summaryrefslogtreecommitdiff
diff options
context:
space:
mode:
-rw-r--r--.gitattributes3
-rw-r--r--9327-8.txt3767
-rw-r--r--9327-8.zipbin0 -> 58685 bytes
-rw-r--r--LICENSE.txt11
-rw-r--r--README.md2
-rw-r--r--old/7zsch10.txt3741
-rw-r--r--old/7zsch10.zipbin0 -> 59826 bytes
-rw-r--r--old/8zsch10.txt3741
-rw-r--r--old/8zsch10.zipbin0 -> 59847 bytes
9 files changed, 11265 insertions, 0 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes
new file mode 100644
index 0000000..6833f05
--- /dev/null
+++ b/.gitattributes
@@ -0,0 +1,3 @@
+* text=auto
+*.txt text
+*.md text
diff --git a/9327-8.txt b/9327-8.txt
new file mode 100644
index 0000000..de9ea3f
--- /dev/null
+++ b/9327-8.txt
@@ -0,0 +1,3767 @@
+The Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern, by
+Christian Fuerchtegott Gellert
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Die zaertlichen Schwestern
+
+Author: Christian Fuerchtegott Gellert
+
+Posting Date: September 21, 2012 [EBook #9327]
+Release Date: November, 2005
+First Posted: September 22, 2003
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau and Gutenberg Projekt-DE
+
+
+
+
+
+
+
+
+This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
+That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
+
+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
+zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
+
+
+
+
+Die zärtlichen Schwestern
+
+Christian Fürchtegott Gellert
+
+Ein Lustspiel von drei Aufzügen
+
+
+
+Personen:
+
+Cleon
+Der Magister, sein Bruder
+Lottchen, Cleons älteste Tochter
+Julchen, dessen jüngste Tochter
+Siegmund, Lottchens Liebhaber
+Damis, Julchens Liebhaber
+Simon, Damis' Vormund
+
+
+
+
+Erster Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Cleon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Lieber Papa, Herr Damis ist da. Der Tee ist schon in dem
+Garten, wenn Sie so gut sein und hinuntergehen wollen?
+
+Cleon. Wo ist Herr Damis?
+
+Lottchen. Er redt mit Julchen.
+
+Cleon. Meine Tochter, ist dir's auch zuwider, daß ich den Herrn Damis
+auf eine Tasse Tee zu mir gebeten habe? Du merkst doch wohl seine
+Absicht. Geht dir's auch nahe? Du gutes Kind, du dauerst mich.
+Freilich bist du älter als deine Schwester und solltest also auch eher
+einen Mann kriegen. Aber...
+
+Lottchen. Papa, warum bedauern Sie mich? Muß ich denn notwendig eher
+heiraten als Julchen? Es ist wahr, ich bin etliche Jahre älter; aber
+Julchen ist auch weit schöner als ich. Ein Mann, der so vernünftig,
+so reich und so galant ist als Herr Damis und doch ein armes
+Frauenzimmer heiratet, kann in seiner Wahl mit Recht auf diejenige
+sehen, die die meisten Annehmlichkeiten hat. Ich mache mir eine Ehre
+daraus, mich an dem günstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig
+zu vergnügen und mit dem meinigen zufrieden zu sein.
+
+Cleon. Kind, wenn das alles dein Ernst ist: so verdienst du zehn
+Männer. Du redst fast so klug als mein Bruder und hast doch nicht
+studiert.
+
+Lottchen. Loben Sie mich nicht, Papa. Ich bin mir in meinen Augen so
+geringe, daß ich sogar das Lob eines Vaters für eine Schmeichelei
+halten muß.
+
+Cleon. Nun, nun, ich muß wissen, was an dir ist. Du hast ein Herz,
+dessen sich die Tugend selbst nicht schämen dürfte. Höre nur...
+
+Lottchen. Oh, mein Gott, wie demütigen Sie mich! Ein Lobspruch, den
+ich mir wegen meiner Größe nicht zueignen kann, tut mir weher als ein
+verdienter Verweis.
+
+Cleon. So bin ich nicht gesinnt. Ich halte viel auf ein billiges Lob,
+ und ich weigere mich keinen Augenblick, es anzunehmen, wenn ich's
+verdiene. Das Lob ist ein Lohn der Tugend, und den verdienten Lohn
+muß man annehmen. Höre nur, du bist verständiger als deine Schwester,
+wenn jene gleich schöner ist. Rede ihr doch zu, daß sie ihren
+Eigensinn fahrenläßt und sich endlich zu einem festen Bündnisse mit
+dem Herrn Damis entschließt, ehe ich als Vater ein Machtwort rede.
+Ich weiß nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freiheit in
+den Kopf gesetzet hat.
+
+Lottchen. Mich deucht, Herr Damis ist Julchen nicht zuwider. Und ich
+hoffe, daß er ihren kleinen Eigensinn leicht in eine beständige Liebe
+verwandeln kann. Ich will ihm dazu behülflich sein.
+
+Cleon. Ja, tue es, meine Goldtochter. Sage Julchen, daß ich nicht
+ruhig sterben würde, wenn ich sie nicht bei meinem Leben versorgt
+wüßte.
+
+Lottchen. Nein, lieber Papa, solche Bewegungsgründe zur Ehe sind wohl
+nicht viel besser als die Zwangsmittel. Julchen hat Ursachen genug in
+ihrem eigenen Herzen und in dem Werte ihres Geliebten, die sie zur
+Liebe bewegen können; diese will ich wider ihren Eigensinn erregen und
+sie durch sich selbst und durch ihren Liebhaber besiegt werden lassen.
+
+Cleon. Gut, wie du denkst. Nur nicht gar zu lange nachgesonnen.
+Rühme den Herrn Damis. Sage Julchen, daß er funfzigtausend Taler
+bares Geld hätte und... Arme Tochter! es mag dir wohl weh tun, daß
+deine Schwester so reich heiratet. Je nun, du bist freilich nicht die
+Schönste; aber der Himmel wird dich schon versorgen. Betrübe dich
+nicht.
+
+Lottchen. Der Himmel weiß, daß ich bloß deswegen betrübt bin, weil
+Sie mein Herz für so niedrig halten, daß es meiner Schwester ihr Glück
+nicht gönnen sollte. Dazu gehört ja gar keine Tugend, einer Person
+etwas zu gönnen, für welche das Blut in mir spricht. Kommen Sie, Papa,
+ der Tee möchte kalt werden.
+
+Cleon. Du brichst mit Fleiß ab, weil du dich fühlst. Sei gutes Muts,
+mein Kind. Ich kann dir freilich nichts mitgeben. Aber solange ich
+lebe, will ich alles an dich wagen. Nimm dir wieder einen
+Sprachmeister, einen Zeichenmeister, einen Klaviermeister und alles an.
+ Ich bezahle, und wenn mich der Monat funfzig Taler käme. Du bist es
+wert. Und höre nur, dein Siegmund, dein guter Freund, oder wenn du es
+lieber hörst, dein Liebhaber, ist freilich durch den unglücklichen
+Prozeß seines seligen Vaters um sein Vermögen gekommen; aber er hat
+etwas gelernt und wird sein Glück und das deine gewiß machen.
+
+Lottchen. Ach lieber Papa, Herr Siegmund ist mir itzt noch ebenso
+schätzbar als vor einem Jahre, da er viel Vermögen hatte. Ich weiß,
+daß Sie unsere Liebe billigen. Ich will für die Verdienste einer Frau
+sorgen, er wird schon auf die Ruhe derselben bedacht sein. Er hat so
+viel Vorzüge in meinen Augen, daß er sich keine Untreue von mir
+befürchten darf, und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand
+warten sollte. Wollen Sie mir eine Bitte erlauben: so lassen Sie ihn
+heute mit uns speisen.
+
+Cleon. Gutes Kind, du wirst doch denken, daß ich ihn zu deinem
+Vergnügen habe herbitten lassen. Er wird nicht lange sein.
+
+(Siegmund tritt herein, ohne daß ihn Lottchen gewahr wird.)
+
+Lottchen. Wenn ihn der Bediente nur auch angetroffen hat. Ich will
+selber ein paar Zeilen an ihn schreiben. Ich kann ihm und mir keine
+größere Freude machen. Er wird gewiß kommen und den größten Anteil an
+Julchens Glücke nehmen. Er hat das redlichste und zärtlichste Herz.
+Vergeben Sie mir's, daß ich so viel von ihm rede.
+
+Cleon. Also hast du ihn recht herzlich lieb?
+
+Lottchen. Ja, Papa, so lieb, daß, wenn ich die Wahl hätte, ob ich ihn
+mit einem geringen Auskommen oder den Vornehmsten mit allem Überflusse
+zum Manne haben wollte, ich ihn allemal wählen würde.
+
+Cleon. Ist's möglich? Hätte ich doch nicht gedacht, daß du so
+verliebt wärest.
+
+Lottchen. Zärtlich, wollen Sie sagen. Ich würde unruhig sein, wenn
+ich nicht so zärtlich liebte, denn dies ist es alles, wodurch ich die
+Zuneigung belohnen kann, die mir Herr Siegmund vor so vielen andern
+Frauenzimmern geschenkt hat. Bedenken Sie nur, ich bin nicht schön,
+nicht reich, ich habe sonst keine Vorzüge als meine Unschuld, und er
+liebt mich doch so vollkommen, als wenn ich die liebenswürdigste
+Person von der Welt wäre.
+
+Cleon. Aber sagst du's ihm denn selbst, daß du ihn so ausnehmend
+liebst?
+
+Lottchen. Nein, so deutlich habe ich es ihm nie gesagt. Er ist so
+bescheiden, daß er kein ordentliches Bekenntnis der Liebe von mir
+verlangt. Und ich habe tausendmal gewünscht, daß er mich nötigen
+möchte, ihm eine Liebe zu entdecken, die er so sehr verdienet.
+
+Cleon. Du wirst diesen Wunsch bald erfüllt sehen. Siehe dich um,
+mein liebes Lottchen.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Cleon. Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen. Wie? Sie haben mich reden hören?
+
+Siegmund. Vergeben Sie mir, mein liebes Lottchen. Ich habe in meinem
+Leben nichts Vorteilhafters für mich gehört. Ich bin vor Vergnügen
+ganz trunken, und ich weiß meine Verwegenheit mit nichts als mit
+meiner Liebe zu entschuldigen.
+
+Lottchen. Eine bessere Fürsprecherin hätten Sie nicht finden können.
+Haben Sie alles gehört? Ich habe es nicht gewußt, daß Sie zugegen
+wären; um desto aufrichtiger ist mein Bekenntnis. Aber wenn ich ja
+auf den Antrieb meines Papas einen Fehler habe begehen sollen: so will
+ich ihn nunmehr für mich allein begehen: Ich liebe Sie. Sind Sie mit
+dieser Ausschweifung zufrieden?
+
+Siegmund. Liebstes Lottchen, meine Bestürzung mag Ihnen ein Beweis
+von der Empfindung meines Herzens sein. Sie lieben mich? Sie sagen
+mir's in der Gegenwart Ihres Papas? Sie? mein Lottchen! Verdiene
+ich dies? Soll ich Ihnen antworten? und wie? O lassen Sie mich
+gehen und zu mir selber kommen.
+
+Cleon. Sie sind ganz bestürzt, Herr Siegmund. Vielleicht tut Ihnen
+meine Gegenwart einigen Zwang an. Lebt wohl, meine Kinder, und sorgt
+für Julchen. Ich will mit dem Herrn Damis reden.
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, daß ich so viel zu
+meinem Vorteile gehört habe?
+
+Lottchen. Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hören gewünscht haben.
+
+Siegmund. Gewünscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so
+viele Zärtlichkeit?
+
+Lottchen. Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie
+ihrer weit mehr.
+
+Siegmund. Nein, ich verdiene Ihr Herz noch nicht; allein ich will
+mich zeitlebens bemühen, Sie zu überführen, daß Sie es keinem
+Unwürdigen geschenkt haben. Wie edel gesinnt ist Ihre Seele! Ich
+verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermögen, und mein Unglück hat
+mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen. Sie haben
+Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust
+meines Glücks erträglich gemacht, Diese standhafte Zärtlichkeit ist
+ein Ruhm für Sie, den nur ein erhabenes Herz zu schätzen weiß. Und
+ich würde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals
+aufhören könnte, Sie zu lieben.
+
+Lottchen. Ich habe einen Fehler begangen, daß ich Sie so viel zu
+meinem Ruhme habe sagen lassen. Aber Ihr Beifall ist mir gar zu
+kostbar, als daß ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnügen anhören
+sollte. Sie können es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein
+redliches Herz habe. Welche Zufriedenheit ist es für mich, daß ich
+ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnügten Tage und Stunden
+zurücksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend
+zugebracht habe!
+
+Siegmund. Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schöne?
+O warum kann ich Sie nicht glücklich machen! Welche Wollust müßte es
+sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die bloße
+Vorstellung davon schon so viel Vergnügen gibt! Ach, liebstes Kind,
+Julchen wird glücklicher, weit glücklicher als Sie, und...
+
+Lottchen. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie
+beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht
+glücklicher, als ich bin. Sie habe ihrem künftigen Bräutigam noch
+soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch
+Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zärtlich, ruhig und mit der
+ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Glück: so muß gar keins
+in der Welt sein. Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu
+Julchens Glücke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiß
+es nicht, daß sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, daß
+der prächtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumträgt,
+nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die
+verdrüßliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat,
+umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben.
+
+Siegmund. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne
+Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht
+liebenswürdige Frau werden.
+
+Lottchen. Hören Sie nur. Doch hier kömmt Herr Damis.
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Die Vorigen. Damis.
+
+
+Lottchen. Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis.
+
+Damis. Ich habe Ursache dazu. Anstatt, daß ich glaubte, Julchen
+heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, daß noch ganze Jahre zu
+diesem Glücke nötig sind. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage,
+desto unempfindlicher wird sie. Und je mehr sie sieht, daß meine
+Absichten ernstlich sind, desto mehr mißfallen sie ihr. Ich
+Unglücklicher! Wie gut wäre es für mich, wenn ich Julchen weniger
+liebte!
+
+Lottchen. Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein. Es
+ist nichts als Liebe. Eben weil sie fühlt, daß ihr Herz überwunden
+ist: so wendet sie noch die letzte Bemühung an, der Liebe den Sieg
+sauer zu machen. Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, daß
+sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht.
+
+Damis. Wenn sie es aber nicht sehen will?
+
+Lottchen. Wir müssen sie überraschen und sie, ohne daß sie es
+vermutet, dazu nötigen. Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr
+Brauttag. Glückt es uns heute nicht: so wird es ein andermal glücken.
+ Es kömmt bloß darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag
+wollen gefallen lassen.
+
+Siegmund. Wenn ich zu des Herrn Damis Glücke etwas beitragen kann,
+mit Freuden.
+
+Damis. Ich weiß, daß Sie beide großmütig genug darzu sind. Und mir
+wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht für Julchen
+wagen sollte.
+
+Lottchen. Mein Herr Damis, verändern Sie die Sprache bei Julchen
+etwas. Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der
+Freiheit recht zu geben. Diese Übereinstimmung wird ihr anfangs
+gefallen und sie sicher machen. Sie wird denken, als ob sie Ihnen
+deswegen erst gewogen würde, da sie es doch lange aus weit schönern
+Ursachen gewesen ist. Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr
+ganzes Herz sehen lassen.
+
+Damis. Wollte der Himmel, daß Ihr Rat seine Wirkung täte. Wie
+glücklich wollte ich mich schätzen!
+
+Lottchen (zu Siegmunden). Und Sie müssen dem Herrn Damis zum Besten
+einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen zärtlich stellen.
+Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen. Sie wird böse auf Sie
+werden. Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis
+hervorbrechen. Tun Sie es auf meine Verantwortung.
+
+Siegmund. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden.
+
+
+Fünfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Julchen.
+
+
+Julchen. Da sind Sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen,
+wo Sie wären, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen. (Sie will
+wieder gehn.)
+
+Lottchen. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weißt du
+eine bessere Gesellschaft als die unsrige?
+
+Julchen. Ach nein, meine Schwester. Aber wo Ihr und Herr Siegmund
+seid, da wird gewiß von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute
+keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen.
+
+Lottchen. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den
+Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, daß du ihm diese Ehre
+nicht auch erweisest?
+
+Julchen. Herr Damis ist so gütig gewesen und hat mir versprochen,
+lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig,
+als daß er mir sein Wort nicht halten sollte.
+
+Damis. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich
+verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben
+Sie mir, daß ich meine Zärtlichkeit in Hochachtung verwandeln darf.
+Die Liebe können Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung
+kömmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun
+Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber.
+Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein?
+
+Julchen. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde
+und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu
+vergnügen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu
+fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will
+ich ganze Tage mit Ihnen umgehen.
+
+Lottchen. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten
+sind wir nichts nütze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespräch von der
+Freundschaft hören oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen.
+
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich würde
+es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte. Es kann
+sein, daß die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und
+eingeschränkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und
+wenn er noch so groß wäre. Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner
+Schwester. Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener.
+
+Damis. Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und
+ich halte mein Wort. Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser.
+
+Julchen. Ja. Die Freundschaft ist das frohe Vergnügen der Menschen
+und die Liebe das traurige. Man will einander recht genießen, darum
+liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden. Habe ich
+nicht recht, Herr Damis?
+
+Damis. Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr
+erwähnen. Sie möchten mir sonst dabei einfallen. Und wie würde es
+alsdann um mein Versprechen stehen?
+
+Julchen. Sie könnten es vielleicht für einen Eigensinn, oder ich weiß
+selbst nicht für was für ein Anzeichen halten, daß ich die Liebe so
+fliehe. Aber nein. Ich sage es Ihnen, es gehört zu meiner Ruhe, ohne
+Liebe zu sein. Lassen Sie mir doch diese Freiheit. Muß man denn
+diese traurige Plage fühlen? Nein, meine Schwester irrt: es geht an,
+sie nicht zu empfinden. Ich sehe es an mir. Aber warum schweigen Sie
+so stille? Ich rede ja fast ganz allein. Sie sind verdrießlich? O
+wie gut ist's, daß Sie nicht mehr mein Liebhaber sind! Sonst hätte
+ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdrießlich zu werden.
+
+Damis. O nein, ich bin gar nicht verdrießlich.
+
+Julchen. Und wenn Sie es auch wären, und zwar deswegen, weil ich
+nicht mehr von der Liebe reden will: so würde mir doch dieses gar
+nicht nahegehen. Es ist mir nicht lieb, daß ich Sie so verdrießlich
+sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich darüber gar nicht unruhig.
+ O nein! Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden. Sie können ja
+etwas zu überlegen haben. Ich argwohne gar nichts. Ich mag es auch
+nicht wissen... Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen
+Freund vor. Wenn bin ich Ihnen denn so gleichgültig geworden?
+
+Damis. Nehmen Sie es nicht übel, meine schöne Freundin, daß ich
+einige Augenblicke ganz fühllos geschienen habe. Ich habe, um Ihren
+Befehl zu erfüllen, die letzten Bemühungen angewandt, die ängstlichen
+Regungen der Liebe völlig zu ersticken und den Charakter eines
+aufrichtigen Freundes anzunehmen. Die Vernunft hat nunmehr über mein
+Herz gesiegt. Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem
+Werte zu danken hatte. Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit
+schön und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket
+worden ist. Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun;
+ aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in
+den vorigen Charakter verfalle. Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach,
+sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie schätze, meine englische
+Freundin!
+
+Julchen. Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder? Darf man in
+der Freundschaft einander auch nicht ansehen?
+
+Damis. Es gehört zu meinem Siege. Wer kann Sie sehen und Sie doch
+nicht lieben?
+
+Julchen. Sagten Sie mir nicht wieder, daß Sie mich liebten? O das
+ist traurig! Ich werde über Ihr Bezeigen recht unruhig. Einmal reden
+Sie so verliebt, daß man erschrickt, und das andere Mal so
+gleichgültig, als wenn Sie mich zum ersten Male sähen. Nein,
+schweifen Sie doch nicht aus. Sie widersprechen mir ja stets. Ist
+dies die Eigenschaft eines guten Freundes? Wir brauchen ja nicht zu
+lieben. Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe?
+
+Damis. O es gehört weit mehr Stärke des Geistes zu der Freiheit als
+zu der Liebe.
+
+Julchen. Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn für übel, daß
+ich die Freiheit hochschätze, daß ich statt eines Liebhabers lieber
+zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges
+Vergnügen haben will? Sind denn meine Gründe so schlecht, daß ich
+darüber Ihre Hochachtung verlieren sollte? Tun Sie den Ausspruch, ob
+ich bloß aus Eigensinn rede. (Damis sieht sie zärtlich an.) Aber
+warum sehen Sie mich so ängstlich an, als ob Sie mich bedauerten? Was
+wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen? Ich kann mich gar
+nicht mehr in Ihr Bezeigen finden. Sie scheinen mir das Amt eines
+Aufsehers und nicht eines Freundes über sich genommen zu haben. Warum
+geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte?
+Mein Herr, ich wollte, daß Sie nunmehr...
+
+Damis. Daß Sie gingen, wollten Sie sagen. Auch diesen Befehl nehme
+ich an, so sauer er mir auch wird. Sie mögen mich nun noch so sehr
+hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie über mein
+Schicksal beklagen. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.
+
+Julchen. Hassen? Wenn habe ich denn gesagt, daß ich Sie hasse? Ich
+verstehe diese Sprache. Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen
+Sie mich hassen. Dies ist sehr großmütig. Das sind die Früchte der
+berühmten Zärtlichkeit. Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit
+kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu
+mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Das
+ist ja eine rechte Hofsprache.
+
+Damis. Es ist die Sprache der Ehrerbietung. (Er geht ab.)
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Julchen allein.
+
+
+Wie? Er geht? Aber warum bin ich so unruhig? Ich liebe ihn ja nicht.
+.. Nein, ich bin ihm nur gewogen. Es ist doch ein unerträglicher
+Stolz, daß er mich verläßt. Aber habe ich ihn etwan beleidiget? Er
+ist ja sonst so vernünftig und so großmütig... Nein, nein, er liebt
+mich nicht. Es muß Verstellung gewesen sein. Ich habe heute ein
+recht mürrisches Wesen. (Lottchen tritt unvermerkt herein.) Wenn ich
+nur meine Laute hier hätte, ich wollte...
+
+
+
+Achter Auftritt
+
+Julchen. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst. Aber,
+mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden? Es ist ja sonst deine
+Art nicht, daß du mit der Einsamkeit sprichst?
+
+Julchen. Wenn hätte ich denn mit mir allein geredet? Ich weiß nicht,
+daß ich heute allen so verdächtig vorkomme.
+
+Lottchen. Aber woher wüßte ich's, daß du die Laute hättest haben
+wollen, wenn du nicht geredt hättest? Mich hast du nicht gesehen,
+liebes Kind, und also mußt du wohl mit dir selbst geredt haben. Ich
+dächte es wenigstens, oder bist du anderer Meinung?
+
+Julchen. Ihr müßt euch alle beredt haben, mir zu widersprechen.
+
+Lottchen. Wieso? Ich habe dir nicht widersprochen. Und wenn es Herr
+Damis getan hat, so kann ich nichts dafür. Warum ziehst du deine
+guten Freunde nicht besser? Er sagte mir im Vorbeigehen, du wärest
+recht böse geworden, weil er es etliche Mal versehen und wider sein
+Versprechen an die Liebe gedacht hätte.
+
+Julchen. Schwester, ich glaube, Ihr kommt, um Rechenschaft von mir zu
+fordern. Ihr hört es ja, daß ich mich nicht zur Liebe zwingen lasse.
+
+Lottchen. Recht, Julchen, wenn dir Herr Damis zuwider ist: so bitte
+ich dich selber, liebe ihn nicht.
+
+Julchen. Was das für ein weiser Spruch ist! Wenn er dir zuwider ist..
+. Muß man denn einander hassen, wenn man nicht lieben will? Ich habe
+ja noch nicht gefragt, ob dir dein Herr Siegmund zuwider ist.
+
+Lottchen. Nein, du hast mich noch nicht gefragt. Aber wenn du mich
+fragen solltest, so würde ich dir antworten, daß ich ihn recht
+zärtlich, recht von Herzen liebe und mich meiner Zärtlichkeit nicht
+einen Augenblick schäme. Es gehört weit mehr Hoheit des Gemüts dazu,
+die Liebe vernünftig zu fühlen, als die Freiheit zu behaupten.
+
+Julchen. Ich möchte vor Verdruß vergehen. Herr Damis hat gleich
+vorhin das Gegenteil behauptet. Wem soll man nun glauben? Nehmt
+mir's nicht übel, meine Schwester, ich weiß, daß Ihr mehr Einsicht
+habt als ich; aber erlaubt mir, daß ich meinen Einfall dem Eurigen
+vorziehe. Und warum kann Herr Damis nicht so gut recht haben als Ihr?
+ Ihr habt ja immer gesagt, daß er ein vernünftiger und artiger Mann
+wäre.
+
+Lottchen. Das Beiwort artig hätte nicht eben notwendig zu unserer
+Streitfrage gehört; aber vielleicht gehört diese Vorstellung sonst in
+die Reihe deiner Empfindungen. Herr Damis ist ganz gewiß verständiger
+als ich; aber er ist auch ein Mensch wie ich; und der beste Verstand
+hat seine schwache Seite.
+
+Julchen. Lottchen, also seid Ihr hiehergekommen, um mir zu
+demonstrieren, daß Herr Damis ein Mensch und kein Engel am Verstande
+ist? Das glaube ich. Aber, mein liebes Lottchen, Eure Spöttereien
+sind mir sehr erträglich. Ich könnte Euch leicht die Antwort
+zurückgeben, daß Euer Herr Siegmund auch unter die armen Sterblichen
+gehörte; aber ich will es nicht tun. Ihr würdet nur denken, daß ich
+aus Eigensinn den Herrn Damis verteidigen wollte. Nein, er soll nicht
+den größten Verstand haben; er soll nicht so galant, nicht so
+liebenswürdig sein als Euer Siegmund. So habe ich noch eine Ursache
+mehr, meine Freiheit zu behaupten und ihn nicht zu lieben.
+
+Lottchen. Mein liebes Kind, du kömmst recht in die Hitze. Du
+schmälst auf mich und meinen Geliebten, und ich bleibe dir doch gut.
+Man kann dich nicht hassen. Du trägst dein gutes Herz in den Augen
+und auf der Zunge, ohne daß du daran denkst. Du bist meine liebe
+schöne Schwester. Deine kleinen Fehler sind fast ebenso gut als
+Schönheiten. Wenigstens kann man sie nicht begehen, wenn man nicht so
+aufrichtig ist, wie du bist. Kind, ich habe diese Nacht einen
+merkwürdigen Traum von einer jungen angenehmen Braut gehabt und ich...
+
+Julchen. Ich bitte dich, liebe Schwester, laß mich allein. Ich bin
+verdrießlich, recht sehr verdrießlich, und ich werde es nur mehr, je
+mehr ich rede.
+
+Lottchen. Bist du etwan darüber verdrießlich, daß ich in der
+Heftigkeit ein Wort wider den Herrn Damis...?
+
+Julchen. O warum denkst du wieder an ihn? Willst du mich noch mehr
+zu Fehlern bringen? Laß ihm doch seinen schwachen Verstand und mir
+meinen verdrießlichen Geist und das Glück, einige Augenblicke allein
+zu sein. Die ältern Schwestern haben doch immer etwas an den jüngern
+auszusetzen.
+
+Lottchen. Ich höre es wohl, ich soll gehen. Gut. Komm bald nach,
+sonst mußt du wieder mit dir allein reden.
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen. Ist es nicht möglich, daß ich allein sein kann? Müssen Sie
+mich notwendig stören? Herr Magister! Sagen Sie mir's nur kurz, was
+zu Ihren Diensten ist.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen überlegen.
+Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht
+ungeschickt dazu. Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand für
+eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist.
+
+Julchen. Ja, das weiß ich. Demungeachtet wollte ich wünschen, daß
+ich heute gar keinen hätte; vielleicht wäre ich ruhiger.
+
+Der Magister. Sie übereilen sich. Wer würde uns das Wahre von dem
+Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen? Wer
+würde unsern Willen zu festen und glücklichen Entschließungen bringen,
+wenn es nicht der Verstand täte? Und würden Sie wohl so liebenswürdig
+geworden sein, wenn Sie nicht immer verständig gewesen wären?
+
+Julchen. Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube.
+Was quälen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit? Ich mag ja nicht so
+weise sein als Sie. Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so
+viel Geschicklichkeit besitze.
+
+Der Magister. Zu eben der Zeit, da Sie wünschen, daß sie keine
+Vernunft haben möchten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, daß
+Sie ihrer sehr viel haben. Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen.
+ Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche.
+Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Glücke tun. Es scheint aber
+nicht, daß Sie dazu entschlossen sind. Gleichwohl wünscht es Ihr Herr
+Vater herzlich. Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine
+Vorstellungen zu tun. Und ich wünschte, daß Sie solche anhören und
+mir Einwürfe dagegen machen möchten. Dies kann ich, so alt ich bin,
+doch wohl leiden. Die Liebe ist eine der schönsten, aber auch der
+gefährlichsten Leidenschaften. Sie rächt sich an uns, wenn wir sie
+verschmähen; und sie rächt sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame
+übereilen.
+
+Julchen. Sie sind etwas weitläuftig in Ihren Vorstellungen. Allein,
+Sie sollen ohne Einwurf recht haben. Lassen Sie mich nur in Ruhe.
+Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gründen als eine
+Philosophie. Dennoch ist er noch immer stark genug für mein Herz
+gewesen.
+
+Der Magister. Wissen Sie nicht, daß uns unsere Leidenschaften am
+ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen? Das Herz der
+Menschen ist der größte Betrüger. Und der Klügste weiß oft selbst
+nicht, was in ihm vorgeht. Wir lieben und werden es zuweilen nicht
+eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden. Dieses alles
+sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage. Nein, weil es die größten
+Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca
+und viele von den neuern Philosophen gesagt haben.
+
+Julchen. Ich kenne alle diese Männer nicht und verlange sie auch
+nicht zu kennen. Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie
+behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, daß man ein unruhiges
+Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll. Und
+ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heißen, so viel
+Einsicht und Höflichkeit zu, daß sie Sie bitten würden, mich zu
+verlassen, wenn sie zugegen wären. Sobald ich die Leidenschaften und
+insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre
+Philosophie um Beistand ansprechen.
+
+Der Magister. Ihre Aufrichtigkeit gefällt mir, ob sie mir gleich zu
+widersprechen scheint. Aber ich würde mich für sehr unphilosophisch
+halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhören könnte. Sie
+sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind
+unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch
+Überlegung zu dämpfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt
+der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich
+wollte wünschen, daß Sie ein anschauendes Erkenntnis davon hätten.
+Wenn man die Ursache eines moralischen Übels weiß: so weiß man auch
+das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede
+begreiflich, und ich wollte, daß ich noch deutlicher reden könnte.
+
+Julchen. Ich setze nicht das geringste Mißtrauen weder in Ihre
+Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdrießlich.
+ Ich weiß nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht
+wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig.
+
+Der Magister. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der
+Wahrheit nachgedacht hätten als ich: so würden Sie vielleicht ebenso
+helle denken. Unterdrücken Sie Ihre Unruhe und überlegen Sie das
+Glück, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis
+verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr
+Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe kömmt das ganze Glück der
+Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der
+Liebe begehn. Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser
+Gelegenheit?
+
+Julchen. Ich glaube, daß dieser Unterricht recht gut ist. Aber was
+wird er mir nützen, da ich nicht lieben will?
+
+Der Magister. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus
+meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten?
+Aber wissen Sie denn auch, daß Sie dazu verbunden sind? Soll ich
+Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen
+doch, daß das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist
+ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe.
+Wer den Zweck will, der muß auch das Mittel wollen, wenn er anders
+verständig ist. Sehn Sie denn nicht, daß Sie zur Ehe verbunden sind?
+Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gründe nicht fühlen?
+
+Julchen. Ich fühle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts
+ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an
+sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis
+mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, das heißt halsstarrig sein, wenn man die
+Augen vor den klärsten Beweisen zuschließt. Wenn Sie erkennen, daß
+Sie zur Ehe verbunden sind, wie könnte denn Ihr Wille undeterminiert
+bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluß im
+Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum
+wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschließen,
+ da Sie sehen, daß Sie eine Pflicht dazu haben?
+
+Julchen. Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Magister, daß ich Sie
+verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre überzeugt zu sein. Was kann ich
+armes Mädchen dafür, daß ich nicht so viel Einsicht habe als Plato,
+Seneca und Ihre andern weisen Männer? Machen Sie es mit diesen Leuten
+aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren
+Beweis dazu verbunden bin. Ich habe noch etliche Anstalten in der
+Küche zu machen.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Der Magister. Cleon.
+
+
+Der Magister. Ich habe deiner Tochter Julchen alle mögliche
+Vorstellungen getan. Ich habe mit der größten Selbstverleugnung mit
+ihr gesprochen. Ich habe ihr die stärksten Beweise angeführt; aber...
+
+Cleon. O hättest du ihr lieber ein paar Exempel von glücklich
+verheirateten Mädchen angeführt.
+
+Der Magister. Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht
+aus meiner Gelassenheit. Ich erwies ihr, daß sie verbunden wäre zu
+heiraten.
+
+Cleon. Du hast dir viel Mühe geben. Ich denke, wenn ein Mädchen
+achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis
+einwenden können.
+
+Der Magister. Julchen sah alles ein. Ich machte es ihr sehr deutlich.
+ Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken
+können: so muß man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu
+Hülfe nehmen.
+
+Cleon. Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gründe gebracht?
+Will sie den Herrn Damis heiraten? Hat sie denn ihre Herzensmeinung
+nicht verraten? Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht länger
+aufhalten. Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste.
+
+Der Magister. Sie sagte, sie wäre unruhig. Und das war eben schlimm.
+ Denn die Gründe der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie
+die Überzeugung wirken sollen. Wenn der Verstand durch die Triebe des
+Willens bestürmt wird: so ist er nicht aufmerksam. Und ohne
+Aufmerksamkeit sind die schärfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile.
+
+Cleon. Rede nicht so tiefsinnig. Du hättest sie eben sollen ruhig
+machen: so sähe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit.
+
+Der Magister. Ich versuchte alles. Ich zeigte ihr die schöne Seite
+der Liebe. Ich sagte ihr erstlich, daß eine glückliche Ehe das größte
+Vergnügen wäre.
+
+Cleon. Ja, die glücklichen Ehen sind etwas sehr Schönes. Aber du
+hättest ihr sagen sollen, daß ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr
+glücklich werden würde. Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich
+zu ihr geschickt habe.
+
+Der Magister. Kurz und gut, durch Lehrsätze und Erweise ist sie nicht
+zu gewinnen, das sehe ich wohl. Sie versteht wohl die einzelnen Sätze;
+ aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das
+Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurück, und sie wird
+ungehalten, daß er sie verläßt.
+
+Cleon. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht überreden?
+
+Der Magister. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Überredung,
+die man Beweise kat' anJrwpon nennen könnte. Dergleichen sind bei den
+alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten,
+die nicht scharf denken können, tun diese witzigen Blendwerke oft gute
+Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten
+kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine
+Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine
+machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche
+eines jungen Menschen in Leipzig gefunden hätte, der sich durch seine
+Fabeln und Erzählungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat.
+
+Cleon. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die
+Fabel hübsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit
+der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darüber. Eine Fabel
+ist ja keine Predigt. Es muß ja nicht alles so akkurat sein. Meine
+Tochter wird dich nicht verraten. Mache, daß sie ja spricht: so will
+ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken.
+
+(Der Magister geht ab.)
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Cleon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen
+Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt.
+
+Cleon (er liest). »Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben,
+ gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen. Ich lasse mir die Wahl des
+Herrn Damis, meines Mündels, sehr wohl gefallen. Er hätte nicht
+glücklicher wählen können. Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit
+Ihnen und Ihren Jungfern Töchtern recht vergnügen, weil ich ohnedies
+heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe. Zugleich muß
+ich Ihnen melden, daß heute oder morgen das Testament Ihrer seligen
+Frau Muhme, der Frau Stephan, geöffnet werden soll. Ich glaube gewiß,
+daß sie Ihnen etwas vermacht hat. Vielleicht kann ich Ihnen die
+Gewißheit davon um vier Uhr mitbringen. Ich bin« usw.
+
+Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter. Ich dachte immer, der
+Herr Vormund würde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil
+meine Tochter kein Vermögen hat.
+
+Lottchen. Das habe ich gar nicht befürchtet. Der Herr Vormund ist ja
+die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiß eine
+Freude daraus, zu dem Glücke eines Frauenzimmers etwas beizutragen,
+der man keinen größern Vorwurf machen kann, als daß sie nicht reich
+ist.
+
+Cleon. Tochter, du hast sehr recht. Es ist ein lieber Mann. Ich
+habe nur gedacht, daß er einen gewissen Fehler haben müßte, weil er
+schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat. Aber was hilft uns
+das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will?
+
+Lottchen. Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa. Julchen ist so
+gut als besiegt. Und ich denke, es könnte ihr kein größer Unglück
+widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit,
+ungeraubt ließe. Ich habe die sichersten Merkmale, daß sie den Herrn
+Damis liebt.
+
+Cleon. Sollte es möglich sein? Ich dürfte es bald selbst glauben.
+Ihr losen Mädchen tut immer, als wenn euch nichts an den Männern läge,
+und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen. Je nun,
+die Liebe ist auch nötig in der Welt, sonst hätte sie uns der Himmel
+nicht gegeben.
+
+Lottchen. Papa, diese Satire auf die losen Mädchen trifft mich nicht.
+ Ich dächte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe. Wenigstens
+halte ich die vernünftige Liebe für kein größer Verbrechen als die
+vernünftige Freundschaft. Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so
+vielen Beschwerlichkeiten belegt, daß wir es uns desto mehr durch die
+Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen.
+
+Cleon. Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht
+haben sollte: so sähe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Töchter,
+auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die
+Hochzeit ausrichten könnte. Ich wollte gern das ganze Vermächtnis
+dazu hergeben.
+
+Lottchen. Sie sind ein liebreicher Vater. Nein, wenn Sie auch durch
+das Testament etwas bekommen sollten: so würde es doch ungerecht sein,
+wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles brächten. Nein,
+lieber Papa, ich kann noch lange warten. Und mein Geliebter wird sich
+ohnedies nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlängliche
+Versorgung hat.
+
+Cleon. Tue dein möglichstes, daß Julchen heute noch ja spricht. Die
+Mädchen müssen wohl ein wenig spröde tun; aber sie müssen es den
+Junggesellen auch nicht so gar sauer machen.
+
+Lottchen. Papa, unsere selige Mama sagte nicht so.
+
+Cleon. Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden. Ich bin ja
+auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht. Ich und
+deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre
+in der Ehe wie die Kinder vertragen. Sie hat mir tausend vergnügte
+Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken. Sie
+hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen.
+Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch
+gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe. Es wird dir
+gewiß wohlgehen. Verlasse dich darauf. Du tust mir viel Gutes. Du
+führst meine ganze Haushaltung. Sei zufrieden mit deinem Schicksale.
+Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute
+Auferziehung. Laß mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen. Ich
+will schlafen, wo sie schläft.
+
+Lottchen. Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmütig? Sie werden,
+wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, daß
+ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche. Und wenn ich
+Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir
+meine Schuldigkeit befiehlt. Heute müssen Sie vergnügt sein. Doch
+vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist,
+die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fühlen kann. Aber,
+lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Faß, das Sie
+in meinem Geburtsjahre eingelegt haben. Was werden wir heute unsern
+Gästen für Wein vorsetzen?
+
+Cleon. Tochter, zapfe das Faß an. Und wenn es Nektar wäre: so ist er
+für den heutigen Tag nicht zu gut. Es wird bald Mittagszeit sein.
+Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhälter langen.
+Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken,
+wenn du noch einmal mit ihr reden willst.
+
+Lottchen. Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier
+warten.
+
+
+
+Zwölfter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen.
+Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage
+scheint mir nichts als eine Liebeserklärung in einer fremden Sprache
+zu sein. Ich hätte nicht gedacht, daß sie so zärtlich wäre. Die
+Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem
+Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will.
+
+Lottchen. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich könnte bald einige
+Minuten eifersüchtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist
+reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich.
+
+Siegmund. Wer kann Sie einmal lieben und nicht beständig lieben?
+Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit
+mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muß Ihnen für meine Treue der
+sicherste Bürge sein.
+
+Lottchen. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster
+Freund, ich muß Ihnen sagen, daß uns vielleicht ein kleines Glück
+bevorsteht. Wollte doch der Himmel, daß es zu Ihrer Beruhigung etwas
+beitragen könnte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in
+einem Billette gemeldet, daß heute das Testament der Frau Muhme
+Stephan geöffnet werden würde und daß er glaubte, sie würde den Papa
+darinne bedacht haben. O wenn es doch die Vorsicht wollte, daß ich so
+glücklich würde, Ihre Umstände zu verbessern!
+
+Siegmund. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als
+ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und...
+
+Lottchen. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein
+Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe.
+
+Siegmund. Ach, mein schönes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das
+Glück, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese
+Nacht nicht wohl geschlafen.
+
+Lottchen. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen
+erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn.
+
+(Ende des ersten Aufzugs.)
+
+
+
+
+Zweiter Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Cleon. Julchen.
+
+
+Cleon. Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist?
+
+Julchen. Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen? Ich will Ihnen
+gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit.
+
+Cleon. »Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine
+Freiheit.« Kleiner Affe, was redst du denn? Wenn ich dir deine
+Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen. Ich
+will dich gar nicht zwingen. Ich bin dir viel zu gut. Nein, sage mir
+nur, ob er dir gefällt.
+
+Julchen. Ob mir Herr Damis gefällt? Vielleicht, Papa. Ich weiß es
+nicht gewiß.
+
+Cleon. Tochter, schäme dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu
+reden. Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes.
+Gefällt dir seine Person, seine Bildung?
+
+Julchen. Sie mißfällt mir nicht. Vielleicht... gefällt sie mir gar.
+
+Cleon. Mädchen, was willst du mit deinem »Vielleicht«? Wir reden ja
+nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen.
+
+Julchen. Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht
+aufrichtig antwortet?
+
+Cleon. Rede nicht so poetisch. Dein Herz bist du, und du wirst doch
+wissen, was in dir vorgeht. Wenn du einen jungen, wohlgebildeten,
+geschickten, vernünftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur
+Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren können, ob
+du ihn zum Manne haben möchtest.
+
+Julchen. Zum Manne?... Ach, Papa! lassen Sie mir Zeit. Ich bin
+heute unruhig, und in der Unruhe könnte ich mich übereilen. Ich
+glaube in der Tat nicht, daß ich ihn liebe, sonst würde ich munter und
+zufrieden sein. Wer weiß auch, ob ich ihm gefalle?
+
+Cleon. Wenn du darüber unruhig bist: so hat es gute Wege. Bist du
+nicht ein albernes Kind! Wenn du ihm nicht gefielst: so würde er sich
+nicht so viel Mühe um dich geben. Er kennt dich vielleicht besser,
+als du dich selbst kennst. Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige
+Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben würde, wenn
+sie mir nicht gefallen hätte. Indem er zu dir sagt: »Jungfer Julchen«,
+ oder wie er dich nennt... Du kannst mir's ja sagen, wie er dich
+heißt.
+
+Julchen. Er heißt mich Mamsell.
+
+Cleon. Kind, du betrügst mich. Er spräche schlechtweg »Mamsell«?
+Das kann nicht sein.
+
+Julchen. Zuweilen spricht er auch »liebe Mamsell«.
+
+Cleon. Tochter, du verstellst dich. Ich bin ja dein Vater. Im
+Ernste, wie heißt er dich, wenn er's recht gut meint?
+
+Julchen. Ich kann mich selbst nicht besinnen. Er spricht... er
+spricht... »mein Julchen«...
+
+Cleon. Warum sprichst du das Wort so kläglich aus? Seufzest du über
+deinen Namen? Dein Name ist schön. Also spricht er zu dir: »Mein
+Julchen«? Gut, hat er dich nie anders geheißen?
+
+Julchen. Ach ja, lieber Papa. Er heißt mich auch zuweilen: »Mein
+schönes Julchen.« Warum fragen Sie mich denn so aus?
+
+Cleon. Laß mir doch meine Freude, du kleiner Narr. Ein
+rechtschaffener Vater hat seine Töchter lieb, wenn sie wohlgezogen
+sind. Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen. Aber daß ich
+wieder auf das Hauptwerk komme. Ja, indem Herr Damis z. E. zu dir
+spricht: »Mein schönes Julchen, ich habe dich...«
+
+Julchen. Oh! Er heißt mich Sie. Er würde nicht du sprechen. Das
+wäre sehr vertraut, oder doch wenigstens unhöflich.
+
+Cleon. Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hieße, deswegen verlörst
+du nichts von deiner Ehre. Hat mich doch meine selige Frau als Braut
+mehr als einmal du geheißen, und es klang mir immer schön. Indem er
+also zu dir spricht: »Mein schönes Julchen, ich bin Ihnen gut«: so
+sagt er auch zugleich, »Sie gefallen mir«; denn sonst würde er das
+erste nicht sagen.
+
+Julchen. Das sagt er niemals zu mir.
+
+Cleon. Du machst mich böse. Ich habe es ja mehr als einmal selber
+gehört.
+
+Julchen. Daß er zu mir gesagt hätte: »Ich bin Ihnen gut«?
+
+Cleon. Jawohl!
+
+Julchen. Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem
+Leben nicht zu mir gesagt. »Ich liebe Sie von Herzen«, das spricht er
+wohl; aber niemals, »ich bin Ihnen gut«.
+
+Cleon. Bist du nicht ein zänkisches Mädchen! Wir streiten ja nicht
+um die Worte.
+
+Julchen. Aber das klinget doch allemal besser: »Ich liebe Sie von
+Herzen«, als das andere.
+
+Cleon. Das mag sein. Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau
+gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl. Daß die Welt die Sprache immer
+ändert, dafür kann ich nicht. Ihr Mädchen gebt heutzutage auf ein
+Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer. Es gefällt dir
+also, wenn er so zu dir spricht? Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch.
+ Was wegerst du dich denn? Ich gehe nach der Grube zu. Worauf
+willst du denn warten? Kind, ich sage dir's, es dürfte sich keine
+Gräfin deines Bräutigams schämen. Herr Damis möchte heute gerne die
+völlige Gewißheit haben, ob er...
+
+Julchen. Papa!
+
+Cleon. Nun, was willst du? Nur nicht so verzagt. Ich bin ja dein
+Vater. Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um.
+
+Julchen. Papa, darf ich etwas bitten?
+
+Cleon. Herzlich gern. Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene
+gleich etwas gelehrter ist. Bitte, was willst du?
+
+Julchen. Ich? Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdrießlich.
+
+Cleon. Das ist ja keine Bitte. Rede offenherzig.
+
+Julchen. Ich wollte bitten, daß Sie... mir meine Freiheit ließen.
+
+Cleon. Mit deiner ewigen Freiheit! Ich dachte, du wolltest schon um
+das Brautkleid bitten. Ich lasse dir ja deine Freiheit. Du sollst ja
+aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen. Bedenke dich noch eine
+Stunde. Überlege es hier allein. Ich will dich nicht länger stören.
+Ich will für dich beten. Das will ich tun.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Damis. Darf ich mit Ihnen reden, mein schönes Kind?
+
+Julchen. Es ist gut, daß Sie kommen. Die Gesundheit, die Sie mir
+über Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekränkt. Meine
+Schwester lachte darüber; aber das kann ich nicht. Sie hat heute
+überhaupt eine widerwärtige Gemütsart, die sich sogar bis auf Sie,
+mein Herr, erstreckt.
+
+Damis. Bis auf mich? Darf ich weiterfragen?
+
+Julchen. Ich sagte ihr, daß Sie meiner Meinung wären und behauptet
+hätten, daß mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehörte.
+Darüber spottete sie und sagte dreist, Sie hätten unrecht, wo sie
+nicht gar noch mehr sagte. Aber lassen Sie sich nichts gegen sie
+merken; sie möchte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten.
+
+Damis. Lottchen wird es nicht so böse gemeint haben. Sie ist ja die
+Gutheit und Unschuld selbst.
+
+Julchen. Das konnte ich mir einbilden, daß Sie mir widersprechen
+würden. Und ich will es Ihnen nur gestehen, daß ich's zu dem Ende
+gesagt habe. Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich. Sie
+redt von der Liebe, und so gütig bin ich nicht.
+
+Damis. Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat.
+Ich bin ja nicht ohne Fehler. Und vielleicht würde ich Ihnen mehr
+gefallen, wenn ich ihrer weniger hätte.
+
+Julchen. Wozu soll diese Erniedrigung? Wollen Sie mich mit dem Worte
+Fehler demütigen?
+
+Damis. Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie
+gut ich mit Ihnen meine?
+
+Julchen. Daran zweifele ich gar nicht. Sie sind ja meiner Schwester
+gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre
+Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken.
+
+Damis. Ja, ich versichere Sie, daß ich Lottchen allen Schönen
+vorziehen würde, wenn ich Julchen nicht kennte.
+
+Julchen. Ich sehe, die Gefahr, mich hochmütig zu machen, ist zu wenig,
+ Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken.
+
+Damis. Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn
+dieses eine Schmeichelei war. Warum halten Sie mich nicht für
+aufrichtig?
+
+Julchen (zerstreut). Ich... ich habe die beste Meinung von Ihnen.
+
+Damis. Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen
+Tone aus? Kostet er Sie so viel? In Wahrheit, ich bin recht
+unglücklich. Je länger ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu
+sprechen, desto unzufriedner werden Sie. Sagen Sie mir nur, was Sie
+beunruhiget. Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben. Nein, ich
+will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen. Ich will Sie
+ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben. Wollen Sie mir denn
+auch dieses Vergnügen nicht gönnen?
+
+Julchen. Sie sind wirklich großmütiger, als ich geglaubt habe. Wenn
+Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall
+sehr angenehm sein. Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen
+kann. Werfen Sie mir mein verdrießliches Wesen nicht mehr vor. Ich
+will gleich so billig sein und Sie verlassen.
+
+Damis. Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel?
+
+Julchen (unruhig). Ich weiß es in Wahrheit nicht. Es ist mir alles
+so ängstlich, und es scheint recht, als ob ich das Ängstliche heute
+suchte und liebte. Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen
+nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen. Es ist unhöflich von
+mir, daß ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind.
+Aber der Himmel weiß, ich kann nichts dafür. Ich will mir eine Tasse
+Kaffee machen lassen. Vielleicht kann ich mein verdrießliches Wesen
+zerstreuen. Aber gehn Sie nicht gleich mit mir. Lottchen möchte mir
+sonst einige kleine Spöttereien sagen. Wollen Sie so gütig sein?
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Damis. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe? Sie
+weinen? Ist das möglich?
+
+Damis. O gönnen Sie mir dieses Glück. Es sind Tränen der Wollust,
+die meine ganze Seele vergnügen. Wenn Sie nur das liebenswürdige Kind
+hätten sollen reden hören! Wenn Sie nur die Gewalt hätten sehen
+sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen! Sie
+sagte endlich aufrichtig, sie wäre unruhig. Ach Himmel! mit welcher
+Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies! Sie liebt mich
+wohl, ohne es recht zu wissen. Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen,
+ o bedenken Sie nur, wie...
+
+Lottchen. Warum reden Sie nicht weiter?
+
+Damis. Lassen Sie mich doch mein Glück erst recht überdenken. Sie
+nannte ihre Unruhe ein verdrießliches Wesen. Sie bat mich, daß ich
+deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen.
+Und das Wort Hochachtung drückte sie mit einem Tone aus, der ihm die
+Bedeutung der Liebe gab. Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie
+wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem
+Gemüte dadurch zu zerstreuen.
+
+Lottchen. Das gute Mädchen! Wenn der Kaffee eine Arznei für die
+Unruhen des Herzens wäre: so würden wir wenig Gemütskrankheiten haben.
+ Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist. Das
+Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu
+sein, daß sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschützen weiß. Verwandeln
+Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen
+nicht gar zu sehr bestraft wird.
+
+Damis. Diese Verwandlung wird mir sehr natürlich sein. Aber ich
+fürchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe
+wird bekräftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden. Sie
+bat mich, da sie mich verließ, daß ich ihr nicht gleich nachfolgen
+sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spöttereien sagen möchte. Wie
+furchtsam klingt dieses!
+
+Lottchen. Ja, es heißt aber vielleicht nichts anders, wenn man es in
+seine Sprache übersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen
+nicht so deutlich sieht, daß ich Sie liebe. Ihre Braut scheut sich
+nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben. Wenn sie
+weniger natürliche Schamhaftigkeit hätte, so würde ihre Liebe sich in
+einem größern Lichte sehen lassen; aber vielleicht würde sie nicht so
+reizend erscheinen. Vielleicht geht es mit der Zärtlichkeit eines
+Frauenzimmers wie mit ihren äußerlichen Reizungen, wenn sie gefallen
+sollen.
+
+Damis. Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich...
+Aber wie? Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich
+doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten?
+
+Lottchen. Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber
+Herr Bruder. Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen. Aber was wollten
+Sie sagen?
+
+Damis. Fragen Sie mich nicht. Ich habe es wieder vergessen. Ich
+kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen. Sie verbergen
+sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele. Julchen denkt und
+sinnt und redt in mir. Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe
+ich große Lust, es auch zu sein. Was für ein Geheimnis hat nicht ein
+Herz mit dem andern! Ich sehe, daß ich glücklich bin, und sollte
+vergnügt sein. Ich sehe, daß mich Julchen liebt, und indem ich dieses
+sehe, werde ich traurig, weil sie es ist. Welche neue Entdeckung in
+meinem Herzen!
+
+Lottchen. Ich weiß Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen
+Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst
+werden Sie zerstreut werden. Sie wird ihres Platzes von sich selber
+müde werden und ihn bald dem Vergnügen von neuem einräumen.
+
+Damis. Ich werde recht furchtsam. Und ich glaube, wenn ich Julchen
+wiedersehe, daß ich gar stumm werde.
