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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 05:30:51 -0700 |
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Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Die Göttliche Komödie + +Dante Alighieri + + +Inhalt: + +Die Hölle +Das Fegefeuer +Das Paradies + + + + +Die Hölle + + +Erster Gesang + +Auf halbem Weg des Menschenlebens fand +ich mich in einen finstern Wald verschlagen, +Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt. +Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen, +Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not; +Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen. +Nur wenig bitterer ist selbst der Tod; +Doch um vom Heil, das ich drin fand, zu künden, +Sag’ ich, was sonst sich dort den Blicken bot. +Nicht weiß ich, wie ich mich hineingewunden, +So ganz war ich von tiefem Schlaf berückt, +Zur Zeit, da mir der wahre Weg verschwunden. +Doch bis zum Fuß des Hügels vorgerückt, +Der an dem Ende lag von jenem Tale, +Das mir mit schwerer Furcht das Herz gedrückt, +Schaut’ ich empor und sah, den Rücken male +Ihm der Planet, der uns auf jeder Bahn +Gerad zum Ziele führt mit feinem Strahle. +Da fingen Angst und Furcht zu Schwinden an, +Die mir des Herzens Blut erstarren machten, +In jener Nacht, da Grausen mich umfah’n. +Und so wie atemlos, nach Angst und Schmachten, +Schiffbrüchige vom Strand, entfloh’n der Flut, +Starr rückwärts schauend, ihren Grimm betrachten; +So kehrt’ ich, noch mit halberstorbnem Mut, +Mich jetzt zurück, nach jenem Passe sehend, +Der jeglichem verlöscht des Lebens Glut. +Und, etwas ausgerastet, weitergehend, +Wählt’ ich bergan den Weg der Wildnis mir, +Fest immer auf dem tiefern Fuße stehend. +Sieh, beim Beginn des steilen Weges schier, +Bedeckt mit buntgeflecktem Fell die Glieder, +Gewandt und sehr behend ein Panthertier. +Nicht wich’s von meinem Angesichte wieder, +Und also hemmt es meinen weitern Lauf, +Daß ich mich öfters wandt’ ins Tal hernieder. +Am Morgen war’s, die Sonne stieg itzt auf, +Von jenen Sternen, so wie einst, umgeben, +Als Gottes Lieb’ aus ödem Nichts herauf +Die schöne Welt berief zu Sein und Leben; +So ward mir Grund zu guter Hoffnung zwar +Durch jenes Tieres heitres Fell gegeben +Und durch die Frühstund’ und das junge Jahr +Doch so nicht, daß in mir nicht Furcht sich regte, +Als furchtbar mir ein Leu erschienen war. +Es schien, daß er sich gegen mich bewegte, +Mit hohem Haupt und mit des Hungers Wut, +So daß er Schrecken, schien’s, der Luft erregte. +Auch eine Wölfin, welche jede Glut +Der Gier durch Magerkeit mir schien zu zeigen, +Die schon auf viele schweren Jammer lud. +Vor dieser mußte so mein Mut sich neigen +Aus Furcht, die bei dem Anblick mich durchbebt, +Daß mir die Hoffnung schwand, zur Höh’n zu steigen. +Wie der, der eifrig zu gewinnen strebt, +Wenn zum Verlieren nun die Zeit gekommen, +In Kümmernis und tiefem Bangen lebt; +So machte dieses Untier mich beklommen; +Von ihm gedrängt, mußt’ ich mich rückwärts zieh’n +Dorthin, wo nimmer noch der Tag entkommen. +Als ich zur Tiefe niederstürzt’ im Flieh’n, +Da war ein Wesen dorten zu erkennen, +Das durch zu langes Schweigen heiser schien. +Ich rief, sobald ich’s nur gewahren können +In großer Wildnis: "O erbarme dich, +Du, seist du Schatten, seist du Mensch zu nennen." +Und jener sprach: "Nicht bin, doch Mensch war ich; +Lombarden waren die, so mich erzeugten, +Und beide priesen Mantuaner sich. +Eh’, spät, die Römer sich dem Julius beugten, +Sah ich das Licht, sah des Augustus Thron, +Zur Zeit der Götter, jener Trugerzeugten. +Ich war Poet und sang Anchises’ Sohn, +Der Troja floh, besiegt durch Feindestücke, +Als, einst so stolz, in Staub sank Ilion. +Und du--du kehrst zu solchem Gram zurücke? +Was bleibt die freud’ge Höhe nicht dein Ziel, +Die Anfang ist und Grund zum vollen Glücke?" +"So bist du," rief ich, "bist du der Virgil, +Der Quell, dem reich der Rede Strom entflossen?" +Ich sprach’s mit Scham, die meine Stirn befiel. +"O Ehr’ und Licht der andern Kunstgenossen, +Mir gelt’ itzt große Lieb’ und langer Fleiß, +Die meinem Forschen dein Gedicht erschlossen. +Mein Meister, Vorbild! dir gebührt der Preis, +Den ich durch schönen Stil davongetragen, +Denn dir entnahm ich, was ich kann und weiß. +Sieh dieses Tier, o sieh’ mich’s rückwärts jagen, +Berühmter Weiser, sei vor ihm mein Hort. +Es macht mir zitternd Puls’ und Adern schlagen." +"Du mußt auf einem andern Wege fort," +Sprach er zu mir, den ganz der Schmerz bezwungen, +"Willst du entfliehn aus diesem wilden Ort, +Denn dieses Tier, das dich mit Graun durchdrungen, +Läßt keinen zieh’n auf seines Weges Spur, +Hemmt jeden, bis es endlich ihn verschlungen. +Es ist von böser, tückischer Natur +Und nimmer fühlt’s die wilde Gier ermatten, +Ja, jeder Fraß schärft seinen Hunger nur. +Mit vielen Tieren wird sich’s noch begatten, +Bis daß die edle Dogge kommt, die kühn +Es würgt und hinstürzt in die ew’gen Schatten. +Nicht wird nach Land und Erz ihr Hunger glüh’n, +Doch wird sie nie an Lieb’ und Weisheit darben; +Inmitten Feltr’ und Feltro wird sie blüh’n, +Zu Welschlands Heil, des Ruhm und Glück verdarben, +Obwohl vordem Camilla für dies Land, +Eurialus, Turnus und Nisus starben. +Nicht wird sie ruh’n, bis sie dies Tier verbannt; +Sie wird es wieder in die Hölle senken, +Von wo’s zuerst der Neid heraufgesandt. +Du folg’ itzt mir zu deinem Heil--mein Denken +Und Urteil ist’s--ich will dein Führer sein, +Und dich durch ew’gen Ort von hinnen lenken. +Dort wirst du hören der Verzweiflung Schrei’n, +Wirst alte Geister schau’n, die brünstig flehen +Um zweiten Tod in ihrer langen Pein. +Wirst jene dann im Feu’r zufrieden sehen, +Weil sie verhoffen, zu dem sel’gen Chor, +Sei’s wann es immer sei, noch einzugehen. +Und willst du auch zu diesem dann empor, +Würd’ger als ich, wird eine Seel’ erscheinen, +Die geht, schied ich, als Führerin dir vor. +Denn jener, der dort oben herrscht, läßt keinen +Eingehn, von mir geführt, in seine Stadt, +Weil ich mich nicht verbunden mit den Seinen. +Er herrscht im All, dort ist die Herrscherstatt, +Sein Thron und seine Burg in jener Höhe. +Heil dem, den er erwählt dort oben hat" +"O Dichter," Sprach ich jetzt zu ihm, "ich flehe +Bei jenem Gotte, den du nicht erkannt, +Daß diesem Leid und schlimmerm ich entgehe, +Bring’ an die Orte mich, die du genannt, +So, daß ich Petri Tor erschauen möge +Und jene, wie du sprachst, zur Qual verbannt." +Da schritt er fort, ich folgte seinem Wege. + + +Zweiter Gesang + +Der Tag verging, das Dunkel brach herein, +Und Nacht entzog die Wesen auf der Erden +All ihren Müh’n; da rüstet’ ich allein +Mich zu dem harten Krieg und den Beschwerden +Des Wegs und Mitleids, und jetzt soll ihr Bild +Gemalt aus sicherer Erinn’rung werden. +O Mus’, o hoher Geist, jetzt helft mir mild! +Erinn’rung, die du schriebst, was ich gesehen, +Hier wird sich’s zeigen, ob dein Adel gilt! +"Jetzt, Dichter," fing ich an, "bevor wir gehen, +Erwäge meine Kraft und Tüchtigkeit, +Kann sie die große Reise wohl bestehen? +Du sagst, daß Silvius’ Vater in der Zeit, +im Körper noch und noch ein sterblich Wesen, +Sei eingedrungen zur Unsterblichkeit. +Doch da der ew’ge Gegner alles Bösen +in seinen Empire’n zum Stifter ihn +Der Mutter Roma und des Reichs erlesen, +Kann jeder, dem Vernunft ihr Licht verlieh’n, +Beim hocherhabnen Zweck es wohl ergründen, +Daß er nicht unwert solcher Huld erschien. +Denn Rom und Reich, um Wahres zu verkünden, +Gestiftet wurden sie, die heil’ge Stadt +Zum Sitz für Petri Folger zu begründen. +Durch diesen Gang, den du ihm nachrühmst, hat +Er Kunde des, wodurch er siegt’, empfangen +Und Grund gelegt zur heil’gen Herrscherstatt. +Ist das erwählte Rüstzeug hingegangen, +So stärkt’ es in dem Glauben dann die Welt, +In dem der Weg des Heiles angefangen. +Doch ich? Warum? Wer hat mir’s freigestellt? +Äneas nicht noch Paul, ich, dessen Schwäche +Nicht ich, noch jemand dessen würdig hält, +Wenn ich dorthin zu kommen mich erfreche, +So fürcht’ ich, daß mein Kommen töricht sei. +Du, Weiser, weißt es besser, als ich spreche." +Und wie wer will und nicht will, mancherlei +Erwägt und prüft und fühlt im bangen Schwanken, +Mit dem, was er begonnen, sei’s vorbei; +So ich--das, was ich leicht und ohne Wanken +Begonnen hatte, gab ich wieder auf, +Entmutigt von den wechselnden Gedanken. +"Verstand ich dich," so sprach der Schatten drauf, +"So fühlst du Angst und Schrecken sich erneuen, +Und Feigheit nur hemmt deinen weitern Lauf. +Das Beste macht sie oft den Mann bereuen, +Daß er zurückespringt von hoher Tat, +Gleich Rossen, die vor Truggebilden scheuen. +Doch hindre sie dich nicht am weitern Pfad, +Drum höre jetzt, was ich zuerst vernommen, +Da mir’s um dich im Herzen wehe tat. +Mich, nicht in Höll’ und Himmel aufgenommen, +Rief eine Frau, so selig und so schön, +Daß ihr Geheiß mir wert war und willkommen. +Mit Augen, gleich dem Licht an Himmelshöhn +Begann sie gegen mich gelind und Ieise, +Und jeder Laut war englisches Getön: +O Geist, geboren einst zu Mantuas Preise, +Des Ruhm gedauert hat und dauern wird, +Solang die Sterne zieh’n in ihrem Kreise, +Mein Freund, doch nicht der Freund des Glückes, irrt +In Wildnis dort, weil Wahn im Weg’ ihn störte, +So daß er sich gewandt, von Furcht verwirrt. +Schon irrte, fürcht’ ich, also der Betörte, +Daß ich zu spät zum Schutz mich aufgerafft, +Nach dem, was ich von ihm im Himmel hörte. +Du geh; es sei durch deiner Rede Kraft, +Durch das, was sonst ihm Not, sein Leid geendet, +So sei ihm Hilf und Ruhe mir verschafft. +Beatrix; bin ich, die ich dich gesendet; +Mich trieb die Lieb’ und spricht aus meinem Wort. +Vom Ort komm’ ich, wohin mein Wunsch sich wendet. +Und steh’ ich erst vor meinem König dort, +So werd ich oft dich loben und ihm preisen-- +Sie sprach’s und schwieg, und ich begann sofort: +O Weib voll Kraft, du Lehrerin der Weisen, +Durch das die Menschheit alles überragt, +Was lebt in jenes Himmels kleinern Kreisen! +Spät dächt’ ich, wie mir dein Befehl behagt, +Zu tun, tat’ ich sogleich, was du gebietest. +Wohl deutlich haft du deinen Wunsch gesagt, +Doch sage mir, warum du dich nicht hütest +Herabzugeh’n zum Mittelpunkt vom Licht, +Wohin du schon zurückzukehren glühtest. +Willst du es denn so tief ergründen, spricht +Die Hohe darauf, so will ich’s kürzlich sagen. +Ich fürchte mich vor diesem Dunkel nicht. +Vor solchem Übel ziemt sich wohl zu zagen, +Das mächtig ist und leicht uns Schaden tut, +Vor solchem nicht, bei welchem nichts zu wagen. +Gott schuf mich so, daß ich in seiner Hut +Frei von den Nöten bin, die euch durchschauern, +Und nicht ergreift mich dieses Brandes Glut. +Ein edles Weib im Himmel sieht mit Trauern +Das Hindernis, zu dem ich dich gesandt, +Drum kann der harte Spruch nicht länger dauern. +Sie flehte, zu Lucien hingewandt: +Dein Treuer braucht dich jetzt im harten Streite, +Darum empfehl’ ich ihn in deine Hand. +Lucia, die sich ganz dem Mitleid weihte, +Bewegte sich zum Orte, wo ich war, +In Ruhe sitzend an der Rahel Seite. +Sie sprach: Beatrix, Gottes Preis fürwahr! +Hilfst du ihm nicht, ihm, der aus großer Liebe +Für dich entrann aus der gemeinen Schar, +Als ob dein Ohr taub seinen Klagen bliebe, +Als sähest du ihn nicht im Wirbel dort, +Bedroht, mehr als ob Meeressturm ihn triebe? +Nicht eilt so schnell auf Erden einer fort, +Den Gier nach Glück und Furcht vor Leid betören, +Wie ich herabgeeilt bei solchem Wort, +Von meinem Sitz in jenen sel’gen Chören, +Vertrau’nd auf deiner würd’gen Rede Macht, +Die Ruhm dir bringt und allen, die sie hören-- +Als nun Beatrix solches vorgebracht, +Da wandte sie die Augenstern’ in Zähren, +Und dies hat mich nur schneller hergebracht. +So komm’ ich denn daher auf ihr Begehren, +Das Untier von dir scheuchend, dem’s gelang, +Den kurzen Weg des schönen Bergs zu wehren. +Was also ist dir? Warum weilst du bang? +Was herbergst du die Feigheit im Gemüte? +Was weicht dein Mut, dein kühner Tatendrang, +Da sich drei heil’ge Himmelsfrau’n voll Güte +Für dich bemüh’n und dir mein Mund verspricht, +Daß ihre treue Sorge dich behüte?" +Gleichwie die Blum’ im ersten Sonnenlicht, +Beim nächt’gen Reif gesunken und verschlossen, +Den Stiel erhebt und ihren Kelch entflicht; +So hob die Kraft, erst schmachtend und verdrossen, +In meinem Herzen sich zu gutem Mut, +Und ich begann, frohsinnig und entschlossen: +"O wie ist sie, die für mich sorgte, gut! +Wie freundlich bist auch du, der den Befehlen +Der Herrlichen so schnell Genüge tut l +Schon fühl’ ich mich zu heißer Sehnsucht stählen +Von deinem Wort, schon fühl’ ich, nicht mehr bang, +Vom ersten Vorsatz wieder mich beseelen. +Drum auf, in beiden ist ein gleicher Drang, +Herr, Führer, Meister, auf zum großen Wege!" +Ich sprach’s zu ihm, und, folgend seinem Gang, +Schritt ich daher auf waldig rauhem Stege. + + +Dritter Gesang + +Durch mich geht’s ein zur Stadt der Qualerkornen, +Durch mich geht’s ein zum ew’gen Weheschlund, +Durch mich geht’s ein zum Volke der Verlornen. +Das Recht war meines hohen Schöpfers Grund; +Die Allmacht wollt’ in mir sich offenbaren; +Allweisheit ward und erste Liebe kund. +Die schon vor mir erschaffnen Dinge waren +Nur ewige; und ewig daur’ auch ich. +Laßt, die ihr eingeht jede Hoffnung fahren. +Die Inschrift zeigt’ in dunkler Farbe sich +Geschrieben dort am Gipfel einer Pforte, +Drum ich: Hart, Meister, ist ihr Sinn für mich. +Er, als Erfahrner, sprach dann diese Worte: +"Hier sei jedweder Argwohn weggebannt, +Und jede Feigheit sterb’ an diesem Orte. +Wir sind zur Stelle, die ich dir genannt, +Hier wirst du jene Jammervollen schauen, +Für die das Heil des wahren Lichtes schwand." +Er faßte meine Hand, daher Vertrauen +Durch sein Gesicht voll Mut auch ich gewann. +Drauf führt’ er mich in das geheime Grauen. +Dort hob Geächz, Geschrei und Klagen an, +Laut durch die sternenlose Luft ertönend, +So daß ich selber weinte, da’s begann. +Verschiedne Sprachen, Worte, gräßlich dröhnend, +Handschläge, Klänge heiseren Geschreis, +Die Wut, aufkreischend, und der Schmerz, erstöhnend-- +Dies alles wogte tosend stets, als sei’s +Im Wirbel Sand, durch Lüfte, die zu schwärzen +Es keiner Nacht bedarf, im ew’gen Kreis. +Und, ich vom Wahn umstrickt und bang im Herzen, +Sprach: Meister, welch Geschrei, das sich erhebt? +Wer ist doch hier so ganz besiegt von Schmerzen? +Und er: "Der Klang, der durch die Lüfte bebt, +Kommt von den Jammerseelen jener Wesen, +Die ohne Schimpf und ohne Lob gelebt. +Gemischt find die Nicht-Guten und Nicht-Bösen +Den Engeln, die nicht Gott getreu im Strauß, +Auch Meutrer nicht und nur für sich gewesen. +Die Himmel trieben sie als Mißzier aus, +Und da durch sie der Sünder Stolz erstünde, +Nimmt sie nicht ein der tiefen Hölle Graus." +Ich drauf: Was füllt ihr Wehlaut diese Gründe? +Was ist das Leiden, das so hart sie drückt? +Und er: "Vernimm, was ich dir kurz verkünde. +Des Todes Hoffnung ist dem Volk entrückt. +Im blinden Leben, trüb und immer trüber, +Scheint ihrem Neid jed’ andres Los beglückt. +Sie kamen lautlos aus der Welt herüber, +Von Recht und Gnade werden sie verschmäht. +Doch still von ihnen--Schau’ und geh vorüber." +Ich schaute hin und sah im Kreis geweht, +Ein Fähnlein zieh’n, so eilig umgeschwungen, +Daß sich’s zum Ruh’n, so schien mir’s, nie versteht. +In langer Reihe folgten ihm, gezwungen, +So viele Leute, daß ich kaum geglaubt, +Daß je der Tod so vieles Volk verschlungen. +Und hier erblickt’ ich manch bekanntes Haupt, +Auch jenes Schatten, der aus Angst und Zagen +Sich den Verzicht, den großen, feig erlaubt. +Ich war sogleich gewiß, auch hört’ ich sagen, +Dies sei der Schlechten jämmerliche Schar, +Die Gott und seinen Feinden mißbehagen. +Dies Jammervolk, das niemals lebend war, +War nackend und von Flieg’ und Wesp’ umflogen, +Und ward gestachelt viel und immerdar. +Tränen und Blut aus ihren Wunden zogen +In Streifen durch das Antlitz bis zum Grund, +Wo ekle Würmer draus sich Nahrung sogen. +Drauf, als ich weiter blickt’ im düstern Schlund, +Erblickt’ ich Leut’ an einem Stromgestade +Und sprach: "Jetzt tu, ich bitte, Herr, mir kund, +Von welcher Art sind die, die so gerade, +Wie ich beim düstern Dämmerlicht ersehn, +So eilig weiterzieh’n auf ihrem Pfade?" +Und er darauf: "Dir wird genug gescheh’n +Am Acheron--dort wird sich alles zeigen, +Wenn wir am traur’gen Ufer stillestehn." +Da zwang mich Scham, die Augen tief zu neigen, +Aus Furcht, daß ihm mein Fragen lästig sei, +Und ich gebot mir bis zum Strome Schweigen. +Und sieh, es kam ein Mann zu Schiff herbei, +Ein Greis, bedeckt mit schneeig weißen Haaren. +"Weh euch, Verworfne!" tönte sein Geschrei. +"Nicht hofft, den Himmel jemals zu gewahren. +Ich komm’, euch jenseits hin an das Gestad’ +In ew’ge Nacht, in Hitz’ und Frost zu fahren. +Und du, lebend’ge Seele, die genaht, +Mußt dich von diesen, die gestorben, trennen!"-- +Dann, da er sah, daß ich nicht rückwärts trat: +"Hier kann ich dir den Übergang nicht gönnen, +Für dich geziemen andre Wege sich, +Ein leichtrer Kahn nur wird dich tragen können." +Virgil drauf: "Charon, nicht erbose dich. +Dort, wo der Wille Macht ist, ward’s verhangen; +Dies sei genug, nicht weiter frage mich." +Hierauf ließ ruhen die bewollten Wangen +Des fahlen Sumpfs erzürnter Steuermann, +Des Augen Flammenräder rings umschlangen. +Da hob grau’nvolles Zähneklappen an, +Und es entfärbten sich die Tiefgebeugten, +Seit Charon jenen grausen Spruch begann. +Sie fluchten Gott und denen, die sie zeugten, +Dem menschlichen Geschlecht, dem Vaterland, +Dem ersten Licht, den Brüsten, die sie säugten. +Dann drängten sie zusammen sich am Strand, +Dem Schrecklichen, zu welchem alle kommen, +Die Gott nicht scheu’n, und laut Geheul entstand. +Charon, mit Augen, die wie Kohlen glommen, +Winkt’ ihnen und schlug mit dem Ruder los, +Wenn einer sich zum Warten Zeit genommen. +Gleich wie im Herbste bei des Nordwinds Stoß +Ein Blatt zum ändern fällt, bis daß sie alle +Der Baum erstattet hat dem Erdenschoß; +So stürzen, hergewinkt, in jähem Falle +Sich Adams schlechte Sprossen in den Kahn, +Wie angelockte Vögel in die Falle. +Durch schwarze Fluten geht des Nachens Bahn, +Und eh’ sie noch das Ufer dort erreichen, +Drängt hier schon eine neue Schar heran. +"Mein Sohn," sprach mild der Meister, "die erbleichen +In Gottes Zorne, werden alle hier +Am Strand vereint aus allen Erdenreichen. +Man scheint zur Überfahrt sehr eilig dir, +Doch die Gerechtigkeit treibt diese Leute +Und wandelt ihre bange Furcht in Gier. +Kein guter Geist macht diese Fahrt; und dräute +Dir Charon, weil du hier dich eingestellt, +So kannst du wissen, was sein Wort bedeute"-- +Hier wankte so mit Macht das dunkle Feld, +Daß mich noch jetzt Schweißtropfen übertauen, +Sooft dies Schreckensbild mich überfällt. +Ein Windstoß fuhr aus den betränten Auen, +Und blitzt’ ein rotes Licht, das jeden Sinn +Bewältigte mit ungeheurem Grauen, +Und, wie vom Schlaf befallen, stürzt’ ich hin-- + + +Vierter Gesang + +Mir brach den Schlaf im Haupt ein Donnerkrachen, +So schwer, daß ich zusammenfuhr dabei, +Wie einer, den Gewalt zwingt, zu erwachen. +Ich warf umher das Auge wach und frei, +Emporgerichtet spähend, daß ich sähe +Und unterschied’, an welchem Ort ich sei. +So fand ich mich am Talrand, in der Nähe +Des qualenvollen Abgrunds, dessen Kluft +Zum Donnerhall vereint unendlich Wehe. +Tief war er, dunkel, nebelhaft die Luft, +Drum wollte nichts sich klar dem Blicke zeigen, +Den ich geheftet an den Grund der Gruft. +"Laß uns zur blinden Welt hinunter steigen, +Ich bin der Erste, du der Zweite dann." +So sprach Virgil, um drauf erblaßt zu schweigen. +Ich, sehend, wie die Bläss’ ihn überrann, +Sprach: Scheust du selber dich, wie kann ich’s wagen +Der Trost im Zweifel nur durch dich gewann? +Und er zu mir: "Des tiefen Abgrunds Plagen +Entfärben mir durch Mitleid das Gesicht, +Und nicht, so wie du meinst, durch feiges Zagen. +Fort, zaudern läßt des Weges Läng’ uns nicht." +So ging er fort und rief zum ersten Kreise +Mich auch hinein, der jene Kluft umflicht. +Mir schien, nach meinem Ohr, des Klanges Weise, +Der durch die Luft hier bebt’ im ew’gen Tal, +Nicht Klaggeschrei, nur Seufzer dumpf und leise. +Und dieses kam vom Leiden ohne Qual +Der Kinder, Männer und der Frau’n, in Scharen, +Die viele waren und von großer Zahl- +Da sprach der Meister: "Willst du nicht erfahren, +Zu welchen Geistern du gekommen bist? +Bevor wir fortgehn, will ich offenbaren, +Daß sie nicht sündigten; doch g’nügend mißt +Nicht ihr Verdienst, da sie der Tauf entbehrten, +Die Pfort’ und Eingang deines Glaubens ist. +Und lebten sie vor Christo auch, so ehrten +Sie doch den Höchsten nicht, wie sich’s gebührt; +Und diese Geister nenn’ ich selbst Gefährten. +Nur dies, nichts andres hat uns hergeführt. +Daß wir in Sehnsucht ohne Hoffnung leben, +Ward uns Verlornen nur als Straf erkürt." +Groß war mein Schmerz, als er dies kundgegeben, +Denn Leute großen Wertes zeigten sich, +Die unentschieden hier im Vorhof schweben. +Und ich begann: Mein Herr und Meister, sprich +(Ich wollte mich in jenem Glauben stärken, +Vor dessen Licht des Irrtums Nacht entwich), +Kam keiner je durch Kraft von eignen Werken, +Durch fremd Verdienst von hier zur Seligkeit?-- +Er schien des Worts versteckten Sinn zu merken +Und sprach: "Ich war noch neu in diesem Leid, +Da ist ein Mächtiger hereingedrungen. +Bekrönt mit Siegesglanz und Herrlichkeit. +Der hat des Urahns Geist der Höll" entrungen, +Auch Abels, Noahs; und auch Moses hat, +Der Gott gehorcht, mit ihm sich aufgeschwungen. +Abram und David folgten seinem Pfad, +Jakob, sein Vater, seine Söhne schieden, +Und Rahel auch, für die so viel er tat. +Sie und viel andre führt’ er ein zum Frieden, +Und wissen sollst du nun: Vor diesen war +Erlösung keinem Menschengeist beschieden." +Obwohl er sprach, ging’s vorwärts immerdar, +So daß wir unterdes den Wald durchdrangen, +Den Wald, mein’ ich, der dichten Geisterschar. +Nicht weit von oben waren wir gegangen, +Als ich ein Feu’r in lichten Flammen sah, +Die rings im halben Kreis die Nacht bezwangen. +Zwar waren wir dem Ort nicht völlig nah, +Doch einen Kreis von ehrenhaften Leuten, +Die diesen Platz besetzt, erkannt’ ich da. +"Du, des sich Wissenschaft und Kunst erfreuten, +Beliebe, wer sie sind, und was sie ehrt +Und von den andern trennt, mir auszudeuten." +Ich sprach’s, und er: "Für hochgepriesnen Wert, +Der oben widerklingt in deinem Leben, +Ward ihnen hier vom Himmel Huld gewährt." +Da hört’ ich eine Stimme sich erheben: +Der hohe Dichter, auf jetzt zum Empfang! +Sein Schatten kehrt, der jüngst sich fortbegeben. +Sobald die Stimme, die dies sprach, verklang, +Sah ich heran vier große Geister schreiten, +Im Angesicht nicht fröhlich und nicht bang. +Da sprach der gute Meister mir zur Seiten: +"Sieh diesen, in der Hand das Schwert, voran +Den andern gehn, um sie als Fürst zu leiten. +Du siehst Homer, den Dichterkönig, nah’n; +Ihm folgt Horaz, berühmt durch Spott dort oben +Ovid der Dritt’, als letzter kommt Lukan. +Im Namen, den die eine Stimm’ erhoben, +Kommt mit mir selber jeder überein, +Drum ehren sie mich, und dies ist zu loben." +So war die schöne Schul’ hier im Verein +Des hohen Herrn der höchsten Sangesweise, +Der ob den andern fliegt, ein Aar, allein. +Ein Weilchen sprachen sie im trauten Greise, +Doch als sie grüßend sich zu mir gekehrt, +Da lächelte Virgtl zu solchem Preise. +Allein noch höher ward ich dort geehrt, +Indem sie mich in ihrer Schar empfingen +Als Sechsten unter solchem Geist und Wert, +Wobei wir hin bis zu dem Lichte gingen, +Sprechend, wovon ich schicklich schweigen muß, +Wie man dort schicklich sprach von solchen Dingen. +Bald kamen wir an eines Schlosses Fuß, +Von siebenfacher hoher Mau’r umfangen, +Und rings beschützt von einem schönen Fluß. +Als wir mit trocknem Fuße durchgegangen, +Ging’s weiter dann durch sieben Tore fort, +Und eine Wiese sah ich grünend prangen. +Wir fanden Leute strengen Blickes dort, +Mit großer Würd’ in Ansehn, Gang und Mienen +Und wenig sprechend, doch mit sanftem Wort. +Und wir ersah’n dort seitwärts nah bei ihnen +Frei eine Höh’ hellem Lichte glüh’n, +Vor welcher alle klar vor uns erschienen. +Dort gegenüber auf dem samtnen Grün +Sah ich die Großen, ewig Denkenswerten, +Die heut mir noch in solzer Seele blüh’n. +Elektren sah ich dort mit viel Gefährten, +Äneas, Hektorn hatt’ ich bald erkannt, +Cäsarn, den mit dem Adlerblick bewehrten. +Penthesilea war auf grünem Land; +Zur andern Seite sah ich auch Latinen, +Der bei Lavinien, seiner Tochter, stand. +Ich sah den Brutus, der verjagt Tarquinen, +Lucrezien, Julien, Marzien, und, allein +Beiseite sitzend, sah ich Saladinen. +Dann, höher blickend, sah im hellen Schein +Ich auch den Meister derer, welche wissen, +Der von den Seinen schien umringt zu sein, +Sie all ihn hochzuehren sehr beflissen; +Den Plato ihm zunächst und Sokrates, +Die dort den Sitz vor andern an sich rissen. +Den Anaxagoras, Diogenes, +Den Demokrit, des Welt der Zufall machte, +Den Zeno, Heraklit, Empedokles. +Ihn, der ans Licht der Pflanzen Kräfte brachte, +Den Dioskorides, den Orpheus dann, +Den Seneka, der Schmerz und Luft verlachte. +Auch Ptolemäus kam, Euklid heran, +So auch Averroes, der, seinen Weisen +Erklärend, selbst der Weisheit Ruhm gewann. +Doch nicht vermag ich jeden hier zu greifen, +Denn also drängt des Stoffes Größe mich, +Daß ihren Dienst mir kaum die Wort’ erweisen. +Hier teilten nun die sechs Gefährten sich. +Mich führt’ auf anderm Weg mein weiser Leiter +Dahin, wo Stille lautem Tosen wich, +Und dorthin, wo nichts leuchtet, schritt ich weiter. + + +Fünfter Gesang + +So ging’s hinab vom ersten Kreis zum zweiten, +Der kleinern Raum, doch größres Weh umringt, +Das antreibt, Klag’ und Winseln zu verbreiten. +Graus steht dort Minos, fletscht die Zähn’ und bringt +Die Schuld ans Licht, wie tief sie sich verfehle, +Urteilt, schickt fort, je wie er sich umschlingt. +Ich sage, wenn die schlechtgeborne Seele +Ihm vorkommt, beichtet sie der Sünden Last; +Und jener Kenner aller Menschenfehle, +Sieht, welcher Ort des Abgrunds für die paßt, +Und schickt sie soviel Grad’ hinab zur Hölle, +Als oft er sich mit seinem Schweif umfaßt. +Von vielem Volk ist stets besetzt die Schwelle, +Und nach und nach kommt jeder zum Gericht, +Spricht, hört und eilt zu der bestimmten Stelle. +"Du, der in diese Qualbehausung bricht," +So rief mir Minos, als er mich ersehen, +Und ließ indes die Übung großer Pflicht; +"Schau’, wem du traust! Leicht ist’s hineinzugehen, +Doch täusche nicht dich ein verwegner Drang." +Mein Führer drauf: "Laß dir den Groll vergehen! +Nicht hindre den von Gott gebotnen Gang, +Dort will man’s, wo das Können gleicht dem Wollen. +Nicht mehr gefragt, denn unser Weg ist lang." +Bald hört’ ich nun, wie Jammertön’ erschollen, +Denn ich gelangte nieder zu dem Haus, +Zur Klag’ und dem Geheul der Unglückvollen. +Jedwedes Licht verstummt’ im dunkeln Graus, +Das brüllte, wie wenn sich der Sturm erhoben, +Beim Kampf der Winde lautes Meergebraus. +Nie ruht der Höllenwirbelwind vom Toben +Und reißt zu ihrer Qual die Geister fort +Und dreht sie um nach unten und nach oben. +Ihr Jammerschrei, Geheul und Klagewort, +Nah’n sie den trümmervollen Felsenklüften, +Verlästern fluchend Gottes Tugend dort. +Daß Fleischessünder dies erdulden müßten, +Vernahm ich, die, verlockt vom Sinnentrug, +Einst unterwarfen die Vernunft den Lüsten. +So wie zur Winterszeit mit irrem Flug +Ein dichtgedrängter breiter Troß von Staren, +So sah ich hier im Sturm der Sünder Zug +Hierhin und dort, hinauf’, hinunterfahren, +Gestärkt von keiner Hoffnung, mindres Leid, +Geschweige jemals Ruhe zu erfahren. +Wie Kraniche, zum Streifen lang gereiht +In hoher Luft die Klagelieder krächzen, +So sah ich von des Sturms Gewaltsamkeit +Die Schatten hergeweht mit bangem Ächzen. +"Wer sind die, Meister, welche her und hin +Der Sturmwind treibt, und die nach Ruhe lechzen?" +So ich--und er: "Des Zuges Führerin, +Von welchem du gewünscht, Bericht zu hören, +War vieler Zungen große Kaiserin. +Sie ließ von Wollust also sich betören, +Daß sie für das Gelüst Gesetz’ erfand. +Um nur der tiefen Schmach sich zu erwehren. +Sie ist Semiramis, wie allbekannt, +Nachfolgerin des Ninus, ihres Gatten, +Einst herrschend in des Sultans Stadt und Land. +Dann Sie, die, ungetreu Sichäus’ Schatten, +Aus Liebe selber sich geweiht dem Tod" +Sieh dann Kleopatra im Flug ermatten." +Auch Helena, die Ursach’ großer Not, +Im Sturme sah ich den Achill sich heben, +Der allem Trotz, nur nicht der Liebe, bot. +Den Paris sah ich dort, den Tristan schweben, +Und tausend andre zeigt’ und nannt’ er dann, +Die Liebe fortgejagt aus unserm Leben. +Lang hört’ ich den Bericht des Lehrers an, +Von diesen Rittern und den Frau’n der Alten, +Voll Mitleid und voll Angst, bis ich begann: +Mit diesen Zwei’n, die sich zusammenhalten, +Die, wie es scheint, so leicht im Sturme sind, +Möcht’ ich, o Dichter, gern mich unterhalten. +Und er darauf: "Gib Achtung, wenn der Wind +Sie näher führt, dann bei der Liebe flehe, +Die beide führt, da kommen sie geschwind." +Kaum waren sie geweht in unsre Nähe, +Als ich begann: Gequälte Geister, weilt, +Wenn’s niemand wehrt, und sagt uns euer Wehe. +Gleich wie ein Taubenpaar die Lüfte teilt, +Wenn’s mit weitausgespreizten steten Schwingen +Zum süßen Nest herab voll Sehnsucht eilt; +So sah ich sie dem Schwarme sich entringen, +Bewegt vom Ruf der heißen Ungeduld, +Und durch den Sturm sich zu uns niederschwingen. +"Du, der du uns besuchst voll Gut’ und Huld +In purpurschwarzer Nacht, uns, die die Erde +Vordem mit Blut getüncht durch unsre Schuld, +Gern bäten wir, daß Fried’ und Ruh’ dir werde, +War’ uns der Fürst des Weltenalls geneigt, +Denn dich erbarmt der seltsamen Beschwerde. +Wie ihr zu Red’ und Hören Lust bezeigt, +So reden wir, so leih’n wir euch die Ohren, +Wenn nur, wie eben jetzt, der Sturmwind schweigt. +Ich ward am Meerstrand in der Stadt geboren, +Wo Seinen Lauf der Po zur Ruhe lenkt, +Bald mit dem Flußgefolg im Meer verloren. +Die Liebe, die in edles Herz sich senkt, +Fing diesen durch den Leib, den Liebreiz schmückte, +Der mir geraubt ward, wie’s noch jetzt mich kränkt. +Die Liebe, die Geliebte stets berückte, +Ergriff für diesen mich mit solchem Brand, +Daß, wie du stehst, kein Leid ihn unterdrückte. +Die Liebe hat uns in ein Grab gesandt-- +Kaina harret des, der uns erschlagen." +Der Schatten sprach’s, uns kläglich zugewandt. +Vernehmend der bedrängten Seelen Klagen, +Neigt’ ich mein Angesicht und stand gebückt. +Was denkst du? hört’ ich drauf den Dichter fragen. +Weh, sprach ich, welche Glut, die sie durchzückt, +Welch süßes Sinnen, liebliches Begehren +Hat sie in dieses Qualenland entrückt? +Drauf säumt’ ich nicht, zu jener mich zu kehren. +"Franziska," So begann ich nun, "dein Leid +Drängt mir ins Auge fromme Mitleidszähren. +Doch sage mir: In süßer Seufzer Zeit, +Wodurch und wie verriet die Lieb’ euch beiden +Den zweifelhaften Wunsch der Zärtlichkeit." +Und sie zu mir: Wer fühlt wohl größres Leiden +Als der, dem schöner Zeiten Bild erscheint +Im Mißgeschick? Dein Lehrer mag’s entscheiden. +Doch da dein Wunsch so warm und eifrig scheint, +Zu wissen, was hervor die Liebe brachte, +So will ich tun, wie wer da spricht und weint. +Wir lasen einst, weil’s beiden Kurzweil machte, +Von Lanzelot, wie ihn die Lieb’ umschlang. +Wir waren einsam, ferne von Verdachte. +Das Buch regt’ in uns auf des Herzens Drang, +Trieb unsre Blick’ und macht’ uns oft erblassen, +Doch eine Stelle war’s, die uns bezwang, +Als das ersehnte Lächeln küssen lassen, +Der, so dies schrieb, vom Buhlen schön und hehr. +Da naht’ er, der mich nimmer wird verlassen, +da küßte zitternd meinen Mund auch er-- +Galeotto war das Buch, und der’s verfaßte-- +An jenem Tage lasen wir nicht mehr. +Der eine Schatten sprach’s, der andre faßte +Sich kaum vor Weinen, und mir schwand der Sinn +Vor Mitleid, daß ich wie im Tod erblaßte, +Und wie ein Leichnam hinfällt, fiel ich hin. + + +Sechster Gesang + +Bei Rückkehr der Erinn’rung, die sich schloß +Vor Mitleid um die zwei, das so mich quälte, +Daß das Bewußtsein mir vor Schmerz zerfloß, +Erblickt’ ich neue Qualen und Gequälte +Rings um mich her, ob den, ob jenen Pfad +Zum Geh’n und Schau’n sich Fuß und Auge wählte. +Es war der dritte Kreis, den ich betrat, +Von ew’gem, kaltem, maledeitem Regen +Von gleicher Art und Regel früh und spat. +Schnee, dichter Hagel, dunkle Fluten pflegen +Die Nacht dort zu durchzieh’n in wildem Guß; +Stank qualmt die Erde, die’s empfängt, entgegen. +Ein Untier, wild und seltsam, Zerberus, +Bellt, wie ein böser Hund, aus dreien Kehlen +Jedweden an, der dort hinunter muß. +Schwarz, feucht der Bart, die Augen rote Höhlen +Mit weitem Bauch, die Hände scharf beklaut, +Vierteilt, zerkratzt und schindet er die Seelen. +Sie heulen, wie die Hund’, im Regen laut, +Und sie verschaffen sich durch öftres Drehen +Auf einer Seite mind’stens trockne Haut. +Der große Höllenwurm, der uns ersehen, +Riß auf die Rachen, zeigt uns ihr Gebiß +Und ließ kein Glied am Leibe stillestehen. +Virgil streckt aus die offnen Händ’ und riß +Erd’ aus dem Grund, die in die gier’gen Rachen +Er alsogleich mit vollen Fäusten schmiß. +Wie’s pflegt ein keifig böser Hund zu machen, +Des Bellen schweigt, wenn er den Fraß erbeißt, +Der wilden Grimm vermocht’, ihm anzufachen; +So jetzt mit schmutz’gen Schlünden jener Geist, +Der so durchdröhnt die armen Leidensmatten, +Daß jeder hochbeglückt die Taubheit preist. +Wir gingen über die gequälten Schatten, +Indem wir auf ihr Nichts, das Körper schien, +Im tiefen Schlamm gestellt die Sohlen hatten. +Sie lagen allesamt am Boden hin, +Nur einen sahn wir sich zum Sitzen heben, +Wie er uns dort erblickt im Weiterziehn. +Er sprach: "Der du zur Hölle dich begeben, +Erkenne mich, dafern dir’s möglich ist; +Du Iebtest, eh’ ich aufgehört zu leben." +Und ich zu ihm: "Die Angst, in der du bist, +Zieht dich vielleicht aus meinem Angedenken; +Mir scheint, ich sähe dich zu keiner Frist. +Wer bist du? Sprich, was konnte dich versenken +In eine Qual, die, gibt’s auch größre Pein, +Nicht widriger kann sein, noch ärger kränken." +"In eurer Stadt," so sprach er, "die allein +Der Neid erfüllt, und bis zum Überfließen, +Genoß ich einst des Tages heitern Schein. +Ich bin’s, den Ciacco eure Bürger hießen, +Zur Qual für schnöde Schuld des Gaumens muß, +Du siehst’s, auf mich sich ew’ger Regen gießen. +Und mich allein nicht züchtigt dieser Guß, +Nein, alle diese leiden gleiche Plagen +Für gleiche Schuld."--So seiner Rede Schluß. +Und ich: "Mich haben, Ciacco, deine Klagen +Zum Mitleid und zu Tränen fast gerührt. +Allein, wenn du es weißt, so magst du sagen, +Wohin noch unsrer Stadt Parteiung führt? +Ob wer gerecht ist? Was in diesen Zeiten +In ihr die Glut der wilden Zwietracht schürt?" +Und er darauf zu mir: "Nach langem Streiten +Kommt’s dort zu Blut, dann treibt die Waldpartei +Die andre fort mit vielen Grausamkeiten. +Doch in drei Sonnen ist’s mit ihr vorbei, +Neu günstig sind der andern die Gestirne, +Durch eines Mannes Macht und Heuchelei. +Hoch hebt sie dann auf lange Zeit die Stirne +Und hält den Feind mit großer Last beschwert, +Wie er auch sich beklag’ und sich erzürne. +Zwei find gerecht dort, aber nicht gehört. +Neid, Geiz und Hochmut--diese drei sind Gluten, +In welchen sich der Bürger Herz verzehrt." +Als hier des Schattens Jammertöne ruhten, +Sprach ich zu ihm: "Noch weiteren Bericht +Erlaube mir, dir bittend anzumuten. +Tegghiajo, Farinata, treu der Pflicht, +Arrigo, Rusticucci, Mosca--sage!-- +Und andre, nur auf Gutestun erpicht, +Wo find sie? Welches ist ihr Los? Ich trage +Verlangen, hier ihr Schicksal zu erspäh’n, +Ob’s Himmelswonne sei, ob Höllenplage?" +Und er: "Sie stürzte mancherlei Vergehn +Zu schwärzern Seelen nach den tiefern Gründen. +Steigst du so tief, so wirst du alle sehn-- +Kehrst du zur süßen Welt aus diesen Schlünden, +Bring’ ins Gedächtnis dann der Menschen mich. +Mehr sag’ ich nicht, mehr darf ich nicht verkünden." +Scheel ward sein g’rades Aug’ und wandte sich +Nach mir; dann sank er mit dem Haupte nieder, +So daß er ganz den andern Blinden glich. +Drauf sprach mein Führer: "Nie erwacht er wieder, +Bis er vor englischer Posaun’ ergraust, +Und der Gewalt, dem Sündenvolk zuwider. +Zum Grab kehrt jeder, wo sein Körper haust, +Empfängt sein Fleisch zurück und die Gestaltung +Und hört, was ewig widerhallend braust." +Wir gingen langsam fort in schwerer Haltung, +Durch’s Kotgemisch von Schatten und von Flut. +Vom künft’gen Leben war die Unterhaltung. +Drum ich: "Mein Meister, wird der Qualen Wut +Sich nach dem großen Urteilsspruch vermehren? +Vermindert sich, bleibt sich nur gleich die Glut?" +Und er: "Gedenk’ an deines Weisen Lehren: +So sehr ein Ding vollkommen ist, so sehr +Wird sich’s im Glücke freu’n, im Schmerz verzehren +Und kann gleich der Verdammten zahllos Heer +Vollkommenheit, die wahre, nie erringen, +So harrt es doch in jener Zeit auf mehr." +Wir fuhren fort, im Kreise vorzudringen, +Mehr sprechend, als zu sagen gut erscheint, +Bis hin zum Platz, wo Stufen niedergingen, +Und fanden Plutus dort, den großen Feind. + + +Siebenter Gesang + +Aleph, Pape Satan, Pape Satan! +Erhob, rauh kluchzend, Plutus seine Stimme. +Und er, der alles wohl verstand, begann: +"Getrost, nicht fürchte dich vor seinem Grimme, +Durch alle seine Macht wird’s nicht verwehrt, +Daß ich mit dir den Felsen niederklimme." +Und dann, zu dem geschwollnen Mund gekehrt, +Rief er: "Wolf, schweige, du Vermaledeiter! +Von deiner Wut sei in dir selbst verzehrt! +Wir gehn nicht ohne Grund zur Tiefe weiter, +Dort will man’s, dort, wo einst den Stolz mit Schmach +Gezüchtigt Michael, der Himmelsstreiter." +Gleichwie die Segel, wenn der Mast zerbrach, +Erst aufgebläht zum Knäuel niederrollen, +So fiel das Untier, das so drohend sprach. +So ging’s zum vierten Kreis im schmerzenvollen +Unsel’gen Schacht, der alle Schuld umfängt, +Von welcher je im Weltall Kund’ erschollen. +Gerechtigkeit des Herrn, dein Walten drängt +So neue Mühn zusammen, solche Plagen! +O blinde Schuld, die hier den Lohn empfängt! +Wie der Charybdis Wogen sich zerschlagen, +Zum Gegenstoß gewälzt von Süd und Nord, +So muß sich hier das Volk im Wirbel jagen. +Noch nirgend war die Schar so groß wie dort. +Laut heulend kamen sie von beiden Enden +Und wälzten Lasten mit den Brüsten fort. +Und stießen sich, um sich beim Prall zu wenden, +Und dann zurück im Bogenlauf zu zieh’n, +Und schrien sich zu: Was halten?--Was verschwenden? +So durch den Kreis, in dem kein Lichtstrahl schien, +Ging’s beiderseits dann nach der andern Seite, +Indem sie beid’ ihr schändlich Schmähwort schrien. +Dann wandte jeder sich zum neuen Streite, +Sobald er seines Zirkels Hälft’ umkreist; +Und ich, der ich den Armen Mitleid weihte, +Sprach: "Meister, o wie zagt, wie bangt mein Geist +Wer ist dies Volk? Die links hier scheinen Pfaffen! +Ist’s jeder, der uns eine Glatze weist? +Und er: "Dies sind die Blinden, Geistesschlaffen. +Sie wußten in der Welt zum Geben nie +Und nie zum Sparen sich ein Maß zu schaffen. +Und dies erhellt aus dem, was jeder schrie, +Wenn sie im Kreis gelangt zu zweien Orten; +Da trennt der Gegensatz des Lasters sie. +Die mit den Glatzen waren Pfaffen dorten; +Auch öffneten wohl Papst und Kardinal +Dem Geiz als Zwingherrn ihres Herzens Pforten." +Drauf sprach ich: "Meister, kenn’ in dieser Zahl +Ich keinen, der im Schmutz so eitlen Strebens +Sich hier erworben hat die ew’ge Qual?" +Und er zu mir: "Dein Suchen ist vergebens, +Unkenntlich macht sie ihr verdientes Los +Durch Kot und Schmutz bewußtlos dunkeln Lebens. +So kommen stets zum Stoß und Gegenstoß, +Bis sie erstehn--die mit verschnittnen Haaren, +Die mit geschlossner Faust--dem Grabesschoß. +Versetzt hat sie schlecht Geben und schlecht Sparen +Von jener heitern Welt in diesen Zwist; +Nicht sag’ ich welchen, denn du kannst’s gewahren. +Sieh hier, mein Sohn, welch eitles Ding es ist +Um jenes Gut Fortunens, das die Leute +Zum Kampfe reizt und zu Gewalt und List. +Gib diesen Müden alles Gold zur Beute, +Das sie gehabt, ja alles Gold der Welt, +Und keine Stunde Ruh’ gibt’s ihnen heute." +Und ich: "Mein Meister, sprich, wenn dir’s gefällt, +Wer ist Fortuna doch, die, wie ich hörte, +In ihren Klau’n der Erde Güter hält?" +Und er zu mir: "O Arme, Trugbetörte! +Unwissende, zum Schlimmsten stets geneigt! +O daß mein Spruch jetzt aller Wahn zerstörte! +Er, dessen Weisheit alles übersteigt, +Erschuf die Himmel und gab ihnen Leitung, +Daß jedem Teil sich jeder leuchtend zeigt, +Durch seines Lichts gleichmäßige Verbreitung. +So gab er schaffend auch die Dienerin +Dem Erdenglanz zur Führung und Begleitung. +Von Volk zu Volk, von Blut zu Blute hin, +Bringt sie das eitle Gut, das nirgends dauert, +Und kümmert nicht sich um der Menschen Sinn. +Dies Volk befiehlt, ein andres dient und trauert, +Wie jene Führerin das Urteil spricht, +Die, wie die Schlang’ im Gras, verborgen lauert. +Nichts gegen sie hilft eurer Weisheit Licht, +Sie sorgt, erkennt, vollzieht in ihrem Reiche, +Und weicht darin den andern Göttern nicht. +Nie haben Stillstand ihre Wechselstreiche; +So macht sie, von Notwendigkeit gejagt, +Aus Reichen Arme, dann aus Armen Reiche. +Sie ist’s, die ihr ans Kreuz oft wütend schlagt, +Von der ihr oft, wenn ihr, anstatt zu schmollen, +Sie loben solltet, fälschlich Böses sagt. +Doch sie, die Sel’ge, hört nicht euer Grollen; +In andrer erstgeschaffnen Seligkeit +Und Wonne, läßt sie ihre Kugel rollen.-- +Doch eilig weiter jetzt zu größerm Leid! +Die Stern’, aufsteigend, als ich fortgeschritten, +Gehn abwärts itzt, und unser Weg ist weit." +Am andern Rand ward nun der Kreis durchschnitten, +An einem Quell, der siedend dort entspringt, +Des Wellen fort durch einen Graben glitten. +Mehr trüb’ als schwarz ist seine Flut und bringt, +Wenn man ihr folgt, hinab zu rauhen Wegen, +Durch die man mit Beschwerde niederdringt. +Dann qualmt ein Sumpf, mit Namen Styx, entgegen +Dort, wo der traur’ge Fluß vom Laufe ruht, +Am Fuß des greulichen Gestad’s gelegen. +Dort stand ich nun und sah nach jener Flut, +Und jäh im Sumpfe Leute, kot’ge, nackte, +Zugleich des Jammers Bilder und der Wut. +Man schlug sich nicht mit Fäusten nur, man hackte +Mit Haupt und Brust und Füßen auf sich ein, +Indem man wild sich mit den Zähnen packte. +Mein Meister sprach: "Sohn, sieh in dieser Pein +Die Seelen derer, so der Zorn bezwungen. +Auch unterm Wasser müssen viele sein; +Und wenn ein Seufzer ihnen sich entrungen. +Dann steigen Blasen auf von ihrer Not, +Drum sieh von Kreisen diese Flut durchschwungen. +Und immer rufen sie, versenkt im Kot: +Wir waren elend einst im Sonnenschimmer +Und hegten Groll und Tücke bis zum Tod, +Und elend sind wir nun im Schlamm noch immer. +Dies Lied klingt gurgelnd vor aus ihrem Schlund, +Stets schluckend, enden sie die Worte nimmer. +So gingen, zwischen Pfuhl und festem Grund, +Wir an dem schmutz’gen Teich in weitem Bogen, +Den Blick gewandt zum Volk mit Schlamm im Mund, +Bis wir zu eines Turmes Fuß gezogen. + + +Achter Gesang + +Lang’ eh’ wir noch, so fahr’ ich fort, zu sagen, +Dem Fuß des hohen Turms uns konnten nah’n, +War unser Blick zur Zinn’ emporgeschlagen, +Weil wir zwei Flämmchen dort entzünden sah’n, +Als Rücksignal ein andres, So entlegen, +Daß es das Auge kaum noch könnt’ erfah’n. +Da kehrt’ ich meinem Weisen mich entgegen: +"Was ist dies? Welch ein Zeichen wohl bezweckt +Das dritte Feu’r? Wer sind sie, die’s erregen?" +Und er zu mir: "Sieh hin, dein Aug’ entdeckt. +Was unsrer harrt, dort auf den schmutz’gen Wogen, +Wenn dir’s der Qualm des Sumpfes nicht versteckt." +Und rasch, wie ich den leichten Pfeil vom Bogen +Je fortgeschnellt durch hohe Lüfte sah, +Kam durch das Moor ein kleiner Kahn gezogen. +Bald war er uns am grauen Strande nah, +Obwohl von einem Rud’rer nur gefahren, +Der schrie: Verruchte Seele, bist du da? +"Phlegias, Phlegias, du magst dein Schreien sparen," +So sprach mein Herr, "umsonst ist’s angestimmt; +Wir sind nur dein, solang’ wir überfahren." +Wie wer von einem großen Trug vernimmt, +Den man ihm angetan zu Schmach und Schaden, +So zeigte Phlegias wild sich und ergrimmt. +Mein Führer stieg ins Schiff von den Gestaden, +Und zu sich setzen hieß er mich sodann, +Und als ich drin war, schien es erst beladen. +Sobald wir beid’ uns eingesetzt, begann +Des Nachens Fahrt und furchte tiefre Zeilen, +Als er mit andrer Bürde furchen kann. +Indessen wir die tote Moorflut teilen, +Kommt einer, kotbedeckt, vor mich und spricht: +"Wer heißt dich vor der Zeit herniedereilen?" +"Ich komme," sprach ich, "aber bleibe nicht. +Doch wer bist du, So widrig und abscheulich?"-- +"Ein Heulender, dies sagt dir dein Gesicht."-- +Und ich: "Denkst du, dein Heulen sei erfreulich? +Vermaledeiter Geist, fort, weg von mir! +Ich kenne dich, sei noch so wild und greulich!" +Die Hände streckt’ er nun zum Kahn voll Gier, +Und mit Gewalt mußt’ ihn mein Herr verjagen, +Der sprach: "Mit andern Hunden, weg von hier!" +Drauf hielt er seinen Arm um mich geschlagen +Und küßte mich und sprach: "Erzürnter Geist, +Beglückt die Mutter, welche dich getragen! +Stolz war im Leben dieser--niemand preist +Von ihm nur einen guten Zug auf Erden, +Daher er hier sich noch in Wut zerreißt. +Viel Fürsten gibt’s dort, die sich stolz gebärden, +Die, Schmach nur hinterlassend, wie die Sau’n, +Im Schlamme hier auf ewig wühlen werden." +Und ich: "Begierig war’ ich wohl, zu schau’n, +Wie er in diesem Schlamme tauchen müßte, +Eh’ wir verlassen diesen See voll Grau’n." +Und er zu mir: "Bevor sich noch die Küste +Dir sehen läßt, erfreut dich der Genuß. +Befriedigung gebühret dem Gelüste." +Bald sah ich, wie zu Qual ihm und Verdruß +Die Kotigen mit ihm beschäftigt waren, +Drob ich Gott loben noch und danken muß. +Frisch, auf Philipp Argenti! schrien die Scharen; +Dann sah ich, selbst sich beißend, auf sie los +Den tollen Geist des Florentiners fahren. +Und dies erzähl’ ich nur von seinem Los. +Ich ließ ihn dort und hört’ ein Schmerzensbrüllen +Und macht’, um vorzuschau’n, die Augen groß. +"Bald wird sich, Sohn, dir jene Stadt enthüllen," +So sprach mein guter Meister, " Dis genannt, +Die scharenweis’ unsel’ge Bürger füllen." +Und ich: "Mein Meister, deutlich schon erkannt +Hab’ ich im Tale jener Stadt Moscheen, +Glutrot, als ragten sie aus lichtem Brand." +Drauf sprach mein Führer: "Ew’ge Flammen wehen +In ihrem Innern, drum im roten Schein +Sind sie in diesem Höllengrund zu sehen." +Bald fuhren wir in tiefe Gräben ein, +Den Zugang sperrend zu dem grausen Orte; +Die Mauer schien von Eisen mir zu sein. +Dann aber hörten wir des Steurers Worte, +Nachdem vorher wir auf dem Pfuhle weit +Umhergekreuzt: "Steigt aus, hier ist die Pforte." +Wohl tausend standen auf dem Tor bereit, +Vom Himmel hergestürzt. Es schrien die Frechen: +"Wer wagt’s, noch lebend, voll Verwegenheit +Ins tiefe Reich der Toten einzubrechen?" +Mein Meister aber, ihnen winkend, lud +Sie klüglich ein, ihn erst geheim zu sprechen. +Da legte sich ein wenig ihre Wut. +Sie sprachen: "Komm allein, laß gehn den Toren, +Der hier hereindrang mit so keckem Mut. +Find’ er den Weg, den sich sein Wahn erkoren, +Allein zurück--erprob’ er doch, wie er +Sich durch die Nacht führt, wenn er dich verloren." +Und nun bedenk’, o Leser, wie so schwer +Mich der Verdammten Rede niederdrückte, +Denn ich verzweifelt’ an der Wiederkehr. +"Mein teurer Führer, du, durch den mir’s glückte, +Daß ich gerettet ward schon siebenmal, +Des Schutz mich drohender Gefahr entrückte, +Verlaß mich", sprach ich, "nicht in dieser Qual, +Und darf ich auch nicht weiter vorwärts dringen, +So komm mit mir zurück durchs dunkle Tal." +Und er, befehligt, mich hierher zu bringen, +Sprach: "Fürchte nichts; erlaubt hat unsern Gang +Er, dem nichts wehrt, drum wird er wohl gelingen. +Hier harre mein, und ist die Seele bang, +So magst du sie mit guter Hoffnung speisen, +Denn nicht verlass’ ich dich in solchem Drang." +So ging er.--ich, getrennt von meinem Weisen, +Dem süßen Vater, fühlte Ja und Nein +Beim Zweifelkampf in meinem Haupte kreisen. +Nicht hört’ ich, was sein Antrag mochte sein, +Allein er blieb bei jenem Volk nicht lange, +Denn alle rannten in die Stadt hinein +Und schlugen ihm das Tor im wilden Drange +Vorm Antlitz zu und sperrten ihn heraus. +Da kehrt’ er sich zu mir mit schwerem Gange. +Den Blick gesenkt, die Brau’n verstört und kraus, +Ließ er in Seufzern diese Worte hören: +"Wer schließt mich von der Stadt der Schmerzen aus?" +Und dann zu mir: "Nicht mög’ es dich verstören, +Wenn du mich zürnen siehst--ich siege doch, +Wie keck sie auch dort drinnen sich empören. +Schon früher stieg ihr kecker Mut so hoch, +An einem Tor, nicht so geheim gelegen, +Und ohne Schloß und Riegel heute noch, +Am Tor, von dem die schwarze Schrift entgegen +Dem Wandrer droht--doch diesseits schon von dort +Kommt, ohne Leitung, auf den dunkeln Wegen +Ein andrer her und öffnet uns den Ort." + + +Neunter Gesang + +Weil ich vor Angst und banger Furcht erblich, +Als ich den Herrn sah sich zurückbewegen, +Verschloß Virgil die eigne Furcht in sich. +Aufmerksam stand er dort, wie Horcher pflegen, +Denn, weit zu schau’n, war ihm die Dunkelheit +Der schwarzen Luft und Nebelqualm entgegen. +Er sprach: "Wir siegen doch in diesem Streit-- +Wenn nicht--doch hab’ ich nicht ihr Wort vernommen? +Er säumt fürwahr doch gar zu lange Zeit." +Ich sah es deutlich ein, zurückgenommen +Sei durch der Rede Folge der Beginn, +Da beide mir verschieden vorgekommen. +Drum lauscht’ ich sorgenvoll und zagend hin, +Denn ich erklärte mir vielleicht noch schlimmer, +Als er es war, des halben Wortes Sinn. +"Kommt wohl ein Geist in diese Tiefe nimmer +Vom ersten Grad, wo nichts zur Qual gereicht, +Als daß erstorben jeder Hoffnungsschimmer?" +So fragt’ ich ihn, und jener sprach: "Nicht leicht +Geschieht’s, daß auf dem Weg, den wir durchliefen, +Ein andrer meines Grads dies Land erreicht. +Wahr ist’s, daß ich vordem in diesen Tiefen +Durch der Erichtho Zauberei’n erschien, +Die oft den Geist zum Leib zurückberiefen. +Kaum war mein Geist vom Fleisch entblößt, als ihn +Die Zauberin beschwor in jene Mauer, +Um eine Seel’ aus Judas Kreis zu zieh’n. +Dort ist die tiefste Nacht, der bängste Schauer, +Am fernsten von des Himmels ew’gem Licht. +Ich weiß den Weg--drum scheuche Furcht und Trauer. +Der Sumpf hier, welcher Stank verhaucht, umflicht +Die qualenvolle Stadt, durch deren Pforten +Man ohne Zorn die Bahn sich nimmer bricht." +Mehr sprach er, doch mich zog von seinen Worten +Der hohe Turm und bannte mit Gewalt +Den Blick ans Feuer auf dem Gipfel dorten. +Drei Höllenfurien sah ich dort alsbald, +Die, blutbefleckt, g’rad’ aufgerichtet, stunden, +Und Weibern gleich an Haltung und Gestalt, +Mit grünen Hadern statt des Gurts umbunden, +Mit kleinern Schlangen aber, wie mit Haar, +Und Ottern rings die grausen Schläf’ umwunden. +Und jener, dem bekannt ihr Anblick war, +Der Sklavinnen der Fürstin ew’ger Plagen, +Sprach: "Nimm die wilden Erinnyen wahr. +Zur linken Seite sieh Megären ragen, +Inmitten ist Tisiphone zu schau’n, +Und rechts Alecto in Geheul und Klagen." +Die Brust zerriß sich jede mit den Klau’n, +Und sie zerschlugen sich mit solchem Brüllen, +Daß ich mich an den Dichter drängt’ aus Grau’n. +"Medusas Haupt! auf, laßt es uns enthüllen," +Sie riefen’s, niederbückend, allzugleich. +"Was wir versäumt an Theseus, zu erfüllen." +"Wende dich um, die Augen schließe gleich! +Wenn sie bei Gorgos Anblick offenständen, +Du kehrtest nimmer in des Tages Reich!" +Er sprach’s und eilte, selbst mich umzuwenden, +Verließ sich auch auf meine Hände nicht +Und schloß die Augen mir mit seinen Händen. +Ihr, die erhellt gesunden Geistes Licht, +Bemerkt die Lehre, die, vom Schlei’r umgeben, +In dich verbirgt dies seltsame Gedicht. +Ich hört’ ein Krachen mächtig sich erheben +Auf trüber Flut, mit einem Ton voll Graus, +Daß die und jene Hüfte schien zu beben. +Nicht anders war es, als des Sturms Gebraus-- +Wild durch der kalten Dünste Kampf mit lauen, +Stürzt er durch Wälder, Äste reißt er aus, +Durch nichts gehemmt, jagt Blüten durch die Auen; +Stolz wälzt er sich in Staubeswirbeln vor, +Und Hirt und Herden flieh’n voll Angst und Grauen. +Die Augen löst’ er mir. "Jetzt schau’ empor, +Dorthin, wo du den schärfsten Rauch entquellen +Dem Schaume siehst auf diesem alten Moor." +Wie Frösche, sich zerstreuend, durch die Wellen +Vor ihrem Feind, der Wasserschlange, flieh’n, +Bis sie am Strand in Scharen sich gesellen, +So sah ich schnell, als einer dort erschien, +Das Tor von den zerstörten Seelen leeren +Und ihn mit trocknem Fuß den Styx durchzieh’n. +Er schien den Qualm vom Antlitz abzuwehren, +Vor sich bewegend seine linke Hand, +Und dieser Dunst nur schien ihn zu beschweren. +Ich sah’s, er sei vom Himmel hergesandt. +Zum Meister kehrt’ ich mich, doch, auf sein Zeichen, +Neigt’ ich mich schweigend, jenem zugewandt. +Mir schien er einem Zornigen zu gleichen. +Er kam zum Tore, das sein Stab erschloß, +Und ohne Widerstreben sah ich’s weichen. +"O ihr verachteter, vestoßner Troß!" +Begann er an dem Tor, dem schreckensvollen, +"Woher die Frechheit, die hier überfloß? +Was seid ihr widerspenstig jenem Wollen, +Das nimmermehr sein Ziel verfehlen kann? +Wird er die Qual, wie oft, euch mehren sollen? +Was kämpft ihr gegen das Verhängnis an, +Obwohl eu’r Zerberus, ihr mögt’s bedenken, +Mit kahlem Kinn und Halse nur entrann?" +Dann sah ich ihn zurück die Schritte lenken. +Uns sagt’ er nichts, und achtlos ging er fort, +Als müsst’ er ernst auf andre Sorgen denken, +Als die um kleine Ding’ am nächsten Ort. +Worauf wir beide nach der Festung schritten, +Nun völlig sicher durch das heil’ge Wort. +Auch ward der Eingang uns nicht mehr bestritten; +Und ich, des Wunsches voll, mich umzusehn +Nach dieser Stadt Verhältnis, Art und Sitten, +Ließ, drinnen kaum, das Aug’ im Kreise gehn, +Und rechts und links war weites Feld zu schauen, +Von Martern voll und ungeheuren Weh’n. +Gleichwie wo sich der Rhone Wogen stauen, +Bei Arles, und bei Pola dort am Meer, +Das Welschland schließt und netzt der Grenze Gauen, +Grabhügel sind im Lande rings umher, +Wo auf unebnem Grunde Tote modern; +So hier, doch schreckte dieser Anblick mehr, +Denn zwischen Gräbern sieht man Flammen lodern, +Und alle sind so durch und durch entflammt, +Daß keine Kunst mehr Stahl und Eisen fodern. +Halboffen ihre Deckel allesamt, +Und draus erklingen solche Klagetöne, +Daß man erkennt, wer drinnen, sei verdammt. +Und ich: Verkünde, Meister, wer sind jene, +Die, hier begraben, sonder Ruh’ und Rast +Vernehmen lassen solches Schmerzgestöhne? +Und er: "Hauptketzer hält der Ort umfaßt, +Und die den Sekten angehangen haben, +In größrer Zahl, als du gerechnet hast- +Denn Gleiche sind zu Gleichen hier begraben, +Und mehr und minder glüht jedwedes Mal"-- +Er sprach’s, worauf wir rechtshin uns begaben, +Fortschreitend zwischen hoher Mau’r und Qual. + + +Zehnter Gesang + +Fort ging nun, hier die Mauer, dort die Pein, +Auf einem engen Pfad der edle Weise, +Er mir voraus und ich ihm hinterdrein. +Der du mich führst durch die verruchten Kreise, +Sprach ich, ich wünsche, daß, wenn dir’s gefällt, +Dein Wort auch hier mich ferner unterweise. +Darf man die sehn, die jedes Grab enthält? +Die Deckel, offen schon, sind nicht dawider, +Auch ist zur Wache niemand aufgestellt. +"Iedweder Deckel sinkt geschlossen nieder," +Sprach er, "wenn sie gekehrt von Josaphat, +Mitbringend ihre dort gelass’nen Glieder. +Wiss’, Epicurus liegt an dieser Statt +Samt seinen Jüngern, die vom Tode lehren, +Daß er so Seel’ als Leib vernichtet hat. +Befriedigung soll also dem Begehren, +Das du entdecktest, dies Begräbnis hier, +Sowie dem Wunsch, den du verschwiegst, gewähren." +Und ich: Mein Herz verberg’ ich nimmer dir, +Nur redet’ ich in bündig kurzem Worte, +Und nicht nur jetzt empfahlst du solches mir. +"Toskaner, du, der lebend durch die Pforte +Der Feuerstadt, so ehrbar sprechend, drang, +Verweil’, ich bitte dich, an diesem Orte. +ich erkenn’ an deiner Sprache Klang, +Du seist dem edlen Vaterland entsprungen, +Dem ich, ihm nur zu lästig, auch entsprang." +Urplötzlich war dies einem Sarg entklungen, +Drum trat ich etwas näher meinem Hort, +Denn wieder war mein Herz von Furcht durchdrungen. +"Was tust du? Wende dich!" rief er sofort, +"Sieh g’rad’ empor den Farinata ragen, +Vom Gürtel bis zum Haupte sieh ihn dort!" +Ich, der auf sein Gesicht den Blick geschlagen, +Sah, wie er hoch mit Brust und Stirne stand, +Als lach’ er nur der Höh’ und ihrer Plagen. +Mein Führer, der mich schnell mit mut’ger Hand +Durch Gräber bis zu ihm mit fortgenommen, +Sprach: Was er fragt, mach’ offen ihm bekannt. +Er sah mich, als ich bis zum Grab gekommen, +Ein wenig an. "Wer deine Väter? Sprich!" +So fragt’ er mich und schien von Zorn entglommen. +Gern fügt’ ich dem Befehl des Meisters mich, +Ihm alles unverstellt zu offenbaren, +Da hoben etwas seine Brauen sich. +Er sprach darauf: "Furchtbare Gegner waren +Sie meinen Ahnen, mir und meinem Teil, +Und zweimal drum vertrieb ich sie in Scharen." +"Wenn auch vertrieben, kehrten sie in Eil’", +Sprach ich, "zweimal zurück aus jeder Gegend. +Doch nicht den euren ward die Kunst zuteil." +Sieh, da erhob, sich neben jenem regend, +Ein Schatten sich urplötzlich bis zum Kinn, +Sich auf den Knien, so schien’s, empor bewegend. +Er blickt’ um mich nach beiden Seiten hin, +Als woll’ er sehn, ob jemand mich begleite, +Doch floh der Irrtum bald aus seinem Sinn, +Und weinend sprach er dann: "Wenn dein Geleite +Des Geistes Hoheit ist durch diese Nacht, +Wo ist mein Sohn? Warum nicht dir zur Seite?"-- +"Nicht eigner Geist hat mich hierher gebracht, +Der dort harrt, führte mich ins Land der Klagen. +Dein Guido hatte sein vielleicht nicht acht." +So ich--beim Wort und bei der Art der Plagen +Könnt’ ich wohl seines Namens sicher sein +Und drum ihm auch so sicher Antwort sagen, +Schnell richtet’ er sich auf mit lautem Schrei’n: +"Er hatte, sagst du? Ist er nicht am Leben? +Saugt nicht sein Auge mehr den süßen Schein?" +Und da ich nun, statt Antwort ihm zu geben, +Noch zauderte, so fiel er rücklings hin, +Um fürder sich nicht wieder zu erheben. +Doch jener andre mit dem stolzen Sinn, +Der mich gerufen, blieb auf seiner Stätte +Starr, ungebeugt und trotzig wie vorhin. +Er, wieder knüpfend des Gespräches Kette: +"Ward jene Kunst zuteil den Meinen nicht? +Dies martert mehr mich noch als dieses Bette. +Doch wird nicht fünfzigmal sich das Gesicht +Der Herrin dieses Dunkels neu entzünden, +So wirst du fühlen dieser Kunst Gewicht. +Sprich, willst du je zurück aus diesen Gründen, +Wie gegen mein Geschlecht mag solche Wut +Das Volk in jeglichem Gesetz verkünden?" +Ich sprach: "Das große Morden ist’s, das Blut, +Das rotgefärbt der Arbia klare Wogen, +Das eu’r Geschlecht mit solchem Fluch belud." +Er seufzt’ und schüttelte das Haupt: "Vollzogen +Hab’ ich allein nicht diese blut’ge Tat, +Und. alle hat uns trift’ger Grund bewogen. +Doch ich allein war’s, der dem grausen Rat; +Es müsse bis zum Grund Florenz verschwinden, +Mit offnem Angesicht entgegentrat." +"Soll euer Same jemals Ruhe finden," +So sprach ich bittend, "löst die Schlingen hier, +Die noch, mein Urteil hemmend, mich umwinden. +Versteh’ ich recht, so scheint es wohl, daß ihr +Erkennen mögt, was künft’ge Zeiten bringen, +Doch mit der Gegenwart scheint’s anders mir." +Er sprach: "Uns trägt der Blick nach fernen Dingen, +Wie’s öfters wohl der Schwachen Sehkraft geht, +Denn dahin läßt der höchste Herr uns dringen. +Doch naht sich und erscheint, was wir erspäht, +Weg ist das Wissen, und nur durch Berichte +Erfahren wir, wie’s jetzt auf Erden steht. +Darum begreifst du: einst beim Weltgerichte, +Wenn sich der Zukunft Tor auf ewig schließt, +Wird die Erkenntnis unsers Geists zunichte." +Drauf ich: "Wie jetzt mein Fehler mich verdrießt! +O sagt dem Hingesunknen, Trostentblößten, +Daß noch sein Sohn das heitre Licht genießt. +Und war ich vorhin säumig, ihn zu trösten, +So sagt ihm, daß ich Raum dem Irrtum gab, +Den eben jetzt mir eure Worte lösten." +Hier rief mein Meister schon mich wieder ab, +Drum bat ich schnell den Geist, mir zu erzählen, +Wer noch verborgen sei in seinem Grab. +Er sprach: "Hier liegen mehr als tausend Seelen, +Der Kardinal, der zweite Friederich +Und andre, die’s nicht nottut, aufzuzählen." +Und er versank ich aber kehrte mich +Zum alten Dichter, jene Red’ erwägend, +Die einer Unglücksprophezeiung glich. +Er aber ging und sprach, sich vorbewegend, +Zu mir gewandt: "Was bist du so verstört?" +Ich tat’s ihm kund, die Angst im Herzen hegend. +"Behalte, was du Widriges gehört," +Sprach mit erhobnem Finger jener Weise, +"Und merk’ itzt auf, daß dich kein Trug betört. +Bist du dereinst im süßen Strahlenkreise, +Verströmt vom schönen Blick, der alles sieht, +Dann deutet sie dir deine Lebensreise." +Nun ging es links ins höllische Gebiet, +Um von der Mau’r der Mitte zuzuschreiten, +Wo sich der Pfad nach einem Tale zieht, +Von dem Gestank und Qualm sich weit verbreiten. + + +Elfter Gesang + +Am äußern Saum von einem hohen Strande, +Umkreist von Felsentrümmern ohne Zahl, +Gelangten wir zu einem grausern Lande. +Dort bargen wir vor des Gestankes Qual, +Der gräßlich dampft aus jenen tiefen Gründen, +Uns hinter eines hohen Grabes Mal. +Wir sahn den Inhalt diese Schrift verkünden: +Hier liegt Papst Anastasius, den Photin +Vom rechten Pfad verführt zu Schmach und Sünden. +"Wir müssen," sprach er, "langsam abwärtszieh’n; +Erträglicher wird nach und nach den Sinnen +Der schlechte Dunst, der unerträglich schien." +"So laß uns etwas," sprach ich drauf, "beginnen, +Das uns die hier verbrachte Zeit ersetzt." +"Du siehst," erwidert’ er, "darauf mich sinnen." +"Mein Sohn, du wirst in diesen Steinen jetzt," +So fuhr er fort, "drei kleinre Kreise zählen, +Nach Stufen, wie die andern, fortgesetzt. +Erfüllt sind alle von verdammten Seelen, +Doch weil du selbst sie sehn wirst, so vernimm, +Wie und warum sie sich hier unten quälen. +Jedwede Bosheit weckt des Himmels Grimm, +Der Unrecht Zweck ist, denn sie macht es immer +Durch Trug und durch Gewalt mit andern schlimm. +Doch Trug, des Menschen eigne Sünd’, ist schlimmer, +Und die Betrüger bannt des Herrn Geheiß, +Drum tiefer hin zu schmerzlichem Gewimmer. +Gewalttat wird bestraft im ersten Kreis, +Doch, nach dreifacher Gattung von Vergehen, +In dreien Binnenkreisen stufenweis. +An Gott, an sich, am Nächsten kann’s geschehen, +Daß man Gewalt verübt, an Leib und Gut. +Wie? Sollst du jetzt mit klaren Gründen sehen. +Gewalttat an des Nächsten Leib und Blut +Geschieht durch Totschlag und durch schlimme Wunden, +Am Gute durch Verwüstung, Raub und Glut. +Totschläger werden, die, so schwer verwunden, +Verwüster, Räuber, drum hinabgebannt +Zur Pein im ersten Binnenkreis gefunden. +Gewalt übt man an sich mit eigner Hand, +Und seinem Gut.--Um fruchtlos zu bereuen, +Sind drum zum zweiten Binnenkreis gesandt, +Die selber sich zu töten sich nicht scheuen, +Die, so im Spielhaus all ihr Gut vertan +Und dorten weinten, statt sich zu erfreuen. +Gewalt auch tut der Mensch der Gottheit an, +Im Herzen sie verleugnend und nicht achtend, +Was er durch Güte der Natur empfah’n. +Du wirst, den kleinsten Binnenkreis betrachtend, +Drum die von Sodom und von Cahors schau’n, +Und Volk, im Herzen seinen Gott verachtend. +Trug, des Gewissens Qual, ist am Vertrau’n, +Und ist auch oft verübt an solchen worden, +Die nicht als Freund’ auf den Betrüger bau’n. +Die letzte Gattung scheint das Band zu morden, +Das die Natur aus Lieb’ um alle flicht; +Drum nisten in dem zweiten Kreis die Horden +Der Heuchler, Schmeichler, die, so falsch Gewicht +Gebrauchen, Simonisten, Zaubrer, Diebe +Und Kuppler und dergleichen Schandgezücht. +Zerrissen wird von jenem Trug die Liebe, +So die Natur macht; die auch, die vermehrt, +Noch Treue fordert aus besonderm Triebe. +Drum auf dem Punkte, den das All beschwert, +Wo Dis den Stand hat, dort, im kleinsten Kreise, +Wird, wer Verrat übt, ewiglich verzehrt." +Und ich: Du stellt nach deiner klaren Weise +Wohlabgeteilt den Höllenschlund mir dar, +Und welche Sünder jedes Rund umkreise; +Doch sprich: Das Volk, das dort im Sumpfe war, +Die, so der Wind führt und die Regen schlagen, +Die mit Geschrei sich stoßen immerdar, +Wie kommt’s, wenn sie den Zorn des Himmels tragen, +Daß nicht die Feuerstadt ihr Strafort wird? +Wenn nicht, was leiden sie doch solche Plagen? +Und er darauf zu mir: "Was schweift verwirrt +Dein Geist hier ab von den gewohnten Wegen? +Woandershin hat sich dein Sinn verirrt? +Willst du nicht deine Sittenlehr’ erwägen, +Die Kunde von drei Neigungen verleiht, +Die Gottes Zorn und seinen Haß erregen, +Von Tollwut, Bosheit, Unenthaltsamkeit? +Die dritt’ ist, da sie minderes Verachten +Des Herrn verrät, von mindrer Strafbarkeit. +Willst du den Spruch bedenken und betrachten, +Wer jene sind, die vor der Stadt voll Glut +Dort oben, ihre Straf erduldend, schmachten, +So wirst du sehn, wie sie von dieser Brut +Geschieden sind, und minder sie beschwerend +Auf ihnen das Gewicht des Himmels ruht."-- +"O Sonne, du, die trübsten Blicke klärend, +Wie Wissen, so erfreut der Zweifel mich, +Vernehm’ ich dich ihn lösend, mich belehrend. +Drum wend’ ein wenig," sprach ich, "rückwärts dich. +Da sagtest, daß die Wuchrer Gott verletzen, +Jetzt sage mir, wie löst dies Rätsel sich?" +Weltweisheit, sprach er, lehrt in mehrern Sätzen, +Daß nur aus Gottes Geist und Kunst und Kraft +Natur entstand mit allen ihren Schätzen; +Und überdenkst du deine Wissenschaft +Von der Natur, so wirst du bald erkennen, +Daß eure Kunst, mit allem, was sie schafft, +Nur der Natur folgt, wie nach bestem Können +Der Schüler geht auf seines Meisters Spur; +Drum ist sie Gottes Enkelin zu nennen +Vergleiche nun mit Kunst und mit Natur +Die Genesis, wo’s also lautet: Leben +Sollst du im Schweiß des Angesichtes nur.-- +Weil Wuchrer nun nach anderm Wege Streben, +Schmäh’n sie Natur und ihre Folgerin, +Indem sie andrer Hoffnung sich ergeben. +Doch folge mir, denn vorwärts strebt mein Sinn, +Da schon die Fisch’ empor am Himmel springen; +Schon auf den Caurus sinkt der Wagen hin, +Und weit ist’s noch, eh’ wir zur Tiefe dringen. + + +Zwölfter Gesang + +Rauhfelsig war der Steig am Strand hernieder, +Ob des, was sonst dort war, der Schauer groß, +Und jedem Auge drum der Ort zuwider. +Dem Bergsturz gleich bei Trento--in den Schoß +Der Etsch ist seitwärts Trümmerschutt geschmissen, +Durch Unterwühlung oder Erdenstoß-- +Wo von dem Gipfel, dem er sich entrissen, +Der Fels so schräg ist, daß zum ebnen Land, +Die oben sind, den Steg nicht ganz vermissen; +So dieses Abgrunds Hang, und dort am Rand +War’s, wo von Felsentrümmern überhangen +Sich ausgestreckt die Schande Kretas fand, +Einst von dem Scheinbild einer Kuh empfangen. +Sich selber biß er, als er uns erblickt, +Wie innerlich von wildem Grimm befangen. +Mein Meister rief: "Bist du vom Wahn bestrickt. +Als sähst du hier den Theseus vor dir stehen, +Der dich von dort zur HöIl’ herabgeschickt? +Fort, Untier, fort! Den Weg, auf dem wir gehen, +Nicht deine Schwester hat ihn uns gelehrt, +Doch dieser kommt, um eure Qual zu sehen." +So wie der Stier, vom Todesstreich versehrt, +Sich losreißt und nicht gehen kann, nur springen. +Und Satz um Satz hierhin und dorthin fährt; +So sahen wir den Minotaurus ringen, +Drum rief Virgil: "Itzt weiter ohne Rast; +Indes er tobt, ist’s gut, hinabzudringen." +So klommen wir, von Trümmern rings umfaßt, +Auf Trümmern sorglich fort, und oft bewegte +Ein Stein sich unter mir der neuen Last. +Ich ging, indem ich sinnend überlegte. +Und er: "Du denkst an diesen Schutt, bewacht +Von Zornwut, die vor meinem Wort sich legte. +Vernimm jetzt, als ich in der Hölle Nacht +Zum erstenmal so tief hereingedrungen. +War dieser Fels noch nicht herabgekracht. +Doch kurz eh’ jener sich herabgeschwungen +Vom höchsten Kreis des Himmels, der dem Dis +So edler Seelen großen Raub entrungen. +Erbebte so die grause Finsternis, +Daß ich die Meinung faßte, Liebe zücke +Durchs Weltenall und stürz’ in mächt’gern Riß +Ins alte Chaos neu die Welt zurücke. +Der Fels, der seit dem Anfang fest geruht, +Ging damals hier und anderwärts in Stücke. +Doch blick’ ins Tal, schon naht der Strom von Blut, +In welchem jeder siedet, der dort oben +Dem Nächsten durch Gewalttat wehe tut." +O blinde Gier, o toller Zorn! eu’r Toben, +Es spornt uns dort im kurzen Leben an +Und macht uns ewig dann dies Bad erproben-- +Hier ist ein weiter Graben, der den Plan +Ringshin umfaßt im weiten runden Bogen, +Wie mir mein weiser Führer kundgetan. +Zentauren, rennend, pfeilbewaffnet, zogen, +Sich folgend, zwischen Fluß und Felsenwand, +Wie in der Welt, wenn sie der Jagd gepflogen. +Als sie uns klimmen sahn, ward Stillestand; +Drei traten vor mit ausgesuchten Pfeilen +Und schußbereit den Bogen in der Hand. +Und einer rief von fern: "Ihr müßt verweilen! +Zu welcher Qual kommt ihr an diesen Ort? +Von dort sprecht, sonst soll euch mein Pfeil ereilen! +"Dem Chiron sag’ ich in der Näh’ ein Wort," +Sprach drauf Virgil. "Zum Unheil dich verführend, +Riß vorschnell stets der blinde Trieb dich fort." +"Nessus ist dieser," sprach er, mich berührend, +"Der starb, als Dejaniren er geraubt, +Die Rache noch vor seinem Tod vollführend. +Der in der Mitt’ ist, mit gesenktem Haupt, +Der große Chiron, der Achillen nährte; +Dort Pholus, welcher stets vor Zorn geschnaubt. +Am Graben rings gehn tausend Pfeilbewehrte +Und schießen die, so aus dem Pfuhl herauf +Mehr tauchen, als der Richterspruch gewährte." +Wir beide nahten uns dem flinken Hauf, +Chiron nahm einen Pfeil und strich vom Barte +Das Haar nach hinten sich mit seinem Knauf. +Als nun das große Maul sich offenbarte, +Sprach er: "Bemerkt: der hinten kommt, bewegt. +Was er berührt, wie ich es wohl gewahrte. +Und wie’s kein Totenfuß zu machen pflegt." +Da trat ihm an die Brust mein weiser Leiter, +Wo Mensch und Roß sich einigt und verträgt. +"Lebendig ist," so sprach er, "der Begleiter, +Der dieses dunkle Tal mit mir bereist; +Notwendigkeit, nicht Neugier, zieht uns weiter. +Von dort, wo Gott ihr Halleluja preist, +Kam eine her, dies Amt mir aufzutragen. +Er ist kein Räuber, ich kein böser Geist. +Doch, bei der Kraft, durch die ich sonder Zagen +Auf wildem Pfad im Schmerzensland erschien. +Gib einen uns von diesen, die hier jagen. +Daß er die Furt uns zeig’, und jenseits ihn +Trag auf dem Kreuz ans andere Gestade, +Denn er, kein Geist, kann durch die Luft nicht zieh’n." +"Auf, Nessus, leite sie auf ihrem Pfade," +Rief Chiron rechts gewandt, "bewahre sie, +Daß sonst kein Trupp der unsern ihnen schade." +Da solch Geleit uns Sicherheit verlieh, +So gingen wir am roten Sud von hinnen. +Aus dem die Rotte der Gesottnen schrie. +Bis zu den Brauen waren viele drinnen. +"Tyrannen sind’s, erpicht auf Gut und Blut," +So hört’ ich den Zentauren nun beginnen, +"Jetzt heulen sie in ihrer Qualen Wut. +Den Alexander sieh und Dionysen, +Der auf Sizilien Schmerzensjahre lud. +Die schwarzbehaarte Stirn sieh neben diesen, +Den Ezzelin--und jener Blonde dort +Ist Obiz Este, der, wie’s klar erwiesen, +Vertilgt ward durch des Rabensohnes Mord." +Den Dichter sah ich an, der sprach: "Der Zweite +Bin ich, der Erste der, merk’ auf sein Wort." +Und weiter gab uns Nessus das Geleite +Zu Volke, das, bis an des Mundes Rand +Im heißen Sprudel, heult’ und maledeite. +Und seitwärts zeigt er einen mit der Hand: +" Der macht’ einst am Altar das Herz verbluten, +Das man noch jetzt verehrt am Themsestrand." +Und viele hielten aus den heißen Fluten +Das ganze Haupt, dann Brust und Leib gestreckt, +Auch kannt’ ich manchen in den nassen Gluten. +Stets seichter ward das Blut, so daß bedeckt +Am Ende nur der Schatten Füße waren, +Und dorten ward des Grabens Furt entdeckt. +Da sagte der Zentaur: "Du wirst gewahren, +Wie immer seichter hier das Blut sich zeigt. +Jetzt aber, will ich, sollst du auch erfahren, +Daß dort der Grund je mehr und mehr sich neigt. +Bis wo die Flut verrinnt in jenen Tiefen, +Woraus das Seufzen der Tyrannen steigt. +Gerechter Zorn und Rache Gottes riefen +Dorthin der Erde Geißel, Attila, +Pyrrhus und Sextus; und von Tränen triefen. +Von Tränen, ausgekocht vom Blute, da +Die beiden Rinier, arge Raubgesellen, +Die man die Straßen hart bekriegen sah--" +Hier wandt’ er sich, rückeilend durch die Wellen. + + +Dreizehnter Gesang + +Noch war nicht Nessus jenseits am Gestade, +Da schritten wir in einen Wald voll Grau’n, +Und nirgend war die Spur von einem Pfade. +Nicht grün war dort das Laub, nur schwärzlichbraun, +Nicht glatt ein Zweig, nur knotige, verwirrte, +Nicht Frucht daran, nur gift’ger Dorn zu schau’n. +Nie bei Cornet und der Cecina irrte +Damhirsch und Eber durch so dichten Hain, +Dies Wild, das nie die Saat des Feldes kirrte. +Hier aber nisten die Harpy’n sich ein, +Die, von den Inseln Trojas Volk zu scheuchen, +Es ängsteten mit Unglücksprophezei’n, +Mit breiten Schwingen, Federn an den Bäuchen, +Klau’n an den Füßen, menschlich von Gesicht, +Wehklagend aus den seltsamen Gesträuchen. +"Bevor du eindringst, wisse, dich umflicht", +Sprach er, "der zweite Binnenkreis; zu schauen, +Indes du weitergehst, versäume nicht. +So kommst du, schauend, in den Sand voll Grauen, +Und gib wohl acht; denn allem, was ich sprach, +Wirst du dann durch den Augenschein vertrauen." +Schon hört’ ich rings Geheul und Oh und Ach, +Doch sah ich keinen, der so ächzt’ und schnaubte, +So daß mein Knie mir fast vor Schauder brach. +Ich glaub’, er mochte glauben, daß ich glaubte. +Verborgne stöhnten aus dem dunkeln Raum, +Die mir zu sehn das Dickicht nicht erlaubte. +"Brich nur ein Zweiglein ab von einem Baum," +Begann mein Meister, "und du wirst entdecken. +Was du vermutest, sei ein leerer Traum.’’ +Da säumt’ ich nicht,- die Finger auszustrecken. +Riß einen Zweig von einem großen Dorn, +Und plötzlich schrie der stumpf zu meinem Schrecken: +"Was brichst du mich?"--worauf ein blut’ger Born +Aus ihm entquoll, und diese Wort’ erklangen: +"Was peinigt uns dein rnitleidloser Zorn? +Uns, Menschen einst, von Rinden jetzt umfangen. +Wohl größre Schonung ziemte deiner Hand, +Und wären wir auch Seelen nur von Schlangen." +Gleich wie ein grüner Ast, hier angebrannt, +Dort ächzt und sprüht, wenn, aufgelöst in Winde, +Der feuchte Dunst den Weg nach außen fand; +So drangen Wort und Blut aus Holz und Rinde, +Und mir entsank das Reis, daß ich geraubt; +Dann stand ich dort, als ob ich Furcht empfinde. +"Verletzte Seele, hätt’ er je geglaubt. +Was früher schon ihm mein Gedicht entdeckte," +So sprach Virgil, "nie hätt’ er sich’s erlaubt. +Wenn er die Hand nach deinem Aste streckte, +So reut’s mich itzt, daß, weil’s unglaublich schien, +Ich Lust in ihm zu solcher Tat erweckte. +Doch sag’ ihm, wer du warst. Er wird, wenn ihn +Der Tag einst neu umfängt, den Fehl zu büßen, +Dort frisch ans Licht dein Angedenken zieh’n." +Der Stamm: "Ein Köder ist im Wort, dem süßen, +Der mich zum Sprechen lockt; mag euch’s, wenn mich +Der Leim beim Reden festhält, nicht verdrießen. +Ich bin’s, der einst das Herz des Friederich +Mit zweien Schlüsseln auf- und zugeschlossen +Und sie so sanft und leis gedreht, daß ich, +Nur ich, sonst keiner, sein Vertraun genossen-- +Und bis ich ihm geopfert Schlaf und Blut, +Weiht’ ich dem hohen Amt mich unverdrossen. +Die Hure, die mit buhlerischer Glut +Auf Cäsars Haus die geilen Blicke spannte, +Sie, aller Höfe Tod und Sünd’ und Wut, +Schürt an, bis alles gegen mich entbrannte, +Und alle schürten Friedrichs Gluten an. +Daß heitrer Ruhm in düstres Leid sich wandte. +Da hat mein zornentflammter Geist, im Wahn, +Durch Sterben aller Schmach sich zu entwinden. +Mir, dem Gerechten, Unrecht angetan. +Bei diesen Wurzeln schwör’ ich, diesen Rinden: +Stets war’s um meine Treue wohlbestellt +Für ihn, der wert war, ew’gen Ruhm zu finden; +Kehrt einer je von euch zurück zur Welt, +So mög’ er dort mein Angedenken heben, +Das jener Streich des Neids noch niederhält." +Hier hielt er an, ich aber schwieg mit Beben. +Da sprach der Dichter: "Ohne Zeitverlust +Frag’ ihn, er wird auf alles Antwort geben." +Ich aber: "Frag’ ihn selbst. Dir ist bewußt, +Was mir ersprießlich sei, ihm abzufragen; +Ich könnt’ es nicht, denn Leid drückt meine Brust." +Und er: "Soll einst, was du ihm aufgetragen,-- +Er frei vollzieh’n, dann, o gefangner Geist, +Beliebe dir, zuvor uns anzusagen, +Wie dieser Stämme Band die Seel’ umkreist? +Und, wenn um sie sich starre Rinden legen, +Ob diesen Gliedern eine sich entreißt? +Ein starker Hauch schien sich im Stamm zu regen, +Dann aber ward der Wind zu diesem Wort: +"In kurzer Rede sag’ ich dies dagegen: +Wenn die vom Leib sich trennen, welche dort +Sich frevelhaft in wildern Grimm entleiben, +Schickt Minos sie zu diesem Schlunde fort. +Hier fallen sie, wie sie die Stürme treiben, +In diesen Wald nach Zufall, ohne Wahl, +Um wie ein Speltkorn wuchernd zu bekleiben. +So wachsen Büsch’ und Bäum’ in diesem Tal, +Und die Harpy’n, die sich vom Laube weiden, +Sie machen Qual, und Öffnung für die Qual. +Einst eilen wir nach unserm Leib, doch kleiden +Uns nie darein; denn was man selbst sich nahm. +Will Gott uns nimmer wieder neu bescheiden. +Wir schleppen ihn in diesen Wald voll Gram, +Und jeder Leib wird an den Baum gehangen. +Den hier zur ew’gen Haft sein Geist bekam." +Wir horchten auf den Stamm noch, voll Verlangen, +Mehr zu vernehmen, als urplötzlich schnell +Schrei’n und Getos zu unsern Ohren drangen. +Als ob hier Eber, Hund und Jagdgesell, +Die ganze Jagd, heran laut tosend brauste +Mit Waldesrauschen, Schreien und Gebell.