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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/9327-8.txt b/9327-8.txt new file mode 100644 index 0000000..de9ea3f --- /dev/null +++ b/9327-8.txt @@ -0,0 +1,3767 @@ +The Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern, by +Christian Fuerchtegott Gellert + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Die zaertlichen Schwestern + +Author: Christian Fuerchtegott Gellert + +Posting Date: September 21, 2012 [EBook #9327] +Release Date: November, 2005 +First Posted: September 22, 2003 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN *** + + + + +Produced by Delphine Lettau and Gutenberg Projekt-DE + + + + + + + + +This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. +That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. + +Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" +zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Die zärtlichen Schwestern + +Christian Fürchtegott Gellert + +Ein Lustspiel von drei Aufzügen + + + +Personen: + +Cleon +Der Magister, sein Bruder +Lottchen, Cleons älteste Tochter +Julchen, dessen jüngste Tochter +Siegmund, Lottchens Liebhaber +Damis, Julchens Liebhaber +Simon, Damis' Vormund + + + + +Erster Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Cleon. Lottchen. + + +Lottchen. Lieber Papa, Herr Damis ist da. Der Tee ist schon in dem +Garten, wenn Sie so gut sein und hinuntergehen wollen? + +Cleon. Wo ist Herr Damis? + +Lottchen. Er redt mit Julchen. + +Cleon. Meine Tochter, ist dir's auch zuwider, daß ich den Herrn Damis +auf eine Tasse Tee zu mir gebeten habe? Du merkst doch wohl seine +Absicht. Geht dir's auch nahe? Du gutes Kind, du dauerst mich. +Freilich bist du älter als deine Schwester und solltest also auch eher +einen Mann kriegen. Aber... + +Lottchen. Papa, warum bedauern Sie mich? Muß ich denn notwendig eher +heiraten als Julchen? Es ist wahr, ich bin etliche Jahre älter; aber +Julchen ist auch weit schöner als ich. Ein Mann, der so vernünftig, +so reich und so galant ist als Herr Damis und doch ein armes +Frauenzimmer heiratet, kann in seiner Wahl mit Recht auf diejenige +sehen, die die meisten Annehmlichkeiten hat. Ich mache mir eine Ehre +daraus, mich an dem günstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig +zu vergnügen und mit dem meinigen zufrieden zu sein. + +Cleon. Kind, wenn das alles dein Ernst ist: so verdienst du zehn +Männer. Du redst fast so klug als mein Bruder und hast doch nicht +studiert. + +Lottchen. Loben Sie mich nicht, Papa. Ich bin mir in meinen Augen so +geringe, daß ich sogar das Lob eines Vaters für eine Schmeichelei +halten muß. + +Cleon. Nun, nun, ich muß wissen, was an dir ist. Du hast ein Herz, +dessen sich die Tugend selbst nicht schämen dürfte. Höre nur... + +Lottchen. Oh, mein Gott, wie demütigen Sie mich! Ein Lobspruch, den +ich mir wegen meiner Größe nicht zueignen kann, tut mir weher als ein +verdienter Verweis. + +Cleon. So bin ich nicht gesinnt. Ich halte viel auf ein billiges Lob, + und ich weigere mich keinen Augenblick, es anzunehmen, wenn ich's +verdiene. Das Lob ist ein Lohn der Tugend, und den verdienten Lohn +muß man annehmen. Höre nur, du bist verständiger als deine Schwester, +wenn jene gleich schöner ist. Rede ihr doch zu, daß sie ihren +Eigensinn fahrenläßt und sich endlich zu einem festen Bündnisse mit +dem Herrn Damis entschließt, ehe ich als Vater ein Machtwort rede. +Ich weiß nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freiheit in +den Kopf gesetzet hat. + +Lottchen. Mich deucht, Herr Damis ist Julchen nicht zuwider. Und ich +hoffe, daß er ihren kleinen Eigensinn leicht in eine beständige Liebe +verwandeln kann. Ich will ihm dazu behülflich sein. + +Cleon. Ja, tue es, meine Goldtochter. Sage Julchen, daß ich nicht +ruhig sterben würde, wenn ich sie nicht bei meinem Leben versorgt +wüßte. + +Lottchen. Nein, lieber Papa, solche Bewegungsgründe zur Ehe sind wohl +nicht viel besser als die Zwangsmittel. Julchen hat Ursachen genug in +ihrem eigenen Herzen und in dem Werte ihres Geliebten, die sie zur +Liebe bewegen können; diese will ich wider ihren Eigensinn erregen und +sie durch sich selbst und durch ihren Liebhaber besiegt werden lassen. + +Cleon. Gut, wie du denkst. Nur nicht gar zu lange nachgesonnen. +Rühme den Herrn Damis. Sage Julchen, daß er funfzigtausend Taler +bares Geld hätte und... Arme Tochter! es mag dir wohl weh tun, daß +deine Schwester so reich heiratet. Je nun, du bist freilich nicht die +Schönste; aber der Himmel wird dich schon versorgen. Betrübe dich +nicht. + +Lottchen. Der Himmel weiß, daß ich bloß deswegen betrübt bin, weil +Sie mein Herz für so niedrig halten, daß es meiner Schwester ihr Glück +nicht gönnen sollte. Dazu gehört ja gar keine Tugend, einer Person +etwas zu gönnen, für welche das Blut in mir spricht. Kommen Sie, Papa, + der Tee möchte kalt werden. + +Cleon. Du brichst mit Fleiß ab, weil du dich fühlst. Sei gutes Muts, +mein Kind. Ich kann dir freilich nichts mitgeben. Aber solange ich +lebe, will ich alles an dich wagen. Nimm dir wieder einen +Sprachmeister, einen Zeichenmeister, einen Klaviermeister und alles an. + Ich bezahle, und wenn mich der Monat funfzig Taler käme. Du bist es +wert. Und höre nur, dein Siegmund, dein guter Freund, oder wenn du es +lieber hörst, dein Liebhaber, ist freilich durch den unglücklichen +Prozeß seines seligen Vaters um sein Vermögen gekommen; aber er hat +etwas gelernt und wird sein Glück und das deine gewiß machen. + +Lottchen. Ach lieber Papa, Herr Siegmund ist mir itzt noch ebenso +schätzbar als vor einem Jahre, da er viel Vermögen hatte. Ich weiß, +daß Sie unsere Liebe billigen. Ich will für die Verdienste einer Frau +sorgen, er wird schon auf die Ruhe derselben bedacht sein. Er hat so +viel Vorzüge in meinen Augen, daß er sich keine Untreue von mir +befürchten darf, und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand +warten sollte. Wollen Sie mir eine Bitte erlauben: so lassen Sie ihn +heute mit uns speisen. + +Cleon. Gutes Kind, du wirst doch denken, daß ich ihn zu deinem +Vergnügen habe herbitten lassen. Er wird nicht lange sein. + +(Siegmund tritt herein, ohne daß ihn Lottchen gewahr wird.) + +Lottchen. Wenn ihn der Bediente nur auch angetroffen hat. Ich will +selber ein paar Zeilen an ihn schreiben. Ich kann ihm und mir keine +größere Freude machen. Er wird gewiß kommen und den größten Anteil an +Julchens Glücke nehmen. Er hat das redlichste und zärtlichste Herz. +Vergeben Sie mir's, daß ich so viel von ihm rede. + +Cleon. Also hast du ihn recht herzlich lieb? + +Lottchen. Ja, Papa, so lieb, daß, wenn ich die Wahl hätte, ob ich ihn +mit einem geringen Auskommen oder den Vornehmsten mit allem Überflusse +zum Manne haben wollte, ich ihn allemal wählen würde. + +Cleon. Ist's möglich? Hätte ich doch nicht gedacht, daß du so +verliebt wärest. + +Lottchen. Zärtlich, wollen Sie sagen. Ich würde unruhig sein, wenn +ich nicht so zärtlich liebte, denn dies ist es alles, wodurch ich die +Zuneigung belohnen kann, die mir Herr Siegmund vor so vielen andern +Frauenzimmern geschenkt hat. Bedenken Sie nur, ich bin nicht schön, +nicht reich, ich habe sonst keine Vorzüge als meine Unschuld, und er +liebt mich doch so vollkommen, als wenn ich die liebenswürdigste +Person von der Welt wäre. + +Cleon. Aber sagst du's ihm denn selbst, daß du ihn so ausnehmend +liebst? + +Lottchen. Nein, so deutlich habe ich es ihm nie gesagt. Er ist so +bescheiden, daß er kein ordentliches Bekenntnis der Liebe von mir +verlangt. Und ich habe tausendmal gewünscht, daß er mich nötigen +möchte, ihm eine Liebe zu entdecken, die er so sehr verdienet. + +Cleon. Du wirst diesen Wunsch bald erfüllt sehen. Siehe dich um, +mein liebes Lottchen. + + + +Zweiter Auftritt + +Cleon. Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen. Wie? Sie haben mich reden hören? + +Siegmund. Vergeben Sie mir, mein liebes Lottchen. Ich habe in meinem +Leben nichts Vorteilhafters für mich gehört. Ich bin vor Vergnügen +ganz trunken, und ich weiß meine Verwegenheit mit nichts als mit +meiner Liebe zu entschuldigen. + +Lottchen. Eine bessere Fürsprecherin hätten Sie nicht finden können. +Haben Sie alles gehört? Ich habe es nicht gewußt, daß Sie zugegen +wären; um desto aufrichtiger ist mein Bekenntnis. Aber wenn ich ja +auf den Antrieb meines Papas einen Fehler habe begehen sollen: so will +ich ihn nunmehr für mich allein begehen: Ich liebe Sie. Sind Sie mit +dieser Ausschweifung zufrieden? + +Siegmund. Liebstes Lottchen, meine Bestürzung mag Ihnen ein Beweis +von der Empfindung meines Herzens sein. Sie lieben mich? Sie sagen +mir's in der Gegenwart Ihres Papas? Sie? mein Lottchen! Verdiene +ich dies? Soll ich Ihnen antworten? und wie? O lassen Sie mich +gehen und zu mir selber kommen. + +Cleon. Sie sind ganz bestürzt, Herr Siegmund. Vielleicht tut Ihnen +meine Gegenwart einigen Zwang an. Lebt wohl, meine Kinder, und sorgt +für Julchen. Ich will mit dem Herrn Damis reden. + + + +Dritter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Siegmund. Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, daß ich so viel zu +meinem Vorteile gehört habe? + +Lottchen. Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hören gewünscht haben. + +Siegmund. Gewünscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so +viele Zärtlichkeit? + +Lottchen. Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie +ihrer weit mehr. + +Siegmund. Nein, ich verdiene Ihr Herz noch nicht; allein ich will +mich zeitlebens bemühen, Sie zu überführen, daß Sie es keinem +Unwürdigen geschenkt haben. Wie edel gesinnt ist Ihre Seele! Ich +verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermögen, und mein Unglück hat +mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen. Sie haben +Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust +meines Glücks erträglich gemacht, Diese standhafte Zärtlichkeit ist +ein Ruhm für Sie, den nur ein erhabenes Herz zu schätzen weiß. Und +ich würde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals +aufhören könnte, Sie zu lieben. + +Lottchen. Ich habe einen Fehler begangen, daß ich Sie so viel zu +meinem Ruhme habe sagen lassen. Aber Ihr Beifall ist mir gar zu +kostbar, als daß ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnügen anhören +sollte. Sie können es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein +redliches Herz habe. Welche Zufriedenheit ist es für mich, daß ich +ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnügten Tage und Stunden +zurücksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend +zugebracht habe! + +Siegmund. Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schöne? +O warum kann ich Sie nicht glücklich machen! Welche Wollust müßte es +sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die bloße +Vorstellung davon schon so viel Vergnügen gibt! Ach, liebstes Kind, +Julchen wird glücklicher, weit glücklicher als Sie, und... + +Lottchen. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie +beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht +glücklicher, als ich bin. Sie habe ihrem künftigen Bräutigam noch +soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch +Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zärtlich, ruhig und mit der +ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Glück: so muß gar keins +in der Welt sein. Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu +Julchens Glücke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiß +es nicht, daß sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, daß +der prächtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumträgt, +nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die +verdrüßliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat, +umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben. + +Siegmund. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne +Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht +liebenswürdige Frau werden. + +Lottchen. Hören Sie nur. Doch hier kömmt Herr Damis. + + + +Vierter Auftritt + +Die Vorigen. Damis. + + +Lottchen. Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis. + +Damis. Ich habe Ursache dazu. Anstatt, daß ich glaubte, Julchen +heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, daß noch ganze Jahre zu +diesem Glücke nötig sind. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage, +desto unempfindlicher wird sie. Und je mehr sie sieht, daß meine +Absichten ernstlich sind, desto mehr mißfallen sie ihr. Ich +Unglücklicher! Wie gut wäre es für mich, wenn ich Julchen weniger +liebte! + +Lottchen. Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein. Es +ist nichts als Liebe. Eben weil sie fühlt, daß ihr Herz überwunden +ist: so wendet sie noch die letzte Bemühung an, der Liebe den Sieg +sauer zu machen. Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, daß +sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht. + +Damis. Wenn sie es aber nicht sehen will? + +Lottchen. Wir müssen sie überraschen und sie, ohne daß sie es +vermutet, dazu nötigen. Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr +Brauttag. Glückt es uns heute nicht: so wird es ein andermal glücken. + Es kömmt bloß darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag +wollen gefallen lassen. + +Siegmund. Wenn ich zu des Herrn Damis Glücke etwas beitragen kann, +mit Freuden. + +Damis. Ich weiß, daß Sie beide großmütig genug darzu sind. Und mir +wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht für Julchen +wagen sollte. + +Lottchen. Mein Herr Damis, verändern Sie die Sprache bei Julchen +etwas. Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der +Freiheit recht zu geben. Diese Übereinstimmung wird ihr anfangs +gefallen und sie sicher machen. Sie wird denken, als ob sie Ihnen +deswegen erst gewogen würde, da sie es doch lange aus weit schönern +Ursachen gewesen ist. Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr +ganzes Herz sehen lassen. + +Damis. Wollte der Himmel, daß Ihr Rat seine Wirkung täte. Wie +glücklich wollte ich mich schätzen! + +Lottchen (zu Siegmunden). Und Sie müssen dem Herrn Damis zum Besten +einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen zärtlich stellen. +Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen. Sie wird böse auf Sie +werden. Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis +hervorbrechen. Tun Sie es auf meine Verantwortung. + +Siegmund. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden. + + +Fünfter Auftritt + +Die Vorigen. Julchen. + + +Julchen. Da sind Sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen, +wo Sie wären, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen. (Sie will +wieder gehn.) + +Lottchen. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weißt du +eine bessere Gesellschaft als die unsrige? + +Julchen. Ach nein, meine Schwester. Aber wo Ihr und Herr Siegmund +seid, da wird gewiß von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute +keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen. + +Lottchen. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den +Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, daß du ihm diese Ehre +nicht auch erweisest? + +Julchen. Herr Damis ist so gütig gewesen und hat mir versprochen, +lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig, +als daß er mir sein Wort nicht halten sollte. + +Damis. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich +verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben +Sie mir, daß ich meine Zärtlichkeit in Hochachtung verwandeln darf. +Die Liebe können Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung +kömmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun +Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber. +Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein? + +Julchen. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde +und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu +vergnügen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu +fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will +ich ganze Tage mit Ihnen umgehen. + +Lottchen. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten +sind wir nichts nütze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespräch von der +Freundschaft hören oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen. + + + +Sechster Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich würde +es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte. Es kann +sein, daß die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und +eingeschränkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und +wenn er noch so groß wäre. Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner +Schwester. Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener. + +Damis. Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und +ich halte mein Wort. Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser. + +Julchen. Ja. Die Freundschaft ist das frohe Vergnügen der Menschen +und die Liebe das traurige. Man will einander recht genießen, darum +liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden. Habe ich +nicht recht, Herr Damis? + +Damis. Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr +erwähnen. Sie möchten mir sonst dabei einfallen. Und wie würde es +alsdann um mein Versprechen stehen? + +Julchen. Sie könnten es vielleicht für einen Eigensinn, oder ich weiß +selbst nicht für was für ein Anzeichen halten, daß ich die Liebe so +fliehe. Aber nein. Ich sage es Ihnen, es gehört zu meiner Ruhe, ohne +Liebe zu sein. Lassen Sie mir doch diese Freiheit. Muß man denn +diese traurige Plage fühlen? Nein, meine Schwester irrt: es geht an, +sie nicht zu empfinden. Ich sehe es an mir. Aber warum schweigen Sie +so stille? Ich rede ja fast ganz allein. Sie sind verdrießlich? O +wie gut ist's, daß Sie nicht mehr mein Liebhaber sind! Sonst hätte +ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdrießlich zu werden. + +Damis. O nein, ich bin gar nicht verdrießlich. + +Julchen. Und wenn Sie es auch wären, und zwar deswegen, weil ich +nicht mehr von der Liebe reden will: so würde mir doch dieses gar +nicht nahegehen. Es ist mir nicht lieb, daß ich Sie so verdrießlich +sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich darüber gar nicht unruhig. + O nein! Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden. Sie können ja +etwas zu überlegen haben. Ich argwohne gar nichts. Ich mag es auch +nicht wissen... Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen +Freund vor. Wenn bin ich Ihnen denn so gleichgültig geworden? + +Damis. Nehmen Sie es nicht übel, meine schöne Freundin, daß ich +einige Augenblicke ganz fühllos geschienen habe. Ich habe, um Ihren +Befehl zu erfüllen, die letzten Bemühungen angewandt, die ängstlichen +Regungen der Liebe völlig zu ersticken und den Charakter eines +aufrichtigen Freundes anzunehmen. Die Vernunft hat nunmehr über mein +Herz gesiegt. Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem +Werte zu danken hatte. Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit +schön und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket +worden ist. Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun; + aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in +den vorigen Charakter verfalle. Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach, +sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie schätze, meine englische +Freundin! + +Julchen. Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder? Darf man in +der Freundschaft einander auch nicht ansehen? + +Damis. Es gehört zu meinem Siege. Wer kann Sie sehen und Sie doch +nicht lieben? + +Julchen. Sagten Sie mir nicht wieder, daß Sie mich liebten? O das +ist traurig! Ich werde über Ihr Bezeigen recht unruhig. Einmal reden +Sie so verliebt, daß man erschrickt, und das andere Mal so +gleichgültig, als wenn Sie mich zum ersten Male sähen. Nein, +schweifen Sie doch nicht aus. Sie widersprechen mir ja stets. Ist +dies die Eigenschaft eines guten Freundes? Wir brauchen ja nicht zu +lieben. Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe? + +Damis. O es gehört weit mehr Stärke des Geistes zu der Freiheit als +zu der Liebe. + +Julchen. Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn für übel, daß +ich die Freiheit hochschätze, daß ich statt eines Liebhabers lieber +zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges +Vergnügen haben will? Sind denn meine Gründe so schlecht, daß ich +darüber Ihre Hochachtung verlieren sollte? Tun Sie den Ausspruch, ob +ich bloß aus Eigensinn rede. (Damis sieht sie zärtlich an.) Aber +warum sehen Sie mich so ängstlich an, als ob Sie mich bedauerten? Was +wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen? Ich kann mich gar +nicht mehr in Ihr Bezeigen finden. Sie scheinen mir das Amt eines +Aufsehers und nicht eines Freundes über sich genommen zu haben. Warum +geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte? +Mein Herr, ich wollte, daß Sie nunmehr... + +Damis. Daß Sie gingen, wollten Sie sagen. Auch diesen Befehl nehme +ich an, so sauer er mir auch wird. Sie mögen mich nun noch so sehr +hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie über mein +Schicksal beklagen. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. + +Julchen. Hassen? Wenn habe ich denn gesagt, daß ich Sie hasse? Ich +verstehe diese Sprache. Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen +Sie mich hassen. Dies ist sehr großmütig. Das sind die Früchte der +berühmten Zärtlichkeit. Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit +kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu +mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Das +ist ja eine rechte Hofsprache. + +Damis. Es ist die Sprache der Ehrerbietung. (Er geht ab.) + + + +Siebenter Auftritt + +Julchen allein. + + +Wie? Er geht? Aber warum bin ich so unruhig? Ich liebe ihn ja nicht. +.. Nein, ich bin ihm nur gewogen. Es ist doch ein unerträglicher +Stolz, daß er mich verläßt. Aber habe ich ihn etwan beleidiget? Er +ist ja sonst so vernünftig und so großmütig... Nein, nein, er liebt +mich nicht. Es muß Verstellung gewesen sein. Ich habe heute ein +recht mürrisches Wesen. (Lottchen tritt unvermerkt herein.) Wenn ich +nur meine Laute hier hätte, ich wollte... + + + +Achter Auftritt + +Julchen. Lottchen. + + +Lottchen. Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst. Aber, +mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden? Es ist ja sonst deine +Art nicht, daß du mit der Einsamkeit sprichst? + +Julchen. Wenn hätte ich denn mit mir allein geredet? Ich weiß nicht, +daß ich heute allen so verdächtig vorkomme. + +Lottchen. Aber woher wüßte ich's, daß du die Laute hättest haben +wollen, wenn du nicht geredt hättest? Mich hast du nicht gesehen, +liebes Kind, und also mußt du wohl mit dir selbst geredt haben. Ich +dächte es wenigstens, oder bist du anderer Meinung? + +Julchen. Ihr müßt euch alle beredt haben, mir zu widersprechen. + +Lottchen. Wieso? Ich habe dir nicht widersprochen. Und wenn es Herr +Damis getan hat, so kann ich nichts dafür. Warum ziehst du deine +guten Freunde nicht besser? Er sagte mir im Vorbeigehen, du wärest +recht böse geworden, weil er es etliche Mal versehen und wider sein +Versprechen an die Liebe gedacht hätte. + +Julchen. Schwester, ich glaube, Ihr kommt, um Rechenschaft von mir zu +fordern. Ihr hört es ja, daß ich mich nicht zur Liebe zwingen lasse. + +Lottchen. Recht, Julchen, wenn dir Herr Damis zuwider ist: so bitte +ich dich selber, liebe ihn nicht. + +Julchen. Was das für ein weiser Spruch ist! Wenn er dir zuwider ist.. +. Muß man denn einander hassen, wenn man nicht lieben will? Ich habe +ja noch nicht gefragt, ob dir dein Herr Siegmund zuwider ist. + +Lottchen. Nein, du hast mich noch nicht gefragt. Aber wenn du mich +fragen solltest, so würde ich dir antworten, daß ich ihn recht +zärtlich, recht von Herzen liebe und mich meiner Zärtlichkeit nicht +einen Augenblick schäme. Es gehört weit mehr Hoheit des Gemüts dazu, +die Liebe vernünftig zu fühlen, als die Freiheit zu behaupten. + +Julchen. Ich möchte vor Verdruß vergehen. Herr Damis hat gleich +vorhin das Gegenteil behauptet. Wem soll man nun glauben? Nehmt +mir's nicht übel, meine Schwester, ich weiß, daß Ihr mehr Einsicht +habt als ich; aber erlaubt mir, daß ich meinen Einfall dem Eurigen +vorziehe. Und warum kann Herr Damis nicht so gut recht haben als Ihr? + Ihr habt ja immer gesagt, daß er ein vernünftiger und artiger Mann +wäre. + +Lottchen. Das Beiwort artig hätte nicht eben notwendig zu unserer +Streitfrage gehört; aber vielleicht gehört diese Vorstellung sonst in +die Reihe deiner Empfindungen. Herr Damis ist ganz gewiß verständiger +als ich; aber er ist auch ein Mensch wie ich; und der beste Verstand +hat seine schwache Seite. + +Julchen. Lottchen, also seid Ihr hiehergekommen, um mir zu +demonstrieren, daß Herr Damis ein Mensch und kein Engel am Verstande +ist? Das glaube ich. Aber, mein liebes Lottchen, Eure Spöttereien +sind mir sehr erträglich. Ich könnte Euch leicht die Antwort +zurückgeben, daß Euer Herr Siegmund auch unter die armen Sterblichen +gehörte; aber ich will es nicht tun. Ihr würdet nur denken, daß ich +aus Eigensinn den Herrn Damis verteidigen wollte. Nein, er soll nicht +den größten Verstand haben; er soll nicht so galant, nicht so +liebenswürdig sein als Euer Siegmund. So habe ich noch eine Ursache +mehr, meine Freiheit zu behaupten und ihn nicht zu lieben. + +Lottchen. Mein liebes Kind, du kömmst recht in die Hitze. Du +schmälst auf mich und meinen Geliebten, und ich bleibe dir doch gut. +Man kann dich nicht hassen. Du trägst dein gutes Herz in den Augen +und auf der Zunge, ohne daß du daran denkst. Du bist meine liebe +schöne Schwester. Deine kleinen Fehler sind fast ebenso gut als +Schönheiten. Wenigstens kann man sie nicht begehen, wenn man nicht so +aufrichtig ist, wie du bist. Kind, ich habe diese Nacht einen +merkwürdigen Traum von einer jungen angenehmen Braut gehabt und ich... + +Julchen. Ich bitte dich, liebe Schwester, laß mich allein. Ich bin +verdrießlich, recht sehr verdrießlich, und ich werde es nur mehr, je +mehr ich rede. + +Lottchen. Bist du etwan darüber verdrießlich, daß ich in der +Heftigkeit ein Wort wider den Herrn Damis...? + +Julchen. O warum denkst du wieder an ihn? Willst du mich noch mehr +zu Fehlern bringen? Laß ihm doch seinen schwachen Verstand und mir +meinen verdrießlichen Geist und das Glück, einige Augenblicke allein +zu sein. Die ältern Schwestern haben doch immer etwas an den jüngern +auszusetzen. + +Lottchen. Ich höre es wohl, ich soll gehen. Gut. Komm bald nach, +sonst mußt du wieder mit dir allein reden. + + +Neunter Auftritt + +Julchen. Der Magister. + + +Julchen. Ist es nicht möglich, daß ich allein sein kann? Müssen Sie +mich notwendig stören? Herr Magister! Sagen Sie mir's nur kurz, was +zu Ihren Diensten ist. + +Der Magister. Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen überlegen. +Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht +ungeschickt dazu. Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand für +eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist. + +Julchen. Ja, das weiß ich. Demungeachtet wollte ich wünschen, daß +ich heute gar keinen hätte; vielleicht wäre ich ruhiger. + +Der Magister. Sie übereilen sich. Wer würde uns das Wahre von dem +Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen? Wer +würde unsern Willen zu festen und glücklichen Entschließungen bringen, +wenn es nicht der Verstand täte? Und würden Sie wohl so liebenswürdig +geworden sein, wenn Sie nicht immer verständig gewesen wären? + +Julchen. Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube. +Was quälen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit? Ich mag ja nicht so +weise sein als Sie. Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so +viel Geschicklichkeit besitze. + +Der Magister. Zu eben der Zeit, da Sie wünschen, daß sie keine +Vernunft haben möchten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, daß +Sie ihrer sehr viel haben. Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen. + Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche. +Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Glücke tun. Es scheint aber +nicht, daß Sie dazu entschlossen sind. Gleichwohl wünscht es Ihr Herr +Vater herzlich. Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine +Vorstellungen zu tun. Und ich wünschte, daß Sie solche anhören und +mir Einwürfe dagegen machen möchten. Dies kann ich, so alt ich bin, +doch wohl leiden. Die Liebe ist eine der schönsten, aber auch der +gefährlichsten Leidenschaften. Sie rächt sich an uns, wenn wir sie +verschmähen; und sie rächt sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame +übereilen. + +Julchen. Sie sind etwas weitläuftig in Ihren Vorstellungen. Allein, +Sie sollen ohne Einwurf recht haben. Lassen Sie mich nur in Ruhe. +Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gründen als eine +Philosophie. Dennoch ist er noch immer stark genug für mein Herz +gewesen. + +Der Magister. Wissen Sie nicht, daß uns unsere Leidenschaften am +ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen? Das Herz der +Menschen ist der größte Betrüger. Und der Klügste weiß oft selbst +nicht, was in ihm vorgeht. Wir lieben und werden es zuweilen nicht +eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden. Dieses alles +sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage. Nein, weil es die größten +Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca +und viele von den neuern Philosophen gesagt haben. + +Julchen. Ich kenne alle diese Männer nicht und verlange sie auch +nicht zu kennen. Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie +behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, daß man ein unruhiges +Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll. Und +ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heißen, so viel +Einsicht und Höflichkeit zu, daß sie Sie bitten würden, mich zu +verlassen, wenn sie zugegen wären. Sobald ich die Leidenschaften und +insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre +Philosophie um Beistand ansprechen. + +Der Magister. Ihre Aufrichtigkeit gefällt mir, ob sie mir gleich zu +widersprechen scheint. Aber ich würde mich für sehr unphilosophisch +halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhören könnte. Sie +sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind +unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch +Überlegung zu dämpfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt +der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich +wollte wünschen, daß Sie ein anschauendes Erkenntnis davon hätten. +Wenn man die Ursache eines moralischen Übels weiß: so weiß man auch +das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede +begreiflich, und ich wollte, daß ich noch deutlicher reden könnte. + +Julchen. Ich setze nicht das geringste Mißtrauen weder in Ihre +Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdrießlich. + Ich weiß nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht +wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig. + +Der Magister. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der +Wahrheit nachgedacht hätten als ich: so würden Sie vielleicht ebenso +helle denken. Unterdrücken Sie Ihre Unruhe und überlegen Sie das +Glück, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis +verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr +Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe kömmt das ganze Glück der +Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der +Liebe begehn. Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser +Gelegenheit? + +Julchen. Ich glaube, daß dieser Unterricht recht gut ist. Aber was +wird er mir nützen, da ich nicht lieben will? + +Der Magister. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus +meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten? +Aber wissen Sie denn auch, daß Sie dazu verbunden sind? Soll ich +Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen +doch, daß das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist +ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe. +Wer den Zweck will, der muß auch das Mittel wollen, wenn er anders +verständig ist. Sehn Sie denn nicht, daß Sie zur Ehe verbunden sind? +Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gründe nicht fühlen? + +Julchen. Ich fühle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts +ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an +sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis +mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird. + +Der Magister. Jungfer Muhme, das heißt halsstarrig sein, wenn man die +Augen vor den klärsten Beweisen zuschließt. Wenn Sie erkennen, daß +Sie zur Ehe verbunden sind, wie könnte denn Ihr Wille undeterminiert +bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluß im +Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum +wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschließen, + da Sie sehen, daß Sie eine Pflicht dazu haben? + +Julchen. Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Magister, daß ich Sie +verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre überzeugt zu sein. Was kann ich +armes Mädchen dafür, daß ich nicht so viel Einsicht habe als Plato, +Seneca und Ihre andern weisen Männer? Machen Sie es mit diesen Leuten +aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren +Beweis dazu verbunden bin. Ich habe noch etliche Anstalten in der +Küche zu machen. + + + +Zehnter Auftritt + +Der Magister. Cleon. + + +Der Magister. Ich habe deiner Tochter Julchen alle mögliche +Vorstellungen getan. Ich habe mit der größten Selbstverleugnung mit +ihr gesprochen. Ich habe ihr die stärksten Beweise angeführt; aber... + +Cleon. O hättest du ihr lieber ein paar Exempel von glücklich +verheirateten Mädchen angeführt. + +Der Magister. Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht +aus meiner Gelassenheit. Ich erwies ihr, daß sie verbunden wäre zu +heiraten. + +Cleon. Du hast dir viel Mühe geben. Ich denke, wenn ein Mädchen +achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis +einwenden können. + +Der Magister. Julchen sah alles ein. Ich machte es ihr sehr deutlich. + Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken +können: so muß man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu +Hülfe nehmen. + +Cleon. Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gründe gebracht? +Will sie den Herrn Damis heiraten? Hat sie denn ihre Herzensmeinung +nicht verraten? Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht länger +aufhalten. Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste. + +Der Magister. Sie sagte, sie wäre unruhig. Und das war eben schlimm. + Denn die Gründe der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie +die Überzeugung wirken sollen. Wenn der Verstand durch die Triebe des +Willens bestürmt wird: so ist er nicht aufmerksam. Und ohne +Aufmerksamkeit sind die schärfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile. + +Cleon. Rede nicht so tiefsinnig. Du hättest sie eben sollen ruhig +machen: so sähe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit. + +Der Magister. Ich versuchte alles. Ich zeigte ihr die schöne Seite +der Liebe. Ich sagte ihr erstlich, daß eine glückliche Ehe das größte +Vergnügen wäre. + +Cleon. Ja, die glücklichen Ehen sind etwas sehr Schönes. Aber du +hättest ihr sagen sollen, daß ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr +glücklich werden würde. Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich +zu ihr geschickt habe. + +Der Magister. Kurz und gut, durch Lehrsätze und Erweise ist sie nicht +zu gewinnen, das sehe ich wohl. Sie versteht wohl die einzelnen Sätze; + aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das +Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurück, und sie wird +ungehalten, daß er sie verläßt. + +Cleon. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht überreden? + +Der Magister. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Überredung, +die man Beweise kat' anJrwpon nennen könnte. Dergleichen sind bei den +alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten, +die nicht scharf denken können, tun diese witzigen Blendwerke oft gute +Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten +kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine +Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine +machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche +eines jungen Menschen in Leipzig gefunden hätte, der sich durch seine +Fabeln und Erzählungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat. + +Cleon. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die +Fabel hübsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit +der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darüber. Eine Fabel +ist ja keine Predigt. Es muß ja nicht alles so akkurat sein. Meine +Tochter wird dich nicht verraten. Mache, daß sie ja spricht: so will +ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken. + +(Der Magister geht ab.) + + + +Eilfter Auftritt + +Cleon. Lottchen. + + +Lottchen. Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen +Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt. + +Cleon (er liest). »Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben, + gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen. Ich lasse mir die Wahl des +Herrn Damis, meines Mündels, sehr wohl gefallen. Er hätte nicht +glücklicher wählen können. Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit +Ihnen und Ihren Jungfern Töchtern recht vergnügen, weil ich ohnedies +heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe. Zugleich muß +ich Ihnen melden, daß heute oder morgen das Testament Ihrer seligen +Frau Muhme, der Frau Stephan, geöffnet werden soll. Ich glaube gewiß, +daß sie Ihnen etwas vermacht hat. Vielleicht kann ich Ihnen die +Gewißheit davon um vier Uhr mitbringen. Ich bin« usw. + +Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter. Ich dachte immer, der +Herr Vormund würde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil +meine Tochter kein Vermögen hat. + +Lottchen. Das habe ich gar nicht befürchtet. Der Herr Vormund ist ja +die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiß eine +Freude daraus, zu dem Glücke eines Frauenzimmers etwas beizutragen, +der man keinen größern Vorwurf machen kann, als daß sie nicht reich +ist. + +Cleon. Tochter, du hast sehr recht. Es ist ein lieber Mann. Ich +habe nur gedacht, daß er einen gewissen Fehler haben müßte, weil er +schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat. Aber was hilft uns +das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will? + +Lottchen. Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa. Julchen ist so +gut als besiegt. Und ich denke, es könnte ihr kein größer Unglück +widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit, +ungeraubt ließe. Ich habe die sichersten Merkmale, daß sie den Herrn +Damis liebt. + +Cleon. Sollte es möglich sein? Ich dürfte es bald selbst glauben. +Ihr losen Mädchen tut immer, als wenn euch nichts an den Männern läge, +und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen. Je nun, +die Liebe ist auch nötig in der Welt, sonst hätte sie uns der Himmel +nicht gegeben. + +Lottchen. Papa, diese Satire auf die losen Mädchen trifft mich nicht. + Ich dächte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe. Wenigstens +halte ich die vernünftige Liebe für kein größer Verbrechen als die +vernünftige Freundschaft. Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so +vielen Beschwerlichkeiten belegt, daß wir es uns desto mehr durch die +Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen. + +Cleon. Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht +haben sollte: so sähe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Töchter, +auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die +Hochzeit ausrichten könnte. Ich wollte gern das ganze Vermächtnis +dazu hergeben. + +Lottchen. Sie sind ein liebreicher Vater. Nein, wenn Sie auch durch +das Testament etwas bekommen sollten: so würde es doch ungerecht sein, +wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles brächten. Nein, +lieber Papa, ich kann noch lange warten. Und mein Geliebter wird sich +ohnedies nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlängliche +Versorgung hat. + +Cleon. Tue dein möglichstes, daß Julchen heute noch ja spricht. Die +Mädchen müssen wohl ein wenig spröde tun; aber sie müssen es den +Junggesellen auch nicht so gar sauer machen. + +Lottchen. Papa, unsere selige Mama sagte nicht so. + +Cleon. Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden. Ich bin ja +auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht. Ich und +deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre +in der Ehe wie die Kinder vertragen. Sie hat mir tausend vergnügte +Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken. Sie +hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen. +Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch +gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe. Es wird dir +gewiß wohlgehen. Verlasse dich darauf. Du tust mir viel Gutes. Du +führst meine ganze Haushaltung. Sei zufrieden mit deinem Schicksale. +Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute +Auferziehung. Laß mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen. Ich +will schlafen, wo sie schläft. + +Lottchen. Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmütig? Sie werden, +wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, daß +ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche. Und wenn ich +Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir +meine Schuldigkeit befiehlt. Heute müssen Sie vergnügt sein. Doch +vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist, +die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fühlen kann. Aber, +lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Faß, das Sie +in meinem Geburtsjahre eingelegt haben. Was werden wir heute unsern +Gästen für Wein vorsetzen? + +Cleon. Tochter, zapfe das Faß an. Und wenn es Nektar wäre: so ist er +für den heutigen Tag nicht zu gut. Es wird bald Mittagszeit sein. +Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhälter langen. +Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken, +wenn du noch einmal mit ihr reden willst. + +Lottchen. Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier +warten. + + + +Zwölfter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Siegmund. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen. +Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage +scheint mir nichts als eine Liebeserklärung in einer fremden Sprache +zu sein. Ich hätte nicht gedacht, daß sie so zärtlich wäre. Die +Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem +Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will. + +Lottchen. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich könnte bald einige +Minuten eifersüchtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist +reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich. + +Siegmund. Wer kann Sie einmal lieben und nicht beständig lieben? +Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit +mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muß Ihnen für meine Treue der +sicherste Bürge sein. + +Lottchen. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster +Freund, ich muß Ihnen sagen, daß uns vielleicht ein kleines Glück +bevorsteht. Wollte doch der Himmel, daß es zu Ihrer Beruhigung etwas +beitragen könnte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in +einem Billette gemeldet, daß heute das Testament der Frau Muhme +Stephan geöffnet werden würde und daß er glaubte, sie würde den Papa +darinne bedacht haben. O wenn es doch die Vorsicht wollte, daß ich so +glücklich würde, Ihre Umstände zu verbessern! + +Siegmund. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als +ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und... + +Lottchen. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein +Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe. + +Siegmund. Ach, mein schönes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das +Glück, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese +Nacht nicht wohl geschlafen. + +Lottchen. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen +erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn. + +(Ende des ersten Aufzugs.) + + + + +Zweiter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Cleon. Julchen. + + +Cleon. Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist? + +Julchen. Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen? Ich will Ihnen +gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit. + +Cleon. »Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine +Freiheit.« Kleiner Affe, was redst du denn? Wenn ich dir deine +Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen. Ich +will dich gar nicht zwingen. Ich bin dir viel zu gut. Nein, sage mir +nur, ob er dir gefällt. + +Julchen. Ob mir Herr Damis gefällt? Vielleicht, Papa. Ich weiß es +nicht gewiß. + +Cleon. Tochter, schäme dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu +reden. Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes. +Gefällt dir seine Person, seine Bildung? + +Julchen. Sie mißfällt mir nicht. Vielleicht... gefällt sie mir gar. + +Cleon. Mädchen, was willst du mit deinem »Vielleicht«? Wir reden ja +nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen. + +Julchen. Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht +aufrichtig antwortet? + +Cleon. Rede nicht so poetisch. Dein Herz bist du, und du wirst doch +wissen, was in dir vorgeht. Wenn du einen jungen, wohlgebildeten, +geschickten, vernünftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur +Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren können, ob +du ihn zum Manne haben möchtest. + +Julchen. Zum Manne?... Ach, Papa! lassen Sie mir Zeit. Ich bin +heute unruhig, und in der Unruhe könnte ich mich übereilen. Ich +glaube in der Tat nicht, daß ich ihn liebe, sonst würde ich munter und +zufrieden sein. Wer weiß auch, ob ich ihm gefalle? + +Cleon. Wenn du darüber unruhig bist: so hat es gute Wege. Bist du +nicht ein albernes Kind! Wenn du ihm nicht gefielst: so würde er sich +nicht so viel Mühe um dich geben. Er kennt dich vielleicht besser, +als du dich selbst kennst. Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige +Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben würde, wenn +sie mir nicht gefallen hätte. Indem er zu dir sagt: »Jungfer Julchen«, + oder wie er dich nennt... Du kannst mir's ja sagen, wie er dich +heißt. + +Julchen. Er heißt mich Mamsell. + +Cleon. Kind, du betrügst mich. Er spräche schlechtweg »Mamsell«? +Das kann nicht sein. + +Julchen. Zuweilen spricht er auch »liebe Mamsell«. + +Cleon. Tochter, du verstellst dich. Ich bin ja dein Vater. Im +Ernste, wie heißt er dich, wenn er's recht gut meint? + +Julchen. Ich kann mich selbst nicht besinnen. Er spricht... er +spricht... »mein Julchen«... + +Cleon. Warum sprichst du das Wort so kläglich aus? Seufzest du über +deinen Namen? Dein Name ist schön. Also spricht er zu dir: »Mein +Julchen«? Gut, hat er dich nie anders geheißen? + +Julchen. Ach ja, lieber Papa. Er heißt mich auch zuweilen: »Mein +schönes Julchen.« Warum fragen Sie mich denn so aus? + +Cleon. Laß mir doch meine Freude, du kleiner Narr. Ein +rechtschaffener Vater hat seine Töchter lieb, wenn sie wohlgezogen +sind. Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen. Aber daß ich +wieder auf das Hauptwerk komme. Ja, indem Herr Damis z. E. zu dir +spricht: »Mein schönes Julchen, ich habe dich...« + +Julchen. Oh! Er heißt mich Sie. Er würde nicht du sprechen. Das +wäre sehr vertraut, oder doch wenigstens unhöflich. + +Cleon. Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hieße, deswegen verlörst +du nichts von deiner Ehre. Hat mich doch meine selige Frau als Braut +mehr als einmal du geheißen, und es klang mir immer schön. Indem er +also zu dir spricht: »Mein schönes Julchen, ich bin Ihnen gut«: so +sagt er auch zugleich, »Sie gefallen mir«; denn sonst würde er das +erste nicht sagen. + +Julchen. Das sagt er niemals zu mir. + +Cleon. Du machst mich böse. Ich habe es ja mehr als einmal selber +gehört. + +Julchen. Daß er zu mir gesagt hätte: »Ich bin Ihnen gut«? + +Cleon. Jawohl! + +Julchen. Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem +Leben nicht zu mir gesagt. »Ich liebe Sie von Herzen«, das spricht er +wohl; aber niemals, »ich bin Ihnen gut«. + +Cleon. Bist du nicht ein zänkisches Mädchen! Wir streiten ja nicht +um die Worte. + +Julchen. Aber das klinget doch allemal besser: »Ich liebe Sie von +Herzen«, als das andere. + +Cleon. Das mag sein. Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau +gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl. Daß die Welt die Sprache immer +ändert, dafür kann ich nicht. Ihr Mädchen gebt heutzutage auf ein +Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer. Es gefällt dir +also, wenn er so zu dir spricht? Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch. + Was wegerst du dich denn? Ich gehe nach der Grube zu. Worauf +willst du denn warten? Kind, ich sage dir's, es dürfte sich keine +Gräfin deines Bräutigams schämen. Herr Damis möchte heute gerne die +völlige Gewißheit haben, ob er... + +Julchen. Papa! + +Cleon. Nun, was willst du? Nur nicht so verzagt. Ich bin ja dein +Vater. Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um. + +Julchen. Papa, darf ich etwas bitten? + +Cleon. Herzlich gern. Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene +gleich etwas gelehrter ist. Bitte, was willst du? + +Julchen. Ich? Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdrießlich. + +Cleon. Das ist ja keine Bitte. Rede offenherzig. + +Julchen. Ich wollte bitten, daß Sie... mir meine Freiheit ließen. + +Cleon. Mit deiner ewigen Freiheit! Ich dachte, du wolltest schon um +das Brautkleid bitten. Ich lasse dir ja deine Freiheit. Du sollst ja +aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen. Bedenke dich noch eine +Stunde. Überlege es hier allein. Ich will dich nicht länger stören. +Ich will für dich beten. Das will ich tun. + + + +Zweiter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Damis. Darf ich mit Ihnen reden, mein schönes Kind? + +Julchen. Es ist gut, daß Sie kommen. Die Gesundheit, die Sie mir +über Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekränkt. Meine +Schwester lachte darüber; aber das kann ich nicht. Sie hat heute +überhaupt eine widerwärtige Gemütsart, die sich sogar bis auf Sie, +mein Herr, erstreckt. + +Damis. Bis auf mich? Darf ich weiterfragen? + +Julchen. Ich sagte ihr, daß Sie meiner Meinung wären und behauptet +hätten, daß mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehörte. +Darüber spottete sie und sagte dreist, Sie hätten unrecht, wo sie +nicht gar noch mehr sagte. Aber lassen Sie sich nichts gegen sie +merken; sie möchte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten. + +Damis. Lottchen wird es nicht so böse gemeint haben. Sie ist ja die +Gutheit und Unschuld selbst. + +Julchen. Das konnte ich mir einbilden, daß Sie mir widersprechen +würden. Und ich will es Ihnen nur gestehen, daß ich's zu dem Ende +gesagt habe. Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich. Sie +redt von der Liebe, und so gütig bin ich nicht. + +Damis. Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat. +Ich bin ja nicht ohne Fehler. Und vielleicht würde ich Ihnen mehr +gefallen, wenn ich ihrer weniger hätte. + +Julchen. Wozu soll diese Erniedrigung? Wollen Sie mich mit dem Worte +Fehler demütigen? + +Damis. Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie +gut ich mit Ihnen meine? + +Julchen. Daran zweifele ich gar nicht. Sie sind ja meiner Schwester +gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre +Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken. + +Damis. Ja, ich versichere Sie, daß ich Lottchen allen Schönen +vorziehen würde, wenn ich Julchen nicht kennte. + +Julchen. Ich sehe, die Gefahr, mich hochmütig zu machen, ist zu wenig, + Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken. + +Damis. Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn +dieses eine Schmeichelei war. Warum halten Sie mich nicht für +aufrichtig? + +Julchen (zerstreut). Ich... ich habe die beste Meinung von Ihnen. + +Damis. Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen +Tone aus? Kostet er Sie so viel? In Wahrheit, ich bin recht +unglücklich. Je länger ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu +sprechen, desto unzufriedner werden Sie. Sagen Sie mir nur, was Sie +beunruhiget. Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben. Nein, ich +will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen. Ich will Sie +ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben. Wollen Sie mir denn +auch dieses Vergnügen nicht gönnen? + +Julchen. Sie sind wirklich großmütiger, als ich geglaubt habe. Wenn +Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall +sehr angenehm sein. Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen +kann. Werfen Sie mir mein verdrießliches Wesen nicht mehr vor. Ich +will gleich so billig sein und Sie verlassen. + +Damis. Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel? + +Julchen (unruhig). Ich weiß es in Wahrheit nicht. Es ist mir alles +so ängstlich, und es scheint recht, als ob ich das Ängstliche heute +suchte und liebte. Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen +nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen. Es ist unhöflich von +mir, daß ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind. +Aber der Himmel weiß, ich kann nichts dafür. Ich will mir eine Tasse +Kaffee machen lassen. Vielleicht kann ich mein verdrießliches Wesen +zerstreuen. Aber gehn Sie nicht gleich mit mir. Lottchen möchte mir +sonst einige kleine Spöttereien sagen. Wollen Sie so gütig sein? + + + +Dritter Auftritt + +Damis. Lottchen. + + +Lottchen. Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe? Sie +weinen? Ist das möglich? + +Damis. O gönnen Sie mir dieses Glück. Es sind Tränen der Wollust, +die meine ganze Seele vergnügen. Wenn Sie nur das liebenswürdige Kind +hätten sollen reden hören! Wenn Sie nur die Gewalt hätten sehen +sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen! Sie +sagte endlich aufrichtig, sie wäre unruhig. Ach Himmel! mit welcher +Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies! Sie liebt mich +wohl, ohne es recht zu wissen. Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen, + o bedenken Sie nur, wie... + +Lottchen. Warum reden Sie nicht weiter? + +Damis. Lassen Sie mich doch mein Glück erst recht überdenken. Sie +nannte ihre Unruhe ein verdrießliches Wesen. Sie bat mich, daß ich +deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen. +Und das Wort Hochachtung drückte sie mit einem Tone aus, der ihm die +Bedeutung der Liebe gab. Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie +wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem +Gemüte dadurch zu zerstreuen. + +Lottchen. Das gute Mädchen! Wenn der Kaffee eine Arznei für die +Unruhen des Herzens wäre: so würden wir wenig Gemütskrankheiten haben. + Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist. Das +Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu +sein, daß sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschützen weiß. Verwandeln +Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen +nicht gar zu sehr bestraft wird. + +Damis. Diese Verwandlung wird mir sehr natürlich sein. Aber ich +fürchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe +wird bekräftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden. Sie +bat mich, da sie mich verließ, daß ich ihr nicht gleich nachfolgen +sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spöttereien sagen möchte. Wie +furchtsam klingt dieses! + +Lottchen. Ja, es heißt aber vielleicht nichts anders, wenn man es in +seine Sprache übersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen +nicht so deutlich sieht, daß ich Sie liebe. Ihre Braut scheut sich +nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben. Wenn sie +weniger natürliche Schamhaftigkeit hätte, so würde ihre Liebe sich in +einem größern Lichte sehen lassen; aber vielleicht würde sie nicht so +reizend erscheinen. Vielleicht geht es mit der Zärtlichkeit eines +Frauenzimmers wie mit ihren äußerlichen Reizungen, wenn sie gefallen +sollen. + +Damis. Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich... +Aber wie? Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich +doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten? + +Lottchen. Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber +Herr Bruder. Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen. Aber was wollten +Sie sagen? + +Damis. Fragen Sie mich nicht. Ich habe es wieder vergessen. Ich +kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen. Sie verbergen +sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele. Julchen denkt und +sinnt und redt in mir. Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe +ich große Lust, es auch zu sein. Was für ein Geheimnis hat nicht ein +Herz mit dem andern! Ich sehe, daß ich glücklich bin, und sollte +vergnügt sein. Ich sehe, daß mich Julchen liebt, und indem ich dieses +sehe, werde ich traurig, weil sie es ist. Welche neue Entdeckung in +meinem Herzen! + +Lottchen. Ich weiß Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen +Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst +werden Sie zerstreut werden. Sie wird ihres Platzes von sich selber +müde werden und ihn bald dem Vergnügen von neuem einräumen. + +Damis. Ich werde recht furchtsam. Und ich glaube, wenn ich Julchen +wiedersehe, daß ich gar stumm werde. + +Lottchen. Das kann leicht kommen. Vielleicht geht es Julchen auch +also. Ich möchte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen +bemerkt zu werden. Sie würden beide tiefsinnig tun. Sie würden reden +wollen und statt dessen seufzen. Sie würden die verräterischen +Seufzer durch gleichgültige Mienen entkräften wollen und ihnen nur +mehr Bedeutung geben. Sie würden einander wechselsweise bitten, sich +zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben. Und +vielleicht würde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als +freundschaftliche Küsse ausbrechen. Aber ich höre meine Schwester +kommen. Ich will Sie nicht stören. (Sie geht und bleibt in der Szene +versteckt stehen.) + + + +Vierter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. War nicht meine Schwester bei Ihnen? Wo ist sie? + +Damis (in tiefen Gedanken). Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht +stören. + +Julchen. Nicht stören? Was soll das bedeuten? + +Damis. Vergeben Sie mir. Ich habe mich übereilet. Ach, Juliane! + +Julchen. Sie haben sich übereilet, und woher? Aber... Ja... Ich +will Sie verlassen. Sie sind tiefsinnig. + +Damis. Sie wollen mich verlassen? meine Juliane! Mich...? + +Julchen. Meine Juliane! so haben Sie mich ja sonst nicht geheißen? +Sie vergessen sich. Ich will Sie verlassen. + +Damis. O gehn Sie noch nicht. Ich habe Ihnen recht viel zu sagen. +Ach viel! + +Julchen. Und was denn? Sie halten mich wider meinen Willen zurück. +Ist Ihnen etwas begegnet? Was wollen Sie sagen? Reden Sie doch. + +Damis (bange). Meine Juliane! + +Julchen (mit beweglicher Stimme). Juliane! den Namen höre ich zum +dritten Male. Sie schweigen wieder? Ich muß nur gehn. (Sie geht. +Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.) Wahrhaftig, es muß +Ihnen etwas Großes begegnet sein. Darf ich's nicht wissen? + +Damis (er kömmt auf sie zu). Wenn Sie mir's vergeben wollten: so +wollte ich Ihnen sagen; aber nein... Ich würde Ihre Gewogenheit +darüber verlieren und... (Er küßt ihr die Hand und hält sie dabei.) +Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ach, Sie sind verdrießlich, +meine Juliane? + +Julchen (ganz betroffen). Nein, ich bin nicht traurig. Aber ich +erschrecke, daß ich Sie so bestürzt sehe. Ja... Ich bin nicht +traurig. Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, daß Sie auch so wären. + Halten Sie mich nicht bei der Hand. Ich will Sie verlassen. Ich +wollte meine Schwester suchen und ihr sagen... + +Damis. Was wollten Sie ihr denn sagen? mein schönes Kind! + +Julchen. Ich wollte ihr sagen... daß der Papa nach ihr gefragt hätte +und... + +Damis. Der Papa? mein Engel! + +Julchen. Nein, ich irre mich. Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und +meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten... (Sie sieht ihn an. +) In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, daß man sich des Mitleidens.. +. (Sie wendet das Gesichte beiseite.) + +Damis. Meine Juliane! Ihr Mitleiden... Sie bringen mich zur +äußersten Wehmut. + +Julchen. Und Sie machen mich auch traurig. Warum hielten Sie mich +zurück? Warum weinen Sie denn? (Sie will ihre Tränen verbergen.) +Was fehlt Ihnen? Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf. + +Damis. Ja. + +Julchen (für sich). Er geht? + +Damis (indem er wieder zurückkehrt). Aber darf ich nicht wissen, +meine Schöne, was Ihnen begegnet ist? Sie waren ja Vormittage nicht +so traurig. + +Julchen. Ich weiß es nicht. Sie wollten ja gehn. Ist Ihnen meine +Unruhe beschwerlich? Sagen Sie mir nur, warum Sie... Sie reden ja +nicht. + +Damis. Ich? + +Julchen. Ja. + +Damis. O wie verschönert die Wehmut Ihre Wangen! Ach, Juliane! + +Julchen. Was seufzen Sie? Sie vergessen sich. Wenn doch Lottchen +wiederkäme! Bedenken Sie, wenn sie Sie so betrübt sähe und mich... +Was würde sie sagen? (Lottchen tritt aus der Szene hervor.) + + + +Fünfter Auftritt + +Die Vorigen. Lottchen. + + +Lottchen. Ich würde sagen, daß man einander durch bekümmerte Fragen +und Tränen die stärkste Liebeserklärung machen kann, ohne das Wort +Liebe zu nennen. Mehr würde ich nicht sagen. + +Julchen. O wie spöttisch! Ich muß nur gehn. + +Lottchen. O ich habe es wohl eher gesehn, daß du hast gehn wollen, +und doch... + +Julchen. Das wüßte ich in der Tat nicht. (Sie geht ab.) + + +Sechster Auftritt + +Damis. Lottchen. + + +Lottchen. Es dauert mich in der Tat, daß ich Sie beide gestöret habe. + Ich hätte es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht +länger halten. Kann wohl ein schönerer Anblick sein, als wenn man +zwei Zärtliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander +die Liebe zu gestehen? Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan +Ihres zärtlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt? Hätte ich +mich noch einige Augenblicke halten können: so würde Ihre +beiderseitige Wehmut gewiß noch bis zu etlichen vertraulichen +Liebkosungen gestiegen sein. + +Damis. Daran zweifele ich sehr. Ich war in Wahrheit recht traurig, +und ich bin's noch. + +Lottchen. Ja, ich sehe es. Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit +mir allein zu reden. Holen Sie unmaßgeblich Ihre betrübte Freundin +wieder zurück. Ich will Sie miteinander aufrichten. + +Damis. Ja, das will ich tun. + + + +Siebenter Auftritt + +Lottchen. Simon. + + +Simon. Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, daß ich unangemeldet +hereintrete. Das Vergnügen macht mich unhöflich. Sind Sie nicht die +liebenswürdige Braut meines Herrn Mündels? + +Lottchen. Und wenn ich nun seine Braut wäre, was... + +Simon. So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, daß Ihnen Ihre selige +Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat. Sie +werden die Gewißheit davon noch heute vom Rathause erhalten. Das +Testament ist geöffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei +der Eröffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater +diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die +gerichtliche Insinuation erhält. + +Lottchen. Ist das möglich? Die Frau Muhme hat ihr Versprechen +zehnfach erfüllt. Wie glücklich ist meine Schwester! Sie verdient es +in der Tat. Das ist eine sonderbare Schickung. Mein Herr, Sie setzen +mich in das empfindlichste Vergnügen. Ich bin nicht die Braut Ihres +Herrn Mündels. Aber die Nachricht würde mich kaum so sehr erfreuen, +wenn sie mich selbst anginge. + +Simon. Kurz, Mamsell, ich weiß nicht, welche von Ihnen meinen Mündel +glücklich machen will. Allein genug, die jüngste Tochter des Herrn +Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermögens von +mehr als funfzigtausend Talern. + +Lottchen. Das ist meine Schwester. Wie erfreue ich mich! + +Simon. Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht +bringen kann. Ich wollte es mit tausend Freuden tun. Wo ist Ihr +lieber Herr Vater? Wird er nicht eine Freude haben! + +Lottchen. Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu führen. Aber ich +will Sie erst um etwas bitten. Gönnen Sie mir doch das Vergnügen, daß +ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Mündel die erste Nachricht von +dieser glücklichen Erbschaft bringen darf. Es ist meine größte +Wollust, die Regungen des Vergnügens bei andern ausbrechen zu sehen. +Und wenn ich viel hätte, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die +Welt froh zu sehen. Lassen Sie mir immer das Glück, meiner Schwester +das ihrige anzukündigen. + +Simon. Von Herzen gern. Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht +unter zwo Schwestern gefunden. Ich erstaune ganz. Ich wußte wohl, +Mamsell, daß Sie die Braut meines Mündels nicht waren; allein, ich +wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewißheit leichter +machen. Ich glaubte, Sie würden erschrecken und über die Vorteile +Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden. Aber ich sehe das Gegenteil +und fange an zu wünschen, daß Sie selbst die Braut meines lieben +Mündels und die glückliche Erbin der Frau Stephan sein möchten. + +Lottchen. Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, daß man frei +vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr +Wohlwollen zeitlebens zu erhalten. Also wollen Sie Julchen und dem +Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir überlassen? + Sie sind sehr gütig. + +Simon. Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es +ihm selber hinterbringen wollen. Hier kömmt er. + + + +Achter Auftritt + +Die Vorigen. Herr Cleon. Herr Siegmund. + + +Cleon. Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon +im Garten gesucht. Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich +glaubte, Sie würden den Kaffee im Garten trinken wollen. Ich erfreue +mich über die Ehre Ihrer Gegenwart. Ich erfreue mich recht von Herzen. + +Simon. Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen +von Ihrem Vergnügen abzugeben. + +Lottchen. Ach, lieber Papa! Ach, lieber Herr Siegmund! Soll ich's +sagen? Herr Simon! + +Simon. Wenn Sie es erzählen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's +selbst noch nicht wüßte. + +Cleon. Nun, was ist es denn? meine Tochter! Wem willst du es erst +sagen, mir oder meinem lieben Nachbar? Welcher ist dir lieber, du +loses Kind? + +Lottchen. Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's. Und +wenn ich die Liebe der Freundschaft höre: so ist es Ihr lieber Nachbar. + Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt +erzählt hat. Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente +ihr ganzes Rittergut vermacht. Das Testament ist geöffnet, und mein +Herr Pate, der Herr Hofrat, läßt Ihnen durch den Herrn Simon diese +Nachricht bringen. + +Cleon. Dafür sei Gott gedankt. Das Gut ist doch Weiberlehn? Ja! +Ich erschrecke ganz vor Freuden. Das hätte ich nimmermehr gedacht. O +sie war dem Mädchen sehr gut! Gott vergelte es ihr in der frohen +Ewigkeit. Das ganze Rittergut? + +Siegmund. Das ist vortrefflich. Die rechtschaffene Frau! + +Simon (zu Cleon). Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem +Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten. + Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen. + +Cleon. Das ist ja ganz was Außerordentliches. Ich will's die Armen +gewiß genießen lassen. Aber du, meine liebe Tochter, du kömmst dabei +zu kurz. + +Lottchen. Ich? Papa. Nein. Wenn ich das Glück tragen könnte: so +würde mir der Himmel gewiß auch welches geben. Ich habe schon Glück +genug. Nicht wahr? Herr Siegmund! Was meinen Sie? + +Siegmund. Daß Sie es ebenso würdig sind als Ihre Jungfer Schwester. + +Cleon. Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, daß +auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten hätten. Kommen Sie doch +mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's. Diese beiden +feindseligen Gemüter werden sich schon hier allein vertragen oder uns +nachkommen. + + + +Neunter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen. Wenn ich Ihre Größe nicht kennte: so würde ich gezittert +haben, Ihnen die Nachricht von dem großen Glücke meiner Schwester zu +hinterbringen. Aber ich weiß, Sie schätzen mich deswegen nicht einen +Augenblick geringer. Unser Schicksal steht in den Händen der Vorsicht. + Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu +unserm Vorteile öffnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es +wünschen. + +Siegmund. Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, über Ihrem +Herzen das Glück zu vergessen. Wir wollen hoffen. Vergeben Sie mir +nur, daß ich noch immer den Zerstreuten vorstelle. Ich habe lange mit +Ihrem Papa gesprochen, und ich weiß in Wahrheit nicht was. + +Lottchen. Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's +nicht, daß Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten +gemacht werden, einige Wünsche und Unruhen abnötiget. Trauen Sie doch +der Vorsehung. Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den +unglücklichen Prozeß Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermögen verloren. + Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie +auch alles heute über ein Jahr wieder. Haben Sie mit Julchen +gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zärtlich gestellt? + +Siegmund. Nein, weil ich so zerstreut bin, so... + +Lottchen. Gut. Sie werden diese kleine Mühe fast ersparen können. +Ihr Herz scheint keinen großen Antrieb mehr nötig zu haben. Aber +sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Ich will sie holen und +es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich. + + + +Zehnter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Welche entsetzliche Nachricht!... Julchen!... Ein ganzes Rittergut! +Julchen... die so viel Reizungen, so viel Schönheit und Anmut besitzt! +... Kennte ich Lottchens Wert nicht: so würde Julchen.... Aber ist +Julchen nicht auch tugendhaft... großmütig... klug... unschuldig... +? Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst? Ist Lottchen so schamhaft? +oder... Himmel, wo bin ich? Verdammte Liebe, wie quälst du mich! +Muß man auch wider seinen Willen untreu werden?... Warum konnte jene +nicht die reiche Erbschaft bekommen? Sahe die Muhme auch, daß die +jüngste mehr Verdienste hatte?... Ich Elender! Ich bin ohne meine +Schuld um das größte Vermögen gekommen... Aber habe ich weniger +Vorzüge als Damis? Julchen widersteht ja seiner Liebe... Ist es ein +Verbrechen?... Was kann ich dafür, daß sie mich rührt? Sind meine +Wünsche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wünschen vielleicht gar +übereinstimmen? O Himmel! Sie kömmt allein. + + + +Eilfter Auftritt + +Siegmund. Julchen. + + +Julchen. Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer +Gesellschaft erwarten. Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann +hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzählen. + +Siegmund. Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft +nicht verdrießlich werden? + +Julchen. Mir? Bei Ihnen? Gewiß nicht. Sie sind heute am +freundschaftlichsten mit mir umgegangen. Und es wird Ihnen auch wohl +kein Geheimnis sein, daß ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie +meine Schwester. + +Siegmund (er küßt ihr die Hand). Sie sagen mir vieles Schönes, +angenehme Braut. + +Julchen. Bin ich denn eine Braut? Das hat mir noch kein Mensch +gesagt. Nein, mein Herr, heißen Sie mich nicht so. Es kann sein, daß +ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muß ich darum seine Braut sein? +Nein, er ist so gütig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe. + +Siegmund. Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, würden Sie +auch zürnen? Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie... doch... + +Julchen. Bei Ihnen bin ich sehr sicher. Solange ein Lottchen in der +Welt ist, werden Ihre Liebeserklärungen nicht viel zu bedeuten haben. +Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts +erfahren. + +Siegmund. Meine Schöne, ich wollte wünschen, daß ich aus Verstellung +redte; aber ach nein! Denken Sie denn, daß man... + +Julchen. Und was? + +Siegmund. Daß man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann? + +Julchen. Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe. + +Siegmund. So werde ich sehr unglücklich sein, weil Sie mit seiner +Rolle nicht zufrieden sind. + +Julchen. Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine +Wünsche nicht erfülle? + +Siegmund. Vielleicht gewönne ich. Vielleicht würden Sie die +Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn. Ich verehre Sie; doch... +wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde! + +Julchen. Sie können eine fremde Person vortrefflich annehmen. Aber +auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich. Ich weiß nicht, wo meine +Schwester bleibt. Ich möchte doch wissen, was sie mir zu sagen hätte; +sie küßte mich vor Freuden. Es muß etwas Wichtiges sein. Ich muß sie +nur suchen.. Verziehn Sie einen Augenblick. + + + +Zwölfter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Ich Abscheu! Was habe ich getan? Ich werde der redlichsten Seele +untreu, die mich mit Entzückung liebt? Ich...? Aber wie schön, wie +reizend ist Julchen! Sie liebt ihn noch nicht... Und mir, mir ist +sie gewogen? Aber die Vernunft...? Sie soll schweigen... Mein Herz +mag die Sache ausführen.... Mißlingt mir meine Absicht: so bleibt mir +Lottchen noch gewiß. ... Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich +verliebt in Julchen zu stellen? Werde ich ihr darum untreu? Wie? +Sie kömmt noch einmal? Sucht sie mich mit Fleiß? + + + +Dreizehnter Auftritt + +Siegmund. Julchen. Der Magister. + + +Julchen (zu Siegmund). Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr +Damis wiederkömmt. Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und +Sie sollen so gütig sein und zu dem Papa kommen. Er wartet mit dem +Kaffee auf Sie. + +Siegmund. Nach Ihrem Befehle. Aber darf ich hoffen? + +Julchen. Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muß ich +Ihnen in der Sprache der Schönen antworten: Sie müssen mit meinem Papa +davon sprechen. + +Der Magister. Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich +möchte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen. + + + +Vierzehnter Auftritt + +Julchen. Der Magister. + + +Julchen. Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen +Neues erzählen will? + +Der Magister. Nein, ich habe sie gar nicht gesehn. Ich komme aus +meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen +Fabelbuche gelesen. Wenn Sie mir zuhören wollten: so wollte ich Ihnen +eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat. Ich +weiß, Sie hören gerne witzige Sachen. + +Julchen. Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin. Sie +lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Wie kommen Sie denn heute auf +diesen Einfall? Ja, ich weiß wohl eher, daß Sie mir eine ziemliche +finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder +Hagedorns Fabeln haben lesen sehen. + +Der Magister. Sie haben recht. Ich halte mehr auf gründliche +Schriften. Und das Solide ist für die Welt allemal besser als das +Witzige. Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so +ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen. Wollen Sie die +Fabel hören? Sie heißt Die Sonne. + +Julchen. O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen! Ich +will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, daß sie artig ist. Lesen Sie mir +sie nur nicht vor. + +Der Magister. Jungfer Muhme, ich weiß nicht, was Sie heute für eine +verdrießliche Gemütsart haben. Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir +etliche kostbare Stunden. Ich arbeite für Ihr Glück, für Ihre +Beruhigung. Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle +Augenblicke dafür? Bin ich Ihnen denn so geringe? Verdienen meine +Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit? Sind denn Ihre +Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich +genug bestimmt? Warum widersprechen Sie mir denn? Kann ich etwas +dafür, daß Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten? Habe +ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind, +etwa erdacht? Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft +enthalten? + +Julchen. Sie schmälen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmälen doch +gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben. Darf ich bitten: +so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester +gehn kann. Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schätze. + +Der Magister. Warum sollte ich's nicht wissen? Wenn Sie gleich nicht +den schärfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz. Und +ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beiträge und anderer +solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie läsen, +daß Sie bald anders sollten denken lernen. Wenn Sie die Triebe des +Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so würden Sie +sehen, daß der Trieb der Liebe ein Grundtrieb wäre, und also... + +Julchen. Sie reden mir so viel von der Liebe vor. Haben Sie denn in +Ihrer Jugend auch geliebt? Kennen Sie denn die Liebe recht genau? +Was ist sie denn? Ein Rätsel, das niemand auflösen kann. + +Der Magister. Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu +dringen. Die Liebe ist eine Übereinstimmung zweener Willen zu +gleichen Zwecken. Mich deucht, dies ist sehr adäquat. Oder soll ich +Ihnen eine andere Beschreibung geben? + +Julchen. Nein, ich habe mit dieser genug zu tun. Sagen Sie mir +lieber die Fabel. Ich muß zu meiner Schwester. + +Der Magister. Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu +verstehen als eine Kausaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint +mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein. Sie klingt also: Die +Sonne verliebte sich, wie man erzählt, einsmals in den Mond. Sie +entdeckte ihm ihre Wünsche auf das zärtlichste; allein der Mond blieb +seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Er verlachte alle die +Gründe, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zärtlichkeit gegen +die Sonne bewegen wollten. Ein heimlicher Stolz hieß ihn spröde tun, +ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war. Er trotzte auf sein +schönes und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der +Sonne mit Flecken verunstaltete. Und dies sind die Flecken, die wir +noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden. Dies ist die Fabel. + Was empfinden Sie dabei? + +Julchen. Ich empfinde, daß sie mir nicht gefällt und daß der +Verfasser ihrer noch viel machen wird. Ich will doch nicht hoffen, +daß Sie diese Erzählung im Ernste für artig halten. + +Der Magister. Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine +Stärke nicht sehen lassen. Aber wie? wenn ich die Fabel selbst +gemacht hätte? + +Julchen. So würde ich glauben müssen, daß die Schuld an mir läge, +warum sie mir nicht schön vorkömmt. + +Der Magister. Sie wissen sich gut herauszuwickeln. Ich will es Ihnen +gestehen. Es ist meine Arbeit. Ich will mich eben nicht groß damit +machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben. Aber wollten Sie +diese Fabel wohl auflösen? Was soll die Moral sein? + +Julchen. Das werden Sie mir am besten sagen können. + +Der Magister. Die Moral soll etwan diese sein: Ein schönes +Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange spröde tut, steht +in der Gefahr, daß das Alter ihr schönes Gesicht endlich verwüstet. + +Julchen. Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister. Ich merke, +die Fabel geht auf mich. Ich bin der Mond. Herr Damis wird die Sonne +sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen. +Habe ich nicht alles erraten? + +Der Magister. Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter +Bildern vorträgt: so machen sie einen großen Eindruck bei Ihnen. +Jungfer Muhme, denken Sie unmaßgeblich an die Fabel und widerstehen +Sie der Liebe des Herrn Damis nicht länger. Was soll ich Ihrem Papa +für eine Antwort bringen? + +Julchen. Sagen Sie ihm nur, daß ich über Ihre Fabel hätte lachen +müssen: so verdrießlich ich auch gewesen wäre. Ich habe die Ehre, +mich Ihnen zu empfehlen. + + +Funfzehnter Auftritt + +Der Magister. Cleon. Siegmund. + + +Cleon. Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen? Ich denke, +sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben. + +Der Magister. Sie bleibt unbeweglich. Ich weiß nicht, warum ich mir +des eigensinnigen Mädchens wegen so viel Mühe gebe. Wer weder durch +philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muß +man seinem Wahne zur Strafe überlassen. Ich sage ihr kein Wort mehr. +So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein gründliches +Erkenntnis von der Moral beibringen läßt. Ich habe mich zehnmal +erboten, deine Töchter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen +der Dinge zu zeigen. Aber nein, sie sollten witzig und nicht +vernünftig werden. + +Siegmund. Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch. Ist Julchen +nicht vernünftig genug? + +Der Magister. Warum denn nur Julchen? Ich verstehe Sie. Ich habe +ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten. Itzt warten meine Zuhörer +auf mich. + + + +Sechzehnter Auftritt + +Cleon. Siegmund. + + +Cleon. Ich weiß nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder +Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener +spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht +einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund. + +Siegmund. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, daß Julchen den +Herrn Damis nicht wohl leiden kann. + +Cleon. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von +der Erbschaft wüßte: so dächte ich, das Rittergut machte sie stolz. +Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da +sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit +heiraten. Sie wird sich wohl noch geben. + +Siegmund. Aber Sie wissen wohl, daß der Zwang in der Ehe üble Früchte +bringt. + +Cleon. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fügung. Und +ich wollte wohl wünschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens +sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, daß ich heute ein doppeltes +Verlöbnis ausrichten könnte. + +Siegmund. Ja, wenn nur meine Umstände... Ich habe einige hundert +Taler Schulden... + +Cleon. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen +und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben. + +Siegmund. Das ist sehr schön; aber... + +Cleon. Sie kriegen an Lottchen gewiß eine verständige Frau. Das +Mädchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht +schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache +manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem +Testamente bald käme! Also, wollen Sie Lottchen haben? + +Siegmund. Ja, ich wünsche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als +meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, daß es scheint, daß mir +Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und daß Lottchen hingegen +mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen, + daß mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie +anzuhalten und... + +Cleon. Was höre ich? Nun errate ich, warum das Mädchen sich so +geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwöre Sie, sagen Sie mir, + was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich... Ja doch. +Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch +gewogener. + +Siegmund. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa. + +Cleon. Also will Lottchen zwei Männer und Herr Damis zwo Weiber +haben? Das ist ja unsinnig. + +Siegmund. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr +ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, daß Sie alles so +geheimhalten, als es möglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn +Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich +Julchen anders. + +Cleon. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich +müßte mich ja schämen. + +Siegmund. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig wählen sollte: so +bin ich viel zu redlich, als daß ich ihr einen Mann mit so großem +Vermögen entziehen will. + +Cleon. Sie sind die Großmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein. +Ich wollte Ihnen Julchens Vermögen ebensowohl gönnen als dem Herrn +Damis. Freilich wäre die Einteilung nicht uneben. Lottchen wäre +durch Herrn Damis' Vermögen und Ihnen durch Julchens Erbschaft +geholfen. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll. + +Siegmund. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte, +Julchen versprechen? + +Cleon. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich +dächte, es wäre unbillig, daß Sie sie vergäßen. Ich kann mir nicht +einbilden, daß meine Tochter so unbeständig sein sollte. Ich habe sie +selber vielmal für Sie beten hören, daß es Ihnen der Himmel möchte +wohlgehen und Sie ihr zum Vergnügen leben lassen, wenn es sein Wille +wäre. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich +wohl. + +Siegmund. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich +liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu +erhalten suchen. + +Cleon. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben. + Ich denke gewiß, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich +will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr +nur recht viel Zärtliches vor. Sie hört es gern. Julchen will ich +selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange +aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der +rechtschaffene Mann nicht übelnimmt. + + + +Siebenzehnter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Das geht gut. Julchen wird noch meine... Sie ist schön, reich und +wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt... Aber, Himmel, wenn Lottchen +mein Vorhaben erfahren sollte! Würde sie mein Herz nicht verfluchen?.. +. Doch nein. Sie ist sicher. Sie liebt mich... Aber was quält +mich? Sind es die Schwüre, die ich ihr...? Unkräftige Schwüre der +Treue, euch hört der Himmel nicht... O Julchen, wie reizend bist du! +Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch? + + + +Achtzehnter Auftritt + +Siegmund. Lottchen. + + +Lottchen. Itzt kommen sie beide. Nun wollen wir's ihnen entdecken. +Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen! Und Sie, + mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb? Vergeben Sie mir diese +überflüssige Frage. + +Siegmund. Ja, meine Schöne, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre +Liebe für meine Treue unendlich belohnet. O könnte ich Sie doch +vollkommen glücklich machen! (Er küßt sie.) Um dies Vergnügen muß +mich ein Prinz beneiden. Hier kommen sie. Erlauben Sie, meine Schöne, + der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich. Er möchte +ungehalten werden. + + + +Neunzehnter Auftritt + +Lottchen. Julchen. Damis. + + +Lottchen (zu Damis). Ich wollte Ihnen ein schönes, junges, +liebenswürdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie +Julchen wollen fahren lassen. + +Julchen. Ist das die Neuigkeit? + +Damis. Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Rittergüter hätte: so würde mir +Julchen auch in einer Schäferhütte besser gefallen. + +Julchen. Was reden Sie? Hören Sie doch Lottchen an. Wer weiß, wie +glücklich Sie werden! Ich gönne es Ihnen und der andern Person. +Lottchen, wer ist sie denn? + +Lottchen. Es ist ein artiges Kind. Sie hat ein Rittergut für +funfzigtausend Reichstaler. Sie ist wohlerzogen. + +Julchen. So? Aber, wo... Wie heißt sie denn? + +Lottchen. Sie ist fast so schön wie du. + +Julchen. Das mag ich ja nicht wissen. Wenn ich schön bin: so wird +mir's der Spiegel sagen. So muß keine Schwester mit der andern reden. + Sage es dem Herrn Damis allein. Ich werde wohl nicht dabei nötig +sein. (Sie will gehn.) + +Damis. Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht. Ich gehe mit Ihnen. + +Julchen. Das wird sich nicht schicken. Das Frauenzimmer mit dem +Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, würde es sehr übelnehmen. +Es ist gut, daß Sie sich bei mir in den Liebeserklärungen geübt haben. + Nunmehr werden sie Ihnen wenig Mühe machen. + +Lottchen. Höre nur, meine Schwester. Es kömmt erst darauf an, ob das +Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird. Sie hat freilich schöne +große blaue Augen, fast wie du; eine gefällige Bildung und eine recht +erobernde Miene; kleine volle runde Hände. (Julchen sieht ihre Hände +an.) Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit. + +Julchen. O ich weiß gar nicht, was du haben willst? Kurz, wie heißt +denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt? + +Lottchen. Sie heißt ebenfalls, wie du, Julchen. + +Julchen. Oh! du willst mich zum Kinde machen. + +Lottchen. Nein, Julchen, ich kündige hiermit dir und deinem Liebhaber +ein ansehnliches Glück an. Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem +Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht. Herr Simon hat uns die +Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, daß er mir die +Freude gönnen möchte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen. Meine +liebe Schwester, ich wünsche dir tausend Glück zu deiner Erbschaft, +und Ihnen, mein Freund, wünsche ich meine Schwester. Wie glücklich +bin ich heute! + +Julchen. Was? Das ganze Rittergut? Und dir nichts? Hätte sie es +denn nicht teilen können? Ist es denn auch gewiß? Kann es nicht ein +Mißverstand sein? Warum hat sie denn dir nichts vermacht? + +Lottchen. Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich. Genug, die +Erbschaft ist deine und für dich bestimmt gewesen. Ich habe genug, +wenn ich künftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann. Ach, +Julchen, ich weiß, daß dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis +er dir seinen Glückwunsch abstatten kann. Ich habe ihn gebeten, dich +nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt hätte. + +Damis. Ich erstaune ganz. Vielleicht wäre es ein Glück für mich, +wenn kein Testament wäre. Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie +verlieren? + +Julchen. Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa. Nein, +ganz wünsche ich mir es nicht. Ich verdiene es auch nicht. Traurige +Erbschaft!... Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch +nicht vergnügt. (Sie sieht den Damis an.) Und Sie, mein Herr...? + +Damis. Und Sie, meine Schöne...? + +Lottchen. Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an. Ich weiß, +daß der Papa schon ein wenig geschmälet haben wird. + + + +Zwanzigster Auftritt + +Die Vorigen. Cleon. + + +Cleon. Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn? Soll sich der Kaffee +selber einschenken? + +Lottchen. Schmälen Sie nicht, lieber Papa. Ihre Töchter sind in +guten Händen. Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen. + +Julchen. Ach, lieber Papa... + +Cleon. Nun, was willst du? Soll ich dir zu deinem Glücke +gratulieren? Ich habe vor Freuden schon darüber geweint. Hast du +auch Gott für die reiche Erbschaft gedankt? Du gutes Kind. Ach +Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee +ein. Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments +bemühn. Sie, Herr Damis, sollen so gütig sein und ihm Gesellschaft +leisten. + +Damis. Von Herzen gern. + +(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.) + + + +Einundzwanzigster Auftritt + +Cleon. Julchen. + + +Cleon. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muß +dir doch lieb sein, daß du ein Rittergut hast. + +Julchen. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester +anbieten kann. + +Cleon. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner +Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe, +Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis? +Hat auch der eine Freude über deine Erbschaft? + +Julchen. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgültig zu sein. + +Cleon. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermögen. Aber du mußt +auch bedenken, daß er dich gewählt hat, da du noch ein armes Mädchen +warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr +Vormund itzt von ihm erzählet hat, du würdest ihn gewiß lieben! Ich +habe immer gedacht, er wäre nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so +hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich +versichert, daß er ein rechter scharfsinniger Mensch wäre und mehr +gute Bücher gelesen hätte, als Stunden im Jahre wären. Wer hätte das +denken sollen? + +Julchen. Daß er gelehrt ist, habe ich lange gewußt; allein daß ich's +nicht bin, weiß ich leider auch. Vielleicht sucht er die +Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut. + +Cleon. Du redst artig. Da werden die Töchter studieren können wie +die Söhne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schön +singen. Du kannst dein bißchen Französisch. Du schreibst einen +feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die +Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet +und fromm und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann +mehr haben? Herr Damis liebt dich gewiß. Mache, daß ich ihn bald +Herr Sohn und dich Braut heißen kann. + +Julchen. Braut? Das weiß ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa, +Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja +ebensoviel und noch mehr als ich. + +Cleon. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat +ihren Herrn Siegmund und verlangt kein großes Glück. Gib ihr etwas +von deinem Vermögen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so +will ich sie gleich heute verloben. Oder möchtest du Herrn Siegmunden +lieber zum Manne haben? + +Julchen. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die +Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn +Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener? + Und wenn auch dieser liebenswürdiger wäre, da er es doch nicht ist, +wie könnte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester +und er sie so zärtlich liebt? + +Cleon. So gefällst du mir. Ich bin ein rechter glücklicher Vater. +(Er klopft sie auf die Backen.) Meine liebe schöne Tochter, bleibe +bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast +den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir +zuweilen ein bißchen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe +alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand... + +Julchen. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschließe: so gebe ich Ihnen +mein Wort, daß ich einen Mann wähle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur +nicht meine Freiheit dabei verlöre! Wenn ich nur wüßte, ob ich ihn +etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich +habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht +zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde? + +Cleon. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe +macht wieder gesund. Ich spräche ja, wenn ich wie du wäre, damit ich +der Krankheit zuvorkäme. + +Julchen. Ach! Papa. + +Cleon. Ach! Du sollst nicht »Ach«, du sollst »Ja« sprechen. Du +gefällst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben. + +Julchen. Aber werde ich ihm stets gefallen? + +Cleon. Das kannst du denken. Woran stößt sich denn dein Herz noch? +Befürchtest du denn gar, daß er dir künftig untreu werden möchte? +Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, daß dein Liebster sehr +viel Religion hätte und oft zu sagen pflegte, daß er kein Mensch sein +möchte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich +gewiß zeitlebens für gut halten. Er wird seine Schwüre nicht brechen. + +Julchen. Ich höre keine Schwüre von ihm. Würde er seine Liebe nicht +beteuern, wenn er mich...? + +Cleon. Das ist schön, daß er nicht schwört. Um desto mehr kannst du +auf sein Wort bauen. Das öffentliche Versprechen ist eben der Schwur +in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn +zugleich tun willst. + +Julchen. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache +recht zu überlegen. Lassen Sie mir noch Zeit. + +Cleon. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann +sprich »Ja« oder »Nein«. Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe +dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du +willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen +haben. Die beiden schwarzen Pflästerchen lassen recht hübsch zu +deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren? + +Julchen. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken. + +Cleon. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen +Gevatterbrief schickst. Komm und führe mich bei der Hand. Ich möchte +gern einmal von einer Braut geführet werden. + +(Ende des zweiten Aufzugs.) + + + + +Dritter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Siegmund. Julchen. + + +Julchen. Was sagen Sie mir? Das glaube ich in Ewigkeit nicht. + +Siegmund. Ich aber glaube es. + +Julchen (bestürzt). Hat er es Ihnen denn selbst gesagt? Ich +Unglückliche! + +Siegmund. Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es +ist gewiß, daß er Ihnen Lottchen weit vorzieht. Ich wollte ihm diese +Beleidigung, so groß sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie +nicht zugleich beleidigte. Ich bedaure Sie, mein Engel. Ich weiß, +Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen, + daß Sie dem Unbeständigen wenigstens meinen Namen verschweigen. + +Julchen. War dies die Ursache seiner Traurigkeit? Der Treulose! Was +hat er für Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betrügen? Wenn er +mir aus Rache das Leben hätte nehmen wollen: so würde ich ihn noch +nicht hassen. Aber daß er mich unter der Maske der Liebe und +Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat. + +Siegmund. Er wird es leugnen, denken Sie an mich. + +Julchen. Der Verräter! Ja, er soll es leugnen. Ich mag dieses +Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren. Ich will ihn nicht +bestrafen. Nein! Sein Gewissen wird mich rächen... Wie? Er? dem +ich heute mein Herz schenken... doch nein, ich habe ihn nicht geliebt. + Aber hat er nicht tausendmal gesagt, daß er mich liebte? Hält man +sein Wort unter den Männern nicht besser? + +Siegmund. O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen +nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen. Sollten Sie mein Herz sehen! + Ja... auch der Zorn macht Sie noch liebenswürdiger. + +Julchen. Verlassen Sie mich, liebster Freund. Ich will... Und du, +meine Schwester, du schweigst? Und alles dies tust du, o Liebe, du +Pest der Menschen!... Verlassen Sie mich. Ich verspreche Ihnen bei +meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit +zeitlebens zu belohnen. Aber kommen Sie bald wieder hieher. + +Siegmund. Sobald, als ich glaube, daß sich Ihre Hitze etwas gelegt +haben wird. + + + +Zweiter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht). Eben zu der Zeit, +da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch +untreu...? Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen? Bin ich +bezaubert? + +Damis. Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht? Mit wem reden +Sie? + +Julchen. Mit einem Betrüger, den ich geliebt haben würde, wenn ich +weniger von ihm erfahren hätte. (Gelinder.) Ist es Ihnen möglich +gewesen, mich zu hintergehn? Mich? die ich schon anfing, Sie im +Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn? Warum handeln Sie +so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muß, +nachdem ich sie gefühlt habe? Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie für +ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, daß ich Sie niemals +hassen, daß ich mich vielmehr bemühen werde, Ihren Fehler vor mir +selbst zu verbergen. + +Damis. Ich Unglücklicher! Ist der Betrüger der Name, den ich +verdiene? Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzürnte +Freundin. Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten +Gewissens, daß mein Herz gar keines Betrugs fähig ist. Ich verlange +es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die übele Meinung beigebracht hat. +Die Zeit wird mich schon rechtfertigen. + +Julchen. Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze? + + + +Dritter Auftritt + +Die Vorigen. Lottchen. + + +Damis (zu Lottchen). Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an, +mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben. + +Lottchen. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich +über die ersten Küsse. + +Damis (zu Julchen). Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer +Schwester. Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen. + +Julchen. Vielleicht fände ich da die wenigste Hülfe. + +Lottchen. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es hätte wissen +sollen, daß du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Bräutigam +zanken würdest: sie hätte dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute +vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, daß der Krieg nicht lange +dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die +Liebe etwas zänkisch ist. + +Julchen. O scherze nicht. + +Lottchen (zu Damis). Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben +Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich +Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besänftigen. Julchen, rede +wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er +dich ja beleidiget hat: so laß dir den Kuß wiedergeben: so seid ihr +geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander? + +Julchen. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner +Gegenwart nicht sagen können. Ich glaube zwar gar nicht, daß du ihm +Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafür, daß du +liebenswürdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein +Verdienst. Er würde dich nicht lieben, wenn er nicht die größten +Vorzüge zu lieben gewohnt wäre. Ich entschuldige ihn selbst. + +Lottchen. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du +dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eröffnen. +Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn +Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich +verliebt stellen sollen, um dich zu überführen, daß du vielleicht +schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben, + daß Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine +Rolle gar zu gut gespielt. + +Julchen. Er tat sehr ernstlich und... + +Damis (zu Julchen). Sehn Sie, was ich für ein betrügerisches Herz +habe? + +Julchen. Aber... + +Damis. Sie können noch ein Mißtrauen in mich setzen? Wie wenig +müssen Sie mich kennen! + +Julchen. Ich? mein Herr... + +Damis. Ist das der Lohn für meine Liebe? + +Julchen. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Würde ich eifersüchtig +geworden sein, wenn ich nicht... Also haben Sie mich nicht +hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat für Sie gesprochen. + +Lottchen. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich +merke, daß es dir schon weh tut, daß du deinen Geliebten wegen deiner +Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner +Stelle tun. (Zum Damis.) Mein Herr, sein Sie so gütig und vergeben +Sie es Julchen, daß Sie zärtlicher von ihr geliebt werden, als Sie +gedacht haben. + +Julchen. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen +Fehler freiwillig ab. + +Damis. Aber lieben Sie mich denn auch? + +Julchen. Ja. Nunmehr weiß ich's gewiß, daß ich Sie liebe. Und +nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem +Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wünsche dadurch befriediget +werden. + +Damis. Meine Juliane! Ich bin zu glücklich. + +Julchen. Wenn ich Ihr Herz noch nicht hätte: so würde ich nunmehr +selbst darum bitten, so hoch schätze ich's. + +Damis. Vortreffliche Juliane! Ich bin... Doch es ist mir kein +Gedanke anständig genug für Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen +in der Entzückung antworten kann. + +Lottchen. Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei +ewig glücklich! Sei mir ein Beispiel der Zärtlichkeit und der +Zufriedenheit. (Zum Damis.) Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen +so glücklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wünsche. Bleiben +Sie ein Freund meines Freundes, und befördern Sie unsere Ruhe durch +Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater +gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens +Entschluß hört! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie, +ich will das Vergnügen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir +heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von +der Gewißheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben. + +(Julchen und Damis gehn ab.) + + + +Vierter Auftritt + +Lottchen. Simon. + + +Simon. Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem +Testamente zu bringen. Ich habe sie selbst geholet. Wollen Sie +unbeschwert diesen Punkt lesen? (Er reicht ihr die Abschrift.) + +Lottchen (sie liest). Wie? Ich bin die Erbin des Ritterguts? Ich? + +Simon. Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester. +Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muß sich +entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiß angerichtet +haben, um seiner Jungfer Pate eine desto größere Freude zu machen. +Genug, es ist nunmehr gewiß, daß Sie die Erbin des Ritterguts sind, +und kein Mensch kann Ihnen dieses Glück aufrichtiger gönnen, als ich +tue. Sie verdienen noch weit mehr. + +Lottchen. O das ist ein trauriges Glück! Wird nicht meine liebe +Schwester darüber betrübt werden? Wird nicht Ihr Herr Mündel...? + +Simon. Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und +nunmehr falsche Nachricht brachte. Lesen Sie doch nur weiter. Sie +sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen +zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird. + +Lottchen. Nun bin ich zufrieden. Sie soll noch mehr haben als +zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht über ihren Verlust kränkt. +O was für Bewegungen fühle ich in meiner Seele! Und was werde ich +erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden über mein +Glück erschrecken sehe? O wie schön wird er erschrecken! Gott, wie +glücklich bin ich! Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird. + + + +Fünfter Auftritt + +Die Vorigen. Siegmund. + + +Siegmund. Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehört, endlich ihr Ja +von sich gegeben? Ist es gewiß? Das ist mir sehr angenehm. + +Lottchen (zu Simon). Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn +Mündels erklärt und wird die Ehre haben, Sie um einen Bräutigam zu +bitten, der unter Ihren Händen so liebenswürdig geworden ist. Aber, +mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente. Geht es +Ihnen nicht ein wenig nahe, daß die Frau Muhme uns beide vergessen hat? + +Siegmund. Nein, nicht einen Augenblick. Sie sind mir mehr als ein +reiches Testament. + +Lottchen. Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten +sollte, wollen wir's annehmen? + +Siegmund. Da sie nicht mehr über ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie +auch nicht über ihr Vermögen zu befehlen. + +Simon. O mein Herr, Sie können versichert sein, daß ihr mein Mündel +die völlige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein. +Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Überflusse, sondern in dem +Gebrauche desselben. Er würde Julchen gewählt haben, wenn sie auch +keine Erbschaft getan hätte. Und vielleicht wäre es ihm gar lieber, +wenn er ihr Glück durch sich allein hätte machen können. Wir wollen +wünschen, daß alle Liebhaber so edel gesinnt sein mögen als er. + +Lottchen. Hören Sie, Herr Siegmund, was wir für einen großmütigen +Bruder bekommen haben? + +Siegmund. Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die größte Ehre. + +Simon. Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn. Er ist von seinem +zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde +alle meine Sorgfalt für ihn so reichlich belohnet und mir so vieles +Vergnügen gemacht, daß ich nicht weiß, wer dem andern mehr Dank +schuldig ist. + +Lottchen. Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem +Bräutigam meiner Schwester gönne. Und wenn mein Papa sterben sollte: +so würde ich Ihr Mündel sein, um ebendieses Lob zu verdienen. O was +ist der Umgang mit großen Herzen für eine Wollust! Aber, Herr Simon, +darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe +gebeut und rechtfertiget? Ja, Sie sind es würdig, die Regungen meiner +Seele ohne Decke zu sehen. (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn. +) Endlich, mein Freund, bin ich so glücklich, Ihren Umgang und Ihre +Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen. Sie +haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt. Die Vorsicht hat mich +heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht rühmlicher +anzuwenden weiß, als wenn ich sie in Ihre Hände bringe. Ich weiß, Sie +werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen. Hier ist eine +Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erkläret bin, anstatt +daß es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war. Kurz, die +Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehört Julchen. + Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen. + +Siegmund. Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgültig. + +Lottchen. Eben deswegen verdienen Sie's. Fehlt zu Ihrem Glücke +nichts als meine Liebe: so können Sie nie glücklicher werden. + +Siegmund. Ach, meine Schöne, wie erschrecke ich! Sie machen, daß man +die Liebe und das Glück erst hochschätzt. O warum kann nicht die +ganze Welt Ihrer Großmut zusehen! Sie würden auch den +niederträchtigsten Seelen liebenswürdig vorkommen und ihnen bei aller +Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, daß sie Ihnen gleichen +möchten. Ich danke es der Schickung ewig, daß sie mir Ihren Besitz +zugedacht hat. Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater, +um ihn nunmehr... + + + +Sechster Auftritt + +Die Vorigen. Ein Bedienter. + + +Der Bediente (zu Lottchen). Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell. Er +kömmt von der Post. + +Lottchen. Ein Brief von der Post? + +Siegmund. Ja, ich habe den Briefträger selbst auf dem Saale stehen +sehen, ehe ich hereingekommen bin. + +Lottchen. Wollen Sie erlauben, meine Herren, daß ich den Brief in +Ihrer Gegenwart erbrechen darf? + +Simon. Ich will indessen meinem lieben Mündel meinen Glückwunsch +abstatten. + + + +Siebenter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen (indem sie den Brief für sich gelesen hat). O mein Freund, +man will mir mein Glück sauermachen. Man beneidet mich, sonst würde +man Sie nicht verkleinern. Es ist ein boshafter Streich; er ist mir +aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und +meiner Liebe geben kann. Ich will Ihnen den Brief lesen. Er besteht, +wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen. (Sie liest.) »Mamsell, trauen Sie +Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht. Er ist ein Betrüger. N. +N.« + +Siegmund. Was? Ich ein Betrüger? + +Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand). Ich weiß, daß Sie groß genug +sind, dieses hassenswürdige Wort mit Gelassenheit anzuhören. Es ist +ein Lobspruch für Sie. Ich verlange einen solchen Betrüger, als Sie +sind, mein Freund. + +Siegmund. Aber wer muß mir diesen boshaften Streich an dem heutigen +Tage spielen? Wie? Sollte es auch Herr Simon selbst sein? Liebt er +Sie vielleicht? Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft? Warum ging er, da +der Brief kam? Soll ich ihm dieses Laster vergeben? Wenn er mir +meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen hätte: so würde ich ihm für +diese Demütigung danken; aber daß er mir die Ehre eines guten Herzens +rauben will, das ist ärger, als wenn er mir Gift hätte geben wollen. +Ich?... Ich, ein Betrüger? Himmel, bringe es an den Tag, wer ein +Betrüger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat! Ist das +der edelgesinnte Vormund? + +Lottchen. Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie +sich. Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte. Es ist +nicht möglich, daß er eine solche Niederträchtigkeit begehen sollte. +Sein Charakter ist edel. Wer weiß, was Sie sonst für einen Feind +haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht +bekommen hat. + +Siegmund. Sie entschuldigen den Vormund noch? Hörten Sie nicht den +boshaften Ausdruck: Wir wollen wünschen, daß alle Liebhaber so edel +gesinnt sein mögen als mein Mündel? Ist dieses nicht eine +unverschämte Anklage wider mich? + +Lottchen. Ich sage Ihnen, daß Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch +einen Augenblick in Verdacht haben. So, wie ich ihn kenne und wie mir +ihn sein Mündel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein +Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann. + +Siegmund. Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben? Ich habe +gemerkt, daß er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das +geringste Wort Achtung gegeben hat. Es kömmt noch ein merkwürdiger +Umstand dazu. Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon +triumphieret, daß er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe +erhalten hätte. Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt; +aber mir nicht. + +Lottchen. Ich beschwöre Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie +diesen Mann aus dem Verdachte. + +Siegmund. Warum hat er mir nicht gesagt, daß man ihm vom Hofe einen +vornehmen Charakter und eine ungewöhnliche Pension gegeben hat? Was +sucht er darunter, wenn er nicht mein Unglück bei Ihnen sucht? + +Lottchen. Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zärtlichen Liebe zu mir. +Außerdem würde ich Sie nicht länger anhören. Wir wollen die Sache zu +unserm Vorteile enden. Ihre Feinde mögen sagen, was sie wollen. Sie +sind bestraft genug, daß sie Ihren Wert nicht kennen. Und wir können +uns nicht besser rächen, als daß wir uns nicht die geringste Mühe +geben, sie zu entdecken. Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen. Ich +komme in der Gesellschaft meines Vaters und der übrigen gleich wieder +zu Ihnen, unser Bündnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen. + + +Achter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Das war ein verfluchter Streich! Aber er macht mich nur mutiger. +Julchen ist verloren... Gut, ist doch Lottchen, ist doch das +Rittergut mein... Ich bin nicht untreu gewesen. Nein! Ich habe es +nur sein wollen; aber ich war zu edel, als daß mich's die Umstände +hätten werden lassen. Aber wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine +Untreue erfahren? Ich will sie sicher machen. + + + +Neunter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. »Wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine Untreue erfahren? +Ich will sie sicher machen.« Der Boshafte! Hörten Sie sein +Bekenntnis? Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe +aufführen würde. O hätten wir diese unglückselige Entdeckung doch +niemals gemacht! Du arme Schwester! Du verbindest dich mit einem +Menschen, der ein böses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat. + +Damis. Ja, es ist ein nichtswürdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt +habe. Er hat den größten Betrug begangen. Ich bitte ihn heute +Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, daß er mir Ihre Liebe +sollte gewinnen helfen. Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater, +unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden, +als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten. Ist das mein Freund, dem +ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermögen angeboten habe? + +Julchen. Mich hat er bereden wollen, daß Sie meiner Schwester +gewogener wären als mir. Nunmehro weiß ich gewiß, daß es keine +Verstellung gewesen. Aber meine arme Schwester wird es doch denken, +weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat. Wer soll +ihr ihren Irrtum entdecken? Wird sie uns hören? Und wenn sie es +glaubt, überführen wir sie nicht von dem größten Unglücke! Wie dauret +sie mich! + +Damis. Ja. Aber sie muß es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so +rede ich. + +Julchen. Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester! +Schweigen Sie. Vielleicht... Vielleicht ist er nicht von Natur +boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft... + +Damis. Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist +er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein +Mensch, der den andern aus Hunger auf der Straße umbringt. Hat ihn +die ausnehmende Zärtlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die +edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft +erhalten können: so muß es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes +willen seinen nächsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der +geringsten Wollust wegen abzuschwören. + +Julchen. Aber ach, meine Schwester... Tun Sie es nicht. Ich zittre.. +. + +Damis. Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt. Aber +ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so unglücklich werden lasse, sich mit +einem Nichtswürdigen zu verbinden: so will ich mein Vermögen, meine +Ehre und Sie selbst verlieren. Ich gehe und sage ihr alles, und wenn +sie auch ohne Trost sein sollte. Mein Herr Vormund hat das Billett an +Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen. +ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide für zu +einfältig gehalten, haben seine tückischen Absichten zuerst gemerkt, +und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut. Dieser haßt und +sieht die kleinsten Betrügereien. + +Julchen. Ist er denn gar nicht zu entschuldigen? + +Damis. Nein, sage ich Ihnen. Wir haben alles untersucht. Er ist ein +Betrüger. (Mit Bitterkeit.) Ich habe in meinem Leben noch kein Tier +gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen +durch seine Verstellung unglücklich machen sollte, wollte ich mit +Freuden umbringen. Was? Wir Männer wollen durch den häßlichsten +Betrug das Frauenzimmer im Triumph aufführen, das wir durch unsere +Tugend ehren sollten? + +Julchen. Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen? + +Damis. Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen. Sie soll ihn fühlen +lassen, was es heißt, ein edles Herz hintergehn. + +Julchen. Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte. Wäre das +nicht auch großmütig? + +Damis. Sie braucht ihn nicht zu verfolgen. Sie kann alle Regungen +der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen. Er ist ein +Unmensch. + + + +Zehnter Auftritt + +Die Vorigen. Simon. + + +Simon. Ich stehe die größte Qual aus. Unsere Absicht mit dem Briefe +schlägt leider fehl. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn +für unschuldig hält. Sie dringt in ihren Vater, daß er die Verlobung +beschleunigen soll. Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergißt +vielleicht in der großen Liebe die Vorsichtigkeit und meine +Erinnerungen. Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme +preiszugeben: so will ich's tun. + +Damis. Ich tue es auch. + +Julchen. Wenn nur meine Schwester käme. Ich wollte... Aber sie +liebt ihn unaussprechlich. Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich +auf einmal von ihm trennen soll? + +Simon. Es wird viel empfinden. Sie liebt ihn so sehr, als man nur +lieben kann. Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der +Liebe wert hält. Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die +Vernunft, das Gefühl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider +ihre Liebe empören und sie verdringen. Der Haß wird sich an die +Stelle der Liebe setzen. Wir müssen alle drei noch einmal mit ihr und +dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betrügt. + +Julchen. Du redliche Schwester! Könnte ich doch dein Unglück durch +Wehmut mit dir teilen! Wie traurig wird das Ende dieses Tages für +mich! + +Simon. Betrüben Sie sich nicht über den Verlust eines solchen Mannes. + Lottchen ist glücklich, wenn sie ihn verliert, und unglücklich, wenn +sie ihn behält. Herr Damis, haben Sie die Güte und sehen Sie, wie Sie +Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und +hieherbringen können. + +Damis. Ja, das ist das letzte Mittel. + +Simon (zu Damis). Noch ein Wort. Haben Sie die Abschrift des +Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe? + +Damis. Nein, Herr Vormund. + +Simon. Sie auch nicht, Mamsell Julchen? + +Julchen. Nein. + +Simon. Also wissen Sie beide noch nicht, daß die erste Nachricht +falsch gewesen ist. Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht. Sie sind +nicht die Erbin des Ritterguts. + +Julchen. Wie? Ich bin's nicht? Warum haben Sie mir denn eine +falsche Freude gemacht? Das ist betrübt. Geht denn heute alles +unglücklich? Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts? Bin ich nicht mehr +Ihre Braut? Geht denn das Unglück gleich mit der Liebe an? Ich +wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen. +Ich ließ schon die besten Zimmer für sie zurechtemachen. Ach, mein +Herr, was für Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, daß +ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und +Wiesen führte... ! Also habe ich nichts? + +Damis. Sie haben so viel, als ich habe. Vergessen Sie die traurige +Erbschaft. Es wird uns an nichts gebrechen. Mir ist es recht lieb, +daß Sie das Rittergut nicht bekommen haben. Vielleicht hätte die Welt +geglaubt, daß ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren +eigenen Wert gesehen hätte. Und dies soll sie nicht glauben. Sie +soll meine Braut aus ebender Ursache hochschätzen, aus der ich sie +verehre und wähle. Führen Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen +Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnügen machen. Genug, daß +Sie ein Rittergut verdienen. O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende +gerissen hätte. Ich werde eher nicht ruhig. + +Simon. Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts. + +Julchen. Meine Schwester ist es? Meine Schwester? Bald hätte ich +sie beneidet; aber verwünscht sei diese Regung! Nein! Ich gönne ihr +alles. (Zu Damis.) Was könnte ich mir noch wünschen, wenn Sie mit +mir zufrieden sind. Sie soll es haben. Ich gönne ihr alles. + +Damis. Auch mich, meine Braut? + +Julchen. Ob ich Sie meiner Schwester gönne? Nein, so redlich bin ich +doch nicht. Es ist keine Tugend; aber... Fragen Sie mich nicht mehr. + +Damis. Nein. Ich will Mamsell Lottchen suchen. Die Zärtlichkeit +soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen. + + + +Eilfter Auftritt + +Julchen. Simon. + + +Julchen. Ob ich ihn meiner Schwester gönne? Wie könnte sie das von +mir verlangen? Sie hat ja das Rittergut. Ich liebe sie sehr; aber +wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befördern soll: +so fordert sie zu viel. Das ist mir nicht möglich. + +Simon. Machen Sie sich keine Sorge. Sie wird es gewiß nicht begehren. + Ich muß Ihnen auch sagen, daß sie Ihnen nach dem Testamente +zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll. + +Julchen. Das ist alles gut. Wenn ich nur meiner Schwester ihren +Liebhaber durch dieses Geld treu machen könnte, wie gern wollte ich's +ihm geben! Der böse Mensch! Kann er nicht machen, daß ich den Herrn +Damis verliere, indem er Lottchen verliert? Aber warum läßt der +Himmel solche Bosheiten zu? Was kann denn ich für seine Untreue? Ich +bin ja unschuldig. + +Simon. Mein Mündel kann niemals aufhören, Sie zu lieben. Verlassen +Sie sich auf mein Wort. Jungfer Lottchen ist zu beklagen. Aber +besser ohne Liebe leben, als unglücklich lieben. Wenn sie doch käme! + +Julchen. Aber wenn sie nun kömmt? Ich kann ja ihre Ruhe nicht +herstellen. Ich habe sie herzlich lieb. Aber warum soll denn meine +Liebe mit der ihrigen leiden? Nein, so großmütig kann ich nicht sein, +daß ich ihr zuliebe mich und... mich und ihn vergäße. Wenn sie doch +glücklich wäre! Ich werde recht unruhig. Er sagte, er wollte die +Zärtlichkeit der Freundschaft nachsetzen. Was heißt dieses? + +Simon. Bleiben Sie ruhig. Mein Mündel ist der Ihrige. Sie verdienen +ihn. Und wenn Sie künftig an seiner Seite die Glückseligkeiten der +Liebe genießen: so verdanken Sie es der Tugend, daß sie uns durch +Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht. + + + +Zwölfter Auftritt + +Die Vorigen. Der Magister. + + +Der Magister. Herr Simon, ich möchte Ihnen gern ein paar Worte +vertrauen. Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige +Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtümer für Gewalt über +das menschliche Herz haben. + +Simon. Ich fürchte, daß mir diese unglückliche Entdeckung schon mehr +als zu bekannt ist. + +Der Magister. Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube +nachgedacht. + +Julchen. Können Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist? Tun Sie +es doch, lieber Herr Magister. + +Der Magister. Siegmund muß bestraft werden, damit er gebessert werde. + +Simon. Er verdient nicht, daß man ihn anders bestrafe als durch +Verachtung. + +Der Magister. Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden? + +Simon. Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern? + +Der Magister. Das will ich itzt nicht ausmachen. Aber sagen Sie mir, +Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, daß +nur ein Laster ist; oder daß, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer +Kraft nach zugegen sind? Sehn Sie nur Siegmunden an. Ist er nicht +recht das Exempel zu diesem Paradoxo? + +Simon. Ja, Herr Magister. Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von +der Liebe zu Siegmunden abbringen? Sie glaubt es ja nicht, daß er +untreu ist. + +Der Magister. Das wird sich schon geben. O wie erstaunt man nicht +über die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat +und welche alle mit einem haben! Siegmund wird bei der Gelegenheit +des Testaments geizig. Ein Laster. Er strebt nach Julchen, damit er +ihre Reichtümer bekomme. Welcher schändliche Eigennutz! Er wird +Lottchen untreu und will Julchen untreu machen. Wieder zwei neue +Verbrechen. Er kann sein erstes Laster nicht ausführen, wenn er nicht +ein Betrüger und Verräter wird. Also hintergeht er seinen Freund, +seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die +Tugend hintergangen hat. Aber alle diese Bosheiten auszuführen, mußte +er ein Lügner und ein Verleumder werden. Und er ward es. Welche +unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern? Sollten +also die Stoiker nicht recht haben? + +Simon. Wer zweifelt daran? Herr Magister. Ich glaube es, daß Sie +die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen. Sie reden +sehr wahr, sehr gelehrt. Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt, +und wir danken Ihnen zeitlebens dafür. Aber entdecken Sie nun auch +das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, daß sie sich nicht mit dem +untreuen Siegmund verbindet. + +Der Magister. Darauf will ich denken. Lottchen ist zu leichtgläubig +gewesen. Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man +Ursache hat, ein Mißtrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man +es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat. +Wir haben so viele Vernunftlehren. Eine Willenslehre ist ebenso nötig. + Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der +Verstand? So wie der Verstand Grundsätze hat, die sein Wesen +ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe. Kennt man diese, so +kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu +verbessern. Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen +nicht hundertmal gesagt, daß Siegmund nichts Gründliches in der +Philosophie weiß? Dies sind die traurigen Früchte davon. + +Julchen. Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betrübten +Sache empfänden als ich, Sie würden diese Frage itzt nicht an mich tun. + Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt. Und ich wollte wünschen, +daß Sie an die Fabel von dem Knaben gedächten, der in das Wasser +gefallen war. Anstatt daß Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so +zeigen Sie uns den Ursprung und die Größe derselben. Nehmen Sie meine +Freiheit nicht übel. + +Der Magister. Ich kann Ihnen nichts übelnehmen. Zu einer Beleidigung +gehört die gehörige Einsicht in die Natur der Beleidigung. Und da +Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber +sie sind es nicht. + +Simon. Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun? + +Der Magister. Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen +und meinem Bruder kurz und gut sagen, daß ich meine Einwilligung nicht +darein gebe. Alldann muß die Sache ein ander Aussehn gewinnen. + +Simon. Gut, das tun Sie. + + +Dreizehnter Aufzug +Julchen. Simon. + +Julchen. Ich will dem Herrn Magister nachgehen. Er möchte sonst gar +zu große Händel anrichten. Entdecken Sie Lottchen, wenn sie kömmt, +die traurige Sache zuerst. Ich will sorgen, daß Sie Siegmund in Ihrer +Unterredung nicht stört und Ihnen, wenn ich glaube, daß es Zeit ist, +mit meinem Bräutigame zu Hülfe kommen. + +Simon. Ich will als ein redlicher Mann handeln. Und wenn ich mir +auch den größten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die +niederträchtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so +will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen. + + +Vierzehnter Auftritt + +Simon. Lottchen. + + +Lottchen. Was ist zu Ihrem Befehle? Haben Sie etwa wegen der +zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu +erinnern? Tun Sie nur einen Vorschlag. Ich bin zu allem bereit. + +Simon. Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden. Glauben Sie +wohl, daß mir Ihr Glück lieb ist und daß ich ein ehrlicher Mann bin? +So unhöflich diese beiden Fragen sind: so muß ich sie doch an Sie tun, +weil ich sonst in der Gefahr stehe, daß Sie meinen Antrag nicht +anhören werden. + +Lottchen. Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen? Reden Sie frei. +Ich sage es Ihnen, daß ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich +meinem Vater schuldig bin. Ich will Ihnen den größten Dank sagen, +wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die +Tat zu beweisen. Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit +überzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Bräutigams. Kann es Ihnen +nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden? + +Simon. Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers. + +Lottchen. Will Ihr Herr Mündel etwa das Rittergut gern haben, weil es +so nahe an der Stadt liegt? Nun errate ich's, warum er itzt gegen den +guten Siegmund etwas verdrießlich tat. Warum hat er mir's nicht +gleich gesagt? Er soll es haben und nicht mehr dafür geben, als Sie +selbst für gut befinden werden. Kommen Sie zur Gesellschaft. Ich +habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten, +entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern +Aufschub das Recht über mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu +zeigen, daß ich auf keine gemeine Art liebe. + +Simon. Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die +Post bringen helfen. + +Lottchen. Ehe wollte ich glauben, daß ihn mein Vater, der mich so +sehr liebt, geschrieben hätte. Sie scherzen. + +Simon. Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die +Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft. Erschrecken Sie nur, +und hassen Sie mich. Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es +nicht aufrichtig mit Ihnen. + +Lottchen. Sie wollen gewiß das Vergnügen haben, meine Treue zu +versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, daß ich nicht +erschrecken kann. + +Simon. Sie glauben, ich scherze? Ich will also deutlicher reden. +Ihr Liebhaber ist ein Betrüger. + +Lottchen (erbittert). Mein Herr, Sie treiben die Sache weit. Wissen +Sie auch, daß ich für die Treue meines Liebhabers stehe und daß Sie +mich in ihm beleidigen? Und wenn er auch der Untreue fähig wäre: so +würde ich doch den, der mich davon überzeugte, ebensosehr hassen als +den, der sie begangen. Aber ich komme gar in Zorn. Nein, mein Herr, +ich kenne ja Ihre Großmut. Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiß, als ich +lebe. + +Simon. So gewiß, als ich lebe, ist es mein Ernst. Er ist unwürdig, +noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden. + +Lottchen. Und ich werde ihn ewig lieben. + +Simon. Sie kennen ihn nicht. + +Lottchen. Besser als Sie, mein Herr. + +Simon. Ihre natürliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen +macht, daß Sie ihn für aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht. + +Lottchen. Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand. Ich +habe Sie und meinen Liebhaber für aufrichtig gehalten. Ich will mich +betrogen haben. Aber wen soll ich zuerst hassen? Ist Ihnen etwas an +meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie. Sie verändern mein +ganzes Herz. Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen; +aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennützig zu +handeln. Wäre es Ihrem Charakter nicht gemäßer, mich tugendhaft zu +erhalten, als daß Sie mich niederträchtig machen wollen? Warum reden +Sie denn nur heute so? + +Simon. Weil ich's erst heute gewiß erfahren habe. Wenn Sie mir nicht +glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem +Mündel. + +Lottchen. Das ist schrecklich. Haben Sie diese auch auf Ihre Seite +gezogen? + +Simon. Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater. Und +ehe ich zugebe, daß ein Niederträchtiger Ihr Mann wird, ehe will ich +mich der größten Gefahr aussetzen. Sie sind viel zu edel, viel zu +liebenswürdig für ihn. + +Lottchen. Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten? Muß er +nur darum ein Betrüger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswürdig +bin? Und Sie glauben, daß sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen +läßt? Nunmehr muß ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen. + Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn können. + +Simon. Machen Sie mir noch so viele Vorwürfe. Die größten +Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstoßen, sind nichts als Beweise +Ihres aufrichtigen Herzens. Die Meinung, in der Sie stehen, +rechtfertiget sie alle. Und ich würde Sie vielleicht hassen, wenn Sie +mein Anbringen gelassener angehört hätten. Genug... + +Lottchen. Das ist ein neuer Kunstgriff. Mein Herr, Ihre List, wenn +es eine ist, und sie ist es, sei verwünscht! Wie? Er, den ich wie +mich liebe?... Sie wollen sich an seine Stelle setzen? Ist es +möglich? + +Simon. Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich +verschmerzen. Es ist wahr, daß ich Sie ungemein hochachte; aber ich +habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner +Niederträchtigkeit zu benehmen. Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus +nicht mehr zu betreten, solange ich lebe. Und wenn ich durch diese +Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf +das entsetzlichste. Nach diesem Schwure schäme ich mich, mehr zu +reden. (Er geht ab.) + + + +Funfzehnter Auftritt + +Lottchen allein. + + +Gott, was ist das?... Er soll mir untreu sein?... Nimmermehr! Nein! + Der Vormund sei ein Betrüger und nicht er. ... Du, redliches Herz! +Du, mein Freund, um dich will man mich bringen? Warum beweist er +deine Untreue nicht? + + + +Sechzehnter Auftritt + +Lottchen. Damis. + + +Lottchen. Kommen Sie mir zu Hülfe. Und wenn sie mein Unglück auch +alle wollen: so sind doch Sie zu großmütig dazu. Was geht mit meinem +Bräutigam vor? Sagen Sie mir's aufrichtig. + +Damis. Er ist Ihnen untreu. + +Lottchen. Auch Sie sind mein Feind geworden? Hat Sie mein Liebhaber +beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so großmütig und sagen mir +nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen. + +Damis. Mein Herz ist viel zu groß zur Rache. + +Lottchen. Aber klein genug zur Undankbarkeit? Hat Ihnen mein +Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen? + +Damis. Wollte der Himmel, er hätte mir ihn nicht erwiesen: so würden +Sie glücklicher, und er würde nur ein verborgner Verräter sein. + +Lottchen. Betrüger! Verräter! Sind das die Namen meines Freundes, +den ich zwei Jahr kenne und liebe? + +Damis. Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so würde ich mit +mehr Mäßigung vor Ihnen reden. Aber mein Eifer gibt mir für Ihren +Liebhaber keinen andern Namen ein. Sie, meine Schwester, sind Ihres +Herzens wegen würdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der +Mensch, der bei Ihrer Zärtlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen +der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen, +eine abscheuliche Seele. + +Lottchen. Eine abscheuliche Seele? Wohlan; nun fordere ich Beweise. +(Heftiger.) Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester, +noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn können. Und +ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Geständnis. Ich bin so sehr +von seiner Tugend überzeugt, daß ich weiß, daß er auch den Gedanken +der Untreue nicht in sich würde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn +selbst zu entdecken. Und ich würde ihn wegen seiner gewissenhaften +Zärtlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben +könnte. + +Damis. Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich +Ihnen das Herz meiner Braut wieder zurück. Ihnen bin ich's schuldig; +aber ich mag nicht die größte Wohltat von Ihnen genießen und zugleich +Ihr Unglück sehn. + +Lottchen. Sie müssen mich für sehr wankelmütig halten, wenn Sie +glauben, daß ich durch bloße Beschuldigungen mich in der Liebe irren +lasse. Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines +Bräutigams zu kennen? Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm +seine Untreue abwesend vor? Rufen Sie ihn hieher. Alsdann sagen Sie +mir seine Verbrechen. Er ist edler gesinnet als wir alle. Und ich +will ihn nun lieben. + +Damis. Sie haben recht. Ich will ihn selbst suchen. + + + +Siebenzehnter Auftritt + +Lottchen. Julchen. + + +Lottchen. Er geht? Er untersteht sich, ihn zu rufen? Nun fängt mein +Herz an zu zittern. (Sie sieht Julchen. Kläglich.) Meine Schwester, +bist du auch da? Hast du mich noch lieb? (Lottchen umarmt sie.) +Willst du mir die traurigste Nachricht bringen? O nein! Warum +schweigst du? Warum kömmt er nicht selbst? + +Julchen. Ich bitte dich, höre auf, einen Menschen zu lieben, der... + +Lottchen. Er soll schuldig sein; aber muß er gleich meiner Liebe +unwürdig sein? Nein, meine liebe Schwester. Ach nein, er ist gewiß +zu entschuldigen. Willst du ihn nicht verteidigen? Vergißt du schon, +was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat? Warum sollte er mir +untreu sein, da ich Vermögen habe? Warum ward er's nicht, da ich noch +keines hatte? + +Julchen. Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, daß ich +die Erbin des Testaments wäre. Ach, liebe Schwester, wie glücklich +wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen sähe! + +Lottchen. So ist es gewiß? (Hart.) Nein! sage ich. + +Julchen. Ich habe lange mit mir gestritten. Ich habe ihn in meinem +Herzen, vor meinem Bräutigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater +entschuldiget. Ich würde sie aus Liebe zu dir noch alle für betrogne +Zeugen halten. Aber es ist nicht mehr möglich. Er selbst hat sich +hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen +Briefe verlassen hattest. Er war allein. Die Unruhe und sein +Verbrechen redten aus ihm. Er hörte mich nicht kommen. O hätt' er +doch ewig geschwiegen!... Ach, meine Schwester! + +Lottchen. Meine Schwester, was sagst du mir? Er hat sich selbst +angeklagt? Er ist untreu? Aber wie könnte ich ihn noch lieben, wenn +er's wäre? Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiß. Ich habe +ihm ja die größten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben... +(Zornig.) Aber was quält ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte? +Was hat er denn getan? Nichts hat er getan. + +Julchen. Er hat mich auf eine betrügerische Art der Liebe zu meinem +Bräutigam entreißen und sich an seine Stelle setzen wollen. Er hat +meinen Vater überreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als +wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest. Er hat ihm geraten, die +Verlobung noch acht Tage aufzuschieben. Er hat sogar um mich bei ihm +angehalten. + +Lottchen. Wie? Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein +Herz gebeten? Ihr haßt ihn und mich. + +Julchen. Ja, da er gesehen, daß das Testament zu deinem Vorteile +eingerichtet ist. + +Lottchen. Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht +nach meiner Liebe? Ich Betrogene! Doch es ist unbillig, ihn zu +verdammen. Ich muß ihn selbst hören. Auch die edelsten Herzen sind +nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen. (Kläglich.) +Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung? Mach ihn doch +unschuldig. Ich will ihn nicht besitzen. Ich will ihn zu meiner Qual +meiden. Ich will ihm die ganze Erbschaft überlassen, wenn ich nur die +Zufriedenheit habe, daß er ein redliches Herz hat. O Liebe! ist das +der Lohn für die Treue? + + + +Achtzehnter Auftritt + +Die Vorigen. Siegmund. + + +Siegmund. Soll ich nunmehr so glücklich sein, Ihr Ja zu erhalten? +Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben. Sie lieben mich +doch, großmütige Schöne? + +Lottchen. Und Sie lieben mich doch auch? + +Siegmund. Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen +gewiß, daß mein größter und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfüllt +worden ist. + +Lottchen. Aber... meine Schwester... Warum erschrecken Sie? + +Siegmund. Ich erschrecke, daß Sie sich nicht besinnen, daß Sie mir +diese List selbst zugemutet haben. Sollte ich nicht durch eine +verstellte Liebe Julchens Herz versuchen? Reden Sie, Mamsell Julchen, +entschuldigen Sie mich. + +Julchen. Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht. Bedenken Sie, +was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube +zu sich selbst gesagt haben, ohne daß Sie mich sahn. Alles, was ich +tun kann, ist, daß ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue +zu vergeben. + +Siegmund. Ich soll untreu sein?... Ich (Er gerät in Unordnung.) Ich +soll der aufrichtigsten Seele untreu sein? Wer? Ich? Gegen Ihren +Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben? Was sind das für +schreckliche Geheimnisse?... Sie sehn mich ängstlich an, meine +Schöne? Wie? Sie lieben mich nicht? Sie lassen sich durch meine +Widerlegungen nicht bewegen?... Sie hören meine Gründe nicht an?... +Bin ich nicht unschuldig?... Wer sind meine Feinde?... Ich berufe +mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel. ... Doch auch +mich zu entschuldigen könnte ein Zeichen des Verdachtes sein. ... +Nein, meine Schöne, Sie müssen mir ohne Schwüre glauben. Ich will Sie, + ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu +gewesen bin. Wollen Sie mir noch nicht glauben? + +Julchen. Herr Siegmund, Sie schwören? + +Lottchen (mit Tränen). Er ist wohl unschuldig. + +Siegmund. Ja, das bin ich. Ich liebe Sie. Ich bete Sie an und suche +meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit. Wollen Sie jene vergrößern: +so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren, +den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen. Soll ich das +Glück noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen? + +Lottchen (sie sieht ihn kläglich an). Mich?... als die Ihrige?... +Ja! + +Julchen. Meine Schwester! + +Lottchen. Schweig. Herr Siegmund, ich möchte nur noch ein Wort mit +meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschämen. + +Siegmund. Ich will ihn gleich suchen. Soll ich die übrige +Gesellschaft auch mitbringen? Wir müssen doch die gebräuchlichen +Zeremonien mit beobachten. + +Lottchen. Ja. Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen. +Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen. + + + +Neunzehnter Auftritt + +Julchen. Lottchen. Cleon. + + +Cleon. Nun, meine Kinder, wenn euch nichts weiter aufhält: so sähe +ich's gern, wenn ihr die Ringe wechseltet, damit wir uns alsdann Paar +und Paar zu Tische setzen können. Ei, Lottchen, wer hätte heute früh +gedacht, daß du auf den Abend mit einem Rittergute zu Bette gehen +würdest! Der Himmel hat es wohl gemacht. Julchen kriegt einen +reichen und wackern Mann, weil sie wenig hat. Und du, weil du viel +hast, machst einen armen Mann glücklich. Das ist schön. Dein +Siegmund wird schon erkenntlich für deine Treue sein. Er kann einem +durch seine Worte recht das Herz aus dem Leibe reden. Der ehrliche +Mann! Wievielmal hat er mir nicht die Hand geküßt! Wie kindlich hat +er mich nicht um meine Einwilligung gebeten! + +Lottchen. Das ist vortrefflich. Nun lebe ich wieder. Lieber Papa, +hat Herr Siegmund denn heute bei Ihnen um meine Schwester angehalten? +Das kann ich nicht glauben. + +Cleon. So halb und halb hat er's wohl getan. Er mochte etwan denken, +daß Herr Damis ein Auge auf dich geworfen hätte und daß dir's lieber +sein würde, einen Mann mit vielem Gelde zu nehmen. Ich war anfangs +etwas unwillig auf ihn; aber er hat mich schon wieder gutgemacht. Man +kann sich ja wohl übereilen, wenn man nur wieder zu sich selber kömmt. + Da kommen sie alle. + + + +Zwanzigster Auftritt + +Die Vorigen, Siegmund. Simon. Damis. Der Magister. + + +Cleon. Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewünscht +habe. Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitläuftigen Rede +aufhalten. Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits +bekannt. Kurz, meine lieben Töchter, ich erteile euch meinen +väterlichen Segen und meine Einwilligung. (Er sieht Lottchen weinen.) + Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmütig. + +Lottchen. Meine Tränen sind Tränen der Liebe. Ich habe also Ihre +Einwilligung zu meiner Wahl? Ich danke Ihnen recht kindlich dafür. + +Simon (zu Lottchen). Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen... Wie? + +Damis. Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie... + +Lottchen. Was bitten Sie? Wollen Sie Julchen von meinen Händen +empfangen? (Sie führt sie zu ihm.) Hier ist sie. Ich stifte die +glücklichste Liebe. Und Sie, Herr Siegmund... + +Siegmund. Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommensten Erkenntlichkeit +an und biete Ihnen diese Hand... + +Lottchen. Unwürdiger! Mein Vermögen kann ich Ihnen schenken; aber +nicht mein Herz. Bitten Sie meinem Vater und der übrigen Gesellschaft, + die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niederträchtigkeit ab. + Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekümmern, ob Sie +diese Vergebung verdienen. (Zum Vormunde.) Und Ihnen, mein Herr, +küsse ich die Hand für Ihre Aufrichtigkeit. Wenn ich jemals mich +wieder zur Liebe entschließe: so haben Sie das erste Recht auf mein +Herz. (Zu Siegmunden.) Sie aber werden so billig sein und, ohne sich +zu verantworten, uns verlassen. + +Siegmund. Recht gern. (Indem er geht.) Verflucht ist die Liebe! + +Damis. Nicht die Liebe, nur die Untreue. Dies ist ihr Lohn. + +Lottchen (sie ruft ihm noch nach). Sie werden morgen durch meine +Veranstaltung so viel Geld erhalten, daß Sie künftig weniger Ursache +haben, ein redliches Herz zu hintergehn. + +Cleon. Lottchen, was machst du? Ich bin alles zufrieden. Du hast ja +mehr Einsicht als ich. + +Julchen. O liebe Schwester, wie groß ist dein Herz! Gott weiß es, +daß ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe. O wenn ich dich doch +so glücklich sähe als mich! + +Der Magister. Ich bin ruhig, daß ich das Laster durch mich entdeckt +und durch sich selbst bestraft sehe. So geht es. Wenn man nicht +strenge gegen sich selbst ist: so rächen sich unsere Ausschweifungen +für die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben. + +Simon (zu Lottchen). Ich, meine Freundin, würde das Recht, das Sie +mir künftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn +ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben hätte, an dieses Glück niemals +zu denken. Ich bin belohnt genug, daß Sie mich Ihrer nicht für +unwürdig halten und daß der Untreue bestraft ist. + +Lottchen. O Himmel! laß es dem Betrüger nicht übelgehen. Wie +redlich habe ich ihn geliebt, und wie unglücklich bin ich durch die +Liebe geworden! Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat +mich unglücklich gemacht. Bedauern Sie mich. + +(Ende des dritten und letzten Aufzugs.) + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die zärtlichen Schwestern, von +Christian Fürchtegott Gellert. + + + + + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern, by +Christian Fuerchtegott Gellert + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN *** + +***** This file should be named 9327-8.txt or 9327-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/9/3/2/9327/ + +Produced by Delphine Lettau and Gutenberg Projekt-DE + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation information page at www.gutenberg.org + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at 809 +North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email +contact links and up to date contact information can be found at the +Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/9327-8.zip b/9327-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..8988743 --- /dev/null +++ b/9327-8.zip diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..646f72c --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #9327 (https://www.gutenberg.org/ebooks/9327) diff --git a/old/7zsch10.txt b/old/7zsch10.txt new file mode 100644 index 0000000..ca39c12 --- /dev/null +++ b/old/7zsch10.txt @@ -0,0 +1,3741 @@ +The Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern +by Christian Fuerchtegott Gellert + +Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the +copyright laws for your country before downloading or redistributing +this or any other Project Gutenberg eBook. + +This header should be the first thing seen when viewing this Project +Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the +header without written permission. + +Please read the "legal small print," and other information about the +eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is +important information about your specific rights and restrictions in +how the file may be used. You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Die zaertlichen Schwestern + +Author: Christian Fuerchtegott Gellert + +Release Date: November, 2005 [EBook #9327] +[Yes, we are more than one year ahead of schedule] +[This file was first posted on September 22, 2003] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ASCII + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN *** + + + + +Produced by Delphine Lettau + + + + +This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. +That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. + +Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" +zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Die zaertlichen Schwestern + +Christian Fuerchtegott Gellert + +Ein Lustspiel von drei Aufzuegen + + + +Personen: + +Cleon +Der Magister, sein Bruder +Lottchen, Cleons aelteste Tochter +Julchen, dessen juengste Tochter +Siegmund, Lottchens Liebhaber +Damis, Julchens Liebhaber +Simon, Damis' Vormund + + + + +Erster Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Cleon. Lottchen. + + +Lottchen. Lieber Papa, Herr Damis ist da. Der Tee ist schon in dem +Garten, wenn Sie so gut sein und hinuntergehen wollen? + +Cleon. Wo ist Herr Damis? + +Lottchen. Er redt mit Julchen. + +Cleon. Meine Tochter, ist dir's auch zuwider, dass ich den Herrn Damis +auf eine Tasse Tee zu mir gebeten habe? Du merkst doch wohl seine +Absicht. Geht dir's auch nahe? Du gutes Kind, du dauerst mich. +Freilich bist du aelter als deine Schwester und solltest also auch eher +einen Mann kriegen. Aber... + +Lottchen. Papa, warum bedauern Sie mich? Muss ich denn notwendig eher +heiraten als Julchen? Es ist wahr, ich bin etliche Jahre aelter; aber +Julchen ist auch weit schoener als ich. Ein Mann, der so vernuenftig, +so reich und so galant ist als Herr Damis und doch ein armes +Frauenzimmer heiratet, kann in seiner Wahl mit Recht auf diejenige +sehen, die die meisten Annehmlichkeiten hat. Ich mache mir eine Ehre +daraus, mich an dem guenstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig +zu vergnuegen und mit dem meinigen zufrieden zu sein. + +Cleon. Kind, wenn das alles dein Ernst ist: so verdienst du zehn +Maenner. Du redst fast so klug als mein Bruder und hast doch nicht +studiert. + +Lottchen. Loben Sie mich nicht, Papa. Ich bin mir in meinen Augen so +geringe, dass ich sogar das Lob eines Vaters fuer eine Schmeichelei +halten muss. + +Cleon. Nun, nun, ich muss wissen, was an dir ist. Du hast ein Herz, +dessen sich die Tugend selbst nicht schaemen duerfte. Hoere nur... + +Lottchen. Oh, mein Gott, wie demuetigen Sie mich! Ein Lobspruch, den +ich mir wegen meiner Groesse nicht zueignen kann, tut mir weher als ein +verdienter Verweis. + +Cleon. So bin ich nicht gesinnt. Ich halte viel auf ein billiges Lob, + und ich weigere mich keinen Augenblick, es anzunehmen, wenn ich's +verdiene. Das Lob ist ein Lohn der Tugend, und den verdienten Lohn +muss man annehmen. Hoere nur, du bist verstaendiger als deine Schwester, +wenn jene gleich schoener ist. Rede ihr doch zu, dass sie ihren +Eigensinn fahrenlaesst und sich endlich zu einem festen Buendnisse mit +dem Herrn Damis entschliesst, ehe ich als Vater ein Machtwort rede. +Ich weiss nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freiheit in +den Kopf gesetzet hat. + +Lottchen. Mich deucht, Herr Damis ist Julchen nicht zuwider. Und ich +hoffe, dass er ihren kleinen Eigensinn leicht in eine bestaendige Liebe +verwandeln kann. Ich will ihm dazu behuelflich sein. + +Cleon. Ja, tue es, meine Goldtochter. Sage Julchen, dass ich nicht +ruhig sterben wuerde, wenn ich sie nicht bei meinem Leben versorgt +wuesste. + +Lottchen. Nein, lieber Papa, solche Bewegungsgruende zur Ehe sind wohl +nicht viel besser als die Zwangsmittel. Julchen hat Ursachen genug in +ihrem eigenen Herzen und in dem Werte ihres Geliebten, die sie zur +Liebe bewegen koennen; diese will ich wider ihren Eigensinn erregen und +sie durch sich selbst und durch ihren Liebhaber besiegt werden lassen. + +Cleon. Gut, wie du denkst. Nur nicht gar zu lange nachgesonnen. +Ruehme den Herrn Damis. Sage Julchen, dass er funfzigtausend Taler +bares Geld haette und... Arme Tochter! es mag dir wohl weh tun, dass +deine Schwester so reich heiratet. Je nun, du bist freilich nicht die +Schoenste; aber der Himmel wird dich schon versorgen. Betruebe dich +nicht. + +Lottchen. Der Himmel weiss, dass ich bloss deswegen betruebt bin, weil +Sie mein Herz fuer so niedrig halten, dass es meiner Schwester ihr Glueck +nicht goennen sollte. Dazu gehoert ja gar keine Tugend, einer Person +etwas zu goennen, fuer welche das Blut in mir spricht. Kommen Sie, Papa, + der Tee moechte kalt werden. + +Cleon. Du brichst mit Fleiss ab, weil du dich fuehlst. Sei gutes Muts, +mein Kind. Ich kann dir freilich nichts mitgeben. Aber solange ich +lebe, will ich alles an dich wagen. Nimm dir wieder einen +Sprachmeister, einen Zeichenmeister, einen Klaviermeister und alles an. + Ich bezahle, und wenn mich der Monat funfzig Taler kaeme. Du bist es +wert. Und hoere nur, dein Siegmund, dein guter Freund, oder wenn du es +lieber hoerst, dein Liebhaber, ist freilich durch den ungluecklichen +Prozess seines seligen Vaters um sein Vermoegen gekommen; aber er hat +etwas gelernt und wird sein Glueck und das deine gewiss machen. + +Lottchen. Ach lieber Papa, Herr Siegmund ist mir itzt noch ebenso +schaetzbar als vor einem Jahre, da er viel Vermoegen hatte. Ich weiss, +dass Sie unsere Liebe billigen. Ich will fuer die Verdienste einer Frau +sorgen, er wird schon auf die Ruhe derselben bedacht sein. Er hat so +viel Vorzuege in meinen Augen, dass er sich keine Untreue von mir +befuerchten darf, und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand +warten sollte. Wollen Sie mir eine Bitte erlauben: so lassen Sie ihn +heute mit uns speisen. + +Cleon. Gutes Kind, du wirst doch denken, dass ich ihn zu deinem +Vergnuegen habe herbitten lassen. Er wird nicht lange sein. + +(Siegmund tritt herein, ohne dass ihn Lottchen gewahr wird.) + +Lottchen. Wenn ihn der Bediente nur auch angetroffen hat. Ich will +selber ein paar Zeilen an ihn schreiben. Ich kann ihm und mir keine +groessere Freude machen. Er wird gewiss kommen und den groessten Anteil an +Julchens Gluecke nehmen. Er hat das redlichste und zaertlichste Herz. +Vergeben Sie mir's, dass ich so viel von ihm rede. + +Cleon. Also hast du ihn recht herzlich lieb? + +Lottchen. Ja, Papa, so lieb, dass, wenn ich die Wahl haette, ob ich ihn +mit einem geringen Auskommen oder den Vornehmsten mit allem Ueberflusse +zum Manne haben wollte, ich ihn allemal waehlen wuerde. + +Cleon. Ist's moeglich? Haette ich doch nicht gedacht, dass du so +verliebt waerest. + +Lottchen. Zaertlich, wollen Sie sagen. Ich wuerde unruhig sein, wenn +ich nicht so zaertlich liebte, denn dies ist es alles, wodurch ich die +Zuneigung belohnen kann, die mir Herr Siegmund vor so vielen andern +Frauenzimmern geschenkt hat. Bedenken Sie nur, ich bin nicht schoen, +nicht reich, ich habe sonst keine Vorzuege als meine Unschuld, und er +liebt mich doch so vollkommen, als wenn ich die liebenswuerdigste +Person von der Welt waere. + +Cleon. Aber sagst du's ihm denn selbst, dass du ihn so ausnehmend +liebst? + +Lottchen. Nein, so deutlich habe ich es ihm nie gesagt. Er ist so +bescheiden, dass er kein ordentliches Bekenntnis der Liebe von mir +verlangt. Und ich habe tausendmal gewuenscht, dass er mich noetigen +moechte, ihm eine Liebe zu entdecken, die er so sehr verdienet. + +Cleon. Du wirst diesen Wunsch bald erfuellt sehen. Siehe dich um, +mein liebes Lottchen. + + + +Zweiter Auftritt + +Cleon. Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen. Wie? Sie haben mich reden hoeren? + +Siegmund. Vergeben Sie mir, mein liebes Lottchen. Ich habe in meinem +Leben nichts Vorteilhafters fuer mich gehoert. Ich bin vor Vergnuegen +ganz trunken, und ich weiss meine Verwegenheit mit nichts als mit +meiner Liebe zu entschuldigen. + +Lottchen. Eine bessere Fuersprecherin haetten Sie nicht finden koennen. +Haben Sie alles gehoert? Ich habe es nicht gewusst, dass Sie zugegen +waeren; um desto aufrichtiger ist mein Bekenntnis. Aber wenn ich ja +auf den Antrieb meines Papas einen Fehler habe begehen sollen: so will +ich ihn nunmehr fuer mich allein begehen: Ich liebe Sie. Sind Sie mit +dieser Ausschweifung zufrieden? + +Siegmund. Liebstes Lottchen, meine Bestuerzung mag Ihnen ein Beweis +von der Empfindung meines Herzens sein. Sie lieben mich? Sie sagen +mir's in der Gegenwart Ihres Papas? Sie? mein Lottchen! Verdiene +ich dies? Soll ich Ihnen antworten? und wie? O lassen Sie mich +gehen und zu mir selber kommen. + +Cleon. Sie sind ganz bestuerzt, Herr Siegmund. Vielleicht tut Ihnen +meine Gegenwart einigen Zwang an. Lebt wohl, meine Kinder, und sorgt +fuer Julchen. Ich will mit dem Herrn Damis reden. + + + +Dritter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Siegmund. Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, dass ich so viel zu +meinem Vorteile gehoert habe? + +Lottchen. Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hoeren gewuenscht haben. + +Siegmund. Gewuenscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so +viele Zaertlichkeit? + +Lottchen. Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie +ihrer weit mehr. + +Siegmund. Nein, ich verdiene Ihr Herz noch nicht; allein ich will +mich zeitlebens bemuehen, Sie zu ueberfuehren, dass Sie es keinem +Unwuerdigen geschenkt haben. Wie edel gesinnt ist Ihre Seele! Ich +verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermoegen, und mein Unglueck hat +mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen. Sie haben +Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust +meines Gluecks ertraeglich gemacht, Diese standhafte Zaertlichkeit ist +ein Ruhm fuer Sie, den nur ein erhabenes Herz zu schaetzen weiss. Und +ich wuerde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals +aufhoeren koennte, Sie zu lieben. + +Lottchen. Ich habe einen Fehler begangen, dass ich Sie so viel zu +meinem Ruhme habe sagen lassen. Aber Ihr Beifall ist mir gar zu +kostbar, als dass ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnuegen anhoeren +sollte. Sie koennen es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein +redliches Herz habe. Welche Zufriedenheit ist es fuer mich, dass ich +ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnuegten Tage und Stunden +zuruecksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend +zugebracht habe! + +Siegmund. Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schoene? +O warum kann ich Sie nicht gluecklich machen! Welche Wollust muesste es +sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die blosse +Vorstellung davon schon so viel Vergnuegen gibt! Ach, liebstes Kind, +Julchen wird gluecklicher, weit gluecklicher als Sie, und... + +Lottchen. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie +beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht +gluecklicher, als ich bin. Sie habe ihrem kuenftigen Braeutigam noch +soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch +Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zaertlich, ruhig und mit der +ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Glueck: so muss gar keins +in der Welt sein. Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu +Julchens Gluecke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiss +es nicht, dass sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, dass +der praechtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumtraegt, +nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die +verdruessliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat, +umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben. + +Siegmund. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne +Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht +liebenswuerdige Frau werden. + +Lottchen. Hoeren Sie nur. Doch hier koemmt Herr Damis. + + + +Vierter Auftritt + +Die Vorigen. Damis. + + +Lottchen. Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis. + +Damis. Ich habe Ursache dazu. Anstatt, dass ich glaubte, Julchen +heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, dass noch ganze Jahre zu +diesem Gluecke noetig sind. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage, +desto unempfindlicher wird sie. Und je mehr sie sieht, dass meine +Absichten ernstlich sind, desto mehr missfallen sie ihr. Ich +Ungluecklicher! Wie gut waere es fuer mich, wenn ich Julchen weniger +liebte! + +Lottchen. Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein. Es +ist nichts als Liebe. Eben weil sie fuehlt, dass ihr Herz ueberwunden +ist: so wendet sie noch die letzte Bemuehung an, der Liebe den Sieg +sauer zu machen. Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, dass +sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht. + +Damis. Wenn sie es aber nicht sehen will? + +Lottchen. Wir muessen sie ueberraschen und sie, ohne dass sie es +vermutet, dazu noetigen. Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr +Brauttag. Glueckt es uns heute nicht: so wird es ein andermal gluecken. + Es koemmt bloss darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag +wollen gefallen lassen. + +Siegmund. Wenn ich zu des Herrn Damis Gluecke etwas beitragen kann, +mit Freuden. + +Damis. Ich weiss, dass Sie beide grossmuetig genug darzu sind. Und mir +wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht fuer Julchen +wagen sollte. + +Lottchen. Mein Herr Damis, veraendern Sie die Sprache bei Julchen +etwas. Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der +Freiheit recht zu geben. Diese Uebereinstimmung wird ihr anfangs +gefallen und sie sicher machen. Sie wird denken, als ob sie Ihnen +deswegen erst gewogen wuerde, da sie es doch lange aus weit schoenern +Ursachen gewesen ist. Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr +ganzes Herz sehen lassen. + +Damis. Wollte der Himmel, dass Ihr Rat seine Wirkung taete. Wie +gluecklich wollte ich mich schaetzen! + +Lottchen (zu Siegmunden). Und Sie muessen dem Herrn Damis zum Besten +einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen zaertlich stellen. +Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen. Sie wird boese auf Sie +werden. Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis +hervorbrechen. Tun Sie es auf meine Verantwortung. + +Siegmund. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden. + + +Fuenfter Auftritt + +Die Vorigen. Julchen. + + +Julchen. Da sind Sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen, +wo Sie waeren, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen. (Sie will +wieder gehn.) + +Lottchen. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weisst du +eine bessere Gesellschaft als die unsrige? + +Julchen. Ach nein, meine Schwester. Aber wo Ihr und Herr Siegmund +seid, da wird gewiss von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute +keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen. + +Lottchen. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den +Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, dass du ihm diese Ehre +nicht auch erweisest? + +Julchen. Herr Damis ist so guetig gewesen und hat mir versprochen, +lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig, +als dass er mir sein Wort nicht halten sollte. + +Damis. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich +verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben +Sie mir, dass ich meine Zaertlichkeit in Hochachtung verwandeln darf. +Die Liebe koennen Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung +koemmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun +Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber. +Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein? + +Julchen. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde +und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu +vergnuegen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu +fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will +ich ganze Tage mit Ihnen umgehen. + +Lottchen. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten +sind wir nichts nuetze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespraech von der +Freundschaft hoeren oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen. + + + +Sechster Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich wuerde +es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte. Es kann +sein, dass die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und +eingeschraenkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und +wenn er noch so gross waere. Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner +Schwester. Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener. + +Damis. Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und +ich halte mein Wort. Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser. + +Julchen. Ja. Die Freundschaft ist das frohe Vergnuegen der Menschen +und die Liebe das traurige. Man will einander recht geniessen, darum +liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden. Habe ich +nicht recht, Herr Damis? + +Damis. Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr +erwaehnen. Sie moechten mir sonst dabei einfallen. Und wie wuerde es +alsdann um mein Versprechen stehen? + +Julchen. Sie koennten es vielleicht fuer einen Eigensinn, oder ich weiss +selbst nicht fuer was fuer ein Anzeichen halten, dass ich die Liebe so +fliehe. Aber nein. Ich sage es Ihnen, es gehoert zu meiner Ruhe, ohne +Liebe zu sein. Lassen Sie mir doch diese Freiheit. Muss man denn +diese traurige Plage fuehlen? Nein, meine Schwester irrt: es geht an, +sie nicht zu empfinden. Ich sehe es an mir. Aber warum schweigen Sie +so stille? Ich rede ja fast ganz allein. Sie sind verdriesslich? O +wie gut ist's, dass Sie nicht mehr mein Liebhaber sind! Sonst haette +ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdriesslich zu werden. + +Damis. O nein, ich bin gar nicht verdriesslich. + +Julchen. Und wenn Sie es auch waeren, und zwar deswegen, weil ich +nicht mehr von der Liebe reden will: so wuerde mir doch dieses gar +nicht nahegehen. Es ist mir nicht lieb, dass ich Sie so verdriesslich +sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich darueber gar nicht unruhig. + O nein! Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden. Sie koennen ja +etwas zu ueberlegen haben. Ich argwohne gar nichts. Ich mag es auch +nicht wissen... Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen +Freund vor. Wenn bin ich Ihnen denn so gleichgueltig geworden? + +Damis. Nehmen Sie es nicht uebel, meine schoene Freundin, dass ich +einige Augenblicke ganz fuehllos geschienen habe. Ich habe, um Ihren +Befehl zu erfuellen, die letzten Bemuehungen angewandt, die aengstlichen +Regungen der Liebe voellig zu ersticken und den Charakter eines +aufrichtigen Freundes anzunehmen. Die Vernunft hat nunmehr ueber mein +Herz gesiegt. Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem +Werte zu danken hatte. Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit +schoen und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket +worden ist. Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun; + aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in +den vorigen Charakter verfalle. Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach, +sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie schaetze, meine englische +Freundin! + +Julchen. Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder? Darf man in +der Freundschaft einander auch nicht ansehen? + +Damis. Es gehoert zu meinem Siege. Wer kann Sie sehen und Sie doch +nicht lieben? + +Julchen. Sagten Sie mir nicht wieder, dass Sie mich liebten? O das +ist traurig! Ich werde ueber Ihr Bezeigen recht unruhig. Einmal reden +Sie so verliebt, dass man erschrickt, und das andere Mal so +gleichgueltig, als wenn Sie mich zum ersten Male saehen. Nein, +schweifen Sie doch nicht aus. Sie widersprechen mir ja stets. Ist +dies die Eigenschaft eines guten Freundes? Wir brauchen ja nicht zu +lieben. Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe? + +Damis. O es gehoert weit mehr Staerke des Geistes zu der Freiheit als +zu der Liebe. + +Julchen. Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn fuer uebel, dass +ich die Freiheit hochschaetze, dass ich statt eines Liebhabers lieber +zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges +Vergnuegen haben will? Sind denn meine Gruende so schlecht, dass ich +darueber Ihre Hochachtung verlieren sollte? Tun Sie den Ausspruch, ob +ich bloss aus Eigensinn rede. (Damis sieht sie zaertlich an.) Aber +warum sehen Sie mich so aengstlich an, als ob Sie mich bedauerten? Was +wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen? Ich kann mich gar +nicht mehr in Ihr Bezeigen finden. Sie scheinen mir das Amt eines +Aufsehers und nicht eines Freundes ueber sich genommen zu haben. Warum +geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte? +Mein Herr, ich wollte, dass Sie nunmehr... + +Damis. Dass Sie gingen, wollten Sie sagen. Auch diesen Befehl nehme +ich an, so sauer er mir auch wird. Sie moegen mich nun noch so sehr +hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie ueber mein +Schicksal beklagen. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. + +Julchen. Hassen? Wenn habe ich denn gesagt, dass ich Sie hasse? Ich +verstehe diese Sprache. Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen +Sie mich hassen. Dies ist sehr grossmuetig. Das sind die Fruechte der +beruehmten Zaertlichkeit. Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit +kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu +mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Das +ist ja eine rechte Hofsprache. + +Damis. Es ist die Sprache der Ehrerbietung. (Er geht ab.) + + + +Siebenter Auftritt + +Julchen allein. + + +Wie? Er geht? Aber warum bin ich so unruhig? Ich liebe ihn ja nicht. +.. Nein, ich bin ihm nur gewogen. Es ist doch ein unertraeglicher +Stolz, dass er mich verlaesst. Aber habe ich ihn etwan beleidiget? Er +ist ja sonst so vernuenftig und so grossmuetig... Nein, nein, er liebt +mich nicht. Es muss Verstellung gewesen sein. Ich habe heute ein +recht muerrisches Wesen. (Lottchen tritt unvermerkt herein.) Wenn ich +nur meine Laute hier haette, ich wollte... + + + +Achter Auftritt + +Julchen. Lottchen. + + +Lottchen. Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst. Aber, +mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden? Es ist ja sonst deine +Art nicht, dass du mit der Einsamkeit sprichst? + +Julchen. Wenn haette ich denn mit mir allein geredet? Ich weiss nicht, +dass ich heute allen so verdaechtig vorkomme. + +Lottchen. Aber woher wuesste ich's, dass du die Laute haettest haben +wollen, wenn du nicht geredt haettest? Mich hast du nicht gesehen, +liebes Kind, und also musst du wohl mit dir selbst geredt haben. Ich +daechte es wenigstens, oder bist du anderer Meinung? + +Julchen. Ihr muesst euch alle beredt haben, mir zu widersprechen. + +Lottchen. Wieso? Ich habe dir nicht widersprochen. Und wenn es Herr +Damis getan hat, so kann ich nichts dafuer. Warum ziehst du deine +guten Freunde nicht besser? Er sagte mir im Vorbeigehen, du waerest +recht boese geworden, weil er es etliche Mal versehen und wider sein +Versprechen an die Liebe gedacht haette. + +Julchen. Schwester, ich glaube, Ihr kommt, um Rechenschaft von mir zu +fordern. Ihr hoert es ja, dass ich mich nicht zur Liebe zwingen lasse. + +Lottchen. Recht, Julchen, wenn dir Herr Damis zuwider ist: so bitte +ich dich selber, liebe ihn nicht. + +Julchen. Was das fuer ein weiser Spruch ist! Wenn er dir zuwider ist.. +. Muss man denn einander hassen, wenn man nicht lieben will? Ich habe +ja noch nicht gefragt, ob dir dein Herr Siegmund zuwider ist. + +Lottchen. Nein, du hast mich noch nicht gefragt. Aber wenn du mich +fragen solltest, so wuerde ich dir antworten, dass ich ihn recht +zaertlich, recht von Herzen liebe und mich meiner Zaertlichkeit nicht +einen Augenblick schaeme. Es gehoert weit mehr Hoheit des Gemuets dazu, +die Liebe vernuenftig zu fuehlen, als die Freiheit zu behaupten. + +Julchen. Ich moechte vor Verdruss vergehen. Herr Damis hat gleich +vorhin das Gegenteil behauptet. Wem soll man nun glauben? Nehmt +mir's nicht uebel, meine Schwester, ich weiss, dass Ihr mehr Einsicht +habt als ich; aber erlaubt mir, dass ich meinen Einfall dem Eurigen +vorziehe. Und warum kann Herr Damis nicht so gut recht haben als Ihr? + Ihr habt ja immer gesagt, dass er ein vernuenftiger und artiger Mann +waere. + +Lottchen. Das Beiwort artig haette nicht eben notwendig zu unserer +Streitfrage gehoert; aber vielleicht gehoert diese Vorstellung sonst in +die Reihe deiner Empfindungen. Herr Damis ist ganz gewiss verstaendiger +als ich; aber er ist auch ein Mensch wie ich; und der beste Verstand +hat seine schwache Seite. + +Julchen. Lottchen, also seid Ihr hiehergekommen, um mir zu +demonstrieren, dass Herr Damis ein Mensch und kein Engel am Verstande +ist? Das glaube ich. Aber, mein liebes Lottchen, Eure Spoettereien +sind mir sehr ertraeglich. Ich koennte Euch leicht die Antwort +zurueckgeben, dass Euer Herr Siegmund auch unter die armen Sterblichen +gehoerte; aber ich will es nicht tun. Ihr wuerdet nur denken, dass ich +aus Eigensinn den Herrn Damis verteidigen wollte. Nein, er soll nicht +den groessten Verstand haben; er soll nicht so galant, nicht so +liebenswuerdig sein als Euer Siegmund. So habe ich noch eine Ursache +mehr, meine Freiheit zu behaupten und ihn nicht zu lieben. + +Lottchen. Mein liebes Kind, du koemmst recht in die Hitze. Du +schmaelst auf mich und meinen Geliebten, und ich bleibe dir doch gut. +Man kann dich nicht hassen. Du traegst dein gutes Herz in den Augen +und auf der Zunge, ohne dass du daran denkst. Du bist meine liebe +schoene Schwester. Deine kleinen Fehler sind fast ebenso gut als +Schoenheiten. Wenigstens kann man sie nicht begehen, wenn man nicht so +aufrichtig ist, wie du bist. Kind, ich habe diese Nacht einen +merkwuerdigen Traum von einer jungen angenehmen Braut gehabt und ich... + +Julchen. Ich bitte dich, liebe Schwester, lass mich allein. Ich bin +verdriesslich, recht sehr verdriesslich, und ich werde es nur mehr, je +mehr ich rede. + +Lottchen. Bist du etwan darueber verdriesslich, dass ich in der +Heftigkeit ein Wort wider den Herrn Damis...? + +Julchen. O warum denkst du wieder an ihn? Willst du mich noch mehr +zu Fehlern bringen? Lass ihm doch seinen schwachen Verstand und mir +meinen verdriesslichen Geist und das Glueck, einige Augenblicke allein +zu sein. Die aeltern Schwestern haben doch immer etwas an den juengern +auszusetzen. + +Lottchen. Ich hoere es wohl, ich soll gehen. Gut. Komm bald nach, +sonst musst du wieder mit dir allein reden. + + +Neunter Auftritt + +Julchen. Der Magister. + + +Julchen. Ist es nicht moeglich, dass ich allein sein kann? Muessen Sie +mich notwendig stoeren? Herr Magister! Sagen Sie mir's nur kurz, was +zu Ihren Diensten ist. + +Der Magister. Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen ueberlegen. +Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht +ungeschickt dazu. Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand fuer +eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist. + +Julchen. Ja, das weiss ich. Demungeachtet wollte ich wuenschen, dass +ich heute gar keinen haette; vielleicht waere ich ruhiger. + +Der Magister. Sie uebereilen sich. Wer wuerde uns das Wahre von dem +Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen? Wer +wuerde unsern Willen zu festen und gluecklichen Entschliessungen bringen, +wenn es nicht der Verstand taete? Und wuerden Sie wohl so liebenswuerdig +geworden sein, wenn Sie nicht immer verstaendig gewesen waeren? + +Julchen. Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube. +Was quaelen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit? Ich mag ja nicht so +weise sein als Sie. Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so +viel Geschicklichkeit besitze. + +Der Magister. Zu eben der Zeit, da Sie wuenschen, dass sie keine +Vernunft haben moechten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, dass +Sie ihrer sehr viel haben. Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen. + Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche. +Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Gluecke tun. Es scheint aber +nicht, dass Sie dazu entschlossen sind. Gleichwohl wuenscht es Ihr Herr +Vater herzlich. Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine +Vorstellungen zu tun. Und ich wuenschte, dass Sie solche anhoeren und +mir Einwuerfe dagegen machen moechten. Dies kann ich, so alt ich bin, +doch wohl leiden. Die Liebe ist eine der schoensten, aber auch der +gefaehrlichsten Leidenschaften. Sie raecht sich an uns, wenn wir sie +verschmaehen; und sie raecht sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame +uebereilen. + +Julchen. Sie sind etwas weitlaeuftig in Ihren Vorstellungen. Allein, +Sie sollen ohne Einwurf recht haben. Lassen Sie mich nur in Ruhe. +Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gruenden als eine +Philosophie. Dennoch ist er noch immer stark genug fuer mein Herz +gewesen. + +Der Magister. Wissen Sie nicht, dass uns unsere Leidenschaften am +ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen? Das Herz der +Menschen ist der groesste Betrueger. Und der Kluegste weiss oft selbst +nicht, was in ihm vorgeht. Wir lieben und werden es zuweilen nicht +eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden. Dieses alles +sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage. Nein, weil es die groessten +Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca +und viele von den neuern Philosophen gesagt haben. + +Julchen. Ich kenne alle diese Maenner nicht und verlange sie auch +nicht zu kennen. Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie +behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, dass man ein unruhiges +Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll. Und +ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heissen, so viel +Einsicht und Hoeflichkeit zu, dass sie Sie bitten wuerden, mich zu +verlassen, wenn sie zugegen waeren. Sobald ich die Leidenschaften und +insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre +Philosophie um Beistand ansprechen. + +Der Magister. Ihre Aufrichtigkeit gefaellt mir, ob sie mir gleich zu +widersprechen scheint. Aber ich wuerde mich fuer sehr unphilosophisch +halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhoeren koennte. Sie +sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind +unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch +Ueberlegung zu daempfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt +der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich +wollte wuenschen, dass Sie ein anschauendes Erkenntnis davon haetten. +Wenn man die Ursache eines moralischen Uebels weiss: so weiss man auch +das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede +begreiflich, und ich wollte, dass ich noch deutlicher reden koennte. + +Julchen. Ich setze nicht das geringste Misstrauen weder in Ihre +Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdriesslich. + Ich weiss nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht +wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig. + +Der Magister. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der +Wahrheit nachgedacht haetten als ich: so wuerden Sie vielleicht ebenso +helle denken. Unterdruecken Sie Ihre Unruhe und ueberlegen Sie das +Glueck, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis +verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr +Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe koemmt das ganze Glueck der +Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der +Liebe begehn. Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser +Gelegenheit? + +Julchen. Ich glaube, dass dieser Unterricht recht gut ist. Aber was +wird er mir nuetzen, da ich nicht lieben will? + +Der Magister. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus +meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten? +Aber wissen Sie denn auch, dass Sie dazu verbunden sind? Soll ich +Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen +doch, dass das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist +ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe. +Wer den Zweck will, der muss auch das Mittel wollen, wenn er anders +verstaendig ist. Sehn Sie denn nicht, dass Sie zur Ehe verbunden sind? +Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gruende nicht fuehlen? + +Julchen. Ich fuehle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts +ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an +sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis +mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird. + +Der Magister. Jungfer Muhme, das heisst halsstarrig sein, wenn man die +Augen vor den klaersten Beweisen zuschliesst. Wenn Sie erkennen, dass +Sie zur Ehe verbunden sind, wie koennte denn Ihr Wille undeterminiert +bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluss im +Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum +wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschliessen, + da Sie sehen, dass Sie eine Pflicht dazu haben? + +Julchen. Nehmen Sie mir's nicht uebel, Herr Magister, dass ich Sie +verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre ueberzeugt zu sein. Was kann ich +armes Maedchen dafuer, dass ich nicht so viel Einsicht habe als Plato, +Seneca und Ihre andern weisen Maenner? Machen Sie es mit diesen Leuten +aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren +Beweis dazu verbunden bin. Ich habe noch etliche Anstalten in der +Kueche zu machen. + + + +Zehnter Auftritt + +Der Magister. Cleon. + + +Der Magister. Ich habe deiner Tochter Julchen alle moegliche +Vorstellungen getan. Ich habe mit der groessten Selbstverleugnung mit +ihr gesprochen. Ich habe ihr die staerksten Beweise angefuehrt; aber... + +Cleon. O haettest du ihr lieber ein paar Exempel von gluecklich +verheirateten Maedchen angefuehrt. + +Der Magister. Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht +aus meiner Gelassenheit. Ich erwies ihr, dass sie verbunden waere zu +heiraten. + +Cleon. Du hast dir viel Muehe geben. Ich denke, wenn ein Maedchen +achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis +einwenden koennen. + +Der Magister. Julchen sah alles ein. Ich machte es ihr sehr deutlich. + Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken +koennen: so muss man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu +Huelfe nehmen. + +Cleon. Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gruende gebracht? +Will sie den Herrn Damis heiraten? Hat sie denn ihre Herzensmeinung +nicht verraten? Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht laenger +aufhalten. Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste. + +Der Magister. Sie sagte, sie waere unruhig. Und das war eben schlimm. + Denn die Gruende der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie +die Ueberzeugung wirken sollen. Wenn der Verstand durch die Triebe des +Willens bestuermt wird: so ist er nicht aufmerksam. Und ohne +Aufmerksamkeit sind die schaerfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile. + +Cleon. Rede nicht so tiefsinnig. Du haettest sie eben sollen ruhig +machen: so saehe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit. + +Der Magister. Ich versuchte alles. Ich zeigte ihr die schoene Seite +der Liebe. Ich sagte ihr erstlich, dass eine glueckliche Ehe das groesste +Vergnuegen waere. + +Cleon. Ja, die gluecklichen Ehen sind etwas sehr Schoenes. Aber du +haettest ihr sagen sollen, dass ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr +gluecklich werden wuerde. Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich +zu ihr geschickt habe. + +Der Magister. Kurz und gut, durch Lehrsaetze und Erweise ist sie nicht +zu gewinnen, das sehe ich wohl. Sie versteht wohl die einzelnen Saetze; + aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das +Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurueck, und sie wird +ungehalten, dass er sie verlaesst. + +Cleon. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht ueberreden? + +Der Magister. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Ueberredung, +die man Beweise kat' anJrwpon nennen koennte. Dergleichen sind bei den +alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten, +die nicht scharf denken koennen, tun diese witzigen Blendwerke oft gute +Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten +kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine +Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine +machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche +eines jungen Menschen in Leipzig gefunden haette, der sich durch seine +Fabeln und Erzaehlungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat. + +Cleon. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die +Fabel huebsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit +der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darueber. Eine Fabel +ist ja keine Predigt. Es muss ja nicht alles so akkurat sein. Meine +Tochter wird dich nicht verraten. Mache, dass sie ja spricht: so will +ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken. + +(Der Magister geht ab.) + + + +Eilfter Auftritt + +Cleon. Lottchen. + + +Lottchen. Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen +Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt. + +Cleon (er liest). "Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben, + gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen. Ich lasse mir die Wahl des +Herrn Damis, meines Muendels, sehr wohl gefallen. Er haette nicht +gluecklicher waehlen koennen. Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit +Ihnen und Ihren Jungfern Toechtern recht vergnuegen, weil ich ohnedies +heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe. Zugleich muss +ich Ihnen melden, dass heute oder morgen das Testament Ihrer seligen +Frau Muhme, der Frau Stephan, geoeffnet werden soll. Ich glaube gewiss, +dass sie Ihnen etwas vermacht hat. Vielleicht kann ich Ihnen die +Gewissheit davon um vier Uhr mitbringen. Ich bin" usw. + +Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter. Ich dachte immer, der +Herr Vormund wuerde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil +meine Tochter kein Vermoegen hat. + +Lottchen. Das habe ich gar nicht befuerchtet. Der Herr Vormund ist ja +die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiss eine +Freude daraus, zu dem Gluecke eines Frauenzimmers etwas beizutragen, +der man keinen groessern Vorwurf machen kann, als dass sie nicht reich +ist. + +Cleon. Tochter, du hast sehr recht. Es ist ein lieber Mann. Ich +habe nur gedacht, dass er einen gewissen Fehler haben muesste, weil er +schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat. Aber was hilft uns +das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will? + +Lottchen. Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa. Julchen ist so +gut als besiegt. Und ich denke, es koennte ihr kein groesser Unglueck +widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit, +ungeraubt liesse. Ich habe die sichersten Merkmale, dass sie den Herrn +Damis liebt. + +Cleon. Sollte es moeglich sein? Ich duerfte es bald selbst glauben. +Ihr losen Maedchen tut immer, als wenn euch nichts an den Maennern laege, +und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen. Je nun, +die Liebe ist auch noetig in der Welt, sonst haette sie uns der Himmel +nicht gegeben. + +Lottchen. Papa, diese Satire auf die losen Maedchen trifft mich nicht. + Ich daechte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe. Wenigstens +halte ich die vernuenftige Liebe fuer kein groesser Verbrechen als die +vernuenftige Freundschaft. Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so +vielen Beschwerlichkeiten belegt, dass wir es uns desto mehr durch die +Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen. + +Cleon. Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht +haben sollte: so saehe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Toechter, +auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die +Hochzeit ausrichten koennte. Ich wollte gern das ganze Vermaechtnis +dazu hergeben. + +Lottchen. Sie sind ein liebreicher Vater. Nein, wenn Sie auch durch +das Testament etwas bekommen sollten: so wuerde es doch ungerecht sein, +wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles braechten. Nein, +lieber Papa, ich kann noch lange warten. Und mein Geliebter wird sich +ohnedies nicht zur Ehe entschliessen, bis er nicht eine hinlaengliche +Versorgung hat. + +Cleon. Tue dein moeglichstes, dass Julchen heute noch ja spricht. Die +Maedchen muessen wohl ein wenig sproede tun; aber sie muessen es den +Junggesellen auch nicht so gar sauer machen. + +Lottchen. Papa, unsere selige Mama sagte nicht so. + +Cleon. Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden. Ich bin ja +auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht. Ich und +deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre +in der Ehe wie die Kinder vertragen. Sie hat mir tausend vergnuegte +Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken. Sie +hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen. +Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch +gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe. Es wird dir +gewiss wohlgehen. Verlasse dich darauf. Du tust mir viel Gutes. Du +fuehrst meine ganze Haushaltung. Sei zufrieden mit deinem Schicksale. +Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute +Auferziehung. Lass mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen. Ich +will schlafen, wo sie schlaeft. + +Lottchen. Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmuetig? Sie werden, +wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, dass +ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche. Und wenn ich +Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir +meine Schuldigkeit befiehlt. Heute muessen Sie vergnuegt sein. Doch +vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist, +die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fuehlen kann. Aber, +lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Fass, das Sie +in meinem Geburtsjahre eingelegt haben. Was werden wir heute unsern +Gaesten fuer Wein vorsetzen? + +Cleon. Tochter, zapfe das Fass an. Und wenn es Nektar waere: so ist er +fuer den heutigen Tag nicht zu gut. Es wird bald Mittagszeit sein. +Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhaelter langen. +Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken, +wenn du noch einmal mit ihr reden willst. + +Lottchen. Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier +warten. + + + +Zwoelfter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Siegmund. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen. +Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage +scheint mir nichts als eine Liebeserklaerung in einer fremden Sprache +zu sein. Ich haette nicht gedacht, dass sie so zaertlich waere. Die +Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem +Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will. + +Lottchen. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich koennte bald einige +Minuten eifersuechtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist +reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich. + +Siegmund. Wer kann Sie einmal lieben und nicht bestaendig lieben? +Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit +mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muss Ihnen fuer meine Treue der +sicherste Buerge sein. + +Lottchen. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster +Freund, ich muss Ihnen sagen, dass uns vielleicht ein kleines Glueck +bevorsteht. Wollte doch der Himmel, dass es zu Ihrer Beruhigung etwas +beitragen koennte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in +einem Billette gemeldet, dass heute das Testament der Frau Muhme +Stephan geoeffnet werden wuerde und dass er glaubte, sie wuerde den Papa +darinne bedacht haben. O wenn es doch die Vorsicht wollte, dass ich so +gluecklich wuerde, Ihre Umstaende zu verbessern! + +Siegmund. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als +ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und... + +Lottchen. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein +Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe. + +Siegmund. Ach, mein schoenes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das +Glueck, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese +Nacht nicht wohl geschlafen. + +Lottchen. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen +erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn. + +(Ende des ersten Aufzugs.) + + + + +Zweiter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Cleon. Julchen. + + +Cleon. Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist? + +Julchen. Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen? Ich will Ihnen +gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit. + +Cleon. "Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine +Freiheit." Kleiner Affe, was redst du denn? Wenn ich dir deine +Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen. Ich +will dich gar nicht zwingen. Ich bin dir viel zu gut. Nein, sage mir +nur, ob er dir gefaellt. + +Julchen. Ob mir Herr Damis gefaellt? Vielleicht, Papa. Ich weiss es +nicht gewiss. + +Cleon. Tochter, schaeme dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu +reden. Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes. +Gefaellt dir seine Person, seine Bildung? + +Julchen. Sie missfaellt mir nicht. Vielleicht... gefaellt sie mir gar. + +Cleon. Maedchen, was willst du mit deinem "Vielleicht"? Wir reden ja +nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen. + +Julchen. Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht +aufrichtig antwortet? + +Cleon. Rede nicht so poetisch. Dein Herz bist du, und du wirst doch +wissen, was in dir vorgeht. Wenn du einen jungen, wohlgebildeten, +geschickten, vernuenftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur +Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren koennen, ob +du ihn zum Manne haben moechtest. + +Julchen. Zum Manne?... Ach, Papa! lassen Sie mir Zeit. Ich bin +heute unruhig, und in der Unruhe koennte ich mich uebereilen. Ich +glaube in der Tat nicht, dass ich ihn liebe, sonst wuerde ich munter und +zufrieden sein. Wer weiss auch, ob ich ihm gefalle? + +Cleon. Wenn du darueber unruhig bist: so hat es gute Wege. Bist du +nicht ein albernes Kind! Wenn du ihm nicht gefielst: so wuerde er sich +nicht so viel Muehe um dich geben. Er kennt dich vielleicht besser, +als du dich selbst kennst. Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige +Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben wuerde, wenn +sie mir nicht gefallen haette. Indem er zu dir sagt: "Jungfer Julchen", + oder wie er dich nennt... Du kannst mir's ja sagen, wie er dich +heisst. + +Julchen. Er heisst mich Mamsell. + +Cleon. Kind, du betruegst mich. Er spraeche schlechtweg "Mamsell"? +Das kann nicht sein. + +Julchen. Zuweilen spricht er auch "liebe Mamsell". + +Cleon. Tochter, du verstellst dich. Ich bin ja dein Vater. Im +Ernste, wie heisst er dich, wenn er's recht gut meint? + +Julchen. Ich kann mich selbst nicht besinnen. Er spricht... er +spricht... "mein Julchen"... + +Cleon. Warum sprichst du das Wort so klaeglich aus? Seufzest du ueber +deinen Namen? Dein Name ist schoen. Also spricht er zu dir: "Mein +Julchen"? Gut, hat er dich nie anders geheissen? + +Julchen. Ach ja, lieber Papa. Er heisst mich auch zuweilen: "Mein +schoenes Julchen." Warum fragen Sie mich denn so aus? + +Cleon. Lass mir doch meine Freude, du kleiner Narr. Ein +rechtschaffener Vater hat seine Toechter lieb, wenn sie wohlgezogen +sind. Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen. Aber dass ich +wieder auf das Hauptwerk komme. Ja, indem Herr Damis z. E. zu dir +spricht: "Mein schoenes Julchen, ich habe dich..." + +Julchen. Oh! Er heisst mich Sie. Er wuerde nicht du sprechen. Das +waere sehr vertraut, oder doch wenigstens unhoeflich. + +Cleon. Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hiesse, deswegen verloerst +du nichts von deiner Ehre. Hat mich doch meine selige Frau als Braut +mehr als einmal du geheissen, und es klang mir immer schoen. Indem er +also zu dir spricht: "Mein schoenes Julchen, ich bin Ihnen gut": so +sagt er auch zugleich, "Sie gefallen mir"; denn sonst wuerde er das +erste nicht sagen. + +Julchen. Das sagt er niemals zu mir. + +Cleon. Du machst mich boese. Ich habe es ja mehr als einmal selber +gehoert. + +Julchen. Dass er zu mir gesagt haette: "Ich bin Ihnen gut"? + +Cleon. Jawohl! + +Julchen. Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem +Leben nicht zu mir gesagt. "Ich liebe Sie von Herzen", das spricht er +wohl; aber niemals, "ich bin Ihnen gut". + +Cleon. Bist du nicht ein zaenkisches Maedchen! Wir streiten ja nicht +um die Worte. + +Julchen. Aber das klinget doch allemal besser: "Ich liebe Sie von +Herzen", als das andere. + +Cleon. Das mag sein. Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau +gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl. Dass die Welt die Sprache immer +aendert, dafuer kann ich nicht. Ihr Maedchen gebt heutzutage auf ein +Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer. Es gefaellt dir +also, wenn er so zu dir spricht? Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch. + Was wegerst du dich denn? Ich gehe nach der Grube zu. Worauf +willst du denn warten? Kind, ich sage dir's, es duerfte sich keine +Graefin deines Braeutigams schaemen. Herr Damis moechte heute gerne die +voellige Gewissheit haben, ob er... + +Julchen. Papa! + +Cleon. Nun, was willst du? Nur nicht so verzagt. Ich bin ja dein +Vater. Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um. + +Julchen. Papa, darf ich etwas bitten? + +Cleon. Herzlich gern. Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene +gleich etwas gelehrter ist. Bitte, was willst du? + +Julchen. Ich? Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdriesslich. + +Cleon. Das ist ja keine Bitte. Rede offenherzig. + +Julchen. Ich wollte bitten, dass Sie... mir meine Freiheit liessen. + +Cleon. Mit deiner ewigen Freiheit! Ich dachte, du wolltest schon um +das Brautkleid bitten. Ich lasse dir ja deine Freiheit. Du sollst ja +aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen. Bedenke dich noch eine +Stunde. Ueberlege es hier allein. Ich will dich nicht laenger stoeren. +Ich will fuer dich beten. Das will ich tun. + + + +Zweiter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Damis. Darf ich mit Ihnen reden, mein schoenes Kind? + +Julchen. Es ist gut, dass Sie kommen. Die Gesundheit, die Sie mir +ueber Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekraenkt. Meine +Schwester lachte darueber; aber das kann ich nicht. Sie hat heute +ueberhaupt eine widerwaertige Gemuetsart, die sich sogar bis auf Sie, +mein Herr, erstreckt. + +Damis. Bis auf mich? Darf ich weiterfragen? + +Julchen. Ich sagte ihr, dass Sie meiner Meinung waeren und behauptet +haetten, dass mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehoerte. +Darueber spottete sie und sagte dreist, Sie haetten unrecht, wo sie +nicht gar noch mehr sagte. Aber lassen Sie sich nichts gegen sie +merken; sie moechte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten. + +Damis. Lottchen wird es nicht so boese gemeint haben. Sie ist ja die +Gutheit und Unschuld selbst. + +Julchen. Das konnte ich mir einbilden, dass Sie mir widersprechen +wuerden. Und ich will es Ihnen nur gestehen, dass ich's zu dem Ende +gesagt habe. Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich. Sie +redt von der Liebe, und so guetig bin ich nicht. + +Damis. Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat. +Ich bin ja nicht ohne Fehler. Und vielleicht wuerde ich Ihnen mehr +gefallen, wenn ich ihrer weniger haette. + +Julchen. Wozu soll diese Erniedrigung? Wollen Sie mich mit dem Worte +Fehler demuetigen? + +Damis. Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie +gut ich mit Ihnen meine? + +Julchen. Daran zweifele ich gar nicht. Sie sind ja meiner Schwester +gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre +Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken. + +Damis. Ja, ich versichere Sie, dass ich Lottchen allen Schoenen +vorziehen wuerde, wenn ich Julchen nicht kennte. + +Julchen. Ich sehe, die Gefahr, mich hochmuetig zu machen, ist zu wenig, + Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken. + +Damis. Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn +dieses eine Schmeichelei war. Warum halten Sie mich nicht fuer +aufrichtig? + +Julchen (zerstreut). Ich... ich habe die beste Meinung von Ihnen. + +Damis. Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen +Tone aus? Kostet er Sie so viel? In Wahrheit, ich bin recht +ungluecklich. Je laenger ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu +sprechen, desto unzufriedner werden Sie. Sagen Sie mir nur, was Sie +beunruhiget. Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben. Nein, ich +will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen. Ich will Sie +ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben. Wollen Sie mir denn +auch dieses Vergnuegen nicht goennen? + +Julchen. Sie sind wirklich grossmuetiger, als ich geglaubt habe. Wenn +Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall +sehr angenehm sein. Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen +kann. Werfen Sie mir mein verdriessliches Wesen nicht mehr vor. Ich +will gleich so billig sein und Sie verlassen. + +Damis. Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel? + +Julchen (unruhig). Ich weiss es in Wahrheit nicht. Es ist mir alles +so aengstlich, und es scheint recht, als ob ich das Aengstliche heute +suchte und liebte. Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen +nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen. Es ist unhoeflich von +mir, dass ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind. +Aber der Himmel weiss, ich kann nichts dafuer. Ich will mir eine Tasse +Kaffee machen lassen. Vielleicht kann ich mein verdriessliches Wesen +zerstreuen. Aber gehn Sie nicht gleich mit mir. Lottchen moechte mir +sonst einige kleine Spoettereien sagen. Wollen Sie so guetig sein? + + + +Dritter Auftritt + +Damis. Lottchen. + + +Lottchen. Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe? Sie +weinen? Ist das moeglich? + +Damis. O goennen Sie mir dieses Glueck. Es sind Traenen der Wollust, +die meine ganze Seele vergnuegen. Wenn Sie nur das liebenswuerdige Kind +haetten sollen reden hoeren! Wenn Sie nur die Gewalt haetten sehen +sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen! Sie +sagte endlich aufrichtig, sie waere unruhig. Ach Himmel! mit welcher +Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies! Sie liebt mich +wohl, ohne es recht zu wissen. Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen, + o bedenken Sie nur, wie... + +Lottchen. Warum reden Sie nicht weiter? + +Damis. Lassen Sie mich doch mein Glueck erst recht ueberdenken. Sie +nannte ihre Unruhe ein verdriessliches Wesen. Sie bat mich, dass ich +deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen. +Und das Wort Hochachtung drueckte sie mit einem Tone aus, der ihm die +Bedeutung der Liebe gab. Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie +wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem +Gemuete dadurch zu zerstreuen. + +Lottchen. Das gute Maedchen! Wenn der Kaffee eine Arznei fuer die +Unruhen des Herzens waere: so wuerden wir wenig Gemuetskrankheiten haben. + Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist. Das +Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu +sein, dass sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschuetzen weiss. Verwandeln +Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen +nicht gar zu sehr bestraft wird. + +Damis. Diese Verwandlung wird mir sehr natuerlich sein. Aber ich +fuerchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe +wird bekraeftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden. Sie +bat mich, da sie mich verliess, dass ich ihr nicht gleich nachfolgen +sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spoettereien sagen moechte. Wie +furchtsam klingt dieses! + +Lottchen. Ja, es heisst aber vielleicht nichts anders, wenn man es in +seine Sprache uebersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen +nicht so deutlich sieht, dass ich Sie liebe. Ihre Braut scheut sich +nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben. Wenn sie +weniger natuerliche Schamhaftigkeit haette, so wuerde ihre Liebe sich in +einem groessern Lichte sehen lassen; aber vielleicht wuerde sie nicht so +reizend erscheinen. Vielleicht geht es mit der Zaertlichkeit eines +Frauenzimmers wie mit ihren aeusserlichen Reizungen, wenn sie gefallen +sollen. + +Damis. Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich... +Aber wie? Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich +doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten? + +Lottchen. Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber +Herr Bruder. Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen. Aber was wollten +Sie sagen? + +Damis. Fragen Sie mich nicht. Ich habe es wieder vergessen. Ich +kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen. Sie verbergen +sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele. Julchen denkt und +sinnt und redt in mir. Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe +ich grosse Lust, es auch zu sein. Was fuer ein Geheimnis hat nicht ein +Herz mit dem andern! Ich sehe, dass ich gluecklich bin, und sollte +vergnuegt sein. Ich sehe, dass mich Julchen liebt, und indem ich dieses +sehe, werde ich traurig, weil sie es ist. Welche neue Entdeckung in +meinem Herzen! + +Lottchen. Ich weiss Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen +Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst +werden Sie zerstreut werden. Sie wird ihres Platzes von sich selber +muede werden und ihn bald dem Vergnuegen von neuem einraeumen. + +Damis. Ich werde recht furchtsam. Und ich glaube, wenn ich Julchen +wiedersehe, dass ich gar stumm werde. + +Lottchen. Das kann leicht kommen. Vielleicht geht es Julchen auch +also. Ich moechte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen +bemerkt zu werden. Sie wuerden beide tiefsinnig tun. Sie wuerden reden +wollen und statt dessen seufzen. Sie wuerden die verraeterischen +Seufzer durch gleichgueltige Mienen entkraeften wollen und ihnen nur +mehr Bedeutung geben. Sie wuerden einander wechselsweise bitten, sich +zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben. Und +vielleicht wuerde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als +freundschaftliche Kuesse ausbrechen. Aber ich hoere meine Schwester +kommen. Ich will Sie nicht stoeren. (Sie geht und bleibt in der Szene +versteckt stehen.) + + + +Vierter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. War nicht meine Schwester bei Ihnen? Wo ist sie? + +Damis (in tiefen Gedanken). Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht +stoeren. + +Julchen. Nicht stoeren? Was soll das bedeuten? + +Damis. Vergeben Sie mir. Ich habe mich uebereilet. Ach, Juliane! + +Julchen. Sie haben sich uebereilet, und woher? Aber... Ja... Ich +will Sie verlassen. Sie sind tiefsinnig. + +Damis. Sie wollen mich verlassen? meine Juliane! Mich...? + +Julchen. Meine Juliane! so haben Sie mich ja sonst nicht geheissen? +Sie vergessen sich. Ich will Sie verlassen. + +Damis. O gehn Sie noch nicht. Ich habe Ihnen recht viel zu sagen. +Ach viel! + +Julchen. Und was denn? Sie halten mich wider meinen Willen zurueck. +Ist Ihnen etwas begegnet? Was wollen Sie sagen? Reden Sie doch. + +Damis (bange). Meine Juliane! + +Julchen (mit beweglicher Stimme). Juliane! den Namen hoere ich zum +dritten Male. Sie schweigen wieder? Ich muss nur gehn. (Sie geht. +Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.) Wahrhaftig, es muss +Ihnen etwas Grosses begegnet sein. Darf ich's nicht wissen? + +Damis (er koemmt auf sie zu). Wenn Sie mir's vergeben wollten: so +wollte ich Ihnen sagen; aber nein... Ich wuerde Ihre Gewogenheit +darueber verlieren und... (Er kuesst ihr die Hand und haelt sie dabei.) +Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ach, Sie sind verdriesslich, +meine Juliane? + +Julchen (ganz betroffen). Nein, ich bin nicht traurig. Aber ich +erschrecke, dass ich Sie so bestuerzt sehe. Ja... Ich bin nicht +traurig. Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, dass Sie auch so waeren. + Halten Sie mich nicht bei der Hand. Ich will Sie verlassen. Ich +wollte meine Schwester suchen und ihr sagen... + +Damis. Was wollten Sie ihr denn sagen? mein schoenes Kind! + +Julchen. Ich wollte ihr sagen... dass der Papa nach ihr gefragt haette +und... + +Damis. Der Papa? mein Engel! + +Julchen. Nein, ich irre mich. Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und +meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten... (Sie sieht ihn an. +) In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, dass man sich des Mitleidens.. +. (Sie wendet das Gesichte beiseite.) + +Damis. Meine Juliane! Ihr Mitleiden... Sie bringen mich zur +aeussersten Wehmut. + +Julchen. Und Sie machen mich auch traurig. Warum hielten Sie mich +zurueck? Warum weinen Sie denn? (Sie will ihre Traenen verbergen.) +Was fehlt Ihnen? Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf. + +Damis. Ja. + +Julchen (fuer sich). Er geht? + +Damis (indem er wieder zurueckkehrt). Aber darf ich nicht wissen, +meine Schoene, was Ihnen begegnet ist? Sie waren ja Vormittage nicht +so traurig. + +Julchen. Ich weiss es nicht. Sie wollten ja gehn. Ist Ihnen meine +Unruhe beschwerlich? Sagen Sie mir nur, warum Sie... Sie reden ja +nicht. + +Damis. Ich? + +Julchen. Ja. + +Damis. O wie verschoenert die Wehmut Ihre Wangen! Ach, Juliane! + +Julchen. Was seufzen Sie? Sie vergessen sich. Wenn doch Lottchen +wiederkaeme! Bedenken Sie, wenn sie Sie so betruebt saehe und mich... +Was wuerde sie sagen? (Lottchen tritt aus der Szene hervor.) + + + +Fuenfter Auftritt + +Die Vorigen. Lottchen. + + +Lottchen. Ich wuerde sagen, dass man einander durch bekuemmerte Fragen +und Traenen die staerkste Liebeserklaerung machen kann, ohne das Wort +Liebe zu nennen. Mehr wuerde ich nicht sagen. + +Julchen. O wie spoettisch! Ich muss nur gehn. + +Lottchen. O ich habe es wohl eher gesehn, dass du hast gehn wollen, +und doch... + +Julchen. Das wuesste ich in der Tat nicht. (Sie geht ab.) + + +Sechster Auftritt + +Damis. Lottchen. + + +Lottchen. Es dauert mich in der Tat, dass ich Sie beide gestoeret habe. + Ich haette es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht +laenger halten. Kann wohl ein schoenerer Anblick sein, als wenn man +zwei Zaertliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander +die Liebe zu gestehen? Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan +Ihres zaertlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt? Haette ich +mich noch einige Augenblicke halten koennen: so wuerde Ihre +beiderseitige Wehmut gewiss noch bis zu etlichen vertraulichen +Liebkosungen gestiegen sein. + +Damis. Daran zweifele ich sehr. Ich war in Wahrheit recht traurig, +und ich bin's noch. + +Lottchen. Ja, ich sehe es. Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit +mir allein zu reden. Holen Sie unmassgeblich Ihre betruebte Freundin +wieder zurueck. Ich will Sie miteinander aufrichten. + +Damis. Ja, das will ich tun. + + + +Siebenter Auftritt + +Lottchen. Simon. + + +Simon. Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, dass ich unangemeldet +hereintrete. Das Vergnuegen macht mich unhoeflich. Sind Sie nicht die +liebenswuerdige Braut meines Herrn Muendels? + +Lottchen. Und wenn ich nun seine Braut waere, was... + +Simon. So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, dass Ihnen Ihre selige +Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat. Sie +werden die Gewissheit davon noch heute vom Rathause erhalten. Das +Testament ist geoeffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei +der Eroeffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater +diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die +gerichtliche Insinuation erhaelt. + +Lottchen. Ist das moeglich? Die Frau Muhme hat ihr Versprechen +zehnfach erfuellt. Wie gluecklich ist meine Schwester! Sie verdient es +in der Tat. Das ist eine sonderbare Schickung. Mein Herr, Sie setzen +mich in das empfindlichste Vergnuegen. Ich bin nicht die Braut Ihres +Herrn Muendels. Aber die Nachricht wuerde mich kaum so sehr erfreuen, +wenn sie mich selbst anginge. + +Simon. Kurz, Mamsell, ich weiss nicht, welche von Ihnen meinen Muendel +gluecklich machen will. Allein genug, die juengste Tochter des Herrn +Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermoegens von +mehr als funfzigtausend Talern. + +Lottchen. Das ist meine Schwester. Wie erfreue ich mich! + +Simon. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht +bringen kann. Ich wollte es mit tausend Freuden tun. Wo ist Ihr +lieber Herr Vater? Wird er nicht eine Freude haben! + +Lottchen. Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu fuehren. Aber ich +will Sie erst um etwas bitten. Goennen Sie mir doch das Vergnuegen, dass +ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Muendel die erste Nachricht von +dieser gluecklichen Erbschaft bringen darf. Es ist meine groesste +Wollust, die Regungen des Vergnuegens bei andern ausbrechen zu sehen. +Und wenn ich viel haette, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die +Welt froh zu sehen. Lassen Sie mir immer das Glueck, meiner Schwester +das ihrige anzukuendigen. + +Simon. Von Herzen gern. Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht +unter zwo Schwestern gefunden. Ich erstaune ganz. Ich wusste wohl, +Mamsell, dass Sie die Braut meines Muendels nicht waren; allein, ich +wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewissheit leichter +machen. Ich glaubte, Sie wuerden erschrecken und ueber die Vorteile +Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden. Aber ich sehe das Gegenteil +und fange an zu wuenschen, dass Sie selbst die Braut meines lieben +Muendels und die glueckliche Erbin der Frau Stephan sein moechten. + +Lottchen. Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, dass man frei +vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr +Wohlwollen zeitlebens zu erhalten. Also wollen Sie Julchen und dem +Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir ueberlassen? + Sie sind sehr guetig. + +Simon. Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es +ihm selber hinterbringen wollen. Hier koemmt er. + + + +Achter Auftritt + +Die Vorigen. Herr Cleon. Herr Siegmund. + + +Cleon. Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon +im Garten gesucht. Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich +glaubte, Sie wuerden den Kaffee im Garten trinken wollen. Ich erfreue +mich ueber die Ehre Ihrer Gegenwart. Ich erfreue mich recht von Herzen. + +Simon. Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen +von Ihrem Vergnuegen abzugeben. + +Lottchen. Ach, lieber Papa! Ach, lieber Herr Siegmund! Soll ich's +sagen? Herr Simon! + +Simon. Wenn Sie es erzaehlen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's +selbst noch nicht wuesste. + +Cleon. Nun, was ist es denn? meine Tochter! Wem willst du es erst +sagen, mir oder meinem lieben Nachbar? Welcher ist dir lieber, du +loses Kind? + +Lottchen. Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's. Und +wenn ich die Liebe der Freundschaft hoere: so ist es Ihr lieber Nachbar. + Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt +erzaehlt hat. Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente +ihr ganzes Rittergut vermacht. Das Testament ist geoeffnet, und mein +Herr Pate, der Herr Hofrat, laesst Ihnen durch den Herrn Simon diese +Nachricht bringen. + +Cleon. Dafuer sei Gott gedankt. Das Gut ist doch Weiberlehn? Ja! +Ich erschrecke ganz vor Freuden. Das haette ich nimmermehr gedacht. O +sie war dem Maedchen sehr gut! Gott vergelte es ihr in der frohen +Ewigkeit. Das ganze Rittergut? + +Siegmund. Das ist vortrefflich. Die rechtschaffene Frau! + +Simon (zu Cleon). Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem +Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten. + Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen. + +Cleon. Das ist ja ganz was Ausserordentliches. Ich will's die Armen +gewiss geniessen lassen. Aber du, meine liebe Tochter, du koemmst dabei +zu kurz. + +Lottchen. Ich? Papa. Nein. Wenn ich das Glueck tragen koennte: so +wuerde mir der Himmel gewiss auch welches geben. Ich habe schon Glueck +genug. Nicht wahr? Herr Siegmund! Was meinen Sie? + +Siegmund. Dass Sie es ebenso wuerdig sind als Ihre Jungfer Schwester. + +Cleon. Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, dass +auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten haetten. Kommen Sie doch +mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's. Diese beiden +feindseligen Gemueter werden sich schon hier allein vertragen oder uns +nachkommen. + + + +Neunter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen. Wenn ich Ihre Groesse nicht kennte: so wuerde ich gezittert +haben, Ihnen die Nachricht von dem grossen Gluecke meiner Schwester zu +hinterbringen. Aber ich weiss, Sie schaetzen mich deswegen nicht einen +Augenblick geringer. Unser Schicksal steht in den Haenden der Vorsicht. + Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu +unserm Vorteile oeffnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es +wuenschen. + +Siegmund. Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, ueber Ihrem +Herzen das Glueck zu vergessen. Wir wollen hoffen. Vergeben Sie mir +nur, dass ich noch immer den Zerstreuten vorstelle. Ich habe lange mit +Ihrem Papa gesprochen, und ich weiss in Wahrheit nicht was. + +Lottchen. Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's +nicht, dass Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten +gemacht werden, einige Wuensche und Unruhen abnoetiget. Trauen Sie doch +der Vorsehung. Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den +ungluecklichen Prozess Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermoegen verloren. + Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie +auch alles heute ueber ein Jahr wieder. Haben Sie mit Julchen +gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zaertlich gestellt? + +Siegmund. Nein, weil ich so zerstreut bin, so... + +Lottchen. Gut. Sie werden diese kleine Muehe fast ersparen koennen. +Ihr Herz scheint keinen grossen Antrieb mehr noetig zu haben. Aber +sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Ich will sie holen und +es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich. + + + +Zehnter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Welche entsetzliche Nachricht!... Julchen!... Ein ganzes Rittergut! +Julchen... die so viel Reizungen, so viel Schoenheit und Anmut besitzt! +... Kennte ich Lottchens Wert nicht: so wuerde Julchen.... Aber ist +Julchen nicht auch tugendhaft... grossmuetig... klug... unschuldig... +? Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst? Ist Lottchen so schamhaft? +oder... Himmel, wo bin ich? Verdammte Liebe, wie quaelst du mich! +Muss man auch wider seinen Willen untreu werden?... Warum konnte jene +nicht die reiche Erbschaft bekommen? Sahe die Muhme auch, dass die +juengste mehr Verdienste hatte?... Ich Elender! Ich bin ohne meine +Schuld um das groesste Vermoegen gekommen... Aber habe ich weniger +Vorzuege als Damis? Julchen widersteht ja seiner Liebe... Ist es ein +Verbrechen?... Was kann ich dafuer, dass sie mich ruehrt? Sind meine +Wuensche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wuenschen vielleicht gar +uebereinstimmen? O Himmel! Sie koemmt allein. + + + +Eilfter Auftritt + +Siegmund. Julchen. + + +Julchen. Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer +Gesellschaft erwarten. Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann +hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzaehlen. + +Siegmund. Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft +nicht verdriesslich werden? + +Julchen. Mir? Bei Ihnen? Gewiss nicht. Sie sind heute am +freundschaftlichsten mit mir umgegangen. Und es wird Ihnen auch wohl +kein Geheimnis sein, dass ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie +meine Schwester. + +Siegmund (er kuesst ihr die Hand). Sie sagen mir vieles Schoenes, +angenehme Braut. + +Julchen. Bin ich denn eine Braut? Das hat mir noch kein Mensch +gesagt. Nein, mein Herr, heissen Sie mich nicht so. Es kann sein, dass +ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muss ich darum seine Braut sein? +Nein, er ist so guetig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe. + +Siegmund. Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, wuerden Sie +auch zuernen? Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie... doch... + +Julchen. Bei Ihnen bin ich sehr sicher. Solange ein Lottchen in der +Welt ist, werden Ihre Liebeserklaerungen nicht viel zu bedeuten haben. +Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts +erfahren. + +Siegmund. Meine Schoene, ich wollte wuenschen, dass ich aus Verstellung +redte; aber ach nein! Denken Sie denn, dass man... + +Julchen. Und was? + +Siegmund. Dass man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann? + +Julchen. Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe. + +Siegmund. So werde ich sehr ungluecklich sein, weil Sie mit seiner +Rolle nicht zufrieden sind. + +Julchen. Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine +Wuensche nicht erfuelle? + +Siegmund. Vielleicht gewoenne ich. Vielleicht wuerden Sie die +Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn. Ich verehre Sie; doch... +wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde! + +Julchen. Sie koennen eine fremde Person vortrefflich annehmen. Aber +auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich. Ich weiss nicht, wo meine +Schwester bleibt. Ich moechte doch wissen, was sie mir zu sagen haette; +sie kuesste mich vor Freuden. Es muss etwas Wichtiges sein. Ich muss sie +nur suchen.. Verziehn Sie einen Augenblick. + + + +Zwoelfter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Ich Abscheu! Was habe ich getan? Ich werde der redlichsten Seele +untreu, die mich mit Entzueckung liebt? Ich...? Aber wie schoen, wie +reizend ist Julchen! Sie liebt ihn noch nicht... Und mir, mir ist +sie gewogen? Aber die Vernunft...? Sie soll schweigen... Mein Herz +mag die Sache ausfuehren.... Misslingt mir meine Absicht: so bleibt mir +Lottchen noch gewiss. ... Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich +verliebt in Julchen zu stellen? Werde ich ihr darum untreu? Wie? +Sie koemmt noch einmal? Sucht sie mich mit Fleiss? + + + +Dreizehnter Auftritt + +Siegmund. Julchen. Der Magister. + + +Julchen (zu Siegmund). Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr +Damis wiederkoemmt. Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und +Sie sollen so guetig sein und zu dem Papa kommen. Er wartet mit dem +Kaffee auf Sie. + +Siegmund. Nach Ihrem Befehle. Aber darf ich hoffen? + +Julchen. Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muss ich +Ihnen in der Sprache der Schoenen antworten: Sie muessen mit meinem Papa +davon sprechen. + +Der Magister. Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich +moechte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen. + + + +Vierzehnter Auftritt + +Julchen. Der Magister. + + +Julchen. Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen +Neues erzaehlen will? + +Der Magister. Nein, ich habe sie gar nicht gesehn. Ich komme aus +meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen +Fabelbuche gelesen. Wenn Sie mir zuhoeren wollten: so wollte ich Ihnen +eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat. Ich +weiss, Sie hoeren gerne witzige Sachen. + +Julchen. Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin. Sie +lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Wie kommen Sie denn heute auf +diesen Einfall? Ja, ich weiss wohl eher, dass Sie mir eine ziemliche +finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder +Hagedorns Fabeln haben lesen sehen. + +Der Magister. Sie haben recht. Ich halte mehr auf gruendliche +Schriften. Und das Solide ist fuer die Welt allemal besser als das +Witzige. Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so +ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen. Wollen Sie die +Fabel hoeren? Sie heisst Die Sonne. + +Julchen. O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen! Ich +will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, dass sie artig ist. Lesen Sie mir +sie nur nicht vor. + +Der Magister. Jungfer Muhme, ich weiss nicht, was Sie heute fuer eine +verdriessliche Gemuetsart haben. Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir +etliche kostbare Stunden. Ich arbeite fuer Ihr Glueck, fuer Ihre +Beruhigung. Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle +Augenblicke dafuer? Bin ich Ihnen denn so geringe? Verdienen meine +Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit? Sind denn Ihre +Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich +genug bestimmt? Warum widersprechen Sie mir denn? Kann ich etwas +dafuer, dass Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten? Habe +ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind, +etwa erdacht? Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft +enthalten? + +Julchen. Sie schmaelen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmaelen doch +gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben. Darf ich bitten: +so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester +gehn kann. Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schaetze. + +Der Magister. Warum sollte ich's nicht wissen? Wenn Sie gleich nicht +den schaerfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz. Und +ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beitraege und anderer +solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie laesen, +dass Sie bald anders sollten denken lernen. Wenn Sie die Triebe des +Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so wuerden Sie +sehen, dass der Trieb der Liebe ein Grundtrieb waere, und also... + +Julchen. Sie reden mir so viel von der Liebe vor. Haben Sie denn in +Ihrer Jugend auch geliebt? Kennen Sie denn die Liebe recht genau? +Was ist sie denn? Ein Raetsel, das niemand aufloesen kann. + +Der Magister. Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu +dringen. Die Liebe ist eine Uebereinstimmung zweener Willen zu +gleichen Zwecken. Mich deucht, dies ist sehr adaequat. Oder soll ich +Ihnen eine andere Beschreibung geben? + +Julchen. Nein, ich habe mit dieser genug zu tun. Sagen Sie mir +lieber die Fabel. Ich muss zu meiner Schwester. + +Der Magister. Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu +verstehen als eine Kausaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint +mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein. Sie klingt also: Die +Sonne verliebte sich, wie man erzaehlt, einsmals in den Mond. Sie +entdeckte ihm ihre Wuensche auf das zaertlichste; allein der Mond blieb +seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Er verlachte alle die +Gruende, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zaertlichkeit gegen +die Sonne bewegen wollten. Ein heimlicher Stolz hiess ihn sproede tun, +ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war. Er trotzte auf sein +schoenes und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der +Sonne mit Flecken verunstaltete. Und dies sind die Flecken, die wir +noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden. Dies ist die Fabel. + Was empfinden Sie dabei? + +Julchen. Ich empfinde, dass sie mir nicht gefaellt und dass der +Verfasser ihrer noch viel machen wird. Ich will doch nicht hoffen, +dass Sie diese Erzaehlung im Ernste fuer artig halten. + +Der Magister. Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine +Staerke nicht sehen lassen. Aber wie? wenn ich die Fabel selbst +gemacht haette? + +Julchen. So wuerde ich glauben muessen, dass die Schuld an mir laege, +warum sie mir nicht schoen vorkoemmt. + +Der Magister. Sie wissen sich gut herauszuwickeln. Ich will es Ihnen +gestehen. Es ist meine Arbeit. Ich will mich eben nicht gross damit +machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben. Aber wollten Sie +diese Fabel wohl aufloesen? Was soll die Moral sein? + +Julchen. Das werden Sie mir am besten sagen koennen. + +Der Magister. Die Moral soll etwan diese sein: Ein schoenes +Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange sproede tut, steht +in der Gefahr, dass das Alter ihr schoenes Gesicht endlich verwuestet. + +Julchen. Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister. Ich merke, +die Fabel geht auf mich. Ich bin der Mond. Herr Damis wird die Sonne +sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen. +Habe ich nicht alles erraten? + +Der Magister. Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter +Bildern vortraegt: so machen sie einen grossen Eindruck bei Ihnen. +Jungfer Muhme, denken Sie unmassgeblich an die Fabel und widerstehen +Sie der Liebe des Herrn Damis nicht laenger. Was soll ich Ihrem Papa +fuer eine Antwort bringen? + +Julchen. Sagen Sie ihm nur, dass ich ueber Ihre Fabel haette lachen +muessen: so verdriesslich ich auch gewesen waere. Ich habe die Ehre, +mich Ihnen zu empfehlen. + + +Funfzehnter Auftritt + +Der Magister. Cleon. Siegmund. + + +Cleon. Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen? Ich denke, +sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben. + +Der Magister. Sie bleibt unbeweglich. Ich weiss nicht, warum ich mir +des eigensinnigen Maedchens wegen so viel Muehe gebe. Wer weder durch +philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muss +man seinem Wahne zur Strafe ueberlassen. Ich sage ihr kein Wort mehr. +So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein gruendliches +Erkenntnis von der Moral beibringen laesst. Ich habe mich zehnmal +erboten, deine Toechter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen +der Dinge zu zeigen. Aber nein, sie sollten witzig und nicht +vernuenftig werden. + +Siegmund. Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch. Ist Julchen +nicht vernuenftig genug? + +Der Magister. Warum denn nur Julchen? Ich verstehe Sie. Ich habe +ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten. Itzt warten meine Zuhoerer +auf mich. + + + +Sechzehnter Auftritt + +Cleon. Siegmund. + + +Cleon. Ich weiss nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder +Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener +spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht +einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund. + +Siegmund. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, dass Julchen den +Herrn Damis nicht wohl leiden kann. + +Cleon. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von +der Erbschaft wuesste: so daechte ich, das Rittergut machte sie stolz. +Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da +sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit +heiraten. Sie wird sich wohl noch geben. + +Siegmund. Aber Sie wissen wohl, dass der Zwang in der Ehe ueble Fruechte +bringt. + +Cleon. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fuegung. Und +ich wollte wohl wuenschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens +sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, dass ich heute ein doppeltes +Verloebnis ausrichten koennte. + +Siegmund. Ja, wenn nur meine Umstaende... Ich habe einige hundert +Taler Schulden... + +Cleon. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen +und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben. + +Siegmund. Das ist sehr schoen; aber... + +Cleon. Sie kriegen an Lottchen gewiss eine verstaendige Frau. Das +Maedchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht +schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache +manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem +Testamente bald kaeme! Also, wollen Sie Lottchen haben? + +Siegmund. Ja, ich wuensche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als +meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, dass es scheint, dass mir +Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und dass Lottchen hingegen +mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen, + dass mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie +anzuhalten und... + +Cleon. Was hoere ich? Nun errate ich, warum das Maedchen sich so +geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwoere Sie, sagen Sie mir, + was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich... Ja doch. +Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch +gewogener. + +Siegmund. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa. + +Cleon. Also will Lottchen zwei Maenner und Herr Damis zwo Weiber +haben? Das ist ja unsinnig. + +Siegmund. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr +ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, dass Sie alles so +geheimhalten, als es moeglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn +Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich +Julchen anders. + +Cleon. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich +muesste mich ja schaemen. + +Siegmund. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig waehlen sollte: so +bin ich viel zu redlich, als dass ich ihr einen Mann mit so grossem +Vermoegen entziehen will. + +Cleon. Sie sind die Grossmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein. +Ich wollte Ihnen Julchens Vermoegen ebensowohl goennen als dem Herrn +Damis. Freilich waere die Einteilung nicht uneben. Lottchen waere +durch Herrn Damis' Vermoegen und Ihnen durch Julchens Erbschaft +geholfen. Ich weiss nicht, was ich anfangen soll. + +Siegmund. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte, +Julchen versprechen? + +Cleon. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich +daechte, es waere unbillig, dass Sie sie vergaessen. Ich kann mir nicht +einbilden, dass meine Tochter so unbestaendig sein sollte. Ich habe sie +selber vielmal fuer Sie beten hoeren, dass es Ihnen der Himmel moechte +wohlgehen und Sie ihr zum Vergnuegen leben lassen, wenn es sein Wille +waere. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich +wohl. + +Siegmund. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich +liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu +erhalten suchen. + +Cleon. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben. + Ich denke gewiss, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich +will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr +nur recht viel Zaertliches vor. Sie hoert es gern. Julchen will ich +selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange +aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der +rechtschaffene Mann nicht uebelnimmt. + + + +Siebenzehnter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Das geht gut. Julchen wird noch meine... Sie ist schoen, reich und +wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt... Aber, Himmel, wenn Lottchen +mein Vorhaben erfahren sollte! Wuerde sie mein Herz nicht verfluchen?.. +. Doch nein. Sie ist sicher. Sie liebt mich... Aber was quaelt +mich? Sind es die Schwuere, die ich ihr...? Unkraeftige Schwuere der +Treue, euch hoert der Himmel nicht... O Julchen, wie reizend bist du! +Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch? + + + +Achtzehnter Auftritt + +Siegmund. Lottchen. + + +Lottchen. Itzt kommen sie beide. Nun wollen wir's ihnen entdecken. +Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen! Und Sie, + mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb? Vergeben Sie mir diese +ueberfluessige Frage. + +Siegmund. Ja, meine Schoene, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre +Liebe fuer meine Treue unendlich belohnet. O koennte ich Sie doch +vollkommen gluecklich machen! (Er kuesst sie.) Um dies Vergnuegen muss +mich ein Prinz beneiden. Hier kommen sie. Erlauben Sie, meine Schoene, + der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich. Er moechte +ungehalten werden. + + + +Neunzehnter Auftritt + +Lottchen. Julchen. Damis. + + +Lottchen (zu Damis). Ich wollte Ihnen ein schoenes, junges, +liebenswuerdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie +Julchen wollen fahren lassen. + +Julchen. Ist das die Neuigkeit? + +Damis. Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Rittergueter haette: so wuerde mir +Julchen auch in einer Schaeferhuette besser gefallen. + +Julchen. Was reden Sie? Hoeren Sie doch Lottchen an. Wer weiss, wie +gluecklich Sie werden! Ich goenne es Ihnen und der andern Person. +Lottchen, wer ist sie denn? + +Lottchen. Es ist ein artiges Kind. Sie hat ein Rittergut fuer +funfzigtausend Reichstaler. Sie ist wohlerzogen. + +Julchen. So? Aber, wo... Wie heisst sie denn? + +Lottchen. Sie ist fast so schoen wie du. + +Julchen. Das mag ich ja nicht wissen. Wenn ich schoen bin: so wird +mir's der Spiegel sagen. So muss keine Schwester mit der andern reden. + Sage es dem Herrn Damis allein. Ich werde wohl nicht dabei noetig +sein. (Sie will gehn.) + +Damis. Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht. Ich gehe mit Ihnen. + +Julchen. Das wird sich nicht schicken. Das Frauenzimmer mit dem +Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, wuerde es sehr uebelnehmen. +Es ist gut, dass Sie sich bei mir in den Liebeserklaerungen geuebt haben. + Nunmehr werden sie Ihnen wenig Muehe machen. + +Lottchen. Hoere nur, meine Schwester. Es koemmt erst darauf an, ob das +Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird. Sie hat freilich schoene +grosse blaue Augen, fast wie du; eine gefaellige Bildung und eine recht +erobernde Miene; kleine volle runde Haende. (Julchen sieht ihre Haende +an.) Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit. + +Julchen. O ich weiss gar nicht, was du haben willst? Kurz, wie heisst +denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt? + +Lottchen. Sie heisst ebenfalls, wie du, Julchen. + +Julchen. Oh! du willst mich zum Kinde machen. + +Lottchen. Nein, Julchen, ich kuendige hiermit dir und deinem Liebhaber +ein ansehnliches Glueck an. Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem +Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht. Herr Simon hat uns die +Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, dass er mir die +Freude goennen moechte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen. Meine +liebe Schwester, ich wuensche dir tausend Glueck zu deiner Erbschaft, +und Ihnen, mein Freund, wuensche ich meine Schwester. Wie gluecklich +bin ich heute! + +Julchen. Was? Das ganze Rittergut? Und dir nichts? Haette sie es +denn nicht teilen koennen? Ist es denn auch gewiss? Kann es nicht ein +Missverstand sein? Warum hat sie denn dir nichts vermacht? + +Lottchen. Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich. Genug, die +Erbschaft ist deine und fuer dich bestimmt gewesen. Ich habe genug, +wenn ich kuenftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann. Ach, +Julchen, ich weiss, dass dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis +er dir seinen Glueckwunsch abstatten kann. Ich habe ihn gebeten, dich +nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt haette. + +Damis. Ich erstaune ganz. Vielleicht waere es ein Glueck fuer mich, +wenn kein Testament waere. Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie +verlieren? + +Julchen. Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa. Nein, +ganz wuensche ich mir es nicht. Ich verdiene es auch nicht. Traurige +Erbschaft!... Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch +nicht vergnuegt. (Sie sieht den Damis an.) Und Sie, mein Herr...? + +Damis. Und Sie, meine Schoene...? + +Lottchen. Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an. Ich weiss, +dass der Papa schon ein wenig geschmaelet haben wird. + + + +Zwanzigster Auftritt + +Die Vorigen. Cleon. + + +Cleon. Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn? Soll sich der Kaffee +selber einschenken? + +Lottchen. Schmaelen Sie nicht, lieber Papa. Ihre Toechter sind in +guten Haenden. Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen. + +Julchen. Ach, lieber Papa... + +Cleon. Nun, was willst du? Soll ich dir zu deinem Gluecke +gratulieren? Ich habe vor Freuden schon darueber geweint. Hast du +auch Gott fuer die reiche Erbschaft gedankt? Du gutes Kind. Ach +Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee +ein. Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments +bemuehn. Sie, Herr Damis, sollen so guetig sein und ihm Gesellschaft +leisten. + +Damis. Von Herzen gern. + +(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.) + + + +Einundzwanzigster Auftritt + +Cleon. Julchen. + + +Cleon. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muss +dir doch lieb sein, dass du ein Rittergut hast. + +Julchen. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester +anbieten kann. + +Cleon. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner +Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe, +Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis? +Hat auch der eine Freude ueber deine Erbschaft? + +Julchen. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgueltig zu sein. + +Cleon. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermoegen. Aber du musst +auch bedenken, dass er dich gewaehlt hat, da du noch ein armes Maedchen +warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr +Vormund itzt von ihm erzaehlet hat, du wuerdest ihn gewiss lieben! Ich +habe immer gedacht, er waere nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so +hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich +versichert, dass er ein rechter scharfsinniger Mensch waere und mehr +gute Buecher gelesen haette, als Stunden im Jahre waeren. Wer haette das +denken sollen? + +Julchen. Dass er gelehrt ist, habe ich lange gewusst; allein dass ich's +nicht bin, weiss ich leider auch. Vielleicht sucht er die +Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut. + +Cleon. Du redst artig. Da werden die Toechter studieren koennen wie +die Soehne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schoen +singen. Du kannst dein bisschen Franzoesisch. Du schreibst einen +feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die +Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet +und fromm und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann +mehr haben? Herr Damis liebt dich gewiss. Mache, dass ich ihn bald +Herr Sohn und dich Braut heissen kann. + +Julchen. Braut? Das weiss ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa, +Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja +ebensoviel und noch mehr als ich. + +Cleon. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat +ihren Herrn Siegmund und verlangt kein grosses Glueck. Gib ihr etwas +von deinem Vermoegen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so +will ich sie gleich heute verloben. Oder moechtest du Herrn Siegmunden +lieber zum Manne haben? + +Julchen. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die +Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn +Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener? + Und wenn auch dieser liebenswuerdiger waere, da er es doch nicht ist, +wie koennte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester +und er sie so zaertlich liebt? + +Cleon. So gefaellst du mir. Ich bin ein rechter gluecklicher Vater. +(Er klopft sie auf die Backen.) Meine liebe schoene Tochter, bleibe +bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast +den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir +zuweilen ein bisschen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe +alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand... + +Julchen. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschliesse: so gebe ich Ihnen +mein Wort, dass ich einen Mann waehle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur +nicht meine Freiheit dabei verloere! Wenn ich nur wuesste, ob ich ihn +etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich +habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht +zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde? + +Cleon. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe +macht wieder gesund. Ich spraeche ja, wenn ich wie du waere, damit ich +der Krankheit zuvorkaeme. + +Julchen. Ach! Papa. + +Cleon. Ach! Du sollst nicht "Ach", du sollst "Ja" sprechen. Du +gefaellst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben. + +Julchen. Aber werde ich ihm stets gefallen? + +Cleon. Das kannst du denken. Woran stoesst sich denn dein Herz noch? +Befuerchtest du denn gar, dass er dir kuenftig untreu werden moechte? +Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, dass dein Liebster sehr +viel Religion haette und oft zu sagen pflegte, dass er kein Mensch sein +moechte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich +gewiss zeitlebens fuer gut halten. Er wird seine Schwuere nicht brechen. + +Julchen. Ich hoere keine Schwuere von ihm. Wuerde er seine Liebe nicht +beteuern, wenn er mich...? + +Cleon. Das ist schoen, dass er nicht schwoert. Um desto mehr kannst du +auf sein Wort bauen. Das oeffentliche Versprechen ist eben der Schwur +in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn +zugleich tun willst. + +Julchen. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache +recht zu ueberlegen. Lassen Sie mir noch Zeit. + +Cleon. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann +sprich "Ja" oder "Nein". Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe +dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du +willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen +haben. Die beiden schwarzen Pflaesterchen lassen recht huebsch zu +deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren? + +Julchen. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken. + +Cleon. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen +Gevatterbrief schickst. Komm und fuehre mich bei der Hand. Ich moechte +gern einmal von einer Braut gefuehret werden. + +(Ende des zweiten Aufzugs.) + + + + +Dritter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Siegmund. Julchen. + + +Julchen. Was sagen Sie mir? Das glaube ich in Ewigkeit nicht. + +Siegmund. Ich aber glaube es. + +Julchen (bestuerzt). Hat er es Ihnen denn selbst gesagt? Ich +Unglueckliche! + +Siegmund. Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es +ist gewiss, dass er Ihnen Lottchen weit vorzieht. Ich wollte ihm diese +Beleidigung, so gross sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie +nicht zugleich beleidigte. Ich bedaure Sie, mein Engel. Ich weiss, +Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen, + dass Sie dem Unbestaendigen wenigstens meinen Namen verschweigen. + +Julchen. War dies die Ursache seiner Traurigkeit? Der Treulose! Was +hat er fuer Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betruegen? Wenn er +mir aus Rache das Leben haette nehmen wollen: so wuerde ich ihn noch +nicht hassen. Aber dass er mich unter der Maske der Liebe und +Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat. + +Siegmund. Er wird es leugnen, denken Sie an mich. + +Julchen. Der Verraeter! Ja, er soll es leugnen. Ich mag dieses +Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren. Ich will ihn nicht +bestrafen. Nein! Sein Gewissen wird mich raechen... Wie? Er? dem +ich heute mein Herz schenken... doch nein, ich habe ihn nicht geliebt. + Aber hat er nicht tausendmal gesagt, dass er mich liebte? Haelt man +sein Wort unter den Maennern nicht besser? + +Siegmund. O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen +nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen. Sollten Sie mein Herz sehen! + Ja... auch der Zorn macht Sie noch liebenswuerdiger. + +Julchen. Verlassen Sie mich, liebster Freund. Ich will... Und du, +meine Schwester, du schweigst? Und alles dies tust du, o Liebe, du +Pest der Menschen!... Verlassen Sie mich. Ich verspreche Ihnen bei +meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit +zeitlebens zu belohnen. Aber kommen Sie bald wieder hieher. + +Siegmund. Sobald, als ich glaube, dass sich Ihre Hitze etwas gelegt +haben wird. + + + +Zweiter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht). Eben zu der Zeit, +da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch +untreu...? Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen? Bin ich +bezaubert? + +Damis. Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht? Mit wem reden +Sie? + +Julchen. Mit einem Betrueger, den ich geliebt haben wuerde, wenn ich +weniger von ihm erfahren haette. (Gelinder.) Ist es Ihnen moeglich +gewesen, mich zu hintergehn? Mich? die ich schon anfing, Sie im +Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn? Warum handeln Sie +so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muss, +nachdem ich sie gefuehlt habe? Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie fuer +ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, dass ich Sie niemals +hassen, dass ich mich vielmehr bemuehen werde, Ihren Fehler vor mir +selbst zu verbergen. + +Damis. Ich Ungluecklicher! Ist der Betrueger der Name, den ich +verdiene? Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzuernte +Freundin. Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten +Gewissens, dass mein Herz gar keines Betrugs faehig ist. Ich verlange +es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die uebele Meinung beigebracht hat. +Die Zeit wird mich schon rechtfertigen. + +Julchen. Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze? + + + +Dritter Auftritt + +Die Vorigen. Lottchen. + + +Damis (zu Lottchen). Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an, +mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben. + +Lottchen. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich +ueber die ersten Kuesse. + +Damis (zu Julchen). Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer +Schwester. Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen. + +Julchen. Vielleicht faende ich da die wenigste Huelfe. + +Lottchen. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es haette wissen +sollen, dass du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Braeutigam +zanken wuerdest: sie haette dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute +vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, dass der Krieg nicht lange +dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die +Liebe etwas zaenkisch ist. + +Julchen. O scherze nicht. + +Lottchen (zu Damis). Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben +Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich +Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besaenftigen. Julchen, rede +wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er +dich ja beleidiget hat: so lass dir den Kuss wiedergeben: so seid ihr +geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander? + +Julchen. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner +Gegenwart nicht sagen koennen. Ich glaube zwar gar nicht, dass du ihm +Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafuer, dass du +liebenswuerdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein +Verdienst. Er wuerde dich nicht lieben, wenn er nicht die groessten +Vorzuege zu lieben gewohnt waere. Ich entschuldige ihn selbst. + +Lottchen. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du +dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eroeffnen. +Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn +Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich +verliebt stellen sollen, um dich zu ueberfuehren, dass du vielleicht +schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben, + dass Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine +Rolle gar zu gut gespielt. + +Julchen. Er tat sehr ernstlich und... + +Damis (zu Julchen). Sehn Sie, was ich fuer ein betruegerisches Herz +habe? + +Julchen. Aber... + +Damis. Sie koennen noch ein Misstrauen in mich setzen? Wie wenig +muessen Sie mich kennen! + +Julchen. Ich? mein Herr... + +Damis. Ist das der Lohn fuer meine Liebe? + +Julchen. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Wuerde ich eifersuechtig +geworden sein, wenn ich nicht... Also haben Sie mich nicht +hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat fuer Sie gesprochen. + +Lottchen. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich +merke, dass es dir schon weh tut, dass du deinen Geliebten wegen deiner +Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner +Stelle tun. (Zum Damis.) Mein Herr, sein Sie so guetig und vergeben +Sie es Julchen, dass Sie zaertlicher von ihr geliebt werden, als Sie +gedacht haben. + +Julchen. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen +Fehler freiwillig ab. + +Damis. Aber lieben Sie mich denn auch? + +Julchen. Ja. Nunmehr weiss ich's gewiss, dass ich Sie liebe. Und +nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem +Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wuensche dadurch befriediget +werden. + +Damis. Meine Juliane! Ich bin zu gluecklich. + +Julchen. Wenn ich Ihr Herz noch nicht haette: so wuerde ich nunmehr +selbst darum bitten, so hoch schaetze ich's. + +Damis. Vortreffliche Juliane! Ich bin... Doch es ist mir kein +Gedanke anstaendig genug fuer Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen +in der Entzueckung antworten kann. + +Lottchen. Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei +ewig gluecklich! Sei mir ein Beispiel der Zaertlichkeit und der +Zufriedenheit. (Zum Damis.) Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen +so gluecklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wuensche. Bleiben +Sie ein Freund meines Freundes, und befoerdern Sie unsere Ruhe durch +Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater +gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens +Entschluss hoert! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie, +ich will das Vergnuegen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir +heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von +der Gewissheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben. + +(Julchen und Damis gehn ab.) + + + +Vierter Auftritt + +Lottchen. Simon. + + +Simon. Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem +Testamente zu bringen. Ich habe sie selbst geholet. Wollen Sie +unbeschwert diesen Punkt lesen? (Er reicht ihr die Abschrift.) + +Lottchen (sie liest). Wie? Ich bin die Erbin des Ritterguts? Ich? + +Simon. Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester. +Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muss sich +entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiss angerichtet +haben, um seiner Jungfer Pate eine desto groessere Freude zu machen. +Genug, es ist nunmehr gewiss, dass Sie die Erbin des Ritterguts sind, +und kein Mensch kann Ihnen dieses Glueck aufrichtiger goennen, als ich +tue. Sie verdienen noch weit mehr. + +Lottchen. O das ist ein trauriges Glueck! Wird nicht meine liebe +Schwester darueber betruebt werden? Wird nicht Ihr Herr Muendel...? + +Simon. Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und +nunmehr falsche Nachricht brachte. Lesen Sie doch nur weiter. Sie +sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen +zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird. + +Lottchen. Nun bin ich zufrieden. Sie soll noch mehr haben als +zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht ueber ihren Verlust kraenkt. +O was fuer Bewegungen fuehle ich in meiner Seele! Und was werde ich +erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden ueber mein +Glueck erschrecken sehe? O wie schoen wird er erschrecken! Gott, wie +gluecklich bin ich! Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird. + + + +Fuenfter Auftritt + +Die Vorigen. Siegmund. + + +Siegmund. Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehoert, endlich ihr Ja +von sich gegeben? Ist es gewiss? Das ist mir sehr angenehm. + +Lottchen (zu Simon). Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn +Muendels erklaert und wird die Ehre haben, Sie um einen Braeutigam zu +bitten, der unter Ihren Haenden so liebenswuerdig geworden ist. Aber, +mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente. Geht es +Ihnen nicht ein wenig nahe, dass die Frau Muhme uns beide vergessen hat? + +Siegmund. Nein, nicht einen Augenblick. Sie sind mir mehr als ein +reiches Testament. + +Lottchen. Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten +sollte, wollen wir's annehmen? + +Siegmund. Da sie nicht mehr ueber ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie +auch nicht ueber ihr Vermoegen zu befehlen. + +Simon. O mein Herr, Sie koennen versichert sein, dass ihr mein Muendel +die voellige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein. +Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Ueberflusse, sondern in dem +Gebrauche desselben. Er wuerde Julchen gewaehlt haben, wenn sie auch +keine Erbschaft getan haette. Und vielleicht waere es ihm gar lieber, +wenn er ihr Glueck durch sich allein haette machen koennen. Wir wollen +wuenschen, dass alle Liebhaber so edel gesinnt sein moegen als er. + +Lottchen. Hoeren Sie, Herr Siegmund, was wir fuer einen grossmuetigen +Bruder bekommen haben? + +Siegmund. Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die groesste Ehre. + +Simon. Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn. Er ist von seinem +zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde +alle meine Sorgfalt fuer ihn so reichlich belohnet und mir so vieles +Vergnuegen gemacht, dass ich nicht weiss, wer dem andern mehr Dank +schuldig ist. + +Lottchen. Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem +Braeutigam meiner Schwester goenne. Und wenn mein Papa sterben sollte: +so wuerde ich Ihr Muendel sein, um ebendieses Lob zu verdienen. O was +ist der Umgang mit grossen Herzen fuer eine Wollust! Aber, Herr Simon, +darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe +gebeut und rechtfertiget? Ja, Sie sind es wuerdig, die Regungen meiner +Seele ohne Decke zu sehen. (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn. +) Endlich, mein Freund, bin ich so gluecklich, Ihren Umgang und Ihre +Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen. Sie +haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt. Die Vorsicht hat mich +heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht ruehmlicher +anzuwenden weiss, als wenn ich sie in Ihre Haende bringe. Ich weiss, Sie +werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen. Hier ist eine +Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erklaeret bin, anstatt +dass es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war. Kurz, die +Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehoert Julchen. + Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen. + +Siegmund. Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgueltig. + +Lottchen. Eben deswegen verdienen Sie's. Fehlt zu Ihrem Gluecke +nichts als meine Liebe: so koennen Sie nie gluecklicher werden. + +Siegmund. Ach, meine Schoene, wie erschrecke ich! Sie machen, dass man +die Liebe und das Glueck erst hochschaetzt. O warum kann nicht die +ganze Welt Ihrer Grossmut zusehen! Sie wuerden auch den +niedertraechtigsten Seelen liebenswuerdig vorkommen und ihnen bei aller +Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, dass sie Ihnen gleichen +moechten. Ich danke es der Schickung ewig, dass sie mir Ihren Besitz +zugedacht hat. Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater, +um ihn nunmehr... + + + +Sechster Auftritt + +Die Vorigen. Ein Bedienter. + + +Der Bediente (zu Lottchen). Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell. Er +koemmt von der Post. + +Lottchen. Ein Brief von der Post? + +Siegmund. Ja, ich habe den Brieftraeger selbst auf dem Saale stehen +sehen, ehe ich hereingekommen bin. + +Lottchen. Wollen Sie erlauben, meine Herren, dass ich den Brief in +Ihrer Gegenwart erbrechen darf? + +Simon. Ich will indessen meinem lieben Muendel meinen Glueckwunsch +abstatten. + + + +Siebenter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen (indem sie den Brief fuer sich gelesen hat). O mein Freund, +man will mir mein Glueck sauermachen. Man beneidet mich, sonst wuerde +man Sie nicht verkleinern. Es ist ein boshafter Streich; er ist mir +aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und +meiner Liebe geben kann. Ich will Ihnen den Brief lesen. Er besteht, +wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen. (Sie liest.) "Mamsell, trauen Sie +Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht. Er ist ein Betrueger. N. +N." + +Siegmund. Was? Ich ein Betrueger? + +Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand). Ich weiss, dass Sie gross genug +sind, dieses hassenswuerdige Wort mit Gelassenheit anzuhoeren. Es ist +ein Lobspruch fuer Sie. Ich verlange einen solchen Betrueger, als Sie +sind, mein Freund. + +Siegmund. Aber wer muss mir diesen boshaften Streich an dem heutigen +Tage spielen? Wie? Sollte es auch Herr Simon selbst sein? Liebt er +Sie vielleicht? Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft? Warum ging er, da +der Brief kam? Soll ich ihm dieses Laster vergeben? Wenn er mir +meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen haette: so wuerde ich ihm fuer +diese Demuetigung danken; aber dass er mir die Ehre eines guten Herzens +rauben will, das ist aerger, als wenn er mir Gift haette geben wollen. +Ich?... Ich, ein Betrueger? Himmel, bringe es an den Tag, wer ein +Betrueger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat! Ist das +der edelgesinnte Vormund? + +Lottchen. Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie +sich. Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte. Es ist +nicht moeglich, dass er eine solche Niedertraechtigkeit begehen sollte. +Sein Charakter ist edel. Wer weiss, was Sie sonst fuer einen Feind +haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht +bekommen hat. + +Siegmund. Sie entschuldigen den Vormund noch? Hoerten Sie nicht den +boshaften Ausdruck: Wir wollen wuenschen, dass alle Liebhaber so edel +gesinnt sein moegen als mein Muendel? Ist dieses nicht eine +unverschaemte Anklage wider mich? + +Lottchen. Ich sage Ihnen, dass Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch +einen Augenblick in Verdacht haben. So, wie ich ihn kenne und wie mir +ihn sein Muendel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein +Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann. + +Siegmund. Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben? Ich habe +gemerkt, dass er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das +geringste Wort Achtung gegeben hat. Es koemmt noch ein merkwuerdiger +Umstand dazu. Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon +triumphieret, dass er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe +erhalten haette. Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt; +aber mir nicht. + +Lottchen. Ich beschwoere Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie +diesen Mann aus dem Verdachte. + +Siegmund. Warum hat er mir nicht gesagt, dass man ihm vom Hofe einen +vornehmen Charakter und eine ungewoehnliche Pension gegeben hat? Was +sucht er darunter, wenn er nicht mein Unglueck bei Ihnen sucht? + +Lottchen. Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zaertlichen Liebe zu mir. +Ausserdem wuerde ich Sie nicht laenger anhoeren. Wir wollen die Sache zu +unserm Vorteile enden. Ihre Feinde moegen sagen, was sie wollen. Sie +sind bestraft genug, dass sie Ihren Wert nicht kennen. Und wir koennen +uns nicht besser raechen, als dass wir uns nicht die geringste Muehe +geben, sie zu entdecken. Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen. Ich +komme in der Gesellschaft meines Vaters und der uebrigen gleich wieder +zu Ihnen, unser Buendnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen. + + +Achter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Das war ein verfluchter Streich! Aber er macht mich nur mutiger. +Julchen ist verloren... Gut, ist doch Lottchen, ist doch das +Rittergut mein... Ich bin nicht untreu gewesen. Nein! Ich habe es +nur sein wollen; aber ich war zu edel, als dass mich's die Umstaende +haetten werden lassen. Aber wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine +Untreue erfahren? Ich will sie sicher machen. + + + +Neunter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. "Wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine Untreue erfahren? +Ich will sie sicher machen." Der Boshafte! Hoerten Sie sein +Bekenntnis? Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe +auffuehren wuerde. O haetten wir diese unglueckselige Entdeckung doch +niemals gemacht! Du arme Schwester! Du verbindest dich mit einem +Menschen, der ein boeses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat. + +Damis. Ja, es ist ein nichtswuerdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt +habe. Er hat den groessten Betrug begangen. Ich bitte ihn heute +Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, dass er mir Ihre Liebe +sollte gewinnen helfen. Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater, +unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden, +als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten. Ist das mein Freund, dem +ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermoegen angeboten habe? + +Julchen. Mich hat er bereden wollen, dass Sie meiner Schwester +gewogener waeren als mir. Nunmehro weiss ich gewiss, dass es keine +Verstellung gewesen. Aber meine arme Schwester wird es doch denken, +weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat. Wer soll +ihr ihren Irrtum entdecken? Wird sie uns hoeren? Und wenn sie es +glaubt, ueberfuehren wir sie nicht von dem groessten Ungluecke! Wie dauret +sie mich! + +Damis. Ja. Aber sie muss es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so +rede ich. + +Julchen. Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester! +Schweigen Sie. Vielleicht... Vielleicht ist er nicht von Natur +boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft... + +Damis. Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist +er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein +Mensch, der den andern aus Hunger auf der Strasse umbringt. Hat ihn +die ausnehmende Zaertlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die +edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft +erhalten koennen: so muss es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes +willen seinen naechsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der +geringsten Wollust wegen abzuschwoeren. + +Julchen. Aber ach, meine Schwester... Tun Sie es nicht. Ich zittre.. +. + +Damis. Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt. Aber +ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so ungluecklich werden lasse, sich mit +einem Nichtswuerdigen zu verbinden: so will ich mein Vermoegen, meine +Ehre und Sie selbst verlieren. Ich gehe und sage ihr alles, und wenn +sie auch ohne Trost sein sollte. Mein Herr Vormund hat das Billett an +Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen. +ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide fuer zu +einfaeltig gehalten, haben seine tueckischen Absichten zuerst gemerkt, +und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut. Dieser hasst und +sieht die kleinsten Betruegereien. + +Julchen. Ist er denn gar nicht zu entschuldigen? + +Damis. Nein, sage ich Ihnen. Wir haben alles untersucht. Er ist ein +Betrueger. (Mit Bitterkeit.) Ich habe in meinem Leben noch kein Tier +gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen +durch seine Verstellung ungluecklich machen sollte, wollte ich mit +Freuden umbringen. Was? Wir Maenner wollen durch den haesslichsten +Betrug das Frauenzimmer im Triumph auffuehren, das wir durch unsere +Tugend ehren sollten? + +Julchen. Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen? + +Damis. Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen. Sie soll ihn fuehlen +lassen, was es heisst, ein edles Herz hintergehn. + +Julchen. Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte. Waere das +nicht auch grossmuetig? + +Damis. Sie braucht ihn nicht zu verfolgen. Sie kann alle Regungen +der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen. Er ist ein +Unmensch. + + + +Zehnter Auftritt + +Die Vorigen. Simon. + + +Simon. Ich stehe die groesste Qual aus. Unsere Absicht mit dem Briefe +schlaegt leider fehl. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn +fuer unschuldig haelt. Sie dringt in ihren Vater, dass er die Verlobung +beschleunigen soll. Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergisst +vielleicht in der grossen Liebe die Vorsichtigkeit und meine +Erinnerungen. Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme +preiszugeben: so will ich's tun. + +Damis. Ich tue es auch. + +Julchen. Wenn nur meine Schwester kaeme. Ich wollte... Aber sie +liebt ihn unaussprechlich. Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich +auf einmal von ihm trennen soll? + +Simon. Es wird viel empfinden. Sie liebt ihn so sehr, als man nur +lieben kann. Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der +Liebe wert haelt. Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die +Vernunft, das Gefuehl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider +ihre Liebe empoeren und sie verdringen. Der Hass wird sich an die +Stelle der Liebe setzen. Wir muessen alle drei noch einmal mit ihr und +dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betruegt. + +Julchen. Du redliche Schwester! Koennte ich doch dein Unglueck durch +Wehmut mit dir teilen! Wie traurig wird das Ende dieses Tages fuer +mich! + +Simon. Betrueben Sie sich nicht ueber den Verlust eines solchen Mannes. + Lottchen ist gluecklich, wenn sie ihn verliert, und ungluecklich, wenn +sie ihn behaelt. Herr Damis, haben Sie die Guete und sehen Sie, wie Sie +Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und +hieherbringen koennen. + +Damis. Ja, das ist das letzte Mittel. + +Simon (zu Damis). Noch ein Wort. Haben Sie die Abschrift des +Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe? + +Damis. Nein, Herr Vormund. + +Simon. Sie auch nicht, Mamsell Julchen? + +Julchen. Nein. + +Simon. Also wissen Sie beide noch nicht, dass die erste Nachricht +falsch gewesen ist. Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht. Sie sind +nicht die Erbin des Ritterguts. + +Julchen. Wie? Ich bin's nicht? Warum haben Sie mir denn eine +falsche Freude gemacht? Das ist betruebt. Geht denn heute alles +ungluecklich? Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts? Bin ich nicht mehr +Ihre Braut? Geht denn das Unglueck gleich mit der Liebe an? Ich +wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen. +Ich liess schon die besten Zimmer fuer sie zurechtemachen. Ach, mein +Herr, was fuer Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, dass +ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und +Wiesen fuehrte... ! Also habe ich nichts? + +Damis. Sie haben so viel, als ich habe. Vergessen Sie die traurige +Erbschaft. Es wird uns an nichts gebrechen. Mir ist es recht lieb, +dass Sie das Rittergut nicht bekommen haben. Vielleicht haette die Welt +geglaubt, dass ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren +eigenen Wert gesehen haette. Und dies soll sie nicht glauben. Sie +soll meine Braut aus ebender Ursache hochschaetzen, aus der ich sie +verehre und waehle. Fuehren Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen +Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnuegen machen. Genug, dass +Sie ein Rittergut verdienen. O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende +gerissen haette. Ich werde eher nicht ruhig. + +Simon. Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts. + +Julchen. Meine Schwester ist es? Meine Schwester? Bald haette ich +sie beneidet; aber verwuenscht sei diese Regung! Nein! Ich goenne ihr +alles. (Zu Damis.) Was koennte ich mir noch wuenschen, wenn Sie mit +mir zufrieden sind. Sie soll es haben. Ich goenne ihr alles. + +Damis. Auch mich, meine Braut? + +Julchen. Ob ich Sie meiner Schwester goenne? Nein, so redlich bin ich +doch nicht. Es ist keine Tugend; aber... Fragen Sie mich nicht mehr. + +Damis. Nein. Ich will Mamsell Lottchen suchen. Die Zaertlichkeit +soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen. + + + +Eilfter Auftritt + +Julchen. Simon. + + +Julchen. Ob ich ihn meiner Schwester goenne? Wie koennte sie das von +mir verlangen? Sie hat ja das Rittergut. Ich liebe sie sehr; aber +wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befoerdern soll: +so fordert sie zu viel. Das ist mir nicht moeglich. + +Simon. Machen Sie sich keine Sorge. Sie wird es gewiss nicht begehren. + Ich muss Ihnen auch sagen, dass sie Ihnen nach dem Testamente +zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll. + +Julchen. Das ist alles gut. Wenn ich nur meiner Schwester ihren +Liebhaber durch dieses Geld treu machen koennte, wie gern wollte ich's +ihm geben! Der boese Mensch! Kann er nicht machen, dass ich den Herrn +Damis verliere, indem er Lottchen verliert? Aber warum laesst der +Himmel solche Bosheiten zu? Was kann denn ich fuer seine Untreue? Ich +bin ja unschuldig. + +Simon. Mein Muendel kann niemals aufhoeren, Sie zu lieben. Verlassen +Sie sich auf mein Wort. Jungfer Lottchen ist zu beklagen. Aber +besser ohne Liebe leben, als ungluecklich lieben. Wenn sie doch kaeme! + +Julchen. Aber wenn sie nun koemmt? Ich kann ja ihre Ruhe nicht +herstellen. Ich habe sie herzlich lieb. Aber warum soll denn meine +Liebe mit der ihrigen leiden? Nein, so grossmuetig kann ich nicht sein, +dass ich ihr zuliebe mich und... mich und ihn vergaesse. Wenn sie doch +gluecklich waere! Ich werde recht unruhig. Er sagte, er wollte die +Zaertlichkeit der Freundschaft nachsetzen. Was heisst dieses? + +Simon. Bleiben Sie ruhig. Mein Muendel ist der Ihrige. Sie verdienen +ihn. Und wenn Sie kuenftig an seiner Seite die Glueckseligkeiten der +Liebe geniessen: so verdanken Sie es der Tugend, dass sie uns durch +Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht. + + + +Zwoelfter Auftritt + +Die Vorigen. Der Magister. + + +Der Magister. Herr Simon, ich moechte Ihnen gern ein paar Worte +vertrauen. Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige +Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtuemer fuer Gewalt ueber +das menschliche Herz haben. + +Simon. Ich fuerchte, dass mir diese unglueckliche Entdeckung schon mehr +als zu bekannt ist. + +Der Magister. Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube +nachgedacht. + +Julchen. Koennen Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist? Tun Sie +es doch, lieber Herr Magister. + +Der Magister. Siegmund muss bestraft werden, damit er gebessert werde. + +Simon. Er verdient nicht, dass man ihn anders bestrafe als durch +Verachtung. + +Der Magister. Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden? + +Simon. Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern? + +Der Magister. Das will ich itzt nicht ausmachen. Aber sagen Sie mir, +Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, dass +nur ein Laster ist; oder dass, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer +Kraft nach zugegen sind? Sehn Sie nur Siegmunden an. Ist er nicht +recht das Exempel zu diesem Paradoxo? + +Simon. Ja, Herr Magister. Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von +der Liebe zu Siegmunden abbringen? Sie glaubt es ja nicht, dass er +untreu ist. + +Der Magister. Das wird sich schon geben. O wie erstaunt man nicht +ueber die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat +und welche alle mit einem haben! Siegmund wird bei der Gelegenheit +des Testaments geizig. Ein Laster. Er strebt nach Julchen, damit er +ihre Reichtuemer bekomme. Welcher schaendliche Eigennutz! Er wird +Lottchen untreu und will Julchen untreu machen. Wieder zwei neue +Verbrechen. Er kann sein erstes Laster nicht ausfuehren, wenn er nicht +ein Betrueger und Verraeter wird. Also hintergeht er seinen Freund, +seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die +Tugend hintergangen hat. Aber alle diese Bosheiten auszufuehren, musste +er ein Luegner und ein Verleumder werden. Und er ward es. Welche +unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern? Sollten +also die Stoiker nicht recht haben? + +Simon. Wer zweifelt daran? Herr Magister. Ich glaube es, dass Sie +die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen. Sie reden +sehr wahr, sehr gelehrt. Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt, +und wir danken Ihnen zeitlebens dafuer. Aber entdecken Sie nun auch +das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, dass sie sich nicht mit dem +untreuen Siegmund verbindet. + +Der Magister. Darauf will ich denken. Lottchen ist zu leichtglaeubig +gewesen. Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man +Ursache hat, ein Misstrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man +es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat. +Wir haben so viele Vernunftlehren. Eine Willenslehre ist ebenso noetig. + Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der +Verstand? So wie der Verstand Grundsaetze hat, die sein Wesen +ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe. Kennt man diese, so +kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu +verbessern. Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen +nicht hundertmal gesagt, dass Siegmund nichts Gruendliches in der +Philosophie weiss? Dies sind die traurigen Fruechte davon. + +Julchen. Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betruebten +Sache empfaenden als ich, Sie wuerden diese Frage itzt nicht an mich tun. + Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt. Und ich wollte wuenschen, +dass Sie an die Fabel von dem Knaben gedaechten, der in das Wasser +gefallen war. Anstatt dass Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so +zeigen Sie uns den Ursprung und die Groesse derselben. Nehmen Sie meine +Freiheit nicht uebel. + +Der Magister. Ich kann Ihnen nichts uebelnehmen. Zu einer Beleidigung +gehoert die gehoerige Einsicht in die Natur der Beleidigung. Und da +Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber +sie sind es nicht. + +Simon. Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun? + +Der Magister. Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen +und meinem Bruder kurz und gut sagen, dass ich meine Einwilligung nicht +darein gebe. Alldann muss die Sache ein ander Aussehn gewinnen. + +Simon. Gut, das tun Sie. + + +Dreizehnter Aufzug +Julchen. Simon. + +Julchen. Ich will dem Herrn Magister nachgehen. Er moechte sonst gar +zu grosse Haendel anrichten. Entdecken Sie Lottchen, wenn sie koemmt, +die traurige Sache zuerst. Ich will sorgen, dass Sie Siegmund in Ihrer +Unterredung nicht stoert und Ihnen, wenn ich glaube, dass es Zeit ist, +mit meinem Braeutigame zu Huelfe kommen. + +Simon. Ich will als ein redlicher Mann handeln. Und wenn ich mir +auch den groessten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die +niedertraechtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so +will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen. + + +Vierzehnter Auftritt + +Simon. Lottchen. + + +Lottchen. Was ist zu Ihrem Befehle? Haben Sie etwa wegen der +zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu +erinnern? Tun Sie nur einen Vorschlag. Ich bin zu allem bereit. + +Simon. Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden. Glauben Sie +wohl, dass mir Ihr Glueck lieb ist und dass ich ein ehrlicher Mann bin? +So unhoeflich diese beiden Fragen sind: so muss ich sie doch an Sie tun, +weil ich sonst in der Gefahr stehe, dass Sie meinen Antrag nicht +anhoeren werden. + +Lottchen. Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen? Reden Sie frei. +Ich sage es Ihnen, dass ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich +meinem Vater schuldig bin. Ich will Ihnen den groessten Dank sagen, +wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die +Tat zu beweisen. Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit +ueberzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Braeutigams. Kann es Ihnen +nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden? + +Simon. Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers. + +Lottchen. Will Ihr Herr Muendel etwa das Rittergut gern haben, weil es +so nahe an der Stadt liegt? Nun errate ich's, warum er itzt gegen den +guten Siegmund etwas verdriesslich tat. Warum hat er mir's nicht +gleich gesagt? Er soll es haben und nicht mehr dafuer geben, als Sie +selbst fuer gut befinden werden. Kommen Sie zur Gesellschaft. Ich +habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten, +entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern +Aufschub das Recht ueber mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu +zeigen, dass ich auf keine gemeine Art liebe. + +Simon. Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die +Post bringen helfen. + +Lottchen. Ehe wollte ich glauben, dass ihn mein Vater, der mich so +sehr liebt, geschrieben haette. Sie scherzen. + +Simon. Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die +Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft. Erschrecken Sie nur, +und hassen Sie mich. Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es +nicht aufrichtig mit Ihnen. + +Lottchen. Sie wollen gewiss das Vergnuegen haben, meine Treue zu +versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, dass ich nicht +erschrecken kann. + +Simon. Sie glauben, ich scherze? Ich will also deutlicher reden. +Ihr Liebhaber ist ein Betrueger. + +Lottchen (erbittert). Mein Herr, Sie treiben die Sache weit. Wissen +Sie auch, dass ich fuer die Treue meines Liebhabers stehe und dass Sie +mich in ihm beleidigen? Und wenn er auch der Untreue faehig waere: so +wuerde ich doch den, der mich davon ueberzeugte, ebensosehr hassen als +den, der sie begangen. Aber ich komme gar in Zorn. Nein, mein Herr, +ich kenne ja Ihre Grossmut. Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiss, als ich +lebe. + +Simon. So gewiss, als ich lebe, ist es mein Ernst. Er ist unwuerdig, +noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden. + +Lottchen. Und ich werde ihn ewig lieben. + +Simon. Sie kennen ihn nicht. + +Lottchen. Besser als Sie, mein Herr. + +Simon. Ihre natuerliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen +macht, dass Sie ihn fuer aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht. + +Lottchen. Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand. Ich +habe Sie und meinen Liebhaber fuer aufrichtig gehalten. Ich will mich +betrogen haben. Aber wen soll ich zuerst hassen? Ist Ihnen etwas an +meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie. Sie veraendern mein +ganzes Herz. Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen; +aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennuetzig zu +handeln. Waere es Ihrem Charakter nicht gemaesser, mich tugendhaft zu +erhalten, als dass Sie mich niedertraechtig machen wollen? Warum reden +Sie denn nur heute so? + +Simon. Weil ich's erst heute gewiss erfahren habe. Wenn Sie mir nicht +glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem +Muendel. + +Lottchen. Das ist schrecklich. Haben Sie diese auch auf Ihre Seite +gezogen? + +Simon. Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater. Und +ehe ich zugebe, dass ein Niedertraechtiger Ihr Mann wird, ehe will ich +mich der groessten Gefahr aussetzen. Sie sind viel zu edel, viel zu +liebenswuerdig fuer ihn. + +Lottchen. Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten? Muss er +nur darum ein Betrueger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswuerdig +bin? Und Sie glauben, dass sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen +laesst? Nunmehr muss ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen. + Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn koennen. + +Simon. Machen Sie mir noch so viele Vorwuerfe. Die groessten +Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstossen, sind nichts als Beweise +Ihres aufrichtigen Herzens. Die Meinung, in der Sie stehen, +rechtfertiget sie alle. Und ich wuerde Sie vielleicht hassen, wenn Sie +mein Anbringen gelassener angehoert haetten. Genug... + +Lottchen. Das ist ein neuer Kunstgriff. Mein Herr, Ihre List, wenn +es eine ist, und sie ist es, sei verwuenscht! Wie? Er, den ich wie +mich liebe?... Sie wollen sich an seine Stelle setzen? Ist es +moeglich? + +Simon. Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich +verschmerzen. Es ist wahr, dass ich Sie ungemein hochachte; aber ich +habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner +Niedertraechtigkeit zu benehmen. Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus +nicht mehr zu betreten, solange ich lebe. Und wenn ich durch diese +Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf +das entsetzlichste. Nach diesem Schwure schaeme ich mich, mehr zu +reden. (Er geht ab.) + + + +Funfzehnter Auftritt + +Lottchen allein. + + +Gott, was ist das?... Er soll mir untreu sein?... Nimmermehr! Nein! + Der Vormund sei ein Betrueger und nicht er. ... Du, redliches Herz! +Du, mein Freund, um dich will man mich bringen? Warum beweist er +deine Untreue nicht? + + + +Sechzehnter Auftritt + +Lottchen. Damis. + + +Lottchen. Kommen Sie mir zu Huelfe. Und wenn sie mein Unglueck auch +alle wollen: so sind doch Sie zu grossmuetig dazu. Was geht mit meinem +Braeutigam vor? Sagen Sie mir's aufrichtig. + +Damis. Er ist Ihnen untreu. + +Lottchen. Auch Sie sind mein Feind geworden? Hat Sie mein Liebhaber +beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so grossmuetig und sagen mir +nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen. + +Damis. Mein Herz ist viel zu gross zur Rache. + +Lottchen. Aber klein genug zur Undankbarkeit? Hat Ihnen mein +Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen? + +Damis. Wollte der Himmel, er haette mir ihn nicht erwiesen: so wuerden +Sie gluecklicher, und er wuerde nur ein verborgner Verraeter sein. + +Lottchen. Betrueger! Verraeter! Sind das die Namen meines Freundes, +den ich zwei Jahr kenne und liebe? + +Damis. Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so wuerde ich mit +mehr Maessigung vor Ihnen reden. Aber mein Eifer gibt mir fuer Ihren +Liebhaber keinen andern Namen ein. Sie, meine Schwester, sind Ihres +Herzens wegen wuerdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der +Mensch, der bei Ihrer Zaertlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen +der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen, +eine abscheuliche Seele. + +Lottchen. Eine abscheuliche Seele? Wohlan; nun fordere ich Beweise. +(Heftiger.) Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester, +noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn koennen. Und +ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Gestaendnis. Ich bin so sehr +von seiner Tugend ueberzeugt, dass ich weiss, dass er auch den Gedanken +der Untreue nicht in sich wuerde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn +selbst zu entdecken. Und ich wuerde ihn wegen seiner gewissenhaften +Zaertlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben +koennte. + +Damis. Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich +Ihnen das Herz meiner Braut wieder zurueck. Ihnen bin ich's schuldig; +aber ich mag nicht die groesste Wohltat von Ihnen geniessen und zugleich +Ihr Unglueck sehn. + +Lottchen. Sie muessen mich fuer sehr wankelmuetig halten, wenn Sie +glauben, dass ich durch blosse Beschuldigungen mich in der Liebe irren +lasse. Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines +Braeutigams zu kennen? Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm +seine Untreue abwesend vor? Rufen Sie ihn hieher. Alsdann sagen Sie +mir seine Verbrechen. Er ist edler gesinnet als wir alle. Und ich +will ihn nun lieben. + +Damis. Sie haben recht. Ich will ihn selbst suchen. + + + +Siebenzehnter Auftritt + +Lottchen. Julchen. + + +Lottchen. Er geht? Er untersteht sich, ihn zu rufen? Nun faengt mein +Herz an zu zittern. (Sie sieht Julchen. Klaeglich.) Meine Schwester, +bist du auch da? Hast du mich noch lieb? (Lottchen umarmt sie.) +Willst du mir die traurigste Nachricht bringen? O nein! Warum +schweigst du? Warum koemmt er nicht selbst? + +Julchen. Ich bitte dich, hoere auf, einen Menschen zu lieben, der... + +Lottchen. Er soll schuldig sein; aber muss er gleich meiner Liebe +unwuerdig sein? Nein, meine liebe Schwester. Ach nein, er ist gewiss +zu entschuldigen. Willst du ihn nicht verteidigen? Vergisst du schon, +was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat? Warum sollte er mir +untreu sein, da ich Vermoegen habe? Warum ward er's nicht, da ich noch +keines hatte? + +Julchen. Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, dass ich +die Erbin des Testaments waere. Ach, liebe Schwester, wie gluecklich +wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen saehe! + +Lottchen. So ist es gewiss? (Hart.) Nein! sage ich. + +Julchen. Ich habe lange mit mir gestritten. Ich habe ihn in meinem +Herzen, vor meinem Braeutigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater +entschuldiget. Ich wuerde sie aus Liebe zu dir noch alle fuer betrogne +Zeugen halten. Aber es ist nicht mehr moeglich. Er selbst hat sich +hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen +Briefe verlassen hattest. Er war allein. Die Unruhe und sein +Verbrechen redten aus ihm. Er hoerte mich nicht kommen. O haett' er +doch ewig geschwiegen!... Ach, meine Schwester! + +Lottchen. Meine Schwester, was sagst du mir? Er hat sich selbst +angeklagt? Er ist untreu? Aber wie koennte ich ihn noch lieben, wenn +er's waere? Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiss. Ich habe +ihm ja die groessten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben... +(Zornig.) Aber was quaelt ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte? +Was hat er denn getan? Nichts hat er getan. + +Julchen. Er hat mich auf eine betruegerische Art der Liebe zu meinem +Braeutigam entreissen und sich an seine Stelle setzen wollen. Er hat +meinen Vater ueberreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als +wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest. Er hat ihm geraten, die +Verlobung noch acht Tage aufzuschieben. Er hat sogar um mich bei ihm +angehalten. + +Lottchen. Wie? Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein +Herz gebeten? Ihr hasst ihn und mich. + +Julchen. Ja, da er gesehen, dass das Testament zu deinem Vorteile +eingerichtet ist. + +Lottchen. Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht +nach meiner Liebe? Ich Betrogene! Doch es ist unbillig, ihn zu +verdammen. Ich muss ihn selbst hoeren. Auch die edelsten Herzen sind +nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen. (Klaeglich.) +Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung? Mach ihn doch +unschuldig. Ich will ihn nicht besitzen. Ich will ihn zu meiner Qual +meiden. Ich will ihm die ganze Erbschaft ueberlassen, wenn ich nur die +Zufriedenheit habe, dass er ein redliches Herz hat. O Liebe! ist das +der Lohn fuer die Treue? + + + +Achtzehnter Auftritt + +Die Vorigen. Siegmund. + + +Siegmund. Soll ich nunmehr so gluecklich sein, Ihr Ja zu erhalten? +Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben. Sie lieben mich +doch, grossmuetige Schoene? + +Lottchen. Und Sie lieben mich doch auch? + +Siegmund. Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen +gewiss, dass mein groesster und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfuellt +worden ist. + +Lottchen. Aber... meine Schwester... Warum erschrecken Sie? + +Siegmund. Ich erschrecke, dass Sie sich nicht besinnen, dass Sie mir +diese List selbst zugemutet haben. Sollte ich nicht durch eine +verstellte Liebe Julchens Herz versuchen? Reden Sie, Mamsell Julchen, +entschuldigen Sie mich. + +Julchen. Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht. Bedenken Sie, +was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube +zu sich selbst gesagt haben, ohne dass Sie mich sahn. Alles, was ich +tun kann, ist, dass ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue +zu vergeben. + +Siegmund. Ich soll untreu sein?... Ich (Er geraet in Unordnung.) Ich +soll der aufrichtigsten Seele untreu sein? Wer? Ich? Gegen Ihren +Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben? Was sind das fuer +schreckliche Geheimnisse?... Sie sehn mich aengstlich an, meine +Schoene? Wie? Sie lieben mich nicht? Sie lassen sich durch meine +Widerlegungen nicht bewegen?... Sie hoeren meine Gruende nicht an?... +Bin ich nicht unschuldig?... Wer sind meine Feinde?... Ich berufe +mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel. ... Doch auch +mich zu entschuldigen koennte ein Zeichen des Verdachtes sein. ... +Nein, meine Schoene, Sie muessen mir ohne Schwuere glauben. Ich will Sie, + ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu +gewesen bin. Wollen Sie mir noch nicht glauben? + +Julchen. Herr Siegmund, Sie schwoeren? + +Lottchen (mit Traenen). Er ist wohl unschuldig. + +Siegmund. Ja, das bin ich. Ich liebe Sie. Ich bete Sie an und suche +meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit. Wollen Sie jene vergroessern: +so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren, +den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen. Soll ich das +Glueck noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen? + +Lottchen (sie sieht ihn klaeglich an). Mich?... als die Ihrige?... +Ja! + +Julchen. Meine Schwester! + +Lottchen. Schweig. Herr Siegmund, ich moechte nur noch ein Wort mit +meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschaemen. + +Siegmund. Ich will ihn gleich suchen. Soll ich die uebrige +Gesellschaft auch mitbringen? Wir muessen doch die gebraeuchlichen +Zeremonien mit beobachten. + +Lottchen. Ja. Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen. +Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen. + + + +Neunzehnter Auftritt + +Julchen. Lottchen. Cleon. + + +Cleon. Nun, meine Kinder, wenn euch nichts weiter aufhaelt: so saehe +ich's gern, wenn ihr die Ringe wechseltet, damit wir uns alsdann Paar +und Paar zu Tische setzen koennen. Ei, Lottchen, wer haette heute frueh +gedacht, dass du auf den Abend mit einem Rittergute zu Bette gehen +wuerdest! Der Himmel hat es wohl gemacht. Julchen kriegt einen +reichen und wackern Mann, weil sie wenig hat. Und du, weil du viel +hast, machst einen armen Mann gluecklich. Das ist schoen. Dein +Siegmund wird schon erkenntlich fuer deine Treue sein. Er kann einem +durch seine Worte recht das Herz aus dem Leibe reden. Der ehrliche +Mann! Wievielmal hat er mir nicht die Hand gekuesst! Wie kindlich hat +er mich nicht um meine Einwilligung gebeten! + +Lottchen. Das ist vortrefflich. Nun lebe ich wieder. Lieber Papa, +hat Herr Siegmund denn heute bei Ihnen um meine Schwester angehalten? +Das kann ich nicht glauben. + +Cleon. So halb und halb hat er's wohl getan. Er mochte etwan denken, +dass Herr Damis ein Auge auf dich geworfen haette und dass dir's lieber +sein wuerde, einen Mann mit vielem Gelde zu nehmen. Ich war anfangs +etwas unwillig auf ihn; aber er hat mich schon wieder gutgemacht. Man +kann sich ja wohl uebereilen, wenn man nur wieder zu sich selber koemmt. + Da kommen sie alle. + + + +Zwanzigster Auftritt + +Die Vorigen, Siegmund. Simon. Damis. Der Magister. + + +Cleon. Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewuenscht +habe. Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitlaeuftigen Rede +aufhalten. Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits +bekannt. Kurz, meine lieben Toechter, ich erteile euch meinen +vaeterlichen Segen und meine Einwilligung. (Er sieht Lottchen weinen.) + Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmuetig. + +Lottchen. Meine Traenen sind Traenen der Liebe. Ich habe also Ihre +Einwilligung zu meiner Wahl? Ich danke Ihnen recht kindlich dafuer. + +Simon (zu Lottchen). Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen... Wie? + +Damis. Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie... + +Lottchen. Was bitten Sie? Wollen Sie Julchen von meinen Haenden +empfangen? (Sie fuehrt sie zu ihm.) Hier ist sie. Ich stifte die +gluecklichste Liebe. Und Sie, Herr Siegmund... + +Siegmund. Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommensten Erkenntlichkeit +an und biete Ihnen diese Hand... + +Lottchen. Unwuerdiger! Mein Vermoegen kann ich Ihnen schenken; aber +nicht mein Herz. Bitten Sie meinem Vater und der uebrigen Gesellschaft, + die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niedertraechtigkeit ab. + Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekuemmern, ob Sie +diese Vergebung verdienen. (Zum Vormunde.) Und Ihnen, mein Herr, +kuesse ich die Hand fuer Ihre Aufrichtigkeit. Wenn ich jemals mich +wieder zur Liebe entschliesse: so haben Sie das erste Recht auf mein +Herz. (Zu Siegmunden.) Sie aber werden so billig sein und, ohne sich +zu verantworten, uns verlassen. + +Siegmund. Recht gern. (Indem er geht.) Verflucht ist die Liebe! + +Damis. Nicht die Liebe, nur die Untreue. Dies ist ihr Lohn. + +Lottchen (sie ruft ihm noch nach). Sie werden morgen durch meine +Veranstaltung so viel Geld erhalten, dass Sie kuenftig weniger Ursache +haben, ein redliches Herz zu hintergehn. + +Cleon. Lottchen, was machst du? Ich bin alles zufrieden. Du hast ja +mehr Einsicht als ich. + +Julchen. O liebe Schwester, wie gross ist dein Herz! Gott weiss es, +dass ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe. O wenn ich dich doch +so gluecklich saehe als mich! + +Der Magister. Ich bin ruhig, dass ich das Laster durch mich entdeckt +und durch sich selbst bestraft sehe. So geht es. Wenn man nicht +strenge gegen sich selbst ist: so raechen sich unsere Ausschweifungen +fuer die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben. + +Simon (zu Lottchen). Ich, meine Freundin, wuerde das Recht, das Sie +mir kuenftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn +ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben haette, an dieses Glueck niemals +zu denken. Ich bin belohnt genug, dass Sie mich Ihrer nicht fuer +unwuerdig halten und dass der Untreue bestraft ist. + +Lottchen. O Himmel! lass es dem Betrueger nicht uebelgehen. Wie +redlich habe ich ihn geliebt, und wie ungluecklich bin ich durch die +Liebe geworden! Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat +mich ungluecklich gemacht. Bedauern Sie mich. + +(Ende des dritten und letzten Aufzugs.) + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die zaertlichen Schwestern, von +Christian Fuerchtegott Gellert. + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern +by Christian Fuerchtegott Gellert + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN *** + +This file should be named 7zsch10.txt or 7zsch10.zip +Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7zsch11.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7zsch10a.txt + +Produced by Delphine Lettau + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. 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This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03 + +Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. If your state is not listed and +you would like to know if we have added it since the list you have, +just ask. + +While we cannot solicit donations from people in states where we are +not yet registered, we know of no prohibition against accepting +donations from donors in these states who approach us with an offer to +donate. + +International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about +how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made +deductible, and don't have the staff to handle it even if there are +ways. + +Donations by check or money order may be sent to: + +Project Gutenberg Literary Archive Foundation +PMB 113 +1739 University Ave. +Oxford, MS 38655-4109 + +Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment +method other than by check or money order. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by +the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN +[Employee Identification Number] 64-622154. 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You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Die zaertlichen Schwestern + +Author: Christian Fuerchtegott Gellert + +Release Date: November, 2005 [EBook #9327] +[Yes, we are more than one year ahead of schedule] +[This file was first posted on September 22, 2003] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN *** + + + + +Produced by Delphine Lettau + + + + +This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. +That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. + +Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" +zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Die zärtlichen Schwestern + +Christian Fürchtegott Gellert + +Ein Lustspiel von drei Aufzügen + + + +Personen: + +Cleon +Der Magister, sein Bruder +Lottchen, Cleons älteste Tochter +Julchen, dessen jüngste Tochter +Siegmund, Lottchens Liebhaber +Damis, Julchens Liebhaber +Simon, Damis' Vormund + + + + +Erster Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Cleon. Lottchen. + + +Lottchen. Lieber Papa, Herr Damis ist da. Der Tee ist schon in dem +Garten, wenn Sie so gut sein und hinuntergehen wollen? + +Cleon. Wo ist Herr Damis? + +Lottchen. Er redt mit Julchen. + +Cleon. Meine Tochter, ist dir's auch zuwider, daß ich den Herrn Damis +auf eine Tasse Tee zu mir gebeten habe? Du merkst doch wohl seine +Absicht. Geht dir's auch nahe? Du gutes Kind, du dauerst mich. +Freilich bist du älter als deine Schwester und solltest also auch eher +einen Mann kriegen. Aber... + +Lottchen. Papa, warum bedauern Sie mich? Muß ich denn notwendig eher +heiraten als Julchen? Es ist wahr, ich bin etliche Jahre älter; aber +Julchen ist auch weit schöner als ich. Ein Mann, der so vernünftig, +so reich und so galant ist als Herr Damis und doch ein armes +Frauenzimmer heiratet, kann in seiner Wahl mit Recht auf diejenige +sehen, die die meisten Annehmlichkeiten hat. Ich mache mir eine Ehre +daraus, mich an dem günstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig +zu vergnügen und mit dem meinigen zufrieden zu sein. + +Cleon. Kind, wenn das alles dein Ernst ist: so verdienst du zehn +Männer. Du redst fast so klug als mein Bruder und hast doch nicht +studiert. + +Lottchen. Loben Sie mich nicht, Papa. Ich bin mir in meinen Augen so +geringe, daß ich sogar das Lob eines Vaters für eine Schmeichelei +halten muß. + +Cleon. Nun, nun, ich muß wissen, was an dir ist. Du hast ein Herz, +dessen sich die Tugend selbst nicht schämen dürfte. Höre nur... + +Lottchen. Oh, mein Gott, wie demütigen Sie mich! Ein Lobspruch, den +ich mir wegen meiner Größe nicht zueignen kann, tut mir weher als ein +verdienter Verweis. + +Cleon. So bin ich nicht gesinnt. Ich halte viel auf ein billiges Lob, + und ich weigere mich keinen Augenblick, es anzunehmen, wenn ich's +verdiene. Das Lob ist ein Lohn der Tugend, und den verdienten Lohn +muß man annehmen. Höre nur, du bist verständiger als deine Schwester, +wenn jene gleich schöner ist. Rede ihr doch zu, daß sie ihren +Eigensinn fahrenläßt und sich endlich zu einem festen Bündnisse mit +dem Herrn Damis entschließt, ehe ich als Vater ein Machtwort rede. +Ich weiß nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freiheit in +den Kopf gesetzet hat. + +Lottchen. Mich deucht, Herr Damis ist Julchen nicht zuwider. Und ich +hoffe, daß er ihren kleinen Eigensinn leicht in eine beständige Liebe +verwandeln kann. Ich will ihm dazu behülflich sein. + +Cleon. Ja, tue es, meine Goldtochter. Sage Julchen, daß ich nicht +ruhig sterben würde, wenn ich sie nicht bei meinem Leben versorgt +wüßte. + +Lottchen. Nein, lieber Papa, solche Bewegungsgründe zur Ehe sind wohl +nicht viel besser als die Zwangsmittel. Julchen hat Ursachen genug in +ihrem eigenen Herzen und in dem Werte ihres Geliebten, die sie zur +Liebe bewegen können; diese will ich wider ihren Eigensinn erregen und +sie durch sich selbst und durch ihren Liebhaber besiegt werden lassen. + +Cleon. Gut, wie du denkst. Nur nicht gar zu lange nachgesonnen. +Rühme den Herrn Damis. Sage Julchen, daß er funfzigtausend Taler +bares Geld hätte und... Arme Tochter! es mag dir wohl weh tun, daß +deine Schwester so reich heiratet. Je nun, du bist freilich nicht die +Schönste; aber der Himmel wird dich schon versorgen. Betrübe dich +nicht. + +Lottchen. Der Himmel weiß, daß ich bloß deswegen betrübt bin, weil +Sie mein Herz für so niedrig halten, daß es meiner Schwester ihr Glück +nicht gönnen sollte. Dazu gehört ja gar keine Tugend, einer Person +etwas zu gönnen, für welche das Blut in mir spricht. Kommen Sie, Papa, + der Tee möchte kalt werden. + +Cleon. Du brichst mit Fleiß ab, weil du dich fühlst. Sei gutes Muts, +mein Kind. Ich kann dir freilich nichts mitgeben. Aber solange ich +lebe, will ich alles an dich wagen. Nimm dir wieder einen +Sprachmeister, einen Zeichenmeister, einen Klaviermeister und alles an. + Ich bezahle, und wenn mich der Monat funfzig Taler käme. Du bist es +wert. Und höre nur, dein Siegmund, dein guter Freund, oder wenn du es +lieber hörst, dein Liebhaber, ist freilich durch den unglücklichen +Prozeß seines seligen Vaters um sein Vermögen gekommen; aber er hat +etwas gelernt und wird sein Glück und das deine gewiß machen. + +Lottchen. Ach lieber Papa, Herr Siegmund ist mir itzt noch ebenso +schätzbar als vor einem Jahre, da er viel Vermögen hatte. Ich weiß, +daß Sie unsere Liebe billigen. Ich will für die Verdienste einer Frau +sorgen, er wird schon auf die Ruhe derselben bedacht sein. Er hat so +viel Vorzüge in meinen Augen, daß er sich keine Untreue von mir +befürchten darf, und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand +warten sollte. Wollen Sie mir eine Bitte erlauben: so lassen Sie ihn +heute mit uns speisen. + +Cleon. Gutes Kind, du wirst doch denken, daß ich ihn zu deinem +Vergnügen habe herbitten lassen. Er wird nicht lange sein. + +(Siegmund tritt herein, ohne daß ihn Lottchen gewahr wird.) + +Lottchen. Wenn ihn der Bediente nur auch angetroffen hat. Ich will +selber ein paar Zeilen an ihn schreiben. Ich kann ihm und mir keine +größere Freude machen. Er wird gewiß kommen und den größten Anteil an +Julchens Glücke nehmen. Er hat das redlichste und zärtlichste Herz. +Vergeben Sie mir's, daß ich so viel von ihm rede. + +Cleon. Also hast du ihn recht herzlich lieb? + +Lottchen. Ja, Papa, so lieb, daß, wenn ich die Wahl hätte, ob ich ihn +mit einem geringen Auskommen oder den Vornehmsten mit allem Überflusse +zum Manne haben wollte, ich ihn allemal wählen würde. + +Cleon. Ist's möglich? Hätte ich doch nicht gedacht, daß du so +verliebt wärest. + +Lottchen. Zärtlich, wollen Sie sagen. Ich würde unruhig sein, wenn +ich nicht so zärtlich liebte, denn dies ist es alles, wodurch ich die +Zuneigung belohnen kann, die mir Herr Siegmund vor so vielen andern +Frauenzimmern geschenkt hat. Bedenken Sie nur, ich bin nicht schön, +nicht reich, ich habe sonst keine Vorzüge als meine Unschuld, und er +liebt mich doch so vollkommen, als wenn ich die liebenswürdigste +Person von der Welt wäre. + +Cleon. Aber sagst du's ihm denn selbst, daß du ihn so ausnehmend +liebst? + +Lottchen. Nein, so deutlich habe ich es ihm nie gesagt. Er ist so +bescheiden, daß er kein ordentliches Bekenntnis der Liebe von mir +verlangt. Und ich habe tausendmal gewünscht, daß er mich nötigen +möchte, ihm eine Liebe zu entdecken, die er so sehr verdienet. + +Cleon. Du wirst diesen Wunsch bald erfüllt sehen. Siehe dich um, +mein liebes Lottchen. + + + +Zweiter Auftritt + +Cleon. Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen. Wie? Sie haben mich reden hören? + +Siegmund. Vergeben Sie mir, mein liebes Lottchen. Ich habe in meinem +Leben nichts Vorteilhafters für mich gehört. Ich bin vor Vergnügen +ganz trunken, und ich weiß meine Verwegenheit mit nichts als mit +meiner Liebe zu entschuldigen. + +Lottchen. Eine bessere Fürsprecherin hätten Sie nicht finden können. +Haben Sie alles gehört? Ich habe es nicht gewußt, daß Sie zugegen +wären; um desto aufrichtiger ist mein Bekenntnis. Aber wenn ich ja +auf den Antrieb meines Papas einen Fehler habe begehen sollen: so will +ich ihn nunmehr für mich allein begehen: Ich liebe Sie. Sind Sie mit +dieser Ausschweifung zufrieden? + +Siegmund. Liebstes Lottchen, meine Bestürzung mag Ihnen ein Beweis +von der Empfindung meines Herzens sein. Sie lieben mich? Sie sagen +mir's in der Gegenwart Ihres Papas? Sie? mein Lottchen! Verdiene +ich dies? Soll ich Ihnen antworten? und wie? O lassen Sie mich +gehen und zu mir selber kommen. + +Cleon. Sie sind ganz bestürzt, Herr Siegmund. Vielleicht tut Ihnen +meine Gegenwart einigen Zwang an. Lebt wohl, meine Kinder, und sorgt +für Julchen. Ich will mit dem Herrn Damis reden. + + + +Dritter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Siegmund. Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, daß ich so viel zu +meinem Vorteile gehört habe? + +Lottchen. Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hören gewünscht haben. + +Siegmund. Gewünscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so +viele Zärtlichkeit? + +Lottchen. Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie +ihrer weit mehr. + +Siegmund. Nein, ich verdiene Ihr Herz noch nicht; allein ich will +mich zeitlebens bemühen, Sie zu überführen, daß Sie es keinem +Unwürdigen geschenkt haben. Wie edel gesinnt ist Ihre Seele! Ich +verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermögen, und mein Unglück hat +mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen. Sie haben +Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust +meines Glücks erträglich gemacht, Diese standhafte Zärtlichkeit ist +ein Ruhm für Sie, den nur ein erhabenes Herz zu schätzen weiß. Und +ich würde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals +aufhören könnte, Sie zu lieben. + +Lottchen. Ich habe einen Fehler begangen, daß ich Sie so viel zu +meinem Ruhme habe sagen lassen. Aber Ihr Beifall ist mir gar zu +kostbar, als daß ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnügen anhören +sollte. Sie können es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein +redliches Herz habe. Welche Zufriedenheit ist es für mich, daß ich +ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnügten Tage und Stunden +zurücksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend +zugebracht habe! + +Siegmund. Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schöne? +O warum kann ich Sie nicht glücklich machen! Welche Wollust müßte es +sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die bloße +Vorstellung davon schon so viel Vergnügen gibt! Ach, liebstes Kind, +Julchen wird glücklicher, weit glücklicher als Sie, und... + +Lottchen. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie +beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht +glücklicher, als ich bin. Sie habe ihrem künftigen Bräutigam noch +soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch +Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zärtlich, ruhig und mit der +ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Glück: so muß gar keins +in der Welt sein. Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu +Julchens Glücke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiß +es nicht, daß sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, daß +der prächtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumträgt, +nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die +verdrüßliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat, +umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben. + +Siegmund. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne +Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht +liebenswürdige Frau werden. + +Lottchen. Hören Sie nur. Doch hier kömmt Herr Damis. + + + +Vierter Auftritt + +Die Vorigen. Damis. + + +Lottchen. Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis. + +Damis. Ich habe Ursache dazu. Anstatt, daß ich glaubte, Julchen +heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, daß noch ganze Jahre zu +diesem Glücke nötig sind. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage, +desto unempfindlicher wird sie. Und je mehr sie sieht, daß meine +Absichten ernstlich sind, desto mehr mißfallen sie ihr. Ich +Unglücklicher! Wie gut wäre es für mich, wenn ich Julchen weniger +liebte! + +Lottchen. Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein. Es +ist nichts als Liebe. Eben weil sie fühlt, daß ihr Herz überwunden +ist: so wendet sie noch die letzte Bemühung an, der Liebe den Sieg +sauer zu machen. Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, daß +sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht. + +Damis. Wenn sie es aber nicht sehen will? + +Lottchen. Wir müssen sie überraschen und sie, ohne daß sie es +vermutet, dazu nötigen. Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr +Brauttag. Glückt es uns heute nicht: so wird es ein andermal glücken. + Es kömmt bloß darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag +wollen gefallen lassen. + +Siegmund. Wenn ich zu des Herrn Damis Glücke etwas beitragen kann, +mit Freuden. + +Damis. Ich weiß, daß Sie beide großmütig genug darzu sind. Und mir +wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht für Julchen +wagen sollte. + +Lottchen. Mein Herr Damis, verändern Sie die Sprache bei Julchen +etwas. Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der +Freiheit recht zu geben. Diese Übereinstimmung wird ihr anfangs +gefallen und sie sicher machen. Sie wird denken, als ob sie Ihnen +deswegen erst gewogen würde, da sie es doch lange aus weit schönern +Ursachen gewesen ist. Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr +ganzes Herz sehen lassen. + +Damis. Wollte der Himmel, daß Ihr Rat seine Wirkung täte. Wie +glücklich wollte ich mich schätzen! + +Lottchen (zu Siegmunden). Und Sie müssen dem Herrn Damis zum Besten +einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen zärtlich stellen. +Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen. Sie wird böse auf Sie +werden. Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis +hervorbrechen. Tun Sie es auf meine Verantwortung. + +Siegmund. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden. + + +Fünfter Auftritt + +Die Vorigen. Julchen. + + +Julchen. Da sind Sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen, +wo Sie wären, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen. (Sie will +wieder gehn.) + +Lottchen. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weißt du +eine bessere Gesellschaft als die unsrige? + +Julchen. Ach nein, meine Schwester. Aber wo Ihr und Herr Siegmund +seid, da wird gewiß von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute +keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen. + +Lottchen. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den +Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, daß du ihm diese Ehre +nicht auch erweisest? + +Julchen. Herr Damis ist so gütig gewesen und hat mir versprochen, +lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig, +als daß er mir sein Wort nicht halten sollte. + +Damis. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich +verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben +Sie mir, daß ich meine Zärtlichkeit in Hochachtung verwandeln darf. +Die Liebe können Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung +kömmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun +Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber. +Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein? + +Julchen. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde +und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu +vergnügen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu +fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will +ich ganze Tage mit Ihnen umgehen. + +Lottchen. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten +sind wir nichts nütze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespräch von der +Freundschaft hören oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen. + + + +Sechster Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich würde +es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte. Es kann +sein, daß die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und +eingeschränkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und +wenn er noch so groß wäre. Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner +Schwester. Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener. + +Damis. Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und +ich halte mein Wort. Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser. + +Julchen. Ja. Die Freundschaft ist das frohe Vergnügen der Menschen +und die Liebe das traurige. Man will einander recht genießen, darum +liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden. Habe ich +nicht recht, Herr Damis? + +Damis. Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr +erwähnen. Sie möchten mir sonst dabei einfallen. Und wie würde es +alsdann um mein Versprechen stehen? + +Julchen. Sie könnten es vielleicht für einen Eigensinn, oder ich weiß +selbst nicht für was für ein Anzeichen halten, daß ich die Liebe so +fliehe. Aber nein. Ich sage es Ihnen, es gehört zu meiner Ruhe, ohne +Liebe zu sein. Lassen Sie mir doch diese Freiheit. Muß man denn +diese traurige Plage fühlen? Nein, meine Schwester irrt: es geht an, +sie nicht zu empfinden. Ich sehe es an mir. Aber warum schweigen Sie +so stille? Ich rede ja fast ganz allein. Sie sind verdrießlich? O +wie gut ist's, daß Sie nicht mehr mein Liebhaber sind! Sonst hätte +ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdrießlich zu werden. + +Damis. O nein, ich bin gar nicht verdrießlich. + +Julchen. Und wenn Sie es auch wären, und zwar deswegen, weil ich +nicht mehr von der Liebe reden will: so würde mir doch dieses gar +nicht nahegehen. Es ist mir nicht lieb, daß ich Sie so verdrießlich +sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich darüber gar nicht unruhig. + O nein! Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden. Sie können ja +etwas zu überlegen haben. Ich argwohne gar nichts. Ich mag es auch +nicht wissen... Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen +Freund vor. Wenn bin ich Ihnen denn so gleichgültig geworden? + +Damis. Nehmen Sie es nicht übel, meine schöne Freundin, daß ich +einige Augenblicke ganz fühllos geschienen habe. Ich habe, um Ihren +Befehl zu erfüllen, die letzten Bemühungen angewandt, die ängstlichen +Regungen der Liebe völlig zu ersticken und den Charakter eines +aufrichtigen Freundes anzunehmen. Die Vernunft hat nunmehr über mein +Herz gesiegt. Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem +Werte zu danken hatte. Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit +schön und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket +worden ist. Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun; + aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in +den vorigen Charakter verfalle. Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach, +sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie schätze, meine englische +Freundin! + +Julchen. Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder? Darf man in +der Freundschaft einander auch nicht ansehen? + +Damis. Es gehört zu meinem Siege. Wer kann Sie sehen und Sie doch +nicht lieben? + +Julchen. Sagten Sie mir nicht wieder, daß Sie mich liebten? O das +ist traurig! Ich werde über Ihr Bezeigen recht unruhig. Einmal reden +Sie so verliebt, daß man erschrickt, und das andere Mal so +gleichgültig, als wenn Sie mich zum ersten Male sähen. Nein, +schweifen Sie doch nicht aus. Sie widersprechen mir ja stets. Ist +dies die Eigenschaft eines guten Freundes? Wir brauchen ja nicht zu +lieben. Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe? + +Damis. O es gehört weit mehr Stärke des Geistes zu der Freiheit als +zu der Liebe. + +Julchen. Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn für übel, daß +ich die Freiheit hochschätze, daß ich statt eines Liebhabers lieber +zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges +Vergnügen haben will? Sind denn meine Gründe so schlecht, daß ich +darüber Ihre Hochachtung verlieren sollte? Tun Sie den Ausspruch, ob +ich bloß aus Eigensinn rede. (Damis sieht sie zärtlich an.) Aber +warum sehen Sie mich so ängstlich an, als ob Sie mich bedauerten? Was +wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen? Ich kann mich gar +nicht mehr in Ihr Bezeigen finden. Sie scheinen mir das Amt eines +Aufsehers und nicht eines Freundes über sich genommen zu haben. Warum +geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte? +Mein Herr, ich wollte, daß Sie nunmehr... + +Damis. Daß Sie gingen, wollten Sie sagen. Auch diesen Befehl nehme +ich an, so sauer er mir auch wird. Sie mögen mich nun noch so sehr +hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie über mein +Schicksal beklagen. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. + +Julchen. Hassen? Wenn habe ich denn gesagt, daß ich Sie hasse? Ich +verstehe diese Sprache. Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen +Sie mich hassen. Dies ist sehr großmütig. Das sind die Früchte der +berühmten Zärtlichkeit. Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit +kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu +mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Das +ist ja eine rechte Hofsprache. + +Damis. Es ist die Sprache der Ehrerbietung. (Er geht ab.) + + + +Siebenter Auftritt + +Julchen allein. + + +Wie? Er geht? Aber warum bin ich so unruhig? Ich liebe ihn ja nicht. +.. Nein, ich bin ihm nur gewogen. Es ist doch ein unerträglicher +Stolz, daß er mich verläßt. Aber habe ich ihn etwan beleidiget? Er +ist ja sonst so vernünftig und so großmütig... Nein, nein, er liebt +mich nicht. Es muß Verstellung gewesen sein. Ich habe heute ein +recht mürrisches Wesen. (Lottchen tritt unvermerkt herein.) Wenn ich +nur meine Laute hier hätte, ich wollte... + + + +Achter Auftritt + +Julchen. Lottchen. + + +Lottchen. Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst. Aber, +mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden? Es ist ja sonst deine +Art nicht, daß du mit der Einsamkeit sprichst? + +Julchen. Wenn hätte ich denn mit mir allein geredet? Ich weiß nicht, +daß ich heute allen so verdächtig vorkomme. + +Lottchen. Aber woher wüßte ich's, daß du die Laute hättest haben +wollen, wenn du nicht geredt hättest? Mich hast du nicht gesehen, +liebes Kind, und also mußt du wohl mit dir selbst geredt haben. Ich +dächte es wenigstens, oder bist du anderer Meinung? + +Julchen. Ihr müßt euch alle beredt haben, mir zu widersprechen. + +Lottchen. Wieso? Ich habe dir nicht widersprochen. Und wenn es Herr +Damis getan hat, so kann ich nichts dafür. Warum ziehst du deine +guten Freunde nicht besser? Er sagte mir im Vorbeigehen, du wärest +recht böse geworden, weil er es etliche Mal versehen und wider sein +Versprechen an die Liebe gedacht hätte. + +Julchen. Schwester, ich glaube, Ihr kommt, um Rechenschaft von mir zu +fordern. Ihr hört es ja, daß ich mich nicht zur Liebe zwingen lasse. + +Lottchen. Recht, Julchen, wenn dir Herr Damis zuwider ist: so bitte +ich dich selber, liebe ihn nicht. + +Julchen. Was das für ein weiser Spruch ist! Wenn er dir zuwider ist.. +. Muß man denn einander hassen, wenn man nicht lieben will? Ich habe +ja noch nicht gefragt, ob dir dein Herr Siegmund zuwider ist. + +Lottchen. Nein, du hast mich noch nicht gefragt. Aber wenn du mich +fragen solltest, so würde ich dir antworten, daß ich ihn recht +zärtlich, recht von Herzen liebe und mich meiner Zärtlichkeit nicht +einen Augenblick schäme. Es gehört weit mehr Hoheit des Gemüts dazu, +die Liebe vernünftig zu fühlen, als die Freiheit zu behaupten. + +Julchen. Ich möchte vor Verdruß vergehen. Herr Damis hat gleich +vorhin das Gegenteil behauptet. Wem soll man nun glauben? Nehmt +mir's nicht übel, meine Schwester, ich weiß, daß Ihr mehr Einsicht +habt als ich; aber erlaubt mir, daß ich meinen Einfall dem Eurigen +vorziehe. Und warum kann Herr Damis nicht so gut recht haben als Ihr? + Ihr habt ja immer gesagt, daß er ein vernünftiger und artiger Mann +wäre. + +Lottchen. Das Beiwort artig hätte nicht eben notwendig zu unserer +Streitfrage gehört; aber vielleicht gehört diese Vorstellung sonst in +die Reihe deiner Empfindungen. Herr Damis ist ganz gewiß verständiger +als ich; aber er ist auch ein Mensch wie ich; und der beste Verstand +hat seine schwache Seite. + +Julchen. Lottchen, also seid Ihr hiehergekommen, um mir zu +demonstrieren, daß Herr Damis ein Mensch und kein Engel am Verstande +ist? Das glaube ich. Aber, mein liebes Lottchen, Eure Spöttereien +sind mir sehr erträglich. Ich könnte Euch leicht die Antwort +zurückgeben, daß Euer Herr Siegmund auch unter die armen Sterblichen +gehörte; aber ich will es nicht tun. Ihr würdet nur denken, daß ich +aus Eigensinn den Herrn Damis verteidigen wollte. Nein, er soll nicht +den größten Verstand haben; er soll nicht so galant, nicht so +liebenswürdig sein als Euer Siegmund. So habe ich noch eine Ursache +mehr, meine Freiheit zu behaupten und ihn nicht zu lieben. + +Lottchen. Mein liebes Kind, du kömmst recht in die Hitze. Du +schmälst auf mich und meinen Geliebten, und ich bleibe dir doch gut. +Man kann dich nicht hassen. Du trägst dein gutes Herz in den Augen +und auf der Zunge, ohne daß du daran denkst. Du bist meine liebe +schöne Schwester. Deine kleinen Fehler sind fast ebenso gut als +Schönheiten. Wenigstens kann man sie nicht begehen, wenn man nicht so +aufrichtig ist, wie du bist. Kind, ich habe diese Nacht einen +merkwürdigen Traum von einer jungen angenehmen Braut gehabt und ich... + +Julchen. Ich bitte dich, liebe Schwester, laß mich allein. Ich bin +verdrießlich, recht sehr verdrießlich, und ich werde es nur mehr, je +mehr ich rede. + +Lottchen. Bist du etwan darüber verdrießlich, daß ich in der +Heftigkeit ein Wort wider den Herrn Damis...? + +Julchen. O warum denkst du wieder an ihn? Willst du mich noch mehr +zu Fehlern bringen? Laß ihm doch seinen schwachen Verstand und mir +meinen verdrießlichen Geist und das Glück, einige Augenblicke allein +zu sein. Die ältern Schwestern haben doch immer etwas an den jüngern +auszusetzen. + +Lottchen. Ich höre es wohl, ich soll gehen. Gut. Komm bald nach, +sonst mußt du wieder mit dir allein reden. + + +Neunter Auftritt + +Julchen. Der Magister. + + +Julchen. Ist es nicht möglich, daß ich allein sein kann? Müssen Sie +mich notwendig stören? Herr Magister! Sagen Sie mir's nur kurz, was +zu Ihren Diensten ist. + +Der Magister. Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen überlegen. +Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht +ungeschickt dazu. Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand für +eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist. + +Julchen. Ja, das weiß ich. Demungeachtet wollte ich wünschen, daß +ich heute gar keinen hätte; vielleicht wäre ich ruhiger. + +Der Magister. Sie übereilen sich. Wer würde uns das Wahre von dem +Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen? Wer +würde unsern Willen zu festen und glücklichen Entschließungen bringen, +wenn es nicht der Verstand täte? Und würden Sie wohl so liebenswürdig +geworden sein, wenn Sie nicht immer verständig gewesen wären? + +Julchen. Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube. +Was quälen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit? Ich mag ja nicht so +weise sein als Sie. Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so +viel Geschicklichkeit besitze. + +Der Magister. Zu eben der Zeit, da Sie wünschen, daß sie keine +Vernunft haben möchten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, daß +Sie ihrer sehr viel haben. Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen. + Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche. +Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Glücke tun. Es scheint aber +nicht, daß Sie dazu entschlossen sind. Gleichwohl wünscht es Ihr Herr +Vater herzlich. Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine +Vorstellungen zu tun. Und ich wünschte, daß Sie solche anhören und +mir Einwürfe dagegen machen möchten. Dies kann ich, so alt ich bin, +doch wohl leiden. Die Liebe ist eine der schönsten, aber auch der +gefährlichsten Leidenschaften. Sie rächt sich an uns, wenn wir sie +verschmähen; und sie rächt sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame +übereilen. + +Julchen. Sie sind etwas weitläuftig in Ihren Vorstellungen. Allein, +Sie sollen ohne Einwurf recht haben. Lassen Sie mich nur in Ruhe. +Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gründen als eine +Philosophie. Dennoch ist er noch immer stark genug für mein Herz +gewesen. + +Der Magister. Wissen Sie nicht, daß uns unsere Leidenschaften am +ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen? Das Herz der +Menschen ist der größte Betrüger. Und der Klügste weiß oft selbst +nicht, was in ihm vorgeht. Wir lieben und werden es zuweilen nicht +eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden. Dieses alles +sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage. Nein, weil es die größten +Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca +und viele von den neuern Philosophen gesagt haben. + +Julchen. Ich kenne alle diese Männer nicht und verlange sie auch +nicht zu kennen. Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie +behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, daß man ein unruhiges +Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll. Und +ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heißen, so viel +Einsicht und Höflichkeit zu, daß sie Sie bitten würden, mich zu +verlassen, wenn sie zugegen wären. Sobald ich die Leidenschaften und +insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre +Philosophie um Beistand ansprechen. + +Der Magister. Ihre Aufrichtigkeit gefällt mir, ob sie mir gleich zu +widersprechen scheint. Aber ich würde mich für sehr unphilosophisch +halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhören könnte. Sie +sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind +unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch +Überlegung zu dämpfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt +der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich +wollte wünschen, daß Sie ein anschauendes Erkenntnis davon hätten. +Wenn man die Ursache eines moralischen Übels weiß: so weiß man auch +das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede +begreiflich, und ich wollte, daß ich noch deutlicher reden könnte. + +Julchen. Ich setze nicht das geringste Mißtrauen weder in Ihre +Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdrießlich. + Ich weiß nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht +wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig. + +Der Magister. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der +Wahrheit nachgedacht hätten als ich: so würden Sie vielleicht ebenso +helle denken. Unterdrücken Sie Ihre Unruhe und überlegen Sie das +Glück, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis +verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr +Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe kömmt das ganze Glück der +Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der +Liebe begehn. Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser +Gelegenheit? + +Julchen. Ich glaube, daß dieser Unterricht recht gut ist. Aber was +wird er mir nützen, da ich nicht lieben will? + +Der Magister. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus +meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten? +Aber wissen Sie denn auch, daß Sie dazu verbunden sind? Soll ich +Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen +doch, daß das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist +ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe. +Wer den Zweck will, der muß auch das Mittel wollen, wenn er anders +verständig ist. Sehn Sie denn nicht, daß Sie zur Ehe verbunden sind? +Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gründe nicht fühlen? + +Julchen. Ich fühle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts +ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an +sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis +mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird. + +Der Magister. Jungfer Muhme, das heißt halsstarrig sein, wenn man die +Augen vor den klärsten Beweisen zuschließt. Wenn Sie erkennen, daß +Sie zur Ehe verbunden sind, wie könnte denn Ihr Wille undeterminiert +bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluß im +Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum +wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschließen, + da Sie sehen, daß Sie eine Pflicht dazu haben? + +Julchen. Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Magister, daß ich Sie +verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre überzeugt zu sein. Was kann ich +armes Mädchen dafür, daß ich nicht so viel Einsicht habe als Plato, +Seneca und Ihre andern weisen Männer? Machen Sie es mit diesen Leuten +aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren +Beweis dazu verbunden bin. Ich habe noch etliche Anstalten in der +Küche zu machen. + + + +Zehnter Auftritt + +Der Magister. Cleon. + + +Der Magister. Ich habe deiner Tochter Julchen alle mögliche +Vorstellungen getan. Ich habe mit der größten Selbstverleugnung mit +ihr gesprochen. Ich habe ihr die stärksten Beweise angeführt; aber... + +Cleon. O hättest du ihr lieber ein paar Exempel von glücklich +verheirateten Mädchen angeführt. + +Der Magister. Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht +aus meiner Gelassenheit. Ich erwies ihr, daß sie verbunden wäre zu +heiraten. + +Cleon. Du hast dir viel Mühe geben. Ich denke, wenn ein Mädchen +achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis +einwenden können. + +Der Magister. Julchen sah alles ein. Ich machte es ihr sehr deutlich. + Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken +können: so muß man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu +Hülfe nehmen. + +Cleon. Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gründe gebracht? +Will sie den Herrn Damis heiraten? Hat sie denn ihre Herzensmeinung +nicht verraten? Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht länger +aufhalten. Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste. + +Der Magister. Sie sagte, sie wäre unruhig. Und das war eben schlimm. + Denn die Gründe der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie +die Überzeugung wirken sollen. Wenn der Verstand durch die Triebe des +Willens bestürmt wird: so ist er nicht aufmerksam. Und ohne +Aufmerksamkeit sind die schärfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile. + +Cleon. Rede nicht so tiefsinnig. Du hättest sie eben sollen ruhig +machen: so sähe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit. + +Der Magister. Ich versuchte alles. Ich zeigte ihr die schöne Seite +der Liebe. Ich sagte ihr erstlich, daß eine glückliche Ehe das größte +Vergnügen wäre. + +Cleon. Ja, die glücklichen Ehen sind etwas sehr Schönes. Aber du +hättest ihr sagen sollen, daß ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr +glücklich werden würde. Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich +zu ihr geschickt habe. + +Der Magister. Kurz und gut, durch Lehrsätze und Erweise ist sie nicht +zu gewinnen, das sehe ich wohl. Sie versteht wohl die einzelnen Sätze; + aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das +Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurück, und sie wird +ungehalten, daß er sie verläßt. + +Cleon. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht überreden? + +Der Magister. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Überredung, +die man Beweise kat' anJrwpon nennen könnte. Dergleichen sind bei den +alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten, +die nicht scharf denken können, tun diese witzigen Blendwerke oft gute +Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten +kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine +Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine +machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche +eines jungen Menschen in Leipzig gefunden hätte, der sich durch seine +Fabeln und Erzählungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat. + +Cleon. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die +Fabel hübsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit +der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darüber. Eine Fabel +ist ja keine Predigt. Es muß ja nicht alles so akkurat sein. Meine +Tochter wird dich nicht verraten. Mache, daß sie ja spricht: so will +ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken. + +(Der Magister geht ab.) + + + +Eilfter Auftritt + +Cleon. Lottchen. + + +Lottchen. Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen +Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt. + +Cleon (er liest). »Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben, + gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen. Ich lasse mir die Wahl des +Herrn Damis, meines Mündels, sehr wohl gefallen. Er hätte nicht +glücklicher wählen können. Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit +Ihnen und Ihren Jungfern Töchtern recht vergnügen, weil ich ohnedies +heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe. Zugleich muß +ich Ihnen melden, daß heute oder morgen das Testament Ihrer seligen +Frau Muhme, der Frau Stephan, geöffnet werden soll. Ich glaube gewiß, +daß sie Ihnen etwas vermacht hat. Vielleicht kann ich Ihnen die +Gewißheit davon um vier Uhr mitbringen. Ich bin« usw. + +Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter. Ich dachte immer, der +Herr Vormund würde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil +meine Tochter kein Vermögen hat. + +Lottchen. Das habe ich gar nicht befürchtet. Der Herr Vormund ist ja +die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiß eine +Freude daraus, zu dem Glücke eines Frauenzimmers etwas beizutragen, +der man keinen größern Vorwurf machen kann, als daß sie nicht reich +ist. + +Cleon. Tochter, du hast sehr recht. Es ist ein lieber Mann. Ich +habe nur gedacht, daß er einen gewissen Fehler haben müßte, weil er +schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat. Aber was hilft uns +das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will? + +Lottchen. Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa. Julchen ist so +gut als besiegt. Und ich denke, es könnte ihr kein größer Unglück +widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit, +ungeraubt ließe. Ich habe die sichersten Merkmale, daß sie den Herrn +Damis liebt. + +Cleon. Sollte es möglich sein? Ich dürfte es bald selbst glauben. +Ihr losen Mädchen tut immer, als wenn euch nichts an den Männern läge, +und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen. Je nun, +die Liebe ist auch nötig in der Welt, sonst hätte sie uns der Himmel +nicht gegeben. + +Lottchen. Papa, diese Satire auf die losen Mädchen trifft mich nicht. + Ich dächte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe. Wenigstens +halte ich die vernünftige Liebe für kein größer Verbrechen als die +vernünftige Freundschaft. Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so +vielen Beschwerlichkeiten belegt, daß wir es uns desto mehr durch die +Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen. + +Cleon. Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht +haben sollte: so sähe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Töchter, +auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die +Hochzeit ausrichten könnte. Ich wollte gern das ganze Vermächtnis +dazu hergeben. + +Lottchen. Sie sind ein liebreicher Vater. Nein, wenn Sie auch durch +das Testament etwas bekommen sollten: so würde es doch ungerecht sein, +wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles brächten. Nein, +lieber Papa, ich kann noch lange warten. Und mein Geliebter wird sich +ohnedies nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlängliche +Versorgung hat. + +Cleon. Tue dein möglichstes, daß Julchen heute noch ja spricht. Die +Mädchen müssen wohl ein wenig spröde tun; aber sie müssen es den +Junggesellen auch nicht so gar sauer machen. + +Lottchen. Papa, unsere selige Mama sagte nicht so. + +Cleon. Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden. Ich bin ja +auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht. Ich und +deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre +in der Ehe wie die Kinder vertragen. Sie hat mir tausend vergnügte +Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken. Sie +hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen. +Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch +gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe. Es wird dir +gewiß wohlgehen. Verlasse dich darauf. Du tust mir viel Gutes. Du +führst meine ganze Haushaltung. Sei zufrieden mit deinem Schicksale. +Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute +Auferziehung. Laß mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen. Ich +will schlafen, wo sie schläft. + +Lottchen. Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmütig? Sie werden, +wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, daß +ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche. Und wenn ich +Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir +meine Schuldigkeit befiehlt. Heute müssen Sie vergnügt sein. Doch +vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist, +die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fühlen kann. Aber, +lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Faß, das Sie +in meinem Geburtsjahre eingelegt haben. Was werden wir heute unsern +Gästen für Wein vorsetzen? + +Cleon. Tochter, zapfe das Faß an. Und wenn es Nektar wäre: so ist er +für den heutigen Tag nicht zu gut. Es wird bald Mittagszeit sein. +Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhälter langen. +Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken, +wenn du noch einmal mit ihr reden willst. + +Lottchen. Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier +warten. + + + +Zwölfter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Siegmund. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen. +Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage +scheint mir nichts als eine Liebeserklärung in einer fremden Sprache +zu sein. Ich hätte nicht gedacht, daß sie so zärtlich wäre. Die +Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem +Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will. + +Lottchen. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich könnte bald einige +Minuten eifersüchtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist +reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich. + +Siegmund. Wer kann Sie einmal lieben und nicht beständig lieben? +Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit +mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muß Ihnen für meine Treue der +sicherste Bürge sein. + +Lottchen. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster +Freund, ich muß Ihnen sagen, daß uns vielleicht ein kleines Glück +bevorsteht. Wollte doch der Himmel, daß es zu Ihrer Beruhigung etwas +beitragen könnte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in +einem Billette gemeldet, daß heute das Testament der Frau Muhme +Stephan geöffnet werden würde und daß er glaubte, sie würde den Papa +darinne bedacht haben. O wenn es doch die Vorsicht wollte, daß ich so +glücklich würde, Ihre Umstände zu verbessern! + +Siegmund. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als +ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und... + +Lottchen. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein +Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe. + +Siegmund. Ach, mein schönes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das +Glück, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese +Nacht nicht wohl geschlafen. + +Lottchen. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen +erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn. + +(Ende des ersten Aufzugs.) + + + + +Zweiter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Cleon. Julchen. + + +Cleon. Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist? + +Julchen. Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen? Ich will Ihnen +gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit. + +Cleon. »Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine +Freiheit.« Kleiner Affe, was redst du denn? Wenn ich dir deine +Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen. Ich +will dich gar nicht zwingen. Ich bin dir viel zu gut. Nein, sage mir +nur, ob er dir gefällt. + +Julchen. Ob mir Herr Damis gefällt? Vielleicht, Papa. Ich weiß es +nicht gewiß. + +Cleon. Tochter, schäme dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu +reden. Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes. +Gefällt dir seine Person, seine Bildung? + +Julchen. Sie mißfällt mir nicht. Vielleicht... gefällt sie mir gar. + +Cleon. Mädchen, was willst du mit deinem »Vielleicht«? Wir reden ja +nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen. + +Julchen. Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht +aufrichtig antwortet? + +Cleon. Rede nicht so poetisch. Dein Herz bist du, und du wirst doch +wissen, was in dir vorgeht. Wenn du einen jungen, wohlgebildeten, +geschickten, vernünftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur +Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren können, ob +du ihn zum Manne haben möchtest. + +Julchen. Zum Manne?... Ach, Papa! lassen Sie mir Zeit. Ich bin +heute unruhig, und in der Unruhe könnte ich mich übereilen. Ich +glaube in der Tat nicht, daß ich ihn liebe, sonst würde ich munter und +zufrieden sein. Wer weiß auch, ob ich ihm gefalle? + +Cleon. Wenn du darüber unruhig bist: so hat es gute Wege. Bist du +nicht ein albernes Kind! Wenn du ihm nicht gefielst: so würde er sich +nicht so viel Mühe um dich geben. Er kennt dich vielleicht besser, +als du dich selbst kennst. Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige +Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben würde, wenn +sie mir nicht gefallen hätte. Indem er zu dir sagt: »Jungfer Julchen«, + oder wie er dich nennt... Du kannst mir's ja sagen, wie er dich +heißt. + +Julchen. Er heißt mich Mamsell. + +Cleon. Kind, du betrügst mich. Er spräche schlechtweg »Mamsell«? +Das kann nicht sein. + +Julchen. Zuweilen spricht er auch »liebe Mamsell«. + +Cleon. Tochter, du verstellst dich. Ich bin ja dein Vater. Im +Ernste, wie heißt er dich, wenn er's recht gut meint? + +Julchen. Ich kann mich selbst nicht besinnen. Er spricht... er +spricht... »mein Julchen«... + +Cleon. Warum sprichst du das Wort so kläglich aus? Seufzest du über +deinen Namen? Dein Name ist schön. Also spricht er zu dir: »Mein +Julchen«? Gut, hat er dich nie anders geheißen? + +Julchen. Ach ja, lieber Papa. Er heißt mich auch zuweilen: »Mein +schönes Julchen.« Warum fragen Sie mich denn so aus? + +Cleon. Laß mir doch meine Freude, du kleiner Narr. Ein +rechtschaffener Vater hat seine Töchter lieb, wenn sie wohlgezogen +sind. Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen. Aber daß ich +wieder auf das Hauptwerk komme. Ja, indem Herr Damis z. E. zu dir +spricht: »Mein schönes Julchen, ich habe dich...« + +Julchen. Oh! Er heißt mich Sie. Er würde nicht du sprechen. Das +wäre sehr vertraut, oder doch wenigstens unhöflich. + +Cleon. Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hieße, deswegen verlörst +du nichts von deiner Ehre. Hat mich doch meine selige Frau als Braut +mehr als einmal du geheißen, und es klang mir immer schön. Indem er +also zu dir spricht: »Mein schönes Julchen, ich bin Ihnen gut«: so +sagt er auch zugleich, »Sie gefallen mir«; denn sonst würde er das +erste nicht sagen. + +Julchen. Das sagt er niemals zu mir. + +Cleon. Du machst mich böse. Ich habe es ja mehr als einmal selber +gehört. + +Julchen. Daß er zu mir gesagt hätte: »Ich bin Ihnen gut«? + +Cleon. Jawohl! + +Julchen. Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem +Leben nicht zu mir gesagt. »Ich liebe Sie von Herzen«, das spricht er +wohl; aber niemals, »ich bin Ihnen gut«. + +Cleon. Bist du nicht ein zänkisches Mädchen! Wir streiten ja nicht +um die Worte. + +Julchen. Aber das klinget doch allemal besser: »Ich liebe Sie von +Herzen«, als das andere. + +Cleon. Das mag sein. Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau +gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl. Daß die Welt die Sprache immer +ändert, dafür kann ich nicht. Ihr Mädchen gebt heutzutage auf ein +Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer. Es gefällt dir +also, wenn er so zu dir spricht? Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch. + Was wegerst du dich denn? Ich gehe nach der Grube zu. Worauf +willst du denn warten? Kind, ich sage dir's, es dürfte sich keine +Gräfin deines Bräutigams schämen. Herr Damis möchte heute gerne die +völlige Gewißheit haben, ob er... + +Julchen. Papa! + +Cleon. Nun, was willst du? Nur nicht so verzagt. Ich bin ja dein +Vater. Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um. + +Julchen. Papa, darf ich etwas bitten? + +Cleon. Herzlich gern. Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene +gleich etwas gelehrter ist. Bitte, was willst du? + +Julchen. Ich? Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdrießlich. + +Cleon. Das ist ja keine Bitte. Rede offenherzig. + +Julchen. Ich wollte bitten, daß Sie... mir meine Freiheit ließen. + +Cleon. Mit deiner ewigen Freiheit! Ich dachte, du wolltest schon um +das Brautkleid bitten. Ich lasse dir ja deine Freiheit. Du sollst ja +aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen. Bedenke dich noch eine +Stunde. Überlege es hier allein. Ich will dich nicht länger stören. +Ich will für dich beten. Das will ich tun. + + + +Zweiter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Damis. Darf ich mit Ihnen reden, mein schönes Kind? + +Julchen. Es ist gut, daß Sie kommen. Die Gesundheit, die Sie mir +über Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekränkt. Meine +Schwester lachte darüber; aber das kann ich nicht. Sie hat heute +überhaupt eine widerwärtige Gemütsart, die sich sogar bis auf Sie, +mein Herr, erstreckt. + +Damis. Bis auf mich? Darf ich weiterfragen? + +Julchen. Ich sagte ihr, daß Sie meiner Meinung wären und behauptet +hätten, daß mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehörte. +Darüber spottete sie und sagte dreist, Sie hätten unrecht, wo sie +nicht gar noch mehr sagte. Aber lassen Sie sich nichts gegen sie +merken; sie möchte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten. + +Damis. Lottchen wird es nicht so böse gemeint haben. Sie ist ja die +Gutheit und Unschuld selbst. + +Julchen. Das konnte ich mir einbilden, daß Sie mir widersprechen +würden. Und ich will es Ihnen nur gestehen, daß ich's zu dem Ende +gesagt habe. Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich. Sie +redt von der Liebe, und so gütig bin ich nicht. + +Damis. Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat. +Ich bin ja nicht ohne Fehler. Und vielleicht würde ich Ihnen mehr +gefallen, wenn ich ihrer weniger hätte. + +Julchen. Wozu soll diese Erniedrigung? Wollen Sie mich mit dem Worte +Fehler demütigen? + +Damis. Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie +gut ich mit Ihnen meine? + +Julchen. Daran zweifele ich gar nicht. Sie sind ja meiner Schwester +gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre +Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken. + +Damis. Ja, ich versichere Sie, daß ich Lottchen allen Schönen +vorziehen würde, wenn ich Julchen nicht kennte. + +Julchen. Ich sehe, die Gefahr, mich hochmütig zu machen, ist zu wenig, + Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken. + +Damis. Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn +dieses eine Schmeichelei war. Warum halten Sie mich nicht für +aufrichtig? + +Julchen (zerstreut). Ich... ich habe die beste Meinung von Ihnen. + +Damis. Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen +Tone aus? Kostet er Sie so viel? In Wahrheit, ich bin recht +unglücklich. Je länger ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu +sprechen, desto unzufriedner werden Sie. Sagen Sie mir nur, was Sie +beunruhiget. Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben. Nein, ich +will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen. Ich will Sie +ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben. Wollen Sie mir denn +auch dieses Vergnügen nicht gönnen? + +Julchen. Sie sind wirklich großmütiger, als ich geglaubt habe. Wenn +Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall +sehr angenehm sein. Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen +kann. Werfen Sie mir mein verdrießliches Wesen nicht mehr vor. Ich +will gleich so billig sein und Sie verlassen. + +Damis. Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel? + +Julchen (unruhig). Ich weiß es in Wahrheit nicht. Es ist mir alles +so ängstlich, und es scheint recht, als ob ich das Ängstliche heute +suchte und liebte. Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen +nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen. Es ist unhöflich von +mir, daß ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind. +Aber der Himmel weiß, ich kann nichts dafür. Ich will mir eine Tasse +Kaffee machen lassen. Vielleicht kann ich mein verdrießliches Wesen +zerstreuen. Aber gehn Sie nicht gleich mit mir. Lottchen möchte mir +sonst einige kleine Spöttereien sagen. Wollen Sie so gütig sein? + + + +Dritter Auftritt + +Damis. Lottchen. + + +Lottchen. Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe? Sie +weinen? Ist das möglich? + +Damis. O gönnen Sie mir dieses Glück. Es sind Tränen der Wollust, +die meine ganze Seele vergnügen. Wenn Sie nur das liebenswürdige Kind +hätten sollen reden hören! Wenn Sie nur die Gewalt hätten sehen +sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen! Sie +sagte endlich aufrichtig, sie wäre unruhig. Ach Himmel! mit welcher +Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies! Sie liebt mich +wohl, ohne es recht zu wissen. Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen, + o bedenken Sie nur, wie... + +Lottchen. Warum reden Sie nicht weiter? + +Damis. Lassen Sie mich doch mein Glück erst recht überdenken. Sie +nannte ihre Unruhe ein verdrießliches Wesen. Sie bat mich, daß ich +deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen. +Und das Wort Hochachtung drückte sie mit einem Tone aus, der ihm die +Bedeutung der Liebe gab. Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie +wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem +Gemüte dadurch zu zerstreuen. + +Lottchen. Das gute Mädchen! Wenn der Kaffee eine Arznei für die +Unruhen des Herzens wäre: so würden wir wenig Gemütskrankheiten haben. + Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist. Das +Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu +sein, daß sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschützen weiß. Verwandeln +Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen +nicht gar zu sehr bestraft wird. + +Damis. Diese Verwandlung wird mir sehr natürlich sein. Aber ich +fürchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe +wird bekräftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden. Sie +bat mich, da sie mich verließ, daß ich ihr nicht gleich nachfolgen +sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spöttereien sagen möchte. Wie +furchtsam klingt dieses! + +Lottchen. Ja, es heißt aber vielleicht nichts anders, wenn man es in +seine Sprache übersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen +nicht so deutlich sieht, daß ich Sie liebe. Ihre Braut scheut sich +nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben. Wenn sie +weniger natürliche Schamhaftigkeit hätte, so würde ihre Liebe sich in +einem größern Lichte sehen lassen; aber vielleicht würde sie nicht so +reizend erscheinen. Vielleicht geht es mit der Zärtlichkeit eines +Frauenzimmers wie mit ihren äußerlichen Reizungen, wenn sie gefallen +sollen. + +Damis. Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich... +Aber wie? Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich +doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten? + +Lottchen. Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber +Herr Bruder. Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen. Aber was wollten +Sie sagen? + +Damis. Fragen Sie mich nicht. Ich habe es wieder vergessen. Ich +kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen. Sie verbergen +sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele. Julchen denkt und +sinnt und redt in mir. Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe +ich große Lust, es auch zu sein. Was für ein Geheimnis hat nicht ein +Herz mit dem andern! Ich sehe, daß ich glücklich bin, und sollte +vergnügt sein. Ich sehe, daß mich Julchen liebt, und indem ich dieses +sehe, werde ich traurig, weil sie es ist. Welche neue Entdeckung in +meinem Herzen! + +Lottchen. Ich weiß Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen +Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst +werden Sie zerstreut werden. Sie wird ihres Platzes von sich selber +müde werden und ihn bald dem Vergnügen von neuem einräumen. + +Damis. Ich werde recht furchtsam. Und ich glaube, wenn ich Julchen +wiedersehe, daß ich gar stumm werde. + +Lottchen. Das kann leicht kommen. Vielleicht geht es Julchen auch +also. Ich möchte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen +bemerkt zu werden. Sie würden beide tiefsinnig tun. Sie würden reden +wollen und statt dessen seufzen. Sie würden die verräterischen +Seufzer durch gleichgültige Mienen entkräften wollen und ihnen nur +mehr Bedeutung geben. Sie würden einander wechselsweise bitten, sich +zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben. Und +vielleicht würde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als +freundschaftliche Küsse ausbrechen. Aber ich höre meine Schwester +kommen. Ich will Sie nicht stören. (Sie geht und bleibt in der Szene +versteckt stehen.) + + + +Vierter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. War nicht meine Schwester bei Ihnen? Wo ist sie? + +Damis (in tiefen Gedanken). Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht +stören. + +Julchen. Nicht stören? Was soll das bedeuten? + +Damis. Vergeben Sie mir. Ich habe mich übereilet. Ach, Juliane! + +Julchen. Sie haben sich übereilet, und woher? Aber... Ja... Ich +will Sie verlassen. Sie sind tiefsinnig. + +Damis. Sie wollen mich verlassen? meine Juliane! Mich...? + +Julchen. Meine Juliane! so haben Sie mich ja sonst nicht geheißen? +Sie vergessen sich. Ich will Sie verlassen. + +Damis. O gehn Sie noch nicht. Ich habe Ihnen recht viel zu sagen. +Ach viel! + +Julchen. Und was denn? Sie halten mich wider meinen Willen zurück. +Ist Ihnen etwas begegnet? Was wollen Sie sagen? Reden Sie doch. + +Damis (bange). Meine Juliane! + +Julchen (mit beweglicher Stimme). Juliane! den Namen höre ich zum +dritten Male. Sie schweigen wieder? Ich muß nur gehn. (Sie geht. +Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.) Wahrhaftig, es muß +Ihnen etwas Großes begegnet sein. Darf ich's nicht wissen? + +Damis (er kömmt auf sie zu). Wenn Sie mir's vergeben wollten: so +wollte ich Ihnen sagen; aber nein... Ich würde Ihre Gewogenheit +darüber verlieren und... (Er küßt ihr die Hand und hält sie dabei.) +Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ach, Sie sind verdrießlich, +meine Juliane? + +Julchen (ganz betroffen). Nein, ich bin nicht traurig. Aber ich +erschrecke, daß ich Sie so bestürzt sehe. Ja... Ich bin nicht +traurig. Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, daß Sie auch so wären. + Halten Sie mich nicht bei der Hand. Ich will Sie verlassen. Ich +wollte meine Schwester suchen und ihr sagen... + +Damis. Was wollten Sie ihr denn sagen? mein schönes Kind! + +Julchen. Ich wollte ihr sagen... daß der Papa nach ihr gefragt hätte +und... + +Damis. Der Papa? mein Engel! + +Julchen. Nein, ich irre mich. Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und +meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten... (Sie sieht ihn an. +) In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, daß man sich des Mitleidens.. +. (Sie wendet das Gesichte beiseite.) + +Damis. Meine Juliane! Ihr Mitleiden... Sie bringen mich zur +äußersten Wehmut. + +Julchen. Und Sie machen mich auch traurig. Warum hielten Sie mich +zurück? Warum weinen Sie denn? (Sie will ihre Tränen verbergen.) +Was fehlt Ihnen? Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf. + +Damis. Ja. + +Julchen (für sich). Er geht? + +Damis (indem er wieder zurückkehrt). Aber darf ich nicht wissen, +meine Schöne, was Ihnen begegnet ist? Sie waren ja Vormittage nicht +so traurig. + +Julchen. Ich weiß es nicht. Sie wollten ja gehn. Ist Ihnen meine +Unruhe beschwerlich? Sagen Sie mir nur, warum Sie... Sie reden ja +nicht. + +Damis. Ich? + +Julchen. Ja. + +Damis. O wie verschönert die Wehmut Ihre Wangen! Ach, Juliane! + +Julchen. Was seufzen Sie? Sie vergessen sich. Wenn doch Lottchen +wiederkäme! Bedenken Sie, wenn sie Sie so betrübt sähe und mich... +Was würde sie sagen? (Lottchen tritt aus der Szene hervor.) + + + +Fünfter Auftritt + +Die Vorigen. Lottchen. + + +Lottchen. Ich würde sagen, daß man einander durch bekümmerte Fragen +und Tränen die stärkste Liebeserklärung machen kann, ohne das Wort +Liebe zu nennen. Mehr würde ich nicht sagen. + +Julchen. O wie spöttisch! Ich muß nur gehn. + +Lottchen. O ich habe es wohl eher gesehn, daß du hast gehn wollen, +und doch... + +Julchen. Das wüßte ich in der Tat nicht. (Sie geht ab.) + + +Sechster Auftritt + +Damis. Lottchen. + + +Lottchen. Es dauert mich in der Tat, daß ich Sie beide gestöret habe. + Ich hätte es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht +länger halten. Kann wohl ein schönerer Anblick sein, als wenn man +zwei Zärtliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander +die Liebe zu gestehen? Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan +Ihres zärtlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt? Hätte ich +mich noch einige Augenblicke halten können: so würde Ihre +beiderseitige Wehmut gewiß noch bis zu etlichen vertraulichen +Liebkosungen gestiegen sein. + +Damis. Daran zweifele ich sehr. Ich war in Wahrheit recht traurig, +und ich bin's noch. + +Lottchen. Ja, ich sehe es. Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit +mir allein zu reden. Holen Sie unmaßgeblich Ihre betrübte Freundin +wieder zurück. Ich will Sie miteinander aufrichten. + +Damis. Ja, das will ich tun. + + + +Siebenter Auftritt + +Lottchen. Simon. + + +Simon. Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, daß ich unangemeldet +hereintrete. Das Vergnügen macht mich unhöflich. Sind Sie nicht die +liebenswürdige Braut meines Herrn Mündels? + +Lottchen. Und wenn ich nun seine Braut wäre, was... + +Simon. So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, daß Ihnen Ihre selige +Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat. Sie +werden die Gewißheit davon noch heute vom Rathause erhalten. Das +Testament ist geöffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei +der Eröffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater +diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die +gerichtliche Insinuation erhält. + +Lottchen. Ist das möglich? Die Frau Muhme hat ihr Versprechen +zehnfach erfüllt. Wie glücklich ist meine Schwester! Sie verdient es +in der Tat. Das ist eine sonderbare Schickung. Mein Herr, Sie setzen +mich in das empfindlichste Vergnügen. Ich bin nicht die Braut Ihres +Herrn Mündels. Aber die Nachricht würde mich kaum so sehr erfreuen, +wenn sie mich selbst anginge. + +Simon. Kurz, Mamsell, ich weiß nicht, welche von Ihnen meinen Mündel +glücklich machen will. Allein genug, die jüngste Tochter des Herrn +Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermögens von +mehr als funfzigtausend Talern. + +Lottchen. Das ist meine Schwester. Wie erfreue ich mich! + +Simon. Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht +bringen kann. Ich wollte es mit tausend Freuden tun. Wo ist Ihr +lieber Herr Vater? Wird er nicht eine Freude haben! + +Lottchen. Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu führen. Aber ich +will Sie erst um etwas bitten. Gönnen Sie mir doch das Vergnügen, daß +ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Mündel die erste Nachricht von +dieser glücklichen Erbschaft bringen darf. Es ist meine größte +Wollust, die Regungen des Vergnügens bei andern ausbrechen zu sehen. +Und wenn ich viel hätte, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die +Welt froh zu sehen. Lassen Sie mir immer das Glück, meiner Schwester +das ihrige anzukündigen. + +Simon. Von Herzen gern. Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht +unter zwo Schwestern gefunden. Ich erstaune ganz. Ich wußte wohl, +Mamsell, daß Sie die Braut meines Mündels nicht waren; allein, ich +wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewißheit leichter +machen. Ich glaubte, Sie würden erschrecken und über die Vorteile +Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden. Aber ich sehe das Gegenteil +und fange an zu wünschen, daß Sie selbst die Braut meines lieben +Mündels und die glückliche Erbin der Frau Stephan sein möchten. + +Lottchen. Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, daß man frei +vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr +Wohlwollen zeitlebens zu erhalten. Also wollen Sie Julchen und dem +Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir überlassen? + Sie sind sehr gütig. + +Simon. Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es +ihm selber hinterbringen wollen. Hier kömmt er. + + + +Achter Auftritt + +Die Vorigen. Herr Cleon. Herr Siegmund. + + +Cleon. Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon +im Garten gesucht. Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich +glaubte, Sie würden den Kaffee im Garten trinken wollen. Ich erfreue +mich über die Ehre Ihrer Gegenwart. Ich erfreue mich recht von Herzen. + +Simon. Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen +von Ihrem Vergnügen abzugeben. + +Lottchen. Ach, lieber Papa! Ach, lieber Herr Siegmund! Soll ich's +sagen? Herr Simon! + +Simon. Wenn Sie es erzählen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's +selbst noch nicht wüßte. + +Cleon. Nun, was ist es denn? meine Tochter! Wem willst du es erst +sagen, mir oder meinem lieben Nachbar? Welcher ist dir lieber, du +loses Kind? + +Lottchen. Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's. Und +wenn ich die Liebe der Freundschaft höre: so ist es Ihr lieber Nachbar. + Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt +erzählt hat. Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente +ihr ganzes Rittergut vermacht. Das Testament ist geöffnet, und mein +Herr Pate, der Herr Hofrat, läßt Ihnen durch den Herrn Simon diese +Nachricht bringen. + +Cleon. Dafür sei Gott gedankt. Das Gut ist doch Weiberlehn? Ja! +Ich erschrecke ganz vor Freuden. Das hätte ich nimmermehr gedacht. O +sie war dem Mädchen sehr gut! Gott vergelte es ihr in der frohen +Ewigkeit. Das ganze Rittergut? + +Siegmund. Das ist vortrefflich. Die rechtschaffene Frau! + +Simon (zu Cleon). Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem +Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten. + Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen. + +Cleon. Das ist ja ganz was Außerordentliches. Ich will's die Armen +gewiß genießen lassen. Aber du, meine liebe Tochter, du kömmst dabei +zu kurz. + +Lottchen. Ich? Papa. Nein. Wenn ich das Glück tragen könnte: so +würde mir der Himmel gewiß auch welches geben. Ich habe schon Glück +genug. Nicht wahr? Herr Siegmund! Was meinen Sie? + +Siegmund. Daß Sie es ebenso würdig sind als Ihre Jungfer Schwester. + +Cleon. Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, daß +auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten hätten. Kommen Sie doch +mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's. Diese beiden +feindseligen Gemüter werden sich schon hier allein vertragen oder uns +nachkommen. + + + +Neunter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen. Wenn ich Ihre Größe nicht kennte: so würde ich gezittert +haben, Ihnen die Nachricht von dem großen Glücke meiner Schwester zu +hinterbringen. Aber ich weiß, Sie schätzen mich deswegen nicht einen +Augenblick geringer. Unser Schicksal steht in den Händen der Vorsicht. + Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu +unserm Vorteile öffnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es +wünschen. + +Siegmund. Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, über Ihrem +Herzen das Glück zu vergessen. Wir wollen hoffen. Vergeben Sie mir +nur, daß ich noch immer den Zerstreuten vorstelle. Ich habe lange mit +Ihrem Papa gesprochen, und ich weiß in Wahrheit nicht was. + +Lottchen. Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's +nicht, daß Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten +gemacht werden, einige Wünsche und Unruhen abnötiget. Trauen Sie doch +der Vorsehung. Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den +unglücklichen Prozeß Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermögen verloren. + Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie +auch alles heute über ein Jahr wieder. Haben Sie mit Julchen +gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zärtlich gestellt? + +Siegmund. Nein, weil ich so zerstreut bin, so... + +Lottchen. Gut. Sie werden diese kleine Mühe fast ersparen können. +Ihr Herz scheint keinen großen Antrieb mehr nötig zu haben. Aber +sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Ich will sie holen und +es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich. + + + +Zehnter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Welche entsetzliche Nachricht!... Julchen!... Ein ganzes Rittergut! +Julchen... die so viel Reizungen, so viel Schönheit und Anmut besitzt! +... Kennte ich Lottchens Wert nicht: so würde Julchen.... Aber ist +Julchen nicht auch tugendhaft... großmütig... klug... unschuldig... +? Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst? Ist Lottchen so schamhaft? +oder... Himmel, wo bin ich? Verdammte Liebe, wie quälst du mich! +Muß man auch wider seinen Willen untreu werden?... Warum konnte jene +nicht die reiche Erbschaft bekommen? Sahe die Muhme auch, daß die +jüngste mehr Verdienste hatte?... Ich Elender! Ich bin ohne meine +Schuld um das größte Vermögen gekommen... Aber habe ich weniger +Vorzüge als Damis? Julchen widersteht ja seiner Liebe... Ist es ein +Verbrechen?... Was kann ich dafür, daß sie mich rührt? Sind meine +Wünsche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wünschen vielleicht gar +übereinstimmen? O Himmel! Sie kömmt allein. + + + +Eilfter Auftritt + +Siegmund. Julchen. + + +Julchen. Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer +Gesellschaft erwarten. Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann +hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzählen. + +Siegmund. Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft +nicht verdrießlich werden? + +Julchen. Mir? Bei Ihnen? Gewiß nicht. Sie sind heute am +freundschaftlichsten mit mir umgegangen. Und es wird Ihnen auch wohl +kein Geheimnis sein, daß ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie +meine Schwester. + +Siegmund (er küßt ihr die Hand). Sie sagen mir vieles Schönes, +angenehme Braut. + +Julchen. Bin ich denn eine Braut? Das hat mir noch kein Mensch +gesagt. Nein, mein Herr, heißen Sie mich nicht so. Es kann sein, daß +ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muß ich darum seine Braut sein? +Nein, er ist so gütig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe. + +Siegmund. Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, würden Sie +auch zürnen? Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie... doch... + +Julchen. Bei Ihnen bin ich sehr sicher. Solange ein Lottchen in der +Welt ist, werden Ihre Liebeserklärungen nicht viel zu bedeuten haben. +Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts +erfahren. + +Siegmund. Meine Schöne, ich wollte wünschen, daß ich aus Verstellung +redte; aber ach nein! Denken Sie denn, daß man... + +Julchen. Und was? + +Siegmund. Daß man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann? + +Julchen. Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe. + +Siegmund. So werde ich sehr unglücklich sein, weil Sie mit seiner +Rolle nicht zufrieden sind. + +Julchen. Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine +Wünsche nicht erfülle? + +Siegmund. Vielleicht gewönne ich. Vielleicht würden Sie die +Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn. Ich verehre Sie; doch... +wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde! + +Julchen. Sie können eine fremde Person vortrefflich annehmen. Aber +auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich. Ich weiß nicht, wo meine +Schwester bleibt. Ich möchte doch wissen, was sie mir zu sagen hätte; +sie küßte mich vor Freuden. Es muß etwas Wichtiges sein. Ich muß sie +nur suchen.. Verziehn Sie einen Augenblick. + + + +Zwölfter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Ich Abscheu! Was habe ich getan? Ich werde der redlichsten Seele +untreu, die mich mit Entzückung liebt? Ich...? Aber wie schön, wie +reizend ist Julchen! Sie liebt ihn noch nicht... Und mir, mir ist +sie gewogen? Aber die Vernunft...? Sie soll schweigen... Mein Herz +mag die Sache ausführen.... Mißlingt mir meine Absicht: so bleibt mir +Lottchen noch gewiß. ... Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich +verliebt in Julchen zu stellen? Werde ich ihr darum untreu? Wie? +Sie kömmt noch einmal? Sucht sie mich mit Fleiß? + + + +Dreizehnter Auftritt + +Siegmund. Julchen. Der Magister. + + +Julchen (zu Siegmund). Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr +Damis wiederkömmt. Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und +Sie sollen so gütig sein und zu dem Papa kommen. Er wartet mit dem +Kaffee auf Sie. + +Siegmund. Nach Ihrem Befehle. Aber darf ich hoffen? + +Julchen. Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muß ich +Ihnen in der Sprache der Schönen antworten: Sie müssen mit meinem Papa +davon sprechen. + +Der Magister. Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich +möchte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen. + + + +Vierzehnter Auftritt + +Julchen. Der Magister. + + +Julchen. Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen +Neues erzählen will? + +Der Magister. Nein, ich habe sie gar nicht gesehn. Ich komme aus +meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen +Fabelbuche gelesen. Wenn Sie mir zuhören wollten: so wollte ich Ihnen +eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat. Ich +weiß, Sie hören gerne witzige Sachen. + +Julchen. Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin. Sie +lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Wie kommen Sie denn heute auf +diesen Einfall? Ja, ich weiß wohl eher, daß Sie mir eine ziemliche +finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder +Hagedorns Fabeln haben lesen sehen. + +Der Magister. Sie haben recht. Ich halte mehr auf gründliche +Schriften. Und das Solide ist für die Welt allemal besser als das +Witzige. Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so +ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen. Wollen Sie die +Fabel hören? Sie heißt Die Sonne. + +Julchen. O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen! Ich +will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, daß sie artig ist. Lesen Sie mir +sie nur nicht vor. + +Der Magister. Jungfer Muhme, ich weiß nicht, was Sie heute für eine +verdrießliche Gemütsart haben. Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir +etliche kostbare Stunden. Ich arbeite für Ihr Glück, für Ihre +Beruhigung. Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle +Augenblicke dafür? Bin ich Ihnen denn so geringe? Verdienen meine +Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit? Sind denn Ihre +Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich +genug bestimmt? Warum widersprechen Sie mir denn? Kann ich etwas +dafür, daß Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten? Habe +ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind, +etwa erdacht? Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft +enthalten? + +Julchen. Sie schmälen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmälen doch +gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben. Darf ich bitten: +so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester +gehn kann. Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schätze. + +Der Magister. Warum sollte ich's nicht wissen? Wenn Sie gleich nicht +den schärfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz. Und +ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beiträge und anderer +solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie läsen, +daß Sie bald anders sollten denken lernen. Wenn Sie die Triebe des +Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so würden Sie +sehen, daß der Trieb der Liebe ein Grundtrieb wäre, und also... + +Julchen. Sie reden mir so viel von der Liebe vor. Haben Sie denn in +Ihrer Jugend auch geliebt? Kennen Sie denn die Liebe recht genau? +Was ist sie denn? Ein Rätsel, das niemand auflösen kann. + +Der Magister. Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu +dringen. Die Liebe ist eine Übereinstimmung zweener Willen zu +gleichen Zwecken. Mich deucht, dies ist sehr adäquat. Oder soll ich +Ihnen eine andere Beschreibung geben? + +Julchen. Nein, ich habe mit dieser genug zu tun. Sagen Sie mir +lieber die Fabel. Ich muß zu meiner Schwester. + +Der Magister. Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu +verstehen als eine Kausaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint +mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein. Sie klingt also: Die +Sonne verliebte sich, wie man erzählt, einsmals in den Mond. Sie +entdeckte ihm ihre Wünsche auf das zärtlichste; allein der Mond blieb +seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Er verlachte alle die +Gründe, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zärtlichkeit gegen +die Sonne bewegen wollten. Ein heimlicher Stolz hieß ihn spröde tun, +ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war. Er trotzte auf sein +schönes und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der +Sonne mit Flecken verunstaltete. Und dies sind die Flecken, die wir +noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden. Dies ist die Fabel. + Was empfinden Sie dabei? + +Julchen. Ich empfinde, daß sie mir nicht gefällt und daß der +Verfasser ihrer noch viel machen wird. Ich will doch nicht hoffen, +daß Sie diese Erzählung im Ernste für artig halten. + +Der Magister. Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine +Stärke nicht sehen lassen. Aber wie? wenn ich die Fabel selbst +gemacht hätte? + +Julchen. So würde ich glauben müssen, daß die Schuld an mir läge, +warum sie mir nicht schön vorkömmt. + +Der Magister. Sie wissen sich gut herauszuwickeln. Ich will es Ihnen +gestehen. Es ist meine Arbeit. Ich will mich eben nicht groß damit +machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben. Aber wollten Sie +diese Fabel wohl auflösen? Was soll die Moral sein? + +Julchen. Das werden Sie mir am besten sagen können. + +Der Magister. Die Moral soll etwan diese sein: Ein schönes +Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange spröde tut, steht +in der Gefahr, daß das Alter ihr schönes Gesicht endlich verwüstet. + +Julchen. Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister. Ich merke, +die Fabel geht auf mich. Ich bin der Mond. Herr Damis wird die Sonne +sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen. +Habe ich nicht alles erraten? + +Der Magister. Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter +Bildern vorträgt: so machen sie einen großen Eindruck bei Ihnen. +Jungfer Muhme, denken Sie unmaßgeblich an die Fabel und widerstehen +Sie der Liebe des Herrn Damis nicht länger. Was soll ich Ihrem Papa +für eine Antwort bringen? + +Julchen. Sagen Sie ihm nur, daß ich über Ihre Fabel hätte lachen +müssen: so verdrießlich ich auch gewesen wäre. Ich habe die Ehre, +mich Ihnen zu empfehlen. + + +Funfzehnter Auftritt + +Der Magister. Cleon. Siegmund. + + +Cleon. Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen? Ich denke, +sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben. + +Der Magister. Sie bleibt unbeweglich. Ich weiß nicht, warum ich mir +des eigensinnigen Mädchens wegen so viel Mühe gebe. Wer weder durch +philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muß +man seinem Wahne zur Strafe überlassen. Ich sage ihr kein Wort mehr. +So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein gründliches +Erkenntnis von der Moral beibringen läßt. Ich habe mich zehnmal +erboten, deine Töchter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen +der Dinge zu zeigen. Aber nein, sie sollten witzig und nicht +vernünftig werden. + +Siegmund. Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch. Ist Julchen +nicht vernünftig genug? + +Der Magister. Warum denn nur Julchen? Ich verstehe Sie. Ich habe +ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten. Itzt warten meine Zuhörer +auf mich. + + + +Sechzehnter Auftritt + +Cleon. Siegmund. + + +Cleon. Ich weiß nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder +Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener +spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht +einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund. + +Siegmund. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, daß Julchen den +Herrn Damis nicht wohl leiden kann. + +Cleon. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von +der Erbschaft wüßte: so dächte ich, das Rittergut machte sie stolz. +Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da +sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit +heiraten. Sie wird sich wohl noch geben. + +Siegmund. Aber Sie wissen wohl, daß der Zwang in der Ehe üble Früchte +bringt. + +Cleon. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fügung. Und +ich wollte wohl wünschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens +sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, daß ich heute ein doppeltes +Verlöbnis ausrichten könnte. + +Siegmund. Ja, wenn nur meine Umstände... Ich habe einige hundert +Taler Schulden... + +Cleon. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen +und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben. + +Siegmund. Das ist sehr schön; aber... + +Cleon. Sie kriegen an Lottchen gewiß eine verständige Frau. Das +Mädchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht +schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache +manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem +Testamente bald käme! Also, wollen Sie Lottchen haben? + +Siegmund. Ja, ich wünsche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als +meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, daß es scheint, daß mir +Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und daß Lottchen hingegen +mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen, + daß mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie +anzuhalten und... + +Cleon. Was höre ich? Nun errate ich, warum das Mädchen sich so +geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwöre Sie, sagen Sie mir, + was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich... Ja doch. +Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch +gewogener. + +Siegmund. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa. + +Cleon. Also will Lottchen zwei Männer und Herr Damis zwo Weiber +haben? Das ist ja unsinnig. + +Siegmund. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr +ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, daß Sie alles so +geheimhalten, als es möglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn +Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich +Julchen anders. + +Cleon. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich +müßte mich ja schämen. + +Siegmund. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig wählen sollte: so +bin ich viel zu redlich, als daß ich ihr einen Mann mit so großem +Vermögen entziehen will. + +Cleon. Sie sind die Großmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein. +Ich wollte Ihnen Julchens Vermögen ebensowohl gönnen als dem Herrn +Damis. Freilich wäre die Einteilung nicht uneben. Lottchen wäre +durch Herrn Damis' Vermögen und Ihnen durch Julchens Erbschaft +geholfen. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll. + +Siegmund. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte, +Julchen versprechen? + +Cleon. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich +dächte, es wäre unbillig, daß Sie sie vergäßen. Ich kann mir nicht +einbilden, daß meine Tochter so unbeständig sein sollte. Ich habe sie +selber vielmal für Sie beten hören, daß es Ihnen der Himmel möchte +wohlgehen und Sie ihr zum Vergnügen leben lassen, wenn es sein Wille +wäre. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich +wohl. + +Siegmund. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich +liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu +erhalten suchen. + +Cleon. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben. + Ich denke gewiß, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich +will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr +nur recht viel Zärtliches vor. Sie hört es gern. Julchen will ich +selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange +aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der +rechtschaffene Mann nicht übelnimmt. + + + +Siebenzehnter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Das geht gut. Julchen wird noch meine... Sie ist schön, reich und +wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt... Aber, Himmel, wenn Lottchen +mein Vorhaben erfahren sollte! Würde sie mein Herz nicht verfluchen?.. +. Doch nein. Sie ist sicher. Sie liebt mich... Aber was quält +mich? Sind es die Schwüre, die ich ihr...? Unkräftige Schwüre der +Treue, euch hört der Himmel nicht... O Julchen, wie reizend bist du! +Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch? + + + +Achtzehnter Auftritt + +Siegmund. Lottchen. + + +Lottchen. Itzt kommen sie beide. Nun wollen wir's ihnen entdecken. +Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen! Und Sie, + mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb? Vergeben Sie mir diese +überflüssige Frage. + +Siegmund. Ja, meine Schöne, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre +Liebe für meine Treue unendlich belohnet. O könnte ich Sie doch +vollkommen glücklich machen! (Er küßt sie.) Um dies Vergnügen muß +mich ein Prinz beneiden. Hier kommen sie. Erlauben Sie, meine Schöne, + der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich. Er möchte +ungehalten werden. + + + +Neunzehnter Auftritt + +Lottchen. Julchen. Damis. + + +Lottchen (zu Damis). Ich wollte Ihnen ein schönes, junges, +liebenswürdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie +Julchen wollen fahren lassen. + +Julchen. Ist das die Neuigkeit? + +Damis. Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Rittergüter hätte: so würde mir +Julchen auch in einer Schäferhütte besser gefallen. + +Julchen. Was reden Sie? Hören Sie doch Lottchen an. Wer weiß, wie +glücklich Sie werden! Ich gönne es Ihnen und der andern Person. +Lottchen, wer ist sie denn? + +Lottchen. Es ist ein artiges Kind. Sie hat ein Rittergut für +funfzigtausend Reichstaler. Sie ist wohlerzogen. + +Julchen. So? Aber, wo... Wie heißt sie denn? + +Lottchen. Sie ist fast so schön wie du. + +Julchen. Das mag ich ja nicht wissen. Wenn ich schön bin: so wird +mir's der Spiegel sagen. So muß keine Schwester mit der andern reden. + Sage es dem Herrn Damis allein. Ich werde wohl nicht dabei nötig +sein. (Sie will gehn.) + +Damis. Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht. Ich gehe mit Ihnen. + +Julchen. Das wird sich nicht schicken. Das Frauenzimmer mit dem +Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, würde es sehr übelnehmen. +Es ist gut, daß Sie sich bei mir in den Liebeserklärungen geübt haben. + Nunmehr werden sie Ihnen wenig Mühe machen. + +Lottchen. Höre nur, meine Schwester. Es kömmt erst darauf an, ob das +Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird. Sie hat freilich schöne +große blaue Augen, fast wie du; eine gefällige Bildung und eine recht +erobernde Miene; kleine volle runde Hände. (Julchen sieht ihre Hände +an.) Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit. + +Julchen. O ich weiß gar nicht, was du haben willst? Kurz, wie heißt +denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt? + +Lottchen. Sie heißt ebenfalls, wie du, Julchen. + +Julchen. Oh! du willst mich zum Kinde machen. + +Lottchen. Nein, Julchen, ich kündige hiermit dir und deinem Liebhaber +ein ansehnliches Glück an. Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem +Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht. Herr Simon hat uns die +Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, daß er mir die +Freude gönnen möchte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen. Meine +liebe Schwester, ich wünsche dir tausend Glück zu deiner Erbschaft, +und Ihnen, mein Freund, wünsche ich meine Schwester. Wie glücklich +bin ich heute! + +Julchen. Was? Das ganze Rittergut? Und dir nichts? Hätte sie es +denn nicht teilen können? Ist es denn auch gewiß? Kann es nicht ein +Mißverstand sein? Warum hat sie denn dir nichts vermacht? + +Lottchen. Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich. Genug, die +Erbschaft ist deine und für dich bestimmt gewesen. Ich habe genug, +wenn ich künftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann. Ach, +Julchen, ich weiß, daß dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis +er dir seinen Glückwunsch abstatten kann. Ich habe ihn gebeten, dich +nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt hätte. + +Damis. Ich erstaune ganz. Vielleicht wäre es ein Glück für mich, +wenn kein Testament wäre. Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie +verlieren? + +Julchen. Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa. Nein, +ganz wünsche ich mir es nicht. Ich verdiene es auch nicht. Traurige +Erbschaft!... Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch +nicht vergnügt. (Sie sieht den Damis an.) Und Sie, mein Herr...? + +Damis. Und Sie, meine Schöne...? + +Lottchen. Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an. Ich weiß, +daß der Papa schon ein wenig geschmälet haben wird. + + + +Zwanzigster Auftritt + +Die Vorigen. Cleon. + + +Cleon. Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn? Soll sich der Kaffee +selber einschenken? + +Lottchen. Schmälen Sie nicht, lieber Papa. Ihre Töchter sind in +guten Händen. Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen. + +Julchen. Ach, lieber Papa... + +Cleon. Nun, was willst du? Soll ich dir zu deinem Glücke +gratulieren? Ich habe vor Freuden schon darüber geweint. Hast du +auch Gott für die reiche Erbschaft gedankt? Du gutes Kind. Ach +Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee +ein. Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments +bemühn. Sie, Herr Damis, sollen so gütig sein und ihm Gesellschaft +leisten. + +Damis. Von Herzen gern. + +(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.) + + + +Einundzwanzigster Auftritt + +Cleon. Julchen. + + +Cleon. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muß +dir doch lieb sein, daß du ein Rittergut hast. + +Julchen. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester +anbieten kann. + +Cleon. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner +Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe, +Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis? +Hat auch der eine Freude über deine Erbschaft? + +Julchen. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgültig zu sein. + +Cleon. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermögen. Aber du mußt +auch bedenken, daß er dich gewählt hat, da du noch ein armes Mädchen +warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr +Vormund itzt von ihm erzählet hat, du würdest ihn gewiß lieben! Ich +habe immer gedacht, er wäre nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so +hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich +versichert, daß er ein rechter scharfsinniger Mensch wäre und mehr +gute Bücher gelesen hätte, als Stunden im Jahre wären. Wer hätte das +denken sollen? + +Julchen. Daß er gelehrt ist, habe ich lange gewußt; allein daß ich's +nicht bin, weiß ich leider auch. Vielleicht sucht er die +Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut. + +Cleon. Du redst artig. Da werden die Töchter studieren können wie +die Söhne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schön +singen. Du kannst dein bißchen Französisch. Du schreibst einen +feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die +Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet +und fromm und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann +mehr haben? Herr Damis liebt dich gewiß. Mache, daß ich ihn bald +Herr Sohn und dich Braut heißen kann. + +Julchen. Braut? Das weiß ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa, +Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja +ebensoviel und noch mehr als ich. + +Cleon. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat +ihren Herrn Siegmund und verlangt kein großes Glück. Gib ihr etwas +von deinem Vermögen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so +will ich sie gleich heute verloben. Oder möchtest du Herrn Siegmunden +lieber zum Manne haben? + +Julchen. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die +Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn +Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener? + Und wenn auch dieser liebenswürdiger wäre, da er es doch nicht ist, +wie könnte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester +und er sie so zärtlich liebt? + +Cleon. So gefällst du mir. Ich bin ein rechter glücklicher Vater. +(Er klopft sie auf die Backen.) Meine liebe schöne Tochter, bleibe +bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast +den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir +zuweilen ein bißchen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe +alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand... + +Julchen. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschließe: so gebe ich Ihnen +mein Wort, daß ich einen Mann wähle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur +nicht meine Freiheit dabei verlöre! Wenn ich nur wüßte, ob ich ihn +etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich +habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht +zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde? + +Cleon. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe +macht wieder gesund. Ich spräche ja, wenn ich wie du wäre, damit ich +der Krankheit zuvorkäme. + +Julchen. Ach! Papa. + +Cleon. Ach! Du sollst nicht »Ach«, du sollst »Ja« sprechen. Du +gefällst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben. + +Julchen. Aber werde ich ihm stets gefallen? + +Cleon. Das kannst du denken. Woran stößt sich denn dein Herz noch? +Befürchtest du denn gar, daß er dir künftig untreu werden möchte? +Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, daß dein Liebster sehr +viel Religion hätte und oft zu sagen pflegte, daß er kein Mensch sein +möchte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich +gewiß zeitlebens für gut halten. Er wird seine Schwüre nicht brechen. + +Julchen. Ich höre keine Schwüre von ihm. Würde er seine Liebe nicht +beteuern, wenn er mich...? + +Cleon. Das ist schön, daß er nicht schwört. Um desto mehr kannst du +auf sein Wort bauen. Das öffentliche Versprechen ist eben der Schwur +in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn +zugleich tun willst. + +Julchen. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache +recht zu überlegen. Lassen Sie mir noch Zeit. + +Cleon. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann +sprich »Ja« oder »Nein«. Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe +dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du +willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen +haben. Die beiden schwarzen Pflästerchen lassen recht hübsch zu +deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren? + +Julchen. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken. + +Cleon. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen +Gevatterbrief schickst. Komm und führe mich bei der Hand. Ich möchte +gern einmal von einer Braut geführet werden. + +(Ende des zweiten Aufzugs.) + + + + +Dritter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Siegmund. Julchen. + + +Julchen. Was sagen Sie mir? Das glaube ich in Ewigkeit nicht. + +Siegmund. Ich aber glaube es. + +Julchen (bestürzt). Hat er es Ihnen denn selbst gesagt? Ich +Unglückliche! + +Siegmund. Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es +ist gewiß, daß er Ihnen Lottchen weit vorzieht. Ich wollte ihm diese +Beleidigung, so groß sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie +nicht zugleich beleidigte. Ich bedaure Sie, mein Engel. Ich weiß, +Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen, + daß Sie dem Unbeständigen wenigstens meinen Namen verschweigen. + +Julchen. War dies die Ursache seiner Traurigkeit? Der Treulose! Was +hat er für Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betrügen? Wenn er +mir aus Rache das Leben hätte nehmen wollen: so würde ich ihn noch +nicht hassen. Aber daß er mich unter der Maske der Liebe und +Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat. + +Siegmund. Er wird es leugnen, denken Sie an mich. + +Julchen. Der Verräter! Ja, er soll es leugnen. Ich mag dieses +Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren. Ich will ihn nicht +bestrafen. Nein! Sein Gewissen wird mich rächen... Wie? Er? dem +ich heute mein Herz schenken... doch nein, ich habe ihn nicht geliebt. + Aber hat er nicht tausendmal gesagt, daß er mich liebte? Hält man +sein Wort unter den Männern nicht besser? + +Siegmund. O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen +nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen. Sollten Sie mein Herz sehen! + Ja... auch der Zorn macht Sie noch liebenswürdiger. + +Julchen. Verlassen Sie mich, liebster Freund. Ich will... Und du, +meine Schwester, du schweigst? Und alles dies tust du, o Liebe, du +Pest der Menschen!... Verlassen Sie mich. Ich verspreche Ihnen bei +meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit +zeitlebens zu belohnen. Aber kommen Sie bald wieder hieher. + +Siegmund. Sobald, als ich glaube, daß sich Ihre Hitze etwas gelegt +haben wird. + + + +Zweiter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht). Eben zu der Zeit, +da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch +untreu...? Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen? Bin ich +bezaubert? + +Damis. Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht? Mit wem reden +Sie? + +Julchen. Mit einem Betrüger, den ich geliebt haben würde, wenn ich +weniger von ihm erfahren hätte. (Gelinder.) Ist es Ihnen möglich +gewesen, mich zu hintergehn? Mich? die ich schon anfing, Sie im +Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn? Warum handeln Sie +so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muß, +nachdem ich sie gefühlt habe? Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie für +ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, daß ich Sie niemals +hassen, daß ich mich vielmehr bemühen werde, Ihren Fehler vor mir +selbst zu verbergen. + +Damis. Ich Unglücklicher! Ist der Betrüger der Name, den ich +verdiene? Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzürnte +Freundin. Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten +Gewissens, daß mein Herz gar keines Betrugs fähig ist. Ich verlange +es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die übele Meinung beigebracht hat. +Die Zeit wird mich schon rechtfertigen. + +Julchen. Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze? + + + +Dritter Auftritt + +Die Vorigen. Lottchen. + + +Damis (zu Lottchen). Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an, +mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben. + +Lottchen. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich +über die ersten Küsse. + +Damis (zu Julchen). Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer +Schwester. Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen. + +Julchen. Vielleicht fände ich da die wenigste Hülfe. + +Lottchen. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es hätte wissen +sollen, daß du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Bräutigam +zanken würdest: sie hätte dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute +vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, daß der Krieg nicht lange +dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die +Liebe etwas zänkisch ist. + +Julchen. O scherze nicht. + +Lottchen (zu Damis). Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben +Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich +Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besänftigen. Julchen, rede +wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er +dich ja beleidiget hat: so laß dir den Kuß wiedergeben: so seid ihr +geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander? + +Julchen. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner +Gegenwart nicht sagen können. Ich glaube zwar gar nicht, daß du ihm +Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafür, daß du +liebenswürdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein +Verdienst. Er würde dich nicht lieben, wenn er nicht die größten +Vorzüge zu lieben gewohnt wäre. Ich entschuldige ihn selbst. + +Lottchen. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du +dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eröffnen. +Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn +Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich +verliebt stellen sollen, um dich zu überführen, daß du vielleicht +schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben, + daß Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine +Rolle gar zu gut gespielt. + +Julchen. Er tat sehr ernstlich und... + +Damis (zu Julchen). Sehn Sie, was ich für ein betrügerisches Herz +habe? + +Julchen. Aber... + +Damis. Sie können noch ein Mißtrauen in mich setzen? Wie wenig +müssen Sie mich kennen! + +Julchen. Ich? mein Herr... + +Damis. Ist das der Lohn für meine Liebe? + +Julchen. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Würde ich eifersüchtig +geworden sein, wenn ich nicht... Also haben Sie mich nicht +hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat für Sie gesprochen. + +Lottchen. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich +merke, daß es dir schon weh tut, daß du deinen Geliebten wegen deiner +Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner +Stelle tun. (Zum Damis.) Mein Herr, sein Sie so gütig und vergeben +Sie es Julchen, daß Sie zärtlicher von ihr geliebt werden, als Sie +gedacht haben. + +Julchen. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen +Fehler freiwillig ab. + +Damis. Aber lieben Sie mich denn auch? + +Julchen. Ja. Nunmehr weiß ich's gewiß, daß ich Sie liebe. Und +nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem +Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wünsche dadurch befriediget +werden. + +Damis. Meine Juliane! Ich bin zu glücklich. + +Julchen. Wenn ich Ihr Herz noch nicht hätte: so würde ich nunmehr +selbst darum bitten, so hoch schätze ich's. + +Damis. Vortreffliche Juliane! Ich bin... Doch es ist mir kein +Gedanke anständig genug für Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen +in der Entzückung antworten kann. + +Lottchen. Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei +ewig glücklich! Sei mir ein Beispiel der Zärtlichkeit und der +Zufriedenheit. (Zum Damis.) Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen +so glücklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wünsche. Bleiben +Sie ein Freund meines Freundes, und befördern Sie unsere Ruhe durch +Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater +gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens +Entschluß hört! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie, +ich will das Vergnügen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir +heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von +der Gewißheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben. + +(Julchen und Damis gehn ab.) + + + +Vierter Auftritt + +Lottchen. Simon. + + +Simon. Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem +Testamente zu bringen. Ich habe sie selbst geholet. Wollen Sie +unbeschwert diesen Punkt lesen? (Er reicht ihr die Abschrift.) + +Lottchen (sie liest). Wie? Ich bin die Erbin des Ritterguts? Ich? + +Simon. Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester. +Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muß sich +entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiß angerichtet +haben, um seiner Jungfer Pate eine desto größere Freude zu machen. +Genug, es ist nunmehr gewiß, daß Sie die Erbin des Ritterguts sind, +und kein Mensch kann Ihnen dieses Glück aufrichtiger gönnen, als ich +tue. Sie verdienen noch weit mehr. + +Lottchen. O das ist ein trauriges Glück! Wird nicht meine liebe +Schwester darüber betrübt werden? Wird nicht Ihr Herr Mündel...? + +Simon. Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und +nunmehr falsche Nachricht brachte. Lesen Sie doch nur weiter. Sie +sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen +zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird. + +Lottchen. Nun bin ich zufrieden. Sie soll noch mehr haben als +zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht über ihren Verlust kränkt. +O was für Bewegungen fühle ich in meiner Seele! Und was werde ich +erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden über mein +Glück erschrecken sehe? O wie schön wird er erschrecken! Gott, wie +glücklich bin ich! Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird. + + + +Fünfter Auftritt + +Die Vorigen. Siegmund. + + +Siegmund. Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehört, endlich ihr Ja +von sich gegeben? Ist es gewiß? Das ist mir sehr angenehm. + +Lottchen (zu Simon). Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn +Mündels erklärt und wird die Ehre haben, Sie um einen Bräutigam zu +bitten, der unter Ihren Händen so liebenswürdig geworden ist. Aber, +mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente. Geht es +Ihnen nicht ein wenig nahe, daß die Frau Muhme uns beide vergessen hat? + +Siegmund. Nein, nicht einen Augenblick. Sie sind mir mehr als ein +reiches Testament. + +Lottchen. Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten +sollte, wollen wir's annehmen? + +Siegmund. Da sie nicht mehr über ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie +auch nicht über ihr Vermögen zu befehlen. + +Simon. O mein Herr, Sie können versichert sein, daß ihr mein Mündel +die völlige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein. +Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Überflusse, sondern in dem +Gebrauche desselben. Er würde Julchen gewählt haben, wenn sie auch +keine Erbschaft getan hätte. Und vielleicht wäre es ihm gar lieber, +wenn er ihr Glück durch sich allein hätte machen können. Wir wollen +wünschen, daß alle Liebhaber so edel gesinnt sein mögen als er. + +Lottchen. Hören Sie, Herr Siegmund, was wir für einen großmütigen +Bruder bekommen haben? + +Siegmund. Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die größte Ehre. + +Simon. Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn. Er ist von seinem +zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde +alle meine Sorgfalt für ihn so reichlich belohnet und mir so vieles +Vergnügen gemacht, daß ich nicht weiß, wer dem andern mehr Dank +schuldig ist. + +Lottchen. Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem +Bräutigam meiner Schwester gönne. Und wenn mein Papa sterben sollte: +so würde ich Ihr Mündel sein, um ebendieses Lob zu verdienen. O was +ist der Umgang mit großen Herzen für eine Wollust! Aber, Herr Simon, +darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe +gebeut und rechtfertiget? Ja, Sie sind es würdig, die Regungen meiner +Seele ohne Decke zu sehen. (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn. +) Endlich, mein Freund, bin ich so glücklich, Ihren Umgang und Ihre +Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen. Sie +haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt. Die Vorsicht hat mich +heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht rühmlicher +anzuwenden weiß, als wenn ich sie in Ihre Hände bringe. Ich weiß, Sie +werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen. Hier ist eine +Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erkläret bin, anstatt +daß es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war. Kurz, die +Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehört Julchen. + Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen. + +Siegmund. Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgültig. + +Lottchen. Eben deswegen verdienen Sie's. Fehlt zu Ihrem Glücke +nichts als meine Liebe: so können Sie nie glücklicher werden. + +Siegmund. Ach, meine Schöne, wie erschrecke ich! Sie machen, daß man +die Liebe und das Glück erst hochschätzt. O warum kann nicht die +ganze Welt Ihrer Großmut zusehen! Sie würden auch den +niederträchtigsten Seelen liebenswürdig vorkommen und ihnen bei aller +Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, daß sie Ihnen gleichen +möchten. Ich danke es der Schickung ewig, daß sie mir Ihren Besitz +zugedacht hat. Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater, +um ihn nunmehr... + + + +Sechster Auftritt + +Die Vorigen. Ein Bedienter. + + +Der Bediente (zu Lottchen). Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell. Er +kömmt von der Post. + +Lottchen. Ein Brief von der Post? + +Siegmund. Ja, ich habe den Briefträger selbst auf dem Saale stehen +sehen, ehe ich hereingekommen bin. + +Lottchen. Wollen Sie erlauben, meine Herren, daß ich den Brief in +Ihrer Gegenwart erbrechen darf? + +Simon. Ich will indessen meinem lieben Mündel meinen Glückwunsch +abstatten. + + + +Siebenter Auftritt + +Lottchen. Siegmund. + + +Lottchen (indem sie den Brief für sich gelesen hat). O mein Freund, +man will mir mein Glück sauermachen. Man beneidet mich, sonst würde +man Sie nicht verkleinern. Es ist ein boshafter Streich; er ist mir +aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und +meiner Liebe geben kann. Ich will Ihnen den Brief lesen. Er besteht, +wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen. (Sie liest.) »Mamsell, trauen Sie +Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht. Er ist ein Betrüger. N. +N.« + +Siegmund. Was? Ich ein Betrüger? + +Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand). Ich weiß, daß Sie groß genug +sind, dieses hassenswürdige Wort mit Gelassenheit anzuhören. Es ist +ein Lobspruch für Sie. Ich verlange einen solchen Betrüger, als Sie +sind, mein Freund. + +Siegmund. Aber wer muß mir diesen boshaften Streich an dem heutigen +Tage spielen? Wie? Sollte es auch Herr Simon selbst sein? Liebt er +Sie vielleicht? Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft? Warum ging er, da +der Brief kam? Soll ich ihm dieses Laster vergeben? Wenn er mir +meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen hätte: so würde ich ihm für +diese Demütigung danken; aber daß er mir die Ehre eines guten Herzens +rauben will, das ist ärger, als wenn er mir Gift hätte geben wollen. +Ich?... Ich, ein Betrüger? Himmel, bringe es an den Tag, wer ein +Betrüger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat! Ist das +der edelgesinnte Vormund? + +Lottchen. Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie +sich. Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte. Es ist +nicht möglich, daß er eine solche Niederträchtigkeit begehen sollte. +Sein Charakter ist edel. Wer weiß, was Sie sonst für einen Feind +haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht +bekommen hat. + +Siegmund. Sie entschuldigen den Vormund noch? Hörten Sie nicht den +boshaften Ausdruck: Wir wollen wünschen, daß alle Liebhaber so edel +gesinnt sein mögen als mein Mündel? Ist dieses nicht eine +unverschämte Anklage wider mich? + +Lottchen. Ich sage Ihnen, daß Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch +einen Augenblick in Verdacht haben. So, wie ich ihn kenne und wie mir +ihn sein Mündel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein +Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann. + +Siegmund. Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben? Ich habe +gemerkt, daß er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das +geringste Wort Achtung gegeben hat. Es kömmt noch ein merkwürdiger +Umstand dazu. Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon +triumphieret, daß er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe +erhalten hätte. Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt; +aber mir nicht. + +Lottchen. Ich beschwöre Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie +diesen Mann aus dem Verdachte. + +Siegmund. Warum hat er mir nicht gesagt, daß man ihm vom Hofe einen +vornehmen Charakter und eine ungewöhnliche Pension gegeben hat? Was +sucht er darunter, wenn er nicht mein Unglück bei Ihnen sucht? + +Lottchen. Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zärtlichen Liebe zu mir. +Außerdem würde ich Sie nicht länger anhören. Wir wollen die Sache zu +unserm Vorteile enden. Ihre Feinde mögen sagen, was sie wollen. Sie +sind bestraft genug, daß sie Ihren Wert nicht kennen. Und wir können +uns nicht besser rächen, als daß wir uns nicht die geringste Mühe +geben, sie zu entdecken. Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen. Ich +komme in der Gesellschaft meines Vaters und der übrigen gleich wieder +zu Ihnen, unser Bündnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen. + + +Achter Auftritt + +Siegmund allein. + + +Das war ein verfluchter Streich! Aber er macht mich nur mutiger. +Julchen ist verloren... Gut, ist doch Lottchen, ist doch das +Rittergut mein... Ich bin nicht untreu gewesen. Nein! Ich habe es +nur sein wollen; aber ich war zu edel, als daß mich's die Umstände +hätten werden lassen. Aber wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine +Untreue erfahren? Ich will sie sicher machen. + + + +Neunter Auftritt + +Julchen. Damis. + + +Julchen. »Wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine Untreue erfahren? +Ich will sie sicher machen.« Der Boshafte! Hörten Sie sein +Bekenntnis? Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe +aufführen würde. O hätten wir diese unglückselige Entdeckung doch +niemals gemacht! Du arme Schwester! Du verbindest dich mit einem +Menschen, der ein böses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat. + +Damis. Ja, es ist ein nichtswürdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt +habe. Er hat den größten Betrug begangen. Ich bitte ihn heute +Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, daß er mir Ihre Liebe +sollte gewinnen helfen. Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater, +unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden, +als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten. Ist das mein Freund, dem +ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermögen angeboten habe? + +Julchen. Mich hat er bereden wollen, daß Sie meiner Schwester +gewogener wären als mir. Nunmehro weiß ich gewiß, daß es keine +Verstellung gewesen. Aber meine arme Schwester wird es doch denken, +weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat. Wer soll +ihr ihren Irrtum entdecken? Wird sie uns hören? Und wenn sie es +glaubt, überführen wir sie nicht von dem größten Unglücke! Wie dauret +sie mich! + +Damis. Ja. Aber sie muß es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so +rede ich. + +Julchen. Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester! +Schweigen Sie. Vielleicht... Vielleicht ist er nicht von Natur +boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft... + +Damis. Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist +er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein +Mensch, der den andern aus Hunger auf der Straße umbringt. Hat ihn +die ausnehmende Zärtlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die +edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft +erhalten können: so muß es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes +willen seinen nächsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der +geringsten Wollust wegen abzuschwören. + +Julchen. Aber ach, meine Schwester... Tun Sie es nicht. Ich zittre.. +. + +Damis. Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt. Aber +ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so unglücklich werden lasse, sich mit +einem Nichtswürdigen zu verbinden: so will ich mein Vermögen, meine +Ehre und Sie selbst verlieren. Ich gehe und sage ihr alles, und wenn +sie auch ohne Trost sein sollte. Mein Herr Vormund hat das Billett an +Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen. +ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide für zu +einfältig gehalten, haben seine tückischen Absichten zuerst gemerkt, +und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut. Dieser haßt und +sieht die kleinsten Betrügereien. + +Julchen. Ist er denn gar nicht zu entschuldigen? + +Damis. Nein, sage ich Ihnen. Wir haben alles untersucht. Er ist ein +Betrüger. (Mit Bitterkeit.) Ich habe in meinem Leben noch kein Tier +gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen +durch seine Verstellung unglücklich machen sollte, wollte ich mit +Freuden umbringen. Was? Wir Männer wollen durch den häßlichsten +Betrug das Frauenzimmer im Triumph aufführen, das wir durch unsere +Tugend ehren sollten? + +Julchen. Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen? + +Damis. Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen. Sie soll ihn fühlen +lassen, was es heißt, ein edles Herz hintergehn. + +Julchen. Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte. Wäre das +nicht auch großmütig? + +Damis. Sie braucht ihn nicht zu verfolgen. Sie kann alle Regungen +der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen. Er ist ein +Unmensch. + + + +Zehnter Auftritt + +Die Vorigen. Simon. + + +Simon. Ich stehe die größte Qual aus. Unsere Absicht mit dem Briefe +schlägt leider fehl. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn +für unschuldig hält. Sie dringt in ihren Vater, daß er die Verlobung +beschleunigen soll. Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergißt +vielleicht in der großen Liebe die Vorsichtigkeit und meine +Erinnerungen. Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme +preiszugeben: so will ich's tun. + +Damis. Ich tue es auch. + +Julchen. Wenn nur meine Schwester käme. Ich wollte... Aber sie +liebt ihn unaussprechlich. Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich +auf einmal von ihm trennen soll? + +Simon. Es wird viel empfinden. Sie liebt ihn so sehr, als man nur +lieben kann. Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der +Liebe wert hält. Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die +Vernunft, das Gefühl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider +ihre Liebe empören und sie verdringen. Der Haß wird sich an die +Stelle der Liebe setzen. Wir müssen alle drei noch einmal mit ihr und +dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betrügt. + +Julchen. Du redliche Schwester! Könnte ich doch dein Unglück durch +Wehmut mit dir teilen! Wie traurig wird das Ende dieses Tages für +mich! + +Simon. Betrüben Sie sich nicht über den Verlust eines solchen Mannes. + Lottchen ist glücklich, wenn sie ihn verliert, und unglücklich, wenn +sie ihn behält. Herr Damis, haben Sie die Güte und sehen Sie, wie Sie +Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und +hieherbringen können. + +Damis. Ja, das ist das letzte Mittel. + +Simon (zu Damis). Noch ein Wort. Haben Sie die Abschrift des +Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe? + +Damis. Nein, Herr Vormund. + +Simon. Sie auch nicht, Mamsell Julchen? + +Julchen. Nein. + +Simon. Also wissen Sie beide noch nicht, daß die erste Nachricht +falsch gewesen ist. Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht. Sie sind +nicht die Erbin des Ritterguts. + +Julchen. Wie? Ich bin's nicht? Warum haben Sie mir denn eine +falsche Freude gemacht? Das ist betrübt. Geht denn heute alles +unglücklich? Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts? Bin ich nicht mehr +Ihre Braut? Geht denn das Unglück gleich mit der Liebe an? Ich +wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen. +Ich ließ schon die besten Zimmer für sie zurechtemachen. Ach, mein +Herr, was für Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, daß +ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und +Wiesen führte... ! Also habe ich nichts? + +Damis. Sie haben so viel, als ich habe. Vergessen Sie die traurige +Erbschaft. Es wird uns an nichts gebrechen. Mir ist es recht lieb, +daß Sie das Rittergut nicht bekommen haben. Vielleicht hätte die Welt +geglaubt, daß ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren +eigenen Wert gesehen hätte. Und dies soll sie nicht glauben. Sie +soll meine Braut aus ebender Ursache hochschätzen, aus der ich sie +verehre und wähle. Führen Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen +Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnügen machen. Genug, daß +Sie ein Rittergut verdienen. O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende +gerissen hätte. Ich werde eher nicht ruhig. + +Simon. Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts. + +Julchen. Meine Schwester ist es? Meine Schwester? Bald hätte ich +sie beneidet; aber verwünscht sei diese Regung! Nein! Ich gönne ihr +alles. (Zu Damis.) Was könnte ich mir noch wünschen, wenn Sie mit +mir zufrieden sind. Sie soll es haben. Ich gönne ihr alles. + +Damis. Auch mich, meine Braut? + +Julchen. Ob ich Sie meiner Schwester gönne? Nein, so redlich bin ich +doch nicht. Es ist keine Tugend; aber... Fragen Sie mich nicht mehr. + +Damis. Nein. Ich will Mamsell Lottchen suchen. Die Zärtlichkeit +soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen. + + + +Eilfter Auftritt + +Julchen. Simon. + + +Julchen. Ob ich ihn meiner Schwester gönne? Wie könnte sie das von +mir verlangen? Sie hat ja das Rittergut. Ich liebe sie sehr; aber +wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befördern soll: +so fordert sie zu viel. Das ist mir nicht möglich. + +Simon. Machen Sie sich keine Sorge. Sie wird es gewiß nicht begehren. + Ich muß Ihnen auch sagen, daß sie Ihnen nach dem Testamente +zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll. + +Julchen. Das ist alles gut. Wenn ich nur meiner Schwester ihren +Liebhaber durch dieses Geld treu machen könnte, wie gern wollte ich's +ihm geben! Der böse Mensch! Kann er nicht machen, daß ich den Herrn +Damis verliere, indem er Lottchen verliert? Aber warum läßt der +Himmel solche Bosheiten zu? Was kann denn ich für seine Untreue? Ich +bin ja unschuldig. + +Simon. Mein Mündel kann niemals aufhören, Sie zu lieben. Verlassen +Sie sich auf mein Wort. Jungfer Lottchen ist zu beklagen. Aber +besser ohne Liebe leben, als unglücklich lieben. Wenn sie doch käme! + +Julchen. Aber wenn sie nun kömmt? Ich kann ja ihre Ruhe nicht +herstellen. Ich habe sie herzlich lieb. Aber warum soll denn meine +Liebe mit der ihrigen leiden? Nein, so großmütig kann ich nicht sein, +daß ich ihr zuliebe mich und... mich und ihn vergäße. Wenn sie doch +glücklich wäre! Ich werde recht unruhig. Er sagte, er wollte die +Zärtlichkeit der Freundschaft nachsetzen. Was heißt dieses? + +Simon. Bleiben Sie ruhig. Mein Mündel ist der Ihrige. Sie verdienen +ihn. Und wenn Sie künftig an seiner Seite die Glückseligkeiten der +Liebe genießen: so verdanken Sie es der Tugend, daß sie uns durch +Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht. + + + +Zwölfter Auftritt + +Die Vorigen. Der Magister. + + +Der Magister. Herr Simon, ich möchte Ihnen gern ein paar Worte +vertrauen. Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige +Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtümer für Gewalt über +das menschliche Herz haben. + +Simon. Ich fürchte, daß mir diese unglückliche Entdeckung schon mehr +als zu bekannt ist. + +Der Magister. Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube +nachgedacht. + +Julchen. Können Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist? Tun Sie +es doch, lieber Herr Magister. + +Der Magister. Siegmund muß bestraft werden, damit er gebessert werde. + +Simon. Er verdient nicht, daß man ihn anders bestrafe als durch +Verachtung. + +Der Magister. Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden? + +Simon. Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern? + +Der Magister. Das will ich itzt nicht ausmachen. Aber sagen Sie mir, +Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, daß +nur ein Laster ist; oder daß, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer +Kraft nach zugegen sind? Sehn Sie nur Siegmunden an. Ist er nicht +recht das Exempel zu diesem Paradoxo? + +Simon. Ja, Herr Magister. Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von +der Liebe zu Siegmunden abbringen? Sie glaubt es ja nicht, daß er +untreu ist. + +Der Magister. Das wird sich schon geben. O wie erstaunt man nicht +über die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat +und welche alle mit einem haben! Siegmund wird bei der Gelegenheit +des Testaments geizig. Ein Laster. Er strebt nach Julchen, damit er +ihre Reichtümer bekomme. Welcher schändliche Eigennutz! Er wird +Lottchen untreu und will Julchen untreu machen. Wieder zwei neue +Verbrechen. Er kann sein erstes Laster nicht ausführen, wenn er nicht +ein Betrüger und Verräter wird. Also hintergeht er seinen Freund, +seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die +Tugend hintergangen hat. Aber alle diese Bosheiten auszuführen, mußte +er ein Lügner und ein Verleumder werden. Und er ward es. Welche +unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern? Sollten +also die Stoiker nicht recht haben? + +Simon. Wer zweifelt daran? Herr Magister. Ich glaube es, daß Sie +die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen. Sie reden +sehr wahr, sehr gelehrt. Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt, +und wir danken Ihnen zeitlebens dafür. Aber entdecken Sie nun auch +das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, daß sie sich nicht mit dem +untreuen Siegmund verbindet. + +Der Magister. Darauf will ich denken. Lottchen ist zu leichtgläubig +gewesen. Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man +Ursache hat, ein Mißtrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man +es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat. +Wir haben so viele Vernunftlehren. Eine Willenslehre ist ebenso nötig. + Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der +Verstand? So wie der Verstand Grundsätze hat, die sein Wesen +ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe. Kennt man diese, so +kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu +verbessern. Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen +nicht hundertmal gesagt, daß Siegmund nichts Gründliches in der +Philosophie weiß? Dies sind die traurigen Früchte davon. + +Julchen. Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betrübten +Sache empfänden als ich, Sie würden diese Frage itzt nicht an mich tun. + Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt. Und ich wollte wünschen, +daß Sie an die Fabel von dem Knaben gedächten, der in das Wasser +gefallen war. Anstatt daß Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so +zeigen Sie uns den Ursprung und die Größe derselben. Nehmen Sie meine +Freiheit nicht übel. + +Der Magister. Ich kann Ihnen nichts übelnehmen. Zu einer Beleidigung +gehört die gehörige Einsicht in die Natur der Beleidigung. Und da +Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber +sie sind es nicht. + +Simon. Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun? + +Der Magister. Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen +und meinem Bruder kurz und gut sagen, daß ich meine Einwilligung nicht +darein gebe. Alldann muß die Sache ein ander Aussehn gewinnen. + +Simon. Gut, das tun Sie. + + +Dreizehnter Aufzug +Julchen. Simon. + +Julchen. Ich will dem Herrn Magister nachgehen. Er möchte sonst gar +zu große Händel anrichten. Entdecken Sie Lottchen, wenn sie kömmt, +die traurige Sache zuerst. Ich will sorgen, daß Sie Siegmund in Ihrer +Unterredung nicht stört und Ihnen, wenn ich glaube, daß es Zeit ist, +mit meinem Bräutigame zu Hülfe kommen. + +Simon. Ich will als ein redlicher Mann handeln. Und wenn ich mir +auch den größten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die +niederträchtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so +will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen. + + +Vierzehnter Auftritt + +Simon. Lottchen. + + +Lottchen. Was ist zu Ihrem Befehle? Haben Sie etwa wegen der +zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu +erinnern? Tun Sie nur einen Vorschlag. Ich bin zu allem bereit. + +Simon. Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden. Glauben Sie +wohl, daß mir Ihr Glück lieb ist und daß ich ein ehrlicher Mann bin? +So unhöflich diese beiden Fragen sind: so muß ich sie doch an Sie tun, +weil ich sonst in der Gefahr stehe, daß Sie meinen Antrag nicht +anhören werden. + +Lottchen. Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen? Reden Sie frei. +Ich sage es Ihnen, daß ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich +meinem Vater schuldig bin. Ich will Ihnen den größten Dank sagen, +wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die +Tat zu beweisen. Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit +überzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Bräutigams. Kann es Ihnen +nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden? + +Simon. Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers. + +Lottchen. Will Ihr Herr Mündel etwa das Rittergut gern haben, weil es +so nahe an der Stadt liegt? Nun errate ich's, warum er itzt gegen den +guten Siegmund etwas verdrießlich tat. Warum hat er mir's nicht +gleich gesagt? Er soll es haben und nicht mehr dafür geben, als Sie +selbst für gut befinden werden. Kommen Sie zur Gesellschaft. Ich +habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten, +entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern +Aufschub das Recht über mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu +zeigen, daß ich auf keine gemeine Art liebe. + +Simon. Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die +Post bringen helfen. + +Lottchen. Ehe wollte ich glauben, daß ihn mein Vater, der mich so +sehr liebt, geschrieben hätte. Sie scherzen. + +Simon. Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die +Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft. Erschrecken Sie nur, +und hassen Sie mich. Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es +nicht aufrichtig mit Ihnen. + +Lottchen. Sie wollen gewiß das Vergnügen haben, meine Treue zu +versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, daß ich nicht +erschrecken kann. + +Simon. Sie glauben, ich scherze? Ich will also deutlicher reden. +Ihr Liebhaber ist ein Betrüger. + +Lottchen (erbittert). Mein Herr, Sie treiben die Sache weit. Wissen +Sie auch, daß ich für die Treue meines Liebhabers stehe und daß Sie +mich in ihm beleidigen? Und wenn er auch der Untreue fähig wäre: so +würde ich doch den, der mich davon überzeugte, ebensosehr hassen als +den, der sie begangen. Aber ich komme gar in Zorn. Nein, mein Herr, +ich kenne ja Ihre Großmut. Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiß, als ich +lebe. + +Simon. So gewiß, als ich lebe, ist es mein Ernst. Er ist unwürdig, +noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden. + +Lottchen. Und ich werde ihn ewig lieben. + +Simon. Sie kennen ihn nicht. + +Lottchen. Besser als Sie, mein Herr. + +Simon. Ihre natürliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen +macht, daß Sie ihn für aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht. + +Lottchen. Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand. Ich +habe Sie und meinen Liebhaber für aufrichtig gehalten. Ich will mich +betrogen haben. Aber wen soll ich zuerst hassen? Ist Ihnen etwas an +meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie. Sie verändern mein +ganzes Herz. Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen; +aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennützig zu +handeln. Wäre es Ihrem Charakter nicht gemäßer, mich tugendhaft zu +erhalten, als daß Sie mich niederträchtig machen wollen? Warum reden +Sie denn nur heute so? + +Simon. Weil ich's erst heute gewiß erfahren habe. Wenn Sie mir nicht +glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem +Mündel. + +Lottchen. Das ist schrecklich. Haben Sie diese auch auf Ihre Seite +gezogen? + +Simon. Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater. Und +ehe ich zugebe, daß ein Niederträchtiger Ihr Mann wird, ehe will ich +mich der größten Gefahr aussetzen. Sie sind viel zu edel, viel zu +liebenswürdig für ihn. + +Lottchen. Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten? Muß er +nur darum ein Betrüger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswürdig +bin? Und Sie glauben, daß sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen +läßt? Nunmehr muß ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen. + Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn können. + +Simon. Machen Sie mir noch so viele Vorwürfe. Die größten +Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstoßen, sind nichts als Beweise +Ihres aufrichtigen Herzens. Die Meinung, in der Sie stehen, +rechtfertiget sie alle. Und ich würde Sie vielleicht hassen, wenn Sie +mein Anbringen gelassener angehört hätten. Genug... + +Lottchen. Das ist ein neuer Kunstgriff. Mein Herr, Ihre List, wenn +es eine ist, und sie ist es, sei verwünscht! Wie? Er, den ich wie +mich liebe?... Sie wollen sich an seine Stelle setzen? Ist es +möglich? + +Simon. Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich +verschmerzen. Es ist wahr, daß ich Sie ungemein hochachte; aber ich +habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner +Niederträchtigkeit zu benehmen. Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus +nicht mehr zu betreten, solange ich lebe. Und wenn ich durch diese +Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf +das entsetzlichste. Nach diesem Schwure schäme ich mich, mehr zu +reden. (Er geht ab.) + + + +Funfzehnter Auftritt + +Lottchen allein. + + +Gott, was ist das?... Er soll mir untreu sein?... Nimmermehr! Nein! + Der Vormund sei ein Betrüger und nicht er. ... Du, redliches Herz! +Du, mein Freund, um dich will man mich bringen? Warum beweist er +deine Untreue nicht? + + + +Sechzehnter Auftritt + +Lottchen. Damis. + + +Lottchen. Kommen Sie mir zu Hülfe. Und wenn sie mein Unglück auch +alle wollen: so sind doch Sie zu großmütig dazu. Was geht mit meinem +Bräutigam vor? Sagen Sie mir's aufrichtig. + +Damis. Er ist Ihnen untreu. + +Lottchen. Auch Sie sind mein Feind geworden? Hat Sie mein Liebhaber +beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so großmütig und sagen mir +nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen. + +Damis. Mein Herz ist viel zu groß zur Rache. + +Lottchen. Aber klein genug zur Undankbarkeit? Hat Ihnen mein +Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen? + +Damis. Wollte der Himmel, er hätte mir ihn nicht erwiesen: so würden +Sie glücklicher, und er würde nur ein verborgner Verräter sein. + +Lottchen. Betrüger! Verräter! Sind das die Namen meines Freundes, +den ich zwei Jahr kenne und liebe? + +Damis. Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so würde ich mit +mehr Mäßigung vor Ihnen reden. Aber mein Eifer gibt mir für Ihren +Liebhaber keinen andern Namen ein. Sie, meine Schwester, sind Ihres +Herzens wegen würdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der +Mensch, der bei Ihrer Zärtlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen +der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen, +eine abscheuliche Seele. + +Lottchen. Eine abscheuliche Seele? Wohlan; nun fordere ich Beweise. +(Heftiger.) Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester, +noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn können. Und +ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Geständnis. Ich bin so sehr +von seiner Tugend überzeugt, daß ich weiß, daß er auch den Gedanken +der Untreue nicht in sich würde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn +selbst zu entdecken. Und ich würde ihn wegen seiner gewissenhaften +Zärtlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben +könnte. + +Damis. Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich +Ihnen das Herz meiner Braut wieder zurück. Ihnen bin ich's schuldig; +aber ich mag nicht die größte Wohltat von Ihnen genießen und zugleich +Ihr Unglück sehn. + +Lottchen. Sie müssen mich für sehr wankelmütig halten, wenn Sie +glauben, daß ich durch bloße Beschuldigungen mich in der Liebe irren +lasse. Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines +Bräutigams zu kennen? Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm +seine Untreue abwesend vor? Rufen Sie ihn hieher. Alsdann sagen Sie +mir seine Verbrechen. Er ist edler gesinnet als wir alle. Und ich +will ihn nun lieben. + +Damis. Sie haben recht. Ich will ihn selbst suchen. + + + +Siebenzehnter Auftritt + +Lottchen. Julchen. + + +Lottchen. Er geht? Er untersteht sich, ihn zu rufen? Nun fängt mein +Herz an zu zittern. (Sie sieht Julchen. Kläglich.) Meine Schwester, +bist du auch da? Hast du mich noch lieb? (Lottchen umarmt sie.) +Willst du mir die traurigste Nachricht bringen? O nein! Warum +schweigst du? Warum kömmt er nicht selbst? + +Julchen. Ich bitte dich, höre auf, einen Menschen zu lieben, der... + +Lottchen. Er soll schuldig sein; aber muß er gleich meiner Liebe +unwürdig sein? Nein, meine liebe Schwester. Ach nein, er ist gewiß +zu entschuldigen. Willst du ihn nicht verteidigen? Vergißt du schon, +was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat? Warum sollte er mir +untreu sein, da ich Vermögen habe? Warum ward er's nicht, da ich noch +keines hatte? + +Julchen. Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, daß ich +die Erbin des Testaments wäre. Ach, liebe Schwester, wie glücklich +wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen sähe! + +Lottchen. So ist es gewiß? (Hart.) Nein! sage ich. + +Julchen. Ich habe lange mit mir gestritten. Ich habe ihn in meinem +Herzen, vor meinem Bräutigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater +entschuldiget. Ich würde sie aus Liebe zu dir noch alle für betrogne +Zeugen halten. Aber es ist nicht mehr möglich. Er selbst hat sich +hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen +Briefe verlassen hattest. Er war allein. Die Unruhe und sein +Verbrechen redten aus ihm. Er hörte mich nicht kommen. O hätt' er +doch ewig geschwiegen!... Ach, meine Schwester! + +Lottchen. Meine Schwester, was sagst du mir? Er hat sich selbst +angeklagt? Er ist untreu? Aber wie könnte ich ihn noch lieben, wenn +er's wäre? Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiß. Ich habe +ihm ja die größten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben... +(Zornig.) Aber was quält ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte? +Was hat er denn getan? Nichts hat er getan. + +Julchen. Er hat mich auf eine betrügerische Art der Liebe zu meinem +Bräutigam entreißen und sich an seine Stelle setzen wollen. Er hat +meinen Vater überreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als +wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest. Er hat ihm geraten, die +Verlobung noch acht Tage aufzuschieben. Er hat sogar um mich bei ihm +angehalten. + +Lottchen. Wie? Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein +Herz gebeten? Ihr haßt ihn und mich. + +Julchen. Ja, da er gesehen, daß das Testament zu deinem Vorteile +eingerichtet ist. + +Lottchen. Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht +nach meiner Liebe? Ich Betrogene! Doch es ist unbillig, ihn zu +verdammen. Ich muß ihn selbst hören. Auch die edelsten Herzen sind +nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen. (Kläglich.) +Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung? Mach ihn doch +unschuldig. Ich will ihn nicht besitzen. Ich will ihn zu meiner Qual +meiden. Ich will ihm die ganze Erbschaft überlassen, wenn ich nur die +Zufriedenheit habe, daß er ein redliches Herz hat. O Liebe! ist das +der Lohn für die Treue? + + + +Achtzehnter Auftritt + +Die Vorigen. Siegmund. + + +Siegmund. Soll ich nunmehr so glücklich sein, Ihr Ja zu erhalten? +Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben. Sie lieben mich +doch, großmütige Schöne? + +Lottchen. Und Sie lieben mich doch auch? + +Siegmund. Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen +gewiß, daß mein größter und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfüllt +worden ist. + +Lottchen. Aber... meine Schwester... Warum erschrecken Sie? + +Siegmund. Ich erschrecke, daß Sie sich nicht besinnen, daß Sie mir +diese List selbst zugemutet haben. Sollte ich nicht durch eine +verstellte Liebe Julchens Herz versuchen? Reden Sie, Mamsell Julchen, +entschuldigen Sie mich. + +Julchen. Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht. Bedenken Sie, +was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube +zu sich selbst gesagt haben, ohne daß Sie mich sahn. Alles, was ich +tun kann, ist, daß ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue +zu vergeben. + +Siegmund. Ich soll untreu sein?... Ich (Er gerät in Unordnung.) Ich +soll der aufrichtigsten Seele untreu sein? Wer? Ich? Gegen Ihren +Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben? Was sind das für +schreckliche Geheimnisse?... Sie sehn mich ängstlich an, meine +Schöne? Wie? Sie lieben mich nicht? Sie lassen sich durch meine +Widerlegungen nicht bewegen?... Sie hören meine Gründe nicht an?... +Bin ich nicht unschuldig?... Wer sind meine Feinde?... Ich berufe +mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel. ... Doch auch +mich zu entschuldigen könnte ein Zeichen des Verdachtes sein. ... +Nein, meine Schöne, Sie müssen mir ohne Schwüre glauben. Ich will Sie, + ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu +gewesen bin. Wollen Sie mir noch nicht glauben? + +Julchen. Herr Siegmund, Sie schwören? + +Lottchen (mit Tränen). Er ist wohl unschuldig. + +Siegmund. Ja, das bin ich. Ich liebe Sie. Ich bete Sie an und suche +meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit. Wollen Sie jene vergrößern: +so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren, +den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen. Soll ich das +Glück noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen? + +Lottchen (sie sieht ihn kläglich an). Mich?... als die Ihrige?... +Ja! + +Julchen. Meine Schwester! + +Lottchen. Schweig. Herr Siegmund, ich möchte nur noch ein Wort mit +meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschämen. + +Siegmund. Ich will ihn gleich suchen. Soll ich die übrige +Gesellschaft auch mitbringen? Wir müssen doch die gebräuchlichen +Zeremonien mit beobachten. + +Lottchen. Ja. Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen. +Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen. + + + +Neunzehnter Auftritt + +Julchen. Lottchen. Cleon. + + +Cleon. Nun, meine Kinder, wenn euch nichts weiter aufhält: so sähe +ich's gern, wenn ihr die Ringe wechseltet, damit wir uns alsdann Paar +und Paar zu Tische setzen können. Ei, Lottchen, wer hätte heute früh +gedacht, daß du auf den Abend mit einem Rittergute zu Bette gehen +würdest! Der Himmel hat es wohl gemacht. Julchen kriegt einen +reichen und wackern Mann, weil sie wenig hat. Und du, weil du viel +hast, machst einen armen Mann glücklich. Das ist schön. Dein +Siegmund wird schon erkenntlich für deine Treue sein. Er kann einem +durch seine Worte recht das Herz aus dem Leibe reden. Der ehrliche +Mann! Wievielmal hat er mir nicht die Hand geküßt! Wie kindlich hat +er mich nicht um meine Einwilligung gebeten! + +Lottchen. Das ist vortrefflich. Nun lebe ich wieder. Lieber Papa, +hat Herr Siegmund denn heute bei Ihnen um meine Schwester angehalten? +Das kann ich nicht glauben. + +Cleon. So halb und halb hat er's wohl getan. Er mochte etwan denken, +daß Herr Damis ein Auge auf dich geworfen hätte und daß dir's lieber +sein würde, einen Mann mit vielem Gelde zu nehmen. Ich war anfangs +etwas unwillig auf ihn; aber er hat mich schon wieder gutgemacht. Man +kann sich ja wohl übereilen, wenn man nur wieder zu sich selber kömmt. + Da kommen sie alle. + + + +Zwanzigster Auftritt + +Die Vorigen, Siegmund. Simon. Damis. Der Magister. + + +Cleon. Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewünscht +habe. Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitläuftigen Rede +aufhalten. Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits +bekannt. Kurz, meine lieben Töchter, ich erteile euch meinen +väterlichen Segen und meine Einwilligung. (Er sieht Lottchen weinen.) + Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmütig. + +Lottchen. Meine Tränen sind Tränen der Liebe. Ich habe also Ihre +Einwilligung zu meiner Wahl? Ich danke Ihnen recht kindlich dafür. + +Simon (zu Lottchen). Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen... Wie? + +Damis. Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie... + +Lottchen. Was bitten Sie? Wollen Sie Julchen von meinen Händen +empfangen? (Sie führt sie zu ihm.) Hier ist sie. Ich stifte die +glücklichste Liebe. Und Sie, Herr Siegmund... + +Siegmund. Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommensten Erkenntlichkeit +an und biete Ihnen diese Hand... + +Lottchen. Unwürdiger! Mein Vermögen kann ich Ihnen schenken; aber +nicht mein Herz. Bitten Sie meinem Vater und der übrigen Gesellschaft, + die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niederträchtigkeit ab. + Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekümmern, ob Sie +diese Vergebung verdienen. (Zum Vormunde.) Und Ihnen, mein Herr, +küsse ich die Hand für Ihre Aufrichtigkeit. Wenn ich jemals mich +wieder zur Liebe entschließe: so haben Sie das erste Recht auf mein +Herz. (Zu Siegmunden.) Sie aber werden so billig sein und, ohne sich +zu verantworten, uns verlassen. + +Siegmund. Recht gern. (Indem er geht.) Verflucht ist die Liebe! + +Damis. Nicht die Liebe, nur die Untreue. Dies ist ihr Lohn. + +Lottchen (sie ruft ihm noch nach). Sie werden morgen durch meine +Veranstaltung so viel Geld erhalten, daß Sie künftig weniger Ursache +haben, ein redliches Herz zu hintergehn. + +Cleon. Lottchen, was machst du? Ich bin alles zufrieden. Du hast ja +mehr Einsicht als ich. + +Julchen. O liebe Schwester, wie groß ist dein Herz! Gott weiß es, +daß ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe. O wenn ich dich doch +so glücklich sähe als mich! + +Der Magister. Ich bin ruhig, daß ich das Laster durch mich entdeckt +und durch sich selbst bestraft sehe. So geht es. Wenn man nicht +strenge gegen sich selbst ist: so rächen sich unsere Ausschweifungen +für die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben. + +Simon (zu Lottchen). Ich, meine Freundin, würde das Recht, das Sie +mir künftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn +ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben hätte, an dieses Glück niemals +zu denken. Ich bin belohnt genug, daß Sie mich Ihrer nicht für +unwürdig halten und daß der Untreue bestraft ist. + +Lottchen. O Himmel! laß es dem Betrüger nicht übelgehen. Wie +redlich habe ich ihn geliebt, und wie unglücklich bin ich durch die +Liebe geworden! Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat +mich unglücklich gemacht. Bedauern Sie mich. + +(Ende des dritten und letzten Aufzugs.) + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die zärtlichen Schwestern, von +Christian Fürchtegott Gellert. + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern +by Christian Fuerchtegott Gellert + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN *** + +This file should be named 8zsch10.txt or 8zsch10.zip +Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8zsch11.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8zsch10a.txt + +Produced by Delphine Lettau + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. 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