+
+Lottchen. Das kann leicht kommen. Vielleicht geht es Julchen auch
+also. Ich möchte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen
+bemerkt zu werden. Sie würden beide tiefsinnig tun. Sie würden reden
+wollen und statt dessen seufzen. Sie würden die verräterischen
+Seufzer durch gleichgültige Mienen entkräften wollen und ihnen nur
+mehr Bedeutung geben. Sie würden einander wechselsweise bitten, sich
+zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben. Und
+vielleicht würde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als
+freundschaftliche Küsse ausbrechen. Aber ich höre meine Schwester
+kommen. Ich will Sie nicht stören. (Sie geht und bleibt in der Szene
+versteckt stehen.)
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. War nicht meine Schwester bei Ihnen? Wo ist sie?
+
+Damis (in tiefen Gedanken). Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht
+stören.
+
+Julchen. Nicht stören? Was soll das bedeuten?
+
+Damis. Vergeben Sie mir. Ich habe mich übereilet. Ach, Juliane!
+
+Julchen. Sie haben sich übereilet, und woher? Aber... Ja... Ich
+will Sie verlassen. Sie sind tiefsinnig.
+
+Damis. Sie wollen mich verlassen? meine Juliane! Mich...?
+
+Julchen. Meine Juliane! so haben Sie mich ja sonst nicht geheißen?
+Sie vergessen sich. Ich will Sie verlassen.
+
+Damis. O gehn Sie noch nicht. Ich habe Ihnen recht viel zu sagen.
+Ach viel!
+
+Julchen. Und was denn? Sie halten mich wider meinen Willen zurück.
+Ist Ihnen etwas begegnet? Was wollen Sie sagen? Reden Sie doch.
+
+Damis (bange). Meine Juliane!
+
+Julchen (mit beweglicher Stimme). Juliane! den Namen höre ich zum
+dritten Male. Sie schweigen wieder? Ich muß nur gehn. (Sie geht.
+Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.) Wahrhaftig, es muß
+Ihnen etwas Großes begegnet sein. Darf ich's nicht wissen?
+
+Damis (er kömmt auf sie zu). Wenn Sie mir's vergeben wollten: so
+wollte ich Ihnen sagen; aber nein... Ich würde Ihre Gewogenheit
+darüber verlieren und... (Er küßt ihr die Hand und hält sie dabei.)
+Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ach, Sie sind verdrießlich,
+meine Juliane?
+
+Julchen (ganz betroffen). Nein, ich bin nicht traurig. Aber ich
+erschrecke, daß ich Sie so bestürzt sehe. Ja... Ich bin nicht
+traurig. Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, daß Sie auch so wären.
+ Halten Sie mich nicht bei der Hand. Ich will Sie verlassen. Ich
+wollte meine Schwester suchen und ihr sagen...
+
+Damis. Was wollten Sie ihr denn sagen? mein schönes Kind!
+
+Julchen. Ich wollte ihr sagen... daß der Papa nach ihr gefragt hätte
+und...
+
+Damis. Der Papa? mein Engel!
+
+Julchen. Nein, ich irre mich. Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und
+meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten... (Sie sieht ihn an.
+) In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, daß man sich des Mitleidens..
+. (Sie wendet das Gesichte beiseite.)
+
+Damis. Meine Juliane! Ihr Mitleiden... Sie bringen mich zur
+äußersten Wehmut.
+
+Julchen. Und Sie machen mich auch traurig. Warum hielten Sie mich
+zurück? Warum weinen Sie denn? (Sie will ihre Tränen verbergen.)
+Was fehlt Ihnen? Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf.
+
+Damis. Ja.
+
+Julchen (für sich). Er geht?
+
+Damis (indem er wieder zurückkehrt). Aber darf ich nicht wissen,
+meine Schöne, was Ihnen begegnet ist? Sie waren ja Vormittage nicht
+so traurig.
+
+Julchen. Ich weiß es nicht. Sie wollten ja gehn. Ist Ihnen meine
+Unruhe beschwerlich? Sagen Sie mir nur, warum Sie... Sie reden ja
+nicht.
+
+Damis. Ich?
+
+Julchen. Ja.
+
+Damis. O wie verschönert die Wehmut Ihre Wangen! Ach, Juliane!
+
+Julchen. Was seufzen Sie? Sie vergessen sich. Wenn doch Lottchen
+wiederkäme! Bedenken Sie, wenn sie Sie so betrübt sähe und mich...
+Was würde sie sagen? (Lottchen tritt aus der Szene hervor.)
+
+
+
+Fünfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Ich würde sagen, daß man einander durch bekümmerte Fragen
+und Tränen die stärkste Liebeserklärung machen kann, ohne das Wort
+Liebe zu nennen. Mehr würde ich nicht sagen.
+
+Julchen. O wie spöttisch! Ich muß nur gehn.
+
+Lottchen. O ich habe es wohl eher gesehn, daß du hast gehn wollen,
+und doch...
+
+Julchen. Das wüßte ich in der Tat nicht. (Sie geht ab.)
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Damis. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Es dauert mich in der Tat, daß ich Sie beide gestöret habe.
+ Ich hätte es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht
+länger halten. Kann wohl ein schönerer Anblick sein, als wenn man
+zwei Zärtliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander
+die Liebe zu gestehen? Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan
+Ihres zärtlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt? Hätte ich
+mich noch einige Augenblicke halten können: so würde Ihre
+beiderseitige Wehmut gewiß noch bis zu etlichen vertraulichen
+Liebkosungen gestiegen sein.
+
+Damis. Daran zweifele ich sehr. Ich war in Wahrheit recht traurig,
+und ich bin's noch.
+
+Lottchen. Ja, ich sehe es. Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit
+mir allein zu reden. Holen Sie unmaßgeblich Ihre betrübte Freundin
+wieder zurück. Ich will Sie miteinander aufrichten.
+
+Damis. Ja, das will ich tun.
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Lottchen. Simon.
+
+
+Simon. Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, daß ich unangemeldet
+hereintrete. Das Vergnügen macht mich unhöflich. Sind Sie nicht die
+liebenswürdige Braut meines Herrn Mündels?
+
+Lottchen. Und wenn ich nun seine Braut wäre, was...
+
+Simon. So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, daß Ihnen Ihre selige
+Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat. Sie
+werden die Gewißheit davon noch heute vom Rathause erhalten. Das
+Testament ist geöffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei
+der Eröffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater
+diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die
+gerichtliche Insinuation erhält.
+
+Lottchen. Ist das möglich? Die Frau Muhme hat ihr Versprechen
+zehnfach erfüllt. Wie glücklich ist meine Schwester! Sie verdient es
+in der Tat. Das ist eine sonderbare Schickung. Mein Herr, Sie setzen
+mich in das empfindlichste Vergnügen. Ich bin nicht die Braut Ihres
+Herrn Mündels. Aber die Nachricht würde mich kaum so sehr erfreuen,
+wenn sie mich selbst anginge.
+
+Simon. Kurz, Mamsell, ich weiß nicht, welche von Ihnen meinen Mündel
+glücklich machen will. Allein genug, die jüngste Tochter des Herrn
+Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermögens von
+mehr als funfzigtausend Talern.
+
+Lottchen. Das ist meine Schwester. Wie erfreue ich mich!
+
+Simon. Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht
+bringen kann. Ich wollte es mit tausend Freuden tun. Wo ist Ihr
+lieber Herr Vater? Wird er nicht eine Freude haben!
+
+Lottchen. Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu führen. Aber ich
+will Sie erst um etwas bitten. Gönnen Sie mir doch das Vergnügen, daß
+ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Mündel die erste Nachricht von
+dieser glücklichen Erbschaft bringen darf. Es ist meine größte
+Wollust, die Regungen des Vergnügens bei andern ausbrechen zu sehen.
+Und wenn ich viel hätte, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die
+Welt froh zu sehen. Lassen Sie mir immer das Glück, meiner Schwester
+das ihrige anzukündigen.
+
+Simon. Von Herzen gern. Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht
+unter zwo Schwestern gefunden. Ich erstaune ganz. Ich wußte wohl,
+Mamsell, daß Sie die Braut meines Mündels nicht waren; allein, ich
+wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewißheit leichter
+machen. Ich glaubte, Sie würden erschrecken und über die Vorteile
+Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden. Aber ich sehe das Gegenteil
+und fange an zu wünschen, daß Sie selbst die Braut meines lieben
+Mündels und die glückliche Erbin der Frau Stephan sein möchten.
+
+Lottchen. Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, daß man frei
+vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr
+Wohlwollen zeitlebens zu erhalten. Also wollen Sie Julchen und dem
+Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir überlassen?
+ Sie sind sehr gütig.
+
+Simon. Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es
+ihm selber hinterbringen wollen. Hier kömmt er.
+
+
+
+Achter Auftritt
+
+Die Vorigen. Herr Cleon. Herr Siegmund.
+
+
+Cleon. Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon
+im Garten gesucht. Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich
+glaubte, Sie würden den Kaffee im Garten trinken wollen. Ich erfreue
+mich über die Ehre Ihrer Gegenwart. Ich erfreue mich recht von Herzen.
+
+Simon. Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen
+von Ihrem Vergnügen abzugeben.
+
+Lottchen. Ach, lieber Papa! Ach, lieber Herr Siegmund! Soll ich's
+sagen? Herr Simon!
+
+Simon. Wenn Sie es erzählen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's
+selbst noch nicht wüßte.
+
+Cleon. Nun, was ist es denn? meine Tochter! Wem willst du es erst
+sagen, mir oder meinem lieben Nachbar? Welcher ist dir lieber, du
+loses Kind?
+
+Lottchen. Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's. Und
+wenn ich die Liebe der Freundschaft höre: so ist es Ihr lieber Nachbar.
+ Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt
+erzählt hat. Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente
+ihr ganzes Rittergut vermacht. Das Testament ist geöffnet, und mein
+Herr Pate, der Herr Hofrat, läßt Ihnen durch den Herrn Simon diese
+Nachricht bringen.
+
+Cleon. Dafür sei Gott gedankt. Das Gut ist doch Weiberlehn? Ja!
+Ich erschrecke ganz vor Freuden. Das hätte ich nimmermehr gedacht. O
+sie war dem Mädchen sehr gut! Gott vergelte es ihr in der frohen
+Ewigkeit. Das ganze Rittergut?
+
+Siegmund. Das ist vortrefflich. Die rechtschaffene Frau!
+
+Simon (zu Cleon). Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem
+Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten.
+ Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen.
+
+Cleon. Das ist ja ganz was Außerordentliches. Ich will's die Armen
+gewiß genießen lassen. Aber du, meine liebe Tochter, du kömmst dabei
+zu kurz.
+
+Lottchen. Ich? Papa. Nein. Wenn ich das Glück tragen könnte: so
+würde mir der Himmel gewiß auch welches geben. Ich habe schon Glück
+genug. Nicht wahr? Herr Siegmund! Was meinen Sie?
+
+Siegmund. Daß Sie es ebenso würdig sind als Ihre Jungfer Schwester.
+
+Cleon. Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, daß
+auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten hätten. Kommen Sie doch
+mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's. Diese beiden
+feindseligen Gemüter werden sich schon hier allein vertragen oder uns
+nachkommen.
+
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen. Wenn ich Ihre Größe nicht kennte: so würde ich gezittert
+haben, Ihnen die Nachricht von dem großen Glücke meiner Schwester zu
+hinterbringen. Aber ich weiß, Sie schätzen mich deswegen nicht einen
+Augenblick geringer. Unser Schicksal steht in den Händen der Vorsicht.
+ Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu
+unserm Vorteile öffnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es
+wünschen.
+
+Siegmund. Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, über Ihrem
+Herzen das Glück zu vergessen. Wir wollen hoffen. Vergeben Sie mir
+nur, daß ich noch immer den Zerstreuten vorstelle. Ich habe lange mit
+Ihrem Papa gesprochen, und ich weiß in Wahrheit nicht was.
+
+Lottchen. Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's
+nicht, daß Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten
+gemacht werden, einige Wünsche und Unruhen abnötiget. Trauen Sie doch
+der Vorsehung. Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den
+unglücklichen Prozeß Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermögen verloren.
+ Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie
+auch alles heute über ein Jahr wieder. Haben Sie mit Julchen
+gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zärtlich gestellt?
+
+Siegmund. Nein, weil ich so zerstreut bin, so...
+
+Lottchen. Gut. Sie werden diese kleine Mühe fast ersparen können.
+Ihr Herz scheint keinen großen Antrieb mehr nötig zu haben. Aber
+sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Ich will sie holen und
+es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Welche entsetzliche Nachricht!... Julchen!... Ein ganzes Rittergut!
+Julchen... die so viel Reizungen, so viel Schönheit und Anmut besitzt!
+... Kennte ich Lottchens Wert nicht: so würde Julchen.... Aber ist
+Julchen nicht auch tugendhaft... großmütig... klug... unschuldig...
+? Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst? Ist Lottchen so schamhaft?
+oder... Himmel, wo bin ich? Verdammte Liebe, wie quälst du mich!
+Muß man auch wider seinen Willen untreu werden?... Warum konnte jene
+nicht die reiche Erbschaft bekommen? Sahe die Muhme auch, daß die
+jüngste mehr Verdienste hatte?... Ich Elender! Ich bin ohne meine
+Schuld um das größte Vermögen gekommen... Aber habe ich weniger
+Vorzüge als Damis? Julchen widersteht ja seiner Liebe... Ist es ein
+Verbrechen?... Was kann ich dafür, daß sie mich rührt? Sind meine
+Wünsche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wünschen vielleicht gar
+übereinstimmen? O Himmel! Sie kömmt allein.
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Siegmund. Julchen.
+
+
+Julchen. Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer
+Gesellschaft erwarten. Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann
+hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzählen.
+
+Siegmund. Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft
+nicht verdrießlich werden?
+
+Julchen. Mir? Bei Ihnen? Gewiß nicht. Sie sind heute am
+freundschaftlichsten mit mir umgegangen. Und es wird Ihnen auch wohl
+kein Geheimnis sein, daß ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie
+meine Schwester.
+
+Siegmund (er küßt ihr die Hand). Sie sagen mir vieles Schönes,
+angenehme Braut.
+
+Julchen. Bin ich denn eine Braut? Das hat mir noch kein Mensch
+gesagt. Nein, mein Herr, heißen Sie mich nicht so. Es kann sein, daß
+ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muß ich darum seine Braut sein?
+Nein, er ist so gütig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe.
+
+Siegmund. Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, würden Sie
+auch zürnen? Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie... doch...
+
+Julchen. Bei Ihnen bin ich sehr sicher. Solange ein Lottchen in der
+Welt ist, werden Ihre Liebeserklärungen nicht viel zu bedeuten haben.
+Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts
+erfahren.
+
+Siegmund. Meine Schöne, ich wollte wünschen, daß ich aus Verstellung
+redte; aber ach nein! Denken Sie denn, daß man...
+
+Julchen. Und was?
+
+Siegmund. Daß man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann?
+
+Julchen. Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe.
+
+Siegmund. So werde ich sehr unglücklich sein, weil Sie mit seiner
+Rolle nicht zufrieden sind.
+
+Julchen. Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine
+Wünsche nicht erfülle?
+
+Siegmund. Vielleicht gewönne ich. Vielleicht würden Sie die
+Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn. Ich verehre Sie; doch...
+wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde!
+
+Julchen. Sie können eine fremde Person vortrefflich annehmen. Aber
+auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich. Ich weiß nicht, wo meine
+Schwester bleibt. Ich möchte doch wissen, was sie mir zu sagen hätte;
+sie küßte mich vor Freuden. Es muß etwas Wichtiges sein. Ich muß sie
+nur suchen.. Verziehn Sie einen Augenblick.
+
+
+
+Zwölfter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Ich Abscheu! Was habe ich getan? Ich werde der redlichsten Seele
+untreu, die mich mit Entzückung liebt? Ich...? Aber wie schön, wie
+reizend ist Julchen! Sie liebt ihn noch nicht... Und mir, mir ist
+sie gewogen? Aber die Vernunft...? Sie soll schweigen... Mein Herz
+mag die Sache ausführen.... Mißlingt mir meine Absicht: so bleibt mir
+Lottchen noch gewiß. ... Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich
+verliebt in Julchen zu stellen? Werde ich ihr darum untreu? Wie?
+Sie kömmt noch einmal? Sucht sie mich mit Fleiß?
+
+
+
+Dreizehnter Auftritt
+
+Siegmund. Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen (zu Siegmund). Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr
+Damis wiederkömmt. Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und
+Sie sollen so gütig sein und zu dem Papa kommen. Er wartet mit dem
+Kaffee auf Sie.
+
+Siegmund. Nach Ihrem Befehle. Aber darf ich hoffen?
+
+Julchen. Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muß ich
+Ihnen in der Sprache der Schönen antworten: Sie müssen mit meinem Papa
+davon sprechen.
+
+Der Magister. Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich
+möchte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen.
+
+
+
+Vierzehnter Auftritt
+
+Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen. Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen
+Neues erzählen will?
+
+Der Magister. Nein, ich habe sie gar nicht gesehn. Ich komme aus
+meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen
+Fabelbuche gelesen. Wenn Sie mir zuhören wollten: so wollte ich Ihnen
+eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat. Ich
+weiß, Sie hören gerne witzige Sachen.
+
+Julchen. Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin. Sie
+lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Wie kommen Sie denn heute auf
+diesen Einfall? Ja, ich weiß wohl eher, daß Sie mir eine ziemliche
+finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder
+Hagedorns Fabeln haben lesen sehen.
+
+Der Magister. Sie haben recht. Ich halte mehr auf gründliche
+Schriften. Und das Solide ist für die Welt allemal besser als das
+Witzige. Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so
+ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen. Wollen Sie die
+Fabel hören? Sie heißt Die Sonne.
+
+Julchen. O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen! Ich
+will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, daß sie artig ist. Lesen Sie mir
+sie nur nicht vor.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, ich weiß nicht, was Sie heute für eine
+verdrießliche Gemütsart haben. Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir
+etliche kostbare Stunden. Ich arbeite für Ihr Glück, für Ihre
+Beruhigung. Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle
+Augenblicke dafür? Bin ich Ihnen denn so geringe? Verdienen meine
+Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit? Sind denn Ihre
+Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich
+genug bestimmt? Warum widersprechen Sie mir denn? Kann ich etwas
+dafür, daß Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten? Habe
+ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind,
+etwa erdacht? Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft
+enthalten?
+
+Julchen. Sie schmälen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmälen doch
+gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben. Darf ich bitten:
+so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester
+gehn kann. Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schätze.
+
+Der Magister. Warum sollte ich's nicht wissen? Wenn Sie gleich nicht
+den schärfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz. Und
+ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beiträge und anderer
+solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie läsen,
+daß Sie bald anders sollten denken lernen. Wenn Sie die Triebe des
+Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so würden Sie
+sehen, daß der Trieb der Liebe ein Grundtrieb wäre, und also...
+
+Julchen. Sie reden mir so viel von der Liebe vor. Haben Sie denn in
+Ihrer Jugend auch geliebt? Kennen Sie denn die Liebe recht genau?
+Was ist sie denn? Ein Rätsel, das niemand auflösen kann.
+
+Der Magister. Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu
+dringen. Die Liebe ist eine Übereinstimmung zweener Willen zu
+gleichen Zwecken. Mich deucht, dies ist sehr adäquat. Oder soll ich
+Ihnen eine andere Beschreibung geben?
+
+Julchen. Nein, ich habe mit dieser genug zu tun. Sagen Sie mir
+lieber die Fabel. Ich muß zu meiner Schwester.
+
+Der Magister. Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu
+verstehen als eine Kausaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint
+mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein. Sie klingt also: Die
+Sonne verliebte sich, wie man erzählt, einsmals in den Mond. Sie
+entdeckte ihm ihre Wünsche auf das zärtlichste; allein der Mond blieb
+seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Er verlachte alle die
+Gründe, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zärtlichkeit gegen
+die Sonne bewegen wollten. Ein heimlicher Stolz hieß ihn spröde tun,
+ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war. Er trotzte auf sein
+schönes und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der
+Sonne mit Flecken verunstaltete. Und dies sind die Flecken, die wir
+noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden. Dies ist die Fabel.
+ Was empfinden Sie dabei?
+
+Julchen. Ich empfinde, daß sie mir nicht gefällt und daß der
+Verfasser ihrer noch viel machen wird. Ich will doch nicht hoffen,
+daß Sie diese Erzählung im Ernste für artig halten.
+
+Der Magister. Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine
+Stärke nicht sehen lassen. Aber wie? wenn ich die Fabel selbst
+gemacht hätte?
+
+Julchen. So würde ich glauben müssen, daß die Schuld an mir läge,
+warum sie mir nicht schön vorkömmt.
+
+Der Magister. Sie wissen sich gut herauszuwickeln. Ich will es Ihnen
+gestehen. Es ist meine Arbeit. Ich will mich eben nicht groß damit
+machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben. Aber wollten Sie
+diese Fabel wohl auflösen? Was soll die Moral sein?
+
+Julchen. Das werden Sie mir am besten sagen können.
+
+Der Magister. Die Moral soll etwan diese sein: Ein schönes
+Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange spröde tut, steht
+in der Gefahr, daß das Alter ihr schönes Gesicht endlich verwüstet.
+
+Julchen. Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister. Ich merke,
+die Fabel geht auf mich. Ich bin der Mond. Herr Damis wird die Sonne
+sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen.
+Habe ich nicht alles erraten?
+
+Der Magister. Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter
+Bildern vorträgt: so machen sie einen großen Eindruck bei Ihnen.
+Jungfer Muhme, denken Sie unmaßgeblich an die Fabel und widerstehen
+Sie der Liebe des Herrn Damis nicht länger. Was soll ich Ihrem Papa
+für eine Antwort bringen?
+
+Julchen. Sagen Sie ihm nur, daß ich über Ihre Fabel hätte lachen
+müssen: so verdrießlich ich auch gewesen wäre. Ich habe die Ehre,
+mich Ihnen zu empfehlen.
+
+
+Funfzehnter Auftritt
+
+Der Magister. Cleon. Siegmund.
+
+
+Cleon. Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen? Ich denke,
+sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben.
+
+Der Magister. Sie bleibt unbeweglich. Ich weiß nicht, warum ich mir
+des eigensinnigen Mädchens wegen so viel Mühe gebe. Wer weder durch
+philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muß
+man seinem Wahne zur Strafe überlassen. Ich sage ihr kein Wort mehr.
+So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein gründliches
+Erkenntnis von der Moral beibringen läßt. Ich habe mich zehnmal
+erboten, deine Töchter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen
+der Dinge zu zeigen. Aber nein, sie sollten witzig und nicht
+vernünftig werden.
+
+Siegmund. Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch. Ist Julchen
+nicht vernünftig genug?
+
+Der Magister. Warum denn nur Julchen? Ich verstehe Sie. Ich habe
+ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten. Itzt warten meine Zuhörer
+auf mich.
+
+
+
+Sechzehnter Auftritt
+
+Cleon. Siegmund.
+
+
+Cleon. Ich weiß nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder
+Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener
+spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht
+einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund.
+
+Siegmund. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, daß Julchen den
+Herrn Damis nicht wohl leiden kann.
+
+Cleon. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von
+der Erbschaft wüßte: so dächte ich, das Rittergut machte sie stolz.
+Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da
+sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit
+heiraten. Sie wird sich wohl noch geben.
+
+Siegmund. Aber Sie wissen wohl, daß der Zwang in der Ehe üble Früchte
+bringt.
+
+Cleon. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fügung. Und
+ich wollte wohl wünschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens
+sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, daß ich heute ein doppeltes
+Verlöbnis ausrichten könnte.
+
+Siegmund. Ja, wenn nur meine Umstände... Ich habe einige hundert
+Taler Schulden...
+
+Cleon. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen
+und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben.
+
+Siegmund. Das ist sehr schön; aber...
+
+Cleon. Sie kriegen an Lottchen gewiß eine verständige Frau. Das
+Mädchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht
+schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache
+manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem
+Testamente bald käme! Also, wollen Sie Lottchen haben?
+
+Siegmund. Ja, ich wünsche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als
+meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, daß es scheint, daß mir
+Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und daß Lottchen hingegen
+mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen,
+ daß mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie
+anzuhalten und...
+
+Cleon. Was höre ich? Nun errate ich, warum das Mädchen sich so
+geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwöre Sie, sagen Sie mir,
+ was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich... Ja doch.
+Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch
+gewogener.
+
+Siegmund. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa.
+
+Cleon. Also will Lottchen zwei Männer und Herr Damis zwo Weiber
+haben? Das ist ja unsinnig.
+
+Siegmund. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr
+ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, daß Sie alles so
+geheimhalten, als es möglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn
+Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich
+Julchen anders.
+
+Cleon. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich
+müßte mich ja schämen.
+
+Siegmund. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig wählen sollte: so
+bin ich viel zu redlich, als daß ich ihr einen Mann mit so großem
+Vermögen entziehen will.
+
+Cleon. Sie sind die Großmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein.
+Ich wollte Ihnen Julchens Vermögen ebensowohl gönnen als dem Herrn
+Damis. Freilich wäre die Einteilung nicht uneben. Lottchen wäre
+durch Herrn Damis' Vermögen und Ihnen durch Julchens Erbschaft
+geholfen. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll.
+
+Siegmund. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte,
+Julchen versprechen?
+
+Cleon. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich
+dächte, es wäre unbillig, daß Sie sie vergäßen. Ich kann mir nicht
+einbilden, daß meine Tochter so unbeständig sein sollte. Ich habe sie
+selber vielmal für Sie beten hören, daß es Ihnen der Himmel möchte
+wohlgehen und Sie ihr zum Vergnügen leben lassen, wenn es sein Wille
+wäre. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich
+wohl.
+
+Siegmund. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich
+liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu
+erhalten suchen.
+
+Cleon. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben.
+ Ich denke gewiß, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich
+will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr
+nur recht viel Zärtliches vor. Sie hört es gern. Julchen will ich
+selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange
+aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der
+rechtschaffene Mann nicht übelnimmt.
+
+
+
+Siebenzehnter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Das geht gut. Julchen wird noch meine... Sie ist schön, reich und
+wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt... Aber, Himmel, wenn Lottchen
+mein Vorhaben erfahren sollte! Würde sie mein Herz nicht verfluchen?..
+. Doch nein. Sie ist sicher. Sie liebt mich... Aber was quält
+mich? Sind es die Schwüre, die ich ihr...? Unkräftige Schwüre der
+Treue, euch hört der Himmel nicht... O Julchen, wie reizend bist du!
+Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch?
+
+
+
+Achtzehnter Auftritt
+
+Siegmund. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Itzt kommen sie beide. Nun wollen wir's ihnen entdecken.
+Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen! Und Sie,
+ mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb? Vergeben Sie mir diese
+überflüssige Frage.
+
+Siegmund. Ja, meine Schöne, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre
+Liebe für meine Treue unendlich belohnet. O könnte ich Sie doch
+vollkommen glücklich machen! (Er küßt sie.) Um dies Vergnügen muß
+mich ein Prinz beneiden. Hier kommen sie. Erlauben Sie, meine Schöne,
+ der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich. Er möchte
+ungehalten werden.
+
+
+
+Neunzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Julchen. Damis.
+
+
+Lottchen (zu Damis). Ich wollte Ihnen ein schönes, junges,
+liebenswürdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie
+Julchen wollen fahren lassen.
+
+Julchen. Ist das die Neuigkeit?
+
+Damis. Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Rittergüter hätte: so würde mir
+Julchen auch in einer Schäferhütte besser gefallen.
+
+Julchen. Was reden Sie? Hören Sie doch Lottchen an. Wer weiß, wie
+glücklich Sie werden! Ich gönne es Ihnen und der andern Person.
+Lottchen, wer ist sie denn?
+
+Lottchen. Es ist ein artiges Kind. Sie hat ein Rittergut für
+funfzigtausend Reichstaler. Sie ist wohlerzogen.
+
+Julchen. So? Aber, wo... Wie heißt sie denn?
+
+Lottchen. Sie ist fast so schön wie du.
+
+Julchen. Das mag ich ja nicht wissen. Wenn ich schön bin: so wird
+mir's der Spiegel sagen. So muß keine Schwester mit der andern reden.
+ Sage es dem Herrn Damis allein. Ich werde wohl nicht dabei nötig
+sein. (Sie will gehn.)
+
+Damis. Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht. Ich gehe mit Ihnen.
+
+Julchen. Das wird sich nicht schicken. Das Frauenzimmer mit dem
+Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, würde es sehr übelnehmen.
+Es ist gut, daß Sie sich bei mir in den Liebeserklärungen geübt haben.
+ Nunmehr werden sie Ihnen wenig Mühe machen.
+
+Lottchen. Höre nur, meine Schwester. Es kömmt erst darauf an, ob das
+Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird. Sie hat freilich schöne
+große blaue Augen, fast wie du; eine gefällige Bildung und eine recht
+erobernde Miene; kleine volle runde Hände. (Julchen sieht ihre Hände
+an.) Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit.
+
+Julchen. O ich weiß gar nicht, was du haben willst? Kurz, wie heißt
+denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt?
+
+Lottchen. Sie heißt ebenfalls, wie du, Julchen.
+
+Julchen. Oh! du willst mich zum Kinde machen.
+
+Lottchen. Nein, Julchen, ich kündige hiermit dir und deinem Liebhaber
+ein ansehnliches Glück an. Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem
+Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht. Herr Simon hat uns die
+Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, daß er mir die
+Freude gönnen möchte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen. Meine
+liebe Schwester, ich wünsche dir tausend Glück zu deiner Erbschaft,
+und Ihnen, mein Freund, wünsche ich meine Schwester. Wie glücklich
+bin ich heute!
+
+Julchen. Was? Das ganze Rittergut? Und dir nichts? Hätte sie es
+denn nicht teilen können? Ist es denn auch gewiß? Kann es nicht ein
+Mißverstand sein? Warum hat sie denn dir nichts vermacht?
+
+Lottchen. Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich. Genug, die
+Erbschaft ist deine und für dich bestimmt gewesen. Ich habe genug,
+wenn ich künftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann. Ach,
+Julchen, ich weiß, daß dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis
+er dir seinen Glückwunsch abstatten kann. Ich habe ihn gebeten, dich
+nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt hätte.
+
+Damis. Ich erstaune ganz. Vielleicht wäre es ein Glück für mich,
+wenn kein Testament wäre. Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie
+verlieren?
+
+Julchen. Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa. Nein,
+ganz wünsche ich mir es nicht. Ich verdiene es auch nicht. Traurige
+Erbschaft!... Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch
+nicht vergnügt. (Sie sieht den Damis an.) Und Sie, mein Herr...?
+
+Damis. Und Sie, meine Schöne...?
+
+Lottchen. Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an. Ich weiß,
+daß der Papa schon ein wenig geschmälet haben wird.
+
+
+
+Zwanzigster Auftritt
+
+Die Vorigen. Cleon.
+
+
+Cleon. Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn? Soll sich der Kaffee
+selber einschenken?
+
+Lottchen. Schmälen Sie nicht, lieber Papa. Ihre Töchter sind in
+guten Händen. Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen.
+
+Julchen. Ach, lieber Papa...
+
+Cleon. Nun, was willst du? Soll ich dir zu deinem Glücke
+gratulieren? Ich habe vor Freuden schon darüber geweint. Hast du
+auch Gott für die reiche Erbschaft gedankt? Du gutes Kind. Ach
+Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee
+ein. Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments
+bemühn. Sie, Herr Damis, sollen so gütig sein und ihm Gesellschaft
+leisten.
+
+Damis. Von Herzen gern.
+
+(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.)
+
+
+
+Einundzwanzigster Auftritt
+
+Cleon. Julchen.
+
+
+Cleon. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muß
+dir doch lieb sein, daß du ein Rittergut hast.
+
+Julchen. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester
+anbieten kann.
+
+Cleon. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner
+Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe,
+Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis?
+Hat auch der eine Freude über deine Erbschaft?
+
+Julchen. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgültig zu sein.
+
+Cleon. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermögen. Aber du mußt
+auch bedenken, daß er dich gewählt hat, da du noch ein armes Mädchen
+warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr
+Vormund itzt von ihm erzählet hat, du würdest ihn gewiß lieben! Ich
+habe immer gedacht, er wäre nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so
+hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich
+versichert, daß er ein rechter scharfsinniger Mensch wäre und mehr
+gute Bücher gelesen hätte, als Stunden im Jahre wären. Wer hätte das
+denken sollen?
+
+Julchen. Daß er gelehrt ist, habe ich lange gewußt; allein daß ich's
+nicht bin, weiß ich leider auch. Vielleicht sucht er die
+Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut.
+
+Cleon. Du redst artig. Da werden die Töchter studieren können wie
+die Söhne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schön
+singen. Du kannst dein bißchen Französisch. Du schreibst einen
+feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die
+Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet
+und fromm und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann
+mehr haben? Herr Damis liebt dich gewiß. Mache, daß ich ihn bald
+Herr Sohn und dich Braut heißen kann.
+
+Julchen. Braut? Das weiß ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa,
+Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja
+ebensoviel und noch mehr als ich.
+
+Cleon. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat
+ihren Herrn Siegmund und verlangt kein großes Glück. Gib ihr etwas
+von deinem Vermögen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so
+will ich sie gleich heute verloben. Oder möchtest du Herrn Siegmunden
+lieber zum Manne haben?
+
+Julchen. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die
+Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn
+Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener?
+ Und wenn auch dieser liebenswürdiger wäre, da er es doch nicht ist,
+wie könnte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester
+und er sie so zärtlich liebt?
+
+Cleon. So gefällst du mir. Ich bin ein rechter glücklicher Vater.
+(Er klopft sie auf die Backen.) Meine liebe schöne Tochter, bleibe
+bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast
+den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir
+zuweilen ein bißchen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe
+alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand...
+
+Julchen. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschließe: so gebe ich Ihnen
+mein Wort, daß ich einen Mann wähle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur
+nicht meine Freiheit dabei verlöre! Wenn ich nur wüßte, ob ich ihn
+etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich
+habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht
+zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde?
+
+Cleon. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe
+macht wieder gesund. Ich spräche ja, wenn ich wie du wäre, damit ich
+der Krankheit zuvorkäme.
+
+Julchen. Ach! Papa.
+
+Cleon. Ach! Du sollst nicht »Ach«, du sollst »Ja« sprechen. Du
+gefällst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben.
+
+Julchen. Aber werde ich ihm stets gefallen?
+
+Cleon. Das kannst du denken. Woran stößt sich denn dein Herz noch?
+Befürchtest du denn gar, daß er dir künftig untreu werden möchte?
+Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, daß dein Liebster sehr
+viel Religion hätte und oft zu sagen pflegte, daß er kein Mensch sein
+möchte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich
+gewiß zeitlebens für gut halten. Er wird seine Schwüre nicht brechen.
+
+Julchen. Ich höre keine Schwüre von ihm. Würde er seine Liebe nicht
+beteuern, wenn er mich...?
+
+Cleon. Das ist schön, daß er nicht schwört. Um desto mehr kannst du
+auf sein Wort bauen. Das öffentliche Versprechen ist eben der Schwur
+in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn
+zugleich tun willst.
+
+Julchen. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache
+recht zu überlegen. Lassen Sie mir noch Zeit.
+
+Cleon. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann
+sprich »Ja« oder »Nein«. Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe
+dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du
+willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen
+haben. Die beiden schwarzen Pflästerchen lassen recht hübsch zu
+deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren?
+
+Julchen. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken.
+
+Cleon. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen
+Gevatterbrief schickst. Komm und führe mich bei der Hand. Ich möchte
+gern einmal von einer Braut geführet werden.
+
+(Ende des zweiten Aufzugs.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Siegmund. Julchen.
+
+
+Julchen. Was sagen Sie mir? Das glaube ich in Ewigkeit nicht.
+
+Siegmund. Ich aber glaube es.
+
+Julchen (bestürzt). Hat er es Ihnen denn selbst gesagt? Ich
+Unglückliche!
+
+Siegmund. Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es
+ist gewiß, daß er Ihnen Lottchen weit vorzieht. Ich wollte ihm diese
+Beleidigung, so groß sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie
+nicht zugleich beleidigte. Ich bedaure Sie, mein Engel. Ich weiß,
+Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen,
+ daß Sie dem Unbeständigen wenigstens meinen Namen verschweigen.
+
+Julchen. War dies die Ursache seiner Traurigkeit? Der Treulose! Was
+hat er für Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betrügen? Wenn er
+mir aus Rache das Leben hätte nehmen wollen: so würde ich ihn noch
+nicht hassen. Aber daß er mich unter der Maske der Liebe und
+Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat.
+
+Siegmund. Er wird es leugnen, denken Sie an mich.
+
+Julchen. Der Verräter! Ja, er soll es leugnen. Ich mag dieses
+Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren. Ich will ihn nicht
+bestrafen. Nein! Sein Gewissen wird mich rächen... Wie? Er? dem
+ich heute mein Herz schenken... doch nein, ich habe ihn nicht geliebt.
+ Aber hat er nicht tausendmal gesagt, daß er mich liebte? Hält man
+sein Wort unter den Männern nicht besser?
+
+Siegmund. O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen
+nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen. Sollten Sie mein Herz sehen!
+ Ja... auch der Zorn macht Sie noch liebenswürdiger.
+
+Julchen. Verlassen Sie mich, liebster Freund. Ich will... Und du,
+meine Schwester, du schweigst? Und alles dies tust du, o Liebe, du
+Pest der Menschen!... Verlassen Sie mich. Ich verspreche Ihnen bei
+meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit
+zeitlebens zu belohnen. Aber kommen Sie bald wieder hieher.
+
+Siegmund. Sobald, als ich glaube, daß sich Ihre Hitze etwas gelegt
+haben wird.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht). Eben zu der Zeit,
+da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch
+untreu...? Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen? Bin ich
+bezaubert?
+
+Damis. Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht? Mit wem reden
+Sie?
+
+Julchen. Mit einem Betrüger, den ich geliebt haben würde, wenn ich
+weniger von ihm erfahren hätte. (Gelinder.) Ist es Ihnen möglich
+gewesen, mich zu hintergehn? Mich? die ich schon anfing, Sie im
+Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn? Warum handeln Sie
+so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muß,
+nachdem ich sie gefühlt habe? Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie für
+ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, daß ich Sie niemals
+hassen, daß ich mich vielmehr bemühen werde, Ihren Fehler vor mir
+selbst zu verbergen.
+
+Damis. Ich Unglücklicher! Ist der Betrüger der Name, den ich
+verdiene? Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzürnte
+Freundin. Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten
+Gewissens, daß mein Herz gar keines Betrugs fähig ist. Ich verlange
+es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die übele Meinung beigebracht hat.
+Die Zeit wird mich schon rechtfertigen.
+
+Julchen. Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze?
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Die Vorigen. Lottchen.
+
+
+Damis (zu Lottchen). Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an,
+mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben.
+
+Lottchen. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich
+über die ersten Küsse.
+
+Damis (zu Julchen). Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer
+Schwester. Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen.
+
+Julchen. Vielleicht fände ich da die wenigste Hülfe.
+
+Lottchen. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es hätte wissen
+sollen, daß du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Bräutigam
+zanken würdest: sie hätte dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute
+vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, daß der Krieg nicht lange
+dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die
+Liebe etwas zänkisch ist.
+
+Julchen. O scherze nicht.
+
+Lottchen (zu Damis). Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben
+Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich
+Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besänftigen. Julchen, rede
+wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er
+dich ja beleidiget hat: so laß dir den Kuß wiedergeben: so seid ihr
+geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander?
+
+Julchen. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner
+Gegenwart nicht sagen können. Ich glaube zwar gar nicht, daß du ihm
+Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafür, daß du
+liebenswürdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein
+Verdienst. Er würde dich nicht lieben, wenn er nicht die größten
+Vorzüge zu lieben gewohnt wäre. Ich entschuldige ihn selbst.
+
+Lottchen. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du
+dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eröffnen.
+Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn
+Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich
+verliebt stellen sollen, um dich zu überführen, daß du vielleicht
+schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben,
+ daß Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine
+Rolle gar zu gut gespielt.
+
+Julchen. Er tat sehr ernstlich und...
+
+Damis (zu Julchen). Sehn Sie, was ich für ein betrügerisches Herz
+habe?
+
+Julchen. Aber...
+
+Damis. Sie können noch ein Mißtrauen in mich setzen? Wie wenig
+müssen Sie mich kennen!
+
+Julchen. Ich? mein Herr...
+
+Damis. Ist das der Lohn für meine Liebe?
+
+Julchen. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Würde ich eifersüchtig
+geworden sein, wenn ich nicht... Also haben Sie mich nicht
+hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat für Sie gesprochen.
+
+Lottchen. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich
+merke, daß es dir schon weh tut, daß du deinen Geliebten wegen deiner
+Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner
+Stelle tun. (Zum Damis.) Mein Herr, sein Sie so gütig und vergeben
+Sie es Julchen, daß Sie zärtlicher von ihr geliebt werden, als Sie
+gedacht haben.
+
+Julchen. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen
+Fehler freiwillig ab.
+
+Damis. Aber lieben Sie mich denn auch?
+
+Julchen. Ja. Nunmehr weiß ich's gewiß, daß ich Sie liebe. Und
+nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem
+Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wünsche dadurch befriediget
+werden.
+
+Damis. Meine Juliane! Ich bin zu glücklich.
+
+Julchen. Wenn ich Ihr Herz noch nicht hätte: so würde ich nunmehr
+selbst darum bitten, so hoch schätze ich's.
+
+Damis. Vortreffliche Juliane! Ich bin... Doch es ist mir kein
+Gedanke anständig genug für Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen
+in der Entzückung antworten kann.
+
+Lottchen. Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei
+ewig glücklich! Sei mir ein Beispiel der Zärtlichkeit und der
+Zufriedenheit. (Zum Damis.) Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen
+so glücklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wünsche. Bleiben
+Sie ein Freund meines Freundes, und befördern Sie unsere Ruhe durch
+Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater
+gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens
+Entschluß hört! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie,
+ich will das Vergnügen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir
+heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von
+der Gewißheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben.
+
+(Julchen und Damis gehn ab.)
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Lottchen. Simon.
+
+
+Simon. Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem
+Testamente zu bringen. Ich habe sie selbst geholet. Wollen Sie
+unbeschwert diesen Punkt lesen? (Er reicht ihr die Abschrift.)
+
+Lottchen (sie liest). Wie? Ich bin die Erbin des Ritterguts? Ich?
+
+Simon. Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester.
+Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muß sich
+entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiß angerichtet
+haben, um seiner Jungfer Pate eine desto größere Freude zu machen.
+Genug, es ist nunmehr gewiß, daß Sie die Erbin des Ritterguts sind,
+und kein Mensch kann Ihnen dieses Glück aufrichtiger gönnen, als ich
+tue. Sie verdienen noch weit mehr.
+
+Lottchen. O das ist ein trauriges Glück! Wird nicht meine liebe
+Schwester darüber betrübt werden? Wird nicht Ihr Herr Mündel...?
+
+Simon. Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und
+nunmehr falsche Nachricht brachte. Lesen Sie doch nur weiter. Sie
+sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen
+zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird.
+
+Lottchen. Nun bin ich zufrieden. Sie soll noch mehr haben als
+zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht über ihren Verlust kränkt.
+O was für Bewegungen fühle ich in meiner Seele! Und was werde ich
+erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden über mein
+Glück erschrecken sehe? O wie schön wird er erschrecken! Gott, wie
+glücklich bin ich! Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird.
+
+
+
+Fünfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehört, endlich ihr Ja
+von sich gegeben? Ist es gewiß? Das ist mir sehr angenehm.
+
+Lottchen (zu Simon). Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn
+Mündels erklärt und wird die Ehre haben, Sie um einen Bräutigam zu
+bitten, der unter Ihren Händen so liebenswürdig geworden ist. Aber,
+mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente. Geht es
+Ihnen nicht ein wenig nahe, daß die Frau Muhme uns beide vergessen hat?
+
+Siegmund. Nein, nicht einen Augenblick. Sie sind mir mehr als ein
+reiches Testament.
+
+Lottchen. Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten
+sollte, wollen wir's annehmen?
+
+Siegmund. Da sie nicht mehr über ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie
+auch nicht über ihr Vermögen zu befehlen.
+
+Simon. O mein Herr, Sie können versichert sein, daß ihr mein Mündel
+die völlige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein.
+Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Überflusse, sondern in dem
+Gebrauche desselben. Er würde Julchen gewählt haben, wenn sie auch
+keine Erbschaft getan hätte. Und vielleicht wäre es ihm gar lieber,
+wenn er ihr Glück durch sich allein hätte machen können. Wir wollen
+wünschen, daß alle Liebhaber so edel gesinnt sein mögen als er.
+
+Lottchen. Hören Sie, Herr Siegmund, was wir für einen großmütigen
+Bruder bekommen haben?
+
+Siegmund. Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die größte Ehre.
+
+Simon. Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn. Er ist von seinem
+zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde
+alle meine Sorgfalt für ihn so reichlich belohnet und mir so vieles
+Vergnügen gemacht, daß ich nicht weiß, wer dem andern mehr Dank
+schuldig ist.
+
+Lottchen. Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem
+Bräutigam meiner Schwester gönne. Und wenn mein Papa sterben sollte:
+so würde ich Ihr Mündel sein, um ebendieses Lob zu verdienen. O was
+ist der Umgang mit großen Herzen für eine Wollust! Aber, Herr Simon,
+darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe
+gebeut und rechtfertiget? Ja, Sie sind es würdig, die Regungen meiner
+Seele ohne Decke zu sehen. (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn.
+) Endlich, mein Freund, bin ich so glücklich, Ihren Umgang und Ihre
+Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen. Sie
+haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt. Die Vorsicht hat mich
+heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht rühmlicher
+anzuwenden weiß, als wenn ich sie in Ihre Hände bringe. Ich weiß, Sie
+werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen. Hier ist eine
+Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erkläret bin, anstatt
+daß es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war. Kurz, die
+Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehört Julchen.
+ Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen.
+
+Siegmund. Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgültig.
+
+Lottchen. Eben deswegen verdienen Sie's. Fehlt zu Ihrem Glücke
+nichts als meine Liebe: so können Sie nie glücklicher werden.
+
+Siegmund. Ach, meine Schöne, wie erschrecke ich! Sie machen, daß man
+die Liebe und das Glück erst hochschätzt. O warum kann nicht die
+ganze Welt Ihrer Großmut zusehen! Sie würden auch den
+niederträchtigsten Seelen liebenswürdig vorkommen und ihnen bei aller
+Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, daß sie Ihnen gleichen
+möchten. Ich danke es der Schickung ewig, daß sie mir Ihren Besitz
+zugedacht hat. Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater,
+um ihn nunmehr...
+
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Die Vorigen. Ein Bedienter.
+
+
+Der Bediente (zu Lottchen). Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell. Er
+kömmt von der Post.
+
+Lottchen. Ein Brief von der Post?
+
+Siegmund. Ja, ich habe den Briefträger selbst auf dem Saale stehen
+sehen, ehe ich hereingekommen bin.
+
+Lottchen. Wollen Sie erlauben, meine Herren, daß ich den Brief in
+Ihrer Gegenwart erbrechen darf?
+
+Simon. Ich will indessen meinem lieben Mündel meinen Glückwunsch
+abstatten.
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen (indem sie den Brief für sich gelesen hat). O mein Freund,
+man will mir mein Glück sauermachen. Man beneidet mich, sonst würde
+man Sie nicht verkleinern. Es ist ein boshafter Streich; er ist mir
+aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und
+meiner Liebe geben kann. Ich will Ihnen den Brief lesen. Er besteht,
+wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen. (Sie liest.) »Mamsell, trauen Sie
+Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht. Er ist ein Betrüger. N.
+N.«
+
+Siegmund. Was? Ich ein Betrüger?
+
+Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand). Ich weiß, daß Sie groß genug
+sind, dieses hassenswürdige Wort mit Gelassenheit anzuhören. Es ist
+ein Lobspruch für Sie. Ich verlange einen solchen Betrüger, als Sie
+sind, mein Freund.
+
+Siegmund. Aber wer muß mir diesen boshaften Streich an dem heutigen
+Tage spielen? Wie? Sollte es auch Herr Simon selbst sein? Liebt er
+Sie vielleicht? Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft? Warum ging er, da
+der Brief kam? Soll ich ihm dieses Laster vergeben? Wenn er mir
+meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen hätte: so würde ich ihm für
+diese Demütigung danken; aber daß er mir die Ehre eines guten Herzens
+rauben will, das ist ärger, als wenn er mir Gift hätte geben wollen.
+Ich?... Ich, ein Betrüger? Himmel, bringe es an den Tag, wer ein
+Betrüger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat! Ist das
+der edelgesinnte Vormund?
+
+Lottchen. Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie
+sich. Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte. Es ist
+nicht möglich, daß er eine solche Niederträchtigkeit begehen sollte.
+Sein Charakter ist edel. Wer weiß, was Sie sonst für einen Feind
+haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht
+bekommen hat.
+
+Siegmund. Sie entschuldigen den Vormund noch? Hörten Sie nicht den
+boshaften Ausdruck: Wir wollen wünschen, daß alle Liebhaber so edel
+gesinnt sein mögen als mein Mündel? Ist dieses nicht eine
+unverschämte Anklage wider mich?
+
+Lottchen. Ich sage Ihnen, daß Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch
+einen Augenblick in Verdacht haben. So, wie ich ihn kenne und wie mir
+ihn sein Mündel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein
+Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann.
+
+Siegmund. Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben? Ich habe
+gemerkt, daß er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das
+geringste Wort Achtung gegeben hat. Es kömmt noch ein merkwürdiger
+Umstand dazu. Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon
+triumphieret, daß er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe
+erhalten hätte. Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt;
+aber mir nicht.
+
+Lottchen. Ich beschwöre Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie
+diesen Mann aus dem Verdachte.
+
+Siegmund. Warum hat er mir nicht gesagt, daß man ihm vom Hofe einen
+vornehmen Charakter und eine ungewöhnliche Pension gegeben hat? Was
+sucht er darunter, wenn er nicht mein Unglück bei Ihnen sucht?
+
+Lottchen. Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zärtlichen Liebe zu mir.
+Außerdem würde ich Sie nicht länger anhören. Wir wollen die Sache zu
+unserm Vorteile enden. Ihre Feinde mögen sagen, was sie wollen. Sie
+sind bestraft genug, daß sie Ihren Wert nicht kennen. Und wir können
+uns nicht besser rächen, als daß wir uns nicht die geringste Mühe
+geben, sie zu entdecken. Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen. Ich
+komme in der Gesellschaft meines Vaters und der übrigen gleich wieder
+zu Ihnen, unser Bündnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen.
+
+
+Achter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Das war ein verfluchter Streich! Aber er macht mich nur mutiger.
+Julchen ist verloren... Gut, ist doch Lottchen, ist doch das
+Rittergut mein... Ich bin nicht untreu gewesen. Nein! Ich habe es
+nur sein wollen; aber ich war zu edel, als daß mich's die Umstände
+hätten werden lassen. Aber wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine
+Untreue erfahren? Ich will sie sicher machen.
+
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. »Wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine Untreue erfahren?
+Ich will sie sicher machen.« Der Boshafte! Hörten Sie sein
+Bekenntnis? Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe
+aufführen würde. O hätten wir diese unglückselige Entdeckung doch
+niemals gemacht! Du arme Schwester! Du verbindest dich mit einem
+Menschen, der ein böses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat.
+
+Damis. Ja, es ist ein nichtswürdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt
+habe. Er hat den größten Betrug begangen. Ich bitte ihn heute
+Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, daß er mir Ihre Liebe
+sollte gewinnen helfen. Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater,
+unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden,
+als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten. Ist das mein Freund, dem
+ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermögen angeboten habe?
+
+Julchen. Mich hat er bereden wollen, daß Sie meiner Schwester
+gewogener wären als mir. Nunmehro weiß ich gewiß, daß es keine
+Verstellung gewesen. Aber meine arme Schwester wird es doch denken,
+weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat. Wer soll
+ihr ihren Irrtum entdecken? Wird sie uns hören? Und wenn sie es
+glaubt, überführen wir sie nicht von dem größten Unglücke! Wie dauret
+sie mich!
+
+Damis. Ja. Aber sie muß es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so
+rede ich.
+
+Julchen. Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester!
+Schweigen Sie. Vielleicht... Vielleicht ist er nicht von Natur
+boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft...
+
+Damis. Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist
+er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein
+Mensch, der den andern aus Hunger auf der Straße umbringt. Hat ihn
+die ausnehmende Zärtlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die
+edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft
+erhalten können: so muß es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes
+willen seinen nächsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der
+geringsten Wollust wegen abzuschwören.
+
+Julchen. Aber ach, meine Schwester... Tun Sie es nicht. Ich zittre..
+.
+
+Damis. Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt. Aber
+ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so unglücklich werden lasse, sich mit
+einem Nichtswürdigen zu verbinden: so will ich mein Vermögen, meine
+Ehre und Sie selbst verlieren. Ich gehe und sage ihr alles, und wenn
+sie auch ohne Trost sein sollte. Mein Herr Vormund hat das Billett an
+Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen.
+ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide für zu
+einfältig gehalten, haben seine tückischen Absichten zuerst gemerkt,
+und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut. Dieser haßt und
+sieht die kleinsten Betrügereien.
+
+Julchen. Ist er denn gar nicht zu entschuldigen?
+
+Damis. Nein, sage ich Ihnen. Wir haben alles untersucht. Er ist ein
+Betrüger. (Mit Bitterkeit.) Ich habe in meinem Leben noch kein Tier
+gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen
+durch seine Verstellung unglücklich machen sollte, wollte ich mit
+Freuden umbringen. Was? Wir Männer wollen durch den häßlichsten
+Betrug das Frauenzimmer im Triumph aufführen, das wir durch unsere
+Tugend ehren sollten?
+
+Julchen. Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen?
+
+Damis. Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen. Sie soll ihn fühlen
+lassen, was es heißt, ein edles Herz hintergehn.
+
+Julchen. Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte. Wäre das
+nicht auch großmütig?
+
+Damis. Sie braucht ihn nicht zu verfolgen. Sie kann alle Regungen
+der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen. Er ist ein
+Unmensch.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Die Vorigen. Simon.
+
+
+Simon. Ich stehe die größte Qual aus. Unsere Absicht mit dem Briefe
+schlägt leider fehl. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn
+für unschuldig hält. Sie dringt in ihren Vater, daß er die Verlobung
+beschleunigen soll. Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergißt
+vielleicht in der großen Liebe die Vorsichtigkeit und meine
+Erinnerungen. Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme
+preiszugeben: so will ich's tun.
+
+Damis. Ich tue es auch.