-- +Und sieh, linksher, zwei Nackende, Zerzauste, +Fortstürmen, wie vom Äußersten bedroht, +Daß das Gezweig zertrümmert kracht’ und sauste. +Der Vordre schrie: "Zu Hilfe, Hilfe, Tod!" +Dem andern schien’s, daß es mehr Eile brauche; +"Lan," rief er, "dort bei Toppo in der Not +Schien nicht dein Fußwerk gut zu dem Gebrauche." +Dann, weil erschöpft vielleicht des Odems Rest, +Macht’ er ein Knäu’l aus sich und einem Strauche. +Sieh schwarze Hunde, durchs Gestrüpp gepreßt. +Schnell hinterdrein, die wild die Läufe streckten, +Wie Doggen, die man von der Kett’ entläßt. +Sie schlugen ihre Zahn’ in den Versteckten, +Zerrissen ihn und trugen stückweis dann +Die Glieder fort, die frischen, blutbefleckten. +Mein Führer faßte bei der Hand mich an +Und führte mich zum Busche, der vergebens +Aus Rissen klagte, welchen Blut entrann. +Er sprach: "Was machtest du doch eitlen Strebens, +O Jakob, meinen Busch zu deiner Hut? +Trag’ ich die Schulden deines Lasterlebens?" +Mein Meister, dessen Schritt bei ihm geruht, +Sprach: "Wer bist du? Warum aus so viel Rissen +Hauchst du zugleich die Schmerzensred’ und Blut?" +Und er: "Die ihr gekommen, um zu wissen, +Wie harte Schmach ich hier erdulden muß, +Zu sehn, wie man mir so mein Laub entrissen. +O sammelt’s an des traur’gen Stammes Fuß. +Ich bin aus jener Stadt, die statt des alten +Den Täufer wählt als Schutzherrn. Voll Verdruß +Wird jener drum als Feind ihr grausam walten, +Und hätte man nicht noch sein Bild geschaut. +Das dort sich auf der Arnobrück’ erhalten. +Die Bürger, die sie wieder aufgebaut +Vom Brand des Attila, aus Schutt und Grause, +Sie hätten ihrer Müh’ umsonst vertraut. +Den Galgen macht’ ich mir aus meinem Hause." + + +Vierzehnter Gesang + +Weil ich der Vaterstadt mit Rührung dachte, +Las ich das Laub, das ich, das Herz soll Leid, +Zurück zum Stamm, der kaum noch ächzte, brachte. +Drauf kamen wir zur Grenz’ in kurzer Zeit +Vom zweiten Binnenkreis und sah’n im dritten +Ein krauses Kunstwerk der Gerechtigkeit. +Denn dort eröffnete vor unsern Schritten +Und unsern Blicken sich ein ebnes Land, +Des Boden nimmer Pflanz’ und Gras gelitten. +Und wie sich um den Wald der Graben wand, +War dieses von dem Schmerzenswald umwunden. +Hier weilten wir an beider Kreise Rand. +Dort ward ein tiefer, dürrer Sand gefunden. +Der dem, den Cato’s Füße stampften, glich, +Wie wir vernehmen aus den alten Kunden. +O Gottes Rache! Jeder fürchte dich, +Dem, was ich sah, mein Lied wird offenbaren, +Und wende schnell vom Lasterwege sich. +Denn nackte Seelen sah ich dort in Scharen, +Die, alle klagend jämmerlich und schwer, +Doch sich nicht gleich in ihren Strafen waren. +Die lagen rücklings auf der Erd’ umher, +Die sah ich sich zusammenkrümmend kauern. +Noch andre gingen immer hin und her. +Die Mehrzahl mußt’ im Gehn die Straf’ erdauern. +Der Liegenden war die geringre Zahl, +Doch mehr gedrängt zum Klagen und zum Trauern. +Langsamen Falls sah ich mit rotem Strahl +Hernieder breite Feuerflocken wallen, +Wie Schnee bei stiller Luft im Alpental. +Wie Alexander einstens Feuerballen, +Fest bis zur Erde, sah auf seine Schar +In jener heißen Gegend Indiens fallen, +Daher sein Volk, vorbeugend der Gefahr, +Den Boden stampfen mußt’, um sie zu töten, +Weil einzeln sie zu tilgen leichter war; +So sah ich von der Glut den Boden röten; +Wie unterm Stahle Schwamm, entglomm der Sand, +Wodurch die Qualen zwiefach sich erhöhten. +Nie hatten hier die Hände Stillestand, +Und hier- und dorthin sah ich sie bewegen, +Abschüttelnd von der Haut den frischen Brand. +Da sprach ich: "Du, dem alles unterlegen, +Bis auf die Geister, die sich dort voll Wut +Am Tor zur Wehr gestellt und dir entgegen. +Wer ist der große, welcher, diese Glut +Verachtend, liegt, die Blicke trotzig hebend, +Noch nicht erweicht von dieser Feuerflut?" +Und jener rief, mir selber Antwort gebend, +Weil er gemerkt, daß ich nach ihm gefragt, +Uns grimmig zu: "Tot bin ich, wie einst lebend. +Sei auch mit Arbeit Jovis Schmied geplagt, +Von welchem er den spitzen Pfeil bekommen, +Den er zuletzt in meine Brust gejagt; +Zur Hilfe sei die ganze Schar genommen, +Die rastlos schmiedet in des Ätna Nacht; +Hilf, hilf, Vulkan, so schrei’ er zornentglommen, +Wie er bei Phlägra tat in jener Schlacht; +Mit aller Macht sei das Geschoß geschwungen, +Gewiß, daß nie ihm frohe Rache lacht--" +Da hob so stark, wie sie mir nie erklungen, +Mein Meister seine Stimm’, ihm zuzuschrei’n: +"O Kapaneus, daß ewig unbezwungen +Dich Hochmut nagt, ist deine wahre Pein, +Denn keine Marter, als dein eignes Wüten, +Kann deiner Wut vollkommne Strafe sein." +Drauf schien des Meisters Zorn sich zu begüten. +Von jenen sieben war er, sagt’ er mir, +Die Theben zu erobern sich bemühten. +Er höhnt, so scheint’s, noch Gott in wilder Gier, +Und, wie ich sprach, sein Stolz bleibt seine Schande, +Sein Trotz des Busens wohlverdiente Zier. +Jetzt folge mir, doch vor dem heißen Sande +Verwahr’ im Gehen sorglich deinen Fuß +Und halte nah dich an des Waldes Rande. +Ich ging und schwieg, und einen kleinen Fluß +Sah ich diesseits des Waldes sprudelnd quellen. +Vor dessen Rot’ ich jetzt noch schaudern muß. +Den Bach aus jenem Sprudel gleichzustellen. +Der Buhlerinnen schändlichem Verein, +Floß er den Sand hinab mit dunkeln Wellen. +Und Grund und Ufer waren dort von Stein, +Auch beide Ränder, die den Fluß umfassen. +Drum mußte hier der Weg hinüber sein. +"Von allem, was ich noch dich sehen lassen. +Seit wir durch jenes Tor hier eingekehrt. +Das uns, wie alle, ruhig eingelassen, +War noch bis jetzt nichts so bemerkenswert. +Als dieser Fluß, zu dem du eben ziehest, +Der über sich die Flämmchen schnell verzehrt." +So er zu mir und ich darauf: "Du siehest +Mich lüstern schon genug, drum speist’ ich gern; +Gib Kost nur, wie du Essenslust verliehest." +Und er: "Öd liegt ein Land im Meere fern, +Das Kreta hieß, und Keuschheit hat gewaltet, +Als noch die Welt stand unter seinem Herrn. +Ein Berg dort, Ida, war einst schön gestaltet, +Mit Quellen, Laub und Blumen reich geschmückt, +Jetzt ist er öd, verwittert und veraltet. +Dorthin hat Rhea ihren Sohn entrückt. +Und, alle Späher listig hintergehend, +Des Kindes Schrei’n durch Tosen unterdrückt. +Ein hoher Greis ist drin, g’rad’ aufrecht stehend, +Den Rücken nach Damiette hingewandt, +Nach Rom hin, wie in seinen Spiegel, sehend; +Das Haupt von feinem Gold; Brust, Arm und Hand +Von reinem Silber; weiter dann hernieder +Von Kupfer nur bis an der Hüften Rand; +Von tücht’gem Eisen bis zur Sohle nieder; +Nur von gebranntem Ton der rechte Fuß, +Doch ruht auf diesem meist die Last der Glieder. +Das Gold allein ist von gediegnem Guß; +Die andern haben Spalt’ und träufeln Zähren, +Und diese brechen durch die Grott’ als Fluß, +Um ihren Lauf nach diesem Tal zu kehren. +Als Acheron, als Styx, als Phlegethon, +Und bilden, wenn sie zu den tiefsten Sphären +Durch diesen engen Graben hingefloh’n, +Dort den Kozyt; doch nahst du diesem Teiche +Bald selber dich, drum hier nichts mehr davon." +Und ich zu ihm: "Wenn auf der Erd’, im Reiche +Des Tages, schon der kleine Fluß entstund, +Wie kommt es, daß ich ihn erst hier erreiche?" +Und er zu mir: "Du weißt, der Ort ist rund, +Und ob wir gleich schon tief hernieder drangen, +Doch haben wir, da wir uns links zum Grund +Herabgewandt, den Kreis nicht ganz umgangen, +Und wenn du auch noch manches Neue siehst, +Mag Staunen drum dein Auge nicht befangen." +"Sprich noch, wo Phlegethon, wo Lethe fließt? +Du schweigst von der; von jenem hört’ ich sagen, +Daß er aus diesem Regen sich ergießt." +So ich; und er: "Gern hör’ ich deine Fragen, +Doch sollte wohl des roten Wassers Sud +Auf jene selbst die Antwort in sich tragen. +Nicht in der Hölle fließt der Lethe Flut, +Dort siehst du sie beim großen Seelenbade, +Wenn die bereute Schuld auf ewig ruht." +Und drauf: "Jetzt weg vom Wald, und komm gerade +Denselben Weg, den meine Spur dich lehrt; +Die Ränder, nicht entzündet, bilden Pfade, +Und über ihnen wird der Dunst verzehrt." + + +Fünfzehnter Gesang + +Wir gehen nun auf hartem Rand zusammen, +Und Dampf des Bachs, der drüber nebelt, schützt +Das Wasser und die Dämme vor den Flammen. +So wie sein Land der Flandrer unterstützt, +Bang vor der Springflut Ansturz, die vom Baue +Des festen Damms rückprallend schäumt und spritzt; +Wie längs der Brenta Schloß und Dorf und Aue +Die Paduaner sorglich wohl verwahrt, +Bevor der Chiarentana Frost erlaue; +So war der Damm auch hier von gleicher Art, +Nur daß in minder hohen, dicken Massen +Vom Meister dieser Bau errichtet ward. +Schon weit zurück hatt’ ich den Wald gelassen, +So daß der Blick, nach ihm zurückgewandt, +Doch nicht vermögend war, ihn zu erfassen. +Da kam am Fuß des Damms ein Schwarm gerannt. +Und wie am Neumond bei des Abends Grauen +Nach dem und jenem man die Blicke spannt, +So sahn wir sie auf uns nach oben schauen; +Und wie der alte Schneider nach dem Öhr, +So spitzten sie nach uns die Augenbrauen. +Und wie sie alle gafften, faßte wer +Mich bei dem Saum, indem er mich erkannte, +Und rief erstaunt: "Welch Wunder! Du? Woher?" +Und ich, wie er nach mir gegriffen, wandte +Den Blick ihm fest aufs Angesicht, das schier +Geröstet war; doch zeigte das verbrannte +Sogleich die wohlbekannten Züge mir; +Drum, neigend, auf sein Antlitz zu, die Arme, +Rief ich: "Ei, Herr Brunetto, seid ihr hier?" +"Mein Sohn," sprach jener, "daß dich mein erbarme! +Gern spräche wohl Brunett Latini dich +Ein wenig hier, entfernt von diesem Schwarme." +"Ich bitt’ euch selbst darum," entgegnet’ ich, +"Daher ich gern mit euch mich setzen werde, +Wenn’s dieser billigt, denn er leitet mich." +Und er: "Ach Sohn, wer weilt von dieser Herde, +Darf sich nicht wedeln hundert Jahr hernach +Und liegt, die Glut erduldend, auf der Erde. +Drum geh, ich folge deinem Tritte nach, +Bis wir aufs neu’ zu meiner Rotte kommen, +Die weinend geht in Leid und ew’ger Schmach." +Gern war’ ich neben ihn hinabgeklommen. +Doch wagt’ ich’s nicht und ging, das Haupt geneigt, +Wie wer da geht von Ehrfurcht eingenommen, +"Du, welcher vor dem Tod herniedersteigt," +Begann er nun, "welch Schicksal führt dein Streben? +Und wer ist der, der dir die Pfade zeigt?" +"Dort oben," sprach ich, "in dem heitern Leben +War ich, eh’ reif mein Alter, ohne Rat +Verirrt und rings von einem Tal umgeben. +Aus dem ich eben gestern morgens trat. +Zurück ins Tal wollt’ ich, da kam mein Leiter +Und führt mich wieder heim auf diesem Pfad." +Drauf sprach er: "Folgst du deinem Sterne weiter. +Dann, wenn ich recht bemerkt im Leben, schafft +Er dich zum Hafen, ehrenvoll und heiter. +Und hätte mich der Tod nicht weggerafft, +Hart’ ich, da dir so hold die Sterne waren, +Dich selbst zum Werk gestärkt mit Mut und Kraft. +Doch jenem Volk von schnöden, Undankbaren, +Das niederstieg von Fiesole und fast +Des Bruchsteins Härte noch scheint zu bewahren, +Ihm bist du, weil du wacker tust, verhaßt; +Mit Recht, weil übel stets zu Dorngewinden +Mit herber Frucht die süße Feige paßt. +Man heißt sie dort nach altem Ruf die Blinden, +Voll Geiz, Neid, Hochmut, faul an Schal’ und Kern-- +Laß rein dich stets von ihren Sitten finden, +So großen Ruhm bewahrt dir noch dein Stern, +Daß beide Teile hungrig nach dir ringen, +Doch dieses Kraut bleibt ihrem Schnabel fern. +Das Fiesolaner Vieh mag sich verschlingen, +Sich gegenseits, doch nie berühr’s ein Kraut, +Kann noch sein Mist hervor ein solches bringen, +In dem man neubelebt den Samen schaut +Von jenen Römern, welche dort geblieben. +Als man dies Nest der Bosheit auferbaut." +"War einst, was ich gewünscht, des Herrn Belieben," +Entgegnet’ ich, "gewiß, ihr wäret nicht +Noch aus der menschlichen Natur vertrieben. +Das teure, gute Vaterangesicht, +Noch seh’ ich’s vor betrübtem Geiste schweben, +Noch denk’ ich, wie ihr mich im heitern Licht +Gelehrt, wie Menschen ew’gen Ruhm erstreben, +Und wie mir dies noch teuer ist und wert, +Soll kund, solang’ ich bin, die Zunge geben. +Was ihr von meiner Laufbahn mich gelehrt, +Bewahr’ ich wohl--Werd’ ich die Herrin schauen +Nebst anderm Text wird mir auch dies erklärt. +Dem aber, will ich, sollt ihr fest vertrauen: +Ist’s nur mit dem Gewissen wohlbestellt, +Dann macht kein Schicksal, wie’s auch sei, mir Grauen. +Mir ist nicht neu, was eure Red’ enthält. +Doch mag der Bauer seine Hacke schwingen +Und seinen Kreis das Glück, wie’s ihm gefällt." +Rechts kehrte sich Virgil, indem wir gingen, +Nach mir zurück und sah mich an und sprach: +"Gut hören, die’s behalten und vollbringen." +Ich aber ließ drum nicht im Sprechen nach, +Und wünschte die berühmtesten zu kennen +Von den Genossen dieser Pein und Schmach. +Drauf Herr Brunett: "Gut ist es, ein’ge nennen, +So wie von andern schweigen löblich scheint, +Auch würd’ ich nicht von allen sagen können. +Gelehrte sind und Pfaffen hier vereint +Von großem Ruf, die einst besudelt waren +Mit jenem Fehl, den jeder nun beweint. +Franz von Accorso geht in diesen Scharen, +Auch Priscian, und war dir’s nicht zu schlecht, +Vorhin so schnöden Aussatz zu gewahren, +So sahst du jenen, den der Knechte Knecht +Zwang, nach Vicenz vom Arno aufzubrechen, +Allwo der Tod sein toll Gelüst gerächt. +Gern sagt’ ich mehr--doch mit dir gehn und sprechen +Darf ich nicht länger, denn schon hebt sich dicht +Ein neuer Rauch auf jenen sand’gen Flächen. +Auch naht hier Volk, von dem mich das Gericht +Geschieden hat--Mein Schatz sei dir empfohlen, +Ich leb’ in ihm noch--mehr begehr’ ich nicht." +Hier wandt’ er sich, die andern einzuholen, +Wie nach dem Ziel mit grünem Tuch geziert. +Der Veroneser läuft mit flücht’gen Sohlen, +Und schien, wie wer gewinnt, nicht wer verliert + + +Sechzehnter Gesang + +Ich war am Ort, wo’s widerhallend brauste +Vom Wasser, das da stürzt’ ins nächste Tal, +Als ob ein Schwarm von Bienen summt’ und sauste; +Da rannten Schatten her, drei an der Zahl, +Und trennten sich von einer größern Bande, +Die hinlief durch des Feuerregens Qual, +Und schrien: "Halt du, wir sehn es am Gewande +Dir deutlich an, du bist hierher versetzt +Aus unserm eignen schnöden Vaterlande." +Ach, alt’ und neue Wunden, eingeätzt +Von Flammen, sah ich nun in ihrem Fleische, +Und noch voll Mitleid denk’ ich ihrer jetzt. +Mein Meister horcht’ auf dieses Schmerzgekreische +Und sah mich an und sprach: "Hier harren wir! +Bedenke jetzt, was Höflichkeit erheische. +Denn wäre nicht der Feuerregen hier, +Nach der Natur des Orts, so würd’ ich sagen: +Die Eile zieme, mehr als ihnen, dir." +Ich stand und hörte neu ihr altes Klagen; +Zu uns gekommen waren alle nun, +Da sah ich sie sich selbst im Kreise jagen. +Wie nackende gesalbte Kämpfer tun, +Die Griff und Vorteil zu erforschen pflegen, +Indessen noch die Püff’ und Stöße ruh’n; +So sah ich sie im Kreise sich bewegen, +Mir immerdar das Antlitz zugewandt, +Und Hals und Fuß an Richtung sich entgegen. +Und einer sprach: "Wenn dieser lockre Sand +Und unsre Not uns nicht verächtlich machte. +Und unsre Haut, so rußig und verbrannt, +Dann unser Flehn, ob unsers Rufs, beachte; +Sprich, wer bist du? Wie lebend hier erscheinst? +Und was dich sicher her zur Hölle brachte? +Der, welchem du mich folgen siehst, war einst, +Muß er auch nackt hier und geschunden rennen. +Von höherm Range wohl, als du vermeinst. +Wer hörte nicht Gualdradas Enkel nennen, +Den Guidoguerra, dessen Schwert und Geist +Wohl Puglia und Florenz als tüchtig kennen? +Der hinter mir den lockern Sand durchkreist, +Tegghiajo ist’s, des Rat man noch auf Erden, +Obwohl man ihm nicht folgt’, als heilsam preist. +Ich, ihr Genoss’ in schrecklichen Beschwerden, +Bin Jakob Rusticucci, und mich ließ +Mein böses, wildes Weib so elend werden."-- +Wenn irgend was vor’m Feuer Schutz verhieß. +So stürzt’ ich gern mich unter sie hernieder, +Auch litt, so glaub’ ich, wohl mein Meister dies. +Allein verbrannt hätt’ ich auch meine Glieder, +Drum unterdrückte Furcht in mir die Lust, +Die Jammervollen zu umarmen, wieder. +"Nicht der Verachtung bin ich mir bewußt," +Begann ich, "nur des Leids für euch Geplagte, +Und schwer verwinden wird es meine Brust. +Ich fühlt’ es, als mein Herr mir Worte sagte, +Durch welche mir es deutlich ward und klar, +Daß, wer hier komme, hoch auf Erden ragte. +Ich bin aus eurer Stadt, und nimmerdar +Wird eures Tuns ruhmvoll Gedächtnis schwinden, +Das immer mir auch lieb und teuer war. +Ich ließ’ die Gall, um süße Frucht zu finden, +Die mein wahrhafter Führer prophezeit, +Doch muß ich erst zum Mittelpunkt mich winden." +"Soll lang’ noch deine Seele das Geleit +Der Glieder sein," so sprach nun er dagegen, +"Soll leuchten noch dein Ruf nach deiner Zeit, +So sage mir, bewohnen, wie sie pflegen, +Wohl unsre Stadt noch Kraft und Edelmut? +Sind sie verbannt und völlig unterlegen? +Denn Borsiere, welcher diese Glut +Seit kurzem teilt, und dort mit andern schreitet, +Erzählt’ uns manches, was uns wehe tut!--" +"Neu Volk und schleuniger Gewinn verleitet +Zu Unmaß dich und Stolz, der dich betört, +Florenz, und dir viel Leiden schon bereitet!" +Ich rief’s, das Aug’ emporgewandt, verstört. +Starr sah’n die drei sich an bei meinen Reden, +Wie man sich anstarrt, wenn man Wahrheit hört. +"Wir wünschen Glück, wenn du so wohlfeil jeden +Abfert’gen kannst," war aller Gegenwort, +"Und dir’s bekommt, nach Herzenslust zu reden. +Entkommst du einst aus diesem dunkeln Ort +Und siehst den Sternenglanz, den schönen, süßen, +Und sagst dann froh und heiter: Ich war dort, +Vergiß dann nicht, die Welt von uns zu grüßen!"-- +Hier aber brachen sie den Kreis und floh’n +Voll Eil’ und wie mit Flügeln an den Füßen. +Eh’ man ein Amen ausspricht, waren schon +Sie alle drei aus meinem Blick verschwunden. +Drum ging sogleich mein Meister auch davon. +Ich folgt’ ihm nach, um Weitres zu erkunden, +Worauf uns bald des Stroms Gebraus erklang, +So nah, daß wir uns sprechend kaum verstunden. +Gleich jenem Flusse mit dem eignen Gang, +Des Fluten ostwärts vom Berg Veso toben. +Vom Apennin an seinem linken Hang; +Das stille Wasser heißt er erst dort oben, +Dann senkt er sich und wird bei Forli bald +Des ersten Namens wiederum enthoben-- +Des Sturz dort ob Sankt Benedikt erschallt. +Wo seine Wellen in den Abhang brausen, +Der groß für Tausend ist zum Aufenthalt: +So brach von einem Felsenhang voll Grausen +Der rotgefärbte Fluß sich brüllend Bahn, +Und kaum ertrug das Ohr sein wildes Sausen. +Mit einem Stricke war ich umgetan, +Und manches Mal mit diesem Gurte dachte +Ich das gefleckte Panthertier zu seh’n. +Nachdem ich los von mir den Gürtel machte, +Wie ich vom Führer mir geboten fand, +Macht’ ich ein Knäuel draus, das ich ihm brachte. +Er aber kehrte dann sich rechter Hand +Und schleuderte zum tiefen Felsenschlunde +Das Knäul hinunter ziemlich weit vom Rand. +"Entsprechend", dacht’ ich, "muß die neue Kunde +Dem neuen Wink und diesem Blicke sein, +Womit mein Meister schaut zum tiefen Grunde." +Stets präge doch der Mensch sich Vorsicht ein +Mit solchen, die des Herzens Sinn erspähen, +Und nicht sich halten an die Tat allein. +Er sprach: "Bald werden wir auftauchen sehen, +Was ich erwart’; und das, was du gedacht, +Wird deutlich bald vor deinen Blicken stehen." +Bei Wahrheit, die der Lüge gleicht, habt acht, +Soviel ihr könnt, euch nimmer auszusprechen, +Sonst werdet ihr ohn’ eure Schuld verlacht. +Doch kann ich mich zu reden nicht entbrechen +Und schwör’, o Leser, dir, bei dem Gedicht, +Dem nimmer möge Huld und Gunst gebrechen: +Ich sah durch jene Lüfte schwarz und dicht +Ein Bild, nach oben schwimmend, sich erheben, +Dem Kühnsten wohl ein wunderbar Gesicht-- +Wie jemand kehrt, der sich hinabbegeben. +Den Anker, der im Felsenrisse steckt, +Zu lösen, wenn er sich beim Aufwärtsstreben +Von unten einzieht und nach oben streckt. + + +Siebzehnter Gesang + +Sieh hier das Untier mit dem spitzen Schwanze, +Der Berge spaltet, Mauer bricht und Tor! +Sieh, was mit Stank erfüllt das große Ganze! +So hob mein Führer seine Stimm’ empor +Und rief mit seinem Wink das Tier zum Rande, +Bis nah zu unserm Marmorpfade vor. +Da kam des Truges Greuelbild zum Lande +Und schob den Kopf und dann den Rumpf heran, +Doch zog es nicht den scharfen Schweif zum Strande. +Von Antlitz glich es einem Biedermann +Und ließ von außen Mild’ und Huld gewahren, +Doch dann fing die Gestalt des Drachen an. +Mit zweien Tatzen, die bedeckt mit Haaren, +Und Rücken, Brust und Seiten, die bemalt +Mit Knoten und mit kleinen Schnörkeln waren; +Vielfarbig, wie kein Werk Arachnes strahlt, +Wie, was auch Türk und Tatar je gewoben, +So bunt doch nichts an Grund und Muster prahlt. +Wie man den Kahn, im Wasser halb, halb oben, +Am Lande sieht an unsrer Flüsse Strand, +Und wie, zum Kampf den Vorderleib erhoben. +Der Biber in der deutschen Fresser Land; +So sah ich jetzt das Ungeheuer, ragend +Und vorgestreckt auf unsers Dammes Rand, +Wild zappelnd, mit dem Schweif durchs Leere schlagend, +Und, mit der Skorpionen Wehr versehn, +Die Gabel windend und sie aufwärts tragend. +Mein Führer sprach: Jetzt müssen wir uns dreh’n +Und auf gewundnem Pfad zum Ungeheuer +Dorthin, wo’s jetzo liegt, hinuntergehn. +Nun führte rechter Hand mich mein Getreuer +Nur wenig Schritt’ hinab am Rande fort, +Den heißen Sand vermeidend und das Feuer. +Und unten angelangt, erkannt’ ich dort +Noch etwas vorwärts auf dem Sande Leute, +Nah sitzend an des Abgrunds dunklem Bord, +Mein Meister sprach: "Erkennen sollst du heute +Den ganzen Binnenkreis mit seiner Pein, +Drum geh und sieh, was jenes Volk bedeute. +Doch kurz nur dürfen deine Worte sein. +Ich will indes mich mit dem Tier vernehmen, +Den starken Rücken uns zur Fahrt zu leih’n." +So mußt’ ich einsam mich zu geh’n bequemen +Am Rand des siebenten der Kreis’ und nahm +Den Weg zum Sitze der betrübten Schemen. +Aus jedem Auge starrte Schmerz und Gram, +Indes die Hand, jetzt vor dem heißen Grunde, +Jetzt vor dem Dunst dem Leib zu Hilfe kam. +So scharren sich zur Sommerzeit die Hunde, +Wenn Floh sie oder Flieg’ und Wespe sticht, +Jetzt mit dem einen Fuß, jetzt mit dem Munde. +Die Augen wandt’ ich manchem ins Gesicht, +Der dort im Feuer saß und heißer Asche; +Und keinen kannt’ ich, doch entging mir nicht, +Vom Halse hänge jedem eine Tasche, +Bezeichnet und bemalt, und wie voll Gier +Nach diesem Anblick noch ihr Auge hasche. +Ich sah, wie ich genaht, ein blaues Tier +Auf gelbem Beutel, wie auf einem Schilde, +Das schien ein Leu an Kopf und Haltung mir. +Dann blickt’ ich weiter durch dies Qualgefilde, +Und sieh, ein andrer Beutel, blutigrot, +Zeigt’ eine butterweiße Gans im Bilde. +Ein blaues Schwein auf weißem Sacke bot +Sich dann dem Blick, und seine Stimm’ erheben +Hört’ ich den Träger: "Du hier vor dem Tod? +Fort! Fort! Doch wisse, weil du noch am Leben +Bald findet mir mein Nachbar Vitalian, +Zur Linken seinen Sitz, hier gleich daneben. +Oft schrei’n mich diese Florentiner an, +Mich Paduaner, mir zum größten Schrecken: +Möcht’ aller Ritter Ausbund endlich nah’n! +Wo mag doch die Dreischnabeltasche stecken?"-- +Hier zerrt’ er’s Maul schief, und die Zunge zog +Er vor, gleich Ochsen, so die Nase lecken. +Schon fürchtet’ ich, da ich so lang verzog, +Den Zorn des Meisters, der auf Eil’ gedrungen, +Daher ich schnell mich wieder rückwärts bog. +Auch fand ich, daß er schon sich aufgeschwungen +Und auf das Kreuz des Ungetüms gesetzt. +Er sprach: "Stark sei dein Mut und unbezwungen! +Hinunter geht’s auf solcher Leiter jetzt. +Steig vorn nur auf, ich will inmitten sitzen. +Daß dich des Schwanzes Stachel nicht verletzt." +Wie wer mit totenkalten Fingerspitzen +Das Fieber nahen fühlt und doch nicht wagt, +Wenn er schon zitternd bebt, sich zu erhitzen, +So wurd’ ich jetzt bei dem, was er gesagt, +Doch machte mich die Scham, gleich einem Knechte, +Wenn ihm ein güt’ger Herr droht, unverzagt. +Drum setzt’ ich auf dem Untier mich zurechte. +Und bitten wollt’ ich (doch erstarb der Ton), +Daß er mich halten und umfassen möchte. +Doch er, der oft bei der Dämonen Droh’n +Mich unterstützt und der Gefahr entzogen, +Umfaßte mich mit seinen Armen schon. +Und sprach: "Geryon, auf! Nun fortgeflogen! +Allein bedenke, wen dein Rücken trägt, +Drum steige sanft hinab in weiten Bogen." +Wie rückwärts sich vom Strand der Kahn bewegt, +Schob sich’s vom Damm, doch, kaum hinabgeklommen, +Ward dann im freien Spielraum umgelegt. +Als, wo die Brust war, nun der Schweif gekommen, +Ward dieser, wie ein Aalschweif, ausgestreckt, +Und mit dem Tatzenpaar die Luft durchschwommen. +So, glaub’ ich, war nicht Phaethon erschreckt, +Als einst die Zügel seiner Hand entgingen, +Beim Himmelsbrand, des Spur man noch entdeckt; +Noch Icarus, als von erwärmten Schwingen +Das Wachs herniedertroff, bei Dädals Schrei’n: +Dein Weg ist schlecht, dein Flug wird nicht gelingen; +Wie ich, nichts sehend, als das Tier allein, +Und rings umher von öder Luft umfangen, +Wo nie entglomm des Lichtes heitrer Schein. +Daß wir uns langsam, langsam niederschwangen, +Im Bogenflug, bemerkt’ ich nur beim Weh’n +Der Luft von unten her an Stirn und Wangen. +Rechts hört’ ich schon das Wirbeln und das Dreh’n +Des Wasserfalls und sein entsetzlich Brausen, +Und bog mich vorwärts, um hinabzusehn. +Doch schüchtern wieder bei des Abgrunds Sausen, +Bei Klag’ und Glut, die ich vernahm und sah, +Duckt’ ich mich hin und zitterte vor Grausen. +Was ich erst nicht gesehn, das sah ich da: +Wie wir im weiten Kreis hinunterstiegen. +Und sah mich überall den Qualen nah-- +Gleich wie ein Falk, wenn er, nach langem Wiegen +In hoher Luft, nicht Raub noch Lockbild steht, +Und ihn der Falkner ruft, herabzufliegen, +So schnell er stieg, so langsam niederzieht +Und, zürnend, wenn der Herr ihn eingeladen, +Im Bogenflug zum fernen Sitze flieht; +So setzt’ uns an den steilen Felsgestaden +Geryon ab und flog in großer Eil’, +Sobald er nur sich unsrer Last entladen, +Hinweg, gleich einem abgeschnellten Pfeil. + + +Achtzehnter Gesang + +Ein Ort der Hölle, namens Übelsäcken, +ist eisenfarbig, ganz erbaut von Stein, +So auch die Dämme, die ringsum ihn decken. +Grad’ in der Mitte dieses Lands der Pein +Gähnt hohl ein Brunnen, weit, mit tiefem Schlunde. +Von dem wird seines Orts die Rede sein. +Und zwischen Höhl’ und Felswand gehn im Runde +Rings so die Dämme, daß der Täler zehn +Abschnitte bilden in dem tiefen Grunde. +Wie um ein Schloß mehrfache Gräben gehn. +Dahinter wohlverwahrt die Mauern ragen +Und sicherer den Feinden widerstehn; +So war umgürtet dieser Ort der Plagen; +Und wie man Brücken pflegt zum andern Strand +Aus solcher festen Schlösser Tor zu schlagen, +So sprangen Zacken aus der Felsenwand, +Durchschnitten Wäll’ und Gräben erst und gingen. +Wie Räderspeichen, bis zum Brunnenrand. +Kaum konnten wir vom Kreuz Geryons springen, +So ging links hin mein Meister und befahl +Auch mir, auf seinen Spuren vorzudringen. +Und ganz erfüllt sah ich das erste Tal +Rechts, wohin Klagen meine Blicke riefen. +Von neuen Peinigern und neuer Qual. +Es waren nackte Sünder in den Tiefen, +Geteilt, denn hier zog gegen uns die Schar, +Und dort mit uns, nur daß sie schneller liefen; +Gleichwie man pflegt in Rom beim Jubeljahr +Zum Übergang die Brücke herzurichten +Ob übergroßen Andrangs, also zwar, +Daß hier gewendet sind mit den Gesichten, +Die zu Sankt Peter wallen, nach dem Schloß, +Die andern dort sich nach dem Berge richten. +Auf schwarzem Stein sprang hier und dort ein Troß +Von Teufeln nach, von schrecklichen, gehörnten. +Die schlugen wild auf sie von hinten los. +Wie sie beim ersten Schlage laufen lernten! +Wie sie, nicht harrend auf den zweiten Hieb, +Mit jähen, langen Sprüngen sich entfernten! +So fiel auf einen, den die Geißel trieb, +Mein Auge jetzt hinab, bei dem ich dachte, +Daß er nicht fremd mir auf der Erde blieb. +Scharf blickt’ ich hin, damit ich ihn betrachte, +Auch hielt mein Führer an, der’s zugestand, +Daß ich zurück erst ein’ge Schritte machte. +Zwar sucht’ er, bodenwärts den Blick gewandt, +Mir mit Gestalt und Angesicht zu geizen, +Doch rief ich, da ich dennoch ihn erkannt: +"Wenn deine Züge nicht zum Irrtum reizen, +So mein’ ich, daß du Venedigo seist; +Doch weshalb steckst du so in scharfen Beizen?" +"Nur ungern sag’ ich’s," sprach er drauf, "doch reißt +Dein klares Wort mich hin, das mich bezwungen, +Weil’s alte Zeit zurückführt meinem Geist. +Ich bin’s, der in Ghifolen so gedrungen, +Daß sie nach des Markgrafen Willen tat, +Wie ganz entstellt auch das Gerücht erklungen. +Und aus Bologna ist auf gleichem Pfad +An diesen Qualort so viel Volk gekommen, +Als jetzo diese Stadt kaum Bürger hat. +Und sollte dir hierbei ein Zweifel kommen, +So denk’, um sicher auf mein Wort zu bau’n. +Wie Habsucht uns die Herzen eingenommen." +Sprach’s, und ein Teufel kam, um einzuhau’n, +Mit hochgeschwungner Geißel her und sagte: +"Fort, Kuppler, fort, hier gibt’s nicht feile Frau’n." +Zum Führer ging ich, da ich bebt’ und zagte, +Und bald gelangten wir an einen Ort, +Wo aus der Wand ein Felsen vorwärts ragte. +Und dieser Zacken dient’ als Brücke dort; +Leicht klommen beide wir hinauf und zogen +Rechts hin aus jenen ew’gen Kreisen fort. +Bald dort, wo unter uns der Fels als Bogen +Sich höhlt’ und Durchgang der Gepeitschten war, +Sprach er: "In gleicher Richtung fortgezogen, +Sind wir bis jetzt mit jener zweiten Schar, +Drum konnten wir sie nicht von vorne sehen. +ietzt aber nimm die Angesichter wahr." +Wir blieben nun am Rand der Brücke stehen +Und sah’n den Schwarm, der uns entgegensprang, +Denn eilig hieß die Geißel alle gehen. +Da sprach mein Hort: "Sieh, noch mit Stolz im Gang, +Den Großen, der sich keine Klag’ erlaubte, +Dem aller Schmerz noch keine Trän’ entrang. +So königlich noch an Gestalt und Haupte! +Der Jason ist’s, der durch Verstand und Mut +Das Widdervlies dem Volk von Kolchis raubte. +Nach Lemnos kam er, als in ihrer Wut +Die Frau’n, die glühend Eifersucht durchzuckte, +Vergossen hatten aller Männer Blut; +Wo er durch Worte, täuschend ausgeschmückte. +Berückt Hypsipylen, das junge Herz, +Die alle Frau’n von Lemnos erst berückte. +Dort ließ er schwanger sie in ihrem Schmerz. +Dies bracht’ ihn her; und gleiche Straf’ erheischen +Medeas Leiden, einst ihm Spiel und Scherz-- +Auch gehn mit ihm, die gleicherweise tauschen. +Allein dies sei vorn ersten Tal genug +Und denen, so die Geißeln drin zerfleischen." +Im Kreuz den zweiten Damm durchschneidend, trug +Der Felspfad uns, der, auf den Widerlagen +Der Dämme, hier den andern Bogen schlug. +Dort, aus dem zweiten Sack, klang dumpfes Klagen, +Und Leute sah’n wir tief im Grunde sich +Laut schnaufend mit den flachen Händen schlagen. +Der Dämme Seiten waren schimmelig +Vom untern Dunste, der wie Teig dort klebte. +Für Aug’ und Nase feindlich widerlich. +Doch vor dem Blick, so sehr ich forschte, schwebte; +Noch dunkle Nacht, weil tief der Abgrund ist, +Bis ich des Felsenbogens Höh’ erstrebte. +Von hier, wo erst der Blick die Tiefe mißt. +Sah ich viel Leut in tiefem Kote stecken, +Und, wie mir’s vorkam, war es Menschenmist. +Ich forscht’ und sah ein Haupt sich vorwärts strecken, +Doch ganz beschmutzt mit Kot, drum könnt’ ich nicht, +Ob’s Lai’, ob Pfaffe sei, genau entdecken. +Da schrie er her: "Was bist du so erpicht, +Mich mehr als andre Schmutz’ge zu gewahren?" +Und ich: "Weil, ist mir recht, ich dein Gesicht +Bereits gesehm, allein mit trocknen Haaren. +Alex, Interminei heißest du, +Drum seh’ ich mehr auf dich als jene Scharen." +Und er, die Stirn sich schlagend, rief mir zu: +"Mich stürzte Schmeichelei herab zur Hölle, +Die ich dort übte sonder Rast und Ruh’." +Da sprach zu mir mein guter Meister: "Stelle +Dich etwas vor, und in die Augen fällt +Dir eine schmutz’ge Dirn’ an jener Stelle. +Sieh die Zerzauste, die sich kratzt und krellt +Mit kot’gen Nägeln, jetzt aufs neue greulich +im Mist versinkt und jetzt sich aufrecht stellt, +Die Hure Thais ist’s, jetzt so abscheulich. +Fragt’ einst ihr Buhl: "Steh’ ich in Gunst bei dir?" +Versetzte sie: "Ei, ganz erstaunlich! Freilich!" +Doch sei gesättigt unsre Schaulust hier. + + +Neunzehnter Gesang + +Simon Magus, ihr, o Arme, Blöde, +Die, was der Tugend ihr vermählen sollt. +Die Dinge Gottes, räuberisch und schnöde, +Ihr euch erbuhlt durch Silber und durch Gold, +Von euch soll jetzo die Posaun’ erschallen; +Euch zahlt der dritte Sack der Sünden Sold. +Erstiegen hatten wir die Felsenhallen +Des Stegs, von welchem mitten in den Schoß +Des nächsten Schlunds die Blicke senkrecht fallen. +Allweisheit, wie ist deine Kunst so groß +Im Himmel, auf der Erd’, im Höllenschlunde, +Und wie gerecht verteilst du jedes Los! +Ich sah dort an den Seiten und im Grunde +Viel Löcher im schwarzbläulichen Gestein, +Gleich weit und sämtlich ausgehöhlt zum Runde. +Sie mochten so, wie jene, wo hinein +Beim Taufstein Sankt Johanns die Täufer treten, +Und enger nicht, doch auch nicht weiter sein. +Eins dieser sprengt’ ich einst, weil ich in Nöten +Ein halbersticktes Kindlein drin entdeckt; +So sei’s besiegelt, so will ich’s vertreten; +Ich sah, daß sich, aus jedem Loch gestreckt, +Zwei Füß’ und Beine bis zum Dicken fanden, +Der andre Leib blieb innerhalb versteckt; +Sah, wie die Sohlen beid’ in Flammen standen, +Und sah die Knorren zappeln und sich dreh’n +So stark, daß sie wohl sprengten Kett’ und Banden. +Wie wir’s an ölgetränkten Dingen sehn, +Wo obenhin die Flammen flackernd rennen, +So von der Ferse dort bis zu den Zeh’n. +"Gern, Meister," sprach ich, "möcht’ ich diesen kennen. +Der wilder zuckt als die, so ihm gesellt, +Und dessen beide Sohlen röter brennen." +Und er: "Ich trage dich, wenn dir’s gefällt, +Arn schiefen Hang hinab--er wird dir zeigen, +Wer einst er war, und was im Loch ihn hält." +Drauf ich: "Du bist der Herr, und mein Bezeigen +Folgt dem gern, was mir als dein Wille kund, +Und du verstehst mich auch bei meinem Schweigen." +Drauf ging’s zum vierten Damm, und links zum Schlund +Trug mich mein Herr hinab zu neuen Leiden +In den durchlöcherten und engen Grund. +Er ließ mich nicht von seiner Hüfte scheiden, +Auf die er mich gesetzt, bis bei dem Ort +Des, der da weinte mit den Füßen beiden. +"Du, mit dem Obern unten," sprach ich dort, +"Hier eingerammt gleich einem Pfahl, verkünde: +Wer bist du? Sprich, ist dir vergönnt dies Wort." +Ich stand, dem Pfaffen gleich, dem seine Sünde +Der Mörder beichtet, welcher, schon im Loch, +Ihn rückruft, daß der Tod noch Aufschub finde. +Da schrie er: "Bonifaz, so kommst du doch, +So kommst du doch schon jetzt, mich fortzusenden? +Und man versprach dir manche Jahre noch? +Schon satt des Guts, ob des mit frechen Händen +Du trügerisch die schöne Frau geraubt, +Um ungescheut und frevelnd sie zu schänden?" +Ich stand verlegen, mit gesenktem Haupt, +Wie wer nicht recht versteht, was er vernommen. +Und sich beschämt kein Gegenwort erlaubt. +Da sprach Virgil: "Was stehst du so beklommen? +Sag’ ihm geschwind, daß du nicht jener seist, +Den er gemeint!"--Ich eilt’, ihm nachzukommen. +Die Fuße nun verdrehte wild der Geist +Und sprach mit Seufzern und mit dumpfen Klagen: +"Was also ist’s, das so dich fragen heißt? +Doch standest du nicht an, dich herzuwagen. +Um mich zu kennen, wohl, so sag’ ich dir, +Daß ich den großen Mantel einst getragen. +Der Bärin wahrer Sohn war ich, voll Gier +Fürs Wohl der Bärlein, und für diese steckte +Ich in den Sack dort Gold, mich selber hier. +Auch unter meinem Haupt gibt’s viel Versteckte. +Dort, durchgepreßt durch einen Felsenspalt, +Sind, die vor mir die Simonie befleckte. +Und dort hinab versink’ auch ich, sobald +Der kommt, für welchen ich dich angesehen. +Und der mir folgt in diesem Aufenthalt; +Doch wird er nicht so lang, als mir geschehen, +Die Füße brennend, köpflings eingesteckt, +Fest eingepfählt in diesem Loche stehen. +Denn nach ihm kommt, zu schlechter’m Werk erweckt, +Ein Hirt vom Westen, ein gesetzlos Wesen, +Das, wie sich ziemt, mich und auch ihn bedeckt. +Ein neuer Jason ist’s, von dem zu lesen +Im Makkabäerbuch, dem Philipp wird. +Was diesem einst Antiochus +Ich weiß nicht, ob ich nicht zu sehr geirrt, +Auf solche Red’ ihm dieses zu versetzen: +"Sprich, was verlangt’ einst unser Herr und Hirt, +Zuerst von Petrus wohl an Gold und Schätzen, +Um ihm das Amt der Schlüssel zu verleih’n?" +Komm, sprach er, um mein Werk nun fortzusetzen +Was trug’s dem Petrus und den andern ein. +Als man durch Los einst den Matthias kürte +Statt dessen, der ein Raub ward ew’ger Pein? +Nichts ward dir hier, als das, was sich gebührte; +Betrachte nur das schlechterworbne Geld, +Das gegen Karl’n zur Kühnheit dich verführte. +Und nur weil Ehrfurcht meine Zunge hält +Für jene Schlüssel, die du einst getragen, +Da du gewandelt in der heitern Welt, +Enthalt’ ich mich, dir Schlimmeres zu sagen: +Daß schlecht die Welt durch eure Habsucht ist. +Die Guten sanken und die Schlechten ragen. +Euch Hirten meinte der Evangelist +Bei ihr, die sitzend auf den Wasserwogen +Mit Königen zu huren sich vermißt. +Sie, mit den sieben Häuptern auferzogen, +Sie hatt’ in zehen Hörnern Kraft und Macht, +Solang der Tugend ihr Gemahl gewogen. +Eu’r Gott ist Gold und Silber, Glanz und Pracht. +Wohl besser sind die, so an Götzen hangen, +Die einen haben, wo ihr hundert macht. +Welch Unheil, Konstantin, ist aufgegangen, +Nicht, weil du dich bekehrt, nein, weil das Gut +Der erste reiche Papst von dir empfangen!" +Indes ich also sprach mit keckem Mut, +Da, sei’s daß Zorn ihn, daß ihn Reue nagte. +Verdreht er beide Bein’ in großer Wut. +Doch schien’s, daß es dem Führer wohlbehagte; +So stand er dort, zufrieden, aufmerksam. +Als ich so nachdrucksvoll die Wahrheit sagte; +Worauf er mich mit beiden Armen nahm, +Und als er mich an seine Brust gewunden, +Den Weg zurückestieg, auf dem er kam. +Er trug, nie matt, wie fest er mich umwunden. +Mich auf des Bogens Höhe sonder Rast, +Durch den der viert’ und fünfte Damm verbunden. +Dort setzt’ er sanft zu Boden meine Last, +Sanft, ob der Fels auch, steil emporgeschossen, +Zum Wege kaum für eine Ziege paßt; +Da ward ein andres Tal mir aufgeschlossen. + + +Zwanzigster Gesang + +Die neue Qual, zu der ich jetzt gewandelt. +Sie gibt dem zwanzigsten Gesange Stoff +Des ersten Lieds, das von Verdammten handelt. +Ich stand auf jenem Felsen rauh und schroff +Und spähte scharf hinab zum offnen Schlunde, +Der ganz von angsterpreßten Zähren troff. +Viel Leute gingen langsam in der Runde, +So, wie ein Wallfahrtszug die Schritte lenkt. +Stillschweigend, weinend in dem tiefen Grunde. +Als tiefer ich auf sie den Blick gesenkt, +Sah ich--ein Wunder scheint es und erdichtet-- +Vorn Kinn sie bis zum Achselbein verrenkt, +Das Angesicht zum Rücken hin gerichtet; +Drum mußten sie gezwungen rückwärts gehn, +Und ihnen war das Vorwärtsschau’n vernichtet. +So soll der Fallsucht Krampf das Haupt verdreh’n, +Wie man erzählt in wunderlichen Sagen, +Doch glaub’ ich’s nicht, da ich es nie gesehn. +Läßt Gott dein Lesen, Leser, Früchte tragen, +So frage selber dich, wie mir geschah, +Ob ich nicht weinen mußt’ und ganz verzagen, +Als ich des Menschen Ebenbild so nah +Verrenkt, verdreht und von der Augen Tränen +Genetzt den Spalt der Hinterbacken sah? +Wahr ist’s, auf eine von den Felsenlehnen +Stand ich gestützt und weinte ganz verzagt; +Da sprach mein Herr: "Willst du, gleich Toren, wähnen? +Fromm ist nur, wer das Mitleid hier versagt. +Wer ist verruchter wohl, als wer zu schmähen +Durch sein Bedauern Gottes Urteil wagt? +Empor das Haupt, empor! Den wirst du sehen, +Den einst vor Thebens Blick der Grund verschlang; +Drob alle schrien: Wohin? Was ist geschehen? +Amphiaraus, wird der Kampf zu lang?-- +Doch stürzt’ er fort und fort im tiefen Schachte, +Bis Minos ihn, gleich anderm Volk, bezwang. +Schau’, wie er ihm die Brust zum Rücken machte! +Schau’, wie er rückwärts schreitet, rückwärts steht, +Weil er zu weit voraus zu sehen dachte. +Tiresias sieh, der uns entgegenzieht. +Er, erst ein Mann, ward durch des Zaubers Gabe +Verwandelt in ein Weib an jedem Glied. +Dann aber schlug er mit dem Zauberstabe +Zuvor auf zwei verwundne Schlangen ein, +Damit er wieder Mannsgestaltung habe. +Den Rücken ihm am Bauch, kommt hinterdrein, +Nah angedrängt an ihn, des Aruns Schatte, +Der lebend einst in Lunis Felsenreih’n +Als Haus die weiße Marmorhöhle hatte, +Wohl ausgesucht, daß sie zum Meeresstrand +Und zu den Sternen freien Blick gestatte.-- +Die mit den wilden Haaren ohne Band +Die Brüste deckt, die sich nach hinten kehren, +Was sonst behaart ist, hinterwärts gewandt. +War Manto, die in Ländern und auf Meeren +Umirrte bis zum Ort, der mich gebar. +Von dieser will ich näher dich belehren. +Nachdem der Welt entrückt ihr Vater war +Und Bacchus’ Stadt verfiel in Sklavenbande, +Durchstreifte sie die Welt so manches Jahr. +Ein See liegt an des schönen Welschlands Rande, +Am Fuß des Alpgebirgs, das Deutschland schließt, +Benaco heißend, beim Tiroler Lande. +Zwischen Camonica und Gard’ ergießt, +Und Apennin, sich Flut in tausend Bächen, +Die in besagtem See zusammenfließt. +Inmitten aber liegen ebne Flächen, +Und drei verschiedne Hirten könnten dort +Auf einem Grenzpunkt ihren Segen sprechen. +Hier liegt Peschiera dann, ein starker Ort +Um Bergamo von Brescia abzuschneiden, +Und rings geht flacher dann die Gegend fort. +Hier muß sich von dem See das Wasser scheiden, +Das nicht mehr Raum in seinem Schoß gewinnt, +Und strömt als Fluß herab durch grüne Weiden. +Das Wasser, das hier seinen Lauf beginnt, +Heißt Mincio nun, und seine Wellen gleiten +Bis nach Governo, wo’s im Po verrinnt. +Nicht weit gelaufen, trifft es ebne Weiten, +Wo es sich ausdehnt und zum Sumpfe staut, +Der bösen Dunst verhaucht zu Sommerszeiten. +Als dort das rauhe Weib ein Land erschaut, +Das jenes Sumpfes Wogen rings umgaben. +Entblößt von Leuten und unangebaut, +Da blieb, um nichts von Menschen nah zu haben. +Sie mit den Dienern da, trieb Zauberei +Und lebt’ und ward in diesem Land begraben. +Bald kamen Menschen, rings zerstreut, herbei. +Die, weil sie sich auf diesen Ort verließen, +Und sah’n, daß durch das Moor kein Zugang sei, +Sich auf dem Grabe Mantos niederließen, +Und dann nach ihr, die erst den Ort erwählt, +Die Stadt, ohn’ andres Zeichen, Mantua hießen. +Sie hat vordem des Volkes mehr gezählt, +Eh’ Pinamont, den Toren zu betrügen. +Dem Cassalodi seinen Trug verhehlt. +Drum merke wohl, und sollt’ es ja sich fügen, +Daß Mantuas Ursprung man nicht so erklärt, +So laß der Wahrheit nichts entzieh’n durch Lügen." +Und ich: "Mein Meister, was dein Wort mich lehrt. +Ist mir gewiß und dient zu meinem Frommen, +All andres ist nur tote Kohl’ an Wert. +Doch sprich, von diesen, die uns näher kommen, +Ist irgend wer bemerkenswerter Art? +Denn dies nur hat den Geist mir eingenommen." +Und er: "Des Augurs Trug hat der, des Bart +Die braunen Schultern deckt, zur Zeit getrieben, +Als Griechenland so leer an Männern ward, +Daß Knaben kaum noch für die Wiegen blieben. +In Aulis sagt’ er da mit Kalchas wahr, +Zeit sei’s, daß sie das erste Tau zerhieben. +Kund tut mein tragisch Lied dir, wer er war. +Du wirst dich des Eurypylus entsinnen, +Denn mein Gedicht ja kennst du ganz und gar. +Sieh Michael Scotto auch, den magern, dünnen. +Der jeden Trug des Zaubers klug gelenkt +Und solches Spiel verstanden zu gewinnen. +Bonatti sieh--Asdent, den’s jetzo kränkt. +Allein zu spät, daß er in eitlem Trachten +Dort nicht auf seinen Leisten sich beschränkt. +Sich Vetteln, die statt Spill’ und Rad zu achten +Und Weberschiff, wie’s einem Weib gebührt, +Mit Kraut und Bildern Hexereien machten. +Jetzt komm! Indes ich dich hierher geführt, +Hat an der Grenze beider Hemisphären +Der Mond im Westen schon die Flut berührt. +Du sahst ihn gestern völlig sich erklären +Und sahst ihn dir im dichtverwachsnen Wald +Verschiedne Mal’ willkommnes Licht gewähren." +Er sprach’s, doch gingen wir ohn’ Aufenthalt. + + +Einundzwanzigster Gesang + +So ging’s von Brück’ auf Brück’, in manchem Wort, +Das ich zu sagen nicht für nötig halte; +Und oben, an des Bogens höchstem Ort, +Verweilten wir ob einer neuen Spalte +Und hörten draus den eitlen Laut der Qual +Und sah’n, wie unten tiefes Dunkel walte. +Gleich wie man in Venedigs Arsenal +Das Pech im Winter sieht aufsiedend wogen, +Womit das lecke Schiff, das manches Mal +Bereits bei Sturmgetos das Meer durchzogen, +Kalfatert wird--da stopft nun der in Eil +Mit Werg die Löcher aus am Seitenbogen, +Der klopft am Vorder-, der am Hinterteil +Der ist bemüht, die Segel auszuflicken, +Der bessert Ruder aus, der dreht ein Seil; +So ist ein See von Pech dort zu erblicken, +Das kocht durch Gottes Kunst, und nicht durch Glut, +Des Dünste sich am Strand zum Leim verdicken. +Ich sah den See, doch nichts in seiner Flut, +Die jetzt sich senkt’ und jetzt sich wieder blähte. +Als Blasen, ausgehaucht vom regen Sud. +Indes ich scharfen Blicks hinunterspähte, +Zog mich, indem er rief: "Hab’ acht! Hab’ acht!" +Mein Meister zu sich hin von meiner Stätte. +Da wandt’ ich mich, gleich einem, den mit Macht +Die Neugier zieht, das Schreckliche zu sehen, +Und der, da jähe Furcht ihn schaudern macht, +Doch, um zu schau’n, nicht zögert, fortzugehen. +Und sieh, ein rabenschwarzer Teufel sprang +Uns hinterdrein auf jenen Felsenhöhen. +Ach, wie sein Ansehn mich mit Graus durchdrang, +Wie wild er schien, wie froh in andrer Schaden! +Gespreizt die Schwingen, leicht und schnell den Gang, +Kam er, die Schultern hoch gespitzt, beladen +Mit einem Sünder her, der oben ritt, +Und mit den Klauen packt’ er seine Waden. +"Von Lucca bring’ ich einen Ratsherrn mit"-- +Schrie er, "auf, taucht ihn unter, Grimmetatzen! +Und jene Stadt ist wohlversehn damit, +Drum hol’ ich gleich noch mehr von solchen Fratzen. +Gauner sind alle dort, nur nicht Bontur, +Und machen Ja aus Nein für blanke Batzen." +Hinunterwarf er noch den Sünder nur, +Und rannte gleich zurück in solcher Eile, +Wie je der Hofhund nach dem Diebe fuhr. +Der Sünder sank, doch hob sich sonder Weile, +Da schrien die Teufel unten: "Fort mit dir, +Hier dient kein Heil’genbild zu deinem Heile. +Ganz anders als in Serchio schwimmt man hier. +Und sollen dich nicht unsre Haken packen. +So bleib im Peche nur, sonst fassen wir." +Gleich stießen sie mit tausend scharfen Zacken +Und schrien: "Dein Tänzchen mache hier versteckt. +Such’ unten einem etwas abzuzwacken." +Nicht anders macht’s ein Koch, wenn er entdeckt. +Das Fleisch im Kessel komm’ emporgeschwommen, +Und schnell es mit dem Haken untersteckt. +Virgil sprach: "Geh, eh’ sie dich wahrgenommen. +Und ducke dich bei jener Felsenbank; +Durch diese wirst du ein’gen Schirm bekommen. +Mir ist das Ding nicht fremd, drum bleibe frank +Von jeder Furcht, was man mir auch erzeige. +Denn früher war ich schon in solchem Zank." +Dann ging er jenseits auf dem Felsensteige, +Und wie er hingelangt zum sechsten Strand, +Tat’s not ihm, daß er sichre Stirne zeige. +Denn wie in Sturm und Wut hervorgerannt, +Die Haushund’ auf den armen Bettler fallen. +Wenn er am Haus, laut flehend, stillestand; +So stürzten jen’ aus dunkeln Felsenhallen +Und streckten all auf ihn die Haken hin, +Er aber schrie: "Zurück jetzt mit euch allen. +Mich anzuhaken habt ihr wohl im Sinn? +Doch tret erst einer vor, um mich zu sprechen, +Und dann bedenkt, ob ich zu packen bin." +"Geh vor denn, Stachelschwanz." So schrien die Frechen, +Und einer kam, die andern blieben stehn-- +Und fragte, wie er wag’, hier einzubrechen? +"Wie", sprach mein Meister, "würdest du mich sehn. +Wie würd’ ich wagen, je hier einzudringen, +War’ ich auch sicher, euch zu wiederstehn, +Wenn’s Gott und Schicksal also nicht verhingen? +Drum laß mich zieh’n, der Himmel will, ich soll +Als Führer einen durch die Hölle bringen." +Der Haken fiel, da dieses Wort erscholl, +Ihm aus der Hand, so hatt’ ihn Furcht durchschauert. +"Gesellen," rief er aus, "laßt euren Groll!" +"Du, der dort zwischen Felsenstücken kauert," +Rief nun mein Meister, "eile zu mir her, +Da jetzt kein Feind mehr auf dem Wege lauert." +Und vorwärts trat ich und kam schnell daher, +Doch sah ich vorwärts auch die Teufel fahren, +Als gelte nichts die Übereinkunft mehr; +Und war voll Schrecken, wie Capronas Scharen, +Die, dem Vertrag zum Trotz, dem Tode nah. +Als sie die Festung übergeben, waren. +Fest drängt’ ich mich an meinen Führer da +Und hielt den Blick gespannt auf ihre Mienen, +Aus denen ich nichts Gutes mir ersah. +Und diese Rede hört’ ich zwischen ihnen: +"Den Haken ihm ins Kreuz? Was meinst du? Sprich!" +Der andre: "Ja, du magst ihn nur bedienen!" +Doch jener Geist, der mit dem Meister sich +Besprochen, wandte schleunig sich zurücke +Und rief: "Still, Raufbold, ruhig halte dich." +Und dann zu uns: "Auf diesem Felsenstücke +Kommt ihr nicht weiter, denn im tiefen Grund +Liegt längst zertrümmert schon die sechste Brücke. +Und wollt ihr fort, geht oben, längs dem Schlund, +Dann seht ihr vorwärts einen Felsen ragen +Und kommt darauf bis zu dem nächsten Rund. +Denn gestern, um euch alles anzusagen, +War’s just zwölfhundertsechsundsechzig Jahr, +Seit jenen Weg ein Erdenstoß zerschlagen. +Dorthin entsend’ ich ein’ge meiner Schar, +Um Sündern, die sich lüften, nachzuspüren; +Mit ihnen geht und fürchtet nicht Gefahr. +Auf, ihr Gesellen, jetzt, euch frisch zu rühren; +Eistreter, Senkflug, Bluthund, kommt heran, +Du, Sträubebart, sollst alle zehen führen. +Auf, Drachenblut, Kratzkrall’ und Eberzahn, +Scharfhaker, und auch du, Grimmrot der Tolle, +Und Firlefanz, schickt euch zum Wandern an. +Schaut, wer etwa im Pech auftauchen wolle, +Doch wißt, daß dieses Paar in Sicherheit +Bis zu der nächsten Brücke reisen solle." +"Ach, guter Meister," rief ich, "welch Geleit? +Ich, meinerseits, ich will es gern entbehren, +Und bin mit dir allein zu gehn bereit. +Sieh nur, wie sie vor Grimm im Innern gären, +Wie sie die Zähne fletschen und mit Droh’n +Nach uns die tiefgezognen Brauen kehren." +Und er zu mir: "Nicht fürchte dich, mein Sohn, +Laß sie nur fletschen ganz nach Gutbedünken, +Sie tun dies nur zu der Verdammten Hohn" +Sie schwenkten dann sich auf den Damm zur Linken, +Nachdem vorher die Zunge jeder wies, +Hervorgestreckt, dem Hauptmann zuzuwinken, +Der mit dem hintern Mund zum Abmarsch blies. + + +Zweiundzwanzigster Gesang + +Schon sah ich Reiter aus dem Lager zieh’n, +Die Must’rung machen, in die Feinde brechen, +Auch wohl sich schwenken und zurückeflieh’n; +Von Streifpartei’n sah ich in euren Flächen, +Ihr Aretiner, einst euch hart bedroh’n; +Sah Festturnier und große Lanzenstechen; +Drommeten hört’ ich, Trommeln, Glockenton, +Sah Rauch und Feuer auch als Kriegeszeichen, +Und fremd’ und heimische Signale schon; +Doch nimmer hieß ein Tonwerkzeug, dergleichen +Ich hier gehört, das Volk zu Roß und Fuß, +Zu Land und Meer, noch vorgehn oder weichen. +Mit zehen Teufeln ging ich, voll Verdruß, +Doch wußt’ ich, daß man Säufer in den Schenken +Und Beter in den Kirchen suchen muß, +Auch war aufs Pech gerichtet all mein Denken, +Um ganz des Orts Bewandtnis zu erspäh’n. +Und welche Leut’ in diese Glut versänken. +Wie die Delphine, die vor Sturmesweh’n +Mit den gebognen Rücken oft verkünden, +Zeit sei’s, sich mit den Schiffen vorzusehn; +So, um Erleichterung der Qual zu finden, +Taucht’ oft ein Sünderrücken auf und schwand +Im Peche dann so schnell, wie Blitze schwinden. +Und wie die Frösch’ an eines Grabens Rand +Mit Beinen, Bauch und Brust im Wasser stecken, +Die Schnauzen nur nach außen hingewandt; +So sah man jen’ hervor die Mäuler strecken, +Allein, wenn sie den Sträubebart erschaut, +Sich schleunig in dem heißen Pech verstecken. +Ich sah, und jetzt noch schaudert mir die Haut, +Nur einen harren, wie, wenn all entsprangen. +Ein einzler Frosch noch aus dem Pfuhle schaut. +Kratzkralle, der am weitsten vorgegangen, +Schlug ihm den Haken ins bepichte Haar +Und zog ihn auf, Fischottern gleich, gefangen. +Ich wußte schon, wie jedes Name war +Von ihrer Wahl und, daß mir nichts entfalle. +Nahm ich der Namen dann im Sprechen wahr. +"Frisch, Grimmrot, mit den scharfen Klauen falle +Auf diesen Wicht und zieht ihm ab das Fell." +So schrien zusammen die Verfluchten alle. +Und ich: "Mein Meister, o erforsche schnell, +Wer hier in seiner Feinde Hand gerate? +Wer ist wohl der unselige Gesell?" +Worauf mein Führer seiner Seite nahte, +Ihn fragend, wer er sei, wo sein Geschlecht? +"Ich bin gebürtig aus Navarras Staate. +Die Mutter gab mich einem Herrn zum Knecht, +Weil sie von einem Prasser mich geboren, +Der all sein Gut und auch sich selbst verzecht. +Zum Freunde dann vom Theobald erkoren, +Dem guten König, trieb ich Gaunerei. +Jetzt leg’ ich Rechnung ab in diesen Mooren." +Und Eberzahn, aus dessen Munde zwei +Hauzähne ragten, wie aus Schweinefratzen, +Bewies ihm jetzt, wie scharf der eine sei. +Die Maus war in den Krallen arger Katzen, +Doch Sträubebart umarmt’ ihn fest und dicht +Und rief: "Ich halt’ ihn, fort mit euren Tatzen." +Und zu dem Meister kehrt’ er das Gesicht. +"Willst du, bevor die andern ihn zerreißen, +Noch etwas fragen, wohl, so zaudre nicht." +Mein Führer: "Sprich, wie andre Sünder heißen, +Dort unterm Pech? Sind auch Lateiner da?" +Und jener sprach: "Mir war dort in der heißen +Pechflut vor kurzer Zeit noch einer nah! +Was mußt ich doch darüber mich erheben, +Da ich dort nichts von Klau’n und Haken sah!" +"Wir haben’s schon zu lange zugegeben!" +Scharfhaker schrie’s und hakt auf ihn hinein, +Auch blieb ein Stück vom Arm am Haken kleben. +Schon zielte Drachenblut ihm nach dem Bein, +Allein der Hauptmann blickt’ auf seine Scharen +Im Kreis herum und schien ergrimmt zu sein. +Da wandte sich, sobald sie stille waren, +Mein Herr zu ihm, der auf sein wundes Glied +Herniedersah, um mehr noch zu erfahren. +"Wer ist’s, von dem dein Mißgeschick dich schied, +Als du dich nach der Oberfläch’ erhoben?"-- +"Der von Gallura ist’s, der Mönch Gomit. +Im Trug bestand er all und jede Proben, +Des Herrschers Feinde hielt er im Verlies +Und tat mit ihnen, was sie alle loben, +Geld nahm er, wie er selber sagt, und ließ +Sie sachte zieh’n, er, der in Amt und Ehren +Sich sonst als Schelm nicht klein, nein groß erwies. +Viel pflegt’ mit ihm Herr Zanche zu verkehren +Von Logodor--sie schwatzen immerfort. +Als ob sie jetzt noch in Sardinien wären. +Ach, Seht, wie fletscht die Zähne jener dort! +Gern sprach’ ich mehr, doch würd’ er mich kuranzen! +Er droht ja wütend schon bei jedem Wort." +Doch Sträubebart, gewandt zu Firlefanzen, +Des Auge grimmig glotzte, schalt ihn sehr: +"Verdammter Vogel, wirst du rückwärts tanzen?" +"Willst du," begann der bange Wicht nunmehr, +"Willst du Toskaner und Lombarden sehen? +Ich schaffe sie dir nach Belieben her, +Wenn nur die Grimmetatzen ferne stehen. +Und deren Rache sie nicht zittern macht. +Und ich, ich will nicht von der Stelle gehen, +Und locke doch dir leicht statt eines acht, +Sobald ich pfeife, wie wir immer pflegen, +Um anzudeuten, daß kein Teufel wacht." +Da streckt’ ihm Bluthund seine Schnauz’ entgegen +Und schrie kopfschüttelnd: "Hört die Büberei! +Er will ins Pech, sobald wir uns bewegen." +Allein der Sünder, reich an Schelmerei, +Sprach: "Wahrlich, bübisch bin ich wohl zu nennen. +Denn zu der Meinen Unglück trag’ ich bei." +Und Senkflug wollt ihm den Versuch vergönnen; +"Springst du," hob er mit jenen uneins an, +"So werd’ ich nicht zu Fuße nach dir rennen. +Nein, überm Pech schlag’ ich die Flügel dann. +Laßt Platz uns hinter diesem Damme nehmen, +Zu sehn, ob mehr als wir der eine kann." +Jetzt werdet ihr ein neues Spiel vernehmen. +Die Blicke wandten sie, und sehr bereit +War, der der Schlimmste schien, sich zu bequemen. +Doch wohl ersah der Gauner seine Zeit, +Stemmt’ ein die Fuß’ und war mit einem Satze +Von dem, was sie ihm zugedacht, befreit. +Dort standen alle mit verblüffter Fratze. +Und jener, der die Schuld des Fehlers trug, +Flog nach und schrie: "Du bist in meiner Tatze!" +Umsonst! die Furcht war schneller als der Flug. +Das Pech verbarg bereits den Gauner wieder, +Und rückwärts nahm der Teufel seinen Zug. +So taucht die Ente vor dem Falken nieder, +Und dieser hebt, ergrimmt und matt, vom Teich +Zur Luft empor das sträubende Gefieder. +Eistreter kam, wie jener sank, sogleich +Im schnellsten Fluge durch die Luft geschossen +Und fiel, erbost von diesem Narrenstreich, +Mit seinen scharfen Klau’n auf den Genossen, +Und beide hielten überm Pech voll Wut +In wilder Balgerei sich fest umchlossen. +Doch braucht’ auch jener seine Krallen gut. +Und beide stürzten bald zu den Bepichten, +Die sie bewachten, in die heiße Flut. +Der Hitze ward es leicht, den Kampf zu schlichten, +Doch, ganz bepicht das rasche Flügelpaar, +Vermochten sie es nicht, sich aufzurichten. +Und Sträubebart, der sehr betreten war, +Ließ vier der Seinen rasch zu Hilfe fliegen. +Die äußerst schnell mit ihren Haken zwar, +Auf sein Geheiß zum Peche niederstiegen. +Wo jeder den Besalbten Hilfe bot, +Doch sahn wir sie gekocht im Sude liegen +Und ließen sie in dieser großen Not. + + +Dreiundzwanzigster Gesang + +Wir gingen einsam, schweigend, unbegleitet. +Ich hinterdrein, der Meister mir voraus, +Wie auf dem Weg ein Franziskaner schreitet. +Mir mußte wohl der Teufel wilder Strauß +Äsopens Fabel ins Gedächtnis bringen, +Worin er spricht vom Frosch und von der Maus. +Denn wer Beginn und Schluß von beiden Dingen +Mit reiflicher Erwägung wohl verglich, +Dem konnte Jetzt und Itzt nicht gleicher klingen. +Und wie aus einem der Gedanken sich +Der zweit’ entspinnt, so mußt’ ich weiterdenken, +Und doppelt faßte Furcht und Schrecken mich. +Ich dachte so: Die sind in ihren Ränken +Durch uns gestört, beschädigt und geneckt +Und müssen drob sich ärgern und sich kränken. +Wenn dies zur Bosheit noch den Zorn erweckt, +So werden sie uns nach im Fluge brausen, +Wie wild ein Hund sich nach dem Hafen streckt. +Schon fühlt’ ich mir das Haar gesträubt vor Grausen, +Und rückwärts lauschend, rief ich: "Meister, flieh! +Verbirg uns wo in diesen Felsenklausen. +Die Grimmetatzen kommen schon. O sieh, +Sie kommen schon mit einem ganzen Heere! +So, wie ich sie mir denke, fühl’ ich sie!" +Und er zu mir: "Wenn ich ein Spiegel wäre, +Kaum faßt’ ich doch dein äußres Bild so klar. +Als ich dein inneres mir leicht erkläre. +Jetzt aber nimmst auch du mein Innres wahr +Und kommst mir selber schon mit dem entgegen, +Was für uns beid’ in mir beschlossen war. +Und ist der Abhang rechts nur so gelegen, +Daß man zum nächsten Schlund hinunter kann, +So sollen sie umsonst die Flügel regen." +Kaum sprach er’s, als die Teufelsjagd begann, +Und mit gespreizter Schwing’, um uns zu fangen. +Kam, nicht gar fern, der wilde Zug heran. +Mein Führer eilte nun, mich zu umfangen, +Der Mutter gleich, die aufwacht beim Getos +Und nahe sieht die Flammen aufgegangen, +Ihr Kind erfaßt und, nur um dessen Los +Bekümmert, nicht um ihr’s, enteilt ins Weite +Entkleidet noch und bis aufs Hemde bloß. +Daß er herab am harten Felsen gleite, +Streckt er sich rücklings an den steilen Hang, +Der jenen Sack verstopft von einer Seite. +Nie hat ein Mühlbach sich mit schnellerm Drang +Aufs Mühlenrad durch seine Rinn’ ergossen, +Als jetzt mein Meister, vor Verfolgung bang, +Von jenem Felsenhang herabgeschossen, +Mich mit sich nehmend, an die Brust gepreßt +Und fest umstrickt, als Kind, nicht als Genossen. +Kaum stand sein Fuß am Rand der Tiefe fest, +So hörten wir sie über jenem Grunde, +Doch er blieb ohne Furcht; denn nimmer läßt +Die ew’ge Vorsicht, die im fünften Runde +Als Diener ihrer Macht sie eingesetzt, +Sie wieder vor aus diesem schmalen Schlunde. +Getünchte Leute sahn wir unten jetzt +Im Kreise zieh’n mit langsam-schweren Tritten, +Matt und erschöpft, von Tränen ganz benetzt. +Verhüllt die Augen von Kapuzen, schritten +Sie träg dahin in Kutten, gleich der Tracht +Der Mönch’ in Köln am Rheine zugeschnitten; +Gold außen, blendend durch des Glanzes Pracht, +Von innen Blei, schwer, daß von Stroh erscheinen, +Die Friedrich für den Hochverrat erdacht. +O Mantel, lastend unter ew’gen Peinen! +Wir gingen, folgend, zu der Rechten mit, +Aufmerksam auf ihr jammervolles Weinen. +Doch so erschwert war durch die Last ihr Tritt, +Daß neben uns, so oft wir vorwärts traten, +Ein neuer Sünder durch das Dunkel schritt. +Ich sprach: "Oh sieh dich um! ist wohl durch Taten +Und Namen mir von diesen wer bekannt? +Und sage mir’s, sobald wir einem nahten!" +Und einer, der Toskanisch wohl verstand, +Rief hinter uns: "Oh bleibt ein wenig stehen, +Ihr, die ihr rennt durch dieses dunkle Land. +Was du verlangst, kann wohl durch mich geschehen!" +Da wandte sich mein Herr und sprach: "Halt an +Und suche langsam, wie er selbst, zu gehen." +Ich stand und sah nun zwei, die, um zu nah’n, +Sich sehr anstrengten und sich weidlich plagten. +Gehemmt von schwerer Last und enger Bahn; +Dann, angelangt, mit keinem Worte fragten, +Vielmehr nach mir den scheelen Blick gedreht, +Sich unter sich besprechend, dieses sagten: +" Der lebt, wie ihr am Zug des Odems seht, +Und welcher Freibrief dient zu ihrem Schilde, +Daß der und jener ohne Bleirock geht?" +Zu mir dann: "Tusker, der du zu der Gilde +Der Heuchler kommst, zu ihrem trüben Leid, +Wer bist du? Sag’ es uns mit Huld und Milde." +Und ich: "Mich hat die Stadt voll Herrlichkeit +Am Arnostrand geboren und erzogen, +Und diesen Körper trug ich jederzeit. +Doch wer seid ihr, von deren Wang’ in Wogen +Ein Tränenstrom so schmerzlich niederrinnt? +Und was hat euch solch Übel zugezogen?" +Und einer sprach: "Die gelben Kutten sind +Von Blei, so schwer, daß ihr Gewicht der Wage, +Die’s trägt, ein heulend Knarren abgewinnt. +Lustbrüder waren wir von gleichem Schlage, +Ich Catalano, Loderingo er, +Von deiner Stadt erwählt an einem Tage, +Weil sich zum Friedensstifter eignet, wer +Parteilos selber ist--und wer wir waren, +Zeigt beim Gardingo noch sich ringsumher." +Und ich begann: "Das Leid, das ihr erfahren--" +Doch schwieg und mußt’ an dreien Pfählen dort +Gekreuzigt einen auf dem Grund gewahren. +Als er mich sah, verrenkt’ er sich sofort +Und haucht’ in seinen Bart mit lautem Stöhnen, +Und Bruder Catalan sprach dieses Wort: +"Der Angepfählte, dessen Klagen tönen, +Gab einst den Pharisäern diesen Rat: +Mög’ eines Tod fürs Volk den Zorn versöhnen; +Nun liegt er nackt und quer auf unserm Pfad, +Und fühlen muß er, wenn wir drüberwallen, +Wieviel Gewicht von uns ein jeder hat. +So wird sein Schwäher auch gestraft, mit allen +Vom Pharisäerrat, durch den so viel +Der schlimmen Saat für Judas Volk gefallen." +Und wie ich sah, erstaunte selbst Virgil, +Daß er gestreckt am Kreuz an diesem Orte +So schmählich lag im ewigen Exil. +Zum Bruder richtet’ er dann diese Worte: +"Sagt, wenn ihr dürft, ist rechts die Straße frei, +Und ist wohl eine Schlucht dort, die als Pforte +Zu brauchen ist zum Ausgang für uns zwei, +Ohn’ einen von den Teufeln erst zu bannen, +Daß er zum Weitergehn uns Führer sei?" +Und jener drauf: "Ihr geht nicht weit von dannen, +So seht ihr einen Stein vom großen Rund +Als Steg sich über alle Täler Spannen. +Er ist nur eingestürzt ob diesem Schlund, +Allein ihr könnt die Trümmer leicht ersteigen, +Denn, schief sich lagernd, stehn sie aus dem Grund." +Ich sah den Herrn das Haupt ein wenig neigen. +Drauf sprach er: "Mußte doch der Teufel hier +Sich wiederum in schlechtem Ratschlag zeigen." +Und jener: "In Bologna merkt’ ich’s mir, +Der Teufel sei ein Lügner stets, ein dreister, +Ja, aller Lügen Vater für und für." +Nun ging davon mit großem Schritt mein Meister +Und schien ein wenig zornig und erbost, +Und ich verließ die bleibeschwerten Geister +Und folgte der verehrten Spur getrost. + + +Vierundzwanzigster Gesang + +In jenem Teil vom jugendlichen Jahre, +Wo Nacht den halben Tag nur deckt, und mild +Im Wassermann erglänzen Phöbus’ Haare, +Malt oft der Reif, wenn Nebel das Gefild +Am Abend deckt, bei scharfen Morgenlüften +Vom Bruder Schnee ein schnellverwischtes Bild. +Wenn dann der Hirt, der Futter von den Triften +Gar nötig braucht, aufsteht und jeden Ort +Schneeweiß erblickt, dann schlägt er sich die Hüften +Und kehrt zum Haus, beklagt sich hier und dort +Und weiß nicht, was zu tun vor großem Leide-- +Doch frische Hoffnung faßt er dann sofort. +Denn schon erscheint die Welt in anderm Kleide; +Schnell kommt er nun mit seinem Stab herbei +Und treibt die muntern Schäflein auf die Weide. +So staunt’ ich, daß mein Meister zornig sei, +Daß ungewohnter Mißmut ihn bedrücke; +So schnell auch kam zum Schmerz die Arzenei. +Denn kaum gelangt zu der verfallnen Brücke, +Kehrt’ ihm die Huld, mit der er zu mir trat +Am Fuß des Bergs, aufs Angesicht zurücke. +Die Arme breitet’ er, nachdem er Rat +Mit sich gepflogen, wohl den Schutt betrachtend, +Und dann erfaßt’ er mich mit rascher Tat. +Und wie ein Mann, der wohl auf alles achtend. +Im voraus scharf erwägt, was er vermag, +Hob er mich auf ein Felsenstück, beachtend, +Daß nahe dort ein andrer Zacken lag, +Und sprach: "Anklammre dich, doch wahrgenommen +Sei durch Versuch erst, ob’s dich tragen mag. +Kein Kuttenträger war’ hinaufgekommen. +Da wir, ich fortgeschoben, er so Ieicht, +Mit Mühe nur von Block zu Blocke klommen. +Auch hätt’ ich nimmermehr, und er vielleicht, +Wenn niedrer nicht, als jenseits diesem Grunde +Das Ufer war, des Dammes Höh’ erreicht. +Doch weil sich Übelsäcken nach dem Munde +Des tiefen Brunnens hin allmählich neigt, +So liegt’s von selbst im Bau von jedem Runde, +Daß hier der Damm sich senkt, dort höher steigt. +Am Ende kamen wir bis zu der Spitze, +Wo sich der Felsentrümmer letzte zeigt- +Mir glühte Wang’ und Blut in solcher Hitze, +Daß ich. sobald ich mich hinaufgerafft, +Mich keuchend niederließ auf einem Sitze. +Mein Meister sprach: "Jetzt ziemt dir frische Kraft; +Denn nimmer kommt der Ruhm dem zugeflogen, +Der unter Flaum auf weichem Pfühl erschlafft. +Und wer durchs Leben ruhmlos hingezogen, +Der läßt nur so viel Spur in dieser Welt, +Wie in den Lüften Rauch, Schaum in den Wogen. +Drum auf! wenn Mattigkeit dich niederhält, +Wird sie der Geist, wird jeden Feind besiegen, +Wenn er nicht wie der schwere Leib verfällt. +Erklimmen mußt du noch weit längre Stiegen; +Nicht g’nügt’s, von hier gerettet fortzuzieh’n, +Verstehe mich, so wirst du nie erliegen!"-- +Da stand ich auf; mehr, als ich’s fühlte, schien +Mein Odem frei, die Brust der Bürd’ enthoben, +Auch rief ich: Fort, denn ich bin stark und kühn! +Wir gingen fort--der Fels war rauh, verschoben, +Von Höckern voll und schwierig zu begehn, +Bei weitem steiler auch, als weiter oben. +Um frisch zu scheinen, sprach ich laut im Gehn, +Bis eine Stimm’ aus jenem Grund erschollen, +Verworren, wild und schwierig zu verstehn. +Nicht weiß ich, was die Stimme sagen wollen, +Obwohl ich auf des Bogens Höhe stand, +Doch schien, der sprach, zu zürnen und zu grollen. +Ich stand, das Angesicht zum Grund gewandt, +Doch drang kein Menschenblick in seine Schauer, +Drum sprach ich: "Meister, komm zum nächsten Strand +Und führe mich hinab von dieser Mauer. +Hier hör’ ich zwar, doch ich verstehe nicht, +Und, sehend, unterscheid’ ich nichts genauer." +"Die Tat", sprach er mit freundlichem Gesicht, +"Sei Antwort dir, weil sich’s geziemt, mit Schweigen +Zu tun, was der verständ gen Bitt’ entspricht." +Wir eilten, bei der Brück’ hinabzusteigen, +Da, wo sie auf dem achten Damme ruht, +Und hier begann die Tiefe sich zu zeigen. +Ich sah in Knäueln grause Schlangenbrut,-- +Und denk’ ich heut der ekeln, mannigfachen +Scheusale noch, so starrt vor Grau’n mein Blut. +Nicht mag sich’s Libyen mehr zum Ruhme machen, +Daß es Blindschleichen, Nattern, Ottern hegt +Und Vipernbrut und gift’ge Wasserdrachen. +Wie solche Pest nicht Äthiopien trägt, +So tönt am ganzen Strand kein solch Gezische, +An den die Flut des Roten Meeres schlägt. +Und unter diesem greulichen Gemische +Lief eine nackte, schreckensvolle Schar, +Nicht hoffend, daß sie je von dort entwische. +Am Rücken band die Hand’ ein Schlangenpaar, +Das Schwanz und Haupt durch Kreuz und Nieren steckte +Und vorn zu einem Knäu’I verschlungen war. +Da stürzt’ auf einen, den ich dort entdeckte, +Ein Ungeheu’r, das ihm den Hals durchstach +Und aus dem Nacken vor die Zunge streckte. +Und eh’ man Amen sagt und Oh und Ach, +Sah ich, wie er, entzündet und in Flammen, +Auch schon als Staub in sich zusammenbrach. +Und wie die Glieder kaum in nichts verschwammen, +So fügte sich, gesammelt, alsobald +Der Staub zur vorigen Gestalt zusammen. +So stirbt der Phönix, fünf Jahrhundert’ alt, +(Die großen Weisen sagen’s) sich bekleidend +Mit neuerzeugter Jugend und Gestalt, +Sich nicht von Kräutern noch von Körnern weidend, +Von Weihrauchtränen und Amomen nur, +In einer Hüll’ aus Nard’ und Myrrhe scheidend. +Und gleich wie der, der ohne Lebensspur +Zu Boden sank, vielleicht vom Krampf gebunden, +Vielleicht auch, weil in ihn ein Dämon fuhr. +Sich umschaut, wenn er sich emporgewunden, +Und um sich schauend stöhnt, verwirrt, +Von großer Todesangst, die er empfunden; +So war der aufgestandne Sünder jetzt.-- +Oh möge keiner Gottes Rach’ entzünden, +Der solche Streich’ in deinem Zorn versetzt! +Gebeten, seinen Namen zu verkünden, +Entgegnet’ er: "Ich bin seit kurzem hier, +Von Tuscien hergestürzt nach diesen Schlünden. +Ich lebte nicht als Mensch, ich lebt’ als Tier, +Ich, Bastard Fucci, den man Vieh benannte. +Und würd’ge Höhle war Pistoja mir." +Ich sprach, indem ich mich zum Meister wandte: +"Er weicht uns aus--doch frag’ ihn: weshalb kam +Er hierher, da er stets von Blutdurst brannte?" +Aufrichtig ward er, als er dies vernahm, +Und Geist und Angesicht mir zugewendet, +Begann er nun, gedrückt von trüber Scham: +"Mehr schmerzt mich’s, daß dein Schicksal dich gesendet, +Um mich in diesem Jammerstand zu schau’n, +Als daß ich oben meinen Lauf geendet. +Doch was du fragtest, muß ich dir vertrau’n: +Daß ich im Heiligtum zu stehlen wagte, +Hat mich herabgestürzt in tiefres Grau’n. +Drob litten manche fälschlich Angeklagte.-- +Daß du mich sahst, soll wenig dich erfreu’n, +Kommst du je fort von hier, wo’s nimmer tagte. +Drum hör’, um jetzt dein Hierein zu bereu’n: +Pistoja wird die Schwarzen erst verjagen, +Und dann Florenz so Volk als Sitt’ erneu’n. +Aus Nebeln, die auf Magras Tale lagen, +Zieht Mars den schweren Wetterdunst heraus, +Und Sturme tosen dann und Blitze schlagen +Auf dem Picener Feld im wilden Strauß, +Daß sich zerstreut die Nebel plötzlich senken, +Und alle Weißen flieh’n in Angst und Graus. +Dies aber sagt’ ich dir, um dich zu kränken." + + +Fünfundzwanzigster Gesang + +Er sprach’s und hob die Hand’ empor mit Spott, +Ließ beide Daumen durch die Finger ragen +Und rief dann aus: "Nimm’s hin, dies gilt dir, Gott!" +Seitdem seh’ ich die Schlangen mit Behagen, +Weil gleich um seinen Hals sich eine wand, +Als sagte sie: Du sollst nichts weiter sagen. +Die zweite schlang sich um die Arm’ und band +Sie vorn, sich selbst umwickelnd, so zusammen, +Daß er nicht Raum damit zu zucken fand. +Was übergibst du dich nicht selbst den Flammen, +Pistoja, du, und tilgst dich in der Glut? +Sind Frevler alle doch, die dir entstammen? +Nie fand ich so verruchten Übermut. +Selbst Kapaneus’ gottlästerndes Erfrechen +Erhob sich nicht zu dieses Diebes Wut. +Er floh von dannen, ohn’ ein Wort zu sprechen, +Und ein Zentaur kam rennend, pfeilgeschwind, +Und schrie voll Wut: "Wo find’ ich diesen Frechen?" +Nicht glaub’ ich, daß so viel der Schlangen sind +An Tusciens Strand, als ihm am Kreuze hingen. +Bis dahin, wo des Menschen Form beginnt. +Ein Drache hielt mit ausgespreizten Schwingen +Sich an den Schultern fest und spie mit Macht +Glut auf uns alle, die vorübergingen. +Da sprach mein Meister: "Kakus ist’s, hab’ acht! +Er ist es, der so oft zu blut’gen Teichen +Die Auen unterm Aventin gemacht. +Er geht nicht einen Weg mit seinesgleichen, +Weil er als Dieb den schlauen Trug vollführt, +Mit jener großen Herde zu entweichen. +Dafür ward ihm der Lohn, der ihm gebührt, +Weil Herkuls Keul’ ihn traf mit hundert Schlägen, +Von welchen er vielleicht nicht zehn gespürt." +Enteilt war Kakus schon und uns entgegen +Herkamen drei an jenem tiefen Ort, +Doch könnt’ uns erst ihr laut Geschrei bewegen, +Auf sie hinabzuschau’n: "Wer seid ihr dort?" +Drum blieben wir in der Erzählung stehen +Und horchten hin nach dieser Schatten Wort. +Von ihnen hatt’ ich keinen je gesehen, +Da rief den andern einer dieser drei +Und nannt’ ihn, wie’s durch Zufall oft geschehen. +"Wo bleibst du, Cianfa?" rief er, "Komm herbei!" +Drum legt’ ich auf die Lippen meinen Finger, +Damit mein Führer horch’ und stille sei. +Meinst du jetzt, Leser, daß ich Hinterbringer +Von eiteln Fabeln sei, so staun’ ich nicht; +Ich sah’s, doch ist mein Zweifel kaum geringer. +Von vornher warf sich, wie ich das Gesicht +Auf sie gekehrt, schnell eine von den Schlangen +Mit drei Paar Füßen her und packt’ ihn dicht. +Der Bauch ward von dem mittlern Paar umfangen, +Indes das vordre Paar die Arm’ umfing, +Dann schlug sie ihre Zähn’ in beide Wangen. +Wie an den Lenden drauf das Hintre hing, +Schlug sie den Schwanz durch zwischen beiden Beinen +Und drückt’ ihn hinten an als engen Ring. +Kein Efeu kann dem Baum sich so vereinen, +Wie dieses Ungetüm sich wunderbar +An jenes Glieder schmiegte mit den seinen. +Zusammen klebte plötzlich dann dies Paar, +Wie warmes Wachs, die Farben so vermengend, +Daß keins von beiden mehr dasselbe war, +Gleichwie die Flammen, ein Papier versengend, +Bevor es brennt, mit Braun es überzieh’n, +Noch eh’ es Schwarz wird, schon das Weiß verdrängend. +Die andern beiden, ihn betrachtend, schrien: +"Weh dir, Agnel, du bist nicht zwei, nicht einer! +Doch sieh, dir ist ein andres Bild verlieh’n!" +Schon war vereint der Schlange Kopf und seiner, +Aus zwei Gestalten sah man ein’ entstehn, +Vermischt, verwirrt, doch gleich von beiden keiner. +Die Arme sah man auseinandergehn; +Sie wurden vier, und Bauch und Brust und Lenden, +Sie wurden Glieder, wie man nie gesehn. +Es schien, als ob die vor’gen ganz verschwänden. +Nicht zwei, nicht einer schien’s, und ganz entstellt +Sah ich das Bild sich langsam abwärts wenden. +Gleichwie die Eidechs öfters, wenn die Welt +Der Hundstern peitscht, blitzschnell von Dorn zu Dorne, +Von Zaun zu Zaun quer durch die Straße schnellt, +So fuhr jetzt eine Schlang’ in wildem Zorne +Auf jene zwei nach ihren Bäuchen hin, +Bläulich und schwarz, gleich einem Pfefferkorne. +Und durch den Teil, der bei des Seins Beginn +Uns Nahrung zuführt, bohrte sie den einen, +Dann fiel sie ausgestreckt vor ihm dahin. +Er sah sie starr, mit festgeschlossnen Beinen, +Stillschweigend, gähnend, an, und mußte mir +Wie schläfrig oder fieberhaft erscheinen. +Nach ihm hin sah die Schlang’ und er nach ihr, +Sie rauchend aus dem Maul, er aus der Wunde, +Dann nahte sich der Rauch von dort und hier. +Still schweige jetzt Lucan mit seiner Kunde +Vom Unglück des Sabell und vom Nasid, +Und horchend häng’ er nur an meinem Munde. +Von Arethus’ und Kadmus schweig’ Ovid; +Denn wenn er ihn zum Drachen umgedichtet. +Und Sie zum Quell, so neid’ ich nicht sein Lied. +Nie hat er von zwei Wesen uns berichtet, +Die umgetauscht Gestalt und Stoff und Sein, +Indem sie starr auf sich den Blick gerichtet. +Gleich ging die Wandlung fort in jenen zwei’n. +Zur Gabel spaltete den Schwanz die Schlange, +Und der Gestochne drückte Bein an Bein. +Sie klebten aneinander, und nicht lange +Hatt’ es gewährt, als auch die Fuge schwand, +Verdrängt vom völligen Zusammenhange. +Der Lenden Form, die hier entwich, entstand +Am Gabelschweif; die Haut schien zu erweichen; +Hart ward sie dort, nach Schlangenart gespannt. +Die Arme sah ich in die Schultern weichen, +Der Schlange kurze Vorderfüße dann, +Wie jene schwanden, weiter vorwärts reichen. +Wie drauf zu jedem Gliede, das der Mann +Zu bergen pflegt, die hinten sich verbanden, +So fing sich sein’s in zwei zu teilen an. +Und unterm Rauch, der beide deckt’, entstanden +Ganz neue Farben, sproßten Haare vor +Und zeigten hier sich, wenn sie dort verschwanden. +Er sank dahin, Sie raffte sich empor, +Doch blieb der Kopf mit jenen starren Blicken, +Durch die er selbst nun seine Form verlor. +An dem, der stand, schien er sich platt zu drücken, +Auch sah man von dem Fleisch, das hinter drang, +Die Ohren seitwärts aus den Wangen rücken. +Aus dem, was vorn zurückeblieb, entsprang +Ein Lippenpaar, wie sich’s gebührt, erhoben. +Und eine Nase, zugespitzt und lang. +An dem, der dort lag, trieb der Mund nach oben, +Auch wurden nach der Schneckenhörner Brauch +Die Ohren in den Kopf zurückgeschoben. +Die Zung’, erst ganz, zur Rede schnell, ward auch +Nunmehr geteilt, und ganz ward die geteilte +Im Mund des andern, und es blieb der Rauch. +Der Geist, jetzt Schlange, zischte laut und eilte +Durch’s Tal davon--der andre spuckt’ ihr nach, +Indem er noch, sie schmähend, dort verweilte. +Dann kehrt’ er ihr den Rucken zu und sprach: +"So schlüpfe, Buoso, nun durch diese Gründe, +Statt meiner, auf dem Bauch in Qual und Schmach." +So mischt’ im siebenten der Lasterschlünde +Sich Bild und Bild, drum werde mir’s verzieh’n, +Wenn ich so Neues etwas breit verkünde. +Doch ob mir gleich der Blick geblendet schien, +Und kaum mein Geist vom Staunen sich ermannte, +Doch bargen jene sich nicht so im Flieh’n, +Daß ich den Puccio nicht gar wohl erkannte, +Der einzig von den drei’n, erst hier vereint, +Sich unverwandelt jetzt von dannen wandte. +Der andre war’s, um den Gaville weint. + + +Sechsundzwanzigster Gesang + +Erfreue dich, Florenz, du bist so groß, +Daß du zu Land und Meer die Flügel schwingest, +Und selbst dein Nam’ erklingt im Höllenschoß. +Fünf deiner Bürger fand ich--also zwingest +Du mich zur Scham--den Dieben beigefügt, +Wodurch du dir nicht größern Ruhm erringest. +Doch wenn, was man am Morgen träumt, nicht lügt, +So wirst du großes Unglück bald empfinden, +Und Prato selbst, so nah dir, sieht’s vergnügt. +War’s jetzt, nicht würde man’s zu zeitig finden, +So, da’s nun einmal sein muß, war’s jetzt doch. +Denn, älter, werd’ ich’s schwerer nur verwinden. +Wir gingen fort, und übers Felsenjoch +Stieg, wie hinab, hinauf die Zackenleiter +Mein Führer und war meine Stütze noch. +Und, folgend zwischen mancher Felsenscheiter +Und manchem Block dem Pfad im öden Raum, +Kam, wenn die Hand nicht half, der Fuß nicht weiter. +Ich fühlte Schmerz--jetzt fühl’ ich mindern kaum, +Wenn ich zurück an das Erblickte denke, +Und schärfer fass’ ich da des Geistes Zaum, +Damit ich nicht den Lauf vom Rechten lenke, +Und, was zu meinem Wohl mein Stern bezweckt, +Was höh’re Huld, mir selber feind, nicht kränke. +Soviel der Bau’r, am Hügel hingestreckt, +Zur Zeit, da er, des Blick die Erde lichtet, +Sein Antlitz uns am wenigsten versteckt, +Wenn sich die Fliege vor der Mücke flüchtet, +Johanniswürmchen sieht im Tal entlang, +Wo er mit Hipp’ und Pflug sein Tun verrichtet; +So viele Flammen sah den tiefen Gang +Des achten Tals mein Auge jetzt verklären, +Sobald ich dort war, wo’s zur Tiefe drang. +Wie der, der sich gerächt durch wilde Bären, +Elias’ Wagen sah von dannen zieh’n, +Als das Gespann aufstieg zu Himmelssphären, +Umonst ihm mit dem Auge folgt’ und ihn +Gestaltlos nur als ferne Flamm’ erkannte. +Die wie ein leichtes Abendwölkchen schien. +So war’s, wie wandelnd hier manch Flämmchen brannte, +Doch keines war, das seine Beute wies, +Ob jegliches gleich einem Geist entwandte. +Am Brückenrande stehend, sah ich dies +Und fiel’, hielt’ ich nicht fest an einem Blocke, +Hinunter, ohne daß mich jemand stieß. +Virgil, der sah, wie mich der Anblick locke, +Sprach nun: "Jedwedes Feu’r birgt einen Geist, +Und das, worin er brennt, dient ihm zum Rocke." +Drauf ich: "Die Kunde, die du mir verleihst +Macht mich gewiß; schon glaubt’ ich’s zu erkennen. +Und fragen wollt’ ich schon, wie jener heißt. +Ich sah die Flamm’ in zwei sich oben trennen. +Als sah’ ich in des Scheiterhaufens Glut +Eteokles und seinen Bruder brennen." +Und er: "Sie dämpft Ulysseus Übermut +Und Diomeds. Sie laufen hier zusammen +In ihrer Qual, wie einst in ihrer Wut. +Ums Trugroß klagen sie in diesen Flammen, +Und um das Tor, das Ausgang jenen bot, +Der Heldenschar, von der die Römer stammen. +Die List beweinen sie, durch die, schon tot, +Noch Deidamia den Achill beklagte, +Auch das Palladium rächt nun ihre Not." +"Vermögen sie noch hier zu sprechen," sagte +Ich drauf zum Meister, "o, dann bitt’ ich dich +Vieltausendmal, da ich sie gern befragte, +Laß mich, bis die geteilte Flamme sich +Zu uns hierherbewegt, ein wenig weilen. +Sieh, hin zu ihr zieht die Begierde mich." +"Der Bitte", sprach er, "muß ich Lob erteilen, +Wie sie verdient; sie sei darum gewährt, +Doch laß die Sprechlust nicht dich übereilen. +Laß mir das Wort; ich weiß, was du begehrt. +Spröd blieben sie gewiß bei deinem Worte, +Denn Griechen sind sie, stolz auf ihren Wert. +Als nun die Flamme nah war unserm Orte, +Da hört’ ich diese Red’, als Ort und Zeit +Er für geeignet hielt, von meinem Horte: +"Ihr, die ihr zwei in einer Flamme seid, +Wenn ich euch jemals Grund gab, mich zu lieben, +Da ich dem Ruhm der Helden mich geweiht, +Und in der Welt das hohe Lied geschrieben, +So weilt bei mir und sag’ Ulyß mir an, +Wo auf der Irrfahrt sein Gebein geblieben." +Der alten Flamme größres Horn begann +Zu flackern erst und murmelnd sich zu regen. +Als wäre sie vom Wind gefaßt, und dann +Rasch hin und her die Spitze zu bewegen, +Gleich einer Zung’, und deutlich tönt’ und klar +Dann aus der Flamm’ uns dieses Wort entgegen: +"Als ich von Circen schied, die mich ein Jahr +Und länger bei Gaëta festgehalten, +Eh’s so benannt noch von Äneas war, +Da ließ ich nicht das Mitleid für den alten +Gebeugten Vater, nicht die Gattenpflicht, +Noch Vaterzärtlichkeit im Herzen walten. +Sie tilgten all in mir das Sehnen nicht, +Die Welt zu sehn und alles zu erkunden, +Was sie besitzt, wie das, was ihr gebricht. +Drum warf ich mich, kaum meiner Haft entbunden, +In einem einz’gen Schiff ins offne Meer, +Samt einem Häuflein, das ich treu erfunden. +Nach Spanien führt’ und Libyen hin und her +Ich meine wackre Schar, als kühner Leiter, +Und jedem Eiland jenes Meers umher. +Alt war ich schon und schwach, auch die Begleiter, +Da war mein Schiff am engen Schlunde dort, +Wo Herkuls Säulenpaar gebeut: Nicht weiter! +Als hinter uns nun rechts Sevillas Bord +Und links in Libyen Septas Zinnen waren, +Sprach ich zu den Gefährten dieses Wort: +Brüder, die durch Tausend’ von Gefahren +Ihr hier im Abend kühn euch eingestellt, +Verwendet jetzt, um Neues zu erfahren, +Weil