://www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. + + +</pre> + +</body> +</html> diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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