+
+Julchen. Wenn nur meine Schwester käme. Ich wollte... Aber sie
+liebt ihn unaussprechlich. Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich
+auf einmal von ihm trennen soll?
+
+Simon. Es wird viel empfinden. Sie liebt ihn so sehr, als man nur
+lieben kann. Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der
+Liebe wert hält. Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die
+Vernunft, das Gefühl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider
+ihre Liebe empören und sie verdringen. Der Haß wird sich an die
+Stelle der Liebe setzen. Wir müssen alle drei noch einmal mit ihr und
+dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betrügt.
+
+Julchen. Du redliche Schwester! Könnte ich doch dein Unglück durch
+Wehmut mit dir teilen! Wie traurig wird das Ende dieses Tages für
+mich!
+
+Simon. Betrüben Sie sich nicht über den Verlust eines solchen Mannes.
+ Lottchen ist glücklich, wenn sie ihn verliert, und unglücklich, wenn
+sie ihn behält. Herr Damis, haben Sie die Güte und sehen Sie, wie Sie
+Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und
+hieherbringen können.
+
+Damis. Ja, das ist das letzte Mittel.
+
+Simon (zu Damis). Noch ein Wort. Haben Sie die Abschrift des
+Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe?
+
+Damis. Nein, Herr Vormund.
+
+Simon. Sie auch nicht, Mamsell Julchen?
+
+Julchen. Nein.
+
+Simon. Also wissen Sie beide noch nicht, daß die erste Nachricht
+falsch gewesen ist. Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht. Sie sind
+nicht die Erbin des Ritterguts.
+
+Julchen. Wie? Ich bin's nicht? Warum haben Sie mir denn eine
+falsche Freude gemacht? Das ist betrübt. Geht denn heute alles
+unglücklich? Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts? Bin ich nicht mehr
+Ihre Braut? Geht denn das Unglück gleich mit der Liebe an? Ich
+wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen.
+Ich ließ schon die besten Zimmer für sie zurechtemachen. Ach, mein
+Herr, was für Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, daß
+ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und
+Wiesen führte... ! Also habe ich nichts?
+
+Damis. Sie haben so viel, als ich habe. Vergessen Sie die traurige
+Erbschaft. Es wird uns an nichts gebrechen. Mir ist es recht lieb,
+daß Sie das Rittergut nicht bekommen haben. Vielleicht hätte die Welt
+geglaubt, daß ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren
+eigenen Wert gesehen hätte. Und dies soll sie nicht glauben. Sie
+soll meine Braut aus ebender Ursache hochschätzen, aus der ich sie
+verehre und wähle. Führen Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen
+Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnügen machen. Genug, daß
+Sie ein Rittergut verdienen. O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende
+gerissen hätte. Ich werde eher nicht ruhig.
+
+Simon. Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts.
+
+Julchen. Meine Schwester ist es? Meine Schwester? Bald hätte ich
+sie beneidet; aber verwünscht sei diese Regung! Nein! Ich gönne ihr
+alles. (Zu Damis.) Was könnte ich mir noch wünschen, wenn Sie mit
+mir zufrieden sind. Sie soll es haben. Ich gönne ihr alles.
+
+Damis. Auch mich, meine Braut?
+
+Julchen. Ob ich Sie meiner Schwester gönne? Nein, so redlich bin ich
+doch nicht. Es ist keine Tugend; aber... Fragen Sie mich nicht mehr.
+
+Damis. Nein. Ich will Mamsell Lottchen suchen. Die Zärtlichkeit
+soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen.
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Julchen. Simon.
+
+
+Julchen. Ob ich ihn meiner Schwester gönne? Wie könnte sie das von
+mir verlangen? Sie hat ja das Rittergut. Ich liebe sie sehr; aber
+wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befördern soll:
+so fordert sie zu viel. Das ist mir nicht möglich.
+
+Simon. Machen Sie sich keine Sorge. Sie wird es gewiß nicht begehren.
+ Ich muß Ihnen auch sagen, daß sie Ihnen nach dem Testamente
+zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll.
+
+Julchen. Das ist alles gut. Wenn ich nur meiner Schwester ihren
+Liebhaber durch dieses Geld treu machen könnte, wie gern wollte ich's
+ihm geben! Der böse Mensch! Kann er nicht machen, daß ich den Herrn
+Damis verliere, indem er Lottchen verliert? Aber warum läßt der
+Himmel solche Bosheiten zu? Was kann denn ich für seine Untreue? Ich
+bin ja unschuldig.
+
+Simon. Mein Mündel kann niemals aufhören, Sie zu lieben. Verlassen
+Sie sich auf mein Wort. Jungfer Lottchen ist zu beklagen. Aber
+besser ohne Liebe leben, als unglücklich lieben. Wenn sie doch käme!
+
+Julchen. Aber wenn sie nun kömmt? Ich kann ja ihre Ruhe nicht
+herstellen. Ich habe sie herzlich lieb. Aber warum soll denn meine
+Liebe mit der ihrigen leiden? Nein, so großmütig kann ich nicht sein,
+daß ich ihr zuliebe mich und... mich und ihn vergäße. Wenn sie doch
+glücklich wäre! Ich werde recht unruhig. Er sagte, er wollte die
+Zärtlichkeit der Freundschaft nachsetzen. Was heißt dieses?
+
+Simon. Bleiben Sie ruhig. Mein Mündel ist der Ihrige. Sie verdienen
+ihn. Und wenn Sie künftig an seiner Seite die Glückseligkeiten der
+Liebe genießen: so verdanken Sie es der Tugend, daß sie uns durch
+Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht.
+
+
+
+Zwölfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Der Magister.
+
+
+Der Magister. Herr Simon, ich möchte Ihnen gern ein paar Worte
+vertrauen. Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige
+Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtümer für Gewalt über
+das menschliche Herz haben.
+
+Simon. Ich fürchte, daß mir diese unglückliche Entdeckung schon mehr
+als zu bekannt ist.
+
+Der Magister. Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube
+nachgedacht.
+
+Julchen. Können Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist? Tun Sie
+es doch, lieber Herr Magister.
+
+Der Magister. Siegmund muß bestraft werden, damit er gebessert werde.
+
+Simon. Er verdient nicht, daß man ihn anders bestrafe als durch
+Verachtung.
+
+Der Magister. Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden?
+
+Simon. Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern?
+
+Der Magister. Das will ich itzt nicht ausmachen. Aber sagen Sie mir,
+Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, daß
+nur ein Laster ist; oder daß, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer
+Kraft nach zugegen sind? Sehn Sie nur Siegmunden an. Ist er nicht
+recht das Exempel zu diesem Paradoxo?
+
+Simon. Ja, Herr Magister. Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von
+der Liebe zu Siegmunden abbringen? Sie glaubt es ja nicht, daß er
+untreu ist.
+
+Der Magister. Das wird sich schon geben. O wie erstaunt man nicht
+über die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat
+und welche alle mit einem haben! Siegmund wird bei der Gelegenheit
+des Testaments geizig. Ein Laster. Er strebt nach Julchen, damit er
+ihre Reichtümer bekomme. Welcher schändliche Eigennutz! Er wird
+Lottchen untreu und will Julchen untreu machen. Wieder zwei neue
+Verbrechen. Er kann sein erstes Laster nicht ausführen, wenn er nicht
+ein Betrüger und Verräter wird. Also hintergeht er seinen Freund,
+seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die
+Tugend hintergangen hat. Aber alle diese Bosheiten auszuführen, mußte
+er ein Lügner und ein Verleumder werden. Und er ward es. Welche
+unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern? Sollten
+also die Stoiker nicht recht haben?
+
+Simon. Wer zweifelt daran? Herr Magister. Ich glaube es, daß Sie
+die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen. Sie reden
+sehr wahr, sehr gelehrt. Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt,
+und wir danken Ihnen zeitlebens dafür. Aber entdecken Sie nun auch
+das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, daß sie sich nicht mit dem
+untreuen Siegmund verbindet.
+
+Der Magister. Darauf will ich denken. Lottchen ist zu leichtgläubig
+gewesen. Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man
+Ursache hat, ein Mißtrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man
+es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat.
+Wir haben so viele Vernunftlehren. Eine Willenslehre ist ebenso nötig.
+ Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der
+Verstand? So wie der Verstand Grundsätze hat, die sein Wesen
+ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe. Kennt man diese, so
+kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu
+verbessern. Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen
+nicht hundertmal gesagt, daß Siegmund nichts Gründliches in der
+Philosophie weiß? Dies sind die traurigen Früchte davon.
+
+Julchen. Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betrübten
+Sache empfänden als ich, Sie würden diese Frage itzt nicht an mich tun.
+ Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt. Und ich wollte wünschen,
+daß Sie an die Fabel von dem Knaben gedächten, der in das Wasser
+gefallen war. Anstatt daß Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so
+zeigen Sie uns den Ursprung und die Größe derselben. Nehmen Sie meine
+Freiheit nicht übel.
+
+Der Magister. Ich kann Ihnen nichts übelnehmen. Zu einer Beleidigung
+gehört die gehörige Einsicht in die Natur der Beleidigung. Und da
+Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber
+sie sind es nicht.
+
+Simon. Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun?
+
+Der Magister. Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen
+und meinem Bruder kurz und gut sagen, daß ich meine Einwilligung nicht
+darein gebe. Alldann muß die Sache ein ander Aussehn gewinnen.
+
+Simon. Gut, das tun Sie.
+
+
+Dreizehnter Aufzug
+Julchen. Simon.
+
+Julchen. Ich will dem Herrn Magister nachgehen. Er möchte sonst gar
+zu große Händel anrichten. Entdecken Sie Lottchen, wenn sie kömmt,
+die traurige Sache zuerst. Ich will sorgen, daß Sie Siegmund in Ihrer
+Unterredung nicht stört und Ihnen, wenn ich glaube, daß es Zeit ist,
+mit meinem Bräutigame zu Hülfe kommen.
+
+Simon. Ich will als ein redlicher Mann handeln. Und wenn ich mir
+auch den größten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die
+niederträchtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so
+will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen.
+
+
+Vierzehnter Auftritt
+
+Simon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Was ist zu Ihrem Befehle? Haben Sie etwa wegen der
+zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu
+erinnern? Tun Sie nur einen Vorschlag. Ich bin zu allem bereit.
+
+Simon. Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden. Glauben Sie
+wohl, daß mir Ihr Glück lieb ist und daß ich ein ehrlicher Mann bin?
+So unhöflich diese beiden Fragen sind: so muß ich sie doch an Sie tun,
+weil ich sonst in der Gefahr stehe, daß Sie meinen Antrag nicht
+anhören werden.
+
+Lottchen. Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen? Reden Sie frei.
+Ich sage es Ihnen, daß ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich
+meinem Vater schuldig bin. Ich will Ihnen den größten Dank sagen,
+wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die
+Tat zu beweisen. Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit
+überzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Bräutigams. Kann es Ihnen
+nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden?
+
+Simon. Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers.
+
+Lottchen. Will Ihr Herr Mündel etwa das Rittergut gern haben, weil es
+so nahe an der Stadt liegt? Nun errate ich's, warum er itzt gegen den
+guten Siegmund etwas verdrießlich tat. Warum hat er mir's nicht
+gleich gesagt? Er soll es haben und nicht mehr dafür geben, als Sie
+selbst für gut befinden werden. Kommen Sie zur Gesellschaft. Ich
+habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten,
+entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern
+Aufschub das Recht über mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu
+zeigen, daß ich auf keine gemeine Art liebe.
+
+Simon. Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die
+Post bringen helfen.
+
+Lottchen. Ehe wollte ich glauben, daß ihn mein Vater, der mich so
+sehr liebt, geschrieben hätte. Sie scherzen.
+
+Simon. Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die
+Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft. Erschrecken Sie nur,
+und hassen Sie mich. Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es
+nicht aufrichtig mit Ihnen.
+
+Lottchen. Sie wollen gewiß das Vergnügen haben, meine Treue zu
+versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, daß ich nicht
+erschrecken kann.
+
+Simon. Sie glauben, ich scherze? Ich will also deutlicher reden.
+Ihr Liebhaber ist ein Betrüger.
+
+Lottchen (erbittert). Mein Herr, Sie treiben die Sache weit. Wissen
+Sie auch, daß ich für die Treue meines Liebhabers stehe und daß Sie
+mich in ihm beleidigen? Und wenn er auch der Untreue fähig wäre: so
+würde ich doch den, der mich davon überzeugte, ebensosehr hassen als
+den, der sie begangen. Aber ich komme gar in Zorn. Nein, mein Herr,
+ich kenne ja Ihre Großmut. Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiß, als ich
+lebe.
+
+Simon. So gewiß, als ich lebe, ist es mein Ernst. Er ist unwürdig,
+noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden.
+
+Lottchen. Und ich werde ihn ewig lieben.
+
+Simon. Sie kennen ihn nicht.
+
+Lottchen. Besser als Sie, mein Herr.
+
+Simon. Ihre natürliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen
+macht, daß Sie ihn für aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht.
+
+Lottchen. Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand. Ich
+habe Sie und meinen Liebhaber für aufrichtig gehalten. Ich will mich
+betrogen haben. Aber wen soll ich zuerst hassen? Ist Ihnen etwas an
+meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie. Sie verändern mein
+ganzes Herz. Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen;
+aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennützig zu
+handeln. Wäre es Ihrem Charakter nicht gemäßer, mich tugendhaft zu
+erhalten, als daß Sie mich niederträchtig machen wollen? Warum reden
+Sie denn nur heute so?
+
+Simon. Weil ich's erst heute gewiß erfahren habe. Wenn Sie mir nicht
+glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem
+Mündel.
+
+Lottchen. Das ist schrecklich. Haben Sie diese auch auf Ihre Seite
+gezogen?
+
+Simon. Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater. Und
+ehe ich zugebe, daß ein Niederträchtiger Ihr Mann wird, ehe will ich
+mich der größten Gefahr aussetzen. Sie sind viel zu edel, viel zu
+liebenswürdig für ihn.
+
+Lottchen. Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten? Muß er
+nur darum ein Betrüger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswürdig
+bin? Und Sie glauben, daß sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen
+läßt? Nunmehr muß ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen.
+ Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn können.
+
+Simon. Machen Sie mir noch so viele Vorwürfe. Die größten
+Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstoßen, sind nichts als Beweise
+Ihres aufrichtigen Herzens. Die Meinung, in der Sie stehen,
+rechtfertiget sie alle. Und ich würde Sie vielleicht hassen, wenn Sie
+mein Anbringen gelassener angehört hätten. Genug...
+
+Lottchen. Das ist ein neuer Kunstgriff. Mein Herr, Ihre List, wenn
+es eine ist, und sie ist es, sei verwünscht! Wie? Er, den ich wie
+mich liebe?... Sie wollen sich an seine Stelle setzen? Ist es
+möglich?
+
+Simon. Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich
+verschmerzen. Es ist wahr, daß ich Sie ungemein hochachte; aber ich
+habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner
+Niederträchtigkeit zu benehmen. Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus
+nicht mehr zu betreten, solange ich lebe. Und wenn ich durch diese
+Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf
+das entsetzlichste. Nach diesem Schwure schäme ich mich, mehr zu
+reden. (Er geht ab.)
+
+
+
+Funfzehnter Auftritt
+
+Lottchen allein.
+
+
+Gott, was ist das?... Er soll mir untreu sein?... Nimmermehr! Nein!
+ Der Vormund sei ein Betrüger und nicht er. ... Du, redliches Herz!
+Du, mein Freund, um dich will man mich bringen? Warum beweist er
+deine Untreue nicht?
+
+
+
+Sechzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Damis.
+
+
+Lottchen. Kommen Sie mir zu Hülfe. Und wenn sie mein Unglück auch
+alle wollen: so sind doch Sie zu großmütig dazu. Was geht mit meinem
+Bräutigam vor? Sagen Sie mir's aufrichtig.
+
+Damis. Er ist Ihnen untreu.
+
+Lottchen. Auch Sie sind mein Feind geworden? Hat Sie mein Liebhaber
+beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so großmütig und sagen mir
+nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen.
+
+Damis. Mein Herz ist viel zu groß zur Rache.
+
+Lottchen. Aber klein genug zur Undankbarkeit? Hat Ihnen mein
+Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen?
+
+Damis. Wollte der Himmel, er hätte mir ihn nicht erwiesen: so würden
+Sie glücklicher, und er würde nur ein verborgner Verräter sein.
+
+Lottchen. Betrüger! Verräter! Sind das die Namen meines Freundes,
+den ich zwei Jahr kenne und liebe?
+
+Damis. Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so würde ich mit
+mehr Mäßigung vor Ihnen reden. Aber mein Eifer gibt mir für Ihren
+Liebhaber keinen andern Namen ein. Sie, meine Schwester, sind Ihres
+Herzens wegen würdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der
+Mensch, der bei Ihrer Zärtlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen
+der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen,
+eine abscheuliche Seele.
+
+Lottchen. Eine abscheuliche Seele? Wohlan; nun fordere ich Beweise.
+(Heftiger.) Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester,
+noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn können. Und
+ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Geständnis. Ich bin so sehr
+von seiner Tugend überzeugt, daß ich weiß, daß er auch den Gedanken
+der Untreue nicht in sich würde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn
+selbst zu entdecken. Und ich würde ihn wegen seiner gewissenhaften
+Zärtlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben
+könnte.
+
+Damis. Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich
+Ihnen das Herz meiner Braut wieder zurück. Ihnen bin ich's schuldig;
+aber ich mag nicht die größte Wohltat von Ihnen genießen und zugleich
+Ihr Unglück sehn.
+
+Lottchen. Sie müssen mich für sehr wankelmütig halten, wenn Sie
+glauben, daß ich durch bloße Beschuldigungen mich in der Liebe irren
+lasse. Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines
+Bräutigams zu kennen? Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm
+seine Untreue abwesend vor? Rufen Sie ihn hieher. Alsdann sagen Sie
+mir seine Verbrechen. Er ist edler gesinnet als wir alle. Und ich
+will ihn nun lieben.
+
+Damis. Sie haben recht. Ich will ihn selbst suchen.
+
+
+
+Siebenzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Julchen.
+
+
+Lottchen. Er geht? Er untersteht sich, ihn zu rufen? Nun fängt mein
+Herz an zu zittern. (Sie sieht Julchen. Kläglich.) Meine Schwester,
+bist du auch da? Hast du mich noch lieb? (Lottchen umarmt sie.)
+Willst du mir die traurigste Nachricht bringen? O nein! Warum
+schweigst du? Warum kömmt er nicht selbst?
+
+Julchen. Ich bitte dich, höre auf, einen Menschen zu lieben, der...
+
+Lottchen. Er soll schuldig sein; aber muß er gleich meiner Liebe
+unwürdig sein? Nein, meine liebe Schwester. Ach nein, er ist gewiß
+zu entschuldigen. Willst du ihn nicht verteidigen? Vergißt du schon,
+was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat? Warum sollte er mir
+untreu sein, da ich Vermögen habe? Warum ward er's nicht, da ich noch
+keines hatte?
+
+Julchen. Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, daß ich
+die Erbin des Testaments wäre. Ach, liebe Schwester, wie glücklich
+wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen sähe!
+
+Lottchen. So ist es gewiß? (Hart.) Nein! sage ich.
+
+Julchen. Ich habe lange mit mir gestritten. Ich habe ihn in meinem
+Herzen, vor meinem Bräutigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater
+entschuldiget. Ich würde sie aus Liebe zu dir noch alle für betrogne
+Zeugen halten. Aber es ist nicht mehr möglich. Er selbst hat sich
+hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen
+Briefe verlassen hattest. Er war allein. Die Unruhe und sein
+Verbrechen redten aus ihm. Er hörte mich nicht kommen. O hätt' er
+doch ewig geschwiegen!... Ach, meine Schwester!
+
+Lottchen. Meine Schwester, was sagst du mir? Er hat sich selbst
+angeklagt? Er ist untreu? Aber wie könnte ich ihn noch lieben, wenn
+er's wäre? Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiß. Ich habe
+ihm ja die größten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben...
+(Zornig.) Aber was quält ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte?
+Was hat er denn getan? Nichts hat er getan.
+
+Julchen. Er hat mich auf eine betrügerische Art der Liebe zu meinem
+Bräutigam entreißen und sich an seine Stelle setzen wollen. Er hat
+meinen Vater überreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als
+wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest. Er hat ihm geraten, die
+Verlobung noch acht Tage aufzuschieben. Er hat sogar um mich bei ihm
+angehalten.
+
+Lottchen. Wie? Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein
+Herz gebeten? Ihr haßt ihn und mich.
+
+Julchen. Ja, da er gesehen, daß das Testament zu deinem Vorteile
+eingerichtet ist.
+
+Lottchen. Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht
+nach meiner Liebe? Ich Betrogene! Doch es ist unbillig, ihn zu
+verdammen. Ich muß ihn selbst hören. Auch die edelsten Herzen sind
+nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen. (Kläglich.)
+Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung? Mach ihn doch
+unschuldig. Ich will ihn nicht besitzen. Ich will ihn zu meiner Qual
+meiden. Ich will ihm die ganze Erbschaft überlassen, wenn ich nur die
+Zufriedenheit habe, daß er ein redliches Herz hat. O Liebe! ist das
+der Lohn für die Treue?
+
+
+
+Achtzehnter Auftritt
+
+Die Vorigen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Soll ich nunmehr so glücklich sein, Ihr Ja zu erhalten?
+Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben. Sie lieben mich
+doch, großmütige Schöne?
+
+Lottchen. Und Sie lieben mich doch auch?
+
+Siegmund. Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen
+gewiß, daß mein größter und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfüllt
+worden ist.
+
+Lottchen. Aber... meine Schwester... Warum erschrecken Sie?
+
+Siegmund. Ich erschrecke, daß Sie sich nicht besinnen, daß Sie mir
+diese List selbst zugemutet haben. Sollte ich nicht durch eine
+verstellte Liebe Julchens Herz versuchen? Reden Sie, Mamsell Julchen,
+entschuldigen Sie mich.
+
+Julchen. Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht. Bedenken Sie,
+was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube
+zu sich selbst gesagt haben, ohne daß Sie mich sahn. Alles, was ich
+tun kann, ist, daß ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue
+zu vergeben.
+
+Siegmund. Ich soll untreu sein?... Ich (Er gerät in Unordnung.) Ich
+soll der aufrichtigsten Seele untreu sein? Wer? Ich? Gegen Ihren
+Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben? Was sind das für
+schreckliche Geheimnisse?... Sie sehn mich ängstlich an, meine
+Schöne? Wie? Sie lieben mich nicht? Sie lassen sich durch meine
+Widerlegungen nicht bewegen?... Sie hören meine Gründe nicht an?...
+Bin ich nicht unschuldig?... Wer sind meine Feinde?... Ich berufe
+mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel. ... Doch auch
+mich zu entschuldigen könnte ein Zeichen des Verdachtes sein. ...
+Nein, meine Schöne, Sie müssen mir ohne Schwüre glauben. Ich will Sie,
+ ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu
+gewesen bin. Wollen Sie mir noch nicht glauben?
+
+Julchen. Herr Siegmund, Sie schwören?
+
+Lottchen (mit Tränen). Er ist wohl unschuldig.
+
+Siegmund. Ja, das bin ich. Ich liebe Sie. Ich bete Sie an und suche
+meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit. Wollen Sie jene vergrößern:
+so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren,
+den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen. Soll ich das
+Glück noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen?
+
+Lottchen (sie sieht ihn kläglich an). Mich?... als die Ihrige?...
+Ja!
+
+Julchen. Meine Schwester!
+
+Lottchen. Schweig. Herr Siegmund, ich möchte nur noch ein Wort mit
+meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschämen.
+
+Siegmund. Ich will ihn gleich suchen. Soll ich die übrige
+Gesellschaft auch mitbringen? Wir müssen doch die gebräuchlichen
+Zeremonien mit beobachten.
+
+Lottchen. Ja. Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen.
+Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen.
+
+
+
+Neunzehnter Auftritt
+
+Julchen. Lottchen. Cleon.
+
+
+Cleon. Nun, meine Kinder, wenn euch nichts weiter aufhält: so sähe
+ich's gern, wenn ihr die Ringe wechseltet, damit wir uns alsdann Paar
+und Paar zu Tische setzen können. Ei, Lottchen, wer hätte heute früh
+gedacht, daß du auf den Abend mit einem Rittergute zu Bette gehen
+würdest! Der Himmel hat es wohl gemacht. Julchen kriegt einen
+reichen und wackern Mann, weil sie wenig hat. Und du, weil du viel
+hast, machst einen armen Mann glücklich. Das ist schön. Dein
+Siegmund wird schon erkenntlich für deine Treue sein. Er kann einem
+durch seine Worte recht das Herz aus dem Leibe reden. Der ehrliche
+Mann! Wievielmal hat er mir nicht die Hand geküßt! Wie kindlich hat
+er mich nicht um meine Einwilligung gebeten!
+
+Lottchen. Das ist vortrefflich. Nun lebe ich wieder. Lieber Papa,
+hat Herr Siegmund denn heute bei Ihnen um meine Schwester angehalten?
+Das kann ich nicht glauben.
+
+Cleon. So halb und halb hat er's wohl getan. Er mochte etwan denken,
+daß Herr Damis ein Auge auf dich geworfen hätte und daß dir's lieber
+sein würde, einen Mann mit vielem Gelde zu nehmen. Ich war anfangs
+etwas unwillig auf ihn; aber er hat mich schon wieder gutgemacht. Man
+kann sich ja wohl übereilen, wenn man nur wieder zu sich selber kömmt.
+ Da kommen sie alle.
+
+
+
+Zwanzigster Auftritt
+
+Die Vorigen, Siegmund. Simon. Damis. Der Magister.
+
+
+Cleon. Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewünscht
+habe. Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitläuftigen Rede
+aufhalten. Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits
+bekannt. Kurz, meine lieben Töchter, ich erteile euch meinen
+väterlichen Segen und meine Einwilligung. (Er sieht Lottchen weinen.)
+ Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmütig.
+
+Lottchen. Meine Tränen sind Tränen der Liebe. Ich habe also Ihre
+Einwilligung zu meiner Wahl? Ich danke Ihnen recht kindlich dafür.
+
+Simon (zu Lottchen). Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen... Wie?
+
+Damis. Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie...
+
+Lottchen. Was bitten Sie? Wollen Sie Julchen von meinen Händen
+empfangen? (Sie führt sie zu ihm.) Hier ist sie. Ich stifte die
+glücklichste Liebe. Und Sie, Herr Siegmund...
+
+Siegmund. Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommensten Erkenntlichkeit
+an und biete Ihnen diese Hand...
+
+Lottchen. Unwürdiger! Mein Vermögen kann ich Ihnen schenken; aber
+nicht mein Herz. Bitten Sie meinem Vater und der übrigen Gesellschaft,
+ die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niederträchtigkeit ab.
+ Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekümmern, ob Sie
+diese Vergebung verdienen. (Zum Vormunde.) Und Ihnen, mein Herr,
+küsse ich die Hand für Ihre Aufrichtigkeit. Wenn ich jemals mich
+wieder zur Liebe entschließe: so haben Sie das erste Recht auf mein
+Herz. (Zu Siegmunden.) Sie aber werden so billig sein und, ohne sich
+zu verantworten, uns verlassen.
+
+Siegmund. Recht gern. (Indem er geht.) Verflucht ist die Liebe!
+
+Damis. Nicht die Liebe, nur die Untreue. Dies ist ihr Lohn.
+
+Lottchen (sie ruft ihm noch nach). Sie werden morgen durch meine
+Veranstaltung so viel Geld erhalten, daß Sie künftig weniger Ursache
+haben, ein redliches Herz zu hintergehn.
+
+Cleon. Lottchen, was machst du? Ich bin alles zufrieden. Du hast ja
+mehr Einsicht als ich.
+
+Julchen. O liebe Schwester, wie groß ist dein Herz! Gott weiß es,
+daß ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe. O wenn ich dich doch
+so glücklich sähe als mich!
+
+Der Magister. Ich bin ruhig, daß ich das Laster durch mich entdeckt
+und durch sich selbst bestraft sehe. So geht es. Wenn man nicht
+strenge gegen sich selbst ist: so rächen sich unsere Ausschweifungen
+für die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben.
+
+Simon (zu Lottchen). Ich, meine Freundin, würde das Recht, das Sie
+mir künftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn
+ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben hätte, an dieses Glück niemals
+zu denken. Ich bin belohnt genug, daß Sie mich Ihrer nicht für
+unwürdig halten und daß der Untreue bestraft ist.
+
+Lottchen. O Himmel! laß es dem Betrüger nicht übelgehen. Wie
+redlich habe ich ihn geliebt, und wie unglücklich bin ich durch die
+Liebe geworden! Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat
+mich unglücklich gemacht. Bedauern Sie mich.
+
+(Ende des dritten und letzten Aufzugs.)
+
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die zärtlichen Schwestern, von
+Christian Fürchtegott Gellert.
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern, by
+Christian Fuerchtegott Gellert
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***
+
+***** This file should be named 9327-8.txt or 9327-8.zip *****
+This and all associated files of various formats will be found in:
+ http://www.gutenberg.org/9/3/2/9327/
+
+Produced by Delphine Lettau and Gutenberg Projekt-DE
+
+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
+
+Creating the works from public domain print editions means that no
+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
+permission and without paying copyright royalties. Special rules,
+set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
+copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
+protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project
+Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
+charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you
+do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
+rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose
+such as creation of derivative works, reports, performances and
+research. They may be modified and printed and given away--you may do
+practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is
+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
+
+
+
+*** START: FULL LICENSE ***
+
+THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
+PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
+
+To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
+distribution of electronic works, by using or distributing this work
+(or any other work associated in any way with the phrase "Project
+Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
+Gutenberg-tm License available with this file or online at
+ www.gutenberg.org/license.
+
+
+Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
+electronic works
+
+1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
+electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
+and accept all the terms of this license and intellectual property
+(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
+the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
+all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession.
+If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
+Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
+terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
+entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
+
+1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
+used on or associated in any way with an electronic work by people who
+agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
+things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
+even without complying with the full terms of this agreement. See
+paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
+Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
+and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
+works. See paragraph 1.E below.
+
+1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
+or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
+Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the
+collection are in the public domain in the United States. If an
+individual work is in the public domain in the United States and you are
+located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
+copying, distributing, performing, displaying or creating derivative
+works based on the work as long as all references to Project Gutenberg
+are removed. Of course, we hope that you will support the Project
+Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by
+freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
+this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with
+the work. You can easily comply with the terms of this agreement by
+keeping this work in the same format with its attached full Project
+Gutenberg-tm License when you share it without charge with others.
+
+1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
+what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in
+a constant state of change. If you are outside the United States, check
+the laws of your country in addition to the terms of this agreement
+before downloading, copying, displaying, performing, distributing or
+creating derivative works based on this work or any other Project
+Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning
+the copyright status of any work in any country outside the United
+States.
+
+1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:
+
+1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate
+access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently
+whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the
+phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project
+Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
+copied or distributed:
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived
+from the public domain (does not contain a notice indicating that it is
+posted with permission of the copyright holder), the work can be copied
+and distributed to anyone in the United States without paying any fees
+or charges. If you are redistributing or providing access to a work
+with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
+work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1
+through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
+Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or
+1.E.9.
+
+1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
+with the permission of the copyright holder, your use and distribution
+must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
+terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked
+to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the
+permission of the copyright holder found at the beginning of this work.
+
+1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
+License terms from this work, or any files containing a part of this
+work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
+
+1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
+electronic work, or any part of this electronic work, without
+prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
+active links or immediate access to the full terms of the Project
+Gutenberg-tm License.
+
+1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
+compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any
+word processing or hypertext form. However, if you provide access to or
+distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than
+"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version
+posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org),
+you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
+copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
+request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other
+form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm
+License as specified in paragraph 1.E.1.
+
+1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
+performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
+unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
+
+1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
+access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
+that
+
+- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
+ the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
+ you already use to calculate your applicable taxes. The fee is
+ owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
+ has agreed to donate royalties under this paragraph to the
+ Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments
+ must be paid within 60 days following each date on which you
+ prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
+ returns. Royalty payments should be clearly marked as such and
+ sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
+ address specified in Section 4, "Information about donations to
+ the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
+
+- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
+ you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
+ does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
+ License. You must require such a user to return or
+ destroy all copies of the works possessed in a physical medium
+ and discontinue all use of and all access to other copies of
+ Project Gutenberg-tm works.
+
+- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
+ money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
+ electronic work is discovered and reported to you within 90 days
+ of receipt of the work.
+
+- You comply with all other terms of this agreement for free
+ distribution of Project Gutenberg-tm works.
+
+1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
+electronic work or group of works on different terms than are set
+forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
+both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
+Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
+Foundation as set forth in Section 3 below.
+
+1.F.
+
+1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
+effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
+public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
+collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
+works, and the medium on which they may be stored, may contain
+"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
+corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
+property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
+computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
+your equipment.
+
+1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
+of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
+Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
+Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
+liability to you for damages, costs and expenses, including legal
+fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
+LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
+PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
+TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
+LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
+INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
+DAMAGE.
+
+1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
+defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
+receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
+written explanation to the person you received the work from. If you
+received the work on a physical medium, you must return the medium with
+your written explanation. The person or entity that provided you with
+the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
+refund. If you received the work electronically, the person or entity
+providing it to you may choose to give you a second opportunity to
+receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy
+is also defective, you may demand a refund in writing without further
+opportunities to fix the problem.
+
+1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
+in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
+WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
+
+1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
+warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
+If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
+law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
+interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
+the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any
+provision of this agreement shall not void the remaining provisions.
+
+1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
+trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
+providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
+with this agreement, and any volunteers associated with the production,
+promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
+harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
+that arise directly or indirectly from any of the following which you do
+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
+
+
+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit www.gutenberg.org/donate
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
diff --git a/9327-8.zip b/9327-8.zip
new file mode 100644
index 0000000..8988743
--- /dev/null
+++ b/9327-8.zip
Binary files differ
diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt
new file mode 100644
index 0000000..6312041
--- /dev/null
+++ b/LICENSE.txt
@@ -0,0 +1,11 @@
+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
+
+Procedures for determining public domain status are described in
+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
+
+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
+this eBook outside of the United States should confirm copyright
+status under the laws that apply to them.
diff --git a/README.md b/README.md
new file mode 100644
index 0000000..646f72c
--- /dev/null
+++ b/README.md
@@ -0,0 +1,2 @@
+Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for
+eBook #9327 (https://www.gutenberg.org/ebooks/9327)
diff --git a/old/7zsch10.txt b/old/7zsch10.txt
new file mode 100644
index 0000000..ca39c12
--- /dev/null
+++ b/old/7zsch10.txt
@@ -0,0 +1,3741 @@
+The Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern
+by Christian Fuerchtegott Gellert
+
+Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
+copyright laws for your country before downloading or redistributing
+this or any other Project Gutenberg eBook.
+
+This header should be the first thing seen when viewing this Project
+Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the
+header without written permission.
+
+Please read the "legal small print," and other information about the
+eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is
+important information about your specific rights and restrictions in
+how the file may be used. You can also find out about how to make a
+donation to Project Gutenberg, and how to get involved.
+
+
+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
+
+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
+
+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
+
+
+Title: Die zaertlichen Schwestern
+
+Author: Christian Fuerchtegott Gellert
+
+Release Date: November, 2005 [EBook #9327]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on September 22, 2003]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ASCII
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+
+
+
+This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
+That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
+
+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
+zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
+
+
+
+
+Die zaertlichen Schwestern
+
+Christian Fuerchtegott Gellert
+
+Ein Lustspiel von drei Aufzuegen
+
+
+
+Personen:
+
+Cleon
+Der Magister, sein Bruder
+Lottchen, Cleons aelteste Tochter
+Julchen, dessen juengste Tochter
+Siegmund, Lottchens Liebhaber
+Damis, Julchens Liebhaber
+Simon, Damis' Vormund
+
+
+
+
+Erster Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Cleon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Lieber Papa, Herr Damis ist da. Der Tee ist schon in dem
+Garten, wenn Sie so gut sein und hinuntergehen wollen?
+
+Cleon. Wo ist Herr Damis?
+
+Lottchen. Er redt mit Julchen.
+
+Cleon. Meine Tochter, ist dir's auch zuwider, dass ich den Herrn Damis
+auf eine Tasse Tee zu mir gebeten habe? Du merkst doch wohl seine
+Absicht. Geht dir's auch nahe? Du gutes Kind, du dauerst mich.
+Freilich bist du aelter als deine Schwester und solltest also auch eher
+einen Mann kriegen. Aber...
+
+Lottchen. Papa, warum bedauern Sie mich? Muss ich denn notwendig eher
+heiraten als Julchen? Es ist wahr, ich bin etliche Jahre aelter; aber
+Julchen ist auch weit schoener als ich. Ein Mann, der so vernuenftig,
+so reich und so galant ist als Herr Damis und doch ein armes
+Frauenzimmer heiratet, kann in seiner Wahl mit Recht auf diejenige
+sehen, die die meisten Annehmlichkeiten hat. Ich mache mir eine Ehre
+daraus, mich an dem guenstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig
+zu vergnuegen und mit dem meinigen zufrieden zu sein.
+
+Cleon. Kind, wenn das alles dein Ernst ist: so verdienst du zehn
+Maenner. Du redst fast so klug als mein Bruder und hast doch nicht
+studiert.
+
+Lottchen. Loben Sie mich nicht, Papa. Ich bin mir in meinen Augen so
+geringe, dass ich sogar das Lob eines Vaters fuer eine Schmeichelei
+halten muss.
+
+Cleon. Nun, nun, ich muss wissen, was an dir ist. Du hast ein Herz,
+dessen sich die Tugend selbst nicht schaemen duerfte. Hoere nur...
+
+Lottchen. Oh, mein Gott, wie demuetigen Sie mich! Ein Lobspruch, den
+ich mir wegen meiner Groesse nicht zueignen kann, tut mir weher als ein
+verdienter Verweis.
+
+Cleon. So bin ich nicht gesinnt. Ich halte viel auf ein billiges Lob,
+ und ich weigere mich keinen Augenblick, es anzunehmen, wenn ich's
+verdiene. Das Lob ist ein Lohn der Tugend, und den verdienten Lohn
+muss man annehmen. Hoere nur, du bist verstaendiger als deine Schwester,
+wenn jene gleich schoener ist. Rede ihr doch zu, dass sie ihren
+Eigensinn fahrenlaesst und sich endlich zu einem festen Buendnisse mit
+dem Herrn Damis entschliesst, ehe ich als Vater ein Machtwort rede.
+Ich weiss nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freiheit in
+den Kopf gesetzet hat.
+
+Lottchen. Mich deucht, Herr Damis ist Julchen nicht zuwider. Und ich
+hoffe, dass er ihren kleinen Eigensinn leicht in eine bestaendige Liebe
+verwandeln kann. Ich will ihm dazu behuelflich sein.
+
+Cleon. Ja, tue es, meine Goldtochter. Sage Julchen, dass ich nicht
+ruhig sterben wuerde, wenn ich sie nicht bei meinem Leben versorgt
+wuesste.
+
+Lottchen. Nein, lieber Papa, solche Bewegungsgruende zur Ehe sind wohl
+nicht viel besser als die Zwangsmittel. Julchen hat Ursachen genug in
+ihrem eigenen Herzen und in dem Werte ihres Geliebten, die sie zur
+Liebe bewegen koennen; diese will ich wider ihren Eigensinn erregen und
+sie durch sich selbst und durch ihren Liebhaber besiegt werden lassen.
+
+Cleon. Gut, wie du denkst. Nur nicht gar zu lange nachgesonnen.
+Ruehme den Herrn Damis. Sage Julchen, dass er funfzigtausend Taler
+bares Geld haette und... Arme Tochter! es mag dir wohl weh tun, dass
+deine Schwester so reich heiratet. Je nun, du bist freilich nicht die
+Schoenste; aber der Himmel wird dich schon versorgen. Betruebe dich
+nicht.
+
+Lottchen. Der Himmel weiss, dass ich bloss deswegen betruebt bin, weil
+Sie mein Herz fuer so niedrig halten, dass es meiner Schwester ihr Glueck
+nicht goennen sollte. Dazu gehoert ja gar keine Tugend, einer Person
+etwas zu goennen, fuer welche das Blut in mir spricht. Kommen Sie, Papa,
+ der Tee moechte kalt werden.
+
+Cleon. Du brichst mit Fleiss ab, weil du dich fuehlst. Sei gutes Muts,
+mein Kind. Ich kann dir freilich nichts mitgeben. Aber solange ich
+lebe, will ich alles an dich wagen. Nimm dir wieder einen
+Sprachmeister, einen Zeichenmeister, einen Klaviermeister und alles an.
+ Ich bezahle, und wenn mich der Monat funfzig Taler kaeme. Du bist es
+wert. Und hoere nur, dein Siegmund, dein guter Freund, oder wenn du es
+lieber hoerst, dein Liebhaber, ist freilich durch den ungluecklichen
+Prozess seines seligen Vaters um sein Vermoegen gekommen; aber er hat
+etwas gelernt und wird sein Glueck und das deine gewiss machen.
+
+Lottchen. Ach lieber Papa, Herr Siegmund ist mir itzt noch ebenso
+schaetzbar als vor einem Jahre, da er viel Vermoegen hatte. Ich weiss,
+dass Sie unsere Liebe billigen. Ich will fuer die Verdienste einer Frau
+sorgen, er wird schon auf die Ruhe derselben bedacht sein. Er hat so
+viel Vorzuege in meinen Augen, dass er sich keine Untreue von mir
+befuerchten darf, und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand
+warten sollte. Wollen Sie mir eine Bitte erlauben: so lassen Sie ihn
+heute mit uns speisen.
+
+Cleon. Gutes Kind, du wirst doch denken, dass ich ihn zu deinem
+Vergnuegen habe herbitten lassen. Er wird nicht lange sein.
+
+(Siegmund tritt herein, ohne dass ihn Lottchen gewahr wird.)
+
+Lottchen. Wenn ihn der Bediente nur auch angetroffen hat. Ich will
+selber ein paar Zeilen an ihn schreiben. Ich kann ihm und mir keine
+groessere Freude machen. Er wird gewiss kommen und den groessten Anteil an
+Julchens Gluecke nehmen. Er hat das redlichste und zaertlichste Herz.
+Vergeben Sie mir's, dass ich so viel von ihm rede.
+
+Cleon. Also hast du ihn recht herzlich lieb?
+
+Lottchen. Ja, Papa, so lieb, dass, wenn ich die Wahl haette, ob ich ihn
+mit einem geringen Auskommen oder den Vornehmsten mit allem Ueberflusse
+zum Manne haben wollte, ich ihn allemal waehlen wuerde.
+
+Cleon. Ist's moeglich? Haette ich doch nicht gedacht, dass du so
+verliebt waerest.
+
+Lottchen. Zaertlich, wollen Sie sagen. Ich wuerde unruhig sein, wenn
+ich nicht so zaertlich liebte, denn dies ist es alles, wodurch ich die
+Zuneigung belohnen kann, die mir Herr Siegmund vor so vielen andern
+Frauenzimmern geschenkt hat. Bedenken Sie nur, ich bin nicht schoen,
+nicht reich, ich habe sonst keine Vorzuege als meine Unschuld, und er
+liebt mich doch so vollkommen, als wenn ich die liebenswuerdigste
+Person von der Welt waere.
+
+Cleon. Aber sagst du's ihm denn selbst, dass du ihn so ausnehmend
+liebst?
+
+Lottchen. Nein, so deutlich habe ich es ihm nie gesagt. Er ist so
+bescheiden, dass er kein ordentliches Bekenntnis der Liebe von mir
+verlangt. Und ich habe tausendmal gewuenscht, dass er mich noetigen
+moechte, ihm eine Liebe zu entdecken, die er so sehr verdienet.
+
+Cleon. Du wirst diesen Wunsch bald erfuellt sehen. Siehe dich um,
+mein liebes Lottchen.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Cleon. Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen. Wie? Sie haben mich reden hoeren?
+
+Siegmund. Vergeben Sie mir, mein liebes Lottchen. Ich habe in meinem
+Leben nichts Vorteilhafters fuer mich gehoert. Ich bin vor Vergnuegen
+ganz trunken, und ich weiss meine Verwegenheit mit nichts als mit
+meiner Liebe zu entschuldigen.
+
+Lottchen. Eine bessere Fuersprecherin haetten Sie nicht finden koennen.
+Haben Sie alles gehoert? Ich habe es nicht gewusst, dass Sie zugegen
+waeren; um desto aufrichtiger ist mein Bekenntnis. Aber wenn ich ja
+auf den Antrieb meines Papas einen Fehler habe begehen sollen: so will
+ich ihn nunmehr fuer mich allein begehen: Ich liebe Sie. Sind Sie mit
+dieser Ausschweifung zufrieden?
+
+Siegmund. Liebstes Lottchen, meine Bestuerzung mag Ihnen ein Beweis
+von der Empfindung meines Herzens sein. Sie lieben mich? Sie sagen
+mir's in der Gegenwart Ihres Papas? Sie? mein Lottchen! Verdiene
+ich dies? Soll ich Ihnen antworten? und wie? O lassen Sie mich
+gehen und zu mir selber kommen.
+
+Cleon. Sie sind ganz bestuerzt, Herr Siegmund. Vielleicht tut Ihnen
+meine Gegenwart einigen Zwang an. Lebt wohl, meine Kinder, und sorgt
+fuer Julchen. Ich will mit dem Herrn Damis reden.
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, dass ich so viel zu
+meinem Vorteile gehoert habe?
+
+Lottchen. Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hoeren gewuenscht haben.
+
+Siegmund. Gewuenscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so
+viele Zaertlichkeit?
+
+Lottchen. Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie
+ihrer weit mehr.
+
+Siegmund. Nein, ich verdiene Ihr Herz noch nicht; allein ich will
+mich zeitlebens bemuehen, Sie zu ueberfuehren, dass Sie es keinem
+Unwuerdigen geschenkt haben. Wie edel gesinnt ist Ihre Seele! Ich
+verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermoegen, und mein Unglueck hat
+mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen. Sie haben
+Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust
+meines Gluecks ertraeglich gemacht, Diese standhafte Zaertlichkeit ist
+ein Ruhm fuer Sie, den nur ein erhabenes Herz zu schaetzen weiss. Und
+ich wuerde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals
+aufhoeren koennte, Sie zu lieben.
+
+Lottchen. Ich habe einen Fehler begangen, dass ich Sie so viel zu
+meinem Ruhme habe sagen lassen. Aber Ihr Beifall ist mir gar zu
+kostbar, als dass ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnuegen anhoeren
+sollte. Sie koennen es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein
+redliches Herz habe. Welche Zufriedenheit ist es fuer mich, dass ich
+ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnuegten Tage und Stunden
+zuruecksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend
+zugebracht habe!
+
+Siegmund. Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schoene?
+O warum kann ich Sie nicht gluecklich machen! Welche Wollust muesste es
+sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die blosse
+Vorstellung davon schon so viel Vergnuegen gibt! Ach, liebstes Kind,
+Julchen wird gluecklicher, weit gluecklicher als Sie, und...
+
+Lottchen. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie
+beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht
+gluecklicher, als ich bin. Sie habe ihrem kuenftigen Braeutigam noch
+soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch
+Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zaertlich, ruhig und mit der
+ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Glueck: so muss gar keins
+in der Welt sein. Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu
+Julchens Gluecke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiss
+es nicht, dass sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, dass
+der praechtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumtraegt,
+nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die
+verdruessliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat,
+umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben.
+
+Siegmund. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne
+Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht
+liebenswuerdige Frau werden.
+
+Lottchen. Hoeren Sie nur. Doch hier koemmt Herr Damis.
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Die Vorigen. Damis.
+
+
+Lottchen. Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis.
+
+Damis. Ich habe Ursache dazu. Anstatt, dass ich glaubte, Julchen
+heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, dass noch ganze Jahre zu
+diesem Gluecke noetig sind. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage,
+desto unempfindlicher wird sie. Und je mehr sie sieht, dass meine
+Absichten ernstlich sind, desto mehr missfallen sie ihr. Ich
+Ungluecklicher! Wie gut waere es fuer mich, wenn ich Julchen weniger
+liebte!
+
+Lottchen. Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein. Es
+ist nichts als Liebe. Eben weil sie fuehlt, dass ihr Herz ueberwunden
+ist: so wendet sie noch die letzte Bemuehung an, der Liebe den Sieg
+sauer zu machen. Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, dass
+sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht.
+
+Damis. Wenn sie es aber nicht sehen will?
+
+Lottchen. Wir muessen sie ueberraschen und sie, ohne dass sie es
+vermutet, dazu noetigen. Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr
+Brauttag. Glueckt es uns heute nicht: so wird es ein andermal gluecken.
+ Es koemmt bloss darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag
+wollen gefallen lassen.
+
+Siegmund. Wenn ich zu des Herrn Damis Gluecke etwas beitragen kann,
+mit Freuden.
+
+Damis. Ich weiss, dass Sie beide grossmuetig genug darzu sind. Und mir
+wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht fuer Julchen
+wagen sollte.
+
+Lottchen. Mein Herr Damis, veraendern Sie die Sprache bei Julchen
+etwas. Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der
+Freiheit recht zu geben. Diese Uebereinstimmung wird ihr anfangs
+gefallen und sie sicher machen. Sie wird denken, als ob sie Ihnen
+deswegen erst gewogen wuerde, da sie es doch lange aus weit schoenern
+Ursachen gewesen ist. Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr
+ganzes Herz sehen lassen.
+
+Damis. Wollte der Himmel, dass Ihr Rat seine Wirkung taete. Wie
+gluecklich wollte ich mich schaetzen!
+
+Lottchen (zu Siegmunden). Und Sie muessen dem Herrn Damis zum Besten
+einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen zaertlich stellen.
+Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen. Sie wird boese auf Sie
+werden. Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis
+hervorbrechen. Tun Sie es auf meine Verantwortung.
+
+Siegmund. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden.
+
+
+Fuenfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Julchen.
+
+
+Julchen. Da sind Sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen,
+wo Sie waeren, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen. (Sie will
+wieder gehn.)
+
+Lottchen. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weisst du
+eine bessere Gesellschaft als die unsrige?
+
+Julchen. Ach nein, meine Schwester. Aber wo Ihr und Herr Siegmund
+seid, da wird gewiss von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute
+keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen.
+
+Lottchen. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den
+Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, dass du ihm diese Ehre
+nicht auch erweisest?
+
+Julchen. Herr Damis ist so guetig gewesen und hat mir versprochen,
+lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig,
+als dass er mir sein Wort nicht halten sollte.
+
+Damis. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich
+verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben
+Sie mir, dass ich meine Zaertlichkeit in Hochachtung verwandeln darf.
+Die Liebe koennen Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung
+koemmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun
+Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber.
+Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein?
+
+Julchen. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde
+und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu
+vergnuegen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu
+fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will
+ich ganze Tage mit Ihnen umgehen.
+
+Lottchen. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten
+sind wir nichts nuetze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespraech von der
+Freundschaft hoeren oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen.
+
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich wuerde
+es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte. Es kann
+sein, dass die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und
+eingeschraenkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und
+wenn er noch so gross waere. Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner
+Schwester. Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener.
+
+Damis. Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und
+ich halte mein Wort. Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser.
+
+Julchen. Ja. Die Freundschaft ist das frohe Vergnuegen der Menschen
+und die Liebe das traurige. Man will einander recht geniessen, darum
+liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden. Habe ich
+nicht recht, Herr Damis?
+
+Damis. Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr
+erwaehnen. Sie moechten mir sonst dabei einfallen. Und wie wuerde es
+alsdann um mein Versprechen stehen?
+
+Julchen. Sie koennten es vielleicht fuer einen Eigensinn, oder ich weiss
+selbst nicht fuer was fuer ein Anzeichen halten, dass ich die Liebe so
+fliehe. Aber nein. Ich sage es Ihnen, es gehoert zu meiner Ruhe, ohne
+Liebe zu sein. Lassen Sie mir doch diese Freiheit. Muss man denn
+diese traurige Plage fuehlen? Nein, meine Schwester irrt: es geht an,
+sie nicht zu empfinden. Ich sehe es an mir. Aber warum schweigen Sie
+so stille? Ich rede ja fast ganz allein. Sie sind verdriesslich? O
+wie gut ist's, dass Sie nicht mehr mein Liebhaber sind! Sonst haette
+ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdriesslich zu werden.
+
+Damis. O nein, ich bin gar nicht verdriesslich.
+
+Julchen. Und wenn Sie es auch waeren, und zwar deswegen, weil ich
+nicht mehr von der Liebe reden will: so wuerde mir doch dieses gar
+nicht nahegehen. Es ist mir nicht lieb, dass ich Sie so verdriesslich
+sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich darueber gar nicht unruhig.
+ O nein! Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden. Sie koennen ja
+etwas zu ueberlegen haben. Ich argwohne gar nichts. Ich mag es auch
+nicht wissen... Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen
+Freund vor. Wenn bin ich Ihnen denn so gleichgueltig geworden?
+
+Damis. Nehmen Sie es nicht uebel, meine schoene Freundin, dass ich
+einige Augenblicke ganz fuehllos geschienen habe. Ich habe, um Ihren
+Befehl zu erfuellen, die letzten Bemuehungen angewandt, die aengstlichen
+Regungen der Liebe voellig zu ersticken und den Charakter eines
+aufrichtigen Freundes anzunehmen. Die Vernunft hat nunmehr ueber mein
+Herz gesiegt. Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem
+Werte zu danken hatte. Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit
+schoen und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket
+worden ist. Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun;
+ aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in
+den vorigen Charakter verfalle. Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach,
+sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie schaetze, meine englische
+Freundin!
+
+Julchen. Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder? Darf man in
+der Freundschaft einander auch nicht ansehen?
+
+Damis. Es gehoert zu meinem Siege. Wer kann Sie sehen und Sie doch
+nicht lieben?
+
+Julchen. Sagten Sie mir nicht wieder, dass Sie mich liebten? O das
+ist traurig! Ich werde ueber Ihr Bezeigen recht unruhig. Einmal reden
+Sie so verliebt, dass man erschrickt, und das andere Mal so
+gleichgueltig, als wenn Sie mich zum ersten Male saehen. Nein,
+schweifen Sie doch nicht aus. Sie widersprechen mir ja stets. Ist
+dies die Eigenschaft eines guten Freundes? Wir brauchen ja nicht zu
+lieben. Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe?