Seele noch und Leib zusammenhält, +Den kurzen Rest von eurem Erdenleben; +Der Sonne nach zur unbewohnten Welt! +Bedenkt, wozu dies Dasein euch gegeben; +Nicht um dem Viehe gleich zu brüten, nein, +Um Wissenschaft und Jugend zu erstreben. +Den Meinen schien dies Wort ein Sporn zu sein, +Kaum hielt ich sie, hätt’ ich gewollt, im Zügel, +Und rastlos ging’s ins weite Meer hinein. +Erst morgenwärts gewandt des Schiffes Spiegel +Ging unser toller Flug dann linker Hand, +Und seiner Eil’ verlieh’n die Ruder Flügel. +Schon alle Sterne jenes Poles fand +Der Blick der Nacht, und die des unsern klommen +Kaum übers Meer noch an des Himmels Rand. +Schon fünfmal war entzündet und verglommen +Des Mondes Licht, seit wir, dem Glück vertraut, +Durch den verhängnisvollen Paß geschwommen, +Als uns ein Berg erschien, von Dunst umgraut +Vor weiter Fern’, und schien so hoch zu ragen, +Wie ich noch keinen auf der Erd’ erschaut. +Erst jubeln ließ er uns, dann bang verzagen, +Denn einen Wirbelwind fühlt’ ich entstehn +Vom neuen Land und unsern Vorbord schlagen. +Er macht’ uns dreimal mit den Fluten dreh’n, +Dann, als der hintre Teil emporgeschossen, +Nach höh’rem Spruch, den vordern untergehn, +Bis über uns die Wogen sich verschlossen." + + +Siebenundzwanzigster Gesang + +Schon aufrecht stand und still der Flamme Haupt, +Und sie entfernte sich in tiefem Schweigen, +Nachdem der süße Dichter ihrs erlaubt. +Wir sah’n nach ihr sich eine zweite zeigen, +Und ein verwirrt Gestöhn, das ihr entquoll, +Macht’ unsern Blick zu ihrer Spitze steigen. +Gleich wie Siziliens Stier, der jammervoll +Zuerst von seines Bildners Schrei’n erbrüllte, +--Und so war’s recht--von dessen Klag’ erscholl, +Den er im innern hohlen Raum verhüllte, +Und, ganz von Erz, in seinem Angstgestöhn +Erschien, als ob ihn selbst der Schmerz erfüllte; +So schien das Klagewort, das in den Höh’n +Und an den Seiten nirgend durchgedrungen, +Erst gleich des Feuers knisterndem Getön. +Doch als es sich zur Spitz’ emporgerungen, +Die, wie die Zunge hin und wieder fährt, +Sich bei dem Durchgang hin und her geschwungen. +Da sprach’s: O du, an den mein Wort sich kehrt, +Der du, wie ich vernahm, mit welschem Klange +Gesprochen: Geh, nicht weiter sei beschwert! +Obwohl ich etwas spät hierhergelange, +Doch weil’ und gib auf meine Fragen acht, +Denn sieh, ich weile trotz der Gluten Drange. +Bist du zur Reif in diesen dunklen Schacht +Erst jetzt vom süßen Latierland geschieden, +Von dem ich alle Schuld hierhergebracht, +So sprich:Hat Krieg Romagna oder Frieden? +Denn da das schöne Land auch mich erzeugt, +So kümmert mich sein Schicksal noch hienieden." +Ich stand aufmerksam niederwärts gebeugt, +Da stieß Virgil mich leis und sagte: "Rede, +Ein Latier ist er, wie sein Wort bezeugt." +Worauf ich schon bereit zur Gegenrede, +Ihn also sonder Zögerung beschied: +"O Seele, hier verborgen, sonder Fehde +War nimmer deines Vaterlands Gebiet, +Weil stets im Kampf der Zwingherrn Herzen wüten; +Doch offenbar war keine, da ich schied. +Ravenna ist, wie’s war; dort pflegt zu brüten, +So wie seit Jahren schon, Polentas Aar, +Des Flügel unter sich auch Cervia hüten +Die Stadt, die fest in langer Probe war, +Wo rote Ströme Frankenblutes wallten, +Liegt unterm grünen Leu’n nun ganz und gar. +Verruchios alt’ und neuer Hund, sie walten +Schlimm, wie sie den Montagna einst belohnt, +Da, wo sie eingeholt die Zähne halten. +Das, was am Lamon und Santerno wohnt, +Läßt sich vom Leu’n im weißen Neste leiten, +Der die Partei vertauscht mit jedem Mond. +Sie, welchen Savios Flut benetzt die Seiten, +Lebt zwischen Sklaverei und freiem Stand, +Wie zwischen dem Gebirg und ebnen Weiten. +Jetzt, bitt’ ich, mach’ uns, wer du bist, bekannt; +Wie der Vergessenheit dein Nam’ enttauche, +So sei nicht härter, als ich andre fand." +Da grunzt’ und braust’ es in der Flamme Bauche, +Wie Feuer braust; sie regte hin und her +Das spitze Haupt und gab dann diese Hauche: +"Sprach’ ich zu einem, dessen Wiederkehr +Nach jener Welt ich jemals möglich glaubte, +So regte nie sich diese Flamme mehr. +Doch da dies keinem je die Höll’ erlaubte, +So sag’ ich ohne Furcht vor Schand’ und Schmach, +Was mich hierher stieß und des Heils beraubte. +Ich war erst Kriegsmann und Mönch hernach, +Um mich vom Fall durch Buß’ emporzurichten; +Gewiß geschah auch, was ich mir versprach. +Allein der Erzpfaff--mög’ ihn Gott vernichten-- +Er hat mich neu den Sündern beigesellt, +Wie und warum? das will ich jetzt berichten. +Als ich noch oben lebt’ in eurer Welt, +Da ward ich nimmer mit dem Leu’n verglichen, +Doch öfters wohl dem Fuchse gleichgestellt. +In allen Ränken und geheimen Schlichen +War ich geschickt, in ihrer Übung schlau +Und drum berühmt in allen Himmelsstrichen. +Doch als die Zeit kam, da des Haares Grau +Uns dringend mahnt, das hohe Meer zu scheuen +Und einzuziehn das Segel und das Tau, +Da mußt’ ich, was mir erst gefiel, bereuen, +Ward Mönch und tat nun Buß’ am heil’gen Ort, +Ach, und noch könnt’ ich mich des Heils erfreuen. +Der neuen Pharisäer Herr und Hort +(Im Krieg, mit Juden nicht und Türkenscharen, +Vielmehr am Lateran und nahe dort, +Weil alle seine Feinde Christen waren, +Die nicht bei Acri mit gesiegt und nicht +Des Sultans Land als Schacherer befahren), +Nicht achtet’ er an sich die höchste Pflicht +Und nicht den Strick, der meinen Leib umfangen, +Der jeden mager macht, den er umflicht. +Wie Konstantin Silvestern angegangen, +Ihm Hilf und Rat beim Aussatz zu verleih’n; +So sollt’ ich jetzt als Arzt auf sein Verlangen +Vom Fieber seines Hochmuts ihn befrei’n. +Doch schweigen mußt’ ich und mich selber schämen, +Denn eines Trunknen schien sein Wort zu sein. +Du darfst nicht sorgen, sprach er, noch dich grämen; +Ablaß erteil’ ich dir, mich lehre du: +Wie fang’ ich’s an, Preneste wegzunehmen. +Du weißt, den Himmel schließ’ ich auf und zu, +Denn beide Schlüssel sind mir übergeben, +Die Cölestin vertauscht um träge Ruh’. +Nicht war so trift’gem Grund zu widerstreben, +Und da hier schweigen mir das Schlimmste schien, +So sprach ich endlich: Vater, da du eben +Die Sünde, die ich tun soll, mir verziehn, +So wisse: Viel versprechen, wenig halten, +Dadurch wird deinem Stuhl der Sieg verlieh’n-- +Franz wollte, wie ich starb, sein Amt verwalten, +Mich heimzuführen, doch ein Teufel kam +Und sprach: Halt ein, denn den muß ich erhalten. +Er kommt mit mir hinab zu ew’gem Gram, +Weil ich, seitdem er jenen Trug geraten, +Ihn bei dem Haar als meine Beute nahm. +Wer Ablaß will, bereu’ erst seine Taten. +Doch wer bereut und Böses will, der muß +Wohl mit sich selbst in Widerspruch geraten. +Ach! wie ich zuckt’ in Schrecken und Verdruß, +Als er mich faßt’ und, mich von dannen reißend, +Sprach: Meintest du, ich sei kein Logikus? +Zu Minos trug er mich, der, sich umkreisend +Den harten Rücken, bei dem achten Mal +Ausrief, sich in den Schweif vor Ingrimm beißend: +Der wird der Flamme Raub im achten Tal! +Und also ward ich von dem Schlund verschlungen +Und geh’ im Feuerkleid zu ew’ger Qual." +Hier endet’ er, und als das Wort verklungen, +Da ging sogleich die Flamme jammernd fort, +Das Horn gedreht und hin und her geschwungen. +Und weiter ging ich nun mit meinem Hort +Zur nächsten Brück’ auf rauhen Felsenpfaden +Und sah im Grund, den Lohn empfangend, dort +Die, Zwiespalt stiftend, sich mit Schuld beladen. + + +Achtundzwanzigster Gesang + +Wer könnte je, auch mit dem freisten Wort, +Das Blut, das ich hier sah, die Wunden sagen, +Erzählt’ er auch die Kunde fort und fort. +Jedwede Zunge muß den Dienst versagen, +Da Sprach’ und Geist zu eng und schwach erscheint, +So Schreckliches zu fassen und zu tragen. +Und wäre das gesamte Volk vereint, +Das Puglien, das verhängnisvolle, hegte, +Dies Land, das einst die blut’ge Schar beweint, +Die Rom und jener lange Krieg erlegte, +Wo man so große Beut’ an Ringen fand, +Wie Livius schrieb, der nicht zu irren pflegte, +Vereint mit dem, das harte Schläg’ empfand, +Weil’s gegen Robert Guiscard ausgezogen; +Mit dem, des Knochen modern, dort im Land +Bei Ceperan, wo Pugliens Schar gelogen; +Mit dem von Tagliacozzo, wo Alard, +Der Greis, durch List die Waffen aufgewogen; +Und zeigte, wie es dort verstümmelt ward, +Sich jedes Glied, nicht war’ es zu vergleichen +Mit dieses neunten Schlundes Weis’ und Art. +Ein Faß, von welchem Reif und Dauben weichen, +Ist nicht durchlöchert, wie hier einer ging, +Zerfetzt vom Kinn bis zu Gefäß und Weichen, +Dem aus dem Bauch in manchem ekeln Ring +Gedärm und Eingeweid’, wo sich die Speise +In Kot verwandelt, samt dem Magen hing. +Ich schaut’ ihn an und er mich gleicherweise, +Dann riß er mit der Hand die Brust sich auf +Und sprach zu mir: "Sieh, wie ich mich zerreiße! +Sieh hier das Ziel von Mahoms Lebenslauf! +Vor mir geht Ali, das Gesicht gespalten +Vom Kinn bis zu dem Scheitelhaar hinauf. +Sieh alle, die, da sie auf Erden wallten, +Dort Ärgernis und Trennung ausgesät, +Zerfetzt hier unten ihren Lohn erhalten. +Ein wilder Teufel, der dort hinten steht, +Er ist’s, der jeglichen zerfetzt und schändet, +Mit scharfem Schwert, der dort vorübergeht, +Wenn wir den schmerzensvollen Kreis vollendet; +Weil jede Wunde heilt, wie weit sie klafft, +Eh’ unser Lauf zu ihm zurück sich wendet. +Doch wer bist du, der dort herniedergafft? +Weilst du noch zögernd über diesen Schlünden, +In welche Klag’ und Urteilsspruch dich schafft?" +"Er ist nicht tot, noch hergeführt von Sünden," +So sprach mein Meister drauf, zu Mahoms Pein, +"Doch soll er, was die Höll’ umfaßt, ergründen, +Und ich, der tot bin, soll sein Führer sein. +Drum führ’ ich ihn hinab von Rund’ zu Runde, +Und Glauben könnt ihr meinem Wort verleih’n." +Jetzt blieben hundert wohl im tiefen Grunde, +Nach mir hinblickend, still verwundert stehn, +Vergessend ihre Qual bei dieser Kunde. +"Du wirst vielleicht die Sonn’ in kurzem sehn, +Dann sage dem Dolcin, er soll mit Speisen, +Eh’ ihn der Schnee belagert, sich versehn, +Wenn er nicht Lust hat, bald mir nachzureisen. +Allein vollbringt er, was ich riet, so muß +Novaras Heer ihn lang’ umsonst umkreisen." +Zum Weitergehn erhoben einen Fuß, +Rief dieses Wort mir zu des Mahom Seele, +Und setzt’ ihn hin und ging dann voll Verdruß. +Dann sah ich einen mit durchbohrter "Kehle, +Die Nase bis zum Auge hin zerhau’n, +Und wohl bemerkt’ ich, daß ein Ohr ihm fehle. +Und staunend sah auf mich dies Bild voll Grau’n +Und öffnete zuerst des Schlundes Röhre, +Von außen rot und blutig anzuschau’n. +"Du, nicht verdammt für Sünden, wie ich höre, +Den ich bereits im Latierlande sah, +Wenn ich durch Ähnlichkeit mich nicht betöre, +"Kommst du den schönen Ebnen wieder nah, +Die von Vercell nach Marcabo sich neigen, +So denk’ an Pier von Medicina da. +Du magst den Besten Panos nicht verschweigen, +Dem Guid und Angiolell, daß, wenn nicht irrt +Mein Geist, dem sich der Zukunft Bilder zeigen, +Nah bei Cattolica, schlau angekirrt, +Vom schändlichsten der Wüteriche verraten, +Das edle Paar ersäuft im Meere wird. +Noch nimmer hat Neptun so schnöde Taten +Von Zypern bis Majorka hin geschaut, +Von Griechenscharen nicht, noch von Piraten. +Der Bub’, auf einem Aug’ von Nacht umgraut, +Jetzt Herr des Lands, von welchem mein Geselle +Hier neben wünscht, er hätt’ es nie erschaut, +Ruft sie als Freund und tut an jener Stelle +So, daß sie nicht Gelübd’ tun, noch sich scheu’n, +Wie wild der Wind auch von Focara schwelle." +Drauf ich: "Soll dein Gedächtnis sich erneu’n, +So magst du dich zu sagen nicht entbrechen, +Wer muß den Anblick jenes Lands bereu’n?" +Da griff er, um den Mund ihm aufzubrechen, +Nach eines andern Kiefer hin und schrie: +"Sieh her, der ist’s, allein er kann nicht sprechen, +Er, der verbannt, einst Cäsarn Mut verlieh, +Und alle seine Zweifel scheucht’, ihm sagend: +"Dem ’Kampfbereiten fromme Zögern nie." +O wie jetzt Curio ganz verblüfft und zagend, +Die Zunge tief am Schlund verschnitten, stand, +Die Zung’, einst kühn und eilig alles wagend-- +Und abgeschnitten die und jene Hand, +Stand einer, in die Nacht die Stümpf erhoben, +Das Antlitz blutbespritzt mir zugewandt, +Und rief: "Denkt man des Mosca noch dort oben? +Ich bin’s, der meine Hand zum Morde bot, +Ob des jetzt Tuscien die Partei’n durchtoben." +"Der Grund auch war zu deines Stammes Tod!" +Setzt’ ich hinzu--und, häufend Grau’n auf Grauen, +Zog er davon in höchster Angst und Not. +Ich aber blieb, die andern anzuschauen, +Und was ich sah, so furchtbar und so neu, +Nicht wagt’ ich’s unverbürgt euch zu vertrauen, +Fühlt’ ich nicht mein Gewissen rein und treu, +Dies gute feste Schild, den sichern Leiter, +Und so mein Herz befreit von Furcht und Scheu. +Ich sah--noch ist dies Schreckbild mein Begleiter-- +Ein Rumpf ging ohne Haupt mit jener Schar +Von Unglücksel’gen in der Tiefe weiter. +Er hielt das abgedchnittne Haupt beim Haar +Und ließ es von der Hand als Leuchte hangen +Und seufzte tief, wie er uns nahe war. +So kam er eins in zwei’n dahergegangen +Und leuchtet’ als Laterne sich mit sich-- +Wie’s möglich, weiß nur der, der’s so verhangen. +Nachdem er bis zum Fuß der Brücke schlich, +Hob er, um näher mir ein Wort zu sagen, +Den Arm zusamt dem Haupte gegen mich, +Und sprach: "Hier sieh die schrecklichste der Plagen! +Du, der du atmend in der Höll’ erscheinst, +Sprich: Ist wohl eine schwerer zu ertragen? +Jetzt horch, wenn du von mir zu künden meinst; +Beltram von Bornio bin ich, und Johannen, +Dem König, gab ich bösen Ratschlag einst, +Darob dann Sohn und Vater Krieg begannen, +Wie zwischen David einst und Absalon, +Durch Ahitophel Fehden sich entspannen. +Mein Hirn nun muß ich zum gerechten Lohn +Getrennt von seinem Quell im Rumpfe sehen, +Weil ich getrennt den Vater und den Sohn, +Und so, wie ich getan, ist mir geschehen." + + +Neunundzwanzigster Gesang + +Das viele Volk und die verschiednen Wunden, +Sie hatten so die Augen mir berauscht, +Daß sie vom Schau’n mir ganz voll Zähren stunden. +Da sprach Virgil: "Was willst du noch? Was lauscht +Und starrt dein Auge so nach diesen Gründen, +Wo’s Greuelbild um Greuelbild vertauscht? +Nicht also tatst du in den andern Schlünden. +An zweiundzwanzig Miglien kreist dies Tal, +Drum kannst du hier nicht jegliches ergründen. +Schon unter unserm Fuß glänzt Lunens Strahl, +Und wenig dürfen wir uns nur verweilen, +Denn noch zu sehn ist viel und große Qual." +Ich sprach: "Erlaubtest du, dir mitzuteilen, +Welch einen Grund ich hatt’, hinabzuspäh’n, +So würdest du wohl minder mich beeilen." +Er ging und ich ihm nach und gab im Gehn +Dem Meister von dem Grund des Forschens Kunde +Und sprach: "Wohl hab’ ich scharf hinabgesehn, +Denn eine Seele wohnt in diesem Schlunde +Von meinem Stamm, und sicher ist an ihr +Bestraft die Schuld durch manche schwere Wunde." +Mein Meister sprach darauf: "Nicht mache dir +Noch länger Sorg’ um diesen Anverwandten; +An andres denk’, er aber bleibe hier. +Ich sah ihn bei der Brücke den Bekannten +Dich zeigen und dir mit dem Finger droh’n +Und hörte, wie sie ihn del Bello nannten. +Doch du bemerktest eben nichts davon, +Weil auf dem Beltram deine Blicke weilten. +Als dieser ging, war jener schon entfloh’n." +"Weil Rach’ und Schwert des Feindes ihn ereilten", +Sprach ich, "und keiner seinen Tod gerächt, +Von allen denen, so die Kränkung teilten, +Zürnt’ er auf mich und zürnt’ auf sein Geschlecht +Und ging drum, ohne mich zu sprechen, weiter, +Und darin, glaub’ ich, hat der Arme recht." +Nun folgt’ ich hin zum Felsen meinem Leiter, +Von wo man überblickt den nächsten Schlund, +Wär’ irgend nur von Licht die Tiefe heiter. +Von seiner Höh’ ward unserm Auge kund +Der letzte Klosterbann von Übelsäcken, +Und viel Bekehrte waren tief im Grund. +Und gleich den Pfeilen drangen, mir zum Schrecken, +Gespitzt durch Mitleid, Jammertön’ heraus +Und zwangen mich, die Ohren zu bedecken. +Wär’ aller Schmerz aus jedem Krankenhaus +Zur Zeit, da wild die Sommergluten flammen, +Und Valdichianas und Sardiniens Graus +Und Seuch’ und Pest in einem Schlund beisammen, +Nicht ärger wär’s als hier, wo fauler Duft +Und Stank vom Eiter in den Lüften schwammen. +Wir stiegen auf den Rand der letzten Kluft +Vom langen Felsen niederwärts zur Linken, +Und deutlicher erschien der Schoß der Gruft. +In diesem Grund läßt nach des Höchsten Winken +Die nimmer irrende Gerechtigkeit +Zur wohlverdienten Quäl die Fälscher sinken. +Nicht in Ägina ist vor alter Zeit +Des Volkes Anblick trauriger gewesen, +Das krank darniedersank, dem Tod geweiht, +Ja bis zum kleinsten Wurm jedwedes Wesen, +Durch tückisch böse Luft, worauf im Land, +Wie wir für sicher in den Dichtern lesen, +Ein neues Volk aus Ämsenbrut entstand; +Als hier zu sehn war, wie sich schwach und siechend +Das Geistervolk in manchem Haufen wand. +Die einen auf der andern Rücken liegend, +Die auf dem Bauch, und die von einem Ort +Zum andern hin auf allen vieren kriechend. +Wir gingen Schritt um Schritt und schweigend fort, +Sahn Kranke dort, unfähig aufzustehen +Und horchten auf ihr kläglich Jammerwort. +Sich gegenseitig stützend, saßen zween, +Wie in der Küche Pfann’ an Pfanne lehnt, +Mit Grind gefleckt vom Kopf bis zu den Zehen. +Gleich wie ein Stallknecht, der nach Schlaf sich sehnt +Und bald sein Tagwerk hofft vollbracht zu haben, +Die Striegel eiligst führt und öfters gähnt; +So sah ich sie sich mit den Nägeln schaben +Und hier und dort sich kratzen und geschwind, +So gut es ging, ihr wütend Jucken laben. +Und schnell war unter ihren Klau’n der Grind +Wie Schuppen von den Barschen abgegangen, +Die unterm Messer schneller Köche sind. +"Du, vor des Fingern Schien’ und Masche sprangen," +Begann Virgil zu einem von den zwei’n, +"Und der du sie auch oft gebrauchst wie Zangen, +Sprich: Fanden sich auch hier Lateiner ein +Und mögen dich zu kratzen und zu krauen, +Dafür dir ewig scharf die Nägel sein." +"Lateiner kannst du in uns beiden schauen," +Erwidert einer drauf, von Qual durchbebt, +"Doch wer du bist, magst du mir erst vertrauen." +Mein Führer sprach: "Von Fels zu Felsen strebt +Mein Fuß hinab in diesen Finsternissen; +Die Höll’ zeig’ ich diesem, der da lebt." +Da schien das Band, das beide hielt, zerrissen, +Und jeder, dem’s der Rückhall kundgetan, +War zitternd nur mich anzuschau’n beflissen. +Dicht drängte sich an mich mein Meister an +Und sprach: "Du magst sie nach Belieben fragen!" +Und ich, da er es so gewollt, begann: +"Soll dein Gedächtnis noch in späten Tagen +Auf unsrer Welt und in der Menschen Geist +Erhalten sein, so magst du jetzo sagen, +Wie du dich nennst und deine Heimat heißt? +Und, trotz der ekeln Qual, nimm dich zusammen, +Daß du in deinen Reden offen seist." +"Mich zeugt’ Arezzo, und den Tod in Flammen +Verschafft’ einst Albero von Siena mir, +Doch andrer Grund hieß Minos mich verdammen. +Wahr ist’s, ich sagt’ im Scherz: ins Luftrevier +Verstünd’ ich mich im Fluge hinzuschwingen. +Er, klein an Witz und groß an Neubegier, +Bat mich, ihm diese Kenntnis beizubringen, +Und nur weil er durch mich kein Dädal ward, +Befahl sein Vater dann, mich umzubringen. +Doch Minos, dem sich alles offenbart, +Hat, weil ich mich der Alchimie ergeben, +Im letzten Schlund der zehen mich verwahrt." +Zum Dichter sagt’ ich: "Sprich, ob man im Leben +So eitles Volk wie die Sanesen fand? +Selbst die Franzosen sind ja nichts daneben." +Der andre Grind’ge, welcher mich verstand, +Rief: "Mag nur Stricca ausgenommen bleiben, +Der all sein Gut so klüglich angewandt; +Und Nikel, dem die Ehre zuzuschreiben, +Daß er zuerst die Braten wohl gewürzt, +Dort, wo dergleichen Saaten wohl bekleiben; +Und jener Klub, der wohl die Zeit gekürzt, +In dem Caccia d’Ascian samt seinem Witze, +Auch Wald und Weinberg durch den Schlund gestürzt. +Doch willst du wissen, wer dir half, so spitze +Den Blick auf mich und stelle dich dahin, +Gerade gegenüber meinem Sitze; +Dann wirst du sehn, daß ich Capocchio bin. +Metall verfälscht’ ich, daß ich Gold erschaffe, +Und, sah ich recht, so ist dir’s noch im Sinn, +Ich war von der Natur ein guter Affe". + + +Dreißigster Gesang + +Zur Zeit, da Junos Herz in Zorn geraten +Ob Semeles, in Zorn auf Thebens Blut, +Wie sie so manches Mal gezeigt durch Taten, +Ergriff den Athamas so tolle Wut, +Daß er, als auf sein Weib der Blick gefallen, +Das jeden Arm mit einem Sohn belud, +Den wilden Ruf des Wahnsinns ließ erschallen: +"Die Löwin samt den Jungen sei gefaßt!" +Dann streckt er aus die mitleidlosen Krallen; +Und wie er einen, den Learch, mit Hast +Gepackt, geschwenkt und am Gestein zerschlagen, +Ertränkte sie sich mit der zweiten Last. +Und als das Glück, das alles kühn zu wagen, +Die stolzen Troer trieb, sein Rad gewandt, +So daß zusammen Reich und Fürst erlagen, +Und Hekuba, gefangen und verbannt, +Geopfert die Polyxena erblickte, +Und sie ihr Mißgeschick an Thraziens Strand +Zum Leichnam ihres Polydorus schickte, +Da bellte sie, wahnsinnig, wie ein Hund, +Weil Schmerz den Geist verkehrt’ und ganz bestrickte. +Doch nichts in Theben ward noch Troja kund +Von einer Wut, die Vieh und Menschen packte, +Wie ich hier sah in diesem zehnten Schlund. +Ein Paar von Geistern, totenfahle, nackte, +Brach vor, so wie aus seinem Stall das Schwein, +Indem’s auf alles mit den Hauern hackte. +Der schlug sie in den Hals Capocchios ein +Und schleppt’ ihn fort, und nicht gar sanft gerieben +Ward ihm dabei der Bauch am harten Stein. +Der Aretiner, der voll Angst geblieben, +Sprach: "Schicchi ist’s, der tolle Poltergeist, +Der solch ein wütend Spiel schon oft getrieben." +"Wie du geschützt vor jenes Hauern seist," +Entgegnet’ ich, "so sprich, eh’ er entronnen, +Wer dieser Schatten ist und wie er heißt." +"Die Myrrha ist’s, die schnöden Trug ersonnen," +Erwidert’ er, "die mehr als sich gebührt +Vor alter Zeit den Vater liebgewonnen, +Und die mit ihm das Werk der Lust vollführt, +Weil sie die fremde Form sich angedichtet; +Wie jener, der Capocchio dort entführt, +Weil Simon ihn durchs beste Roß verpflichtet, +Als falscher Buoso sich ins Bett gelegt +Und so für ihn ein Testament errichtet." +Als nun die Tollen sich vorbeibewegt, +Ließ ich mein Auge durch die Tiefe streichen +Und sah, was sonst der Schlund an Sündern hegt. +Der eine war der Laute zu vergleichen, +Hätt’ ihm ein Schnitt die Gabel weggeschafft, +Die jeder Mensch hat abwärts von den Weichen. +Die Wassersucht, durch schlechtverkochten Saft +Ein Glied abmagernd und das andre blähend, +Die hart den Bauch macht, das Gesicht erschlafft, +Hielt ihm die beiden Lippen offen stehend, +Die nach dem Kinn, und die emporgekehrt, +Und dem Schwindsücht’gen gleich, vor Durst vergehend. +"Ihr, die ihr schmerzlos geht und unversehrt, +Wie? weiß ich nicht, in diesen Schmerzenstalen," +Er sprach’s, "o schaut und merkt und seid belehrt +Von Meister Adams schreckenvollen Qualen. +Kein Tröpflein, ach, stillt hier des Durstes Glüh’n; +Dort konnt’ ich, was ich nur gewünscht, bezahlen. +Die muntern Bächlein, die vom Hügelgrün +Des Casentin zum Arno niederrollen +Und frisch und lind des Bettes Rand besprüh’n, +Ach, daß sie mir sich ewig zeigen sollen, +Und nicht umsonst--mehr, als die Wassersucht, +Entflammt dies Bild den Durst des Jammervollen. +Denn die Gerechtigkeit, die mich verflucht, +Treibt durch den Ort, wo ich in Schuld verfallen, +Zu größrer Eile meiner Seufzer Flucht. +Dort liegt Romena, wo ich mit Metallen +Geringern Werts verfälscht das gute Geld, +Weshalb ich dort der Flamm’ anheimgefallen. +Doch wäre Guido nur mir beigesellt, +Und jeder, der zum Laster mich verführte, +Ich gäbe drum den schönsten Quell der Welt. +Zwar, wenn der Tolle Wahrheit sagt, so spürte +Er jüngst den einen auf in dieser Nacht. +Doch da dies übel meine Glieder schnürte, +Was hilft es mir? Hätt’ ich nur so viel Macht, +Um zollweis’ im Jahrhundert vorzuschreiten, +Ich hätte schon mich auf den Weg gemacht, +Ihn suchend durch dies Tal nach allen Seiten, +Mag’s in der Rund’ auch sich elf Miglien zieh’n, +Und minder nicht als eine halbe breiten. +Bei diesen Krüppeln hier bin ich durch ihn, +Denn er hat mich verführt, daß ich den Gulden +An schlechterm Zusatz drei Karat verlieh’n." +Und ich: "Was mochten jene zwei verschulden, +Die, dampfend, wie im Frost die nasse Hand, +Fest an dir liegend, ihre Straf erdulden?" +Er sprach: "Sie liegen fest, wie ich sie fand, +Als ich hierhergeschneit nach Minos’ Winken, +Und werden ewiglich nicht umgewandt. +Die ist das Weib des Potiphar; zur Linken +Liegt Sinon mir, berühmt durch Trojas Roß. +Im faulen Fieber liegen sie und stinken." +Und dieser Letzte, den’s vielleicht verdroß, +Daß Meister Adams Wort ihn so verhöhnte, +Gab auf den harten Wanst ihm einen Stoß, +Daß dieser gleich der besten Trommel tönte. +Doch in das Angesicht des andern warf +Herr Adam die gleich harte Faust und stöhnte: +"Ob ich mich gleich nicht fortbewegen darf, +Doch ist mein Arm noch, wie du eben spürtest, +Noch frei und flink zu solcherlei Bedarf." +"Als du zum Feuer gingst," rief Sinon, "rührtest +Du nicht den Arm schnell, wie er eben war, +Doch schneller, da du einst den Stempel führtest." +Der Wassersücht’ge: "Darin sprichst du wahr, +Doch stelltest du in Troja kein Exempel +Von einem so wahrhaft’gen Zeugnis dar." +"Fälscht’ ich das Wort, so fälschtest du den Stempel. +Hier bin ich doch für einen Fehler nur, +Du aber dientest stets in Satans Tempel." +So Sinon. "Denk’ ans Roß, du Schelm!" so fuhr +Ihn jener an mit dem geschwollnen Bauche, +"Qual sei dir, daß es alle Welt erfuhr." +"Qual sei dir", rief der Grieche drauf, "die Jauche, +Und blähe stets zum Bollwerk deinen Wanst, +Der Durst, der deine Zung’ in Flammen tauche." +Der Münzer: "Der du stets auf Lügen sannst, +Dein Maul zerreiße dir für solch Erfrechen! +Wenn du mich dürstend. schwellend sehen kannst, +So möge Durst dich quälen, Kopfweh stechen. +Sprach’ einer kurz: Sauf aus den ganzen Bach! +Du würdest dessen wohl dich nicht entbrechen." +Ich horchte stumm, was der und jener sprach, +Da rief Virgil: "Nun, wirst du endlich kommen? +Zu lange sah ich schon der Neugier nach." +Als ich des Meisters Wort voll Zorn vernommen, +Wandt’ ich voll Scham zu ihm das Angesicht +Und fühle jetzt noch mich von Scham entglommen. +Wie man im schreckenvollen Traumgesicht +Zu wünschen pflegt, daß man nur träumen möge, +Und das, was ist, ersehnt, als wär’ es nicht; +So bangt’ ich, daß mir Scham das Wort entzöge; +Entschuld’gen wollt’ ich mich--Entschuld’gung kam, +Indem ich glaubte, daß ich’s nicht vermöge. +Da sprach mein guter Meister: "Mindre Scham +Wäscht größern Fehler ab, als du begangen, +Darum entlaste dich von jedem Gram; +Doch wenn wir je zu solchem Streit gelangen, +So denke stets, daß ich dir nahe bin, +Und bleibe nicht daran voll Neugier hangen; +Denn drauf zu horchen, zeigt gemeinen Sinn." + + +Einunddreißigster Gesang + +Dieselbe Zunge, die mich erst verletzte +Und beide Wangen überzog mit Rot, +War’s, die mich dann mit Arzeneien letzte. +So, hör’ ich, hat der Speer Achills gedroht, +Und seines Vaters, der mit einem Zücken +Verletzt’ und mit dem andern Hilfe bot. +Wir kehrten nun dem Jammertal den Rücken, +Den Damm durchschneidend, der es rings umlag, +Um, schweigend, mehr nach innen vorzurücken. +Dort war’s nicht völlig Nacht, nicht völlig Tag, +Daher die Blicke wenig vorwärts gingen; +Doch tönt’ ein Horn--der stärkste Donner mag +Bei solchem Ton kaum hörbar noch erklingen-- +Drum sucht’ ich nur, entgegen dem Gebraus, +Mit meinem Blick zu seinem Quell zu dringen. +Nicht tönte nach dem unglücksel’gen Strauß, +Der Karls des Großen heil’gen Plan vernichtet, +Des Grafen Roland Horn mit solchem Graus. +Wie ich mein Auge nun dorthin gerichtet, +Glaubt’ ich, viel hohe Türme zu ersehn, +Und sprach: "Ist eine Feste dort errichtet?" +Mein Meister drauf: "Weil du zu weit zu späh’n +Versuchst in diesen nachterfüllten Räumen, +Mußt du dich selber öfters hintergehn. +Dort siehst du, daß, wie oft, zu eitlen Träumen +Aus der Entfernung das Geschaute schwoll, +Drum schreite vorwärts, ohne lang zu säumen." +Dann faßt’ er bei der Hand mich liebevoll +Und sprach: "Ich will dir die Bewandtnis sagen, +Weil’s nah dann minder seltsam scheinen soll. +Ob’s Türme wären, wolltest du mich fragen? +Nein, Riesen sind’s, die rings am Brunnenrand +Vom Nabel aufwärts in die Lüfte ragen." +Wie wenn der Nebel fortzieht, der das Land +In Dunst gehüllt, allmählich unsre Blicke +Das klar erkennen, was er erst umwand; +So, bohrend durch die Luft, die trübe, dicke, +Und mehr und mehr genaht dem tiefen Schlund, +Scheucht’ ich den Wahn, doch kam die Furcht zurücke +Wie um Montereggiones Zinnenrund +Rings eine Krone hohe Türme machen, +So türmten sich, mit halbem Leib im Grund, +Mit halbem Leib rings um des Brunnens Rachen +Giganten, Kämpfer jenes großen Streits, +Sie, welchen nach die Donner Jovis krachen. +Von einem sah ich das Gesicht bereits +Und Schultern, Brust und großen Teil vom Bauche, +Herabgestreckt die Arme beiderseits. +Wenn die Natur nicht mehr nach altem Brauche +Dergleichen Wesen schafft, so tut sie recht, +Damit nicht Mars sie mehr als Schergen brauche. +Schafft sie den Walfisch auch und das Geschlecht +Der Elefanten noch, doch sicher findet, +Wer reiflich urteilt, sie hierin gerecht, +Weil, wenn die Überlegung sich verbindet +Mit bösem Willen und mit großer Macht, +Jedwede Schutzwehr dann dem Volke schwindet. +Das Antlitz schien mir lang und ungeschlacht, +Dem Turmknopf von Sankt Peter zu vergleichen, +Und jedes Glied nach solchem Maß gemacht. +Es mochten wohl vom Strand, der von den Weichen +Ihn abwärts barg, der oberen Gestalt +Drei Friesen ausgestreckt nicht dahin reichen, +Wo seine Stirn das borst’ge Haar umwallt, +Denn aufwärts maß er dreißig große Palmen, +Bis zu dem Ort, wo man den Mantel schnallt. +Raphegi mai amech itzabi Almen! +So tönt’ es aus den dicken Lippen vor, +Für die sich nicht geziemten sanftre Psalmen. +Mein Führer rief: "Nimm doch dein Horn, du Tor, +Und magst du Zorn und andern Trieb empfinden, +So sprudl’ ihn flugs durch seinen Bauch hervor. +Du kannst an deinem Hals den Riemen finden, +Verwirrter Geist, der’s angebunden hält. +Sieh doch ihn dort die dicke Brust umwinden!" +Darauf zu mir: "Sich selbst verklagt der Held; +Der Nimrod ist’s, durch dessen toll Vergehen +Man nicht mehr eine Sprach’ übt in der Welt. +Mit ihm ist nicht zu sprechen. Mag er stehen! +Kein Mensch versteht von seiner Sprach’ ein Wort, +Und er kann keines andern Wort verstehen." +Wir gingen nun zur Linken weiter fort, +Und fanden schon in Bogenschusses Weite +Den zweiten größern, wilden Riesen dort. +Nicht weiß ich, wem’s gelang, daß er im Streite +Ihn fing und band, doch vorn geschnürt erschien +Sein linker Arm und hinter ihm der zweite; +Denn eine Kett’ umwand vom Nacken ihn, +Um, was von seinem Leib nach oben ragte, +Nach unten hin fünf Male zu umzieh’n. +Da sprach mein Meister: "Mit dem Donnrer wagte +Sein kühner Stolz des großen Kampfes Los. +Hier aber sieh den Preis, den er erjagte. +Ephialtes ist’s. Sein Tun war kühn und groß +Im Riesenkampfe, zu der Götter Schrecken; +Nun ist sein droh’nder Arm bewegungslos." +Und ich zu ihm: "Den ungeheuern Recken, +Den Briareus, wenn dies geschehen kann, +Möcht’ ich wohl gern in diesem Tal entdecken." +Mein Führer drauf: "Du siehst hier nebenan +Antäus stehn. Er spricht, ist ungebunden +Und setzt uns nieder in den tiefsten Bann. +Der, den du suchst, wird weiterhin gefunden, +Gleich diesem hier, nur schrecklicher zu schau’n, +Allein wie er mit Ketten fest umwunden." +Hier schüttelt’ Ephialtes sich, und traun! +Kein Erdenstoß, von dem die Türme schwanken, +War heftiger, erregte tiefres Grau’n. +Ich glaubte schon dem Tode zuzuwanken, +Und sah ich nicht, wie ihn die Kett’ umschloß, +So genügten, mich zu töten, die Gedanken. +Wir gingen weiter, ich und mein Genoß, +Und sahn Antäus, der dem tiefen Bronnen, +Zehn Ellen bis zum Haupte hoch, entsproß. +"Der du im Tal, das ew’gen Ruhm gewonnen, +Weil Hannibal in ihm, der kühne Feind, +Mit seiner Schar vor Scipios Mut entronnen, +Einst tausend Löwen fingst, wenn du, vereint +Mit deinen Brüdern kühn den Arm geschwungen +Im hohen Krieg, so hätten, wie man meint, +Die Erdensöhne doch den Sieg errungen. +Jetzt setz’ uns dort hinab, wo, fern dem Licht, +Die starre Kälte den Kozyt bezwungen. +Zu Tiphöus oder Tityus schick’ uns nicht. +Das, was man hier ersehnt, kann dieser geben, +Drum wende nicht so mürrisch dein Gesicht. +Er kann auf Erden deinen Ruf erheben. +Er lebt und hofft, wenn ihn nicht vor der Zeit +Die Gnade zu sich ruft, noch lang zu leben." +Er sprach’s, und jener, schnell zum Griff bereit, +Streckt’ aus die Hand, um auf ihn loszufahren, +Die Hand, die Herkul fühlt’ im großen Streit. +Virgil, kaum konnt’ er sich gepackt gewahren, +Rief: "Komm hierher, wo dich mein Arm umstrickt!" +Drauf macht’ er’s, daß wir zwei ein Bündel waren. +Wie Carisenda, unterm Hang erblickt, +Sich vorzubeugen scheint und selbst zu regen, +Wenn Wolken ihr den Wind entgegenschickt, +So schien Antäus jetzt sich zu bewegen, +Als er sich niederbog, und großen Hang +Empfand ich, fortzugehn auf andern Wegen. +Doch leicht zum Grund, der Luzifern verschlang +Und Judas, setzt’ er nieder unsre Last, +Und, so geneigt, verweilt’ er dort nicht lang +Und schnellt’ empor, als wie im Schiff der Mast. + + +Zweiunddreißigster Gesang + +O hätt’ ich Reime von so heiserm Schalle, +So rauh, wie sie erheischt dies Loch voll Graus, +Auf welchem ruh’n die andern Felsen alle, +Dann drückt’ ich, was ich will, vollkommner aus, +Doch, sie nicht habend, geh’ ich nur mit Bangen +Jetzt an die Rede, wie zum harten Strauß. +Denn nicht ein Spiel ist ja mein Unterfangen, +Den Grund des Alls dem Liede zu vertrau’n, +Und nicht mit Kinderlallen auszulangen. +Doch fördern meine Reim’ itzt jene Frau’n, +Amphions Hilf an Thebens Mau’r und Toren, +Dann wohl entspricht mein Lied der Tat an Grau’n. +O schlechtster Pöbel, an dem Ort verloren, +Der hart zu schildern ist, oh wärst du doch +In unsrer Welt als Zieg’ und Schaf geboren. +Wir waren nun im dunkeln Brunnenloch +Tief unterm Riesen, näher schon der Mitte, +Und nach der hohen Mauer sah ich noch. +Da hört’ ich sagen: "Schau’ auf deine Schritte, +Daß du den Armen nicht im Weiterzieh’n +Die Häupter stampfen magst mit deinem Tritte." +Drum wandt’ ich mich, und vor mir hin erschien +Und unter meinen Füßen auch ein Weiher, +Der durch den Frost Glas, und nicht Wasser, schien. +Die Donau bleibt im Frost vom Eise freier, +Und nah dem Pol, selbst in der längsten Nacht, +Deckt nicht den Sanais ein so dichter Schleier. +Und wäre Tabernik herabgekracht +Und Pietrapan, nicht hätte nur am Saume +Bei ihrem Sturz das Eis krick krick gemacht. +Wie abends, wenn die Bäuerin im Traume +Noch Ähren liest--die Schnauze vorgestreckt, +Der Frösche Volk quäkt aus dem nassen Raume; +So bis dahin, wo sich die Scham entdeckt, +Fahl, mit dem Ton des Storchs die Zähne schlagend, +War elend Geistervolk im Eis versteckt, +Zur Tiefe hingewandt das Antlitz tragend, +Vom Froste mit dem Mund und von den Weh’n +Des Herzens mit den Augen Zeugnis sagend. +Als ich ein Weilchen erst mich umgesehn, +Schaut’ ich zum Boden hin und sah von oben +Zwei, eng umfaßt, vermischt das Haupthaar, stehn. +"Ihr, die ihr drängend Brust an Brust geschoben, +Wer seid ihr?" sprach ich--dann, als sie auf mich, +Die Hälse rückend, ihre Blick’ erhoben, +Sah ich die Augen, feucht erst innerlich, +Von Tränen träufeln, die, noch kaum ergossen, +Zu Eis erstarrten; und sie schlossen sich, +Fest, wie nie Klammern Holz an Holz geschlossen, +Drum stießen sich im Grimme wilden Streits, +Gleich zweien Böcken, diese Qualgenossen. +Und einer, der sein Ohrenpaar bereits +Durch Frost verlor, brach, stets gebückt, das Schweigen: +Was hängst du so am Schauspiel unsres Leids? +Soll ich, wer diese beiden sind, dir zeigen? +Das Tal, das des Bisenzio Flut benetzt, +War ihnen einst und ihrem Vater eigen. +Ein Leib gebar sie, und durchsuche jetzt +Kaina ganz, du findest sicher keinen +Mit besserm Grund in dieses Eis versetzt; +Nicht ihn, des Brust und Schatten einst durch einen +Stoß seines Speers durchbohrt des Artus Hand; +Focaccia nicht, noch ihn, des Kopf den meinen +So deckt, daß mir die Aussicht gänzlich schwand. +Den, hörst du Sassol Mascheroni nennen, +Du, ein Toskaner, sicher leicht erkannt. +Jetzt hör’, um mir nur schleunig Ruh’ zu gönnen, +Ich, Camicion, erwarte den Carlin +Und werde neben ihm mich brüsten können:" +Noch sah ich viele Hundesfratzen zieh’n +Vor großem Frost in diesem tiefen Kreise, +Und schaudre noch vor dem, was mir erschien. +Und weiter ging zum Mittelpunkt die Reise, +Auf welchem ruht des ganzen Alls Gewicht, +Und selber zittert’ ich beim ew’gen Eise. +War’s Vorsatz, war’s Geschick--ich weiß es nicht, +Genug, es stieß mein Fuß beim Weitergehen +Durch viele Häupter, eins ins Angesicht. +"Was trittst du mich?"--so hört’ ich’s heulend schmähen, +"Rächst du noch schärfer Montapert an mir? +Wenn aber nicht, weswegen ist’s geschehen?--" +"Mein Meister," sprach ich, "harr’ ein wenig hier, +Denn gern belehrt’ ich mich von diesem näher, +Dann folg’ ich, wie dir’s gut dünkt, eilig dir." +Still stand, wie ich gewünscht, der hohe Seher, +Und jener fluchte noch so wild wie erst, +Da sprach ich: "Wer bist du, du arger Schmäher?" +"Und du, der du durch Antenora fährst," +Sprach er, "wer du, der so stößt andrer Wangen, +Daß es zu arg war’, wenn du lebend wärst?"-- +"Ich lebe", sagt’ ich. "Hättest du Verlangen +Nach Ruf, so wird er dir durch mich zuteil, +Drum wirst du wohl mit Freuden mich empfangen." +Drauf er: "Ich wünsche nur das Gegenteil, +Drum packe dich--in diesen Eisesmassen +Verspricht solch Schmeichelwort ein schlechtes Heil." +Da griff ich nieder, ihn beim Schopf zu fassen, +Und sagt’ ihm: "Nötig wird’s, daß du dich nennst, +Soll ich ein Haar auf deinem Kopfe lassen." +Und er: "Ob du mich zausen magst, du kennst +Mich dennoch nicht--nichts sollst du hier erkunden, +Wenn du mir tausendmal ins Antlitz rennst." +Ich hielt sein Haar um meine Hand gewunden, +Und ob schon ausgerauft manch Büschel war, +Schaut’ er hinab und bellte gleich den Hunden. +Da rief ein andrer: "Bocca, nun fürwahr, +Du ließest schon genug die Kiefern klingen, +Jetzt bellst du noch? Plagt dich der Teufel gar?" +"Dich", rief ich, "mag ich nicht zum Reden zwingen, +Verräter du, allein zu deiner Schmach +Will ich zur Erde wahre Nachricht bringen." +"Erzähle, was du willst, doch hintennach", +Rief Bocca, "magst du diesen nur nicht schönen, +Der eben jetzo so geläufig sprach. +Sieh ihn für’s Gold der Franken hier belohnen +Und sage, daß Duera da nicht fehlt, +Wo ziemlich kühl und frisch die Sünder wohnen. +Und fragt man noch, wen sonst dies Eis verhehlt, +Dort siehst du Becherias Augen triefen, +Den jüngst die Florentiner abgekehlt. +Auch wohnt Soldanier jetzt in diesen Tiefen, +Gan, Sribaldello, der Faenzas Tor +Den Feinden aufschloß, da noch alle schliefen." +Wir gingen fort, und, etwas weiter vor, +War, Haupt auf Haupt gedrückt, ein Paar zu finden, +Das fest in einem Loch zusammenfror. +Wie man aus Hunger nagt an harten Rinden, +So fraß der Obre hier den Untern an +Da, wo sich Nacken und Gehirn verbinden. +Wie in die Schläfe Menalipps den Zahn +Einst Sydeus voll von wilder Wut geschlagen, +So ward von ihm dem Schädel hier getan. +"O du, der du mit viehischem Behagen +Den Haß an diesem stillst, an dem du nagst, +Weshalb", begann ich, "magst du dich beklagen? +Und hör’ ich, daß du dich mit Recht beklagst, +Und wer er sei, und was dein Nagen räche, +So sollst du dort erstehn, wo du erlagst, +Wenn diese nicht verdorrt, mit der ich spreche." + + +Dreiunddreißigster Gesang + +Den Mund erhob vom schaudervollen Schmaus +Der Sünder jetzt und wischt’ ihn mit den Locken +Des angefress’nen Hinterkopfes aus. +Er sprach: "Du willst zum Reden mich verlocken? +Verzweiflungsvollen Schmerz soll ich erneu’n, +Bei des Erinnrung schon die Pulse stocken? +Doch dient mein Wort, um Saaten auszustreu’n, +Die Frucht der Schande dem Verräter bringen, +Nicht Reden werd’ ich dann noch Tränen scheu’n. +Zwar, wer du bist, wie dir hierherzudringen +Gelungen, weiß ich nicht, doch schien vorhin +Wie Florentiner Laut dein Wort zu klingen. +Du höre jetzt: Ich war Graf Ugolin, +Erzbischof Roger er, den ich zerbissen. +Nun horch, warum ich solch ein Nachbar bin. +Daß er die Freiheit tückisch mir entrissen, +Als er durch Arglist mein Vertrau’n betört, +Und mich getötet hat, das wirst du wissen. +Vernimm darum, was du noch nicht gehört, +Noch haben kannst--den Tod voll Graus und Schauer, +Und fass es, wie sich noch mein Herz empört. +Ein enges Loch in des Verlieses Mauer, +Durch mich benannt vom Hunger, wo gewiß +Man manchen noch verschließt zu bittrer Trauer, +Es zeigte kaum nach nächt’ger Finsternis +Das erste Zwielicht, als ein Traum voll Grauen +Der dunkeln Zukunft Schleier mir zerriß. +Er jagt’, als Herr und Meister, durch die Auen +Den Wolf und seine Brut zum Berg hinaus, +Der Pisa hindert, Lucca zu erschauen. +Mit Hunden, mager, gierig und zum Strauß +Wohleingeübt, entsendet er Sismunden, +Lanfranken samt Gualanden sich voraus. +Bald schien im Lauf des Wolfes Kraft geschwunden +Und seiner Jungen Kraft, und bis zum Tod +Sah ich von scharfen Zähnen sie verwunden. +Als ich erwacht’ im ersten Morgenrot, +Da jammerten, halb schlafend noch, die Meinen, +Die bei mir waren, und verlangten Brot. +Teilst du nicht meinen Schmerz, so teilst du keinen, +Und denkst du, was mein Herz mir kundgetan, +Und weinest nicht, wann pflegst du denn zu weinen? +Schon wachten sie, die Stunde naht’ heran, +Wo man uns sonst die Speise bracht’, und jeden +Weht’ ob des Traumes Unglücksahndung an. +Verriegeln hört’ ich unter mir den öden, +Grau’nvollen Turm--und ins Gesicht sah ich +Den Kindern allen, ohn’ ein Wort zu reden. +Ich weinte nicht. So starrt’ ich innerlich, +Sie weinten, und mein Anselmuccio fragte: +Du blickst so,--Vater! Ach, was hast du? Sprich! +Doch weint’ ich nicht, und diesen Tag lang sagte +Ich nichts und nichts die Nacht, bis abermal +Des Morgens Licht der Welt im Osten tagte. +Als in mein jammervoll Verlies sein Strahl +Ein wenig fiel, da schien es mir, ich fände +Auf vier Gesichtern mein’s und meine Qual. +Ich biß vor Jammer mich in beide Hände, +Und jene, wähnend, daß ich es aus Gier +Nach Speise tat’, erhoben sich behende +Und schrien: Iß uns, und minder leiden wir! +Wie wir von dir die arme Hüll’ erhalten, +Oh, so entkleid’ uns, Vater, auch von ihr. +Da sucht’ ich ihrethalb mich still zu halten; +Stumm blieben wir den Tag, den andern noch. +Und du, o Erde, konntest dich nicht spalten? +Als wir den vierten Tag erreicht, da kroch +Mein Gaddo zu mir hin mit leisem Flehen: +Was hilfst du nicht? Mein Vater, hilf mir doch! +Dort starb er--und so hab’ ich sie gesehen, +Wie du mich siehst, am fünften, sechsten Tag, +Jetzt den, jetzt den hinsinken und vergehen. +Schon blind, tappt’ ich dahin, wo jeder lag, +Rief sie drei Tage, seit ihr Blick gebrochen, +Bis Hunger tat, was Kummer nicht vermag." +Und scheelen Blickes fiel er, dies gesprochen, +Den Schädel an, den er zerriß, zerbrach, +Mit Zähnen, wie des Hundes, stark für Knochen. +Pisa, du, des schönen Landes Schmach, +In dem das Si erklingt mit süßem Tone, +Sieht träg dein Nachbar deinen Freveln nach, +So schwimme her, Capraja und Gorgone, +Des Arno Mund zu stopfen, daß die Flut +Dich ganz ersäuf und keiner Seele schone. +Denn, wenn auch Ugolinos Frevelmut, +Wie man gesagt, die Schlösser dir verraten, +Was schlachtete die Kinder deine Wut? +Oh neues Theben, war an solchen Taten +Nicht ohne Schuld das zarte Knabenpaar, +Das ich genannt? nicht Hugo samt Brigaten?-- +Wir gingen nun zu einer andern Schar, +Die, statt wie jene, sich hinabzukehren, +Das Antlitz aufwärts, eingefroren war. +Die Zähren selber hemmen hier die Zähren, +Drum wälzt der Schmerz, der nicht nach außen kann, +Sich ganz nach innen, um die Angst zu mehren. +Denn, was zuerst dem trüben Aug’ entrann, +Das war zum Klumpen von Kristall verdichtet +Und füllte ganz die Augenhöhlen an. +Und ob vom Frost, der solches Eis geschichtet, +Mein Antlitz wie bedeckt mit Schwielen schien, +Und deshalb jegliches Gefühl vernichtet, +Doch fühlt’ ich, schien’s mir Luft entgegenzieh’n, +Drum sprach ich: "Herr, wie mag hier Luft sich regen, +Wo nie die Sonne, dunstentwickelnd, schien?" +Und er: "Du gehst der Antwort schnell entgegen +Und siehst, wenn wir noch weiter fortgereist, +Aus welchem Grund die Lüfte sich bewegen." +Da rief ein eisumstarrter armer Geist: +"Grausame Seelen, ihr, die jetzt vom Lichte +Zu dieser letzten Stelle Minos weist, +Hebt mir den harten Schleier vom Gesichte, +Damit ich lüfte meines Herzens Weh’n, +Eh’ neu die Träne sich zu Eis verdichte." +Ich sprach: "Soll dir’s nach deinem Wunsch geschehn, +So nenne dich, und wenn ich’s nicht erzeige, +So will ich selbst zum Grund des Eises gehn." +Drauf er: "Ich bin’s, der Frucht vom bösen Zweige +Als Bruder Alberich dort angeschafft, +Und speise hier die Dattel für die Feige." +"Oh," rief ich, "hat der Tod dich hingerafft?" +Und er zu mir: "Ob noch mein Leib am Leben, +Davon bekam ich keine Wissenschaft. +Denn Ptolommäa hat den Vorzug eben, +Daß oft die Seele stürzt in dies Gebiet, +Eh’ ihr den Anstoß Atropos gegeben. +Und daß du lieber mir vom Augenlid +Verglaste Tränen nehmest sollst du wissen: +Sobald die Seele den Verrat vollzieht, +Wie ich getan, wird ihr der Leib entrissen +Von einem Teufel, der dann drin regiert +Bis an den Tod, indes in Finsternissen +Des kalten Brunnens sie sich selbst verliert. +Vielleicht ist oben noch der Körper dessen, +Der hinter mir in diesem Eise friert. +Kommst du von dort, so magst du’s selbst ermessen. +Herr Branca d’Oria ist’s, der jämmerlich +Schon manches Jahr im Eise fest gesessen." +"Ich glaube," Sprach ich, "du betrügest mich, +Denn Branca d’Oria ist noch nicht begraben +Und ißt und trinkt und schläft und kleidet sich." +Und er darauf: "Es konnte jenen Graben, +An dem beim Pech die Schar von Teufeln wacht, +Noch nicht erreicht Herr Michel Zanche haben, +Da war sein Leib schon in des Dämons Macht. +So ging’s auch dem von d’Orias Geschlechte, +Der den Verrat zugleich mit ihm vollbracht. +Jetzt aber strecke zu mir her die Rechte +Und nimm das Eis hinweg!--doch tat ich’s nicht, +Denn gegen ihn war Schlechtsein nur das Rechte. +Genua, Feindin jeder Sitt’ und Pflicht, +Ihr Genueser, jeder Schuld Genossen, +Was tilgt euch nicht des Himmels Strafgericht? +Ich fand mit der Romagna schlimmsten Sprossen +Der euren einen, für sein Tun belohnt, +Die Seel’ in des Kozytus Eis verschlossen, +Des Leib bei euch noch scheinbar lebend wohnt. + + +Vierunddreißigster Gesang + +"Uns naht des Höllenköniges Panier! +Schau’ hin, ob du vermagst ihn zu erspähen." +So sprach mein edler Meister jetzt zu mir. +Und wie, wenn dichte Nebel uns umwehen, +Wie in der Dämmerung, vom fernen Ort +Windmühlenflügel aussehn, die sich drehen; +So sah ich jetzo ein Gebäude dort-- +Nichts fand ich sonst, mich vor dem Wind zu decken, +Drum drängt’ ich fest mich hinter meinen Hort. +Dort war ich, wo--ich sing’ es noch mit Schrecken-- +Die Geister, in durchsicht’ges Eis gebannt, +Ganz drin, wie Splitterchen im Glase, stecken. +Der lag darin gestreckt, und mancher stand, +Der aufrecht, jener auf dem Kopf; der bückte +Sich sprenkelkrumm, das Haupt zum Fuß gewandt. +Als hinter ihm ich so weit vorwärts rückte, +Daß es dem Meister nun gefällig schien, +Mir den zu zeigen, den einst Schönheit schmückte. +Da trat er weg von mir, hieß mich verzieh’n, +Und sprach zu mir: "Bleib, um den Dis zu schauen, +Und hier laß nicht dir Mut und Kraft entfliehn." +Wie ich da starr und heiser ward vor Grauen, +Darüber schweigt, o Leser, mein Bericht, +Denn keiner Sprache läßt sich dies vertrauen. +Nicht starb ich hier, auch lebend blieb ich nicht. +Nun denke, was dem Zustand dessen gleiche, +Dem Tod und Leben allzugleich gebricht. +Der Kaiser von dem tränenvollen Reiche +Entragte mit der halben Brust dem Glas, +Und wie ich eines Riesen Maß erreiche, +Erreicht’ ein Riese seines Armes Maß. +Nun siehst du selbst das ungeheure Wesen, +Dem solch ein Glied verhältnismäßig saß. +Ist er, wie häßlich jetzt, einst schön gewesen, +Und hat den güt’gen Schöpfer doch bedroht, +So muß er wohl der Quell sein alles Bösen. +O Wunder, das sein Kopf dem Auge bot! +Mit drei Gesichtern sah ich ihn erscheinen, +Von diesen aber war das vordre rot. +Anfügten sich die andern zwei dem einen, +Gerad’ ob beiden Schultern hingestellt, +Um oben sich beim Kamme zu vereinen; +Das Antlitz links weißgelblich--ihm gesellt +Das links, gleich dem der Leute, die aus Landen +Von jenseits kommen, wo der Nilus fällt. +Groß, angemessen solchem Vogel, standen +Zwei Flügel unter jedem weit heraus, +Die wir den Segeln gleich, nur größer, fanden, +Und federlos, wie die der Fledermaus. +Sie flatterten ohn’ Unterlaß und gossen +Drei Winde nach verschiedner Richtung aus. +Dadurch ward der Kozyt mit Eis verschlossen. +Sechs Augen waren nie von Tränen frei, +Die auf drei Kinn’ in blut’gem Geifer flossen. +Und einen armen Sünder malmt’ entzwei +Und kaute jeder Mund, daher zerbissen, +Flachsbrechen gleich, die scharfen Zähne drei. +Der vordre Mund schien sanft in seinen Bissen, +Verglichen mit den scharfen Klau’n, zu sein, +Die oft die Haut vom Fleisch des Sünders rissen. +Da sprach Virgil: "Sieh hier die größte Pein! +Ischariots Kopf steckt zwischen scharfen Fängen, +Und außen zappelt er mit Arm und Bein. +Zwei andre sieh, den Kopf nach unten hängen; +Hier Brutus an der schwarzen Schnauze Schlund +Sich ohne Laute winden, dreh’n und drängen; +Dort Cassius, kräftig, wohlbeleibt und rund-- +Doch naht die Nacht, drum sei jetzt fortgegangen, +Denn ganz erforscht ist nun der Hölle Grund." +Jetzt winkte mir, den Hals ihm zu umfangen, +Und Zeit und Ort ersah sich mein Gesell, +Und, als sich weit gespreizt die Flügel schwangen, +Hing er sich an die zott’ge Seite schnell, +Griff Zott’ auf Zott’, um sich herabzusenken +Inmitten eis’ger Rind’ und rauhem Fell. +Dort angelangt, wo in den Hüftgelenken +Des Riesen sich der Lenden Kugeln dreh’n, +Eilt’ er, mit Müh’ und Angst, sich umzuschwenken. +Wo erst der Fuß war, kam das Haupt zu stehn; +Die Zotten fassend, klomm er aufwärts weiter, +Als sollten wir zurück zur Hölle gehn. +"Hier halte fest dich; denn auf solcher Leiter +Entkommt man nur so großem Leid," so sprach +Tiefkeuchend, wie ein Müder, mein Begleiter. +Worauf er Bahn sich durch ein Felsloch brach, +Dann setzt’ er mich auf einen Rand daneben +Und streckte mir den Fuß behutsam nach. +Ich blickt’ empor und glaubte, wie ich eben +Den Dis gesehn, so stell’ er noch sich dar. +Doch seine Füße sah ich sich erheben. +Wie ich erschrak, bedenk’, o dumme Schar, +Der’s nottut, daß sie erst erkennen lerne, +Durch welchen Punkt ich jetzt gedrungen war. +Da sprach Virgil: "Jetzt auf, das Ziel ist ferne, +Der Weg auch schwierig, den du vor dir hast; +Und Sol, aufsteigend. scheucht bereits die Sternen +Nicht war’s ein Gang durch einen Prachtpalast, +Der vor mir lag; er lief auf rauhem Grunde +Durch eine Felsschlucht, völlig dunkel fast. +Ich, aufrecht stehend, sprach: "Eh’ aus dem Schlunde +Der Weg, den du mich leitest, mich entläßt, +Reiß aus dem Irrtum mich und gib mir Kunde: +Wo ist das Eis? Wie steckt Dis köpflings fest? +Und wie hat Sol so schnell aus solchen Weiten +Die Überfahrt gemacht zum Ost vom West? +"Du glaubst dich auf des Zentrums andern Seiten, +Wo du am Wurme, der die Erde kränkt +Und sie durchbohrt, mich sahst herniedergleiten. +Du warst’s, solang’ ich mich hinabgesenkt; +Allein den Punkt, der anzieht alle Schwere, +Durchdrängest du, da ich mich umgeschwenkt. +Jetzt kamst du zu der andern Hemisphäre, +Entgegen der, die großes trocknes Land +Bedeckt, und unter deren Zelt der Hehre +So fehllos lebt’ und starb, wie er entstand. +Du stehest jetzo auf dem kleinen Kreise, +Der hier Judokas andre Seit’ umspannt. +Und hier beginnt der Sonne Tagesreise, +Wenn sie dort endet, und im Brunnen steckt +Noch immer Luzifer nach alter Weise. +Vom Himmel ward er hier herabgestreckt. +Das Land, das erst hier ragte, hat sich droben +Aus Furcht vor ihm im Meeresgrund versteckt +Und sich auf jenem Halbkreis dort erhoben. +Um ihn zu flieh’n, drang auch die Erde vor +Aus dieser Höhl’ und drängte sich nach oben." +So sprach Virgil--und sieh, vom Dis empor +Ging eine Schlucht, tief wie die ganze Hölle, +Zwar nicht erkannt vom Auge, doch vom Ohr; +Denn rauschend lief ein Bach, des rasche Welle +Sich Bahn durch Felsen brach, mit sanftem Hang +Und vielgewunden, bis zu jener Stelle. +Nun trat mein Führer auf verborgnem Gang +Den Rückweg an entlang des Baches Windung; +Und wie ich, rastlos folgend, aufwärts drang, +Da blickte durch der Felsschlucht obre Rundung +Der schöne Himmel mir aus heitrer Ferne, +Und eilig stiegen wir aus enger Mundung +Und traten vor zum Wiedersehn der Sterne. + + + + +Das Fegefeuer + + +Erster Gesang + +Zur Fahrt in bess’re Fluten aufgezogen +Hat seine Segel meines Geistes Kahn, +Und läßt nun hinter sich so grimme Wogen. +Zum zweiten Reiche hin geht seine Bahn, +Wohin zur Reinigung die Geister schweben, +Um würdig dann dem Himmelreich zu nah’n. +Doch hier mag sich die tote Dichtung heben, +O heil’ge Musen, da ich euer bin! +Hier mög’ empor Kalliopeia streben! +Sie folge mir mit jenem Ton dahin, +Des Streich, die armen Elstern einst erschreckend, +Verzweiflung bracht’ in ihren stolzen Sinn. +Des Saphirs holde Farbe, ganz bedeckend +Des reinen Äthers heiteres Gebäu +Und bis zum ersten Kreise sich erstreckend, +Erschuf vor mir der Augen Wonne neu, +Sobald ich jetzt der toten Luft entklommen, +Die Aug’ und Brust getrübt in Nacht und Scheu. +Der schöne Stern, der Lieb’ erregt, entglommen +Im Osten, hatt’ in Lächeln ihn verklärt, +Die Fisch’ umschleiernd, die mit ihm gekommen. +Dann rechts, dem andern Pole zugekehrt, +Erblickt’ ich eines Viergestirnes Schimmer, +Des Anschau’n nur dem ersten Paar gewährt. +Der Himmel schien entzückt durch sein Geflimmer. +O du verwaistes Land, du öder Nord, +Du siehst den Glanz der schönen Lichter nimmer. +Als ich darauf vom Viergestirne fort +Ein wenig hin zum andern Pole sah, +Da war verschwunden schon der Wagen dort. +Und einen Greis, allein, sah ich mir nahe, +Der Ehrfurcht also wert an Mien’ und Art, +Daß mir, als ob’s mein Vater sei, geschähe. +Lang war, mit weißem Haar vermischt, sein Bart +Und gleich dem Haar des Haupts, das, niedersinkend +Als Doppelstreif, der Brust zur Hülle ward. +Sein Angesicht, die heil’gen Strahlen trinkend +Des Viergestirnes, war so schön und klar, +Als sah’ ich es, vom Schein der Sonne blinkend. +"Wer seid ihr, die ihr fortflieht, wunderbar, +Aus ew’ger Haft, dem blinden Strom entgegen" +Er sprach’s, bewegt des Bartes greises Haar, +"Wer leitet’ euch? Wer leuchtet’ euren Wegen, +Daß ihr entstiegt den Schatten tiefer Nacht, +Die, ewig achwarz, der Hölle Täler hegend +Verlor des Abgrunds Satzung ihre Macht? +Hat neuer Ratschluß durch der Hölle Pforte +Verdammt’ in meine Grotten hergebracht?"-- +Hier fühlt’ ich mich erfaßt von meinem Horte, +Und ehrerbietig macht er Brau’n und Knie +Mir alsogleich mit Hand und Wink und Worte +Und sprach: "Nicht durch mich selber bin ich hie; +Ein Weib kam bittend aus den höchsten Sphären, +Darob ich diesem mein Geleit verlieh. +Doch da’s dein Will’ ist, daß ich dich belehren +Von unserm wahren Zustand soll, wie mag +Mein Will’ ein andrer sein, als zu gewähren! +Nicht sahe dieser noch den letzten Tag, +Doch war er nah ihm, so vom Wahn verblendet, +Daß er gewiß in kurzer Frist erlag. +Um ihn zu retten, ward ich abgesendet, +Und hierzu fand ich diesen Weg nur gut, +Auf welchem ich mich jetzt hierher gewendet. +Ich zeigt’ ihm schon der Sünder ganze Brut, +Nun aber ist er die zu sehn bereitet, +Die hier sich läutern unter deiner Hut. +Lang wär’s zu sagen, wie ich ihn begleitet. +Kraft kam von oben, helfend, daß ich ihn, +Um dich zu hören und zu sehn, geleitet. +Laß dir’s gefallen, daß er hier erschien. +Er sucht die Freiheit--wie sie wert zu halten, +Weiß, wer um sie des Lebens sich verzieh’n. +Du weißt’s, du ließest gern sie zu erhalten, +In Utica die Hülle blutbenetzt, +Die hell am großen Tag sich wird entfalten. +Nicht ward der ew’ge Schluß von uns verletzt. +Er lebt und mich hält Minos nicht gefangen. +Ich bin vom Kreis, wo deine Martia jetzt, +Noch keuschen Aug’s, dir ausspricht das Verlangen, +O heil’ge Brust, als dein sie anzusehn, +Drum woll’ uns, ihr zuliebe, wohl empfangen. +Laß uns durch deine sieben Reiche gehn, +Dann grüß’ ich sie von dir in jenen Hallen, +Willst, dort erwähnt zu sein, du nicht verschmäh’n." +"Gefiel auch", sprach er, "Martia mir vor allen, +Da ich gelebt, so daß ich ihr erwies, +Wodurch ich irgend wußt’, ihr zu gefallen, +Doch jetzt nicht mehr bewegen darf mich dies, +Da sie dort wohnt jenseits der nächt’gen Wogen, +Wie festgesetzt ward, als ich sie verließ. +Doch hat ein Himmelsweib dich hergezogen, +Wie du gesagt, was braucht’s da Schmeichelei’n? +Sie will, dies g’nügt, und treulich wird’s vollzogen +Drum geh, zum weitern Weg ihn einzuweih’n. +Ihn muß ein Gurt von glatter Bins’ umschnüren, +Dann wasch ihm das Gesicht vom Schmutze rein. +Das Aug’ umnebelt, will sich’s nicht gebühren, +Zum ersten Diener, der vom sel’gen Land +Herabgekommen ist, ihn hinzuführen. +Rings trägt der kleinen Insel tiefster Strand, +Wo Wog’ und Woge sich im Wechsel jagen, +Viel Binsen am morastig weichen Rand. +Die andern Pflanzen, welche Blätter tragen +Und sich verhärten, kommen da nicht auf, +Wo’s gilt, sich schmiegen, wenn die Wellen schlagen. +Doch kehrt von dort nicht rückwärts euren Lauf; +Die Sonne zeigt--seht, dort ersteht sie eben!-- +Euch dann den leichtern Weg den Berg hinauf." +Hier sah ich ihn vor meinem Blick verschweben; +Stumm stand ich auf und sah auf meinen Hort, +In seinen Schutz und Willen ganz ergeben. +Er sprach: "Sohn, folge mir jetzt rückwärts. Dort +Neigt mehr und mehr die Ebene sich immer +Nach ihren letzten tiefsten Grenzen fort." +Schon trieb das Morgenrot mit lichtem Schimmer +Die Frühe vor sich her, und vom Gestad +Erkannt’ ich weit hinaus des Meers Geflimmer. +Nun gingen wir dahin auf ödem Pfad, +Wie wer, verirrt, zum rechten Wege schreitend, +Sein Gehn umsonst glaubt, bis er ihn betrat. +Wir sahn den Tau bald, mit der Sonne streitend, +Doch, weil er dort an schatt’ger Stelle war, +Sich minder schnell in leichtem Dunst verbreitend. +Worauf mein Hort mit seiner Hände Paar +Sanft die zerstreuten, weichen Gräser deckte, +Drob ich, denn seinen Vorsatz nahm ich wahr, +Ihm die betränte Wang’ entgegenstreckte. +Rein wusch er mir die Farbe der Natur, +Die erst der Schmutz der Hölle ganz versteckte. +Nun gingen wir dahin auf öder Flur +Am Strande fort, der nie ein Schiff erblickte, +Das wieder heim zum Vaterlande fuhr. +Dort, so wie der geboten, der uns schickte, +Umgürtet er mit schwachen Binsen mich, +Und wo er nur die niedre Pflanze knickte, +Erhob sie neu aus ihrer Wurzel sich. + + +Zweiter Gesang + +Sol war zum Horizont herabgestiegen, +Des Mittagskreis, wo er am höchsten steht, +Sieht unter sich die Feste Zions liegen. +Nacht, welche sich ihm gegenüber dreht, +War mit der Wag’ am Ganges vorgegangen, +Die, wenn sie zunimmt, ihrer Hand entgeht. +Drum hatten Eos weiß’ und rote Wangen +Dort, wo ich war, weil ihre Jugend schwand, +In hohem Gelb zu schimmern angefangen. +Wir waren noch am niedern Meeresstrand, +Und gingen, ob des fernen Wegs in Sorgen, +Im Herzen fort, indes der Körper stand. +Und wie in trüber Röte, wenn der Morgen +Sich nähert, Mars, im Westen, nah dem Meer +Sich zeigt, von dichten Dünsten fast verborgen, +So sah ich jetzt ein Licht--o säh’ ich’s mehr! +Und eilig, wie kein Vogel je geflogen, +Glitt’s auf des Meeres glattem Spiegel her. +Als ich von ihm die Augen abgezogen +Ein wenig hatt’ und zu dem Führer sprach, +Schien’s heller dann und größer ob den Wogen. +Dann auf des Lichtes beiden Seiten brach +Ein weißer Glanz hervor, und er entbrannte, +Wie’s näher kam, von unten nach und nach. +Mein Meister, der nach ihm sich schweigend wandte, +Solang der Flügel erstes Weiß erschien, +Rief, wie er nun den hehren Schiffer kannte: +"O eile jetzt, o eile, hinzuknien! +Sieh Gottes Engel! Falte deine Händel +Nun siehst du solche Gottes Wink vollziehen. +Sieh, er verschmäht, was Menschenwitz erfände. +Nicht Segel, Ruder nicht--sein Flügelpaar +Braucht er zur Fahrt ans ferneste Gelände. +Sieh, wie’s gen Himmel strebt so schön und klar! +Die Luft bewegt das ewige Gefieder, +Das nicht sich ändert wie der Menschen Haar." +Und wieder naht’ er sich indes und wieder +In hellerm Glanz, daß näher solchen Schein +Mein Auge nicht ertrug, drum schlug ich’s nieder. +Und leicht und schnell sah ich durch ihn allein +Das Schiff des Eilands niedern Strand gewinnen, +Auch drückt’ es kaum die Spur den Fluten ein. +Und als ein Sel’ger stand vor meinen Sinnen +Am Hinterteil des Schiffes Steuermann, +Und mehr als hundert Geister saßen drinnen. +"Als aus Ägypten Israel entrann"; +Die Schar, gewiß, das Ufer zu erreichen, +Fing diesen Psalm einstimm’gen Sanges an. +Er macht’ auf sie des heil’gen Kreuzes Zeichen, +Drum warf sich jeder hin am Meeresbord, +Dann sah man ihn schnell, wie er kam, entweichen. +Fremd schienen alle, welche blieben, dort, +Und um sich blickend sah ich sie verweilen, +Wie den, der Neues sieht am fremden Ort. +Von allen Seiten schoß mit Feuerpfeilen +Den Tag die Sonne, die vom Meridian +Den Steinbock schon gezwungen, zu enteilen +Da hoben, die wir eben kommen sahn, +Nach uns die Stirn empor mit diesem Worte: +"Zeigt uns, dafern ihr könnt, zum Berg die Bahn." +Erwidert ward darauf von meinem Horte: +"Wißt, wenn ihr wähnt, wir wüßten hier Bescheid; +Wir sind so fremd wie ihr an diesem Orte. +Denn kurz vorher, eh’ ihr gekommen seid, +Sind auf so rauhem Weg wir angekommen, +Daß hier zu klimmen Spiel, nicht Müh’ und Leid." +Wie jene nun am Atmen wahrgenommen, +Daß ich noch lebe, schienen sie bewegt, +Ja, vor Erstaunen ängstlich und beklommen. +Und wie dem Boten, der den Ölzweig trägt, +Die Menge folgt, voll Neubegier sich pressend, +Und Tritt’ und Stöße sonder Scheu erträgt, +So drängten jetzt, mich mit den Augen messend, +Zu mir die hochbeglückten Seelen sich, +Beinah den Gang zur Reinigung vergessend. +Hervor trat eine jetzt, so inniglich +Mich zu umarmen, mit so holden Mienen, +Daß mein Verlangen ganz dem ihren glich. +Leere Schatten, die Gestalt nur schienen! +Dreimal halt’ ich die Hände hinter ihr, +Und dreimal kehrt’ ich zu der Brust mit ihnen. +Das Antlitz, glaub’ ich, malt’ Erstaunen mir, +Und jenen sah ich lächelnd rückwärts schweben, +Doch folgt’ ich ihm mit liebender Begier. +Und lieblich hört’ ich ihn die Stimm’ erheben: +"Sei ruhig!" Da erkannt’ ich ihn und bat, +Er möge weilen und mir Antwort geben. +"Dich lieb’ ich," sprach er, als ich ihn genaht, +"Wie einst im Leib, so jetzt der Haft entbunden, +Drum weil’ ich--doch was gehst du diesen Pfad?" +"O mein Casella, hier nur eingefunden +Hab’ ich mich, um zur Welt zurückzugehn. +Doch wie bist du beraubt so vieler Stunden?" +Und er: "Drob ist kein Unrecht mir gescheh’n. +Mußt’ er auch öfters mich zurückeweisen, +Der mit sich fortnimmt, wann er will und wen. +Denn sein Will’ ist nur der des Ewig-Weisen. +Und seit drei Monden hat er gern gewährt, +Wenn irgendwer verlangt hat, mitzureisen. +Auch mich, der ich mich zu dem Strand gekehrt, +Wo salzig wird der Tiber süße Welle, +Empfing er liebevoll, da ich’s begehrt. +Jetzt schwebt er wieder hin zu jener Stelle, +Wo er vereint mit freudigem Empfang +Die, so nicht Sünde stürzt zur Nacht der Hölle." +Und ich: "Hat dir nicht jenen Liebessang, +Den du geübt, ein neu Gesetz entrissen, +Der öfters mir gestillt des Herzens Drang, +So laß mich jetzt nicht seinen Trost vermissen; +Denn meine Seele, die der Leib umflicht, +Schwebt, da sie hier erscheint, in Kümmernissen." +"Die Liebe, die zu mir im Herzen spricht +Begann er jetzt, und ach, die süße Weise +Verklingt noch jetzt in meinem Innern nicht. +Mein Herr und ich, wir standen still im Kreise +Der andern dort und alle so beglückt, +Als kennten wir kein andres Ziel der Reise, +Nur seinen Tönen horchend, hochentzückt. +Da sieh bei uns den ehrenhaften Alten: +"Was, träge Geister, ist’s, das euch berückt? +Nachlässige, so lang’ euch aufzuhalten! +Zum Berg hin, wo man frei der Hüllen wird, +Die Gottes Anblick noch euch vorenthalten! +Wie wenn, von Weizen oder Lolch gekirrt, +Die Tauben still im Stoppelfelde schmausen +Und keine mehr umherstolziert und girrt, +Dann aber, wenn erscheint, wovor sie grausen, +Sie alle jäh, mit größrer Sorg’ im Sinn, +Von ihrer Weid’ empor im Fluge brausen; +So lief die Schar der Seelen jetzt dahin, +Vom Sange fort, zum Berge sonder Weile, +Wie wer da läuft, allein nicht weiß wohin; +Wir aber folgten mit nicht mindrer Eile. + + +Dritter Gesang + +Trieb jähe Flucht auch alles, was vereinigt +Beim Sänger war, zerstreut jetzt durch den Plan +Dem Berge zu, wo die Vernunft uns peinigt, +Doch drängt’ ich mich dem treuen Führer an. +Wie könnt’ ich ihn auch bei der Reife missen? +Wie kam ich wohl ohn’ ihn den Berg hinauf? +Er schien gepeinigt von Gewissensbissen. +würdig reine Seele, wie empört, +Wie quält der kleinste Fehler dein Gewissen! +Als seines Laufes Eil’ nun aufgehört, +Bei welcher Würd’ im Anstand nimmer waltet, +Da ward mein Geist, verengt erst und verstört, +Zum Streben neu erweitert und entfaltet, +Und, das Gesicht dem Berge zugewandt, +Sah ich, dem Himmel zu, ihm hochgestaltet. +Die Sonne, hinter mir in rotem Brand, +War vor mir, nach Gestaltung und Gebärde, +Gebrochen, da mein Leib ihr widerstand. +Und bang, daß ich allein gelassen werde, +Kehrt’ ich mich schleunig seitwärts, da ich sah, +Beschattet sei vor mir allein die Erde. +"Was argwöhnst du" begann mein Tröster da, +Zu mir gewandt, erratend, was ich dachte, +"Glaubst du, ich sei dir nicht, wie immer, nah? +Dort liegt der Leib, in dem ich Schatten machte, +An Napels Strand, den jetzt schon Nacht umflicht, +Wohin man einst von Brindisi ihn brachte. +Beschatt’ ich jetzt vor mir die Erde nicht, +So staune nicht darum--deckt doch der Schimmer +Des einen Himmels nie des andern Licht. +Dergleichen Körper schafft der Herr noch immer, +Damit sie dulden Hitz’ und Frost und Pein, +Doch wie er’s macht, entschleiert er uns nimmer. +Tor, wer da hofft, er dring’ in alles ein +Mit der Vernunft, selbst in endlose Sphären, +Wo er, der Ew’ge, einer ist in drei’n. +Strebt, Menschen, doch das Wie nicht aufzuklären; +Denn wär’s gestattet, alles zu erschau’n, +Nicht brauchte dann Maria zu gebären. +Wohl mancher dürft’ auf seinen Geist vertrauen, +Dem noch die Sehnsucht, alles zu erkunden, +Geblieben ist zu ewiglichem Grau’n. +Du weißt, wo wir den Plato aufgefunden +Und manchen sonst." Er schwieg, die Stirn geneigt, +Und alle Heiterkeit schien ihm geschwunden. +Wir kamen hin, von wo man aufwärts steigt. +Dort oben ist der Fels so steil gelegen, +Daß sich kein Raum zu einem Dritte zeigt. +Der rauhste von den öden Felsenwegen +Inmitten Lerci und Turbia schmiegt +Sich sanft und leicht, stellt man ihn dem entgegen. +"Wer weiß, zu welcher Hand der Hang sich biegt." +Der Meister sprach’s und hielt jetzt ein im Schreiten, +"So daß auch der hinauf kann, der nicht fliegt?" +Er ließ indes den Blick zum Boden gleiten +Und nahm im Geist des Pfades Prüfung wahr. +Doch ich sah aufwärts nach des Berges Seiten, +Und da erschien mir linksher eine Schar, +Die schien so langsam zu uns her zu schweben, +Daß kaum Bewegung zu bemerken war. +"Laß," sprach ich, "Meister, deinen Blick sich heben, +Die Rat erteilen können, nahen schon, +Dafern du nicht vermagst, ihn selbst zu geben." +Frei schaut’ er auf, und alle Sorgen floh’n. +"Nur langsam". sprach er, "geht ihr Gang vonstatten, +Drum gehn wir hin. Getrost jetzt, süßer Sohn!" +Wir waren noch entfernt von jenen Schatten +Und ihnen etwa steinwurfweit genaht, +Als wir getan an tausend Schritte hatten. +Da drängten alle sich ans Felsgestad +Und standen still und dicht, uns zugewendet, +Wie wen Bedenken hemmt auf seinem Pfad. +"O Auserwählte, die ihr wohl geendet," +Begann Virgil, "wie einst euch Friede jetzt, +Den, wie ich glaube, Gott euch allen spendet, +So zeigt uns des Gebirges Abhang jetzt +Und laßt uns einen Weg nach oben sehen, +Denn Zeitverlieren schmerzt den, der sie schätzt." +Gleichwie die Schäflein aus dem Stalle gehen, +Eins, zwei und drei, indessen noch verzagt +Die andern mit gebeugten Köpfen stehen, +Bis was das erste tat, nun jedes wagt, +Wenn jenes harrt, geduldig die Beschwerde +Des Drangs erträgt und nach dem Grund nicht fragt; +So sah ich jetzt von der beglückten Herde +Die vordem sich bewegen und uns nah’n, +Das Antlitz züchtig, ehrbar die Gebärde. +Wie sie das Licht zur Rechten meiner Bahn +Geteilt und, als des Erdenleibes Zeichen, +Die Felsenwand von mir beschattet sahn, +Sah ich sie stehn und etwas rückwärts weichen. +Die andern wußten zwar nicht, was gescheh’n, +Doch alle taten sie sofort desgleichen. +"Ohn’ eure Frage will ich euch gestehn, +Noch einem Menschen ist der Körper eigen, +Von welchem ihr das Licht geteilt gesehn. +Doch laßt Verwunderung und Staunen schweigen; +Nicht ohne Kraft, die Gott nur geben kann, +Sucht er die schroffe Wand zu übersteigen." +Mein Hort sprach’s, und die würd’ge Schar begann, +Uns mit der Hände Rücken Zeichen gebend: +"Kehrt wieder um und schreitet uns voran!" +Und einer drauf, zu mir die Stimm’ erhebend: +"Wer du auch seist, blick’ um, mich anzuschau’n, +Besinne dich: Sahst du mich jemals lebend`?" +Ich wandt’ auf ihn die Augen voll Vertrau’n. +Blond war er, schön, von würdigen Gebärden, +Doch war gespalten eine seiner Brau’n. +Demütig sagt’ ich, daß ich ihn auf Erden +Niemals gesehn; da aber hieß er mich +Aufmerksam auf die Wund’ am Busen werden, +Und lächelnd sprach er dann: "Manfred bin ich! +Wenn dich zur Welt zurück die Schritte tragen, +Zu meiner Tochter geh, ich bitte dich, +Die unterm Herzen jenes Paar getragen, +Das Aragonien und Sizilien ehrt, +Ihr Wahres, wenn man andres sagt, zu sagen. +Als zweimal mich durchbohrt des Feindes Schwert, +Da übergab ich weinend meine Seele +Dem Richter, der Verzeihung gern gewährt. +Oh groß und schrecklich waren meine Fehle, +Doch groß ist Gottes Gnadenarm und faßt, +Was sich ihm zukehrt, so daß keiner fehle. +Und wenn Cosenzas Hirt, der sonder Rast, +Wie Clemens wollte, mich gejagt, dies eine +Erhabne Wort der Schrift wohl aufgefaßt, +So lägen dort noch meines Leibs Gebeine +Am Brückenkopf bei Benevent, vom Mal +Geschützt der schweren aufgehäuften Steine. +Nun netzt’s der Regen, dorrt’s der Sonnenstrahl, +Dort, wo er’s hinwarf mit verlöschten Lichten, +Dem Reich entführt, entlang dem Verdetal. +Doch kann ihr Fluch die Seele nicht vernichten, +Aus welcher nicht die frohe Hoffnung weicht, +An ew’ger Liebe neu sich aufzurichten. +Wahr ist’s, daß, wer im Kirchenbann erbleicht, +War’ auch zuletzt in ihm die Reu’ entglommen, +Doch dieser Felswand Höhe nicht erreicht, +Bis dreißigmal die Zeit, seit ihm genommen +Der Kirche Segen ward, verflossen ist, +Kürzt diese Zeit nicht ab das Fleh’n der Frommen. +Sieh, ob du mir zum Heil gekommen bist, +Wenn du Konstanzen, wie du mich gesehen, +Entdeckst und ihr verkündest jene Frist, +Denn viel gewinnt man hier durch euer Flehen." + + +Vierter Gesang + +Wenn etwas, was uns wohltut oder kränkt, +Uns eine Seelenkraft in Aufruhr brachte, +Und sich die Seel’ in diese ganz versenkt, +Dann scheint’s, als ob sie keiner andern achte; +Und dies beweist genugsam gegen den, +Der uns belebt von mehrern Seelen dachte. +Indem wir etwas hören oder sehn, +Was stark uns anzieht, ist die Zeit verschwunden, +Bevor wir’s glauben und es uns versehn. +Denn anders wird die Kraft, die hört, empfunden, +Und anders unsrer Seele ganze Kraft; +Frei ist die erste, diese scheint gebunden. +Davon erhielt ich jetzo Wissenschaft-- +Indessen ich gehorcht und stillgeschwiegen, +Weil Staunen mir die Seele hingerafft, +War fünfzig Grad’ die Sonn’ emporgestiegen, +Eh’ ich’s bemerkt--da ward ein Ruf mir kund +Von den gesamten Seelen: "Seht die Stiegen!" +Die Öffnung, die mit einem Dorngebund, +Wenn sich die Traube bräunt, die Winzer schließen, +Ist weiter oft als hier der Felsenschlund, +Durch welchen uns die Seelen klimmen hießen. +Er vor, ich folgend, stiegen wir allein +Den Felsweg, da die ändern uns verließen. +Empor zu Bismantova und bergein +Bei Noli kann man auf den Füßen dringen, +Doch wer hier aufstrebt, muß beflügelt sein; +Ich meine, mit der großen Sehnsucht Schwingen, +Die mich dem Führer nachzog mit Gewalt, +Der Licht mir gab und Hoffnung zum Gelingen. +Wir stiegen innerhalb dem Felsenspalt, +Von ihm bedrängt, und fanden kaum mit Händen +Und Füßen unter uns am Boden Halt. +Nachdem wir aus den rauhen. schroffen Wänden +Emporgelangt zum offenen Gestad, +Da fragt’ ich: "Meister, sprich, wohin uns wendend" +Und er: "Mir nach, zur Höhe geht dein Pfad! +Rückwärts darf keiner deiner Schritte weichen, +Bis irgendwo ein kund’ger Führer naht!" +Den Gipfel konnte kaum der Blick erreichen; +Die Seite ging, stolz, senkrecht fast, hinan, +Dem Hang der Pyramide zu vergleichen. +Ich war bereits ermattet und begann: +"O süßer Vater, peinlich wird die Reife! +Schau’ her und sieh, daß ich nicht folgen kann!" +"Bis dorthin schleppe dich!" So sprach der Weise +Und zeigt’ auf einen Vorsprung nahe dort, +Von dem es schien, daß er den Berg umkreise. +Mir war ein Sporn des edlen Meisters Wort, +Mit aller Kraft die Reise fortzusetzen; +So kroch ich bis zum Bergesgürtel fort. +Und dort verweilten wir, um uns zu setzen, +Ostwärts, nach dem erklommnen Pfad gewandt, +An dem sich gern der Wandrer Blicke letzen. +Die Augen kehrt’ ich erst zum tiefen Strand, +Dann als ich sie zur Sonn’ emporgeschlagen, +Die uns zur Linken, Gluten sprühend, stand, +Da sah Virgil, daß ich des Lichtes Wagen +Anstaunte, weil er zwischen Mitternacht +Und unserm Standort schien dahinzujagen, +Und sprach: "Wenn jenem Spiegel ew’ger Macht +Castor und Pollux jetzt Begleiter wären, +Ihm, welcher auf- und abführt Licht und Pracht, +So würd’ er, kreisend näher bei den Bären, +Wenn er vom alten Weg nicht abgeirrt, +Mit seiner Glut den Zodiak verklären. +Bedenke nur, wenn dich dies Wort verwirrt, +Daß dieser Berg mit Zions heil’gen Höhen +Begrenzt von einem Horizonte wird, +Doch beid’ auf andern Hemisphären stehen; +Die Bahn, die Phaethon, der Tor, durchreist, +Ist drum von hier zur linken Hand zu sehen, +Indes sie dorten sich zur rechten weist-- +So hoff ich denn, daß du zur klaren Kenntnis, +Wenn du wohl aufgemerkt, gefördert seist." +"Gewiß, mir ward so klar noch kein Verständnis +Als hier," begann ich, "wo mir dein Beweis +Ersetzt den Mangel eigener Erkenntnis. +Der ewigen Bewegung mittler Kreis, +Den man Äquator in der Kunst benannte, +Der fest bleibt zwischen Sonn’ und Wintereis, +Zeigt, wie ich wohl aus deiner Red’ erkannte, +Sich nordwärts hier, wie ihn die Juden sahn, +Wenn sich ihr Antlitz gegen Süden wandte. +Doch sprich, wie weit hinauf geht unsre Bahn? +Denn sieh, so hoch, wie kaum die Augen kommen, +Steigt ja des Berges Gipfel himmelan." +Und er: "Wer ihn zu steigen unternommen, +trifft große Schwierigkeit an seinem Fuß, +Die kleiner wird, je mehr man aufgeklommen. +Drum, wird dir erst die Mühe zum Genuß, +Erscheint dir’s dann so leicht, emporzusteigen, +Als ging’s im Kahn hinab den muntern Fluß, +Dann wird sich bald das Ziel des Weges zeigen, +Dann wirst du sanft von deinen Mühen ruh’n. +Dies ist gewiß, vom andern will ich schweigen." +Er sprach’s, und eine Stimm’ ertönte nun +Ganz nah bei uns: "Eh’ ihr so weit gegangen, +Wird euch vielleicht zu sitzen nötig tun." +Wir sahn dorthin, woher die Wort’ erklangen, +Und linkshin lag ein Felsenblock uns nah, +Der bis dahin mir und auch ihm entgangen. +Hin schritten wir und fanden Leute da +Verdeckt vom Felsen und in seinem Schatten, +In welchen ich ein Bild der Trägheit sah. +Und einer, wie im gänzlichen Ermatten, +Saß dorten und umarmte seine Knie, +Die das gesunkne Haupt inmitten hatten. +"Der ist gewiß der Faulheit Bruder! sieh," +Begann ich, "sieh nur hin, mein süßer Leiter, +Denn sicher sahst du einen Trägern nie." +Da kehrt’ er sich zu mir und dem Begleiter, +Hob, doch nur bis zum Schenkel, das Gesicht +Und sprach: "Bist du so stark, so geh nur weiter." +Und da erkannt’ ich ihn und säumte nicht, +Noch atemlos vom Klettern, vorzustreben +Bis hin zu ihm, und sah ihn, als ich dicht +Schon bei ihm stand, das Haupt kaum merkbar heben. +"Zur Linken fährt der Sonnenwagen fort," +Begann er nun, "hast du wohl acht gegeben?" +Ich mußte lächeln bei dem kurzen Wort +Und bei den faulen, langsamen Gebärden; +Worauf ich sprach: "Belaqua, dieser Ort +Bezeugt mir deutlich, du wirst selig werden. +Doch sprich: harrst du des Führers sitzend hier? +Wie? oder treibst du’s hier noch wie auf Erden?" +"Bruder," sprach er, "was hilft das Steigen mir? +Ich würde doch zur Qual nicht kommen sollen, +Denn Gottes Pförtner weist mich weg von ihr. +Hier außen muß um mich der Himmel rollen, +So oft als er im Leben tat, da spät +Und erst im Tod mein Herz bereuen wollen, +Wenn mir nicht früher beispringt das Gebet, +Das sich aus gläub’ger Brust emporgerungen. +Was hülf ein andres, da es Gott verschmäht?" +Schon war vor mir Virgil hinaufgedrungen, +Und rief: "Jetzt komm, schon hat in lichter Pracht +Die Sonne sich zum Mittagskreis geschwungen, +Und Mauritanien deckt der Fuß der Nacht." + + +Fünfter Gesang + +Schon hatt’ ich, auf der Spur des Führers steigend, +Mich ganz von jenen Seelen abgewandt, +Als ein’, auf mich mit ihrem Finger zeigend, +Mir nachrief: "Seht den untern linker Hand +Die Sonne teilen und den Grund beschatten +Und tun, als lebt’ er noch in jenem Land." +Sobald mein Ohr erreicht die Töne hatten, +Kehrt’ ich mich ihnen zu, und jene sahn +Erstaunt nur mich, nur mich und meinen Schatten. +Da sprach Virgil: "Was zieht dich also an, +Daß du den Gang zum Gipfel aufgeschoben" +Und jenes Flüstern, was hat dir’s getan? +Was man auch spreche, folge mir nach oben! +Steh wie ein fester Turm, des stolzes Haupt +Nie wankend ragt, wenn auch die Winde toben. +Das Ziel entweicht, dem man sich nah geglaubt, +Wenn sich Gedanken und Gedanken jagen +Und einer stets die Kraft dem andern raubt." +"Ich komme schon!" Was könnt’ ich anders sagen, +Da mich mein Fehler zum Erröten zwang, +Das oft mir schon Verzeihung eingetragen? +Indessen sahn wir quer am Bergeshang +Nah vor uns eine Schar von Seelen kommen, +Die Vers für Vers ihr Miserere sang. +Wie sie an meinem Leibe wahrgenommen, +Daß er den Strahlen undurchdringlich sei, +Da ward ihr Sang zum Oh! lang und beklommen. +Und, gleich Gesandten, kamen ihrer zwei, +Uns beide zu befragen, wer wir wären, +In vollem Laufe bis zu uns herbei. +Da rief Virgil: "Ihr könnt zurückekehren. +Sein Leib ist wirklich ganz von Fleisch und Bein, +Und solches mögt ihr jenen dort erklären. +Und wenn sie, wie ich glaube, dort allein, +Um seinen Schatten anzusehn, verweilen, +So wissen sie genug, um froh zu sein." +Und schnell hingleitend, wie, gleich Feuerpfeilen, +Entflammte Dünste, wenn die Nacht beginnt, +Durchs heitere Gewölb des Himmels eilen; +So kehrten sie empor, um dann geschwind +Sich mit den andern nach uns umzudrehen, +Gleich einer Schar, die ohne Zaum entrinnt. +"Sieh, viele kommen jetzt, dich anzuflehen, +In dichtem Drang," so sprach mein Meister drauf, +"Doch geh nur immer fort und horch im Gehen." +"O du, der du zum Heil den Berg herauf +Die Glieder trägst, die immer dich umfingen," +So riefen sie, "hemm’ etwas deinen Lauf. +Sieh, um zur Welt von uns Bericht zu bringen, +Uns an--erkennst du Antlitz und Gestalt? +Was weilst du nicht? Was eilst du, vorzudringen? +Getötet sind wir alle durch Gewalt. +Der Sünd’ uns bis zur letzten Stunde weihend, +Allein im Tod von Himmelsglanz umwallt, +Verstarben wir, bereuend und verzeihend, +Und fühlten Gottes Frieden und das Licht, +Nach seinem Anschau’n Sehnsucht uns verleihend." +Und ich: "Zwar kenn’ ich keinen von Gesicht, +Doch fordert nur, ihr, die ihr wohl geboren, +Und das, was ich vermag, verweigr’ ich nicht. +Bei jenem Frieden sei es euch beschworen, +Den ich, fortklimmend auf des Führers Spur, +Von Welt zu Welt, zum Ziele mir erkoren." +Darauf begann der eine: "Hindert nur +Nicht Ohnmacht deinen Willen, so vertrauen +Wir dem, was du versprachst, auch ohne Schwur. +Und solltest du, ein Lebender, die Auen +Der Mark Ankona jemals wiedersehn +So will ich fest auf deine Güte bauen. +Laß die von Fano gläubig für mich fleh’n, +Daß mir gestatten himmlische Gewalten, +Zur Reinigung von schwerer Schuld zu gehn. +Von dort war ich--allein die tiefen Spalten, +Woraus das Blut, in dem ich lebte, floß, +Hab’ ich in Paduas Bezirk erhalten, +Des Schoß mich, den Vertrauenden, umschloß. +Zum Mord hatt’ Este den Befehl gegeben, +Der mehr der Gall’, als Recht, auf mich ergoß. +Den Mordstahl sah ich bei Oriac sich heben, +Doch wenn ich Mira mir zur Flucht erkor, +So würd’ ich dort noch, wo man atmet, leben. +Ich lief zum Sumpf, und dort, in Schlamm und Rohr, +Verstrickt’ ich mich und fiel und sah die Erde +Rings um mich her gemacht zum blut’gen Moor." +Ein andrer: "Wie dein Wunsch befriedigt werde, +Des Fittich hin zum Bergesgipfel fleugt, +So kürz’ auch mir mitleidig die Beschwerde. +In Montefeltro hat mich Guid’ erzeugt; +Ach wenn Johannen noch mein Schicksal rührte, +Nicht ging’ ich mehr mit diesem hier gebeugt." +"Welche Gewalttat, welch Verhängnis führte," +So sprach ich, "dich so weit vom Campaldin, +Daß niemand noch bis jetzt dein Grab erspürte." +"Oh," sprach er drauf, "am Fuß des Casentin +Strömt vor der Archian, ein Fluß, entsprungen +Beim Kloster oberhalb im Apennin. +Bis dorthin, wo sein Namenslaut verklungen, +Floh ich, durchbohrt den Hals, zu Fuße fort; +Und blutleer schon, von Todesfrost durchdrungen, +Verlor ich dorten Augenlicht und Wort, +Um in Marias Namen wohl zu enden, +Und fiel und ließ die leere Hülle dort. +Da fühlt’ ich mich in eines Engels Händen, +Doch schreiend fuhr ein Teufel auch herzu: +"Wie, du vom Himmel, willst mir den entwenden? +Wahr ist’s, was ewig ist, erbeutest du +Nur durch ein Tränlein, das ihn mir entzogen, +Doch gönn’ ich nun dem andern keine Ruh’." +Du weißt, wenn feuchten Dunst emporgezogen +Die Sonne hat, so stürzt er, wenn ihn dann +Die Kälte faßt, zurück in Regenwogen. +Zum Willen nun, der stets nur Böses sann, +Fügt’ er Verstand, und Rauch und Sturm erregte +Die Kraft in ihm, die sie erregen kann. +Als drauf der Tag erloschen war, belegte +Er Pratomagnos Tal mit schwarzem Duft, +Der vom Gebirg sich drohend herbewegte. +Zu Fluten wurde nun die schwangre Luft, +Zum Strombett rann, was von den Regengüssen +Der Grund nicht trank, hervor aus Tal und Kluft. +Der Archian, gleich andern großen Flüssen, +Ergoß zum Königsstrom den Sturmeslauf, +Dem Fels und Baum zertrümmert weichen müssen. +Wie nun den starren Leib, nicht weit herauf +Von seiner Mündung, jene Flut gefunden, +Da löste sie das Kreuz am Busen auf, +Das ich gemacht, da Schmerz mich überwunden, +Und wirbelte zum Strom die träge Last. +Dort liegt sie nun im Grund, von Schlamm umwunden." +Als drauf der dritte Geist das Wort gefaßt, +Sprach er: "Wenn du, zur Welt zurückgekommen, +Erst ausgeruht vom langen Wege hast, +So laß dein Hiersein auch der Pia frommen. +Siena gebar, Maremma tilgte mich, +Und er, von dem ich einst den Ring bekommen, +Der Treue Pfand, er weiß, wie ich erblich." + + +Sechster Gesang + +Wenn Spieler sich vom Würfelspiel entfernen, +Bleibt, der verlor, betrübt und ärgerlich +Und wirft und wirft, um’s besser zu erlernen +Doch alles drängt um den Gewinner sich. +Der folgt und sucht, wie er sein Kleid erlange, +Ein andrer, seitwärts, spricht: Gedenk’ an mich. +Doch er verweilt nicht, hört auf keinen lange, +Und wem er etwas gibt, der macht sich fort; +So kommt er los vom lästigen Gedrange. +So war ich in dem dichten Haufen dort, +Und mußte hier den Kopf und dorthin wenden +Und löste mich durch manch Verheißungswort; +Sah Benincasa, der den Wütrichshänden +Des Ghin erlag, und sah darauf auch ihn, +Des Los war, jagend in der Flut zu enden. +Novelle bat mich flehend, zu verzieh’n; +Auch der von Pisa dann, durch den der gute, +Der wackere Marzucco stark erschien. +Graf Orfo auch, und der im Frevelmute +Vertilgt ward, wie er sagt’, aus Neid und Groll, +Nicht weil auf ihm ein schwer Verbrechen ruhte, +Den Broccia mein’ ich--mag sich demutsvoll +Zur Reue die Brabanterin bequemen, +Wenn sie zu schlechterm Troß nicht kommen soll. +Kaum war ich frei von allen jenen Schemen, +Die dort mich angefleht, zu fleh’n, daß sie +Zur Heiligung mit größrer Eile kämen; +Da sprach ich: "Du, der stets mir Licht verlieh, +Hast irgendwo in deinem Werk geschrieben, +Den Schluß des Himmels beuge Flehen nie. +Doch hörtest du, wozu mich diese trieben. +Täuscht nun vielleicht die Hoffnung diese Schar? +Ist unklar mir vielleicht dein Sinn geblieben?" +"Nicht täuscht sie Hoffnung, und mein Wort ist klar," +So sprach er drauf, "du magst es nur betrachten +Mit hellem Geist, so wird dir’s offenbar. +Ist für gebeugt das strenge Recht zu achten, +Wenn das erfüllt der Liebe heißer Trieb, +Was jenen oblag und sie nicht vollbrachten? +Da, wo ich jenen Grundsatz niederschrieb, +Da sühnte man durch Bitten keine Sünden, +Weil ungehört von Gott die Bitte blieb. +Doch kannst du jetzt so tiefes nicht ergründen, +So harr’ auf sie, die zwischen deinem Geist +Und ew’ger Wahrheit wird ein Licht entzünden. +Beatrix ist’s, wenn du’s vielleicht nicht weißt, +Die Lächelnde, Beglückte, die zu sehen +Des hohen Berges Gipfel dir verheißt." +Und ich: "Mein Meister, laß uns schneller gehen! +Mir kehrt die Kraft, die kaum noch unterlag, +Und sieh, schon werfen Schatten jene Höhen." +"Wir gehn soweit als möglich diesen Tag," +Entgegnet’ er, "doch andres wirst du finden, +Als eben jetzt dein Geist sich denken mag. +Die Sonne, deren Strahlen jetzt verschwinden, +So, daß zugleich dein Schatten flieht, sie kehrt, +Bevor wir uns empor zum Gipfel winden. +Doch eine Seele sieh, uns zugekehrt, +Allein, betrachtend, wie du dich bewegtest. +Gewiß, daß sie den nächsten Weg uns lehrt." +O Geist von Mantua, wie du lebend pflegtest, +So bliebst du stolzen, strengen Angesichts, +Indem du langsam ernst die Augen regtest. +Er ließ uns beide gehn und sagte nichts, +Gleich einem Leu’n, der ruht, uns still betrachtend +Mit scharfem Strahle seines Augenlichts. +Allein Virgil, nur nach der Höhe trachtend, +Befragt’ ihn: "Wo erklimmt man diese Wand?" +Doch jener, nicht auf seine Fragen achtend, +Fragt’ uns nach unserm Leben, unserm Land. +Und: "Mantua"--begann nun mein Begleiter; +Da hob der Schatten, erst in sich gewandt, +Sich schnell vom Sitz und ward teilnehmend heiter. +"Sordell bin ich, dein Landsmann!" rief er aus, +Und, selbst umarmt, umarmt’ er meinen Leiter-- +Italien, Sklavin, Schlund voll Schmerz und Graus, +Schiff ohne Steurer auf durchstürmten Meeren, +Nicht Herrscherin der Welt, nein, Hurenhaus; +Wie sah ich jenen Schatten dort, den hehren, +Beim süßen Klange seiner Vaterstadt +Hereilen, um den Landsmann froh zu ehren. +Doch deine Lebenden sind nimmer satt, +Im tollen Kampf sich wechselweis zu morden, +Selbst die umschlossen eine Mauer hat. +Elende, such’ an deinen Meeresborden, +Im Innern such’ und keinen Winkel letzt +Des Friedens Glück im Süden und im Norden. +Was hilft dir’s, da dein Sattel unbesetzt, +Daß Justinian die Zügel dir erneute? +Ohn’ ihn wär’ minder deine Schande jetzt. +Ihr hattet längst mit frommem Sinn, ihr Leute, +Zu Cäsars Sitz den Sattel eingeräumt, +Verstündet ihr, was Gottes Wort bedeute. +Seht, wie das wilde Tier sich tückisch bäumt, +Seit niemand es die Sporen fühlen lassen, +Und ihr es, die ihr’s zähmen wollt, entzäumt. +O deutscher Albrecht, der dies Tier verlassen, +Das drum nun tobt in ungezähmter Wut, +Statt mit den Schenkeln kräftig es zu fassen, +Gerechtes Strafgericht fall’ auf dein Blut +Vom Sternenzelt, auch sei es neu und offen, +Dann ist dein Folger wohl auf seiner Hut. +Was hat dich und den Vater schon betroffen, +Weil ihr, verödend diese Gartenau’n, +Nach jenseits nur gestellt das gier’ge Hoffen. +Komm her, der Philipeschi Stamm zu schau’n +Leichtsinniger, komm, sieh die Cappelletten, +Die schon gebeugt, und die voll Angst und Grau’n! +Komm, Grausamer, die Treuen zu erretten! +Sieh, ungestraft drängt sie der schnöde Feind! +Sieh Santafior in wilder Räuber Ketten! +Komm her und sieh, wie deine Roma weint, +Und höre Tag und Nacht die Witwe stöhnen: +Mein Cäsar, ach, warum nicht mir vereint? +Komm her und sieh, wie alle sich versöhnen, +Komm her, und fühlst du dann auch Mitleid nicht, +So schäme dich, daß alle dich verhöhnen. +Verzeih, o höchster Zeus im ew’gen Licht, +Der du für uns gekreuzigt wardst auf Erden, +Ist anderwärts gewandt dein Angesicht? +Wie? oder soll aus schrecklichen Beschwerden, +Ein neues Heil, von keinem Aug’ entdeckt, +Nach deinem tiefen Rat bereitet werden? +Wie voll Italien von Tyrannen steckt! +Will sich ein Bauer der Partei verschwören, +Gleich heißt’s von ihm, Marcell sei auferweckt. +Du, mein Florenz, du kannst dies ruhig hören, +Da dieser Abschweif nimmer dich berührt. +Nie ließ sich ja dein wackres Volk betören. +Gerechtigkeit hegt vieler Herz, nur spürt +Man etwas spät, wie sehr es ihr gewogen, +Indes dein Volk sie stets im Munde führt. +Wenn Bürgerämtern viele sich entzogen, +Nimmt sie dein Volk freiwillig an und schreit: +Seht her, mich hat die Bürde krumm gebogen! +Nun freue dich, wenn du verdienest Neid, +Du Reiche, du Friedselige, du Weise-- +Ich red’ im Ernst, die Wahrheit liegt nicht weit. +Man spreche von Athen und Sparta leise! +Sollt’ ihr Gesetz wohl wert der Rede sein, +Wie sehr man’s anpreist, neben deinem Preise? +Das, was du vorkehrst, ist gar dünn und fein; +Denn wenn du’s im Oktober angesponnen, +Zerreißt es im November kurz und klein. +Wie oft hast du geendet und begonnen, +Hast über Münz’ und Art, Gesetz und Pflicht, +Und Haupt und Glieder anders dich besonnen; +Bist du nicht völlig blind für jedes Licht, +So mußt du dich gleich einer Kranken sehen. +Ruh’ findet sie auf ihren Kissen nicht +Und wendet sich, den Schmerzen zu entgehen. + + +Siebenter Gesang + +Nachdem sie würdig und voll Freudigkeit +Drei-, viermal mit den Armen sich umgaben, +Da trat Sordell zurück: "Sprecht, wer ihr seid?" +"Eh’ sich zu diesem Berg gewendet haben +Die Seelen, welche Gott zu schauen wert, +Hat Octavianus mein Gebein begraben. +Ich bin Virgil.--Des Himmels Eingang wehrt +Mir Glaubensmangel nur, nicht andre Sünde," +So sprach Virgil, als jener es begehrt. +Als ob ein Wunder plötzlich hier entstünde, +Bei dem man sagt: Es ist! dann: Es ist nicht! +Und staunend glaubt, und nicht, daß man’s ergründe; +So schien Sordell--dann neigt’ er das Gesicht, +Worauf er zu den Knien Virgils sich beugte +Und ihn umflocht, wo man den Herrn umflicht. +"O Latiums Ruhm, du, dessen Werk bezeugte, +Wie reich die Sprache sei an Kraft und Zier, +O ew’ger Preis der Stadt, die mich erzeugte, +Bringt mein Verdienst, mein Glück dich her zu mir? +Und wenn ich wert mich solcher Huld erweise, +So sprich, auf welchem Wege bist du hier?" +Virgil darauf: "Ich kam durch alle Kreise +Des wehevollen Reichs in dieses Land, +Und Himmelskraft bewegte mich zur Reise. +Nicht Tun, nein. Nichttun nur, hat mich verbannt, +Hinab verbannt von hoher Sonne Strahlen, +Die du ersehnst, die ich zu spät erkannt, +Zu jenen tiefen nachterfüllten Talen, +Zum Ort, wo leises Seufzen nur ertönt, +Nicht Weheruf, noch Angstgeschrei von Qualen; +Wo um mich her die Schar der Kindlein stöhnt, +Die ungetauft aus jener Welt geschieden, +Mit Gott für Adams Schuld noch unversöhnt. +Wo die sind, die mit ird’schem Wert zufrieden, +Die Tugenden, bis auf die heil’gen Drei, +Sämtlich geübt und jede Schuld gemieden. +Doch, wenn du kannst, so bring’ uns Kunde bei, +Um schneller uns zu unserm Ziel zu leiten, +Wo wohl der Läut’rung wahrer Anfang sei." +Und er: "Ich darf umher und aufwärts schreiten, +Denn kein gewisser Ort ist uns bestimmt. +Soweit ich gehn darf, will ich dich begleiten. +Doch sieh, wie schon des Tages Licht verglimmt, +Drum ist auf guten Aufenthalt zu sinnen, +Weil man bei Nacht nicht in die Höhe klimmt. +Dort rechts sind Seelen, nicht gar weit von hinnen; +Zu diesen, wenn du einstimmst, führ’ ich dich, +Und denke wohl, du wirst dabei gewinnen."-- +Virgil: "Wenn’s Nacht wird, steigt man nicht? So sprich, +Erliegt vielleicht die Kraft dann der Beschwerde? +Wie, oder widersetzt dann jemand sich?" +Mit seinem Finger streifte nun die Erde +Sordell und sprach: "Nicht hoffe, daß bei Nacht +Dein Fuß den Strich nur überschreiten werde. +An Steigen hindert sonst dich keine Macht +Als Dunkelheit, die, wie sie uns ermattet, +Verwirrt durch Ohnmacht unsern Willen macht. +Hinabzugehn und rückwärts ist gestattet, +Und irrend ringsumher zu gehn am Bord, +Wenn auch ihr Schleier noch die Welt umschattet." +Mein Meister stand erst wie bewundernd dort; +"Wie du versprachst," So hört ich drauf ihn bitten, +"Geleit’ uns an den angenehmen Ort." +Wir waren eben noch nicht weit geschritten, +Da war ein hohler Raum am Berg zu sehn, +Ein Tal, das dort den Felsenrand durchschnitten. +"Dorthin", So sprach der Schatten, "laß uns gehn, +Seht dort den Berg von einer Höhlung teilen, +Dort sehen wir den Morgen auferstehn." +Ein krummer Fußpfad führte zwischen steilen +Felshöh’n und Ebene zum Rand der Schlucht, +Da hieß Sordell am Abhang uns verweilen. +Gold, feines Silber und des Coccums Frucht, +Bleiweiß und Indiens Blau in hellster Reine, +Smaragd, zerbrochen kaum--in dieser Bucht, +Bei dieses Grases, dieser Blumen Scheine +Schwänd’ ihrer Farben ganzer Glanz dahin, +Wie seinem Größern unterliegt das Kleine; +Nicht war Natur allein hier Malerin, +Mit laufend wunderbar gemischten Düften +Ergötzte sie auch des Geruches Sinn. +Salve, Regina, tönt’ es in den Lüften +Von Seelen auf dem blumenreichen Beet, +Versteckt hierinnen zwischen Felsenklüften. +"Bevor die Sonne ganz zu Rüste geht, +Gehn", sprach Sordell, "wir nicht hinab zu ihnen, +Denn, wenn ihr hier auf diesem Felsen steht, +Erkennt ihr besser aller Art und Mienen, +Als sie im Tale selber, im Gedrang +So vieler großer Schatten euch erschienen. +Der höher sitzt und scheint, als hätt’ er lang +Versäumt, wozu ihn seine Pflicht verbunden, +Und nicht den Mund regt bei der andern Sang, +Jst Kaiser Rudolf, der Italiens Wunden +Zu heilen zwar vermocht, doch nicht geheilt, +So daß es spät durch andre wird gefunden. +Der, dessen Anblick jetzt ihm Trost erteilt, +Einst Herr des Landes, das der Fluß durchschneidet, +Der in die Elb’, in ihr zur Meerflut eilt, +Hieß Ottokar--mit Windeln noch umkleidet, +Weit besser doch, als Wenzeslaus, sein Sohn, +Der Bärt’ge, der an Üppigkeit sich weidet. +Der Kleingenaste dort--von Reich und Thron +Scheint’s, daß er mit dem andern, Güt’gen spreche-- +Starb fliehend, zu der Lilien Schmach und Hohn. +Er schlägt die Brust, als ob das Herz ihm breche. +Den andern fehl--es ruhet sein Gesicht +In seiner aufgestützten Linken Fläche. +An Frankreichs Aussatz, an den Bösewicht, +Den Sohn und Eidam, denken sie, des Leben +Voll Schmutz und Schmach sie feindlich quält und sticht +Den Gliederstarken sieh! Mit dem daneben, +Dem Adlernas’gen, singt er im Akkord +Und ragt’ einst hoch in jedem wackern Streben. +Und könnt’, als er verstarb, der Jüngling dort, +Der hinten sitzt, den Königsthron ererben, +So ging von Stamm zu Stamm die Tugend fort. +Jakob und Friederich, die andern Erben, +Sie sollten zwar des Thrones Herrlichkeit, +Doch nicht des Vaters bessres Gut erwerben. +Denn selten nur soll Menschenredlichkeit, +Nach Gottes Schluß, neu aus der Wurzel Schlagen, +Weil er sie nur auf frommes Fleh’n verleiht. +Dem Adlernas’gen ist dies auch zu sagen, +So gut als feiern, welcher mit ihm singt, +Weshalb Provence und Puglien sich beklagen, +Weil so viel schlechtem Keim sein Same bringt, +Als höher sich Konstanzas Gatt’ im Preise +Vor Beatrixens und Margretens schwingt. +Den König seht von schlichter Lebensweise, +Der einsam sitzt, Heinrich von Engelland, +Vergnügt, daß sich ihm gleich sein Sproß erweise. +Der tiefer sitzt, den Blick emporgewandt, +Ist Markgraf Wilhelm, welchen noch die Seinen +In Montferrat, in Canaveser Land +Und Alessandrias Tück’ und Krieg beweinen. + + +Achter Gesang + +Die Stunde war es, die zu stillem Weinen +Vor Heimweh den gerührten Schiffer zwingt, +Am Tag, da er verließ die teuren Seinen, +Die Liebesleid dem neuen Pilgram bringt, +Wenn fernher, klagend ob des Tags Erbleichen, +Der Abendglocken Trauerlied erklingt. +Jedweder Laut schien mit dem Licht zu weichen, +Und eine von den Seelen trat hervor +Und heischt’ Aufmerksamkeit mit einem Zeichen +Und naht’ und hob die beiden Händ’ empor, +Als sagte sie: Du, Gott, nur bist mein Trachten! +Indem ihr Blick im Osten sich verlor. +Te Lucis Ante--diese Worte brachten +Dann ihre Lippen vor. So fromm, so schön, +Daß sie mich meiner Selbst vergessen machten. +Mit andachtsvollem lieblichem Getön +Stimmt’ ein der Chor zu reicher Wohllauts Fülle, +Den Blick emporgewandt zu Himmelshöh’n. +Die Wahrheit liegt hier unter leichter Hülle; +Ist, Leser, jetzt dein Blick nur scharf und klar, +So wirst du leicht erspäh’n, was sie verhülle. +Demütig, bleich, sah ich die edle Schar +Nach oben schau’n, erwartungsvoll und schweigend, +Und sah aus himmlischem Gewölb’ ein Paar +Von Engeln durch die Luft herniedersteigend, +Zwei Flammenschwerter zwar in ihrer Hand, +Allein mit abgebrochnen Spitzen zeigend; +Grün wie das Laub, das eben erst entstand, +Und, von der grünen Flügel Weh’n getrieben, +Nach hinten zu leicht flatternd das Gewand. +Der eine blieb nah über uns, und drüben, +Jenseit des Tales, blieb der andre stehn, +So, daß die Schatten in der Mitte blieben. +Ich konnte wohl die blonden Häupter sehn, +Doch am Gesicht verging mein Blick, geblendet, +Wie oft die Sinn’ am Übermaß vergehn. +"Dies Paar ist aus Marias Schoß gesendet, +Zur Hut des Tales, weil die Schlange naht." +So sprach Sordell, uns beiden zugewendet. +Und ich, der ich nicht wußt’, auf welchem Pfad, +Ich schaut’ umher, indem ich starr vor Grauen +Fest an des treuen Führers Rücken trat. +Sordell begann aufs neu: "Geht mit Vertrauen +Jetzt zu den Großen hin und sprecht sie an, +Denn lieb wird’s ihnen sein, euch hier zu schauen. +Ich war im Grund, wie ich drei Schritt’ getan, +Und nach mir forschend späh’n sah ich den einen, +Als sah’ er ein bekanntes Antlitz nah’n. +Schon schwärzte sich die Luft, doch zwischen seinen +Und meinen Blicken ließ sie, nah, was sich +Vorher durch sie verschlossen, klar erscheinen. +Nun ging ich auf ihn zu und er auf mich. +"Mein edler Richter Nin, o welch Vergnügen! +Hier--nicht bei den Verdammten--find’ ich dich!" +Kein schöner Gruß ward zwischen uns verschwiegen. +Und er: "Wann bist du aus dem weiten Meer +Am Fuße dieses Berges ausgestiegen?" +"Heut morgen kam ich aus der Hölle her", +Entgegnet’ ich, "und bin im ersten Leben, +Doch suche hier des künftigen Gewähr." +Und wie ich ihnen den Bescheid gegeben, +Da fuhr Sordell und er zurück, verstört, +Als halt’ ein Wunder plötzlich sich begeben, +Der dem Virgil, der einem zugekehrt, +Der dorten saß, am grünen Talgestade: +"Auf, Konrad, sieh, was uns der Herr beschert." +Und drauf zu mir: "Erwies besondre Gnade +Dir der, des erster Grund verborgen ruht, +Wohin kein Geist je findet Furt und Pfade, +So sag’ einst jenseits dieser weiten Flut +Meiner Johanna, daß sie für mich flehe, +Zu ihm, der nach dem Fleh’n der Unschuld tut. +Nicht liebt die Mutter wohl mich noch wie ehe, +Da sie den Witwenschleier abgelegt, +Nach dem sie bald sich sehnt in ihrem Wehe. +An ihr sieh, wie ein Weib zu lieben pflegt, +Wenn ihre Liebesglut nicht um die Wette +Jetzt Anschau’n, jetzt Betastung, neu erregt. +Gewiß wird einstens ihre Grabesstätte +Von Mailands Schlange nicht so schön geschmückt, +Als sie geschmückt der Hahn Galluras hätte." +Er sprach’s, und ihm im Antlitz ausgedrückt +War ein gerechter Eifer, der dem Weisen +Wohl durch das Herz, doch nur gemäßigt, zückt. +Ich blickte sehnlich nach des Himmels Kreisen +Dorthin, wo träger ist der Sterne Lauf, +So wie, der Achse nah, des Rades Kreisen. +Mein Führer sprach: "Was blickst du dort hinauf?" +Und ich: "Nach den drei Lichtern, denn mit ihnen +Geht ja am ganzen Pol ein Feuer auf." +Und er: "Die vier, die dir heut morgen schienen, +Sind tief jetzt unterm Horizont versteckt, +Und diese sind an ihrer Stell’ erschienen." +Hier ward ich durch den Ruf Sordells erschreckt: +"Den Widersacher seht!" Er sprach’s und zeigte +Zur Gegend hin, den Finger ausgestreckt, +Wo sich das kleine Tal geöffnet neigte; +Dort war die Schlange, die wohl jener glich, +Die Even einst die bittre Speise reichte. +Wie sie daher durch Gras und Blumen strich, +Hob sie von Zeit zu Zeit den Kopf zum Rücken +Verdreht empor und leckt’ und putzte sich. +Nicht sah ich und vermag’s nicht auszudrücken, +Wie die zwei Engel sich bewegt zum Flug, +Doch deutlich sah ich sie herniederzücken. +Und wie ihr Flügelpaar die Lüfte schlug, +Entfloh die Schlang’, und jene beiden flogen +Zu ihrem Platz zurück in gleichem Zug. +Der Schatten, der von Ninos Ruf bewogen +Sich uns genähert, hatte bei dem Strauß +Die Blicke nimmer von mir abgezogen. +"Die Leuchte, die dich führt zu Gottes Haus, +Sie find’ in deinem Willen und Verstande +Ihr Öl und gehe bis zum Ziel nicht aus." +So sprach er, "doch wenn von der Magra Strande +Du wahre Kunde hast, so gib sie mir, +Denn wiss’, ich war einst groß in seinem Lande. +Corrado Malaspina spricht mit dir, +Der Alte bin ich nicht, doch ihm entsprungen; +Die Meinen liebt’ ich stets, doch reiner hier." +"Oh," sprach ich, "nimmer noch ist mir’s gelungen, +Dies Land zu sehn, allein sein Nam’ und Wert +Ist, wo man in Europa sei, erklungen. +Der Ruf, der euer Haus erhebt und ehrt, +Schallt zu der Herrn, schallt zu des Landes Preise, +So daß, wer dort nicht war, davon erfährt. +Ich schwör’ es dir beim Ziele meiner Reise, +Daß dein Geschlecht in voller Blüte steht, +Des Muts, der Gastlichkeit, der edlen Weise. +Und wenn die Tollheit alle Welt verdreht, +Sitt’ und Natur wird ihm den Vorzug schenken, +Daß es allein den schlechten Weg verschmäht." +Und er: "Jetzt geh, nicht siebenmal versenken +Wird sich die Sonn’ im Bett an jenem Ort, +Den ringsumher des Widders Füß’ umschränken, +So wird dir diese gute Meinung dort +In deinem Kopfe festgenagelt werden, +Mit bessern Nägeln als mit andrer Wort, +Wird nicht des Schicksals Lauf gehemmt auf Erden." + + +Neunter Gesang + +Schon Thithons Buhlerin, entgleitend +Dem Arm des süßen Freunds und einen Kranz +Von weißem Licht im Orient verbreitend, +Geschmückt die Stirn mit der Demanten Glanz, +Die jenes kalten Tiers Gestaltung zeigen, +Das tödlich sticht mit seinem gift’gen Schwanz. +Zwei Schritte hatte, wo ich war, im Steigen +Die Nacht getan, um sich beim dritten jetzt +Mit ihren Fittichen herabzuneigen, +Als meine Sinne, da ich herversetzt +Mit Adams Erbschaft war, dem Schlaf erlagen +Und ich ins Gras sank, wo wir uns gesetzt. +Zur Stunde war es, wo mit bangen Klagen, +Wenn sich der Morgen naht, die Schwalbe girrt, +Vielleicht gedenkend ihrer ersten Plagen, +Und wo der Geist, vom Leibe nicht verwirrt, +Frei und entledigt von den Sorgen allen, +Im Traumgesicht beinahe göttlich wird. +Da sah ich, träumend, an des Himmels Hallen +Mit goldenem Gefieder einen Aar, +Gespreizt die Flügel, um herabzufallen. +Mir schien’s der Ort, wo Ganymedes war, +Als er, indem die Seinen ihn umfingen, +Entrückt ward zu der ew’gen Götter Schar. +"Er pflegt vielleicht sich hier herabzuschwingen", +So dacht’ ich, "und verschmäht, von anderm Ort +In seinen Klauen uns emporzubringen." +Ein wenig kreist’ er erst im Bogen dort, +Dann schoß er, schrecklich, wie ein Blitz, hernieder +Und riß mich bis zum Feuer aufwärts fort. +Mir schien, ich brenn’, auch brenne sein Gefieder, +Und ganz erglüht von dem erträumten Brand, +Erwacht’ ich jäh aus meinem Schlummer wieder. +So fuhr Achill empor im fremden Land +Und drehte dann die wachen Blick’ im Kreise, +Weil er nicht wußte, wo er sich befand, +Als Thetis ihn im Schlaf dem Chiron leise +Entführt und ihn nach Skyros hingebracht, +Von wo Ulyß ihn rief zur großen Reise; +Wie ich emporfuhr, da ich aufgewacht; +Doch fühlt’ ich Frost sich über mich verbreiten, +Gleich einem, den der Schreck erstarren macht. +Mein treuer Hort allein war mir zur Seiten-- +Zwei Stunden aufwärts stieg die Sonne schon +Und vor mir lagen frei des Meeres Weiten. +Da sprach mein Herr: "Nicht fürchte dich, mein Sohn. +Mut, denn uns ist das Schwerste nun gelungen, +Drum halte fest die Kraft, die fast entfloh’n. +Zum Fegefeuer bist du nun gedrungen. +Den Felsen sieh, der’s einschließt--sieh das Tor +Dort, wo, wie’s scheint, der Stein entzweigesprungen, +Noch glänzt’ Aurora nicht dem Tage vor, +Du aber lagst, den Geist vom Schlaf befangen, +Im Tale dort auf jenem Blumenflor, +Da kam ein Himmelsweib dahergegangen. +’Lucien seh--den Schläfer nehm’ ich fort, +Und leichter soll er so zum Ziel gelangen.’ +Sordell blieb mit den andern Seelen dort; +Sie faßte dich, und als der Tag begonnen, +Stieg sie empor mit dir an diesen Ort. +Ich folgt’ ihr; und als mir ihr Blick voll Wonnen +Das Tor gewiesen, legte sie dich hin +Und ging, und mit ihr war dein Schlaf entronnen." +Gleichwie wir, wenn uns offenen Gewinn +Die Wahrheit zeigte. Sorg’ und Furcht verjagen, +Von Mut und Lust erfüllt den freien Sinn, +So ich--und da mich frei von Angst und Zagen +Mein Meister sah, so schritt er zu den Höh’n, +Und ich auch stand nicht an, den Gang zu wagen. +Sieh, Leser, hier sich meinen Stoff erhöh’n, +Drum staune nicht, wenn größre Kunst die Worte, +Dem Stoff gemäß, sich aussucht, hoch und schön. +Wir gingen fort und nahten einem Orte, +Der erst als Felsenspalt’ erschien; doch nah +Erkannt’ ich in der Öffnung eine Pforte. +Drei Stufen von verschiednen Farben sah +Ich unter ihr, um zu ihr aufzusteigen; +Dann auch erkannt’ ich einen Pförtner da, +Der auf der höchsten saß in tiefem Schweigen, +Doch wie ich auf sein Antlitz hingewandt +Mein Auge hatte, mußt’ ich’s wieder neigen. +Er hatt’ ein nacktes Schwert in seiner Hand, +Und wollt’ ich auf dies Schwert die Blicke kehren, +So blitzt’ es her der Sonne Glanz und Brand. +"Von dorten sprecht: Was mögt ihr hier begehren?" +Sprach er. "Wer bracht’ euch bis zu mir empor? +Habt acht, sonst wird das Kommen euch beschweren." +Mein Meister drauf: "Uns sagte kurz zuvor +Ein Weib, vom Himmel selbst dazu berufen: +’Kehrt dorthin euren Schritt, dort ist das Tor!’ +Da hört’ ich gleich den edlen Pförtner rufen: +"So mögt ihr denn durch sie zum Heile ziehen; +Kommt, schreitet weiter vor zu unsern Stufen!" +Wir kamen hin--die erste Stufe schien +Von Marmor, weiß, von höchster Glätt’ und Reine, +Drin spiegelt’ ich mich ab, wie ich erschien. +Die zweite schien mir von verbranntem Steine, +Rauh, lang und quer geborsten und zerschlitzt, +Und ihre Farbe schwärzlichdunkle Bräune. +Die dritte höchste Stuf erschien mir itzt +Wie Porphyr, flammend, gleich des Blutes Quelle, +Die frisch und warm aus einer Ader spritzt. +Dem Pförtner diente sie zur Ruhestelle +Für seine Fuß’, und höher saß er dann +Auf der durchsicht’gen diamantnen Schwelle. +Gern folgt’ ich meinem Führer dorthinan, +Der sprach: "Jetzt geh, ihn flehend zu begrüßen, +Denn er ist’s, der das Schloß dir öffnen kann." +Demütig sank ich zu des Engels Füßen, +Schlug dreimal erst auf meinen Busen mich +Und bat ihn, aus Erbarmen aufzuschließen. +Mit seines Schwertes scharfer Spitze strich +Er sieben P auf meine Stirn und machte +Sie wund und sprach: "Dort drinnen wasche dich." +Noch, wenn ich Asch’ und Erdenstaub betrachte, +Seh’ ich des Kleides Farb’, aus welchem er +Mit seiner Hand hervor zwei Schlüssel brachte. +Von Gold war dieser und von Silber der. +Den weißen sah ich ihn, den gelben drehen, +Und sieh, verschlossen war das Tor nicht mehr. +Er sprach darauf: "Trifft einer von den zween +Im Schloß beim Umdreh’n irgend Widerstand, +So bleibt die Türe fest verschlossen stehen. +Mehr Wert hat der von Gold, doch mehr Verstand +Und Kunst wird jener, eh’ er schließt, bedürfen, +Denn er nur löst das vielverschlungne Band. +Beim Öffnen sollt’ ich eher irren dürfen, +Sprach Petrus, der sie gab, als beim Verschluß, +Wenn nur, die kämen, erst sich niederwürfen." +Er stieß ans heil’ge Tor und sprach zum Schluß: +"So geht denn ein, doch daß euch’s nie entfalle, +Daß, wer rückblickt, nach außen kehren muß." +Beim Öffnen drehte mit so lautem Schalle +Die heil’ge Pfort’ in ihren Angeln sich, +Gemacht von starkem, klingendem Metalle, +Daß es dem Knarren jenes Tores glich, +Vom Schloß Tarpeja, dessen Riegel sprangen, +Als der Gewalt Metell, sein Wächter, wich. +Ich horcht’ aufmerksam hin, denn Stimmen sangen, +Und ein Tedeum schien mir, was man sang, +Zu welchem volle süße Tön’ erklangen. +Denn das, was jetzt zu meinen Ohren drang, +War, wie wenn zu Gesängen Orgeln gehen, +Und wir vor ihrem vollen hellen Klang +Die Worte halb verstehn, bald nicht verstehen. + + +Zehnter Gesang + +Kaum war ich innerhalb der Tür der Gnade, +Die selten aufgeht durch den schlechten Hang, +Der g’rad’ erscheinen läßt die krummen Pfade, +Da hört’ ich, wie sie beim Verschließen klang. +Wie ward’s auch wohl entschuldigt, wie verziehen, +Wenn nach ihr umzuschau’n mich Neugier zwang? +Wir mußten durch gespaltnen Felsen ziehen, +Der vor- und rückwärts sprang vor unsrer Bahn, +Wie Wogen sich anwälzen erst, dann fliehen. +"Jetzt gilt es", also fing mein Führer an, +"Wohl etwas Kunst, um hier und dort den Seiten, +Da, wo sie rückwärts weichen, uns zu nah’n." +Wir durften drum nur Iangsam vorwärts schreiten, +Und schon war Lunas Rand dem Meer genaht, +Schon sah ich sie hinab ins Bette gleiten, +Eh’ wir zurückgelegt den engen Pfad; +Doch blieben wir an seinem offnen Rande, +Da, wo der Berg etwas zurücke trat, +Ich matt, und fremd wir beid’ in diesem Lande, +In Zweifeln stehn auf einem ebnen Ort, +Der öd war wie ein Berg in Lybiens Sande. +Von wo sein Rand ans Leere grenzt, bis dort +Zum Fuß der Felsen, die sich jenseits heben, +Ging ebner Raum drei Menschenlängen fort. +Soweit g’rad’aus der Blicke Flügel schweben, +schien solch ein Raum zur recht’ und linken Hand +Den Berg, gleich einem Kranze, zu umgeben. +Wie ich dort still mit meinem Führer stand, +Erkannt’ ich, daß der Felsrand, uns entgegen, +Der steil sich hob, gleich einer schroffen Wand, +Von weißem Marmor war und allerwegen +Voll Bildnerei, um Polyklet zur Scham, +Ja die Natur zum Neide zu erregen. +Der mit dem Friedensfchluß, den längst in Gram +Die Welt ersehnt, aufs irdische Gefilde, +Den lang verschloßnen Himmel öffnend, kam, +Der Engel war dort eingehau’n, und Milde +Und Liebe tat so wahr sein Wesen kund, +Daß niemand glaubt’, es sei ein stumm Gebilde. +Man schwor, ein Ave schweb’ auf seinem Mund, +Denn sie war dort, durch die des Himmels Riegel +Der Höchste löst’ im neuen Liebesbund. +Es zeigte der Gebärde reiner Spiegel +Das Wort: Sieh Gottes Magd, so ausgeprägt, +Wie sich im Wachs ausprägt das schöne Siegel. +"Was schaust du", sprach Virgil, "so unbewegt, +Als ob nur diesem Bild dein Blick gebührte?"-- +Ich ging zur Seit’ ihm, wo das Herz uns schlägt, +Daher sich jetzt dorthin mein Auge rührte; +Und hinter der Maria war der Stein, +Zur andern Seite dessen, der mich führte, +Geschmückt mit andern schönen Schilderei’n. +Drum trat ich, vor Virgil vorbeigeschritten, +Ihm näher, um zum Schau’n bequem zu sein. +Der Wagen war, in Marmor eingeshnitten, +Die stierbespannte Bundeslade da, +Drob ungeheischtes Dienen Straf erlitten. +Das Volk voraus, in sieben Chören, sah +Ich jubelnd zieh’n und sagt’ ich: Ob sie singen? +So sagt’ ein Sinn mir nein, der andre ja! +Sah Weihrauchduft sich in die Lüfte schwingen, +Und auch bei diesem Bilde ließen schwer +Geruch sich und Gesicht zum Einklang bringen. +Im Tanze vor der heil’gen Lade her, +Sah ich erhöht in Demut den Psalmisten, +Der minder hier, als König, war, und mehr, +Und, wie erfüllt von Ränken und von Listen, +Am Fenster des Palasts mit schnödem Wort +spöttisch bewundernd sich die Michal brüsten. +Darauf bewegt’ ich mich von meinem Ort, +Um weiterhin ein andres Bild zu schauen, +Und sah den edlen Römerherrscher dort +Zu hohem Ruhm in Marmor eingehauen, +Ihn, der zum großen Siege den Gregor +Beseelt mit Kraft und gläubigem Vertrauen. +Trajan, den Imperator, stellt’ es vor, +Und eine Witw’, ihm in die Zügel fallend, +Die, schmerzerfüllt, mit Flehen ihn beschwor. +Rings Reiterei gedrängt. Trompeten schallend, +--so schien’s dem Aug’--im goldenen Panier +Die Adler drüberhin im Winde wallend. +Die Arme schrie mit Macht, so schien es mir: +"Verweile, Herr, mir ward der Sohn erschlagen, +Du räche mich, die Rache ziemet dir."-- +So warte, bis ich kehre!" Dies zu sagen +schien er, und sie darauf: "Und wenn du nun" +(Und ihre Worte schien der Schmerz zu jagen) +"Nicht wiederkehrst?"--So wird’s mein Folger tun!" +"Vertraust du, was dir obliegt, fremden Armen, +Mag auch indes die Pflicht vergessen ruh’n?"-- +"So tröste dich," entgegnet’ er der Armen, +"Bevor ich ziehe, lös’ ich meine Pflicht, +Gerechtigkeit gebeut’s, mich hält Erbarmen!"-- +Sichtbar macht’ er die Red’, er, des Gesicht +Von Ewigkeit nichts Neues noch gesehen, +Doch uns ist’s neu, weil uns die Kunst gebricht. +Indes ich mich ergötzte, hinzuspähen +Nach solcher Demut Bildern, deren Wert +Noch er erhöht, durch welchen sie entstehen, +Da lispelte Virgil, mir zugekehrt: +Sieh jene dort, die langsam, langsam schreiten, +Von diesen wird uns wohl der Weg gelehrt." +Ich ließ, da immer hier nach Neuigkeiten +Mein ganzes Streben war, voll Ungeduld +Nach dieser Seite hin die Blicke gleiten, +Vernimmst du, Leser, wie sich Gott die Schuld +Bezahlen läßt, nicht denke drum zu weichen +Vom guten Pfad und trau’ auf seine Huld. +Mag diese Qual auch der der Hölle gleichen, +Denk’ an die Folg’--im schlimmsten Falle wird +Nur bis zum großen Spruch die Marter reichen. +Ich sprach: "Nur unklar seh’ ich und verwirrt, +Was dort sich naht. Sind’s menschliche Gestalten, +Was unstet itzt vor meinem Auge flirrt?"-- +"Kaum seh’ ich selbst ihr Bild sich klar entfalten," +Entgegnet’ er, "weil erdwärts tiefgebückt +Vor schwerer Last sie Haupt und Schultern halten. +Sieh, was dort unter Steinen näher rückt, +Sieh scharf, und du entwirrst gequälte Schatten +Und siehst genau, was jeden niederdrückt."-- +Stolze Christen, o ihr Armen, Matten! +Der Fuß schlüpft rückwärts, doch, an Geiste blind, +Glaubt ihr, vortrefflich geh eu’r Lauf vonstatten. +Bemerkt ihr nicht, daß wir nur Würmer sind, +Bestimmt zu jenes Schmetterlings Entfaltung, +Des Flug nie der Gerechtigkeit entrinnt. +Was tragt ihr hoch das Haupt in stolzer Haltung? +Gewürm, das öfters, wenn’s der Pupp’ entflieht, +Verkrüppelt ist zu schnöder Mißgestaltung; +Wie man zuweilen wohl Gestalten sieht, +Anstatt des Simses tragend Dach und Decken, +Gekrümmt, daß sich das Knie zum Busen zieht, +Die im Beschauer wahres Leid erwecken +Durch falschen Schmerz--so könnt’ ich jetzo klar +Bei schärferm Hinschau’n jene dort entdecken, +Den mehr, den minder tiefgebogen zwar, +Als ob die Last hier mehr, dort minder wiege, +Doch der auch, der am meisten duldsam war, +Schien tränenvoll zu sagen: Ich erliege! + + +Elfter Gesang + +"Oh Vater unser, in den Himmeln wohnend, +Du, nimmer zwar von ihrer Schrank’ umkreist, +Doch lieber bei den ersten Werken thronend, +Es preis deinen Namen, deinen Geist, +Was lebt, weil deinem süßen Hauch hienieden +Der Mensch nur würdig dankt, wenn er ihn preist. +Zu uns, Herr, komme deines Reiches Frieden, +Den keiner je durch eigne Kraft errang, +Und der zu uns nur kommt, von dir beschieden. +Gleichwie die Engel beim Hosiannasang +Ihr Wollen auf das Deine nur beschränken, +So opfre dir der Mensch des Herzens Hang. +Wollt unser täglich Manna heut uns schenken; +Zurückgeh’n ohne dies auf rauher Bahn +Die, so am meisten vorzuschreiten denken. +Wie wir, was andre Böses uns getan, +Verzeih’n, oh so verzeih uns du in Hulden +Und sieh nicht das, was wir verdienen, an. +Nicht laß die schwanke Kraft Versuchung dulden +Vom alten Feinde, sondern mache los +Von ihm, des Arglist reizt zu Sünd’ und Schulden. +Für uns nicht, teurer Herr, für jene bloß +Geschieht, tut not die letzte dieser Bitten, +Die dort noch sind in unentschiednem Los." +So für sich selbst, für uns auch betend, schritten +Die Schatten langsam unter schwerer Last, +Wie man im Traum oft ihren Druck erlitten, +Im ersten Kreise, der den Berg umfaßt; +Sie läutern sich vom Erdenqualm und tragen +Ungleiche Bürden, matt, doch ohne Rast. +Wenn stets für uns dort jene Gutes sagen, +Was kann für sie von solchen hier gescheh’n, +Die Wurzeln schon im bessern Sein geschlagen? +Sie unterstütze treulich unser Fleh’n, +Daß sie der Erdenschuld sich bald entringen +Und leicht und rein die Sternenkreise sehn. +"Euch möge Recht und Huld Erleicht’rung bringen, +Um zu dem Ziel, daß euch die Sehnsucht zeigt, +Mit freien Flügeln bald euch aufzuschwingen. +Ihr aber zeigt uns, wo man aufwärts steigt, +Weist uns den Weg, und gibt es mehr als einen, +So lehrt uns den, der minder steil sich neigt. +Denn dieser hier, mit Fleisch und mit Gebeinen +Von Adam her bekleidet und beschwert, +Muß wider Willen träg im Steigen scheinen." +So sprach mein Führer, jenen zugekehrt, +Und diese Rede ward darauf vernommen, +Doch wußt’ ich nicht, von wem ich sie gehört. +"Ihr könnt mit uns zur rechten Seite kommen, +Dort ist ein Paß, nicht steiler, als der Fuß +Des Lebenden schon anderwärts erklommen. +Und drückte nicht der Stein nach Gottes Schluß +Den stolzen Nacken jetzt der Erd’ entgegen, +So daß ich stets zu Boden blicken muß, +So würd’ ich nach ihm hin den Blick bewegen, +Zu sehn, ob ich ihn, der sich nicht genannt, +Erkenn’, und um sein Mitleid zu erregen. +Wilhelm Aldobrandeschi, der dem Land, +Das ihn geboren, Ruhm und Ehre brachte, +Erzeugte mich, und ist euch wohl bekannt. +Das alte Blut, der Ruhm der Ahnen machte +So übermütig mich und stolz und roh, +Daß ich nicht mehr der Mutter aller dachte. +Und ich verachtete die Menschen so, +Daß ich drum starb, wie die Sanesen wissen +Und jedes Kind in Campagnatico. +Omberto bin ich; nicht nur mein Gewissen +Befleckt der Stolz, er hat auch alle schier +Von meinem Stamm ins Elend fortgerissen. +Bis ich dem Herrn genugtat, ruht auf mir +Die schwere Last, und was ich dort im Leben +Nicht tat, daß tu’ ich bei den Toten hier." +Ich horcht’ und ging gesenkten Blicks daneben, +Ein andrer aber, unterm Steine, fing +sich an zu winden, um den Blick zu heben. +Er sah, erkannt’ und nannte mich und hing, +Kaum fähig, doch den Blick vom Grund zu trennen, +An mir, der ganz gebückt mit ihnen ging, +"Du Odrisl" rief ich, froh, ihn zu erkennen, +Scheinst Gubbios Ruhm, der Ruhm der Kunst zu sein, +Die Miniaturkunst die Pariser nennen." +"Ach, Bruder, heitrer sind die Schilderei’n," +Versetzte jener, "Franks, des Bolognesen, +Sein ist der Ruhm nun ganz, zum Teil nur mein. +So edel war’ ich, lebend, nicht gewesen, +Dies zu gestehn, denn ach! vor Ruhmgier schwoll +Damals mein stolzes Herz, mein ganzes Wesen. +Fürs solchen Stolz bezahlt man hier den Zoll. +Wo ich, weil ich bereute, durch Beschwerden +Von seinem finstern Dampf mich läutern soll. +O eitler Ruhm des Könnens auf der Erden! +Wie wenig dauert deines Gipfels Grün, +Wenn roher nicht darauf die Zeiten werden. +Als Maler sah man Cimabue blüh’n, +Jetzt sieht man über ihn den Giotto ragen, +Und jenes Glanz in trüber Nacht erglüh’n. +Den Ruhm der Sprache nahm in diesen Tagen +Ein Guid’ dem andern, und ein andrer lauscht +Vielleicht versteckt, auch ihn vom Nest zu jagen. +Ein Windstoß nur ist Erdenruhm. Er rauscht +Von hier, von dort, um schleunig zu verhallen, +Indem er Seit’ und Namen nur vertauscht. +Wird lauter wohl dereinst dein Ruhm erschallen, +Wenn du als Greis vom Leib geschieden bist, +Als wenn du stirbst beim ersten Kinderlallen, +Eh’ tausend Jahr’ entflieh’n?--wohl kürzre Frist +Zur Ewigkeit, als zu dem trägsten Kreise +Des Himmels deines Auges Blinken ist. +Ganz Tuscien scholl einst laut von dessen Preise, +Der dort vor mir so träg und langsam schleicht, +Jetzt flüstert’s kaum von ihm in Siena leise. +Dort herrscht’ er, als, von dem Geschick erreicht, +Fiorenzas Wut erlag, der stolzen, kühnen, +Der Stadt, die jetzt der feilen Hure gleicht. +Dem Grase gleicht der Menschenruhm, dem Grünen, +Das kommt und geht, und durch die Glut verdorrt, +Die erst es mild hervorrief, zu ergrünen." +Und ich: "Mir dämpft den Stolz dein wahres Wort +Und weiß mir trefflich Demut einzuprägen; +Doch sprich: Wer geht so schwer belastet dort?" +Silvani," sprach er, "ist es, hier deswegen, +Weil sich so weit sein toller Stolz vergaß, +Dem freien Siena Ketten anzulegen. +Drum ging er so und geht ohn’ Unterlaß, +Seitdem er starb--der Zoll wird hier erhoben +Von jedem, der sich dort zu hoch vermaß." +Und ich: "Weilt jeder, welcher aufgeschoben +Bis zu dem Rand des Lebens Reu’ und Leid. +Dort unten erst und dringet nicht nach oben, +Wenn ihm nicht Hilfe gläubig Fleh’n verleiht, +Bis so viel Jahr’, als er gelebt, vergangen, +Wie kam denn er herauf in kürzrer Zeit?"-- +Und er: "Er ist auf Sienas Markt gegangen +Zur Zeit, da er den höchsten Ruhm erstrebt, +Hat dort gestanden, nicht von Scham befangen, +Und, weil sein Freund in Carlos Haft gelebt, +Um Hilf ihm und Befreiung zu gewähren, +Als Bettler dort an jedem Puls gebebt. +Ich red’ unklar, doch wird’s nicht lange währen, +So handelt also deine Nachbarschaft, +Daß du vermagst, dir alles zu erklären-- +Die Tat hat jene Schrank’ ihm weggeschafft." + + +Zwölfter Gesang + +Gleichmäßig, wie zwei Stier’ im Joche zieh’n, +Ging ich dem schwerbeladnen Geist zur Seiten, +Solang es gut dem süßen Lehrer schien. +Doch als er sprach: "Laß ihn, um vorzuschreiten, +Hier gilt’s. soviel man immer kann, den Kahn +Mit Segeln und mit Rudern fortzuleiten!" +Da richtet’ ich mich auf zur weitern Bahn +Mit meinem Leib, obwohl gebeugt und bange +Des Geistes Blicke noch zu Boden sahn, +Und folgte meinem Hort im regen Drange +Der Wißbegier, und beide zeigten wir, +Wie leicht wir waren, schon im raschen Gange; +Bis daß er sprach: "Zu Boden blicke hier, +Um, was dein Fuß beschreitet, zu gewahren, +Denn zu des Weges Kürzung frommt es dir." +Wie, um der Freund’ Erinnrung zu bewahren, +Auf ird’schen Gräbern dargestellt erscheint, +Was, die drin ruhen, einst im Leben waren, +So daß bei diesem Anblick jeder weint, +Gereizt vom Schmerz der aufgerißnen Wunde, +Der’s gut und fromm mit ihnen einst gemeint; +So wies der Vorsprung mir, der in der Runde, +Den Pfad dort bildend, jenen Berg umschloß, +Manch Bild, doch trefflicher, auf seinem Grunde +Ihn, edler, als was je der Erd’ entsproß, +Erschaffen, sah ich, welcher mit der Eile +Des Blitzes hier vom Himmel niederschoß. +Dort aber auf des Weges anderm Teile, +In starrem Todesfrost und träg und schwer, +Lag Briareus, durchbohrt vom Himmelspfeile. +Mars, Phöbus, Pallas standen hoch und hehr, +Auf die zerstreuten Riesenglieder sehend, +Bewaffnet noch, um ihren Vater her. +Am Fuß des großen Werks den Nimrod stehend, +Erblickt’ ich dann, und wie verwirrt und toll +Nach den Genossen seiner Arbeit spähend. +Dich Niobe, dich sah ich jammervoll, +Hier sieben Kinder tot, dort andre sieben; +Wie jedem Aug’ ein Tränenstrom entquoll. +Saul, du schienst, ins eigne Schwert getrieben, +Tot, wie auf Gilboa, das seit der Zeit +Von Tau und Regen unbenetzt geblieben. +Arachne, Törin, einst voll Eitelkeit, +Halb Spinn’ itzt, auf den Fetzen vom Gewebe, +Das du, o Arme, wobst zu deinem Leid. +Rehabeam--es schien, als ob er bebe, +Als ob er, statt wie immer sonst, zu droh’n, +Im Wagen flüchtig, unverjagt, entschwebe. +Man sah Eriphylen und ihren Lohn, +Wie teuer das unselige Geschmeide +Ihr hier bezahlt ward von dem eignen Sohn: +Den Sanherib, den seine Söhne beide +Im Tempel töteten voll Frevelmut +Und liegen ließen in dem letzten Leide. +Des Cyrus Tod und der Tomyris Wut-- +Sie schien zum abgeschnittnen Haupt zu sagen: +Dein Durst war Blut, nun füll’ ich dich mit Blut. +Dann der Assyrer Heer--es floh, geschlagen, +Nach Holofernes’ Tod, und hinterdrein +Sah man mit grimmer Wut die Feinde jagen. +O Ilion, wie niedrig und wie klein! +Wohl standest du auf Trojas Fluren dreister +Als hier, in Asch’ und Schutt, auf dem Gestein! +Wer war des Griffels und des Pinsels Meister, +Der Formen und Gebärden ausgedrückt +Selbst zur Bewunderung der feinsten Geister? +Mir schien, wie ich dahinging, tiefgebückt, +Was tot war, tot, was lebend war, zu leben, +Nicht besser hat’s, wer’s wirklich sah, erblickt. +Stolziert nur hin, fahrt fort, das Haupt zu heben, +Senkt nicht den Blick, ihr, Evens Söhn’, er weist +Euch sonst den schlechten Weg, das eitle Streben!-- +Schon hatten wir vom Berge mehr umkreist, +Schon war die Sonne weiter fortgegangen, +Als ich bemerkt mit dem befangnen Geist; +Als er, des Fuß und Seele vorwärts drangen, +Begann: "Blick’ auf, erhebe Haupt und Sinn! +Nicht ist’s mehr Zeit, den Bildern anzuhangen. +Ein Engel naht--drum blick’ empor, dorthin! +Schon kehrt, von schnellen Fittichen getragen, +Zurück des Tages sechste Dienerin. +Schmück’ itzt mit Ehrfurcht Antlitz und Betragen, +Dann führt er wohl mit Freuden uns empor. +Denk’, nie wird dieser Tag dir wieder tagen." +Und da er mich ermahnt schon oft zuvor, +Die Zeit zu nutzen, kam es, daß ich nimmer +Den Sinn, den solch ein Wort verschloß, verlor. +Das schöne Wesen naht’--ein weißer Schimmer +War sein Gewand; dem Stern des Morgens war +Sein Antlitz gleich an zitterndem Geflimmer. +Die Arm’ erschloß er, dann das Flügelpaar, +Und sprach: "Kommt jetzt, denn nahe sind die Stufen +Und leicht erklimmt ihr sie und ohne Fahr. +Nur wen’ge nah’n von vielen, die berufen. +O Mensch, du fällst bei jedes Windes Weh’n, +Du, den zum Aufflug Gottes Händ’ erschufen." +Bald ließ er uns des Felsen Öffnung sehn. +Dort schlug er meine Stirn mit seinem Flügel +Und hieß mich dann gesichert weitergehn. +Wie ob der Stadt, die ihrer Herrschaft Zügel +So wohl zu führen weiß wie Recht und Pflicht, +Am Weg zur Kirche, rechts am steilen Hügel, +Den kühnen Schwung des Bergs die Treppe bricht, +Die man gebaut in jenen guten Zeiten, +Wo sicher war das Maß und das Gewicht; +So war der Fels, durch Stufen zu beschreiten, +Obwohl er jäh sich senkt als steile Wand, +Doch streift man das Gestein von beiden Seiten. +Laut klang’s, indem ich dort mich aufwärts wand, +"Den geistlich Armen Heil!"--mit einem Sange, +Wie ich so süß noch keinen je empfand. +Wie anders war es hier, als bei dem Gange +Ins Höllenreich! Bei Liedern klomm ich auf, +Und dort hinab bei wildem Jammerklange. +Die heil’gen Stiegen klommen wir hinauf, +Und leichter schien mir’s hier, emporzukommen, +Als erst auf ebner Bahn der leichtste Lauf. +Sprich, Meister, welche Last ist mir entnommen," +So rief ich, da ich dies bemerkt, zuletzt, +"Daß ich fast mühelos emporgeklommen?" +Und er: sind diese P, die zwar noch jetzt +Dein Antlitz trägt, doch die schon halb verschwunden, +Erst, wie das eine, völlig ausgewetzt, +Dann wird den Fuß dein Streben überwinden, +So daß ihm Klimmen keine Mühe macht, +Ja, Wonne wird er dann im Steigen finden." +Da tat ich jenen gleich, die, sonder Acht, +Etwas mit sich am Haupte tragend, gehen, +Bis sie bemerkt, daß man sich winkt und lacht; +Drum sie die Hand gebrauchen, um zu spähen, +Mit dieser suchen, finden und damit +Zuletzt erschau’n, was nicht die Augen sehen. +Denn mit den ausgespreizten Fingern glitt +Ich an der Stirne hin, und sieh, vergangen +War eins der Zeichen, das der Engel schnitt. +Da schwebt’ ein Lächeln um des Meisters Wangen. + + +Dreizehnter Gesang + +Wir waren auf dem Gipfel jener Stiegen, +Wo sich des Berges zweiter Abschnitt zeigt, +Des Bergs, der läutert, die hinaufgestiegen. +Hier, wo man auf den zweiten Vorsprung steigt, +Der, gleich dem ersten, rings die Höh’ umwindet, +Nur daß ein Bogen noch sich schneller beugt, +Hier ist kein Bild, und jedes Zeichen schwindet, +Daher man glatt den Weg und das Gestad +Von des Gesteins schwarzgelber Farbe findet. +"Dafern wir harrten, bis der Führer naht," +So sprach Virgil darauf, "hier säumig stehend, +So wählten wir zu spät wohl unsern Pfad." +Dann macht’ er, festen Blicks zur Sonne sehend, +Für die Bewegung seinen rechten Fuß +Zum Mittelpunkt, sich mit dem linken drehend. +"O süßes Licht, du flößest den Entschluß +Zum neuen Weg mir ein, du führ’ uns weiter," +Begann er, "wie ein treuer Führer muß. +Du wärmst die Welt, du machst sie hell und heiter; +Nie wandle man, wenn sich dein Glanz verhehlt, +Drängt nicht die Not, und er sei unser Leiter." +Soviel man hier auf eine Miglie zählt, +So weit schon gingen wir auf jenen Pfaden +In wenig Zeit, vom regen Trieb beseelt. +Ein Geisterzug flog längs den Felsgestaden, +Gehört, doch nicht gesehn, herbei und schien +Zum Tisch der Lieb’ uns freundlich einzuladen. +Der erste Geist rief im Vorüberflieh’n: +Sie haben keinen Wein! Die Worte klangen +Dann nochmals hinter uns im Weiterzieh’n. +Und eh’ sie, sich entfernend, ganz verklangen, +Da rief: Ich bin Orest!--ein zweiter Geist, +Und war im schnellen Flug vorbeigegangen. +"O", sprach ich, "Vater, sage, was dies heißt?" +Da klang die dritte Stimm’ in meine Frage +Und rief: Liebt den, der Böses euch erweist. +Und er: "Du findest hier des Neides Plage! +Gegeißelt wird er hier, doch Liebe schwingt +Der strengen Geißel Schnur zu jedem Schlage. +Doch wisse, daß der Zügel anders klingt. +Du wirst ihn hören, eh’ im Weitergehen +Dein Fuß zum Passe der Verzeihung dringt. +Versuch’ es jetzo, scharf dorthin zu spähen, +Und vor uns wirst du Leute, langgereiht, +An dieser Wand des Felsens sitzen sehen. +Da öffnet’ ich sogleich die Augen weit +Und sah die Schatten an der Felsenhalle, +An Farbe dem Gesteine gleich ihr Kleid. +Und näher hört’ ich sie mit lautem Schalle +"Bitte für uns, Maria!" brünstig schrei’n, +"Michael und Petrus und ihr Heil’gen alle!" +Möcht’ einer noch so hart und grausam sein, +Vor Mitleid wäre doch sein Herz entglommen, +Hält’ er, wie ich, gesehn der Armen Pein. +Denn als ich nun so nahe hingekommen, +Daß ich Gebärd’ und Angesicht erkannt, +Da ward mein Herz durchs Auge schwer beklommen. +Ihr Anzug war ein schlechtes Bußgewand; +Sie lehnten sich an sich und ihren Rücken +Sie allesamt an jene Felsenwand; +Den Blinden gleich, die Not und Hunger drücken, +Und die an Ablaßtagen bettelnd stehn, +Und, Kopf an Kopf gedrängt, sich kläglich bücken, +Indem sie, um das Mitleid zu erhöh’n, +Nicht minder mit den jämmerlichen Mienen, +Als mit den lauten Jammerworten fleh’n. +Und, gleich den armen Blinden, war auch ihnen +Den bangen Schatten, welchen ich genaht, +Der Glanz des Himmelslichts umsonst erschienen. +Gebohrt war durch die Augenlider Draht, +Ihr Auge, wie des Sperbers, ganz vernähen; +Der, wild, nicht nach des Jägers Willen tat. +Mir aber schien es unrecht, daß ich sehend, +Doch ungesehn dort ging, drum wandt’ ich mich +Zum weisen Rat, nach seiner Meinung spähend. +Er, der sogleich erriet, weswegen ich +Noch stumm, auf ihn die Blicke fragend lenkte, +Sprach: "Rede jetzt, doch kurz und sinnig sprich." +An jener Seite, wo der Fels sich senkte, +Ging mir Virgil, wo leicht zu fallen war, +Weil kein Geländer dort den Rand verschränkte; +Zur andern Seite saß die fromme Schar, +Und durch die grause Naht gepreßte Zähren, +Die ihre Wangen netzten, nahm ich wahr. +"Ihr, sicher, euch im Lichte zu verklären," +Begann ich nun, "das einzig euer Traum, +Das einzig euer Wunsch ist und Begehren, +Die Gnade lös’ euch des Gewissens Schaum +Und mache drin auf reinem lauterm Grunde +Der Seele klaren Fluß zum Strömen Raum. +Doch bitt’ ich euch, gebt mir gefällig Kunde: +Ist eine Seel’ aus Latium hier?--Ich bin +Für sie vielleicht dann hier zur guten Stunde." +"O Bruder, jede Seel’ ist Bürgerin +Von einer wahren Stadt--doch willst du fragen, +Ob ein’ in Welschland lebt als Pilgerin." +So schien’s, von mir noch etwas fern, zu sagen, +Daher ich, weil ich fast das Wort verlor, +Sogleich beschloß, mich weiter vor zu wagen. +Und eine wartete, so kam mir’s vor, +Auf Antwort, und, um’s deutlicher zu zeigen, +Hob sie, dem Blinden gleich, das Kinn empor. +"Du," sprach ich, "die sich beugt, um aufzusteigen, +Warst du’s, die Antwort gab, so magst du mir +Jetzt deinen Ort und Namen nicht verschweigen." +"Ich war von Siena, und mit diesen hier", +So sprach sie, "läutr’ ich mich vom Lasterleben, +Und weinend fleh’n um Gottes Gnade wir. +Sapia hieß ich, ob ich gleich ergeben +Der Torheit war, denn mir schien andrer Leid +Weit größre Lust, als eignes Glück zu geben. +Doch zweifelst du an meinem tollen Neid, +So höre nur!--Die Jugend war verflossen, +Und abwärts ging der Bogen meiner Zeit, +Als nah bei Colle meine Landsgenossen +Den kampfbereiten starken Feind erreicht; +Da bat ich Gott um das, was er beschlossen. +Drauf wird ihr Heer geschlagen und entweicht, +Und ich, erblickend, wie der Feind es jage, +Fühl’ eine Lust, der keine weiter gleicht, +So daß ich kühn den Blick gen Himmel schlage +Und rufe: Gott, nicht fürcht’ ich mehr dich jetzt! +Der Amsel gleich am ersten warmen Tage. +Nach Gottes Frieden sehnt’ ich mich zuletzt +Am Rand des Lebens, aber meine Schulden, +Durch Reue wären sie nicht ausgewetzt, +Wenn Pettinagno meiner nicht in Hulden +Gedacht in seinem heiligen Gebet; +Noch müßt’ ich vor dem Tore harrend dulden. +Doch wer bist du, der offnen Auges geht, +So scheint’s, um unsern Zustand zu erkunden, +Und dessen Atem noch beim Sprechen weht?"-- +"Mit Draht wird einst mein Auge hier durchwunden," +So sprach ich, "doch ich hoffe kurze Frist, +Weil man’s nur selten scheel vor Neid gefunden. +Mehr als das Leid, ob des du traurig bist, +Hat Sorge mir die untre Qual bereitet. +Schon fühl’ ich, wie die Bürde drückend ist." +Und sie: "Wer also hat dich hergeleitet, +Daß du, um rückzukehren, hier erscheinst?" +"Er, der dort schweigend steht, hat mich begleitet. +Ich leb’, erwählter Geist, und wenn ich einst +Jenseits als Sterblicher für dich bewegen +Die Füße soll, so fordre, was du meinst." +"So Neues sagtest du," sprach sie dagegen, +"Daß es dir sicher Gottes Huld bewährt. +Verwende drum dein Fleh’n zu meinem Segen. +Ich bitte dich, bei allem, was dir wert, +Wirst du dich je im Tuscierland befinden, +So sei zum Bessern dort mein Ruf gekehrt. +Beim eiteln Volk wirst du die Meinen finden, +Das Talamon verlockt zum Hoffnungswahn; +Und wie bei Dianas Quelle wird er schwinden, +Doch setzen mehr die Admirale dran." + + +Vierzehnter Gesang + +"Wer ist der, welcher unsern Berg umgeht, +Eh’ ihn der Tod beschwingt--dem, nach Behagen, +Das Auge bald sich schließt, bald offen steht?" +"Daß er allein nicht ist, das kann ich sagen, +Nicht wer er ist. Da ich ihm ferner bin, +Magst du, damit er red’, ihn höflich fragen." +So redeten, von mir zur Rechten hin, +Zwei Geister dort, sich zueinander neigend, +Dann, um zu sprechen, hoben sie das Kinn. +"O Seele, die, empor zum Himmel steigend," +Sprach dann der eine, "noch im Körper steckt, +O sprich, dich hold und trostreich uns erzeigend, +Woher? Wer bist du? Denn solch Staunen weckt +Die Gnade, die wir an dir schauen sollen, +Wie wenn, was nie gescheh’n, sich uns entdeckt." +Und ich: "Ein Fluß, der Falteron’ entquollen, +Lustwandelt mitten durch das Tuscierland, +Dem hundert Miglien Laufs nicht g’nügen wollen. +Ich bringe diesen Leib von seinem Strand. +Doch sagt’ ich, wer ich sei--nicht würd’ euch’s frommen, +Da wenig Ruhm bis jetzt mein Name fand." +"Bin ich auf deiner Meinung Grund gekommen, +Meinst du den Arno und sein Talgebiet?" +So sprach jetzt, der zuerst das Wort genommen. +Der zweite sprach darauf: "Warum vermied +Er, jenes Flusses Namen zu verkünden, +Wie’s sonst nur mit Abscheulichem geschieht?" +Und jener sprach: "Nicht kann ich dies ergründen, +Doch wert des Untergangs ist jenes Wort, +Das nur Erinnrung weckt an Schmach und Sünden. +Denn von dem Ursprung im Gebirge dort, +Von dem sich einst Pelorum trennen müssen, +Dort wasserreich, wie sonst an keinem Ort, +Bis dahin, wo der Fluß mit ew’gen Güssen +Das, was dem Meer die Sonn’ entsaugt, ersetzt, +Was Nahrung gibt den Bächen und den Flüssen, +Wird, sei’s durch schlechte Sitt’ und Neigung jetzt, +Sei’s, daß der Ort an einem Fluche leide, +Die Tugend, gleich den Schlangen, fortgehetzt. +Denn was im Tal, gedrückt von schwerem Leide, +Nur irgend wohnt, hat die Natur verkehrt, +Als hätt’ es mitgeschmaust auf Circes Weide. +Zu garst’gen Schweinen, mehr der Eicheln wert +Als dessen, was Natur den Menschen spendet, +Ist erst sein wasserarmer Lauf gekehrt. +Dann, wie er weiter seine Wogen sendet, +Trifft er ohnmächt’ge kleine Kläffer an, +Von welchen er die Stirn unwillig wendet +Je mehr er schwillt in seiner tiefern Bahn, +Sieht der unsel’ge maledeite Graben +Die Hund’ an Art sich mehr den Wölfen nah’n. +In tiefen Tümpeln scheint er drauf vergraben +Und trifft dann Füchs, in List so eingeweiht, +Daß sie nicht scheu mehr vor dem Schlau’sten haben. +Frei red’ ich. Sei der Horcher auch nicht weit, +Und gut wird’s diesem sein, das zu behalten, +Was der wahrhafte Geist mir prophezeit. +Ich sehe deinen Neffen furchtbar schalten, +Der jene Wölfe so zu jagen weiß, +Daß sie vor grauser Todesangst erkalten. +Denn er verkauft sie lebend scharenweis, +Dann sticht er sie, gleich einem alten Schlachtvieh, nieder. +Das Leben raubt er vielen, sich den Preis. +Zuletzt verläßt er, blutbespritzt die Glieder, +Den Wald gefällt, und ringsum öd und tot, +Und tausend Jahr’ erneu’n sein Laub nicht wieder." +Wie bei Verkündigung zukünft’ger Not +Des bangen Hörers Züge sich umschatten, +Der sich gefährdet glaubt und rings bedroht, +So sah ich jetzo jenen andern Schatten, +Der zugehorcht, verstört und bange stehn, +Wie seinen Geist erfüllt die Worte hatten. +Was ich von dem gehört, von dem gesehn, +Mich reizt’ es, ihren Namen nachzufragen, +Und bittend ließ ich meine Frag’ ergehn. +Und den, der erst gesprochen, hört’ ich sagen: +"Du also willst, für dich tun soll ich dies, +Was du für mich zu tun mir abgeschlagen? +Doch kargen will ich nicht, denn herrlich ließ +Gott in dir strahlen seine Huld und Güte. +Drum wisse, daß ich Guid del Duca hieß. +Von Neid verbrannt war also mein Gemüte, +Daß, wenn ich sah, ein andrer sei erfreut, +Ich schwarz vor Gall’ in bitterm Ingrimm glühte. +Hier mäh’ ich Saat, die ich dort ausgestreut. +O Sterbliche, was müßt ihr das begehren, +Was Ausschluß der Genossenschaft gebeut! +Der hier ist Rainer, der zu Preis und Ehren +Das Haus von Calboli gebracht, des Mut +Und Kraft und Wert die Erben ganz entbehren. +Denn alle sieht man jetzt aus seinem Blut +Das Schlechte tun, das Rechte träg versäumen, +Und zwischen Po, Berg, Ren und Meeresflut +Sieht man’s nur sprossen noch in gift’gen Bäumen, +Und keinem Gärtner glückt’s, der schlechten Art +Wildwucherndes Gewürzel wegzuräumen. +Wo mag der wackre Licio, wo Manard, +Wo Traversar, wo Guid Carpigna bleiben? +Ist jeder Romagnol heut ein Bastard? +Ein Schmied muß in Bologna Äste treiben, +Und in Faenza jetzt ein Bernardin, +Der edle Sproß aus niederm Keim, bekleiden! +Nicht staune, Tuscier, daß ich traurig bin, +Wenn ich des Guid von Prata noch gedenke, +Und des, der mit uns war, des Ugolin. +Dann auf Tignoso die Erinnrung lenke, +Auf Traversars und Anastasens Haus, +Und über den enterbten Stamm mich kränke; +Auf Ritter, Frau’n, auf Ruhe, Müh’ und Strauß, +Was wir aus Lieb’ und Edelsinn begannen, +Wo jetzt die Herzen sind voll Tück’ und Graus. +Brettinoro, fliehst du nicht von dannen, +Da, um zu flieh’n Verderben, Schand und Hohn, +Die Guten allesamt aus dir entrannen! +Wohl dir, Bagnacaval, dir fehlt der Sohn! +Weh, Castrocaro, dir, da mit Verderben +Dich solche Grafen, wie du zeugst, bedrohen! +Gut handeln einst, wird erst ihr Dämon sterben, +Faenzas Herr’n, doch nimmer werden sie +Des Ruhmes reines Zeugnis sich erwerben. +Dir, Ugolin von Fantoli, wird nie +Des edlen Namens reiner Glanz gebrechen, +Da dir das Schicksal keinen Sohn verlieh. +Doch jetzt, Toskaner, geh; denn nicht zum Sprechen, +Mich reizt zum Weinen nur mein armes Land, +Und preßt mein Herz durch Untat und Verbrechen." +Durchs Ohr ward jenen unser Gehn bekannt, +Drum wußten wir, da sie es schweigend litten, +Daß wir uns auf den rechten Weg gewandt. +Indem wir einsam nun von dannen schritten, +Scholl eine Stimm’ uns zu, eh wir’s gedacht, +Gleich einem Blitze, der die Luft durchschnitten: +Mich tötet, .wer mich trifft! Sie rief’s mit Macht +Und floh im schnellen Flug dann und verhallte, +Dem Donner gleich, der aus den Wolken kracht. +Und wie sie kaum an uns vorüberwallte, +Braust’ eine zweite schon an unser Ohr, +Die schrecklich, wie ein zweiter Donner schallte: +Ich bin Aglauros, die zum Stein erfror! +Und als ich an Virgil mich drängen wollte, +Schritt ich vor großer Angst zurück, nicht vor. +Schon schwieg die Luft, kein dritter Donner rollte, +Da sprach Virgil: "Dies ist der harte Zaum, +Der auf der rechten Bahn euch halten sollte. +Doch winkt des alten Feindes Köder kaum, +So laßt ihr euch in seinem Hamen fangen, +Gebt nicht dem Rufe, nicht dem Zügel Raum. +Euch rufend, hält der Himmel euch umfangen, +Der, ewig schön, rings seine Kreise zieht, +Doch euer Blick bleibt an der Erde hangen, +Und deshalb schlägt euch der, der alles sieht." + + +Fünfzehnter Gesang + +So viel, als bis zum Schluß der dritten Stunde, +Vom Tagsbeginn des Wegs die Sphäre macht, +Die wie ein Kindlein tanzt im ew’gen Runde, +So viel des Weges halt’, eh’ noch vollbracht +Ihr Tageslauf, die Sonne zu vollbringen; +Dort war es Vesperzeit, hier Mitternacht. +Auf jenen Pfaden, die den Berg umringen, +Schien uns die Sonne mitten ins Gesicht, +Weil wir jetzt g’rade gegen Westen gingen. +Da fiel ein Glanz mit lastendem Gewicht +Mir auf die Stirn, mich mehr als erst zu blenden. +Ich staunt’, und was es war, begriff ich nicht. +Schnell deckt’ ich mir die Augen mit den Händen +Als wie mit einem Schirm, daß vor der Glut +Die schwachen Blicke Schutz und Ruhe fänden. +Gleich wie der Strahl vom Spiegel, von der Flut +Nach jenseits hüpft, und dann beim Aufwärtssteigen, +So wie vorher beim Niedersteigen tut, +Weil er von Linien, die sich senkrecht neigen, +So hier wie dort abweicht in gleichem Zug, +Wie uns die Kunst und die Erfahrung zeigen; +So ward mein Auge jetzt in jähem Flug +Getroffen vom zurückgeworfnen Lichte, +Drob ich’s in Eile schloß und niederschlug. +"Was, süßer Vater, ist dies? Dem Gesichte +Will, was ich tue, nicht zum Schutz gedeih’n. +Es scheint, als ob der Glanz hierher sich richte!" +Drauf er: "Nicht staune, wenn in solchem Schein +Noch blendend dir des Himmels Diener nahen. +Ein Bote kommt und lädt zum Steigen ein. +Bald wird, was erst die Augen tränend sahen, +Dir so zur Lust, als du nur Fähigkeit, +Sie zu empfinden, von Natur empfahen." +Der Engel sprach zu uns voll Freudigkeit: +"Geht dorten ein auf minder schroffen Stiegen, +Als jene sind, die ihr gestiegen seid." +Indem wir nun zusammen aufwärts stiegen, +Sang’s hinter uns: "Heil den Barmherz’gen, Heil!" +Und wieder klang’s: "Sei froh in deinen Siegen!" +Und da wir beid’ allein, und minder steil +Die Treppen waren, dacht’ ich: Noch im Gehen +Wird Lehre wohl vom Meister dir zuteil. +"Was mochte Guido bei dem Gut verstehen, +Das Ausschluß der Genossenschaft gebeut?" +Ich sprach’s, gewandt, ihm ins Gesicht zu sehen. +"Weil stets sein Hauptfehl ihm den Schmerz erneut" +Sprach drauf Virgil, "will er dich weiser machen +Und tadelt drum, was er nun schwer bereut. +Denn euer Sehnen geht nach solchen Sachen, +Die Mitbesitz verringert, die durch Neid +In eurer Brust der Seufzer Glut entfachen. +Doch möchten in des Himmels Herrlichkeit +Des Menschen Wünsch’ ihr rechtes Ziel erkennen, +War’ eure Brust von solcher Angst befreit. +Je mehrere dies Gut ihr eigen nennen, +Je mehr besitzt des Guts ein jeder dort, +Je stärker fühlt er sich in Lieb’ entbrennen." +"Noch fass ich nichts," versetzt’ ich meinem Hort, +"Und mindre Zweifel hat vorher das Schweigen +In meiner Seel’ erweckt, als jetzt dein Wort. +Kann höher je der Reichtum vieler steigen, +Wenn man ein Gut verteilt, als wenn es nicht +Gemeinsam wäre. Sondern einem eigen?" +Und er: "Weil, nur auf Erdengut erpicht, +Dein Geist noch nicht den höhern Flug gewonnen, +Drum schöpfst du Finsternis aus wahrem Licht. +Des Himmels unaussprechlich große Wonnen, +Sie eilen so ins liebende Gemüt, +Wie nach dem Spiegel hin der Strahl der Sonnen +Sie geben sich je mehr, je mehr es glüht, +Und reicher strömt die ew’ge Kraft hernieder, +Je freudiger des Herzens Lieb’ erblüht. +Erhebt die Seel’ erst aufwärts ihr Gefieder, +Dann liebt sie mehr, je mehr zu lieben ist, +Denn eine strahlt den Glanz der andern wieder-- +Und g’nügt mein Wort dir nicht, in kurzer Frist +Wird dort von dir Beatrix aufgefunden, +Durch welche du dann ganz befriedigt bist. +Jetzt sorge nur, daß bald von deinen Wunden +Die fünf sich schließen wie das erste Paar, +Das von der Stirn durch Reu’ und Leid geschwunden." +Schon wollt’ ich sagen: Deine Red’ ist klar! +Da war ich an des andern Kreises Saume, +Wo schnell mein Wort gehemmt durch Schaulust war. +In einen Tempel schien, von wachem Traume +Dahingerissen, meine Seel’ entfloh’n, +Und Leute sah ich viel in seinem Raume. +Am Eingang schien mit süßem Mutterton +Und zärtlicher Gebärd’ ein Weib zu sagen: +"Was hast du dies an uns getan, mein Sohn? +Wir suchten dich voll Angst seit dreien Tagen, +Ich und der Vater"--sprach’s, und wundersam +Schien sie vom Weh’n der Luft davongetragen. +Drauf vors Gesicht mir eine zweite kam, +Von Zähren naß, die--wohl war’s zu erkennen-- +Dem Aug’ entpreßte zornerzeugter Gram. +Sie rief: "Willst du den Herr’n der Stadt dich nennen, +Ob deren Namen Götter sich gegrollt, +Wo Strahlen jeder Wissenschaft entbrennen, +Dann, Pisistrat, zahl’ ihm der Frechheit Sold, +Der’s wagte, deine Tochter zu umfassen!" +Allein der Herr, der liebreich schien und hold, +Entgegnet’ ihr, die also rief, gelassen: +"Wird jener, der uns liebt, von uns verdammt, +Was tun wir dann an solchen, die uns hoffen?"-- +Dann sah ich eine Schar, von Zorn entflammt, +Und einen Jüngling dort, von ihr gesteinigt, +Tod! Tod! so schrien sie wütend allesamt. +Er beugte sich, schon bis zum Tod gepeinigt, +Des Last ihn zu der Erde niederrang, +Doch seinen Blick dem Himmel stets vereinigt, +Und fleht’ empor zu Gott in solchem Drang: +"Vergib der Wut, die gegen mich entbrannte!" +Mit einem Blicke, der zum Mitleid zwang. +Als meine Seele sich von außen wandte +Zurück zu dem, was wahr ist außer ihr, +Und ich nun den nicht falschen Wahn erkannte, +Da sprach mein Führer, der, nicht weit von mir, +Mich gleich dem Schläfer, der erwacht, erblickte: +"Nicht halten kannst du dich! Was ist mit dir? +Bereits seit einer halben Stunde knickte +Dein Knie, du taumeltest, dein Auge brach, +Als ob dich Schlummer oder Wein bestrickte." +"O süßer Vater, hörst du’s an"--dies sprach +Ich drauf zu ihm--"so will ich dir verkünden, +Was mir erschien, als mir die Kraft gebrach." +"Ob mir entgegen hundert Masken stünden," +Entgegnet’ er, "und deckten dein Gesicht, +Doch würd’ ich, was du denkst, genau ergründen. +Das, was du sahst, du sahst’s, damit du nicht +Dich ungemahnt verschlössest jenem Frieden, +Des Strom hervor aus ew’ger Quelle bricht. +Was ist dir? fragt’ ich nicht, wie der danieden +Zu fragen pflegt, des Auge nicht mehr schaut, +Sobald die Seel’ aus seinem Leib geschieden. +Die Füße dir zu kräft’gen, fragt’ ich laut, +Denn treiben muß man so den wachen Trägen, +Den Tag zu nützen, eh’ der Abend graut." +Wir gingen beid’ in sinnigem Erwägen +Dem Abend zu und sah’n, soweit man kann, +Der Sonne tiefem Strahlenglanz entgegen. +Und sieh, ein Rauch kam nach und nach heran, +Der, schwarz wie Nacht, sich bis zu uns erstreckte, +Und nirgends traf man Raum zum Weichen an, +Daher er bald uns Aug’ und Himmel deckte. + + +Sechzehnter Gesang + +Das Schwarz der Höll’ und einer Nacht, durchfunkelt +Nicht von des ärmsten Himmels bleichstem Schein, +Vom dichtesten der Nebel rings umdunkelt, +Nie schloß es mich in grobem Schleier ein, +Als jener Rauch, der dorten uns umflossen; +Nie schien es mir so schmerzlich rauh zu sein. +Nicht könnt’ ich steh’n, die Augen unverschlossen, +Drum nahte sich, und seine Schulter bot +Mein Führer mir treu, weis’ und unverdrossen. +So wie der Blinde gern in seiner Not +Dem Führer nachfolgt, um nicht anzurennen +An was Gefahr bring’ und vielleicht den Tod, +So folgt’ ich ihm, ohn’ etwas zu erkennen, +Durch widrig bittern Qualm und horcht’ auf ihn, +Der sprach: "Gib Achtung, daß wir uns nicht trennen." +Ich hörte Stimmen dort, und jede schien +Um Gnad’ und Frieden zu dem Lamm zu stöhnen, +Ob des der Herr die Sünden uns verzieh’n. +Agnus Dei hört’ ich den Anfang tönen, +Wobei sich aller Wort und Weise glich, +Und voller Einklang herrscht’ in ihren Tönen. +"Dies sind wohl Geister, Herr!" so wandt’ ich mich +An ihn, und er: "Es ist, wie du entscheidest; +Sie lösen von der Zornwut Schlingen sich." +"Wer bist du, der du unsern Rauch durchschneidest, +Von dem man, wie du von uns sprichst, vernimmt, +Daß du die Zeit dir noch nach Monden scheidest?" +Die Rede ward von einem angestimmt, +Drum sprach mein Meister: "Stille sein Begehren +Und frag’ ihn, ob man hier nach oben klimmt." +"Geschöpf, das, um zum Schöpfer heimzukehren, +Sich reiniget und schön wird wie zuvor, +Begleite mich, dann sollst du Wunder hören!" +So ich, und er: "Ich schreite mit dir vor, +So weit ich darf, und, um uns nicht zu scheiden, +Führ’ uns im Rauch an Auges Statt das Ohr." +Drauf ich: "Obschon die Hüllen mich umkleiden, +Die nur der Tod löst, schreit’ ich doch hinauf +Und drang bis hierher durch der Hölle Leiden. +Und nahm der Herr mich so zu Gnaden auf, +Daß ich vermag zu ihm emporzustreben, +Ganz gegen dieser Zeit gewohnten Lauf, +So sage mir, wer warst du einst im Leben, +Und ob ich hier die rechte Straße hielt, +Denn unsre Richtung wird dein Wort uns geben."-- +"Mark hieß ich einst, und was die Welt enthielt, +Ich konnt’ es wohl und strebte nach dem Preise, +Nach welchem jetzt auf Erden keiner zielt. +G’rad’ vor dir ist der Weg zum höhern Kreise." +Er sprach’s: "Noch bitt’ ich dich," So fügt’ er bei, +"Fürbittend denke mein am Ziel der Reise." +Und ich zu ihm: "Bei meiner Treu, es sei! +Doch wisse, daß ich einen Zweifel finde, +An dem ich berste, sag’ ich ihn nicht frei. +Er war einst einfach; doppelt jetzt empfinde +Ich ihn in mir, nach dem, was du gesagt, +Sobald ich mit dem Dort das Hier verbinde. +Wahr ist’s, die Welt, so wie du mir geklagt, +Ist öd an jeder Tugend, jeder Ehre, +Und ganz mit Bosheit schwanger und geplagt. +Doch daß ich sie erkenn’ und ändern lehre, +So bitt’ ich, deute jetzt die Ursach’ mir. +Der sucht sie dort, der in des Himmels Sphäre." +Ein bang gepreßtes Ach! entwand sich hier +Laut seiner Brust, und dann begann er: "Wisse, +Die Welt ist blind, und du, Freund, kommst von ihr. +Ihr, die ihr lebt, sprecht immer nur, es müsse +Der Himmel selber Schuld an allem sein, +Als ob er euch gewaltsam mit sich risse. +Wär’s also, sprich, wo wäre nur ein Schein +Von freiem Willen? Wie entspräch’s dem Rechte, +Daß Lust der Tugend folgt, dem Laster Pein? +Die Triebe pflanzen ein des Himmels Mächte, +Nicht sag’ ich all; allein auch dies gesetzt, +Ward euch Erkenntnis auch fürs Gut’ und Schlechte, +Und freier Will’--und, wenn er, auch verletzt +Und müde, standhaft mit dem Himmel streitet, +So siegt er, wohlgenährt, doch stets zuletzt. +Die Urkraft, welche sich durchs All verbreitet, +Beherrscht die Freien und erschafft den Geist, +Den nicht der Himmel mehr als Vormund leitet. +Drum, wenn die Gegenwart euch mit sich reißt, +In euch nur liegt der Grund, liegt in euch allen, +Wie, was ich sage, deutlich dir beweist. +Es kommt aus dessen Hand, des Wohlgefallen +Ihr lächelt, eh’ sie ist, gleich einem Kind, +Das lacht und weint in unschuldsvollem Lallen, +Die junge Seele, die nichts weiß und sinnt, +Als daß, vom heitern Schöpfer ausgegangen, +Sie gern dahin kehrt, wo die Freuden sind. +Sie schmeckt ein kleines Gut erst, fühlt Verlangen +Und rennt ihm nach, wenn sie kein Führer hält, +Kein Zaum sie hemmt, der Neigung nachzuhangen. +Gesetz, als Zaum, ist nötig drum der Welt, +Ein Herrscher auch, der von der Stadt, der wahren, +Im Auge mindestens den Turm behält. +Gesetze sind, doch wer mag sie bewahren? +Kein Mensch! Denn seht, ein Hirt, der wiederkaut, +Doch nicht gespaltne Klau’n hat, führt die Scharen; +Daher die Herde, die dem Führer traut, +Der das verschlingt, wonach sie selber lüstert, +Nur dies verzehrt und nicht nach Höherm schaut. +Drum, was man auch von anderm Grunde flüstert, +Nicht die Natur ist ruchlos und verkehrt, +Nur schlechte Führung hat die Welt verdüstert. +Rom hatte, da’s zum Glück die Welt bekehrt, +Zwei Sonnen, und den Weg der Welt hatt’ eine, +Die andere den Weg zu Gott verklärt. +Verlöscht ward eine von der andern Scheine, +Und Schwert und Hirtenstab von einer Hand +Gefaßt im übel passenden Vereine. +Denn nicht mehr fürchten, wenn man sie verband, +Sich Hirtenstab und Schwert--du kannst’s begreifen, +Denn an den Früchten wird der Baum erkannt. +Man sah im Land, das Etsch und Po durchstreifen +Eh’ man dem Kaiser Widerstand getan, +Stets edle Sitt’ und Kraft und Tugend reifen. +Jetzt finden, die den Guten sich zu nah’n +Und sie zu sprechen, sich errötend scheuen, +In jenem Land vollkommen sichre Bahn. +Die alten Zeiten schelten dort die neuen +Noch durch drei Greise von der echten Art, +Die sich des nahen Todes harrend freuen. +Konrad Pallazzo ist es, und Gherard +Und Guid Castel, der besser heißen würde +Nach fränk’scher Art: der ehrliche Lombard. +Roms Kirche fällt, weil sie die Doppelwürde, +Die Doppelherrschaft jetzt in sich vermengt, +In Kot, besudelnd sich und ihre Bürde"-- +"Mein Marco," sprach ich, "klares Licht empfängt +Durch deine Rede jetzt mein Geist--ich sehe, +Was aus der Erbschaft Levis Stamm verdrängt. +Doch sage, welcher Gherard, meinst du, stehe +Als Trümmer noch versunkner guter Zeit, +So, daß er dieser Zeit Verderbnis schmähe?-- +"Betrügst, versuchst du mich in meinem Leid?" +So er: "Du, Tuscisch sprechend, tust dergleichen, +Als kenntest du nicht Gherards Trefflichkeit? +Den Namen kenn’ ich, sonst kein andres Zeichen, +Wenn man’s von seiner Gaja nicht entnimmt, +Gott sei mit dir, hier muß ich von euch weichen. +Sieh, wie in weißem Glanz der Rauch entglimmt. +Fort muß ich, denn schon ist der Engel dorten; +Ich scheid’, eh’ er mich wahr hier sprechend nimmt." +Er sprach’s und horchte nicht mehr meinen Worten. + + +Siebzehnter Gesang + +Denk’, Leser, wenn dich Nebel je umstrickte, +Auf Alpenhöh’n, durch den, wie durch die Haut +Des Maulwurfs Auge blickt, das deine blickte, +Wie, wenn der feuchte Qualm, der dich umgraut, +Nun dünn wird und beginnt, sich zu erhellen, +Dann matt hinein das Rund der Sonne schaut; +Und doch vermagst du kaum, dir vorzustellen, +Wie ich die Sonn’ itzt wiedersah, die sich +Soeben senken wollt’ ins Bett der Wellen. +So, gleichen Schritts mit meinem Hort, entwich +Ich aus der Wolk’, als wie aus dunkler Klause, +Zum Strahl, der sterbend schon am Strand erblich. +Phantasie, die du aus ihrem Hause +Weithin die Seel’ entrückst, daß man’s nicht spürt, +Ob ringsumher Trompetenschall erbrause, +Was regt dich auf, wenn nichts den Sinn berührt? +Das Himmelslicht erregt dich, das hernieder +Von selber strömt, das auch ein Wille führt. +Die Arge sah ich, die sich im Gefieder +Des Vogels barg, der ewig Reu’ und Gram +Verhaucht im Klang der süßen Klagelieder. +Und ganz zurückgedrängt ward wundersam +Hier meine Seel’ in sich, zu nichts sich neigend +Und nichts aufnehmend, was von außen kam. +Darauf erschien, der Phantasie entsteigend, +Ein Mann am Kreuz, so trotzig-stolz wie er +Von Ansehn war, sich auch im Tode zeigend. +Ich sah dabei den großen Ahasver, +Esther, sein Weib, und Mardochai, den Frommen, +In Wort und Tat so ganz, rund um ihn her. +Und dieses Bild zersprang, kaum wahrgenommen, +Gleich einer Blase, die mit kurzem Schein +Im Wasser glänzt, wenn sie emporgeschwommen. +Dann zeigte mein Gesicht ein Mägdelein. +"O Fürstin, Mutter!" rief die Tränenvolle, +"Was wolltest du aus Zorn vernichtet sein! +Du starbst, daß dein Lavinia bleiben solle. +Bin ich nun dein? Nicht andrer Tod, es zwingt +Der deine mich zu bittrem Tränenzolle." +Gleich wie der Schlaf in jähem Schreck zerspringt, +Wenn Strahlen an des Schläfers Antlitz prallen, +Doch eh’ er ganz erstirbt, sich sträubt und ringt, +So sah ich jetzt mein Traumbild niederfallen, +Als mir ein Licht ins Antlitz schlug, so klar, +Wie’s nie zur Erde strömt aus Himmelshallen. +Ich wandte mich, zu sehen, wo ich war, +Als eine Stimm’ erklang: "Hier müßt ihr steigen!" +Und ich vergaß des andern ganz und gar. +Sie zwang den Willen, sich dorthin zu neigen, +Zu sehn, wer sprach, und ließ, bis ich belehrt, +Die Unruh’ nicht in meinem Innern Schweigen. +Wie von der Sonne, die den Blick beschwert, +Durch zuviel Licht ihr eignes Bild bedeckend, +Ward von dem Glanze meine Kraft verzehrt. +"Ein Himmelsgeist ist’s, uns den Weg entdeckend, +Der aufwärts führt, auch ohne daß wir fleh’n, +Und selber sich in seinem Licht versteckend. +Wie wir uns selber tun, ist uns gescheh’n, +Denn wer die Not erblickt und harrt der Bitte, +Ist böslich schon geneigt, sie zu verschmäh’n. +Auf! Solchem Rufe nach mit raschem Tritte! +Wir müssen aufwärts, eh’ das Dunkel naht, +Sonst löst der Tag erst die gehemmten Schritte." +Mein Führer sprach’s, worauf zum Felsgestad’ +Wir, hingewandt nach einer Stiege, gingen, +Und wie ich auf die erste Stufe trat, +Fühlt’ ich ein Weh’n, wie von bewegten Schwingen +Im Angesicht, und laut erklang’s, mir nah: +"Heil den Friedfert’gen, die den Zorn bezwingen." +Der Sonne letzte bleiche Strahlen sah +Ich über uns, gefolgt von nächt’gen Schatten. +Und schon erschienen Sternlein hier und da. +"O meine Kraft, was mußt du so ermatten!" +So dacht’ ich still bei mir, denn ich empfand, +Daß sich entstrickt der Füße Nerven hatten. +Wir waren auf der höchsten Stufe Rand +Und standen fest, wie angeheftet, dorten, +Gleich einem Kahn in des Gestades Sand. +Aufmerksam lauscht’ ich erst nach allen Orten, +Ob nichts zu hören sei, und wandte nun +Zu meinem Meister mich mit diesen Worten: +"Mein süßer Vater, sprich, welch übles Tun +Führt uns zur Läuterung in diesem Kreise. +Laß nicht die Rede, gleich den Füßen, ruh’n." +"Trägheit zum Guten", Sprach darauf der Weise, +"Zahlt hier die dort gemachten Schulden erst; +Hier wird der träge Rudrer schnell zur Reife. +Merk’ auf, damit du’s deutlicher erfährst, +Weil ungenutzt sonst unser Stillstand bliebe-- +Frucht bringt dein Weilen, wenn du dich belehrst. +Nicht Schöpfer, noch Geschöpf ist ohne Liebe, +Noch war es je. Du weißt, in der Natur +Und in der Seel’ entkeimen ihre Triebe. +Nie irrt die erste von der rechten Spur. +Die zweite kann im Gegenstande fehlen +Und bald zu stark sein, bald zu lässig nur. +Weiß sie zum Ziel das erste Gut zu wählen, +Ist sie beim zweiten nicht zu heiß, zu kalt, +Dann reizt sie nicht zu schlechter Lust die Seelen +Doch schweift sie ab zum Bösen, ist sie bald +Zum Guten lau, zu eifrig bald im Rennen, +So tut dem Schöpfer das Geschöpf Gewalt. +So muß die Liebe, wie du wirst erkennen, +In euch die Saat zu jeder Tugend streu’n, +Doch auch zu allem, was wir Laster nennen. +Nun, weil ob ihres Gegenstands sich freu’n +Die Liebe muß, an dessen Heil sich weiden, +Drum hat kein Ding den eignen Haß zu scheuen. +Und weil kein Sein sich kann vom Ursein scheiden +Und ohne dieses für sich selbst bestehn, +Muß dies zu hoffen jeder Trieb vermeiden. +Drum kannst du, folgr’ ich richtig, deutlich sehn: +Dem Nächsten gilt die Liebe nur zum Schlimmen +Und kann aus dreifach schmutz’gem Quell entstehn. +Der hofft zur Herrlichkeit emporzuklimmen +Durch andrer Fall, und dieses muß zur Lust, +Die Größe zu erniedrigen, ihn stimmen. +Der Gunst, des Ruhmes und der Macht Verlust +Scheut der, wenn sich ein andrer aufgeschwungen, +Und liebt das Gegenteil mit banger Brust. +Der ist entrüstet von Beleidigungen, +Drob Durst nach Rach’ in ihm sich offenbart, +Bis ihm dem andern weh zu tun gelungen. +Ob dieser Liebe von dreifacher Art +Weint man dort unten--jetzt vernimm von Liebe, +Die nicht durch rechtes Maß geregelt ward. +Nach einem Gute strebt mit dunkelm Triebe +Der Mensch und fühlt, daß seiner Wünsche Glut, +Erreicht’ er’s nicht, ihm unbefriedigt bliebe. +Die träge Lieb’ ist’s zu dem wahren Gut, +Die säumt, es zu erschau’n, es zu erringen, +Die hier nach echter Reue Buße tut. +Gut scheinen andre Güter, doch sie bringen +Nicht wahres Glück, sind Stoff und Wurzel nicht, +Aus welchen Früchte wahren Heils entspringen. +Die Lieb’, auf solches Gut zu sehr erpicht, +Büßt in drei Kreisen oberhalb mit Zähren; +Doch wie sie dreifach irrt von Recht und Pflicht, +Das sollst du selbst dir suchen und erklären." + + +Achtzehnter Gesang + +Mein hoher Lehrer hatte seiner Lehre +Ein Ziel gesetzt und blickt’ aufmerksam mir +Ins Angesicht, ob ich zufrieden wäre. +Ich, noch gereizt von frischem Durst nach ihr, +Schwieg äußerlich, doch sprach bei mir im stillen: +"Beschwert ihn wohl zu viele Wißbegier?" +Doch der wahrhafte Vater, der den Willen, +Den schüchternen, bemerkt, gab sprechend jetzt +Mir neuen Mut, des Sprechens Lust zu stillen. +Drum ich: "Dein Licht, mein teurer Meister, letzt +Mein Auge so, daß es an allen Dingen, +Die du beschreibst, klar schauend sich ergötzt. +Doch, süßer Vater, laß es tiefer dringen. +Was ist doch jene Lieb’--ich bitte, sprich!