+
+Damis. O es gehoert weit mehr Staerke des Geistes zu der Freiheit als
+zu der Liebe.
+
+Julchen. Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn fuer uebel, dass
+ich die Freiheit hochschaetze, dass ich statt eines Liebhabers lieber
+zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges
+Vergnuegen haben will? Sind denn meine Gruende so schlecht, dass ich
+darueber Ihre Hochachtung verlieren sollte? Tun Sie den Ausspruch, ob
+ich bloss aus Eigensinn rede. (Damis sieht sie zaertlich an.) Aber
+warum sehen Sie mich so aengstlich an, als ob Sie mich bedauerten? Was
+wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen? Ich kann mich gar
+nicht mehr in Ihr Bezeigen finden. Sie scheinen mir das Amt eines
+Aufsehers und nicht eines Freundes ueber sich genommen zu haben. Warum
+geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte?
+Mein Herr, ich wollte, dass Sie nunmehr...
+
+Damis. Dass Sie gingen, wollten Sie sagen. Auch diesen Befehl nehme
+ich an, so sauer er mir auch wird. Sie moegen mich nun noch so sehr
+hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie ueber mein
+Schicksal beklagen. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.
+
+Julchen. Hassen? Wenn habe ich denn gesagt, dass ich Sie hasse? Ich
+verstehe diese Sprache. Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen
+Sie mich hassen. Dies ist sehr grossmuetig. Das sind die Fruechte der
+beruehmten Zaertlichkeit. Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit
+kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu
+mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Das
+ist ja eine rechte Hofsprache.
+
+Damis. Es ist die Sprache der Ehrerbietung. (Er geht ab.)
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Julchen allein.
+
+
+Wie? Er geht? Aber warum bin ich so unruhig? Ich liebe ihn ja nicht.
+.. Nein, ich bin ihm nur gewogen. Es ist doch ein unertraeglicher
+Stolz, dass er mich verlaesst. Aber habe ich ihn etwan beleidiget? Er
+ist ja sonst so vernuenftig und so grossmuetig... Nein, nein, er liebt
+mich nicht. Es muss Verstellung gewesen sein. Ich habe heute ein
+recht muerrisches Wesen. (Lottchen tritt unvermerkt herein.) Wenn ich
+nur meine Laute hier haette, ich wollte...
+
+
+
+Achter Auftritt
+
+Julchen. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst. Aber,
+mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden? Es ist ja sonst deine
+Art nicht, dass du mit der Einsamkeit sprichst?
+
+Julchen. Wenn haette ich denn mit mir allein geredet? Ich weiss nicht,
+dass ich heute allen so verdaechtig vorkomme.
+
+Lottchen. Aber woher wuesste ich's, dass du die Laute haettest haben
+wollen, wenn du nicht geredt haettest? Mich hast du nicht gesehen,
+liebes Kind, und also musst du wohl mit dir selbst geredt haben. Ich
+daechte es wenigstens, oder bist du anderer Meinung?
+
+Julchen. Ihr muesst euch alle beredt haben, mir zu widersprechen.
+
+Lottchen. Wieso? Ich habe dir nicht widersprochen. Und wenn es Herr
+Damis getan hat, so kann ich nichts dafuer. Warum ziehst du deine
+guten Freunde nicht besser? Er sagte mir im Vorbeigehen, du waerest
+recht boese geworden, weil er es etliche Mal versehen und wider sein
+Versprechen an die Liebe gedacht haette.
+
+Julchen. Schwester, ich glaube, Ihr kommt, um Rechenschaft von mir zu
+fordern. Ihr hoert es ja, dass ich mich nicht zur Liebe zwingen lasse.
+
+Lottchen. Recht, Julchen, wenn dir Herr Damis zuwider ist: so bitte
+ich dich selber, liebe ihn nicht.
+
+Julchen. Was das fuer ein weiser Spruch ist! Wenn er dir zuwider ist..
+. Muss man denn einander hassen, wenn man nicht lieben will? Ich habe
+ja noch nicht gefragt, ob dir dein Herr Siegmund zuwider ist.
+
+Lottchen. Nein, du hast mich noch nicht gefragt. Aber wenn du mich
+fragen solltest, so wuerde ich dir antworten, dass ich ihn recht
+zaertlich, recht von Herzen liebe und mich meiner Zaertlichkeit nicht
+einen Augenblick schaeme. Es gehoert weit mehr Hoheit des Gemuets dazu,
+die Liebe vernuenftig zu fuehlen, als die Freiheit zu behaupten.
+
+Julchen. Ich moechte vor Verdruss vergehen. Herr Damis hat gleich
+vorhin das Gegenteil behauptet. Wem soll man nun glauben? Nehmt
+mir's nicht uebel, meine Schwester, ich weiss, dass Ihr mehr Einsicht
+habt als ich; aber erlaubt mir, dass ich meinen Einfall dem Eurigen
+vorziehe. Und warum kann Herr Damis nicht so gut recht haben als Ihr?
+ Ihr habt ja immer gesagt, dass er ein vernuenftiger und artiger Mann
+waere.
+
+Lottchen. Das Beiwort artig haette nicht eben notwendig zu unserer
+Streitfrage gehoert; aber vielleicht gehoert diese Vorstellung sonst in
+die Reihe deiner Empfindungen. Herr Damis ist ganz gewiss verstaendiger
+als ich; aber er ist auch ein Mensch wie ich; und der beste Verstand
+hat seine schwache Seite.
+
+Julchen. Lottchen, also seid Ihr hiehergekommen, um mir zu
+demonstrieren, dass Herr Damis ein Mensch und kein Engel am Verstande
+ist? Das glaube ich. Aber, mein liebes Lottchen, Eure Spoettereien
+sind mir sehr ertraeglich. Ich koennte Euch leicht die Antwort
+zurueckgeben, dass Euer Herr Siegmund auch unter die armen Sterblichen
+gehoerte; aber ich will es nicht tun. Ihr wuerdet nur denken, dass ich
+aus Eigensinn den Herrn Damis verteidigen wollte. Nein, er soll nicht
+den groessten Verstand haben; er soll nicht so galant, nicht so
+liebenswuerdig sein als Euer Siegmund. So habe ich noch eine Ursache
+mehr, meine Freiheit zu behaupten und ihn nicht zu lieben.
+
+Lottchen. Mein liebes Kind, du koemmst recht in die Hitze. Du
+schmaelst auf mich und meinen Geliebten, und ich bleibe dir doch gut.
+Man kann dich nicht hassen. Du traegst dein gutes Herz in den Augen
+und auf der Zunge, ohne dass du daran denkst. Du bist meine liebe
+schoene Schwester. Deine kleinen Fehler sind fast ebenso gut als
+Schoenheiten. Wenigstens kann man sie nicht begehen, wenn man nicht so
+aufrichtig ist, wie du bist. Kind, ich habe diese Nacht einen
+merkwuerdigen Traum von einer jungen angenehmen Braut gehabt und ich...
+
+Julchen. Ich bitte dich, liebe Schwester, lass mich allein. Ich bin
+verdriesslich, recht sehr verdriesslich, und ich werde es nur mehr, je
+mehr ich rede.
+
+Lottchen. Bist du etwan darueber verdriesslich, dass ich in der
+Heftigkeit ein Wort wider den Herrn Damis...?
+
+Julchen. O warum denkst du wieder an ihn? Willst du mich noch mehr
+zu Fehlern bringen? Lass ihm doch seinen schwachen Verstand und mir
+meinen verdriesslichen Geist und das Glueck, einige Augenblicke allein
+zu sein. Die aeltern Schwestern haben doch immer etwas an den juengern
+auszusetzen.
+
+Lottchen. Ich hoere es wohl, ich soll gehen. Gut. Komm bald nach,
+sonst musst du wieder mit dir allein reden.
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen. Ist es nicht moeglich, dass ich allein sein kann? Muessen Sie
+mich notwendig stoeren? Herr Magister! Sagen Sie mir's nur kurz, was
+zu Ihren Diensten ist.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen ueberlegen.
+Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht
+ungeschickt dazu. Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand fuer
+eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist.
+
+Julchen. Ja, das weiss ich. Demungeachtet wollte ich wuenschen, dass
+ich heute gar keinen haette; vielleicht waere ich ruhiger.
+
+Der Magister. Sie uebereilen sich. Wer wuerde uns das Wahre von dem
+Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen? Wer
+wuerde unsern Willen zu festen und gluecklichen Entschliessungen bringen,
+wenn es nicht der Verstand taete? Und wuerden Sie wohl so liebenswuerdig
+geworden sein, wenn Sie nicht immer verstaendig gewesen waeren?
+
+Julchen. Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube.
+Was quaelen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit? Ich mag ja nicht so
+weise sein als Sie. Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so
+viel Geschicklichkeit besitze.
+
+Der Magister. Zu eben der Zeit, da Sie wuenschen, dass sie keine
+Vernunft haben moechten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, dass
+Sie ihrer sehr viel haben. Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen.
+ Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche.
+Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Gluecke tun. Es scheint aber
+nicht, dass Sie dazu entschlossen sind. Gleichwohl wuenscht es Ihr Herr
+Vater herzlich. Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine
+Vorstellungen zu tun. Und ich wuenschte, dass Sie solche anhoeren und
+mir Einwuerfe dagegen machen moechten. Dies kann ich, so alt ich bin,
+doch wohl leiden. Die Liebe ist eine der schoensten, aber auch der
+gefaehrlichsten Leidenschaften. Sie raecht sich an uns, wenn wir sie
+verschmaehen; und sie raecht sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame
+uebereilen.
+
+Julchen. Sie sind etwas weitlaeuftig in Ihren Vorstellungen. Allein,
+Sie sollen ohne Einwurf recht haben. Lassen Sie mich nur in Ruhe.
+Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gruenden als eine
+Philosophie. Dennoch ist er noch immer stark genug fuer mein Herz
+gewesen.
+
+Der Magister. Wissen Sie nicht, dass uns unsere Leidenschaften am
+ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen? Das Herz der
+Menschen ist der groesste Betrueger. Und der Kluegste weiss oft selbst
+nicht, was in ihm vorgeht. Wir lieben und werden es zuweilen nicht
+eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden. Dieses alles
+sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage. Nein, weil es die groessten
+Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca
+und viele von den neuern Philosophen gesagt haben.
+
+Julchen. Ich kenne alle diese Maenner nicht und verlange sie auch
+nicht zu kennen. Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie
+behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, dass man ein unruhiges
+Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll. Und
+ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heissen, so viel
+Einsicht und Hoeflichkeit zu, dass sie Sie bitten wuerden, mich zu
+verlassen, wenn sie zugegen waeren. Sobald ich die Leidenschaften und
+insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre
+Philosophie um Beistand ansprechen.
+
+Der Magister. Ihre Aufrichtigkeit gefaellt mir, ob sie mir gleich zu
+widersprechen scheint. Aber ich wuerde mich fuer sehr unphilosophisch
+halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhoeren koennte. Sie
+sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind
+unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch
+Ueberlegung zu daempfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt
+der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich
+wollte wuenschen, dass Sie ein anschauendes Erkenntnis davon haetten.
+Wenn man die Ursache eines moralischen Uebels weiss: so weiss man auch
+das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede
+begreiflich, und ich wollte, dass ich noch deutlicher reden koennte.
+
+Julchen. Ich setze nicht das geringste Misstrauen weder in Ihre
+Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdriesslich.
+ Ich weiss nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht
+wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig.
+
+Der Magister. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der
+Wahrheit nachgedacht haetten als ich: so wuerden Sie vielleicht ebenso
+helle denken. Unterdruecken Sie Ihre Unruhe und ueberlegen Sie das
+Glueck, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis
+verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr
+Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe koemmt das ganze Glueck der
+Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der
+Liebe begehn. Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser
+Gelegenheit?
+
+Julchen. Ich glaube, dass dieser Unterricht recht gut ist. Aber was
+wird er mir nuetzen, da ich nicht lieben will?
+
+Der Magister. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus
+meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten?
+Aber wissen Sie denn auch, dass Sie dazu verbunden sind? Soll ich
+Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen
+doch, dass das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist
+ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe.
+Wer den Zweck will, der muss auch das Mittel wollen, wenn er anders
+verstaendig ist. Sehn Sie denn nicht, dass Sie zur Ehe verbunden sind?
+Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gruende nicht fuehlen?
+
+Julchen. Ich fuehle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts
+ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an
+sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis
+mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, das heisst halsstarrig sein, wenn man die
+Augen vor den klaersten Beweisen zuschliesst. Wenn Sie erkennen, dass
+Sie zur Ehe verbunden sind, wie koennte denn Ihr Wille undeterminiert
+bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluss im
+Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum
+wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschliessen,
+ da Sie sehen, dass Sie eine Pflicht dazu haben?
+
+Julchen. Nehmen Sie mir's nicht uebel, Herr Magister, dass ich Sie
+verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre ueberzeugt zu sein. Was kann ich
+armes Maedchen dafuer, dass ich nicht so viel Einsicht habe als Plato,
+Seneca und Ihre andern weisen Maenner? Machen Sie es mit diesen Leuten
+aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren
+Beweis dazu verbunden bin. Ich habe noch etliche Anstalten in der
+Kueche zu machen.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Der Magister. Cleon.
+
+
+Der Magister. Ich habe deiner Tochter Julchen alle moegliche
+Vorstellungen getan. Ich habe mit der groessten Selbstverleugnung mit
+ihr gesprochen. Ich habe ihr die staerksten Beweise angefuehrt; aber...
+
+Cleon. O haettest du ihr lieber ein paar Exempel von gluecklich
+verheirateten Maedchen angefuehrt.
+
+Der Magister. Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht
+aus meiner Gelassenheit. Ich erwies ihr, dass sie verbunden waere zu
+heiraten.
+
+Cleon. Du hast dir viel Muehe geben. Ich denke, wenn ein Maedchen
+achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis
+einwenden koennen.
+
+Der Magister. Julchen sah alles ein. Ich machte es ihr sehr deutlich.
+ Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken
+koennen: so muss man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu
+Huelfe nehmen.
+
+Cleon. Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gruende gebracht?
+Will sie den Herrn Damis heiraten? Hat sie denn ihre Herzensmeinung
+nicht verraten? Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht laenger
+aufhalten. Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste.
+
+Der Magister. Sie sagte, sie waere unruhig. Und das war eben schlimm.
+ Denn die Gruende der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie
+die Ueberzeugung wirken sollen. Wenn der Verstand durch die Triebe des
+Willens bestuermt wird: so ist er nicht aufmerksam. Und ohne
+Aufmerksamkeit sind die schaerfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile.
+
+Cleon. Rede nicht so tiefsinnig. Du haettest sie eben sollen ruhig
+machen: so saehe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit.
+
+Der Magister. Ich versuchte alles. Ich zeigte ihr die schoene Seite
+der Liebe. Ich sagte ihr erstlich, dass eine glueckliche Ehe das groesste
+Vergnuegen waere.
+
+Cleon. Ja, die gluecklichen Ehen sind etwas sehr Schoenes. Aber du
+haettest ihr sagen sollen, dass ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr
+gluecklich werden wuerde. Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich
+zu ihr geschickt habe.
+
+Der Magister. Kurz und gut, durch Lehrsaetze und Erweise ist sie nicht
+zu gewinnen, das sehe ich wohl. Sie versteht wohl die einzelnen Saetze;
+ aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das
+Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurueck, und sie wird
+ungehalten, dass er sie verlaesst.
+
+Cleon. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht ueberreden?
+
+Der Magister. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Ueberredung,
+die man Beweise kat' anJrwpon nennen koennte. Dergleichen sind bei den
+alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten,
+die nicht scharf denken koennen, tun diese witzigen Blendwerke oft gute
+Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten
+kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine
+Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine
+machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche
+eines jungen Menschen in Leipzig gefunden haette, der sich durch seine
+Fabeln und Erzaehlungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat.
+
+Cleon. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die
+Fabel huebsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit
+der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darueber. Eine Fabel
+ist ja keine Predigt. Es muss ja nicht alles so akkurat sein. Meine
+Tochter wird dich nicht verraten. Mache, dass sie ja spricht: so will
+ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken.
+
+(Der Magister geht ab.)
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Cleon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen
+Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt.
+
+Cleon (er liest). "Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben,
+ gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen. Ich lasse mir die Wahl des
+Herrn Damis, meines Muendels, sehr wohl gefallen. Er haette nicht
+gluecklicher waehlen koennen. Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit
+Ihnen und Ihren Jungfern Toechtern recht vergnuegen, weil ich ohnedies
+heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe. Zugleich muss
+ich Ihnen melden, dass heute oder morgen das Testament Ihrer seligen
+Frau Muhme, der Frau Stephan, geoeffnet werden soll. Ich glaube gewiss,
+dass sie Ihnen etwas vermacht hat. Vielleicht kann ich Ihnen die
+Gewissheit davon um vier Uhr mitbringen. Ich bin" usw.
+
+Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter. Ich dachte immer, der
+Herr Vormund wuerde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil
+meine Tochter kein Vermoegen hat.
+
+Lottchen. Das habe ich gar nicht befuerchtet. Der Herr Vormund ist ja
+die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiss eine
+Freude daraus, zu dem Gluecke eines Frauenzimmers etwas beizutragen,
+der man keinen groessern Vorwurf machen kann, als dass sie nicht reich
+ist.
+
+Cleon. Tochter, du hast sehr recht. Es ist ein lieber Mann. Ich
+habe nur gedacht, dass er einen gewissen Fehler haben muesste, weil er
+schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat. Aber was hilft uns
+das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will?
+
+Lottchen. Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa. Julchen ist so
+gut als besiegt. Und ich denke, es koennte ihr kein groesser Unglueck
+widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit,
+ungeraubt liesse. Ich habe die sichersten Merkmale, dass sie den Herrn
+Damis liebt.
+
+Cleon. Sollte es moeglich sein? Ich duerfte es bald selbst glauben.
+Ihr losen Maedchen tut immer, als wenn euch nichts an den Maennern laege,
+und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen. Je nun,
+die Liebe ist auch noetig in der Welt, sonst haette sie uns der Himmel
+nicht gegeben.
+
+Lottchen. Papa, diese Satire auf die losen Maedchen trifft mich nicht.
+ Ich daechte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe. Wenigstens
+halte ich die vernuenftige Liebe fuer kein groesser Verbrechen als die
+vernuenftige Freundschaft. Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so
+vielen Beschwerlichkeiten belegt, dass wir es uns desto mehr durch die
+Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen.
+
+Cleon. Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht
+haben sollte: so saehe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Toechter,
+auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die
+Hochzeit ausrichten koennte. Ich wollte gern das ganze Vermaechtnis
+dazu hergeben.
+
+Lottchen. Sie sind ein liebreicher Vater. Nein, wenn Sie auch durch
+das Testament etwas bekommen sollten: so wuerde es doch ungerecht sein,
+wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles braechten. Nein,
+lieber Papa, ich kann noch lange warten. Und mein Geliebter wird sich
+ohnedies nicht zur Ehe entschliessen, bis er nicht eine hinlaengliche
+Versorgung hat.
+
+Cleon. Tue dein moeglichstes, dass Julchen heute noch ja spricht. Die
+Maedchen muessen wohl ein wenig sproede tun; aber sie muessen es den
+Junggesellen auch nicht so gar sauer machen.
+
+Lottchen. Papa, unsere selige Mama sagte nicht so.
+
+Cleon. Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden. Ich bin ja
+auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht. Ich und
+deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre
+in der Ehe wie die Kinder vertragen. Sie hat mir tausend vergnuegte
+Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken. Sie
+hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen.
+Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch
+gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe. Es wird dir
+gewiss wohlgehen. Verlasse dich darauf. Du tust mir viel Gutes. Du
+fuehrst meine ganze Haushaltung. Sei zufrieden mit deinem Schicksale.
+Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute
+Auferziehung. Lass mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen. Ich
+will schlafen, wo sie schlaeft.
+
+Lottchen. Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmuetig? Sie werden,
+wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, dass
+ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche. Und wenn ich
+Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir
+meine Schuldigkeit befiehlt. Heute muessen Sie vergnuegt sein. Doch
+vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist,
+die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fuehlen kann. Aber,
+lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Fass, das Sie
+in meinem Geburtsjahre eingelegt haben. Was werden wir heute unsern
+Gaesten fuer Wein vorsetzen?
+
+Cleon. Tochter, zapfe das Fass an. Und wenn es Nektar waere: so ist er
+fuer den heutigen Tag nicht zu gut. Es wird bald Mittagszeit sein.
+Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhaelter langen.
+Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken,
+wenn du noch einmal mit ihr reden willst.
+
+Lottchen. Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier
+warten.
+
+
+
+Zwoelfter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen.
+Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage
+scheint mir nichts als eine Liebeserklaerung in einer fremden Sprache
+zu sein. Ich haette nicht gedacht, dass sie so zaertlich waere. Die
+Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem
+Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will.
+
+Lottchen. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich koennte bald einige
+Minuten eifersuechtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist
+reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich.
+
+Siegmund. Wer kann Sie einmal lieben und nicht bestaendig lieben?
+Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit
+mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muss Ihnen fuer meine Treue der
+sicherste Buerge sein.
+
+Lottchen. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster
+Freund, ich muss Ihnen sagen, dass uns vielleicht ein kleines Glueck
+bevorsteht. Wollte doch der Himmel, dass es zu Ihrer Beruhigung etwas
+beitragen koennte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in
+einem Billette gemeldet, dass heute das Testament der Frau Muhme
+Stephan geoeffnet werden wuerde und dass er glaubte, sie wuerde den Papa
+darinne bedacht haben. O wenn es doch die Vorsicht wollte, dass ich so
+gluecklich wuerde, Ihre Umstaende zu verbessern!
+
+Siegmund. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als
+ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und...
+
+Lottchen. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein
+Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe.
+
+Siegmund. Ach, mein schoenes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das
+Glueck, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese
+Nacht nicht wohl geschlafen.
+
+Lottchen. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen
+erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn.
+
+(Ende des ersten Aufzugs.)
+
+
+
+
+Zweiter Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Cleon. Julchen.
+
+
+Cleon. Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist?
+
+Julchen. Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen? Ich will Ihnen
+gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit.
+
+Cleon. "Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine
+Freiheit." Kleiner Affe, was redst du denn? Wenn ich dir deine
+Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen. Ich
+will dich gar nicht zwingen. Ich bin dir viel zu gut. Nein, sage mir
+nur, ob er dir gefaellt.
+
+Julchen. Ob mir Herr Damis gefaellt? Vielleicht, Papa. Ich weiss es
+nicht gewiss.
+
+Cleon. Tochter, schaeme dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu
+reden. Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes.
+Gefaellt dir seine Person, seine Bildung?
+
+Julchen. Sie missfaellt mir nicht. Vielleicht... gefaellt sie mir gar.
+
+Cleon. Maedchen, was willst du mit deinem "Vielleicht"? Wir reden ja
+nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen.
+
+Julchen. Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht
+aufrichtig antwortet?
+
+Cleon. Rede nicht so poetisch. Dein Herz bist du, und du wirst doch
+wissen, was in dir vorgeht. Wenn du einen jungen, wohlgebildeten,
+geschickten, vernuenftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur
+Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren koennen, ob
+du ihn zum Manne haben moechtest.
+
+Julchen. Zum Manne?... Ach, Papa! lassen Sie mir Zeit. Ich bin
+heute unruhig, und in der Unruhe koennte ich mich uebereilen. Ich
+glaube in der Tat nicht, dass ich ihn liebe, sonst wuerde ich munter und
+zufrieden sein. Wer weiss auch, ob ich ihm gefalle?
+
+Cleon. Wenn du darueber unruhig bist: so hat es gute Wege. Bist du
+nicht ein albernes Kind! Wenn du ihm nicht gefielst: so wuerde er sich
+nicht so viel Muehe um dich geben. Er kennt dich vielleicht besser,
+als du dich selbst kennst. Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige
+Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben wuerde, wenn
+sie mir nicht gefallen haette. Indem er zu dir sagt: "Jungfer Julchen",
+ oder wie er dich nennt... Du kannst mir's ja sagen, wie er dich
+heisst.
+
+Julchen. Er heisst mich Mamsell.
+
+Cleon. Kind, du betruegst mich. Er spraeche schlechtweg "Mamsell"?
+Das kann nicht sein.
+
+Julchen. Zuweilen spricht er auch "liebe Mamsell".
+
+Cleon. Tochter, du verstellst dich. Ich bin ja dein Vater. Im
+Ernste, wie heisst er dich, wenn er's recht gut meint?
+
+Julchen. Ich kann mich selbst nicht besinnen. Er spricht... er
+spricht... "mein Julchen"...
+
+Cleon. Warum sprichst du das Wort so klaeglich aus? Seufzest du ueber
+deinen Namen? Dein Name ist schoen. Also spricht er zu dir: "Mein
+Julchen"? Gut, hat er dich nie anders geheissen?
+
+Julchen. Ach ja, lieber Papa. Er heisst mich auch zuweilen: "Mein
+schoenes Julchen." Warum fragen Sie mich denn so aus?
+
+Cleon. Lass mir doch meine Freude, du kleiner Narr. Ein
+rechtschaffener Vater hat seine Toechter lieb, wenn sie wohlgezogen
+sind. Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen. Aber dass ich
+wieder auf das Hauptwerk komme. Ja, indem Herr Damis z. E. zu dir
+spricht: "Mein schoenes Julchen, ich habe dich..."
+
+Julchen. Oh! Er heisst mich Sie. Er wuerde nicht du sprechen. Das
+waere sehr vertraut, oder doch wenigstens unhoeflich.
+
+Cleon. Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hiesse, deswegen verloerst
+du nichts von deiner Ehre. Hat mich doch meine selige Frau als Braut
+mehr als einmal du geheissen, und es klang mir immer schoen. Indem er
+also zu dir spricht: "Mein schoenes Julchen, ich bin Ihnen gut": so
+sagt er auch zugleich, "Sie gefallen mir"; denn sonst wuerde er das
+erste nicht sagen.
+
+Julchen. Das sagt er niemals zu mir.
+
+Cleon. Du machst mich boese. Ich habe es ja mehr als einmal selber
+gehoert.
+
+Julchen. Dass er zu mir gesagt haette: "Ich bin Ihnen gut"?
+
+Cleon. Jawohl!
+
+Julchen. Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem
+Leben nicht zu mir gesagt. "Ich liebe Sie von Herzen", das spricht er
+wohl; aber niemals, "ich bin Ihnen gut".
+
+Cleon. Bist du nicht ein zaenkisches Maedchen! Wir streiten ja nicht
+um die Worte.
+
+Julchen. Aber das klinget doch allemal besser: "Ich liebe Sie von
+Herzen", als das andere.
+
+Cleon. Das mag sein. Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau
+gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl. Dass die Welt die Sprache immer
+aendert, dafuer kann ich nicht. Ihr Maedchen gebt heutzutage auf ein
+Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer. Es gefaellt dir
+also, wenn er so zu dir spricht? Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch.
+ Was wegerst du dich denn? Ich gehe nach der Grube zu. Worauf
+willst du denn warten? Kind, ich sage dir's, es duerfte sich keine
+Graefin deines Braeutigams schaemen. Herr Damis moechte heute gerne die
+voellige Gewissheit haben, ob er...
+
+Julchen. Papa!
+
+Cleon. Nun, was willst du? Nur nicht so verzagt. Ich bin ja dein
+Vater. Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um.
+
+Julchen. Papa, darf ich etwas bitten?
+
+Cleon. Herzlich gern. Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene
+gleich etwas gelehrter ist. Bitte, was willst du?
+
+Julchen. Ich? Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdriesslich.
+
+Cleon. Das ist ja keine Bitte. Rede offenherzig.
+
+Julchen. Ich wollte bitten, dass Sie... mir meine Freiheit liessen.
+
+Cleon. Mit deiner ewigen Freiheit! Ich dachte, du wolltest schon um
+das Brautkleid bitten. Ich lasse dir ja deine Freiheit. Du sollst ja
+aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen. Bedenke dich noch eine
+Stunde. Ueberlege es hier allein. Ich will dich nicht laenger stoeren.
+Ich will fuer dich beten. Das will ich tun.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Damis. Darf ich mit Ihnen reden, mein schoenes Kind?
+
+Julchen. Es ist gut, dass Sie kommen. Die Gesundheit, die Sie mir
+ueber Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekraenkt. Meine
+Schwester lachte darueber; aber das kann ich nicht. Sie hat heute
+ueberhaupt eine widerwaertige Gemuetsart, die sich sogar bis auf Sie,
+mein Herr, erstreckt.
+
+Damis. Bis auf mich? Darf ich weiterfragen?
+
+Julchen. Ich sagte ihr, dass Sie meiner Meinung waeren und behauptet
+haetten, dass mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehoerte.
+Darueber spottete sie und sagte dreist, Sie haetten unrecht, wo sie
+nicht gar noch mehr sagte. Aber lassen Sie sich nichts gegen sie
+merken; sie moechte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten.
+
+Damis. Lottchen wird es nicht so boese gemeint haben. Sie ist ja die
+Gutheit und Unschuld selbst.
+
+Julchen. Das konnte ich mir einbilden, dass Sie mir widersprechen
+wuerden. Und ich will es Ihnen nur gestehen, dass ich's zu dem Ende
+gesagt habe. Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich. Sie
+redt von der Liebe, und so guetig bin ich nicht.
+
+Damis. Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat.
+Ich bin ja nicht ohne Fehler. Und vielleicht wuerde ich Ihnen mehr
+gefallen, wenn ich ihrer weniger haette.
+
+Julchen. Wozu soll diese Erniedrigung? Wollen Sie mich mit dem Worte
+Fehler demuetigen?
+
+Damis. Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie
+gut ich mit Ihnen meine?
+
+Julchen. Daran zweifele ich gar nicht. Sie sind ja meiner Schwester
+gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre
+Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken.
+
+Damis. Ja, ich versichere Sie, dass ich Lottchen allen Schoenen
+vorziehen wuerde, wenn ich Julchen nicht kennte.
+
+Julchen. Ich sehe, die Gefahr, mich hochmuetig zu machen, ist zu wenig,
+ Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken.
+
+Damis. Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn
+dieses eine Schmeichelei war. Warum halten Sie mich nicht fuer
+aufrichtig?
+
+Julchen (zerstreut). Ich... ich habe die beste Meinung von Ihnen.
+
+Damis. Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen
+Tone aus? Kostet er Sie so viel? In Wahrheit, ich bin recht
+ungluecklich. Je laenger ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu
+sprechen, desto unzufriedner werden Sie. Sagen Sie mir nur, was Sie
+beunruhiget. Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben. Nein, ich
+will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen. Ich will Sie
+ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben. Wollen Sie mir denn
+auch dieses Vergnuegen nicht goennen?
+
+Julchen. Sie sind wirklich grossmuetiger, als ich geglaubt habe. Wenn
+Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall
+sehr angenehm sein. Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen
+kann. Werfen Sie mir mein verdriessliches Wesen nicht mehr vor. Ich
+will gleich so billig sein und Sie verlassen.
+
+Damis. Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel?
+
+Julchen (unruhig). Ich weiss es in Wahrheit nicht. Es ist mir alles
+so aengstlich, und es scheint recht, als ob ich das Aengstliche heute
+suchte und liebte. Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen
+nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen. Es ist unhoeflich von
+mir, dass ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind.
+Aber der Himmel weiss, ich kann nichts dafuer. Ich will mir eine Tasse
+Kaffee machen lassen. Vielleicht kann ich mein verdriessliches Wesen
+zerstreuen. Aber gehn Sie nicht gleich mit mir. Lottchen moechte mir
+sonst einige kleine Spoettereien sagen. Wollen Sie so guetig sein?
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Damis. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe? Sie
+weinen? Ist das moeglich?
+
+Damis. O goennen Sie mir dieses Glueck. Es sind Traenen der Wollust,
+die meine ganze Seele vergnuegen. Wenn Sie nur das liebenswuerdige Kind
+haetten sollen reden hoeren! Wenn Sie nur die Gewalt haetten sehen
+sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen! Sie
+sagte endlich aufrichtig, sie waere unruhig. Ach Himmel! mit welcher
+Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies! Sie liebt mich
+wohl, ohne es recht zu wissen. Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen,
+ o bedenken Sie nur, wie...
+
+Lottchen. Warum reden Sie nicht weiter?
+
+Damis. Lassen Sie mich doch mein Glueck erst recht ueberdenken. Sie
+nannte ihre Unruhe ein verdriessliches Wesen. Sie bat mich, dass ich
+deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen.
+Und das Wort Hochachtung drueckte sie mit einem Tone aus, der ihm die
+Bedeutung der Liebe gab. Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie
+wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem
+Gemuete dadurch zu zerstreuen.
+
+Lottchen. Das gute Maedchen! Wenn der Kaffee eine Arznei fuer die
+Unruhen des Herzens waere: so wuerden wir wenig Gemuetskrankheiten haben.
+ Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist. Das
+Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu
+sein, dass sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschuetzen weiss. Verwandeln
+Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen
+nicht gar zu sehr bestraft wird.
+
+Damis. Diese Verwandlung wird mir sehr natuerlich sein. Aber ich
+fuerchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe
+wird bekraeftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden. Sie
+bat mich, da sie mich verliess, dass ich ihr nicht gleich nachfolgen
+sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spoettereien sagen moechte. Wie
+furchtsam klingt dieses!
+
+Lottchen. Ja, es heisst aber vielleicht nichts anders, wenn man es in
+seine Sprache uebersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen
+nicht so deutlich sieht, dass ich Sie liebe. Ihre Braut scheut sich
+nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben. Wenn sie
+weniger natuerliche Schamhaftigkeit haette, so wuerde ihre Liebe sich in
+einem groessern Lichte sehen lassen; aber vielleicht wuerde sie nicht so
+reizend erscheinen. Vielleicht geht es mit der Zaertlichkeit eines
+Frauenzimmers wie mit ihren aeusserlichen Reizungen, wenn sie gefallen
+sollen.
+
+Damis. Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich...
+Aber wie? Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich
+doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten?
+
+Lottchen. Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber
+Herr Bruder. Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen. Aber was wollten
+Sie sagen?
+
+Damis. Fragen Sie mich nicht. Ich habe es wieder vergessen. Ich
+kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen. Sie verbergen
+sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele. Julchen denkt und
+sinnt und redt in mir. Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe
+ich grosse Lust, es auch zu sein. Was fuer ein Geheimnis hat nicht ein
+Herz mit dem andern! Ich sehe, dass ich gluecklich bin, und sollte
+vergnuegt sein. Ich sehe, dass mich Julchen liebt, und indem ich dieses
+sehe, werde ich traurig, weil sie es ist. Welche neue Entdeckung in
+meinem Herzen!
+
+Lottchen. Ich weiss Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen
+Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst
+werden Sie zerstreut werden. Sie wird ihres Platzes von sich selber
+muede werden und ihn bald dem Vergnuegen von neuem einraeumen.
+
+Damis. Ich werde recht furchtsam. Und ich glaube, wenn ich Julchen
+wiedersehe, dass ich gar stumm werde.
+
+Lottchen. Das kann leicht kommen. Vielleicht geht es Julchen auch
+also. Ich moechte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen
+bemerkt zu werden. Sie wuerden beide tiefsinnig tun. Sie wuerden reden
+wollen und statt dessen seufzen. Sie wuerden die verraeterischen
+Seufzer durch gleichgueltige Mienen entkraeften wollen und ihnen nur
+mehr Bedeutung geben. Sie wuerden einander wechselsweise bitten, sich
+zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben. Und
+vielleicht wuerde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als
+freundschaftliche Kuesse ausbrechen. Aber ich hoere meine Schwester
+kommen. Ich will Sie nicht stoeren. (Sie geht und bleibt in der Szene
+versteckt stehen.)
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. War nicht meine Schwester bei Ihnen? Wo ist sie?
+
+Damis (in tiefen Gedanken). Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht
+stoeren.
+
+Julchen. Nicht stoeren? Was soll das bedeuten?
+
+Damis. Vergeben Sie mir. Ich habe mich uebereilet. Ach, Juliane!
+
+Julchen. Sie haben sich uebereilet, und woher? Aber... Ja... Ich
+will Sie verlassen. Sie sind tiefsinnig.
+
+Damis. Sie wollen mich verlassen? meine Juliane! Mich...?
+
+Julchen. Meine Juliane! so haben Sie mich ja sonst nicht geheissen?
+Sie vergessen sich. Ich will Sie verlassen.
+
+Damis. O gehn Sie noch nicht. Ich habe Ihnen recht viel zu sagen.
+Ach viel!
+
+Julchen. Und was denn? Sie halten mich wider meinen Willen zurueck.
+Ist Ihnen etwas begegnet? Was wollen Sie sagen? Reden Sie doch.
+
+Damis (bange). Meine Juliane!
+
+Julchen (mit beweglicher Stimme). Juliane! den Namen hoere ich zum
+dritten Male. Sie schweigen wieder? Ich muss nur gehn. (Sie geht.
+Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.) Wahrhaftig, es muss
+Ihnen etwas Grosses begegnet sein. Darf ich's nicht wissen?
+
+Damis (er koemmt auf sie zu). Wenn Sie mir's vergeben wollten: so
+wollte ich Ihnen sagen; aber nein... Ich wuerde Ihre Gewogenheit
+darueber verlieren und... (Er kuesst ihr die Hand und haelt sie dabei.)
+Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ach, Sie sind verdriesslich,
+meine Juliane?
+
+Julchen (ganz betroffen). Nein, ich bin nicht traurig. Aber ich
+erschrecke, dass ich Sie so bestuerzt sehe. Ja... Ich bin nicht
+traurig. Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, dass Sie auch so waeren.
+ Halten Sie mich nicht bei der Hand. Ich will Sie verlassen. Ich
+wollte meine Schwester suchen und ihr sagen...
+
+Damis. Was wollten Sie ihr denn sagen? mein schoenes Kind!
+
+Julchen. Ich wollte ihr sagen... dass der Papa nach ihr gefragt haette
+und...
+
+Damis. Der Papa? mein Engel!
+
+Julchen. Nein, ich irre mich. Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und
+meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten... (Sie sieht ihn an.
+) In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, dass man sich des Mitleidens..
+. (Sie wendet das Gesichte beiseite.)
+
+Damis. Meine Juliane! Ihr Mitleiden... Sie bringen mich zur
+aeussersten Wehmut.
+
+Julchen. Und Sie machen mich auch traurig. Warum hielten Sie mich
+zurueck? Warum weinen Sie denn? (Sie will ihre Traenen verbergen.)
+Was fehlt Ihnen? Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf.
+
+Damis. Ja.
+
+Julchen (fuer sich). Er geht?
+
+Damis (indem er wieder zurueckkehrt). Aber darf ich nicht wissen,
+meine Schoene, was Ihnen begegnet ist? Sie waren ja Vormittage nicht
+so traurig.
+
+Julchen. Ich weiss es nicht. Sie wollten ja gehn. Ist Ihnen meine
+Unruhe beschwerlich? Sagen Sie mir nur, warum Sie... Sie reden ja
+nicht.
+
+Damis. Ich?
+
+Julchen. Ja.
+
+Damis. O wie verschoenert die Wehmut Ihre Wangen! Ach, Juliane!
+
+Julchen. Was seufzen Sie? Sie vergessen sich. Wenn doch Lottchen
+wiederkaeme! Bedenken Sie, wenn sie Sie so betruebt saehe und mich...
+Was wuerde sie sagen? (Lottchen tritt aus der Szene hervor.)
+
+
+
+Fuenfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Ich wuerde sagen, dass man einander durch bekuemmerte Fragen
+und Traenen die staerkste Liebeserklaerung machen kann, ohne das Wort
+Liebe zu nennen. Mehr wuerde ich nicht sagen.
+
+Julchen. O wie spoettisch! Ich muss nur gehn.
+
+Lottchen. O ich habe es wohl eher gesehn, dass du hast gehn wollen,
+und doch...
+
+Julchen. Das wuesste ich in der Tat nicht. (Sie geht ab.)
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Damis. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Es dauert mich in der Tat, dass ich Sie beide gestoeret habe.
+ Ich haette es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht
+laenger halten. Kann wohl ein schoenerer Anblick sein, als wenn man
+zwei Zaertliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander
+die Liebe zu gestehen? Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan
+Ihres zaertlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt? Haette ich
+mich noch einige Augenblicke halten koennen: so wuerde Ihre
+beiderseitige Wehmut gewiss noch bis zu etlichen vertraulichen
+Liebkosungen gestiegen sein.
+
+Damis. Daran zweifele ich sehr. Ich war in Wahrheit recht traurig,
+und ich bin's noch.
+
+Lottchen. Ja, ich sehe es. Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit
+mir allein zu reden. Holen Sie unmassgeblich Ihre betruebte Freundin
+wieder zurueck. Ich will Sie miteinander aufrichten.
+
+Damis. Ja, das will ich tun.
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Lottchen. Simon.
+
+
+Simon. Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, dass ich unangemeldet
+hereintrete. Das Vergnuegen macht mich unhoeflich. Sind Sie nicht die
+liebenswuerdige Braut meines Herrn Muendels?
+
+Lottchen. Und wenn ich nun seine Braut waere, was...
+
+Simon. So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, dass Ihnen Ihre selige
+Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat. Sie
+werden die Gewissheit davon noch heute vom Rathause erhalten. Das
+Testament ist geoeffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei
+der Eroeffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater
+diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die
+gerichtliche Insinuation erhaelt.
+
+Lottchen. Ist das moeglich? Die Frau Muhme hat ihr Versprechen
+zehnfach erfuellt. Wie gluecklich ist meine Schwester! Sie verdient es
+in der Tat. Das ist eine sonderbare Schickung. Mein Herr, Sie setzen
+mich in das empfindlichste Vergnuegen. Ich bin nicht die Braut Ihres
+Herrn Muendels. Aber die Nachricht wuerde mich kaum so sehr erfreuen,
+wenn sie mich selbst anginge.
+
+Simon. Kurz, Mamsell, ich weiss nicht, welche von Ihnen meinen Muendel
+gluecklich machen will. Allein genug, die juengste Tochter des Herrn
+Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermoegens von
+mehr als funfzigtausend Talern.
+
+Lottchen. Das ist meine Schwester. Wie erfreue ich mich!
+
+Simon. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht
+bringen kann. Ich wollte es mit tausend Freuden tun. Wo ist Ihr
+lieber Herr Vater? Wird er nicht eine Freude haben!
+
+Lottchen. Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu fuehren. Aber ich
+will Sie erst um etwas bitten. Goennen Sie mir doch das Vergnuegen, dass
+ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Muendel die erste Nachricht von
+dieser gluecklichen Erbschaft bringen darf. Es ist meine groesste
+Wollust, die Regungen des Vergnuegens bei andern ausbrechen zu sehen.
+Und wenn ich viel haette, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die
+Welt froh zu sehen. Lassen Sie mir immer das Glueck, meiner Schwester
+das ihrige anzukuendigen.
+
+Simon. Von Herzen gern. Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht
+unter zwo Schwestern gefunden. Ich erstaune ganz. Ich wusste wohl,
+Mamsell, dass Sie die Braut meines Muendels nicht waren; allein, ich
+wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewissheit leichter
+machen. Ich glaubte, Sie wuerden erschrecken und ueber die Vorteile
+Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden. Aber ich sehe das Gegenteil
+und fange an zu wuenschen, dass Sie selbst die Braut meines lieben
+Muendels und die glueckliche Erbin der Frau Stephan sein moechten.
+
+Lottchen. Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, dass man frei
+vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr
+Wohlwollen zeitlebens zu erhalten. Also wollen Sie Julchen und dem
+Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir ueberlassen?
+ Sie sind sehr guetig.
+
+Simon. Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es
+ihm selber hinterbringen wollen. Hier koemmt er.
+
+
+
+Achter Auftritt
+
+Die Vorigen. Herr Cleon. Herr Siegmund.
+
+
+Cleon. Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon
+im Garten gesucht. Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich
+glaubte, Sie wuerden den Kaffee im Garten trinken wollen. Ich erfreue
+mich ueber die Ehre Ihrer Gegenwart. Ich erfreue mich recht von Herzen.
+
+Simon. Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen
+von Ihrem Vergnuegen abzugeben.
+
+Lottchen. Ach, lieber Papa! Ach, lieber Herr Siegmund! Soll ich's
+sagen? Herr Simon!
+
+Simon. Wenn Sie es erzaehlen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's
+selbst noch nicht wuesste.
+
+Cleon. Nun, was ist es denn? meine Tochter! Wem willst du es erst
+sagen, mir oder meinem lieben Nachbar? Welcher ist dir lieber, du
+loses Kind?
+
+Lottchen. Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's. Und
+wenn ich die Liebe der Freundschaft hoere: so ist es Ihr lieber Nachbar.
+ Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt
+erzaehlt hat. Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente
+ihr ganzes Rittergut vermacht. Das Testament ist geoeffnet, und mein
+Herr Pate, der Herr Hofrat, laesst Ihnen durch den Herrn Simon diese
+Nachricht bringen.
+
+Cleon. Dafuer sei Gott gedankt. Das Gut ist doch Weiberlehn? Ja!
+Ich erschrecke ganz vor Freuden. Das haette ich nimmermehr gedacht. O
+sie war dem Maedchen sehr gut! Gott vergelte es ihr in der frohen
+Ewigkeit. Das ganze Rittergut?
+
+Siegmund. Das ist vortrefflich. Die rechtschaffene Frau!
+
+Simon (zu Cleon). Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem
+Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten.
+ Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen.
+
+Cleon. Das ist ja ganz was Ausserordentliches. Ich will's die Armen
+gewiss geniessen lassen. Aber du, meine liebe Tochter, du koemmst dabei
+zu kurz.
+
+Lottchen. Ich? Papa. Nein. Wenn ich das Glueck tragen koennte: so
+wuerde mir der Himmel gewiss auch welches geben. Ich habe schon Glueck
+genug. Nicht wahr? Herr Siegmund! Was meinen Sie?
+
+Siegmund. Dass Sie es ebenso wuerdig sind als Ihre Jungfer Schwester.
+
+Cleon. Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, dass
+auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten haetten. Kommen Sie doch
+mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's. Diese beiden
+feindseligen Gemueter werden sich schon hier allein vertragen oder uns
+nachkommen.
+
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen. Wenn ich Ihre Groesse nicht kennte: so wuerde ich gezittert
+haben, Ihnen die Nachricht von dem grossen Gluecke meiner Schwester zu
+hinterbringen. Aber ich weiss, Sie schaetzen mich deswegen nicht einen
+Augenblick geringer. Unser Schicksal steht in den Haenden der Vorsicht.
+ Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu
+unserm Vorteile oeffnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es
+wuenschen.
+
+Siegmund. Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, ueber Ihrem
+Herzen das Glueck zu vergessen. Wir wollen hoffen. Vergeben Sie mir
+nur, dass ich noch immer den Zerstreuten vorstelle. Ich habe lange mit
+Ihrem Papa gesprochen, und ich weiss in Wahrheit nicht was.
+
+Lottchen. Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's
+nicht, dass Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten
+gemacht werden, einige Wuensche und Unruhen abnoetiget. Trauen Sie doch
+der Vorsehung. Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den
+ungluecklichen Prozess Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermoegen verloren.
+ Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie
+auch alles heute ueber ein Jahr wieder. Haben Sie mit Julchen
+gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zaertlich gestellt?
+
+Siegmund. Nein, weil ich so zerstreut bin, so...
+
+Lottchen. Gut. Sie werden diese kleine Muehe fast ersparen koennen.
+Ihr Herz scheint keinen grossen Antrieb mehr noetig zu haben. Aber
+sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Ich will sie holen und
+es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Welche entsetzliche Nachricht!... Julchen!... Ein ganzes Rittergut!
+Julchen... die so viel Reizungen, so viel Schoenheit und Anmut besitzt!
+... Kennte ich Lottchens Wert nicht: so wuerde Julchen.... Aber ist
+Julchen nicht auch tugendhaft... grossmuetig... klug... unschuldig...
+? Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst? Ist Lottchen so schamhaft?
+oder... Himmel, wo bin ich? Verdammte Liebe, wie quaelst du mich!
+Muss man auch wider seinen Willen untreu werden?... Warum konnte jene
+nicht die reiche Erbschaft bekommen? Sahe die Muhme auch, dass die
+juengste mehr Verdienste hatte?... Ich Elender! Ich bin ohne meine
+Schuld um das groesste Vermoegen gekommen... Aber habe ich weniger
+Vorzuege als Damis? Julchen widersteht ja seiner Liebe... Ist es ein
+Verbrechen?... Was kann ich dafuer, dass sie mich ruehrt? Sind meine
+Wuensche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wuenschen vielleicht gar
+uebereinstimmen? O Himmel! Sie koemmt allein.
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Siegmund. Julchen.
+
+
+Julchen. Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer
+Gesellschaft erwarten. Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann
+hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzaehlen.
+
+Siegmund. Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft
+nicht verdriesslich werden?
+
+Julchen. Mir? Bei Ihnen? Gewiss nicht. Sie sind heute am
+freundschaftlichsten mit mir umgegangen. Und es wird Ihnen auch wohl
+kein Geheimnis sein, dass ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie
+meine Schwester.
+
+Siegmund (er kuesst ihr die Hand). Sie sagen mir vieles Schoenes,
+angenehme Braut.
+
+Julchen. Bin ich denn eine Braut? Das hat mir noch kein Mensch
+gesagt. Nein, mein Herr, heissen Sie mich nicht so. Es kann sein, dass
+ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muss ich darum seine Braut sein?
+Nein, er ist so guetig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe.
+
+Siegmund. Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, wuerden Sie
+auch zuernen? Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie... doch...
+
+Julchen. Bei Ihnen bin ich sehr sicher. Solange ein Lottchen in der
+Welt ist, werden Ihre Liebeserklaerungen nicht viel zu bedeuten haben.
+Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts
+erfahren.
+
+Siegmund. Meine Schoene, ich wollte wuenschen, dass ich aus Verstellung
+redte; aber ach nein! Denken Sie denn, dass man...
+
+Julchen. Und was?
+
+Siegmund. Dass man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann?
+
+Julchen. Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe.
+
+Siegmund. So werde ich sehr ungluecklich sein, weil Sie mit seiner
+Rolle nicht zufrieden sind.
+
+Julchen. Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine
+Wuensche nicht erfuelle?
+
+Siegmund. Vielleicht gewoenne ich. Vielleicht wuerden Sie die
+Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn. Ich verehre Sie; doch...
+wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde!
+
+Julchen. Sie koennen eine fremde Person vortrefflich annehmen. Aber
+auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich. Ich weiss nicht, wo meine
+Schwester bleibt. Ich moechte doch wissen, was sie mir zu sagen haette;
+sie kuesste mich vor Freuden. Es muss etwas Wichtiges sein. Ich muss sie
+nur suchen.. Verziehn Sie einen Augenblick.
+
+
+
+Zwoelfter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Ich Abscheu! Was habe ich getan? Ich werde der redlichsten Seele
+untreu, die mich mit Entzueckung liebt? Ich...? Aber wie schoen, wie
+reizend ist Julchen! Sie liebt ihn noch nicht... Und mir, mir ist
+sie gewogen? Aber die Vernunft...? Sie soll schweigen... Mein Herz
+mag die Sache ausfuehren.... Misslingt mir meine Absicht: so bleibt mir
+Lottchen noch gewiss. ... Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich
+verliebt in Julchen zu stellen? Werde ich ihr darum untreu? Wie?
+Sie koemmt noch einmal? Sucht sie mich mit Fleiss?
+
+
+
+Dreizehnter Auftritt
+
+Siegmund. Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen (zu Siegmund). Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr
+Damis wiederkoemmt. Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und
+Sie sollen so guetig sein und zu dem Papa kommen. Er wartet mit dem
+Kaffee auf Sie.
+
+Siegmund. Nach Ihrem Befehle. Aber darf ich hoffen?
+
+Julchen. Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muss ich
+Ihnen in der Sprache der Schoenen antworten: Sie muessen mit meinem Papa
+davon sprechen.
+
+Der Magister. Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich
+moechte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen.
+
+
+
+Vierzehnter Auftritt
+
+Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen. Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen
+Neues erzaehlen will?
+
+Der Magister. Nein, ich habe sie gar nicht gesehn. Ich komme aus
+meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen
+Fabelbuche gelesen. Wenn Sie mir zuhoeren wollten: so wollte ich Ihnen
+eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat. Ich
+weiss, Sie hoeren gerne witzige Sachen.
+
+Julchen. Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin. Sie
+lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Wie kommen Sie denn heute auf
+diesen Einfall? Ja, ich weiss wohl eher, dass Sie mir eine ziemliche
+finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder
+Hagedorns Fabeln haben lesen sehen.
+
+Der Magister. Sie haben recht. Ich halte mehr auf gruendliche
+Schriften. Und das Solide ist fuer die Welt allemal besser als das
+Witzige. Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so
+ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen. Wollen Sie die
+Fabel hoeren? Sie heisst Die Sonne.
+
+Julchen. O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen! Ich
+will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, dass sie artig ist. Lesen Sie mir
+sie nur nicht vor.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, ich weiss nicht, was Sie heute fuer eine
+verdriessliche Gemuetsart haben. Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir
+etliche kostbare Stunden. Ich arbeite fuer Ihr Glueck, fuer Ihre
+Beruhigung. Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle
+Augenblicke dafuer? Bin ich Ihnen denn so geringe? Verdienen meine
+Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit? Sind denn Ihre
+Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich
+genug bestimmt? Warum widersprechen Sie mir denn? Kann ich etwas
+dafuer, dass Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten? Habe
+ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind,
+etwa erdacht? Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft
+enthalten?
+
+Julchen. Sie schmaelen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmaelen doch
+gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben. Darf ich bitten:
+so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester
+gehn kann. Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schaetze.
+
+Der Magister. Warum sollte ich's nicht wissen? Wenn Sie gleich nicht
+den schaerfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz. Und
+ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beitraege und anderer
+solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie laesen,
+dass Sie bald anders sollten denken lernen. Wenn Sie die Triebe des
+Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so wuerden Sie
+sehen, dass der Trieb der Liebe ein Grundtrieb waere, und also...
+
+Julchen. Sie reden mir so viel von der Liebe vor. Haben Sie denn in
+Ihrer Jugend auch geliebt? Kennen Sie denn die Liebe recht genau?
+Was ist sie denn? Ein Raetsel, das niemand aufloesen kann.
+
+Der Magister. Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu
+dringen. Die Liebe ist eine Uebereinstimmung zweener Willen zu
+gleichen Zwecken. Mich deucht, dies ist sehr adaequat. Oder soll ich
+Ihnen eine andere Beschreibung geben?
+
+Julchen. Nein, ich habe mit dieser genug zu tun. Sagen Sie mir
+lieber die Fabel. Ich muss zu meiner Schwester.
+
+Der Magister. Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu
+verstehen als eine Kausaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint
+mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein. Sie klingt also: Die
+Sonne verliebte sich, wie man erzaehlt, einsmals in den Mond. Sie
+entdeckte ihm ihre Wuensche auf das zaertlichste; allein der Mond blieb
+seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Er verlachte alle die
+Gruende, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zaertlichkeit gegen
+die Sonne bewegen wollten. Ein heimlicher Stolz hiess ihn sproede tun,
+ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war. Er trotzte auf sein
+schoenes und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der
+Sonne mit Flecken verunstaltete. Und dies sind die Flecken, die wir
+noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden. Dies ist die Fabel.
+ Was empfinden Sie dabei?
+
+Julchen. Ich empfinde, dass sie mir nicht gefaellt und dass der
+Verfasser ihrer noch viel machen wird. Ich will doch nicht hoffen,
+dass Sie diese Erzaehlung im Ernste fuer artig halten.
+
+Der Magister. Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine
+Staerke nicht sehen lassen. Aber wie? wenn ich die Fabel selbst
+gemacht haette?
+
+Julchen. So wuerde ich glauben muessen, dass die Schuld an mir laege,
+warum sie mir nicht schoen vorkoemmt.
+
+Der Magister. Sie wissen sich gut herauszuwickeln. Ich will es Ihnen
+gestehen. Es ist meine Arbeit. Ich will mich eben nicht gross damit
+machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben. Aber wollten Sie
+diese Fabel wohl aufloesen? Was soll die Moral sein?
+
+Julchen. Das werden Sie mir am besten sagen koennen.
+
+Der Magister. Die Moral soll etwan diese sein: Ein schoenes
+Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange sproede tut, steht
+in der Gefahr, dass das Alter ihr schoenes Gesicht endlich verwuestet.
+
+Julchen. Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister. Ich merke,
+die Fabel geht auf mich. Ich bin der Mond. Herr Damis wird die Sonne
+sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen.
+Habe ich nicht alles erraten?
+
+Der Magister. Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter
+Bildern vortraegt: so machen sie einen grossen Eindruck bei Ihnen.
+Jungfer Muhme, denken Sie unmassgeblich an die Fabel und widerstehen
+Sie der Liebe des Herrn Damis nicht laenger. Was soll ich Ihrem Papa
+fuer eine Antwort bringen?
+
+Julchen. Sagen Sie ihm nur, dass ich ueber Ihre Fabel haette lachen
+muessen: so verdriesslich ich auch gewesen waere. Ich habe die Ehre,
+mich Ihnen zu empfehlen.
+
+
+Funfzehnter Auftritt
+
+Der Magister. Cleon. Siegmund.
+
+
+Cleon. Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen? Ich denke,
+sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben.
+
+Der Magister. Sie bleibt unbeweglich. Ich weiss nicht, warum ich mir
+des eigensinnigen Maedchens wegen so viel Muehe gebe. Wer weder durch
+philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muss
+man seinem Wahne zur Strafe ueberlassen. Ich sage ihr kein Wort mehr.
+So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein gruendliches
+Erkenntnis von der Moral beibringen laesst. Ich habe mich zehnmal
+erboten, deine Toechter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen
+der Dinge zu zeigen. Aber nein, sie sollten witzig und nicht
+vernuenftig werden.
+
+Siegmund. Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch. Ist Julchen
+nicht vernuenftig genug?
+
+Der Magister. Warum denn nur Julchen? Ich verstehe Sie. Ich habe
+ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten. Itzt warten meine Zuhoerer
+auf mich.
+
+
+
+Sechzehnter Auftritt
+
+Cleon. Siegmund.
+
+
+Cleon. Ich weiss nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder
+Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener
+spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht
+einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund.
+
+Siegmund. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, dass Julchen den
+Herrn Damis nicht wohl leiden kann.
+
+Cleon. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von
+der Erbschaft wuesste: so daechte ich, das Rittergut machte sie stolz.
+Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da
+sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit
+heiraten. Sie wird sich wohl noch geben.
+
+Siegmund. Aber Sie wissen wohl, dass der Zwang in der Ehe ueble Fruechte
+bringt.
+
+Cleon. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fuegung. Und
+ich wollte wohl wuenschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens
+sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, dass ich heute ein doppeltes
+Verloebnis ausrichten koennte.
+
+Siegmund. Ja, wenn nur meine Umstaende... Ich habe einige hundert
+Taler Schulden...
+
+Cleon. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen
+und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben.
+
+Siegmund. Das ist sehr schoen; aber...
+
+Cleon. Sie kriegen an Lottchen gewiss eine verstaendige Frau. Das
+Maedchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht
+schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache
+manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem
+Testamente bald kaeme! Also, wollen Sie Lottchen haben?
+
+Siegmund. Ja, ich wuensche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als
+meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, dass es scheint, dass mir
+Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und dass Lottchen hingegen
+mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen,
+ dass mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie
+anzuhalten und...
+
+Cleon. Was hoere ich? Nun errate ich, warum das Maedchen sich so
+geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwoere Sie, sagen Sie mir,
+ was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich... Ja doch.
+Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch
+gewogener.
+
+Siegmund. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa.
+
+Cleon. Also will Lottchen zwei Maenner und Herr Damis zwo Weiber
+haben? Das ist ja unsinnig.
+
+Siegmund. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr
+ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, dass Sie alles so
+geheimhalten, als es moeglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn
+Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich
+Julchen anders.
+
+Cleon. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich
+muesste mich ja schaemen.
+
+Siegmund. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig waehlen sollte: so
+bin ich viel zu redlich, als dass ich ihr einen Mann mit so grossem
+Vermoegen entziehen will.
+
+Cleon. Sie sind die Grossmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein.
+Ich wollte Ihnen Julchens Vermoegen ebensowohl goennen als dem Herrn
+Damis. Freilich waere die Einteilung nicht uneben. Lottchen waere
+durch Herrn Damis' Vermoegen und Ihnen durch Julchens Erbschaft
+geholfen. Ich weiss nicht, was ich anfangen soll.
+
+Siegmund. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte,
+Julchen versprechen?
+
+Cleon. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich
+daechte, es waere unbillig, dass Sie sie vergaessen. Ich kann mir nicht
+einbilden, dass meine Tochter so unbestaendig sein sollte. Ich habe sie
+selber vielmal fuer Sie beten hoeren, dass es Ihnen der Himmel moechte
+wohlgehen und Sie ihr zum Vergnuegen leben lassen, wenn es sein Wille
+waere. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich
+wohl.
+
+Siegmund. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich
+liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu
+erhalten suchen.
+
+Cleon. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben.
+ Ich denke gewiss, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich
+will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr
+nur recht viel Zaertliches vor. Sie hoert es gern. Julchen will ich
+selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange
+aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der
+rechtschaffene Mann nicht uebelnimmt.
+
+
+
+Siebenzehnter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Das geht gut. Julchen wird noch meine... Sie ist schoen, reich und
+wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt... Aber, Himmel, wenn Lottchen
+mein Vorhaben erfahren sollte! Wuerde sie mein Herz nicht verfluchen?..
+. Doch nein. Sie ist sicher. Sie liebt mich... Aber was quaelt
+mich? Sind es die Schwuere, die ich ihr...? Unkraeftige Schwuere der
+Treue, euch hoert der Himmel nicht... O Julchen, wie reizend bist du!
+Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch?
+
+
+
+Achtzehnter Auftritt
+
+Siegmund. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Itzt kommen sie beide. Nun wollen wir's ihnen entdecken.
+Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen! Und Sie,
+ mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb? Vergeben Sie mir diese
+ueberfluessige Frage.
+
+Siegmund. Ja, meine Schoene, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre
+Liebe fuer meine Treue unendlich belohnet. O koennte ich Sie doch
+vollkommen gluecklich machen! (Er kuesst sie.) Um dies Vergnuegen muss
+mich ein Prinz beneiden. Hier kommen sie. Erlauben Sie, meine Schoene,
+ der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich. Er moechte
+ungehalten werden.
+
+
+
+Neunzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Julchen. Damis.
+
+
+Lottchen (zu Damis). Ich wollte Ihnen ein schoenes, junges,
+liebenswuerdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie
+Julchen wollen fahren lassen.
+
+Julchen. Ist das die Neuigkeit?
+
+Damis. Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Rittergueter haette: so wuerde mir
+Julchen auch in einer Schaeferhuette besser gefallen.
+
+Julchen. Was reden Sie? Hoeren Sie doch Lottchen an. Wer weiss, wie
+gluecklich Sie werden! Ich goenne es Ihnen und der andern Person.
+Lottchen, wer ist sie denn?
+
+Lottchen. Es ist ein artiges Kind. Sie hat ein Rittergut fuer
+funfzigtausend Reichstaler. Sie ist wohlerzogen.
+
+Julchen. So? Aber, wo... Wie heisst sie denn?
+
+Lottchen. Sie ist fast so schoen wie du.
+
+Julchen. Das mag ich ja nicht wissen. Wenn ich schoen bin: so wird
+mir's der Spiegel sagen. So muss keine Schwester mit der andern reden.
+ Sage es dem Herrn Damis allein. Ich werde wohl nicht dabei noetig
+sein. (Sie will gehn.)
+
+Damis. Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht. Ich gehe mit Ihnen.
+
+Julchen. Das wird sich nicht schicken. Das Frauenzimmer mit dem
+Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, wuerde es sehr uebelnehmen.
+Es ist gut, dass Sie sich bei mir in den Liebeserklaerungen geuebt haben.
+ Nunmehr werden sie Ihnen wenig Muehe machen.
+
+Lottchen. Hoere nur, meine Schwester. Es koemmt erst darauf an, ob das
+Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird. Sie hat freilich schoene
+grosse blaue Augen, fast wie du; eine gefaellige Bildung und eine recht
+erobernde Miene; kleine volle runde Haende. (Julchen sieht ihre Haende
+an.) Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit.
+
+Julchen. O ich weiss gar nicht, was du haben willst? Kurz, wie heisst
+denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt?
+
+Lottchen. Sie heisst ebenfalls, wie du, Julchen.
+
+Julchen. Oh! du willst mich zum Kinde machen.
+
+Lottchen. Nein, Julchen, ich kuendige hiermit dir und deinem Liebhaber
+ein ansehnliches Glueck an. Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem
+Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht. Herr Simon hat uns die
+Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, dass er mir die
+Freude goennen moechte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen. Meine
+liebe Schwester, ich wuensche dir tausend Glueck zu deiner Erbschaft,
+und Ihnen, mein Freund, wuensche ich meine Schwester. Wie gluecklich
+bin ich heute!
+
+Julchen. Was? Das ganze Rittergut? Und dir nichts? Haette sie es
+denn nicht teilen koennen? Ist es denn auch gewiss? Kann es nicht ein
+Missverstand sein? Warum hat sie denn dir nichts vermacht?
+
+Lottchen. Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich. Genug, die
+Erbschaft ist deine und fuer dich bestimmt gewesen. Ich habe genug,
+wenn ich kuenftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann. Ach,
+Julchen, ich weiss, dass dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis
+er dir seinen Glueckwunsch abstatten kann. Ich habe ihn gebeten, dich
+nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt haette.
+
+Damis. Ich erstaune ganz. Vielleicht waere es ein Glueck fuer mich,
+wenn kein Testament waere. Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie
+verlieren?
+
+Julchen. Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa. Nein,
+ganz wuensche ich mir es nicht. Ich verdiene es auch nicht. Traurige
+Erbschaft!... Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch
+nicht vergnuegt. (Sie sieht den Damis an.) Und Sie, mein Herr...?
+
+Damis. Und Sie, meine Schoene...?
+
+Lottchen. Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an. Ich weiss,
+dass der Papa schon ein wenig geschmaelet haben wird.
+
+
+
+Zwanzigster Auftritt
+
+Die Vorigen. Cleon.
+
+
+Cleon. Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn? Soll sich der Kaffee
+selber einschenken?
+
+Lottchen. Schmaelen Sie nicht, lieber Papa. Ihre Toechter sind in
+guten Haenden. Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen.
+
+Julchen. Ach, lieber Papa...
+
+Cleon. Nun, was willst du? Soll ich dir zu deinem Gluecke
+gratulieren? Ich habe vor Freuden schon darueber geweint. Hast du
+auch Gott fuer die reiche Erbschaft gedankt? Du gutes Kind. Ach
+Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee
+ein. Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments
+bemuehn. Sie, Herr Damis, sollen so guetig sein und ihm Gesellschaft
+leisten.
+
+Damis. Von Herzen gern.
+
+(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.)
+
+
+
+Einundzwanzigster Auftritt
+
+Cleon. Julchen.
+
+
+Cleon. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muss
+dir doch lieb sein, dass du ein Rittergut hast.
+
+Julchen. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester
+anbieten kann.
+
+Cleon. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner
+Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe,
+Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis?
+Hat auch der eine Freude ueber deine Erbschaft?
+
+Julchen. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgueltig zu sein.
+
+Cleon. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermoegen. Aber du musst
+auch bedenken, dass er dich gewaehlt hat, da du noch ein armes Maedchen
+warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr
+Vormund itzt von ihm erzaehlet hat, du wuerdest ihn gewiss lieben! Ich
+habe immer gedacht, er waere nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so
+hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich
+versichert, dass er ein rechter scharfsinniger Mensch waere und mehr
+gute Buecher gelesen haette, als Stunden im Jahre waeren. Wer haette das
+denken sollen?
+
+Julchen. Dass er gelehrt ist, habe ich lange gewusst; allein dass ich's
+nicht bin, weiss ich leider auch. Vielleicht sucht er die
+Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut.
+
+Cleon. Du redst artig. Da werden die Toechter studieren koennen wie
+die Soehne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schoen
+singen. Du kannst dein bisschen Franzoesisch. Du schreibst einen
+feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die
+Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet
+und fromm und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann
+mehr haben? Herr Damis liebt dich gewiss. Mache, dass ich ihn bald
+Herr Sohn und dich Braut heissen kann.
+
+Julchen. Braut? Das weiss ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa,
+Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja
+ebensoviel und noch mehr als ich.
+
+Cleon. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat
+ihren Herrn Siegmund und verlangt kein grosses Glueck. Gib ihr etwas
+von deinem Vermoegen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so
+will ich sie gleich heute verloben. Oder moechtest du Herrn Siegmunden
+lieber zum Manne haben?
+
+Julchen. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die
+Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn
+Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener?
+ Und wenn auch dieser liebenswuerdiger waere, da er es doch nicht ist,
+wie koennte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester
+und er sie so zaertlich liebt?
+
+Cleon. So gefaellst du mir. Ich bin ein rechter gluecklicher Vater.
+(Er klopft sie auf die Backen.) Meine liebe schoene Tochter, bleibe
+bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast
+den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir
+zuweilen ein bisschen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe
+alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand...
+
+Julchen. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschliesse: so gebe ich Ihnen
+mein Wort, dass ich einen Mann waehle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur
+nicht meine Freiheit dabei verloere! Wenn ich nur wuesste, ob ich ihn
+etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich
+habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht
+zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde?
+
+Cleon. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe
+macht wieder gesund. Ich spraeche ja, wenn ich wie du waere, damit ich
+der Krankheit zuvorkaeme.
+
+Julchen. Ach! Papa.
+
+Cleon. Ach! Du sollst nicht "Ach", du sollst "Ja" sprechen. Du
+gefaellst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben.
+
+Julchen. Aber werde ich ihm stets gefallen?
+
+Cleon. Das kannst du denken. Woran stoesst sich denn dein Herz noch?
+Befuerchtest du denn gar, dass er dir kuenftig untreu werden moechte?
+Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, dass dein Liebster sehr
+viel Religion haette und oft zu sagen pflegte, dass er kein Mensch sein
+moechte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich
+gewiss zeitlebens fuer gut halten. Er wird seine Schwuere nicht brechen.
+
+Julchen. Ich hoere keine Schwuere von ihm. Wuerde er seine Liebe nicht
+beteuern, wenn er mich...?
+
+Cleon. Das ist schoen, dass er nicht schwoert. Um desto mehr kannst du
+auf sein Wort bauen. Das oeffentliche Versprechen ist eben der Schwur
+in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn
+zugleich tun willst.
+
+Julchen. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache
+recht zu ueberlegen. Lassen Sie mir noch Zeit.
+
+Cleon. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann
+sprich "Ja" oder "Nein". Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe
+dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du
+willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen
+haben. Die beiden schwarzen Pflaesterchen lassen recht huebsch zu
+deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren?
+
+Julchen. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken.
+
+Cleon. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen
+Gevatterbrief schickst. Komm und fuehre mich bei der Hand. Ich moechte
+gern einmal von einer Braut gefuehret werden.
+
+(Ende des zweiten Aufzugs.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Siegmund. Julchen.
+
+
+Julchen. Was sagen Sie mir? Das glaube ich in Ewigkeit nicht.
+
+Siegmund. Ich aber glaube es.
+
+Julchen (bestuerzt). Hat er es Ihnen denn selbst gesagt? Ich
+Unglueckliche!
+
+Siegmund. Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es
+ist gewiss, dass er Ihnen Lottchen weit vorzieht. Ich wollte ihm diese
+Beleidigung, so gross sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie
+nicht zugleich beleidigte. Ich bedaure Sie, mein Engel. Ich weiss,
+Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen,
+ dass Sie dem Unbestaendigen wenigstens meinen Namen verschweigen.
+
+Julchen. War dies die Ursache seiner Traurigkeit? Der Treulose! Was
+hat er fuer Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betruegen? Wenn er
+mir aus Rache das Leben haette nehmen wollen: so wuerde ich ihn noch
+nicht hassen. Aber dass er mich unter der Maske der Liebe und
+Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat.
+
+Siegmund. Er wird es leugnen, denken Sie an mich.
+
+Julchen. Der Verraeter! Ja, er soll es leugnen. Ich mag dieses
+Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren. Ich will ihn nicht
+bestrafen. Nein! Sein Gewissen wird mich raechen... Wie? Er? dem
+ich heute mein Herz schenken... doch nein, ich habe ihn nicht geliebt.
+ Aber hat er nicht tausendmal gesagt, dass er mich liebte? Haelt man
+sein Wort unter den Maennern nicht besser?
+
+Siegmund. O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen
+nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen. Sollten Sie mein Herz sehen!
+ Ja... auch der Zorn macht Sie noch liebenswuerdiger.
+
+Julchen. Verlassen Sie mich, liebster Freund. Ich will... Und du,
+meine Schwester, du schweigst? Und alles dies tust du, o Liebe, du
+Pest der Menschen!... Verlassen Sie mich. Ich verspreche Ihnen bei
+meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit
+zeitlebens zu belohnen. Aber kommen Sie bald wieder hieher.
+
+Siegmund. Sobald, als ich glaube, dass sich Ihre Hitze etwas gelegt
+haben wird.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht). Eben zu der Zeit,
+da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch
+untreu...? Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen? Bin ich
+bezaubert?
+
+Damis. Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht? Mit wem reden
+Sie?
+
+Julchen. Mit einem Betrueger, den ich geliebt haben wuerde, wenn ich
+weniger von ihm erfahren haette. (Gelinder.) Ist es Ihnen moeglich
+gewesen, mich zu hintergehn? Mich? die ich schon anfing, Sie im
+Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn? Warum handeln Sie
+so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muss,
+nachdem ich sie gefuehlt habe? Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie fuer
+ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, dass ich Sie niemals
+hassen, dass ich mich vielmehr bemuehen werde, Ihren Fehler vor mir
+selbst zu verbergen.
+
+Damis. Ich Ungluecklicher! Ist der Betrueger der Name, den ich
+verdiene? Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzuernte
+Freundin. Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten
+Gewissens, dass mein Herz gar keines Betrugs faehig ist. Ich verlange
+es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die uebele Meinung beigebracht hat.
+Die Zeit wird mich schon rechtfertigen.
+
+Julchen. Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze?
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Die Vorigen. Lottchen.
+
+
+Damis (zu Lottchen). Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an,
+mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben.
+
+Lottchen. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich
+ueber die ersten Kuesse.
+
+Damis (zu Julchen). Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer
+Schwester. Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen.
+
+Julchen. Vielleicht faende ich da die wenigste Huelfe.
+
+Lottchen. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es haette wissen
+sollen, dass du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Braeutigam
+zanken wuerdest: sie haette dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute
+vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, dass der Krieg nicht lange
+dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die
+Liebe etwas zaenkisch ist.
+
+Julchen. O scherze nicht.
+
+Lottchen (zu Damis). Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben
+Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich
+Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besaenftigen. Julchen, rede
+wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er
+dich ja beleidiget hat: so lass dir den Kuss wiedergeben: so seid ihr
+geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander?
+
+Julchen. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner
+Gegenwart nicht sagen koennen. Ich glaube zwar gar nicht, dass du ihm
+Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafuer, dass du
+liebenswuerdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein
+Verdienst. Er wuerde dich nicht lieben, wenn er nicht die groessten
+Vorzuege zu lieben gewohnt waere. Ich entschuldige ihn selbst.
+
+Lottchen. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du
+dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eroeffnen.
+Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn
+Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich
+verliebt stellen sollen, um dich zu ueberfuehren, dass du vielleicht
+schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben,
+ dass Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine
+Rolle gar zu gut gespielt.
+
+Julchen. Er tat sehr ernstlich und...
+
+Damis (zu Julchen). Sehn Sie, was ich fuer ein betruegerisches Herz
+habe?
+
+Julchen. Aber...
+
+Damis. Sie koennen noch ein Misstrauen in mich setzen? Wie wenig
+muessen Sie mich kennen!
+
+Julchen. Ich? mein Herr...
+
+Damis. Ist das der Lohn fuer meine Liebe?
+
+Julchen. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Wuerde ich eifersuechtig
+geworden sein, wenn ich nicht... Also haben Sie mich nicht
+hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat fuer Sie gesprochen.
+
+Lottchen. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich
+merke, dass es dir schon weh tut, dass du deinen Geliebten wegen deiner
+Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner
+Stelle tun. (Zum Damis.) Mein Herr, sein Sie so guetig und vergeben
+Sie es Julchen, dass Sie zaertlicher von ihr geliebt werden, als Sie
+gedacht haben.
+
+Julchen. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen
+Fehler freiwillig ab.
+
+Damis. Aber lieben Sie mich denn auch?
+
+Julchen. Ja. Nunmehr weiss ich's gewiss, dass ich Sie liebe. Und
+nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem
+Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wuensche dadurch befriediget
+werden.
+
+Damis. Meine Juliane! Ich bin zu gluecklich.
+
+Julchen. Wenn ich Ihr Herz noch nicht haette: so wuerde ich nunmehr
+selbst darum bitten, so hoch schaetze ich's.
+
+Damis. Vortreffliche Juliane! Ich bin... Doch es ist mir kein
+Gedanke anstaendig genug fuer Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen
+in der Entzueckung antworten kann.
+
+Lottchen. Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei
+ewig gluecklich! Sei mir ein Beispiel der Zaertlichkeit und der
+Zufriedenheit. (Zum Damis.) Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen
+so gluecklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wuensche. Bleiben
+Sie ein Freund meines Freundes, und befoerdern Sie unsere Ruhe durch
+Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater
+gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens
+Entschluss hoert! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie,
+ich will das Vergnuegen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir
+heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von
+der Gewissheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben.
+
+(Julchen und Damis gehn ab.)
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Lottchen. Simon.
+
+
+Simon. Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem
+Testamente zu bringen. Ich habe sie selbst geholet. Wollen Sie
+unbeschwert diesen Punkt lesen? (Er reicht ihr die Abschrift.)
+
+Lottchen (sie liest). Wie? Ich bin die Erbin des Ritterguts? Ich?
+
+Simon. Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester.
+Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muss sich
+entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiss angerichtet
+haben, um seiner Jungfer Pate eine desto groessere Freude zu machen.
+Genug, es ist nunmehr gewiss, dass Sie die Erbin des Ritterguts sind,
+und kein Mensch kann Ihnen dieses Glueck aufrichtiger goennen, als ich
+tue. Sie verdienen noch weit mehr.
+
+Lottchen. O das ist ein trauriges Glueck! Wird nicht meine liebe
+Schwester darueber betruebt werden? Wird nicht Ihr Herr Muendel...?
+
+Simon. Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und
+nunmehr falsche Nachricht brachte. Lesen Sie doch nur weiter. Sie
+sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen
+zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird.
+
+Lottchen. Nun bin ich zufrieden. Sie soll noch mehr haben als
+zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht ueber ihren Verlust kraenkt.
+O was fuer Bewegungen fuehle ich in meiner Seele! Und was werde ich
+erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden ueber mein
+Glueck erschrecken sehe? O wie schoen wird er erschrecken! Gott, wie
+gluecklich bin ich! Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird.
+
+
+
+Fuenfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehoert, endlich ihr Ja
+von sich gegeben? Ist es gewiss? Das ist mir sehr angenehm.
+
+Lottchen (zu Simon). Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn
+Muendels erklaert und wird die Ehre haben, Sie um einen Braeutigam zu
+bitten, der unter Ihren Haenden so liebenswuerdig geworden ist. Aber,
+mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente. Geht es
+Ihnen nicht ein wenig nahe, dass die Frau Muhme uns beide vergessen hat?
+
+Siegmund. Nein, nicht einen Augenblick. Sie sind mir mehr als ein
+reiches Testament.
+
+Lottchen. Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten
+sollte, wollen wir's annehmen?
+
+Siegmund. Da sie nicht mehr ueber ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie
+auch nicht ueber ihr Vermoegen zu befehlen.
+
+Simon. O mein Herr, Sie koennen versichert sein, dass ihr mein Muendel
+die voellige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein.
+Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Ueberflusse, sondern in dem
+Gebrauche desselben. Er wuerde Julchen gewaehlt haben, wenn sie auch
+keine Erbschaft getan haette. Und vielleicht waere es ihm gar lieber,
+wenn er ihr Glueck durch sich allein haette machen koennen. Wir wollen
+wuenschen, dass alle Liebhaber so edel gesinnt sein moegen als er.
+
+Lottchen. Hoeren Sie, Herr Siegmund, was wir fuer einen grossmuetigen
+Bruder bekommen haben?
+
+Siegmund. Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die groesste Ehre.
+
+Simon. Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn. Er ist von seinem
+zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde
+alle meine Sorgfalt fuer ihn so reichlich belohnet und mir so vieles
+Vergnuegen gemacht, dass ich nicht weiss, wer dem andern mehr Dank
+schuldig ist.
+
+Lottchen. Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem
+Braeutigam meiner Schwester goenne. Und wenn mein Papa sterben sollte:
+so wuerde ich Ihr Muendel sein, um ebendieses Lob zu verdienen. O was
+ist der Umgang mit grossen Herzen fuer eine Wollust! Aber, Herr Simon,
+darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe
+gebeut und rechtfertiget? Ja, Sie sind es wuerdig, die Regungen meiner
+Seele ohne Decke zu sehen. (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn.
+) Endlich, mein Freund, bin ich so gluecklich, Ihren Umgang und Ihre
+Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen. Sie
+haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt. Die Vorsicht hat mich
+heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht ruehmlicher
+anzuwenden weiss, als wenn ich sie in Ihre Haende bringe. Ich weiss, Sie
+werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen. Hier ist eine
+Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erklaeret bin, anstatt
+dass es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war. Kurz, die
+Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehoert Julchen.
+ Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen.
+
+Siegmund. Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgueltig.
+
+Lottchen. Eben deswegen verdienen Sie's. Fehlt zu Ihrem Gluecke
+nichts als meine Liebe: so koennen Sie nie gluecklicher werden.
+
+Siegmund. Ach, meine Schoene, wie erschrecke ich! Sie machen, dass man
+die Liebe und das Glueck erst hochschaetzt. O warum kann nicht die
+ganze Welt Ihrer Grossmut zusehen! Sie wuerden auch den
+niedertraechtigsten Seelen liebenswuerdig vorkommen und ihnen bei aller
+Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, dass sie Ihnen gleichen
+moechten. Ich danke es der Schickung ewig, dass sie mir Ihren Besitz
+zugedacht hat. Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater,
+um ihn nunmehr...
+
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Die Vorigen. Ein Bedienter.
+
+
+Der Bediente (zu Lottchen). Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell. Er
+koemmt von der Post.
+
+Lottchen. Ein Brief von der Post?
+
+Siegmund. Ja, ich habe den Brieftraeger selbst auf dem Saale stehen
+sehen, ehe ich hereingekommen bin.
+
+Lottchen. Wollen Sie erlauben, meine Herren, dass ich den Brief in
+Ihrer Gegenwart erbrechen darf?
+
+Simon. Ich will indessen meinem lieben Muendel meinen Glueckwunsch
+abstatten.
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen (indem sie den Brief fuer sich gelesen hat). O mein Freund,
+man will mir mein Glueck sauermachen. Man beneidet mich, sonst wuerde
+man Sie nicht verkleinern. Es ist ein boshafter Streich; er ist mir
+aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und
+meiner Liebe geben kann. Ich will Ihnen den Brief lesen. Er besteht,
+wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen. (Sie liest.) "Mamsell, trauen Sie
+Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht. Er ist ein Betrueger. N.
+N."
+
+Siegmund. Was? Ich ein Betrueger?
+
+Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand). Ich weiss, dass Sie gross genug
+sind, dieses hassenswuerdige Wort mit Gelassenheit anzuhoeren. Es ist
+ein Lobspruch fuer Sie. Ich verlange einen solchen Betrueger, als Sie
+sind, mein Freund.
+
+Siegmund. Aber wer muss mir diesen boshaften Streich an dem heutigen
+Tage spielen? Wie? Sollte es auch Herr Simon selbst sein? Liebt er
+Sie vielleicht? Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft? Warum ging er, da
+der Brief kam? Soll ich ihm dieses Laster vergeben? Wenn er mir
+meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen haette: so wuerde ich ihm fuer
+diese Demuetigung danken; aber dass er mir die Ehre eines guten Herzens
+rauben will, das ist aerger, als wenn er mir Gift haette geben wollen.
+Ich?... Ich, ein Betrueger? Himmel, bringe es an den Tag, wer ein
+Betrueger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat! Ist das
+der edelgesinnte Vormund?
+
+Lottchen. Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie
+sich. Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte. Es ist
+nicht moeglich, dass er eine solche Niedertraechtigkeit begehen sollte.
+Sein Charakter ist edel. Wer weiss, was Sie sonst fuer einen Feind
+haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht
+bekommen hat.
+
+Siegmund. Sie entschuldigen den Vormund noch? Hoerten Sie nicht den
+boshaften Ausdruck: Wir wollen wuenschen, dass alle Liebhaber so edel
+gesinnt sein moegen als mein Muendel? Ist dieses nicht eine
+unverschaemte Anklage wider mich?
+
+Lottchen. Ich sage Ihnen, dass Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch
+einen Augenblick in Verdacht haben. So, wie ich ihn kenne und wie mir
+ihn sein Muendel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein
+Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann.
+
+Siegmund. Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben? Ich habe
+gemerkt, dass er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das
+geringste Wort Achtung gegeben hat. Es koemmt noch ein merkwuerdiger
+Umstand dazu. Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon
+triumphieret, dass er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe
+erhalten haette. Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt;
+aber mir nicht.
+
+Lottchen. Ich beschwoere Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie
+diesen Mann aus dem Verdachte.
+
+Siegmund. Warum hat er mir nicht gesagt, dass man ihm vom Hofe einen
+vornehmen Charakter und eine ungewoehnliche Pension gegeben hat? Was
+sucht er darunter, wenn er nicht mein Unglueck bei Ihnen sucht?
+
+Lottchen. Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zaertlichen Liebe zu mir.
+Ausserdem wuerde ich Sie nicht laenger anhoeren. Wir wollen die Sache zu
+unserm Vorteile enden. Ihre Feinde moegen sagen, was sie wollen. Sie
+sind bestraft genug, dass sie Ihren Wert nicht kennen. Und wir koennen
+uns nicht besser raechen, als dass wir uns nicht die geringste Muehe
+geben, sie zu entdecken. Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen. Ich
+komme in der Gesellschaft meines Vaters und der uebrigen gleich wieder
+zu Ihnen, unser Buendnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen.
+
+
+Achter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Das war ein verfluchter Streich! Aber er macht mich nur mutiger.
+Julchen ist verloren... Gut, ist doch Lottchen, ist doch das
+Rittergut mein... Ich bin nicht untreu gewesen. Nein! Ich habe es
+nur sein wollen; aber ich war zu edel, als dass mich's die Umstaende
+haetten werden lassen. Aber wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine
+Untreue erfahren? Ich will sie sicher machen.
+
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. "Wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine Untreue erfahren?
+Ich will sie sicher machen." Der Boshafte! Hoerten Sie sein
+Bekenntnis? Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe
+auffuehren wuerde. O haetten wir diese unglueckselige Entdeckung doch
+niemals gemacht! Du arme Schwester! Du verbindest dich mit einem
+Menschen, der ein boeses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat.
+
+Damis. Ja, es ist ein nichtswuerdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt
+habe. Er hat den groessten Betrug begangen. Ich bitte ihn heute
+Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, dass er mir Ihre Liebe
+sollte gewinnen helfen. Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater,
+unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden,
+als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten. Ist das mein Freund, dem
+ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermoegen angeboten habe?
+
+Julchen. Mich hat er bereden wollen, dass Sie meiner Schwester
+gewogener waeren als mir. Nunmehro weiss ich gewiss, dass es keine
+Verstellung gewesen. Aber meine arme Schwester wird es doch denken,
+weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat. Wer soll
+ihr ihren Irrtum entdecken? Wird sie uns hoeren? Und wenn sie es
+glaubt, ueberfuehren wir sie nicht von dem groessten Ungluecke! Wie dauret
+sie mich!
+
+Damis. Ja. Aber sie muss es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so
+rede ich.
+
+Julchen. Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester!
+Schweigen Sie. Vielleicht... Vielleicht ist er nicht von Natur
+boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft...
+
+Damis. Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist
+er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein
+Mensch, der den andern aus Hunger auf der Strasse umbringt. Hat ihn
+die ausnehmende Zaertlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die
+edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft
+erhalten koennen: so muss es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes
+willen seinen naechsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der
+geringsten Wollust wegen abzuschwoeren.
+
+Julchen. Aber ach, meine Schwester... Tun Sie es nicht. Ich zittre..
+.
+
+Damis. Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt. Aber
+ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so ungluecklich werden lasse, sich mit
+einem Nichtswuerdigen zu verbinden: so will ich mein Vermoegen, meine
+Ehre und Sie selbst verlieren. Ich gehe und sage ihr alles, und wenn
+sie auch ohne Trost sein sollte. Mein Herr Vormund hat das Billett an
+Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen.
+ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide fuer zu
+einfaeltig gehalten, haben seine tueckischen Absichten zuerst gemerkt,
+und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut. Dieser hasst und
+sieht die kleinsten Betruegereien.
+
+Julchen. Ist er denn gar nicht zu entschuldigen?
+
+Damis. Nein, sage ich Ihnen. Wir haben alles untersucht. Er ist ein
+Betrueger. (Mit Bitterkeit.) Ich habe in meinem Leben noch kein Tier
+gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen
+durch seine Verstellung ungluecklich machen sollte, wollte ich mit
+Freuden umbringen. Was? Wir Maenner wollen durch den haesslichsten
+Betrug das Frauenzimmer im Triumph auffuehren, das wir durch unsere
+Tugend ehren sollten?
+
+Julchen. Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen?
+
+Damis. Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen. Sie soll ihn fuehlen
+lassen, was es heisst, ein edles Herz hintergehn.
+
+Julchen. Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte. Waere das
+nicht auch grossmuetig?
+
+Damis. Sie braucht ihn nicht zu verfolgen. Sie kann alle Regungen
+der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen. Er ist ein
+Unmensch.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Die Vorigen. Simon.
+
+
+Simon. Ich stehe die groesste Qual aus. Unsere Absicht mit dem Briefe
+schlaegt leider fehl. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn
+fuer unschuldig haelt. Sie dringt in ihren Vater, dass er die Verlobung
+beschleunigen soll. Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergisst
+vielleicht in der grossen Liebe die Vorsichtigkeit und meine
+Erinnerungen. Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme
+preiszugeben: so will ich's tun.
+
+Damis. Ich tue es auch.
+
+Julchen. Wenn nur meine Schwester kaeme. Ich wollte... Aber sie
+liebt ihn unaussprechlich. Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich
+auf einmal von ihm trennen soll?
+
+Simon. Es wird viel empfinden. Sie liebt ihn so sehr, als man nur
+lieben kann. Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der
+Liebe wert haelt. Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die
+Vernunft, das Gefuehl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider
+ihre Liebe empoeren und sie verdringen. Der Hass wird sich an die
+Stelle der Liebe setzen. Wir muessen alle drei noch einmal mit ihr und
+dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betruegt.
+
+Julchen. Du redliche Schwester! Koennte ich doch dein Unglueck durch
+Wehmut mit dir teilen! Wie traurig wird das Ende dieses Tages fuer
+mich!
+
+Simon. Betrueben Sie sich nicht ueber den Verlust eines solchen Mannes.
+ Lottchen ist gluecklich, wenn sie ihn verliert, und ungluecklich, wenn
+sie ihn behaelt. Herr Damis, haben Sie die Guete und sehen Sie, wie Sie
+Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und
+hieherbringen koennen.
+
+Damis. Ja, das ist das letzte Mittel.
+
+Simon (zu Damis). Noch ein Wort. Haben Sie die Abschrift des
+Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe?
+
+Damis. Nein, Herr Vormund.
+
+Simon. Sie auch nicht, Mamsell Julchen?
+
+Julchen. Nein.
+
+Simon. Also wissen Sie beide noch nicht, dass die erste Nachricht
+falsch gewesen ist. Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht. Sie sind
+nicht die Erbin des Ritterguts.
+
+Julchen. Wie? Ich bin's nicht? Warum haben Sie mir denn eine
+falsche Freude gemacht? Das ist betruebt. Geht denn heute alles
+ungluecklich? Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts? Bin ich nicht mehr
+Ihre Braut? Geht denn das Unglueck gleich mit der Liebe an? Ich
+wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen.
+Ich liess schon die besten Zimmer fuer sie zurechtemachen. Ach, mein
+Herr, was fuer Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, dass
+ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und
+Wiesen fuehrte... ! Also habe ich nichts?
+
+Damis. Sie haben so viel, als ich habe. Vergessen Sie die traurige
+Erbschaft. Es wird uns an nichts gebrechen. Mir ist es recht lieb,
+dass Sie das Rittergut nicht bekommen haben. Vielleicht haette die Welt
+geglaubt, dass ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren
+eigenen Wert gesehen haette. Und dies soll sie nicht glauben. Sie
+soll meine Braut aus ebender Ursache hochschaetzen, aus der ich sie
+verehre und waehle. Fuehren Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen
+Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnuegen machen. Genug, dass
+Sie ein Rittergut verdienen. O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende
+gerissen haette. Ich werde eher nicht ruhig.
+
+Simon. Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts.
+
+Julchen. Meine Schwester ist es? Meine Schwester? Bald haette ich
+sie beneidet; aber verwuenscht sei diese Regung! Nein! Ich goenne ihr
+alles. (Zu Damis.) Was koennte ich mir noch wuenschen, wenn Sie mit
+mir zufrieden sind. Sie soll es haben. Ich goenne ihr alles.
+
+Damis. Auch mich, meine Braut?
+
+Julchen. Ob ich Sie meiner Schwester goenne? Nein, so redlich bin ich
+doch nicht. Es ist keine Tugend; aber... Fragen Sie mich nicht mehr.
+
+Damis. Nein. Ich will Mamsell Lottchen suchen. Die Zaertlichkeit
+soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen.
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Julchen. Simon.
+
+
+Julchen. Ob ich ihn meiner Schwester goenne? Wie koennte sie das von
+mir verlangen? Sie hat ja das Rittergut. Ich liebe sie sehr; aber
+wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befoerdern soll:
+so fordert sie zu viel. Das ist mir nicht moeglich.
+
+Simon. Machen Sie sich keine Sorge. Sie wird es gewiss nicht begehren.
+ Ich muss Ihnen auch sagen, dass sie Ihnen nach dem Testamente
+zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll.
+
+Julchen. Das ist alles gut. Wenn ich nur meiner Schwester ihren
+Liebhaber durch dieses Geld treu machen koennte, wie gern wollte ich's
+ihm geben! Der boese Mensch! Kann er nicht machen, dass ich den Herrn
+Damis verliere, indem er Lottchen verliert? Aber warum laesst der
+Himmel solche Bosheiten zu? Was kann denn ich fuer seine Untreue? Ich
+bin ja unschuldig.
+
+Simon. Mein Muendel kann niemals aufhoeren, Sie zu lieben. Verlassen
+Sie sich auf mein Wort. Jungfer Lottchen ist zu beklagen. Aber
+besser ohne Liebe leben, als ungluecklich lieben. Wenn sie doch kaeme!
+
+Julchen. Aber wenn sie nun koemmt? Ich kann ja ihre Ruhe nicht
+herstellen. Ich habe sie herzlich lieb. Aber warum soll denn meine
+Liebe mit der ihrigen leiden? Nein, so grossmuetig kann ich nicht sein,
+dass ich ihr zuliebe mich und... mich und ihn vergaesse. Wenn sie doch
+gluecklich waere! Ich werde recht unruhig. Er sagte, er wollte die
+Zaertlichkeit der Freundschaft nachsetzen. Was heisst dieses?
+
+Simon. Bleiben Sie ruhig. Mein Muendel ist der Ihrige. Sie verdienen
+ihn. Und wenn Sie kuenftig an seiner Seite die Glueckseligkeiten der
+Liebe geniessen: so verdanken Sie es der Tugend, dass sie uns durch
+Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht.
+
+
+
+Zwoelfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Der Magister.
+
+
+Der Magister. Herr Simon, ich moechte Ihnen gern ein paar Worte
+vertrauen. Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige
+Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtuemer fuer Gewalt ueber
+das menschliche Herz haben.
+
+Simon. Ich fuerchte, dass mir diese unglueckliche Entdeckung schon mehr
+als zu bekannt ist.
+
+Der Magister. Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube
+nachgedacht.
+
+Julchen. Koennen Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist? Tun Sie
+es doch, lieber Herr Magister.
+
+Der Magister. Siegmund muss bestraft werden, damit er gebessert werde.
+
+Simon. Er verdient nicht, dass man ihn anders bestrafe als durch
+Verachtung.
+
+Der Magister. Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden?
+
+Simon. Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern?
+
+Der Magister. Das will ich itzt nicht ausmachen. Aber sagen Sie mir,
+Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, dass
+nur ein Laster ist; oder dass, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer
+Kraft nach zugegen sind? Sehn Sie nur Siegmunden an. Ist er nicht
+recht das Exempel zu diesem Paradoxo?
+
+Simon. Ja, Herr Magister. Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von
+der Liebe zu Siegmunden abbringen? Sie glaubt es ja nicht, dass er
+untreu ist.
+
+Der Magister. Das wird sich schon geben. O wie erstaunt man nicht
+ueber die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat
+und welche alle mit einem haben! Siegmund wird bei der Gelegenheit
+des Testaments geizig. Ein Laster. Er strebt nach Julchen, damit er
+ihre Reichtuemer bekomme. Welcher schaendliche Eigennutz! Er wird
+Lottchen untreu und will Julchen untreu machen. Wieder zwei neue
+Verbrechen. Er kann sein erstes Laster nicht ausfuehren, wenn er nicht
+ein Betrueger und Verraeter wird. Also hintergeht er seinen Freund,
+seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die
+Tugend hintergangen hat. Aber alle diese Bosheiten auszufuehren, musste
+er ein Luegner und ein Verleumder werden. Und er ward es. Welche
+unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern? Sollten
+also die Stoiker nicht recht haben?
+
+Simon. Wer zweifelt daran? Herr Magister. Ich glaube es, dass Sie
+die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen. Sie reden
+sehr wahr, sehr gelehrt. Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt,
+und wir danken Ihnen zeitlebens dafuer. Aber entdecken Sie nun auch
+das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, dass sie sich nicht mit dem
+untreuen Siegmund verbindet.
+
+Der Magister. Darauf will ich denken. Lottchen ist zu leichtglaeubig
+gewesen. Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man
+Ursache hat, ein Misstrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man
+es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat.
+Wir haben so viele Vernunftlehren. Eine Willenslehre ist ebenso noetig.
+ Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der
+Verstand? So wie der Verstand Grundsaetze hat, die sein Wesen
+ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe. Kennt man diese, so
+kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu
+verbessern. Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen
+nicht hundertmal gesagt, dass Siegmund nichts Gruendliches in der
+Philosophie weiss? Dies sind die traurigen Fruechte davon.
+
+Julchen. Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betruebten
+Sache empfaenden als ich, Sie wuerden diese Frage itzt nicht an mich tun.
+ Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt. Und ich wollte wuenschen,
+dass Sie an die Fabel von dem Knaben gedaechten, der in das Wasser
+gefallen war. Anstatt dass Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so
+zeigen Sie uns den Ursprung und die Groesse derselben. Nehmen Sie meine
+Freiheit nicht uebel.
+
+Der Magister. Ich kann Ihnen nichts uebelnehmen. Zu einer Beleidigung
+gehoert die gehoerige Einsicht in die Natur der Beleidigung. Und da
+Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber
+sie sind es nicht.
+
+Simon. Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun?
+
+Der Magister. Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen
+und meinem Bruder kurz und gut sagen, dass ich meine Einwilligung nicht
+darein gebe. Alldann muss die Sache ein ander Aussehn gewinnen.
+
+Simon. Gut, das tun Sie.
+
+
+Dreizehnter Aufzug
+Julchen. Simon.
+
+Julchen. Ich will dem Herrn Magister nachgehen. Er moechte sonst gar
+zu grosse Haendel anrichten. Entdecken Sie Lottchen, wenn sie koemmt,
+die traurige Sache zuerst. Ich will sorgen, dass Sie Siegmund in Ihrer
+Unterredung nicht stoert und Ihnen, wenn ich glaube, dass es Zeit ist,
+mit meinem Braeutigame zu Huelfe kommen.
+
+Simon. Ich will als ein redlicher Mann handeln. Und wenn ich mir
+auch den groessten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die
+niedertraechtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so
+will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen.
+
+
+Vierzehnter Auftritt
+
+Simon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Was ist zu Ihrem Befehle? Haben Sie etwa wegen der
+zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu
+erinnern? Tun Sie nur einen Vorschlag. Ich bin zu allem bereit.
+
+Simon. Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden. Glauben Sie
+wohl, dass mir Ihr Glueck lieb ist und dass ich ein ehrlicher Mann bin?
+So unhoeflich diese beiden Fragen sind: so muss ich sie doch an Sie tun,
+weil ich sonst in der Gefahr stehe, dass Sie meinen Antrag nicht
+anhoeren werden.
+
+Lottchen. Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen? Reden Sie frei.
+Ich sage es Ihnen, dass ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich
+meinem Vater schuldig bin. Ich will Ihnen den groessten Dank sagen,
+wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die
+Tat zu beweisen. Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit
+ueberzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Braeutigams. Kann es Ihnen
+nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden?
+
+Simon. Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers.
+
+Lottchen. Will Ihr Herr Muendel etwa das Rittergut gern haben, weil es
+so nahe an der Stadt liegt? Nun errate ich's, warum er itzt gegen den
+guten Siegmund etwas verdriesslich tat. Warum hat er mir's nicht
+gleich gesagt? Er soll es haben und nicht mehr dafuer geben, als Sie
+selbst fuer gut befinden werden. Kommen Sie zur Gesellschaft. Ich
+habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten,
+entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern
+Aufschub das Recht ueber mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu
+zeigen, dass ich auf keine gemeine Art liebe.
+
+Simon. Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die
+Post bringen helfen.
+
+Lottchen. Ehe wollte ich glauben, dass ihn mein Vater, der mich so
+sehr liebt, geschrieben haette. Sie scherzen.
+
+Simon. Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die
+Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft. Erschrecken Sie nur,
+und hassen Sie mich. Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es
+nicht aufrichtig mit Ihnen.
+
+Lottchen. Sie wollen gewiss das Vergnuegen haben, meine Treue zu
+versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, dass ich nicht
+erschrecken kann.
+
+Simon. Sie glauben, ich scherze? Ich will also deutlicher reden.
+Ihr Liebhaber ist ein Betrueger.
+
+Lottchen (erbittert). Mein Herr, Sie treiben die Sache weit. Wissen
+Sie auch, dass ich fuer die Treue meines Liebhabers stehe und dass Sie
+mich in ihm beleidigen? Und wenn er auch der Untreue faehig waere: so
+wuerde ich doch den, der mich davon ueberzeugte, ebensosehr hassen als
+den, der sie begangen. Aber ich komme gar in Zorn. Nein, mein Herr,
+ich kenne ja Ihre Grossmut. Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiss, als ich
+lebe.
+
+Simon. So gewiss, als ich lebe, ist es mein Ernst. Er ist unwuerdig,
+noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden.
+
+Lottchen. Und ich werde ihn ewig lieben.
+
+Simon. Sie kennen ihn nicht.
+
+Lottchen. Besser als Sie, mein Herr.
+
+Simon. Ihre natuerliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen
+macht, dass Sie ihn fuer aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht.
+
+Lottchen. Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand. Ich
+habe Sie und meinen Liebhaber fuer aufrichtig gehalten. Ich will mich
+betrogen haben. Aber wen soll ich zuerst hassen? Ist Ihnen etwas an
+meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie. Sie veraendern mein
+ganzes Herz. Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen;
+aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennuetzig zu
+handeln. Waere es Ihrem Charakter nicht gemaesser, mich tugendhaft zu
+erhalten, als dass Sie mich niedertraechtig machen wollen? Warum reden
+Sie denn nur heute so?
+
+Simon. Weil ich's erst heute gewiss erfahren habe. Wenn Sie mir nicht
+glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem
+Muendel.
+
+Lottchen. Das ist schrecklich. Haben Sie diese auch auf Ihre Seite
+gezogen?
+
+Simon. Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater. Und
+ehe ich zugebe, dass ein Niedertraechtiger Ihr Mann wird, ehe will ich
+mich der groessten Gefahr aussetzen. Sie sind viel zu edel, viel zu
+liebenswuerdig fuer ihn.
+
+Lottchen. Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten? Muss er
+nur darum ein Betrueger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswuerdig
+bin? Und Sie glauben, dass sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen
+laesst? Nunmehr muss ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen.
+ Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn koennen.
+
+Simon. Machen Sie mir noch so viele Vorwuerfe. Die groessten
+Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstossen, sind nichts als Beweise
+Ihres aufrichtigen Herzens. Die Meinung, in der Sie stehen,
+rechtfertiget sie alle. Und ich wuerde Sie vielleicht hassen, wenn Sie
+mein Anbringen gelassener angehoert haetten. Genug...
+
+Lottchen. Das ist ein neuer Kunstgriff. Mein Herr, Ihre List, wenn
+es eine ist, und sie ist es, sei verwuenscht! Wie? Er, den ich wie
+mich liebe?... Sie wollen sich an seine Stelle setzen? Ist es
+moeglich?
+
+Simon. Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich
+verschmerzen. Es ist wahr, dass ich Sie ungemein hochachte; aber ich
+habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner
+Niedertraechtigkeit zu benehmen. Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus
+nicht mehr zu betreten, solange ich lebe. Und wenn ich durch diese
+Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf
+das entsetzlichste. Nach diesem Schwure schaeme ich mich, mehr zu
+reden. (Er geht ab.)
+
+
+
+Funfzehnter Auftritt
+
+Lottchen allein.
+
+
+Gott, was ist das?... Er soll mir untreu sein?... Nimmermehr! Nein!
+ Der Vormund sei ein Betrueger und nicht er. ... Du, redliches Herz!
+Du, mein Freund, um dich will man mich bringen? Warum beweist er
+deine Untreue nicht?
+
+
+
+Sechzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Damis.
+
+
+Lottchen. Kommen Sie mir zu Huelfe. Und wenn sie mein Unglueck auch
+alle wollen: so sind doch Sie zu grossmuetig dazu. Was geht mit meinem
+Braeutigam vor? Sagen Sie mir's aufrichtig.
+
+Damis. Er ist Ihnen untreu.
+
+Lottchen. Auch Sie sind mein Feind geworden? Hat Sie mein Liebhaber
+beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so grossmuetig und sagen mir
+nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen.
+
+Damis. Mein Herz ist viel zu gross zur Rache.
+
+Lottchen. Aber klein genug zur Undankbarkeit? Hat Ihnen mein
+Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen?
+
+Damis. Wollte der Himmel, er haette mir ihn nicht erwiesen: so wuerden
+Sie gluecklicher, und er wuerde nur ein verborgner Verraeter sein.
+
+Lottchen. Betrueger! Verraeter! Sind das die Namen meines Freundes,
+den ich zwei Jahr kenne und liebe?
+
+Damis. Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so wuerde ich mit
+mehr Maessigung vor Ihnen reden. Aber mein Eifer gibt mir fuer Ihren
+Liebhaber keinen andern Namen ein. Sie, meine Schwester, sind Ihres
+Herzens wegen wuerdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der
+Mensch, der bei Ihrer Zaertlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen
+der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen,
+eine abscheuliche Seele.
+
+Lottchen. Eine abscheuliche Seele? Wohlan; nun fordere ich Beweise.
+(Heftiger.) Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester,
+noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn koennen. Und
+ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Gestaendnis. Ich bin so sehr
+von seiner Tugend ueberzeugt, dass ich weiss, dass er auch den Gedanken
+der Untreue nicht in sich wuerde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn
+selbst zu entdecken. Und ich wuerde ihn wegen seiner gewissenhaften
+Zaertlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben
+koennte.
+
+Damis. Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich
+Ihnen das Herz meiner Braut wieder zurueck. Ihnen bin ich's schuldig;
+aber ich mag nicht die groesste Wohltat von Ihnen geniessen und zugleich
+Ihr Unglueck sehn.
+
+Lottchen. Sie muessen mich fuer sehr wankelmuetig halten, wenn Sie
+glauben, dass ich durch blosse Beschuldigungen mich in der Liebe irren
+lasse. Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines
+Braeutigams zu kennen? Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm
+seine Untreue abwesend vor? Rufen Sie ihn hieher. Alsdann sagen Sie
+mir seine Verbrechen. Er ist edler gesinnet als wir alle. Und ich
+will ihn nun lieben.