-- +Aus welcher gut’ und schlechte Werk’ entspringen?" +"Scharf richte deines Geistes Aug’ auf mich," +Versetzt’ er, "und den Irrtum jener Blinden, +Die sich zu Führern machen, lehr’ ich dich. +Der Geist, geschaffen, Liebe zu empfinden, +Bewegt sich schnell zu allem, was gefällt, +Wenn Reize sich, ihn zu erwecken, finden. +Was Wirklichkeit euch vor die Augen stellt, +paßt der Begriff, um es dem Geist zu zeigen, +Der dann dorthin nur sich gerichtet hält. +Und diese Richtung, dies Entgegenneigen, +Lieb’ ist es, ist Natur, die dem, was schön +Und reizend ist, sich hingibt als ihm eigen. +Dann, wie die Flamm’ emporglüht zu den Höh’n +Durch ihre Form bestimmt, dorthin zu streben, +Wo ihre Stoffe minder schnell vergeh’n, +So scheint der Geist der Sehnsucht nur zu leben, +Der geistigen Bewegung, die nicht ruht, +Bis, was er liebt, sich zum Genuß ergeben. +Drum sieh, wie not die Wahrheit jenen tut, +Die, lehren wollend, noch den Irrwahn hegen, +Jedwede Lieb’ an sich sei recht und gut. +Gut ist vielleicht ihr Grundstoff allerwegen; +Doch sei das Wachs auch echt und gut, man preist +Das Bild, drin abgedrückt, noch nicht deswegen." +Drauf ich: "Dein Wort und mein folgsamer Geist, +Sie lassen mich der Liebe Wesen sehen, +Obgleich der Geist noch zweifelschwanger kreist. +Denn, muß durch äußern Reiz die Lieb’ entstehen, +Lenkt die Natur die Seele, wie ist’s dann +Verdienstlich, ob wir krumm, ob g’rade gehen?"-- +"Hör’ itzt, wie weit Vernunft hier schauen kann," +So er, "dort stellt Beatrix dich zufrieden, +Denn jenseits fängt das Werk des Glaubens an. +Die wesentliche Form--sie ist geschieden +Vom Stoff und ihm vereint, und eine Kraft, +Die ihr nur eigen ist, ist ihr beschieden. +Sie kann, nicht fühlbar, bis sie wirkt und schafft, +Durch Wirkung nur sich zeigen und bewähren, +Wie durch das Laub des Baumes Lebenssaft. +Daher vermag der Mensch nicht, zu erklären, +Woher zuerst in ihm Begriff entstehn, +Woher das erste Sehnen und Begehren. +Denn wie den Trieb, dem Honig nachzugehn, +Die Bien’ erhielt, so habt ihr sie erhalten, +Die nicht zu loben ist und nicht zu schmäh’n. +Doch fühlt ihr auch die Kraft, die Rat gibt, walten, +Und sie, der andern Haupt und Herrscherin, +Soll Wach’ an eures Beifalls Schwelle halten. +Sie, des Verdienstes und der Schuld Beginn, +Nimmt, wie euch gut’ und schlechte Lieb’ entzündet, +Sie auf und lenkt zu eurer Wahl euch hin. +Drum haben jene, so die Sach’ ergründet, +Die angeborne Freiheit wohl bedacht, +Und euch die Lehren der Moral verkündet. +Mag wirklich nun im Innern, angefacht +Von der Notwendigkeit, die Lieb’ entbrennen, +So habt ihr doch auch sie zu zügeln Macht. +Die edle Kraft wird Beatrice nennen, +Wenn sie dir kund vom freien Willen tut, +Drum merk’ es, um des Wortes Sinn zu kennen." +Der Mond, der fast bis Mitternacht geruht, +Kam itzt hervor, der Sterne Zahl beschränkend, +Gleich einem Kessel anzusehn von Glut, +Den Pfad dem Himmelslauf entgegenlenkend, +Den Pfad, den Sol, von Rom gesehn, durchglühe +Inmitten Sard’ und Cors’ ins Meer sich senkend. +Der edle Geist, ob des im Ruhme blüht +Pietola vor Mantuas andern Orten, +War jetzt nicht mehr durch meine Last bemüht. +Ich, der die Zweifel all in seinen Worten +Gelöset sah und alles hell und klar, +Stand wie ein Schläfriger hinbrütend dorten. +Doch plötzlich naht’ im Kreislauf eine Schar +Und scheuchte diese Schläfrigkeit des Matten, +Da sie bereits in unserm Rücken war. +Und wie Böotiens Flüss’ in nächt’gen Schatten +Ein wild Gedräng’ an ihrem Strande sah’n, +Wenn die Thebaner Bacchus nötig hatten, +So sah ich jen’ im Kreise trabend nah’n, +Und alle trieb--so wollte mir’s erscheinen-- +Gerechte Lieb’ und wackrer Eifer an. +Und schon bei uns, denn zögern sah ich keinen, +War angelangt der ganze große Hauf, +Da riefen die zwei Vordersten mit Weinen: +"Rasch zum Gebirge ging Marions Lauf; +Und Cäsar, um Ilerda zu gewinnen, +Umschloß Marseill und brach nach Spanien auf." +"Rasch, laßt aus Trägheit nicht die Zeit entrinnen," +Schrien alle nun, "es macht der rege Fleiß +Zum Guten neu der Gnade Lenz beginnen."-- +"O ihr, in denen Eifer scharf und heiß +Das, was ihr dort aus Lauheit nicht vollbrachtet, +Was ihr versäumt, wohl zu ersetzen weiß, +Der, welcher lebt--nicht sag’ ich Lügen--trachtet +Emporzusteigen, eh’ der Morgen wach, +Drum sagt den Weg, den ihr den nächsten achtet." +Mein Führer sagte dies, und einer sprach: +"Wollt ihr zum Orte, wo der Fels, gespalten +Zur Schlucht, euch durchzieh’n läßt. So folgt uns nach. +Uns ist es nicht erlaubt, uns aufzuhalten, +Denn Eile treibt uns fort, drum mögt ihr nicht, +Was uns das Recht gebeut, für Grobheit halten. +Ich übt’ in Zenos Haus des Abtes Pflicht, +Unter des guten Rotbart Herrscherstabe, +Von welchem Mailand noch mit Schmerzen spricht. +Und einer, schon mit einem Fuß im Grabe, +Er weint, gedenkend jenes Klosters, bald, +Daß er gehabt dort Macht und Ansehn habe, +Weil er den Sohn, verpfuscht an der Gestalt, +Noch mehr verpfuscht an Geiste, schlechtgeboren, +Anstatt des wahren Hirten dort bestallt." +Ob er noch sprach? Ob schwieg?--vor meinen Ohren +Verklang, sich schnell entfernend, jener Ton. +Doch merkt’ ich dies und hab’ es nicht verloren. +Und er, in jeder Not mein Helfer schon, +Sprach: "Sieh dorthin, woher die beiden kommen, +Die Trägheit scheuchend und ihr selbst entfloh’n." +Sie riefen jenen nach: "Erst umgekommen +War jenes Volk, dem sich das Meer erschloß, +Bevor der Jordan seine Herr’n bekommen. +Und jenes, das die edle Müh’ verdroß, +Bis an sein Ziel Äneen zu begleiten, +Es ward seitdem ein ruhmlos schlechter Troß." +Die Schatten schwanden kaum in fernen Weiten, +Als ein Gedank’ aufs neu’ in mir entstand, +Und dieser erste zeigte bald den zweiten, +Dem sich verwirrt der dritte, viert’ entwand, +Bis mir zuletzt die Augenlider sanken; +Und wie verschmelzend Bild um Bild verschwand, +Da ward zum Traum das Wogen der Gedanken. + + +Neunzehnter Gesang + +Zur Stunde, da, vom Erdqualm überwunden, +Oft vom Saturn, den Nachtfrost zu durchlau’n, +Der Tagesglut die Kraft dahingeschwunden, +Wenn in dem Osten vor des Frühlichts Grauen +Ihr größtes Glück die Geomanten sehen, +Wo’s kurze Zeit sich hält in nächt’gem Braun, +Sah ich ein Weib im Traume vor mir stehen, +Kalkweiß, verstümmelt, stotternd, krummgebückt, +Und schielend sah ich sie die Augen drehen. +Ich schaut’ auf sie--wie der, den Nachtfrost drückt, +Gestärkt wird und belebt vom Blick der Sonnen, +So wurde sie von meinem Blick durchzückt. +Schnell sprang das Band, das ihre Zung’ umsponnen; +Sie richtete sich auf; ein roter Schein +Färbt’ ihr Gesicht, wie Hauch der Liebeswonnen. +Kaum fühlte sie die Zunge sich befrei’n, +Als sie ein Lied begann, so holden Sanges, +Daß ich auf nichts horcht’, als auf sie allein. +"Ich, der Sirenen Süßeste," so klang es, +"Ich bin’s, durch die vom Weg der Schiffer schweift; +Denn wer mich hört, ist voll des Wonnedranges. +Mir folgt’ Ulyß, der lang’ umhergestreift, +Und wie Entzücken ihn und Wollust kirren, +Verläßt mich keiner, der mich ganz begreift." +Noch hört’ ich in der Luft die Töne schwirren, +Sieh, da erschien ein heil’ges Weib, mir nah, +Die Sängerin beschämend zu verwirren. +"Virgil! Virgil! sprich, wer ist diese da?" +Sie rief’s mit Zorn, als sie dies Weib entdeckte +Indes er fest nur ihr ins Auge fah. +Sie aber riß das Kleid, das jene deckte, +Ihr vorn entzwei, daß mir der Bauch erschien, +Aus dem Gestank quoll, welcher mich erweckte. +Ich schlug die Augen auf und sah auf ihn. +"Schon dreimal rief ich dich," begann der Weise. +"Auf, laß uns jetzt zur Felsenöffnung zieh’n." +Ich richtete mich auf, und alle Kreise +Des heil’gen Bergs erfüllte Morgenpracht +Und leuchtet’ hinter uns zu unsrer Reise. +Ich folgt’ ihm nach und neigte, längst erwacht, +Die Stirn, wie einer, der in schweren Sinnen +Sich selbst zum halben Brückenbogen macht. +"Kommt, hier steigt auf!" So hört’ ich’s nun beginnen, +Mit Tönen, wie sie nie im ird’schen Land, +So huldvoll und so süß, das Herz gewinnen. +Die Flügel, wie des Schwanes, ausgespannt, +Winkt’ uns der Engel vor, und beide gingen +Wir durch des Felsens enge Doppelwand. +Er weht’ uns an mit den bewegten Schwingen +Und sprach: "Heil dem, der stark das Leid erträgt, +Denn reichen Trost wird seine Seel’ erringen." +"Was hast du, das dich immer noch erregt? +Was sinkt verworren noch dein Blick zur Erden?" +So sprach Virgil, als wir uns fortbewegt. +"Ein neu Gesicht--noch seh’ ich die Gebärden"-- +Versetzt’ ich, "macht mich so in Zweifeln gehn! +Noch kann ich dieses Bilds nicht ledig werden."-- +"Die alte Hexe--hast du sie gesehn, +Ob der man dorten klagt, wohin wir reisen," +Sprach er, "und wie man’s macht, ihr zu entgehn? +Doch weiter jetzt. Schau auf! In mächt’gen Kreisen +Wird dort im klaren himmlischen Gebiet +Lockbilder dir der ew’ge König weisen!" +Wie erst der Falk auf seine Füße sieht, +Doch dann nicht säumt, sich nach dem Ruf zu wenden, +Sich streckt und fliegt, wohin die Beut’ ihn zieht. +So ich--so klomm ich zwischen Felsenwänden, +Soweit der Weg sich hebt im engen Schlund, +Bis wo die Stiegen auf dem Vorsprung enden. +Und als ich frei im fünften Kreise stund, +Da lagen Leute, die sich weinend plagten, +Das Auge ganz hinabgewandt, am Grund. +"Ach, meine Seele klebt am Staube!" klagten +Sie all, und ihrer Seufzer laut Getön, +Es ließ mich kaum vernehmen, was sie sagten. +"Ihr Gotterwählte, deren Angstgestöhn +Gerechtigkeit und Hoffnung mild versüßen, +O sprecht, wo ist die Stiege zu den Höh’n?" +"Kommt ihr, gewiß, nicht liegend hier zu büßen, +So nehmt nur links den Felsen euren Lauf, +Dann liegt der Eingang bald vor euren Füßen." +So bat Virgil, und so versetzt’ es drauf +Nicht weit von uns, und, schnell erratend, klärte +Ich, was drin sonst verborgen war, mir auf. +Als ich den Blick nach dem des Führers kehrte, . +Stimmt’ er mit frohem Winke gern mir bei, +Ich möge tun, was mein Gesicht begehrte. +Kaum stand mir nun nach Wunsch zu handeln frei, +So sucht’ ich ihn, des Wort den Sinn verborgen: +Er wisse nicht, daß ich noch lebend sei. +Und sprach: "O Geist, für den des Heiles Morgen +Durch Tränen früher tagt, o laß für mich +Ein wenig ab von deinen größern Sorgen. +Wer warst du? Und was kehrt dein Rücken sich +Empor? Und dort, woher ich, noch im Leben, +Gekommen bin, dort bitt’ ich dann für dich." +"Wie wir hier liegen für verkehrtes Streben, +Bald hörst du’s," sprach er, "doch vernimm zuvor: +Mir waren Petri Schlüssel übergeben. +Bei Siestri rollt aus einem Tal hervor +Ein schöner Fluß, den das Geschlecht der Meinen +Zu seinem ersten Titel sich erkor. +Ich fühlt’ als Papst fünf Wochen lang, daß einen, +Der rein die Stola hält, sie so beschwert, +Daß leicht, wie Flaum, all andre Bürden scheinen. +Und leider, ward ich nur zu spät bekehrt; +Doch als ich zu dem Heil’gen Stuhl gelangte, +Da ward ich von des Lebens Trug belehrt. +Ich sah, daß dort das Herz nie Ruh’ erlangte, +Daß jenes Leben mir nichts Höh’res bot, +Daher ich heiß nach diesem nur verlangte. +Bis dahin war ich arm, getrennt von Gott, +Und völlig machte mich der Geiz zum Sklaven, +Dafür sie mich bestraft mit dieser Not. +Die Läutrungsqualen, die mich hier betrafen, +Tun dir des Geizes Art und Wesen kund, +Und auf dem Berg gibt’s keine härtern Strafen. +Wie einst das Auge nicht nach oben stund, +Und nur gefesselt war von ird’schen Dingen, +So drückt’s Gerechtigkeit hier an den Grund. +Und wie den Trieb, das Gute zu vollbringen, +Der Geiz erstickt und nimmer handeln läßt, +So hält Gerechtigkeit in festen Schlingen +Hier Hand und Fuß gebunden und gepreßt; +So liegen wir, bis uns der Herr die Glieder +Einst wieder löst, hier unbeweglich fest." +Antworten wollt’ ich ihm und kniete nieder, +Doch, da ich sprach und er durchs Ohr erkannt, +Daß Ehrfurcht mich gebeugt, begann er wieder: +"Was kniest du hier?" Und ich drauf: "Ich empfand +Ob deiner Würde Vorwürf im Gewissen, +Daß ich vor dir noch g’rad’ und aufrecht stand." +"Bruder, steh auf!"--so er--"du mußt ja wissen, +Dein Mitknecht bin ich nur von einer Macht, +Der du und ich und all uns beugen müssen. +Und hattest du des heil’gen Spruches acht: +Sie freien nicht, so wirst du dir erklären, +Was ich bei meiner Rede mir gedacht. +Jetzt geh. Dein Weilen hemmt den Lauf der Zähren, +Die früher mir--denk’ an dein eignes Wort-- +Das Morgenlicht des ew’gen Heils gewähren. +Alagia, eine Nichte, hab’ ich dort, +Gut von Natur, reißt nicht zu schlechten Trieben +Sie der Verwandten übles Beispiel fort, +Und sie allein ist jenseits mir geblieben." + + +Zwanzigster Gesang + +Schwer kämpft der Wille gegen bessern Willen, +Drum zog ich ungern jetzt vom Quell den Mund, +Weil er es wünscht’, ohn’ erst den Durst zu stillen. +Wir gingen einen Weg, wo frei der Grund +Zum Gehen war, entlang dem Felsgestade, +Gleich engem Steg am Mauerzinnenrund. +Denn jene Schar, die sich im Tränenbade +Vom Übel, das die Welt erfüllt, befreit, +Versperrt’ uns mehr nach außen hin die Pfade. +Du alte Wölfin, sei vermaledeit! +Kein Tier erjagt sich Beute gleich der deinen, +Doch bleibt dein Bauch noch endlos hohl und weit. +O Himmel, dessen Kreislauf, wie wir meinen, +Der Erde Sein und Zustand wandeln soll, +Wann wird der Held, der sie vertreibt, erscheinen? +Wir gingen langsam fort und mühevoll +Ich, horchend, als aus jener Schatten Mitte +Ein jammervoller Klageton erscholl. +"Maria, Süße!" klang’s vor meinem Schritte, +Und wie ein kreißend Weib zu jammern pflegt, +So kläglich schien der Ruf der frommen Bitte. +"Du warst so arm!" so sagt’ es dann bewegt, +"Der Armut sehn wir jene Kripp’ entsprechen, +In welche du die heil’ge Frucht gelegt." +"Fabricius, Wackrer!" hört’ ich’s weiter sprechen, +"Tugend mit Armut schien dir mehr Gewinn +Als der Besitz des Reichtums mit Verbrechen." +Gar wohl gefiel mir dieser Rede Sinn, +Und um zu sehn, wer von den Felsenbänken +Sie ausgesprochen, wandt’ ich mich dahin. +Und weiter sprach er noch von den Geschenken, +Die Nikolaus gemacht den Mägdelein, +Um sie zum Weg der Ehre hinzulenken. +"O Geist, der du so wohl sprichst," fiel ich ein, +"Sprich jetzt, wer warst du und aus welchem Grunde +Erneust du hier so würd’ges Lob allein? +Nicht unbelohnt soll bleiben solche Kunde, +Kehr’ ich zurück zum Rest der kurzen Bahn +Des Lebens, das da eilt zur letzten Stunde." +Und er: "Nicht will von dort ich Hilf empfah’n, +Doch red’ ich, denn mir strahlt im hellen Lichte +Die Huld, die Gott dir vor dem Tod getan. +Des Baumes Wurzel bin ich, der in dichte +Umschattung hüllt die ganze Christenheit, +Von dem man selten nur pflückt gute Früchte. +Doch wäre schon die Rache nicht mehr weit, +Wenn Macht Gent, Brügge, Lille und Douai hätten, +Auch bitt’ ich drum des Herrn Gerechtigkeit. +Hugo bin ich, der Stammherr der Capetten, +Philipp’ und Ludwige, die auf den Thron +Des schönen Frankreichs jetzt sich üppig betten. +Als ich lebt’ in Paris, ein Metzgersohn, +Erstarb der Königsstamm in allen Zweigen, +Und nur noch einer lebt’ in Schmach und Hohn; +Da macht’ ich mir des Reiches Zaum zu eigen, +Und so vermehrt’ ich meine Macht alsdann, +So sah ich sie durch Land und Freunde steigen, +Daß den verwaisten Thron mein Sohn gewann, +Von welchem nach dem Walten ew’ger Mächte +Die Reihe der Gesalbten dort begann. +Bis der Provence Mitgift dem Geschlechte +Der Meinen nicht die heil’ge Scham entriß, +Galt’s wenig zwar, allein vermied das Schlechte. +Seitdem verübt’ es Tat der Finsternis, +Log, raubt’ und stahl, worauf’s, aus Reu’ und Buße, +Die Normandie und Ponthieu an sich riß. +Karl kam nach Welschland, und, aus Reu’ und Buße, +Köpft’ er den Konradin und sandte drauf +Den Thomas heim zu Gott, aus Reu’ und Buße. +Bald bricht ein andrer Karl im vollen Lauf, +Denn besser sollt ihr seine Sitt’ erkennen +Und seines Stammes Art, aus Frankreich auf. +Zur Rüstung wird er nicht sich Zeit vergönnen, +Und nur mit Judas Lanze, so, daß dir, +Florenz, der Wanst platzt, in die Schranken rennen. +Nicht Land, nur Sünd’ und Schmach gewinnt er hier. +Und trägt er sie gar leicht und unbefangen, +So wird er einst noch mehr gedrückt von ihr. +Ein andrer Karl, im Seegefecht gefangen, +Verschachert, wie die Sklavin der Korsar, +Die Tochter, um das Kaufgeld zu empfangen. +Ach, was vermagst nicht du, o Geiz! Sogar +Sein eignes Fleisch beut, schmählich überwunden +Von deiner Macht, mein Blut zum Kaufe dar. +Doch ist der Frevel schon in nichts verschwunden; +Ich seh’ Alagna, wo die Lilie weht! +Seh’ im Statthalter Christum selbst gebunden. +Seh’ ihn drauf verspottet und geschmäht! +Seh’ ihn aufs neue Gall’ und Essig schmecken! +Seh’ ihn, der unter Räubern dann vergeht! +Den grimmigen Pilatus seh’ ich schrecken +Und, noch nicht satt, ihn, ohne Kirchenschluß, +Die gier’ge Hand nach Kirchengütern strecken. +Gott, was säumt dein Rächerarm? Was muß +So lang’ an mir gerechter Unmut nagen? +Die Frevler strafend, stille den Verdruß!-- +Du hörtest mich vorhin von jener sagen, +Die einzig ist des Heil’gen Geistes Braut, +Und dies beweg dich, nach dem Grund zu fragen. +Von ihr erklingt das Flehen leis und laut +Beim Tageslicht, doch von den Gegensätzen +Tönt unsre Klage, wenn die Nacht ergraut. +Dann denken wir Pygmalions mit Entsetzen, +Der ein Verwandtenmörder ward, ein Dieb +Und ein Verräter aus Begier nach Schätzen; +Des Midas, der so lang im Elend blieb, +Das jedem, der ihn sah, weil’s ihn nicht freute, +Als er die Gier gestillt, zum Lachen trieb; +Des tollen Achan auch, des Diebs der Beute, +Der, wie es scheint, noch hier nicht tragen kann +Des Josua Zorn, der ihm im Leben dräute. +Sapphiren tadeln wir und ihren Mann +Und loben den, der hinwarf Heliodoren; +Den ganzen Berg umkreist mit Schande dann +Polynestor, der totschlug Polydoren. +Zuletzt erklingt es: Crassus, sprich, wie schmeckt +Das Gold, das du zur Lieblingsspeis’ erkoren? +Der redet laut, der leis und unentdeckt, +Je wie der Drang des Leids, das wir erproben, +Uns minder oder mehr erregt und weckt. +Ich sprach vom Heil, das wir am Tage loben, +Hier nicht allein, nur daß zu lautem Klang, +Die mir hier nah sind, nicht die Stimm’ erhoben." +Wir richteten nun vorwärts unsern Gang, +Nachdem wir diesen Schatten kaum verlassen, +So schleunig, als es nur der Kraft gelang. +Da aber zitterten des Berges Massen, +Als stürz’ er hin, und Furcht erfaßte mich, +Wie sie den, der zum Tod geht, pflegt zu fassen. +Nicht schüttelte so heftig Delos sich, +Eh, beide Himmelsaugen zu gebären, +Dorthin zum sichern Nest Laton’ entwich. +Rings braust’ ein Ruf, um meine Furcht zu mehren, +Doch näher trat zu mir mein Meister da: +"Ich führe dichl--was magst du Sorgen nähren?" +Und könnt’ ich aus den Stimmen, die mir nah +Erklangen, recht das ganze Lied verstehen, +Klang’s: Deo in excelsis gloria! +Wir blieben staunend, gleich den Hirten, stehen, +Die diesen Sang zum erstenmal gehört, +Und ließen Erdenstoß und Lied vergehen. +Doch dann, zum heil’gen Weg zurückgekehrt, +Sahn wir die Schatten, die am Boden lagen, +Schon wieder vom gewohnten Leid beschwert. +Noch nie bekämpften sich mit solchen Plagen +In mir Unwissenheit und Wißbegier, +Mag ich auch forschend die Erinnrung fragen: +Wonach ich grübelnd je gespäht?--wie hier. +Nicht fragen dürft’ ich, denn er ging von hinnen, +Und nichts erklären könnt’ ich selber mir; +So ging ich schüchtern fort in tiefem Sinnen. + + +Einundzwanzigster Gesang + +Der Durst, den die Natur gegeben hat, +Den nur das Wasser stillt, um dessen Gnade +Die Samariterin den Heiland bat, +Verzehrte mich, und auf verengtem Pfade +Trieb Eile mich, dem Führer nachzuzieh’n, +Voll Gram, daß Schuld uns so mit Leid belade. +Und sieh, wie Kunde Lukas uns verlieh’n, +Daß Christus zween, die unterweges waren, +Erstanden aus dem Grabgewölb’, erschien; +So uns ein Schatten--hinter uns, die Scharen, +Dort ausgestreckt, betrachtend, ging er fort +Und ließ sich sprechend erst von uns gewahren. +"Gott geb’ euch Frieden, Brüder!" war sein Wort, +Das plötzlich hin zu ihm uns beide kehrte; +Und ziemend dankt’ ihm mein getreuer Hort +Und sprach: "Zu denen, so der Herr verklärte, +Versetz’ er dich, zu jenem sel’gen Chor, +Des Frieden er auf ewig mir verwehrte." +Und jener sprach: "Wenn Gott euch nicht erkor," +(Doch säumte nicht, indessen fortzugehen,) +"Wer leitet’ euch die heil’ge Stieg’ empor?" +Virgil darauf: "Sieh hier die Zeichen stehen, +Die diesem eingeprägt vom Engel sind, +Und daß er auserwählt ist, wirst du sehen. +Allein weil sie, die unablässig spinnt,-- +Ihm noch nicht ganz den Rocken abgesponnen, +Den Klotho anlegt, wenn ein Sein beginnt, +Hätt’ er, allein, die Höhe nie gewonnen, +Weil seine Seele, Schwester dir und mir, +Noch nicht nach unsrer Art zu sehn begonnen. +Drum bin ich aus dem Höllenschlunde hier, +Und meine Schule wies und weist ihm alles, +Was sie gewähren kann der Wißbegier. +Doch sprich, was schwankte so gewalt’gen Pralles +Vorhin der Berg? Was tönte bis zum Strand +Der allgemeine Ruf so lauten Schalles?" +Mein teurer Meister, also fragend, fand +So meiner Sehnsucht Ohr, daß mein Begehren, +Mein Durst durch Hoffnung Lindrung schon empfand. +Und jener sprach: "Den Berg, den heil’gen, hehren, +Nichts trifft ihn sonder Ordnung, was es sei, +Und ew’ge Regel herrscht in diesen Sphären. +Stets ist er hier von jeder Störung frei; +Wenn einen Geist von ihm Gott aufgenommen, +Verkünden’s Erdenstoß und Jubelschrei. +Wer jene kleine Stieg’ emporgeklommen +Von dreien Stufen, sieht nicht Reif noch Tau, +Nicht Hagel mehr, noch Schnee, noch Regen kommen. +Kein Wölkchen trübt hier je des Himmels Blau, +Nie blinkt des Blitzes Schnell verschwundne Helle’ +Nie baut sich Iris’ Brück’ auf dunkelm Grau. +Kein trockner Dunst steigt über jene Stelle, +Von der ich sprach, auf der die Füße stehn +Des Pförtners von der diamantnen Schwelle. +Von Stürmen, die im Erdenschoß entstehn, +Mag’s sein, daß unten oft der Berg erdröhne, +Hier--wie, begreif ich nicht--ist’s nie gescheh’n. +Hier bebt er, wenn in neuer Rein’ und Schöne +Die Seele fühlt, sie woll’ erhoben sein. +Ihr Steigen fördern dann die Jubeltöne. +Der Reinheit Prob’ ist dieser Will’ allein; +Frei, treibt er sie, zum Zuge sich zu rüsten, +Und er verleiht ihr sicheres Gedeih’n. +Erst will sie zwar, doch fühlt’ auch, mit Gelüsten +Nach längrer Qual, daß nach Gerechtigkeit, +Die, so einst sündigten, erst leiden müßten. +Ich lag fünfhundert Jahr’ in diesem Leid +Und länger noch und fühlte mir soeben . +Zum Aufwärtszieh’n den Willen erst befreit. +Drum fühltest du den ganzen Berg erbeben, +Drum pries den Herrn die ganze fromme Schar, +In Hoffnung, bald sich selber zu erheben." +Sprach’s, und je heißer die Begierde war, +Je mehr fühlt’ ich vom Tranke mich erquicken +Und fühlte mich gestärkt und frei und klar. +Virgil drauf: "Welche Netz’ euch hier umstricken, +Wie ihr entschlüpft, was durch den Berg gezückt, +Was Jubeltön’ empor die Seelen schicken, +Das hat dein Wort mir deutlich ausgedrückt. +Jetzt sage mir: Wer bist du einst gewesen? +Und was hat hier so lang dich schwer gedrückt?" +Drauf jener: "Damals, als das höchste Wesen, +Das Blut zu rächen, das für schnödes Geld +Judas verkauft, den Titus auserlesen, +Da lebt’ ich mit dem Namen, der bei Welt +Und Nachwelt gilt, geschmückt mit höchstem Preise, +Doch war noch nicht vom Glaubenslicht erhellt. +So süß war des klangreichen Geistes Weise, +Daß Rom mich Tolosanen rief und hoch +Mich ehrte mit verdientem Myrtenreise. +Mich, Statius, nennt man jenseits heute noch. +Von Theben hob’ ich, vom Achill gesungen, +Bis unterwegs ich sank dem zweiten Joch. +Auch meine Glut ist an der Flamm’ entsprungen, +Der göttlichen, die Funken ausgesprüht +Und Tausende mit ihrem Licht durchdrungen. +Sie, die Äneis, ist’s, die mich durchglüht, +Sie nur war Mutter, Amme mir im Dichten, +Und ohne sie war ich umsonst bemüht. +O hätt’ ich mit Virgil gelebt! Mit nichten +Schien mir’s zu schwer, ein Jahr lang, noch im Bann, +Dafür auf die Befreiung zu verzichten." +Bei diesen Worten sah Virgil mich an +Mit einem Blick, der schweigend sagte: Schweige! +Doch weil die Kraft, die will, nicht alles kann, +Nicht hindern kann, daß sich die Seele zeige, +Und, wie durch sie die jähe Regung blitzt, +Trän’ oder Lächeln uns ins Antlitz steige, +So blinkt’ ich lächelnd mit den Augen itzt, +Drum sah mir jener, dem dies nicht entgangen, +Ins Auge, wo das Bild der Seele sitzt. +"So wie du mögst zum großen Ziel gelangen," +Begann er drauf, mir zugewandt, "So sprich: +Was schwebt’ ein Lächeln jetzt um deine Wangen?" +Nun zeigen hier und dorten Schlingen sich. +Der heißt mich schweigen, jener, offenbaren. +Ich seufze nur, doch man ergründet mich. +"Du magst dir jetzt das längre Schweigen sparen," +Begann Virgil, "sprich nur, denn er beweist +.Zu große Sehnsucht, alles zu erfahren." +"Vielleicht wohl wundert’s dich, du alter Geist," +Also begann ich jetzo, "daß ich lachte, +Doch will ich, daß du mehr verwundert seist. +Er, der mich aufwärts führt, wohin ich trachte, +Es ist Virgil, der Quell, der deinen Sang +Von Helden und von Göttern strömen machte. +Glaubst du, das andrer Grund des Lachens Drang +In mir erregt, magst du den Glauben lassen; +Es war dein Wort, das mich zum Lachen zwang." +Da neigt’ er sich, die Knie ihm zu umfassen, +Zu meinem Hort, der sprach: "Laß, Bruder, laß! +Wir sind ja Schatten beid’ und nicht zu fassen." +Und er stand auf und sprach: "Du wirst das Maß +Der Liebe, die mich an dich zieht begreifen, +Da ich der Körper Mangel ganz vergaß +Und Schatten sucht’ als Festes zu ergreifen." + + +Zweiundzwanzigster Gesang + +Schon hinter uns geblieben war der Engel, +Der unsern Schritt zum sechsten Kreis gekehrt +Und mir getilgt ein Zeichen meiner Mängel. +Sie, deren Wunsch Gerechtigkeit begehrt, +Sie riefen: "Heil dem Dürstenden!" und schwiegen, +Und ohne weitres war ihr Sinn erklärt. +Ich, leichter als auf andern Felsenstiegen, +Ging aufwärts, den behenden Geistern nach, +Und sonder Mühe ward der Kreis erstiegen. +"An Lieb’, entzündet von der Tugend," sprach +Mein Meister nun, "ist andre stets entglommen, +Wenn sichtbar nur hervor die Flamme brach. +Darum, seit Juvenal hinabgekommen +Zum Höllenvorhof, und mit uns vereint, +Von dem ich, wie du mich geliebt, vernommen, +War ich in Liebe dir so wohlgemeint, +Wie wir sie selten Niegesehnen weihen, +So, daß nun kurz mir diese Stiege scheint. +Doch sprich und wolle mir als Freund verzeihen, +Löst mir zu große Sicherheit den Zaum, +Und wolle Kunde mir als Freund verleihen: +Wie fand der Geiz doch--ich begreif es kaum-- +Bei solcher Weisheit, wie dein eifrig Streben +Errungen hat, in deinem Busen Raum?" +Hier sah ich Lächeln jenes Mund umschweben, +Dann sprach er: "Jedes Wort aus deinem Mund, +Zeugt’s nur von Liebe, muß mir Freude geben. +Oft werden uns von außen Dinge kund, +Die falsche Zweifel in der Seel’ erregen, +Weil tief verborgen ist ihr wahrer Grund. +Du scheinst--die Frage zeigt’s--den Wahn zu hegen, +Daß mich der Geiz auf Erden einst geplagt, +Vielleicht weil ich in diesem Kreis gelegen. +Jetzt wisse, daß ich ihm zu sehr entsagt, +Und dieses Unmaß hab’ ich hier in Schlingen +So viele tausend Monden lang beklagt. +Dort unten müßt’ ich, Steine wälzend, ringen, +Hätt’ ich dein zürnend Warnen nicht gehört: +Zu was kannst du die Menschenbrust nicht zwingen. +Verfluchter Durst nach Gold, der uns betört!-- +Die ernste Mahnung hört’ ich dich verkünden +Und ward aus eitlen Träumen aufgestört. +Daß nur zu offen meine Hände stünden, +Dies ward mir nun in meinem Geiste klar, +Mit Reu’ ob dieser und der andern Sünden. +Wieviel’ erstehn einst mit verschnittnem Haar, +Weil bis zum Tod sie nicht erkannt, daß Sühne +Durch Reu’ auch diesem Fehler nötig war. +Wisse, die Schuld, die auf des Lebens Bühne +Sich einer andern g’rad’ entgegensetzt, +Verliert zugleich mit ihr hier ihre Grüne. +Drum sahst du mich bei jenen Scharen jetzt +Der Reuigen, die einst der Geiz bezwungen; +Drum hat das Gegenteil mich herversetzt." +"Zur Zeit, da du der Waffen Graus gesungen. +Die Jokasten Gram zu Gram gefügt," +Sprach jener, dem das Hirtenlied gelungen, +"War, wenn, was Klio aus dir singt, nicht trügt, +Nicht durch den Glauben noch dein Herz gelichtet, +Bei dessen Mangel keine Tugend g’nügt. +Nun, welche Sonne hat die Nacht vernichtet, +Welch irdisch Licht, daß du an deinem Kahn +Die Segel dann, dem Fischer nach, gerichtet?" +Und er: "Du zeigtest mir zuerst die Bahn +Zu dem Parnaß und seinen süßen Quellen +Und warst mein erstes Licht, um Gott zu nah’n. +Dem, der bei Nacht geht, warst du gleichzustellen, +Dem seine Leuchte selbst kein Licht verleiht, +Um hinter ihm die Straße zu erhellen, +Indem du sprachst: Erneuert wird die Zeit, +Ich seh’ ein neu Geschlecht vom Himmel steigen +Und Ordnung herrschen und Gerechtigkeit. +Durch dich ward mir der Ruhm des Dichters eigen, +Durch dich ward ich den Christen beigesellt; +Wie? Soll sich dir in klarem Bilde zeigen. +Vom wahren Glauben schwanger war die Welt +Schon überall; es streuten diesen Samen +Die Boten ew’gen Reichs ins weite Feld. +Mit deinem oft berührten Worte kamen +Die neuen Pred’ger sämtlich überein, +Drum folgt’ ich denen, die ihr Wort vernahmen. +Sie schienen mir so heilig und so rein-- +Und als sie Domitian verfolgte, machten +Mich weinen ihre Klag’ und ihre Pein. +Und ihnen beizustehn war all mein Trachten, +Da mir so redlich ihre Sitt’ erschien; +All andre Sekten mußt’ ich drum verachten. +Eh’ dichtend, ich an Thebens Flüsse zieh’n +Die Griechen ließ, hatt’ ich die Tauf empfangen, +Obwohl ich äußerlich als Heid’ erschien, +Und ein versteckter Christ verblieb aus Bangen; +Und ob der Lauheit hab’ ich mehr als vier +Jahrhunderte den vierten Kreis umgangen. +Sprich jetzo du, der du den Schleier mit +Gehoben hast vom Heile, das ich preise, +Denn Zeit genug beim Steigen haben wir: +Wo Freund Terenz, wo Varro ist, der Weise, +Cäcilius, Plautus?--sprich, ich bitte sehr, +Ob sie verdammt sind und in welchem Kreise?" +"Sie, ich und mancher sonst," erwidert’ er, +"Wir sind beim Griechen, jenem blinden Alten, +Den Musenmilch getränkt, wie keinen mehr, +Im ersten Kreis der blinden Haft enthalten; +Oft sprachen wir von jenem Berge schon, +Wo unsre süßen Nährerinnen walten. +Dort ist Euripides, Anakreon +Mit vielen Griechen, die der Lorbeer krönte, +Mit dem Simonides und Agathon. +Auch sie, von welchen einst dein Lied ertönte, +Antigone, Ismene, so gebeugt, +Wie einst, da sie um den Verlobten stöhnte. +Auch jene, die das Kind, das sie gesäugt, +Rückkehrend von Langia, tot gefunden, +Und Daphne, von Tiresias erzeugt." +Die Dichter schwiegen beide jetzt und stunden, +Vom Steigen frei und von der Felsenwand, +Und sah’n umher, das Weitre zu erkunden. +Die fünfte Dienerin des Tages stand +Am Wagen schon, um seinen Lauf zu leiten, +Der Deichsel Flammenspitz’ emporgewandt. +"Wir kehren, denk’ ich, unsre rechten Seiten", +Begann mein Herr, "zum freien Rande hin, +Um, wie wir pflegen, um den Berg zu schreiten." +So ward Gewohnheit unsre Führerin; +Auch Statius winkte Beifall dem Genossen, +Drum gingen wir mit sorgenfreiem Sinn, +Sie mir voraus, ich einsam, unverdrossen, +Ging hinterdrein, den Reden horchend, fort, +Die meinem Geist der Dichtung Tief’ erschlossen. +Doch machte bald der Dichter süßes Wort +Ein Baum mit würzig duft’gen Äpfeln schweigen.’ +Inmitten unsers Weges stand er dort; +Und wie die Tann’ aufwärts, von Zweig zu Zweigen +Sich enger abstuft, so von Sproß zu Sproß +Er niederwärts, erschwerend das Ersteigen. +Auf jener Seite, wo der Weg sich schloß, +Fiel klares Naß vom hohen Felsensaume, +Das auf die Blätter sprühend sich ergoß. +Da nahte sich das Dichterpaar dem Baume, +Aus dessen Zweigen eine Stimm’ erscholl: +"Die Speise hier wird teuer eurem Gaume." +"Der Hochzeit nur, um ganz und ehrenvoll +Sie auszurichten, galt Marias Sinnen, +Nicht ihrem Mund, der für euch sprechen soll. +Nur Wasser tranken einst die Römerinnen; +Nicht Königskost hat Daniel gewollt, +Um reichen Schatz der Weisheit zu gewinnen. +Die Urzeit war so schön wie lautres Gold, +Als Eichen noch dem Hunger leckre Speisen +Und Nektar jeder Bach dem Durst gezollt. +Heuschrecken hat und Honig einst zu speisen +Der Täufer in der Wüste nicht verschmäht, +Und hoch und herrlich ist er drob zu preisen, +Wie’s offenbart im Evangelium steht." + + +Dreiundzwanzigster Gesang + +Indes ins Laubwerk meine Blicke drangen, +So scharf und spähend, wie sie einer spannt, +Der seine Zeit verliert mit Vogelfangen, +Rief er, der mehr als Vatersorg’ empfand: +"Sohn, komm. Die Zeit, die uns verlieh’n zum Reisen, +Sei eingeteilt und nützlicher verwandt." +Schnell wandt’ ich Blick und Schritt zu beiden Weisen, +Die also sprachen, daß zum leichten Gang +Die Mühe ward, den Felsen zu umkreisen. +Sieh, da erklangen Klagen und Gesang: +"Herr, meine Lippen," klang’s mit einem Stöhnen, +Das mich zugleich mit Lust und Leid durchdrang. +"Mein süßer Vater, welche Stimmen tönen?" +Ich rief’s, und er drauf: "Schatten sind’s, die nun +Für einst versäumte Pflicht den Herrn versöhnen." +Wie unterweges eil’ge Wandrer tun, +Die Leut’ einholen, welche sie nicht kennen, +Und sich zwar umsehn, doch nicht stehn und ruh’n; +So kam jetzt hinter uns in schnellerm Rennen +Ein frommer Haufe, lief vorbei und schaut’ +Uns staunend an, um schweigend fortzurennen. +Die Augen tief und hohl und nachtumgraut, +Erschienen sie, die Hagern, die Erblaßten, +Die Knochen alle sichtbar durch die Haut. +So mager, glaub’ ich, war nach langem Fasten, +So ausgetrocknet nicht Erisichthon, +Als nun sein eignes Fleisch die Zähn’ erfaßten. +Sie gleichen jenen, dacht’ ich, da sie floh’n, +Die einst Jerusalem verloren haben, +Wo selbst die Mutter fraß den eignen Sohn. +Tief war das Aug’ in seinem Rund vergraben, +Das einem Ringe sonder Gemme glich, +Und Nas’ und rings die Knochen scharf erhaben. +Daß eines Apfels Duft so jämmerlich +Zurichten könn’ und Duft von einer Quelle, +Begier erzeugend, wer wohl dächt’ es sich? +Schon staunt’ ich, wie der Hunger sie entstelle, +Indem ich noch die Ursach’ nicht verstund, +Von ihrem magern Leib und traur’gem Felle. +Da sah ich, wie aus seines Hauptes Grund +Ein Geist auf mich die Augen forschend richte, +Der ausrief: Welche Gnade wird mir kund? +Nie hätt’ ich ihn erkannt am Angesichte, +Doch durch die Stimme ward mir offenbart, +Wie Hunger Ansehn und Gestalt vernichte. +Und dieser Funke machte völlig klar +Mir die Erinnrung, daß ich sein gedachte, +Und sah, daß dies Foreses Antlitz war. +Und er begann nun flehend: "Ach, verachte +Die dürre Haut nicht, noch mein blaß Gesicht, +Ob auch die Schuld um alles Fleisch mich brachte. +Gib wahrhaft mir von deinem Los Bericht, +Und von den zwei’n, die bei dir sind--ich flehe!-- +Verweigre mir erwünschte Kunde nicht." +"Dein Angesicht, bei dem mit tiefem Wehe," +Begann ich, "als ich’s tot sah, ich geklagt, +Betrübt mich mehr, da ich’s so hager sehe. +Drum sprich, bei Gott, was so dein Laub zernagt. +Nicht wolle, daß ich, weil ich staun’, erzähle, +Denn übel spricht, wen selbst die Neugier plagt."-- +"Vom ew’gen Rat", so sprach Foreses Seele, +"Sinkt eine Kraft, die Bach und Baum durchdringt, +Durch die ich hier mich abgemagert quäle. +Sie ist’s, die jeden, der hier weinend singt, +Zur Heiligkeit vom wüsten Schwelgerleben +Durch Hunger und durch Durst zurückebringt. +Der Duft, den jene Früchte von sich geben, +Der Quell auch, der sie netzt, entflammt der Brust +Nach Speis und Trank ein nie gestilltes Streben. +Sooft im Kreis wir dorthin zieh’n gemußt, +Wird immer diese Pein in uns erneuert. +Ich sage Pein und sollte sagen: Lust, +Weil nach dem Baum uns jener Drang befeuert, +Der Christum froh dahin zum Kreuz gebracht, +Wo unsrer Schmach sein teures Blut gesteuert." +Drauf ich: "Forese, seit du jene Nacht +Vertauscht mit diesem bessern Leben, zählte +Man nur fünf Jahr’, die kaum den Lauf vollbracht. +Wenn dir die Kraft zu sünd’gen eher fehlte, +Als du durchdrungen warst von gutem Leid, +Das stets die Seele neu mit Gott vermählte, +Wie stiegst du in so kurzer Frist so weit? +Dort unten dich zu finden mußt’ ich meinen, +Wo man verlorne Zeit ersetzt durch Zeit." +Und er: "Zum süßen Wermutstrank der Peinen +Hat mich befördert meiner Nella Fleiß +In frommem Fleh’n und ihr unendlich Weinen. +Denn ihr Gebet, ihr Stöhnen fromm und heiß, +Hat mich der Küste, wo man harrt, entzogen +Und mich befreit aus jedem andern Kreis. +Ihr. die ich so geliebt, ist Gott gewogen, +Weil sie, der nur der Tugend Reiz gefällt, +Sich ganz vom Pfad der andern abgezogen. +Der Sarden rohes Bergesland enthält +Mehr Scham und Sitte noch in feinen Frauen +Als das, wo ich sie ließ in jener Welt. +O süßer Bruder, soll ich dir’s vertrauen? +Ich glaube schon die Zukunft, der das Heut +Nicht alt erscheinen wird, vor mir zu schauen, +Wo man den frechen Frau’n, die ungescheut +Den Busen mit den Brüsten offenbaren, +Dies von der Kanzel in Florenz verbeut. +Wann mußten Frau’n von Türken und Barbaren, +Um mit bedeckter Brust einherzugehn, +Von Staat und Kirche Rügen erst erfahren? +Doch könnten nur die Unverschämten sehn, +Was ihnen schon der Himmel vorbereitet, +Sie wurden heulend, offnen Mundes, stehn. +Sie jammern, wenn kein Wahn mich hier verleitet, +Eh’ auf des Wange, der jetzt eingelullt +Von Eipopeia wird, sich Flaum verbreitet. +Jetzt sprich von dir und zahle mir die Schuld. +Sieh alle, die dorthin die Augen lenken, +Wo du die Sonne deckst, voll Ungeduld." +Und ich versetzt’ ihm: "Willst du des gedenken, +Was du mit mir einst warst, und ich mit dir, +So wird noch jetzt dich die Erinnrung kränken. +Vor kurzem hat von dort er, der vor mir +Als Führer geht, mich mit sich fortgenommen, +Als rund euch schien der Bruder dieser hier." +--Die Sonne zeigt’ ich--"Mir zum Heil und Frommen +Bin ich durch wahren Todes tiefe Nacht +Mit ihm in diesem wahren Fleisch gekommen. +Er hat im Kreislauf mich emporgebracht +Zu diesem Berg, wo die sich g’rad’ erheben, +Die einst das Erdenleben krumm gemacht. +Er wird mir sein Geleit so lange geben, +Bis ich gelangt zu Beatricen bin; +Ohn’ ihn dann muß ich weiter aufwärts streben. +Es ist Virgil"--hier zeigt’ ich nach ihm hin-- +"Sieh auch den andern und erkenne diesen +Als den, ob des der Berg gebebt vorhin, +Da euer Reich ihn von sich weggewiesen." + + +Vierundzwanzigster Gesang + +Nicht hemmt’ uns Gehn im Reden, Red’ im Gehn; +Der Lauf ging beim Gespräch so rasch vonstatten, +Wie eines Schiffs bei guten Windes Weh’n. +Und die, wie’s schien, zweimal gestorbnen Schatten, +Sie sogen Staunen durch die Augen ein, +Da sie bemerkt mein irdisch Leben hatten. +"Wohl eil’ger", sprach ich weiter, "würd’ er sein, +Zum Platz zu zieh’n, der dort ihm angewiesen, +War’ er nicht aufgehalten von uns zwei’n. +Doch sprich, wo ist Piccarda? Wer von diesen, +Von welchen jeder Blick jetzt auf mir ruht, +Ward durch den Ruf im Leben einst gepriesen?" +"Sie, meine Schwester, einst so schön als gut, +Trägt dort, wo wir das ew’ge Licht erkennen, +Die Krone des Triumphs mit heiterm Mut." +Sprach’s, und darauf: "Hier darf man alle nennen, +Denn, vom heilsamen Fasten abgezehrt, +Würd’ einer sonst den andern nimmer kennen. +Sieh dort"--er sprach’s, den Finger hingekehrt-- +"Den Buonagiunta; sieh dort den Erblaßten, +Vom Hunger mehr als jeden sonst, verheert, +Des Arme dort die heil’ge Kirch’ umfaßten. +Er war von Tours und büßt hier manchen Schmaus +Von weinersäuften Aal mit schwerem Fasten." +Noch wählt’ er manchen von der Schar heraus +Und nannt’ ihn mir, was jeden sehr erfreute, +Und keiner sah drum trüb und finster aus. +Ich Sah den Bonifaz, der viel Leute +Mit Pfründenfett geatzt; den Ubaldin, +Der an den Zähnen selbst vor Hunger käute; +Sah den Marchese, den, trotz allem Zieh’n +Aus seinem Krug, der Durst nur ärger brannte, +Und dem der Mund beständig trocken schien. +Doch wie, wer viel sah, eins nur wählt. So wandte +Ich mein Gesicht nun zu dem Buonagiunt, +Der, wie es schien, mich dort am besten kannte. +Er murmelt’ in sich, und von seinem Mund, +An dem sich hier der Schlemmer Sünden rächen, +Ward etwas wie das Wort Gentucca kund. +Ich sprach: "Der du das Schweigen abzubrechen +So lüstern scheinst, sprich so, daß man’s versteht, +Und dich und mich befriedige dein Sprechen." +Drauf er: "Ein Weib, das noch entschleiert geht, +Gibt dir dereinst an meiner Stadt Behagen, +So sehr man diese Stadt auch immer schmäht. +Du wirst dorthin die Rede mit dir tragen, +Und trog mein Murmeln dich, in kurzer Zeit +Wird dir die Wirklichkeit er klarer sagen. +Doch sprich, erblick’ ich den in meinem Leid, +Der jene neuen Weisen fand, beginnend: +Ihr Frau’n, die ihr der Liebe kundig seid." +Drauf ich: "Dem Hauch der Liebe lausch’ ich sinnend; +Was sie mir immer vorspricht, nehm’ ich wahr +Und schreib’ es nach, nichts aus mir selbst ersinnend." +"Die Schlinge, Bruder," sprach er, "seh’ ich klar, +Die von dem neuen süßen Stil gehalten +Mich diesseits hat, Guitton’ und den Notar. +Ich seh’, ihr lasset nur die Liebe walten, +Und eure Feder folgt, wie sie gebeut, +Wir aber ließen sie nicht also schalten. +Wer, Beifall suchend, keck sie überbeut, +Gibt Schwulst, statt des, was euch Natur verliehen." +Er schwieg und schien befriedigt und erfreut. +Wie Vögel, die zum Nil im Winter ziehen, +Sich oft versammeln in gedrängtem Hauf +Und schneller dann in Streifen weiterfliehen; +So machten alle dort sich wieder auf, +Die, abgewandt, sich eilig fort begaben, +Durch Magerkeit und Willen leicht zum Lauf. +Und gleich wie einer, atemlos vom Traben, +Die andern läßt, um ganz gemach zu gehn, +Bis ausgeschnauft die heißen Laugen haben, +So war es mit Forese jetzt gescheh’n; +Er, hinter mir, ließ zieh’n die heil’ge Herde +Und sprach: "Wann werd’ ich wohl dich wiedersehn?" +"Nicht weiß ich es. Doch glaub’ ich, daß der Erde", +Versetzt’ ich, "nicht so schnell mein Geist entfleugt, +Als ich nach diesem Strand mich sehnen werde. +Denn seh’ ich dort den Ort, der mich erzeugt, +Tagtäglich mehr vom Guten sich entblößen +Und jämmerlich bereits zum Sturz gebeugt!" +Und er: "Jetzt geh, den Stifter alles Bösen +Seh’ ich am Schweif des Pferds geschleppt zum Ort, +Von welchem Reu’ und Tränen nie erlösen. +Stets schneller geht der Lauf des Tieres fort, +Und endlich läßt’s den Leib des Jammervollen +Zerstampft, entstellt, ein widrig Scheusal, dort. +Nicht lange werden diese Kreise rollen" +--Zum Himmel blickt er auf--"und klar wird dir, +Was dämmernd nur mein Wort dir zeigen sollen. +Du bleibe jetzt; die Zeit ist teuer hier, +Und daß ich gleichen Schritts mit dir gegangen, +Dies kostet mich bereits zuviel von ihr." +Wie einer, wenn die Reiter vorwärts drangen, +Hervorsprengt aus der Reih’, in der er ritt, +Den Ruhm des ersten Angriffs zu erlangen, +So trennt’ er sich von uns mit größerm Schritt, +Indes ich hinter ihm mit meinem Horte +Und mit dem andern Meister weiterschritt. +Schon war er vor uns an so fernem Orte, +Daß ihm mein Blick dahin durch weiten Raum, +Wie die Erinnrung folgte seinem Worte; +Als wir voll Obstes einen andern Baum +Mit üppigem Gezweig nicht fern entdeckten, +Da wir uns bogen um des Kreises Saum. +Und Leute, die hinauf die Hände streckten, +Schrien auf zum Laub, das in die Lüfte steigt, +Den Kindlein gleich, den gierigen, geneckten, +Die bitten, während der Gebetne schweigt, +Und, um zu schärfen die Begier, ihr Sehnen +Hoch hinhält und es frei und offen zeigt. +Dann gingen sie, geheilt vom eitlen Wähnen; +Wir aber schritten zu dem Baum heran, +Der alle Bitten abweist, alle Tränen. +"Vorüber schreitet, denn ihr dürft nicht nah’n! +Der Baum, der Even reizt’, ist weiter oben. +Von ihm hat dieser seinen Keim empfah’n." +So sprach, ich weiß nicht wer, vom Baume droben, +Weshalb Virgil mit Statius, engverschränkt, +Und mir hinging, wo sich die Felsen hoben. +"An die verfluchten Wolkensöhne denkt," +Sprach’s, "die dem Theseus mit den Doppelbrüsten +Im Kampf getrotzt, von zuviel Wein getränkt. +An die Hebräer denkt und ihr Gelüsten, +Und denkt, weshalb verschmäht hat Gideon, +Mit ihnen gegen Midian sich zu rüsten." +So gingen wir, dem Felsen nah, davon, +Und hörten aus des Laubs geheimer Regung +Des Gaumens Schuld und ihren schlechten Lohn. +Dann aber ging’s mit freierer Bewegung +Auf breitem Pfad an laufend Schritte fort, +Und jeder schwieg in sinniger Erwägung. +"Was geht ihr drei so ernst erwägend dort?" +Rief’s plötzlich nun, ich aber fuhr zusammen, +Gleich einem scheuen Roß, bei diesem Wort. +Mein Haupt kehrt’ ich dorthin, woher zu stammen +Die Rede schien, und sah in rotem Schein +Glas und Metall nie so im Ofen flammen, +Wie einen hier, der sprach: "Hier geht ihr ein, +Wollt ihr empor zur freien Höhe kommen, +Und im Genuß des ew’gen Friedens sein." +Mir hatte das Gesicht sein Glanz benommen, +Drum wandt’ ich mich zu meinen Führern hin, +Wie wer dem folgt, was er durchs Ohr vernommen. +Und wie des Morgenrots Verkünderin, +Die, Düfte raubend, in den Blüten wühlte, +Die Mailuft, weht, die süße Schmeichlerin, +So fühlt’ ich an der Stirn ein Weh’n, so fühlte +Ich ein Gefieder, sanft bewegt, das mir +Das Antlitz mit Ambrosiadüften kühlte. +Und dann erklang dies Wort: "O selig ihr, +Die ihr die Gnad’ empfingt, daß unverdüstert +Des Geistes Licht euch bleibt von der Begier, +Indem euch nur, wie’s ziemt, nach Speise lüstert." + + +Fünfundzwanzigster Gesang + +Die Stund’ erheischte rasches Steigen schon, +Nachdem die Sonne hier den Mittagsbogen +Dem Stier geräumt, dort Nacht dem Skorpion. +Drum, wie ein Mann, der, von nichts angezogen, +Was sich auch zeige, seines Weges zieht +Vom Drang der Not zu größter Eil’ bewogen, +So drangen wir ins höhere Gebiet +Durch eine Stiege, die uns so beschränkte, +Daß uns die Enge voneinander schied. +Und wie ein Störchlein, das die Flügel schwenkte, +Aus Luft zum Flug, dann aber, sonder Mut, +Vom Neste fortzuzieh’n, sie wieder senkte, +So ich, bald lodernd, bald verlöscht die Glut +Der Fragelust, das Antlitz also zeigend, +Wie der, der sich zum Sprechen anschickt, tut. +Da sprach mein Herr, obwohl voll Eifer steigend: +"Laß nicht der Rede Pfeil unabgeschnellt, +Die Sehne nur bis hin zum Drücker beugend." +Worauf ich, sicher durch dies Wort gestellt, +Den Mund erschloß: "Wie wird man hier so mager, +Hier, wo kein Leib ist, welchen Speis erhält?" +Drauf er: "Gedächtest du an Meleager, +Der eben, wie verzehrt ein Holzbrand ward, +Sich abgezehrt, du wärst kein solcher Frager. +Und dächtest du, wie gleich an Mien’ und Art +Sich euer Antlitz regt in Spiegelbildern, +Dann schiene lind und weich dir, was jetzt hart. +Allein um alles dir nach Wunsch zu schildern, +Sieh hier den Statius, welcher dir verspricht, +Weil ich ihn bitte, deinen Durst zu mildern." +"Entwickl’ ich ihm das göttliche Gericht," +Sprach Statius drauf, "hier, wo du gegenwärtig, +So sei’s verzieh’n--du willst, drum weigr’ ich nicht." +Und dann: "Jetzt sei dein Geist bereit und fertig +Für meine Rede, Sohn--dann sei des Wie? +Das du erfragst, in vollem Licht gewärtig. +Das reinste Blut, das von den Adern nie +Getrunken wird, vergleichbar einer Speise, +Die über den Bedarf Natur verlieh, +Empfängt im Herzen wunderbarerweise +Die Bildungskraft für menschliche Gestalt, +Geht dann mit dieser durch der Adern Kreise, +Noch mehr verkocht, zu einem Aufenthalt, +Den man nicht nennt, von wo’s zu anderm Blute +In ein natürlich Becken überwallt. +Daß beides zum Gebild zusammenflute, +Ist leidend dies, und tätig das, vom Ort, +In dem die hohe Bildungskraft beruhte. +Drin angelangt, beginnt’s sein Wirken dort; +Geronnen erst, erzeugt es junges Leben +Und schreitet in des Stoffs Verdichtung fort. +Die Seel entsteht aus tät’ger Kräfte Streben, +Wie die der Pflanze, die schon stillesteht, +Wenn jene kaum beginnt, sich zu erheben. +Bewegung zeigt sich dann, Gefühl entsteht, +Wie in dem Schwamm des Meers, und zu entfalten +Beginnt die tät’ge Kraft, was sie gesät. +Nun beugt, nun dehnt die Frucht sich aus, beim Walten +Der Kraft des Zeugenden, die, nie verwirrt +Von fremdem Trieb, nur ist, um zu gestalten. +Doch, Sohn, wie nun das Tier zum Menschen wird, +Noch siehst du’s nicht, und dies ist eine Lehre, +Worin ein Weiserer als du geirrt. +Er war der Meinung, von der Seele wäre +Gesondert die Vernunft, weil kein Organ +Die Äußerung der letztern uns erkläre. +Jetzt sei dein Herz der Wahrheit aufgetan, +Damit dein Geist, was folgen wird, bemerke! +Wenn Bildung das Gehirn der Frucht empfah’n, +Kehrt, froh ob der Natur kunstvollem Werke, +Zu ihr der Schöpfer sich und haucht den Geist, +Den neuen Geist ihr ein, von solcher Stärke, +Daß er, was tätig dort ist, an sich reißt, +Und mit ihm sich vereint zu einer Seele, +Die lebt und fühlt und in sich wogt und kreist. +Und, daß dir’s nicht an hellerm Lichte fehle, +So denke nur, wie sich zum edlen Wein +Die Sonnenglut dem Rebensaft vermalte. +Gebricht es dann der Lachesis an Lein, +Dann trägt sie mit sich aus des Leibes Hülle +Des Menschlichen und Göttlichen Verein; +Die andern Kräfte sämtlich stumm und stille, +Doch schärfer als vorher in Macht und Tat, +Erinnerung, Verstandeskraft und Wille. +Und ohne Säumen fällt sie am Gestad, +An dem, an jenem, wunderbarlich nieder, +Und hier erkennt sie erst den weitern Pfad. +Kaum ist sie nun auf sicherm Orte wieder, +Da strahlt die Bildungskraft rings um sie her, +So hell wie einst beim Leben ihrer Glieder. +Und wie die Luft, vom Regen feucht und Schwer. +Sich glänzend schmückt mit buntem Farbenbogen +Im Widerglanz vom Sonnenfeuermeer; +So jetzt die Lüfte, so die Seel’ umwogen, +Worein die Bildungskraft ein Bildnis prägt, +Sobald die Seel’ an jenen Strand gezogen. +Und gleich der Flamme, die sich nachbewegt, +Wo irgendhin des Feuers Pfade gehen, +So folgt die Form, wohin der Geist sie trägt. +Sieh daher die Erscheinung dann entstehen, +Die Schatten heißt; so bildet sich in ihr +Jedwed Gefühl, das Hören und das Sehen. +Und daher sprechen, daher lachen wir, +Und daher weinen wir die bittern Zähren +Und seufzen laut auf unserm Berge hier. +Der Schatten bildet sich, je wie Begehren +Und Leidenschaft uns reizt und Lust und Gram. +Dies mag dir, was du angestaunt, erklären." +Und schon als ich zur letzten Marter kam, +Indem wir, rechts gewandt, die Schlucht verließen, +Ward ich auf das, was dort war, aufmerksam. +Den Felsen sah ich Flammen vorwärts schießen, +Der Vorsprung aber haucht’ empor zur Wand +Windstöße, die zurück die Flammen stießen. +Wir mußten einzeln gehn am freien Rand, +Und ängstlich hört’ ich hier die Flamme schwirren, +Indes sich dort ein tiefer Abgrund fand. +Mein Führer sprach: "Hier laß dich nichts verwirren +Und halte straff der schnellen Augen Zaum, +Denn leicht ist’s hier, mit einem Tritt zu irren." +Gott höchster Gnade! hört’ ich’s aus dem Raum, +Den jene große Glut erfüllte, singen +Und hielt den Blick an meinem Wege kaum. +Ich sah dort Geister, die durchs Feuer gingen, +Und sah auf meinen bald, bald ihren Gang +Und ließ den Blick von hier nach dorten springen. +Ich weiß von keinem Mann--dies Wort erklang +Mit lautem Ruf, als jenes Lied verklungen, +Und neu begannen sie’s mit leisem Sang, +Und riefen wieder, als sie’s ausgesungen: +"Diana blieb im Hain und jagt’ ergrimmt +Kalisto fort, die Venus’ Gift durchdrungen." +Dann ward die Hymne wieder angestimmt, +Dann riefen sie von keuschen Frau’n und Gatten, +Die lebten, wie’s zu Eh’ und Tugend stimmt. +Und dies nur tun sie, ohne zu ermatten, +Wie’s scheint, solang die Flamme sie umfließt, +Bis solche Pfleg’ und Arzenei den Schatten +Zuletzt die Wund’ auf ewig wieder schließt. + + +Sechsundzwanzigster Gesang + +Indem wir, einer so dem andern nach, +Am Rand hingingen, sprach mein treu Geleite: +"Gib acht und nütze, was ich warnend sprach." +Die Sonne schlug auf meine rechte Seite +Und übergoß, ein blendend Strahlenmeer, +Mit lichtem Weiß des Westens blaue Weite. +In meinem Schatten schien die Glut noch mehr +Hochrot zu glüh’n, drum sah’n bei solchem Zeichen +Der Schatten viel im Gehen nach mir her. +Und dieses schien zum Anlaß zu gereichen, +Daß über mich sich ein Gespräch erhob: +" Der scheinet einem Scheinleib nicht zu gleichen." +Soviel sie konnten, richteten sie drob +Sich zu mir hin, doch immer wohl beachtend, +Daß nie ihr Fuß der Flamme sich enthob. +"Du, der du wohl, sie ehrerbietig achtend, +Und nicht aus Trägheit nachgehst diesen zwei’n, +Oh, sieh mich hier in Durst und Feuer schmachtend +Und sprich, uns allen Labung zu verleih’n; +Denn wie wir jetzt nach deinem Wort verlangen, +Kann durst’ger nach dem Quell kein Libyer sein. +Wie machst du’s doch, die Strahlen aufzufangen, +Gleich einer Wand, als wärest du dem Tod +Bis jetzt noch nicht, wie wir, ins Netz gegangen." +So rief der ein’ in seiner Flammennot, +Und eben wollt’ ich alles ihm verkünden, +Als meinem Blick sich etwas Neues bot. +Denn auf dem Weg, den Flammen rings entzünden, +Entgegen jenen, kam ein zweiter Hauf, +Drum späht ich hin, das Weitre zu ergründen. +Und die und jene machten schnell sich auf +Und küßten sich mit kurzer Lust und waren +Zufrieden schon und floh’n im vollen Lauf. +So sieht man im Gewühl der braunen Scharen +Sich Äms und Ämse mit den Rüsseln nah’n, +Vielleicht: Wie’s geht? Wes Weges? zu erfahren, +Sobald der Gruß der Freundschaft abgetan, +Hob, eh’ sie weiterzog, nach kurzer Weile +Die Schar wetteifernd laut zu schreien an. +"Sodom! Gomorra!" klang’s von diesem Teile; +Von dort: "Pasiphae kroch in die Kuh, +Und also lockt’ an sich den Stier die Geile." +Wie Kranichscharen teils nach kurzer Ruh’ +Gen Libyen fliegen, scheu vor Frost und Eise, +Teils scheu vor Hitze den Riphäen zu, +So zieh’n die hier-, die dortenhin im Kreise +Und singen dann ihr Lied mit Reu’ und Gram +Und schrei’n von ihrer Schuld nach alter Weise. +Doch jener, der vorhin mir näher kam +Und bat, blieb wieder mit den andern stehen, +Dem Ansehn nach herhorchend, aufmerksam. +Ich, der ich zweimal ihren Wunsch ersehen, +Begann: "O ihr, die Hoffnung aufrechthält, +Sei’s, wann es sei, zum Frieden einzugehen, +Nicht reif noch unreif ließ ich auf der Welt +Den Leib zurück und hob’ auf diesen Wegen +Mit Fleisch und Bein und Blut mich eingestellt. +Ich stieg empor, die Blindheit abzulegen, +Und geh’--ein Himmelsweib erfleht’ es mir-- +Mit dem, was sterblich ist, dem Licht entgegen. +Doch wie sich euch erfüllen mag, was ihr +So heiß ersehnt: zum Himmel euch zu Schwingen, +Dem lieberfüllten räumigen Revier; +So sprecht, ich will’s zu aller Kunde bringen: +Wer seid dort ihr, um die die Flamme schwirrt, +Und wer sind die, die euch entgegengingen?" +So stutzt, erstaunt, verblüfft, der Bergeshirt, +Dem beim Umherschau’n selbst die Worte fehlen, +Wenn, roh und wild, er sich zur Stadt verirrt, +Wie sie--ihr Ansehn könnt’ es nicht verhehlen-- +Allein sobald ihr trübes Staunen schwand, +Das bald sich abklärt in erhabnen Seelen, +"Heil dir, des Fuß den Weg in unser Land," +Sprach er, den ich aus früh’rer Frage kannte, +"Des Geist zur Besserung Erfahrung fand! +Vernimm, daß jene Schar im Trieb entbrannte, +Ob des man Cäsarn, so, daß er’s gehört, +Einst beim Triumphe Königin benannte, +Drum schrien sie: Sodom!--was sie einst betört, +Voll Reue tadelnd, wie du jetzt vernommen; +So wird der Brand durch Scham noch aufgestört. +Im Zwittertriebe waren wir entglommen, +Doch weil wir menschliches Gesetz verlacht, +Von tierischen Gelüsten eingenommen. +Drum rufen wir, auf eigne Schmach bedacht, +Des Weibes Namen aus, wenn wir uns trennen, +Das sich im Viehgebild zum Vieh gemacht. +Nun hortest du mich unsre Schuld bekennen, +Doch unsre Namen kundzutun verbeut +Die Zeit; auch wüßt’ ich alle nicht zu nennen. +Wer ich bin, höre, wenn es dich erfreut. +Guid Guinicell, zur Läutrung zugelassen, +Weil ich vor meinem Tod die Schuld bereut."-- +Wie hergestürzt, die Mutter zu umfassen, +Die Söhne, da sein Schwert Lykurgus schwang, +So wollt’ ich tun, doch mußt’ ich mehr mich fassen, +Als meines Vaters Name mir erklang, +Des Vaters manches, der vom süßen Minnen +Besser als ich in holden Weisen sang. +Ich ging und sah ihn an in tiefem Sinnen +Und sagte nichts und hörte keinen Laut, +Auch ließ die Glut nicht weiter mich nach innen. +Doch als ich satt mich dann an ihm geschaut, +Erbot ich mich, in allem ihm zu dienen, +In solcher Art, der gern der andre traut. +Und er: "Wie du so freundlich mir erschienen. +Tilgt deine Spur in mir nicht Leibes Flut, +Und ewig wirst du meinen Dank verdienen. +Doch meinst du’s wirklich denn mit mir so gut, +So sprich, warum? Sprich, weshalb eben wieder +So liebevoll auf mir dein Auge ruht?" +Und ich darauf: "Ob deiner süßen Lieder, +Die teuer sind den Herzen fort und fort, +Sinkt nicht der neuern Sprache ganz danieder." +"Ach, Bruder," sprach er, und bei diesem Wort +Zeigt’ er mit seinem Finger hin auf einen, +"Der Sprache bessrer Schmied war jener dort, +Der in Romanz’ und Liebesliedern keinen +Unüberwunden ließ; und Toren sind, +Die ihn von Giraut übertroffen meinen. +Nicht nach der Wahrheit--nach des Rufes Wind +Gerichtet werden Meinung und Gesichter; +So läßt Vernunft und Kunst sie taub und blind. +So machten’s mit Guitton viel alte Richter, +Des Lob so viele schrien, weil andre schrien, +Bis Wahrheit ihn besiegt und andre Dichter. +Jetzt, wenn so weites Vorrecht dir verlieh’n, +Daß dir’s erlaubt ist, zu dem Kloster droben, +Wo Christus selber Abt ist, hinzuzieh’n, +So bet’ ein Paternoster doch dort oben +Bei ihm für mich, soweit’s in dieser Welt +Noch not für uns, die wir der Sünd’ enthoben." +Drauf schwand er, jenem, der sich nah gestellt, +Vielleicht Platz machend, in der Flammen Röte, +Wie in der Flut ein Fisch, der niederschnellt. +Und dem Gewiesnen naht’ ich mich und flehte +Ihn inniglich um seinen Namen an, +Dem schon Willkommen! meine Sehnsucht böte. +Worauf er gleich mit frohem Mut begann: +"Die edle Frage weißt du zu verschönen, +Daß ich mich bergen weder will noch kann. +Ich bin Arnald und geh’ in Schmerz und Stöhnen, +Den Wahn erkennend der Vergangenheit, +Und singe, hoffend, dann in Jubeltönen. +Jetzt bitt’ ich dich, hast du die Herrlichkeit +Auf dieses Berges Gipfel aufgefunden, +Dann denke meines Leids zur rechten Zeit." +Hier war er in der Läutrungsglut verschwunden. + + +Siebenundzwanzigster Gesang + +Wie wenn der erste Strahl vom jungen Tage +Im Lande glänzt, benetzt von Gottes Blut, +Wenn Ebro hinfließt unter hoher Wage. +Und Mittagshitz’ erwärmt des Ganges Flut, +So stand die Sonn’ itzt, drob der Tag entflohe, +Als uns ein Engel glänzt’ in heitrer Glut. +Er sang am Felsrand, außerhalb der Lohe: +"Beglückt, die reines Herzens sind!"--und mehr +Als menschlich war sein Ton, der mächt’ge, frohe. +Drauf: "Weiter nicht, ihr Heil’gen, bis vorher +Die Glut euch nagte! Tretet in die Flammen, +Und seid nicht taub dem Sang von dortenher!" +Dies Wort ertönte jetzt, da wir zusammen +Uns ihm genaht, so schrecklich in mein Ohr, +Als hört’ ich mich zum schwersten Tod verdammen. +Ich sank auf die gefaltnen Hände vor, +Ins Feuer schauend--wen ich brennen sehen, +Des Bild stieg jetzt vor meinem Geist empor. +Die Führer nahten sich, mir beizustehen, +Und tröstend sprach zu mir Virgil: "Mein Sohn, +Du kannst zur Qual hier, nicht zum Tode gehen. +Gedenk’, gedenke--konnt’ ich früher schon +Dich sicher auf Geryons Rücken führen +Wie jetzt, viel näher hier bei Gottes Thron? +War’ auch die Glut noch loher anzuschüren, +Und stündest du auch tausend Jahre drin, +Doch dürfte sie dir nicht ein Haar berühren. +Glaubst du, daß ich nicht treu der Wahrheit bin, +So nahe dich und halt, um selbst zu schauen, +Des Kleides Saum mit deinen Händen hin. +Leg’ ab, mein Sohn, leg’ ab hier jedes Grauen, +Dorthin sei sicher jetzt dein Fuß gewandt!" +Doch säumt’ ich, wider besseres Vertrauen. +Er, sehend, daß ich starr und stille stand, +Sprach, fast unwillig: "Wie, Sohn, noch verdrossen? +Von Beatricen trennt dich diese Wand!" +Wie sterbend Ppyramus den Blick erschlossen, +Da’s: Thisbe! klang, gekehrt zum teuren Bild, +Als blut’ges Rot die Maulbeer’ übergossen; +So kehrt’ ich, nicht mehr hart, nein, sanft und mild, +Zum Führer mich, sobald der Nam’ erschollen, +Der ewig frisch in meinem Herzen quillt. +Drob schüttelt er das Haupt und sagte: "Sollen +Wir diesseits bleiben?" lächelnd, denn ich tat +Wie Knaben, die, besiegt vom Apfel, wollen. +Drauf trat er vor mir in die Flamm’ und bat +Den Statius, uns folgend, nachzukommen, +Der uns vorher getrennt den langen Pfad. +Ich folgt’ und hätt’, um Kühlung zu bekommen, +Mich in geschmolznes Glas gestürzt. So war +Im höchsten Übermaß die Flamm’ entglommen. +Doch bot mir Trost mein süßer Vater dar, +Sprechend von ihr, und half mir weiter dringen, +Und sprach: "Ich seh’ im Geist ihr Augenpaar!" +Wir hörten jenseits eine Stimme singen, +Und dieser folgten wir, ihr horchend, nach, +Indem wir, wo man stieg, der Flamm’ entgingen. +"Gesegnete des Vaters, kommt!" so sprach +Die Stimm’ aus einem Licht, dort aufgegangen, +Bei dessen Anschau’n mir das Auge brach. +"Die Sonne geht, der Abend kommt"--so klangen +Die Töne fort--"nicht weilt, beeilt den Lauf, +Bevor den Westen dunkles Grau umfangen." +G’rad’ durch den Felsen ging der Weg hinauf, +Und, ostwärts steigend, hielt vor meinen Tritten +Ich die schon matten Sonnenstrahlen auf. +Und als wir wenig Stufen aufgeschritten, +Bemerkten wir am Schatten, der verging, +Sol, uns im Rücken, sei ins Meer geglitten. +Eh gleiches Grau den Horizont umfing +In allen seinen unermeßnen Teilen, +Eh Nacht um alles ihren Schleier hing, +Da mußt’ auf einer Stufe jeder weilen, +Die uns zum Bett ward, denn die Zeit benahm +Die Macht mehr, als die Lust, empor zu eilen. +Gleichwie die Ziegenherde, satt und zahm, +Im Schatten wiederkäut in stillem Brüten, +Die, hungrig, jähen Sprungs zur Höhe kam, +Wenn nun im Mittagsbrand die Luft’ entglühten, +Indes der Hirt den Stab zur Stütze macht, +Und dorten steht, gestützt, um sie zu hüten; +Und wie ein Hirt im freien Feld bei Nacht, +Damit kein wildes Tier der Herde schade, +Und sie zerstreu’, entlang der Hürde wacht; +So jetzt wir drei auf engem Bergespfade, +Der Zieg’ ich gleich, den Hirten jenes Paar, +Umschlossen hier und dort vom Felsgestade. +Ob wenig gleich zu sehn nach außen war, +Doch sah ich durch dies wenige die Sterne +Weit mehr, als sonst gewöhnlich, groß und klar. +Indes ich staunt’ in unermeßne Ferne, +Befiel mich Schlaf, der öfters uns befällt, +Damit der Geist die Zukunft kennen lerne. +Zur Stunde, glaub’ ich, da vom Sternenzelt +Cytherens erster Strahl die Höhe schmückte. +Wie immerdar, von Liebesglut erhellt, +Sah ich im Traum, der mich mir selbst entrückte, +Ein schönes junges Weib, das hold bewegt, +Durch Wiesen ging und singend Blumen pflückte. +"Lea bin ich, dies wisse, wer mich fragt, +Ich liebe, Kränze windend, hier zu wallen, +Und emsig wird die schöne Hand geregt. +Ich will, geschmückt, im Spiegel mir gefallen. +Die Schwester Rahel liebt es, stets zu ruh’n, +Und läßt dem Spiegel keinen Blick entfallen. +Und freut sie sich der schönen Augen nun, +So bin ich froh, mich mit den Händen schmückend, +Denn schau’n befriedigt sie, und mich das Tun." +Des Tages Vorlicht, um so mehr entzückend, +Je mehr des Pilgrims Nachtquartier dem Ort +Der Heimat nah ist, scheuchte, höher ruckend, +Die Finsternis von allen Seiten fort, +Mit ihr den Traum; drum eilt’ ich, aufzusteigen, +Und sah schon aufrecht beide Meister dort. +"Die süße Frucht, die auf so vielen Zweigen +Voll Eifer sucht der Sterblichen Begier, +Bringt alle deine Wünsche heut zum Schweigen!" +Mit dieser Rede sprach Virgil zu mir, +Und nie empfand bei Erdenherrlichkeiten +Ein Mensch noch solche Lust, als ich bei ihr. +Hinauf! Mich trieb’s und trieb’s, hinauf zu schreiten! +So fühlt’ ich nun mit jedem Schritt zum Flug +Die Schwingen wachten und sich freier breiten. +Und wie er mich empor die Stufen trug, +Stand bald ich auf der höchsten dort mit beiden, +Wo fest auf mich Virgil die Augen schlug. +"Des zeitlichen und ew’gen Feuers Leiden +Sahst du, und bist, wo weiterhin nichts mehr +Ich durch mich selbst vermag zu unterscheiden. +Durch Geist und Kunst geleitet’ ich dich her; +Zum Führer nimm fortan dein Gutbedünken; +Dein Pfad ist fürderhin nicht steil und schwer. +Sieh dort die Sonn’ auf deine Stirne blinken, +Sieh, durch des Bodens Kraft und ohne Saat +Entkeimt, dir Gras, Gesträuch und Blumen winken. +Bis sich dir froh ihr schönes Auge naht +Das mich zu dir einst rief mit bittern Zähren, +Ruh’ oder wandle hier auf heiterm Pfad. +Nicht harre fürder meiner Wink’ und Lehren, +Frei, g’rad’, gesund ist, was du wollen wirst, +Und Fehler wär’ es, deiner Willkür wehren, +Drum sei fortan dein Bischof und dein Fürst. + + +Achtundzwanzigster Gesang + +Begierig schon, zu spähn umher und innen +Im göttlichen, lebend’gen, dichten Wald, +Der sanft den Morgen milderte den Sinnen, +Verließ ich das Gestad nun alsobald, +Um langsam, langsam in das Feld zu treten, +Auf einem Grund, dem ringsum Duft entwallt. +Von einem Lüftchen, einem sanften, steten, +Ward leiser Zug an meiner Stirn erregt, +Nicht mehr, als ob mich Frühlingswind’ umwehten. +Er zwang das Laub, zum Zittern leicht bewegt, +Sich ganz nach jener Seite hin zu neigen, +Wohin der Berg den ersten Schatten schlägt. +Doch nicht so heftig wühlt’ er in den Zweigen, +Daß es die Vöglein hindert’, im Gesang +Aus grünen Höh’n all ihre Kunst zu zeigen. +Nein, wie der Lüfte Hauch ins Dickicht drang, +Frohlockten sie ihr Morgenlied entgegen, +Wozu, begleitend. Laubgeflüster klang, +So klingt’s, wenn Zweig’ um Zweige sich bewegen +Im Fichtenwald an Chiassis Meergestad, +Sobald sich des Schirokko Schwingen regen. +Schon war ich mit langsamem Schritt genaht, +Und bald so dicht vom alten Hain umschlossen, +Daß nicht zu sehn war, wo ich ihn betrat. +Da sieh die Bahn durch einen Bach verschlossen, +Der links hin, mit der kleinen Wellen Schlag +Die Gräser bog, die seinem Bord entsprossen. +Das reinste Wasser hier am klarsten Tag, +Trüb scheint es und vermischt mit fremden Dingen, +Vergleicht man’s dem, wo nichts sich bergen mag, +Obwohl, da Schatten ewig es umringen, +Es dunkel, dunkel strömt und nie hinein +Der Sonne noch des Mondes Strahlen dringen. +Es stand mein Fuß; doch jenseits in den Hain +Ließ übern Fluß ich meine Blicke schreiten, +Und sah dort mannigfache grüne Mai’n. +Und mir erschien--so stellt dem Blick zuzeiten +Sich unversehn Erstaunenswertes dar, +Den Geist von allem andern abzuleiten-- +Ein einsam wandelnd Weib, das wunderbar +Im Gehen sang, aufsammelnd Blüt’ um Blüte, +Womit vor ihr bemalt der Boden war. +"O Schöne, die du, zeigt sich das Gemüte, +Wie’s pflegt, im Äußern, mich zu glauben zwingst, +Daß an der Liebe Strahl dein Herz entglühte, +O käme Lust dir, daß du näher gingst," +Ich sprach’s zu ihr, den Fuß zum Bache lenkend, +"Daß ich verstehen könne, was du singst. +Dich seh’ ich jetzt, Proserpinens gedenkend, +Des Orts auch, wo die Mutter sie verlor, +Und sie den Lenz, sich in die Nacht versenkend." +Und wie die Tänzerin, die kaum empor +Die Sohlen hebt, mit engen Schritten gleitend, +Ein zartes Füßlein kaum dem andern vor; +So sah ich sie, durch bunte Blumen schreitend, +Jungfräulich bodenwärts den Blick gewandt, +Und Ehrbarkeit und Würde sie begleitend, +5o daß ich bald den Wunsch befriedigt fand, +Indem ich, wie sie näher hergezogen, +Den Sinn des süßen Liedes wohl verstand. +Sobald sie dort war, wo des Flusses Wogen +Den grünen Rasen am Gestad besprüh’n, +Erhob sie hold der Wimpern schöne Bogen. +Nicht mocht’, als Amor, übermäßig kühn, +Die Mutter wund mit seinem Pfeile machte, +In solcher Lust Cytherens Auge glüh’n. +Am rechten Ufer stand sie dort und lachte, +Und pflückte Blumen von der Wiese Saum, +Die ohne Saat hervor die Höhe brachte. +Das Bächlein trennt’ uns um drei Schritte kaum, +Doch Hellespont, den Xexes überschritten, +Noch jetzt dem höchsten Menschenstolz ein Zaum, +Hat schärfer nicht Leanders Haß erlitten, +Indem er Sestos und Abydos schied, +Als meinen er, ein Hemmnis meinen Schritten. +"Ihr seid hier neu und weil in dem Gebiet," +Begann sie nun, "das an der Menschheit Morgen +Zu ihrer Wiege Gott, der Herr, beschied, +Ich lächle, staunt ihr noch und seid in Sorgen. +Doch zeigt der Psalm: Herr, du erfreutest mich-- +Euch klar das Licht, das Nebel noch verborgen. +Du, der du vorn stehst und mich batest, sprich; +Noch scheinst du einem Zweifel nachzuhängen, +Drum frage nur, und ich befried’ge dich." +"Das Wasser," sprach ich, "samt des Waldes Klängen, +Sie müssen das, worauf ich kaum getraut, +Da sie ihm widersprechen, hart bedrängen." +Drum sie: "Vom Grunde des, was du geschaut, +Und was gehört, sei Kunde dir beschieden; +Sie scheucht den Nebel, welcher dich umgraut. +Das höchste Gut, allein in sich zufrieden, +Den Menschen schuf’s zum Guten gut, und wies +Dies Land ihm an, als Pfand für ew’gen Frieden, +Aus welchem bald ihn seine Schuld verstieß, +Die Schuld, die süße Spiele mit Beschwerden, +Mit Zähren ehrbar Lachen wechseln ließ. +Damit, entqualmt dem Wasser und der Erden +Die Dünste, die der Hitze nach, so weit +Es möglich ist, emporgezogen werden, +Ihn nicht befehdeten mit ihrem Streit, +Stieg himmelwärts der Berg in solcher Weise, +Und ist vom Tor an ganz von Dunst befreit. +Nun, weil noch immerfort im ersten Gleise +Der Lüfte ganzer Zirkellauf sich dreht, +Wenn nichts ihn unterbricht in seinem Kreise, +Trifft diesen Gipfel, der frei ragend steht, +Die Lebensluft, die, jedes Blatt bewegend, +Den dichten Wald mit diesem Klang durchweht. +Die Pflanze, sich in ihrem Hauche regend, +Beschwängert dann die Luft mit ihrer Kraft, +Und diese streut sie aus in jede Gegend. +Die Länder, wie ihr Boden wirkt und schafft, +Ihr Himmelsstrich und ihre Lage, treiben +Dann Bäume von verschiedner Eigenschaft. +Nun wird dies fürder nicht ein Wunder bleiben, +Wie manche Pflanzen, wo man nicht bestellt, +Ja, ohne sichtbar’n Samen doch bekleiben. +Und wissen sollst du, daß im heil’gen Feld, +In dem du bist, die Samen alle sprießen, +Und Früchte, nie gepflückt in eurer Welt. +Den Fluß auch siehst du nicht aus Adern fließen, +Genährt vom Dunst, den Kälte niederpreßt, +Die bald vertrocknen, bald sich wild ergießen. +Ihm ward ein Quell, aus welchem, stät und fest, +Die Wässer, die dem Doppelarm entfluten, +Die Wille Gottes neu ersetzen läßt. +Der Arm hier hat die Kraft, daß in den Fluten +Jedweder Schuld Erinnerung versinkt; +Der andre dort erneuert die des Guten, +Der hier heißt Lethe; aber dorten winkt +Dir Eunoe--allein nur jenen letzen +Wird seine Kraft, der aus dem erstem trinkt. +Kein Wohlgeschmack ist seinem gleich zu schätzen; +Und wäre schon genügend, was ich sprach, +Vermöcht’ ich auch nichts weiter zuzusetzen, +Doch bring’ ich gern noch einen Zusatz nach, +Und deinen Dank vermein’ ich zu verdienen, +Wenn ich dir mehr erfüll’, als ich versprach. +Den alten Dichtern, glaub’ ich, wenn von ihnen +Gepriesen ward das Glück der goldnen Zeit, +War dieser Ort im Traumgesicht erschienen. +Hier sproß die Menschheit ohne Schuld und Leid, +Hier jede Frucht in ew’gem Frühlingsleben, +Hier schmeckst du noch des Nektars Lieblichkeit." +Und als sie noch mir solches kundgegeben, +Kehrt’ ich mich um, und sah ein Lächeln hier, +Bei diesem Schluß, der Dichter Mund umschweben, +Dann aber wandt’ ich wieder mich zu ihr. + + +Neunundzwanzigster Gesang + +In Sang, nach liebentglühter Frauen Art, +ließ sie zuletzt der Rede Schluß verhallen: +"Heil, wem bedeckt jedwede Sünde ward." +Und gleichwie Nymphen, in der Waldnacht Hallen, +Hier vor der Sonne Strahlen fliehend, dort +Aufsuchend ihren Schimmer, einsam wallen; +Ging sie dem Strom entgegen hin am Bord, +Ich, folgend kleinem Schritt mit kleinem Schritte, +Ging sie begleitend gegenüber fort. +Kaum hundert waren mein’ und ihrer Tritte, +Da bog mit beiden Ufern sich der Bach, +Und ostwärts ging ich durch des Waldes Mitte. +Nicht lange zog ich dieser Richtung nach, +Da sah ich sich zu mir die Schöne wenden: +"Mein Bruder, halt’ itzt Ohr und Auge wach!" +Sie sprach’s, und gleich durchlief von allen Enden +Ein schnell entstandner Glanz den großen Hain; +Ich glaubt’, es möge mich ein Blitzstrahl blenden, +Doch weil, wie kommt, so geht des Blitzes Schein +Und dieser Glanz sich dauernd nur vermehrte, +So dacht’ ich still bei mir: Was mag das sein? +Und durch die Luft, die helle, lichtverklärte, +Zog süßer Laut, und eifrig schalt ich jetzt. +Daß Evas Frevelmut zu viel begehrte. +Wo Erd’ und Himmel nicht sich widersetzt, +Da fühlt’ ein Weib sich, kaum der Ripp’ entsprossen, +Vom Schleier, der ihr Aug’ umzog, verletzt. +O hätte sie sich fromm in ihm verschlossen, +Hätt’ ich die überschwänglich große Lust, +Wohl früher schon und länger dann genossen. +Nachdem ich zweifelnd, meiner kaum bewußt, +In diesen Erstlingswonnen fortgegangen, +Mit Drang nach größern Freuden in der Brust, +Da glüht’, als war’ ein Feuer aufgegangen, +Die Luft im Laubgewölb’--es scholl ein Ton, +Und deutlich hört’ ich bald, daß Stimmen sangen. +Hochheil’ge Jungfrau’n, wenn ich öfter schon +Frost, Hunger, Wachen treu für euch ertragen, +Jetzt treibt der Anlaß mich, jetzt fordr’ ich Lohn. +Laßt auf mich her des Pindus Wellen schlagen, +Urania sei meine Helferin, +Was schwer zu denken ist, im Lied zu sagen. +Ich glaubte sieben Bäume weiterhin +Von Gold zu schau’n, allein vom Schein betrogen +War durch den weiten Zwischenraum mein Sinn. +Denn als ich nun so nahe hingezogen, +Daß sich vom Umriß, der den Sinn betört, +Gestalt und Art durch Ferne nicht entzogen, +Da ließ die Kraft, die den Verstand belehrt, +Anstatt der Bäume Leuchter mich erkennen, +Und deutlich ward Hosiannasang gehört. +Und oben sah ich das Geräte brennen, +Und heller ward die Flamm’ als Lunas Licht +In Monats Mitt’ um Mitternacht zu nennen. +Zum Führer wandt’ ich staunend mein Gesicht, +Doch nichts vermocht’ er weiter vorzubringen, +Als was ein tief erstauntes Antlitz spricht. +Da blickt’ ich wieder nach den hohen Dingen, +Die langsamer als eine junge Braut, +Sich stillbewegend, mir entgegengingen. +"Was bist du doch", so schalt die Schöne laut, +"Für die lebend’gen Lichter so entglommen, +Daß nicht auf das, was folgt, dein Auge schaut?" +Und hinter ihnen sah ich Leute kommen, +Wie man dem Führer folgt, weiß ihr Gewand, +Weiß, wie man nichts auf Erden wahrgenommen. +Das Wasser glänzte mir zur linken Hand, +Worin, wenn ich in seinen Spiegel sähe, +Ich meine linke Seite wiederfand. +Als ich am rechten Platze war, so nahe, +Daß nur der Fluß mich schied, hemmt’ ich den Schritt, +Um besser zu erschau’n, was dort geschahe. +Ich sah, wie jede Flamme vorwärts glitt, +Und hinter jeder blieb ein helles Strahlen, +Das, Pinselstrichen gleich, die Luft durchschnitt. +So sah man sieben Streifen oben strahlen, +Sie allesamt in jenen Farben bunt, +Die Phöbes Gurt und Phöbus’ Bogen malen. +Nicht ward ihr Ende meinem Auge kund, +Doch sah ich, daß an beiden äußern Grenzen +Zehn Schritt der erste von dem letzten stund. +Und wie ich also sah den Himmel glänzen, +Da zogen drunten, zwei an zwei gereiht, +Zweimal zwölf Greise her in Lilienkränzen. +Und alle sangen: "Sei gebenedeit +In Adams Töchtern! Herrlich und gepriesen +Sei deine Huld und Schön’ in Ewigkeit." +Und als nun die beblümten frischen Wiesen, +Die jenseits das Gestad des Bachs begrenzt, +Die Auserwählten nach und nach verließen, +Sah ich, wie Stern um Stern am Himmel glänzt, +Vier Tiere dort zunächst sich offenbaren, +Und jedes ward mit grünem Laub bekränzt +Und war versehn mit dreien Flügelpaaren, +Mit Augen ihre Federn ganz besetzt, +Wie die des Argus, als er lebte, waren. +Nicht viel der Reime, Leser, wend’ ich jetzt +Auf ihre Form, denn sparsam muß ich bleiben, +Da größrer Stoff mich noch in Kosten setzt. +Laß von Ezechiel sie dir beschreiben; +Von Norden sah er sie, so wie er spricht, +Mit Sturm, mit Wolken und mit Feuer treiben. +Wie ich sie fand, beschreibt sie sein Bericht, +Nur stimmt Johannes in der Zahl der Schwingen +Mir völlig bei und dem Propheten nicht. +Es stellt’ im Raum sich, den die Tier’ umfingen, +Ein Siegeswagen auf zwei Rädern dar, +Des Seil’ an eines Greifen Hälse hingen. +Und in die Streifen ging der Flügel Paar, +Die hoch, den mittelsten umschließend, standen, +So, daß kein Streif davon durchschnitten war. +Sie hoben sich so hoch, daß sie verschwanden; +Gold schien, soweit er Vogel, jedes Glied, +Wie sich im andern Weiß und Rot verbanden. +Nicht solchen Wagen zum Triumph beschied +Rom dem Augustus, noch den Afrikanen; +Ja, arm erschiene dem, der diesen sieht, +Sols Wagen, der, entrückt aus seinen Bahnen, +Verbrannt ward auf der Erde frommes Fleh’n +Durch Zeus’ gerechten Ratschluß, wie wir ahnen, +Man sah im Kreis drei Frau’n sich tanzend dreh’n +Am Rande rechts, und hochrot war die eine, +Gleich lichter Glut der Flammen anzusehn. +Die zweite glänzte hell in grünem Scheine, +Gleich dem Smaragden, und die dritte schien +Wie frisch gefallner Schnee an Weiß’ und Reine. +Die Weiße sah man bald den Reigen zieh’n, +Die Rote dann, und nach dem Sang der letzten +Die andern langsam gehn und eilig flieh’n. +Links vier im Purpurkleid, die sich ergötzten, +Und, wie die eine, mit drei Augen, sang, +Nach ihrer Weis im Tanz die Schritte setzten. +Nach allen diesen kam den Pfad entlang, +Ungleich in ihrer Tracht, ein paar von Alten, +Doch gleich an Ernst und Würd’ in Mien’ und Gang. +Der erste war für einen Freund zu halten +Des Hippokrat, den die Natur gemacht, +Um ihrer Kinder liebste zu erhalten. +Der andre schien aufs Gegenteil bedacht, +Mit einem Schwert, und durch das scharfe, lichte, +Ward ich diesseits des Bachs in Angst gebracht. +Dann kamen vier daher, demüt’ge, schlichte, +Und hinter ihnen kam ein Greis, allein +Und schlafend, mit scharfsinnigem Gesichte. +Die sieben schienen gleich an Tracht zu sein +Den ersten zweimal zwölf, doch nicht umblühten +Die Häupter Lilienkränz’ in weißem Schein, +Rosen vielmehr und andre rote Blüten, +Und wer vom weiten sie erblickte, schwor, +Daß oberhalb der Brau’n sie alle glühten. +Mir gegenüber fuhr der Wagen vor, +Worauf ein Donnerhall mein Ohr ereilte, +Und sich des Zugs Bewegung schnell verlor, +Der jetzt zugleich mit seinen Fahnen weilte. + + +Dreißigster Gesang + +Sobald der Empyre’n Gestirn des Norden, +(Das nimmer aufgeht, noch sich wieder senkt, +Und das durch Sünden nur umnebelt worden; +Bei welchem jeder dort der Pflicht gedenkt, +Zu der es leitet, wie den Kahn hienieden, +Das, welches tiefer steht, zum Hafen lenkt), +Stillstand, da wandten, die’s vom Greifen schieden, +Die zweimal zwölf und vier Wahrhaften, sich +Zum Wagen hin als wie zu ihrem Frieden. +Und einer, der des Himmels Boten glich, +Rief dreimal singend zu der andern Sange: +"Komm, Braut vom Libanon, und zeige dich!" +Wie bei des Weltgerichts Posaunenklange +Der Sel’gen Schar, mit leichtem Leib umfahn, +Dem Grab erstehen wird mit eil’gem Drange, +So hoben von des heil’gen Wagens Bahn +Wohl hundert sich bei solcher Stimme Schalle, +Des ew’gen Lebens Diener, himmelan. +"Heil dir, der kommt!" so klang’s im Widerhalle, +"Streut Lilien jetzt mit vollen Händen hin!" +Und Blumen warfen rings und oben alle. +Schon sah ich bei des Tages Anbeginn +Geschmückt den Osten sich mit Rosen zeigen, +Sah klar den Himmel und die Königin +Des Tages, sanft umschattet, höher steigen, +So daß, da ihren Schimmer Dunst umfloß, +Mein Blick ihn aushielt, ohne sich zu neigen. +Hier, durch die. Blumenflut, die sie umschloß, +Und niederstürzend um und in den Wagen, +Sich aus der Himmelsboten Hand ergoß, +Sah ich ein Weib in weißem Schleier ragen, +Olivenzweig’ ihr Kranz, und ums Gewand, +Das Feuer schien, des Mantels Grün geschlagen. +Mein Geist, dem schon so manches Jahr entschwand, +Seit er in ihrer Gegenwart mit Beben +Demüt’gen Staunens bange Lust empfand, +Fühlt’, eh das Aug’ ihm-Kunde noch gegeben, +Durch die geheime Kraft, die ihr entquoll, +Die alte Liebe mächtig sich erheben. +Kaum war der hohen Kraft die Seele voll, +Der Kraft, durch die, bevor ich noch entgangen +Der Knabenzeit, mein wundes Herz erschwoll, +So wandt’ ich links mich hin, mit dem Verlangen, +Mit dem ein Kind zur Mutter läuft und Mut +Im Schrecken sucht und Trost im Leid und Bangen, +Um zu Virgil zu sagen: "Ach mein Blut! +Kein Tröpflein blieb mir, das nicht bebend zücke-- +Ich kenne schon die Zeichen alter Glut." +Doch sein beraubt ließ uns Virgil zurücke, +Virgil, der väterliche Freund--Virgil, +Dem sie mich übergab zu meinem Glücke. +Was Eva einst verloren, da sie fiel, +Nicht half es mir, die Tränen zu vermeiden, +Wovon ein Strom die Wangen niederfiel. +"O Dante, mag Virgil auch von dir scheiden, +Nicht weine drum, noch jetzo weine nicht; +Zu weinen ziemt dir über andres Leiden!" +Und wie mit ernstgebietendem Gesicht +Ein Admiral, der, musternd seine Scharen +Vom hohen Bord, sie mahnt an ihre Pflicht, +So war sie links im Wagen zu gewahren, +Als ich nach meines Namens Klang mich bog, +Den hier die Not mich zwang, zu offenbaren; +Ich sah die Frau, die erst sich mir entzog, +Als sie erschien, in jener Engelfeier, +Wie nach mir her ihr Blick von jenseits flog. +Doch ihr vom Haupte wallend ließ der Schleier, +Der von Minervens Laub umkränzet ward, +Mir ihren Anblick nur noch wenig freier. +Stolz sprach sie nun mit königlicher Art, +Gleich einem, der erst mild spricht, anzuschauen, +Und sich das härtre Wort fürs Ende spart: +"Schau’ her, Beatrix bin ich! Welch Vertrauen +Führt dich zu diesen Höh’n? Wie? Weißt du nicht, +Beglückte wohnen nur in diesen Auen." +Ich sah zum Bach hinab, sah mein Gesicht, +Sah auf die Blumen dann, die mich umgaben, +Gedrückt die Stirn von schwerer Scham Gewicht. +So stolz erscheint die Mutter ihrem Knaben, +Wie sie mir schien; denn ihr mitleidig Wort +Schien den Geschmack der Bitterkeit zu haben. +Sie schwieg, da sang der Engel Chor sofort +Den Psalmen: Herr, auf dich nur steht mein Hoffen, +Bis: Stellest meine Fuß auf weiten Ort. +Wie auf den Rücken Welschlands, welcher offen +Den Stürmen ragt, der Schnee, im Frost gehäuft, +Zu Eis erstarrt, vom slaw’schen Wind getroffen, +Dann, in sich selbst versickernd, niederträuft, +Wenn laue Wind’ aus Libyen ihn verzeihen, +So wie, dem Feuer nah, das Wachs zerläuft; +So war ich ohne Seufzer, ohne Zähren, +Bevor die Engel sangen, deren Sang +Nur Nachklang ist vom Lied der ew’gen Sphären. +Doch als im Lied ihr Mitleid mir erklang, +Wohl heller klang, als hätten sie gesungen: +"Was, Herrin, machst du ihm das Herz so bang?" +Da ward das Eis, das fest mein Herz umschlungen, +Zu Hauch und Wasser bald und kam durch Mund +Und Auge bang aus meiner Brust gedrungen. +Sie, welche, wie zuvor, im Wagen stund, +Sie wandte sich dem Engelchor entgegen, +Und tat den heil’gen Scharen dieses kund: +"Ihr wacht im ew’gen Tag, und nimmer mögen +Euch einen Schritt entziehen Schlaf und Nacht, +Den das Jahrhundert tut auf seinen Wegen. +Drum ist die Antwort wohl für ihn bedacht, +Der drüben weint, damit sie klar beweise, +Daß große Schuld auch große Schmerzen macht. +Nicht durch die Kraft allein der ew’gen Kreise, +Die jedes Wesen zu dem Ziele lenkt, +Das ihm sein Stern gesteckt für seine Reise, +Durch das auch, was die Gnade Gottes schenkt, +Sie, deren Regen solche Dünst’ umgeben, +Daß sich kein Blick in ihre Tiefen senkt, +War dieser einst in seinem neuen Leben +Gar hoch begabt, um sich zur Trefflichkeit +Durch rechte Sitte mächtig zu erheben. +Doch wilder wird in schnöder Üppigkeit +Jedweder schlechte Same sich entfalten, +Je kräft’ger ist des Bodens Fruchtbarkeit. +Wohl wußt’ ich ein’ge Zeit ihn festzuhalten, +Indem ich ihm die jungen Augen wies; +Da ließ er gern als Führerin mich walten. +Doch hatt’ er, als ich kaum die Welt verließ, +Zum bessern Sein zu gehn, sich mir entzogen, +Indem er andern ganz sich überließ. +Als ich vom Fleisch zum Geist emporgeflogen, +Und höh’re Tugend, höhern Reiz empfah’n, +Da war er minder hold mir und gewogen. +Er wandte seinen Schritt zur falschen Bahn, +Trugbildern folgend schnöden Wonnelebens, +Den falschen Lockungen und leerem Wahn. +Im Traum und Wachen rief ich ihn vergebens, +Und Mahnung haucht’ ich ihm und Warnung ein, +Doch blieb er taub im Leichtsinn eiteln Strebens. +Ein Mittel könnt’ ihm nur zum Heil gedeih’n, +So tief schon hatt’ er sich im Wahn verloren, +Und solches war der Anblick ew’ger Pein. +Deswegen drang ich zu der Hölle Toren +Und habe den, der ihn herauf geführt, +Mit Bitten und mit Tränen dort beschworen. +Nicht wär’s, wie sich’s nach ew’gem Rat gebührt, +Wenn er durch Lethe ging’ und sie genösse, +Und nicht vorher, bußfertig und gerührt, +In Reuezähren seine Schuld ergösse. + + +Einunddreißigster Gesang + +"Du, jenseits dort am heil’gen Strom," so kehrte +Sie jetzt der Rede Spitze gegen mich, +Nachdem die Schneide schon mich hart versehrte, +Fortfahrend ohne Säumen: "Sprich, o sprich, +Ist dieses wahr? Erkennst du deine Fehle? +Auf solche Klage ziemt die Beichte sich." +Die Stimme regte sich, doch in der Kehle +Erstarb das Wort; denn, statt gehoffter Huld. +Verwirrte finstre Strenge meine Seele. +Nur wenig hatte sie mit mir Geduld: +"Was sinnst du? Sprich! Noch tilgten nicht die Wogen +Der Lethe die Erinnrung deiner Schuld." +Furcht und Verwirrung, sich vermischend, zogen +Ein Ja! aus meinem Mund, das zwar erblickt +Vom Auge ward, allein dem Ohr entzogen. +Gleichwie zu scharf gespannt die Armbrust knickt, +Und, wenn sich Sehn’ und Bogen überschlagen, +Den Pfeil mit mindrer Kraft zum Ziele Schickt, +So brach, zu schwach, so schwere Last zu tragen, +Ich jetzt in Seufzer aus und Tränenflut +Und ließ den Ton sich nicht ins Freie wagen. +Drum sie zu mir: "In meiner Wünsche Glut, +Die einst dich jenes Gut zu lieben führte, +Das unserm Wunsch entrückt all andres Gut. +Welch eine Kette war’s, die dich umschnürte, +Das auf den Fortschritt, mit verzagtem Sinn, +Die Hoffnung abzulegen dir gebührte. +Und welche Fördrung, welcherlei Gewinn, +Die lockend dir von andrer Stirne lachten? +Was führte dich zu ihrem Wege hin?" +Nach einem tiefen, bittern Seufzer machten +Sich Töne mühsam frei aus meiner Brust, +Die kaum als Wort’ hervor die Lippen brachten. +"Die Gegenwart, mit ihrer falschen Lust," +So weint’ ich, "hat, als eure Blick’ entschwanden, +Rückwärts zu wenden meinen Schritt gewußt." +"Verschwiegst, vermeintest du, was du gestanden," +Sprach sie, "nicht minder wär’s dem Richter kund, +Vor dessen Blick die Lüge nie bestanden. +Doch wenn man sich verklagt mit eignem Mund. +So wird hier abgestumpft das Schwert der Rache, +Und Gnade macht des Sünders Herz gesund. +Drum, daß dein Wahn dich mehr erröten mache, +Und daß dein Herz zu jeder andern Zeit +Die Lockung der Sirenen kühn verlache, +Laß ab vom Weinen jetzt und Traurigkeit; +Vernimm vielmehr, welch andern Weg zu wallen +Dir ziemend war, als mich der Tod befreit. +Nichts ließ Natur und Kunst dir je gefallen, +Wie jenen Leib, in dem ich dort erschien, +Des schöne Glieder jetzt in Staub zerfallen. +Und sahest du die höchste Wonn’ entflieh’n +Bei meinem Tod, was konnte dich besiegen? +Welch ird’sche Lust dich fürder an sich zieh’n? +Beim Reiz der Dinge, die das Herz betrügen, +Bei ihrem ersten Pfeil, war’s ziemend, mir, +Die ich mein Sein verwandelt, nachzufliegen. +Nicht niederzieh’n sollt’ er die Schwingen dir, +Nicht harren solltest du der andern Pfeile, +Des Mägdleins nicht, nach andrer eitlen Zier. +Der junge Vogel harrt in träger Weile +Des zweiten Pfeils, doch der beschwingte flieht +Und schützt vor Netz und Pfeilen sich durch Eile." +Gleichwie ein Knabe schweigend niedersieht, +Wenn Vorwurf und Bewußtsein ihn verstören, +Und Reue sein Gesicht zur Erde zieht; +So stand ich dort: "Betrübt dich schon das Hören," +Sie sprach’s, "So sei emporgewandt dein Bart; +Das Schauen wird noch deinen Schmerz vermehren."- +In ihrem Widerstande minder hart, +Läßt ihrem Grund die Eiche sich entreißen, +Wenn sie von Nordsturms Macht durchschüttelt ward, +Als ich das Kinn erhob, da sie’s geheißen. +Auch fühlt’ ich, da sie Bart für Antlitz sprach, +Des Wortes Gift an meinem Herzen reißen. +Das Antlitz hob ich zögernd und gemach, +Und sieh, die schönen englischen Gestalten, +Sie ließen jetzt im Blumenstreuen nach. +Mein Blick, kaum fähig noch, ein Bild zu halten, +Erschaute sie, dem Greifen zugewandt, +In dem, dem einen, zwei Naturen walten. +Sie schien, verschleiert, jenseits dort am Strand, +Das, was sie einst war, jetzt zu überwinden, +Wie sie vordem die andern überwand. +Wie mußt’ ich da der Reue Schmerz empfinden! +Wie, was mich von ihr abgewandt, die Lust +Der eiteln Welt jetzt hassenswürdig finden! +So nagte Selbstbewußtsein meine Brust, +Daß ich hinsank--mit welchem innrem Beben, +Ihr, die es mir erregt, ihr ist’s bewußt. +Als äußre Kraft das Herz mir neu gegeben, +Sprach über mir sie, die mir erst allein +Erschienen war: "Mich fass, um dich zu heben!" +Sie zog mich bis zum Hals den Fluß hinein, +Glitt, wie ein Webschiff, ohne sich zu senken, +Auf seiner Fläch’ und zog mich hinterdrein, +Um mich zum sel’gen Ufer hinzulenken. +Dort klang’s: "Entsünd’ge mich!" so süß--ich kann +Es nicht beschreiben, ja, nicht wieder denken. +Die schöne Frau erschloß die Arme dann, +Umschlang mein Haupt und taucht’ es in die Wogen, +Drob ich vom Wasser trank, das mich umrann. +Drauf, als sie mich gebadet vorgezogen, +Bot sie zum Tanze mich den schönen vier, +Die hold um meinen Hals die Arme bogen. +"Wir sind am Himmel Sterne, Nymphen hier. +Und als zur Welt Beatrix kam, so gingen +Als ihre Dienerinnen wir mit ihr. +Wir werden dich ihr vor die Augen bringen; +Dir schärfen dann, fürs holde Licht darin +Den Blick die drei, die schauend tiefer dringen." +Sie sangen diese Worte zum Beginn, +Worauf sie mich zur Brust des Greifen brachten. +Dort wandte sie nach uns das Antlitz hin. +Sie sprachen dann: "Hier darfst du frei betrachten, +Wir stellten dich vor der Smaragden Licht, +Woraus dich wund der Liebe Pfeile machten." +Mir weckt’ ein glühend Sehnen ihr Gesicht +Und band an ihrer Augen Glanz die meinen; +Die ihren wichen vor dem Greifen nicht. +Und drinnen sah ich den zwiefachen Einen, +Gleichwie die Sonn’ im Spiegel, schimmernd klar, +Als diesen bald, als jenen bald erscheinen. +Nun denke, Leser, selbst, wie wunderbar, +Das Abbild, sich verwandelnd, zu erblicken, +Obwohl das Urbild stets dasselbe war. +Indes die Seel’ in Staunen und Entzücken +Die Speise kostete, die größern Drang +Nach sich erweckt, je mehr wir uns erquicken, +Da sah ich jene drei vom höchsten Rang, +Dies zeigte die Gebärd’, uns nahe kommen, +Den Engeltanz begleitend mit Gesang. +"Beatrix, laß den Blick, den heil’gen, frommen," +So sangen sie, "auf deinen Treuen sehn, +Der dich zu schau’n so hoch emporgeklommen. +Enthüll’ aus Gnad’ ihm deinen Mund, wir fleh’nl +Die zweite Schönheit, die du noch verborgen, +O laß sie auf vor seinen Augen gehen!" +O Glanz lebend’gen Lichts! o ew’ger Morgen! +Wer trank so tief aus des Parnassus Flut, +Wer ward so bleich in seinen Müh’n und Sorgen, +Daß er vermag, mit freiem, kühnem Mut +Sich deiner Schilderung zu unterfangen, +Wenn du bei Himmelsharmonien in Glut +Den unbewölkten Lüften aufgegangen? + + +Zweiunddreißigster Gesang + +Den zehenjähr’gen Durst zu löschen, hingen +An ihrem Reiz die Augen, so voll Gier, +Daß mir die andern Sinne ganz vergingen. +Seitwärts baut’ eine Mauer dort und hier +Nichtachtung auf, denn mit dem Netz, dem alten, +Zog mich ihr heil’ges Lächeln hin zu ihr. +Da wandten mir die himmlischen Gestalten +Mit Macht nach meiner Linken das Gesicht, +Mit diesem Ruf: Im Schauen Maß gehalten! +Nun stand ich dort wie einer, den das Licht +Der Sonne mit dem Flammenpfeil geblendet, +Und dem zunächst die Sehkraft ganz gebricht.’ +Doch als das wen’ge sie mir neu gespendet-- +Nach jenem vielen wenig und gering, +Von dem ich mit Gewalt mich abgewendet-- +Da sah ich, das ruhmvolle Kriegsheer fing +Sich rechts zu kehren an, indem’s den Lichten, +Den sieben, nach, der Sonn’ entgegenging. +Wie, wenn die Scharen auf den Sieg verzichten, +Sie unterm Schild sich mit der Fahne dreh’n, +Eh’ sie, geschwenkt, sich ganz zum Rückzug richten, +So war die Schar des Himmelreichs zu sehn, +Und eh’ sich um des Wagens Deichsel legte, +Sah man den Zug vor’ und vorübergehn. +Die sieben Frauen rechts und links, bewegte +Der Greif die heil’ge Last mit stiller Macht, +So daß an ihm sich keine Feder regte. +Ich, Statius, sie, die mich zum Furt gebracht, +Wir leiteten dem Rade nach die Schritte, +Das, umgeschwenkt, den kleinern Bogen macht. +So ging es durch des hohen Waldes Mitte, +Öd’, weil der Schlang’ einst Eva Glauben gab, +Und Engelsang gab Maß für unsre Tritte. +Dreimal so weit nur, als ein Pfeil herab +Vom Bogen fliegt, war nun der Zug gekommen, +Und Beatrice stieg vom Wagen ab. +"Adam!" so ward ein Murmeln rings vernommen, +Und einen Baum, von Laub und Blüten leer, +Umringt’ im Kreise nun die Schar der Frommen. +Sein Haar verbreitet sich so mehr, je mehr +Er aufwärts steigt, hoch, daß er selbst den Indern +Durch seine Höhe zum Erstaunen war’. +"Heil dir, o Greif, mit deinem Schnabel plündern +Willst du nicht diesen Baum, der Süßes zwar +Dem Gaumen gibt, doch Marter dann den Sündern." +So rief rings um den starken Baum die Schar. +Und er, in dem sich Leu und Aar verbunden: +"So nimmt man jedes Rechtes Samen wahr." +Die Deichsel, wo ich ziehend ihn gefunden, +Schob er zum öden Stamm und ließ am Baum, +Aus ihm entnommen, sie an ihn gebunden. +Wie unsre Pflanzen, wenn zum Meeressaum +Das große Licht sich senkt, von dem umschlossen, +Das nach den Fischen glänzt am Himmelsraum, +Sich üppig bläh’n zu neuen jungen Sprossen, +Jede gefärbt nach der Natur Gebot, . +Eh’ Sol den Stier erreicht mit seinen Rossen; +So, mehr als Veilchen zwar, doch minder rot +Als Rosenglut, erneute sich die Pflanze, +Die erst verwaist erschien und kahl und tot. +Und wie sie nun erblüht’ im neuen Glanze, +Ertönt’ ein nie gehörter Lobgesang, +Doch nicht ertrug mein müder Sinn das Ganze. +Könnt’ ich euch malen, wie mit süßem Klang +Von Pan und Syrinx einst Merkur den Späher, +Den unbarmherz’gen, zum Entschlummern zwang, +So zeigt’ ich, wie nach einem Urbild, eher, +Wie jener Sang in Schlummer mich gebracht, +Doch das Entschlummern sing ein bessrer Seher. +Ich springe bis zur Zeit, da ich erwacht, +Da mir ein Glanz zerriß den dunkeln Schleier, +Und eine Stimme rief: Steh auf, hab’ acht! +Wie zu der Blut’ des Baums, des Apfel teuer +Den Engeln sind, den nichts erschöpfen kann, +Der Speise gibt zur ew’gen Hochzeitsfeier, +Geführt, Jakobus, Petrus und Johann +Aus ihrer Ohnmacht bei dem Wort erstanden, +Bei dessen Klang wohl tiefrer Schlaf entrann, +Und nun vermindert ihre Schule fanden. +Denn Moses und Elias waren fort, +Und ihren Herrn in anderen Gewanden; +So ich--und über mich gebogen dort +Stand jetzt die Schöne, wie um mein zu hüten, +Die mich geführt entlang des Flusses Bord. +"Wo ist Beatrix?" rief ich, und mir glühten +Vor Angst die Wangen. "Auf der Wurzel", sprach +Die Schöne, "sitzt sie unter neuen Blüten. +Sieh hin, wer sie umgibt. Dem Greifen nach +Entfloh’n empor die anderen, mit Sange, +Der süßer, tiefer klang, als dort am Bach. +Ob sie noch mehr gesprochen und wie lange, +Nicht weiß ich es, denn mir im Auge stand +Sie, die mein Ohr versperrte jedem Klange. +Sie saß allein auf jenem reinen Land, +Wie’s schien, zur Hut des Wagens dort gelassen, +Den an den Baum der Zweigestalt’ge band. +Die sieben Nymphen sah ich sie umfassen, +Im Kreis, die Lichter haltend, die vom Zwist +Des Nord- und Südwinds nie sich löschen lassen. +"Als Fremdling weilst du dort nur kurze Frist +Und wirst mit mir als ew’ger Bürger bleiben +In jenem Rom, wo Christus Römer ist. +Zum Heil der Welt mit ihrem bösen Treiben +Schau’ auf den Wagen, um, was du gesehn, +Zurückgekehrt, den Menschen zu beschreiben." +Beatrix sprach’s--wie könnt’ ich widerstehn? +Ganz so, wie’s der Gebieterin gefallen, +Ließ ich voll Demut Geist und Auge gehn. +Nicht sah man je so schnell aus Himmels Hallen. +Aus dichter Wölk’, ein flammendes Geschoß, +Den Blitz aus fernster Höhe niederfallen, +Als auf den Baum Zeus’ Vogel niederschoß, +Nicht wühlend bloß in Blüten und in Blättern, +Die Rind’ auch brechend, die sein Mark umschloß. +Dann sah man ihn zum Wagen niederschmettern, +Der bei dem Stoße rechts und links sich bog, +Gleich einem Schiff im Kampf mit wilden Wettern. +Dann war ein Fuchs, der jähen Sprunges flog, +Ins Innre selbst des Wagens eingebrochen, +Wohin ihn Gier nach beßrer Speise zog. +Doch mit dem Vorwurf des, was er verbrochen, +Trieb meine Herrin ihn so eilig fort, +Als laufen konnten seine magern Knochen. +Und nochmals stürzte von dem hohen Ort, +Wie schon vorhin, der Adler in den Wagen, +Und ließ ihm viel von seinen Federn dort. +Und wie aus banger Brust der Laut der Klagen, +Klang aus dem Himmel eine Stimm’ und sprach: +"Mein Schifflein, schlechte Ladung mußt du tragen!" +Und unten, zwischen beiden Rädern, brach +Der Erde Grund, ausspeiend einen Drachen, +Der nach dem Wagen mit dem Schwanze stach. +Dann zog er ihn zurück, wie’s Wespen machen, +Nahm einen Teil des Bodens mit und schien, +Von dannen eilend, des Gewinns zu lachen. +Der Rest des Wagens blieb, doch sah man ihn +Mit Federn, die wohl reiner Sinn gespendet, +Wie üppig Land mit Gras, sich überzieh’n. +Und dieses Werk war so geschwind vollendet, +Und voll die Deichsel und das Räderpaar, +Bevor die Brust ein Oh! und Ach! beendet. +Und Häupter trieb, als er verwandelt war, +Der Wagen vor, an den vier Ecken viere, +Drei aber nahm man auf der Deichsel wahr, +Die letzten drei gehörnt wie die der Stiere, +Die ersten vier mit einem Horn versehn; +So glich er nie geschautem Wundertiere. +Und sicher, wie auf Bergen Schlösser stehn, +Saß eine zügellose Hure drinnen +Und ließ umher die flinken Augen späh’n. +Und, gleich, als solle sie ihm nicht entrinnen, +Stand ihr zur Seit’ ein Ries’, und diese zwei +Sah ich sich küssen und sich zärtlich minnen. +Allein, weil sie die Augen gierig frei +Auf mich gewandt, schlug sie der wilde Freier +Vom Kopf zum Fuß mit wütendem Geschrei. +Drauf löst’ er ab vom Baum das Ungeheuer, +Von Argwohn voll und wildem Zorn und Arg, +Und zog es durch den Wald, des dichter Schleier +Die Hure samt dem Wundertier verbarg. + + +Dreiunddreißigster Gesang + +Herr, eingefallen sind die Heiden! fingen, +Abwechselnd drei und vier, mit süßem Klang, +Doch tränenvoll, die Frauen an zu singen. +Beatrix horchte schweigend dem Gesang, +Verwandelt wie Maria, die mit Grauen +Des Mutterschmerzes unterm Kreuze rang. +Doch als nun ihrem Wort die andern Frauen +Erst Raum gegeben, sah ich sie erstehn, +G’rad’, aufrecht, gleich dem Feuer anzuschauen. +" Über ein kleines sollt ihr nicht mich sehn, +Und wiederum, ihr Schwestern, meine Lieben, +Über ein kleines werdet ihr mich sehn." +Sie sprach’s und stellte vor sich alle sieben, +Und hinter sich, durch ihren Wink allein, +Die Frau, mich und den Weisen, der geblieben. +Sie ging, doch mochten’s kaum zehn Schritte sein, +Die sie gegangen und uns gehen lassen, +Da blitzt’ ins Auge mir des ihren Schein. +"Geh itzt geschwinder," sagte sie gelassen, +"Komm näher her, daß, red’ ich nun mit dir, +Du wohl vermögend seist, mein Wort zu fassen." +Kaum war ich, wie ich sollte, nah bei ihr, +Da sprach sie: "Bruder, bist mir nah gekommen, +Doch zu erfragen wagst du nichts von mir?" +Wie wenn von zuviel Ehrfurcht schwer beklommen +Mit seiner Obrigkeit ein niedrer Mann +Halblaut und stockend spricht und kaum vernommen, +So sprach ich jetzt, da ich zu ihr begann: +"O Herrin, Ihr erkennt ja mein Verlangen, +Und was ich brauch’, und was mir frommen kann." +Und sie: "Mach’ itzt dich los von Scham und Bangen, +Ich will’s, und rede sicher nun und klar, +Und nicht wie einer, der im Traum befangen. +Der Wagen, den die Schlange brach, er war, +Doch wer dies zu verschulden sich nicht scheute, +Er fürchte Gottes Rach’ auf immerdar! +Nicht immer sonder Erben wird, wie heute +Der Adler sein, der ihm die Federn ließ, +Drob er erst Ungeheuer ward, dann Beute. +Schon nahen Sterne sich--wie ich’s gewiß +Im Geist erkannt, so sei es ausgesprochen-- +Da kommt, von Schranke frei und Hindernis, +Fünfhundert fünf und zehn hervorgebrochen, +Ein Gottgesandter, der die Dirn’ erschlägt +Zusamt dem Riesen, der mit ihr verbrochen. +Und hab’ ich jetzt dir Worte vorgelegt, +Wie Sphinx und Themis, schwierig zu erraten, +Daher dein Geist im Dunkel Zweifel hegt, +So lösen bald dies Rätsel dir die Taten +Statt der Najaden auf, und unbedroht +Verbleiben drob die Herden und die Saaten. +Merk’, was ich sagt’, und höre mein Gebot: +Du sollst es dort den Lebenden erzählen, +Im Leben, das ein Rennen ist zum Tod. +Nicht sollst du, wenn du dorten schreibst, verhehlen, +Wie du den Baum gesehn. Erinnre dich: +Du sahst zu zweien Malen ihn bestehlen. +Wer diesen Baum bestiehlt und freventlich +Verletzt, kränkt Gott mit tät’gen Lästerungen, +Denn er schuf heilig nur den Baum für sich. +Für solchen Raub hat qualenvoll gerungen +Fünftausend Jahr und mehr der erste Geist +Nach ihm, des Tod des Bisses Fluch bezwungen. +Wohl schlummert dein Verstand, wenn du nicht weißt, +So hoch sei jener Baum aus tiefen Gründen, +Wenn dir des Gipfels Bau dies nicht beweist. +Und hätte nicht, wie Elsas Flut, mit Rinden +Von Stein dein Grübeln die Vernunft bedeckt, +Und war’ ihr Licht dir nicht getrübt von Sünden, +So hättest du, was das Verbot bezweckt, +Und wie darin der Herr gerecht erscheine, +Am Baum durch solche Zeichen leicht entdeckt. +Doch weil dein Geist verhärtet ist zum Steine, +Befleckt von Schuld, verworren und berückt +Und blöde bei der Wahrheit hellem Scheine, +So nimm, zwar nicht als Wort, doch ausgedrückt +Als Bild, in dir die Rede mit von hinnen, +Wie man den Pilgerstab mit Palmen schmückt." +Und ich: "So fest, als nur im Wachse drinnen +Das Bild sich hält, das drein das Siegel gräbt, +Trag’ ich, was ihr gezeichnet habt, hier innen. +Doch was, wenn sich so hoch mein Blick nicht hebt, +Fliegt eu’r ersehntes Wort in solche Sphären, +Daß er es mehr verliert, je mehr er strebt." +"Auf, daß du wissest, welcher Schule Lehren", +So sprach sie, "du gefolgt, und sehst, wie weit +Sie meinem Wort zu folgen sich bewähren; +Und wie ihr fern mit eurem Wege seid +Von Gottes Weg, so fern, wie von der Erden +Des höchsten Himmels Glanz und Herrlichkeit." +Und ich: "Nicht will’s mir klar im Geiste werden, +Daß ich mich je entfernt von eurer Spur; +Nicht fühl’ ich im Gewissen drob Beschwerden." +"Entsinnst du dessen dich nicht mehr?" so fuhr +Sie lächelnd fort; "doch von der Lethe Fluten +Trankst du noch heute, des gedenke nur. +Und, wie man richtig schließt vom Rauch auf Gluten, +So siehest du durch dies Vergessen klar, +Daß du dich abgewandt vom wahren Guten. +Jetzt wahrlich stellt, von jeder Hülle bar, +Soviel, im engsten Kreise sich bewegend, +Dein Blick es fassen kann, mein Wort sich dar." +Und flammender, sich trägem Schrittes regend, +Betrat jetzt Sol des Meridians Gebiet, +Das stets ein andres ist in andrer Gegend. +Da standen still, wie, wer als Führer zieht +Vor einer Schar, sich schickt zum Stillestande, +Wenn er auf seinem Wege Neues sieht, +Die sieben Frau’n an dichten Schattens Rande. +Wie grünbelaubt schwarzästig Waldgeheg +Auf kalte Flüss’ ihn fließt im Alpenlande. +Euphrat und Tigris schien vor ihrem Weg +Sich aus derselben Quelle zu ergießen, +Sich dann, wie Freunde, trennend, still und träg. +"O Licht, der Menschheit Ruhm, welch Wasser sprießen +Seh’ ich aus einem Ursprung hier und dann +Sich von sich selbst entfernend weiterfließen?" +Auf diese Bitte hob Beatrix an: +"Mathilden bitt’,"--und diese sprach dagegen, +Wie wer vom Vorwurf leicht sich lösen kann: +"Dies und noch anderes ihm auszulegen, +Versäumt’ ich nicht, was, des bin ich gewiß, +Der Lethe Wässer nicht zu tilgen pflegen." +Beatrix drauf: "Die größre Sorg’ entriß, +Wie’s oft geschieht, dies seinem Angedenken +Und ließ sein geistig Aug’ in Finsternis. +Doch Eunoe sieh--eil’, ihn dahin zu lenken, +Und, wie du immer pflegst, ihm durch die Flut +Mit Leben die erstorbne Kraft zu tränken." +Wie ohn’ Entschuldigung, wer, mild und gut, +Als eignen Willen fremden aufgenommen, +Der sich durch Wink und Wort ihm zeigte, tut, +So ging, nachdem sie mich am Arm genommen, +Die schöne Frau und sagte weiblich mild +Zu Statius: "Auch du sollst mit ihm kommen." +Hätt’ ich, o Leser, Raum zu größerm Bild, +So würd’ ich dir zum Teil die Wonnen singen +Des Tranks, der Durst erregt, wenn er ihn stillt. +Doch läßt sich nichts mehr auf die Blätter bringen, +Die ich zu diesem zweiten Lied erkor, +Drum hemmt der Zaum der Kunst mein Weiterdringen. +Ich ging aus jener heil’gen Flut hervor, +Wie neu erzeugt, von Leid und Schwäche ferne, +Gleich neuer Pflanz’ in neuen Lenzes Flor, +Rein und bereit zum Flug ins Land der Sterne. + + + + +Das Paradies + + +Erster Gesang + +Der Ruhm des, der bewegt das große Ganze, +Durchdringt das All, und diesem Teil gewährt +Er minder, jenem mehr von seinem Glanze. +Im Himmel, den sein hellstes Licht verklärt,-- +War ich und sah, was wiederzuerzählen +Der nicht vermag, der von dort oben kehrt. +Denn, nah’n dem Ziel des Sehnens unsre Seelen, +Das unsern Geist zur tiefsten Tiefe zieht, +Dann muß der Rückweg dem Gedächtnis fehlen. +Doch alles, was im heiligen Gebiet +Nur einzusammeln war von sel’ger Schöne, +Der edle Schatz, sei Stoff jetzt meinem Lied. +Apollo, Güt’ger, leih mir deine Töne +Zum letzten Werk--mach’ ein Gefäß aus mir, +Wert, daß es dein geliebter Lorbeer kröne. +Mir g’nügt’ ein Gipfel des Parnaß bis hier, +Doch, soll der Rennbahn Ziel der Sieger grüßen, +So fleh’ ich jetzt um beid’ empor zu dir. +Den Odem hauch’ in mich, den reinen, süßen, +Daß du hier stark, wie bei dem Wettkampf, seist, +Den Marsyas kämpft’, um frevlen Stolz zu büßen. +O Götterkraft, wenn du dich jetzt mir leihst, +Den Nachschein von des sel’gen Reiches Glanze +Zu malen aus dem Bild in meinem Geist, +Dann siehest du mich nah’n der teuren Pflanze +Und, durch den Stoff und dich des wert, geschmückt +Und reichgekrönt mein Haupt mit ihrem Kranze. +Wenn man ihr Laub, o Vater, selten pflückt, +Um Cäsars und des Dichters Sieg zu ehren, +Weil Schuld und Schmach den Willen niederdrückt, +Muß Freud’ es wohl dem freud’gen Gott gewähren, +Den Delphos preist, kehrt nun mit kühnem Mut +Nach Daphnes Laub ein Herz all sein Begehren. +Und weckt ein kleiner Funk’ oft große Glut, +So fleht nach mir zu höherer Verkündung +Ein andrer wohl um deine Hilf und Hut.-- +Den Sterblichen entsteigt aus mancher Mündung +Das Licht der Welt; allein in einer sind +Vier Kreise mit drei Kreuzen in Verbindung, +Wo’s bessern Lauf mit besserm Stern beginnt, +So daß der Erde Wachs in diesem Zeichen +Von ihm ein schöneres Gepräg gewinnt. +In ihm hieß Sol den Tag bei uns erbleichen +Und dort entglüh’n; und auf dem Halbkreis hier +Die schwarze Nacht sich nah’n und dort entweichen. +Und links gewandt erschien Beatrix mir, +Und wie kein Aar je fest und ungeblendet +Zur Sonne sah, so blickte sie zu ihr. +Und wie der erste Strahl den zweiten sendet, +Der, ihm entflammt, hell auf- und rückwärts blitzt, +Dem Pilgrim gleich, der sich zur Heimat wendet, +So macht’ ihr Blick, der durch die Augen itzt +Mein Innres traf, zur Sonn’ auch meinen steigen, +Mit größrer Kraft, als onst der Mensch besitzt. +Viel darf man dort, was hier zu übersteigen +Die Kraft pflegt, die uns nimmer dort gebricht, +Am Ort, den Gott schuf als der Menschheit eigen. +Nicht lang’ ertrug ich’s, doch so wenig nicht, +Um nicht zu sehn, daß, wie dem Feu’r entnommen, +Das Eisen sprüht, sie sprüht’ in Glut und Licht. +Und plötzlich schien ein Tag zum Tag zu kommen, +Als sei durch den, der’s kann, am Himmelsrand +Noch eine zweite neue Sonn’ entglommen. +Fest schauend nach den ew’gen Kreisen, stand +Beatrix dort, und ihr ins glanzerhellte +Gesicht sah ich, von oben abgewandt, +Und fühlte, da mir Lust das Innre schwellte, +Was Glaukus fühlt’, als er das Kraut geschmeckt, +Das ihn im Meer den Göttern zugesellte. +Verzückung fühlt’ ich. Was sie sei, entdeckt +Die Sprache nicht, mag’s drum dies Beispiel Iehren, +Wenn je in euch die Gnade sie erweckt. +Ob ich nur Seele war?--Du magst’s erklären, +O Liebe, Himmelslenkerin, die mich +Mit ihrem Licht erhob zu jenen Sphären. +Als nun der Kreis, der durch dich ewiglich +In Sehnsucht rollt, mein Aug’ an sich gezogen +Mit Harmonien, verteilt, gemischt durch dich, +Durchflammte Sonnenglut des Himmels Bogen +So weit hin, wie von Strom und Regenflut +Kein See noch je erstreckt die breiten Wogen. +Des Klanges Neuheit und die lichte Glut, +Sie machten, daß ich vor Begierde brannte, +Wie nimmer sie erweckt ein andres Gut; +Drob sie, die mich, wie ich mich selbst, erkannte, +Mir zu befried’gen den erregten Geist, +Noch eh’ ich fragte, schon sich zu mir wandte +Und sprach: "Ein Wahn ist Schuld, daß du nicht weißt, +Was du sogleich erkennen wirst und sehen, +Sobald du dich von seinem Trug befreist. +Du glaubst noch auf der Erde fest zu stehen, +Doch flieht kein Blitz aus seinem Vaterland +So schnell, wie du jetzt eilst, hinaufzugehen." +Kaum daß der erste Zweifel mir verschwand, +Durchs kurze Wort und ihres Lächelns Frieden, +Als wieder schon ein neuer mich umwand. +Ich sprach: "Vom Staunen ruht’ ich schon zufrieden; +Doch steig’ ich jetzt durch leichte Stoff’ empor, +Drum ist dazu mir neuer Grund beschieden." +Ein Seufzer weht’ aus ihrem Mund hervor, +Dann sah sie hin auf mich, wie auf den Knaben +Die Mutter blickt, die sagen will: Du Tor! +"Die Dinge sämtlich", so begann sie, "haben +Unter sich Ordnung, und das All ist nur +Durch diese Form gottähnlich und erhaben. +Die höhern Wesen sehn in ihr die Spur +Der Kraft, der ew’gen, die zum Ziel gegeben +Vom Schöpfer ward der Ordnung der Natur. +Nach ihr nun sehn wir alle Wesen streben, +Ob hoch ihr Los, ob niedrig sei; ob mehr, +Ob minder nah sie ihrem Ursprung leben. +Sie treiben durch des Seins unendlich Meer, +Geleitet vom Instinkt, den Gott als Steuer +Jedwedem gab, auf mancher Bahn daher. +Er trägt zum Mond empor das rege Feuer, +Er ist’s, der rund den Bau der Erde drückt, +Er ist der Herzschläg’ Ordner und Erneurer. +Nicht nur auf Wesen, die vernunftlos, zückt +Er, wie ein Bogen, seine sichern Pfeile, +Auf die auch, die Vernunft und Liebe schmückt. +Die Vorsicht, die zum Ganzen eint die Teile, +Die durch ihr Licht des Himmels Ruh’ erhält, +In dem der Kreis sich dreht von größter Eile, +Läßt zum bestimmten Platz in jener Welt +Uns jetzo durch die Kraft der Sehne bringen, +Die, was sie treibt, nach heiterm Ziele schnellt. +Wahr ist’s, daß, wie oft Formen nicht gelingen, +Wie sie in sich des Künstlers Geist empfah’n, +Wenn spröde mit der Kunst die Stoffe ringen,- +So das Geschöpf oft weicht von seiner Bahn, +Denn ihm ist von Natur die Kraft verliehen, +Trotz jener Kraft, sich anderm Ziel zu nah’n, +Wenn erdenwärts es falsche Reize ziehen; +Wie aus der Wolke, wenn das Wetter grollt, +Zum Boden hin des Feuers Strahlen fliehen. +Nun staunst du, war ich klar, wie ich gewollt, +So wenig drob, daß du emporgestiegen, +Als daß der Bach vom Berg zur Tiefe rollt. +Bliebst du, von Hemmnis frei, am Boden liegen, +Erstaunenswerter wär’s, als sähest du +Träg an den Grund sich lebend Feuer schmiegen." +Hier wandt’ ihr Antlitz sich dem Himmel zu. + + +Zweiter Gesang + +O ihr, die ihr, von Hörbegier verleitet, +Des Nachens Fahrt nach meinem Schiff gewandt, +Das mit Gesange durch die Fluten gleitet, +Kehrt wieder heim zu dem verlaßnen Strand, +Schifft nicht ins Meer, denn, die mir folgen, wären +Vielleicht verirrt, wenn meine Spur verschwand. +Ich steure hin zu nie befahrnen Meeren; +Minerva haucht, Apoll ist mein Geleit, +Neun Musen zeigen mir am Pol die Bären. +Ihr andern wen’gen, die zur rechten Zeit +Ihr euch geneigt zum Engelsbrot, das Leben +Hienieden uns nie Sättigung verleiht, +Ihr könnt euch kühn aufs hohe Meer begeben, +Wenn ihr daher auf meiner Furche fahrt, +Eh’ wieder gleich das Wasser wird und eben. +Anstaunen sollt ihr, was ihr bald gewahrt, +Mehr als die Helden, die nach Kolchis zogen, +Anstaunten, daß zum Pflüger Jason ward. +So schnell fast, als des Himmels Kreise, flogen +- Wir fort, zum Reich, dem Gott die Form verlieh, +Vom angebornen, ew’gen Durst gezogen. +Beatrix blickt’ empor und ich auf sie, +Doch kaum so lang, als sich ein Pfeil zu schwingen +Vom Bogen pflegt und fliegt und ruht--da sieh +Mich dort, wo mir der Blick von Wunderdingen +Gefesselt ward, schon angelangt mit ihr; +Und sie, gewohnt, mein Innres zu durchdringen, +Sie wandte sich so froh, wie schön, zu mir: +"Auf, bring’ itzt Gott des Dankes Huldigungen! +Wir sind durch ihn im ersten Sterne hier." +Mir schien’s, als hielt’ uns eine Wolk’ umschlungen, +Von Glanz durchstrahlt, dicht, ungetrennt und rein, +Wie Diamant, vom Sonnenstrahl durchdrungen. +Die ew’ge Perle nahm uns also ein, +Gleichwie das Wasser, ohne sich zu trennen, +In sich aufnimmt des Strahles goldnen Schein. +Wenn ich nun Leib war, und wir nicht erkennen, +Wie sich in einem Raum ein zweiter fand, +So, daß im Körper Körper tauchen können, +Was sind wir drum nicht mehr vom Trieb entbrannt, +Das Ursein zu erschau’n, in dem wir schauen, +Wie unserer Natur sich Gott verband. +Dort wird uns das, worauf wir gläubig bauen, +Nicht durch Beweis, nein, durch sich selber klar, +Der ersten Wahrheit gleich, auf die wir trauen. +"Ihm, Herrin," sprach ich, "der mich wunderbar +Der Erd’ entrückt, ihm bring’ ich jetzt, entglommen +Von frommer Glut, des Dankes Opfer dar. +Doch sprecht, woher die dunkeln Flecken kommen +Auf dieses Körpers Scheib’, aus welchen man +Zur Kainsfabel dort den Stoff entnommen." +Sie lächelt’ erst ein wenig und begann: +"Irrt sich des Menschen Geist in solchen Dingen, +Die nicht der Sinne Schlüssel öffnen kann, +So solltest du dein Staunen jetzt bezwingen, +Erkennend, daß, den Sinnen nach, nicht weit +Sich die Vernunft erhebt mit ihren Schwingen. +Allein was meinst du selbst? Gib mir Bescheid!" +Und ich: "Von dünnern oder dichtern Stellen +Kommt, wie mir scheint, des Lichts Verschiedenheit." +Drauf sie: "Du wirst bald selbst das Urteil fällen, +Daß falsch die Meinung sei, drum gib wohl acht, +Was ich für Gründ’ ihr werd’ entgegenstellen. +Der achte Kreis zeigt vieler Sterne Pracht, +An Groß’ und Eigenschaften sehr verschieden, +Wie ihr verschiednes Ansehn kenntlich macht. +War’ dies durch Dünn’ und Dichtigkeit entschieden, +So gäb’s in allen ja nur eine Kraft, +Dem mehr, dem minder, jenen gleich beschieden. +Doch der verschiedne Bildungsgrund erschafft +Verschiedne Kräft’, und alle diese schwanden, +Nach deinem Satz, vor einer Eigenschaft. +Dann, wenn die Flecken durch die Dünn’ entständen, +So denke, daß entweder hier und dort +Sich durch und durch stoffarme Stellen fänden; +Oder, gleichwie im Leib an manchem Ort +Die Fettigkeit das Magre deckt, so gingen +Die Schichten durch den Mond abwechselnd fort. +Das Erste würd’ ans Licht die Sonne bringen, +Wenn sie verfinstert ist--es ward’ ihr Schein +Dann wie durch andre dünne Stoffs dringen. +Doch dies ist nicht, drum bleibt das Zweit’ allein, +Und wenn wir widerlegt auch dieses sehen, +Dann wird dein Satz als falsch erwiesen sein. +Kann durch und durch der dünne Stoff nicht gehen, +So muß wohl eine Grenze sein, und hier +Der dichte Stoff den Strahlen widerstehen. +Zurücke blitzt sodann der Strahl von ihr-- +So wirft das Glas, auf seiner hintern Seite +Mit Blei belegt, zurück dein Bildnis dir-- +Nun sagst du wohl, daß, weil aus größrer Weite +Der Strahl sodann auf dich zurückeprallt, +Er deshalb auch geringres Licht verbreite. +Doch diesen Einwurf widerlegt dir bald +Erfahrung, der, als seiner ersten Quelle, +Jedweder Strom der Wissenschaft entwallt. +Drei Spiegel nimm und zwei von diesen stelle +Gleich weit von dir--dem dritten gib sodann +Entfernter zwischen beiden seine Stelle. +Kehrst du dich ihnen zu, so stelle man +Drauf hinter dich ein Licht, das sich in allen +Zum Widerstrahl des Schimmers spiegeln kann. +Ins Auge wird der fernre kleiner fallen, +Doch wird auf dich von ihnen allzumal +Ein gleich lebendig Licht zurückeprallen. +Jetzt aber, wie beim warmen Sonnenstrahl +Des Schnees Massen in sich selbst zergehen, +Und Farb’ und Frost zerrinnt im lauen Tal, +So soll’s dem Wahn in deinem Geist geschehen, +Und durch mein Wort sollst du lebend’ge Glut +Vor deinem Blick in regem Schimmer sehen. +Im Himmel, wo der Frieden Gottes ruht, +Dreht sich ein Kreis, in dessen Kraft und Walten +Das Sein all des, was er enthält, beruht. +Der nächste Himmel, reich an Lichtgestalten, +Verteilt dies Sein verschiednen Körpern drauf, +Von ihm gesondert, doch in ihm enthalten. +Aus ändern Kreisen von verschiednem Lauf +Nimmt die verschiedne Kraft, in ihnen lebend, +Dann jeder Stern nach seinen Zwecken auf. +So siehst du diese Weltorgane schwebend, +In sich im Kreis bewegt von Grad zu Grad, +Von oben nehmend und nach unten gebend. +Betrachte wohl den Weg, den ich betrat, +Auf dem ich dir erwünschte Wahrheit weise, +Dann findest du wohl künftig selbst den Pfad. +Kraft und Bewegung nehmen jene Kreise +Von Lenkern an, die ew’ges Heil beglückt, +Wie Stein sich formt nach seines Künstlers Weise. +Den Himmel, den die Schar der Sterne schmückt, +Wird von dem Geist, durch den sie rollend Schweben, +Gepräg’ und Bildnis mächtig eingedrückt. +Und wie die Seele, noch vom Staub umgeben, +Durch Glieder von verschiedner Art beweist, +Was in ihr für verschiedne Kräfte leben, +So zeiget seine Huld der Weltengeist, +Der ewig einer ist, hier, vielgestaltet, +Im Sternenheer, das durch die Himmel kreist. +Daher verschiedne Kraft verschieden waltet +Im edlen Körper, welchen sie durchdrang, +In dem sie, wie in euch das Leben, schaltet. +Und da sie heiterer Natur entsprang, +Glänzt diese Kraft in jedes Sternes Lichte, +Gleichwie im Augenstern der Wonne Drang. +Durch sie also, und nicht durchs Dünn’ und Dichte, +Erhält verschiednen Glanz der Sterne Schar; +Daß sie ein Denkmal ihrer Huld errichte, +Schafft diese Bildnerin, was trüb und klar." + + +Dritter Gesang + +Die Sonne, die mich einst mit Glut erfüllt, +Beweisend hatte sie und widerlegend +Der Wahrheit holdes Antlitz mir enthüllt. +Und ich, belehrt, nicht länger Zweifel hegend, +Wollt’ eben, daß ich’s sei, gestehn und stand, +Das Haupt, soweit sich’s ziemt, emporbewegend. +Doch ein Gesicht erschien, und so gespannt +Hielt ich den Blick darauf, um’s zu gewahren, +Daß mein Geständnis der Erinnrung schwand. +Und wie von Gläsern, von durchsicht’gen, klaren, +Von Weihern, welche seicht, doch still und rein, +Den Boden unverdunkelt offenbaren, +Ein Antlitz widerstrahlt, so schwach und fein, +Daß man erkennen würd’ in größrer Schnelle +Auf weißer Stirn der Perle bleichen Schein; +So sah ich manch Gesicht an jener Stelle +Und war im Gegensatz des Wahns, durch den +Einst Lieb’ entflammt ward zwischen Mann und Quelle. +Denn plötzlich glaubt’ ich, wie ich sie ersehn, +Es wären Spiegelbilder, und bemühte +Mich, ringsumher ihr Urbild zu erspäh’n. +Doch sah ich nichts, und, zweifelnd im Gemüte, +Schaut’ ich ins Licht der süßen Führerin, +Die lächelnd in den heil’gen Augen glühte. +Und sie begann: "Nicht staun’ in deinem Sinn. +Belacht’ ich deine kindischen Gedanken. +Noch gehst du auf der Wahrheit strauchelnd hin, +Um, wie du pflegst, dem Wahne zuzuwanken. +Wirkliche Wesen zeigt dir dies Gesicht, +Die, untreu dem Gelübd’, in Schuld versanken. +Sprich, hör’ und glaube; denn das wahre Licht, +Das sie beseligt, wird es nie gestatten, +Daß ihm zu folgen sich ihr Fuß entbricht. +Ich wandte mich und sprach zu einem Schatten, +Der sprechenslustig schien, schnell, als ein Mann, +Den längst gequält der Neugier Stacheln hatten: +"O Seele, die das ew’ge Licht gewann, +Die selig hier die Süßigkeiten machten, +Die nur, wer sie geschmeckt, begreifen kann, +O sei jetzt freundlich mir. Mein ganzes Trachten +Ist ja dein Nam’ und euer Los. Drum sprich!"-- +Und sie, bereit, mit Augen, welche lachten, +Sprach: "Unsre Lieb’ erschließt sich williglich +Gerechtem Wunsch, gleich der, der Liebe Bronnen, +Die ihr Gefolg gebildet will nach sich. +Dort auf der Welt gehört’ ich zu den Nonnen, +Doch wende nur mir die Erinnrung zu, +Und durch die höh’re Schönheit, höhern Wonnen, +Daß ich Piccarda bin, erkennest du, +Mit diesen allen, die sich selig nennen, +Zum trägsten Kreis versetzt in Wonn’ und Ruh’. +All unsre Triebe, die allein entbrennen +In Lust des Heil’gen Geist’s, sind hoch ergetzt, +Weil sie in seiner Weihe sich erkennen. +Dies Los, von dir vielleicht geringgeschätzt, +Ward uns zuteile, weil wir dort auf Erden +Verabsäumt die Gelübd’ und sie verletzt." +Drauf ich: "Euch glänzt in Antlitz und Gebärden, +Ich weiß nicht was, von Gottheit, wunderbar, +Und läßt die ersten Züg’ unkenntlich werden, +Drob ich so säumig im Erkennen war, +Jetzt hilft mir, was du sprichst, dem Auge trauen +Und stellt mir deutlicher dein Bildnis dar. +Doch sprich: Ihr, glücklich hier in diesen Auen, +Zieht euch nach höherm Ort nicht die Begier, +Um mehr euch zu befreunden, mehr zu schauen?" +Ein wenig lächelten die Schatten hier, +Denn, als ob sie in erster Liebe glühte, +Erwiderte sie froh und wonnig mir: +"Bruder, hier stillt die Kraft der Lieb’ und Güte +Jedweden Wunsch, und völlig g’nügt uns dies, +Und nicht nach anderm dürstet das Gemüte. +Denn wenn es höherm Wunsch sich überließ, +So würd’ es ja dem Willen widerstehen, +Der uns in diesen niedern Kreis verwies. +Dies kann in diesen Sphären nicht geschehen; +Lieb’ ist das Band des ewigen Vereins, +Mit der nicht Kampf noch Widerstand bestehen. +Vielmehr ist’s Wesen dieses sel’gen Seins, +Nur in dem Willen Gottes hinzuwallen, +Drum schmilzt hier aller Wunsch und Trieb in eins. +Und, wie wir sind von Grad zu Grad, muß allen +Wie ihm, des Will’ allein nach seiner Spur +Den unsern lenkt, dies ganze Reich gefallen. +Und unser Frieden ist sein Wille nur, +Dies Meer, wohin sich alles muß bewegen, +Was er schafft, was hervorbringt die Natur."-- +Nun sah ich: Paradies ist allerwegen +Wo Himmel ist, strömt auch von oben her +Vom höchsten Gut nicht gleich der Gnade Regen.-- +Wie bei verschiednen Speisen man nicht mehr +Von dieser will und sich nach jener wendet, +Für diese dankt und noch verlangt von der, +So ich mit Wink und Wort, als sie geendet, +Um zu erfahren, was sie dort gewebt, +Allein verlassen, ehe sie’s vollendet. +"Vollkommnes Leben und Verdienst erhebt +Ein Weib", so sprach sie, "zu den höhern Kreisen, +In deren Tracht und Schleier manche strebt, +In Schlaf und Wachen treu sich zu erweisen +Dem Bräutigam, dem jeder Schwur gefällt, +Den reine Liebestrieb’ ihm schwören heißen. +Ihr nachzufolgen floh ich jung die Welt, +Weiht’ ihrem Orden mich und war beflissen, +Dem g’nugzutun, was sein Gesetz enthält. +Doch Menschen, ruchlos mehr, als gut, entrissen +Gewaltsam dem Verlies, dem süßen, mich +Wie drauf mein Leben war--Gott wird es wissen-- +Der andre Glanz, der mir zur Rechten dich +So freudig hell bestrahlt, denn er entzündet +In unsrer Sphäre ganzem Schimmer sich, +Versteht von sich, was ich von mir verkündet. +Denn man entriß, wie meinem, ihrem Haupt +Den Schleier, der der Nonnen Stirn umwindet. +Doch, ob man Rückkehr ihr zur Welt erlaubt, +Blieb doch ihr Herz bekrönt mit jenem Kranze, +Den ihrer Stirn verruchte Tat geraubt. +Sie ist das Licht der trefflichen Konstanze, +Die mit dem zweiten Sturm aus Schwabenland +Den dritten zeugt’, umstrahlt vom letzten Glanze." +Piccarda sprach’s, mir heiter zugewandt, +Und fing ein Ave an, indem sie singend, +Wie Schweres in der tiefen Flut, verschwand. +Mein Blick, ihr nach, soweit er konnte, dringend, +Erhob sich dann, sobald er sie verlor, +Nach einem Ziele größern Sehnens ringend, +Zu Beatricens Antlitz ganz empor, +Doch als ihr Aug’, ein Blitz, in meins geschlagen, +So daß zuerst es niedersank davor, +Da macht’ es zögern mich mit weitern Fragen. + + +Vierter Gesang + +Zwischen zwei Speisen, gleich entfernt und lockend, +Ging hungrig wohl ein freier Mann zugrund’, +Nicht von der einen noch der andern brockend. +So stund’ ein Lämmchen zwischen Schlund und Schlund +Von zweien Wölfen fest, in gleichem Zagen, +So stund’ auch zwischen zweien Reh’n ein Hund. +So ließ’ verschiedner Zweifel mich nicht fragen. +Ich schwieg nur, weil ich mußt’, und kann davon +Drum weder Gutes jetzt noch Böses sagen. +Ich schwieg, doch ward mein Wunsch vom Antlitz schon +Klar ausgedrückt und deutlicher vernommen, +Als hätt’ ich ihn erklärt mit klarem Ton. +Beatrix tat wie Daniel, als entglommen +Nebukadnezar war in blinder Wut, +Die des Propheten Deutung ihm benommen. +"Daß dich zwei Wünsche drängen, seh’ ich gut," +Begann sie, "die dich fesseln. So daß keiner +Von beiden sich nun kund nach außen tut. +Du fragst: Bleibt unser Will’ ein guter, reiner, +Wie macht Gewalttat andrer dann den Wert +Und wie den Umfang des Verdienstes kleiner? +Hiernächst auch zweifelst du, weil Plato lehrt, +Daß, wie’s ihm scheint, zu ihrem Sternenkreise +Die Seele von der Erde wiederkehrt. +Die beiden Zweifel drängen gleicherweise +Auf deinen Willen ein, daher ich Ietzt +Der schlimmern Meinung Falschheit erst beweise. +Der Seraph, den der reinste Schimmer letzt, +Moses und Samuel--die je heilig waren, +Ja, selbst Marien nenn’ ich dir zuletzt, +Sind nicht in anderm Himmel als die Scharen +Der sel’gen Geister, die du jetzt gesehn, +Sind reicher nicht und ärmer nicht an Jahren. +Die erste Sphäre machen alle schön, +Doch ist verschiedner Art ihr süßes Leben, +Wie mehr und minder Gottes Hauche weh’n. +Sie zeigten hier sich, nicht, weil ihnen eben +Der Kreis zuteil ward, nein, weil dies beweist, +Daß sie zum Höchsten minder sich erheben. +So sprechen muß man ja zu eurem Geist, +Den nur die Sinne zu dem allen leiten. +Was die Vernunft sodann ihr eigen heißt. +Drum läßt sich auch zu euren Fähigkeiten +Die Schrift herab, wenn sie von Gott euch spricht, +Von Hand und Fuß, um andres anzudeuten. +Die Kirche zeigt mit menschlichem Gesicht +Gabriel’ und Michael’ und Raphaelen, +Der neu geklärt Tobias’ Augenlicht. +Doch des Timäus Lehre von den Seelen +Ist andrer Art. Er glaubt auch, was er lehrt, +Und scheint darin kein Sinnbild zu verhehlen. +Daß sich zu ihrem Stern die Seele kehrt, +Er spricht’s und glaubt, daß sie von dort gekommen, +Als die Natur sie uns zur Form gewährt. +Allein wird dies nicht wörtlich angenommen, +So kann er doch vielleicht mit dem Beweis +Dem Ziel der Wahrheit ziemlich nahekommen, +Dafern er meinte, daß aus jedem Kreis +Das Gut’ und Böse stamm’, und deshalb lehrte, +Dem kehre Schimpf zurück und jenem Preis. +Und dieser schlechtverstandne Satz verkehrte +Fast alle Welt, so daß in Sternen man +Den Mars, Merkur und Jupiter verehrte.-- +Der andre Zweifel, welcher dich umspann, +Hat mindres Gift, indem er nicht entrücken +Dich meinem Pfad durch seine Schlingen kann. +Denn scheint auch ungerecht den Menschenblicken +Unsre Gerechtigkeit, nun, so beweist +Dies Glauben nur, nicht ketzerische Tücken. +Allein wohl fähig ist des Menschen Geist, +In diese Wahrheit tiefer einzudringen, +Drum will ich jetzt, daß du befriedigt seist. +Ist das Gewalt, wenn jenen, welche zwingen, +Der, welcher leidet, nie sich willig zeigt, +So kann sie jenen nicht Entschuld’gung bringen. +Denn Wille, der nicht will, bleibt ungebeugt, +Wie Feuer, mag der Sturmwind tosend Schwellen, +Oft hingeweht, neu in die Höhe steigt. +Der Wille wird zu der Gewalt Gesellen, +Wenn er sich beugt; drum fehlte jenes Paar +Rückkehren könnend zu den heil’gen Zellen. +Blieb jener Nonnen Will’ unwandelbar, +Wie auf dem Rost Laurentius geblieben, +Wie Scävola, der streng der Rechten war, +So hätt’ er sie, befreit, zurückgetrieben +Denselben Pfad, auf dem man sie entführt; +Doch selten sind, die solchen Willen lieben. +Noch hättest du den Zweifel oft gespürt, +Der jetzt gewiß vor meinem Wort geschwunden, +Wenn du wohl aufgemerkt, wie sich’s gebührt. +Doch hält ein andrer schon dein Aug’ umwunden, +Und gänzlich schwände deine Kraft dahin, +Eh’ du dich Selbst aus ihm herausgefunden. +Ich legt’ es als gewiß in deinen Sinn, +Die Seele, die der ersten Wahrheit Pforten +Stets nahe bleibt, sei niemals Lügnerin. +Doch nun erfuhrst du durch Piccarda dorten, +Daß ihren Schlei’r Konstanze nie vergaß, +Und dies scheint Widerspruch mit meinen Worten. +Oft, Bruder, die Gefahr zu flieh’n, geschah’s, +Daß sich ein Mensch, auch wider Willen, dessen, +Was nimmer sich zu tun geziemt, vermaß. +So hat Alkmäon, welcher sich vermessen +Des Muttermords, weil ihn sein Vater bat, +Die Sohnespflicht aus Sohnespflicht vergessen. +Daraus erkennst du diese Wahrheit: hat +Der Wille sich vermischt dem äußern Drange, +So liegt in ihm die Schuld der bösen Tat. +Der unbedingte Wille trotzt dem Zwange, +Doch stimmt insofern bei, als der Gefahr +Er zagend weicht, vor größerm Schaden bange. +Piccarda sprach, dies siehst du jetzo klar, +Vom unbedingten Willen nur zum Guten, +Vom zweiten Ich, und beider Wort ist wahr." +So war das Wogen jener heil’gen Fluten +Dem Quell entströmt, dem Wahrheit nur entquillt, +Daß süß befriedigt meine Wünsche ruhten. +"Liebste des ersten Liebenden, o Bild +Der Gottheit," rief ich, "deren Rede regnet, +Erwärmt und mehr und mehr belebt und stillt. +Oh, war’ mit Inbrunst doch mein Herz gesegnet +Zum Dank, der g’nügte deiner Huld--doch dir +Sei nur von ihm, der sieht und kann, entgegnet. +Nie sättigt sich der Geist, dies seh’ ich hier, +Als in der Wahrheit Glanz, dem Quell des Lebens, +Die uns als Wahn zeigt alles außer ihr. +Doch fand er sie, dann ruht die Qual des Strebens, +Und finden kann er sie, sonst wäre ja +Jedweder Wunsch der Menschenbrust vergebens. +Dann läßt der Geist, wenn er die Wahrheit sah, +An ihrem Fuß den Zweifel Wurzel schlagen +Und treibt von Höh’n zu Höh’n dem Höchsten nah. +Dies ladet nun mich ein, dies heißt mich wagen, +Nach einer andern dunkeln Wahrheit jetzt +Voll Ehrfurcht, hohe Herrin, Euch zu fragen. +Kann wohl der Mensch, der ein Gelübd’ verletzt, +Durch andres gutes Werk dies so vergüten, +Daß Ihr’s, nach Eurer Wag’, als g’nügend schätzt? +Sie sah mich an, und Liebesfunken sprühten +Aus ihrem Aug’ so göttlich klar hervor, +Daß ich, besiegt, sobald sie mir erglühten, +Gesenkten Blicks mich selber fast verlor. + + +Fünfter Gesang + +"Wenn ich in Liebesglut dir flammend funkle, +Mehr, als es je ein irdisch Auge sieht, +So, daß ich deines Auges Licht verdunkle, +Nicht staune drum--es macht, daß dies geschieht, +Vollkommnes Schauen, welches, wie’s ergründet, +In dem Ergründeten uns weiterzieht. +Schon glänzt, ich seh’s in deinem Blick verkündet. +In deinem Geist ein Schein vom ew’gen Licht, +Das, kaum gesehen, Liebe stets entzündet. +Und liebt ihr, weil euch andrer Reiz besticht, +So ist’s, weil, unerkannt, vom Licht, dem wahren, +Ein Strahl herein auf das Geliebte bricht. +Ob andrer Dienst, dies willst du jetzt erfahren, +Gebrochenes Gelübd’ ersetzen kann, +Um vor dem Vorwurf euer Herz zu wahren." +So fing ihr heil’ges Wort Beatrix an +Und setzte dann, die Rede zu vollenden, +Ununterbrochen fort, was sie begann. +"Die größte Gab’ aus Gottes Vaterhänden +Und seiner reichen Güte klarste Spur, +Von ihm geschätzt als höchste seiner Spenden, +Ist Willensfreiheit, so die Kreatur, +Der er Vernunft verlieh, von ihm bekommen, +Von diesen jede, doch auch diese nur. +Hieraus ersieh den hohen Wert des frommen +Gelübdes, wenn es so beschaffen ist, +Daß Gott, was du geboten, angenommen. +Denn, wer mit Gott Vertrag schließt, der vermißt +Sich, diesen Schatz zum Opfer darzubringen, +Mit dessen Werte sich kein andrer mißt. +Wie kann drum je hier ein Ersatz gelingen? +Brauchst du auch wohl, was du geopfert hast, +So ist’s nur Wohltat mit gestohlnen Dingen. +Du hast das Wichtigste nun aufgefaßt, +Doch weil die Kirche vom Gelübd’ entbindet, +So zweifelst du an meiner Wahrheit fast. +Drum bleib am Tisch ein wenig noch. Hier findet, +Ob du auch Unverdauliches gespeist, +Das Mittel sich, vor dem der Schmerz verschwindet. +Dem, was ich sag’, erschließe deinen Geist, +Denn Hören gibt nicht Weisheit, nein, Behalten; +Behalt es drum, damit du weise seist. +In diesem Opfer sind zwei Ding’ enthalten; +Das erste: des Gelübdes Gegenst and-- +Das zweite: der Vertrag, es treu zu halten. +Der letztere hat ewigen Bestand, +Bis er erfüllt ist, und wie er zu achten, +Dies macht’ ich oben dir genau bekannt. +Drum mußten die Hebräer Opfer schlachten, +Obwohl für das Gelobte dann und wann +Sie, wie du wissen mußt, ein andres brachten. +Der Gegenstand kann also sein, daß man, +Auch ohne Reu’ und Vorwurf zu empfinden, +Mit einem andern ihn vertauschen kann. +Nur mag sich dessen niemand unterwinden +Nach eigner Wahl, wenn ihn der ersten Last +Der gelb’ und weiße Schlüssel nicht entbinden. +Und jeder Tausch der Bürd’ ist Gott verhaßt, +Wenn, die wir nehmen, die wir von uns legen, +Nicht wie die Sechs die Vier, voll in sich faßt. +Drum, ziehet das, was man gelobt, beim Wägen +Jedwede Wag’ herab durch sein Gewicht, +So gibt’s auch nirgendwo Ersatz dagegen. +Scherzt, Sterbliche, mit dem Gelübde nicht. +Seid treu, doch seht euch vor; denn schwer beklagen +Wird’s jeder, der, wie Jephtha, blind verspricht. +Ihm ziemt’ es besser: Ich tat schlimm! zu sagen, +Als, haltend, schlimmer tun--und gleiche Scham +Sah man davon den Griechenfeldherrn tragen; +Drob Iphigenia weint’ in bitterm Gram +Und um sich weinen Weis’ und Toren machte, +Ja, jeden, der von solchem Dienst vernahm. +Sei nicht leichtgläubig, Christenvolk, und trachte, +Nicht wie der Flaum im Windeshauch zu sein; +Daß dich nicht jedes Wasser wäscht, beachtet +Das Alt’ und Neue Testament ist dein, +Der Kirche Hirt ist Führer ihren Söhnen, +Und dieses g’nügt zu eurem Heil allein. +Und reizt euch jemand, schlechtem Trieb zu frönen, +Nicht Schafe seid ihr, eurer unbewußt, +Drum laßt vom Nachbar Juden euch nicht höhnen. +Tut nicht dem Lamm gleich, das der Mutter Brust +Aus Einfalt läßt und, dumm und geil, vergebens +Nur mit sich selber kämpft nach seiner Lust." +Beatrix sprach’s und wandte, regen Strebens, +Ganz Sehnen, ihren Blick zum hellem Licht, +Empor zur schönen Welt des höhern Lebens. +Ihr Schweigen, ihr verwandelt Angesicht +Geboten dem begier’gen Geiste Schweigen +Und ließen mich zu neuen Fragen nicht. +Und schnell, wie sich beschwingte Pfeile zeigen, +Ins Ziel einbohrend, eh’ die Sehne ruht, +So eilten wir, zum zweiten Reich zu steigen. +Die Herrin sah ich so in frohem Mut, +Da uns der Flug zum neuen Glänze brachte, +Daß heller ward des Sternes Licht und Glut. +Wenn der Planet nun, sich verwandelnd, lachte, +Wie ward wohl mir, mir, den verwandelbar +Schon die Natur auf alle Weisen machte? +Gleichwie im Teich, der ruhig ist und klar, +Wenn das, wovon die Fischlein sich ernähren, +Von außen kommt, her eilt die muntre Schar, +So sah ich hier zu uns sich Strahlen kehren +Wohl Tausende, von welchen jeder sprach: +"Seht, der da kommt, wird unser Lieben mehren!" +Und wie sie uns sich nahten nach und nach, +Da sah ich süßer Wonne voll die Seelen, +Im Glanz, der hell hervor aus jeder brach. +Bedenke, Leser, wollt’ ich dir verhehlen, +Was ich noch sah, und schweigend von dir gehn, +Wie würde dich der Durst nach Wissen quälen? +Du wirst daraus wohl durch dich selbst verstehn, +Wie ich ihr Los mich sehnte zu erfahren, +Sobald mein Aug’ in ihren Glanz geseh’n. +"Begnadigter, dem hier sich offenbaren +Des ewigen Triumphes Thron’, eh’ dort +Du noch verlassen hast der Krieger Scharen, +Wir sind entglüht vom Licht, das fort und fort +Den Himmel füllt--drum, wünschest du Erklärung, +So sättige nach Wunsch dich unser Wort." +Ein frommer Geist verhieß mir so Gewährung, +Beatrix drauf: "Sprich, sprich und glaub’ ihm fest, +So fest, als war’ es göttliche Belehrung." +"Ich sehe, würd’ger Geist, du hast dein Nest +Im eignen Licht, das, wie du lächelst, immer +Mit hellerm Glanz dein Auge strahlen läßt, +Doch wer bist du? Was ward der schwache Flimmer +Der niedern Sphäre dir zum Sitz gewährt, +Die uns umschleiert wird durch fremden Schimmer?" +So sprach ich, jenem Lichte zugekehrt, +Das erst gesprochen hatt’, und sah’s in Wogen +Von Strahlen drum weit mehr als erst verklärt. +Denn gleichwie Sol, von dichtem, Dunst umzogen, +In zu gewalt’gen Glanz sich selber hüllt, +Wenn Glut der Nebel Schleier weggesogen, +So barg sich jetzt, von größrer Lust erfüllt, +Die heilige Gestalt im Strahlenringe, +Und sie entgegnete mir, so verhüllt, +Das, was ich bald im nächsten Sange singe. + + +Sechster Gesang + +"Nachdem der Kaiser Konstantin, entgegen +Der Himmelsbahn, gewendet jenen Aar, +Der einst ihr folgt’ auf des Äneas Wegen, +Da sah man mehr als schon zweihundert Jahr’ +Zeus’ Vogel an Europens Rand verbringen, +Nah dem Gebirg, dem er entflogen war. +Beherrschend unterm Schatten heil’ger Schwingen +Von dort die Welt, ging er von Hand zu Hand, +Bis ihm beim Wechsel meine Hand’ empfingen. +Cäsar war ich, Justinian genannt, +Der, nach der ersten heil’gen Liebe Walten, +Unmaß und Leeres ins Gesetz gebannt. +Und eh’ ich’s unternahm, dies zu gestalten, +Lebt’ ich zufrieden in dem Wahne fort, +Ein Wesen sei in Christo nur enthalten. +Doch Agapet, der höchste Hirt und Hort, +Er lenkte mich zurück zum Echten, Wahren, +Zum rechten Glauben durch sein heilig Wort. +Ich glaubt’ ihm und bin jetzt ob des im klaren, +Was er mir sagt’--und du auch wirst nun sehn, +Daß Wahr und Falsch im Gegensatz sich paaren. +Kaum fing ich an, der Kirche nachzugehn, +So flößt’ es Gott mir ein, mich aufzuraffen, +Und nur dem hohen Werke vorzustehn. +Dem Belisar vertraut’ ich meine Waffen, +Und ihm verband des Himmels Rechte sich +Zum Zeichen mir, ich soll’ in Ruhe schaffen. +Befriedigt hab’ ich nun im ersten dich, +Was du gefragt; allein die Art der Frage +Verbindet noch zu einem Zusatz mich, +Damit du sehst, welch Unrecht jeder trage, +Der dieses hehren, heil’gen Zeichens Macht +An sich zu zieh’n und ihr zu trotzen wage. +Du siehst die Kraft, die’s wert der Ehrfurcht macht, +Seit seiner Herrschaft Pallas, überwunden, +Sein Leben selbst zum Opfer dargebracht; +Weißt, daß es drauf den Aufenthalt gefunden, +Dreihundert Jahr’ und mehr in Albas Au’n, +Bis drei und drei dafür den Kampf bestunden; +Weißt, was vom Raube der Sabinerfrau’n +Es tat bis zu Lukreziens Schmerz, durch sieben, +Die ringsumher besiegt die Nachbargau’n. +Weißt, wie es Brennus, Pyrrhus auch vertrieben, +Getragen vor der wackern Römer Schar +Und siegreich noch in manchem Kampf geblieben; +Drob Quinctius, benannt vom wirren Haar, +Drob auch Torquatus, Decier, Fabier glänzen +In freud’gem Ruhme durch den heil’gen Aar. +Er schlug der Libyer Stolz, die, Welschlands Grenzen +Einst Hannibal verführt, zu überzieh’n, +Wo Alpen deinen Quell, o Po, umkränzen. +Ein Jüngling noch, hob Scipio sich durch ihn. +Pompejus auch, zu des Triumphes Ehren, +Der bitter deinem Vaterlande schien. +Dann, nah der Zeit, in der die Welt verklären +Der Himmel wollt’ in seinem eignen Schein, +Nahm Julius Cäsar ihn auf Roms Begehren. +Was er dann tat vom Varus bis zum Rhein, +Jser’ und Seine sahn’s, es sahns, bezwungen, +Die Tale, die der Rhon’ ihr Wasser Ieih’’n. +Wie er den Rubikon dann übersprungen, +Was er dann tat, das war von solchem Flug, +Daß Zung’ und Feder nie sich nachgeschwungen. +Nach Spanien lenkt’ er dann den Siegerzug, +Dann nach Durazz’ und traf Pharsaliens Auen +So, daß man Leid am heißen Nile trug. +Sah wieder dann den Simois, die Gauen, +Von wo er kam, wo Hektor ruht und schwang +Sich auf dann, zu des Ptolemäus Grauen. +Worauf er blitzend hin zum Juba drang; +Dann sah man ihn die Flügel westwärts schlagen, +Wo ihm Pompejus’ Kriegsdrommet’ erklang. +Was er mit dem tat, der ihn dann getragen, +Bellt Brutus, Cafsius noch in ew’ger Not, +Sagt Modena, Perugia noch mit Klagen. +Kleopatra beweint’s noch, die, bedroht +Von seinem Zorn, entfloh und an die Brüste +Die Schlange nahm zu schnellem, schwarzem Tod. +Mit diesem eilt’ er bis zur roten Küste, +Mit diesem schloß er fest des Janus Tor, +Weil Fried’ und Ruh’ den ganzen Erdball küßte. +Doch was der Adler je getan zuvor, +Und was noch drauf getan dies hohe Zeichen, +Das Gott zur Herrschaft ird’schen Reichs erkor, +Muß dem gering erscheinen und erbleichen, +Der’s in der Hand des dritten Cäsar schaut +Mit klarem Blick, dem Wahn und Irrtum weichen. +Denn die Gerechtigkeit, die jeden Laut +Mir einhaucht, hat ihn, ihren Zorn zu rächen. +Der Hand des, den ich dir benannt, vertraut. +Jetzt staun’ ob dessen, was ich werde sprechen: +Er nahm, begleitend dann des Titus Bahn, +Rach’ an der Rache für ein alt Verbrechen. +Und als darauf der Langobarden Zahn +Die Kirche biß, sah unter seinen Schwingen +Man Karl den Großen ihr mit Hilfe nah’n. +Nun siehst du selbst, wie jene sich vergingen, +Von denen ich, sie hart anklagend, sprach, +Die über euch all euer Übel bringen. +Der trachtet selbst dem Reicheszeichen nach, +Der will es durch die Lilien überwinden, +Und schwer zu sagen ist, wer mehr verbrach. +Der Ghibellin mög’ andres Zeichen finden, +Denn schlechte Folger sind dem heil’gen Aar, +Die standhaft nicht das Recht und ihn verbinden. +Der neue Karl mit seiner Guelfenschar, +Nicht trotz’ er ihm, der wohl schon stärkerm Leuen +Das Vlies abzog mit seinem Klauenpaar. +Oft muß der Sohn des Vaters Fehl bereuen. +Nicht glaub’ er seine Lilien Gott so lieb, +Um ihrethalb sein Zeichen zu erneuen-- +Der kleine Stern, der fern und dämmernd blieb, +Ist Wohnsitz derer, die zum tät’gen Leben +Der Durst allein nach Ruf und Ehre trieb. +Und wenn so falsch gelenkt die Wünsche streben, +So muß sich wohl der wahren Liebe Licht +Mit minderm Glanz zum rechten Ziel erheben. +Doch wägen wir dann des Verdiensts Gewicht +Mit dem des Lohns, so wird uns Wonn’ und Frieden, +Weil eins dem andern so genau entspricht. +Dann stellt uns die Gerechtigkeit zufrieden +Und sichert uns vor jedem sünd’gen Hang, +Denn glücklich macht uns das, was uns beschieden. +Verschiedne Tön’ erzeugen süßen Klang; +So bilden hier die Harmonie der Sphären +Die lichten Kreise von verschiednem Rang. +Du siehst in dieser Perle sich verklären +Romeos Licht, mußt’ auch sein schönes Tun +Auf Erden des verdienten Lohns entbehren. +Allein die Pprovenzalen lachen nun +Nicht ihres Grolls, denn solche nah’n dem Falle, +Die sich in andrer Guttat Schaden tun. +Vier Töchter hatt’, und Königinnen alle, +Graf Raimund, und Romeo tat ihm dies, +Der niedre Fremd’ in stolzer Fürstenhalle. +Und jener folgt’, als ihm die Scheelsucht hieß, +Dem Biedermanne Rechnung anzusinnen, +Der acht und vier für zehn ihm überwies. +Arm und veraltet ging er dann von hinnen; +Und wußte man, mit welchem Herzen er +fortzog, sein Brot als Bettler zu gewinnen, +Man preist ihn hoch und pries’ ihn dann noch mehr. + + +Siebenter Gesang + +Hosianna dir, du Gott der Macht und Wahrheit, +Dir, der du hier der sel’gen Flammen Glanz +Reich überströmst mit Fülle deiner Klarheit!" +So schien, zurückgewandt zu ihrem Tanz, +Die Seel’ im Lied den höchsten Herrn zu feiern, +Umringt ihr Licht von neuem Strahlenkranz. +Den Reigen sah ich alle nun erneuern, +Und Funken gleich, die durch die Lüfte flieh’n, +Von plötzlicher Entfernung sie verschleiern. +Ich zweifelte. "Sprich, sprich, zur Herrin," schien +Mein Herz zu sprechen bei des Mundes Schweigen, +"Die stets dir Lab’ in süßem Tau verlieh’n." +Allein die Ehrfurcht, der ich immer eigen +Als Sklav’ war, wo nur be nd ice klang, +Ließ, gleich dem Schläfrigen, das Haupt mich neigen. +Sie aber duldete mich so nicht lang; +In Lächeln strahlte mir das hohe Wesen, +Das Feuerpein umschüf in Wonnedrang. +Sie sprach: "Ich hab’ in deiner Brust gelesen, +Wie ist--dies ist’s, was dir im Haupte kreist-- +Gerechter Rache Zücht’gung Recht gewesen. +Doch bald entwirren will ich deinen Geist, +Damit du, wenn dein Sinn sich mir erschlossen, +Um eine große Wahrheit reicher seist. +Der Mensch, der nicht geboren ward, verdrossen, +Zu dulden, sich zum Heil, des Willens Zaum, +Verdammte sich und mit sich seine Sprossen; +Drob das Geschlecht in Wahn und falschem Traum +Viel hundert Jahre krank lag, matt und trübe, +Bis sich das Wort geneigt zum niedern Raum, +Wo’s der Natur, die sich im irren Triebe +Vom Schöpfer abgekehrt, sich ganz verband, +Bloß durch das Walten seiner ew’gen Liebe. +Scharf sei dein Blick jetzt auf mein Wort gespannt. +Diese Natur, dem Schöpfer hingegeben +Und ihm vereint, war rein, wie sie entstand. +Doch durch sie selbst war sie für falsches Streben +Vom Paradies verbannt, weil sie die Bahn +Verlassen, wo nur Wahrheit ist und Leben. +Drum ward die Strafe, durch das Kreuz empfah’n, +Mit größerm Recht, als jemals irgendeine, +Der angenommenen Natur getan. +So war die Straf auch ungerecht wie keine, +In Hinsicht des, der sie erlitten hat, +Mit der Natur, der ird’schen, im Vereine. +Verschieden war die Wirkung einer Tat. +Gott und den Juden mußt’ ein Tod gefallen, +Drob Erd’ erbebt’ und Himmel auf sich tat. +Schwer wird dir’s nicht mehr zu begreifen fallen, +Wenn man von dem gerechten Richter spricht, +Des Rach’ auf rechte Rache schwer gefallen. +Doch deinen Geist, gleich einem Netz, umflicht +Gedank’ itzt und Gedank’ in engem Kreise, +Aus dem er sehnlich Lösung sich verspricht. +Der Rache Recht war klar in dem Beweise, +Denkst du; doch weshalb wählt’ in seiner Macht +Gott zur Erlösung ebendiese Weise? +Der Schluß, mein Bruder, birgt sich dem in Nacht, +Dem nicht, wenn hell der Liebe Flammen brennen, +Die Glut den Geist zur Mündigkeit gebracht. +Vernimm deshalb, weil wenig zu erkennen, +Wo viel der Blick umsonst sich spähend müht, +Warum die Art die würdigste zu nennen. +Die ew’ge Gut’, in sich nie zornentglüht, +Zeigt, wenn im All sich ihre Schönheit spiegelt, +Wie sie die Funken eigner Glut versprüht. +Was ihr unmittelbar entströmt--verriegelt +Ist dem des Todes Tür, und fest und treu +Ist das Gepräge, wenn sie selber siegelt. +Was ihr unmittelbar entströmt, ist frei, +Ist völlig frei, und deshalb wohnt dem Neuen +Die Kraft nicht, es zu unterjochen, bei. +Je mehr’s ihr gleicht, je mehr muß sie’s erfreuen, +Drum will die heil’ge Glut, das Licht der Welt, +Aufs ähnlichste den hellsten Schimmer streuen. +In allem dem ist hoch der Mensch gestellt, +Der aber, wenn nur eins ihm fehlt, entweihet, +Mit Schmach herab von seinem Adel fällt. +Die Sünd’ allein ist das, was ihn entfreiet. +Unähnlich macht sie ihn dem höchsten Gut, +Das wenig drum von seinem Glanz ihm leihet. +Nie kehrt zurück ihm seine Würde, tut +Er dem nicht G’nüge durch gerechte Leiden, +Was er gefehlt in sünd’ger Lüste Glut. +Eure Natur, die in den ersten beiden +Ganz sündigte, ward, wie der Würd’ entsetzt, +So auch verdammt, das Paradies zu meiden. +Und Möglichkeit, dahin zurückversetzt +Dereinst zu sein, gab’s nur auf zweien Pfaden, +Wenn scharf dein Geist der Dinge Wesen schätzt: +Entweder Gott verzieh allein aus Gnaden, +Oder es mußte sich, der ihn gekränkt, +Der Mensch, g’nugtuend, selbst der Schuld entladen. +Dein Blick sei in den Abgrund jetzt versenkt +Des ew’gen Rates, und mit ernstem Schweigen +Sei ganz dein Geist nach meinem Wort gelenkt. +G’nugtuung konnte nie der Mensch erzeigen, +Und, eng beschränkt, so tief nicht niedergehn, +Gehorchend, nicht sich so in Demut neigen, +Als, ungehorsam, er sich wollt’ erhöh’n; +Drum könnt’ er nie sich von der Schuld befreien, +Genugtuung nicht durch ihn selbst gescheh’n. +Drum wählt’, ihn neu zum Leben einzuweihen, +Gott, so gerecht wie gnädig, seinen Pfad +Und führt’ auf diesem ihn, vielmehr auf zweien. +Doch weil so werter ist des Täters Tat, +Je heller strahlt die Gut’ in dem Gemüte, +In dem die Handlung ihre sQuelle hat, +Hat, die die Welt gestaltet, Gottes Güte, +Auf jedem Wege, der ihr offen lag, +Euch neu erhöht zu eurer ersten Blüte. +Und zwischen letzter Nacht und erstem Tag +Ist nie so Hohes, Herrliches gediehen +Für sie und euch, was er auch schaffen mag. +Freigeb’ger war’s, daß Gott sich selbst verliehen, +Drob zu erstehn der Mensch genügend ward, +Als hätt’ er ihm nur aus sich selbst verziehen, +Karg war’ erfüllt in jeder andern Art +Das Recht, wenn Gottes Sohn um euretwillen +Nicht demutsvoll dem Fleische sich gepaart. +Jetzt, um noch besser deinen Wunsch zu stillen, +Und daß du seh’st, gleich mir, das volle Licht, +Will ich noch eins dir deutlicher enthüllen. +Ich sehe Feuer, sehe Luft--so spricht +Dein Zweifel--Wasser, Erd’, in mannigfachen +Vermischungen, und alle dauern nicht. +Geschöpfe sind ja alle diese Sachen; +Und sollte dies, wenn ich dich recht verstand, +Sie nicht vor der Verderbnis sicher machen? +Die Engel, Bruder, und dies reine Land, +Sie dürfen wohl sich für erschaffen halten, +Weil, wie sie sind, ihr volles Sein entstand. +Doch alles, was die Element’ entfalten, +Die Elemente selbst, sie läßt allein +Der Höchste durch geschaffne Kraft gestalten. +Geschaffen ward ihr Stoff, ihr erstes Sein, +Geschaffen ward die Bildungskraft dem Tanze +Der Sterne, die um eure Welt sich reih’n. +Die Seele jedes Tiers und jeder Pflanze +Zielet nach verschiedner Bildungsfähigkeit +Regung und Licht aus ihrem heil’gen Glanze. +Allein der höchsten Güte Hauch verleiht +Unmittelbar uns selber unser Leben +Und Liebe, die dann ihr sich sehnend weiht. +Wie aus der Gruft die Leiber sich erheben, +Erkennst du, wenn du denkest, wessen Ruf +Dem Menschenleib sein erstes Sein gegeben, +Als er die beiden ersten Eltern schuf. + + +Achter Gesang + +Die Welt glaubt’ einst, unsel’gen Irrtum hegend, +Daß Cypris toller Liebe Glut entflammt, +Im dritten Epizyklus sich bewegend. +Drob nicht zu ihr allein mit Opferamt +Und Weiherufen sich anbetend kehrte +Das alte Volk, im alten Wahn verdammt; +Nein, auch Dionen und Cupiden ehrte, +Als ihre Mutter sie, ihn als das Kind, +Dem Dido ihren Schoß zum Sitz gewährte. +So ward nach ihr, von der mein Sang beginnt, +Der Stern benannt, der, bald der Sonn’ im Rücken, +Bald ihr im Angesicht liebäugelnd minnt. +Nicht fühlt’ ich mich in diesen Stern entrücken, +Doch daß ich wirklich drinnen sei, entschied +Der Herrin höh’res, schöneres Entzücken. +Und wie man Funken in der Flamme sieht, +Und wie wir Stimmen in der Stimm’ erkennen, +Die aushält, wenn die andre kommt und flieht; +So sah ich Lichter hier im Lichte brennen, +Und, nach dem Maß des innern Schau’ns erregt, +So schien’s, im Kreis mehr oder minder rennen. +Kein Wind, unsichtbar oder sichtbar, pflegt +So schnell aus kalter Wolk’ herabzugleiten, +Daß er nicht langsam schien’ und schwer bewegt +Dem, der die Lichter uns entgegenschreiten +Im Flug gesehn, aus jenem Kreis hervor, +Den hohe Seraphim bewegend leiten. +Und hinter diesen ersten klang’s im Chor: +Hosianna! Und seit ich den Ton vernommen, +Sehnt stets nach ihm sich brünstig Herz und Ohr. +Und einen sah ich dann uns näher kommen, +Und er begann allein mit frohem Klang: +"Willfährig sind wir alle, dir zu frommen. +Wir wandeln hin, ein Kreis, ein Schwung, ein Drang, +Uns nie vom Pfad der Himmelsfürsten trennend, +Zu welchem du gejagt in deinem Sang: +Die ihr den dritten Himmel lenkt, erkennend; +Für dich wird uns nicht schwer ein Stillestand, +Für dich in so inbrünst’ger Liebe brennend." +Als ich zu ihr voll Ehrfurcht mich gewandt, +Und so der Herrin Blick sich ausgesprochen, +Daß ich mich sicher und befriedigt fand, +Schaut’ ich zum Licht, das mir in sich versprochen +So vieles hatt’, und sprach: "Wer bist du, sprich!" +Den Ton vor großer Inbrunst fast gebrochen. +O wie vermehrte, wie verschönte sich +Der frohe Glanz in Mienen und Gebärden +Bei meinem Wort!--Dann sprach er freudiglich: +"Nur kurze Zeit verweilt’ ich auf der Erden, +Verweilt’ ich mehr, dann wären viele nicht +Der Übel, die dich noch betreffen werden. +Nur meine Freude birgt dir mein Gesicht, +Nur sie verhüllt mich rings im Strahlenrunde, +So wie den Seidenwurm die Seid’ umflicht. +Du liebtest mich, und wohl aus gutem Grunde; +Denn lebt’ ich noch, gewiß dir keimten jetzt +Nicht Blätter nur aus unserm Liebesbunde. +Der linke Strand, den Rhodanus benetzt, +Nachdem er mit der Sargue sich verbündet, +Sah einst im Geist durch mich den Thron besetzt; +So auch Ausoniens Horn, wo, festbegründet, +Bari, Gaëta und Crotona droh’n, +Von wo im Meere Verd’ und Tronto mündet. +Auch schmückte mich des Landes Krone schon, +Das längs durchstreift der Donau Wogenfülle, +Nachdem sie aus Germaniens Gau’n entflob’n. +Trinacria--bedeckt von schwarzer Hülle +Zwischen Pachino und Pelor, am Schlund +Des Meers, das schäumt bei Eurus’ Wutgebrülle, +Durch Typhöus nicht, nein, durch den Schwefelgrund +Der Fürsten harrt’ es noch, der edeln Sprossen +Rudolfs und Karls aus meinem Ehebund, +Wenn schlechte Herrschaft, welche stets verdrossen +Der Unterworfne trägt, zum Mordgeschrei +Nicht in Palermo jeden Mund erschlossen. +Ging’ Ahnung dessen meinem Bruder bei, +So würd’ er Kataloniens Bettler jagen, +Damit ihr Geiz kein Sporn zum Aufruhr sei. +Nottut’s fürwahr, daß ihm die Freund es sagen, +Wenn er’s nicht sieht: daß volle Ladung schon +Sein Nachen hat, und nichts kann weiter tragen. +Er, des freigeb’gen Vaters karger Sohn, +Braucht Diener, die nicht Gold nur zu gewinnen +Begierig sind, nicht bloß erpicht auf Lohn."-- +"Herr, weil ich glaube, daß die Lust hierinnen, +Die deine Rede strömt in meine Brust, +Du, wo die Güter enden und beginnen,’ +So deutlich schauest, wie sie mir bewußt, +Wird sie mir werter--daß du beim Betrachten +Des Herrn sie schauest, gibt mir neue Lust. +Mach’ itzt, wie froh mich deine Worte machten, +Mich klar und schaffe noch dem Zweifel Ruh’: +Wie süße Saaten bittre Früchte brachten?" +So ich--und er: "Die Wahrheit fasse du, +Und dem. was du gefragt, kehrst du zufrieden, +Wie jetzt den Rücken, dann das Antlitz zu. +Das Gut, das ihren Lauf und ihren Frieden +Den Himmeln gab, hat jedem Stern den Schein +Und eine Kraft, als Vorsehung, beschieden. +Nicht nur der Wesen vorbestimmtes Sein +Hat der durch sich vollkommne Geist erwogen, +Er schließt in sich auch ihre Wohlfahrt ein. +Drum, was nur immer fliegt von diesem Bogen, +Kommt, gleich dem Pfeil, auf vorbestimmtem Gang +Gewiß herab zu seinem Ziel geflogen. +War’ dieses nicht, dann würd’ im wirren Drang, +Was diese Himmel irgend wirkend schaffen, +Kein Kunstwerk sein, nein, Graus und Untergang. +Dies kann nicht sein, wenn jene nicht erschlaffen, +Die Geister, lenkend diese Sternenschar, +Der Urgeist auch, der dann sie schlecht erschaffen. +Ist diese Wahrheit nun dir völlig klar?" +Und ich: "Gewiß, ich seh’s, Natur bleibt immer +In dem, was nötig ist, unwandelbar;" +Drum er: "Nun sprich, wär’s für den Menschen schlimmer, +Wenn er nicht Bürger ward und einsam blieb’?" +Ich: "Ja, und weitern Grund begehr’ ich nimmer!" +"Und wär’ ein Staat, wenn in verschiednem Trieb +Die Menschen nicht verschieden sind erwiesen? +Nein, wenn die Wahrheit euer Meister schrieb!" +So folgert’ ich bis jetzt, um hier zu schließen: +"Drum also muß der Menschen Tun hervor +Verschieden aus verschiedner Wurzel Sprießen. +Und Solon sproßt’ und Xerres so empor, +Also Melchisedek, und der Erfinder, +Der bei dem luft’gen Flug den Sohn verlor. +Natur, im Kreislauf, so die Menschenkinder +Wie Wachs ausprägt, übt ihre Kunst und sieht +Auf dies und jenes Haus nicht mehr noch minder. +Dies ist’s, was Esaus Keim von Jakobs schied, +Drob auch Quirin entsproß so niedrer Lende, +Daß man als Vater ihm den Mars beschied. +Und stets auf der Erzeuger Wegen fände +Man die, so sie erzeugten, nur, wenn nicht +Die Vorsehung des Höchsten überwände. +Was hinter dir war, sieh jetzt im Gesicht; +Doch wie ich dein mich freue, geb’ ich Kunde +Und dir durch einen Zusatz beßres Licht. +Ist die Natur nicht mit dem Glück im Bunde, +Dann kommt sie übel fort, wie jede Saat, +Die man gesät auf fremdem, falschem Grunde. +Und folgte der Natur des Menschen Pfad, +Suchtet auf ihrem Grund ihr nach dem Rechten, +Dann gab’ es gute Leut’ und wackre Tat. +Doch solche, die geboren sind, zu fechten, +Macht ihr zu Priestern wider die Natur +Und macht zu Fürsten die, so pred’gen möchten, +Und deshalb schweift ihr von der rechten Spur. + + +Neunter Gesang + +Noch sprach dein Karl, als er mich aufgeklärt, +Schöne Clemenza, von den Ränkevollen, +Durch welche schnöden Trug sein Sam’ erfährt. +Doch sagt’ er: "Schweig und laß die Jahre rollen!" +Drum sag’ ich nur, daß eurem Schaden bald +Gerechte Straf und Klage folgen sollen. +Schon war das Leben jener Lichtgestalt +Zur Sonn’, in deren Strahl es ganz genesen, +Zum Gut, das allem g’nügt, zurückgewallt. +Betrogne Seelen, gottvergeßne Wesen! +Was wendet ihr das Herz von solchem Gut +Und habt nur Eitelkeit zum Ziel erlesen! +Und sieh, ein andres jener Lichter lud +Mich, nahend, ein und zeigte seinen Willen, +Mich zu befriedigen, in hellrer Glut. +Beatrix, die den Blick, den heil’gen, stillen, +Auf mich gewandt, wie erst, erlaubte mir, +Durch teure Zustimmung, den Wunsch zu stillen. +Ich sprach: "O g’nüge meiner Wißbegier, +Bewähr’, o Geist, den Fried’ und Lust durchdringen, +Daß, was ich denke, widerstrahl’ in dir." +Das Licht, das ich aus seinem Innern singen +Vorher gehört, sprach, mir noch unbekannt, +Wie der, den’s freut, das Gute zu vollbringen: +"Doch im verkehrten schnöden welschen Land +Zwischen der Brenta und der Piave Quelle +Und des Rialto meerumfloßnem Strand, +Dort hat ein niedrer Hügel seine Stelle; +Von ihm herab stürzt’ eine Fackel sich +Und macht’ in grausem Brand die Gegend helle. +Aus einer Wurzel sproßten sie und ich. +Ich, einst Cunizza, glänz’ in diesem Sterne, +Denn seines Schimmers Reiz besiegte mich. +Und meines Schicksals Grund verzeih’ ich gerne +Mir selber hier, da’s mir nicht bitter dünkt, +So schwer eu’r Pöbel dies auch fassen lerne. +Sieh diesen Glanz, der mir am nächsten blinkt +In unserm Kreis, den leuchtenden, den teuern! +Groß blieb sein Ruhm, und, eh’ er ganz versinkt, +Wird fünfmal das Jahrhundert sich erneuern. +Sieh, wenn das erste Sein ein zweites schenkt, +Soll dies zur Trefflichkeit euch nicht befeuern? +Doch dies ist’s nicht, woran die Rotte denkt, +Die Tagliamento hier, dort Etsch umfließen, +Die selbst das Unglück nicht zur Reue lenkt. +Doch färbend wird sich Paduas Blut ergießen +Zum Sumpfe, der Vicenzas Mauer wahrt, +Weil die Verstockten sich der Pflicht verschließen. +Und dort, wo sich Tagnan mit Sile paart, +Herrscht einer, hoch die stolze Stirne tragend, +Zu dessen Fang das Netz schon fertig ward. +Schon seh’ ich Feltre, den Verrat beklagend +Des Hirten, der dort herrscht, an Schändlichkeit, +Was je geführt nach Malta, überragend. +Kein Paß auf Erden ist so hohl und weit, +Um alles Ferrareser Blut zu fassen, +Das zum Geschenk der wackre Pfaff verleiht, +Um als Parteiglied recht sich sehn zu lassen; +Und solcherlei Geschenk wird wohl zum Geist +Und zu des Landes Art und Leben passen. +Von hohen Spiegeln, die ihr Throne heißt, +Glänzt Gott, der Richtende, zu uns hernieder, +Worin als wahr sich, was ich sprach, erweist." +Sie sprach’s, von mir gekehrt, und wandte wieder +Sich hin zu ihrem Kreis, wo sie verschwand, +So wie sie kam, beim Klang der Himmelslieder. +Die andre Wonne, mir bereits bekannt, +Ward leuchtender in Mienen und Gebärden, +Wie in der Sonne Blitz der Diamant. +Dort gibt die Wonne Glanz, wie sie auf Erden +Das Lächeln zeugt, indes bei innrer Pein +Die äußern Schatten unten dunkler werden. +"Alles sieht Gott--du siehst in seinen Schein," +Sprach ich, "und kann in ihn dein Auge dringen, +So muß dir klar sein ganzer Wille fein. +Drum deine Stimme, die im frommen Singen +Den Himmel mit dem Sang der Feuer letzt. +Die sich bekleiden mit sechsfachen Schwingen, +Warum nicht g’nügt sie meinen Wünschen jetzt? +Auch ungefragt harrt’ ich so lang nicht säumend, +War’ ich in dich, wie du in mich versetzt."