+
+Damis. Sie haben recht. Ich will ihn selbst suchen.
+
+
+
+Siebenzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Julchen.
+
+
+Lottchen. Er geht? Er untersteht sich, ihn zu rufen? Nun faengt mein
+Herz an zu zittern. (Sie sieht Julchen. Klaeglich.) Meine Schwester,
+bist du auch da? Hast du mich noch lieb? (Lottchen umarmt sie.)
+Willst du mir die traurigste Nachricht bringen? O nein! Warum
+schweigst du? Warum koemmt er nicht selbst?
+
+Julchen. Ich bitte dich, hoere auf, einen Menschen zu lieben, der...
+
+Lottchen. Er soll schuldig sein; aber muss er gleich meiner Liebe
+unwuerdig sein? Nein, meine liebe Schwester. Ach nein, er ist gewiss
+zu entschuldigen. Willst du ihn nicht verteidigen? Vergisst du schon,
+was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat? Warum sollte er mir
+untreu sein, da ich Vermoegen habe? Warum ward er's nicht, da ich noch
+keines hatte?
+
+Julchen. Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, dass ich
+die Erbin des Testaments waere. Ach, liebe Schwester, wie gluecklich
+wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen saehe!
+
+Lottchen. So ist es gewiss? (Hart.) Nein! sage ich.
+
+Julchen. Ich habe lange mit mir gestritten. Ich habe ihn in meinem
+Herzen, vor meinem Braeutigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater
+entschuldiget. Ich wuerde sie aus Liebe zu dir noch alle fuer betrogne
+Zeugen halten. Aber es ist nicht mehr moeglich. Er selbst hat sich
+hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen
+Briefe verlassen hattest. Er war allein. Die Unruhe und sein
+Verbrechen redten aus ihm. Er hoerte mich nicht kommen. O haett' er
+doch ewig geschwiegen!... Ach, meine Schwester!
+
+Lottchen. Meine Schwester, was sagst du mir? Er hat sich selbst
+angeklagt? Er ist untreu? Aber wie koennte ich ihn noch lieben, wenn
+er's waere? Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiss. Ich habe
+ihm ja die groessten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben...
+(Zornig.) Aber was quaelt ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte?
+Was hat er denn getan? Nichts hat er getan.
+
+Julchen. Er hat mich auf eine betruegerische Art der Liebe zu meinem
+Braeutigam entreissen und sich an seine Stelle setzen wollen. Er hat
+meinen Vater ueberreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als
+wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest. Er hat ihm geraten, die
+Verlobung noch acht Tage aufzuschieben. Er hat sogar um mich bei ihm
+angehalten.
+
+Lottchen. Wie? Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein
+Herz gebeten? Ihr hasst ihn und mich.
+
+Julchen. Ja, da er gesehen, dass das Testament zu deinem Vorteile
+eingerichtet ist.
+
+Lottchen. Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht
+nach meiner Liebe? Ich Betrogene! Doch es ist unbillig, ihn zu
+verdammen. Ich muss ihn selbst hoeren. Auch die edelsten Herzen sind
+nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen. (Klaeglich.)
+Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung? Mach ihn doch
+unschuldig. Ich will ihn nicht besitzen. Ich will ihn zu meiner Qual
+meiden. Ich will ihm die ganze Erbschaft ueberlassen, wenn ich nur die
+Zufriedenheit habe, dass er ein redliches Herz hat. O Liebe! ist das
+der Lohn fuer die Treue?
+
+
+
+Achtzehnter Auftritt
+
+Die Vorigen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Soll ich nunmehr so gluecklich sein, Ihr Ja zu erhalten?
+Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben. Sie lieben mich
+doch, grossmuetige Schoene?
+
+Lottchen. Und Sie lieben mich doch auch?
+
+Siegmund. Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen
+gewiss, dass mein groesster und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfuellt
+worden ist.
+
+Lottchen. Aber... meine Schwester... Warum erschrecken Sie?
+
+Siegmund. Ich erschrecke, dass Sie sich nicht besinnen, dass Sie mir
+diese List selbst zugemutet haben. Sollte ich nicht durch eine
+verstellte Liebe Julchens Herz versuchen? Reden Sie, Mamsell Julchen,
+entschuldigen Sie mich.
+
+Julchen. Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht. Bedenken Sie,
+was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube
+zu sich selbst gesagt haben, ohne dass Sie mich sahn. Alles, was ich
+tun kann, ist, dass ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue
+zu vergeben.
+
+Siegmund. Ich soll untreu sein?... Ich (Er geraet in Unordnung.) Ich
+soll der aufrichtigsten Seele untreu sein? Wer? Ich? Gegen Ihren
+Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben? Was sind das fuer
+schreckliche Geheimnisse?... Sie sehn mich aengstlich an, meine
+Schoene? Wie? Sie lieben mich nicht? Sie lassen sich durch meine
+Widerlegungen nicht bewegen?... Sie hoeren meine Gruende nicht an?...
+Bin ich nicht unschuldig?... Wer sind meine Feinde?... Ich berufe
+mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel. ... Doch auch
+mich zu entschuldigen koennte ein Zeichen des Verdachtes sein. ...
+Nein, meine Schoene, Sie muessen mir ohne Schwuere glauben. Ich will Sie,
+ ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu
+gewesen bin. Wollen Sie mir noch nicht glauben?
+
+Julchen. Herr Siegmund, Sie schwoeren?
+
+Lottchen (mit Traenen). Er ist wohl unschuldig.
+
+Siegmund. Ja, das bin ich. Ich liebe Sie. Ich bete Sie an und suche
+meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit. Wollen Sie jene vergroessern:
+so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren,
+den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen. Soll ich das
+Glueck noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen?
+
+Lottchen (sie sieht ihn klaeglich an). Mich?... als die Ihrige?...
+Ja!
+
+Julchen. Meine Schwester!
+
+Lottchen. Schweig. Herr Siegmund, ich moechte nur noch ein Wort mit
+meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschaemen.
+
+Siegmund. Ich will ihn gleich suchen. Soll ich die uebrige
+Gesellschaft auch mitbringen? Wir muessen doch die gebraeuchlichen
+Zeremonien mit beobachten.
+
+Lottchen. Ja. Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen.
+Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen.
+
+
+
+Neunzehnter Auftritt
+
+Julchen. Lottchen. Cleon.
+
+
+Cleon. Nun, meine Kinder, wenn euch nichts weiter aufhaelt: so saehe
+ich's gern, wenn ihr die Ringe wechseltet, damit wir uns alsdann Paar
+und Paar zu Tische setzen koennen. Ei, Lottchen, wer haette heute frueh
+gedacht, dass du auf den Abend mit einem Rittergute zu Bette gehen
+wuerdest! Der Himmel hat es wohl gemacht. Julchen kriegt einen
+reichen und wackern Mann, weil sie wenig hat. Und du, weil du viel
+hast, machst einen armen Mann gluecklich. Das ist schoen. Dein
+Siegmund wird schon erkenntlich fuer deine Treue sein. Er kann einem
+durch seine Worte recht das Herz aus dem Leibe reden. Der ehrliche
+Mann! Wievielmal hat er mir nicht die Hand gekuesst! Wie kindlich hat
+er mich nicht um meine Einwilligung gebeten!
+
+Lottchen. Das ist vortrefflich. Nun lebe ich wieder. Lieber Papa,
+hat Herr Siegmund denn heute bei Ihnen um meine Schwester angehalten?
+Das kann ich nicht glauben.
+
+Cleon. So halb und halb hat er's wohl getan. Er mochte etwan denken,
+dass Herr Damis ein Auge auf dich geworfen haette und dass dir's lieber
+sein wuerde, einen Mann mit vielem Gelde zu nehmen. Ich war anfangs
+etwas unwillig auf ihn; aber er hat mich schon wieder gutgemacht. Man
+kann sich ja wohl uebereilen, wenn man nur wieder zu sich selber koemmt.
+ Da kommen sie alle.
+
+
+
+Zwanzigster Auftritt
+
+Die Vorigen, Siegmund. Simon. Damis. Der Magister.
+
+
+Cleon. Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewuenscht
+habe. Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitlaeuftigen Rede
+aufhalten. Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits
+bekannt. Kurz, meine lieben Toechter, ich erteile euch meinen
+vaeterlichen Segen und meine Einwilligung. (Er sieht Lottchen weinen.)
+ Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmuetig.
+
+Lottchen. Meine Traenen sind Traenen der Liebe. Ich habe also Ihre
+Einwilligung zu meiner Wahl? Ich danke Ihnen recht kindlich dafuer.
+
+Simon (zu Lottchen). Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen... Wie?
+
+Damis. Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie...
+
+Lottchen. Was bitten Sie? Wollen Sie Julchen von meinen Haenden
+empfangen? (Sie fuehrt sie zu ihm.) Hier ist sie. Ich stifte die
+gluecklichste Liebe. Und Sie, Herr Siegmund...
+
+Siegmund. Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommensten Erkenntlichkeit
+an und biete Ihnen diese Hand...
+
+Lottchen. Unwuerdiger! Mein Vermoegen kann ich Ihnen schenken; aber
+nicht mein Herz. Bitten Sie meinem Vater und der uebrigen Gesellschaft,
+ die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niedertraechtigkeit ab.
+ Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekuemmern, ob Sie
+diese Vergebung verdienen. (Zum Vormunde.) Und Ihnen, mein Herr,
+kuesse ich die Hand fuer Ihre Aufrichtigkeit. Wenn ich jemals mich
+wieder zur Liebe entschliesse: so haben Sie das erste Recht auf mein
+Herz. (Zu Siegmunden.) Sie aber werden so billig sein und, ohne sich
+zu verantworten, uns verlassen.
+
+Siegmund. Recht gern. (Indem er geht.) Verflucht ist die Liebe!
+
+Damis. Nicht die Liebe, nur die Untreue. Dies ist ihr Lohn.
+
+Lottchen (sie ruft ihm noch nach). Sie werden morgen durch meine
+Veranstaltung so viel Geld erhalten, dass Sie kuenftig weniger Ursache
+haben, ein redliches Herz zu hintergehn.
+
+Cleon. Lottchen, was machst du? Ich bin alles zufrieden. Du hast ja
+mehr Einsicht als ich.
+
+Julchen. O liebe Schwester, wie gross ist dein Herz! Gott weiss es,
+dass ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe. O wenn ich dich doch
+so gluecklich saehe als mich!
+
+Der Magister. Ich bin ruhig, dass ich das Laster durch mich entdeckt
+und durch sich selbst bestraft sehe. So geht es. Wenn man nicht
+strenge gegen sich selbst ist: so raechen sich unsere Ausschweifungen
+fuer die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben.
+
+Simon (zu Lottchen). Ich, meine Freundin, wuerde das Recht, das Sie
+mir kuenftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn
+ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben haette, an dieses Glueck niemals
+zu denken. Ich bin belohnt genug, dass Sie mich Ihrer nicht fuer
+unwuerdig halten und dass der Untreue bestraft ist.
+
+Lottchen. O Himmel! lass es dem Betrueger nicht uebelgehen. Wie
+redlich habe ich ihn geliebt, und wie ungluecklich bin ich durch die
+Liebe geworden! Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat
+mich ungluecklich gemacht. Bedauern Sie mich.
+
+(Ende des dritten und letzten Aufzugs.)
+
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die zaertlichen Schwestern, von
+Christian Fuerchtegott Gellert.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern
+by Christian Fuerchtegott Gellert
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***
+
+This file should be named 7zsch10.txt or 7zsch10.zip
+Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7zsch11.txt
+VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7zsch10a.txt
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+http://gutenberg.net or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
+
+Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
+10000 2004 January*
+
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
+to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
+
+We need your donations more than ever!
+
+As of February, 2002, contributions are being solicited from people
+and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
+Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
+Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
+Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
+Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
+Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
+Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
+
+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
+
+As the requirements for other states are met, additions to this list
+will be made and fund raising will begin in the additional states.
+Please feel free to ask to check the status of your state.
+
+In answer to various questions we have received on this:
+
+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
+you would like to know if we have added it since the list you have,
+just ask.
+
+While we cannot solicit donations from people in states where we are
+not yet registered, we know of no prohibition against accepting
+donations from donors in these states who approach us with an offer to
+donate.
+
+International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
+how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
+deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
+ways.
+
+Donations by check or money order may be sent to:
+
+Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+PMB 113
+1739 University Ave.
+Oxford, MS 38655-4109
+
+Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
+method other than by check or money order.
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
+the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
+[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are
+tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising
+requirements for other states are met, additions to this list will be
+made and fund-raising will begin in the additional states.
+
+We need your donations more than ever!
+
+You can get up to date donation information online at:
+
+http://www.gutenberg.net/donation.html
+
+
+***
+
+If you can't reach Project Gutenberg,
+you can always email directly to:
+
+Michael S. Hart <hart@pobox.com>
+
+Prof. Hart will answer or forward your message.
+
+We would prefer to send you information by email.
+
+
+**The Legal Small Print**
+
+
+(Three Pages)
+
+***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
+Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
+They tell us you might sue us if there is something wrong with
+your copy of this eBook, even if you got it for free from
+someone other than us, and even if what's wrong is not our
+fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
+disclaims most of our liability to you. It also tells you how
+you may distribute copies of this eBook if you want to.
+
+*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK
+By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm
+eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
+this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive
+a refund of the money (if any) you paid for this eBook by
+sending a request within 30 days of receiving it to the person
+you got it from. If you received this eBook on a physical
+medium (such as a disk), you must return it with your request.
+
+ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
+This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks,
+is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
+through the Project Gutenberg Association (the "Project").
+Among other things, this means that no one owns a United States copyright
+on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
+distribute it in the United States without permission and
+without paying copyright royalties. Special rules, set forth
+below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
+under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.
+
+Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market
+any commercial products without permission.
+
+To create these eBooks, the Project expends considerable
+efforts to identify, transcribe and proofread public domain
+works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
+medium they may be on may contain "Defects". Among other
+things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or
+corrupt data, transcription errors, a copyright or other
+intellectual property infringement, a defective or damaged
+disk or other eBook medium, a computer virus, or computer
+codes that damage or cannot be read by your equipment.
+
+LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES
+But for the "Right of Replacement or Refund" described below,
+[1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may
+receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
+all liability to you for damages, costs and expenses, including
+legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR
+UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT,
+INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE
+OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE
+POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES.
+
+If you discover a Defect in this eBook within 90 days of
+receiving it, you can receive a refund of the money (if any)
+you paid for it by sending an explanatory note within that
+time to the person you received it from. If you received it
+on a physical medium, you must return it with your note, and
+such person may choose to alternatively give you a replacement
+copy. If you received it electronically, such person may
+choose to alternatively give you a second opportunity to
+receive it electronically.
+
+THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS
+TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT
+LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A
+PARTICULAR PURPOSE.
+
+Some states do not allow disclaimers of implied warranties or
+the exclusion or limitation of consequential damages, so the
+above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you
+may have other legal rights.
+
+INDEMNITY
+You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation,
+and its trustees and agents, and any volunteers associated
+with the production and distribution of Project Gutenberg-tm
+texts harmless, from all liability, cost and expense, including
+legal fees, that arise directly or indirectly from any of the
+following that you do or cause: [1] distribution of this eBook,
+[2] alteration, modification, or addition to the eBook,
+or [3] any Defect.
+
+DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm"
+You may distribute copies of this eBook electronically, or by
+disk, book or any other medium if you either delete this
+"Small Print!" and all other references to Project Gutenberg,
+or:
+
+[1] Only give exact copies of it. Among other things, this
+ requires that you do not remove, alter or modify the
+ eBook or this "small print!" statement. You may however,
+ if you wish, distribute this eBook in machine readable
+ binary, compressed, mark-up, or proprietary form,
+ including any form resulting from conversion by word
+ processing or hypertext software, but only so long as
+ *EITHER*:
+
+ [*] The eBook, when displayed, is clearly readable, and
+ does *not* contain characters other than those
+ intended by the author of the work, although tilde
+ (~), asterisk (*) and underline (_) characters may
+ be used to convey punctuation intended by the
+ author, and additional characters may be used to
+ indicate hypertext links; OR
+
+ [*] The eBook may be readily converted by the reader at
+ no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent
+ form by the program that displays the eBook (as is
+ the case, for instance, with most word processors);
+ OR
+
+ [*] You provide, or agree to also provide on request at
+ no additional cost, fee or expense, a copy of the
+ eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC
+ or other equivalent proprietary form).
+
+[2] Honor the eBook refund and replacement provisions of this
+ "Small Print!" statement.
+
+[3] Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the
+ gross profits you derive calculated using the method you
+ already use to calculate your applicable taxes. If you
+ don't derive profits, no royalty is due. Royalties are
+ payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation"
+ the 60 days following each date you prepare (or were
+ legally required to prepare) your annual (or equivalent
+ periodic) tax return. Please contact us beforehand to
+ let us know your plans and to work out the details.
+
+WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO?
+Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of
+public domain and licensed works that can be freely distributed
+in machine readable form.
+
+The Project gratefully accepts contributions of money, time,
+public domain materials, or royalty free copyright licenses.
+Money should be paid to the:
+"Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
+
+If you are interested in contributing scanning equipment or
+software or other items, please contact Michael Hart at:
+hart@pobox.com
+
+[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
+when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by
+Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
+used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
+they hardware or software or any other related product without
+express permission.]
+
+*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
+
diff --git a/old/7zsch10.zip b/old/7zsch10.zip
new file mode 100644
index 0000000..84a7348
--- /dev/null
+++ b/old/7zsch10.zip
Binary files differ
diff --git a/old/8zsch10.txt b/old/8zsch10.txt
new file mode 100644
index 0000000..9257d44
--- /dev/null
+++ b/old/8zsch10.txt
@@ -0,0 +1,3741 @@
+The Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern
+by Christian Fuerchtegott Gellert
+
+Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
+copyright laws for your country before downloading or redistributing
+this or any other Project Gutenberg eBook.
+
+This header should be the first thing seen when viewing this Project
+Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the
+header without written permission.
+
+Please read the "legal small print," and other information about the
+eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is
+important information about your specific rights and restrictions in
+how the file may be used. You can also find out about how to make a
+donation to Project Gutenberg, and how to get involved.
+
+
+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
+
+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
+
+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
+
+
+Title: Die zaertlichen Schwestern
+
+Author: Christian Fuerchtegott Gellert
+
+Release Date: November, 2005 [EBook #9327]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on September 22, 2003]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***
+
+
+
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+
+
+
+This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
+That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
+
+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
+zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
+
+
+
+
+Die zärtlichen Schwestern
+
+Christian Fürchtegott Gellert
+
+Ein Lustspiel von drei Aufzügen
+
+
+
+Personen:
+
+Cleon
+Der Magister, sein Bruder
+Lottchen, Cleons älteste Tochter
+Julchen, dessen jüngste Tochter
+Siegmund, Lottchens Liebhaber
+Damis, Julchens Liebhaber
+Simon, Damis' Vormund
+
+
+
+
+Erster Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Cleon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Lieber Papa, Herr Damis ist da. Der Tee ist schon in dem
+Garten, wenn Sie so gut sein und hinuntergehen wollen?
+
+Cleon. Wo ist Herr Damis?
+
+Lottchen. Er redt mit Julchen.
+
+Cleon. Meine Tochter, ist dir's auch zuwider, daß ich den Herrn Damis
+auf eine Tasse Tee zu mir gebeten habe? Du merkst doch wohl seine
+Absicht. Geht dir's auch nahe? Du gutes Kind, du dauerst mich.
+Freilich bist du älter als deine Schwester und solltest also auch eher
+einen Mann kriegen. Aber...
+
+Lottchen. Papa, warum bedauern Sie mich? Muß ich denn notwendig eher
+heiraten als Julchen? Es ist wahr, ich bin etliche Jahre älter; aber
+Julchen ist auch weit schöner als ich. Ein Mann, der so vernünftig,
+so reich und so galant ist als Herr Damis und doch ein armes
+Frauenzimmer heiratet, kann in seiner Wahl mit Recht auf diejenige
+sehen, die die meisten Annehmlichkeiten hat. Ich mache mir eine Ehre
+daraus, mich an dem günstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig
+zu vergnügen und mit dem meinigen zufrieden zu sein.
+
+Cleon. Kind, wenn das alles dein Ernst ist: so verdienst du zehn
+Männer. Du redst fast so klug als mein Bruder und hast doch nicht
+studiert.
+
+Lottchen. Loben Sie mich nicht, Papa. Ich bin mir in meinen Augen so
+geringe, daß ich sogar das Lob eines Vaters für eine Schmeichelei
+halten muß.
+
+Cleon. Nun, nun, ich muß wissen, was an dir ist. Du hast ein Herz,
+dessen sich die Tugend selbst nicht schämen dürfte. Höre nur...
+
+Lottchen. Oh, mein Gott, wie demütigen Sie mich! Ein Lobspruch, den
+ich mir wegen meiner Größe nicht zueignen kann, tut mir weher als ein
+verdienter Verweis.
+
+Cleon. So bin ich nicht gesinnt. Ich halte viel auf ein billiges Lob,
+ und ich weigere mich keinen Augenblick, es anzunehmen, wenn ich's
+verdiene. Das Lob ist ein Lohn der Tugend, und den verdienten Lohn
+muß man annehmen. Höre nur, du bist verständiger als deine Schwester,
+wenn jene gleich schöner ist. Rede ihr doch zu, daß sie ihren
+Eigensinn fahrenläßt und sich endlich zu einem festen Bündnisse mit
+dem Herrn Damis entschließt, ehe ich als Vater ein Machtwort rede.
+Ich weiß nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freiheit in
+den Kopf gesetzet hat.
+
+Lottchen. Mich deucht, Herr Damis ist Julchen nicht zuwider. Und ich
+hoffe, daß er ihren kleinen Eigensinn leicht in eine beständige Liebe
+verwandeln kann. Ich will ihm dazu behülflich sein.
+
+Cleon. Ja, tue es, meine Goldtochter. Sage Julchen, daß ich nicht
+ruhig sterben würde, wenn ich sie nicht bei meinem Leben versorgt
+wüßte.
+
+Lottchen. Nein, lieber Papa, solche Bewegungsgründe zur Ehe sind wohl
+nicht viel besser als die Zwangsmittel. Julchen hat Ursachen genug in
+ihrem eigenen Herzen und in dem Werte ihres Geliebten, die sie zur
+Liebe bewegen können; diese will ich wider ihren Eigensinn erregen und
+sie durch sich selbst und durch ihren Liebhaber besiegt werden lassen.
+
+Cleon. Gut, wie du denkst. Nur nicht gar zu lange nachgesonnen.
+Rühme den Herrn Damis. Sage Julchen, daß er funfzigtausend Taler
+bares Geld hätte und... Arme Tochter! es mag dir wohl weh tun, daß
+deine Schwester so reich heiratet. Je nun, du bist freilich nicht die
+Schönste; aber der Himmel wird dich schon versorgen. Betrübe dich
+nicht.
+
+Lottchen. Der Himmel weiß, daß ich bloß deswegen betrübt bin, weil
+Sie mein Herz für so niedrig halten, daß es meiner Schwester ihr Glück
+nicht gönnen sollte. Dazu gehört ja gar keine Tugend, einer Person
+etwas zu gönnen, für welche das Blut in mir spricht. Kommen Sie, Papa,
+ der Tee möchte kalt werden.
+
+Cleon. Du brichst mit Fleiß ab, weil du dich fühlst. Sei gutes Muts,
+mein Kind. Ich kann dir freilich nichts mitgeben. Aber solange ich
+lebe, will ich alles an dich wagen. Nimm dir wieder einen
+Sprachmeister, einen Zeichenmeister, einen Klaviermeister und alles an.
+ Ich bezahle, und wenn mich der Monat funfzig Taler käme. Du bist es
+wert. Und höre nur, dein Siegmund, dein guter Freund, oder wenn du es
+lieber hörst, dein Liebhaber, ist freilich durch den unglücklichen
+Prozeß seines seligen Vaters um sein Vermögen gekommen; aber er hat
+etwas gelernt und wird sein Glück und das deine gewiß machen.
+
+Lottchen. Ach lieber Papa, Herr Siegmund ist mir itzt noch ebenso
+schätzbar als vor einem Jahre, da er viel Vermögen hatte. Ich weiß,
+daß Sie unsere Liebe billigen. Ich will für die Verdienste einer Frau
+sorgen, er wird schon auf die Ruhe derselben bedacht sein. Er hat so
+viel Vorzüge in meinen Augen, daß er sich keine Untreue von mir
+befürchten darf, und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand
+warten sollte. Wollen Sie mir eine Bitte erlauben: so lassen Sie ihn
+heute mit uns speisen.
+
+Cleon. Gutes Kind, du wirst doch denken, daß ich ihn zu deinem
+Vergnügen habe herbitten lassen. Er wird nicht lange sein.
+
+(Siegmund tritt herein, ohne daß ihn Lottchen gewahr wird.)
+
+Lottchen. Wenn ihn der Bediente nur auch angetroffen hat. Ich will
+selber ein paar Zeilen an ihn schreiben. Ich kann ihm und mir keine
+größere Freude machen. Er wird gewiß kommen und den größten Anteil an
+Julchens Glücke nehmen. Er hat das redlichste und zärtlichste Herz.
+Vergeben Sie mir's, daß ich so viel von ihm rede.
+
+Cleon. Also hast du ihn recht herzlich lieb?
+
+Lottchen. Ja, Papa, so lieb, daß, wenn ich die Wahl hätte, ob ich ihn
+mit einem geringen Auskommen oder den Vornehmsten mit allem Überflusse
+zum Manne haben wollte, ich ihn allemal wählen würde.
+
+Cleon. Ist's möglich? Hätte ich doch nicht gedacht, daß du so
+verliebt wärest.
+
+Lottchen. Zärtlich, wollen Sie sagen. Ich würde unruhig sein, wenn
+ich nicht so zärtlich liebte, denn dies ist es alles, wodurch ich die
+Zuneigung belohnen kann, die mir Herr Siegmund vor so vielen andern
+Frauenzimmern geschenkt hat. Bedenken Sie nur, ich bin nicht schön,
+nicht reich, ich habe sonst keine Vorzüge als meine Unschuld, und er
+liebt mich doch so vollkommen, als wenn ich die liebenswürdigste
+Person von der Welt wäre.
+
+Cleon. Aber sagst du's ihm denn selbst, daß du ihn so ausnehmend
+liebst?
+
+Lottchen. Nein, so deutlich habe ich es ihm nie gesagt. Er ist so
+bescheiden, daß er kein ordentliches Bekenntnis der Liebe von mir
+verlangt. Und ich habe tausendmal gewünscht, daß er mich nötigen
+möchte, ihm eine Liebe zu entdecken, die er so sehr verdienet.
+
+Cleon. Du wirst diesen Wunsch bald erfüllt sehen. Siehe dich um,
+mein liebes Lottchen.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Cleon. Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen. Wie? Sie haben mich reden hören?
+
+Siegmund. Vergeben Sie mir, mein liebes Lottchen. Ich habe in meinem
+Leben nichts Vorteilhafters für mich gehört. Ich bin vor Vergnügen
+ganz trunken, und ich weiß meine Verwegenheit mit nichts als mit
+meiner Liebe zu entschuldigen.
+
+Lottchen. Eine bessere Fürsprecherin hätten Sie nicht finden können.
+Haben Sie alles gehört? Ich habe es nicht gewußt, daß Sie zugegen
+wären; um desto aufrichtiger ist mein Bekenntnis. Aber wenn ich ja
+auf den Antrieb meines Papas einen Fehler habe begehen sollen: so will
+ich ihn nunmehr für mich allein begehen: Ich liebe Sie. Sind Sie mit
+dieser Ausschweifung zufrieden?
+
+Siegmund. Liebstes Lottchen, meine Bestürzung mag Ihnen ein Beweis
+von der Empfindung meines Herzens sein. Sie lieben mich? Sie sagen
+mir's in der Gegenwart Ihres Papas? Sie? mein Lottchen! Verdiene
+ich dies? Soll ich Ihnen antworten? und wie? O lassen Sie mich
+gehen und zu mir selber kommen.
+
+Cleon. Sie sind ganz bestürzt, Herr Siegmund. Vielleicht tut Ihnen
+meine Gegenwart einigen Zwang an. Lebt wohl, meine Kinder, und sorgt
+für Julchen. Ich will mit dem Herrn Damis reden.
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, daß ich so viel zu
+meinem Vorteile gehört habe?
+
+Lottchen. Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hören gewünscht haben.
+
+Siegmund. Gewünscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so
+viele Zärtlichkeit?
+
+Lottchen. Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie
+ihrer weit mehr.
+
+Siegmund. Nein, ich verdiene Ihr Herz noch nicht; allein ich will
+mich zeitlebens bemühen, Sie zu überführen, daß Sie es keinem
+Unwürdigen geschenkt haben. Wie edel gesinnt ist Ihre Seele! Ich
+verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermögen, und mein Unglück hat
+mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen. Sie haben
+Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust
+meines Glücks erträglich gemacht, Diese standhafte Zärtlichkeit ist
+ein Ruhm für Sie, den nur ein erhabenes Herz zu schätzen weiß. Und
+ich würde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals
+aufhören könnte, Sie zu lieben.
+
+Lottchen. Ich habe einen Fehler begangen, daß ich Sie so viel zu
+meinem Ruhme habe sagen lassen. Aber Ihr Beifall ist mir gar zu
+kostbar, als daß ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnügen anhören
+sollte. Sie können es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein
+redliches Herz habe. Welche Zufriedenheit ist es für mich, daß ich
+ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnügten Tage und Stunden
+zurücksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend
+zugebracht habe!
+
+Siegmund. Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schöne?
+O warum kann ich Sie nicht glücklich machen! Welche Wollust müßte es
+sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die bloße
+Vorstellung davon schon so viel Vergnügen gibt! Ach, liebstes Kind,
+Julchen wird glücklicher, weit glücklicher als Sie, und...
+
+Lottchen. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie
+beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht
+glücklicher, als ich bin. Sie habe ihrem künftigen Bräutigam noch
+soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch
+Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zärtlich, ruhig und mit der
+ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Glück: so muß gar keins
+in der Welt sein. Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu
+Julchens Glücke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiß
+es nicht, daß sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, daß
+der prächtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumträgt,
+nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die
+verdrüßliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat,
+umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben.
+
+Siegmund. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne
+Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht
+liebenswürdige Frau werden.
+
+Lottchen. Hören Sie nur. Doch hier kömmt Herr Damis.
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Die Vorigen. Damis.
+
+
+Lottchen. Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis.
+
+Damis. Ich habe Ursache dazu. Anstatt, daß ich glaubte, Julchen
+heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, daß noch ganze Jahre zu
+diesem Glücke nötig sind. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage,
+desto unempfindlicher wird sie. Und je mehr sie sieht, daß meine
+Absichten ernstlich sind, desto mehr mißfallen sie ihr. Ich
+Unglücklicher! Wie gut wäre es für mich, wenn ich Julchen weniger
+liebte!
+
+Lottchen. Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein. Es
+ist nichts als Liebe. Eben weil sie fühlt, daß ihr Herz überwunden
+ist: so wendet sie noch die letzte Bemühung an, der Liebe den Sieg
+sauer zu machen. Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, daß
+sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht.
+
+Damis. Wenn sie es aber nicht sehen will?
+
+Lottchen. Wir müssen sie überraschen und sie, ohne daß sie es
+vermutet, dazu nötigen. Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr
+Brauttag. Glückt es uns heute nicht: so wird es ein andermal glücken.
+ Es kömmt bloß darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag
+wollen gefallen lassen.
+
+Siegmund. Wenn ich zu des Herrn Damis Glücke etwas beitragen kann,
+mit Freuden.
+
+Damis. Ich weiß, daß Sie beide großmütig genug darzu sind. Und mir
+wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht für Julchen
+wagen sollte.
+
+Lottchen. Mein Herr Damis, verändern Sie die Sprache bei Julchen
+etwas. Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der
+Freiheit recht zu geben. Diese Übereinstimmung wird ihr anfangs
+gefallen und sie sicher machen. Sie wird denken, als ob sie Ihnen
+deswegen erst gewogen würde, da sie es doch lange aus weit schönern
+Ursachen gewesen ist. Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr
+ganzes Herz sehen lassen.
+
+Damis. Wollte der Himmel, daß Ihr Rat seine Wirkung täte. Wie
+glücklich wollte ich mich schätzen!
+
+Lottchen (zu Siegmunden). Und Sie müssen dem Herrn Damis zum Besten
+einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen zärtlich stellen.
+Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen. Sie wird böse auf Sie
+werden. Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis
+hervorbrechen. Tun Sie es auf meine Verantwortung.
+
+Siegmund. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden.
+
+
+Fünfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Julchen.
+
+
+Julchen. Da sind Sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen,
+wo Sie wären, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen. (Sie will
+wieder gehn.)
+
+Lottchen. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weißt du
+eine bessere Gesellschaft als die unsrige?
+
+Julchen. Ach nein, meine Schwester. Aber wo Ihr und Herr Siegmund
+seid, da wird gewiß von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute
+keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen.
+
+Lottchen. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den
+Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, daß du ihm diese Ehre
+nicht auch erweisest?
+
+Julchen. Herr Damis ist so gütig gewesen und hat mir versprochen,
+lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig,
+als daß er mir sein Wort nicht halten sollte.
+
+Damis. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich
+verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben
+Sie mir, daß ich meine Zärtlichkeit in Hochachtung verwandeln darf.
+Die Liebe können Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung
+kömmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun
+Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber.
+Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein?
+
+Julchen. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde
+und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu
+vergnügen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu
+fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will
+ich ganze Tage mit Ihnen umgehen.
+
+Lottchen. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten
+sind wir nichts nütze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespräch von der
+Freundschaft hören oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen.
+
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich würde
+es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte. Es kann
+sein, daß die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und
+eingeschränkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und
+wenn er noch so groß wäre. Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner
+Schwester. Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener.
+
+Damis. Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und
+ich halte mein Wort. Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser.
+
+Julchen. Ja. Die Freundschaft ist das frohe Vergnügen der Menschen
+und die Liebe das traurige. Man will einander recht genießen, darum
+liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden. Habe ich
+nicht recht, Herr Damis?
+
+Damis. Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr
+erwähnen. Sie möchten mir sonst dabei einfallen. Und wie würde es
+alsdann um mein Versprechen stehen?
+
+Julchen. Sie könnten es vielleicht für einen Eigensinn, oder ich weiß
+selbst nicht für was für ein Anzeichen halten, daß ich die Liebe so
+fliehe. Aber nein. Ich sage es Ihnen, es gehört zu meiner Ruhe, ohne
+Liebe zu sein. Lassen Sie mir doch diese Freiheit. Muß man denn
+diese traurige Plage fühlen? Nein, meine Schwester irrt: es geht an,
+sie nicht zu empfinden. Ich sehe es an mir. Aber warum schweigen Sie
+so stille? Ich rede ja fast ganz allein. Sie sind verdrießlich? O
+wie gut ist's, daß Sie nicht mehr mein Liebhaber sind! Sonst hätte
+ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdrießlich zu werden.
+
+Damis. O nein, ich bin gar nicht verdrießlich.
+
+Julchen. Und wenn Sie es auch wären, und zwar deswegen, weil ich
+nicht mehr von der Liebe reden will: so würde mir doch dieses gar
+nicht nahegehen. Es ist mir nicht lieb, daß ich Sie so verdrießlich
+sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich darüber gar nicht unruhig.
+ O nein! Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden. Sie können ja
+etwas zu überlegen haben. Ich argwohne gar nichts. Ich mag es auch
+nicht wissen... Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen
+Freund vor. Wenn bin ich Ihnen denn so gleichgültig geworden?
+
+Damis. Nehmen Sie es nicht übel, meine schöne Freundin, daß ich
+einige Augenblicke ganz fühllos geschienen habe. Ich habe, um Ihren
+Befehl zu erfüllen, die letzten Bemühungen angewandt, die ängstlichen
+Regungen der Liebe völlig zu ersticken und den Charakter eines
+aufrichtigen Freundes anzunehmen. Die Vernunft hat nunmehr über mein
+Herz gesiegt. Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem
+Werte zu danken hatte. Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit
+schön und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket
+worden ist. Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun;
+ aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in
+den vorigen Charakter verfalle. Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach,
+sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie schätze, meine englische
+Freundin!
+
+Julchen. Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder? Darf man in
+der Freundschaft einander auch nicht ansehen?
+
+Damis. Es gehört zu meinem Siege. Wer kann Sie sehen und Sie doch
+nicht lieben?
+
+Julchen. Sagten Sie mir nicht wieder, daß Sie mich liebten? O das
+ist traurig! Ich werde über Ihr Bezeigen recht unruhig. Einmal reden
+Sie so verliebt, daß man erschrickt, und das andere Mal so
+gleichgültig, als wenn Sie mich zum ersten Male sähen. Nein,
+schweifen Sie doch nicht aus. Sie widersprechen mir ja stets. Ist
+dies die Eigenschaft eines guten Freundes? Wir brauchen ja nicht zu
+lieben. Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe?
+
+Damis. O es gehört weit mehr Stärke des Geistes zu der Freiheit als
+zu der Liebe.
+
+Julchen. Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn für übel, daß
+ich die Freiheit hochschätze, daß ich statt eines Liebhabers lieber
+zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges
+Vergnügen haben will? Sind denn meine Gründe so schlecht, daß ich
+darüber Ihre Hochachtung verlieren sollte? Tun Sie den Ausspruch, ob
+ich bloß aus Eigensinn rede. (Damis sieht sie zärtlich an.) Aber
+warum sehen Sie mich so ängstlich an, als ob Sie mich bedauerten? Was
+wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen? Ich kann mich gar
+nicht mehr in Ihr Bezeigen finden. Sie scheinen mir das Amt eines
+Aufsehers und nicht eines Freundes über sich genommen zu haben. Warum
+geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte?
+Mein Herr, ich wollte, daß Sie nunmehr...
+
+Damis. Daß Sie gingen, wollten Sie sagen. Auch diesen Befehl nehme
+ich an, so sauer er mir auch wird. Sie mögen mich nun noch so sehr
+hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie über mein
+Schicksal beklagen. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.
+
+Julchen. Hassen? Wenn habe ich denn gesagt, daß ich Sie hasse? Ich
+verstehe diese Sprache. Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen
+Sie mich hassen. Dies ist sehr großmütig. Das sind die Früchte der
+berühmten Zärtlichkeit. Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit
+kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu
+mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Das
+ist ja eine rechte Hofsprache.
+
+Damis. Es ist die Sprache der Ehrerbietung. (Er geht ab.)
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Julchen allein.
+
+
+Wie? Er geht? Aber warum bin ich so unruhig? Ich liebe ihn ja nicht.
+.. Nein, ich bin ihm nur gewogen. Es ist doch ein unerträglicher
+Stolz, daß er mich verläßt. Aber habe ich ihn etwan beleidiget? Er
+ist ja sonst so vernünftig und so großmütig... Nein, nein, er liebt
+mich nicht. Es muß Verstellung gewesen sein. Ich habe heute ein
+recht mürrisches Wesen. (Lottchen tritt unvermerkt herein.) Wenn ich
+nur meine Laute hier hätte, ich wollte...
+
+
+
+Achter Auftritt
+
+Julchen. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst. Aber,
+mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden? Es ist ja sonst deine
+Art nicht, daß du mit der Einsamkeit sprichst?
+
+Julchen. Wenn hätte ich denn mit mir allein geredet? Ich weiß nicht,
+daß ich heute allen so verdächtig vorkomme.
+
+Lottchen. Aber woher wüßte ich's, daß du die Laute hättest haben
+wollen, wenn du nicht geredt hättest? Mich hast du nicht gesehen,
+liebes Kind, und also mußt du wohl mit dir selbst geredt haben. Ich
+dächte es wenigstens, oder bist du anderer Meinung?
+
+Julchen. Ihr müßt euch alle beredt haben, mir zu widersprechen.
+
+Lottchen. Wieso? Ich habe dir nicht widersprochen. Und wenn es Herr
+Damis getan hat, so kann ich nichts dafür. Warum ziehst du deine
+guten Freunde nicht besser? Er sagte mir im Vorbeigehen, du wärest
+recht böse geworden, weil er es etliche Mal versehen und wider sein
+Versprechen an die Liebe gedacht hätte.
+
+Julchen. Schwester, ich glaube, Ihr kommt, um Rechenschaft von mir zu
+fordern. Ihr hört es ja, daß ich mich nicht zur Liebe zwingen lasse.
+
+Lottchen. Recht, Julchen, wenn dir Herr Damis zuwider ist: so bitte
+ich dich selber, liebe ihn nicht.
+
+Julchen. Was das für ein weiser Spruch ist! Wenn er dir zuwider ist..
+. Muß man denn einander hassen, wenn man nicht lieben will? Ich habe
+ja noch nicht gefragt, ob dir dein Herr Siegmund zuwider ist.
+
+Lottchen. Nein, du hast mich noch nicht gefragt. Aber wenn du mich
+fragen solltest, so würde ich dir antworten, daß ich ihn recht
+zärtlich, recht von Herzen liebe und mich meiner Zärtlichkeit nicht
+einen Augenblick schäme. Es gehört weit mehr Hoheit des Gemüts dazu,
+die Liebe vernünftig zu fühlen, als die Freiheit zu behaupten.
+
+Julchen. Ich möchte vor Verdruß vergehen. Herr Damis hat gleich
+vorhin das Gegenteil behauptet. Wem soll man nun glauben? Nehmt
+mir's nicht übel, meine Schwester, ich weiß, daß Ihr mehr Einsicht
+habt als ich; aber erlaubt mir, daß ich meinen Einfall dem Eurigen
+vorziehe. Und warum kann Herr Damis nicht so gut recht haben als Ihr?
+ Ihr habt ja immer gesagt, daß er ein vernünftiger und artiger Mann
+wäre.
+
+Lottchen. Das Beiwort artig hätte nicht eben notwendig zu unserer
+Streitfrage gehört; aber vielleicht gehört diese Vorstellung sonst in
+die Reihe deiner Empfindungen. Herr Damis ist ganz gewiß verständiger
+als ich; aber er ist auch ein Mensch wie ich; und der beste Verstand
+hat seine schwache Seite.
+
+Julchen. Lottchen, also seid Ihr hiehergekommen, um mir zu
+demonstrieren, daß Herr Damis ein Mensch und kein Engel am Verstande
+ist? Das glaube ich. Aber, mein liebes Lottchen, Eure Spöttereien
+sind mir sehr erträglich. Ich könnte Euch leicht die Antwort
+zurückgeben, daß Euer Herr Siegmund auch unter die armen Sterblichen
+gehörte; aber ich will es nicht tun. Ihr würdet nur denken, daß ich
+aus Eigensinn den Herrn Damis verteidigen wollte. Nein, er soll nicht
+den größten Verstand haben; er soll nicht so galant, nicht so
+liebenswürdig sein als Euer Siegmund. So habe ich noch eine Ursache
+mehr, meine Freiheit zu behaupten und ihn nicht zu lieben.
+
+Lottchen. Mein liebes Kind, du kömmst recht in die Hitze. Du
+schmälst auf mich und meinen Geliebten, und ich bleibe dir doch gut.
+Man kann dich nicht hassen. Du trägst dein gutes Herz in den Augen
+und auf der Zunge, ohne daß du daran denkst. Du bist meine liebe
+schöne Schwester. Deine kleinen Fehler sind fast ebenso gut als
+Schönheiten. Wenigstens kann man sie nicht begehen, wenn man nicht so
+aufrichtig ist, wie du bist. Kind, ich habe diese Nacht einen
+merkwürdigen Traum von einer jungen angenehmen Braut gehabt und ich...
+
+Julchen. Ich bitte dich, liebe Schwester, laß mich allein. Ich bin
+verdrießlich, recht sehr verdrießlich, und ich werde es nur mehr, je
+mehr ich rede.
+
+Lottchen. Bist du etwan darüber verdrießlich, daß ich in der
+Heftigkeit ein Wort wider den Herrn Damis...?
+
+Julchen. O warum denkst du wieder an ihn? Willst du mich noch mehr
+zu Fehlern bringen? Laß ihm doch seinen schwachen Verstand und mir
+meinen verdrießlichen Geist und das Glück, einige Augenblicke allein
+zu sein. Die ältern Schwestern haben doch immer etwas an den jüngern
+auszusetzen.
+
+Lottchen. Ich höre es wohl, ich soll gehen. Gut. Komm bald nach,
+sonst mußt du wieder mit dir allein reden.
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen. Ist es nicht möglich, daß ich allein sein kann? Müssen Sie
+mich notwendig stören? Herr Magister! Sagen Sie mir's nur kurz, was
+zu Ihren Diensten ist.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen überlegen.
+Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht
+ungeschickt dazu. Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand für
+eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist.
+
+Julchen. Ja, das weiß ich. Demungeachtet wollte ich wünschen, daß
+ich heute gar keinen hätte; vielleicht wäre ich ruhiger.
+
+Der Magister. Sie übereilen sich. Wer würde uns das Wahre von dem
+Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen? Wer
+würde unsern Willen zu festen und glücklichen Entschließungen bringen,
+wenn es nicht der Verstand täte? Und würden Sie wohl so liebenswürdig
+geworden sein, wenn Sie nicht immer verständig gewesen wären?
+
+Julchen. Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube.
+Was quälen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit? Ich mag ja nicht so
+weise sein als Sie. Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so
+viel Geschicklichkeit besitze.
+
+Der Magister. Zu eben der Zeit, da Sie wünschen, daß sie keine
+Vernunft haben möchten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, daß
+Sie ihrer sehr viel haben. Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen.
+ Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche.
+Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Glücke tun. Es scheint aber
+nicht, daß Sie dazu entschlossen sind. Gleichwohl wünscht es Ihr Herr
+Vater herzlich. Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine
+Vorstellungen zu tun. Und ich wünschte, daß Sie solche anhören und
+mir Einwürfe dagegen machen möchten. Dies kann ich, so alt ich bin,
+doch wohl leiden. Die Liebe ist eine der schönsten, aber auch der
+gefährlichsten Leidenschaften. Sie rächt sich an uns, wenn wir sie
+verschmähen; und sie rächt sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame
+übereilen.
+
+Julchen. Sie sind etwas weitläuftig in Ihren Vorstellungen. Allein,
+Sie sollen ohne Einwurf recht haben. Lassen Sie mich nur in Ruhe.
+Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gründen als eine
+Philosophie. Dennoch ist er noch immer stark genug für mein Herz
+gewesen.
+
+Der Magister. Wissen Sie nicht, daß uns unsere Leidenschaften am
+ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen? Das Herz der
+Menschen ist der größte Betrüger. Und der Klügste weiß oft selbst
+nicht, was in ihm vorgeht. Wir lieben und werden es zuweilen nicht
+eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden. Dieses alles
+sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage. Nein, weil es die größten
+Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca
+und viele von den neuern Philosophen gesagt haben.
+
+Julchen. Ich kenne alle diese Männer nicht und verlange sie auch
+nicht zu kennen. Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie
+behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, daß man ein unruhiges
+Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll. Und
+ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heißen, so viel
+Einsicht und Höflichkeit zu, daß sie Sie bitten würden, mich zu
+verlassen, wenn sie zugegen wären. Sobald ich die Leidenschaften und
+insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre
+Philosophie um Beistand ansprechen.
+
+Der Magister. Ihre Aufrichtigkeit gefällt mir, ob sie mir gleich zu
+widersprechen scheint. Aber ich würde mich für sehr unphilosophisch
+halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhören könnte. Sie
+sollen mich nicht beleidiget haben. Nein! Aber Sie sagen, Sie sind
+unruhig. Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch
+Überlegung zu dämpfen? Was verursacht Ihre Unruhe? Ist's der Affekt
+der Liebe oder des Abscheus? Der Furcht oder des Verlangens? Ich
+wollte wünschen, daß Sie ein anschauendes Erkenntnis davon hätten.
+Wenn man die Ursache eines moralischen Übels weiß: so weiß man auch
+das moralische Gegenmittel. Ich meine es gut mit Ihnen. Ich rede
+begreiflich, und ich wollte, daß ich noch deutlicher reden könnte.
+
+Julchen. Ich setze nicht das geringste Mißtrauen weder in Ihre
+Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit. Aber ich bin verdrießlich.
+ Ich weiß nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht
+wissen. Verlassen Sie mich. Sie sind mir viel zu scharfsinnig.
+
+Der Magister. Warum loben Sie mich? Wenn Sie so viele Jahre der
+Wahrheit nachgedacht hätten als ich: so würden Sie vielleicht ebenso
+helle denken. Unterdrücken Sie Ihre Unruhe und überlegen Sie das
+Glück, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet. Herr Damis
+verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen. Was sagt Ihr
+Verstand dazu? Auf die Wahl in der Liebe kömmt das ganze Glück der
+Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der
+Liebe begehn. Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser
+Gelegenheit?
+
+Julchen. Ich glaube, daß dieser Unterricht recht gut ist. Aber was
+wird er mir nützen, da ich nicht lieben will?
+
+Der Magister. Sie reden sehr hitzig. Dennoch werde ich nicht aus
+meiner Gelassenheit kommen. Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten?
+Aber wissen Sie denn auch, daß Sie dazu verbunden sind? Soll ich
+Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen? Sie wollen
+doch, daß das menschliche Geschlecht erhalten werden soll? Dieses ist
+ein Zweck, den uns die Natur lehrt. Das Mittel dazu ist die Liebe.
+Wer den Zweck will, der muß auch das Mittel wollen, wenn er anders
+verständig ist. Sehn Sie denn nicht, daß Sie zur Ehe verbunden sind?
+Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gründe nicht fühlen?
+
+Julchen. Ich fühle sie in der Tat nicht. Und wenn die Liebe nichts
+ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an
+sich ziehen kann. Ich will ungelehrt lieben. Ich will warten, bis
+mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, das heißt halsstarrig sein, wenn man die
+Augen vor den klärsten Beweisen zuschließt. Wenn Sie erkennen, daß
+Sie zur Ehe verbunden sind, wie könnte denn Ihr Wille undeterminiert
+bleiben? Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluß im
+Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele? Warum
+wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschließen,
+ da Sie sehen, daß Sie eine Pflicht dazu haben?
+
+Julchen. Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Magister, daß ich Sie
+verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre überzeugt zu sein. Was kann ich
+armes Mädchen dafür, daß ich nicht so viel Einsicht habe als Plato,
+Seneca und Ihre andern weisen Männer? Machen Sie es mit diesen Leuten
+aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren
+Beweis dazu verbunden bin. Ich habe noch etliche Anstalten in der
+Küche zu machen.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Der Magister. Cleon.
+
+
+Der Magister. Ich habe deiner Tochter Julchen alle mögliche
+Vorstellungen getan. Ich habe mit der größten Selbstverleugnung mit
+ihr gesprochen. Ich habe ihr die stärksten Beweise angeführt; aber...
+
+Cleon. O hättest du ihr lieber ein paar Exempel von glücklich
+verheirateten Mädchen angeführt.
+
+Der Magister. Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht
+aus meiner Gelassenheit. Ich erwies ihr, daß sie verbunden wäre zu
+heiraten.
+
+Cleon. Du hast dir viel Mühe geben. Ich denke, wenn ein Mädchen
+achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis
+einwenden können.
+
+Der Magister. Julchen sah alles ein. Ich machte es ihr sehr deutlich.
+ Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken
+können: so muß man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu
+Hülfe nehmen.
+
+Cleon. Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gründe gebracht?
+Will sie den Herrn Damis heiraten? Hat sie denn ihre Herzensmeinung
+nicht verraten? Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht länger
+aufhalten. Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste.
+
+Der Magister. Sie sagte, sie wäre unruhig. Und das war eben schlimm.
+ Denn die Gründe der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie
+die Überzeugung wirken sollen. Wenn der Verstand durch die Triebe des
+Willens bestürmt wird: so ist er nicht aufmerksam. Und ohne
+Aufmerksamkeit sind die schärfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile.
+
+Cleon. Rede nicht so tiefsinnig. Du hättest sie eben sollen ruhig
+machen: so sähe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit.
+
+Der Magister. Ich versuchte alles. Ich zeigte ihr die schöne Seite
+der Liebe. Ich sagte ihr erstlich, daß eine glückliche Ehe das größte
+Vergnügen wäre.
+
+Cleon. Ja, die glücklichen Ehen sind etwas sehr Schönes. Aber du
+hättest ihr sagen sollen, daß ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr
+glücklich werden würde. Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich
+zu ihr geschickt habe.
+
+Der Magister. Kurz und gut, durch Lehrsätze und Erweise ist sie nicht
+zu gewinnen, das sehe ich wohl. Sie versteht wohl die einzelnen Sätze;
+ aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das
+Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurück, und sie wird
+ungehalten, daß er sie verläßt.
+
+Cleon. Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht überreden?
+
+Der Magister. Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Überredung,
+die man Beweise kat' anJrwpon nennen könnte. Dergleichen sind bei den
+alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln. Bei Leuten,
+die nicht scharf denken können, tun diese witzigen Blendwerke oft gute
+Dienste. Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten
+kann, was sie meinem Verstande versagt hat. Vielleicht macht ihr eine
+Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration. Ich will eine
+machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche
+eines jungen Menschen in Leipzig gefunden hätte, der sich durch seine
+Fabeln und Erzählungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat.
+
+Cleon. Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen. Wenn die
+Fabel hübsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit
+der Welt mitteilen. Mache nur nicht gar zu lange darüber. Eine Fabel
+ist ja keine Predigt. Es muß ja nicht alles so akkurat sein. Meine
+Tochter wird dich nicht verraten. Mache, daß sie ja spricht: so will
+ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken.
+
+(Der Magister geht ab.)
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Cleon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen
+Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt.
+
+Cleon (er liest). »Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben,
+ gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen. Ich lasse mir die Wahl des
+Herrn Damis, meines Mündels, sehr wohl gefallen. Er hätte nicht
+glücklicher wählen können. Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit
+Ihnen und Ihren Jungfern Töchtern recht vergnügen, weil ich ohnedies
+heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe. Zugleich muß
+ich Ihnen melden, daß heute oder morgen das Testament Ihrer seligen
+Frau Muhme, der Frau Stephan, geöffnet werden soll. Ich glaube gewiß,
+daß sie Ihnen etwas vermacht hat. Vielleicht kann ich Ihnen die
+Gewißheit davon um vier Uhr mitbringen. Ich bin« usw.