-- +"Das größte Tal, worin das Wasser schäumend +Sich ausgedehnt," begann des Sel’gen Wort, +"Außer dem Meere, rings die Erd’ umsäumend, +Geht zwischen Feindesufern westlich fort, +So weit, daß hier, an seinem letzten Strande, +Gesichtskreis ist, was Mittagsbogen dort. +Ich lebt’ an dieses großen Tales Rande +Zwischen Ebro und Magra, die, nicht lang, +Trennt Genuas Gebiet vom Tuskerlande. +Fast einen Aufgang hat und Niedergang +Buggéa und die Stadt, der ich entsprossen, +Sie, deren Blut einst warm den Port durchdrang. +Mich hießen Folco meine Zeitgenossen +Und diesen Stern schmückt meine Freudigkeit, +Wie dort sein Licht sich in mein Herz ergossen. +Nicht zu Sichäus’ und Creusas Leid +Fühlt’ in sich Dido solche Flammen wogen, +Wie ich einst fühlt’ in meiner Jugendzeit; +Nicht Phyllis, von Demophoon betrogen; +Und nicht Alcid, nachdem in seine Brust +Eurytos’ Tochter siegend eingezogen. +Doch fühlt man hier nicht Reue drob, nein Lust, +Ganz die Erinnerung der Schuld verlierend, +Und nur des ew’gen Ordners sich bewußt. +Und jene Kunst, die Welten herrlich zierend, +Sehn wir, und sehn zu gutem Zwecke nun +Die obre Welt die untere regierend. +Doch um dem Wunsche ganz genugzutun, +Der dich durchdrungen hat in dieser Sphäre, +Darf ich noch nicht in meiner Rede ruh’n. +Du möchtest wissen, wer der Schimmer wäre, +Der nahe hier so strahlt, als ob die Glut +Der Sonn’ in reinem Wasser sich verkläre. +So wisse, daß darinnen Rahab ruht, +Die hier, in unsern Orden aufgenommen, +Sich kund im höchsten Glanz des Sternes tut. +Vor jedem andern Geist der Höll’ entrommen, +Ist sie zum Stern, wo sich vom Erdenrund +Der Schatten spitzt, durch Christi Sieg gekommen. +Der Sieg, den er, an beiden Händen wund, +Errungen hat, wird hier von ihr verkündet; +Den Himmeln tut sie, als Trophä’, ihn kund, +Weil sie des Josua ersten Ruhm begründet +Durch ihre Hilf in jenem heil’gen Land, +Das jetzt der Papst kaum wert der Sorge findet. +Und deine Stadt, die einst durch den entstand, +Des Neid euch alles Mißgeschick bereitet, +Und der zuerst von Gott sich abgewandt, +Sie ist’s, die das verfluchte Geld verbreitet, +Das einzig, weil’s zum Wolf den Hirten macht, +Vom rechten Wege Schaf und Lämmer leitet. +Drum wird nicht an die Bibel mehr gedacht, +Doch hat man sehr genau--war’s zu verhehlen, +So zeigt’s der Rand--der Dekretalen Acht. +Drin wird studiert von Papst und Kardinälen +Und Nazareth, wo Gabriel das Wort +Verkündigt hat, wird fremd den geiz’gen Seelen. +Doch Vatikan, samt jedem heil’gen Ort +In Rom, wo Petri Folger einst gepredigt, +Der Märtyrer geweihte Gräber dort, +Bald werden sie des Ehebruchs entledigt. + + +Zehnter Gesang + +Urkraft, der Liebe voll den Sohn beschauend, +Die ihr und ihm allewiglich entweht, +Die Unaussprechliche, das All erbauend, +Schuf, was ihr nur mit Geist und Aug’ erseht +So ordnungsvoll, daß sie mit Wonneregung +Den ganz durchdringt, der ihre Werk’ erspäht. +Erheb, o Leser, Blick und Überlegung +Miit mir zum Himmel jetzt, gerad’ dahin, +Wo sich durchkreuzt die doppelte Bewegung. +Von dort an letz’ am Kunstwerk deinen Sinn, +Denn selbst der Meister sieht es mit Vergnügen +Und spiegelt liebend seinen Blick darin. +Von dort verteilt sich zu verschiednen Zügen +Der schiefe Kreis, der die Planeten trägt, +Um denen, die sie rufen, zu genügen. +Und war’ ihr Lauf von dort nicht schief bewegt, +So wäre viele Himmelskraft verschwendet, +Und nichts beinah auf Erden angeregt. +Und war’ er mehr und minder abgewendet +Vom g’raden Weg, so blieb’ auf Erden dort, +Wie hier, die Weltenordnung unvollendet. +Jetzt bleib, o Leser, still auf deinem Ort, +Um dem, was du gekostet, nachzudenken, +Und eh’ du matt wirst, reißt dich Wonne fort. +Ich gab dir Wein--du magst dich selber tränken, +Denn alle meine Sorgen muß ich nur +Auf jenen Stoff, den ich beschreibe, lenken. +Die Dienerin, die größte, der Natur, +Die sich die Himmelskraft zum Spiegel machte, +Die leuchtend zeigt der Zeiten Maß und Spur. +Vereint dem Orte, dessen ich gedachte, +Sah man in schraubenförm’gem Kreis sich dreh’n, +In dem sie schneller hier die Tage brachte. +Ich war in ihr--allein wie dies gescheh’n, +Das spürt’ ich nur, wie wir Gedanken spüren, +Bevor sie noch in unserm Geist entstehn. +Beatrix, die so schnell uns weiß zu führen, +Vom Guten uns zum Bessern einzuweih’n, +Daß sich indessen nicht die Stunden rühren, +Wie leuchtend mußte sie von selber sein! +Und was ich drinnen in der Sonne schaute, +Durch Farbe nicht, durch hellen Glanz allein, +Ob ich auf Geist und Kunst und Übung baute, +Nie stellt’ es doch mein Wort euch deutlich vor, +Drum sehne sich, zu schau’n, wer mir vertraute. +Nicht staunt, wenn Phantasie die Kraft verlor, +Daß sie zu solchen Höh’n sich schwach erweise; +Kein Blick fliegt über diesen Stern empor. +So war ich nun im vierten Kinderkreise +Des Vaters, der, ihm zeigend, wie er weht, +Und wie er zeugt, ihn nährt mit ew’ger Speise. +Beatrix sprach: "Dank, Dank sei dein Gebet. +Zur Engelsonne laß ihn sich erheben, +Die dich zu dieser sichtbaren erhöht." +Kein Menschenherz war je mit allem Streben +Zur Andacht noch so freudig hingewandt, +Keins noch so ganz und innig Gott ergeben, +Als ich bei diesem Worte meins empfand, +Das so zu ihm hin all sein Lieben wandte, +Daß in Vergessenheit Beatrix schwand. +Sie zürnte nicht; ihr lächelnd Aug’ entbrannte +Drob so in Glanz, daß nun mein Geist, der nicht +An andres dacht’, itzt andres doch erkannte. +Und sieh, viel siegendes lebend’ges Licht +Macht’ uns zum Mittelpunkt und sich zur Krone +Süßer im Sang, als leuchtend im Gesicht. +So schmückt ein Kranz die Tochter der Latone, +Wenn dunstgeschwängert sie die Luft umzieht, +Die widerstrahlt den Streif der lichten Zone. +Am Himmelshof, von dem ich wieder schied, +Gibt’s viele Schöne, köstliche Juwelen, +Nicht auszuführen aus des Reichs Gebiet. +Dergleichen eins war der Gesang der Seelen; +Doch wer nicht selbst zu jenen Höh’n sich schwang. +Der lasse von den Stummen sich’s erzählen. +Nachdem dreimal die Sonnen mit Gesang, +Gleich Nachbarsternen, die den Pol umkreisen, +Uns rings umtanzt in Glut und Wonnedrang, +Da schienen sie wie Frau’n sich zu erweisen, +Die horchend stehn, noch nicht gelöst vom Tanz, +Bis sie gefaßt das Maß der neuen Weisen. +"Wenn, wahre Lieb’ entzündend, dir der Glanz +Der Gnade lacht, der sich durch Liebe mehret," +So sprach ein Licht aus jenem Strahlenkranz, +"Wenn er in dir vervielfacht sich verkläret, +So, daß er dich empor die Stiege lenkt, +Die niemand absteigt, der nicht aufwärts kehret, +So wird der, welcher deinen Durst nicht tränkt +Mit seinem Wein, so wenig Freiheit zeigen, +Als Wasser, das sich nicht zum Meere senkt. +Erfahren möchtest du, von welchen Zweigen +Des Kranzes Blumen sind, der feiernd sich +Um sie schlingt, die dich stärkt, emporzusteigen. +Von Dominiks geweihter Schar war ich, +Der solche Wege leitet seine Herden, +Wo wohl gedeiht, wer nicht dem Wahne wich. +Man hieß mich Thomas von Aquin auf Erden, +Und meines Meisters, meines Bruders Schein, +Albrechts von Köln, sieh rechts hier heller werden +Und willst du aller andern sicher sein, +So folge mit den Augen meinen Worten +Auf diese Blumen, die zum Kranz sich reih’n. +Den Gratian sieh wonneflammend dorten; +Dem doppelten Gerichtshof dienend, fand +Er frohen Einlaß an des Himmels Pforten. +Auch jenen Petrus sieh von Lust entbrannt; +Als Scherflein bot er, nach der Witwe Weise, +Der Kirche seinen Schatz mit treuer Hand. +Der fünfte Glanz, der schönste hier im Kreise, +Haucht solche Liebe, daß die ganze Welt +Nach Kunde gierig ist von seinem Preise. +So tiefes Wasser ist’s, das er enthält, +Daß, ist das Wahre wahr, ihm nie ein zweiter +Als Weiser sich und Seher gleichgestellt. +Sieh neben ihm den leuchtenden Begleiter. +Niemand war je auf Erden noch im Amt +Und der Natur der Engel eingeweihter. +Das kleinre Licht, das dorten lächelnd flammt, +Des Glaubens Anwalt ist’s, aus des Lateine +In Augustini Schriften manches stammt. +Verfolgend nun mein Lob von Schein zu Scheine +Mit geist’gem Blick, erspähst du dürstend jetzt, +Wer in dem achten Lichte dir erscheine. +Jedwedes Gut in sich zu schau’n, ergetzt +Die heil’ge Seele, die den Trug danieden +Dem offen kund tut, der sie hört und schätzt. +Der Leib, von dem sie durch Gewalt geschieden +Liegt in Cield’or, und sie kam aus Gefahr +Und Bann und Märtyrtum zu diesem Frieden. +Bedo und Isidor sieh hell und klar, +Sieh Richard dann die Liebesstrahlen spenden, +Der mehr als Mensch einst im Betrachten war. +Das Licht, von dem zurück zu mir sich wenden +Dein Auge wird, rief, bei der Erde Gram +Tiefsinnig ernst, den Tod, um ihn zu enden. +Sigieri ist’s, der zu der Toren Scham +Einst im Strohgäßchen las und, streng und trübe, +Durch Folgerung auf bittre Wahrheit kam."-- +Dann wie, uns rufend, früh der Uhr Getriebe, +Wenn Gottes Braut aufsteht, das Morgenlied +Singend dem Bräutigam, daß er sie liebe, +Hierhin und dorthin kreisend drängt und zieht +Tini tin! verklingend in so süßem Tone, +Daß frische Lieb’ in frommen Herzen blüht; +So regte sich die edle Strahlenkrone, +Mit Süßigkeit im himmlischen Gesang, +Die nur begreift, wer dort am Sternenthrone +Die ewig ungetrübte Lust errang. + + +Elfter Gesang + +O menschliche Begier voll Wahn und Trug, +Wie mangelhaft sind doch die Syllogismen, +Die dir herabzieh’n des Gefieders Flug! +Der ging dem Jus nach, der den Aphorismen; +Der sucht’ als Priester Ehren und Gewinn; +Der herrschte durch Gewalt, der durch Sophismen; +Der stahl, der hatt’ ein Staatsamt nur im Sinn; +Der mühte sich, in Fleischeslust befangen, +Und jener gab dem Müßiggang sich hin; +Indes ich, allem diesem Tand entgangen, +Im Himmel oben mit Beatrix war, +So herrlich und so ruhmvoll dort empfangen. +Still stand nun jeder von der sel’gen Schar +Im Kreis zurückgekehrt zur ersten Stelle, +Und stellte sich, wie Licht auf Leuchtern, dar. +Da schien es mir, aus jenem Schimmer quelle, +Der mich zuerst gesprochen, neuer Laut, +Und lächelnd sprach er dann in reinrer Helle: +"Wie, wenn ins ew’ge Licht mein Auge schaut, +Mich dieses ganz mit seinem Strahl entzündet, +So ist mir deines Denkens Grund vertraut. +Du zweifelst noch und hörtest gern verkündet +In offnen Worten und verständlich breit, +So, daß sie deine Fassungskraft ergründet, +Was wohl mein ob’ges Wort: Wo wohl gedeiht-- +Und dann: Kein zweiter kam ihm gleich--bedeutet. +Und hier ist nötig scharfer Unterscheid. +Die ew’ge Vorsicht, die das Weltall leitet, +Mit jener Weisheit, die in Tiefen ruht, +Zu welchen kein erschaffnes Auge gleitet, +Damit sich dem Geliebten ihre Glut, +Die Glut der Braut, die er mit lautem Schreie +Sich anvermählt hat durch sein heil’ges Blut, +Sichrer in sich und ihm getreuer, weihe, +Hat, ihr zur Gunst, zwei Fürsten ihr bestallt. +Und hier und dorten führen sie die zweie. +Der eine war von Seraphsglut umwallt, +Der andre zeigt’ im Glanz der Cherubinen +Die Weisheit dort im ird’schen Aufenthalt. +Von einem sprech’ ich, weil, wen man von ihnen +Auch preisen mag, man nie vom andern schweigt, +Da beide wirkten, einem Zweck zu dienen. +Beim Bach, der von Ubaldos Hügel steigt, +Und dem Tupino, hebt sich, zwischen beiden, +Ein Berg, des Abhang fruchtbar grün sich neigt. +Von ihm muß Hitz’ und Frost Perugia leiden, +Und hinter diesem Berg liegt Gualdo dicht, +Und fühlt mit Nocera des Joches Leiden. +Dort, wo sich seines Abhangs jähe bricht, +Dort sah man einer Sonne Glanz entbrennen, +Gleich der am Ganges klar im hellsten Licht. +Nicht möge man den Ort Ascesi nennen, +Denn wenig sagt, wer also ihn benannt; +Nein, was er war, gibt Orient zu erkennen. +Schon als der Glanz nicht fern dem Aufgang stand, +Begann er solche Kraft zu offenbaren, +Daß sich dadurch erquickt die Erde fand. +Denn mit dem Vater stritt er, jung an Jahren, +Für eine Frau, vor der der Freuden Tor +Die Menschen fest, wie vor dem Tod, verwahren, +Bis vor dem geistlichen Gericht und vor +Dem Vater sie zur Gattin er sich wählte +Und täglich lieber hielt, was er beschwor. +Sie, des beraubt, der sich ihr erst vermählte, +Blieb ganz verschmäht mehr als elfhundert Jahr’, +Da, bis zu diesem, ihr der Freier fehlte, +Obgleich durch sie Amicias in Gefahr +So sicher ruht’, als dessen Stimm’ erklungen, +Des Mächt’gen, der der Erd’ ein Schrecken war; +Obgleich sie standhaft, kühn und unbezwungen, +Als selbst Maria unten blieb, sich dort, +An Christi Kreuz, zu ihm emporgeschwungen. +Allein nicht mehr in Rätseln red’ ich fort; +Franziskus und die Armut sieh in ihnen, +Die dir geschildert hat mein breites Wort. +Der Gatten Eintracht, ihre frohen Mienen +Und Lieb’ und Wunder und der süße Blick +Erweckten heil’gen Sinn, wo sie erschienen. +Und solchem Frieden eilte, solchem Glück +Barfuß erst Bernhard nach, der Ehrenwerte, +Und glaubte doch, er bliebe träg zurück. +O neuer Reichtum! Gut von echtem Werte! +Egid, Silvester folgten bald dem Mann +Barfuß, weil hoher Reiz die Frau verklärte. +Der Vater und der Meister ging sodann +Nach Rom mit deiner Frau und mit den Seinen, +Die schon des niedern Strickes Band umspann. +Nicht feig sich beugend sah man ihn erscheinen, +Als Peter Bernardones niedrer Sohn, +Mocht’ er auch ärmlich und verächtlich scheinen, +Nein, kund tat er vor Innocenzens Thron +Den strengen Plan mit königlicher Würde, +Und der besiegelte die Stiftung schon. +Dann, als die Schar der Armen in der Hürde +Des Hirten wuchs, des Wunderleben hier, +Im Himmelsglanz, man besser singen würde, +Verlieh der frommen heiligen Begier, +Auf Gottes Eingebung, zum Eigentume +Honorius der zweiten Krone Zier. +Dann predigend, aus Durst nach Märtyrtume, +Kühn in des stolzen Sultans Gegenwart, +Von Christi und von seiner Folger Ruhme, +Fand zur Bekehrung er das Volk zu hart, +Drob, da ihm hier sein edles Werk nicht glückte, +Von ihm bebaut Italiens Garten ward. +Und auf Alvernas Felsenböhen drückte +Das letzte Siegel noch ihm Christus ein, +Das dann zwei Jahre seine Glieder schmückte. +Als der, der ihn berufen, aus der Pein +Zur Wonn’ ihn rief, den Lohn hier zu erwerben, +Daß er sein Knecht war, niedrig, arm und klein, +Empfahl er noch, als seinen rechten Erben, +Den Brüdern seine Frau, ihm lieb und wert, +Zu treuer Lieb’ im Leben und im Sterben. +Eh’ ihrem Schoß die Seele, schon verklärt, +Entfloh, heimkehrend zu des Vaters Reiche, +Ward nur die Erd’ als Sarg von ihm begehrt. +Jetzt denke selbst, wer dem an Würde gleiche, +Der, sein Genoß, durchs Meer führt Petri Kahn, +Daß er auf g’radem Weg das Ziel erreiche. +Dies Amt hatt’ unser Patriarch empfah’n, +Und gute Ware trägt auf deiner Reise, +Wer treu ihm folgt auf der befohlnen Bahn. +Doch deine Herd’ ist jetzt nach neuer Speise +So lüstern, daß sie üppig hüpft und springt +Und sich zerstreut und irrt vom rechten Gleise. +Je weiter hin der Schäflein Herde dringt, +Dem Hirten fern sich irrend zu zerstreuen, +Je minder Milch zum Stalle jedes bringt. +Wohl gibt’s noch welche, die den Schaden scheuen. +Die folgen, angedrängt dem Hirten, nach, +Doch wenig Tuch gibt Kutten diesen Treuen. +Jetzt aber, war mein Wort nicht trüb und schwach, +Verblieb dein Ohr, aufmerksam meinen Lehren, +Rufst du zurück dem Geiste, was ich sprach, +Dann wird’s Befried’gung deinem Wunsch gewähren, +Dann zeigt der Baum, von dem ich pflückte, sich, +Und meines Tadels Grund wird sich erklären: +Wo wohl gedeiht, wer nicht dem Wahne wich." + + +Zwölfter Gesang + +Sobald mir nur das letzte Wort erschollen, +Das aus der sel’gen Himmelsflamme drang, +Begann die heil’ge Mühl’ im Kreis zu rollen. +Doch eh’ sie rundherum sich völlig schwang, +War sie umringt von einem zweiten Kranze, +Eingreifend Tanz in Tanz und Sang in Sang; +Sang, hold verhaucht bei diesem Strahlentanze, +Dem unsrer Musen und Sirenen Lied +So weicht, wie Widerschein dem ersten Glanze. +Wie auf Gewölk, das leicht das Blau umsieht, +Man zwei gleichfarb’ge, gleichgespannte Bogen, +Wenn Juno ihrer Magd befiehlt, ersieht, +Erzeugt vom innern der, der ihm umzogen-- +Der Rede jener gleich, die Liebesglut, +Wie Sonnenglut die Dünste, weggesogen-- +Die Bogen, die nach allgemeiner Flut +Der Herr dem Noah zeigte, zum Beweise +Des Bunds, durch den die Erde sicher ruht;-- +So drehte jetzt um uns sich gleicherweise +Der ew’gen Rosen schöner Doppelkranz, +So glich der äußere dem innern Kreise. +Und als zuletzt der festlich frohe Tanz, +Die Lust des Sangs, der lichten Flammen schweben, +Das Spiegeln einer in der andern Glanz, +Still ward in einem Nu, mit gleichem Streben, +Wie sich die Augen, wenn es dem gefällt, +Der sie bewegt, verschließen und erheben; +Klang aus dem Kreis, von neuem Licht erhellt, +Ein Laut, nach dem ich mich so eilig kehrte, +Wie der Magnet nach seinem Sterne schnellt. +Er sprach: Die Liebe, die mich schön verklärte, +Ist’s, die vom zweiten Hort mich sprechen heißt, +Durch den man hier so hoch den meinen ehrte. +Vom andern spreche, wer den einen preist, +Zusammen glänzt’ ihr Ruhm, so wie sie stritten +Für einen Zweck und mit gleich tapferm Geist. +Des Heilands Heer, für welches schwer gelitten, +Der’s neu bewehrt, zog zweifelnd und voll Leid +Der Fahne nach, schwach und mit trägen Schritten, +Als er, der herrscht in Zeit und Ewigkeit, +Den Kriegern half, die hart gefährdet waren, +Aus Gnad’ und nicht ob ihrer Würdigkeit; +Und, wie gesagt, um seine Braut zu wahren. +Zwei Kämpfer rief, durch deren Wort und Tat +Gesammelt wurden die zerstreuten Scharen. +Woher der Zephir haucht, um am Gestad’ +In Tal und Au die Knospen froh zu schwellen, +Wenn sich der Lenz im Schmuck Europen naht, +Dort, nah dem Strand, wo hochgetürmte Wellen +Weit hergewälzt, von Sturmeswut bekriegt, +Dem Sonnenstrahl sich oft entgegenstellen, +Dort ist der Platz, wo Callaroga liegt, +Beschützt und wohlgedeckt vom großen Schilde, +Auf dem der Leu obsiegt und unterliegt. +Dort ward erzeugt im glücklichen Gefilde +Der Glaubenstreue Buhle, der Athlet, +Dem Feind ein Graus, den Seinigen voll Milde. ’ +Dem Geist, erschaffen kaum, ward zugeweht +Vom höchsten Geiste Kraft und hohe Gabe, +Und ungeboren war er schon Propbet. +Als mit der Glaubenstreue drauf der Knabe +Verlöbnis hielt, vom heil’gen Quell benetzt, +Wo gegenseit’ges Heil die Morgengabe, +Da ward die Zeugin, die Sein Ja! ersetzt, +Schon von der Wunderfrucht, die ihm entsprieße, +Und seiner Schul’, im Traumgesicht ergetzt. +Und daß sich, was er war, erkennen ließe, +Gebot ein Geist, vom Himmel hergesandt, +Daß man nach ihm, der ihn besaß, ihn hieße. +Dominikus ward er darum benannt, +Der Gärtner, welchen als Gehilfen Christus +Für seinen Garten wählt’ und sich verband. +Wohl schien er Bot’ und treuer Knecht von Christus, +Wie das, was er zuerst geliebt, bezeugt, +Denn er vollzog den ersten Rat von Christus. +Wohl fand ihn öfters die, so ihn gesäugt, +Am Boden liegend, wach, in tiefem Schweigen, +Als spräch’ er aus: Hierzu bin ich gezeugt. +O du, sein Vater, Felix wahr und eigen! +O Mutter, wahrhaft als Johann’ erblüht, +Wenn wir bis zu des Namens Wurzel steigen! +Nicht für die Welt, für die man jetzt sich müht, +Nach des von Ostia, des Thaddäus Lehren, +Nein, fürs wahrhafte Manna nur entglüht, +Sollt’ er als Lehrer bald sich groß bewähren, +Den Weinberg pflegend, der bald Unkraut trägt, +Wenn nicht des Winzers Hand’ ihm emsig wehren. +Vom Stuhl, der einst die Armen mild gehegt-- +Einst, nicht durch Schuld des Stuhls--durch dessen Sünden +Der sitzt, und aus der Art der Väter schlägt, +Erbat er Zehnten nicht, noch fette Pfründen, +Erlaubnis nicht, Ablaß und Heil für Geld, +Um drei und vier für zehen, zu verkünden; +Nein die, zu kämpfen mit der irren Welt, +Durch jenen Samen, dem die Bäum’ entspringen, +Die, zweimal zwölf, sich um dich her gestellt, +Die Pflichten des Apostels zu vollbringen, +Strebt’ auf sein Will’ und seine Wissenschaft, +Gleich Strömen, die aus tiefer Ader Springen. +Und ihre Wellen stürzten grausenhaft +Auf ketzerisch Gestrüpp, es auszubrechen, +Und mit dem Widerstand wuchs ihre Kraft. +Er gab darauf den Ursprung manchen Bächen, +Die hinzieh’n durch der Kirche Gartenland, +Drob ihre Bäume schönre Frucht versprechen-- +Wenn so ein Rad des Kriegeswagens stand, +Auf dem den Kampf die heil’ge Kirche wagte, +Als sie die innern Meut’rer überwand, +So muß dir jetzt, wie hoch das andre ragte +An Trefflichkeit, vollkommen deutlich sein, +Und was von ihm dir Thomas Gutes sagte. +Allein das Gleis hält jetzo niemand ein, +Das in den Grund der Schwung des Rades prägte, +Und Essig wird, was vormals süßer Wein. +Die Schar, die seiner Spur zu folgen pflegte, +Hat jetzt der Füße Stellung ganz gewandt +Und geht zurück, wo er sich vorbewegte. +Wie schlecht die Saat ist, wird euch bald bekannt, +Denn bei der Ernte wird das Korn erlesen +Und eingescheuert, doch der Lolch verbrannt. +Zwar, will man Blatt für Blatt das Buch durchlesen, +Das unsre Namen zeigt, so sagt ein Blatt +Noch hier und dort: Ich bin, was ich gewesen. +Doch nicht Casal, noch Aquasparta hat +Dergleichen Glieder unsrer Schar gegeben, +Da der zu streng ist, der zu schlaff und matt. +Jetzt wiss’, ich bin Buonaventuras Leben, +Von Bagnoregio, und gering erschien +Beim großen Amt mir jedes andre Streben. +Hier sind Jlluminat und Augustin, +Zwei von den ersten barfußarmen Scharen, +Die durch den Strick in Gottes Huld gedieh’n. +Hier sind der von Sankt Viktor zu gewahren, +Und Mangiador, der Spanier Peter dann, +Des Ruhm der Welt zwölf Bücher offenbaren. +Nathan der Seher, Erzbischof Johann, +Anselm, Donat, der sich dem Werke weihte, +Des sich die erste Kunst berühren kann. +Ruban ist hier; und solchen Brüdern reihte +Sich dieser an, begabt mit Sehergeist +Abt Joachim, helleuchtend mir zur Seite. +Wenn solchen Kämpfer meine Rede preist, +So ist’s des Thomas liebentflammte Weise, +Die mit sich fort auch meine Rede reißt, +Und mit mir fortzieht all in diesem Kreise. + + +Dreizehnter Gesang + +Wer wohl verstehn will, was ich nun gesehen, +Bild’ itzt sich ein und lass im Geist das Bild, +Indes ich spreche, fest, wie Felsen, stehen, +Fünfzehen Sterne, die man am Gefild +Des Himmels in verschiedner Gegend findet, +So glanzvoll, daß ihr Licht durch Nebel quillt; +Den Wagen, der um unsern Pol sich windet, +Und sein Gewölb’ bei Tag und Nacht durchreist, +Drob er beim Deichselwenden nicht verschwindet; +Bild’ ein sich, was der Mund des Hornes weist, +Das anfängt an der Himmelsachse Grenzen, +Um die das erste Rad nie rastend kreist; +Die Sterne denk’ er sich in zweien Kränzen, +Die, dem gleich, der sich zur Erinnrung flicht +An Ariadnens Tod, am Himmel glänzen, +Umringt den einen von des andern Licht, +Und beid’ im Kreis gedreht in solcher Weise, +Daß dem, der vorgeht, der, so folgt, entspricht; +Dann glaub’ er, daß sich ihm ein Schatten weise +Des wahren Sternbilds, welches, zweigereiht, +Den Punkt, auf dem ich stand, umtanzt’ im Kreise. +Denn was wir kennen, steht ihm nach, so weit, +Als nur der Chiana träger Lauf dem Rollen +Des fernsten Himmels weicht an Schnelligkeit. +Dort sang man nicht von Bacchus, von Apollen, +Nein, drei in einem--Gott und Mensch nur eins, +Die Lieder waren’s, welche dort erschollen. +Als Sang und Tanz des heiligen Vereins +Vollbracht war, wandt’ er sich zu uns, von Streben +Zu Streben, ewig froh des sel’gen Seins. +Und jenes Licht hört’ ich die Stimm’ erheben +Im eintrachtsvollen Kreis, das mir vorher +Erzählt des heil’gen Armen Wunderleben. +Es sprach zu mir: Das eine Stroh ist leer +Und wohlverwahrt die Saat, allein entglommen +Von süßer Liebe, dresch’ ich dir noch mehr. +Du glaubst: Der Brust, aus der die Ripp’ entnommen +Zum Stoff des Weibes, deren Gaum hernach +Der ganzen Welt so hoch zu stehn gekommen, +Und jener, die, als sie der Speer durchstach, +So nach wie vor so große G’nüge brachte, +Daß sie die Macht jedweder Sünde brach, +Sei alles Licht, das je dem Menschen lachte, +Und des er fähig ist, voll eingehaucht +Von jener Kraft, die jen’ und diese machte; +Und staunst, daß ich vorhin das Wort gebraucht: +Der fünfte Glanz sei bis zum tiefsten Grunde +Der Weisheit, wie kein zweiter mehr, getaucht. +Erschließ itzt wohl die Augen meiner Kunde; +Mein Wort und deinen Glauben siehst du dann +Im Wahren, wie den Mittelpunkt im Runde. +Das, was nicht stirbt, und das, was sterben kann, +Ist nur als Glanz von der Idee erschienen, +Die, liebreich zeugend, unser Heer ersann. +Denn jenes Licht des Lebens, das entschienen +Dem ew’gen Lichtquell, ewig mit ihm eins, +Und mit der Lieb’, als dritter, eins in ihnen, +Eint gnädiglich die Strahlen seines Scheins +Sie, wie in Spiegeln, in neun Himmeln zeigend, +Im ewigen Verein des einen Seins. +Von dort sich zu den letzten Kräften neigend, +Wird schwächer dann der Glanz von Grad zu Grad, +Zuletzt nur Dinge kurzer Dauer zeugend. +Die Dinge, die mein Wort bezeichnet hat, +Sind die Erschaffnen, welche die Bewegung +Des Himmels zeugt, so mit wie ohne Saat. +Ihr Wachs ist ungleich, und die Kraft der Prägung +Und von des Urgedankens Glanz gewahrt +Man drum hier schwächere, dort stärkre Regung; +Daher denn auch von Bäumen gleicher Art +Bald bessere, bald schlechtre Früchte kommen, +Und euch verschiedne Kraft des Geistes ward-- +War’ irgendwo das Wachs rein und vollkommen, +Und ausgeprägt mit höchster Himmelskraft, +Rein würde das Gepräg’ dann wahrgenommen. +Doch die Natur gibt’s immer mangelhaft +Und wirkt dem Künstler gleich, der wohl vertrauen +Der Übung kann, doch dessen Hand erschlafft. +Drum, bildet heiße Lieb’ und klares Schauen +Der ersten Kraft, dann wird sie, rein und groß, +Vollkommenes erschaffen und erbauen. +So ward gewürdiget der Erdenkloß, +Die tierische Vollkommenheit zu zeigen, +Und so geschwängert ward der Jungfrau Schoß. +Darum ist deine Meinung mir auch eigen: +Daß menschliche Natur in jenen zwei’n +Am höchsten stieg und nie wird höher steigen. +Hielt’ ich mit meinen Lehren jetzo ein, +So würdest du die Frage nicht verschieben: +Wie könnt’ ein dritter ohnegleichen sein? +Doch, daß erscheine, was versteckt geblieben, +So denke, wer er war, und was zum Fleh’n, +Als ihm gesagt ward: "Bitt’!" ihn angetrieben. +Aus meiner Rede konntest du ersehn: +Als König fleht’ er um Verstand, beflissen, +Damit dem Reiche g’nügend vorzustehn, +Nicht um der Himmelslenker Zahl zu wissen, +Nicht, ob Notwend’ges und Zufälligkeit +Notwendiges als Schluß ergeben müssen; +Nicht, was zuerst bewegt, Bewegung leiht; +Nicht, ob ein Dreieck in dem halben Kreise +Noch anderen, als rechten Winkel, beut-- +Was ich gemeint, erhellt aus dem Beweise. +Du siehst: eine Seher sondergleichen war +Durch Königsklugheit jener hohe Weise, +Auch ist mein Wort: dem nie ein zweiter, klar; +Von Kön’gen sprach ich nur an jenem Orte, +Die selten gute sind, ob viele zwar. +Mit diesem Unterschied nimm meine Worte, +Daß nicht im Streit damit dein Glaube sei +Vom ersten Vater und von unserm Horte. +Und dieses leg’ an deine Füße Blei +Und mache schwer dich, gleich dem Müden, gehen +Zum Ja! und Nein! wo nicht dein Auge frei, +Weil die selbst unter Toren niedrig stehen, +Die sich zum Ja und Nein, ohn’ Unterschied, +Gar schnell entschließen, eh’ sie deutlich sehen; +Drob sich die Meinung, wie es oft geschieht, +Zum Irrtum neigt, und dann im Drang des Lebens +Die Leidenschaft das Urteil mit sich zieht-- +Wer nach der Wahrheit fischt und, irren Strebens, +Die Kunst nicht kennt, der kehrt nicht, wie er geht, +Und schifft vom Strand drum schlimmer als vergebens, +Wie ihr dies an Melissus deutlich seht +Und an Parmenides und andern vielen, +Die gingen, eh’ sie nach dem Ziel gespäht; +Drob Arius und Sabell in Torheit fielen. +Gleich Schwertern waren sie dem heil’gen Wort +Und machten die geraden Blicke schielen. +Nicht reiß’ euch Wahn zum schnellen Urteil fort, +Gleich denen, die das Korn zu schätzen wagen, +Das eh’ es reift, vielleicht im Feld verdorrt. +Denn öfters sah ich erst in Wintertagen +Den Dornenbusch gar rauh und stachlicht stehn. +Und auf dem Gipfel dann die Rose tragen. +Und manches Schiff hab’ ich im Meer gesehn, +Gerad’ und flink auf allen seinen Wegen, +Und doch zuletzt am Hafen untergehn. +Nicht glauben möge Hinz und Kunz deswegen, +Weil dieser stiehlt und der als frommer Mann +Der Kirche schenkt, mit Gott schon Rat zu pflegen. +Da der erstehn und jener fallen kann. + + +Vierzehnter Gesang + +Vom Rand zur Mitte sieht man Wasser rinnen +Im runden Napf, vom Mittelpunkt zum Rand, +Je wie man’s treibt nach außen oder innen. +Dies war’s, was jetzt vor meiner Seele stand, +Als stille schwieg des Thomas heil’ges Leben +Und süß verhallend seine Stimme schwand, +Ob jener Ähnlichkeit, die sich ergeben, +Da er erst sprach, dann Beatricens Mund, +Der’s jetzt gefiel, die Stimme zu erheben: +"Ihm tut es not, obwohl er’s euch nicht kund +In Worten gibt, noch läßt im Innern lesen, +Zu späh’n nach einer andern Wahrheit Grund. +Sagt ihm, ob dieses Licht, das euer Wesen +So schön umblüht, euch ewig bleiben wird +Im selben Glanze, wie’s bis jetzt gewesen. +Und, bleibt’s. So sagt, damit er nimmer irrt, +Wie, wenn ihr werdet wieder sichtbar werden, +Es euren Blick nicht blendet und verwirrt." +Wie mit verstärkter Lust oft hier auf Erden +Die Tanzenden im heitern Ringeltanz +Die Stimm’ erhöh’n und froher sich gebärden; +So zeigte neue Lust der Doppelkranz, +Als sie ihn bat, so rasch, doch fromm-bescheiden, +In freud’gem Dreh’n und Wundersang und Glanz-- +Wer klagt, daß wir den Tod auf Erden leiden, +Um dort zu leben, oh, der fühlt und denkt +Nicht, wie wir dort am ew’gen Tau uns weiden. +Daß drei und zwei und eins, das alles lenkt +Und ewig lebt in einein, zwei’n und dreien, +Und, ewig unumschränkt, das All umschränkt, +Gesungen ward’s in solchen Melodeien +Dreimal im Chor, um vollen Lohn der Pflicht +Und jeglichem Verdienste zu verleihen. +Und eine Stimm’ entklang dem hellem Licht +Des kleinern Kreises dann und wich an Milde +Wohl der des Engels der Verkündung nicht. +"Solang die Lust im himmlischen Gefilde, +So lange währt auch unsre Lieb’ und tut +Sich kund um uns in diesem Glanzgebilde. +Und seine Klarheit, sie entspricht der Glut, +Die Glut dem Schau’n, und dies wird mehr uns frommen, +Je mehr auf uns die freie Gnade ruht. +Wenn wir den heil’gen Leib neu angenommen, +Wird unser Sein in höhern Gnaden stehn, +Je mehr es wieder ganz ist und vollkommen. +Drum wird sich das freiwill’ge Licht erhöh’n, +Das wir vom höchsten Gut aus Huld empfangen, +Licht, welches uns befähigt, ihn zu sehn, +Und höher wird zum Schau’n der Blick gelangen, +Höher die Glut sein, die dem Schau’n entglüht, +Höher der Strahl, der von ihr ausgegangen. +Doch, wie die Kohle, der die Flamm’ entsprüht, +Sie an lebend’gem Schimmer überwindet +Und wohl sich zeigt, wie hell auch jene glüht; +So wird der Glanz, der jetzt schon uns umwindet, +Dereinst besiegt von unsres Fleisches Schein, +Wenn Gott es seiner Grabeshaft entbindet. +Nicht wird uns dann so heller Glanz zur Pein; +Denn stark, um alle Wonnen zu genießen, +Wird jedes Werkzeug unsers Körpers sein."-- +Und Amen riefen beide Chör’ und ließen +Durch Einklang wohl den Wunsch ersehn, den Drang, +Sich ihren Leibern wieder anzuschließen. +Und wohl für sich nicht nur, nein, zum Empfang +Der Väter, Mütter und der andern Teuern, +Die sie geliebt, eh’ sie die Flamm’ umschlang. +Und sieh, zum Glanz von diesen ew’gen Feuern +Kam gleiche Klarheit rings, wie wenn das Licht +Des Tags der Sonne goldne Pfeil’ erneuern. +Wie, wenn allmählich an der Abend bricht, +Am Himmel Punkte, klein und bleich, erglänzen, +So daß die Sach’ als wahr erscheint und nicht; +So glaubt’ ich jetzt in neuen Ringeltänzen +Noch zweifelnd, neue Wesen zu erspäh’n, +Weit außerhalb von jenen beiden Kränzen. +O wahrer Schimmer, angefacht vom Weh’n +Des Heil’gen Geist’s so plötzlich hell!--Geblendet +Könnt’ ihm mein Auge jetzt nicht widerstehn. +Doch als ich zu Beatrix mich gewendet, +War sie so lachend schön, so hochbeglückt, +Daß solches Bild kein irdisch Wort vollendet. +Da ward von neuer Kraft mein Aug’ entzückt; +Ich schlug es auf und sah mich schon nach oben +Mit ihr allein zu höherm Heil entrückt. +Wohl nahm ich wahr, ich sei emporgehoben. +Denn glühend lächelte der neue Stern +Und schien von ungewohntem Rot umwoben. +Von Herzen, in der Sprache, welche fern +Und nah gemeinsam ist den Völker Scharen, +Bracht’ ich Dankopfer dar dem höchsten Herrn. +Und lustentzündet könnt’ ich schon gewahren, +Eh’ ich die ganze Glut ihm dargebracht, +Daß angenehm dem Herrn die Opfer waren. +Denn Lichter, in des Glanzes höchster Macht, +Sah ich aus zweien Schimmerstreifen scheinen, +Und rief: O Gott, du Schöpfer solcher Pracht!-- +So tut, besät mit Sternen, groß’ und kleinen, ’ +Galassia zwischen Pol und Pol sich kund, +Von welcher dies und das die Weisen meinen, +Wie diese Streifen, bildend auf dem Grund +Des roten Mars das hochgeehrte Zeichen, +Gleich vier Quadranten, wohlgefügt im Rund. +Wohl muß die Kunst hier dem Gedächtnis weichen, +Denn von dem Kreuz hernieder blitzte Christus; +Wo gäb’s ein Bild, ihm würdig zu vergleichen? +Doch wer sein Kreuz nimmt, folgend seinem Christus, +Von ihm wird das, was ich verschwieg, verzieh’n, +Denn blitzen sieht auch er im Glanze Christus. +Von Arm zu Arm, vom Fuß zur Höh’ erschien +Bewegtes Licht, hier hell in Glanz entbrennend, +Weil sich’s verband, dort beim Vorüberzieh’n. +So sieht man wohl, hier träg bewegt, dort rennend, +Atome, hier g’rad’, dort krummgeschweift, +Und lang und kurz, sich einend und sich trennend, +Wirbelnd im Strahl, der durch den Schatten streift, +Nach dem, wenn heiß die Sonnengluten flirren, +Der Mensch mit Witz und Kunst begierig greift.-- +Und wie harmonisch Laut’ und Harfe schwirren, +Sind nur die vielen Saiten rein gespannt, +Ob auch im Ohr die Töne sich verwirren; +So hört’ ich jetzt den Sang vom Kreuz und stand, +Als ob in Lust die Sinne sich verlören, +Obwohl ich von der Hymne nichts verstand. +Doch hohen Preis vernahm ich in den Chören, +Denn: Du erstehst und siegst!--erklang’s, und ich +Glich denen, welche nicht verstehn, doch hören. +Und so durchdrang hier süße Liebe mich, +Daß, welche holde Band’ auch mich umfingen, +Doch keins bis dahin diesem Bande glich. +Vielleicht scheint sich zu kühn mein Wort zu schwingen, +Nachsetzend selbst der schönen Augen paar, +Die jeden Wunsch in mir zur Ruhe bringen. +Doch nimmt man die lebend’gen Stempel wahr, +Die, höher, immer schöneres gestalten, +Und denkt, daß ich gewandt von jenen war, +So wird man drob mich für entschuldigt halten +Und sehn, daß ich vom Wahren nicht geirrt; +Doch dürft’ auch hier die heil’ge Wonne walten, +Die, wie man aufsteigt, immer reiner wird. + + +Fünfzehnter Gesang + +Gewogner Will’, in welchem immer dir +Sich offen wird die echte Liebe zeigen, +Wie böser Wille kund wird durch Begier, +Gebot der süßen Leier Stilleschweigen +Und hielt im Schwung der heil’gen Saiten ein, +Die Gottes Rechte sinken macht und steigen. +Wie werden taub gerechter Bitte sein +Sie, die einhellig den Gesang itzt meiden, +Um Mut zur Bitte selbst mir zu verleih’n. +Oh, wohl verdienen ewiglich zu leiden +Die, weil die Lieb’ in ihrer Brust erwacht +Für Irdisches, sich jener Lieb’ entkleiden. +Wie durch die Heiterkeit der stillen Nacht +Oft Feuer läuft, vom Augenblick geboren, +Und des Beschauers Augen zücken macht, +Gleich einem Stern, der andern Platz erkoren, +Nur, daß an jenem Ort, wo er entbrannt, +Sich nichts verliert und er sich schnell verloren; +So sah ich aus dem Arm zur rechten Hand +Jetzt einen Stern zum Fuß des Kreuzes wallen, +Aus jenem Sternbild, das dort glänzend stand. +Die Perl’ war nicht aus ihrem Band gefallen; +Sie lief am lichten Streif dahin und war +Wie Feuer hinter glänzenden Kristallen. +So, redet unsre größte Muse wahr, +Stellt’ in Elysiums Hainen seinem Sprossen +Anchises sich mit frommer Liebe dar. +"O du, mein Blut, auf welches sich ergossen +Die Gnade hat, wem hat der höchste Hort +Zweimal, wie dir, des Himmels Tür erschlossen?" +Mir zog den Geist zum Lichte dieses Wort; +Drauf, als ich mich zu meiner Herrin wandte, +Ward mir Entzückung, Staunen, hier wie dort, +Weil ihr im Auge solch ein Lächeln brannte, +Daß, wie ich glaubte, meins den Grund darin +Von meinem Himmel, meiner Gnad’ erkannte. +Der Geist dann fügte Dinge zum Beginn, +Er, angenehm zu hören und zu sehen, +Die ich nicht faßte vor zu tiefem Sinn. +Doch wollt’ er nicht, ich soll’ ihn nicht verstehen; +Es mußte sein, weil Reden solcher Art +Weit übers Ziel der Menschenfassung gehen. +Doch als der Schwung, in dem sich offenbart +Der Liebe Glut, insoweit nachgelassen, +Daß jenes Ziel nicht überflogen ward, +Sprach er, was ich nun fähig war, zu fassen: +"Preis dir, Dreieiner, der du auf mein Blut +So reich an Gnade dich herabgelassen." +Und dann: "Der Sehnsucht lange, süße Glut. +Entflammt, da ich im großen Buch gelesen, +Das kund unwandelbar die Wahrheit tut, +Stillst du, mein Sohn, im Licht, aus dem mein Wesen +Jetzt freudig zu dir spricht; Dank ihr, die dich +Zum Flug beschwingt und dein Geleit gewesen! +Du glaubst, daß alles, was du denkst, in mich +Vom Urgedanken strömt; denn es entfalten +Die fünf und sechs ja aus der Einheit sich; +Drum fragst du nicht nach mir und meinem Walten, +Und weshalb höher meine Freude scheint +Als die der andern dieser Lichtgestalten. +Dein Glaub’ ist wahr, weil groß und klein vereint +In diesem Reich, nach jenem Spiegel blicken, +Wo, eh’ du denkest, der Gedank’ erscheint, +Doch, um die Lieb’, in die mit wachen Blicken +Ich ewig schau’, und die die Süßigkeit +Der Sehnsucht zeugt, vollkommner zu erquicken, +Erklinge sicher, kühn, voll Freudigkeit +Die Stimm’ in deinem Willen, deinem Sehnen, +Und die Entgegnung drauf ist schon bereit." +Ich sah auf sie, die, eh’ die Wort’ ertönen, +Mich schon versteht, und lächelnd im Gesicht, +Hieß sie mich frei des Willens Flügel dehnen. +Ich sprach: "Die Neigung und des Geistes Licht +Sind, seit die erste Gleichheit ihr ergründet, +Bei jeglichem von euch im Gleichgewicht, +Weil euch die Sonne, die euch hellt und zündet +Mit Licht und Glut, damit sogleich durchdringt, +Daß man, was sonst sich gleicht, hier ungleich findet. +Doch Will’ und Witz, wie sie der Mensch erringt, +Sie sind aus dem euch offenbaren Grunde +Mit sehr verschiedner Kraft zum Flug beschwingt. +Dies fühl’ ich Sterblicher in dieser Stunde, +Und danke deine Vaterliebe dir +Drum mit dem Herzen nur, nicht mit dem Munde. +O du lebendiger Topas, du Zier +Des edlen Kleinods, hell in Glanz entglommen, +Still’ itzt, dich nennend, meine Wißbegier!" +"Mein Sproß, längst froh erwartet, jetzt willkommen, +In mir sieh deine Wurzel!" So der Geist, +Und setzt’ hinzu, nachdem ich dies vernommen: +"Und er, nach welchem dein Geschlecht sich heißt, +Der hundert Jahr’ und mehr für stolzes Wesen +Des Berges ersten Vorsprung schon umkreist, +Er ist mein Sohn, dein Urgroßahn, gewesen, +Und dir geziemt’s, von solcher langen Pein +Durch gute Werk’ ihn schneller zu erlösen. +Florenz, im alten Umkreis, eng und klein, +Woher man jetzt noch Terzen hört und Nonen, +War damals friedlich, nüchtern, keusch und rein. +Nicht Kettchen hatt’ es damals noch, nicht Kronen, +Nicht reichgeputzte Frau’n--kein Gürtelband, +Das sehenswerter war als die Personen. +Bei der Geburt des Töchterleins empfand +Kein Vater Furcht, weil man zur Mitgift immer, +So wie zur Zeit, die rechten Maße fand. +Und öde, leere Häuser gab’s da nimmer; +Nicht zeigte dort noch ein Sardanapal, +Was man vermag in Üppigkeit der Zimmer. +Nicht übertroffen ward der Montemal +Von dem Uccellatojo noch im Prangen, +Und wie im Steigen, also einst im Fall. +Ich sah vom schlichten Ledergurt umfangen +Bellincion Berti noch und sah sein Weib +Vom Spiegel gehn mit ungeschminkten Wangen. +Ich sah ein unverbrämtes Wams am Leib +Des Nerli und des Vecchio--und den Frauen +War Spill’ und Rocken froher Zeitvertreib. +Glücksel’ge Fraun! In eurer Heimat Auen +War euch ein Grab gewiß--durch Frankreichs Schuld +War keiner noch das öde Bett zum Grauen. +Die, wach und emsig an der Wiege, lullt’ +In jener Sprach’ ihr Kindlein ein, die jeden +Der Vater ist, entzückt in Süß’ und Huld. +Die, ziehend aus dem Rocken glatte Fäden, +Letzt’ ihrer Kinder Kreis von Römertat, +Von Troja, Fiesole mit klugen Reden. +Was ihr an einer Cianghella saht, +An Salterell, solch Wunder hätt’s gegeben, +Als itzt Cornelia gab’ und Cincinnat. +So ruhigem, so schönem Bürgerleben, +So treuer Bürgerschaft, so teurem Land, +Gab mich Maria, die mit Angst und Beben +Die Mutter anrief, als sie Weh’n empfand, +Und dort, in unserm Taufgebäu, dem alten, +Ward ich ein Christ und Cacciaguid genannt. +Zwei Brüder hatt’ ich, und zu treuem Walten +Im Haufe kam die Gattin mir vom Po, +Von der den zweiten Namen du erhalten. +Den Kaiser Konrad folgt’ und dient’ ich, so, +Daß er mich weihte zu des Ritters Ehren, +Und immer blieb ich seiner Gnade froh. +Mit ihm wollt’ ich des Greuels Reich zerstören, +Des Volk, durch eurer Hirten Fehler, sich +Der Länder anmaßt, die euch angehören. +Und dort, von jenem schnöden Volk, ward ich +Vom Trug der Welt entkettet und geschieden, +Der viele Herzen jeder Zeit beschlich, +Und kam vom Märtyrtum zu diesem Frieden. + + +Sechzehnter Gesang + +O du geringer Adel unsers Bluts, +Kannst du hienieden uns zum Stolz verführen, +Wo wir noch fern vom Schau’n des wahren Guts. +So werd’ ich nimmer drob Verwundrung spüren; +Denn dort, wo falsche Lust uns nicht erreicht, +Fühlt’ ich darob in mir den Stolz sich rühren. +Du bist ein Mantel, der, sich kürzend, weicht, +Setzt man nicht Neues zu von Tag zu Tagen, +Weil rings die Zeit mit ihrer Schere schleicht-- +Mit jenem ihr, das Rom zuerst ertragen, +Das jetzt die Römer minder brauchen, trat +Ich näher hin, beginnend neue prägen. +Beatrix drum, zur Seite stehend, tat, +Lächelnd, gleich jener, die beim ersten Fehle +Ginevrens, wie man schreibt, gehustet hat. +"Ihr seid mein Vater; Ihr erhebt die Seele, +Daß ich mehr bin als ich; Ihr gebt mir Mut +Mit Euch zu sprechen frei und sonder Hehle. +Mir strömt zur Brust vielfacher Wonne Flut, +Doch sie erträgt es, ohne zu zerspringen, +Weil süß das Herz in eigner Freude ruht. +Drum sprecht, mein Urahn, welche Vordern gingen +Euch noch voraus, und wie bezeichnet man +Die Jahre, die Euch hier itzt Früchte bringen? +Vom Schafstall sprecht des heiligen Johann; +Wie groß war er? Wer ist, den, hochzustehen +In jenem Volk, man würdig preisen kann?" +Gleichwie, belebt von frischen Windeswehen, +Die Kohl’ in Flammen glüht, so war das Licht +Bei meinem Liebeswort in Glanz zu sehen. +Und so verschont er jetzt sich dem Gesicht, +Wie seine Sprache sich dem Ohr verschönte; +Doch war’s nicht jene, die man jetzo spricht. +Er sprach: "Seitdem des Engels Ave tönte, +Bis meine Mutter, heilig itzt, in Qual +Sich meiner Last entledigend, erstöhnte, +Kam allbereits fünfhundertachtzigmal +Dies Feuer zu den Füßen seines Leuen, +Dort zu erneuern seinen Flammenstrahl. +Des ersten Lichts sollt’ ich am Ort mich freuen, +Den Vätern gleich, wo man das Sechsteil fand. +In dem sich eure Jahresläuf’ erneuen. +Und dies sei von den Ahnen dir bekannt; +Wer sie gewesen, und woher entsprossen, +Wird schicklicher verschwiegen als benannt. +Was da, von Mars und Täufer eingeschlossen, +Befähigt war, sich zum Gefecht zu reih’n, +Ein Fünfteil war’s der jetzigen Genossen. +Allein die Bürgerschaft, jetzt groß zum Schein, +Vermischt mit Campis und Certaldos Scharen, +War noch im letzten Handwerksmanne rein. +Wohl besser wären, die einst Nachbarn waren, +Es jetzo noch--wohl besser war’s, Galluzz +Und Trespian als Grenzen zu bewahren, +Als innerhalb der Bauern Stank und Schmutz +Von Aguglion und Signa zu ertragen, +Die listig schachern allem Recht zum Trutz. +Wenn sich, der gänzlich aus der Art geschlagen, +Am Kaiser nicht stiefväterlich verging, +Statt ihn am Herzen väterlich zu tragen, +War’ mancher Schachrer, den Florenz empfing, +Bereits zurückgekehrt nach Simifonte, +Wo sein Großvater schmählich betteln ging. +Wie Montemurlo Grafschaft bleiben konnte, +So wären noch die Cerchi in Acon, +Vielleicht in Valdigriev die Buondelmonte. +In Volksvermischung fand man immer schon +Den ersten Keim zu einer Stadt Verfalle, +Wie Speis auf Speisen unsern Leib bedroh’n. +Ein blinder Stier stürzt hin in jäherm Falle +Als blindes Lamm, und öfters ist ein Schwert +Mehr wert als fünf und schneidet mehr als alle. +Sieh Luni, Urbifaglia schon verheert, +Sieh Chiusi in derselben Not sich winden, +Die Sinigaglia, jenen gleich, erfährt; +Dann wirst du’s nicht mehr neu und schrecklich finden, +Hüllt Nacht des Todes die Geschlechter ein, +Da Städte selbst vom festen Grund verschwinden. +Was euer ist, das trägt, wie euer Sein, +Den Tod in sich; doch, was sich minder wandelt, +Verbirgt ihn euch, denn eure Zeit ist klein. +Und wie des Mondes Lauf den Strand verwandelt +Und ihn in Ebb’ und Flut entblößt und deckt,-- +So ist’s, wie das Geschick Florenz behandelt. +Drum werde dir kein Staunen mehr erweckt, +Sprech’ ich von Edeln deiner Stadt, von ihnen, +Die in Vergessenheit die Zeit versteckt. +Die Ughi hob’ ich und die Catellinen +Der Greci und Ormanni Stamm gesehn, +Die selbst im Fall erhabne Bürger schienen. +Mocht’ alt, wie hoch, der von Sanella stehn, +Er mußte mit Soldanier, den von Arke +Und den Bostichi kläglich untergehn. +Am Tor, das jetzt an Hochverrat so starke +Belastung hat, daß in den Wogen bald +Versinken wird die überladne Barke, +Dort war der Ravignani Aufenthalt, +Das Stammhaus derer, so den Namen führen +Des Bellincion, der edel ist und alt. +Wohl wußte, wie sich’s zieme, zu regieren, +Der della Pressa--Galigajo nahm +Das Schwert, das goldnes Blatt und Knauf verzieren. +Groß war die graue Säul’ und wundersam, +Groß waren die Sachetti, die Barucci +Und die ein Scheffel jetzt durchglüht mit Scham. +Groß war vordem der Urstamm der Calfucci; +Zu jeglichem erhabnen Platz im Staat +Rief man die Sizii, die Arrigucci. +Wie groß war’t ihr! Allein des Stolzes Saat +Trug Untergang--wie blüht auf allen Ästen +So edler Stämme Mut und große Tat! +So waren deren Väter, die in Festen, +Wenn man den Sitz des Bischofs ledig sieht, +Im Konsistorium sich behaglich mästen. +Das prahlende Geschlecht, das dem, der flieht, +Zum Drachen wird, doch sanft wird, gleich dem Lamme, +Wenn man die Zahne weist, den Beutel zieht +Kam schon empor, allein aus niederm Stamme, +Drum zürnt’ Ubert dem Bellincion, daß er +Zu solcherlei Verwandtschaft ihn verdamme. +Von Fiesole kam Caponsacco her +Auf euren Markt und trieb in jenen Tagen, +Wie Infangato bürgerlich Verkehr. +Unglaubliches, doch Wahres werd’ ich sagen: +Ein Tor des Städtchens ließ man ungescheut +Den Namen des Geschlechts der Pera tragen. +Wen nur des schönen Wappens Schmuck erfreut, +Des großen Freiherrn, dessen Preis und Ehren +Alljährlich noch das Thomasfest erneut. +Ließ Ritterwürden sich von ihm gewähren, +Mag der auch, der’s mit goldner Zier umwand, +Jetzt im Vereine mit dem Volk verkehren. +Da hoch der Stamm der Gualterotti stand, +So würd’ in Kriegsnot Borgo minder beben, +Wenn er sich mit den Nachbarn nicht verband. +Das Haus, das euch zum Weinen Grund gegeben, +Da’s in gerechtem Grimm euch Tod gebracht +Und ganz beendigt euer heitres Leben, +Stand mit den Seinen fest in Ehr’ und Macht. +Buondelmont, was hattest du Verlangen +Nach andrer Braut? Was fremden Antriebs acht? +Wohl viele würden froh sein, die jetzt bangen, +Wenn Gott der Ema dich vermählt, als du +Zum ersten Male nach der Stadt gegangen. +Doch wohl stand dieser Stadt das Opfer zu, +Das sie der Brückenwacht, dem wüsten Steine, +Mit Blut gebracht in ihrer letzten Ruh’. +Mit diesen und mit andern im Vereine +Sah ich Florenz des süßen Friedens wert, +Indem’s nie Ursach’ fand, weshalb es weine. +Mit diesem sah ich hoch sein Volk geehrt, +Gerecht und treu, in ruhig stiller Haltung, +Und nie am Speer die Lilie umgekehrt’ +Und nimmer rotgefärbt durch innre Spaltung. + + +Siebzehnter Gesang + +Wie der, der Väter karg gemacht den Söhnen, +An Climene um Kunde sich gewandt +Von dem, was man gejagt, ihn zu verhöhnen; +So war ich jetzt in mir, und so empfand +Beatrix mich und er, des Liebesregung +Vom Flammenkreuz ihn zu mir hergebannt. +Drum sie: "Folg’ itzt der inneren Bewegung +Und laß den Wunsch hervor, nur sei er rein +Bezeichnet durch des innern Stempels Prägung. +Er soll nicht größre Kenntnis uns verleih’n, +Doch mutig sollst du deinen Durst bekennen, +Als ob ein Mensch ihn stillen sollt’ in Wein." +"O teurer Ahn, hochragend im Erkennen, +Gleich wie der Mensch sieht, daß im Dreieck nicht +Zwei stumpfe Winkel sich gestalten können, +So siehst du, was da sein wird, das Gesicht +Dem Spiegel zugewandt, der alle Zeiten +Als Gegenwart dir zeigt im klaren Licht. +Als noch Virgil bestimmt war, mich zu leiten, +Um auf den Berg, der unsre Seelen heilt, +Und zu der toten Welt hinabzuschreiten, +Ward von der Zukunft Kunde mir erteilt, +Die hart ist, mag ich auch als Turm mich fühlen, +Der trotzend steht, wenn ihn der Sturm umheult. +Drum wüßt’ ich gern, um meinen Wunsch zu kühlen, +Welch ein Geschick mir naht. Vorausgeschaut, +Scheint minder tief ein Pfeil sich einzuwühlen." +Ich sprach’s zum Licht, das mir mit süßem Laut +Gesprochen hatt’, und hatt’ ihm nun vollkommen, +Nach meiner Herrin Wink, den Wunsch vertraut. +In Rätseln nicht, wie man sie einst vernommen, +Bestimmt, ein Netz für Torenwahn zu sein, +Eh’ Gottes Lamm die Sünd’ auf sich genommen, +In klarem Wort und bündigem Latein, +Antwortete mir jene Vaterliebe +Verschlossen in der eignen Wonne Schein: +"Der Zufall, Werk allein der Erdentriebe, +Malt sich im ew’gen Blick, wie vorbestimmt, +Und keiner ist, der ihm verborgen bliebe, +Obwohl er euch die Freiheit nicht benimmt +So wenig, als das Aug’ ein Schifflein leitet, +Das drin sich spiegelt, wenn’s stromunter schwimmt. +Wie Orgelharmonie zum Ohre gleitet, +So kann mein Aug’ im ew’gen Blicke sehn, +Welch ein Geschick die Zukunft dir bereitet. +Wie Hippolyt, vertrieben aus Athen +Von der Stiefmutter treulos argen Ränken, +So mußt du aus dem Vaterlande gehn. +Dies wollen sie, dies ist’s, worauf sie denken; +Und wo man Christum frech zu Markte trägt, +Dort wird zur Tat, was nottut, dich zu kränken. +Und dem verletzten Teil folgt, wie er pflegt, +Der Ruf der Schuld--allein die Wahrheit künden +Wird Gottes Rache, die den Argen schlägt. +Du wirst dich allem, was du liebst, entwinden +Und wirst, wenn dies dir bittern Schmerz erweckt, +Darin den ersten Pfeil des Banns empfinden. +Wie fremdes Brot gar scharf versalzen schmeckt, +Wie hart es ist, zu steigen fremde Stiegen, +Wird dann durch die Erfahrung dir entdeckt. +Doch wird so schwer nichts seinen Rücken biegen, +Als die Gesellschaft jener schlechten Schar, +Mit welcher du dem Bann wirst unterliegen. +Ganz toll und ganz verrucht und undankbar +Bekämpft sie dich; doch zeiget bald, zerschlagen, +Ihr Kopf, nicht deiner, wer im Rechte war. +Wie dumm sie ist, das wird ihr Tun besagen; +Und daß du für dich selbst Partei gemacht, +Wird dir erwünschte, schöne Früchte tragen. +Die erste Zuflucht in der harten Acht +Wird dir der herrliche Lombard gewähren, +Den heil’ger Aar und Leiter kenntlich macht. +Zwischen euch wird von Geben und Begehren +Das, was sonst später kommt, das erste sein, +So sorgsam wird auf dich sein Blick sich kehren. +Dort siehst du ihn, dem dieses Sternes Schein +Bei der Geburt im hellsten Licht entglommen, +Ihm das Gepräg’ zu hoher Tat zu leih’n. +Und hat die Welt noch nichts davon vernommen, +So ist’s, weil eben erst zum neuntenmal +Die Sonn’ um ihm den Zirkellauf genommen. +Doch glänzt er, ungerührt durch Gold und Quäl, +Bevor sich des Gascogners Tücken zeigen +Bei Heinrichs Zug, in heller Tugend Strahl. +Hochherrlich wird sein Ruhm zum Himmel steigen; +Der Feind selbst kann, obwohl voll Ungeduld +Bei seiner Taten Lob, es nicht verschweigen. +Gewärtig sei denn sein und seiner Huld; +Aus Armen macht er Reich’ und Arm’ aus Reichen, +Hebt arme Tugend, stürzt die reiche Schuld. +Laß nicht dies Wort aus dem Gedächtnis weichen, +Doch sage nichts!" Dann sagt’ er Dinge mir, +Die dem selbst, der sie sah, noch Wundern gleichen. +"Sohn," also sprach er weiter, "siehe hier, +Zu dem, was dir verkündet ward, die Glossen. +Schon droht man aus dem Hinterhalte dir. +Doch nicht beneide deine Landsgenossen, +Denn lang, bevor du sinkst ins dunkle Grab, +Ist dem Verrat gerechte Rach’ entsprossen." +Hier brach die heil’ge Seel’ ihr Reden ab +Und hatte das Gewebe ganz vollendet, +Wozu ich fragend ihr den Aufzug gab. +Und wie man zweifelnd sich an jemand wendet, +Der innig liebt und Rechtes will und sieht, +Nach gutem Rat--so ich, als er geendet: +"Ich seh’s, wie rasch heran die Stunde zieht, +Um gegen mich den scharfen Pfeil zu kehren, +Der schwerer trifft, wen die Besinnung flieht. +Drum muß ich wohl mit Vorsicht mich bewehren, +Um fern dem Ort, der, was ich lieb’, enthält, +Nicht durch mein Lied der Zuflucht zu entbehren. +Denn reifend durch die endlos bittre Welt, +Dann auf die Höh’, wo mich vom Angesichte +Der Herrin Licht zum höhern Flug erhellt, +Dann durch den Himmel selbst von Licht zu Lichte, +Erfuhr ich, was wohl manchen brennt und beißt +Durch ätzenden Geschmack, wenn ich’s berichte. +Und zagt, der Wahrheit feiger Freund, mein Geist, +Dann, fürcht’ ich, bin ich tot bei jenen allen, +Bei welchen diese Zeit die alte heißt." +Und neuen Glanz sah ich dem Licht entwallen, +Das Strahlen, wie ein goldner Spiegel, warf, +Auf den der Sonne Feuerblicke fallen. +"Wer rein nicht sein Gewissen nennen darf," +Sprach er, "wen eigne Schmach, wen fremde drücket, +Dem schmeckt wohl deine Rede streng und scharf. +Dennoch verkünde ganz und unzerstücket +Was du gesehn, von jeder Lüge frei +Und laß nur den sich kratzen, den es jücket. +Ob schwer dein Werk beim ersten Kosten sei, +Doch Nahrung hinterläßt’s zu kräft’germ Leben, +Ist des Gerichts Verdauung erst vorbei. +Dein Laut wird sich, dem Sturme gleich, erheben, +Der hohe Gipfel stärker schüttelnd faßt, +Und dies wird Grund zu größrer Ehre geben. +Drum sind berühmte Seelen alle fast, +Die du im dunkeln, wehevollen Schlunde +Und auf dem Berg und hier gesehen hast. +Denn niemand traut beruhigt einer Kunde, +Verbirgt das Bild, das sie vor Augen stellt, +Die Wurzel tief im unbekannten Grunde, +Und nur was schimmert überzeugt die Welt." + + +Achtzehnter Gesang + +Schon freute sich der sel’ge Geist alleine +An seinem Wort. und ich, mit Süßigkeit +Das Bittre mäßigend, genoß das meine. +Und jene Frau, zum Höchsten mein Geleit, +Sprach: "Wechsle die Gedanken--denk’, ich wohne +Dem nah, der mildert unverdientes Leid." +Ich, hingewandt zum süßen Liebestone, +Konnt’ in den heil’gen Augen Liebe schau’n, +Die ich nicht sing’ in dieser niedern Zone. +Denn nicht der Sprache nur muß ich mißtrau’n; +Selbst das Gedächtnis kehrt nicht, ungetragen +Vom Flug der Gnade, zu den sel’gen Au’n. +Ich kann von jenem Augenblick nur sagen: +Ich fühlte jeden Wunsch der Brust entflieh’n, +Als ich den Blick zur Herrin aufgeschlagen, +Bis, die nun selbst aus ihrem Auge schien, +Die ew’ge Luft, vom schönen Angesichte +Im zweiten Anblick G’nüge mir verlieh’n, +Besiegend mich mit eines Lächelns Lichte. +"Nicht mir im Aug’ allein ist Paradies." +Sie sprach’s. "Horch auf! Dorthin die Augen richte!" +Wie Lieb’ auf Erden wohl sich mir erwies, +Die lächelnd glänzt’ auf eines Freundes Zügen, +Der seine Seele ganz ihr überließ, +So zeigt’ in Glanz und wonnigem Vergnügen +Des Urahns Geist die liebende Begier, +Mir noch durch ein’ge Reden zu genügen: +"In dieses Baumes fünfter Stufe hier, +Der von dem Gipfel Nahrung zieht und Leben, +Stets reich an Frucht und frischer Blätter Zier, +Sind Sel’ge, die, eh’ sie emporzuschweben +Der Himmel rief, in eurem Erdental +Durch Ruhm der Muse reichen Stoff gegeben. +Sieh auf die Arme hin am Kreuzesmal, +Und zeigen wird sich jeder, den ich nannte, +Wie in der Wolk’ ihr schneller Feuerstrahl. +Und sieh, ein Licht, gleich schnellem Blitz, entbrannte, +Beim Namen Josua--so daß ich Wort +Und Tat in einem Augenblick erkannte. +Den Makkabäus nannt’ er dann, und dort +War kreisend Feuer glänzend vorgedrungen, +Und Freude trieb den heil’gen Kreisel fort. +Als Karl der Groß’ und Roland dann erklungen, +Folgt’ ich so aufmerksam dem Glanz, als man +Dem Falken folgt, der sich emporgeschwungen. +Wilhelm zog meinen Blick zum Kreuz hinan, +Und Rinoard, bei ihres Namens Klange. +Auch Herzog Gottfried, Robert Guiscard dann. +Drauf mischte sich dem schimmernden Gedrange +Die Seele, die erst sprach, als Meisterin +Sich zeigend in dem himmlischen Gesange. +Ich kehrte mich zur rechten Seite hin, +Um in Beatrix; meine Pflicht zu lesen, +In Wink und Wort der heil’gen Führerin, +Und sah so rein ihr Aug’, ihr ganzes Wesen +So hold, daß, was ich hab an Himmelsluft, +Sie übertraf, ja, was sie je gewesen. +Und, wie des guten Wirkens sich bewußt, +In größrer Wonne man von Tag zu Tagen +Der Tugend Wachstum merkt in eigner Brust; +So merkt’ ich jetzt, vom Himmel fortgetragen +In seinem Schwung, gewachsen sei der Kreis, +Sobald ich sah dies schönre Wunder tagen. +Und wie das Rot der Scham, die glühend heiß +Gefärbet hat der zarten Jungfrau Wangen, +Bald wieder schwindet vor dem lautern Weiß; +So, nach dem roten Licht, das mich umfangen, +Sah ich mich in den Silberglanz entrückt +Des sechsten Sterns, der mich in sich empfangen. +Und in dem Stern des Zeus, den Freude schmückt, +War frohes Liebesfunkeln zu gewahren, +Durch unsrer Sprache Zeichen ausgedrückt. +Wie Vögel, die empor vom Strande fahren, +Gemeinsam neuer Weide froh, sich bald +In runden, bald in langen Haufen scharen; +So flatterten, von Himmelslicht umwallt, +In Sängen Sel’ge hin, im Fluge zeigend +Des D und dann des I und L Gestalt, +Im Sang, erst bald gesenkt, bald wieder steigend, +Und war die Ordnung diesen Zeichen gleich, +Einhaltend in des Fluges Schwung und schweigend. +Kalliope, die du die Geister reich +An Ruhme machst, sie ewig zu erhalten, +Die du erhältst mit ihnen Stadt und Reich, +Erleuchte mich, damit ich die Gestalten +Getreu beschreibe, jetzt mit deinem Strahl; +Laß deine Kraft in kurzen Reimen walten!-- +Vokal’ und Konsonanten--siebenmal +Fünf waren’s, die mein Auge dort ergötzten, +Auch merkt’ ich wohl die Ordnung dieser Zahl. +Diligite iustitiam--So setzten +Erst Haupt’ und Zeitwort sich; dann sieh sofort: +Qui iudicatis terram--als die letzten. +Und alles blieb beim M im fünften Wort +Geordnet stehn, hiermit das Werk vollbringend. +So stand die Schrift wie Gold in Silber dort. +Ich sah viel andres Licht, sich niederschwingend +Zum Haupt des M, dort still und unbewegt, +Vom Gut, so schien es, das sie anzieht, singend. +Dann, wie wenn man mit Feuerbränden schlägt, +Draus unzählbare Funken sprühend flammen, +Woraus die Torheit wahrzusagen pflegt; +So hoben dort sich mehr als tausend Flammen, +Und die stieg mehr, und minder die empor, +Wie sie die Sonne trieb, aus der sie stammen. +Als jed’ an ihrer Stelle war, verlor +Sich das Gewühl--da trat in Flammenzügen +Der Kopf und Hals von einem Adler vor. +Der dorten malt, weiß selbst sich zu genügen; +Er, ungeleitet, lenkt des Künstlers Hand, +Damit der Form sich die Gebilde fügen. +Die sel’ge Schar, die dort zufrieden stand, +Das M bekrönend mit dem Lilienkranze, +Vollendete das Bild jetzt, leicht gewandt. +So sah ich, schöner Stern, der Himmel pflanze +In uns die Keime der Gerechtigkeit, +Der Himmel, den du schmückst mit deinem Glanze. +Zum Geist, der Kraft dir und Bewegung leiht, +Fleh’ ich, nach jenem Rauche hinzuschauen, +Der deinen Strahl verdunkelt und entweiht. +Sein Zorn mach’ einmal noch dem Volke Grauen, +Das in dem Tempel schachert und verkehrt, +Den er aus Wundern ließ und Martern bauen. +Himmelskriegerschar, dort hellverklärt, +Bitte für die, so noch der Leib umschlossen, +Die schlechtes Beispiel falsche Wege lehrt. +Einst kriegte man mit Schwertern und Geschossen, +Doch jetzt, das Brot wegnehmend dort und hie, +Das unser frommer Vater nie verschlossen. +Du, der du schreibst, um auszustreichen, sie: +Für jenen Weinberg, welchen du verdorben, +Starb Paul und Petrus, doch noch leben sie. +Du aber denkst: Hab’ ich nur den erworben, +Der in die Einsamkeit der Wüst’ entrann, +Und der zum Lohn für einen Tanz gestorben, +Was kümmern Paulus mich und Petrus dann? + + +Neunzehnter Gesang + +Vor mir erschien mit offnem Flügelpaar +Das schöne Bild, wo, selig im Vereine, +Der Geister lichter Kranz verflochten war. +Jedweder war wie ein Rubin, vom Scheine +Der Sonne so in Licht und Glut entbrannt, +Als ob sie selbst mir in die Augen Scheine. +Der Schilderung, zu der ich mich gewandt, +Wie kann die Sprache sie, die Feder wagen, +Da Phantasie dergleichen nie erkannt?-- +Ich sah den Aar und hört’ ihn Worte sagen, +Und in der Stimm’ erklangen Ich und Mein, +Als Wir und Unser ihm im Sinne lagen: +Er sprach: "Für frommes und gerechtes Sein +Sollt’ ich zu dieser Glorie mich erheben, +Die jeden Wunsch uns zeigt als arm und klein. +Und solch Gedächtnis ließ ich dort im Leben, +Daß es für rühmlich selbst den Bösen gilt, +Die nicht auf meiner Spur zu wandeln streben." +Wie vielen Kohlen eine Glut entquillt, +So tönte jetzt von vielen Liebesgluten +Ein einz’ger Ton mir zu aus jenem Bild. +"Ihr ew’ge Blüten des endlosen Guten," +Begann ich, "die ihr mir als einen jetzt +Laßt eure Wohlgerüch’ entgegenfluten, +Ich bitt’ euch nun, mit eurem Hauch ergetzt +Mich Hungrigen und reicht mir jene Speise, +Mit welcher mich die Erde nie geletzt. +Wohl weiß ich, spiegelt sich in anderm Kreise +Des Himmels ab des Herrn Gerechtigkeit, +Daß sie sich euch nicht unterm Schleier weise. +Ihr wißt, zum Hören bin ich schon bereit, +Auch wißt ihr, welch ein Zweifel mich befangen, +Der unbefriedigt ist seit langer Zeit." +Gleichwie ein edler Falk, der Kapp’ entgangen, +Das Haupt bewegt, sich schön und freudig macht, +Stolz mit den Flügeln schlägt und zeigt Verlangen, +So machte sich des hohen Zeichens pracht, +Das Gottes Gnade laut dem All verkündet, +Mit Sang, wie der nur hört, der dort erwacht. +Und es begann: "Er, der die Welt gerundet +Und sie begrenzt, hat viel Geheimes drin +Und Offenbares viel darin begründet; +Doch hat er seine Kraft vom Anbeginn +Nicht völlig ausgeprägt im Weltenaue, +Denn endlos überragt’s sein hoher Sinn. +Der erste Stolze, welcher höh’r als alle +Geschöpfe stand, sank drum im frevlen Zwist, +Des Lichts nicht harrend, früh in jähem Falle. +Denn jegliches der kleinern Wesen ist +Zu eng, um jenes Gut darein zu bringen, +Das, endlos, sich nur mit sich selber mißt, +Drum kann so weit der Menschenblick nicht dringen, +Er, nur ein Strahl von jenes Geistes Schein, +Der Urstoff ist und Grund von allen Dingen, +Kann nie durch eigne Kraft so mächtig sein, +Um Seinen Ursprung deutlich zu ersehen, +Denn Nebel hüllt für ihn so Tiefes ein; +Drob zu der Urgerechtigkeit das Spähen +Des Menschenblicks sich nur so weit erstreckt, +Als in den Grund des Meers die Augen gelten. +Leicht wird der Grund am Strand vom Aug’ entdeckt, +Doch nie im Meer, wie sehr sich’s müh’ und übe; +Grund ist dort, doch zu tief und drum versteckt. +Nur aus der Heiterkeit, die nimmer trübe, +Kommt Licht--all andres ist nur Dunkelheit, +Ist Schatten oder Gift der Fleischestriebe. +Sieh das Versteck, das die Gerechtigkeit +Dir lang verhehlt, jetzt offen dem Verstande, +Und ruh’n wird nun in dir der Zweifel Streit. +Erzeugt wird jemand an des Indus Strande, +So sprachst du, doch wer spricht von Jesus Christ, +Wer liest und schreibt von ihm in jenem Lande? +Wenn er, soweit es die Vernunft ermißt, +In Tat und Willen rein und unverdorben +Und ohne Sünd’ in Wort und Leben ist +Und er ungläubig, ungetauft gestorben, +Wo ist dann wohl ein Recht, dem er verfällt? +Wo Schuld, daß er den Glauben nicht erworben?-- +Und wer bist du, der sich so hoch gestellt, +Um, richtend, tausend Meilen weit zu springen, +Da eine Spanne kaum dein Blick enthält? +Gewiß, daß die mir nach im Forschen ringen, +War’ über euch nicht Gottes heil’ges Wort, +Zum Zweifel und Erstaunen Grund empfingen. +O Tier aus Erd’! Ihrr groben Geister dort! +Der erste Wille, gut von selber, gehet +Nie aus sich selbst, dem höchsten Gute, fort. +Gerecht ist, was mit ihm in Einklang stehet. +Ihn kann nicht anzieh’n ein erschaffnes Gut, +Das nur aus seiner Strahlenfüll’ entstehet."-- +Wie über ihrem Nest die Störchin tut, +Wenn sie die Brut gespeist, im Kreise schwebend, +Und wie nach ihr hinschaut die satte Brut; +So tat--und so auch ich, das Aug’ erhebend-- +Das heil’ge Bild, das seine Flügel Schwang, +Den Willen kund der freud’gen Scharen gebend, +Indem’s, im Kreis sich schwingend, also sang: +"So wie du nicht verstehst, was ich verkündet, +So kennt ihr nicht des ew’gen Urteils Gang." +Dann, noch im Zeichen, das den Ruhm begründet +Der Römer hat, stand still die sel’ge Schar, +Von lichter Glut des Heil’gen Geists entzündet. +"In dieses Reich", begann aufs neu’ der Aar, +"Stieg keiner je, der nicht geglaubt an Christus, +Vor oder nach, als er gekreuzigt war. +Doch siehe, viele rufen: Christus! Christus! +Und stehn ihm ferner einst beim Weltgericht +Als jene, welche nichts gewußt von Christus. +Das Strafurteil für solche Christen Spricht +Der Heid’ einst aus, wenn sich die Scharen trennen, +Die zu der ew’gen Nacht und die zum Licht. +Wie wird ein Perser eure Fürsten nennen, +Zeigt ihm sich aufgeschlagen jenes Buch, +In dem er ihre Schmach wird lesen können? +Die Tat des Albrecht wird mit hartem Spruch +Er in dem Buch dann eingetragen sehen, +Ob der ihn trifft, des Böhmerreiches Fluch. +Auch Frankreichs Schmerz wird aufgezeichnet stehen, +In den es durch den Münzverfälscher fällt, +Der durch des Ebers Stoß wird untergehen. +Dort steht der Stolz, der Durst nach Land und Geld, +Drob Schott’ und Engelländer tun gleich Tollen, +Und keiner sich in seiner Grenze hält. +Dort wird die Üppigkeit sich zeigen sollen +Des Spaniers und des Böhmen, welcher nie +Die Trefflichkeit gekannt, noch kennen wollen. +Dort, Lahmer von Jerusalem, dort sieh +Mit einem M bezeichnet deine Sünden, +Und deine Tugenden mit einem I. +Dort wird sich auch der niedre Geiz verkünden +Des, der dort herrschet, wo Anchises ruht +Nach langer Fahrt, bei Ätnas Feuerschlünden. +Und wie gering er ist an Kraft und Mut, +Das wird die abgekürzte Schrift bezeugen, +Die vieles kund auf engem Raums tut. +Auch wird das schmutz’ge Tun des Ohms sich zeigen, +Und das des Bruders kund sein überall, +Die mit dem edlen Stamm zwei Kronen beugen. +Auch den von Norweg, den von Portugal +Und den von Rascia wird man unterscheiden, +Der Schuld ist an Venedigs Münzverfall. +Mög’ Ungarn fernerhin nicht Unbill leiden! +Navarra, es verteidige getrost +Die Bergesreih’n, die es von Frankreich scheiden! +Und Nicosia ist und Famagost, +Vorläufig und als Angeld, sehr mit Fuge, +Wie jeder zugibt, auf ihr Vieh erbost, +Das mit dem andern geht in gleichem Zuge." + + +Zwanzigster Gesang + +Wenn sie, die hell die ganze Welt verklärt, +Von unsrer Hemisphär’ herabgeschwommen +Und rings der Tag ersterbend sich verzeiht, +Dann zeigt der Himmel, erst von ihr entglommen, +Von ihr allein, viel Sterne rings im Rund, +Die all ihr Licht von einem Licht entnommen. +Dies war’s, was jetzt vor meiner Seele stund, +Als unsrer Welt und ihrer Herrscher Zeichen +Stillschweigen ließ den benedeiten Mund. +Denn alle Lichter, jene wonnereichen, +Erglänzten mehr im Sang, an dessen Macht +Nicht irdischer Erinnrung Schwingen reichen. +O Lieb’, umkleidet mit des Lächelns Pracht, +Wie sah ich Glanz dich in die Funken gießen, +Die heil’ger Sinn allein dort angefacht! +Dann, als die Edelsteine, die mit süßen +Lichtstrahlen hold das sechste Licht erhöh’n, +Die Engelsglocken wieder schweigen ließen, +Schien mir’s, es zeig’ in murmelndem Getön +Ein Fluß, von Fels zu Felsen niederfallend, +Wie reich sein Quell entstand auf Bergeshöh’n. +Und wie ein Ton, aus reiner Laute schallend, +An ihrem Hals sich formt und wie der Wind +Durchs Mundloch eindringt, die Schalmei durchhallend; +So hatte jener Murmelton geschwind +Sich bis zum Hals des Adlers aufgeschwungen +Und drang, wie aus der Kehle, süß und lind +Und ward zur Stimm’, und, dort hervorgedrungen, +Ward er gebildet zum erwünschten Wort, +Und wohl behält mein Herz, was mir erklungen. +"Den Teil in mir, der bei den Adlern dort +Die Sonne sieht und trägt, schau’ an!" so hoben +Die Wort’ itzt an und fuhren weiter fort: +"Denn von den Feuern, die mein Bild gewoben, +Stehn, die hier glänzen an des Auges Statt, +In allen Würden vor den andern oben. +Der, so den Platz des Augenapfels hat, +Des Heil’gen Geistes Sänger war’s und brachte +Die Bundeslade fort von Stadt zu Stadt. +Wie der, der ihn begeistert, seiner achte +Und seines Sangs, das kann er jetzo sehn, +Da er dem Wert gleich die Belohnung machte. +Von fünf, die um mein Aug’ als Braue stehn, +Sieh nächst dem Schnabel den, der eh’mals Weile +Dem Heer gebot auf einer Witwe Fleh’n. +Wie, wer nicht Christo folgt zu seinem Heile, +Dies teuer büßt, das hat er nun erkannt +In dieser Wonn’ und in dem Gegenteile. +Der Nächst’ im Kreise, der mein Aug’ umspannt, +Ist jener, der den Tod auf fünfzehn Jahre +Durch wahre Reue von sich abgewandt. +Jetzt sieht er ein, der Herr, der ewig Wahre, +Bleib’ ewig wahr, obwohl sein Urteil sich +Auf würd’ges Fleh’n von heut auf morgen spare. +Der nachfolgt, führte das Gesetz und mich, +Durch guten Sinn zu schlimmem Tun bewogen, +Nach Griechenland, weil er dem Hirten wich. +Jetzt sieht er, daß, vom Guten abgezogen, +Das Übel, das in Trümmern euch begräbt, +Ihm dennoch nichts von seiner Wonn’ entzogen. +Sieh Wilhelm, wo der Bogen abwärts strebt, +Ob dessen Tod des Landes Bürger weinen, +Das weint, weil Karl und Friederich gelebt. +Jetzt sieht er, Gott liebt zärtlich, als die Seinen, +Gerechte Fürsten, und, in Glanz erhellt, +Läßt er dies hier in frohem Blitz erscheinen. +Wer glaubt’ es in der wahnbefangnen Welt, +Daß Ripheus, den Trojaner, hier im Runde +Des fünften Lichtes heil’ger Glanz enthält? +Jetzt hat er wohl von Gottes Gnade Kunde +Und siehet mehr, als eurer Welt sich zeigt, +Dringt auch sein Blick nicht bis zum tiefsten Grunde." +Wie in die Luft die kleine Lerche steigt, +Erst singend flattert, aber dann, zufrieden, +Vom letzten süßen Ton gesättigt, schweigt; +So schien mir jenes Bild, durch das hienieden +Des Höchsten ew’ger Wille zu uns spricht, +Der jedem Ding das, was es ist, beschieden. +Und barg ich auch den Zweifel minder dicht, +Als Glas die Farbe, litt er doch mein Schweigen, +Und längres Harren auf Verkündung nicht. +Er zwang dies Wort, dem Munde zu entsteigen: +"Was sah ich dort!" durch seines Dranges Macht, +Denn Freudenfunkeln sah ich dort sich zeigen. +Im Auge hellre Gluten angefacht, +Sprach drauf der Adler, um mich aufzuregen, +Den Staunen fesselte bei solcher Pracht: +"Ich sah, du glaubest dies, doch nur deswegen, +Weil ich’s gesagt, und siehest nicht das Wie? +Wie wir Verborgenes zu glauben pflegen, +Wie man der Sache Namen lernt, doch sie +Nicht kann nach ihrem Wesen unterscheiden, +Wenn nicht ein anderer uns Licht verlieh. +Das Reich der Himmel muß Gewalt erleiden, +Wenn Kraft der Lieb’ und Hoffnung es bekriegt, +Denn Gottes Wille wird besiegt von beiden; +Nicht wie ein Mensch dem Stärkern unterliegt; +Nein, er siegt, denn er will sich ja ergeben. +Drob er, besiegt durch seine Güte, siegt. +Du staunst beim ersten und beim fünften Leben +In meiner Brau’ und nennst es wunderbar, +Daß beide hier in hellem Glanze schweben. +Als Christen, nicht als Heiden, starb dies Paar. +Der glaubt’ ans Leiden, das schon eingetroffen, +Der zweit’ an das, das noch zu dulden war. +Der ist vom Höllenschlund, der nimmer offen +Zur Rückkehr war, zum Leib zurückgekehrt, +Und dies verdankt er nur lebend’gem Hoffen; +Lebend’gem Hoffen, das von Gott begehrt, +Ihn zu befreien aus des Todes Banden, +Damit er lebe, wie das Wort gelehrt. +Und die ruhmwürd’ge Seele kehrt’ erstanden +Auf kurze Zeit zum Leib und glaubt’ an ihn, +Des Allmacht auf ihr Fleh’n ihr beigestanden. +Und fühlte, glaubend, sich so hell erglüh’n +In wahrer Liebe, daß sie dieser Wonnen +Bei ihrem zweiten Tode wert erschien. +Der zweit’, aus Gnade, die so tiefem Bronnen +Entquollen ist, daß nie die Kreatur +Die Quell’ erspähen kann, wo er begonnen, +Weiht’ all sein Lieben einst dem Rechte nur, +Drum hob ihn Gott empor zu Gnad’ und Gnaden +Und zeigt’ ihm künftiger Erlösung Spur. +Er glaubt’ an sie und schalt sodann, entladen +Des Heidentums, von seinem Stanke frei, +Die, so noch wandelten auf falschen Pfaden. +Anstatt der Taufe standen ihm die drei, +Die du am rechten Rad im Tanz gesehen, +Wohl tausend Jahre vor der Taufe bei. +O Gnadenwahl, wie tief verborgen stehen +Doch deine Wurzeln jenem Blick, der nicht +Vermag den Urgrund völlig zu erspähen! +Kurz sei dein Urteil, Mensch, wie dein Gesicht, +Da wir nicht all die Auserwählten wissen, +Wir, die wir schau’n in Gottes ew’ges Licht. +Und süß ist uns auch das, was wir vermissen, +Da daraus uns das höchste Heil entquillt, +Daß dessen, was Gott will, auch wir beflissen." +So reichte jenes gottgeliebte Bild, +Der schwachen Sehkraft Stärkung zu bereiten, +Mir Arzeneien, wundersüß und mild. +Und wie mit lieblichem Geschwirr der Saiten +Die guten Lautner guter Sänger Lied +Zu größrer Süßigkeit des Sangs begleiten; +So regt’, indes der Adler mich beschied, +Der benedeiten Lichter Paar, zusammen, +Wie man die Augen blicken sieht, +Bei seinem Wort die hellen Wonneflammen. + + +Einundzwanzigster Gesang + +Schon heftet’ ich die Augen aufs Gesicht +Der Herrin wieder, Augen und Gemüte, +Und dachte drum an alles andre nicht. +Sie lächelte mir nicht, doch sprach voll Güte: +"Dafern ich lachte, würde dir gescheh’n +Wie Semelen, als sie in Staub verglühte. +Wenn meine Schönheit, die, wie du gesehn, +Beim Steigen in dem ewigen Palaste +Sich mehr entflammt, je mehr wir uns erhöh’n, +Sich deinem Blick nicht mäßigte, sie faßte +Dich wie ein Blitz--du wärst von ihr erdrückt, +Zerschmettert, gleich dem blitzgetroffnen Aste. +Wir sind zum Glanz, dem siebenten, entrückt, +Der vom Gebild des Himmelsleu’n umgeben, +Aus seiner Glut den Strahl herniederzückt. +Laß itzt den Geist, dem Blicke nach, sich heben; +Und deinen Blick--mach’ itzt zum Spiegel ihn +Fürs Bild, das kund wird dieser Spiegel geben." +Wer wüßte, wie ihr Blick so selig schien, +Wie er dem meinen ward zur süßen Weide, +Als sie gebot, ihn wieder abzuzielen, +Oh, der erkennt auch wohl, mit welcher Freude +Ich dem gehorcht, was sie mir auferlegt, +Denn Wonne hielt das Gleichgewicht dem Leide. +In dem Kristall, das, um die Welt bewegt, +Vom teuren Führer, unter dem entweichen +Die Bosheit mußte, noch den Namen trägt, +Erblickt’ ich einer Leiter schimmernd Zeichen, +An Farbe gleich dem Gold, durchglänzt vom Strahl, +Hoch, daß zur Höh’ nicht Menschenblicke reichen. +Und auf den Sprossen stieg in solcher Zahl +Die Schar der sel’gen Himmelslichter nieder, +Als ström’ hier alles Licht mit einemmal. +Und wie, nach ihrer Art, die Kräh’n, wenn wieder +Der Tag beginnt, sich rasch bewegend zieh’n. +Um zu erwärmen ihr erstarrt Gefieder, +Und die von dannen ohne Rückkehr flieh’n, +Die rückwärts fliegen, andre dann, im Bogen +Dieselbe Stell’ umkreisend, dort verzieh’n; +So sah ich’s jetzt in jenem Glanze wogen, +Der sich als Strom ergoß. Sobald die Flut +Bis zu gewissen Stufen hergezogen. +Und einer glänzte, der, uns nah, geruht, +Drum wollte schon dies Wort der Lipp’ entsteigen: +"Ich seh’ es wohl, du zeigst mir Liebesglut." +Doch sie, die mir zum Sprechen und zum Schweigen +Das Wie und Wann bestimmt, sie schwieg, und ich +Tat wohl, nicht fragend meinen Wunsch zu zeigen. +Doch sie erklärte wohl mein Schweigen sich, +In ihm, der alles sieht, mich klar erschauend, +Und sprach: "Still’ itzt den heißen Wunsch und sprichl" +Und ich begann: "Nicht dem Verdienste trauend, +Halt’ ich von dir mich einer Antwort wert; +Ich frag’, auf sie, die mir’s gestattet, bauend, +O sel’ges Leben, das du schön verklärt +Dich in der Freude birgst, aus welchem Grunde +Hast du zu mir dich liebevoll gekehrt? +Und sage mir, weswegen diesem Runde +Die Paradiessymphonie gebricht, +Die tiefer dort erklang im frommen Bunde?" +Und er:"Dein Ohr ist schwach, wie dein Gesicht, +Weshalb Beatrix nicht gelacht, deswegen +Ertönt der Sang in diesem Kreise nicht. +Ich kam von heil’ger Leiter dir entgegen, +Um mit der Red’ und mit dem Licht, das mir +Zum Kleide dient, dich freudig aufzuregen. +Und nicht aus größrer Liebe bin ich hier; +Nein, mehr und gleiche Liebe glüht in ihnen, +Die dorten sind, und Schimmer zeigt sie dir. +Doch höchste Liebe, die uns treibt, zu dienen +Dem ew’gen Rat, braucht, wen sie wählt, dabei, +Wie dir in dem, was du gesehn erschienen." +"Ich sehe," sprach ich, "daß die Liebe, frei, +An diesem Hof den Schlüssen nachzugehen +Der ew’gen Vorsehung, genügend sei. +Doch bleibt mir eins noch schwierig zu verstehen: +Warum bist du von allen jenen dort +Schon im voraus zu diesem Amt ersehen?" +Noch war ich nicht gelangt zum letzten Wort, +Da drehte sich, sich um sich selber schwingend, +Das Licht im Kreis gleich einer Mühle fort. +"Da jenes Licht, dem Urquell selbst entspringend," +Antwortete die Liebe drin, "mir scheint, +Das, welches mich in sich verschließt, durchdringend, +Hebt seine Kraft, mit meinem Schau’n vereint, +Mich über mich, so daß in seinem Schimmer +Das Ursein, das ihn ausströmt, mir erscheint. +Und daher kommt mein freudiges Geflimmer, +Denn wie des Blickes Klarheit sich vermehrt, +Vermehrt sich auch der Flammen Klarheit immer. +Doch der, der sich im reinsten Licht verklärt, +Der Seraph selbst, der Gott am hellsten siebet, +Genügt dir nicht in dem, was du begehrt. +Denn in dem Abgrund ew’gen Rats umziehet +Das, was du fragtest, Nacht, die, nie erhellt, +Es jeglichem geschaffnen Blick entziehet. +Verkünde dies, zurückgekehrt, der Welt +Und warne sie vor jenem stolzen Streben, +Das so Erhabnes sich zum Ziele stellt. +Der Geist, von Licht hier, dort von Rauch umgeben, +Sucht, wie er kann, zum höchsten Ziel hinauf, +Das er nicht sehn kann, dort den Blick zu heben." +Dies trug das Wort des Seligen mir auf, +Drum ließ ich demutsvoll von diesen Fragen +Und fragte nur nach seinem Lebenslauf. +"Zwischen Italiens beiden Küsten ragen +Gebirge, Tuscien nah, so hoch empor, +Daß unter ihren Höh’n die Wolken jagen. +In ihnen springt ein Bergeshöcker vor, +Catria genannt, und drunter liegt die Öde, +Die Gott zu seinem echten Dienst erkor." +Also begann er seine dritte Rede +Und fuhr dann fort: "Dort stärkt’ ich meine Kraft +Im Dienste so, daß ich der Speisen jede +Mit nichts mir würzt’ als mit Olivensaft; +Dort hat Beschauung mir in vielen Jahren +Bei Hitz’ und Frost Zufriedenheit verschafft. +Fruchtbare Felder für den Himmel waren +Im Klosterbann--jetzt wuchert Unkraut dort, +Und wohl geziemt sich’s, dies zu offenbaren. +Pier Damian war ich an jenem Ort. +(Petrus Peccator lebt’ in Unsrer Lieben +Frau’n heil’gem Kloster an Ravennas Bord.) +Nur wenig Leben war mir noch geblieben, +Da rief, ja zog man mich zu jenem Hut, +Der jetzt zu Schlimmen reizt und schlimmem Trieben. +Petrus war mager einst und unbeschuht, +Paulus ging so einher in jenen Tagen +Und fand die Kost in jeder Hütte gut. +Die neuen Hirten, feist, voll Wohlbehagen, +Sieht man gestützt, geführt und schwerbewegt, +Und hinten läßt man gar die Schleppe tragen. +Wenn übers Prachtroß sich ihr Mantel schlägt, +Sind zwei Stück Vieh in einer Haut beisammen. +O göttliche Geduld, die viel erträgt!"-- +Hier stiegen von der Leiter viele Flammen +Und kreisten dort, so daß sie mehr und mehr +Bei jedem Kreis in schönem Lichte schwammen. +Sie stellten sich um jenen Schimmer her, +Mit einem Rufe von so lautem Schalle, +Daß nichts auf Erden tönt so laut und schwer. +Doch nichts verstand ich in dem Donnerhalle. + + +Zweiundzwanzigster Gesang + +Ich kehrte mich, vom Staunen überwunden, +Zu meiner Führerin, gleich einem Kind, +Das Hilfe sucht, wo’s immer sie gefunden. +Sie sprach, der Mutter gleich, die sich geschwind +Zum Knaben kehrt, der atemlos, beklommen +In ihrer Stimme frischen Mut gewinnt: +"Bedenk’s, dich hat der Himmel aufgenommen, +Wo alles heilig ist, wo heißem Drang +Gerechten Eifers, was geschieht. entglommen. +Wie dich mein Lächeln, wie dich der Gesang +Verwandelt hätten, wirst du jetzt verstehen, +Da jener Ruf dich so mit Graus durchdrang. +Verstündest du das drin enthaltne Flehen, +So wäre dir die Rache schon erklärt, +Die du noch wirst vor deinem Tode sehen. +Von droben fällt zu frühe nicht das Schwert, +Und nicht zu spät, wie’s dem scheint, der mit Grauen +Es harrend fürchtet oder es begehrt. +Jetzt blicke nur auf andres mit Vertrauen, +Sieh dortenhin; du wirst in großer Zahl +Dort hochberühmte sel’ge Geister chauen." +Ich sah, den Blick gewandt, wie sie befahl, +Wohl hundert Kreise, welche Funken Sprühten, +Verschönert von dem gegenseit’gen Strahl. +Wie auch in mir der Sehnsucht Stacheln glühten, +Doch wagt’ ich keine Frag’ und hieß sie ruh’n, +Um vor zu großer Kühnheit mich zu hüten. +Die größte, hellste Perle nahte nun, +Um jenem Wunsch, den sie in mir ergründet, +Mit süßem Liebeswort genugzutun. +"Wenn du die Liebe säh’st, die uns entzündet," +So sprach die Stimme jetzt aus jenem Licht, +"Du hättest, was du denkst, mir frei verkündet. +Doch horch, auf daß du, harrend, später nicht +Zum hohen Ziel gelangest, und ich deute +Dir, was zu fragen dir der Mut gebricht. +Des Berges Höh’, an dessen Abhang heute +Cassino liegt, war einst Versammlungsort +Für viel Betrüger und betrogne Leute. +Der erste, nannt’ ich dessen Namen dort, +Der jene Wahrheit, die uns hoch erhoben, +Der Erde bracht’ in seinem heil’gen Wort. +Und solche Gnade glänzt’ auf mich von oben, +Daß ich das Land umher vom Dienst befreit, +Der mit verruchtem Trug die Welt umwoben. +Wer hier glänzt, lebt’ einst in Beschaulichkeit, +Und keiner ließ in sich die Flamm’ erkalten, +Die Blüten treibt und heil’ge Frucht verleiht. +Sieh des Maccar, des Romuald Lichtgestalten, +Sieh meine Brüder, die im Klosterbann +Den Fuß gehemmt und fest das Herz gehalten." +"Dein liebevolles Wort", so hob ich an, +"Und diese Freundlichkeit, die es begleitet, +Die ich an jedem Glanz bemerken kann, +Sie haben also mein Vertrau’n erweitet, +Wie Sonnenschein die Rose, welche sich, +Soweit sie kann, erschließet und verbreitet. +Und, so vertrauend, Vater, bitt’ ich dich, +Dich meinen Blicken unverhüllt zu zeigen, +Ist solche Gnade nicht zu groß für mich." +"Wenn so hoch", sprach er, "deine Wünsche steigen, +Beut dir der letzte Kreis Erfüllung dar. +Durch sie wird jeder Wunsch, auch meiner, schweigen. +Dort wird vollkommen, reif und ganz und wahr, +Was nur das Herz ersehnt--und dort nur findet +Sich jeder Teil da, wo er ewig war, +Weil jener Kreis sich nicht im Raum befindet; +Doch unsrer Leiter Höh’ erreichet ihn, +Daher sie also deinem Blicke schwindet. +Als sie dem Jakob einst im Traum erschien, +Sah er die Spitze bis zum Himmel streben +Und drauf die Engel auf und nieder zieh’n. +Jetzt mag man nicht den Fuß vom Boden heben, +Um sie zu steigen, und bei Schreiberei’n +Bleibt an der Erde träg mein Orden kleben. +Denn Räuberhöhlen sind, was einst Abtei’n, +Und ihrer Mönche weiße Kutten pflegen +Nur Säcke, voll von dumpf’gem Mehl, zu sein. +Kein Wucher ist so sehr dem Herrn entgegen +Als jene Frucht, auf die die Mönch’ erpicht, +Drob sie im Herzen solche Torheit hegen. +Das, was die Kirche wahrt, gehört nach Pflicht +Den Armen nur zur Lind’rung der Beschwerden, +Nicht Vettern, noch auch schlechterem Gezücht. +Schwach ist des Menschen Fleisch, so, daß auf Erden +Ein guter Urspung nicht genügen kann, +Bis Eichensprossen Eichenbäume werden. +Petrus fing ohne Gold und Silber an, +Und ich begann mit Fasten und mit Flehen, +Franz seinen Orden als ein niedrer Mann. +Willst du nach eines jeden Ursprung spähen, +Dann sehn, wie ihn verführt der Übermut, +So wirst du Schwarzes statt des Weißen sehen. +Traun! daß sich aufgetürmt des Jordans Flut +Auf Gottes Wink, ist wunderbar zu finden, +Mehr als die Hilfe, die euch nötig tut." +Sprach’s, um mit seiner Schar sich zu verbinden; +Zusammen drängte sich die Schar und fuhr +Vereint empor, gleich schnellen Wirbelwinden. +Und ihnen nach, mit einem Winke nur, +Trieb mich die Herrin aufwärts jene Stiegen; +So zwang jetzt ihre Kraft mir die Natur. +Hienieden, wo bald sinkt, was erst gestiegen, +Gibt die Natur nie solche Schnelligkeit, +Daß sie vergleichbar ist mit meinem Fliegen. +So wahr ich, Leser, zu der Herrlichkeit +Einst kehren will, für die ich oft in Zähren +Den Busen Schlag’ in Reu’ und tiefem Leid; +Du kannst ins Feu’r den Finger tun und kehren +So schnell nicht, als ich war im Sterngebild, +Das nach dem Stier durchrollt die Himmelssphären. +O edle Sterne, kraftgeschwängert Bild, +Dem das, was ich an Geist und Witz empfangen, +Sei’s wenig oder sei es viel, entquillt, +In euch ist auf-, in euch ist untergangen +Die Mutter dessen, was auf Erden lebt, +Als mich zuerst Toskanas Luft umfangen. +Als ich zum hohen Kreis, in dem ihr schwebt, +Geführt von reicher Gnad’, emporgeflogen, +Da ward zuteil mir, daß ich euch erstrebt. +Fromm seufz’ ich jetzt zu euch, seid mir gewogen! +Wollt Kraft zum schweren Pfade mir verleih’n, +Der meine Seele ganz an sich gezogen, +"Zum letzten Heile führ’ ich bald dich ein," +Sie sprach’s, die mich zu diesen Höhen brachte, +"Und scharf und klar muß itzt dein Auge sein. +Darum, bevor du tiefer dringst, betrachte +Was unten liegt, und sieh, wie viele Welt +Ich unter deinem Fuß schon liegen machte. +Damit dein Herz, soviel es kann, erhellt, +Bereit sei, vor den Siegern zu erscheinen, +Die fröhlich sich in diesem Kreis gesellt." +Durch alle sieben Sphären warf ich meinen +Blick nun zurück und sah dies Erdenrund, +So daß ich lächelt’ ob des niedern, kleinen. +Und jener Rat beruht’ auf gutem Grund, +Denn die dies Rund verschmäh’n in höherm Streben, +Nur ihnen wird die echte Weisheit kund. +Ich sah in Glut Latonas Tochter schweben, +Von jenem Schatten frei, der mir zum Wahn +Vom Dünnen und vom Dichten Grund gegeben. +Dich, strahlenreicher Sohn Hvperions, sahn +Jetzt meine Blicke fest und ungeblendet, +Und um dich Majas und Diones Bahn. +Dich sah ich, Zeus, der mäß’gen Schimmer spendet, +Zwischen Saturn und Mars, auch ward mir klar, +Wie seinen Wechsellauf ein jeder wendet. +Wie groß die sieben sind, ward offenbar, +Wie schnell sie sind, den Weltenraum durchreisend, +Auch stellte mir sich ihre Ferne dar. +Und mit dem ew’gen Zwillingspaare kreisend, +Sah ich die Scheibe, die so stolz uns macht, +Mir Land und Meer und Berg’ und Täler weisend. +Dann kehrt’ ich mich zu ihrer Augen Pracht. + + +Dreiundzwanzigster Gesang + +Gleichwie der Vogel, der, vom Laub geborgen, +Im Nest bei seinen Jungen süß geruht, +Indes die Nacht die Dinge rings verborgen, +Um zu erschauen die geliebte Brut +Und ihr zu bringen die willkommne Speise, +Um die bemüht, er selbst sich gütlich tut, +Noch vor der Zeit, sobald am Himmelskreise +Aurora nur erschien, in Lieb’ entbrannt, +Der Sonn’ entgegenschaut vom offnen Reife; +So, aufmerksam, das Haupt erhebend, stand +Die Herrin, nach dem Teil der Himmelsauen, +Wo minder eilig Sol sich zeigt, gewandt. +Ich konnte harrend sie und sehnend schauen, +Und war gleich dem, der anderes begehrt, +Doch freudig ist in Hoffnung und Vertrauen. +Und bald ward Schau’n für Hoffen mir gewährt, +Denn fort und fort sah ich den Glanz sich mehren +Und sah den Himmel mehr und mehr verklärt. +Beatrix sprach: "Sieh in den sel’gen Heeren +Christi Triumph und sieh geerntet hier +Die ganze Frucht des Rollens dieser Sphären!" +Als reine Glut erschien ihr Antlitz mir, +Als reine Wonn’ ihr Blick--und nimmer brächten +Die Wort’ hervor ein würdig Bild von ihr. +Wie in des Vollmonds ungetrübten Nächten +Luna inmitten ew’ger Nymphen lacht, +Die das Gewölb’ des Himmels rings durchflechten; +So über tausend Leuchten stand in Pracht +Die Sonne, so die Gluten all erzeugte, +Wie unsre mit den Himmelsaugen macht. +Und, glänzend durch lebend’gen Schimmer, zeigte +Der Lichtstoff sich, in solcher Herrlichkeit +Mir im Gesicht, daß es, besiegt, sich neigte. +O Herrin! teures, himmlisches Geleit!-- +Sie sprach zu mir: "Was hier dich überwunden, +Ist Kraft, vor der nichts Hilf und Schutz verleiht. +Hier ist’s, wo Weisheit sich und Macht verbunden; +Sie machten zwischen Erd’ und Himmel Bahn, +Nach welcher Sehnsucht längst die Welt empfunden." +Wie wenn der Wolken Schoß sich aufgetan, +Die Feuer sich, sie sprengend, niedersenken +Und gegen ihren Trieb der Erde nah’n; +So rang mein Geist, von diesen Himmelstränken +Gestärkt, vergrößert, aus sich selber sich, +Doch, wie ihm ward, wie könnt’ er des gedenken? +"Sieh auf, und wie ich bin, erschaue mich! +Durch das Erschaute hast du Kraft empfangen, +Und nicht vernichtet mehr mein Lächeln dich." +Ich war, wie einer, dem sein Traum entgangen," +Und der, vom dunklen Umriß nur betört, +Umsonst sich müht, die Bilder zu erlangen, +Als ich dies Wort, so wert des Danks, gehört, +Daß in dem Buch, das den vergangnen Dingen +Gewidmet ist, es keine Zeit zerstört. +Und möchten mit mir alle Zungen singen, +Die von der hohen Pierinnen Schar +Die reinste Milch zum Labetrunk empfingen, +Doch stellt’ ich’s nicht zum Tausendteile dar, +Wie hold ihr heil’ges Lächeln, wie entzündet +In lauterm Glanz ishr heil’ges Wesen war. +Und so, da’s Paradieses Lust verkündet, +Muß jetzo springen mein geweiht Gedicht, +Gleich dem, der seinen Weg durchschnitten findet. +Doch wer bedenkt des Gegenstands Gewicht, +Und daß es schwache Menschenschultern tragen, +Der schilt mich, wenn ich drunter zittre, nicht. +Durch Wogen, die mein kühnes Fahrzeug schlagen, +Darf sich kein Schiffer, scheu vor Not und Müh’n, +Darf sich kein kleiner schwanker Nachen wagen. +"Was macht mein Blick dich so in Lieb entglüh’n, +Um nicht zum schönen Garten hinzusehen, +Wo unter Christi Strahlen Blumen blüh’n. +Die Rose siehe dort, in der’s geschehen, +Daß Fleisch das Wort ward--sieh die Lilien dort, +Bei deren Duft wir gute Wege gehen." +Beatrix sprach’s,--ich aber, ihrem Wort +Gehorsam stets, erneute, mit den matten +Besiegten Augen doch den Kampf sofort. +Wie ich besonnt oft sah beblümte Matten, +Besonnt vom Strahl aus einer Wolke Spalt, +Indes bedeckt mein Auge war von Schatten; +So sah ich Scharen dort, von Glanz umwallt, +Der, Blitzen gleich, auf sie von oben sprühte, +Doch sah ich nicht den Quell, dem er entwallt. +Du, die du ihn verströmst, o Kraft voll Güte, +Du bargst dich in den Höh’n, so daß mein Sinn +Ertragen konnte, was dort strahlend blühte. +Der Name klang der Blumenkönigin, +Zu der ich ruf in allen Erdenleiden, +Und zog mich ganz zum größten Feuer hin. +Kaum malte sich in meinen Augen beiden +Die Größ’ und Glut des Sterns, den Strahl und Glanz +Siegreich, wie hier einst, so itzt dort umkleiden, +Da kam, gleich einer Kron’, ein Feuerkranz +Vom Himmel her, die Blume zu bekrönen, +Umwand sie auch mit Strahlenkreisen ganz. +Was auch hienieden klingt von süßen Tönen, +Von Harmonie, die hold das Herz erweicht, +Scheint wie zerrißner Wolke Donnerdröhnen, +Wenn man’s mit jener Leier Ton vergleicht, +Der Leier, den Saphir als Krön’ umgebend, +Der zu des klarsten Himmels Schmuck gereicht. +"Ich bin die Engelslieb’, im Kreise schwebend, +Und von der Lust, die uns der Leib gebracht, +Der unser Sehnen aufnahm, Kunde gebend. +Und kreisen werd’ ich, wenn in höh’rer Pracht, +Weil, Herrin, du dem Sohn dich nachgeschwungen, +Bei deinem Nah’n die höchste Sphäre lacht." +Hier war des Kreises Melodie verklungen. +Maria! tönt’ es aus dem andern Licht +Mit einem Klang, doch wie von tausend Zungen. +Der Königsmantel, der die Stern’ umflicht, +Entglüht in lebensvollerm Strahlenbrande +In Gottes Hauch und Strahlenangesicht, +War über uns mit seinem innern Rande +So weit entfernt, daß er noch nicht erschien, +Noch nicht erkennbar war von meinem Stande. +Drum war dem Auge nicht die Kraft verlieh’n, +Um, als sie sich erhob zu ihrem Sprossen, +Der Flamme, der bekrönten, nachzuzieh’n. +Und wie das Kindlein, wenn’s die Milch genossen, +Zur Brust, aus der es trank, die Arme reckt, +Von Liebesglut auch außen übergossen; +So sah ich hier, die Flamm’ emporgestreckt, +Jedweden Glanz; so ward sein innig Lieben +Zur hohen Jungfrau-Mutter mir entdeckt. +Worauf sie noch mir im Gesichte blieben, +Als ihr Regina coeli!--mir erscholl +Im Sang, des Lust mir keine Zeit vertrieben. +O wie sind dorten doch die Scheuern voll +Von reicher Frucht, die jeder, der hienieden +Gut ausgesät, in Lust genießen soll. +Dort lebt bei solchem Schatz in sel’gem Frieden, +Der weinend ihn erlangt in Babylon +Und sich im Bann vom Erdengut geschieden; +Dort triumphieret unterm hohen Sohn +Der Jungfrau und des Herrn, und mit dem Alten +Und Neuen Bund, so nah dem ew’gen Thron, +Er, der die Schlüssel solchen Reichs erhalten. + + +Vierundzwanzigster Gesang + +"O auserwählte Tischgenossenschaft +Beim großen Mahl des Lamms, daß solcherweise +Euch speiset, daß euch’s voll G’nüge schafft, +Wenn er, durch Gottes Huld’ sich an der Speise, +Die eurem Tisch entfällt, vorkostend stillt, +Eh’ ihn der Tod beschwingt zur letzten Reise +So denkt, wie seine Brust vor Sehnen schwillt; +Netzt ihn mit eurem Tau--auch letzt die Quelle, +Der alles, was er sinnt und denkt, entquillt." +Beatrix sprach’s--wie um des Poles Stelle +Sich Sphären dreh’n, so jene Sel’gen nun, +Flammend, Kometen gleich, in Glut und Helle. +Wie, wohlgefügt, der Uhren Räder tun-- +In voller Eil’ zu fliegen scheint das letzte, +Das erste scheint, wenn man’s beschaut, zu ruh’n +Also verschieden in Bewegung setzte +Sich jeder Kreis, drob, wie er sich erwies, +Schnell oder trag, ich seinen Reichtum schätzte. +Und aus dem Kreis, den ich den schönsten pries, +Sah ich ein so beseligt Feuer schweben, +Daß es nichts Klareres drin hinterließ. +Um Beatricen Schwang dies heil’ge Leben +Sich erst dreimal, und Sang entquoll dem Licht, +Den keine Phantasie kann wiedergeben. +Drum springt die Feder hier und schreibt es nicht, +Weil, wo der Phantasie die Kraft benommen, +Sie noch weit mehr dem armen Wort gebricht. +"O heil’ge Schwester, die du in so frommen +Gebeten flehst, durch deine Liebesglut +Bin ich aus schönerm Kreis herabgekommen!" +Nachdem das heil’ge Feu’r im Tanz geruht, +Wandt’ es den Hauch zur Herrin mit den Worten, +Die mein Gedicht euch kund hier oben tut. +"O ew’ges Licht des großen Manns, dem dorten" +--Sie sprach’s--"der Herr die Schlüssel ließ, die er +Getragen, zu des Wunderreiches Pforten, +Prüf ihn mit ein’gen Fragen, leicht und schwer, +Wie dir’s gefällt, ob jener Glaub’ ihm eigen, +Durch welchen du gegangen auf dem Meer. +Ob er gut liebt, gut hofft und glaubt--verschweigen +Kann er dir’s nicht, denn dort ist dein Gesicht, +Wo abgemalt sich alle Dinge zeigen. +Doch weil man hier durch wahren Glaubens Licht +Zum Bürger wird, so wird es Früchte tragen, +Wenn er mit dir zu seinem Preise spricht." +Gleichwie der Bakkalaur, des Meisters Fragen +Erwartend, stillschweigt, denn er rüstet sich, +Entscheidung nicht, doch den Beweis zu wagen; +So rüstet’ ich mit jedem Grunde mich, +Indes sie sprach, um schnell und wohlerfahren +Zu reden, wenn der Meister spräche: Sprich! +"Sprich, guter Christ, um dich zu offenbaren: +Was ist der Glaub’?"--Ich hob die Stirne schnell +Zum Lichte, dem entweht die Worte waren. +Zur Herrin blickt’ ich dann, die, froh und hell, +Mir Mut verlieh, die Flut hervorzulassen, +Wie sie entströmte meinem innern Quell. +"Hat Gnade", fing ich an, "mich zugelassen +Zur Beichte bei der Streiter hohem Hort, +So lasse sie mich klar die Antwort fassen. +Die Wahrheit, Vater," also fuhr ich fort, +"Hab’ ich in deines Bruders Buch getroffen, +Der Rom bekehrt hat durch sein heilig Wort. +Glaub’ ist der Stoff des, was wir fröhlich hoffen, +Ist der Beweis von dem, was wir nicht sehn. +Und hierin zeigt sich mir sein Wesen offen." +"Wohl richtig denkst du," hört’ ich’s jetzo weh’n, +"Wenn du den Grund erkennst. Darum verkünde: +Was mocht’ er bei Beweis und Stoff verstehn?" +Drauf ich: "Die Dinge, die ich hier ergründe, +Die ihres Anblicks Wonne mir verleih’n, +Sind so versteckt dem Blick im Land der Sünde, +Daß dorten nur im Glauben ist ihr Sein, +Auf welchen wir die hohe Hoffnung bauen, +Und deshalb ist er auch ihr Stoff allein. +Auch muß dann, ohn’ auf anderes zu schauen, +Vom Glauben aus nur folgern der Verstand; +Drum muß man ihm auch als Beweise trauen." +Ich hörte drauf: "Würd’ alles so erkannt, +Was dort auf Erden die Gelehrten lehren, +So wäre der Sophisten Witz verbannt." +Den Hauch ließ jene Liebesglut mich hören +Und fuhr dann fort: "Fürwahr, ich sehe dich +Die Münz’ als echt in Schrot und Korn bewähren. +Allein hast du sie auch im Beutel? Sprich!" +Und ich drauf: "Ja, so hell und so gerundet, +Daß beim Gepräg’ nie Zweifel mich beschlich." +Da sprach es aus dem Licht, dort hellentzündet: +"Wie ward dies teure Kleinod dein, dies Gut, +Auf welches sich jedwede Tugend gründet?" +Und ich: "Des Heil’gen Geistes Regenflut, +Die sich so reich aufs Pergament ergossen, +Das kund den Alten Bund und Neuen tut, +Sie ist der Grund, aus dem ich es geschlossen +So scharf, daß anderer Beweis und Grund +Mir stumpf erscheint wie Tand und leere Possen." . +Ich hörte drauf: "Der Alt’ und Neue Bund, +Durch den dein Geist, so folgernd, dieses dachte. +Wie wurden sie als Gottes Wort dir kund?" +Und ich: "Das, was mir klar die Wahrheit machte, +Die Werke sind’s, von der Art, daß Natur +Sie nie hervor in ihrer Werkstatt brachte." +Drauf klang’s: "Wo aber ist die klare Spur, +Daß sie gescheh’n? Dies wäre zu bewähren, +Da’s niemand dir bezeugt mit sicherm schämt."-- +"Daß ohne Wunder sich zu Christi Lehren +Die Welt bekehrt--dies Wunder schon bezeugt +Die Wahrheit sichrer, als wenn’s hundert waren. +Denn du betratest arm und tiefgebeugt +Das Feld, den guten Samen dreinzubringen, +Der einst die Reb’ und jetzt den Dorn erzeugt." +Ich sprach’s und hörte durch die Sphären klingen +Der Sel’gen Lied: Herr Gott, dich loben wir! +In Melodien, wie sie nur jene singen. +Und jener Herr, der Zweig um Zweig mit mir +Emporklomm und mich prüfend also führte, +Daß ich erreicht des Gipfels Höhe schier, +Sprach weiter: "Wie dein Herz die Gnade rührte, +Erschloß sie dir den Mund auch wundersam, +Drum öffnet’ er sich jetzt, wie sich’s gebührte; +Drum billigt’ ich, was ich aus ihm vernahm. +Doch was du glaubst, das sollst du jetzt bekunden, +Und auch woher dir dieser Glaube kam."-- +"O Heil’ger," sprach ich, "der du hier gefunden, +Was du so fest geglaubt, daß du den Fuß +Des Jüngern einst am Grabmal überwunden, +In meinem Wort soll, dies ist dein Beschluß, +Auch meines Glaubens Form dir klar erscheinen, +So auch, warum ich also glauben muß. +So hör’: Ich glaub an Gott, den Ew’gen, Einen, +Der, unbewegt, des Himmels All bewegt, +Durch Lieb’ und Trieb zu ihm, dem Ewigreinen. +Und nicht Vernunft nur und Natur erregt +Den Glauben mir und gibt mir die Beweise; +Die Offenbarung auch, so dargelegt +Moses, Propheten, Davids Sangesweise, +Das Evangelium, und was ihr, vom Schein +Des Geists erleuchtet, schriebt zu Gottes Preise. +Ich glaub’ an drei Personen, eins in drei’n, +Dreifach in einem Wesen, einem Leben, +Und Ist und Sind gestattet ihr Verein. +Von dieser Gotteseigenschaft, die eben +Mein Wort berührt, hat meinem innern Sinn +Das Evangelium das Gepräg’ gegeben, +Dies ist der Funke, dies der Glut Beginn, +Die dann lebendig in mir aufgestiegen, +Der Stern, von welchem ich erleuchtet bin." +So wie der Herr, erst horchend mit Vergnügen, +pur gute Nachricht in der Freude Drang, +Zuletzt den Knecht umarmt, wenn er geschwiegen; +Also das Licht, das dreimal mich umschlang, +Als ich geendet, was es mir befohlen, +Mich segnend mit dem himmlischen Gesang-- +So hatte, was ich sprach, mich ihm empfohlen. + + +Fünfundzwanzigster Gesang + +Zwäng’ einst dies heil’ge Lied, zu dem die Erde, +Zu dem der Himmel mir den Stoff gereicht, +Durch das auf lang’ ich blaß und mager werde, +Die Grausamkeit, die mich von dort verscheucht, +Wo ich, ein Lamm, geruht in schöner Hürde, +Jedwedem Wolfe feind, der sie umschleicht, +Mit anderm Ton und Haar, als Dichter, würde +Ich kehren und am Taufquell dort empfah’n +Im Lorbeerkranz des Dichters höchste Würde. +Denn dort betrat ich jenes Glaubens Bahn, +Durch welchen Gott bekannt die Seelen werden, +Für den mit Petri Licht die Stirn umfah’n. +Da naht’ ein Licht aus der der sel’gen Herden, +Aus der der Erste derer vorgewallt, +Die Christ als Stellvertreter ließ auf Erden. +Beatrix sprach, umstrahlt die Lichtgestalt +Von neuer Lust: "Sieh ihn, sich zu uns neigend, +Den Herrn, für den man nach Galizien wallt." +Wie wenn die Taub’, aus hohen Lüften steigend, +Zur Taube fliegt, wie sich das Paar umkreist, +Und fröhlich girrt, die heiße Liebe zeigend; +So war’s, wie jetzo der und jener Geist +Der hohen Fürsten freudig sich empfingen, +Lobend die Kost, die man dort oben speist. +Dann standen nach dem Freudentanz und Singen +Die beiden Lichter schweigend vor mir dort, +So feurig, daß die Augen mir vergingen. +Und selig lächelnd fuhr Beatrix fort: +"Der du geschrieben hast, erlauchtes Leben, +Was gut sei, komm’ allein von diesem Ort, +O laß dein Wort die Hoffnung hier erheben; +Du stellst ja, wie du weißt, so oft sie vor, +Als Jesus sich den dreien kundgegeben."-- +"Du, fasse Mut--das Antlitz heb empört +An unserm Strahl muß reisen der Beglückte, +Der von der Erde kommt zum sel’gen Chor." +Als so das zweite Feuer mich erquickte, +Hob ich die Augen zu den Bergen auf, +Vor deren Last ich erst das Antlitz bückte. +"Läßt unsers Kaisers Gnade deinen Lauf, +Bevor du stirbst, zu seinem Hofe gehen, +Führt er zu seinen Grafen dich herauf, +Um, wenn du das Geheimste hier gesehen, +Die Hoffnung, die euch dort im Herzen blüht +In dir und andern heller anzuwehen, +So sage, was sie ist? Ob im Gemüt +Sie dir entkeimt? Woher du sie entnommen?" +Das zweite Feuer sprach’s, in Licht entglüht. +Und sie, durch die in mir die Kraft entglommen +Zum hohen Flug, war mit der Antwort schon +In diesen Worten mir zuvorgekommen: +"Die Kirche, die da kämpft, hat keinen Sohn +Von stärkrer Hoffnung--also zeigt’s geschrieben +Die Sonn’ auf unsres Freudenreiches Thron. +Drum aus Ägypten, nach des Herrn Belieben, +Kommt er nach Zion, wo das Licht ihm tagt, +Eh’ ihn des Kampfes Ende vorgeschrieben. +Zwei andre Punkt’, um die du ihn befragt, +Nicht um zu wissen, nein, damit er sage, +Wie diese Tugend hier noch dir behagt, +Lass’ ich ihm selbst; denn nicht, wie jene Frage, +Sind sie ihm schwer, nicht Reiz zur Prahlerei; +Und helf ihm Gott, daß er sie würdig trage." +Dem Schüler gleich, der seinem Meister frei +Entgegenkommt und freudig und besonnen, +Daß, was er weiß, kund in der Antwort sei, +Sprach ich: "Die Hoffnung ist der künft’gen Wonnen +Erwartung und gewisse Zuversicht, +Durch Gnad’ und früheres Verdienst gewonnen. +Von vielen Sternen kam mir dieses Licht; +Der höchste Sänger macht’ es mir entbrennen, +Der im Gesang vom höchsten Horte spricht. +Oh’ alle die, so deinen Namen nennen, +Hoffen auf dich--so sang der Gottesmann-- +Und wer, der glaubt, wie ich, sollt’ ihn nicht kennen. +Du träufeltest mir feine Tropfen dann +Ins Herz durch deinen Brief, mit solchem Segen, +Daß ich die Flut auf andre gießen kann." +Indem ich sprach, sah ich’s im Licht sich regen, +Und, wie ein Blitz, schnell und von Glanz umsprüht, +Mit zitterndem Gefunkel sich bewegen. +"Die Liebe," weht’ es, "die mich noch durchglüht +Für jene Tugend, welche mir durchs Grauen +Des Kampfs gefolgt, bis mir die Palm’ erblüht, +Heißt mich durch sie dich letzen und erbauen, +Und gern vernehm’ ich dieses noch von dir: +Auf was heißt deine Hoffnung dich vertrauen?"-- +"Die alt’ und neuen Schriften zeigen mir", +Sprach ich, "das Ziel, das denen Gott bescheidet, +Die er geliebt, und dieses seh’ ich hier. +Jesajas zeigt vom Doppelkleid bekleidet, +Sie all in ihrem Land--und dieses Land, +Das süße Leben ist’s, das hier euch weidet. +In denen, so, die Palmen in der Hand, +In weißen Kleidern vor dem Lamme stehen, +Macht’s klarer noch dein Bruder mir bekannt."-- +Als ich geendet, tönt’ es aus den Höhen: +Ihr Hoffen sei auf dich!--und aus dem Tanz +Der Sel’gen hört’ ich die Erwid’rung wehen. +Dann zwischen beiden drin entglüht’ ein Glanz, +So hell, daß, wär’ dem Krebs ein solcher eigen, +Es würd’ ein Wintermond zum Tage ganz. +Wie froh aufsteht und geht und in den Reigen +Die Jungfrau tritt, aus eitelm Triebe nicht, +Nur dem Verlobten Ehre zu erzeigen; +So schwebte zu den zwei’n das neue Licht, +Die ich so eilig in lebend’gem Kreise +Sich schwingen sah, wie’s heißer Lieb’ entspricht. +Einstimmt’ es zu dem Lied und zu der Weise; +Und, gleich der Braut, sah sie die Herrin an, +Stillschweigend, unbewegt bei solchem Preise. +"Er ruht’ am Busen unsers Pelikan; +Ihn hat der Herr zur großen Pflicht erlesen, +Als er den Martertod am Kreuz empfah’n." +Sie sprach’s; ihr Blick war, wie er erst gewesen; +Nicht mehr Aufmerksamkeit war jetzt darin +Als erst, bevor sie dies gesagt, zu lesen. +Wie der, der nach dem Sonnenrande hin, +Der sich verfinstern soll, die Blicke sendet +Und, um zu sehn, verliert des Auges Sinn; +So stand ich, zu dem letzten Glanz gewendet. +Da klang es: "Was nicht ist an diesem Ort, +Was suchst du’s hier und stehst drum hier geblendet? +Mein Leib ist jetzt noch Erd’ auf Erden dort, +Und bleibt’s mit andern, bis die sel’gen Scharen +Die Zahl erreicht, gesetzt vom ew’gen Wort. +Zum Himmel sind zwei Lichter nur gefahren, +Bekleidet mit dem doppelten Gewand: +Und dieses laß einst deine Welt erfahren." +Als dieses Wort gesprochen war, da stand +Der Kreis der Flammen still, samt dem Gesange, +Zu welchem sich dreifaches Weh’n verband, +Gleichwie nach Müh’n und schwerem Wogendrange, +Die Ruder, so die Flut durchwühlt, zugleich +Allsämtlich ruh’n bei einer Pfeife Klange, +Ach, wie ward ich vor Angst und Sorge bleich, +Als ich mich nun zu Beatricen kehrte, +Und, zwar ihr nah und im beglückten Reich, +Doch sie nicht sah, die ich zu sehn begehrte. + + +Sechsundzwanzigster Gesang + +Ob des erloschnen Augenlichts voll Gram, +Hört’ ich ein Weh’n aus jener Flamme kommen, +Die mir’s verlöscht’, und horcht’ ihm aufmerksam. +Es sagte: "Bis das Licht, das dir verglommen +In meinem Schimmer ist, dir wiederkehrt, +Wird sprechen zum Ersatz des Schauens frommen. +Drum sprich: Was ist es, das dein Herz begehrt? +Und möge deinen Mut der Trost erheben: +Dein Aug’ ist nur verwirrt und nicht zerstört. +Denn sie, die dich geführt ins höh’re Leben, +Hat jene Kraft im Blicke, die der Hand +Des Ananias unser Herr gegeben."-- +"Sie helfe dann, wann sie’s für gut erkannt," +Sprach ich, "den Augen, die ihr Pforten waren, +Als sie, einziehend, ewig mich entbrannt. +Das Gut, das froh macht dieses Reiches Scharen, +Das A und O der Schriften ist’s, die hier +Mir Lieb’ andeuten, dort sie offenbaren." +Dieselbe Stimm’ erklang--wie sich an ihr +Mein Mut, als ich mich blind fand, aufgerichtet, +Gebot sie jetzo weitres Sprechen mir. +"Durch engres Sieb sei, was du meinst, gesichtet, +Und klarer sei von dir noch dargelegt, +Was dein Geschoß auf solches Ziel gerichtet?"-- +"Durch das, was Weltweisheit zu lehren pflegt," +Versetzt’ ich, "und durch Himmelsoffenbarung +Ward solche Liebe mir ins Herz geprägt. +Je mehr ein Gut, soweit es die Erfahrung +Uns kennen lehrt, der Güt’ in sich enthält, +Je stärker gibt’s der Liebesflamme Nahrung. +Das Wesen drum. So gut, daß, was der Welt +Sich außer ihm noch als ein Gut verkündet, +Ein Strahl nur ist, der seinem Licht entfällt, +Dies ist es, das die höchste Lieb’ entzündet. +Und wohl erkennt es liebend jeder Geist, +Der jene Wahrheit kennt, die dies begründet; +Und jener ist’s, der’s der Vernunft beweist, +Der die für alle Göttlichen entglühte +Erhabne Liebesbrunst die erste heißt. +Er selbst erweckte sie mir im Gemüte, +Der einst zu Moses sprach, der wahre Hort: +Dein Angesicht schau’ alle meine Güte. +Du prägst sie ein, dein hohes Heroldswort +Beginnend vom Geheimnis dieser Sphären. +Lauter als andres tönt’s auf Erden fort:" +Da sprach’s: "Nach menschlichen Verstandes Lehren +Und höherm Wort, das beistimmt dem Verstand, +Muß sich zu Gott dein höchstes Lieben kehren. +Doch fühlst du nicht noch manches andre Band +Zu ihm dich zieh’n? Du sollst mir jedes nennen, +Mit welchem diese Liebe dich umwand." +Nicht war der heil’ge Wille zu verkennen +Des Adlers Christi, ja, ich sah, wohin +Er mich gelenkt zum weiteren Bekennen. +Und wieder sprach ich: "Was nur Herz und Sinn +Hinlenkt zu Gott, erzeugt hat’s im Vereine +Die Lieb’, in welcher ich entzündet bin. +Denn durch des Weltalls Dasein und das meine +Und durch den Tod des, der mich leben macht, +Durch das, was hofft die gläubige Gemeine, +Und die Erkenntnis, deren ich gedacht, +Bin ich dem Meer der falschen Lieb’ entgangen +Und an der echten Liebe Strand gebracht. +Die Blätter, die im ganzen Garten prangen +Des ew’gen Gärtners, lieb’ ich auch, je mehr +Des Guten sie aus seiner Hand empfangen." +Ich schwieg--und durch die Himmel, süß und hehr, +Hört’ ich der Herrin sang und aller klingen, +Erschallend: Heilig, heilig, heilig er!-- +Und, wie wir uns dem schweren Schlaf entringen +Beim scharfen Licht, das unsre Sehkraft weckt, +Wenn uns von Haut zu Haut die Strahlen dringen, +Und, was er sieht, den jäh Erwachten schreckt, +Der sich noch nicht besinnt, vom Schlafe trunken, +Bis der Verstand die Wahrheit ihm entdeckt; +So war die Decke meinem Aug’ entsunken +Vor Beatricens Strahlenangesicht, +Auf tausend Meilen streuend Glanzesfunken. +Drum sah ich klar, wie vorhin nimmer nicht, +Und fragte staunend noch und kaum besonnen, +Nach einem vierten uns gesellten Licht. +"Aus diesen Strahlen schaut in Liebeswonnen", +Sprach sie, "zum Schöpfer hin der erste Geist, +Des Dasein durch die erste Kraft begonnen." +Gleichwie der Baum, an dem der Sturmwind reißt, +Den Gipfel beugt, dann, wenn der Sturm vergangen, +Sich wieder hebt, wie innre Kraft ihn heißt; +So tat jetzt ich, der, als sie sprach, befangen, +Erstaunt, gebückt, jetzt in die Höhe fuhr, +Denn mich erhob nun Sprechlust und Verlangen. +Ich sprach: "O Frucht, die als die einz’ge nur +Schon reif entstand, o alter Vater, sage +Du dem, was Weib heißt, Tochter ist und Schnur, +Sag’ an, was ich dich fromm zu bitten wage. +Du siehst ja, welch ein Sehnen mich bewegt, +Und schneller hör’ ich, wenn ich dich nicht frage." +Wie ein bedecktes Tier sich rückt und regt +Und so die Neigung zeigt, dem nachzurennen, +Der um dasselbe die Verhüllung legt; +So ließ durch ihre Hülle jetzt erkennen +Die erste Seele, wie so froh sie war, +Mir das, was ich gebeten, tun zu können. +"Dein Sehnen", weht’ es, "nehm’ ich besser wahr, +Magst du’s auch nicht bekennen und gestehen, +Als du, was noch so sicher ist und klar. +Im wahren Spiegel kann ich es erspähen, +Der jedes Dinges Bildnis in sich faßt, +Doch seines läßt in keinem Dinge sehen. +Du fragst: Wieviel der Zeitraum wohl umfaßt, +Seit Gott mich in den hohen Garten setzte, +Aus dem du dich mit ihr erhoben hast? +Wie lange mir sein Reiz die Augen letzte? +Was eigentlich den großen Zorn erweckt? +Und welche Sprach’ ich mir zusammensetzte? +Mein Sohn, nicht daß ich jene Frucht geschmeckt, +War Grund des Zorns an sich--daß ich entronnen +Den Schranken war, die mir der Herr gesteckt. +Mich hat viertausend und dreihundert Sonnen +Und zwei, im Höllenvorhof sonder Qual +Sehnsucht erfüllt nach diesen Himmelswonnen. +Auch sah ich, daß neunhundertdreißigmal +Zu jedem Sterngebild die Sonne kehrte, +Indes ich lebt’ in eurem Erdental. +Die Sprache, die ich einst gesprochen, hörte +Schon vor dem Bau auf, der, wie schwach die Kraft +Des Menschen sei, das Volk des Nimrod lehrte. +Denn was nur irgend die Vernunft erschafft, +Ist, weil die Neigung nach der Sterne Walten +Zu wechseln pflegt, nur wenig dauerhaft. +Die Sprache habt ihr von Natur erhalten, +Allein so oder so--euch läßt hierin +Sodann Natur nach Gutbedünken schalten. +Eh’ ich zur Hölle sank, im Anbeginn +Hieß El das höchste Gut, an dem entglommen +Der Glanz, mit welchem ich umkleidet bin. +Den Namen Eli hat man drauf vernommen, +Weil Menschenbrauch sich gleich den Blättern zeigt, +Von welchen jene gehn, wenn diese kommen. +Auf jenem Berge, der am höchsten steigt, +Hab’ ich, rein und befleckt, mich sieben Stunden +Von früh, bis wieder sich die Sonne neigt, +Wenn sie im zweiten Vierteil steht, befunden." + + +Siebenundzwanzigster Gesang + +Dem Vater, Sohn und Heil’gen Geiste fang +Das ganze Paradies; ihm jubelt’ alles, +So daß ich trunken ward vom süßen Klang. +Ein Lächeln schien zu sein des Weltenalles, +Das, was ich sah, drum zog die Trunkenheit +Durch Aug’ und Ohr im Reiz des Blicks und Schalles. +O Lust! O unnennbare Seligkeit! +O friedenreiches, lieberfülltes Leben! +O sichrer Reichtum sonder Wunsch und Neid! +Ich sah vor mir die Feuer glühend Schweben, +Und das der vier, das erst gekommen war, +Sah ich in höherm Glanze sich beleben. +Und also stellt’ es sich den Blicken dar, +Wie Jupiter, nahm’ man an seinen Gluten +Das hohe Rot des Marsgestirnes wahr. +Und jetzt gebot der Wink des ewig Guten, +Des Vorsicht dort verteilet Pflicht und Amt, +Daß aller Sel’gen Wonnechöre ruhten. +Da hört’ ich: "Siehst du höher mich entflammt, +So staune nicht--bei meinen Worten werden +Sich diese hier entflammen allesamt. +Der meines Stuhls sich anmaßt dort auf Erden, +Des Stuhls, des Stuhls, auf dem kein Hirt itzt wacht, +Vor Christi Blick, zum Schutze seiner Herden, +Hat meine Grabstatt zur Kloak’ gemacht +Von Blut und Stank, drob der zu ew’gen Qualen +Einst von hier oben fiel, dort unten lacht." +Wie früh und abends sich die Wolken malen, +Die g’rad’ der Sonne gegenüberstehn, +So sah ich jetzt den ganzen Himmel stralhlen. +Wie wir ein ehrbar Weib sich wandeln sehn, +Das, sicher seiner selbst, nichts zu verschulden, +Nur hörend, schüchtern wird durch fremd Vergehn; +So meiner Herrin Angesicht voll Hulden; +Und so verfinstert, glaub’ ich, wie sie dort, +War einst der Himmel bei der Allmacht Dulden. +Er aber fuhr in seiner Rede fort, +Und wie verwandelt erst der heitre Schimmer, +So war verwandelt jetzt das heil’ge Wort. +"Die Braut des Herrn hat zu dem Zwecke nimmer +Mein Blut, des Lin und Cletus Blut, genährt, +Daß man durch sie erwerbe Gold und Flimmer, +Nein, dieses frohe Sein, das ewig währt; +Dem hat des Sirt und Pius Blut gegolten, +Dies hat Calixt, dies hat Urban begehrt. +Das war’s nicht, was wir von den Folgern wollten, +Daß sie um sich das Christenvolk getrennt +Zur Rechten und zur Linken setzen sollten. +Nicht sollten jene Schlüssel, mir vergönnt, +Als Kriegeszeichen in den Fahnen stehen, +Woran man der Getauften Feind’ erkennt. +Nicht sollte man mein Bild auf Siegeln sehen, +Erkauftem Lügenfreibrief beigedrückt, +Drob ich erröt’ und glüh’ in diesen Höhen. +Jetzt sieht man, mit dem Hirtenkleid geschmückt, +Raubgier’ge Wölfe dort die Herden hüten. +O Gott, was ruht dein Schwert noch ungezückt! +Und Caorsiner und Gascogner brüten +Schon Tücken aus, voll Gier nach meinem Blut. +Schnöde, schlechte Frucht von schönen Blüten! +Allein die Vorsicht, die durch Scipios Mut +Den Ruhm der Welt beschützt in Romas Siegen, +Bald hilft sie, wie mir kund mein Spiegel tut. +Du, Sohn, wenn du zur Erd’ hinabgestiegen, +Erschleuß den Mund und sprich, wie sich’s gebührt, +Und nicht verschweige, was ich nicht verschwiegen." +Wie, wenn der Wolken feuchter Dunst gefriert, +Durch unsre Luft die Flocken niederfallen, +Zur Zeit, da Sol des Steinbocks Horn berührt; +So, aufwärts, sah ich an des Äthers Hallen +Mit jenem Licht, das eben zu mir sprach, +Der andern Schar, wie Schimmerflocken, wallen. +Mein Auge folgte diesem Anblick nach, +Bis sie so weit im Raum emporgeflogen, +Daß er den Pfad des Blickes unterbrach. +Da sprach die Herrin, die mich abgezogen +Von oben sah: "Jetzt schau’ hinab--hab’ acht, +Wie weit du fortzogst mit des Himmels Bogen." +Vom ersten Rückblick an, des ich gedacht, +Hatt’ ich den Weg der Hälft’ im halben Kreise +Von seiner Mitte bis zum Rand gemacht. +Von Kadix jenseits lag das Furt zur Reise +Ulyß, des Toren--diesseits nah der Strand, +Dem Zeus entrann, beschwert mit süßem Preise. +Noch mehr von unserm Ball hätt’ ich erkannt, +Doch unten war die Sonne vorgegangen, +Der fern um mehr noch als ein Zeichen stand. +Mein liebend Herz, das immer mit Verlangen +Der Herrin schlug, war mehr als je entglüht, +Ihr wieder mit den Augen anzuhangen. +Was jemals der Natur und Kunst entblüht +An Leib und Bild, dem Aug’ als Reiz zu dienen +Und durch den Blick zu fesseln das Gemüt, +Vereint war’ alles dies als nichts erschienen +Bei jener Götterlust, die mich beglückt’, +Als ich hinschaut’ ins Lächeln ihrer Mienen. +Und durch die Kraft, die aus dem Blicke zückt, +Hatt’ ich dem Nest der Leda mich entrungen +Und war zum schnellsten Himmelskreis entrückt. +Ich weiß, da er von Lebensglanz durchdrungen +Gleichförmig war, nicht, wo mit mir in ihn, +Nach ihrer Wahl, die Herrin eingedrungen. +Doch sie, der klar mein Herzenswunsch erschien, +Begann jetzt lächelnd in so sel’gen Wonnen, +Daß Gott in ihrem Blick zu lächeln schien: +"Sieh hier des Zirkellaufs Natur begonnen, +Durch die der Mittelpunkt in Ruhe weilt, +Und alles rings umher den Flug gewonnen. +In diesem Himmel, der am schnellsten eilt, +Wohnt Gottes Geist nur, der die Lieb’ entzündet, +Die ihn bewegt--die Kraft, die er verteilt. +Ein Kreis von Licht und Liebesglut umwindet +Ihn, wie die andern er; allein verstehn +Kann diesen Kreis nur er, der ihn gerundet. +Nichts läßt das Maß von seinem Lauf uns sehn; +Nach ihm nur mißt sich der der andern Sphären, +Wie man nach Hälft’ und Fünfteil mißt die Zehn. +Wie sich in diesem Kreis die Wurzeln nähren +Der Zeit, wie ihr Gezweig zu ändern strebt, +Das kannst du jetzt dir selber leicht erklären. +Gier, die tief die Sterblichen begräbt +In ihrem Schlund, so kraftlos fortgerissen, +Daß sich kein Blick aus deinem Wirbel hebt! +Wohl blüht des Menschen Will’, allein in Güssen +Strömt Regen drauf, der unaufhörlich rinnt, +Drob echte Pflaumen Butten werden müssen. +Unschuld und Treue trifft man nur im Kind, +Doch sie entweichen von den Kindern allen, +Bevor mit Flaum bedeckt die Wangen sind. +Die fasten noch beim ersten Kinderlallen, +Die, mit gelösten Zungen, gierig dann +In jedem Mond auf jede Speise fallen. +Der liebt die Mutter noch und hört sie an, +Solang er lallt, der ihren Tod im Herzen +Bei voller Sprache kaum erwarten kann. +Drum muß, erst weiß, das Angesicht sich schwärzen +Der schönen Tochter des, der, kommend, bringt +Und, gehend, mit sich nimmt des Tages Kerzen. +Du denke, wenn dich dies zum Staunen zwingt, +Daß dort kein Herrscher ist, um euch zu leiten, +Drob das Geschlecht, verirrt, mit Jammer ringt, +Doch eh’ der Jänner fällt in Frühlingszeiten +Durch das von euch vergeßne Hundertteil, +Wird dieser Kreise Lauf Gebrüll verbreiten, +Daß das Geschick, erharrt zu eurem Heil, +Damit’s auf g’raden Lauf die Flotte richte, +Den Spiegel dreht, wo jetzt das Vorderteil, +Und auf die Blüten folgen echte Früchte." + + +Achtundzwanzigster Gesang + +Nachdem sie tadelnd mir das jetz’ge Leben +Der armen Menschen wahrhaft kundgemacht, +Sie, welche mir das Paradies gegeben, +Da, dem gleich, der im Spiegelglas bei Nacht +Der Fackel Schein sieht hinter sich entglommen, +Bevor er sie gesehn und dran gedacht, +Und rückblickt, ob das, was er wahrgenommen, +Auch wirklich sei, und sieht, daß Glas und Tat +So überein, wie Ton und Tonmaß, kommen; +War ich, und seinem Tun gleich, was ich tat, +Als ich ins Auge sah, woraus die Schlingen, +Um mich zu sah’n, die Lieb’ entnommen hat. +Ich sah itzt das mir in die Augen dringen, +Als ich die Blicke suchend rückwärts warf, +Was die erspäh’n, die diesen Kreis erringen. +Mir strahlt’ ein Punkt, so glanzentglüht und scharf, +Daß nie ein Auge, das er mit dem hellen +Glutschein bestrahlt, ihm offen trotzen darf. +Ließ sich zu ihm das kleinste Sternlein stellen, +Ein Mond erschien’ es, könnt’ es seinem Licht +So nah wie Stern dem Stern sich beigesellen. +So weit, als Sonn’ und Mond ein Hof umflicht, +Vom eignen Glanz der beiden Stern’ entsprungen, +Wenn sich in dichtem Dunst ihr Schimmer bricht, +War um den Punkt ein Kreis, so schnell geschwungen +In reger Glut, daß er auch überwand +Den schnellsten Kreis, der rings die Welt umschlungen. +Und dieser war vom zweiten rings umspannt, +Um den der dritte dann, der vierte wallten, +Die dann der fünfte, dann der sechst’ umwand. +Drauf sah man sich den siebenten gestalten, +So weit, daß Iris halber Kreis, auch ganz, +Doch viel zu enge war’, ihn zu enthalten. +Dann wand der achte sich, der neunte Kranz, +Je träger jeder Kreis im Schwung, je weiter +Er ferne stand von jenem einen Glanz. +Mehr ist des Kreises Flamme rein und heiter, +Je minder fern er ist von seiner Spur, +Und in der reinen Glut je eingeweihter. +Sie, die, mich sehend, meinen Wunsch erfuhr, +Sprach ungefragt: "Von diesem Punkte hangen +Die Himmel ab, die sämtliche Natur. +Sieh jenen Kreis, der ihn zunächst umfangen; +Das, was ihn treibt, daß er so eilig fliegt, +Es ist der heil’gen Liebe Glutverlangen." +Und ich zu ihr: "Wäre die Welt gefügt +Nach dem Gesetz, das herrscht in diesen Kreisen, +So hätte völlig mir dein Wort genügt. +Doch in der Welt, der fühlbaren, beweisen +Die Schwingungen je größre Göttlichkeit, +Je ferner sie vom Mittelpunkte kreisen. +Drum soll in diesem Bau voll Herrlichkeit, +Im Tempel, den nur Lieb’ und Licht umschränken, +Ich ruhig sein, von jedem Wunsch befreit, +So sprich: Wie-kommt’s--ich kann mir’s nicht erdenken +Daß Abbild sich und Urbild nicht entspricht. +Und andere Gesetze beide lenken?" +"Genügt dein Finger solchem Knoten nicht, +So ist’s kein Wunder--weil ihn zu entstricken +Niemand versuchte, ward er fest und dicht." +Sie sprach’s, und dann: "Nimm, um dich zu erquicken, +Das, was ich dir verkünden werd’; allein +Betracht’ es ganz genau mit scharfen Blicken. +Ein Körperkreis muß weiter, enger sein, +Je wie die Kraft, die sich durch seine Teile +Gleichmäßig ausdehnt, groß ist oder klein. +Die größre Güte wirkt in größerm Heile, +Und größres Heil füllt größeres Gebiet, +Ward jeder Gegend gleiche Kraft zuteile. +Der Kreis drum, der das Weltall mit sich zieht +In seinem Schwung, entspricht in seiner Weise +Dem, der am meisten liebt, am tiefsten sieht. +Darum, wenn du dein Maß dem Innern preise, +Und nicht dem äußern Umfang angelegt +Von dem, was dort erscheint, wie runde Kreise, +So wirst du, zur Bewunderung erregt, +Das Mehr und Minder sich entsprechen sehen +In jedem Kreis und dem, was ihn bewegt." +Wie rein das Blau erglänzt aus Äthers Höhen, +Wenn Boreas Luft aus jener Backe stößt, +Aus der gelinder seine Hauche wehen, +So, daß vom Dunst gereinigt und gelöst, +Der ihn getrübt, in seinen weiten Auen +Der Himmel lächelnd jeden Reiz entblößt; +So ward mir jetzt beim Worte meiner Frauen, +Denn dieses ließ die Wahrheit mich so klar, +Wie einen Stern am reinen Himmel schauen. +Und als ihr heil’ges Wort beendet war, +Da stellten anders nicht als siedend Eisen +Sich jene Kreise, funkensprühend, dar. +Die Funken folgten den entflammten Kreisen +In größrer Meng’, als durch Verdoppelung +Schachfelder sich vertausendfacht erweisen. +Dem festen Punkt, der sie ohn’ Änderung +Dort, wo er sie erhält, auch wird erhalten, +Scholl Lobgesang aus dieser Kreise Schwung. +"Zwei Kreise sieh dem Punkt zunächst sich halten," +Sie sprach’s, stets wissend, was mein Geist ersinnt, +"Und Seraphim und Cherubim drin walten. +Sie folgen ihren Fesseln so geschwind, +Um, wie sie können, ihm sich anzuschließen, +Und können, wie sie hoch im Schauen sind. +Die Gluten drauf, die diese rings umfließen, +Die Throne sind’s von Gottes Angesicht, +Benannt, weil sie die erste Dreizahl schließen. +So groß ist aller Wonn’, als ihr Gesicht +Tief in die ew’ge Wahrheit eingedrungen, +Die alle Geister stillt mit ihrem Licht. +Durch Schau’n wird also Seligkeit errungen, +Nicht durch die Liebe; denn sie folgt erst dann, +Wenn sie dem Schau’n, wie ihrem Quell, entsprungen. +Und das Verdienst, das durch die Gnade man +Und Willensgüt’ erwirbt, ist Maß dem Schauen. +So steiget man von Grad zu Grad hinan. +Die andre Dreizahl, die in diesen Auen +Des ew’gen Lenzes blüht, und welcher nie +Das Laub entfällt bei nächt’gen Widders Grauen, +Singt ewig in dreifacher Melodie +Hosiannagesang in dreien sel’gen Scharen, +Und also eins aus dreien bilden sie. +Herrschaften sind’s, die erst sich offenbaren, +Die Tugenden sind dann im zweiten Kranz, +Im dritten sind die Mächte zu gewahren. +Die Fürstentümer sieh zunächst im Tanz, +Dann die Erzengel ihre Lieb’ erproben; +Den letzten Kreis füllt Engelsfeier ganz. +Die Ordnungen schau’n allesamt nach oben; +Nach unten wirken sie, was lebt, mit sich +Zu Gott erhebend und zu ihm erhoben. +Und Dionysius rang so brünstiglich, +Damit sein Blick die Ordnungen betrachte, +Daß er sie nannt’ und unterschied wie ich. +Wahr ist es, daß Gregorius anders dachte, +Doch er belächelte dann seinen Wahn. +Sobald er erst in diesem Reich erwachte. +Hat solch Geheimnis kund ein Mensch getan, +So staune nicht; von ihm, der alles schaute, +Hatt’ er davon auf Erden Kund’ empfah’n, +Der sonst auch viel vom Himmel ihm vertraute." + + +Neunundzwanzigster Gesang + +So lang, wenn beide Kinder der Latone +Bedeckt von Wag’ und Widder stehn, am Rand +Des Horizonts, vereint in einer Zone, +Die Wage des Zenit in gleichem Stand +Sie beide zeigt, bis dann vom Gleichgewichte, +Den Halbkreis tauschend, sie sich abgewandt: +So lang, des Lächelns Glut im Angesichte, +Sah schweigend fest den Punkt Beatrix an, +Der meinen Blick besiegt mit seinem Lichte. +"Ich red’ und frage nicht," so sprach sie dann, +"Da, was du hören willst, ich dort erkenne +Im Punkt, wo anhebt jedes Wo und Wann. +Nicht daß er--was nicht sein kann--selbst gewönne, +Nein, daß der Glanz von seiner Herrlichkeit +Im Widerglanz ich bin verkünden könne, +Hat er, der Ew’ge, außerhalb der Zeit +Und des Begriffs, wie’s ihm gefiel, die Gluten +Erschaffner Lieb’ an ewiger geweiht. +Nicht daß, wie starr, erst seine Kräfte ruhten; +Denn früher nicht und später nicht ergoß +Der Geist des Herrn sich, schwebend ob den Fluten. +Auch Form und Stoff, vermischt und rein, entsproß +Zugleich, vortretend herrlich und vollkommen, +Drei Pfeile von dreisehnigem Geschoß. +Und wie im Widerschein des Strahls, vom Kommen +Zum vollen sein, kein Zwischenraum zu sehn, +Wenn rein Kristall im Sonnenglanz entglommen; +So ließ der Herr hervor drei Strahlen gehn, +All im vollkommnen Glanz zugleich gesendet, +Und sonder Unterscheidung im Entstehn. +Der Wesen Ordnung ward zugleich vollendet, +Und hoch am Gipfel wurden die gereiht, +Welchen er reine Tätigkeit gespendet. +Die Tiefe ward reiner Empfänglichkeit, +Empfänglichkeit und Tatkraft ist mittinnen, +Verknüpft und nie von diesem Band befreit. +Zwar Hieronymus läßt vom Beginnen +Die Engel bis von dem der andern Welt +Den Zeitraum von Jahrhunderten entrinnen; +Doch läßt die Wahrheit, die ich dargestellt, +Sich vielfach aus der Heil’gen Schrift bewähren, +Wie’s dir auch, wenn du wohl bemerkst, erhellt. +Auch die Vernunft kann dies beinah erklären; +Nicht konnten ja so lang, so folgert sie, +Die Lenker des, was lenkbar ist, entbehren. +Der Liebesschöpfung Wo und Wann und Wie +Erkennst du--nun, so daß in dem Gehörten +Dir schon dreifache Labung angedieh. +Allein bevor man zwanzig zählt’ empörten +Die Engel sich zum Teil, so daß sie nun +Im Fall der Elemente trägstes störten. +Die Bleibenden begannen drauf das Tun, +Das du erkennst, so selig in Entzücken, +Daß sie in ihrem Kreislauf nimmer ruh’n. +Grund war des Falls, daß jener sich berücken +Von frevlem Hochmut ließ, der dir erschien, +Dort, wo auf ihn des Weltalls Bürden drücken-- +Die du bei Gott hier siehest, sah’n auf ihn +Bescheiden und mit Dank für seine Gaben, +Da er nur Kraft zu solchem Schau’n verlieh’n. +Drum wurden sie zum Schauen so erhaben +Durch Gnadenlicht und ihr Verdienst gestellt, +Daß sie vollkommen festen Willen haben. +Und zweifelfrei verkünd’ es einst der Welt: +Verdienstlich ist’s, die Gnade zu empfangen, +Je wie sich offen ihr die Lieb’ erhält. +Jetzt, wenn ins Herz dir meine Lehren drangen, +Errennst du ganz den englischen Verein +Und brauchst nicht andre Hilfe zu verlangen. +Doch weil den Engeln jene, die ihr Sein +Auf Erden dort in Schulen euch erklären, +Verstand, Erinnerung und Willen leih’n, +So zeig’ ich, um dich völlig zu belehren, +Dir noch die Wahrheit rein und unbefleckt, +Die jene dort verwirren und verkehren. +Die Wesen, die des Anschau’ns Lust geschmeckt, +Verwenden nie den Blick vom ew’gen Schimmer +Des Angesichts, in dem sich nichts versteckt. +Drum unterbricht das Neu’ ihr Schauen nimmer, +Drum brauchen sie auch die Erinnrung nicht, +Denn ungeteilt bleibt ja ihr Denken immer. +So träumt ihr unten wach beim Tageslicht; +Ihr glaubt und glaubt auch nicht, was ihr verbreitet, +Doch ärger kränkt dies Letzte Recht und Pflicht. +Der eine Weg ist’s nicht, auf dem ihr schreitet +Bei eurem Forschen; drob ihr irregeht, +Von Lust am Schein und Eitelkeit verleitet. +Doch, wer dies tut, wird minder hier verschmäht, +Als wer die Heil’gen Schriften leeren Possen +Hintansetzt und sie freventlich verdreht. +Nicht denkt man, wieviel teures Blut geflossen, +Sie auszusäh’n; nicht, wie Gott dem geneigt, +Der demutsvoll an sie sich angeschlossen. +Zu glänzen strebt ein jeder itzt und zeigt +Sich in Erfindungen, die der verkehrte +Pfaff predigt, der vom Evangelium schweigt. +Der sagt, daß rückwärts Lunas Lauf sich kehrte +Bei Christi Leiden und sich zwischenschob +Und drum der Sonn’ herabzuscheinen wehrte. +Der, daß von selbst das Licht erlosch und drob +Den Spanier, den Juden und den Inder +Zu gleicher Zeit die Finsternis umwob. +Lapi und Bindi hat Florenz weit minder, +Als Fabeln, die man von den Kanzeln schreit +Das Jahr hindurch, des Aberwitzes Kinder, +So daß die Schäflein, blind zu ihrem Leid, +Wind schlucken, wo sie sich zu weiden meinen. +Und nicht entschuldigt sie Unwissenheit. +Nicht sprach der Herr zur Ersten der Gemeinen: +Geht hin und tut der Erde Possen kund!-- +Nein, wahre Lehre spendet er den Seinen. +Von ihr ertönt’ im Kampf des Jüngers Mund, +Wenn er, die Welt zum Glauben hinzulenken, +Mit Schild und Speer des Evangeliums stund. +Jetzt predigt man von Possen und von Schwänken, +Und die Kapuze schwillt, wenn alles lacht, +Und, der sie trägt, braucht sonst an nichts zu denken. +Drin hat solch Vögelein sein Nest gemacht, +Daß, säh’ man’s, es den Wert dem Ablaß raubte, +Den man beim Volk so hoch in Preis gebracht. +Drob wuchs die Dummheit so in manchem Haupte, +Daß, möcht’ ein Priesterwort das tollste sein, +Man ohne Prüfung und Beweise glaubte. +Und damit mästet Sankt Anton das Schwein, +Und andre, die noch ärger sind denn Sauen, +Falschmünzer, reich an trügerischem Schein. +Doch seitwärts führt’ ich dich von diesen Auen; +Drum, daß zugleich sich kürze Zeit und Pfad, +Mußt du jetzt wieder g’rade vorwärts schauen-- +So sehr vervielfacht sind von Grad zu Grad +Der unzählbaren sel’gen Engel Scharen, +Daß ihrer Zahl nicht Sinn noch Sprache naht. +Und Daniel will, dies kannst du wohl gewahren, +Wenn er zehntausendmal zehntausend spricht, +Uns nicht bestimmte Zahlen offenbaren. +Das ihnen allen strahlt, das erste Licht, +So vielfach wird’s von ihnen aufgenommen, +Als Engel schau’n in Gottes Angesicht. +Drum, da vom Schau’n der Liebe Gluten kommen, +Ist auch verschieden ihre Süßigkeit +Hier lauer, dorten glühender entglommen. +Sieh jetzt die Hoheit, die Unendlichkeit +Der ew’gen Kraft, die, teilend ihren Schimmer, +So unzählbaren Spiegeln ihn verleiht, +Und ein’ in sich bleibt ewiglich und immer." + + +Dreißigster Gesang + +Uns fern, etwa sechstausend Meilen, steiget +Der Mittag auf, indes schon diese Welt +Den Schatten fast zum ebnen Bette neiget, +Wenn nach und nach sich uns der Ost erhellt; +Dann wird der Glanz erst manchem Stern benommen, +Des Strahl nicht mehr bis zu uns niederfällt, +Und wie Aurora mehr emporgeklommen, +Verschließt der Himmel sich von Glanz zu Glanz, +Bis auch des schönsten Sternes Licht verglommen. +So der Triumph, der ewiglich im Tanz +Den Punkt umkreist, der alles hält umschlungen, +Was scheinbar ihn umschlingt als lichter Kranz. +Er schwand allmählich, meinem Aug’ entschwungen, +Drum kehrt’ ich zu der Herrin das Gesicht, +Von Nichtschau’n und von Liebesdrang gezwungen. +War’ alles, was bis jetzo mein Gedicht +Von ihr gelobt, in ein Lob einzuschließen, +Doch g’nügend wär’s für diesen Anblick nicht. +Denn Reize, wie sie hier sich sehen ließen, +Weit überschreiten sie der Menschen Art; +Ihr Schöpfer nur kann ihrer ganz genießen. +Ich bin besiegt von dem, was ich gewahrt, +Mehr als ein Komiker von seinen Stoffen, +Als ein Tragöd’ je überwunden ward. +Gleichwie ein Blick, den Sonnenstrahlen offen, +Vergeht vor ihren- Blitzen, so geschieht +Dem Geist, von dieses Lächelns Reiz getroffen. +Vom ersten sag, da mir der Herr beschied, +Ihr Angesicht zu schau’n in diesem Leben, +Folgt ihr bis hin zu diesem Blick mein Lied. +Doch muß ich jetzt des Folgens mich begeben, +Ein Künstler, der sein höchstes Ziel errang, +Und hoher nicht vermag emporzustreben. +Und so, wie ich sie lasse vollerm Klang, +Als meiner Tuba, die ich also richte, +Wie sie beenden kann den schweren Sang, +Sprach sie, mit Ton, Gebärd’ und Angesichte +Eifrigen Führers froh zu mir: "Du bist +Gelangt zum Himmel nun von reinem Lichte, +Von geist’gem Licht, das nur ein Lieben ist, +Ein Lieben jenes Gut’s, des ewig wahren, +Von Luft, mit der kein Erdenglück sich mißt. +Du siehst hier beide Himmelskriegerscharen +Und siehst die ein’ in dem Gewande heut, +Wie du sie wirst beim Weltgericht gewahren." +Wie jäher Blitz des Auges Kraft zerstreut, +So daß er jeden Gegenstand umdunkelt, +Den stärksten Selbst, der sich dem Blicke beut; +So ward ich von lebend’gem Licht umfunkelt, +Des Glanz mir tat, wie uns ein Schleier tut, +Denn alles außer ihm war mir verdunkelt. +"Die Lieb’, in welcher dieser Himmel ruht +Pflegt so in sich zum Heile zu empfangen +Und macht die Kerz’ empfänglich ihrer Glut." +Wie mir die kurzen Wort’ ins Innre drangen, +Da fühlt’ ich, daß sich Geist mir und Gemüt +Weit über die gewohnten Kräfte schwangen. +Und neue Sehkraft war in mir entglüht, +So, daß mein Auge, stark und ohne Qualen, +Dem Licht sich auftat, das am reinsten blüht. +Ich sah das Licht als einen Fluß von Strahlen +Glanzwogend zwischen zweien Ufern zieh’n, +Und einen Wunderlenz sie beide malen +Und aus dem Strom lebend’ge Funken sprüh’n; +Und in die Blumen senkten sich die Funken, +Gleichwie in goldne Fassung der Rubin. +Dann tauchten sie, wie von den Düften trunken, +Sich wieder in die Wunderfluten ein, +Und der erhob sich neu, wenn der versunken. +"Dein heißer Wunsch, in dem dich einzuweih’n, +Was deine Blicke hier auf sich gezogen, +Muß mir, je mehr er drängt, je lieber sein. +Doch trinken mußt du erst aus diesen Wogen, +Eh’ solch ein Durst in dir sich stillen kann." +So sprach die Sonn’, aus der ich Licht gesogen. +"Der Fluß und diese Funken", sprach sie dann, +"Und dieser Pflanzen heitre Pracht, sie zeigen +Die Wahrheit dir voraus, wie Schatten, an. +An sich ist ihnen zwar nichts Schweres eigen, +Sie zu erkennen, fehlt nur dir die Macht, +Weil noch so stolz nicht deine Blicke steigen." +Kein Kind, das durstig langer Schlaf gemacht, +Kann sein Gesicht zur Brust so eilig kehren, +Wenn’s über die Gewohnheit spät erwacht, +Als, um der Augen Spiegel mehr zu klären, +Ich mein Gesicht zu jenem Flusse bog, +Dort strömend, um der Seele Kraft zu mehren. +Und wie der Rand der Augenlider sog +Von seiner Flut, da war zum Kreis gewunden, +Was sich zuvor in langen Streifen zog. +Dann, Leuten gleich, die sich verlarvt befunden, +Verändert erst, wenn sie auszieh’n das Kleid, +Worin sie unter fremdem Schein verschwunden; +Verwandelten zu größrer Herrlichkeit +Sich Blumen mir und Funken, und ich schaute +Die Himmelsscharen beide dort gereiht. +O Gottes Glanz, o du, durch den ich schaute +Des ewig wahren Reichs Triumphespracht, +Gib jetzt mir Kraft, zu sagen, wie ich schaute. +Licht ist dort, das den Schöpfer sichtbar macht, +Damit er ganz sich dem Geschöpf verkläre, +Dem nur in seinem Schau’n der Friede tacht. +Es dehnt sich weithin aus in Form der Sphäre +Und schließt so viel in seinem Umkreis ein, +Daß es zu weit als Sonnengürtel wäre. +Und einem Strahl entquillt sein ganzer Schein, +Rückscheinend von des schnellsten Kreises Rande, +Um Sein und Wirkung diesem zu verleih’n. +Und wie ein Hügel, an der Wogen Strande, +Sich spiegelt, wie um sich geschmückt zu sehn +Im blütenreichen, grünenden Gewande; +Also sich spiegelnd, sah ich in den Höh’n +In tausend Stufen die das Licht umringen, +Die von der Erd’ in jene Heimat gehn. +Und kann der tiefste Grad solch Licht umschlingen, +Zu welcher Weite muß der letzte Kranz +Der Blätter dieser Himmelsrose dringen? +Mein Aug’ ermaß die Weit’ und Höhe ganz +Und unverwirrt, und konnte sich erheben +Zum Was und Wie von diesem Wonneglanz. +Nicht Fern noch Nah kann nehmen dort noch geben, +Denn da, wo Gott regiert, unmittelbar, +Tritt fürder kein Naturgesetz ins Leben. +Ins Gelb der Rose, die sich immerdar +Ausdehnt, abstuft und Duft des Preises sendet +Zur Sonne, die stets heiter ist und klar, +Zog, wie wer schweigt, doch sich zum Sprechen wendet, +Beatrix mich und sprach: "Sieh hier verschönt +In weißem Kleid, die dorten wohl geendet. +Sieh, wie so weithin unsre Stadt sich dehnt, +Sieh, so gefüllt die Bänk’ in unserm Saale, +Daß man jetzt hier nach wenigen sich sehnt. +Auf jenem großen Stuhl, wo du dem Strahle +Der Krone, die dort glänzt, dein Auge leihst, +Dort, eh’ du kommst zu diesem Hochzeitsmahle, +Wird sitzen des erhabnen Heinrichs Geist, +Des Cäsars, der Italien zu gestalten +Kommt, eh’ es sich dazu geneigt beweist. +Die blinde Gier ist’s, die mit Zauberwalten +Euch gleich dem Kind macht, das die Brust verschmäht, +Die Nahrung hat, sein Leben zu erhalten. +Dem göttlichen Gerichtshof aber steht +Solch Obrer vor dann, daß er im Geheimen +Und offen nie mit ihm zusammengeht. +Doch stürzt des Himmels Räch’ ihn ohne Säumen +Vom Heil’gen Stuhl zur qualenvollen Welt, +Wo Simon Magus stöhnt in dunkeln Räumen, +Drob tiefer noch der von Alagna fällt." + + +Einunddreißigster Gesang + +So sah ich denn, geformt als weiße Rose, +Die heil’ge Kriegsschar, die als Christi Braut +Durch Christi Blut sich freut in seinem Schoße. +Allein die andre, welche, fliegend, schaut’ +Und singt des Ruhm, der sie in Lieb’ entzündet, +Die Huld, die hehre Kraft ihr anvertraut, +Sie senkt, ein Bienenschwarm, der jetzt ergründet +Der Blüten Kelch, jetzt wieder dorthin eilt, +Wo würz’ger Honigseim sein Tun verkündet, +Sich in die Blum’, im reichen Kelch verteilt, +Und flog dann aufwärts aus dem schönen Zeichen, +Dorthin, wo ihre Lieb’ all-ewig weilt; +Lebend’ger Flamm’, ihr Antlitz zu vergleichen, +Die Flügel Gold, das andre weiß und rein, +So daß nicht Reif noch Schnee den Glanz erreichen. +Und in die Rose zog von Reih’n zu Reih’n +Frieden und Glut, von ihnen eingesogen +Im Flug zur Hohe, stets mit ihnen ein. +Und, ob sie zwischen Blum’ und Höhe flogen, +Doch ward durch die beschwingte Menge nicht +Des Höchsten Blick und Glanz der Ros’ entzogen. +Denn so durchdringend ist das höchste Licht, +Das seinen Schimmer nach Verdienste spendet, +Daß nichts im Weltenall es unterbricht. +Dies Freudenreich, gesichert und vollendet, +Bevölkert von Bewohnern, neu und alt, +Hielt Lieb’ und Blick ganz auf ein Ziel gewendet. +O dreifach Licht, du, einem Stern entwallt, +Dort, wo man dich schaut, sel’gen Frieden hegend, +Schau’ her auf uns, die wilder Sturm umbaut.-- +Wenn die Barbaren, kommend aus der Gegend, +Die stets die Bärin deckt, in gleicher Bahn +Sich mit dem lieben Sohn im Kreis bewegend, +Zu jenen Zeiten, als der Lateran +Die Welt beherrscht’, von Staunen überwunden, +Rom und der Römer große Werke sah’n; +Wie ich, der ich, dem Menschlichen entwunden, +Zum Höchsten kam, von Zeit zur Ewigkeit, +Von Florenz zu Gerechten und Gesunden, +Wie mußt’ ich staunen solcher Herrlichkeit? +Lust fühlt’ ich, nicht zu sprechen, nichts zu hören, +Geteilt in Staunen und in Freudigkeit. +Gleichwie ein Pilgrim, der sein lang Begehren +Im Tempel des Gelübdes, schauend, letzt, +Und hofft von ihm einst andre zu belehren; +So war ich, zum lebend’gen Licht versetzt, +Den Blick, lustwandelnd, durch die Stufen führend, +Jetzt auf, jetzt nieder und im Kreise jetzt. +Gesichter sah ich hier, zur Liebe rührend, +In fremdem Licht und eignem Lächeln schön, +Gebärden, sich mit jeder Tugend zierend. +Im allgemeinen könnt’ ich schon ersehn, +Wie sich des Paradieses Form gestalte, +Doch blieb mein Blick noch nicht beim einzlen stehn; +Und da mir neuer Wunsch im Herzen wallte, +So kehrt’ ich, um zu fragen, mich nach ihr, +Wie das, was ich nicht einsah, sich verhalte. +Sie fragt’ ich, und ein andrer sprach zu mir. +Sie suchend, fand ich mich bei einem Greise, +Gekleidet in der andern Sel’gen Zier. +Auf Aug’ und Wang’ ergoß sich gleicherweise +So Gut’ als Freude--fromm war Art und Tun, +Wie’s Vätern ziemt, in lieber Kinder Kreise. +"Und wo ist sie?" so sprach ich eilig nun. +Drum er: "Beatrix hat mich hergesendet +Von meinem Platz, um dir genugzutun. +Du wirst, den Blick zum dritten Sitz gewendet +Des höchsten Grads, sie auf dem Throne schau’n, +Der ihren Lohn für ihr Verdienst vollendet." +Ohn’ Antwort hob ich rasch die Augenbrau’n-- +Sah sie--sah ew’ge Strahlen ihr entwallen +Im Widerschein und ihr die Krone bau’n. +Vom Raum, aus dem die höchsten Donner hauen, +War nimmer noch ein Menschenblick so weit, +Und war’ er auch ins tiefste Meer gefallen, +Als ich von meiner Herrin Herrlichkeit, +Doch sah ich klar ihr Bildnis niederschweben +Rein, unvermischt, in lichter Deutlichkeit. +"O Herrliche, du, meiner Hoffnung Leben, +Du, der’s zu meinem Heile nicht gegraut, +Dich in den Schlund der Hölle zu begeben, +Dir dank’ ich alles, was ich dort geschaut, +Wohin du mich durch Macht und Güte brachtest, +Und deine Gnad’ und Tugend preis’ ich laut. +Die du zum Freien mich, den Sklaven, machtest, +Mir halfst auf jedem Weg, in jeder Art, +Die du zu diesem Zweck geeignet dachtest, +Hilf, daß, was du geschenkt, mein Herz bewahrt, +Damit sich dir die Seele dort geselle, +Die Seele, die gesund durch dich nur ward." +So fleht’ ich heiß--und sie, von ferner Stelle, +Sie lächelte, wie’s schien, und sah mich an, +Dann schaute sie zurück zur ew’gen Quelle. +"Damit du ganz vollendest deine Bahn," +Begann der Greis, "auf der dich fortzuleiten +Ich Auftrag von der heil’gen Lieb’ empfah’n, +Laß deinen Blick durch diesen Garten gleiten, +Denn stärken wird dir dies des Auges Sinn, +Und ihn auf Gottes Strahlen vorbereiten. +Und sie, die mich entflammt, die Königin +Des Himmels, läßt uns ihre Gnade frommen, +Weil ich ihr vielgetreuer Bernhard bin." +Wie der, der von Kroatien hergekommen, +Um unser Schweißtuch zu betrachten, nicht +Satt wird, zu sehn, wovon er längst vernommen, +Und, wenn man’s zeigt, zu sich im Innern spricht: +Herr Jesus Christus, wahrer Gott, hienieden +War wirklich so geformt dein Angesicht? +So ich, als mir der Anblick ward beschieden +Der Liebe dessen, der in dieser Welt, +Betrachtend, schon gekostet jenen Frieden. +Er sprach: "Was Schönes dieses Reich enthält, +Wird, Sohn der Gnade, sich dir nimmer zeigen, +Wenn sich dein Blick nur tief am Grunde hält. +Doch laß den Blick von Kreis zu Kreise steigen, +Bis daß er sich zur Königin erhöht, +Vor der sich fromm des Himmels Bürger neigen." +Aufschaut’ ich, und, wie, wenn die Früh’ ersteht, +Der Ost den Himmelsteil mit goldnen Strahlen +Besiegt, in dem die Sonne niedergeht, +So, steigend mit dem Blick, wie wir aus Taten +Die Berg’ ersteigen, sah ich einen Ort +Im höchsten Rand all andres überstrahlen. +Und als ob früh der Ost, da, wo sofort +Die Sonne steigen soll, sich mehr entflamme, +Wenn sich das Licht vermindert hier und dort; +So sah ich jene Friedens-Oriflamme +Inmitten mehr erglüh’n, und bleicher ward +Bei ihrem Glanz der andern Lichter Flamme. +Ich sah viel tausend Engel, dort geschart, +Sie feiernd, mit verbreitetem Gefieder, +Verschieden jeglichen an Glanz und Art. +Und Schönheit lachte bei dem Klang der Lieder +Und bei dem Spiel und strahlt’ in Seligkeit +Aus aller andern Sel’gen Augen wieder. +Und reichte meiner Sprache Kraft so weit, +Als meine Phantasie, doch nie beschriebe +Ich nur den kleinsten Teil der Herrlichkeit. +Bernhard, bemerkend, daß mit heil’gem Triebe +An seiner glüh’nden Glut mein Auge hing, +Erhob auch sein’s zu ihr mit solcher Liebe, +Daß mein’s zum Schauen neue Glut empfing. + + +Zweiunddreißigster Gesang + +Indes sein Blick nach seiner Wonne flammte, +Tat er mit heil’gem Wort mir dieses kund, +Sich unterziehend freiem Lehreramte: +"Sie zu Mariens Fuß, die euch gesund +Und heil gemacht, die Erste dort der Frauen, +Die Schönste, die euch krank gemacht und wund. +Im Range, den die dritten Sitze bauen, +Wirst du sodann die Rahel unter ihr, +Mit Beatricen, deiner Herrin, schauen. +Sara, Rebekka, Judith zeigen dir +Sich mit des Ahnfrau, der im Bußgesange +Voll Reu’ ausrief: Herr, schenk’ Erbarmen mir! +Absteigend stufenweis von Rang zu Range, +Gereiht, wie Kunde dir mein Wort verlieh, +Von Blatt zu Blatt mit ihrer Namen Klange. +Hebräerfrau’n, vom siebten Kreis ab, wie +Bis hin zu ihm, ward dieser Sitz zuteile, +Und dieser Blume Locken scheiden sie, +Weil sie, wie gläubig sich der Blick zum Heile, +Das Christus gab, gewandt, als Mauer stehn, +Daß sich durch sie die heil’ge Stiege teile. +Hier, wo die Blume reich und voll und schön +Entfaltet ist, hier sitzen die Verklärten, +Die gläubig auf den künft’gen Christ gesehn. +Dort, wo noch leerer Raum für viel Gefährten +Im Halbkreis ist, dort sitzen die gereiht, +Die ihren Blick auf den Gekommnen kehrten. +Wie hier der Fürstin Stuhl in Herrlichkeit +Und unter ihr die ändern zu gewahren, +Und wie sie bilden solchen Unterscheid; +So dort der Stuhl des Täufers, der erfahren, +Der immer Heil’ge, Wüst’ und Märtyrpein +Und dann der Hölle Nacht in zweien Jahren. +Franz, Benedikt und Augustin--sie reih’n +Sich unter ihm, die Scheidewand zu bauen, +Mit andern unterhalb von Reih’n zu Reih’n. +Hier magst du Gottes hohe Vorsicht schauen, +Denn Glaube, welcher vor- und rückwärts sieht, +Erfüllt gleich zahlreich diese Gartenauen. +Und von der Stieg’ abwärts, die dies Gebiet +In zwei geschieden, sitzen solche Seelen, +Die eigenes Verdienst nicht herbeschied, +Nein, fremdes--nur darf der Beding nicht fehlen-- +Denn hier sind alle, die dem Leib entfloh’n, +Bevor sie noch vermochten, selbst zu wählen. +Dies merkst du an den Angesichtern schon +Und an den Stimmen, die noch kindlich klingen, +Wenn du wohl spähst und horchst auf ihren Ton. +Noch seh’ ich schweigend dich mit Zweifeln ringen, +Doch lösen werd’ ich dir das feste Band, +Mit welchem dich die Grübelei’n umschlingen. +Aus unsers ew’gen Königs weitem Land +Ist auch des kleinsten Zufalls blindes Walten, +Wie Hunger, Durst und Traurigkeit, verbannt. +Nach ewigem Gesetz muß sich gestalten +Was du hier siehst, und muß sich, wie der Ring +Zum Finger paßt, so unter sich verhalten. +Daher auch, wer dem Truge früh entging +Und zu der Wahrheit kam, nicht ohne Gründe +Mehr oder minder Herrlichkeit empfing. +Der Fürst, durch den dies Reich, entrückt der Sünde, +In solcher Lieb’ und solcher Wonne ruht, +Daß keiner ist, des Wille höher stünde, +Verteilt den Seelen, seiner heitern Glut +Entstammt, nach eigner Willkür seine Gaben; +Und g’nüge hier, was kund die Wirkung tut. +Und hiervon legt in jenen Zwillingsknaben +Die Heil’ge Schrift ein deutlich Beispiel dar, +Die sich bekämpft im Leib der Mutter haben. +Und also krönt der Gnade Schein ihr Haar, +Und also scheint das höchste Licht in ihnen +Nach ihrem Werte mehr und minder klar. +Verschieden, nicht nach dem, was sie verdienen, +Sind sie von Grad zu Grade hier gestellt, +Nur wie auf sie des Schöpfers Huld geschienen. +So g’nügt’ es in der Jugendzeit der Welt +Unschuld’gen, um zum Heile zu gelangen, +Daß Glaubenslicht der Eltern Geist erhellt. +Dann mußte, wie die erste Zeit vergangen, +Was männlich war, zuvor zur Seligkeit +Durch die Beschneidung noch die Kraft empfangen. +Doch, als gekommen war der Gnade Zeit, +Blieb ohne die vollkommne Taufe Christi +Die Unschuld in der ew’gen Dunkelheit. +Jetzt schau’ ins Antlitz, das dem Antlitz Christi +Am meisten gleicht, und deine Kraft erhoh’n +Wird seine Klarheit zu dem Anschau’n Christi." +Lust strahlt’ aus dem Gesicht, so klar und schön, +Die er zu ihr durch jene Heil’gen schickte, +Erschaffen, zu durchfliegen jene Höh’n, +Daß nichts, was ich noch je zuvor erblickte, +Mich also mit Bewunderung durchdrang, +Nichts mich so sehr durch Gottes Bild erquickte. +Die Liebe, die zuerst sich niederschwang, +Verbreitete vor ihr jetzt das Gefieder, +Indem sie--Sei begrüßt, Maria! sang. +Und alsogleich antworteten die Lieder +Der Sel’gen Geister diesem Himmelslied,-- +Und heitrer strahlten rings die Wonnen wider. +"O Heil’ger, du, den Lieb’ herniederzieht, +Der du für mich dem süßen Ort entronnen, +Wo ew’ge Vorsicht dir den Sitz beschied; +Wer ist der Engel, der mit solchen Wonnen +Im Blick Marias mit dem seinen ruht +Und scheint an ihr in Liebe sich zu sonnen?" +So wandt’ ich mich zu ihm mit heiterm Mut +Und sah ihn in Marias Glanz entbrennen, +Gleichwie den Morgenstern in Sonnenglut. +Und er: "Was Seel’ und Engel haben können +Von Zuversicht und Schönheit, er bekam +Es ganz von Gott, wie wir’s ihm alle gönnen, +Weil er zu ihr einst mit der Palme kam, +Als Gottes Sohn die Lasten, die euch drücken, +Nach seinem heil’gen Willen übernahm. +Doch folge meinem Wort mit deinen Blicken, +Und von dem frommen und gerechten Reich +Wirst du den hohen Adel jetzt erblicken. +Die zwei dort, an der höchsten Wonne reich, +Weil sie die Nächsten sind der Benedeiten, +Sind zweien Wurzeln dieser Rose gleich. +Der Vater sitzt zu, ihrer linken Seiten, +Des kühner Gaum der Menschheit fort und fort +Zu kosten gibt so herbe Bitterkeiten. +Sieh rechts der heil’gen Kirche Vater dort, +Dem dieser Blume Schlüssel übergeben +Auf Erden hat der Heiland, unser Hort. +Und jener, welcher noch im Erdenleben +Das Mißgeschick der schönen Braut erblickt, +Die Wundenmal’ erwarben, sitzt daneben. +Neben dem andern sitzt, in Ruh’ beglückt, +Des Volkes Führer, das der Herr mit Manna +Trotz Undanks, Tück’ und Wankelmuts erquickt +Dort sitzt, dem Petrus gegenüber, Anna +Und blickt die Tochter so zufrieden an, +Daß sie den Blick nicht abkehrt beim Hosianna. +Und gegenüber sitzt dem ersten Ahn +Lucia, die die Herrin dir gesendet, +Als du den Blick gesenkt zur schlimmen Bahn. +Doch bald ist nun dein hoher Traum beendet, +Drum tun wir, wie der gute Schneider tut, +Der, soviel Zeug er hat, ins Kleid verwendet. +Die Augen richten wir aufs höchste Gut +Und dringen so, indem wir nach ihm sehen, +So tief als möglich in die reine Glut. +Gewiß, und nicht vielleicht, muß rückwärts gehen, +Wer vorwärts hier die kühnen Flügel schwingt, +Denn Gnad’ erlangt man hier allein durch Flehen; +Gnade von jener, die dir Hilfe bringt, +Und folgen wirst du mir, wenn deine Liebe +Zu ihr empor mit meinem Worte dringt." +Und also betet’ er mit brünst’gem Triebe: + + +Dreiunddreißigster Gesang + +"O Jungfrau Mutter, Tochter deines Sohns, +Demüt’ger, höher, als was je gewesen, +Ziel, ausersehn vom Herrn des ew’gen Throns, +Geadelt hast du so des Menschen Wesen, +Daß, der’s erschaffen hat, das höchste Gut, +Um sein Geschöpf zu sein, dich auserlesen. +In deinem Leib entglomm der Liebe Glut, +An der die Blume hier äu ew’gen Wonnen +Entsprossen ist, in ew’gem Frieden ruht. +Die Lieb’ entflammst du, gleich der Mittagssonnen, +In diesem Reich; dort, in der Sterblichkeit, +Bist du der frommen Hoffnung Lebensbronnen. +Du giltst so viel, ragst so in Herrlichkeit, +Daß Gnade Suchen und zu dir nicht flehen, +Wie Flug dem Unbeflügelten gedeiht. +Du pflegst dem Armen huldreich beizustehen, +Der zu dir fleht, ja öfters pflegt von dir +Die Gabe frei dem Fleh’n vorauszugehen. +In dir ist Huld, Erbarmen ist in dir, +In dir der Gaben Fülle--ja, verbunden. +Was Gutes das Geschöpf hat, ist in dir. +Er, der vom tiefsten Schlund sich eingefunden +Des Weltalls hat, der Geister Art und Sein, +Von Reich zu Reich zu sehn und zu erkunden, +Er fleht zu dir, ihm Kräfte zu verleih’n, +Daß er die Augen höher heben könne, +Und seinen Blick für’s höchste Heil zu weih’n. +Und ich, der ich mehr für sein Schauen brenne, +Als für mein eignes je, wie dir bewußt, +Ich fleh’, und das, was ich gefleht, vergönne! +Nimm ihm der Erde Nacht von Aug’ und Brust +Und flehe du für ihn, daß sich entfalten +Vor seinen Augen mag die höchste Lust. +Noch bitt’ ich, Königin, dich, die du walten +Kannst, wie du willst, in ihm und solchem Sehn, +Gesund des Herzens Neigung zu erhalten. +Laß ihn der ird’schen Regung widerstehn; +Sieh Beatricen, sieh so viel Verklärte +Mit mir zugleich, die Hände faltend, fleh’n!" +Die Augen, die Gott liebt und wert halt, kehrte +Sie fest dem Redner zu und zeigte drin, +Ihr sei das fromme Fleh’n von hohem Werte. +Dann blickten sie zum ew’gen Lichte hin; +Und einen Blick so klar dorthin zu senden +Wie sie, vermag nicht des Geschöpfes Sinn. +Dem Ziel, zu dem sich alle Wünsche wenden, +Mich nähernd, fühlt’ in meinem Innern ich +So, wie ich mußte, jede Sehnsucht enden. +Und lächelnd winkte Bernhard mir, daß sich +Mein Auge nun empor zum Höchsten richte; +Doch, wie er wollte, war ich schon durch mich. +Denn stets ward’s klarer mir vorm Angesichte, +Und mehr und mehr drang durch den Glanz hinan +Mein Blick zum hohen, in sich wahren Lichte. +Und tiefer, größer war mein Schau’n fortan, +Daß solchen Blick die Sprache nicht bekunden, +Nicht die Erinnerung ihn fassen kann. +Wie der, dem nach dem Traum, was er empfunden, +Tief eingeprägt, das Herz noch lang erfüllt, +Wenn das, was er geträumt, ihm schon entschwunden; +So bin ich, dem beinah sein Traumgebild +Entschwunden ist, und dem die Lust, geboren +Aus jenem Traum, noch stets im Herzen quillt. +So schmilzt der Schnee, wenn aus des Ostens Toren +Die Sonn’ erwärmend steigt; so war beim Wind +In leichtem Staub Sibyllas Spruch verloren.-- +O höchstes Licht, das, was der Mensch ersinnt, +So weit zurückläßt, leih itzt meiner Seele +Ein wenig nur von dem, was ihr verrinnt. +Mach’ itzt, daß Kraft die Zunge mir beseele, +Damit ein Funke deiner Glorie nur +Der Nachwelt bleib’ in dem, was ich erzähle. +Wenn deine Huld von dem, was ich erfuhr, +Nur schwachen Nachhall diesem Liede spendet, +Dann sieht man klarer deiner Siege Spur. +Mich hätte, glaub’ ich, ganz der Blitz geblendet, +Den ich von dem lebend’gen Strahl empfand, +Hätt’ ich von ihm die Augen abgewendet. +Und ich erinnre mich: mein Mut erstand +Durch ihn, die Blitze kühner zu ertragen, +Bis sich mein Blick der ew’gen Kraft verband. +O überreiche Gnad’! Ich dürft’ es wagen, +Fest zu durchschau’n des ew’gen Lichtes Schein +Und ins Unendliche den Blick zu tragen. +Er drang bis zu den tiefsten Tiefen ein; +Die Dinge, die im Weltall sich entfalten, +Sah ich durch Lieb’ im innigsten Verein. +Wesen und Zufall, ihre Weis’, ihr Walten, +Dies alles war in eines Lichtes Glanz, +In eines unvermischten Lichts, enthalten. +Die Form, die allgemeine, dieses Bands, +Ich sah sie, glaub’ ich; denn den Schatten gleichen +Die Bilder nur, und Wonne füllt mich ganz. +Mehr macht mein Bild ein Augenblick erbleichen, +Als drittehalb Jahrtausende die Fahrt +Der Argo nach Neptunus’ fernsten Reichen. +Scharf, unbeweglich schaut’ in solcher Art +Die Seele nach dem göttlichen Gesichte, +Drob sie stets mehr im Schau’n entzündet ward. +Und also wird man dort bei jenem Lichte, +Daß es nicht sein kann, daß man, abgewandt +Von ihm, je anderwärts die Augen richte, +Weil es das Gut, des Wollens Gegenstand, +Ganz in sich faßt und ärmlich und voll Schwächen +All andres zeigt, was man vollkommen fand. +Kurz werd’ ich nun von dem Geschauten sprechen, +Und sprechend stell’ ich mich als Kindlein dar, +Dem noch Erinnerung und Wort gebrechen. +Nicht weil ein andrer jetzt, als einfach klar, +Der Schimmer ward, zu dem mein Blick sich kehrte; +Denn jener bleibt so, wie er immer war, +Nur weil im Schau’n sich meine Sehkraft mehrte, +Schien’s, daß verwandelt jener eine Schein, +Sich mir, der selbst verwandelt war, verklärte. +Zum tiefen, klaren Lichtstoff drang ich ein, +Da schienen mir drei Kreise, dort zu sehen, +Dreifarbig und an Umfang gleich zu sein. +Wie Iris in der Iris glänzt, so zween +Im Widerschein--der dritte, Glut und Licht, +Schien gleich von hier aus und von dort zu wehen. +Wie kurz, wie rauh mein Wort für solch Gesicht! +Und dem, was zu erschau’n mir ward beschieden, +Genügen wenig schwache Worte nicht. +O ew’ges Licht, allein in dir in Frieden, +Allein dich kennend und von dir erkannt, +Dir selber lächelnd und mit dir zufrieden, +Als ich zur Kreisform, die in dir entstand, +Wie widerscheinend Licht, die Augen wandte, +Und sie verfolgend mit den Blicken stand, +Da schien’s, gemalt in seiner Mitt’ erkannte, +Mit eigner Farb’, ich unser Ebenbild, +Drob ich nach ihm die Blicke gierig spannte. +Wie eifrig strebend, aber nie gestillt, +Der Geometer forscht, den Kreis zu messen, +Und nie den Grundsatz findet, welcher gilt; +So ich beim neuen Schau’n--ich wollt’ ermessen, +Wie sich das Bild zum Kreis verhielt’, und wie +Die Züge mit dem Licht zufammenflössen. +Doch dies erflog der eigne Fittich nie, +Ward nicht mein Geist von einem Blitz durchdrungen, +Der, was die Seel’ ersehnt hatt’, ihr verlieh. +Hier war die Macht der Phantasie bezwungen, +Doch Wunsch und Will’, in Kraft aus ew’ger Ferne, +Ward, wie ein Rad, gleichmäßig umgeschwungen, +Durch Liebe, die beweget Sonn’ und Sterne. + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die Göttliche Komödie, +von Dante Alighieri. + + + + + +End of Project Gutenberg's Die Goettliche Komoedie, by Dante Alighieri + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE GOETTLICHE KOMOEDIE *** + +This file should be named 8085-8.txt or 8085-8.zip + +Produced by Mike Pullen + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. 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