+
+Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter. Ich dachte immer, der
+Herr Vormund würde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil
+meine Tochter kein Vermögen hat.
+
+Lottchen. Das habe ich gar nicht befürchtet. Der Herr Vormund ist ja
+die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiß eine
+Freude daraus, zu dem Glücke eines Frauenzimmers etwas beizutragen,
+der man keinen größern Vorwurf machen kann, als daß sie nicht reich
+ist.
+
+Cleon. Tochter, du hast sehr recht. Es ist ein lieber Mann. Ich
+habe nur gedacht, daß er einen gewissen Fehler haben müßte, weil er
+schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat. Aber was hilft uns
+das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will?
+
+Lottchen. Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa. Julchen ist so
+gut als besiegt. Und ich denke, es könnte ihr kein größer Unglück
+widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit,
+ungeraubt ließe. Ich habe die sichersten Merkmale, daß sie den Herrn
+Damis liebt.
+
+Cleon. Sollte es möglich sein? Ich dürfte es bald selbst glauben.
+Ihr losen Mädchen tut immer, als wenn euch nichts an den Männern läge,
+und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen. Je nun,
+die Liebe ist auch nötig in der Welt, sonst hätte sie uns der Himmel
+nicht gegeben.
+
+Lottchen. Papa, diese Satire auf die losen Mädchen trifft mich nicht.
+ Ich dächte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe. Wenigstens
+halte ich die vernünftige Liebe für kein größer Verbrechen als die
+vernünftige Freundschaft. Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so
+vielen Beschwerlichkeiten belegt, daß wir es uns desto mehr durch die
+Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen.
+
+Cleon. Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht
+haben sollte: so sähe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Töchter,
+auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die
+Hochzeit ausrichten könnte. Ich wollte gern das ganze Vermächtnis
+dazu hergeben.
+
+Lottchen. Sie sind ein liebreicher Vater. Nein, wenn Sie auch durch
+das Testament etwas bekommen sollten: so würde es doch ungerecht sein,
+wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles brächten. Nein,
+lieber Papa, ich kann noch lange warten. Und mein Geliebter wird sich
+ohnedies nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlängliche
+Versorgung hat.
+
+Cleon. Tue dein möglichstes, daß Julchen heute noch ja spricht. Die
+Mädchen müssen wohl ein wenig spröde tun; aber sie müssen es den
+Junggesellen auch nicht so gar sauer machen.
+
+Lottchen. Papa, unsere selige Mama sagte nicht so.
+
+Cleon. Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden. Ich bin ja
+auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht. Ich und
+deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre
+in der Ehe wie die Kinder vertragen. Sie hat mir tausend vergnügte
+Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken. Sie
+hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen.
+Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch
+gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe. Es wird dir
+gewiß wohlgehen. Verlasse dich darauf. Du tust mir viel Gutes. Du
+führst meine ganze Haushaltung. Sei zufrieden mit deinem Schicksale.
+Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute
+Auferziehung. Laß mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen. Ich
+will schlafen, wo sie schläft.
+
+Lottchen. Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmütig? Sie werden,
+wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, daß
+ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche. Und wenn ich
+Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir
+meine Schuldigkeit befiehlt. Heute müssen Sie vergnügt sein. Doch
+vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist,
+die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fühlen kann. Aber,
+lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Faß, das Sie
+in meinem Geburtsjahre eingelegt haben. Was werden wir heute unsern
+Gästen für Wein vorsetzen?
+
+Cleon. Tochter, zapfe das Faß an. Und wenn es Nektar wäre: so ist er
+für den heutigen Tag nicht zu gut. Es wird bald Mittagszeit sein.
+Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhälter langen.
+Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken,
+wenn du noch einmal mit ihr reden willst.
+
+Lottchen. Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier
+warten.
+
+
+
+Zwölfter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen.
+Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage
+scheint mir nichts als eine Liebeserklärung in einer fremden Sprache
+zu sein. Ich hätte nicht gedacht, daß sie so zärtlich wäre. Die
+Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem
+Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will.
+
+Lottchen. Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund! Ich könnte bald einige
+Minuten eifersüchtig werden. Nicht wahr, meine Schwester ist
+reizender als ich? Aber dennoch lieben Sie mich.
+
+Siegmund. Wer kann Sie einmal lieben und nicht beständig lieben?
+Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit
+mehr. Sie kennen mein Herz. Dieses muß Ihnen für meine Treue der
+sicherste Bürge sein.
+
+Lottchen. Ja, ich kenne es und bin stolz darauf. Ach, mein liebster
+Freund, ich muß Ihnen sagen, daß uns vielleicht ein kleines Glück
+bevorsteht. Wollte doch der Himmel, daß es zu Ihrer Beruhigung etwas
+beitragen könnte! Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in
+einem Billette gemeldet, daß heute das Testament der Frau Muhme
+Stephan geöffnet werden würde und daß er glaubte, sie würde den Papa
+darinne bedacht haben. O wenn es doch die Vorsicht wollte, daß ich so
+glücklich würde, Ihre Umstände zu verbessern!
+
+Siegmund. Machen Sie mich nicht unruhig. Sie lieben mich mehr, als
+ich verdiene. Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und...
+
+Lottchen. Sie sind unruhig? Was fehlt Ihnen? Sagen Sie mir's. Mein
+Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe.
+
+Siegmund. Ach, mein schönes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das
+Glück, Sie ewig zu besitzen. Ich bin etwas zerstreut. Ich habe diese
+Nacht nicht wohl geschlafen.
+
+Lottchen. O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter. Wir wollen
+erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn.
+
+(Ende des ersten Aufzugs.)
+
+
+
+
+Zweiter Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Cleon. Julchen.
+
+
+Cleon. Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist?
+
+Julchen. Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen? Ich will Ihnen
+gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit.
+
+Cleon. »Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine
+Freiheit.« Kleiner Affe, was redst du denn? Wenn ich dir deine
+Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen. Ich
+will dich gar nicht zwingen. Ich bin dir viel zu gut. Nein, sage mir
+nur, ob er dir gefällt.
+
+Julchen. Ob mir Herr Damis gefällt? Vielleicht, Papa. Ich weiß es
+nicht gewiß.
+
+Cleon. Tochter, schäme dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu
+reden. Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes.
+Gefällt dir seine Person, seine Bildung?
+
+Julchen. Sie mißfällt mir nicht. Vielleicht... gefällt sie mir gar.
+
+Cleon. Mädchen, was willst du mit deinem »Vielleicht«? Wir reden ja
+nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen.
+
+Julchen. Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht
+aufrichtig antwortet?
+
+Cleon. Rede nicht so poetisch. Dein Herz bist du, und du wirst doch
+wissen, was in dir vorgeht. Wenn du einen jungen, wohlgebildeten,
+geschickten, vernünftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur
+Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren können, ob
+du ihn zum Manne haben möchtest.
+
+Julchen. Zum Manne?... Ach, Papa! lassen Sie mir Zeit. Ich bin
+heute unruhig, und in der Unruhe könnte ich mich übereilen. Ich
+glaube in der Tat nicht, daß ich ihn liebe, sonst würde ich munter und
+zufrieden sein. Wer weiß auch, ob ich ihm gefalle?
+
+Cleon. Wenn du darüber unruhig bist: so hat es gute Wege. Bist du
+nicht ein albernes Kind! Wenn du ihm nicht gefielst: so würde er sich
+nicht so viel Mühe um dich geben. Er kennt dich vielleicht besser,
+als du dich selbst kennst. Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige
+Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben würde, wenn
+sie mir nicht gefallen hätte. Indem er zu dir sagt: »Jungfer Julchen«,
+ oder wie er dich nennt... Du kannst mir's ja sagen, wie er dich
+heißt.
+
+Julchen. Er heißt mich Mamsell.
+
+Cleon. Kind, du betrügst mich. Er spräche schlechtweg »Mamsell«?
+Das kann nicht sein.
+
+Julchen. Zuweilen spricht er auch »liebe Mamsell«.
+
+Cleon. Tochter, du verstellst dich. Ich bin ja dein Vater. Im
+Ernste, wie heißt er dich, wenn er's recht gut meint?
+
+Julchen. Ich kann mich selbst nicht besinnen. Er spricht... er
+spricht... »mein Julchen«...
+
+Cleon. Warum sprichst du das Wort so kläglich aus? Seufzest du über
+deinen Namen? Dein Name ist schön. Also spricht er zu dir: »Mein
+Julchen«? Gut, hat er dich nie anders geheißen?
+
+Julchen. Ach ja, lieber Papa. Er heißt mich auch zuweilen: »Mein
+schönes Julchen.« Warum fragen Sie mich denn so aus?
+
+Cleon. Laß mir doch meine Freude, du kleiner Narr. Ein
+rechtschaffener Vater hat seine Töchter lieb, wenn sie wohlgezogen
+sind. Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen. Aber daß ich
+wieder auf das Hauptwerk komme. Ja, indem Herr Damis z. E. zu dir
+spricht: »Mein schönes Julchen, ich habe dich...«
+
+Julchen. Oh! Er heißt mich Sie. Er würde nicht du sprechen. Das
+wäre sehr vertraut, oder doch wenigstens unhöflich.
+
+Cleon. Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hieße, deswegen verlörst
+du nichts von deiner Ehre. Hat mich doch meine selige Frau als Braut
+mehr als einmal du geheißen, und es klang mir immer schön. Indem er
+also zu dir spricht: »Mein schönes Julchen, ich bin Ihnen gut«: so
+sagt er auch zugleich, »Sie gefallen mir«; denn sonst würde er das
+erste nicht sagen.
+
+Julchen. Das sagt er niemals zu mir.
+
+Cleon. Du machst mich böse. Ich habe es ja mehr als einmal selber
+gehört.
+
+Julchen. Daß er zu mir gesagt hätte: »Ich bin Ihnen gut«?
+
+Cleon. Jawohl!
+
+Julchen. Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem
+Leben nicht zu mir gesagt. »Ich liebe Sie von Herzen«, das spricht er
+wohl; aber niemals, »ich bin Ihnen gut«.
+
+Cleon. Bist du nicht ein zänkisches Mädchen! Wir streiten ja nicht
+um die Worte.
+
+Julchen. Aber das klinget doch allemal besser: »Ich liebe Sie von
+Herzen«, als das andere.
+
+Cleon. Das mag sein. Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau
+gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl. Daß die Welt die Sprache immer
+ändert, dafür kann ich nicht. Ihr Mädchen gebt heutzutage auf ein
+Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer. Es gefällt dir
+also, wenn er so zu dir spricht? Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch.
+ Was wegerst du dich denn? Ich gehe nach der Grube zu. Worauf
+willst du denn warten? Kind, ich sage dir's, es dürfte sich keine
+Gräfin deines Bräutigams schämen. Herr Damis möchte heute gerne die
+völlige Gewißheit haben, ob er...
+
+Julchen. Papa!
+
+Cleon. Nun, was willst du? Nur nicht so verzagt. Ich bin ja dein
+Vater. Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um.
+
+Julchen. Papa, darf ich etwas bitten?
+
+Cleon. Herzlich gern. Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene
+gleich etwas gelehrter ist. Bitte, was willst du?
+
+Julchen. Ich? Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdrießlich.
+
+Cleon. Das ist ja keine Bitte. Rede offenherzig.
+
+Julchen. Ich wollte bitten, daß Sie... mir meine Freiheit ließen.
+
+Cleon. Mit deiner ewigen Freiheit! Ich dachte, du wolltest schon um
+das Brautkleid bitten. Ich lasse dir ja deine Freiheit. Du sollst ja
+aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen. Bedenke dich noch eine
+Stunde. Überlege es hier allein. Ich will dich nicht länger stören.
+Ich will für dich beten. Das will ich tun.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Damis. Darf ich mit Ihnen reden, mein schönes Kind?
+
+Julchen. Es ist gut, daß Sie kommen. Die Gesundheit, die Sie mir
+über Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekränkt. Meine
+Schwester lachte darüber; aber das kann ich nicht. Sie hat heute
+überhaupt eine widerwärtige Gemütsart, die sich sogar bis auf Sie,
+mein Herr, erstreckt.
+
+Damis. Bis auf mich? Darf ich weiterfragen?
+
+Julchen. Ich sagte ihr, daß Sie meiner Meinung wären und behauptet
+hätten, daß mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehörte.
+Darüber spottete sie und sagte dreist, Sie hätten unrecht, wo sie
+nicht gar noch mehr sagte. Aber lassen Sie sich nichts gegen sie
+merken; sie möchte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten.
+
+Damis. Lottchen wird es nicht so böse gemeint haben. Sie ist ja die
+Gutheit und Unschuld selbst.
+
+Julchen. Das konnte ich mir einbilden, daß Sie mir widersprechen
+würden. Und ich will es Ihnen nur gestehen, daß ich's zu dem Ende
+gesagt habe. Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich. Sie
+redt von der Liebe, und so gütig bin ich nicht.
+
+Damis. Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat.
+Ich bin ja nicht ohne Fehler. Und vielleicht würde ich Ihnen mehr
+gefallen, wenn ich ihrer weniger hätte.
+
+Julchen. Wozu soll diese Erniedrigung? Wollen Sie mich mit dem Worte
+Fehler demütigen?
+
+Damis. Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie
+gut ich mit Ihnen meine?
+
+Julchen. Daran zweifele ich gar nicht. Sie sind ja meiner Schwester
+gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre
+Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken.
+
+Damis. Ja, ich versichere Sie, daß ich Lottchen allen Schönen
+vorziehen würde, wenn ich Julchen nicht kennte.
+
+Julchen. Ich sehe, die Gefahr, mich hochmütig zu machen, ist zu wenig,
+ Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken.
+
+Damis. Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn
+dieses eine Schmeichelei war. Warum halten Sie mich nicht für
+aufrichtig?
+
+Julchen (zerstreut). Ich... ich habe die beste Meinung von Ihnen.
+
+Damis. Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen
+Tone aus? Kostet er Sie so viel? In Wahrheit, ich bin recht
+unglücklich. Je länger ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu
+sprechen, desto unzufriedner werden Sie. Sagen Sie mir nur, was Sie
+beunruhiget. Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben. Nein, ich
+will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen. Ich will Sie
+ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben. Wollen Sie mir denn
+auch dieses Vergnügen nicht gönnen?
+
+Julchen. Sie sind wirklich großmütiger, als ich geglaubt habe. Wenn
+Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall
+sehr angenehm sein. Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen
+kann. Werfen Sie mir mein verdrießliches Wesen nicht mehr vor. Ich
+will gleich so billig sein und Sie verlassen.
+
+Damis. Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel?
+
+Julchen (unruhig). Ich weiß es in Wahrheit nicht. Es ist mir alles
+so ängstlich, und es scheint recht, als ob ich das Ängstliche heute
+suchte und liebte. Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen
+nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen. Es ist unhöflich von
+mir, daß ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind.
+Aber der Himmel weiß, ich kann nichts dafür. Ich will mir eine Tasse
+Kaffee machen lassen. Vielleicht kann ich mein verdrießliches Wesen
+zerstreuen. Aber gehn Sie nicht gleich mit mir. Lottchen möchte mir
+sonst einige kleine Spöttereien sagen. Wollen Sie so gütig sein?
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Damis. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe? Sie
+weinen? Ist das möglich?
+
+Damis. O gönnen Sie mir dieses Glück. Es sind Tränen der Wollust,
+die meine ganze Seele vergnügen. Wenn Sie nur das liebenswürdige Kind
+hätten sollen reden hören! Wenn Sie nur die Gewalt hätten sehen
+sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen! Sie
+sagte endlich aufrichtig, sie wäre unruhig. Ach Himmel! mit welcher
+Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies! Sie liebt mich
+wohl, ohne es recht zu wissen. Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen,
+ o bedenken Sie nur, wie...
+
+Lottchen. Warum reden Sie nicht weiter?
+
+Damis. Lassen Sie mich doch mein Glück erst recht überdenken. Sie
+nannte ihre Unruhe ein verdrießliches Wesen. Sie bat mich, daß ich
+deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen.
+Und das Wort Hochachtung drückte sie mit einem Tone aus, der ihm die
+Bedeutung der Liebe gab. Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie
+wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem
+Gemüte dadurch zu zerstreuen.
+
+Lottchen. Das gute Mädchen! Wenn der Kaffee eine Arznei für die
+Unruhen des Herzens wäre: so würden wir wenig Gemütskrankheiten haben.
+ Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist. Das
+Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu
+sein, daß sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschützen weiß. Verwandeln
+Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen
+nicht gar zu sehr bestraft wird.
+
+Damis. Diese Verwandlung wird mir sehr natürlich sein. Aber ich
+fürchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe
+wird bekräftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden. Sie
+bat mich, da sie mich verließ, daß ich ihr nicht gleich nachfolgen
+sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spöttereien sagen möchte. Wie
+furchtsam klingt dieses!
+
+Lottchen. Ja, es heißt aber vielleicht nichts anders, wenn man es in
+seine Sprache übersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen
+nicht so deutlich sieht, daß ich Sie liebe. Ihre Braut scheut sich
+nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben. Wenn sie
+weniger natürliche Schamhaftigkeit hätte, so würde ihre Liebe sich in
+einem größern Lichte sehen lassen; aber vielleicht würde sie nicht so
+reizend erscheinen. Vielleicht geht es mit der Zärtlichkeit eines
+Frauenzimmers wie mit ihren äußerlichen Reizungen, wenn sie gefallen
+sollen.
+
+Damis. Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich...
+Aber wie? Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich
+doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten?
+
+Lottchen. Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber
+Herr Bruder. Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen. Aber was wollten
+Sie sagen?
+
+Damis. Fragen Sie mich nicht. Ich habe es wieder vergessen. Ich
+kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen. Sie verbergen
+sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele. Julchen denkt und
+sinnt und redt in mir. Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe
+ich große Lust, es auch zu sein. Was für ein Geheimnis hat nicht ein
+Herz mit dem andern! Ich sehe, daß ich glücklich bin, und sollte
+vergnügt sein. Ich sehe, daß mich Julchen liebt, und indem ich dieses
+sehe, werde ich traurig, weil sie es ist. Welche neue Entdeckung in
+meinem Herzen!
+
+Lottchen. Ich weiß Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen
+Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst
+werden Sie zerstreut werden. Sie wird ihres Platzes von sich selber
+müde werden und ihn bald dem Vergnügen von neuem einräumen.
+
+Damis. Ich werde recht furchtsam. Und ich glaube, wenn ich Julchen
+wiedersehe, daß ich gar stumm werde.
+
+Lottchen. Das kann leicht kommen. Vielleicht geht es Julchen auch
+also. Ich möchte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen
+bemerkt zu werden. Sie würden beide tiefsinnig tun. Sie würden reden
+wollen und statt dessen seufzen. Sie würden die verräterischen
+Seufzer durch gleichgültige Mienen entkräften wollen und ihnen nur
+mehr Bedeutung geben. Sie würden einander wechselsweise bitten, sich
+zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben. Und
+vielleicht würde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als
+freundschaftliche Küsse ausbrechen. Aber ich höre meine Schwester
+kommen. Ich will Sie nicht stören. (Sie geht und bleibt in der Szene
+versteckt stehen.)
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. War nicht meine Schwester bei Ihnen? Wo ist sie?
+
+Damis (in tiefen Gedanken). Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht
+stören.
+
+Julchen. Nicht stören? Was soll das bedeuten?
+
+Damis. Vergeben Sie mir. Ich habe mich übereilet. Ach, Juliane!
+
+Julchen. Sie haben sich übereilet, und woher? Aber... Ja... Ich
+will Sie verlassen. Sie sind tiefsinnig.
+
+Damis. Sie wollen mich verlassen? meine Juliane! Mich...?
+
+Julchen. Meine Juliane! so haben Sie mich ja sonst nicht geheißen?
+Sie vergessen sich. Ich will Sie verlassen.
+
+Damis. O gehn Sie noch nicht. Ich habe Ihnen recht viel zu sagen.
+Ach viel!
+
+Julchen. Und was denn? Sie halten mich wider meinen Willen zurück.
+Ist Ihnen etwas begegnet? Was wollen Sie sagen? Reden Sie doch.
+
+Damis (bange). Meine Juliane!
+
+Julchen (mit beweglicher Stimme). Juliane! den Namen höre ich zum
+dritten Male. Sie schweigen wieder? Ich muß nur gehn. (Sie geht.
+Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.) Wahrhaftig, es muß
+Ihnen etwas Großes begegnet sein. Darf ich's nicht wissen?
+
+Damis (er kömmt auf sie zu). Wenn Sie mir's vergeben wollten: so
+wollte ich Ihnen sagen; aber nein... Ich würde Ihre Gewogenheit
+darüber verlieren und... (Er küßt ihr die Hand und hält sie dabei.)
+Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ach, Sie sind verdrießlich,
+meine Juliane?
+
+Julchen (ganz betroffen). Nein, ich bin nicht traurig. Aber ich
+erschrecke, daß ich Sie so bestürzt sehe. Ja... Ich bin nicht
+traurig. Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, daß Sie auch so wären.
+ Halten Sie mich nicht bei der Hand. Ich will Sie verlassen. Ich
+wollte meine Schwester suchen und ihr sagen...
+
+Damis. Was wollten Sie ihr denn sagen? mein schönes Kind!
+
+Julchen. Ich wollte ihr sagen... daß der Papa nach ihr gefragt hätte
+und...
+
+Damis. Der Papa? mein Engel!
+
+Julchen. Nein, ich irre mich. Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und
+meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten... (Sie sieht ihn an.
+) In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, daß man sich des Mitleidens..
+. (Sie wendet das Gesichte beiseite.)
+
+Damis. Meine Juliane! Ihr Mitleiden... Sie bringen mich zur
+äußersten Wehmut.
+
+Julchen. Und Sie machen mich auch traurig. Warum hielten Sie mich
+zurück? Warum weinen Sie denn? (Sie will ihre Tränen verbergen.)
+Was fehlt Ihnen? Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf.
+
+Damis. Ja.
+
+Julchen (für sich). Er geht?
+
+Damis (indem er wieder zurückkehrt). Aber darf ich nicht wissen,
+meine Schöne, was Ihnen begegnet ist? Sie waren ja Vormittage nicht
+so traurig.
+
+Julchen. Ich weiß es nicht. Sie wollten ja gehn. Ist Ihnen meine
+Unruhe beschwerlich? Sagen Sie mir nur, warum Sie... Sie reden ja
+nicht.
+
+Damis. Ich?
+
+Julchen. Ja.
+
+Damis. O wie verschönert die Wehmut Ihre Wangen! Ach, Juliane!
+
+Julchen. Was seufzen Sie? Sie vergessen sich. Wenn doch Lottchen
+wiederkäme! Bedenken Sie, wenn sie Sie so betrübt sähe und mich...
+Was würde sie sagen? (Lottchen tritt aus der Szene hervor.)
+
+
+
+Fünfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Ich würde sagen, daß man einander durch bekümmerte Fragen
+und Tränen die stärkste Liebeserklärung machen kann, ohne das Wort
+Liebe zu nennen. Mehr würde ich nicht sagen.
+
+Julchen. O wie spöttisch! Ich muß nur gehn.
+
+Lottchen. O ich habe es wohl eher gesehn, daß du hast gehn wollen,
+und doch...
+
+Julchen. Das wüßte ich in der Tat nicht. (Sie geht ab.)
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Damis. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Es dauert mich in der Tat, daß ich Sie beide gestöret habe.
+ Ich hätte es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht
+länger halten. Kann wohl ein schönerer Anblick sein, als wenn man
+zwei Zärtliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander
+die Liebe zu gestehen? Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan
+Ihres zärtlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt? Hätte ich
+mich noch einige Augenblicke halten können: so würde Ihre
+beiderseitige Wehmut gewiß noch bis zu etlichen vertraulichen
+Liebkosungen gestiegen sein.
+
+Damis. Daran zweifele ich sehr. Ich war in Wahrheit recht traurig,
+und ich bin's noch.
+
+Lottchen. Ja, ich sehe es. Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit
+mir allein zu reden. Holen Sie unmaßgeblich Ihre betrübte Freundin
+wieder zurück. Ich will Sie miteinander aufrichten.
+
+Damis. Ja, das will ich tun.
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Lottchen. Simon.
+
+
+Simon. Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, daß ich unangemeldet
+hereintrete. Das Vergnügen macht mich unhöflich. Sind Sie nicht die
+liebenswürdige Braut meines Herrn Mündels?
+
+Lottchen. Und wenn ich nun seine Braut wäre, was...
+
+Simon. So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, daß Ihnen Ihre selige
+Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat. Sie
+werden die Gewißheit davon noch heute vom Rathause erhalten. Das
+Testament ist geöffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei
+der Eröffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater
+diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die
+gerichtliche Insinuation erhält.
+
+Lottchen. Ist das möglich? Die Frau Muhme hat ihr Versprechen
+zehnfach erfüllt. Wie glücklich ist meine Schwester! Sie verdient es
+in der Tat. Das ist eine sonderbare Schickung. Mein Herr, Sie setzen
+mich in das empfindlichste Vergnügen. Ich bin nicht die Braut Ihres
+Herrn Mündels. Aber die Nachricht würde mich kaum so sehr erfreuen,
+wenn sie mich selbst anginge.
+
+Simon. Kurz, Mamsell, ich weiß nicht, welche von Ihnen meinen Mündel
+glücklich machen will. Allein genug, die jüngste Tochter des Herrn
+Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermögens von
+mehr als funfzigtausend Talern.
+
+Lottchen. Das ist meine Schwester. Wie erfreue ich mich!
+
+Simon. Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht
+bringen kann. Ich wollte es mit tausend Freuden tun. Wo ist Ihr
+lieber Herr Vater? Wird er nicht eine Freude haben!
+
+Lottchen. Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu führen. Aber ich
+will Sie erst um etwas bitten. Gönnen Sie mir doch das Vergnügen, daß
+ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Mündel die erste Nachricht von
+dieser glücklichen Erbschaft bringen darf. Es ist meine größte
+Wollust, die Regungen des Vergnügens bei andern ausbrechen zu sehen.
+Und wenn ich viel hätte, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die
+Welt froh zu sehen. Lassen Sie mir immer das Glück, meiner Schwester
+das ihrige anzukündigen.
+
+Simon. Von Herzen gern. Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht
+unter zwo Schwestern gefunden. Ich erstaune ganz. Ich wußte wohl,
+Mamsell, daß Sie die Braut meines Mündels nicht waren; allein, ich
+wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewißheit leichter
+machen. Ich glaubte, Sie würden erschrecken und über die Vorteile
+Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden. Aber ich sehe das Gegenteil
+und fange an zu wünschen, daß Sie selbst die Braut meines lieben
+Mündels und die glückliche Erbin der Frau Stephan sein möchten.
+
+Lottchen. Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, daß man frei
+vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr
+Wohlwollen zeitlebens zu erhalten. Also wollen Sie Julchen und dem
+Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir überlassen?
+ Sie sind sehr gütig.
+
+Simon. Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es
+ihm selber hinterbringen wollen. Hier kömmt er.
+
+
+
+Achter Auftritt
+
+Die Vorigen. Herr Cleon. Herr Siegmund.
+
+
+Cleon. Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon
+im Garten gesucht. Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich
+glaubte, Sie würden den Kaffee im Garten trinken wollen. Ich erfreue
+mich über die Ehre Ihrer Gegenwart. Ich erfreue mich recht von Herzen.
+
+Simon. Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen
+von Ihrem Vergnügen abzugeben.
+
+Lottchen. Ach, lieber Papa! Ach, lieber Herr Siegmund! Soll ich's
+sagen? Herr Simon!
+
+Simon. Wenn Sie es erzählen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's
+selbst noch nicht wüßte.
+
+Cleon. Nun, was ist es denn? meine Tochter! Wem willst du es erst
+sagen, mir oder meinem lieben Nachbar? Welcher ist dir lieber, du
+loses Kind?
+
+Lottchen. Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's. Und
+wenn ich die Liebe der Freundschaft höre: so ist es Ihr lieber Nachbar.
+ Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt
+erzählt hat. Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente
+ihr ganzes Rittergut vermacht. Das Testament ist geöffnet, und mein
+Herr Pate, der Herr Hofrat, läßt Ihnen durch den Herrn Simon diese
+Nachricht bringen.
+
+Cleon. Dafür sei Gott gedankt. Das Gut ist doch Weiberlehn? Ja!
+Ich erschrecke ganz vor Freuden. Das hätte ich nimmermehr gedacht. O
+sie war dem Mädchen sehr gut! Gott vergelte es ihr in der frohen
+Ewigkeit. Das ganze Rittergut?
+
+Siegmund. Das ist vortrefflich. Die rechtschaffene Frau!
+
+Simon (zu Cleon). Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem
+Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten.
+ Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen.
+
+Cleon. Das ist ja ganz was Außerordentliches. Ich will's die Armen
+gewiß genießen lassen. Aber du, meine liebe Tochter, du kömmst dabei
+zu kurz.
+
+Lottchen. Ich? Papa. Nein. Wenn ich das Glück tragen könnte: so
+würde mir der Himmel gewiß auch welches geben. Ich habe schon Glück
+genug. Nicht wahr? Herr Siegmund! Was meinen Sie?
+
+Siegmund. Daß Sie es ebenso würdig sind als Ihre Jungfer Schwester.
+
+Cleon. Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, daß
+auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten hätten. Kommen Sie doch
+mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's. Diese beiden
+feindseligen Gemüter werden sich schon hier allein vertragen oder uns
+nachkommen.
+
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen. Wenn ich Ihre Größe nicht kennte: so würde ich gezittert
+haben, Ihnen die Nachricht von dem großen Glücke meiner Schwester zu
+hinterbringen. Aber ich weiß, Sie schätzen mich deswegen nicht einen
+Augenblick geringer. Unser Schicksal steht in den Händen der Vorsicht.
+ Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu
+unserm Vorteile öffnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es
+wünschen.
+
+Siegmund. Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, über Ihrem
+Herzen das Glück zu vergessen. Wir wollen hoffen. Vergeben Sie mir
+nur, daß ich noch immer den Zerstreuten vorstelle. Ich habe lange mit
+Ihrem Papa gesprochen, und ich weiß in Wahrheit nicht was.
+
+Lottchen. Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's
+nicht, daß Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten
+gemacht werden, einige Wünsche und Unruhen abnötiget. Trauen Sie doch
+der Vorsehung. Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den
+unglücklichen Prozeß Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermögen verloren.
+ Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie
+auch alles heute über ein Jahr wieder. Haben Sie mit Julchen
+gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zärtlich gestellt?
+
+Siegmund. Nein, weil ich so zerstreut bin, so...
+
+Lottchen. Gut. Sie werden diese kleine Mühe fast ersparen können.
+Ihr Herz scheint keinen großen Antrieb mehr nötig zu haben. Aber
+sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Ich will sie holen und
+es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Welche entsetzliche Nachricht!... Julchen!... Ein ganzes Rittergut!
+Julchen... die so viel Reizungen, so viel Schönheit und Anmut besitzt!
+... Kennte ich Lottchens Wert nicht: so würde Julchen.... Aber ist
+Julchen nicht auch tugendhaft... großmütig... klug... unschuldig...
+? Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst? Ist Lottchen so schamhaft?
+oder... Himmel, wo bin ich? Verdammte Liebe, wie quälst du mich!
+Muß man auch wider seinen Willen untreu werden?... Warum konnte jene
+nicht die reiche Erbschaft bekommen? Sahe die Muhme auch, daß die
+jüngste mehr Verdienste hatte?... Ich Elender! Ich bin ohne meine
+Schuld um das größte Vermögen gekommen... Aber habe ich weniger
+Vorzüge als Damis? Julchen widersteht ja seiner Liebe... Ist es ein
+Verbrechen?... Was kann ich dafür, daß sie mich rührt? Sind meine
+Wünsche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wünschen vielleicht gar
+übereinstimmen? O Himmel! Sie kömmt allein.
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Siegmund. Julchen.
+
+
+Julchen. Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer
+Gesellschaft erwarten. Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann
+hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzählen.
+
+Siegmund. Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft
+nicht verdrießlich werden?
+
+Julchen. Mir? Bei Ihnen? Gewiß nicht. Sie sind heute am
+freundschaftlichsten mit mir umgegangen. Und es wird Ihnen auch wohl
+kein Geheimnis sein, daß ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie
+meine Schwester.
+
+Siegmund (er küßt ihr die Hand). Sie sagen mir vieles Schönes,
+angenehme Braut.
+
+Julchen. Bin ich denn eine Braut? Das hat mir noch kein Mensch
+gesagt. Nein, mein Herr, heißen Sie mich nicht so. Es kann sein, daß
+ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muß ich darum seine Braut sein?
+Nein, er ist so gütig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe.
+
+Siegmund. Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, würden Sie
+auch zürnen? Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie... doch...
+
+Julchen. Bei Ihnen bin ich sehr sicher. Solange ein Lottchen in der
+Welt ist, werden Ihre Liebeserklärungen nicht viel zu bedeuten haben.
+Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts
+erfahren.
+
+Siegmund. Meine Schöne, ich wollte wünschen, daß ich aus Verstellung
+redte; aber ach nein! Denken Sie denn, daß man...
+
+Julchen. Und was?
+
+Siegmund. Daß man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann?
+
+Julchen. Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe.
+
+Siegmund. So werde ich sehr unglücklich sein, weil Sie mit seiner
+Rolle nicht zufrieden sind.
+
+Julchen. Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine
+Wünsche nicht erfülle?
+
+Siegmund. Vielleicht gewönne ich. Vielleicht würden Sie die
+Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn. Ich verehre Sie; doch...
+wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde!
+
+Julchen. Sie können eine fremde Person vortrefflich annehmen. Aber
+auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich. Ich weiß nicht, wo meine
+Schwester bleibt. Ich möchte doch wissen, was sie mir zu sagen hätte;
+sie küßte mich vor Freuden. Es muß etwas Wichtiges sein. Ich muß sie
+nur suchen.. Verziehn Sie einen Augenblick.
+
+
+
+Zwölfter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Ich Abscheu! Was habe ich getan? Ich werde der redlichsten Seele
+untreu, die mich mit Entzückung liebt? Ich...? Aber wie schön, wie
+reizend ist Julchen! Sie liebt ihn noch nicht... Und mir, mir ist
+sie gewogen? Aber die Vernunft...? Sie soll schweigen... Mein Herz
+mag die Sache ausführen.... Mißlingt mir meine Absicht: so bleibt mir
+Lottchen noch gewiß. ... Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich
+verliebt in Julchen zu stellen? Werde ich ihr darum untreu? Wie?
+Sie kömmt noch einmal? Sucht sie mich mit Fleiß?
+
+
+
+Dreizehnter Auftritt
+
+Siegmund. Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen (zu Siegmund). Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr
+Damis wiederkömmt. Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und
+Sie sollen so gütig sein und zu dem Papa kommen. Er wartet mit dem
+Kaffee auf Sie.
+
+Siegmund. Nach Ihrem Befehle. Aber darf ich hoffen?
+
+Julchen. Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muß ich
+Ihnen in der Sprache der Schönen antworten: Sie müssen mit meinem Papa
+davon sprechen.
+
+Der Magister. Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich
+möchte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen.
+
+
+
+Vierzehnter Auftritt
+
+Julchen. Der Magister.
+
+
+Julchen. Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen
+Neues erzählen will?
+
+Der Magister. Nein, ich habe sie gar nicht gesehn. Ich komme aus
+meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen
+Fabelbuche gelesen. Wenn Sie mir zuhören wollten: so wollte ich Ihnen
+eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat. Ich
+weiß, Sie hören gerne witzige Sachen.
+
+Julchen. Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin. Sie
+lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Wie kommen Sie denn heute auf
+diesen Einfall? Ja, ich weiß wohl eher, daß Sie mir eine ziemliche
+finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder
+Hagedorns Fabeln haben lesen sehen.
+
+Der Magister. Sie haben recht. Ich halte mehr auf gründliche
+Schriften. Und das Solide ist für die Welt allemal besser als das
+Witzige. Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so
+ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen. Wollen Sie die
+Fabel hören? Sie heißt Die Sonne.
+
+Julchen. O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen! Ich
+will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, daß sie artig ist. Lesen Sie mir
+sie nur nicht vor.
+
+Der Magister. Jungfer Muhme, ich weiß nicht, was Sie heute für eine
+verdrießliche Gemütsart haben. Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir
+etliche kostbare Stunden. Ich arbeite für Ihr Glück, für Ihre
+Beruhigung. Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle
+Augenblicke dafür? Bin ich Ihnen denn so geringe? Verdienen meine
+Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit? Sind denn Ihre
+Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich
+genug bestimmt? Warum widersprechen Sie mir denn? Kann ich etwas
+dafür, daß Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten? Habe
+ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind,
+etwa erdacht? Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft
+enthalten?
+
+Julchen. Sie schmälen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmälen doch
+gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben. Darf ich bitten:
+so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester
+gehn kann. Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schätze.
+
+Der Magister. Warum sollte ich's nicht wissen? Wenn Sie gleich nicht
+den schärfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz. Und
+ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beiträge und anderer
+solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie läsen,
+daß Sie bald anders sollten denken lernen. Wenn Sie die Triebe des
+Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so würden Sie
+sehen, daß der Trieb der Liebe ein Grundtrieb wäre, und also...
+
+Julchen. Sie reden mir so viel von der Liebe vor. Haben Sie denn in
+Ihrer Jugend auch geliebt? Kennen Sie denn die Liebe recht genau?
+Was ist sie denn? Ein Rätsel, das niemand auflösen kann.
+
+Der Magister. Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu
+dringen. Die Liebe ist eine Übereinstimmung zweener Willen zu
+gleichen Zwecken. Mich deucht, dies ist sehr adäquat. Oder soll ich
+Ihnen eine andere Beschreibung geben?
+
+Julchen. Nein, ich habe mit dieser genug zu tun. Sagen Sie mir
+lieber die Fabel. Ich muß zu meiner Schwester.
+
+Der Magister. Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu
+verstehen als eine Kausaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint
+mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein. Sie klingt also: Die
+Sonne verliebte sich, wie man erzählt, einsmals in den Mond. Sie
+entdeckte ihm ihre Wünsche auf das zärtlichste; allein der Mond blieb
+seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Er verlachte alle die
+Gründe, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zärtlichkeit gegen
+die Sonne bewegen wollten. Ein heimlicher Stolz hieß ihn spröde tun,
+ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war. Er trotzte auf sein
+schönes und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der
+Sonne mit Flecken verunstaltete. Und dies sind die Flecken, die wir
+noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden. Dies ist die Fabel.
+ Was empfinden Sie dabei?
+
+Julchen. Ich empfinde, daß sie mir nicht gefällt und daß der
+Verfasser ihrer noch viel machen wird. Ich will doch nicht hoffen,
+daß Sie diese Erzählung im Ernste für artig halten.
+
+Der Magister. Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine
+Stärke nicht sehen lassen. Aber wie? wenn ich die Fabel selbst
+gemacht hätte?
+
+Julchen. So würde ich glauben müssen, daß die Schuld an mir läge,
+warum sie mir nicht schön vorkömmt.
+
+Der Magister. Sie wissen sich gut herauszuwickeln. Ich will es Ihnen
+gestehen. Es ist meine Arbeit. Ich will mich eben nicht groß damit
+machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben. Aber wollten Sie
+diese Fabel wohl auflösen? Was soll die Moral sein?
+
+Julchen. Das werden Sie mir am besten sagen können.
+
+Der Magister. Die Moral soll etwan diese sein: Ein schönes
+Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange spröde tut, steht
+in der Gefahr, daß das Alter ihr schönes Gesicht endlich verwüstet.
+
+Julchen. Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister. Ich merke,
+die Fabel geht auf mich. Ich bin der Mond. Herr Damis wird die Sonne
+sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen.
+Habe ich nicht alles erraten?
+
+Der Magister. Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter
+Bildern vorträgt: so machen sie einen großen Eindruck bei Ihnen.
+Jungfer Muhme, denken Sie unmaßgeblich an die Fabel und widerstehen
+Sie der Liebe des Herrn Damis nicht länger. Was soll ich Ihrem Papa
+für eine Antwort bringen?
+
+Julchen. Sagen Sie ihm nur, daß ich über Ihre Fabel hätte lachen
+müssen: so verdrießlich ich auch gewesen wäre. Ich habe die Ehre,
+mich Ihnen zu empfehlen.
+
+
+Funfzehnter Auftritt
+
+Der Magister. Cleon. Siegmund.
+
+
+Cleon. Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen? Ich denke,
+sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben.
+
+Der Magister. Sie bleibt unbeweglich. Ich weiß nicht, warum ich mir
+des eigensinnigen Mädchens wegen so viel Mühe gebe. Wer weder durch
+philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muß
+man seinem Wahne zur Strafe überlassen. Ich sage ihr kein Wort mehr.
+So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein gründliches
+Erkenntnis von der Moral beibringen läßt. Ich habe mich zehnmal
+erboten, deine Töchter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen
+der Dinge zu zeigen. Aber nein, sie sollten witzig und nicht
+vernünftig werden.
+
+Siegmund. Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch. Ist Julchen
+nicht vernünftig genug?
+
+Der Magister. Warum denn nur Julchen? Ich verstehe Sie. Ich habe
+ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten. Itzt warten meine Zuhörer
+auf mich.
+
+
+
+Sechzehnter Auftritt
+
+Cleon. Siegmund.
+
+
+Cleon. Ich weiß nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder
+Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener
+spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht
+einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund.
+
+Siegmund. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, daß Julchen den
+Herrn Damis nicht wohl leiden kann.
+
+Cleon. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von
+der Erbschaft wüßte: so dächte ich, das Rittergut machte sie stolz.
+Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da
+sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit
+heiraten. Sie wird sich wohl noch geben.
+
+Siegmund. Aber Sie wissen wohl, daß der Zwang in der Ehe üble Früchte
+bringt.
+
+Cleon. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fügung. Und
+ich wollte wohl wünschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens
+sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, daß ich heute ein doppeltes
+Verlöbnis ausrichten könnte.
+
+Siegmund. Ja, wenn nur meine Umstände... Ich habe einige hundert
+Taler Schulden...
+
+Cleon. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen
+und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben.
+
+Siegmund. Das ist sehr schön; aber...
+
+Cleon. Sie kriegen an Lottchen gewiß eine verständige Frau. Das
+Mädchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht
+schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache
+manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem
+Testamente bald käme! Also, wollen Sie Lottchen haben?
+
+Siegmund. Ja, ich wünsche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als
+meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, daß es scheint, daß mir
+Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und daß Lottchen hingegen
+mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen,
+ daß mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie
+anzuhalten und...
+
+Cleon. Was höre ich? Nun errate ich, warum das Mädchen sich so
+geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwöre Sie, sagen Sie mir,
+ was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich... Ja doch.
+Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch
+gewogener.
+
+Siegmund. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa.
+
+Cleon. Also will Lottchen zwei Männer und Herr Damis zwo Weiber
+haben? Das ist ja unsinnig.
+
+Siegmund. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr
+ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, daß Sie alles so
+geheimhalten, als es möglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn
+Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich
+Julchen anders.
+
+Cleon. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich
+müßte mich ja schämen.
+
+Siegmund. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig wählen sollte: so
+bin ich viel zu redlich, als daß ich ihr einen Mann mit so großem
+Vermögen entziehen will.
+
+Cleon. Sie sind die Großmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein.
+Ich wollte Ihnen Julchens Vermögen ebensowohl gönnen als dem Herrn
+Damis. Freilich wäre die Einteilung nicht uneben. Lottchen wäre
+durch Herrn Damis' Vermögen und Ihnen durch Julchens Erbschaft
+geholfen. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll.
+
+Siegmund. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte,
+Julchen versprechen?
+
+Cleon. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich
+dächte, es wäre unbillig, daß Sie sie vergäßen. Ich kann mir nicht
+einbilden, daß meine Tochter so unbeständig sein sollte. Ich habe sie
+selber vielmal für Sie beten hören, daß es Ihnen der Himmel möchte
+wohlgehen und Sie ihr zum Vergnügen leben lassen, wenn es sein Wille
+wäre. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich
+wohl.
+
+Siegmund. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich
+liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu
+erhalten suchen.
+
+Cleon. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben.
+ Ich denke gewiß, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich
+will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr
+nur recht viel Zärtliches vor. Sie hört es gern. Julchen will ich
+selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange
+aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der
+rechtschaffene Mann nicht übelnimmt.
+
+
+
+Siebenzehnter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Das geht gut. Julchen wird noch meine... Sie ist schön, reich und
+wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt... Aber, Himmel, wenn Lottchen
+mein Vorhaben erfahren sollte! Würde sie mein Herz nicht verfluchen?..
+. Doch nein. Sie ist sicher. Sie liebt mich... Aber was quält
+mich? Sind es die Schwüre, die ich ihr...? Unkräftige Schwüre der
+Treue, euch hört der Himmel nicht... O Julchen, wie reizend bist du!
+Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch?
+
+
+
+Achtzehnter Auftritt
+
+Siegmund. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Itzt kommen sie beide. Nun wollen wir's ihnen entdecken.
+Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen! Und Sie,
+ mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb? Vergeben Sie mir diese
+überflüssige Frage.
+
+Siegmund. Ja, meine Schöne, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre
+Liebe für meine Treue unendlich belohnet. O könnte ich Sie doch
+vollkommen glücklich machen! (Er küßt sie.) Um dies Vergnügen muß
+mich ein Prinz beneiden. Hier kommen sie. Erlauben Sie, meine Schöne,
+ der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich. Er möchte
+ungehalten werden.
+
+
+
+Neunzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Julchen. Damis.
+
+
+Lottchen (zu Damis). Ich wollte Ihnen ein schönes, junges,
+liebenswürdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie
+Julchen wollen fahren lassen.
+
+Julchen. Ist das die Neuigkeit?
+
+Damis. Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Rittergüter hätte: so würde mir
+Julchen auch in einer Schäferhütte besser gefallen.
+
+Julchen. Was reden Sie? Hören Sie doch Lottchen an. Wer weiß, wie
+glücklich Sie werden! Ich gönne es Ihnen und der andern Person.
+Lottchen, wer ist sie denn?
+
+Lottchen. Es ist ein artiges Kind. Sie hat ein Rittergut für
+funfzigtausend Reichstaler. Sie ist wohlerzogen.
+
+Julchen. So? Aber, wo... Wie heißt sie denn?
+
+Lottchen. Sie ist fast so schön wie du.
+
+Julchen. Das mag ich ja nicht wissen. Wenn ich schön bin: so wird
+mir's der Spiegel sagen. So muß keine Schwester mit der andern reden.
+ Sage es dem Herrn Damis allein. Ich werde wohl nicht dabei nötig
+sein. (Sie will gehn.)
+
+Damis. Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht. Ich gehe mit Ihnen.
+
+Julchen. Das wird sich nicht schicken. Das Frauenzimmer mit dem
+Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, würde es sehr übelnehmen.
+Es ist gut, daß Sie sich bei mir in den Liebeserklärungen geübt haben.
+ Nunmehr werden sie Ihnen wenig Mühe machen.
+
+Lottchen. Höre nur, meine Schwester. Es kömmt erst darauf an, ob das
+Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird. Sie hat freilich schöne
+große blaue Augen, fast wie du; eine gefällige Bildung und eine recht
+erobernde Miene; kleine volle runde Hände. (Julchen sieht ihre Hände
+an.) Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit.
+
+Julchen. O ich weiß gar nicht, was du haben willst? Kurz, wie heißt
+denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt?
+
+Lottchen. Sie heißt ebenfalls, wie du, Julchen.
+
+Julchen. Oh! du willst mich zum Kinde machen.
+
+Lottchen. Nein, Julchen, ich kündige hiermit dir und deinem Liebhaber
+ein ansehnliches Glück an. Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem
+Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht. Herr Simon hat uns die
+Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, daß er mir die
+Freude gönnen möchte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen. Meine
+liebe Schwester, ich wünsche dir tausend Glück zu deiner Erbschaft,
+und Ihnen, mein Freund, wünsche ich meine Schwester. Wie glücklich
+bin ich heute!
+
+Julchen. Was? Das ganze Rittergut? Und dir nichts? Hätte sie es
+denn nicht teilen können? Ist es denn auch gewiß? Kann es nicht ein
+Mißverstand sein? Warum hat sie denn dir nichts vermacht?
+
+Lottchen. Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich. Genug, die
+Erbschaft ist deine und für dich bestimmt gewesen. Ich habe genug,
+wenn ich künftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann. Ach,
+Julchen, ich weiß, daß dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis
+er dir seinen Glückwunsch abstatten kann. Ich habe ihn gebeten, dich
+nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt hätte.
+
+Damis. Ich erstaune ganz. Vielleicht wäre es ein Glück für mich,
+wenn kein Testament wäre. Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie
+verlieren?
+
+Julchen. Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa. Nein,
+ganz wünsche ich mir es nicht. Ich verdiene es auch nicht. Traurige
+Erbschaft!... Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch
+nicht vergnügt. (Sie sieht den Damis an.) Und Sie, mein Herr...?
+
+Damis. Und Sie, meine Schöne...?
+
+Lottchen. Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an. Ich weiß,
+daß der Papa schon ein wenig geschmälet haben wird.
+
+
+
+Zwanzigster Auftritt
+
+Die Vorigen. Cleon.
+
+
+Cleon. Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn? Soll sich der Kaffee
+selber einschenken?
+
+Lottchen. Schmälen Sie nicht, lieber Papa. Ihre Töchter sind in
+guten Händen. Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen.
+
+Julchen. Ach, lieber Papa...
+
+Cleon. Nun, was willst du? Soll ich dir zu deinem Glücke
+gratulieren? Ich habe vor Freuden schon darüber geweint. Hast du
+auch Gott für die reiche Erbschaft gedankt? Du gutes Kind. Ach
+Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee
+ein. Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments
+bemühn. Sie, Herr Damis, sollen so gütig sein und ihm Gesellschaft
+leisten.
+
+Damis. Von Herzen gern.
+
+(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.)
+
+
+
+Einundzwanzigster Auftritt
+
+Cleon. Julchen.
+
+
+Cleon. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muß
+dir doch lieb sein, daß du ein Rittergut hast.
+
+Julchen. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester
+anbieten kann.
+
+Cleon. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner
+Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe,
+Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis?
+Hat auch der eine Freude über deine Erbschaft?
+
+Julchen. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgültig zu sein.
+
+Cleon. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermögen. Aber du mußt
+auch bedenken, daß er dich gewählt hat, da du noch ein armes Mädchen
+warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr
+Vormund itzt von ihm erzählet hat, du würdest ihn gewiß lieben! Ich
+habe immer gedacht, er wäre nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so
+hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich
+versichert, daß er ein rechter scharfsinniger Mensch wäre und mehr
+gute Bücher gelesen hätte, als Stunden im Jahre wären. Wer hätte das
+denken sollen?
+
+Julchen. Daß er gelehrt ist, habe ich lange gewußt; allein daß ich's
+nicht bin, weiß ich leider auch. Vielleicht sucht er die
+Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut.
+
+Cleon. Du redst artig. Da werden die Töchter studieren können wie
+die Söhne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schön
+singen. Du kannst dein bißchen Französisch. Du schreibst einen
+feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die
+Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet
+und fromm und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann
+mehr haben? Herr Damis liebt dich gewiß. Mache, daß ich ihn bald
+Herr Sohn und dich Braut heißen kann.
+
+Julchen. Braut? Das weiß ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa,
+Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja
+ebensoviel und noch mehr als ich.
+
+Cleon. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat
+ihren Herrn Siegmund und verlangt kein großes Glück. Gib ihr etwas
+von deinem Vermögen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so
+will ich sie gleich heute verloben. Oder möchtest du Herrn Siegmunden
+lieber zum Manne haben?
+
+Julchen. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die
+Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn
+Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener?
+ Und wenn auch dieser liebenswürdiger wäre, da er es doch nicht ist,
+wie könnte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester
+und er sie so zärtlich liebt?
+
+Cleon. So gefällst du mir. Ich bin ein rechter glücklicher Vater.
+(Er klopft sie auf die Backen.) Meine liebe schöne Tochter, bleibe
+bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast
+den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir
+zuweilen ein bißchen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe
+alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand...
+
+Julchen. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschließe: so gebe ich Ihnen
+mein Wort, daß ich einen Mann wähle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur
+nicht meine Freiheit dabei verlöre! Wenn ich nur wüßte, ob ich ihn
+etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich
+habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht
+zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde?
+
+Cleon. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe
+macht wieder gesund. Ich spräche ja, wenn ich wie du wäre, damit ich
+der Krankheit zuvorkäme.
+
+Julchen. Ach! Papa.
+
+Cleon. Ach! Du sollst nicht »Ach«, du sollst »Ja« sprechen. Du
+gefällst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben.
+
+Julchen. Aber werde ich ihm stets gefallen?
+
+Cleon. Das kannst du denken. Woran stößt sich denn dein Herz noch?
+Befürchtest du denn gar, daß er dir künftig untreu werden möchte?
+Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, daß dein Liebster sehr
+viel Religion hätte und oft zu sagen pflegte, daß er kein Mensch sein
+möchte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich
+gewiß zeitlebens für gut halten. Er wird seine Schwüre nicht brechen.
+
+Julchen. Ich höre keine Schwüre von ihm. Würde er seine Liebe nicht
+beteuern, wenn er mich...?
+
+Cleon. Das ist schön, daß er nicht schwört. Um desto mehr kannst du
+auf sein Wort bauen. Das öffentliche Versprechen ist eben der Schwur
+in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn
+zugleich tun willst.
+
+Julchen. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache
+recht zu überlegen. Lassen Sie mir noch Zeit.
+
+Cleon. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann
+sprich »Ja« oder »Nein«. Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe
+dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du
+willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen
+haben. Die beiden schwarzen Pflästerchen lassen recht hübsch zu
+deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren?
+
+Julchen. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken.
+
+Cleon. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen
+Gevatterbrief schickst. Komm und führe mich bei der Hand. Ich möchte
+gern einmal von einer Braut geführet werden.
+
+(Ende des zweiten Aufzugs.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug
+
+
+
+Erster Auftritt
+
+Siegmund. Julchen.
+
+
+Julchen. Was sagen Sie mir? Das glaube ich in Ewigkeit nicht.
+
+Siegmund. Ich aber glaube es.
+
+Julchen (bestürzt). Hat er es Ihnen denn selbst gesagt? Ich
+Unglückliche!
+
+Siegmund. Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es
+ist gewiß, daß er Ihnen Lottchen weit vorzieht. Ich wollte ihm diese
+Beleidigung, so groß sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie
+nicht zugleich beleidigte. Ich bedaure Sie, mein Engel. Ich weiß,
+Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen,
+ daß Sie dem Unbeständigen wenigstens meinen Namen verschweigen.
+
+Julchen. War dies die Ursache seiner Traurigkeit? Der Treulose! Was
+hat er für Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betrügen? Wenn er
+mir aus Rache das Leben hätte nehmen wollen: so würde ich ihn noch
+nicht hassen. Aber daß er mich unter der Maske der Liebe und
+Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat.
+
+Siegmund. Er wird es leugnen, denken Sie an mich.
+
+Julchen. Der Verräter! Ja, er soll es leugnen. Ich mag dieses
+Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren. Ich will ihn nicht
+bestrafen. Nein! Sein Gewissen wird mich rächen... Wie? Er? dem
+ich heute mein Herz schenken... doch nein, ich habe ihn nicht geliebt.
+ Aber hat er nicht tausendmal gesagt, daß er mich liebte? Hält man
+sein Wort unter den Männern nicht besser?
+
+Siegmund. O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen
+nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen. Sollten Sie mein Herz sehen!
+ Ja... auch der Zorn macht Sie noch liebenswürdiger.
+
+Julchen. Verlassen Sie mich, liebster Freund. Ich will... Und du,
+meine Schwester, du schweigst? Und alles dies tust du, o Liebe, du
+Pest der Menschen!... Verlassen Sie mich. Ich verspreche Ihnen bei
+meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit
+zeitlebens zu belohnen. Aber kommen Sie bald wieder hieher.
+
+Siegmund. Sobald, als ich glaube, daß sich Ihre Hitze etwas gelegt
+haben wird.
+
+
+
+Zweiter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht). Eben zu der Zeit,
+da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch
+untreu...? Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen? Bin ich
+bezaubert?
+
+Damis. Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht? Mit wem reden
+Sie?
+
+Julchen. Mit einem Betrüger, den ich geliebt haben würde, wenn ich
+weniger von ihm erfahren hätte. (Gelinder.) Ist es Ihnen möglich
+gewesen, mich zu hintergehn? Mich? die ich schon anfing, Sie im
+Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn? Warum handeln Sie
+so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muß,
+nachdem ich sie gefühlt habe? Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie für
+ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, daß ich Sie niemals
+hassen, daß ich mich vielmehr bemühen werde, Ihren Fehler vor mir
+selbst zu verbergen.
+
+Damis. Ich Unglücklicher! Ist der Betrüger der Name, den ich
+verdiene? Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzürnte
+Freundin. Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten
+Gewissens, daß mein Herz gar keines Betrugs fähig ist. Ich verlange
+es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die übele Meinung beigebracht hat.
+Die Zeit wird mich schon rechtfertigen.
+
+Julchen. Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze?
+
+
+
+Dritter Auftritt
+
+Die Vorigen. Lottchen.
+
+
+Damis (zu Lottchen). Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an,
+mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben.
+
+Lottchen. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich
+über die ersten Küsse.
+
+Damis (zu Julchen). Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer
+Schwester. Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen.
+
+Julchen. Vielleicht fände ich da die wenigste Hülfe.
+
+Lottchen. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es hätte wissen
+sollen, daß du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Bräutigam
+zanken würdest: sie hätte dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute
+vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, daß der Krieg nicht lange
+dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die
+Liebe etwas zänkisch ist.
+
+Julchen. O scherze nicht.
+
+Lottchen (zu Damis). Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben
+Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich
+Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besänftigen. Julchen, rede
+wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er
+dich ja beleidiget hat: so laß dir den Kuß wiedergeben: so seid ihr
+geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander?
+
+Julchen. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner
+Gegenwart nicht sagen können. Ich glaube zwar gar nicht, daß du ihm
+Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafür, daß du
+liebenswürdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein
+Verdienst. Er würde dich nicht lieben, wenn er nicht die größten
+Vorzüge zu lieben gewohnt wäre. Ich entschuldige ihn selbst.
+
+Lottchen. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du
+dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eröffnen.
+Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn
+Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich
+verliebt stellen sollen, um dich zu überführen, daß du vielleicht
+schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben,
+ daß Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine
+Rolle gar zu gut gespielt.
+
+Julchen. Er tat sehr ernstlich und...
+
+Damis (zu Julchen). Sehn Sie, was ich für ein betrügerisches Herz
+habe?
+
+Julchen. Aber...
+
+Damis. Sie können noch ein Mißtrauen in mich setzen? Wie wenig
+müssen Sie mich kennen!
+
+Julchen. Ich? mein Herr...
+
+Damis. Ist das der Lohn für meine Liebe?
+
+Julchen. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Würde ich eifersüchtig
+geworden sein, wenn ich nicht... Also haben Sie mich nicht
+hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat für Sie gesprochen.
+
+Lottchen. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich
+merke, daß es dir schon weh tut, daß du deinen Geliebten wegen deiner
+Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner
+Stelle tun. (Zum Damis.) Mein Herr, sein Sie so gütig und vergeben
+Sie es Julchen, daß Sie zärtlicher von ihr geliebt werden, als Sie
+gedacht haben.
+
+Julchen. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen
+Fehler freiwillig ab.
+
+Damis. Aber lieben Sie mich denn auch?
+
+Julchen. Ja. Nunmehr weiß ich's gewiß, daß ich Sie liebe. Und
+nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem
+Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wünsche dadurch befriediget
+werden.
+
+Damis. Meine Juliane! Ich bin zu glücklich.
+
+Julchen. Wenn ich Ihr Herz noch nicht hätte: so würde ich nunmehr
+selbst darum bitten, so hoch schätze ich's.
+
+Damis. Vortreffliche Juliane! Ich bin... Doch es ist mir kein
+Gedanke anständig genug für Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen
+in der Entzückung antworten kann.
+
+Lottchen. Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei
+ewig glücklich! Sei mir ein Beispiel der Zärtlichkeit und der
+Zufriedenheit. (Zum Damis.) Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen
+so glücklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wünsche. Bleiben
+Sie ein Freund meines Freundes, und befördern Sie unsere Ruhe durch
+Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater
+gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens
+Entschluß hört! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie,
+ich will das Vergnügen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir
+heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von
+der Gewißheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben.
+
+(Julchen und Damis gehn ab.)
+
+
+
+Vierter Auftritt
+
+Lottchen. Simon.
+
+
+Simon. Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem
+Testamente zu bringen. Ich habe sie selbst geholet. Wollen Sie
+unbeschwert diesen Punkt lesen? (Er reicht ihr die Abschrift.)
+
+Lottchen (sie liest). Wie? Ich bin die Erbin des Ritterguts? Ich?
+
+Simon. Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester.
+Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muß sich
+entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiß angerichtet
+haben, um seiner Jungfer Pate eine desto größere Freude zu machen.
+Genug, es ist nunmehr gewiß, daß Sie die Erbin des Ritterguts sind,
+und kein Mensch kann Ihnen dieses Glück aufrichtiger gönnen, als ich
+tue. Sie verdienen noch weit mehr.
+
+Lottchen. O das ist ein trauriges Glück! Wird nicht meine liebe
+Schwester darüber betrübt werden? Wird nicht Ihr Herr Mündel...?
+
+Simon. Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und
+nunmehr falsche Nachricht brachte. Lesen Sie doch nur weiter. Sie
+sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen
+zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird.
+
+Lottchen. Nun bin ich zufrieden. Sie soll noch mehr haben als
+zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht über ihren Verlust kränkt.
+O was für Bewegungen fühle ich in meiner Seele! Und was werde ich
+erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden über mein
+Glück erschrecken sehe? O wie schön wird er erschrecken! Gott, wie
+glücklich bin ich! Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird.
+
+
+
+Fünfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehört, endlich ihr Ja
+von sich gegeben? Ist es gewiß? Das ist mir sehr angenehm.
+
+Lottchen (zu Simon). Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn
+Mündels erklärt und wird die Ehre haben, Sie um einen Bräutigam zu
+bitten, der unter Ihren Händen so liebenswürdig geworden ist. Aber,
+mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente. Geht es
+Ihnen nicht ein wenig nahe, daß die Frau Muhme uns beide vergessen hat?
+
+Siegmund. Nein, nicht einen Augenblick. Sie sind mir mehr als ein
+reiches Testament.
+
+Lottchen. Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten
+sollte, wollen wir's annehmen?
+
+Siegmund. Da sie nicht mehr über ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie
+auch nicht über ihr Vermögen zu befehlen.
+
+Simon. O mein Herr, Sie können versichert sein, daß ihr mein Mündel
+die völlige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein.
+Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Überflusse, sondern in dem
+Gebrauche desselben. Er würde Julchen gewählt haben, wenn sie auch
+keine Erbschaft getan hätte. Und vielleicht wäre es ihm gar lieber,
+wenn er ihr Glück durch sich allein hätte machen können. Wir wollen
+wünschen, daß alle Liebhaber so edel gesinnt sein mögen als er.
+
+Lottchen. Hören Sie, Herr Siegmund, was wir für einen großmütigen
+Bruder bekommen haben?
+
+Siegmund. Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die größte Ehre.
+
+Simon. Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn. Er ist von seinem
+zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde
+alle meine Sorgfalt für ihn so reichlich belohnet und mir so vieles
+Vergnügen gemacht, daß ich nicht weiß, wer dem andern mehr Dank
+schuldig ist.
+
+Lottchen. Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem
+Bräutigam meiner Schwester gönne. Und wenn mein Papa sterben sollte:
+so würde ich Ihr Mündel sein, um ebendieses Lob zu verdienen. O was
+ist der Umgang mit großen Herzen für eine Wollust! Aber, Herr Simon,
+darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe
+gebeut und rechtfertiget? Ja, Sie sind es würdig, die Regungen meiner
+Seele ohne Decke zu sehen. (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn.
+) Endlich, mein Freund, bin ich so glücklich, Ihren Umgang und Ihre
+Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen. Sie
+haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt. Die Vorsicht hat mich
+heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht rühmlicher
+anzuwenden weiß, als wenn ich sie in Ihre Hände bringe. Ich weiß, Sie
+werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen. Hier ist eine
+Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erkläret bin, anstatt
+daß es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war. Kurz, die
+Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehört Julchen.
+ Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen.
+
+Siegmund. Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgültig.
+
+Lottchen. Eben deswegen verdienen Sie's. Fehlt zu Ihrem Glücke
+nichts als meine Liebe: so können Sie nie glücklicher werden.
+
+Siegmund. Ach, meine Schöne, wie erschrecke ich! Sie machen, daß man
+die Liebe und das Glück erst hochschätzt. O warum kann nicht die
+ganze Welt Ihrer Großmut zusehen! Sie würden auch den
+niederträchtigsten Seelen liebenswürdig vorkommen und ihnen bei aller
+Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, daß sie Ihnen gleichen
+möchten. Ich danke es der Schickung ewig, daß sie mir Ihren Besitz
+zugedacht hat. Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater,
+um ihn nunmehr...
+
+
+
+Sechster Auftritt
+
+Die Vorigen. Ein Bedienter.
+
+
+Der Bediente (zu Lottchen). Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell. Er
+kömmt von der Post.
+
+Lottchen. Ein Brief von der Post?
+
+Siegmund. Ja, ich habe den Briefträger selbst auf dem Saale stehen
+sehen, ehe ich hereingekommen bin.
+
+Lottchen. Wollen Sie erlauben, meine Herren, daß ich den Brief in
+Ihrer Gegenwart erbrechen darf?
+
+Simon. Ich will indessen meinem lieben Mündel meinen Glückwunsch
+abstatten.
+
+
+
+Siebenter Auftritt
+
+Lottchen. Siegmund.
+
+
+Lottchen (indem sie den Brief für sich gelesen hat). O mein Freund,
+man will mir mein Glück sauermachen. Man beneidet mich, sonst würde
+man Sie nicht verkleinern. Es ist ein boshafter Streich; er ist mir
+aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und
+meiner Liebe geben kann. Ich will Ihnen den Brief lesen. Er besteht,
+wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen. (Sie liest.) »Mamsell, trauen Sie
+Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht. Er ist ein Betrüger. N.
+N.«
+
+Siegmund. Was? Ich ein Betrüger?
+
+Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand). Ich weiß, daß Sie groß genug
+sind, dieses hassenswürdige Wort mit Gelassenheit anzuhören. Es ist
+ein Lobspruch für Sie. Ich verlange einen solchen Betrüger, als Sie
+sind, mein Freund.
+
+Siegmund. Aber wer muß mir diesen boshaften Streich an dem heutigen
+Tage spielen? Wie? Sollte es auch Herr Simon selbst sein? Liebt er
+Sie vielleicht? Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft? Warum ging er, da
+der Brief kam? Soll ich ihm dieses Laster vergeben? Wenn er mir
+meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen hätte: so würde ich ihm für
+diese Demütigung danken; aber daß er mir die Ehre eines guten Herzens
+rauben will, das ist ärger, als wenn er mir Gift hätte geben wollen.
+Ich?... Ich, ein Betrüger? Himmel, bringe es an den Tag, wer ein
+Betrüger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat! Ist das
+der edelgesinnte Vormund?
+
+Lottchen. Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie
+sich. Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte. Es ist
+nicht möglich, daß er eine solche Niederträchtigkeit begehen sollte.
+Sein Charakter ist edel. Wer weiß, was Sie sonst für einen Feind
+haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht
+bekommen hat.
+
+Siegmund. Sie entschuldigen den Vormund noch? Hörten Sie nicht den
+boshaften Ausdruck: Wir wollen wünschen, daß alle Liebhaber so edel
+gesinnt sein mögen als mein Mündel? Ist dieses nicht eine
+unverschämte Anklage wider mich?
+
+Lottchen. Ich sage Ihnen, daß Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch
+einen Augenblick in Verdacht haben. So, wie ich ihn kenne und wie mir
+ihn sein Mündel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein
+Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann.
+
+Siegmund. Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben? Ich habe
+gemerkt, daß er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das
+geringste Wort Achtung gegeben hat. Es kömmt noch ein merkwürdiger
+Umstand dazu. Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon
+triumphieret, daß er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe
+erhalten hätte. Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt;
+aber mir nicht.
+
+Lottchen. Ich beschwöre Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie
+diesen Mann aus dem Verdachte.
+
+Siegmund. Warum hat er mir nicht gesagt, daß man ihm vom Hofe einen
+vornehmen Charakter und eine ungewöhnliche Pension gegeben hat? Was
+sucht er darunter, wenn er nicht mein Unglück bei Ihnen sucht?
+
+Lottchen. Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zärtlichen Liebe zu mir.
+Außerdem würde ich Sie nicht länger anhören. Wir wollen die Sache zu
+unserm Vorteile enden. Ihre Feinde mögen sagen, was sie wollen. Sie
+sind bestraft genug, daß sie Ihren Wert nicht kennen. Und wir können
+uns nicht besser rächen, als daß wir uns nicht die geringste Mühe
+geben, sie zu entdecken. Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen. Ich
+komme in der Gesellschaft meines Vaters und der übrigen gleich wieder
+zu Ihnen, unser Bündnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen.
+
+
+Achter Auftritt
+
+Siegmund allein.
+
+
+Das war ein verfluchter Streich! Aber er macht mich nur mutiger.
+Julchen ist verloren... Gut, ist doch Lottchen, ist doch das
+Rittergut mein... Ich bin nicht untreu gewesen. Nein! Ich habe es
+nur sein wollen; aber ich war zu edel, als daß mich's die Umstände
+hätten werden lassen. Aber wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine
+Untreue erfahren? Ich will sie sicher machen.
+
+
+
+Neunter Auftritt
+
+Julchen. Damis.
+
+
+Julchen. »Wo bleibt Lottchen? Hat sie gar meine Untreue erfahren?
+Ich will sie sicher machen.« Der Boshafte! Hörten Sie sein
+Bekenntnis? Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe
+aufführen würde. O hätten wir diese unglückselige Entdeckung doch
+niemals gemacht! Du arme Schwester! Du verbindest dich mit einem
+Menschen, der ein böses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat.
+
+Damis. Ja, es ist ein nichtswürdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt
+habe. Er hat den größten Betrug begangen. Ich bitte ihn heute
+Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, daß er mir Ihre Liebe
+sollte gewinnen helfen. Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater,
+unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden,
+als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten. Ist das mein Freund, dem
+ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermögen angeboten habe?
+
+Julchen. Mich hat er bereden wollen, daß Sie meiner Schwester
+gewogener wären als mir. Nunmehro weiß ich gewiß, daß es keine
+Verstellung gewesen. Aber meine arme Schwester wird es doch denken,
+weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat. Wer soll
+ihr ihren Irrtum entdecken? Wird sie uns hören? Und wenn sie es
+glaubt, überführen wir sie nicht von dem größten Unglücke! Wie dauret
+sie mich!
+
+Damis. Ja. Aber sie muß es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so
+rede ich.
+
+Julchen. Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester!
+Schweigen Sie. Vielleicht... Vielleicht ist er nicht von Natur
+boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft...
+
+Damis. Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist
+er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein
+Mensch, der den andern aus Hunger auf der Straße umbringt. Hat ihn
+die ausnehmende Zärtlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die
+edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft
+erhalten können: so muß es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes
+willen seinen nächsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der
+geringsten Wollust wegen abzuschwören.
+
+Julchen. Aber ach, meine Schwester... Tun Sie es nicht. Ich zittre..
+.
+
+Damis. Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt. Aber
+ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so unglücklich werden lasse, sich mit
+einem Nichtswürdigen zu verbinden: so will ich mein Vermögen, meine
+Ehre und Sie selbst verlieren. Ich gehe und sage ihr alles, und wenn
+sie auch ohne Trost sein sollte. Mein Herr Vormund hat das Billett an
+Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen.
+ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide für zu
+einfältig gehalten, haben seine tückischen Absichten zuerst gemerkt,
+und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut. Dieser haßt und
+sieht die kleinsten Betrügereien.
+
+Julchen. Ist er denn gar nicht zu entschuldigen?
+
+Damis. Nein, sage ich Ihnen. Wir haben alles untersucht. Er ist ein
+Betrüger. (Mit Bitterkeit.) Ich habe in meinem Leben noch kein Tier
+gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen
+durch seine Verstellung unglücklich machen sollte, wollte ich mit
+Freuden umbringen. Was? Wir Männer wollen durch den häßlichsten
+Betrug das Frauenzimmer im Triumph aufführen, das wir durch unsere
+Tugend ehren sollten?
+
+Julchen. Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen?
+
+Damis. Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen. Sie soll ihn fühlen
+lassen, was es heißt, ein edles Herz hintergehn.
+
+Julchen. Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte. Wäre das
+nicht auch großmütig?
+
+Damis. Sie braucht ihn nicht zu verfolgen. Sie kann alle Regungen
+der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen. Er ist ein
+Unmensch.
+
+
+
+Zehnter Auftritt
+
+Die Vorigen. Simon.
+
+
+Simon. Ich stehe die größte Qual aus. Unsere Absicht mit dem Briefe
+schlägt leider fehl. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn
+für unschuldig hält. Sie dringt in ihren Vater, daß er die Verlobung
+beschleunigen soll. Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergißt
+vielleicht in der großen Liebe die Vorsichtigkeit und meine
+Erinnerungen. Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme
+preiszugeben: so will ich's tun.
+
+Damis. Ich tue es auch.
+
+Julchen. Wenn nur meine Schwester käme. Ich wollte... Aber sie
+liebt ihn unaussprechlich. Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich
+auf einmal von ihm trennen soll?
+
+Simon. Es wird viel empfinden. Sie liebt ihn so sehr, als man nur
+lieben kann. Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der
+Liebe wert hält. Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die
+Vernunft, das Gefühl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider
+ihre Liebe empören und sie verdringen. Der Haß wird sich an die
+Stelle der Liebe setzen. Wir müssen alle drei noch einmal mit ihr und
+dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betrügt.
+
+Julchen. Du redliche Schwester! Könnte ich doch dein Unglück durch
+Wehmut mit dir teilen! Wie traurig wird das Ende dieses Tages für
+mich!
+
+Simon. Betrüben Sie sich nicht über den Verlust eines solchen Mannes.
+ Lottchen ist glücklich, wenn sie ihn verliert, und unglücklich, wenn
+sie ihn behält. Herr Damis, haben Sie die Güte und sehen Sie, wie Sie
+Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und
+hieherbringen können.
+
+Damis. Ja, das ist das letzte Mittel.
+
+Simon (zu Damis). Noch ein Wort. Haben Sie die Abschrift des
+Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe?
+
+Damis. Nein, Herr Vormund.
+
+Simon. Sie auch nicht, Mamsell Julchen?
+
+Julchen. Nein.
+
+Simon. Also wissen Sie beide noch nicht, daß die erste Nachricht
+falsch gewesen ist. Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht. Sie sind
+nicht die Erbin des Ritterguts.
+
+Julchen. Wie? Ich bin's nicht? Warum haben Sie mir denn eine
+falsche Freude gemacht? Das ist betrübt. Geht denn heute alles
+unglücklich? Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts? Bin ich nicht mehr
+Ihre Braut? Geht denn das Unglück gleich mit der Liebe an? Ich
+wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen.
+Ich ließ schon die besten Zimmer für sie zurechtemachen. Ach, mein
+Herr, was für Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, daß
+ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und
+Wiesen führte... ! Also habe ich nichts?
+
+Damis. Sie haben so viel, als ich habe. Vergessen Sie die traurige
+Erbschaft. Es wird uns an nichts gebrechen. Mir ist es recht lieb,
+daß Sie das Rittergut nicht bekommen haben. Vielleicht hätte die Welt
+geglaubt, daß ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren
+eigenen Wert gesehen hätte. Und dies soll sie nicht glauben. Sie
+soll meine Braut aus ebender Ursache hochschätzen, aus der ich sie
+verehre und wähle. Führen Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen
+Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnügen machen. Genug, daß
+Sie ein Rittergut verdienen. O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende
+gerissen hätte. Ich werde eher nicht ruhig.
+
+Simon. Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts.
+
+Julchen. Meine Schwester ist es? Meine Schwester? Bald hätte ich
+sie beneidet; aber verwünscht sei diese Regung! Nein! Ich gönne ihr
+alles. (Zu Damis.) Was könnte ich mir noch wünschen, wenn Sie mit
+mir zufrieden sind. Sie soll es haben. Ich gönne ihr alles.
+
+Damis. Auch mich, meine Braut?
+
+Julchen. Ob ich Sie meiner Schwester gönne? Nein, so redlich bin ich
+doch nicht. Es ist keine Tugend; aber... Fragen Sie mich nicht mehr.
+
+Damis. Nein. Ich will Mamsell Lottchen suchen. Die Zärtlichkeit
+soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen.
+
+
+
+Eilfter Auftritt
+
+Julchen. Simon.
+
+
+Julchen. Ob ich ihn meiner Schwester gönne? Wie könnte sie das von
+mir verlangen? Sie hat ja das Rittergut. Ich liebe sie sehr; aber
+wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befördern soll:
+so fordert sie zu viel. Das ist mir nicht möglich.
+
+Simon. Machen Sie sich keine Sorge. Sie wird es gewiß nicht begehren.
+ Ich muß Ihnen auch sagen, daß sie Ihnen nach dem Testamente
+zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll.
+
+Julchen. Das ist alles gut. Wenn ich nur meiner Schwester ihren
+Liebhaber durch dieses Geld treu machen könnte, wie gern wollte ich's
+ihm geben! Der böse Mensch! Kann er nicht machen, daß ich den Herrn
+Damis verliere, indem er Lottchen verliert? Aber warum läßt der
+Himmel solche Bosheiten zu? Was kann denn ich für seine Untreue? Ich
+bin ja unschuldig.
+
+Simon. Mein Mündel kann niemals aufhören, Sie zu lieben. Verlassen
+Sie sich auf mein Wort. Jungfer Lottchen ist zu beklagen. Aber
+besser ohne Liebe leben, als unglücklich lieben. Wenn sie doch käme!
+
+Julchen. Aber wenn sie nun kömmt? Ich kann ja ihre Ruhe nicht
+herstellen. Ich habe sie herzlich lieb. Aber warum soll denn meine
+Liebe mit der ihrigen leiden? Nein, so großmütig kann ich nicht sein,
+daß ich ihr zuliebe mich und... mich und ihn vergäße. Wenn sie doch
+glücklich wäre! Ich werde recht unruhig. Er sagte, er wollte die
+Zärtlichkeit der Freundschaft nachsetzen. Was heißt dieses?
+
+Simon. Bleiben Sie ruhig. Mein Mündel ist der Ihrige. Sie verdienen
+ihn. Und wenn Sie künftig an seiner Seite die Glückseligkeiten der
+Liebe genießen: so verdanken Sie es der Tugend, daß sie uns durch
+Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht.
+
+
+
+Zwölfter Auftritt
+
+Die Vorigen. Der Magister.
+
+
+Der Magister. Herr Simon, ich möchte Ihnen gern ein paar Worte
+vertrauen. Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige
+Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtümer für Gewalt über
+das menschliche Herz haben.
+
+Simon. Ich fürchte, daß mir diese unglückliche Entdeckung schon mehr
+als zu bekannt ist.
+
+Der Magister. Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube
+nachgedacht.
+
+Julchen. Können Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist? Tun Sie
+es doch, lieber Herr Magister.
+
+Der Magister. Siegmund muß bestraft werden, damit er gebessert werde.
+
+Simon. Er verdient nicht, daß man ihn anders bestrafe als durch
+Verachtung.
+
+Der Magister. Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden?
+
+Simon. Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern?
+
+Der Magister. Das will ich itzt nicht ausmachen. Aber sagen Sie mir,
+Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, daß
+nur ein Laster ist; oder daß, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer
+Kraft nach zugegen sind? Sehn Sie nur Siegmunden an. Ist er nicht
+recht das Exempel zu diesem Paradoxo?
+
+Simon. Ja, Herr Magister. Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von
+der Liebe zu Siegmunden abbringen? Sie glaubt es ja nicht, daß er
+untreu ist.
+
+Der Magister. Das wird sich schon geben. O wie erstaunt man nicht
+über die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat
+und welche alle mit einem haben! Siegmund wird bei der Gelegenheit
+des Testaments geizig. Ein Laster. Er strebt nach Julchen, damit er
+ihre Reichtümer bekomme. Welcher schändliche Eigennutz! Er wird
+Lottchen untreu und will Julchen untreu machen. Wieder zwei neue
+Verbrechen. Er kann sein erstes Laster nicht ausführen, wenn er nicht
+ein Betrüger und Verräter wird. Also hintergeht er seinen Freund,
+seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die
+Tugend hintergangen hat. Aber alle diese Bosheiten auszuführen, mußte
+er ein Lügner und ein Verleumder werden. Und er ward es. Welche
+unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern? Sollten
+also die Stoiker nicht recht haben?
+
+Simon. Wer zweifelt daran? Herr Magister. Ich glaube es, daß Sie
+die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen. Sie reden
+sehr wahr, sehr gelehrt. Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt,
+und wir danken Ihnen zeitlebens dafür. Aber entdecken Sie nun auch
+das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, daß sie sich nicht mit dem
+untreuen Siegmund verbindet.
+
+Der Magister. Darauf will ich denken. Lottchen ist zu leichtgläubig
+gewesen. Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man
+Ursache hat, ein Mißtrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man
+es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat.
+Wir haben so viele Vernunftlehren. Eine Willenslehre ist ebenso nötig.
+ Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der
+Verstand? So wie der Verstand Grundsätze hat, die sein Wesen
+ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe. Kennt man diese, so
+kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu
+verbessern. Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen
+nicht hundertmal gesagt, daß Siegmund nichts Gründliches in der
+Philosophie weiß? Dies sind die traurigen Früchte davon.
+
+Julchen. Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betrübten
+Sache empfänden als ich, Sie würden diese Frage itzt nicht an mich tun.
+ Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt. Und ich wollte wünschen,
+daß Sie an die Fabel von dem Knaben gedächten, der in das Wasser
+gefallen war. Anstatt daß Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so
+zeigen Sie uns den Ursprung und die Größe derselben. Nehmen Sie meine
+Freiheit nicht übel.
+
+Der Magister. Ich kann Ihnen nichts übelnehmen. Zu einer Beleidigung
+gehört die gehörige Einsicht in die Natur der Beleidigung. Und da
+Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber
+sie sind es nicht.
+
+Simon. Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun?
+
+Der Magister. Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen
+und meinem Bruder kurz und gut sagen, daß ich meine Einwilligung nicht
+darein gebe. Alldann muß die Sache ein ander Aussehn gewinnen.
+
+Simon. Gut, das tun Sie.
+
+
+Dreizehnter Aufzug
+Julchen. Simon.
+
+Julchen. Ich will dem Herrn Magister nachgehen. Er möchte sonst gar
+zu große Händel anrichten. Entdecken Sie Lottchen, wenn sie kömmt,
+die traurige Sache zuerst. Ich will sorgen, daß Sie Siegmund in Ihrer
+Unterredung nicht stört und Ihnen, wenn ich glaube, daß es Zeit ist,
+mit meinem Bräutigame zu Hülfe kommen.
+
+Simon. Ich will als ein redlicher Mann handeln. Und wenn ich mir
+auch den größten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die
+niederträchtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so
+will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen.
+
+
+Vierzehnter Auftritt
+
+Simon. Lottchen.
+
+
+Lottchen. Was ist zu Ihrem Befehle? Haben Sie etwa wegen der
+zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu
+erinnern? Tun Sie nur einen Vorschlag. Ich bin zu allem bereit.
+
+Simon. Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden. Glauben Sie
+wohl, daß mir Ihr Glück lieb ist und daß ich ein ehrlicher Mann bin?
+So unhöflich diese beiden Fragen sind: so muß ich sie doch an Sie tun,
+weil ich sonst in der Gefahr stehe, daß Sie meinen Antrag nicht
+anhören werden.
+
+Lottchen. Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen? Reden Sie frei.
+Ich sage es Ihnen, daß ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich
+meinem Vater schuldig bin. Ich will Ihnen den größten Dank sagen,
+wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die
+Tat zu beweisen. Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit
+überzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Bräutigams. Kann es Ihnen
+nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden?
+
+Simon. Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers.
+
+Lottchen. Will Ihr Herr Mündel etwa das Rittergut gern haben, weil es
+so nahe an der Stadt liegt? Nun errate ich's, warum er itzt gegen den
+guten Siegmund etwas verdrießlich tat. Warum hat er mir's nicht
+gleich gesagt? Er soll es haben und nicht mehr dafür geben, als Sie
+selbst für gut befinden werden. Kommen Sie zur Gesellschaft. Ich
+habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten,
+entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern
+Aufschub das Recht über mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu
+zeigen, daß ich auf keine gemeine Art liebe.
+
+Simon. Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die
+Post bringen helfen.
+
+Lottchen. Ehe wollte ich glauben, daß ihn mein Vater, der mich so
+sehr liebt, geschrieben hätte. Sie scherzen.
+
+Simon. Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die
+Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft. Erschrecken Sie nur,
+und hassen Sie mich. Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es
+nicht aufrichtig mit Ihnen.
+
+Lottchen. Sie wollen gewiß das Vergnügen haben, meine Treue zu
+versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, daß ich nicht
+erschrecken kann.
+
+Simon. Sie glauben, ich scherze? Ich will also deutlicher reden.
+Ihr Liebhaber ist ein Betrüger.
+
+Lottchen (erbittert). Mein Herr, Sie treiben die Sache weit. Wissen
+Sie auch, daß ich für die Treue meines Liebhabers stehe und daß Sie
+mich in ihm beleidigen? Und wenn er auch der Untreue fähig wäre: so
+würde ich doch den, der mich davon überzeugte, ebensosehr hassen als
+den, der sie begangen. Aber ich komme gar in Zorn. Nein, mein Herr,
+ich kenne ja Ihre Großmut. Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiß, als ich
+lebe.
+
+Simon. So gewiß, als ich lebe, ist es mein Ernst. Er ist unwürdig,
+noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden.
+
+Lottchen. Und ich werde ihn ewig lieben.
+
+Simon. Sie kennen ihn nicht.
+
+Lottchen. Besser als Sie, mein Herr.
+
+Simon. Ihre natürliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen
+macht, daß Sie ihn für aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht.
+
+Lottchen. Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand. Ich
+habe Sie und meinen Liebhaber für aufrichtig gehalten. Ich will mich
+betrogen haben. Aber wen soll ich zuerst hassen? Ist Ihnen etwas an
+meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie. Sie verändern mein
+ganzes Herz. Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen;
+aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennützig zu
+handeln. Wäre es Ihrem Charakter nicht gemäßer, mich tugendhaft zu
+erhalten, als daß Sie mich niederträchtig machen wollen? Warum reden
+Sie denn nur heute so?
+
+Simon. Weil ich's erst heute gewiß erfahren habe. Wenn Sie mir nicht
+glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem
+Mündel.
+
+Lottchen. Das ist schrecklich. Haben Sie diese auch auf Ihre Seite
+gezogen?
+
+Simon. Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater. Und
+ehe ich zugebe, daß ein Niederträchtiger Ihr Mann wird, ehe will ich
+mich der größten Gefahr aussetzen. Sie sind viel zu edel, viel zu
+liebenswürdig für ihn.
+
+Lottchen. Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten? Muß er
+nur darum ein Betrüger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswürdig
+bin? Und Sie glauben, daß sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen
+läßt? Nunmehr muß ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen.
+ Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn können.
+
+Simon. Machen Sie mir noch so viele Vorwürfe. Die größten
+Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstoßen, sind nichts als Beweise
+Ihres aufrichtigen Herzens. Die Meinung, in der Sie stehen,
+rechtfertiget sie alle. Und ich würde Sie vielleicht hassen, wenn Sie
+mein Anbringen gelassener angehört hätten. Genug...
+
+Lottchen. Das ist ein neuer Kunstgriff. Mein Herr, Ihre List, wenn
+es eine ist, und sie ist es, sei verwünscht! Wie? Er, den ich wie
+mich liebe?... Sie wollen sich an seine Stelle setzen? Ist es
+möglich?
+
+Simon. Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich
+verschmerzen. Es ist wahr, daß ich Sie ungemein hochachte; aber ich
+habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner
+Niederträchtigkeit zu benehmen. Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus
+nicht mehr zu betreten, solange ich lebe. Und wenn ich durch diese
+Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf
+das entsetzlichste. Nach diesem Schwure schäme ich mich, mehr zu
+reden. (Er geht ab.)
+
+
+
+Funfzehnter Auftritt
+
+Lottchen allein.
+
+
+Gott, was ist das?... Er soll mir untreu sein?... Nimmermehr! Nein!
+ Der Vormund sei ein Betrüger und nicht er. ... Du, redliches Herz!
+Du, mein Freund, um dich will man mich bringen? Warum beweist er
+deine Untreue nicht?
+
+
+
+Sechzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Damis.
+
+
+Lottchen. Kommen Sie mir zu Hülfe. Und wenn sie mein Unglück auch
+alle wollen: so sind doch Sie zu großmütig dazu. Was geht mit meinem
+Bräutigam vor? Sagen Sie mir's aufrichtig.
+
+Damis. Er ist Ihnen untreu.
+
+Lottchen. Auch Sie sind mein Feind geworden? Hat Sie mein Liebhaber
+beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so großmütig und sagen mir
+nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen.
+
+Damis. Mein Herz ist viel zu groß zur Rache.
+
+Lottchen. Aber klein genug zur Undankbarkeit? Hat Ihnen mein
+Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen?
+
+Damis. Wollte der Himmel, er hätte mir ihn nicht erwiesen: so würden
+Sie glücklicher, und er würde nur ein verborgner Verräter sein.
+
+Lottchen. Betrüger! Verräter! Sind das die Namen meines Freundes,
+den ich zwei Jahr kenne und liebe?
+
+Damis. Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so würde ich mit
+mehr Mäßigung vor Ihnen reden. Aber mein Eifer gibt mir für Ihren
+Liebhaber keinen andern Namen ein. Sie, meine Schwester, sind Ihres
+Herzens wegen würdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der
+Mensch, der bei Ihrer Zärtlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen
+der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen,
+eine abscheuliche Seele.
+
+Lottchen. Eine abscheuliche Seele? Wohlan; nun fordere ich Beweise.
+(Heftiger.) Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester,
+noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn können. Und
+ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Geständnis. Ich bin so sehr
+von seiner Tugend überzeugt, daß ich weiß, daß er auch den Gedanken
+der Untreue nicht in sich würde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn
+selbst zu entdecken. Und ich würde ihn wegen seiner gewissenhaften
+Zärtlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben
+könnte.
+
+Damis. Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich
+Ihnen das Herz meiner Braut wieder zurück. Ihnen bin ich's schuldig;
+aber ich mag nicht die größte Wohltat von Ihnen genießen und zugleich
+Ihr Unglück sehn.
+
+Lottchen. Sie müssen mich für sehr wankelmütig halten, wenn Sie
+glauben, daß ich durch bloße Beschuldigungen mich in der Liebe irren
+lasse. Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines
+Bräutigams zu kennen? Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm
+seine Untreue abwesend vor? Rufen Sie ihn hieher. Alsdann sagen Sie
+mir seine Verbrechen. Er ist edler gesinnet als wir alle. Und ich
+will ihn nun lieben.
+
+Damis. Sie haben recht. Ich will ihn selbst suchen.
+
+
+
+Siebenzehnter Auftritt
+
+Lottchen. Julchen.
+
+
+Lottchen. Er geht? Er untersteht sich, ihn zu rufen? Nun fängt mein
+Herz an zu zittern. (Sie sieht Julchen. Kläglich.) Meine Schwester,
+bist du auch da? Hast du mich noch lieb? (Lottchen umarmt sie.)
+Willst du mir die traurigste Nachricht bringen? O nein! Warum
+schweigst du? Warum kömmt er nicht selbst?
+
+Julchen. Ich bitte dich, höre auf, einen Menschen zu lieben, der...
+
+Lottchen. Er soll schuldig sein; aber muß er gleich meiner Liebe
+unwürdig sein? Nein, meine liebe Schwester. Ach nein, er ist gewiß
+zu entschuldigen. Willst du ihn nicht verteidigen? Vergißt du schon,
+was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat? Warum sollte er mir
+untreu sein, da ich Vermögen habe? Warum ward er's nicht, da ich noch
+keines hatte?
+
+Julchen. Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, daß ich
+die Erbin des Testaments wäre. Ach, liebe Schwester, wie glücklich
+wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen sähe!
+
+Lottchen. So ist es gewiß? (Hart.) Nein! sage ich.
+
+Julchen. Ich habe lange mit mir gestritten. Ich habe ihn in meinem
+Herzen, vor meinem Bräutigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater
+entschuldiget. Ich würde sie aus Liebe zu dir noch alle für betrogne
+Zeugen halten. Aber es ist nicht mehr möglich. Er selbst hat sich
+hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen
+Briefe verlassen hattest. Er war allein. Die Unruhe und sein
+Verbrechen redten aus ihm. Er hörte mich nicht kommen. O hätt' er
+doch ewig geschwiegen!... Ach, meine Schwester!
+
+Lottchen. Meine Schwester, was sagst du mir? Er hat sich selbst
+angeklagt? Er ist untreu? Aber wie könnte ich ihn noch lieben, wenn
+er's wäre? Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiß. Ich habe
+ihm ja die größten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben...
+(Zornig.) Aber was quält ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte?
+Was hat er denn getan? Nichts hat er getan.
+
+Julchen. Er hat mich auf eine betrügerische Art der Liebe zu meinem
+Bräutigam entreißen und sich an seine Stelle setzen wollen. Er hat
+meinen Vater überreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als
+wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest. Er hat ihm geraten, die
+Verlobung noch acht Tage aufzuschieben. Er hat sogar um mich bei ihm
+angehalten.
+
+Lottchen. Wie? Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein
+Herz gebeten? Ihr haßt ihn und mich.
+
+Julchen. Ja, da er gesehen, daß das Testament zu deinem Vorteile
+eingerichtet ist.
+
+Lottchen. Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht
+nach meiner Liebe? Ich Betrogene! Doch es ist unbillig, ihn zu
+verdammen. Ich muß ihn selbst hören. Auch die edelsten Herzen sind
+nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen. (Kläglich.)
+Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung? Mach ihn doch
+unschuldig. Ich will ihn nicht besitzen. Ich will ihn zu meiner Qual
+meiden. Ich will ihm die ganze Erbschaft überlassen, wenn ich nur die
+Zufriedenheit habe, daß er ein redliches Herz hat. O Liebe! ist das
+der Lohn für die Treue?
+
+
+
+Achtzehnter Auftritt
+
+Die Vorigen. Siegmund.
+
+
+Siegmund. Soll ich nunmehr so glücklich sein, Ihr Ja zu erhalten?
+Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben. Sie lieben mich
+doch, großmütige Schöne?
+
+Lottchen. Und Sie lieben mich doch auch?
+
+Siegmund. Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen
+gewiß, daß mein größter und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfüllt
+worden ist.
+
+Lottchen. Aber... meine Schwester... Warum erschrecken Sie?
+
+Siegmund. Ich erschrecke, daß Sie sich nicht besinnen, daß Sie mir
+diese List selbst zugemutet haben. Sollte ich nicht durch eine
+verstellte Liebe Julchens Herz versuchen? Reden Sie, Mamsell Julchen,
+entschuldigen Sie mich.
+
+Julchen. Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht. Bedenken Sie,
+was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube
+zu sich selbst gesagt haben, ohne daß Sie mich sahn. Alles, was ich
+tun kann, ist, daß ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue
+zu vergeben.
+
+Siegmund. Ich soll untreu sein?... Ich (Er gerät in Unordnung.) Ich
+soll der aufrichtigsten Seele untreu sein? Wer? Ich? Gegen Ihren
+Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben? Was sind das für
+schreckliche Geheimnisse?... Sie sehn mich ängstlich an, meine
+Schöne? Wie? Sie lieben mich nicht? Sie lassen sich durch meine
+Widerlegungen nicht bewegen?... Sie hören meine Gründe nicht an?...
+Bin ich nicht unschuldig?... Wer sind meine Feinde?... Ich berufe
+mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel. ... Doch auch
+mich zu entschuldigen könnte ein Zeichen des Verdachtes sein. ...
+Nein, meine Schöne, Sie müssen mir ohne Schwüre glauben. Ich will Sie,
+ ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu
+gewesen bin. Wollen Sie mir noch nicht glauben?
+
+Julchen. Herr Siegmund, Sie schwören?
+
+Lottchen (mit Tränen). Er ist wohl unschuldig.
+
+Siegmund. Ja, das bin ich. Ich liebe Sie. Ich bete Sie an und suche
+meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit. Wollen Sie jene vergrößern:
+so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren,
+den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen. Soll ich das
+Glück noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen?
+
+Lottchen (sie sieht ihn kläglich an). Mich?... als die Ihrige?...
+Ja!
+
+Julchen. Meine Schwester!
+
+Lottchen. Schweig. Herr Siegmund, ich möchte nur noch ein Wort mit
+meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschämen.
+
+Siegmund. Ich will ihn gleich suchen. Soll ich die übrige
+Gesellschaft auch mitbringen? Wir müssen doch die gebräuchlichen
+Zeremonien mit beobachten.
+
+Lottchen. Ja. Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen.
+Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen.
+
+
+
+Neunzehnter Auftritt
+
+Julchen. Lottchen. Cleon.
+
+
+Cleon. Nun, meine Kinder, wenn euch nichts weiter aufhält: so sähe
+ich's gern, wenn ihr die Ringe wechseltet, damit wir uns alsdann Paar
+und Paar zu Tische setzen können. Ei, Lottchen, wer hätte heute früh
+gedacht, daß du auf den Abend mit einem Rittergute zu Bette gehen
+würdest! Der Himmel hat es wohl gemacht. Julchen kriegt einen
+reichen und wackern Mann, weil sie wenig hat. Und du, weil du viel
+hast, machst einen armen Mann glücklich. Das ist schön. Dein
+Siegmund wird schon erkenntlich für deine Treue sein. Er kann einem
+durch seine Worte recht das Herz aus dem Leibe reden. Der ehrliche
+Mann! Wievielmal hat er mir nicht die Hand geküßt! Wie kindlich hat
+er mich nicht um meine Einwilligung gebeten!
+
+Lottchen. Das ist vortrefflich. Nun lebe ich wieder. Lieber Papa,
+hat Herr Siegmund denn heute bei Ihnen um meine Schwester angehalten?
+Das kann ich nicht glauben.
+
+Cleon. So halb und halb hat er's wohl getan. Er mochte etwan denken,
+daß Herr Damis ein Auge auf dich geworfen hätte und daß dir's lieber
+sein würde, einen Mann mit vielem Gelde zu nehmen. Ich war anfangs
+etwas unwillig auf ihn; aber er hat mich schon wieder gutgemacht. Man
+kann sich ja wohl übereilen, wenn man nur wieder zu sich selber kömmt.
+ Da kommen sie alle.
+
+
+
+Zwanzigster Auftritt
+
+Die Vorigen, Siegmund. Simon. Damis. Der Magister.
+
+
+Cleon. Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewünscht
+habe. Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitläuftigen Rede
+aufhalten. Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits
+bekannt. Kurz, meine lieben Töchter, ich erteile euch meinen
+väterlichen Segen und meine Einwilligung. (Er sieht Lottchen weinen.)
+ Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmütig.
+
+Lottchen. Meine Tränen sind Tränen der Liebe. Ich habe also Ihre
+Einwilligung zu meiner Wahl? Ich danke Ihnen recht kindlich dafür.
+
+Simon (zu Lottchen). Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen... Wie?
+
+Damis. Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie...
+
+Lottchen. Was bitten Sie? Wollen Sie Julchen von meinen Händen
+empfangen? (Sie führt sie zu ihm.) Hier ist sie. Ich stifte die
+glücklichste Liebe. Und Sie, Herr Siegmund...
+
+Siegmund. Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommensten Erkenntlichkeit
+an und biete Ihnen diese Hand...
+
+Lottchen. Unwürdiger! Mein Vermögen kann ich Ihnen schenken; aber
+nicht mein Herz. Bitten Sie meinem Vater und der übrigen Gesellschaft,
+ die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niederträchtigkeit ab.
+ Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekümmern, ob Sie
+diese Vergebung verdienen. (Zum Vormunde.) Und Ihnen, mein Herr,
+küsse ich die Hand für Ihre Aufrichtigkeit. Wenn ich jemals mich
+wieder zur Liebe entschließe: so haben Sie das erste Recht auf mein
+Herz. (Zu Siegmunden.) Sie aber werden so billig sein und, ohne sich
+zu verantworten, uns verlassen.
+
+Siegmund. Recht gern. (Indem er geht.) Verflucht ist die Liebe!
+
+Damis. Nicht die Liebe, nur die Untreue. Dies ist ihr Lohn.
+
+Lottchen (sie ruft ihm noch nach). Sie werden morgen durch meine
+Veranstaltung so viel Geld erhalten, daß Sie künftig weniger Ursache
+haben, ein redliches Herz zu hintergehn.
+
+Cleon. Lottchen, was machst du? Ich bin alles zufrieden. Du hast ja
+mehr Einsicht als ich.
+
+Julchen. O liebe Schwester, wie groß ist dein Herz! Gott weiß es,
+daß ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe. O wenn ich dich doch
+so glücklich sähe als mich!
+
+Der Magister. Ich bin ruhig, daß ich das Laster durch mich entdeckt
+und durch sich selbst bestraft sehe. So geht es. Wenn man nicht
+strenge gegen sich selbst ist: so rächen sich unsere Ausschweifungen
+für die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben.
+
+Simon (zu Lottchen). Ich, meine Freundin, würde das Recht, das Sie
+mir künftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn
+ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben hätte, an dieses Glück niemals
+zu denken. Ich bin belohnt genug, daß Sie mich Ihrer nicht für
+unwürdig halten und daß der Untreue bestraft ist.
+
+Lottchen. O Himmel! laß es dem Betrüger nicht übelgehen. Wie
+redlich habe ich ihn geliebt, und wie unglücklich bin ich durch die
+Liebe geworden! Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat
+mich unglücklich gemacht. Bedauern Sie mich.
+
+(Ende des dritten und letzten Aufzugs.)
+
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die zärtlichen Schwestern, von
+Christian Fürchtegott Gellert.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern
+by Christian Fuerchtegott Gellert
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***
+
+This file should be named 8zsch10.txt or 8zsch10.zip
+Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8zsch11.txt
+VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8zsch10a.txt
+
+Produced by Delphine Lettau
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+http://gutenberg.net or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
+
+Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
+10000 2004 January*
+
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
+to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
+
+We need your donations more than ever!
+
+As of February, 2002, contributions are being solicited from people
+and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
+Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
+Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
+Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
+Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
+Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
+Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
+
+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
+
+As the requirements for other states are met, additions to this list
+will be made and fund raising will begin in the additional states.
+Please feel free to ask to check the status of your state.
+
+In answer to various questions we have received on this:
+
+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
+you would like to know if we have added it since the list you have,
+just ask.
+
+While we cannot solicit donations from people in states where we are
+not yet registered, we know of no prohibition against accepting
+donations from donors in these states who approach us with an offer to
+donate.
+
+International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
+how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
+deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
+ways.
+
+Donations by check or money order may be sent to:
+
+Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+PMB 113
+1739 University Ave.
+Oxford, MS 38655-4109
+
+Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
+method other than by check or money order.
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
+the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
+[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are
+tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising
+requirements for other states are met, additions to this list will be
+made and fund-raising will begin in the additional states.
+
+We need your donations more than ever!
+
+You can get up to date donation information online at:
+
+http://www.gutenberg.net/donation.html
+
+
+***
+
+If you can't reach Project Gutenberg,
+you can always email directly to:
+
+Michael S. Hart <hart@pobox.com>
+
+Prof. Hart will answer or forward your message.
+
+We would prefer to send you information by email.
+
+
+**The Legal Small Print**
+
+
+(Three Pages)
+
+***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
+Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
+They tell us you might sue us if there is something wrong with
+your copy of this eBook, even if you got it for free from
+someone other than us, and even if what's wrong is not our
+fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
+disclaims most of our liability to you. It also tells you how
+you may distribute copies of this eBook if you want to.
+
+*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK
+By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm
+eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
+this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive
+a refund of the money (if any) you paid for this eBook by
+sending a request within 30 days of receiving it to the person
+you got it from. If you received this eBook on a physical
+medium (such as a disk), you must return it with your request.
+
+ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
+This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks,
+is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
+through the Project Gutenberg Association (the "Project").
+Among other things, this means that no one owns a United States copyright
+on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
+distribute it in the United States without permission and
+without paying copyright royalties. Special rules, set forth
+below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
+under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.
+
+Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market
+any commercial products without permission.
+
+To create these eBooks, the Project expends considerable
+efforts to identify, transcribe and proofread public domain
+works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
+medium they may be on may contain "Defects". Among other
+things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or
+corrupt data, transcription errors, a copyright or other
+intellectual property infringement, a defective or damaged
+disk or other eBook medium, a computer virus, or computer
+codes that damage or cannot be read by your equipment.
+
+LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES
+But for the "Right of Replacement or Refund" described below,
+[1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may
+receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
+all liability to you for damages, costs and expenses, including
+legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR
+UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT,
+INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE
+OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE
+POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES.
+
+If you discover a Defect in this eBook within 90 days of
+receiving it, you can receive a refund of the money (if any)
+you paid for it by sending an explanatory note within that
+time to the person you received it from. If you received it
+on a physical medium, you must return it with your note, and
+such person may choose to alternatively give you a replacement
+copy. If you received it electronically, such person may
+choose to alternatively give you a second opportunity to
+receive it electronically.
+
+THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER
+WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS
+TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT
+LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A
+PARTICULAR PURPOSE.
+
+Some states do not allow disclaimers of implied warranties or
+the exclusion or limitation of consequential damages, so the
+above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you
+may have other legal rights.
+
+INDEMNITY
+You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation,
+and its trustees and agents, and any volunteers associated
+with the production and distribution of Project Gutenberg-tm
+texts harmless, from all liability, cost and expense, including
+legal fees, that arise directly or indirectly from any of the
+following that you do or cause: [1] distribution of this eBook,
+[2] alteration, modification, or addition to the eBook,
+or [3] any Defect.
+
+DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm"
+You may distribute copies of this eBook electronically, or by
+disk, book or any other medium if you either delete this
+"Small Print!" and all other references to Project Gutenberg,
+or:
+
+[1] Only give exact copies of it. Among other things, this
+ requires that you do not remove, alter or modify the
+ eBook or this "small print!" statement. You may however,
+ if you wish, distribute this eBook in machine readable
+ binary, compressed, mark-up, or proprietary form,
+ including any form resulting from conversion by word
+ processing or hypertext software, but only so long as
+ *EITHER*:
+
+ [*] The eBook, when displayed, is clearly readable, and
+ does *not* contain characters other than those
+ intended by the author of the work, although tilde
+ (~), asterisk (*) and underline (_) characters may
+ be used to convey punctuation intended by the
+ author, and additional characters may be used to
+ indicate hypertext links; OR
+
+ [*] The eBook may be readily converted by the reader at
+ no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent
+ form by the program that displays the eBook (as is
+ the case, for instance, with most word processors);
+ OR
+
+ [*] You provide, or agree to also provide on request at
+ no additional cost, fee or expense, a copy of the
+ eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC
+ or other equivalent proprietary form).
+
+[2] Honor the eBook refund and replacement provisions of this
+ "Small Print!" statement.
+
+[3] Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the
+ gross profits you derive calculated using the method you
+ already use to calculate your applicable taxes. If you
+ don't derive profits, no royalty is due. Royalties are
+ payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation"
+ the 60 days following each date you prepare (or were
+ legally required to prepare) your annual (or equivalent
+ periodic) tax return. Please contact us beforehand to
+ let us know your plans and to work out the details.
+
+WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO?
+Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of
+public domain and licensed works that can be freely distributed
+in machine readable form.
+
+The Project gratefully accepts contributions of money, time,
+public domain materials, or royalty free copyright licenses.
+Money should be paid to the:
+"Project Gutenberg Literary Archive Foundation."
+
+If you are interested in contributing scanning equipment or
+software or other items, please contact Michael Hart at:
+hart@pobox.com
+
+[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
+when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by
+Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
+used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
+they hardware or software or any other related product without
+express permission.]
+
+*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
+
diff --git a/old/8zsch10.zip b/old/8zsch10.zip
new file mode 100644
index 0000000..cf82ca5
--- /dev/null
+++ b/old/8zsch10.zip
Binary files differ